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German Pages XIV, 166 [174] Year 2020
Andrea Kloß
Deliberative Offenheit durch Empathie Eine experimentelle Untersuchung von Unterhaltung im politischen Kontext
Deliberative Offenheit durch Empathie
Andrea Kloß
Deliberative Offenheit durch Empathie Eine experimentelle Untersuchung von Unterhaltung im politischen Kontext
Andrea Kloß Leipzig, Deutschland Zgl. Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2020
ISBN 978-3-658-32434-6 ISBN 978-3-658-32435-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Eggert Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Danksagung
Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im April 2020 an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereicht habe. Ich hatte das Glück, dass mich zahlreiche Menschen während meiner Promotion begleitet und auf vielfache Weise unterstützt haben, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Allen voran möchte ich mich bei Anne Bartsch bedanken, für mich persönlich hätte es keine bessere Doktormutter geben können. Ich konnte so viel von ihr lernen, sie unterstützte und förderte meine eigenen Ideen und schließlich und vor allem glaubte sie immer, wirklich immer an mich. Ebenso gebührt Christoph Neuberger ein großer Dank, für seine Inspiration und auch für das Vertrauen, das er mir fortwährend entgegenbrachte. Bernhard Zangl danke ich für seine Bereitschaft, die Rolle des Drittprüfers zu übernehmen und mir dabei viele wertvolle Denkanstöße mitzugeben. Dem Münchener Promotionsausschuss sowie Prüfungsamt, insbesondere Manuela Stetter, danke ich für den reibungslosen organisatorischen Ablauf, der in Zeiten einer Pandemie alles andere als selbstverständlich zu erwarten war. Meinen Alltag hätte ich mir wohl kaum besser vorstellen können als mit meinen Kollegen und zugleich Freunden am IfKW München und IfKMW Leipzig: Ich kann nicht genug Veronika Karnowski und Claudia Riesmeyer danken, die mir nicht nur mit ihrer fachlichen Expertise zur Seite standen. Ein ganz besonderer Dank gilt außerdem Magdalena Obermaier, Larissa Leonhard und Dominik Leiner, die mich immer mit Rat und Tat unterstützt und damit viel Geduld mit mir bewiesen haben. Außerdem danke ich insbesondere Freya Sukalla, Johanna Schindler, Clarissa Schöller, Ines Engelmann, Benjamin Krämer, Angela Nienierza, Berhard Goodwin, Philip Baugut, Christina Rueß, Rebecca Venema,
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Danksagung
Christian Nuernbergk, Manuel Wendelin, Sebastian Scherr und natürlich Nina Springer für Inspiration, Rat und die vielen kleinen wertvollen Dinge. Anne Kaun und Hendrik Löwe haben mir schon früh das Modell Vollblutwissenschaftler vorgelebt und damit bei mir die wissenschaftliche Begeisterung geschürt, danke dafür. Abschließend möchte ich mich bei meinen Freunden und meiner Familie bedanken, die mich auch abseits der Wissenschaftswelt unterstützt und für einen Perspektivwechsel gesorgt haben, allen voran Tina, Christiane, Dani und meine Eltern. Der wichtigste Dank aber gilt Felix Frey, der mir den Rücken mit aller Kraft freigehalten hat und nie zugelassen hätte, dass ich aufgebe. München/Leipzig Herbst 2020
Andrea Kloß
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Ausgangslage und Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Gegenstand und Zielstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 6 8
2
Deliberation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Deliberation: Begriff, Dimensionen und Standards . . . . . . . . . . 2.1.1 Begriff und Arten von Deliberation . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Interne Deliberationsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Medienvermittelte Deliberation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Cross-Cutting Networks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Emotionen und Deliberation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9 9 12 16 17 19
3
Deliberative Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Formen und Faktoren der Informationsverarbeitung . . . . . . . . . 3.2 Deliberation und Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Verwandte Konstrukte mit Bezug zu deliberativer Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 24 29
Unterhaltung und deliberative Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Eudaimonisches Unterhaltungserleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Self-Transcendent Media Experiences . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Modell zur Integration von Deliberation und Entertainment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Transformationsgeschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40 42
4
33
44 45
VII
VIII
5
Inhaltsverzeichnis
Empathie und deliberative Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Zum Begriff der Empathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Empathie und Altruismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Empathie und Outgroups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Empathie für gegensätzliche Charaktere und Unterhaltung . . . 5.5 Kritische Positionen zur Rolle von Empathie im politischen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Verzerrungen durch Perspektivwechsel . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Mangelnde Unterscheidung von Selbst und anderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Empathie als Ersatz für tatsächlichen Austausch . . . . . . 5.5.4 Selektive Empathie und kognitive Dissonanz . . . . . . . . .
49 50 58 61 62
67 69 70
6
Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen . . . . . . . . . .
73
7
Methodische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Qualitative Vorstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Untersuchungsanlage und Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Untersuchungsanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Aufbau des Fragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Stimulusmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.1 Abhängige Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Mediatorvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.3 Manipulation Checks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.4 Kontrollvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 85 88 88 89 90 94 94 97 99 100
8
Studie 1 – hochgebildetes Sample . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Stichprobenplanung und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Stichprobe und Datenbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 Manipulation Check . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Hypothesenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
101 101 102 105 105 108
9
Studie 2 – niedriggebildetes Sample . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Stichprobenplanung und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Stichprobe und Datenbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Manipulation Check . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2 Hypothesenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115 115 116 119 119 120
66 66
Inhaltsverzeichnis
IX
10 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Zusammenfassende Diskussion der Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Kritik und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127 127 135
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 6.1
Abbildung 7.1 Abbildung 7.2 Abbildung 7.3 Abbildung 8.1 Abbildung 8.2 Abbildung 8.3 Abbildung 8.4
Abbildung 8.5
Abbildung 9.1 Abbildung 9.2
Hypothetisches Modell über den Effekt von Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über die Teilstudien des Projekts . . . . . . . . . . . Aufbau Stimuli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine und themenbezogene deliberative Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Profilplot der geschätzten Randmittel mit Transformationsgeschichten auf x-Achse, Studie 1 . . . . . Profilplot der geschätzten Randmittel mit Filmthema auf x-Achse, Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturgleichungsmodell mit Empathie für gegensätzliche Charaktere als Mediator, Studie 1 . . . . . . Strukturgleichungsmodell mit Empathie für gegensätzliche Charaktere und Reaktanz als Mediator, Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moderierte Mediation mit Einstellung, politischer Grundhaltung und politischemInteresseals Moderator, Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturgleichungsmodell mit Empathie für gegensätzliche Charaktere als Mediator, Studie 2 . . . . . . Strukturgleichungsmodell mit Empathie für gegensätzliche Charaktere und Reaktanz als Mediator, Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80 85 91 94 106 107 109
112
113 121
124
XI
XII
Abbildung 9.3
Abbildungsverzeichnis
Moderierte Mediation mit Einstellung, politische Grundhaltung und politisches Interesse als Moderator, Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1 Tabelle 5.1 Tabelle 5.2 Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle
7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 8.1 8.2 8.3 8.4
Tabelle 8.5 Tabelle 8.6
Tabelle 9.1 Tabelle 9.2 Tabelle 9.3
Dimensionen und Standards medienvermittelteröffentlicher Deliberation . . . . . . . . . . . . . . Definitionen von Empathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formen von Empathie in Bezug auf Gruppenbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimulusversionen der qualitativen Vorstudie . . . . . . . . . . . . Stimulusversionen/ experimentelle Bedingungen . . . . . . . . . Items allgemeine deliberative Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . Items deliberative Offenheit zu einem Thema . . . . . . . . . . . . Items Bewertung Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennwerte Skala Empathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Items glaubwürdige Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennwerte Skala wahrgenommene Transformation . . . . . . . Soziodemographie, Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politisches Interesse und Grundhaltung, Studie 1 . . . . . . . . . Verteilung der Stichprobe in Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht Manipulation Checks der Bedingung Transformationsgeschichten, Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deskriptive Statistiken der zentralen Konstrukte, Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indirekte und totale Effekte durch Transformationsgeschichten auf Indikatoren von deliberativer Offenheit, Studie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziodemographie, Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politisches Interesse und Grundhaltung, Studie 2 . . . . . . . . . Verteilung der Stichprobe, Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 51 56 86 89 95 96 96 98 99 100 103 104 105 108 110
111 117 118 119
XIII
XIV
Tabelle 9.4 Tabelle 9.5 Tabelle 9.6
Tabellenverzeichnis
Übersicht Manipulation Checks der Bedingung Transformationsgeschichten, Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deskriptive Statistiken der zentralen Konstrukte, Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indirekte und totale Effekte durch Transformationsgeschichten auf Indikatoren von deliberativer Offenheit, Studie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120 122
123
1
Einleitung
1.1
Ausgangslage und Relevanz
In der Gesellschaft existieren zu aktuellen kontroversen Themen, wie etwa dem Klimawandel oder der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, verschiedene, zunehmend jedoch auch unvereinbare Ansichten. Eine wachsende Polarisierung der Gesellschaft ist beispielsweise nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland zu beobachten (z. B. Lee, J. K., Choi, Kim, C. & Kim, Y., 2014; Melzer, 2016). Unter Polarisierung kann ein starkes Auseinanderdriften von Meinungen zu einem politischen Thema verstanden werden. Sie äußert sich in extremen, sich gegenüberstehenden politischen Meinungen (Wojcieszak, 2011a). Solche Entwicklungen sind nach Melzer (2016) mit einer Spaltung der Gesellschaft verknüpft. Das kann zu interpersonalen, aber auch gesellschaftlichen Konflikten führen. Angesichts solcher gesellschaftlichen Entwicklungen stellt sich die Frage, welche Mechanismen und Voraussetzungen einen fairen und freien Austausch zu politischen Inhalten begünstigen. Vorbild ist das normative Ideal des deliberativen Diskurses (Habermas, 2019, 2008). Diese Arbeit setzt dieses Ideal in den Mittelpunkt und untersucht die Rolle von Empathie für die Entwicklung deliberativer Offenheit. Zentrale Annahme ist, dass Empathie – verstanden als empathic concern (Batson & Ahmad, 2009) – die Bereitschaft stärkt, sich sowohl Argumenten, die den eigenen Ansichten entsprechen, als auch Argumenten der Diskursgegner, die im Gegensatz zu den eigenen Ansichten liegen, gleichermaßen zuzuwenden. Konflikte können nach der Theorie des kommunikativen Handelns (Habermas, 1987) nur dann deliberativ bearbeitet und gelöst werden, wenn die Argumente aller beteiligten Parteien gehört und berücksichtigt werden, sodass sich am Ende
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_1
1
2
1
Einleitung
das bessere Argument durchsetzt. Damit steht eher „die kooperative Suche nach gemeinsamen Problemlösungen“ (Habermas, 2008, S. 144) im Vordergrund der demokratischen Meinungs- und Willensbildung und weniger die konkurrierenden Interessen der Bürger1 (Habermas, 2008, S. 146). Um diese Entscheidungsfindung zu ermöglichen, sollte Deliberation zwischen Bürgern als freier und fairer Ablauf von Diskussionen über politische Streitfragen zwischen Personen, deren Standpunkte dabei nicht übereinstimmen (müssen), stattfinden (Zhang, W. & Chang, 2014, S. 125). Eine zu starke meinungsbezogene Polarisierung kann jedoch dazu führen, dass dieser wünschenswerte Ablauf gestört wird: Unter Umständen führt sie zu einer Verringerung der Zivilität im Austausch untereinander und zu einer geringeren Bereitschaft, andere Ansichten als die eigene einzubeziehen und bei der Meinungsbildung bzw. Entscheidungsfindung zu berücksichtigen (Wessler, 2008, S. 7). Letztendlich kann sogar ein vollständiger Abbruch des deliberativen Diskurses drohen: „[P]olitical talk may break down, unable to tolerate differences that reveal deeper divides“ (Wells et al., 2017, S. 152). Im Ergebnis würden politische Aushandlungsprozesse statt auf kritischer Selbstreflexion und der Wahrnehmung und Berücksichtigung anderer Positionen, wie es normativ wünschenswert wäre, auf subjektiven, letztlich selbstbezogenen Sichtweisen beruhen, bei denen die eigenen, persönlichen Anliegen in den Fokus gerückt und verabsolutiert werden. Auf diese Weise kann Deliberation im Sinne Habermas’ (1987) nicht stattfinden. Notwendig dafür ist ein Perspektivwechsel weg von einer solchen rein selbstbezogenen, egozentrischen Sichtweise hin zu einer Wahrnehmung von und einem Verständnis für die Belange von anderen und des Allgemeinwohls. Die dafür notwendigen Mechanismen und Voraussetzungen wurden bereits in ersten Untersuchungen empirisch erforscht. Einige Studien im Bereich der politischen Kommunikationsforschung setzten dabei an bekannten Einflussfaktoren der skizzierten gesellschaftlichen Polarisierung an (z. B. Kim, Y., 2017; Lee, J. K. et al. 2014; Schieferdecker & Wessler, 2017). Die Befunde dieser Studien legen nahe, dass Personen, die mit ihrer politischen Meinung übereinstimmende Medieninhalte nutzen, eher dazu neigen, polarisierte Einstellungen zu entwickeln. Warum im Weiteren ein Austausch zur Lösung von Konflikten über kontroverse Themen im Kontext von Polarisierung nicht fruchtet, kann mehrere Ursachen haben. Beispielsweise neigen Personen mit festgelegten Ansichten im Sinne eines confirmation bias dazu, eher Argumente 1 Im
Folgenden wird bei der Nennung von Personen die männliche Form verwendet, um eine flüssige Lesbarkeit zu ermöglichen. Die weibliche Form ist dabei explizit eingeschlossen.
1.1 Ausgangslage und Relevanz
3
zu erinnern, die der eigenen Meinung entsprechen (Mercier & Landemore, 2012, S. 251; Hart et al., 2009; Nickerson, 1998). Zudem fällt es leichter, zu den eigenen Ansichten konforme Botschaften zu akzeptieren und anders geartete Botschaften abzulehnen (Ditto & Lopez, 1992). Außerdem kann die Konfrontation mit gegenteiligen Ansichten zu Backfire-Effekten führen (Wojcieszak, 2011b). Personen mit extremen Ansichten könnten also dazu tendieren, ihre eigenen Überzeugungen noch mehr zu verfestigen, wenn sie mit gegenteiligen Ansichten anderer Diskursteilnehmer konfrontiert werden (Nickerson, 1998; Wojcieszak, 2011a; Wojcieszak & Price, 2010). Verschiedene Autoren nehmen außerdem an, dass durch Echokammern oder Filterblasen die eigenen Ansichten durch praktisch ausschließlich meinungskonforme Informationen noch verstärkt werden (Flaxman, Goel & Rao, 2016; Iyengar & Hahn, 2009; Pariser, 2011). Weiterhin können sich Menschen durch Überzeugungsversuche in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt sehen, was Reaktanz auslösen kann (Dillard & Shen, 2005). Verschiedene Vertreter der politischen Theorie und politischen Kommunikation sehen in der Offenheit ein kritisches Element der Deliberation (z. B. Burkhalter, Gastil & Kelshaw, 2002; Gutmann & Thompson, 2004; Hendriks, 2006). Einige Autoren verstehen Offenheit außerdem als Voraussetzung für Teilhabe am Diskurs (z. B. Barabas, 2004; Goodin & Niemeyer, 2003; Morrell, 2010; Nussbaum, 2014; Sprain & Ivancic, 2016). Dabei wurde das Merkmal Offenheit bisher vor allem als Voraussetzung auf Systemebene aufgearbeitet (z. B. aufgeklärtes Verständnis, engl. enlightened understanding; Gastil, 2008). Auf der subjektiv-individuellen Ebene wurde Offenheit als Merkmal der Diskursteilnehmer empirisch bisher vor allem im Zusammenhang mit sich überschneidenden Netzwerken (engl. crosscutting networks; Campbell & Kwak, 2011; Lee, H., Kwak & Campbell, 2015; Kwak, Lane, Lee & Liang, 2018) oder Online-Blogs (Borah, 2014; Hwang, Borah & Veenstra, 2008, Mai) sowie als Bestandteil anderer Konstrukte wie ziviler Großmut (engl. civic magnanimity; Gutmann & Thompson, 2004; Morrell, 2010), interner Deliberation (v. a. deliberation within; Weinmann, 2019) oder des kritischen Denkens (engl. critical thinking; Facione, 2000) untersucht. Forschung aus den Bereichen Wissensgenerierung und Gruppendynamiken legt dabei nahe, dass Offenheit eine Neugierde für andere Ansichten begünstigt und letztendlich zu einem besseren Verständnis führt (Mitchell & Nicholas, 2006; Tjosvold & Poon, 1998). Eine Studie von Wojcieszak, Winter und Yu (2020) untersuchte beispielsweise, wie Personen Nachrichten auswählen, nachdem sie daran erinnert wurden, wie wichtig Offenheit für diverse Ansichten als soziale Norm ist. Ihren Befunden zufolge steigt durch diese Aktualisierung von Offenheit die Bereitschaft von Personen, sich wieder stärker nicht-meinungskonformen Inhalten auszusetzen, was
4
1
Einleitung
indirekt auch zu einer abgeschwächten affektiven Polarisierung führt (Wojcieszak et al., 2020). Die Bedeutung von Offenheit für einen gelingenden Diskurs scheint also normativ begründbar und empirisch plausibel. Daher stellen sich zahlreiche Anschlussfragen, etwa inwiefern individuelle Faktoren oder Prädispositionen deliberative Offenheit begünstigen können. Neben kognitiven Prädispositionen könnte eine Reihe solcher Faktoren im Zusammenhang mit emotionalen Prozessen zu suchen sein, wie sie mittlerweile im deliberativen Kontext zunehmend Beachtung finden (Kim, N., 2016; Krause, 2008; MacKuen, Wolak, Keele & Marcus, 2010). Demnach reicht nach Meinung einiger Autoren für den notwendigen Perspektivwechsel allein rationales Argumentieren nicht aus, vielmehr müssten emotionale Brücken gebaut werden (Rosenberg, 2014). Die Rolle der Emotionen ist dabei durchaus ambivalent, da sie Deliberation einerseits unterstützen, aber andererseits auch hemmen können (z. B. Saam, 2018). Einige Autoren sind jedoch der Ansicht, dass sich insbesondere das Empfinden von Empathie positiv auf den Deliberationsprozess auswirkt, denn sie fördert den Respekt zwischen den Diskursteilnehmern und die Bereitschaft, sich für Belange und Argumente anderer zu öffnen (Goodin, 2003; Krause, 2008; Morrell, 2010; Nussbaum, 2014, S. 223; Rosenberg, 2014; Steenbergen, Bächtiger, Spörndli & Steiner, 2003; Wessler, 2018). So zeigen einige Untersuchungen, dass durch das Evozieren von Empathie für eine Outgroup Verständnis für die Situation dieser Outgroup hervorgerufen werden kann (Batson, 1987; Batson et al., 1997; Oliver, Dillard, Bae & Tamul, 2012). Folglich wird Empathie auf Grundlage dieser Studien das Potenzial zugeschrieben, sich positiv auf den Deliberationsprozess auszuwirken (Morrell, 2010). Insbesondere Empathie im Sinne von Mitfühlen und verstanden als selbsttranszendente Emotion (engl. self-transcendent emotion; Stellar et al., 2017) könnte sich im deliberativen Kontext als relevant erweisen (Wessler, 2018, S. 145), da über diesen Mechanismus das Interesse weg von den eigenen Belangen (Wessler, 2018, S. 147) hin zum Allgemeinwohl gelenkt und so eine Öffnung für Meinungen und Positionen anderer unterstützt werden könnte. Da es für diese Annahme jedoch noch keine empirischen Befunde gibt, setzt diese Arbeit an diesem Punkt an und untersucht, inwiefern Empathie deliberative Offenheit fördern kann. Trotz der Potentiale mahnen einige Kritiker zur Vorsicht gegenüber einem zu vorschnellen und unbedachten Loblied auf das Phänomen der Empathie, da sich Empathie auch negativ auf Deliberationsprozesse auswirken kann (z. B. Bloom, 2016; Breithaupt, 2017; Scudder, 2016). Den Kritikern ist insofern Recht zu geben, als dass ein bloßes Empfinden von Empathie nicht genügt, um einen idealen deliberativen Austausch zu erreichen (Scudder, 2016; Wessler, 2018, S. 146). Was folgen muss, ist die tatsächliche Auseinandersetzung mit unterschiedlichen
1.1 Ausgangslage und Relevanz
5
Meinungen und Ansichten durch innerliches Abwägen, aber auch durch den realen interpersonalen Austausch. In der vorliegenden Untersuchung wird dieser als notwendig erachtete tatsächliche Austausch allerdings nicht untersucht; im Fokus steht der Zusammenhang von Empathie und deliberativer Offenheit. Weiterhin wird Empathie häufig ausschließlich als eine möglichst akkurate Übernahme der Perspektive des anderen verstanden (Breithaupt, 2017, S. 10). In dieser Arbeit wird jedoch Empathie als empathic concern (Batson & Ahmad, 2009) konzeptualisiert, also als eine am Wohlbefinden anderer orientierte emotionale Reaktion. In einem nächsten Schritt ist von speziellem kommunikationswissenschaftlichem Interesse, in welchen Mediennutzungskontexten solche empathisch vermittelten Prozesse der Aktivierung oder Stärkung von deliberativer Offenheit stattfinden könnten. Hier erscheinen insbesondere Kontexte der Medienunterhaltung vielversprechend, die verschiedene Anknüpfungspunkte für die oben skizzierten Prozesse bieten. Bei der Medienunterhaltung steht weniger der Persuasionsversuch im Vordergrund, sondern (von nicht-narrativen Unterhaltungsformaten abgesehen) das Erzählen von Geschichten. Auf der Rezeptionsseite spielt für das Unterhaltungserleben das Hineindenken und -fühlen in andere Personen eine wichtige Rolle. Das wiederum führt zu reduzierten reaktanten Reaktionen (Green & Brock, 2000; Moyer-Gusé, 2008). Zudem kann Medienunterhaltung als Gelegenheit wahrgenommen werden, über das eigene Selbst hinauszugehen, sich und seinen Horizont zu „erweitern“ und dadurch weiterzuentwickeln. In neueren Untersuchungen werden Formen und Modelle des Unterhaltungserlebens, welche mit Horizonterweiterungen einhergehen als self-transcendent media experiences bezeichnet (Oliver et al., 2018; Raney et al., 2018). Hierunter zählen einige zum Teil bereits gut untersuchte Konzepte der Unterhaltung, wie eudaimonisches Unterhaltungserleben (z. B. Bartsch & Schneider, 2014), temporarily expanding the boundaries of the self (TEBOTS; Johnson, Slater, Silver & Ewoldson, 2016; 2014) sowie auch Transportation/narratives Erleben/Absorption oder Immersion (Busselle & Bilandzic, 2008; Gerrig, 1993; Green & Brock, 2000; Moyer-Gusé, 2008; Slater & Rouner, 2002), Identifikation (Cohen, J., 2001; Oatley, 1999), moral elevation (Raney, 2004) und die Auseinandersetzung mit moralisch mehrdeutigen Charakteren (engl. morally ambiguous characters, MACs; Krakowiak & Tsay-Vogel, 2015). Wie bereits erwähnt, stellen Empathie beziehungsweise verwandte Prozesse wie Identifikation und das Hineinfühlen in Charaktere eine wichtige Komponente auch bei Medienunterhaltung dar (z. B. Raney, 2011; Tamborini, 2011; Zillmann, 1991). Studien zeigen, dass Empathie elaboriertes Denken begünstigenund Vorurteile abbauen kann (Bartsch, Oliver, Nitsch & Scherr, 2018; Oliver
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1
Einleitung
et al., 2012). Möglicherweise sind in diesem Zusammenhang nicht nur Narrativität und die Darstellung von Protagonisten besonders interessant, sondern dazu auch narrative Strukturen, die einen persönlichen Wandel eines Protagonisten darstellen und damit Zuschauern die Gelegenheit geben, diesen Wandel nachvollziehen zu können. Ein Beispiel für solche Erzählstrukturen sind sogenannte Transformationsgeschichten (engl. transformation stories, Black, 2009). Deliberative Offenheit gegenüber der Meinung Andersdenkender kann auf zweierlei Wegen durch die Rezeption horizonterweiternder Unterhaltungsformate, insbesondere Transformationsgeschichten, gefördert werden: Erstens kann dem Zuschauer durch eine glaubwürdig dargestellte Wandlung eines Filmcharakters aufgezeigt werden, wie sich Menschen in Bezug auf eine Person ändern können, die für eine grundsätzlich andere Überzeugung steht. Insbesondere Transformation Stories, die eine Wandlung des Protagonisten beinhalten (Black, 2009), helfen, im Deliberationsprozess abstrakte Themen mit eigenen Lebenserfahrungen zu verbinden und können die Empfindung einer gemeinsam geteilten Erfahrung hervorrufen (Gastil, 2008; Gastil & Black, 2008). Zweitens kann deliberative Offenheit gefördert werden indem ein Zuschauer über Empathie und das Einfühlen in Filmcharaktere Zugang zur Innenperspektive dieser Charaktere gewinnt. Das bezieht sich insbesondere auf Charaktere, die für grundsätzlich verschiedene Überzeugungen stehen.
1.2
Gegenstand und Zielstellung
Angesichts der voranschreitenden Polarisierung der westlichen Gesellschaften steigt die Relevanz für die Erforschung der Mechanismen und Voraussetzungen, die einen fairen und freien Austausch zu politischen Inhalten begünstigen. In dieser Arbeit wird vor dem Hintergrund des normativen Ideals des deliberativen Diskurses (Habermas, 2019, 2008) die Rolle von Empathie für die Begünstigung deliberativer Offenheit untersucht. Die in dieser Arbeit untersuchte Empathie für gegensätzliche Charaktere entspricht dem Fokus von deliberativer Offenheit auf gegensätzliche Perspektiven, Interessen und Argumente. Insbesondere wird in dieser Untersuchung der Frage nachgegangen, wie mit Hilfe von horizonterweiternden Unterhaltungsformaten, insbesondere Transformationsgeschichten in Form von Spielfilmen, beim Zuschauer deliberative Offenheit gegenüber der Meinung Andersdenkender gefördert werden kann. Dazu werden die skizzierten theoretischen Annahmen zum Zusammenhang von Transformationsgeschichten, Empathie für gegensätzliche Charaktere und
1.2 Gegenstand und Zielstellung
7
deliberativer Offenheit zunächst ausführlicher dargestellt, hergeleitet und begründet. Um die zentralen Annahmen empirisch zu prüfen, wurden außerdem zwei Online-Experimente durchgeführt. Mit dieser Untersuchungsanlage wurden vier Ziele verfolgt: Erstens sollten möglichst kausale Aussagen über den Einfluss von Transformation Stories auf deliberative Offenheit getroffen werden können, indem der Effekt von Filmausschnitten, die eine glaubhafte Wandlung beinhalten, verglichen wird mit dem Einfluss von Filmausschnitten, die keine solche Wandlung beinhalten. Zweitens sollte sich dieser Zusammenhang unabhängig von einzelnen Filmen und deren Thematik zeigen. Die Studien verwendete daher Filme aus zwei verschiedenen gesellschaftlich kontrovers diskutierten Themenkontexten: den Themen Transgender-Diskriminierung und Rassismus. Drittens sollten für deliberative Offenheit geeignete Indikatoren bestimmt werden. Dafür wird deliberative Offenheit als latentes Konstrukt, bestehend aus vier Facetten, konzeptualisiert: Eine Form adressiert eine eher allgemeine deliberative Offenheit, die anderen drei Formen stehen in Zusammenhang mit einem vorgegebenen, kontroversen Diskussionsthema und fokussieren die deliberative Offenheit zu diesem Thema, die Nachvollziehbarkeit der Argumente der gegnerischen Seiten und das Verhalten in Cross-Cutting Networks. Im Rahmen der Studien wurde untersucht, inwiefern diese Formen angemessen für das Konstrukt deliberative Offenheit sind und inwiefern sie durch die Manipulation durch Transformationsgeschichten beeinflusst werden. In der vorliegenden Arbeit soll Offenheit im Kontext von kontroversen politischen Themen untersucht werden; dafür eignen sich vor allem Samples, die aus Personen mit möglichst unterschiedlichen Meinungen zu einem Thema bestehen (Hwang et al., 2016). In einigen Studien wird dem beispielsweise nachgekommen, indem im Vorfeld Teilnehmer entsprechend rekrutiert wurden, etwa nach der politischen Gesinnung (Kwak et al., 2018). Allerdings wurde Offenheit häufig anhand von eher hochgebildeten Samples erhoben. Untersuchungen mit niedriggebildeten Samples hingegen liegen kaum vor. Bei einem rein studentischen Sample besteht allerdings die Gefahr von Deckeneffekten, da Studierende als überdurchschnittlich offen einzuschätzen sind. Personen mit einem höheren Bildungsabschluss schätzen sich beispielsweise als offener ein als Personen mit niedrigerem Bildungsabschluss (Vassend & Skrondal, 1995). Daher sollte viertens überprüft werden, ob sich entsprechende Befunde im Sinne der Annahmen sowohl in einem hochgebildeten als auch in einem niedriggebildeten Sample finden lassen.
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1.3
1
Einleitung
Aufbau der Arbeit
Im ersten Schritt wird ein kurzer Überblick zum Begriff der Deliberation gegeben (Kapitel 2). Im Speziellen wird hier auf Konzepte der „internen“ Deliberation eingegangen, um auf deliberative Offenheit als Voraussetzung für einen gelingenden deliberativen Austausch hinzuleiten. Insbesondere wird in diesem Kapitel herausgestellt, warum ein Austausch in cross-cutting networks und damit mit Personen, die anderer Meinung sind, so wichtig für eine fruchtbare Deliberation ist und inwiefern Emotionen eine positive oder negative Rolle spielen können. Darauf aufbauend beschäftigt sich Kapitel 3 mit deliberativer Offenheit als einem der zentralen Konstrukte dieser Arbeit. Ausgehend von dieser Konzeptionalisierung werden Faktoren des Unterhaltungserlebens herausgearbeitet, die deliberative Offenheit begünstigen können (Kapitel 4). Als ein für diese Arbeit zentraler Faktor für die Förderung von deliberativer Offenheit wird Empathie betrachtet. Kapitel 5 diskutiert daher den Begriff der Empathie in verschiedenen Forschungskontexten einschließlich kritischer Positionen. Diese Überlegungen bilden die Grundlage für eine neuartige Konzeption der gemischten Empathie beziehungsweise Empathie für gegensätzliche Charaktere. Anhand der theoretischen Überlegungen und des aktuellen Forschungsstands werden in Kapitel 6 eine Forschungsfrage formuliert und Hypothesen für die empirischen Studien abgeleitet. Aufbauend auf diesem theoretischen Rahmen werden im zweiten Teil der Arbeit die Umsetzung und Ergebnisse der beiden empirischen Studien vorgestellt. Die Methodik war bis auf die Zusammensetzung der Samples größtenteils identisch. Daher werden zunächst Pretest, Untersuchungsanlage des OnlineExperiments, Fragebogen, Stimuli und die Operationalisierung der beiden Studien gemeinsam vorgestellt (Kapitel 7). Gesondert wird hingegen für jede Studie auf die Planung der Stichprobe und auf die Datenerhebung, sowie die realisierte Stichprobe und Ergebnisse eingegangen. In Studie 1 wurden die Annahmen anhand eines hochgebildeten Samples geprüft (Kapitel 8), in Studie 2 anhand eines niedriggebildeten Samples (Kapitel 9). Abschließend werden in Kapitel 10 die Befunde aus den beiden Studien zusammenfassend vorgestellt und Schlussfolgerungen gezogen. Die Arbeit endet mit einer kritischen Reflexion und Anregungen für zukünftige Forschung.
2
Deliberation
Bevor das Konzept der deliberativen Offenheit vorgestellt wird, folgt zunächst eine knappe Begriffsbestimmung von Deliberation. Der Fokus liegt dabei auf der internen Deliberation als theoretischer Grundlage für deliberative Offenheit. Ein Austausch von heterogenen Gruppen ist für Deliberation essentiell, daher wird ein kurzer Einblick zu Untersuchungen von Offenheit und cross-cutting networks gegeben. In dieser Arbeit liegt der Fokus zum einen auf der individuellen Ebene und zum anderen auf den Voraussetzungen für eine positive Beeinflussung des Diskurses. Verschiedene Faktoren können diesen Austausch beeinflussen, im Fokus dieser Arbeit steht jedoch Empathie als moralische Emotion. Daher wird in diesem Kapitel exkursartig auf die bisweilen ambivalente Rolle der Emotionen in Zusammenhang mit Deliberation eingegangen und diskutiert, in welcher Hinsicht Emotionen förderlich für Deliberation sein können.
2.1
Deliberation: Begriff, Dimensionen und Standards
2.1.1
Begriff und Arten von Deliberation
Vor dem Hintergrund der Konfrontation westlicher Demokratien (wie den USA und Deutschland) mit einer zunehmenden Polarisierung und sozialen Fragmentierung wenden sich Vertreter der politischen Theorie zunehmend einem deliberativen Ansatz zu (für einen Überblick: Dryzek et al., 2019; siehe auch: Cohen, J., 1997; Dryzek, 2002; Gutmann & Thompson, 2004; Rosenberg, 2007). Dies wird auch als deliberative turn in der Demokratietheorie bezeichnet (Dryzek, 2002; Morrell, 2010, S. 7). Gemeint ist damit eine Wendung weg von wahlzentrierten Demokratiemodellen, in denen die Arithmetik von Wählerstimmen im © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_2
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10
2
Deliberation
Mittelpunkt steht, hin zu Modellen, die den Kern von Demokratie darin sehen, Raum für die gesellschaftliche Diskussion unter Angabe von Gründen zu lassen (Dryzek, 2002, S. 1–30; Goodin & Niemeyer, 2003, S. 627). Diese Wendung wird damit begründet, dass mit Hilfe solcher deliberativer Prozesse am ehesten gesellschaftliche Gegensätze überbrückt und politische Entscheidungen nachvollzogen und damit legitimiert werden können (z. B. Rosenberg, 2007, S. 336). Deliberative Demokraten sehen politische Entscheidungen dann als bindend und legitim an, wenn sie aus kollektiver Intention heraus und im Zuge eines freien und gleichwertigen Austauschs aller Beteiligten getroffen wurden (Goodin, 2000, S. 81–82; Gutmann & Thompson, 2004, S. 4–5; Rawls, 2005). Einige politische Theoretiker setzen den Begriff Deliberation mit einem Prozess gleich, der zu einer informierten, legitimen Entscheidung führt (Ackerman & Fishkin, 2002; Fishkin, 1991). Ganz allgemein wird unter Deliberation der Austausch von Argumenten für oder gegen etwas (Aristoteles, übers. 2007, I, 2), wie etwa einen bestimmten Vorschlag (Thompson, 2008), verstanden. Dieser Austausch führt idealerweise zu einer informierten und reflektierten Entscheidungsfindung (Gastil, 2008). In der Literatur findet sich häufig eine Aufteilung von Deliberation in eine Input-, Throughput- und Output-Dimension (z. B. Friess & Eilders, 2015; Wessler, 2008). Diese umfassen grob institutionelle Bedingungen des Prozesses (Input), die Kommunikation untereinander (Throughput) und die Ergebnisse (Output). Insbesondere in Bezug auf medienvermittelte öffentliche Deliberation schlägt Wessler (2008) Standards vor, die auch als Grundlage für empirische Untersuchungen medienvermittelter Deliberationsprozesse dienen können (siehe Tabelle 2.1). Wojcieszak (2011a, S. 597) arbeitet basierend auf Burkhalter, Gastil und Kelshaw (2002) drei zentrale Bestandteile heraus, durch die Deliberation von anderen, ähnlichen Formen des Austauschs (z. B. Debatten, Diskussionen) unterschieden werden kann: Im Zuge der Analyse eines Problems und der Suche nach Lösungen werden von den Diskursteilnehmern verschiedene, zueinander im Wettbewerb stehende Argumente angeboten (decision-making element). Aus Respekt für die voneinander abweichenden Sichtweisen der Diskursteilnehmer sollten alle vorgebrachten Argumente gleichermaßen berücksichtigt werden (democratic element). Die gegnerischen Parteien beteiligen sich an einer themenzentrierten Diskussion, auch wenn die Fertigkeiten des Zuhörens und Sprechens der Teilnehmer unterschiedlich ausgeprägt sind (dialogue element). In der deliberativen Theorie wurden zudem einige Voraussetzungen für einen deliberativen Austausch formuliert (Friess & Eilders, 2015; Mutz, 2008), die Hand in Hand mit diesen Bestandteilen von Deliberation gehen, darunter beispielsweise Gleichheit, Zivilität, gegenseitiger Respekt und Bereitschaft für Dialog (Ferree, Gamson, Gerhards & Rucht, 2002).
2.1 Deliberation: Begriff, Dimensionen und Standards
11
Tabelle 2.1 Dimensionen und Standards medienvermittelteröffentlicher Deliberation Dimension
normativer Standard/ gewünschter Effekt
interne Deliberationsprozesse erfordern Überwinden von …
Input (Wer sollte im Diskurs Beachtung finden?)
Chancengleichheit für Themen, Ideen und Argumente
selective exposure → cross-cutting exposure
Throughput (Wie sollte der Diskurs stattfinden und wie sollten Ideen zum gegenseitigen Austausch in Beziehung gesetzt werden?)
Rechtfertigung Gegenrede Höflichkeit
confirmation bias → ergebnisoffene Elaboration
Output (Was ist das gewünschte Ergebnis des Diskurses?)
Begründeter Dissens Nutzen für Bürger und politische Entscheidungsträger
Polarisierung → Verständnis, Respekt
Anmerkung. Darstellung basierend auf Wessler (2008, S. 3–5)
Einige Autoren betonen, dass Aktivitäten im Rahmen politischer Deliberation sowohl aus internen als auch aus externen Diskussionen besteht (z. B. Goodin, 2000; Goodin & Niemeyer, 2003). Unter externer Deliberation wird Aristoteles’ „Beratungsrede“ (Aristoteles, übers. 2007, I, 3) bzw. deliberative speaking (Aristoteles, übers. 2007, I, 3) verstanden; sie zielt, wie oben beschrieben, auf die kollektive Entscheidungsfindung ab (Goodin, 2000). Im Vordergrund stehen dabei der Austausch und die Diskussion mit anderen Individuen, um durch das Abwägen der Argumente zu einer Lösung eines Konfliktes zu gelangen1 . Zunächst konzentrierte sich die Forschung der deliberativen Demokratie auf diese externe Deliberation, da die kollektive Entscheidungsfindung essentieller Bestandteil der Demokratie ist (Goodin, 2000). In den letzten Jahren wurde in der Literatur jedoch zunehmend auch die interne Komponente des Deliberationsprozesses in den Blick genommen (z. B. Goodin, 2000). Eine Definition, die die interne, psychologische Perspektive berücksichtigt, schlagen Mercier und Landemore (2012, S. 246) vor: „An activity is deliberative to the extent that reasoning is used to gather and evaluate arguments for and against a given proposition“. Argumentieren als kognitive Aktivität wird hier nicht nur als Austausch zwischen zwei Individuen verstanden, um zu Argumenten und begründeten Meinungen 1 Einen
umfassenden Einblick in deliberative Demokratie bietet der Sammelband von Bächtiger, Dryzek, Mansbridge und Warren (2018); für einen ausführlichen Überblick zu jahrzehntelanger Deliberationsforschung siehe Bächtiger und Parkinson (2019).
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2
Deliberation
und Entscheidungen zu gelangen, sondern auch die interne Deliberation wird berücksichtigt (Mercier & Landemore, 2012). Andere Definitionen beziehen sich ebenfalls auf die Innenperspektive der Deliberierenden. Lindeman (2002) versteht Deliberation als „a cognitive process in which individuals form, alter, or reinforce their opinions as they weigh evidence and arguments from various points of view“ (S. 199). Im Zuge des deliberativen Prozesses ist es demnach wichtig, neue Informationen und Argumente zuzulassen und gegebenenfalls die eigenen Sichtweisen auf Grund dessen zu verwerfen. Auch Chambers (2003) betont die Möglichkeit der Revision eigener Positionen im Austausch mit anderen und definiert Deliberation als „debate and discussion aimed at producing reasonable, well-informed opinions in which participants are willing to revise preferences in light of discussion, new information, and claims made by fellow participants“ (S. 309). Im Idealfall treffen also gut informierte Diskursteilnehmer aufeinander und sind bereit, sich alle Informationen und Argumente anzuhören, um eine Lösung eines Problems mit Hilfe des besten Argumentes zu finden. Demokratie ist somit auf Kommunikation angewiesen, damit ein Meinungsaustausch stattfinden kann. Deliberation liegt vor, wenn ein Problem sorgfältig betrachtet und eine gut überdachte Lösung dafür gefunden wird, die respektvoll alle Sichtweisen betrachtet (Burkhalter et al., 2002; Gastil, 2008). Die interpersonale beziehungsweise externe Deliberation ist gut untersucht (z. B. Delli Carpini, Huddy & Shapiro, 2002; Nabatchi, Gastil, Leighninger & Weiksner, 2012). Studien zu den internen Deliberationsprozessen sind hingegen im Vergleich dazu bislang selten (Rosenberg, 2014), wobei bereits erste Studien zu Einstellungsänderungen während des Deliberationsprozesses (Barabas, 2004; Niemeyer, 2011) und zu Einstellungsänderung und deliberation within vorliegen (z. B. Goodin & Niemeyer, 2003; Weinmann, 2018).
2.1.2
Interne Deliberationsprozesse
In dieser Arbeit liegt der Fokus auf der internen Deliberation mit dem normativen Standard der „openness or equal opportunity for topics, perspectives, interpretations, ideas, and arguments“ (Wessler, 2008, S. 3). Insbesondere soll Offenheit als individuelle Voraussetzung des Einzelnen für eine kompetente Teilnahme am Deliberationsprozess betrachtet werden. Es wird davon ausgegangen, dass sich eine Förderung von Offenheit positiv auf den gesamten Deliberationsprozess auswirkt (also auf Input-, Throughput- und Output-Dimension, siehe Tabelle 2.1). Diese Annahme verweist auf eines der Spezifika des Konzepts der deliberativen Demokratie: Entscheidungen werden demnach nicht auf Grund von
2.1 Deliberation: Begriff, Dimensionen und Standards
13
Partikularinteressen getroffen, sondern in der Deliberation sollte das Gemeinwohl und weniger die eigenen Interessen im Vordergrund stehen (Sprain & Ivancic, 2016). Beispielsweise wird angenommen, dass eine Person, die kritisch die verschiedenen Argumente reflektiert, bevor sie in den interpersonalen Austausch mit anderen Diskursteilnehmern tritt, toleranter gegenüber anderen Ansichten ist und zugleich das eigene Repertoire an Argumenten erweitert, was die nachfolgende interpersonale Deliberation verbessert (z. B. Weinmann, 2018, S. 367). Aus medienpsychologischer Sicht geht es in allen drei Dimensionen darum, kognitive Dissonanzen (Festinger, 1957) zu reduzieren, die sich ergeben, wenn man im politischen Diskurs mit konträren Meinungen oder Ansichten konfrontiert wird. Noch bevor der Austausch von Gedanken in der Throughput-Dimension beginnt, sollten also aus normativer Sicht die idealen Voraussetzungen für das Gelingen von Deliberation geschaffen werden und dazu gehört die individuelle Offenheit für verschiedene Argumente (Habermas, 1990). In der Input-Dimension geht es darum, für eine gelingende interne Deliberation selective exposure (Knobloch-Westerwick & Meng, 2009) zu überwinden und sich auch Meinungen aus dem entgegengesetzten Ende des Meinungsspektrums auszusetzen (crosscutting exposure, Kwak et al., 2018; Wojcieszak et al., 2020). In der weiteren Kommunikation untereinander in der Throughput-Dimension des Deliberationsprozesses sollten nicht nur Argumente erinnert werden, die der eigenen Meinung entsprechen, was im Ergebnis einen confirmation bias bedingen oder verstärken würde (Mercier & Landemore, 2012, S. 251; Hart et al., 2009; Nickerson, 1998), sondern ergebnisoffen auch über Argumente der Gegner nachgedacht werden. Im Ergebnis des Diskurses (Output-Dimension) schließlich sollte wenn schon kein Konsens, so doch ein begründeter Dissens stehen (Wessler, 2008), getragen vom gegenseitigen Verständnis (Habermas, 2019), im Sinne des Begreifens und Nachvollziehens, aber auch des Respekts für andere Meinungen, statt eines weiteren Auseinanderdriftens von Meinungen, was in gesellschaftlicher Polarisierung münden kann. Im Folgenden werden deliberative Konzepte näher betrachtet, die Erklärungen liefern, warum demnach Offenheit in der internen Deliberation von Bedeutung ist. Gastil (2008, S. 4–8) benennt basierend auf Robert Dahl (1989) drei essentielle Kriterien für Demokratie: Inklusion, Möglichkeiten zur Partizipation (traditionell: Wählen gehen) und aufgeklärtes Verständnis (engl. enlightened understanding). Je mehr Deliberation in einem System stattfindet, desto ausgeprägter sind diese drei Kriterien des demokratischen Prozesses (Gastil, 2008, S. 8). Allerdings wird vor allem das aufgeklärte Verständnis als kritisches Kriterium für die (deliberative) Demokratie angesehen, da sich hierin ein deliberatives System von einem unreflektierten System unterscheidet (Gastil, 2008, S. 7). Zugespitzt formuliert:
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2
Deliberation
Wenn Bürger nicht die Fähigkeit besäßen, für sich selbst zu denken oder zu urteilen, würde es sich letztlich nur um eine „hypothetical nation of zombie-citizens“ handeln (Gastil, 2008, S. 4). Ein eindeutiges Zeichen für aufgeklärtes Verständnis ist dabei nach Gastil, wenn Bürger nicht nur ihre eigene Sicht zu Themen wiedergeben, sondern auch die Sichtweisen derjenigen darlegen können, mit denen sie gerade nicht übereinstimmen. Dabei werden relevante Fakten ebenso wie die emotionalen Erfahrungen der anderen (deren Meinung man nicht ist) berücksichtigt, um deren Ängste und Hoffnungen zu verstehen (Gastil, 2008, S. 7). Damit das gelingen kann, müssen die Diskursteilnehmer bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Vor allem der bereits angesprochene normative Standard der Offenheit wird hier als kritisches Voraussetzungsmerkmal verstanden (Barabas, 2004, S. 688). Nur wenn eine grundsätzliche Offenheit gegenüber Sichtweisen anderer besteht, die der eigenen Meinung auch widersprechen können, werden diese im Zuge der kritischen Reflexion und des Abwägens berücksichtigt. Gastil nennt zudem neben diesen kognitiven auch eine emotionale Komponente, die des Mitfühlens mit dem Gegner. Hier deutet sich an, dass Empathie im Deliberationsprozess ebenfalls eine wichtige Rolle spielen kann (siehe Kapitel 5). Damit das aufgeklärte Verständnis als kritisches Kriterium entstehen kann, ist einerseits der interpersonale Austausch wichtig, indem die verschiedenen Sichtweisen und Argumente wahrgenommen werden. Es gibt bereits Studien, die aufzeigen, wie solch ein Austausch stattfinden sollte (z. B. höflich, respektvoll, begründet, usw., Weinmann, 2019; Weinmann & Vorderer, 2018; Wessler, 2008). Andererseits sind auch bestimmte interne, kognitive Prozesse vonnöten, um ein aufgeklärtes Verständnis entstehen zu lassen. Der interne Prozess wird von Goodin und Niemeyer (2003, S. 628) als deliberation within bezeichnet und meint einen hypothetischen imaginären Diskurs. Ziel dieses imaginären Diskurses ist es, das Gegenüber zu verstehen, vorausgesetzt es ergibt Sinn, was kommuniziert wird (Goodin, 2000, S. 93). Um diesen Sinn zu entschlüsseln, ist es nach Goodin notwendig, sich selbst in die Lage des anderen zu versetzen (Goodin, 2000, S. 93). In diesem Zusammenhang wird betont, dass es sich bei dieser internen Deliberation niemals um einen Ersatz für externe Deliberation handeln kann, sondern eher um eine wichtige Ergänzung dazu. Sie sollte jedoch einen „Ehrenplatz“ erhalten, denn diese internen Prozesse führen dazu, dass die eigenen Entscheidungen reflektiert werden (Goodin & Niemeyer, 2003, S. 628). Basierend auf dieser Reflexion sollten die Ergebnisse der internen Deliberation aber zusätzlich durch externe, kollektive Deliberation validiert werden. Nur so handele es sich tatsächlich um einen demokratischen Prozess (Goodin, 2000, S. 84).
2.1 Deliberation: Begriff, Dimensionen und Standards
15
Laut Goodin und Niemeyer (2003) findet der Großteil der internen Deliberation statt noch bevor überhaupt der Austausch mit anderen im Gespräch beginnt. Ideale der deliberativen Demokratie verlangen, dass die Diskursteilnehmer aufgeschlossen und unvoreingenommen an öffentliche Diskussionen herangehen. Ein „open mind“ bedeutet in diesem Sinne die Bereitschaft, die eigene Meinung im Zuge nachfolgender Beweise und Argumente zu ändern (Goodin & Niemeyer, 2003, S. 629). Die intern-reflexiven Prozesse finden also auch während des Austauschs statt, um auf Argumente und Begründungen des Gegenübers adäquat reagieren zu können (Goodin & Niemeyer, 2003, S. 629). Weiterhin sei wichtig, sich in die Lage des anderen hineinversetzen zu können, um besser verstehen können, was die betreffende Person mit ihren Argumenten sagen will; daher sei auch Empathie unentbehrlich. Goodin und Niemeyer (2003, S. 629) räumen allerdings ein, dass es auch Schwierigkeiten mit sich brächte, wenn jeder Diskursteilnehmer komplett offen in einen Deliberationsprozess hineinginge. „Komplett offen“ bedeutet in diesem Zusammenhang die fehlende Bereitschaft, zunächst überhaupt eine Position einzunehmen. Somit hätte die Deliberation keinen Ausgangspunkt. Jeder Diskursteilnehmer sollte daher zunächst über eine eigene Position als Ausgangspunkt verfügen, damit der folgende Diskurs fruchtbar sein kann. Auch andere Autoren unterscheiden zwischen interner und externer Deliberation oder treffen analoge Unterscheidungen, wie etwa Mercier und Landemore (2012), die von öffentlicher (externer) und privater Deliberation sprechen (S. 247). Eine Person simuliert ihnen zufolge bei der privaten Deliberation verschiedene Meinungen und versucht durch logisches Denken Argumente für oder gegen diese Meinungen zu finden (Mercier & Landemore, 2012, S. 247). Wenn die Person jedoch nur Argumente findet, die die eigene Meinung bestärken, liegt zwar logisches Schlussfolgern vor, jedoch keine Deliberation. Außerdem sollten Argumente nicht nur gebildet, sondern auch bewertet werden, damit sie eine echte Chance haben, andere Diskurspartner potentiell zu beeinflussen (Mercier & Landemore, 2012). Zusammenfassend ist also für einen normativen Standards genügenden deliberativen Austausch mit anderen Menschen die interne kognitive Berücksichtigung und gegebenenfalls Abwägung verschiedener, auch kontroverser Argumente wichtig. Welchen Anteil diese Berücksichtigung und Abwägung am Deliberationsprozesses insgesamt haben, ist individuell in jedem Diskurs verschieden. Wichtig ist dabei jedenfalls die Bereitschaft, im Sinne des Kriteriums der Offenheit unterschiedliche, auch andere Standpunkte stützende, Argumente zu berücksichtigen. Dies ist von essentieller Bedeutung während der gesamten Diskussion, also gleichermaßen in der Input-, Throughput- und Output-Dimension. Innerliche
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Deliberation
Deliberationsprozesse finden also auch während des Diskurses statt, um die Argumente und vorgelegten Beweise anderer Diskursteilnehmer zu verstehen, diese nachzuvollziehen und darauf zu antworten (Goodin & Niemeyer, 2003, S. 629). Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dieser grundsätzlichen Bereitschaft zum innerlichen Abwägen zu Beginn des Deliberationsprozesses, ohne dass eine Einstellungsänderung stattgefunden haben muss. Eine Einstellungsänderung würde gegebenenfalls im Laufe des Deliberationsprozesses vollzogen, sofern nach dem normativen Ideal das bessere Argument überzeugt und eine reflektierte Entscheidung getroffen wird.
2.1.3
Medienvermittelte Deliberation
Idealerweise sollten alle Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft am deliberativen Diskurs teilhaben, auch in bevölkerungsmäßig großen Gesellschaften wie etwa der Bundesrepublik Deutschland. Das Ideal des interpersonalen Austauschs ist jedoch in so großen Gesellschaften nicht umsetzbar. Deshalb betrachten einige Vertreter der deliberativen Theorie die medienvermittelte Deliberation (z. B. Rinke, 2016) als Chance, Deliberationsprozesse auch in großen Gesellschaften zu ermöglichen (Gastil, 2008; Page, 1996). Die Diskursführung wird dabei an Akteure wie Politiker, Journalisten oder Wissenschaftler übertragen und Bürger nehmen als Publikum der Massenmedien daran indirekt teil. Damit wird die Hoffnung verbunden, dass das Publikum durch die Mediennutzung mit verschiedenen Meinungen und Standpunkten konfrontiert wird und sich damit auseinandersetzt (Gastil, 2008; Page, 1996). Neuere Ansätze befassen sich nicht mehr nur mit den traditionellen Massenmedien, sondern zunehmend mit einer dynamischen Netzwerköffentlichkeit, in der verschiedene Formen der Interaktion zwischen unterschiedlichen Akteuren an Bedeutung gewinnen (Neuberger, 2014, S. 571). Neuberger (2014) arbeitet drei idealtypische Interaktionsmodi heraus: Konflikt, Kooperation und Konkurrenz. Die grundlegende Idee ist, dass Akteure miteinander oder gegeneinander versuchen, ihre Interessen durchzusetzen. Der Konflikt als ein direktes Aufeinandertreffen und Streiten von Kontrahenten mit entgegengesetzten Interessen sollte dabei nach Bedingungen des deliberativen Diskurses ablaufen. Werden hingegen gemeinsame Interessen im Austausch verfolgt, handelt es sich um Kooperation. Treffen Gegner nicht direkt aufeinander, sondern kommunizieren indirekt über das Publikum, handelt es sich um Konkurrenz. Sie stellt zugleich die komplizierteste Form der Interaktion dar (Neuberger, 2014).
2.2 Cross-Cutting Networks
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Da unter den Bedingungen moderner großer Gesellschaften der Diskurs in der Regel nurmedienvermittelt stattfinden kann, ist die Bedeutung eines innerlichen Abwägens verschiedener Argumente, also die Ergänzung externer durch interne Deliberation, umso größer (Goodin, 2000, S. 95 ff.). Einige Autoren haben aus normativen Ansprüchen der deliberativen Demokratie Kriterien und Merkmale für Medieninhalte entwickelt (z. B. Ferree, Gamson, Gerhards & Rucht, 2002; Gastil & Black, 2008; Steenbergen et al., 2003; Wessler & Rinke, 2014), die sich im Wesentlichen mit den Voraussetzungen beziehungsweise zentralen Bestandteilen von Deliberation decken (siehe auch Abschnitt 2.1.1). Wessler (2008) schlägt folgende Standards medienvermittelter Deliberationsprozesse vor: In der InputDimension von Deliberation liegt der Fokus auf Chancengleichheit für Themen, Ideen und Argumente. Im Throughput geht es darum, wie Deliberation stattfinden sollte, insbesondere in Bezug auf Begründung, Gegenrede und Höflichkeit. In der Output-Dimension schließlich wird ein begründeter Dissens als Ergebnis von Deliberation erwartet, mit einem Nutzen für Bürger und Entscheidungsträger (Wessler, 2008, S. 3–5). Es gibt bereits zahlreiche Untersuchungen zu Inhalten medienvermittelter Deliberation (z. B. Rinke, Wessler, Löb & Weinmann, 2013), auch zu den Effekten gibt es bereits erste Studien (z. B. Weinmann, 2019). Die Rolle von Emotionen, insbesondere Empathie, wurde allerdings bislang in diesem Zusammenhang noch wenig berücksichtigt.
2.2
Cross-Cutting Networks
Grundsätzlich besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass der Austausch zwischen Bürgern essentiell für die deliberative Demokratie ist (Wells et al., 2017, S. 131). Politische Gespräche seien sogar „the soul of democracy“ (Kim, J., Wyatt & Katz, 1999, S. 362). Der Austausch zu politischen Themen findet dabei häufig in homogenen Gruppen statt (Gastil, 2008; Mutz & Martin, 2001). Allerdings sollte im Idealfall Deliberation mit Personen stattfinden, die hinsichtlich einer Angelegenheit, für die deliberativ eine Lösung gefunden werden soll, unterschiedlicher Ansicht sind (z. B. Lee, H. et al., 2015; McLeod et al., 1999). Wenn wir uns nur mit Ansichten von Gleichgesinnten auseinandersetzen, ist Deliberation schwierig, da uns wichtige Informationen für den Diskurs fehlen würden, wie etwa Werteprioritäten der Andersdenkenden oder alternative Lösungsvorschläge (Gastil, 2008, S. 26; Huckfeldt, Mendez & Osborn, 2004). Vor dem eingangs skizzierten Hintergrund der politischen Polarisierung
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Deliberation
und Fragmentierung von Gesellschaften steigt deshalb die Relevanz einer Auseinandersetzung damit, inwieweit Personen konträren Meinungen und Ansichten, also cross-cutting view points, ausgesetzt sind und welche Folgen dies hat (Mutz, 2002). Medien bieten die Möglichkeit, mit entgegengesetzten Ansichten konfrontiert zu werden (Gastil, 2008) und können damit einen positiven Beitrag zur Deliberation leisten. Allerdings bergen sie nach Ansicht verschiedener Autoren auch die Gefahr, dass sich Bürger insbesondere online in Echokammern oder Filterblasen bewegen und sich damit eher in der eigenen Meinung bestärkt sehen, anstatt sich mit unterschiedlichen Perspektiven auseinanderzusetzen (Flaxman et al., 2016; Iyengar & Hahn, 2009; Pariser, 2011). Einige neuere Studien beschäftigten sich deshalb mit dem Meinungsaustausch in sogenannten online-cross-cutting networks (sich überschneidenden Online-Netzwerken), also mit dem Austausch mit Personen, die gerade nicht mit der eigenen Meinung oder den eigenen Interessen übereinstimmen (Matthes, Marquart & Sikorski, 2020; Matthes, Knoll, Valenzuela, Hopmann & Sikorski, 2018; Wojcieszak & Mutz, 2009). Diese Art des Netzwerkens ist somit als das Gegenteil von Echokammern oder Filterblasen zu betrachten. Studien zeigten dabei, dass das Engagement in cross-cutting networks zu mehr dialogischer Offenheit führen kann (Campbell & Kwak, 2011; Lee, H. et al., 2015; Kwak et al, 2018). Allerdings haben cross-cutting networks nicht automatisch positive Auswirkungen auf Deliberation. Wenn konträre Meinungen in cross-cutting networks aufeinandertreffen, hat das nicht unbedingt zugleich einen erfolgreichen Austausch oder dialogische Offenheit zur Folge. Im Gegenteil kann sogar der Austausch gehemmt werden (Mansbridge, 2001; Mutz, 2006; Wojcieszak & Price, 2012). Beispielsweise werden Gespräche unter Umständen abgebrochen, wenn die Teilnehmer aufgefordert werden, über politische Themen zu sprechen oder mit gegnerischen Ansichten konfrontiert werden (Wells et al., 2017). Daher beschäftigen sich aktuelle Studien damit, wie es gelingen kann, Personen erfolgreich in cross-cutting-Diskussionen einzubinden. Laut Mutz (2002) können emotionale Bindungen über die politischen Lager hinweg eine solche Einbindung unterstützen. Sie tragen zu mehr Toleranz gegenüberpolitischen Gegnern bei. In ihrer Studie zeigte Mutz (2002), dass sich Empathie als Prädisposition positiv auf die Offenheit gegenüber konträren Meinungen auswirkt: Personen mit stärker ausgeprägter Empathiefähigkeit zeigten sich toleranter gegenüber ihren eigenen Ansichten entgegengesetzen Ansichten anderer. Damit könnte Empathie also eine bedeutende Brückenfunktion bei der gesellschaftlichen Verständigung mit Andersdenken zukommen.
2.3 Emotionen und Deliberation
2.3
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Emotionen und Deliberation
Nachdem emotional-affektive Prozesse in der politischen Kommunikationsforschung lange Zeit zugunsten rational-kognitiver Prozesse vernachlässigt wurden, spielen Emotionen in der politischen Kommunikation mittlerweile eine bedeutende Rolle (z. B. Nussbaum, 2014). Sie werden in aktuellen Arbeiten häufiger in Modelle zu politischem Verhalten integriert und scheinen manchmal sogar „das fehlende Puzzleteilchen“ zu liefern (Groenendyk, 2011, S. 455). Einige Studien zeigen den Einfluss von Emotionen auf politisches Denken und Handeln auf (für einen Überblick siehe: Leonhard & Bartsch, 2020; Schemer, 2014). Zum Beispiel fanden Erisen, Lodge und Taber (2014) heraus, dass das Nachdenken über Argumente durch eine unbewusste Informationsverarbeitung wie die emotionale Ansteckung beeinflusst werden kann. Eine solche Ansteckung ruft eine affektive Reaktion hervor, die kongruent mit der affektiven Reaktion ist, die im Medieninhalt enthalten ist (Cherulnik, Donley, Wiewel & Miller, 2001). Affekte können außerdem Motivationsziele induzieren und im Ergebnis zu einer verzerrten Verarbeitung von politischer Information führen (motivated reasoning; Kunda, 1990; Redlawsk, 2006; Taber & Lodge, 2006). Durch ein bestimmtes emotionales framing können schließlich spezifische Bewertungsmuster, die wiederum mit spezifischen Emotionen einhergehen, hervorgerufen werden (Kühne & Schemer, 2015; Nabi, 2003). Wie die Rolle von Emotionen im politischen Kontext aus normativer Sicht zu bewerten ist, lässt sich dabei aufgrund ambivalenter Befunde nicht eindeutig bestimmen: Einerseits kann die Rezeption von Medieninhalten, die ein Gefühl von Ärger auslösen, defensives Verhalten zur Folge haben. Evozierte Angst kann wiederum andererseits dazu führen, sich intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen (affective intelligence theory, AIT; z. B. Marcus, Neuman & MacKuen, 2008; Neuman, Marcus, Crigler & MacKuen, 2007; Parker & Isbell, 2010; Valentino, Hutchings, Banks & Davis, 2008). Genauso können sich Emotionen positiv auf politische Partizipationsabsichten und Informationssuche im politischen Kontext auswirken (Obermaier, Haim & Reinemann, 2014). Auch speziell im deliberativen Kontext finden Emotionen mittlerweile Beachtung (Kim, N., 2016; Krause, 2008; MacKuen et al., 2010). Wessler (2018, S. 152) betont etwa, dass der öffentliche Austausch im Rahmen der idealen Sprechaktsituation (Habermas, 2008) nicht leblos und selbstentfremdet stattfindet. Einerseits haben Emotionen das Potential, Deliberation zu unterstützen. Andererseits können sie Deliberation hemmen. Emotionen spielen eine wichtige Rolle in Bezug auf die Reziprozität menschlicher Beziehungen und das gegenseitige Verständnis, die wiederum zentrale
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Deliberation
Bestandteile von Deliberation sind (Krause, 2008). Emotionen gelten außerdem als Ausdrucksmittel von Gruppen, die eher vom Diskurs ausgeschlossen wurden, zum Beispiel aufgrund ihres Geschlechts, Bildungsstands oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit (Hall, C. A., 2005). Einige Autoren betonen deshalb die positive Bedeutung von Emotionen für das Kriterium der Gleichheit (Dryzek, 2002; Gutmann & Thompson, 2004; Sanders, 1997; Young, 2002). Indem Emotionen und Deliberation nicht per se getrennt werden, können sich vormals ausgeschlossene Gruppen am Diskurs beteiligen. Weiterhin argumentiert Esau (2018), dass die Erzählungen und Emotionen der Bürger im Zuge des deliberativen Austauschs persönliche und soziale Werte offenbaren, die auch in den Beratungsprozess eingebunden werden sollten, so dass sie auch Teil der Entscheidungsfindung sind. Zudem untermauern Befunde zur Informationsverarbeitung die positive Rolle von Emotionen. Sie können dazu führen, sich mit einer Sache intensiver auseinanderzusetzen und gegebenenfalls die eigenen Ansichten zu überdenken (z. B. affect infusion model; Forgas, 1995; Zweiprozessmodelle des Unterhaltungserlebens; Bartsch & Schneider, 2014). Kritische Stimmen mahnen allerdings zur Vorsicht in Bezug auf den Einsatz von Emotionen im deliberativen Kontext, da sie eher Ungleichheit, Vorurteile oder Intoleranz stärken würden (Kuklinski, Riggle, Ottati, Schwarz & Wyer, 1991; Theiss-Morse, Marcus & Sullivan, 1993). In einer qualitativen Studie von Saam (2018, S. 755) zu emotion work im Diskurs wurde gezeigt, dass ein emotionales Auftreten der Diskursteilnehmer zu sozialer Ungleichheit führen kann. Stattdessen setzt sich Saam (2018) dafür ein, sich auf spezifische Emotionen wie Hoffnung zu konzentrieren, die eher das Potential haben, sich positiv auf einen Meinungsaustausch auszuwirken. Nach Mutz (2002, S. 123) greift außerdem die Dichotomie Emotionen vs. Deliberation zu kurz, da diese durch soziale Beziehungen eher miteinander verflochten sind. Papacharissi (2014, S. 134) und Wessler (2018, S. 144) betonen ebenfalls, dass die Verknüpfung von Emotionen und Diskurs nicht von vornherein als förderlich oder nicht förderlich einzustufen sei; es komme vielmehr auf die Situation und die Art der Emotion an: „Indeed a deliberative perspective would always ask: Which kinds of emotions are being expressed and affectively intensified in public discourse, and what functions do they perform in relation to genuine public discussion?“ (Wessler, 2018, S. 144, Hervorhebung im Original). Wessler (2018, S. 145) arbeitet basierend auf Deliberationstheorien zwei Möglichkeiten heraus, wie Emotionen mit politischen Diskursen verknüpft sein können: Einerseits können Emotionen als affektive Reaktionen auf Verletzungen von Moralvorstellungen oder Uneinigkeiten auftreten und als Grundlage für moralische Rechtfertigungen individueller und kollektiver Handlungen dienen. Das entspricht nach Wessler (2018, S. 148) am ehesten der Art, wie sich auch
2.3 Emotionen und Deliberation
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Habermas (1990) der Frage nach der Rolle von Emotionen im Diskurs annähert. Wenn also in einer Diskussion Moralvorstellungen verletzt werden, können negative Emotionen wie Verachtung, Empörung und Abscheu damit einhergehen. Das wiederum verstärkt die Aufmerksamkeit und erzeugt eine Dringlichkeit, was dazu führen kann, dass Informationen anders verarbeitet werden. Diese mit negativen Emotionen aufgeladene Form des Austauschs darf jedoch nicht verwechselt werden mit Strategien beispielsweise rechtsextremer Gruppen, welche diese emotionale Form der Ansprache nutzen, um eine Atmosphäre der Dominanz und Exklusion aufzubauen (Wessler, 2018, S. 150–151). Diese sind weniger förderlich für Deliberation und entbehren demokratischer Legitimation (Wessler, 2018, S. 151). Die normativen Vorstellungen von Habermas (2019; 2008) zum praktischen Diskurs helfen hier wiederum zwischen dem förderlichen und weniger förderlichen Austausch unter Berücksichtigung von (vor allem negativen) Emotionen zu unterscheiden (Wessler, 2018, S. 152). Andererseits eignet sich nach Wessler (2018) speziell Empathie dafür, eine offene Diskussion, Lernen und Zusammenhalt zu fördern. Diese vermuteten Zusammenhänge bilden den Schwerpunkt dieser Arbeit: Sie soll empirisch prüfen, ob Empathie und deliberative Offenheit in einem positiven Verhältnis zueinanderstehen.
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Deliberative Offenheit
Nachdem die Grundlagen aus der Deliberationsforschung gelegt sind, wird nachfolgend aufgezeigt, warum für die Deliberation eine möglichst offene, elaborierte Informationsverarbeitung erforderlich ist. In der Literatur finden sich einige Ansätze, die sich damit auseinandersetzen. Teilweise variieren allerdings die Begrifflichkeiten, deswegen ist auch alternativ von reflektierter, kreativer oder kritischer Verarbeitung beziehungsweise Denken die Rede. Zunächst werden die allgemeinen theoretischen Grundlagen aus psychologischer Perspektive dargelegt. Schlaglichtartig werden grundlegende Erkenntnisse zur motivierten Informationsverarbeitung vorgestellt, die für eine sorgfältige Verarbeitung von Argumenten der Diskursteilnehmer wichtig sind. Da für dieses Forschungsvorhaben besonders die Rolle von Empathie und Deliberation von Interesse ist, liegt der Fokus auf Ansätzen, die sich mit Affekten und elaborierter Informationsverarbeitung beschäftigen. Darauf aufbauend wird der besondere Typus der deliberativen Offenheit hergeleitet und beschrieben. Diese Art der Offenheit wird als eine Haltung verstanden und als grundsätzliche Bereitschaft, über andere Ansichten nachzudenken, unabhängig davon ob daraus eine Änderung der eigenen Ansichten resultiert oder nicht. Es steht also dabei nicht die Persuasion im Vordergrund, sondern Offenheit als Voraussetzung für Deliberation im oben beschriebenen Sinn. Im Anschluss daran werden mit Offenheit in (meist antagonistischer) Beziehung stehende Konzepte thematisiert und als Faktoren beschrieben, die das innerliche Abwägen von Argumenten einschränken oder negativ beeinflussen können. Dazu zählen die Konzepte incivility (Unhöflichkeit), Dehumanisierung des Diskursgegners und Dogmatismus beziehungsweise Autoritarismus als eine Art der closed-mindedness (Engstirnigkeit). Damit soll aufgezeigt werden, dass deliberative Offenheit zum Teil nicht uneingeschränkt
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_3
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Deliberative Offenheit
möglich sein kann und auch nicht sein soll, wenn Grenzen für einen respektvollen Austausch überschritten werden.
3.1
Formen und Faktoren der Informationsverarbeitung
Deliberation kann als kognitiver Prozess verstanden werden, indem verschiedene Argumente und Standpunkte abgewogen werden und im Zuge dessen die eigene Meinung geformt, bestärkt oder abgeändert wird (Chambers, 2003, S. 309; Lindeman, 2002, S. 199). Demnach ist es wichtig, neue Informationen zuzulassen und gegebenenfalls die eigene Sichtweise zu hinterfragen. Aus psychologischer Sicht geht es darum, kognitive Dissonanz (Festinger, 1957) und die daraus folgenden Bewältigungsstrategien zu reduzieren, die sich ergeben, wenn man im deliberativen Diskurs mit zur eigenen Meinung entgegenstehenden Ansichten konfrontiert wird. Bestimmte Merkmale von Informationsverarbeitungsprozessen sind für eine (gelingende) Deliberation daher eher zuträglich als andere: Einerseits verlangt ein im Idealfall sorgfältiges Abwägen der Argumente eine elaborierte Informationsverarbeitung. Und andererseits erfordert die Berücksichtigung möglichst aller Argumente – also auch jener, die neue Sichtweisen aufzeigen oder gegen den eigenen Standpunkt gerichtet sind – eine ergebnisoffene Verarbeitung der Informationen. Insbesondere die ergebnisoffene Informationsverarbeitung fand bisher wenig Beachtung in der Deliberationsforschung. Im Folgenden werden Grundlagen der kognitiven Verarbeitung erörtert, die vor allem für einen deliberativen Austausch als wichtig erachtet werden. Relevant sind in diesem Zusammenhang das affect infusion model (AIM; Forgas, 1995), welches als zusätzliche Komponente verschiedene Stile der Verarbeitung, darunter auch eine offene Verarbeitung von Informationen, beinhaltet. Der Ansatz des aktiven offenen Denkens (actively open-minded thinking, AOT; Baron, 2019) ist hilfreich, um offenes Denken in Zusammenhang mit Deliberation theoretisch zu fassen. Zweiprozessmodelle wie das elaboration likelihood model (ELM; Petty & Cacioppo, 1986) und das heuristisch-systematische Model der Informationsverarbeitung (HSM; Chaiken, Liberman & Eagly, 1989) schließlich leisten einen Erklärungsbeitrag, indem sie Faktoren identifizieren, die elaborierte Informationsverarbeitung begünstigen. Grundannahme der Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957) ist, dass der Mensch grundsätzlich nach Konsonanz bzw. Konsistenz seiner Kognitionen bzw. kognitiven Elemente strebt. Wissen, Meinungen und Einstellungen zu einem Sachverhalt, oder hier spezieller einem politischen Thema, sollten daher möglichst widerspruchslos und kompatibel zueinander, also konsistent,
3.1 Formen und Faktoren der Informationsverarbeitung
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sein. Widersprüche, also Dissonanzen oder Inkonsistenzen zwischen Kognitionen werden als unangenehm empfunden und es wird versucht, sie abzubauen. Solche Widersprüche können zum Beispiel auftreten, wenn Menschen im deliberativen Diskurs mit Ansichten und Bedürfnissen anderer konfrontiert werden, die nicht den eigenen Bedürfnissen entsprechen. Daher ist eine Auseinandersetzung mit dissonanten Inhalten wie etwa den Argumenten der Kontrahenten im Diskurs möglicherweise mit Unannehmlichkeiten sowie mit Aufwand zu deren Beseitigung verbunden. Es gibt nach Festinger unterschiedliche Strategien, vorhandene kognitive Dissonanz abzubauen, oftmals durch das „Hinzufügen neuer kognitiver Elemente“ (Festinger, 1978, S. 33). Die Grundidee ist, dass die Zusammensetzung der kognitiven Elemente geändert werden muss, damit die kognitive Dissonanz wenn schon nicht vollständig beseitigt, dann wenigstens reduziert werden kann. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass die Person aktiv nach neuen Informationen sucht, um die dissonanten Informationen der Medienbotschaft mit den eigenen Informationen oder Voreinstellungen zu vereinbaren oder zumindest relativ gesehen zu schwächen. Meistens geschieht das, indem zusätzliche Informationen gesucht werden, die die eigenen Ansichten stärken. Diese Strategie würde allerdings eher dazu führen, politische Gräben weiter zu vertiefen. Aus normativer Perspektive sollte daher ein Weg gefunden werden, kognitive Dissonanz und damit das Unbehagen anderweitig aufzulösen oder zu reduzieren und Menschen dazu zu motivieren, sich mit dissonanten Inhalten dennoch auseinanderzusetzen. Das ist das Ziel von deliberativen Aushandlungsprozessen: Dissonanzen sollten bearbeitet und überwunden werden, um zu einer politischen Entscheidung zu gelangen, die von allen Beteiligten anerkannt wird. Gleichzeitig ist das Vorliegen kognitiver Dissonanz ein Hindernis dafür, überhaupt offen in den Aushandlungsprozess einzutreten. Forschung zu motivierter Informationsverarbeitung, insbesondere zu Zweiprozessmodellen, ist hilfreich, um zu verstehen, welche Faktoren und kognitiven Prozesse deliberative Offenheit begünstigen. Im Zuge des inneren Deliberationsprozesses findet im Idealfall mit Hilfe von logischem Denken ein Abwägen der verschiedenen Argumente statt (Mercier & Landemore, 2012, S. 247) und zwar auch jener Argumente, die für die betreffende Person herausfordernd sind, da sie nicht den eigenen Ansichten entsprechen. Diese gedanklichen Simulationen lassen sich am ehesten als Formen elaborierter Informationsverarbeitung begreifen. In kommunikationswissenschaftlichen Studien werden vor allem das elaboration likelihood model (Petty & Cacioppo, 1986) und das heuristisch-systematische Modell der Informationsverarbeitung (Chaiken et al., 1989) zu Grunde gelegt. Die Grundidee von Zweiprozessmodellen ist, dass Menschen nur über begrenzte
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Deliberative Offenheit
kognitive Energie verfügen und daher nicht unaufhörlich und vollständig alle Argumente für oder gegen einen Standpunkt sorgfältig abwägen können. Wenn stattdessen die Ressourcen oder Motivation für einen sorgfältigen Abwägungsprozess fehlen, werden Informationen schnell und oberflächlich verarbeitet. Wie intensiv, das heißt elaboriert, Informationen verarbeitet werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn das Thema zum Beispiel eine hohe persönliche Relevanz aufweist, steigt die Motivation für eine gründliche Verarbeitung (Chaiken et al., 1989; Petty & Cacioppo, 1979). Auch die Glaubwürdigkeit der Informationsquellen und Widersprüchlichkeit der Argumente haben einen Einfluss auf die Informationsverarbeitung (Chaiken & Maheswaran, 1994). Der Einfluss von Emotionen insbesondere auf soziale Urteile wurde mit Hilfe des affect infusion models (AIM; Forgas, 1995) untersucht. Das AIM ist für dieses Forschungsvorhaben von besonderem Interesse, da nicht nur zwischen heuristischer und elaborierter Verarbeitung unterschieden wird, sondern zusätzlich zwischen einer geschlossenen und einer offenen Informationsverarbeitung. Affect infusion bezeichnet „the process whereby affectively loaded information exerts an influence on and becomes incorporated into the judgmental process, entering into the judge’s deliberations and eventually coloring the judgmental outcome“ (Forgas, 1995, S. 39). Laut AIM sind vier verschiedene Verarbeitungsstrategien möglich, die sich in der Intensität der affect infusion unterscheiden. Die ersten beiden Strategien zeichnen sich durch begrenzte Affect Infusion aus, da hier die Informationssuche hochgradig gerichtet und strukturiert abläuft. Dazu gehören 1) der direkte Zugriff auf eine bereits bestehende Bewertung und 2) die motivierte Verarbeitung von Informationen in Hinblick auf ein bereits bestehendes Ziel. Im Gegensatz dazu sind die beiden anderen Verarbeitungsstrategien durch hohe affect infusion gekennzeichnet und erfordern einen bestimmten Grad an offener, konstruktiver Verarbeitung der Informationen beziehungsweise „going beyond the information given by construing inferences based on prior experiences“ (Forgas, 1995, S. 46). In solchen offenen Verarbeitungsprozessen gehen Emotionen eher in das Resultat ein. Durch den Affekt wird das Urteilsergebnis dabei entweder indirekt durch vorgeschaltete Assoziationen oder aber direkt beeinflusst. Dies geschieht entweder durch 3) eine heuristische, vereinfachte Verarbeitung oder durch 4) eine substantielle, generative Verarbeitung. Es wird vermutet, dass diese vier Strategien durchaus gemeinsam ablaufen und sich gegenseitig bei der Urteilsfindung ergänzen (Forgas, 1995, S. 40). Aus denverschiedenen Verarbeitungsmodi des affect infusion models (Forgas, 1995) leiten Neuberger und Kollegen (2019, S. 170) verschiedene Dimensionen
3.1 Formen und Faktoren der Informationsverarbeitung
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von Rationalität her: Sie werden zusammengefasst als Elaborationsgrad (elaboriert vs. heuristisch) und als Erkenntnisstil (offen vs. geschlossen) beschrieben (Neuberger et al., 2019, S. 170). Für die politische Kommunikation und insbesondere den deliberativen Austausch ist nun ein rein geschlossener Erkenntnisstil nicht zielführend, da dieser nur die eigenen bestehenden Ziele im Fokus hat und nicht die Belange anderer. Eine zwar offene, aber heuristische Verarbeitung würde ebenfalls zu kurz greifen, da hier unter Umständen nur irrelevante Faktoren bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen. Für die Aushandlung und letztlich auch Legitimität von Kompromissen ist deshalb eine offene, substantielle Verarbeitung der Argumente im Sinne der Rationalität wie sie von Neuberger et al. (2019) vorgeschlagen wurde, erforderlich: „Im Idealfall soll die Prüfung elaboriert, d. h. mit hohem Einsatz und mit Hilfe der bestmöglichen Praktiken, sowie ergebnisoffen verlaufen, d. h. selbstkritisch und durch keine anderen Interessen als das Wahrheitsziel bestimmt sein. Davon weicht zum einen die alltagsrationale, heuristische Informationsverarbeitung ab, die stark von formalen Merkmalen (cues) der Botschaften bestimmt ist (Chaiken, Liberman, & Eagly, 1989; Forgas, 1995; Lang, 2006; Petty & Cacioppo, 1986). Zum anderen ordnet der geschlossene, an einem vorab festgelegten Ergebnis orientierte Erkenntnisstil das Wahrheitsziel anderen Zielen unter. Beispiele dafür sind die strategisch-persuasive Kommunikation (Public Relations, Werbung), die partikulare Interessen verfolgt, oder solche Fälle, in denen die Stärkung der eigenen Identität oder Gruppenzugehörigkeit vorrangig gegenüber der neutralen Wahrheitssuche ist (motivated reasoning; Forgas, 1995; Kunda, 1990; need for specific closure; Kruglanski & Webster, 1996).“ (Neuberger et al., 2019, S. 170–171, Hervorhebungen im Original)
Außerdem ist für diese Untersuchung interessant, welche Faktoren eine offene, elaborierte Verarbeitung begünstigen können. Forgas (1995, S. 48) identifiziert drei zentrale Variablen, die einen Einfluss darauf haben können, in welcher Art Informationen verarbeitet werden: target, judge und situation. Muss über ein vertrautes Urteilsobjekt (target) geurteilt werden, ist in der Regel eine geschlossene Verarbeitung ausreichend. Handelt es sich jedoch um etwas Ungewohntes, wie Belange von Outgroups, ist ein eher offenes Verarbeiten notwendig und das Urteil damit sehr leicht durch Affekte zu beeinflussen. Ein weiterer Faktor ist die Komplexität des Gegenstands bzw. das Ausmaß, in dem der Gegenstand als typisch, im Sinne von normal oder gewohnt, eingeschätzt wird. Komplexe, ungewöhnliche und untypische Gegenstände verlangen eher eine offene, substantielle Verarbeitung, was mit einer steigenden Bedeutung von Affect Infusion einhergeht. Neben situativen Faktoren nennt Forgas (1995) als für die Verarbeitung relevante Merkmale des Beurteilenden (judge) dessen eigene Motivation, sich intensiv
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Deliberative Offenheit
mit dem Gegenstand zu beschäftigen und seine kognitiven Fähigkeiten. Und schließlich spielt die persönliche Relevanz eine Rolle: Je relevanter der Gegenstand für das Selbst des Beurteilenden erachtet wird, desto eher ist substantielle, offene Verarbeitung zu erwarten. Im deliberativen Kontext muss also ein Weg gefunden werden, dass Belange und Interessen anderer auch für einen selbst relevant sind, damit eine offene, elaborierte Verarbeitung der Argumente begünstigt wird. Aus der Psychologie stammt das von Baron (1993) entwickelte Konzept des aktiven offenen Denkens (actively open-minded thinking, AOT ). Diese Form des Denkens kann als Ausdruck einer ergebnisoffenen, elaborierten Informationsverarbeitung verstanden werden. Aktives offenes Denken beinhaltet die Tendenz „to weigh new evidence against a favored belief, to spend sufficient time on a problem before giving up, and to consider carefully the opinions of others in forming one’s own“ (Haran, Ritov & Mellers, 2013). Darunter wird eine offene, weniger verzerrte oder voreingenommene Denkweise verstanden (Svedholm-Häkkinen & Lindeman, 2018). Wenn über eine Sache nachgedacht wird, werden also möglichst viele Perspektiven berücksichtigt (Baron, 1993; Svedholm-Häkkinen & Lindeman, 2018). Argumente der Gegner werden auch gegen den eigenen bestehenden Standpunkt abgewogen und es wird dabei eine angemessene Zeit darauf verwendet, bevor man aufgibt, die anderen Meinungen gegen die eigene Meinung abzuwägen (Haran et al., 2013, S. 189). Beim AOT liegt der Fokus auf Offenheit als Denkweise und wird von Baron eng mit dem Ansatz des kritischen Denkens (engl. critical thinking; z. B. Ennis, 1996) verknüpft. Kritisches Denken wiederum wird als Fähigkeit verstanden, unabhängig von früheren Überzeugungen, Vorurteilen und Meinungen Argumente zu bewerten (Macpherson & Stanovich, 2007, S. 115). In verschiedenen Studien zeigte sich nun, dass aktives offenes Denken mit einer Reduktion von Verzerrungen durch eigene Überzeugungen einhergeht und damit zugleich auch ein Entkoppeln von eigenen Voreinstellungen und Überzeugungen verbunden ist (Haran et al., 2013; Macpherson & Stanovich, 2007; Sá, West & Stanovich, 1999). Zudem korreliert aktives offenes Denken Studien zufolge negativ mit dem Glauben an paranormale Phänomene (Svedholm & Lindeman, 2013; Svedholm-Häkkinen & Lindeman, 2018), Verschwörungstheorien (Swami, Voracek, Stieger, Tran & Furnham, 2014), religiösen Überzeugungen (Pennycook, Cheyne, Barr, Koehler & Fugelsang, 2014) sowie Konservatismus (Baron, 2017). Svedholm-Häkkinen und Linderman (2018) fanden zudem einen negativen Zusammenhang von AOT und Resistenz gegenüber Fakten.
3.2 Deliberation und Offenheit
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Baron (2019) betont zusammenfassend, dass für eine funktionierende Demokratie aktives, offenes Denken essentiell sei, um die eigene Meinung gegebenenfalls anpassen zu können, wenn der Gegner gute Argumente einbringe. Er plädiert dafür, diese Art zu denken als soziale oder moralische Norm zu verstehen. Das bedeute allerdings noch lange nicht, dass man sich in seinen Überzeugungen gleich komplett ändern müsse; auch mögliche Zweifel könnten und sollten erhalten bleiben. Damit wurden die allgemeinen Grundlagen der Informationsverarbeitung im Zusammenhang mit Deliberation dargelegt. Eine Kombination aus sowohl elaborierter (Elaborationsgrad) als auch offener (Erkenntnisstil) Informationsverarbeitung kann demnach zusammenfassend als förderlich für einen nutzbringenden Diskurs angesehen werden. Im Folgenden liegt der Fokus vor allem auf dem Erkenntnisstil, also der Offenheit als einem zuträglichen Merkmal für einen deliberativen Austausch.
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Deliberation und Offenheit
Verschiedene Autoren der politischen Theorie und politischen Kommunikation sehen in der Offenheit ein kritisches Element der Deliberation (z. B. Burkhalter et al., 2002; Gutmann & Thompson, 1996, 2004; Hendriks, 2006) und auch eine Voraussetzung für Teilhabe am Diskurs (z. B. Barabas, 2004; Goodin & Niemeyer, 2003; Morrell, 2010; Nussbaum, 2014; Sprain & Ivancic, 2016). Ziel dieser Untersuchung ist die Konzeption eines besonderen Typs von Offenheit als der grundsätzlichen Bereitschaft von Personen, über vom eigenen Standpunkt abweichende Ansichten nachzudenken, unabhängig davon, ob dies letztendlich zu einer Änderung der eigenen Ansicht führt. Es steht also dabei nicht die Persuasion im Vordergrund, sondern Offenheit als Voraussetzung für Deliberation. Daher wird dieser Typ als deliberative Offenheit bezeichnet. In der Literatur liegen bereits Konzepte vor, die unterschiedliche Arten von Offenheit beschreiben. Die verwendeten Begrifflichkeiten variieren dabei; so ist zum Beispiel von Aufgeschlossenheit, offenen Ansichten, aktivem offenen Denken und Unvoreingenommenheit die Rede. Diese Begrifflichkeiten deuten zum Teil unterschiedliche oder sich überschneidende Forschungsschwerpunkte an, die in Zusammenhang mit dem Konzept Offenheit untersucht wurden. Einige Konzepte fokussieren eher den Austausch in heterogenen Gruppen, vor allem in online-cross-cutting-Diskussionen (dialogic openess; Campbell & Kwak, 2011; Lee, H. et al., 2015; Kwak et al., 2018) oder Aufgeschlossenheit im Kontext von Online-Blogs und wie diese die eigenen Gedanken beeinflusst haben
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Deliberative Offenheit
(open-mindedness; Borah, 2014; Hwang et al., 2008, Mai). Andere verstehen beispielsweise Offenheit als actively open-minded thinking (Baron, 1993; Macpherson & Stanovich, 2007, siehe Abschnitt 3.1). Außerdem findet sich Offenheit auch als Bestandteil breiter gefasster Konstrukte wie civic magnanimity (Gutmann & Thompson, 1996; Morrell, 2010), deliberation within (Weinmann, 2018) oder des critical thinking, z. B. der California critical thinking disposition (CCTDI; Facione, 2000) wieder. In den meisten Studien, die die genannten Konzepte verwenden, wurden vor allem Einstellungsänderungen im Zuge von Deliberationsprozessen untersucht sowie die Frage, welche Rolle die Offenheit dabei spielt (Sprain & Ivancic, 2016). Offenheit meint dann die Bereitschaft, die eigene Meinung zu einem Thema zu ändern (Sprain & Ivancic, 2016, S. 242). In dieser Art definieren auch Goodin und Niemeyer (2003, S. 629) Offenheit als Aufgeschlossenheit, die eigene Meinung anzupassen: „Ideals of deliberative democracy may require that we go into public discussions with an ‘open mind’, in the sense of a willingness to change our opinions in the light of subsequent evidence and argument.“ Andere Konzepte rücken das Offenbleiben für andere Perspektiven in den Fokus. Statt der Meinungsänderung steht eher das Berücksichtigen verschiedener Perspektiven im Vordergrund, jenseits des eigenen Standpunkts oder der eigenen Erfahrungen (Burkhalter et al., 2002). Einige dieser Ansätze sollen im Folgenden näher vorgestellt werden, um daraus Anregungen für die eigene theoretische Konzeption von deliberativer Offenheit zu gewinnen und auch um deliberative Offenheit in den Kontext bestehender Definitionen einordnen zu können. Sprain und Ivancic (2016, S. 244) beispielsweise definieren Offenheit wie folgt: „openness means that someone is able to take into account other perspectives, potentially even shifting opinions based on reasons and stories offered by other participants in deliberation.“ Zusätzlich heben sie hervor, dass Offenheit eher als Haltung, als „a communicative display of an internal state or attitude“, verstanden wird (Sprain & Ivancic, 2016, S. 245). Haltungen werden dabei als simultane Bewertungen von Objekten, Positionen, sich selbst und anderen durch den Sprecher interpretiert. Die Haltung kann sich aber auch darauf beziehen, was ein Diskursteilnehmer überhaupt unter Deliberation versteht. In ihrer qualitativen Studie zeigen Sprain und Ivancic (2016), dass Offenheit durch folgende Handlungen realisiert werden kann: – die eigene Meinung wird als noch nicht voll ausgeformt betrachtet, – Thema, Teilnehmer und Kommunikationssituation des Diskurses werden fortlaufend evaluiert, – es wird nach den Perspektiven der anderen gefragt und
3.2 Deliberation und Offenheit
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– es wird der Wunsch geäußert, sich mit anderen Perspektiven auseinanderzusetzen. In ihrer Studie zeigen sie außerdem, dass Offenheit von den Befragten als problematisch angesehen wurde, wenn damit Neutralität oder Meinungslosigkeit einhergeht. Allerdings wird nicht näher darauf eingegangen, ob die Änderung einer Haltung ebenfalls eine Rolle spielt. Es lässt sich also festhalten, dass Offenheit hier erstmals als Haltung konzipiert wurde. Zugleich wird zwar nicht ausgeschlossen, dass Offenheit sich auch auf Meinungs- oder Haltungsänderungen bezieht; das Konzept zeigt aber auf, dass im Gegensatz zu zahlreichen anderen Definitionen Offenheit zumindest nicht ausschließlich als Meinungsänderung oder potentielle Bereitschaft zu Meinungsänderung („openness as opinion formation“, Sprain & Ivancic, 2016, S. 254) verstanden werden muss, sondern auch eine Art und Weise bezeichnen kann, wie man als Diskursteilnehmer in die Diskussion eintreten möchte („openness as stance“, Sprain & Ivancic, 2016, S. 245). Sprain und Ivancic (2016) verstehen Deliberation daher weniger als Ort, um Meinungen zu entwickeln, sondern eher als Möglichkeit, sich andere Perspektiven anzuhören, darüber nachzudenken und auch davon zu lernen. In diesem Sinne ist auch in der vorliegenden Arbeit von Interesse, ob der Teilnehmer mit einer Bereitschaft in den Diskurs eintritt, überhaupt über andere Perspektiven und auch entgegengesetzte Standpunkte nachzudenken und sich darüber auszutauschen (openness as stance), ohne dass dabei die Meinungsänderung das Ziel ist. Bereits John Stuart Mill stellte in seinem Essay „On liberty“ (übers. 2009) fest, dass eine solche Überprüfung der eigenen Meinung und der Meinung anderer nicht zwangsläufig ein Abrücken von der eigenen Meinung zur Folge hat, aber dafür ein Nachvollziehen anderer Positionen begünstigen kann. In ähnlicher Weise untersuchten Wojcieszak, Winter und Yu (2020) Offenheit in Bezug auf Selektionsentscheidungen bei der Nachrichtennutzung und affektive Polarisierung. Offenheit wurde von ihnen als soziale Norm konzipiert und umfasst die Überzeugung, dass Menschen ihre Meinung frei äußern dürfen und andere diese Meinung beachten und sich damit auseinandersetzen (Tjosvold & Poon, 1998; Wojcieszak, 2012). Im vorhergehenden Kapitel wurde bereits der Modus der offenen Informationsverarbeitung vorgestellt (AIM; Forgas, 1995; AOT; Baron, 1993, 2019). Deliberative Offenheit steht demzufolge für eine ergebnisoffene elaborierte Verarbeitung im Gegensatz zu einer geschlossenen Informationsverarbeitung. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Überlegungen von Autoren, welche Offenheit in Zusammenhang mit Deliberation untersuchten. Zum Beispiel beschreibt Barabas (2004) Offenheit als open-mindedness wie folgt: „Open-mindedness can be
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Deliberative Offenheit
defined in various ways, but the key aspect is a genuine willingness to consider the opinions of others by relaxing the intensity with which one holds a given view“ (Barabas, 2004, S. 689). Landemore (2018) stellt zusätzlich heraus, dass sich Diskursteilnehmer von eigenen Vorurteilen und verzerrten Ansichten lösen müssten, um bereit zu sein, andere Standpunkte nachzuvollziehen: „Open-mindedness, as the term itself makes clear enough, is the property of having a mind that is open to, and thus receptive of, new and different ideas, views, and perspectives. An open mind is the opposite of a mind that imposes filters oreven gates on the influx of other people’s ideas and contributions. An open mindis, by definition, the opposite of a closed mind, but it is also the opposite of a mindwith self-imposed blinders. It is not necessarily an unbiased mind, however, sinceour psychological hard-wiring makes such an ideal an impossibility. It is a mind, however, that consciously strives to identify and overcome bias and prejudice in order to give every point of view a chance of being heard and fairly considered.“ (Landemore, 2018, S. 796)
Es lässt sich festhalten, dass Offenheit damit einhergeht, eigene Voreinstellungen und Standpunkte zunächst in den Hintergrund zu stellen. Durch Beschäftigung mit den Argumenten mit der Tendenz, sich von den dazugehörigen eigenen Voreinstellungen zu lösen, kann aber durchaus ein Prozess in Gang gesetzt werden, der schlussendlich zu einer Meinungsänderung führt. Die Meinungsänderung geht allerdings schon einen Schritt weiter. Es wird davon ausgegangen, dass der Deliberationsprozess nicht per se eine Meinungsänderung beinhalten muss, damit sich am Ende das bessere Argument durchsetzt. Somit steht bei der deliberativen Offenheit im hier gemeinten Sinn weniger bzw. nicht nur die Persuasion im Vordergrund. Von Bedeutung ist, dass das bessere Argument von den Diskursteilnehmern zunächst einmal nachvollzogen und bei den inneren (deliberation within) und äußeren Abwägungen (Deliberation als Austausch) berücksichtigt wird, damit es sich letztendlich durchsetzen kann. Das setzt voraus, dass eine Bereitschaft vorhanden ist, sich nicht nur mit Argumenten auseinanderzusetzen, welche den eigenen Überzeugungen und Voreinstellungen entsprechen, sondern auch mit Argumenten und Standpunkten, die den eigenen Ansichten widersprechen. Hier besteht ein konzeptioneller Bezug zu deliberation within, definiert als hypothetischer imaginärer Diskurs mit dem Ziel, den anderen zu verstehen (Goodin 2000, S. 93, siehe Kapitel 2.1.2). Deliberative Offenheit ist somit als Bereitschaft zu verstehen, sich auf deliberation within einzulassen, sich also gedanklich mit den Positionen der anderen Diskursteilnehmer auseinanderzusetzen. Zusammengenommen führen die vorangegangenen Überlegungen zu folgender Arbeitsdefinition von deliberativer Offenheit:
3.3 Verwandte Konstrukte mit Bezug zu deliberativer Offenheit
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Deliberative Offenheit wird verstanden als Bereitschaft, sich für mit den eigenen Voreinstellungen inkonsistente Meinungen zu öffnen, und als Aufgeschlossenheit, sowohl über konsistente als auch inkonsistente Meinungen nachzudenken. Deliberative Offenheit umfasst dabei zwei Dimensionen: 1) die Offenheit, die von der eigenen Meinung abweichende Perspektive anderer als legitime Meinung gelten zu lassen (= Offenheit für Perspektiven). Das beinhaltet, dass beispielsweise die Werte, Interessen und Bedürfnisse von anderen berücksichtigt und als legitim erachtet werden. 2) Die zweite Dimension beinhaltet die Offenheit, neue Fakten und Argumente gelten zu lassen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls seine eigene Meinung zu ändern, wenn sie überzeugend sind (= Offenheit für Meinungsänderung). Die Offenheit für eine Meinungsänderung baut auf der Offenheit für andere Perspektiven auf, da zunächst eine Bereitschaft vorliegen sollte, sich überhaupt mit den Meinungen, Interessen und Bedürfnisse anderer auseinanderzusetzen, bevor auf dieser Basis der eigene Standpunkt gegebenenfalls angepasst wird. Offenheit für Perspektiven ist somit derart verstanden kritisches Element der Deliberation (z. B. Burkhalter et al., 2002; Gutmann & Thompson, 2004; Gutmann & Thompson, 1996; Hendriks, 2006). Daher wird der Fokus dieser Arbeit vorerst auf Offenheit für Perspektiven gelegt. Beide Dimensionen können auch unabhängig voneinander vorliegen. Zusammen kann die Offenheit für Perspektiven und Meinungsänderung auch Persuasion begünstigen, wobei Persuasion einen eher passiven Charakter hat und eine Meinungsänderung eher aktiv vorgenommen wird. In diesem Kapitel wurde aufgezeigt, welche Chancen Offenheit und das Nachvollziehen von Argumenten, die vom eigenen Standpunkt abweichen oder ihm sogar entgegengesetzt sind, für die Deliberation beinhaltet. Offenheit kann – und sollte gegebenenfalls sogar – jedoch eingeschränkt werden, wenn beispielsweise eine weitere Voraussetzung für Deliberation, der respektvolle Umgang der Diskursteilnehmer untereinander, verletzt wird. Im folgenden Kapitel werden daher die Faktoren diskutiert, welche sich negativ auf deliberative Offenheit auswirken können.
3.3
Verwandte Konstrukte mit Bezug zu deliberativer Offenheit
Der Austausch im deliberativen Diskurs läuft nicht immer reibungslos ab, was verschiedene Ursachen haben kann. Im Fokus dieser Arbeit steht die deliberative Offenheit, daher werden im Folgenden die Grenzen deliberativer Offenheit
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Deliberative Offenheit
im Zusammenhang mit einem problematischen politischen Diskurs im Austausch mit anderen, etwa in Form von Unhöflichkeit, Aufrufen zu Gewalt, Hass oder Mobbing reflektiert. Da sich dieses Vorhaben schwerpunktmäßig mit der internen Deliberation beschäftigt, werden diese verwandten Konstrukte als Faktoren beschrieben, die das innerliche Abwägen von Argumenten einschränken bzw. negativ beeinflussen können. Deliberation verlangt ein bestimmtes Maß an Respekt, der von den Teilnehmern untereinander entgegengebracht wird (Gastil, 2008, S. 10). Das bedeutet, dass alle Teilnehmer des Diskurses als aufrichtig und kompetent angesehen und behandelt werden sollen, es sei denn sie verletzen selbst diese Prinzipien (Gastil, 2008), zum Beispiel durch rücksichtsloses Verhalten. Solch ein Verhalten oder inziviles Auftreten (incivility) im Zusammenhang mit politischen Diskussionen wird verstanden als „expression of disagreement by denying and disrespecting the justice of the opposing views“ (Hwang et al., 2016, S. 217). Brooks und Geer (2007, S. 5) operationalisieren inziviles Auftreten als die Verwendung von den Diskurspartner beleidigenden Begriffen wie „unthinking opponent“, „reckless(ly),“ „dishonest“, „unprincipled“, „insensitive“, „heartless“, und „cowardly“. In der Definition von Chen (2017) wird zusätzlich auch hate speech mit einbezogen. Wenn mindestens eines der folgenden Attribute zutrifft, kann eine Aussage demnach als inzivil eingestuft werden: eine beleidigende Ausdrucksweise oder Beschimpfungen, Obszönitäten sowie eine größere Kategorie von Begriffen und Aussagen, die sich mit hate speech überschneiden, wie homophobe, rassistische, sexistische und fremdenfeindliche Aussagen (Chen, G. M., 2017). Gastil (2008) betont in diesem Zusammenhang, dass man sich anderen Diskursteilnehmern gegenüber selbst dann entgegenkommend verhalten solle, wenn diese rücksichtslos einen respektvollen Umgang miteinander vermissen lassen und man daher innerlich sicherlich ein anderes Bedürfnis habe (Gastil, 2008, S. 10). Mercier und Landemore (2012, S. 249) sehen sogar spezifische Potentiale darin, gerade tief gespaltene Lager zu einem vernünftigen Austausch zusammenzubringen und äußern die Hoffnung, dass ein Austausch zwischen verfeindeten Lagern durchaus auch nutzbringende Folgen haben kann, wie etwa fundiertere Ansichten, überzeugendere Schlussfolgerungen und gegebenenfalls auch überzeugendere politische Vorschläge. Jedoch ist fraglich, ob hier dieselben Maßstäbe gelten können. Kann (deskriptiv) und sollte (normativ) also selbst dann an der Bereitschaft festgehalten werden, die Standpunkte des Gegenübers möglichst vorbehaltlos nachzuvollziehen, wenn der rücksichtsvolle Umgang verletzt wird? Empirisch zeigen Hwang und Kollegen (2016) beispielsweise, dass Personen, die einer inzivilen Diskussion ausgesetzt
3.3 Verwandte Konstrukte mit Bezug zu deliberativer Offenheit
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wurden, eher im Gegenteil zu mehr closed-mindedness tendierten. Es ist zu vermuten, dass es im Zusammenhang mit inzivilen Äußerungen eine Grauzone gibt, in der Deliberation unter der Prämisse deliberativer Offenheit noch möglich ist. Chen (2017) schließt in ihrer Definition von incivility allerdings bewusst Aussagen aus, die Schäden bei den Diskurspartnern verursachen können oder ein Machtgefälle etablieren wie im Falle des Mobbings, wenn also Täter-OpferStrukturen entstehen. Die Grenze der deliberativen Offenheit sollte also dort gezogen werden, wo durch Aussagen Drohungen vermittelt werden oder bewusst Schaden angerichtet wird, wie etwa bei Aufrufen zu Gewalt und Formen von hate speech und Mobbing. Solche extremen Aussagen im Rahmen von politischen Diskussionen können mit einer Dehumanisierung (z. B. Harris & Fiske, 2006) des Gegners einhergehen, womit das nächste zu thematisierende Konstrukt angesprochen wäre. Wenn eine Person dehumanisiert wird, werden ihr das Menschsein überhaupt oder einzelne menschliche Attribute abgesprochen (z. B. Haslam, Loughnan, Kashima & Bain, 2008), beispielsweise die Fähigkeit komplexe Emotionen wie Hoffnung und Reue zu empfinden oder die Orientierung an Werten wie Hilfsbereitschaft und Gleichberechtigung (Esses, Medianu & Lawson, 2013). In dieser Art werden zum Beispiel Einwanderer als Gruppe als „Krankheit“ oder „Ungeziefer“ und damit nicht mehr als menschlich dargestellt (Utych, 2018, S. 440). So werden auch dem Gegner in politischen Diskussionen derartige menschliche Eigenschaften abgesprochen. Durch Dehumanisierung entsteht ein Gefälle, indem das dehumanisierende Subjekt sein Gegenüber zum Beispiel auf eine tierähnliche Ebene herabsetzt und sich zugleich darüber erhebt. Die Gleichheit als Diskursvoraussetzung (Habermas, 2019) wird dadurch in besonders einschneidender Weise verletzt. Einige Studien haben sich bereits mit den Ursachen auseinandergesetzt, weshalb manche Personen eher dazu neigen oder bereit sind, andere zu dehumanisieren. Eine Ursache wird darin gesehen, dass der eigene, privilegierte Status geschützt und der niedrigere Status von Outgroups wie etwa Flüchtlingen mit all seinen negativen Folgen gerechtfertigt werden soll (Esses et al., 2013). Weiterhin werden Opfer von Tätern dehumanisiert, um Schuldgefühle oder Betroffenheit seitens der Täter zu reduzieren (Baumeister, Stillwell & Heatherton, 1994). Andere Studien legen nahe, dass durch Dehumanisierung Empathie zu den ausgegrenzten Gruppen unterbunden wird. Dies lässt wiederum eine Distanzierung von moralischen Prinzipien zu (Zebel, Zimmermann, Tendayi Viki & Doosje, 2008), was schließlich zu einer höheren Akzeptanz von feindseligem oder gewalttätigem Verhalten den ausgegrenzten Gruppen gegenüber führt (Bandura, 2002; Castano & Giner-Sorolla, 2006). Dehumanisierung stellt damit das Gegenteil
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Deliberative Offenheit
zum Empfinden von Empathie (2009, S. 142) und deliberativer Offenheit dar. Umgekehrt hat Empathie allerdings das Potential, den politischen Gegner zu humanisieren (Paluck, 2009). Neben der Art und Weise des interpersonalen Austauschs (wie im Falle von Inzivilität und Dehumanisierung) können auch Charaktereigenschaften die deliberative Offenheit von Personen einschränken. In der Forschung zu Informationsselektion und -verarbeitung erhielt unter anderem Dogmatismus, der durch closed-mindedness gekennzeichnet ist, viel Aufmerksamkeit (Rokeach, 2015; Shearman & Levine, 2006). Personen, die zu Dogmatismus oder Autoritarismus neigen, tendieren dazu, ihre Überzeugungen und Zweifel abzuschotten und zu isolieren. Personen mit offenen Glaubenssystemen und geringer Dogmatismus-Ausprägung neigen hingegen dazu, Verbindungen zwischen divergierenden Überzeugungen herzustellen (Shearman & Levine, 2006). Je nachdem, wie offen oder aber engstirnig eine Person ist, werden Argumente des Diskurses auf unterschiedliche Weise ausgewählt oder verarbeitet. Zum Beispiel präferieren dogmatische Personen eher Informationen, die konsistent zu den eigenen Ansichten sind (Kleck & Wheaton, 1967), beziehungsweise sie vermeiden oder ignorieren zu den eigenen Werten und Ansichten inkonsistente Informationen (Palmer & Kalin, 1985). Darüberhinaus neigen dogmatische Personen zu einer Polarisierung der Einstellungen und berücksichtigen weniger einstellungsinkonsistente Ansichten (Leone, 1989). Zudem lassen sich dogmatische Personen eher von der Quelle der Medienbotschaft beeinflussen als vom Botschaftsinhalt (Bettinghaus, Miller & Steinfatt, 1970) und sie tendieren zu Konfrontationen in Konfliktsituationen (Jones, R. E. & Melcher, 1982). Shearman und Levine (2006) fanden zudem heraus, dass Dogmatismus negativ mit empathic concern korreliert. Wenn also, zusammenfassend, in diesem Forschungsvorhaben mit dem Konzept der deliberativen Offenheit zur Förderung von deliberativem Austausch gearbeitet wird, ist damit zugleich die Annahme eines grundlegend respektvollen, zivilen Umgangs verbunden. Weiterhin beschränkt sich die Verwendung des Begriffs der deliberativen Offenheit im Rahmen dieser Forschungsarbeit zunächst auf die Offenheit innerhalb der internen Reflexionsprozesse. Im Fokus steht die Offenheit als Voraussetzung für Deliberation, im Rahmen des innerlichen Deliberierens. Wie dargelegt, kann und soll das den tatsächlichen Austausch mit anderen Diskursteilnehmern nicht ersetzen. Nachdem die Grenzen, innerhalb derer der Begriff deliberative Offenheit hier verwendet wird, deutlich geworden sind, soll im folgenden Kapitel erörtert werden, wie deliberative Offenheit gefördert werden kann. Der Schwerpunkt wird
3.3 Verwandte Konstrukte mit Bezug zu deliberativer Offenheit
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hier auf Unterhaltungsformate und dabei insbesondere auf Transformationsgeschichten in Spielfilmen gelegt. Es gibt bereits einige wenige Untersuchungen, die sich mit dem Zusammenhang von Unterhaltung und innerlicher Deliberation auseinandersetzen (Weinmann, 2018; Weinmann & Vorderer, 2018). Jedoch fehlt es noch an Untersuchungen, die sich gezielt mit Unterhaltungsformaten und ihrer Auswirkung auf Empathie und deliberative Offenheit beschäftigen. Im Folgenden wird daher das Potential von Unterhaltungsformaten in Zusammenhang mit politisch kontroversen Themen herausgearbeitet und die Frage geklärt, wie dadurch deliberative Offenheit gefördert werden kann.
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Unterhaltung und deliberative Offenheit
Unterhaltende Medienformate scheinen zugleich Fluch und Segen für die Vermittlung politischer Inhalte zu sein. Im folgenden Kapitel wird betrachtet, welche Rolle Unterhaltungsformate insbesondere bei kontroversen Themen spielen. Es wird näher auf die Transformationsgeschichten eingegangen, da in ihnen das Potential gesehen wird, sich positiv auf deliberative Offenheit auszuwirken. Zunächst wird jedoch ein kurzer Überblick gegeben, welche (zuweilen auch ambivalente) Rolle Unterhaltung in Zusammenhang mit Politikvermittlung und Deliberation spielt. In verschiedenen Unterhaltungsformaten, wie etwa der heute show bis hin zum Tatort, werden auch aktuelle politische Streitfragen thematisiert. Unterhaltsame Politikvermittlung kann sowohl positive als auch negative Wirkungen haben: Auf der einen Seite besteht die Sorge um eine Entpolitisierung des Publikums (z. B. Maurer, 2003) und eine Verminderung des Politikvertrauens (Guggenheim, Kwak & Campbell, 2011; Pfau, Moy, Radler & Bridgeman, 1998). Auf der anderen Seite wird mit der unterhaltenden Politikvermittlung die Hoffnung verbunden, auch ein politisch eher wenig interessiertes Publikum erreichen zu können (Andersen, 2019; Baum, 2003; Dörner, 2011; Kim, Y. M. & Vishak, 2008). Einige Ansätze befassen sich mit der Rolle der Emotionen in diesem Gefüge, die jedoch noch nicht ausreichend geklärt ist. Grundsätzlich herrscht Einigkeit darüber, dass Medien eine zentrale Bedeutung spielen, wenn sich Bürger über politische Themen informieren oder eine Meinung dazu bilden wollen (Wolling, 2014). Aufgrund dieser zentralen Rolle der Medien wird immer wieder gefragt, welche Art der Politikvermittlung aus öffentlichkeitstheoretischer Sicht als förderlich oder hinderlich zu bewerten ist, gerade auch weil zunehmend nicht nur der professionelle Journalismus politische Informationen bereitstellt, sondern auch Formate wie Unterhaltungsangebote (z. B. Eilders © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_4
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Unterhaltung und deliberative Offenheit
& Nitsch, 2015). So gibt es bereits einige Studien, die Wirkungen unterhaltender Formate auf für den Diskurs relevante Variablen wie politische Einstellungen untersuchen (für einen Überblick siehe: Dohle & Vowe, 2014; Wolling, 2014). Jedoch bleiben die Ergebnisse häufig widersprüchlich. Im Folgenden werden überblicksartig neuere Konzepte und Studien zu Unterhaltung und Informationsverarbeitung und zu der Frage vorgestellt, inwiefern sie das Potential beinhalten, zur deliberativen Offenheit beizutragen.
4.1
Eudaimonisches Unterhaltungserleben
Ein neuerer Forschungsstrang der Unterhaltungsforschung beschäftigt sich mit Zweiprozessmodellen der Unterhaltung (Bartsch & Schneider, 2014; Oliver & Raney, 2011; Vorderer & Reinecke, 2015, Wirth, Hofer & Schramm, 2012), in denen Unterhaltungstheorien mit Theorien der motivierten Informationsverarbeitung (z. B. Forgas, 1995; Lang, 2006) verknüpft werden. In diesen Modellen werden zwei Formen des Unterhaltungserlebens unterschieden, welche die verschiedenen, zum Teil auch gegensätzlichen Auswirkungen auf die kognitive Informationsverarbeitung erklären sollen. Die beiden dabei beschriebenen Modi des Unterhaltungserlebens weisen einige Parallelen mit den verschiedenen Zweiprozessmodellen der kognitiven Informationsverarbeitung auf (HSM; Chaiken et al., 1989; System 1 & 2; Kahneman, 2012; LC4MP; Lang, 2006; ELM; Petty & Cacioppo, 1986). Grundgedanke ist dabei, Zweiprozessmodelle des Unterhaltungserlebens mit solchen der Informationsverarbeitung zu kombinieren (Bartsch & Schneider, 2014). Bei der einen Form des Unterhaltungserlebens handelt es sich um das hedonische Unterhaltungserleben (Zillmann, 1988). Dieses ist eher durch einen heuristischen, wenig elaborierten kognitiven Verarbeitungsmodus (auch: peripher, automatisch oder Verarbeitung des System 1) gekennzeichnet. Diese Form des Unterhaltungserlebens dient vor allem der Stimmungsregulation des Rezipienten, soll also zu einer besseren Stimmung führen und von Alltagssorgen ablenken. Diese Art der Unterhaltung bietet daher wenig Ansatzpunkte für die Unterstützung deliberativer Offenheit. Auf der anderen Seite können Unterhaltungsangebote bei der Rezeption auch mit einem Gefühl der emotionalen Bewegtheit einhergehen und eine kognitive Herausforderung darstellen. Dadurch werden eher elaborierte kognitive Verarbeitungsformen (auch: zentral, systematisch, kontrolliert oder Verarbeitung des System 2) stimuliert und zum Beispiel die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens
4.1 Eudaimonisches Unterhaltungserleben
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hinterfragt (Bartsch, 2012; Bartsch & Schneider, 2014). Eudaimonische Gratifikationen werden auch unter dem Begriff appreciation gefasst, der von Oliver und Bartsch (2010, S. 76) definiert wird als „an experiential state that is characterized by the perception of deeper meaning, the feeling of being moved, and the motivationto elaborate on thoughts and feelings inspired by the experience.“ Nach Bartsch und Schneider (2014) führen bestimmte Faktoren im eudaimonischen Verarbeitungsprozess zu einer stärkeren kognitiven Elaboration: Diese Faktoren, bestehend aus negativer Valenz, gemischtem Affekt und moderater Erregung, werden mit emotionalem Involvement assoziiert. Je nachdem welche Art von emotionalem Involvement vorliegt, variiert wiederum die Art der kognitiven Verarbeitung des medialen Inhalts. Bei einer hedonischen Verarbeitung scheint das emotionale Involvement eskapistischer Art zu sein. Damit ist eine positive, absorbierende, eher moderat erregte Medienerfahrung gemeint, die eine semantische Distanz zu den Belangen der (außermedialen) Realität aufweist. Bei einer eudaimonischen Verarbeitung liegt hingegen eine ernstere Form des emotionalen Involvements vor, gekennzeichnet durch eine hohe persönliche Relevanz, moderate Erregung und negative oder gemischte affektive Valenz. Das wiederum führt zu einer stärkeren Motivation, die Medieninhalte elaboriert zu verarbeiten. Diese beiden Verarbeitungsrouten stehen allerdings nicht abgeschlossen nebeneinander. Während der Rezeption eines Medieninhalts ist ein Springen zwischen den Routen möglich, ebenso wie ein paralleler Verlauf. Zum Beispiel könnte sich ein Rezipient einem bestimmten Medieninhalt zunächst zuwenden, um sich abzulenken; zu Beginn stellt sich also hedonisches Unterhaltungserleben ein. Im weiteren Verlauf aber macht das Mitfühlen mit dem Protagonisten den Rezipienten möglicherweise nachdenklich, das Unterhaltungserleben wandelt sich also zu einem eudaimonischen. Gerade in Zusammenhang mit einem deliberativen Austausch kann eine Auseinandersetzung mit dem Konzept des eudaimonischen Unterhaltungserlebens fruchtbar sein. Bisher gibt es allerdings nur sehr wenige Studien, die Zweiprozessmodelle des Unterhaltungserlebens im Hinblick auf mögliche Wirkungen im politischen Kontext untersuchen. Es wurde beispielsweise gezeigt, dass Zuschauer, die einen emotional bewegenden Film gesehen haben, über das Gesehene nachdenken, darüber mit anderen diskutieren oder sich weiterführende Informationen zum Thema suchen wollen (Bartsch, Kalch & Oliver, 2014; Bartsch & Schneider, 2014). Bartsch und Schneider (2014) leiteten aus der mood management-Theorie (Zillmann, 1988) Faktoren ab, die entweder eine eher hedonische oder eher eudaimonische Informationsverarbeitung begünstigen. Negative Valenz, gemischter Affekt, geringes Absorptionspotential, moderate Erregung und
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Unterhaltung und deliberative Offenheit
persönliche und soziale Relevanz des Unterhaltungsangebots fördern eudaimonisches Unterhaltungserleben, damit eine elaborierte Informationsverarbeitung und begünstigen dadurch die Politikvermittlung (Bartsch & Schneider, 2014).
4.2
Self-Transcendent Media Experiences
Eudaimonisches Unterhaltungserleben kann dazu führen, dass eine Perspektiverweiterung über das eigene Selbst und seine unmittelbaren Belange hinaus initiiert und gefördert wird (Oliver et al., 2018). Self-transcendence wird verstanden als die Reflexion von „something beyond personal benefit, for example, the furtherance of some greater cause, union with a power beyond the self, and/or serviceto others as an expression of identification beyond the personal ego“ (Koltko-Rivera, 2006, S. 305; siehe auch: Haidt, 2003; Peterson & Seligman, 2004). Die Forschung zum Unterhaltungserleben zeigt also, dass mediale Unterhaltung Gelegenheit für solche Grenzüberschreitungen und Horizonterweiterung bietet, um letztlich kognitive Dissonanz zu überwinden. Beispiele für Modelle und Konzepte, die ähnliche Formen des Erlebens beschreiben, sind selbsttranszendente Medienerlebnisse (self-transcendent media experiences; Oliver et al., 2018; Raney et al., 2018), TEBOTS (Johnson, B. K. et al., 2016; Slater et al., 2014) sowie auch Transportation/narratives Erleben/ Absorption oder Immersion (Busselle & Bilandzic, 2008; Gerrig, 1993; Green & Brock, 2000; Moyer-Gusé, 2008; Slater & Rouner, 2002), Identifikation (Cohen, J., 2001; Oatley, 1999), moral elevation (Raney, 2004) und die Auseinandersetzung mit moralisch mehrdeutigen Charakteren (morally ambiguous characters; Krakowiak & Oliver, 2012; Krakowiak & Tsay-Vogel, 2015). Im Hinblick auf die möglichen Implikationen dieser Formen von Medienerlebnissen für unseren Untersuchungsgegenstand, insbesondere deliberative Offenheit, betonen Oliver und Kollegen (2018, S. 383) die in solchen Erfahrungen enthaltene universelle Perspektive: „a recognition of self-in-other and other-in-self“. In der Perspektive der Theorie der sozialen Identität (Tajfel & Turner, 2004) lässt sich dieser Prozess als Ausdehnung der Ingroup verstehen, um die anderen damit in die eigene Gruppe einzubeziehen (Oliver et al., 2018, S. 383). Befragte einer Untersuchung von Raney und Kollegen (2018) gaben an, dass vor allem Musik und Filme bei ihnen diese Erfahrung auslösen würden. Beispiele für solche Filme könnten The Blind Side (Hancock, 2009) oder Slumdog Millionaire (Boyle, 2008) sein. Es wurde allerdings noch nicht ausreichend geklärt, wie diese Grenzerweiterungen zustande kommen bzw. was eine solche Grenzerweiterung begünstigt.
4.2 Self-Transcendent Media Experiences
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Weiterhin fanden Raney und Kollegen (2018) heraus, dass eher Frauen berichteten, berührt bzw. bewegt von Medieninhalten gewesen zu sein. Passend dazu zeigen frühere Untersuchungen zum Zusammenhang von Empathie und Geschlecht ähnliche Ergebnisse (Eisenberg & Lennon, 1983; Oliver, Sargent & Weaver, 1998). In neueren Untersuchungen werden solche Erfahrungen vor allem mit dem eudaimonischen Unterhaltungserleben assoziiert, das mit einer tieferen kognitiven Verarbeitung einhergeht (Oliver et al., 2018). Andere Anknüpfungsmöglichkeiten finden sich im bereits beschriebenen affect infusion model von Forgas (1995). Im AIM wird neben einer heuristischen und einer elaborierten Informationsverarbeitung zusätzlich zwischen einer offenen und geschlossenen Verarbeitung von Informationen unterschieden. Die Erfahrung einer Grenzerweiterung dürfte dabei am ehesten mit einer offenen und substanziellen Informationsverarbeitung assoziiert sein. Bestimmte Emotionen wie Mitgefühl, Ehrfurcht oder Anerkennung können diese Art von Selbsttranszendenz fördern und werden in der Literatur auch als self-transcendent emotions (z. B. Stellar et al., 2017) bezeichnet. Diesen Emotionen wird das Potential zugeschrieben, „to encourage individuals to transcend their own momentary needs and desires and focus on those of another“ (Stellar et al., 2017, S. 201). Eng mit diesen Emotionen verknüpft ist die Motivation, das Wohlergehen anderer zu wahren, daher führen sie zu prosozialem Verhalten (Pohling & Diessner, 2016; Raney et al., 2018; Schnall, Roper & Fessler, 2010). Diese Art von Erfahrung ist auch für den deliberativen Austausch interessant, da damit eine Erweiterung des Fokus von den persönlichen Belangen hin zu Bedürfnissen und Werten anderer verbunden ist: „It is intuitively plausible that deliberation is deeply connected to transcending the self because it involves listening to the needs and reasons of others. So, selftranscendent emotions like compassion, gratitude, and awe will have to play an important role in an emergent deliberative conception of emotions. They might shift the tone of mediated debate away from self-interest“ (Wessler, 2018, S. 147).
Daher wird in dieser Arbeit untersucht, ob Medienerlebnisse, die sich als solche self-transcendent media experiences verstehen lassen, ein Mitfühlen für Vertreter, die für gegensätzliche Perspektiven in einem kontroversen Thema stehen, und damit letztendlich deliberative Offenheit fördern können. Im Folgenden wird ein Modell von Weinmann und Vorderer (2018) vorgestellt, das spezifischer die innerliche Deliberation fokussiert und mit medialen Unterhaltungserlebnissen verknüpft.
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4.3
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Unterhaltung und deliberative Offenheit
Modell zur Integration von Deliberation und Entertainment
Weinmann und Vorderer (2018) schlagen ein theoretisches Konzept vor, welches erstmals die beiden Bereiche Unterhaltung und Deliberation verbindet. Sie verknüpfen das Zweiprozessmodell des Unterhaltungserlebens (z. B. Bartsch & Schneider, 2014; Lewis, Tamborini & Weber, 2014; Vorderer & Reinecke, 2015) eng mit deliberation within (Goodin, 2000) und identifizieren Kriterien für Medienbotschaften, die beschreiben, wie politische Inhalte in Medien diskutiert werden: justification, responsiveness und civility. Sie betrachten es als aus normativer Sicht ideal, wenn die Auseinandersetzung der Rezipienten mit medienvermittelter Deliberation als innerliches Abwägen oder Analysieren von Argumenten erfolgt, also als deliberation within (siehe Kapitel 2.1.2). In diesem Integrationsmodell wird demnach deliberation within als (wünschenswerter) Medieneffekt konzipiert und es wird dementsprechend der Frage nachgegangen, inwiefern Unterhaltungserleben zu deliberation within und daraus resultierendem Verhalten, wie etwa Gesprächen über Politik, führen kann. Aufbauend auf den Ergebnissen von Bartsch und Schneider (2014) argumentieren Weinmann und Vorderer (2018), dass eudaimonisches Unterhaltungserleben reflektierte Informationsverarbeitung und Interesse für politische Themen erhöht, die durch das Unterhaltungsangebot angesprochen werden. Da deliberation within ähnliche kognitive Leistungen und ein Nachdenken über politische Themen erfordert, werden hier von Weinmann und Vorderer (2018) ähnliche Effekte für deliberation within erwartet. Die Annahmen des Integrationsmodells wurden von Weinmann (2019) mit Hilfe einer selbst entwickelten Skala zu deliberation within getestet. Ihre Befunde zeigen, dass sich eudaimonisches Unterhaltungserleben positiv auf deliberative Denkprozesse auswirkt. Die Art und Weise, wie die Argumente präsentiert wurden (Grad an justification, responsiveness und civility) bewirkten allerdings keinen Unterschied hinsichtlich der Art des Unterhaltungserlebens. Deliberation within enthält Elemente des Konzepts der deliberativen Offenheit, daher lassen sich aus der Untersuchung von Weinmann und Vorderer (2018) Rückschlüsse für diese Arbeit ziehen. Diese Befunde verdeutlichen, dass insbesondere eudaimonische Unterhaltung in einem positiven Zusammenhang mit deliberativer Offenheit steht.
4.4 Transformationsgeschichten
4.4
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Transformationsgeschichten
In jüngeren Studien wird die Rolle speziell von Erzählungen und Storytelling für Deliberation untersucht. Das können zum Beispiel persönliche Geschichten sein, die in Diskussionen eingeflochten werden (Gastil, 2008, S. 36). Dabei zeigt sich, dass fiktive Erzählungen über politische Outgroups Empathie auslösen und Vorurteile gegenüber diesen Gruppen reduzieren können (Johnson, D. R., Jasper, Griffin & Huffman, 2013). Sie können neuen Raum für Reflexionen bieten, neue Handlungsoptionen aufzeigen und Teil des deliberativen Austauschs sein, in Form einer Art Metadeliberation (Dahlgren, 2009, S. 138): „Thus, popular culture [insbesondere Unterhaltung, Anm. der Verfasserin] can process and communicate collective experience, emotion, and even knowledge; it offers opportunities for negotiating views and opinions on contested values as well as explicit political issues. It can therefore serve as a form of what we might call ‚metadeliberation‘, adding (but certainly not replacing) different forms of expression, different registers, and different emotional spectra to the more traditional forms of news and political communication“ (Dahlgren, 2009, S. 138).
Eine besondere Relevanz könnte in diesem Zusammenhang einer speziellen Form der Erzählung zukommen, den sogenannten transformation stories oder Transformationsgeschichten. In einer typischen Transformationsgeschichte wird beschrieben, wie der Protagonist seine Perspektive gewechselt hat und andere dazu einlädt, es ihm gleichzutun (Black, 2009). Ursprünglich wurden Transformationsgeschichten im Kontext des deliberativen Online-Forums Listening to the City untersucht, wo Bürger New Yorks über einen Zeitraum von zwei Wochen online diskutieren konnten, was mit Ground Zero geschehen solle (Black, 2009, S. 5). Transformationsgeschichten enthalten nicht notwendigerweise explizite Argumente zum jeweils diskutierten Thema und gehören deshalb zu den non-argument stories (Black, 2009, S. 19). Trotz der Abwesenheit konkret ausformulierter Argumente werden sie als bedeutend für Deliberation erachtet, da sie Diskursteilnehmern ermöglichen, deren eigenen Werte und Perspektiven in Bezug auf ein diskutiertes Thema eben jenen aufzuzeigen, die bezüglich des Themas anderer Ansicht sind (Black, 2009; Gastil, 2008). Transformationsgeschichten helfen den Rezipienten, abstrakte Themen mit eigenen Lebenserfahrungen zu verbinden und können bei ihnen das Empfinden einer gemeinsam geteilten Erfahrung hervorrufen (Black, 2009; Gastil, 2008). Nach Gastil (2008) bieten solche Geschichten die Gelegenheit, offen die eigenen Zweifel und mögliche Veränderungen im eigenen Denken zu entdecken. Sie bieten einen sicheren Rahmen, sich auszuprobieren
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Unterhaltung und deliberative Offenheit
und Zweifel bezüglich der eigenen Meinung zuzulassen. Weiterhin sind Transformationsgeschichten anknüpfungsfähig zum Konzept der Lebenswelt (Habermas, 1987): Diese Art von Geschichten ermöglichen das Eintauchen in die verschiedenen Lebenswelten der Diskurspartner und können damit auch Überschneidungen zur eigenen Lebenswelt aufzeigen, beispielsweise durch das Aufzeigen geteilter Werte und Interessen. Transformationsgeschichten enthalten gemischte, gegensätzliche oder wechselnde Emotionen und zeigen persönliche oder soziale Wandlungen auf (Gastil, 2008, S. 37). Sie weisen damit Ähnlichkeiten zum Konzept emotional flow (Nabi, 2015; Nabi & Green, 2015) auf. Unter emotional flow werden eine oder mehrere Wechsel von Emotionen während der Rezeption einer Medienbotschaft verstanden. Diese Wechsel bestehen in Änderungen bezüglich der emotionalen Valenz, der diskreten Emotionen mit der gleichen Valenz oder der Intensität der Emotion. Erste Untersuchungen zeigen, dass ein oder mehrere Wechsel von Emotionen eine elaborierte Verarbeitung des Medieninhalts und prosoziales Verhalten begünstigen (Bartsch, Kloß & Göing, 2017). Den Transformationsgeschichten verwandte Medienbotschaften werden auch im Bereich der entertainment-education (z. B. Moyer-Gusé, 2008; Sabido, 2004) eingesetzt. Hier werden prosoziale Botschaften in Unterhaltungskontexten eingebettet mit dem Ziel, gesundes oder prosoziales Verhalten zu fördern. Dazu werden etwa in der Gesundheitskommunikation sogenannte Wandlungsgeschichten (transitional stories) eingesetzt, welche den Transformationsgeschichten sehr ähneln. Ihre Verwendung basiert auf Annahmen der sozialkognitiven Lerntheorie (Bandura, 1986). Ihr zufolge stellen Menschen besonders effektiv ihr Verhalten durch das Beobachten von Rollenmodellen um. Eine der Darstellungsweisen von Rollenmodellen innerhalb des entertainment-education-Ansatzes sind transitional stories anhand von Entwicklungen von Figuren in Telenovelas (Arendt & Rössler, 2014; Sabido, 2004). Im Verlauf der Handlung wird gezeigt, wie die Figur ihr Leben verändert: Es werden zunächst negative, ungünstige Verhaltensweisen gezeigt und diese werden dann zu Gunsten eines neuen, positiven, von der Medienbotschaft intendierten Verhaltens aufgegeben. Schließlich wird das Rollenmodell für das neue, positive Verhalten belohnt, was beim Rezipienten Selbstwirksamkeit erzeugen soll und damit die Motivation, es dem Rollenmodell gleichzutun (Sabido, 2004). In Abschnitt 4.2 wurden verschiedene Formen selbsttranszenden der Medienerfahrungen beschrieben. Die Rezeption von Transformationsgeschichten zählt potentiell auch zu diesen Erfahrungen, da sie den Rezipienten dazu einladen, andere Perspektiven kennenzulernen oder zuzusehen, wie sich vermeintlich festgefahrene Einstellungen und Verhaltensweisen ändern können. Grundsätzlich
4.4 Transformationsgeschichten
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entspricht der Charakter von Transformationsgeschichten dem der selbsttranszendenten Medienerlebnisse, da in beiden Fällen die Perspektive von anderen in den Fokus gerückt wird. Bisher wurden Transformationsgeschichten als Unterhaltungsformat allerdings noch nicht im Zusammenhang mit Deliberation betrachtet. Auf Basis der bisherigen Ausführungen wird aber davon ausgegangen, dass Transformationsgeschichten mögliche Anlässe für selbsttranszendente Medienerlebnisse darstellen, was wiederum mit einer reflektierten, offenen Informationsverarbeitung einhergehen und damit deliberative Offenheit begünstigen könnte. Neben der zentralen Annahme, dass sich Transformationsgeschichten positiv auf die deliberative Offenheit auswirken, wird davon ausgegangen, dass sie zugleich auch Reaktanz reduzieren können. Medienbotschaften können nämlich auch als persuasiv wahrgenommen werden, was zu Backfire-Effekten führen und Reaktanz hervorrufen kann (Dillard & Shen, 2005). Unter Reaktanz wird ein motivationaler Zustand verstanden, der auf die Wiederherstellung der eigenen bedrohten Freiheit im Denken und Handeln abzielt (Brehm, 1966, S. 15). Nach dieser Definition werden persuasive Medienbotschaften als Überzeugungsversuche aufgefasst, woraufhin sich der Rezipient in der eigenen Meinungsfreiheit und Freiheit zu Handeln beeinträchtigt fühlt. Das hat Abwehrreaktionen zur Folge wie das Empfinden von Ärger, counterarguing oder die Verfestigung von Einstellungen, die sich gegen den Botschaftsinhalt richten (Dillard & Shen, 2005; Rains, 2013). Fiktionale Unterhaltungsformate werden hingegen weniger als Überzeugungsversuch wahrgenommen und rufen daher weniger Reaktanz hervor (Green & Brock, 2000; Moyer-Gusé, 2008). Das wiederum führt zu der Annahme, dass fiktionale Formate besonders auch bei Themen geeignet sind, bei denen starke Einstellungen vorliegen (Dal Cin, Zanna & Fong, 2004; Mazzocco, Green, Sasota & Jones, 2010; Slater, 2002). Für das vorliegende Forschungsvorhaben wird daher angenommen, dass Transformationsgeschichten als fiktionale Unterhaltungsformate geeignet sind, Reaktanz entgegenzuwirken. Zudem steht bei einer Transformationsgeschichte weniger die Persuasion im Vordergrund, sondern es geht eher darum, andere Sichtweisen (neben der eigenen) gelten zu lassen. Damit wird eine neue Perspektive auf Reaktanz eröffnet. Weiterhin wird vermutet, dass die Wandlung der Hauptfigur für den Rezipienten nachvollziehbar und glaubwürdig dargestellt sein sollte, um Reaktanz zu reduzieren. Studien konnten beispielsweise einen negativen Zusammenhang von Reaktanz und Glaubwürdigkeit der Quelle (Koch & Zerback, 2013; Silvia, 2006) oder Glaubwürdigkeit der Medienbotschaft (Koch & Zerback, 2013) aufzeigen. Somit sollte eine glaubwürdig dargestellte Wandlung eher Reaktanz reduzieren.
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Unterhaltung und deliberative Offenheit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Unterhaltung das Potential besitzt, sich positiv auf für den deliberativen Diskurs bedeutsame Prozesse und Verhaltensweisen, wie etwa Informationssuche, auszuwirken und insbesondere auf dessen Voraussetzungen wie die hier vorrangig interessierende deliberative Offenheit. Jedoch gibt es noch immer wenig Forschung darüber, welche Inhalte förderlich für deliberatives Verhalten wie deliberation within (Weinmann & Vorderer, 2018) oder deliberative Offenheit sind. Die vorliegende Arbeit schließt diese Lücke, indem sie untersucht, wie sich ein konkretes Merkmal von unterhaltenden Medieninhalten, namentlich Wandlungen, die ein Protagonist im Rahmen einer Transformationsgeschichte durchläuft, auf deliberative Offenheit auswirken. Erste Studien von Gastil und Black (2008) zeigen, dass solche Geschichten im Kontext von Online-Blogs das Potential haben, sich positiv auf politisches Verhalten auszuwirken. Die vorliegende Arbeit betrachtet Transformationsgeschichten erstmalig in Verbindung mit Unterhaltungsformaten wie Spielfilmen und mit deliberativem Verhalten und insbesondere deliberativer Offenheit. In der vorliegenden Arbeit wird als einer der wesentlichen Mechanismen, über den sich die Rezeption von Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit auswirkt, das Phänomen der Empathie betrachtet. Im folgenden Kapitel wird deswegen zunächst geklärt, was mit dem Begriff Empathie gemeint ist und welche Formen von Empathie es gibt; im Anschluss daran wird herausgearbeitet, welche dieser Formen von Empathie für unseren Zusammenhang relevant ist.
5
Empathie und deliberative Offenheit
Zwar wurde bereits die Offenheit im Zuge eines Diskurses untersucht (z. B. Hwang et al., 2008, Mai; Kwak et al., 2018), jedoch liegen noch kaum Befunde vor, inwiefern Emotionen und emotionale Prozesse, insbesondere Empathie, Offenheit beeinflussen. Einige Autoren sind der Ansicht, dass sich das Empfinden von Empathie und das sich Hineinversetzen in die Perspektive des anderen positiv auf den Deliberationsprozess auswirkt (z. B. Goodin, 2003; Krause, 2008; Morrell, 2010; Nussbaum, 2014, S. 223; Rosenberg, 2014; Steenbergen et al., 2003). Damit ist die Hoffnung verbunden, der deliberative Prozess werde inklusiver (Krause, 2008) und die Bereitschaft, sich Argumente der verschiedenen, auch widerstreitenden Positionen anzuhören, werde gefördert. Im Zuge des deliberativen Austauschs sollen idealerweise auch Vorurteile gegenüber unterschiedlichen Gruppen überwunden werden, indem man bereit ist, sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen, sei es face-to-face oder zum Beispiel über Medien (Morrell, 2010, S. 118). Das ist eine wichtige Voraussetzung, um Konflikte auf deliberative Art zu lösen: Die Argumente aller Beteiligten müssen gehört werden, damit sich am Ende das bessere Argument durchsetzen kann (Habermas, 2019, 1987). Allerdings ist man sich in der Literatur nicht einig, ob Empathie dies überhaupt leisten kann oder sich vielleicht gar kontraproduktiv auswirken könnte (z. B. Bloom, 2016; Breithaupt, 2017; Scudder, 2016). Empathie umfasst viele Facetten (z. B. Cuff, Brown, Taylor & Howat, 2016; Morrell, 2010, S. 39): „Because of its wide-ranging application, the notion of empathy is, and always has been, a broad, somewhat slippery concept – one that has provoked considerable speculation, excitement, and confusion“ (Eisenberg & Strayer, 1990, S. 3). Je nach Kontext kann der Begriff Empathie also für viele verschiedene Konzepte stehen, was im Forschungskontext nicht unproblematisch ist, da damit eine nur begrenzte
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_5
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Empathie und deliberative Offenheit
Vergleichbarkeit von Studien einhergeht. Für unseren Zusammenhang ist insbesondere darauf zu achten, welche Implikationen diese verschiedenen Arten von Empathie für Deliberation aufweisen. In diesem Kapitel werden deshalb überblicksartig die Unterscheidungsmöglichkeiten von Empathie vorgestellt. Darauf aufbauend wird begründet, warum sich Empathie verstanden als empathic concern (z. B. Batson & Ahmad, 2009) positiv auf deliberative Offenheit auswirken kann, indem aufgezeigt wird wie mit Hilfe von Empathie der altruistische Gedanke und damit das Gemeinwohl gestärkt werden können. Grundlage für diese Überlegungen bildet die moral foundations theory (Haidt, 2003; Haidt & Joseph, 2008) und die EmpathieAltruismus-Hypothese (Batson & Powell, 2003). Grundsätzlich scheint es leichter zu sein, Empathie für Menschen zu empfinden, die einem selbst ähneln als für Menschen, mit deren Werten und Ansichten man nicht übereinstimmt. Insbesondere die Forschung zu Empathie im Zusammenhang mit Outgroups zeigt jedoch auf, dass es durchaus möglich ist, mit Personen Empathie zu empfinden, die sich von einem selbst stark unterscheiden, auch wenn diese durch fiktive Charaktere repräsentiert werden. Diese Überlegungen bilden in dieser Arbeit die Grundlage für eine neue Konzeption der gemischten Empathie als eine Form von Empathie im Kontext von gesellschaftlichen Konflikten in Unterhaltungsformaten, die zugleich für einen Vertreter der einen Seite eines Konflikts und für den Vertreter der anderen Seite eines Konflikts empfunden wird (Empathie für gegensätzliche Charaktere). Mit Hilfe des eudaimonischen Unterhaltungserlebens (Bartsch & Schneider, 2014) wird erläutert, warum Empathie und insbesondere Empathie für gegensätzliche Charaktere förderlich für deliberative Offenheit sein könnte. Aktuell wird allerdings häufig zur Vorsicht in Bezug auf Empathie im politischen Kontext gemahnt. Die kritischen Thesen, die in diesem Zusammenhang geäußert werden, werden abschließend adressiert, um aufzuzeigen, wo der Empathie Grenzen gesetzt sind.
5.1
Zum Begriff der Empathie
Der Begriff Empathie existiert in verschiedenen Varianten (z. B. kognitiv/affektiv; kongruent/nicht-kongruent) und wird außerdem synonym mit anderen Begriffen wie Sympathie, Identifikation, Perspektivübernahme, Involvement usw. verwendet. Statt einer allgemein akzeptierten Definition finden sich viele Definitionen in der Literatur, denen jeweils unterschiedliche Sichtweisen von Empathie zu Grunde liegen, die teilweise auch in Konflikt zueinanderstehen (für einen Überblick: Cuff et al., 2016; Hall, J. A. & Schwartz, 2019).
5.1 Zum Begriff der Empathie
51
Cuff, Brown, Taylor und Howat (2016) trugen 43 Definitionen von Empathie zusammen (siehe Tabelle 5.1). Bei dieser Zusammenstellung besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit1 . Cuff et al. (2016, S. 145) wollen damit vor allem aufzeigen, wie unterschiedlich die Konzeptionen von Empathie sind. Darauf soll an dieser Stelle kurz eingegangen werden. Im Anschluss wird aufgezeigt, wie Empathie für dieses Forschungsvorhaben definiert wird und was dies für die Interpretation der Ergebnisse bedeutet.
Tabelle 5.1 Definitionen von Empathie Autor(en)
Definition von Empathie
Albiero, Matricardi, Speltri & Toso (2009, S. 393/394)
„The tendency to vicariously experience other individuals’ emotional states (Davis, 1994) and an emotional response that is focused more on another person’s situation or emotion than on one’s one (Hoffmann, 2001). This Type of emotional response can be either identical to or congruent with that of the other person involved (Eisenberg et al., 1994)“
Barker (2008, S. 141)
„The act of perceiving, understanding, experiencing, and responding to the emotional state and ideas of another person.“
Barnett & Mann (2013, S. 234/235)
„a cognitive and emotional understanding of another’s experience, resulting in an emotional response that is congruent with a view that others are worthy of compassion and respect and have intrinsic worth.“
Baron-Cohen & Wheelwright (2004, S. 168)
„the drive or ability to attribute mental states to another person/animal, and entails an appropriate affective response in the observer to the other person’s mental state.“
Batson, Ahmad, „an other oriented emotional response elicited by and congruent Lishner & Tsang with the perceived welfare of someone else.“ (2005, S. 486) Batson, Fultz, & „The other-focused, congruent emotion produced by witnessing Schoenrade another person’s suffering involves such feelings as sympathy, (1987, S. 20) compassion, softheartedness, and tenderness.“ Clark (2010, S. 95)
„Empathy offers a way for a mental health counselor to grasp the feelings andmeanings of a client and convey this understanding to the client (Myers, 2000; Pearson, 1999).“ (Fortsetzung)
1 Daneben
sind die Quellenbelege der Definitionen teilweise nicht vollständig angegeben, so dass nicht genau ersichtlich ist, wann in den angegebenen Definitionen auf Empathie-Definitionen anderer Autoren zurückgegriffen wurde. Für Tabelle 5.1 wurden die betreffenden Quellenangaben daher korrigiert sowie Original-Quellen ergänzt.
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5
Empathie und deliberative Offenheit
Tabelle 5.1 (Fortsetzung) Autor(en)
Definition von Empathie
Cohen & Strayer „empathy, defined as understanding and sharing in another’s (1996, S. 988) emotional state or context (Eisenberg & Strayer, 1987)“ Colman (2009, S. 248)
„The capacity to understand and enter into another person’s feelings and emotions or to experience something from the other person’s point of view.“
Coplan (2011, S. 40)
„a complex imaginative process through which an observer simulates another person’s situated psychological states while maintaining clear self-other differentiation.“
Davis (1983, S. 113)
„Empathy in the broadest sense refers to the reactions of one individual to the observed experiences of another.“
Davis (1996, S. 12)
„A set of constructs having to do with the responses of one individual to the experiences of another. These constructs specifically include the processes taking place within the observer and the affective and nonaffective outcomes which result from those processes.“
Decety & Lamm „a sense of similarity between the feelings one experiences and (2006, S. 1146) those expressed by others (Thompson, 2001).“ Decety & Lamm „The ability to experience and understand what others feel without (2006, S. 1146) confusion between oneself and others.“ Decety & Michalska (2010, S. 886)
„the ability to appreciate the emotions of others with a minimal distinction between self and other.“
Decety & Moriguchi (2007, S. 1)
„the capacity to share and understand emotional states of others in reference to oneself.“
Dymond (1949, S. 127)
„the imaginative transposing of oneself into the thinking, feeling and acting of another and so structuring the world as he does.“
Eisenberg, Fabes, & Spinrad (2007, S. 647)
„an affective response that stems from the comprehension of another’s emotional state or condition, which is identical or very similar to the other’s emotion, or what would be expected to feel.“
Feshbach (1975, S. 26)
„a match between the affective response of a perceiver and that of a stimulus person. […] empathy must take into account both cognitive and affective factors.“
Geer, Estupinan, & Manguno-Mire (2000, S. 101)
„the ability to perceive another person’s point-of-view, experience the emotions of another and behave compassionately (Fisher & Howells, 1993). This definition aims to include behavioral, cognitive, and affective components.“
Goldman (1993, S. 351)
„a sort of ‘mimicking’ of one person’s affective state by that of another.“ (Fortsetzung)
5.1 Zum Begriff der Empathie
53
Tabelle 5.1 (Fortsetzung) Autor(en)
Definition von Empathie
Hein & Singer (2008, S. 154)
„an affective state, caused by sharing of the emotions or sensory states of another person.“
Hoffman (2000, S. 4)
„an affective response more appropriate to another’s situation than one’s own.“
Hogan (1969, S. 308)
„the act of constructing for oneself another’s mental state.“
Ickes (1997, S. 2)
„a complex form of psychological inference in which observation, memory, knowledge, and reasoning are combined to yield insights into the thoughts and feelings of others.“
Johnson, Cheek, & Smither (1983, S. 1299)
„this tendency to apprehend another person’s condition or state of mind“
Lazarus (1994, S. 287)
„sharing another’s feelings by placing oneself psychologically in that person’s circumstance.“
Oliveira-Silva & Gonçalves (2011, S. 201)
„Empathy entails the capacities to resonate with another person’s emotions, understand his/her thoughts and feelings, separate our own thoughts and emotions from those of the observed and responding with the appropriate prosocial and helpful behaviour.“
Pavey, Greitemeyer, & Sparks (2012, S. 681)
„Empathy is defined as the experience of sympathetic emotions and concern for another person in distress and has beenidentified as a strong predictor of helping behavior (see Dovidio, Piliavin, Schroeder, & Penner, 2006, for a review)“
Pease (1995, S. 202)
„the action of understanding, being aware of, being sensitive to, and vicariously experiencing the feelings, thoughts and experience of another of either the past or present without having the feelings, thoughts and experience fully communicated in an objectively explicit manner.“
Pelligra (2011, S. 170)
„the ability to anticipate and share others’ emotional states“
Preston (2007, S. 428)
„A shared emotional experience occurring when one person (the subject) comes to feel a similar emotion to another (the object) as a result of perceiving the other’s state.“
Preston & de Waal (2002, S. 4)
„Subject’s state results from the attended perception of the object’s state“
Rogers (1975, S. 2)
„to perceive the internal frame of reference of another with accuracy and with the emotional components and meanings which pertain thereto as if one were the person, but without ever losing the ‘as if’ condition.“ (Fortsetzung)
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5
Empathie und deliberative Offenheit
Tabelle 5.1 (Fortsetzung) Autor(en)
Definition von Empathie
Singer & Lamm (2009, S. 82)
„an affective response to the directly perceived, imagined, or inferred feeling state of another being.“
Singer & Steinbeis (2009, S. 43)
„empathy involves a distinction between oneself and others and an awareness that one is vicariously feeling with someone but that this is not one’s own emotion […] (De Vignemont & Singer, 2006.)“
Smith (1759, „an ability to understand another person’s perspective plus a visceral zitiert von or emotional reaction.“ Marshall, Hudson, Jones & Fernandez, 1995, S. 100) Stocks, Lishner, Waits & Downum (2011, S. 3)
„a category of emotional responses that are felt on behalf of others“
Stotland, Matthews, Sherman, Hansson & Richardson (1978, S. 12)
„an observer reacting emotionally because he perceives that another is experiencing or about to experience an emotion.“
Titchener (1909, zitiert von Duan & Hill, 1996, S. 261)
„a process of humanizing objects, of reading or feeling ourselves into them (Titchener, 1924, S. 417).“
Van der Weele (2011, S. 586)
„a basically passive process of information gathering.“ (De Waal, 2009, S. 88)
Wispé (1986, S. 318)
„the attempt by one self-aware self to comprehend unjudgementally the positive and negative experiences of another self.“
Zahavi (2008, S. 517)
„a basic, irreducible form of intentionality that is directed towards the experiences of others.“
Anmerkung. Darstellung nach Cuff, Brown, Taylor und Howat (2016, S. 146–147).
Wie Tabelle 5.1 illustriert, herrscht bei den Autoren kein Konsens über den Inhalt und die Dimensionen des Empathie-Begriffs (z. B. Cuff et al., 2016, S. 145). Teilweise werden gleichartige Konzepte bewusst von Empathie unterschieden, wie Sympathie und emotionale Ansteckung (z. B. Bloom, 2016, S. 40; Eisenberg, Shea, Carlo & Knight, 1991). Teilweise wird Empathie hingegen als
5.1 Zum Begriff der Empathie
55
eine Art Sammelbegriff verwendet, welcher ähnliche Konzepte wie Sympathie und emotionale Ansteckung gerade umfasst. Die Begriffe sind zwar verwandt, werden aber dennoch unterschiedlich angewendet (z. B. Ickes, 2011). Einige Autoren schließlich fassen Begriffe wie Sympathie und Empathie bewusst oder unbewusst zusammen. Batson, Ahmad, Lishner und Tsang (2005) unterscheiden beispielsweise nicht bewusst zwischen Sympathie und Empathie und ihre Definition von Empathie entspricht der Definition von Sympathie von Eisenberg, Shea, Carlo und Knight (1991, S. 66). Zusätzlich zu diesen Abgrenzungsproblemen zu anderen Konzepten unterscheiden sich Empathiedefinitionen in den jeweils berücksichtigten Komponenten des Phänomens. Ein mögliches Unterscheidungsmerkmal ist die Art von Reaktion, die von Empathie hervorgerufen wird. Davis (1983) betrachtet Empathie als multidimensionales Konstrukt und versteht es ganz allgemein als „reactions of one individual to the observed experiences of another“ (Davis, M. H., 1983, S. 113). Darauf aufbauend können grob zwei Arten von Reaktionen unterschieden werden: kognitive Reaktionen (die Perspektive des anderen verstehen) und affektive Reaktionen (mit dem anderen fühlen). Andere Autoren konzentrieren sich ausschließlich auf die kognitiven Reaktionen als Empathie (z. B. Hogan, 1969, S. 308; Ickes, 1997, S. 2). Demnach ermöglicht es Empathie, die Gefühle oder die Perspektive der beobachteten Person zu verstehen. Diese müssen aber nicht auf gleiche Weise nachempfunden werden. Andere Definitionen beziehen sich nur auf die affektive Komponente (z. B. Stocks et al., 2011, S. 3). Davis (1983) und einige weitere Autoren (z. B. Shen, 2010) beziehen sich auf beide Arten, Empathie wird also als Set von verschiedenen Konstrukten verstanden, das sowohl affektive als auch kognitive Komponenten umfasst. Daneben gibt es noch andere Unterscheidungsmerkmale, etwa die Frage, ob die empathisch empfundenen Gefühle des Beobachters deckungsgleich mit denen der beobachteten Person sein sollten (z. B. Cohen, D. & Strayer, 1996, S. 988; Rogers, C. R., 1975, S. 5) oder ob dies keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen von Empathie darstellt (z. B. Eisenberg et al., 2007, S. 647). Einige Definitionen sehen hier eine klare Trennung des Selbst von der beobachteten anderen Person vor. Dem Individuum ist demnach bewusst, dass die eigenen Empfindungen von der Wahrnehmung einer anderen Person herrühren (Cuff et al., 2016, S. 149). Im Zusammenhang dieser Arbeit ist eine Begriffsdimensionierung von Batson und Ahmad (2009) von besonderer Relevanz, weshalb sie im Folgenden ausführlicher dargestellt wird. Sie identifizieren vier psychologische Formen von Empathie, die einen Dialog zwischen (verfeindeten) Gruppen fördern können. Diese Unterscheidung ist wichtig, da mit diesen Formen der Empathie die eben
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5
Empathie und deliberative Offenheit
vorgestellten unterschiedlichen Konzepte eingeordnet werden können. Der Ansatz von Batson und Ahmad (2009) unterscheidet grundsätzlich Empathie in kognitive Empathie, den Prozess der Perspektivübernahme, und affektive Empathie, die entsprechenden emotionalen Reaktionen (siehe Tabelle 5.2).
Tabelle 5.2 Formen von Empathie in Bezug auf Gruppenbeziehungen psychischer Zustand
beinhaltet:
kognitive/ wahrnehmungsbezogene Zustände 1. imagine-self perspective
Sich vorstellen, wie man in der Situation oder in den „Schuhen“ eines anderen denken und fühlen würde.
2. imagine-other perspective
Sich vorstellen, wie eine andere Person angesichts ihrer Situation denkt oder fühlt.
affektive/ emotionale Zustände 3. emotion matching
Fühlen, wie die andere Person fühlt.
4. empathic concern
Mit einer anderen Person fühlen, die in Not ist.
Anmerkung. Darstellung nach Batson und Ahmad (2009, S. 144)
Weiterhin werden wiederum zwei Formen der Perspektivübernahme unterschieden: Die erste Form besteht darin, sich vorzustellen, wie man selbst in der Situation des Outgroup-Mitglieds fühlen und denken würde (imagine-self perspective). Die eigenen Gedanken und Gefühle stehen im Fokus und man stellt sich vor, in den Schuhen des anderen zu gehen. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass es bei dieser Projektion bleibt und man im Grunde nichts über den anderen lernt, da bei dieser Art der Perspektivübernahme noch immer das eigene Selbst fokussiert wird (Batson & Ahmad, 2009, S. 144). Stattdessen kann man sich aber auch vorstellen, wie das entsprechende Mitglied der Outgroup in der Situation denken oder fühlen würde (imagine-other perspective). Die eigenen Vorstellungen von einer anderen Person können dabei beispielsweise auf dem Wissen über Wünsche und Werte dieser Person basieren oder darauf, was die Person sagt oder wie sie handelt. Das erfordert mehr als das bloße in-den-Schuhen-des-anderen-Gehen, nämlich ein „responsively knowing“ (Barrett-Lennard, 1981, S. 92) und „sensitive understanding“ (Batson & Ahmad, 2009, S. 145, Hervorhebung im Original). Daneben beschreiben Batson und Ahmad zwei Varianten emotionaler Reaktionen: Fühlen, was ein Mitglied der Outgroup fühlen würde (emotion matching), im
5.1 Zum Begriff der Empathie
57
Sinne von zwischen dem Beobachter und Outgroup-Mitglied geteilten Emotionen. Das entspricht dem Konzept der emotionalen Ansteckung (emotional contagion; z. B. Hatfield, Cacioppo & Rapson, 2002). Untersuchungen zeigen, dass für diese Form von Empathie Spiegelneuronen verantwortlich sind (z. B. Vignemont & Singer, 2006). Die letzte Form ist das Mitfühlen mit dem Mitglied der Outgroup (empathic concern). Das entspricht der Definition von Batson (1991), die auch für dieses Forschungsvorhaben verwendet werden soll. Hier wird Empathie verstanden als eine am Wohlbefinden anderer orientierte emotionale Reaktion: „an other-oriented emotional response elicited by and congruent with the perceived welfare of someone else“ (Batson & Ahmad, 2009, S. 145–146). Im Vordergrund steht das Fühlen mit dem Mitglied der Outgroup („other-oriented“), wobei dieses Mitfühlen durch das vom Beobachter wahrgenommene Wohlergehen des Outgroup-Mitglieds erzeugt wird. Außerdem bezieht diese Form von Empathie die Valenz der Emotion ein („congruent“): Geht es dem anderen gut, werden positive Emotionen im Beobachter erzeugt (empathic joy), ergeht es dem anderen schlecht, erweckt das negative Emotionen (empathic concern). Das entspricht in etwa dem Verständnis von Sympathie nach Eisenberg, Shea, Carlo und Knight (1991, S. 65), die Sympathie definieren als „a vicarious emotional reaction based on the apprehension of another’s emotional state or situation, which involves feelings of sorrow or concern for the other“. Dieses Empathie-Verständnis impliziert allerdings nicht, dass die Position des anderen auch letztendlich übernommen bzw. die eigene Position oder Sichtweise aufgegeben wird. Das kann sicherlich eine von mehreren möglichen Folgen sein, ist aber keine Voraussetzung für das Vorliegen von Empathie. Diese Eigenständigkeit wird an dieser Stelle betont, da dies für den deliberativen Austausch von Bedeutung ist. Abschließend sei noch erwähnt, dass die unterschiedlichen Formen von Empathie durchaus im Zusammenhang miteinander stehen und gegenseitig aufeinander Einfluss nehmen können (Batson & Ahmad, 2009, S. 146). Eine imagine-self perspective, imagine-other perspective oder emotion matching kann zu mehr empathic concern führen und dies befördern, muss dies jedoch nicht notwendigerweise tun. Zum Beispiel wird zum Teil angenommen, dass man nur dann mit dem anderen fühlen kann, wenn man wie der andere fühlt. Ein solcher Zusammenhang kann zwar bestehen (z. B. Eisenberg & Strayer, 1990), muss es aber nicht, wie andere Untersuchungen zeigen (z. B. Batson, Early & Salvarani,1997). Im Hinblick auf unseren Zusammenhang ist außerdem erwähnenswert, dass empathic concern den bereits thematisierten selbsttranszendenten Emotionen (self-transcendent emotions) zugeordnet wird (Wessler, 2018, S. 146). Diese Art von Emotionen ist „other-oriented, diminishing one’s focus on the self and encouraging greater sensitivity and attunement to others“ (Stellar et al., 2017, S. 201).
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5
Empathie und deliberative Offenheit
Empathic concern entspricht dabei am ehesten compassion, also Mitgefühl, als einem der wichtigsten Vertreter von selbsttranszendenten Emotionen (Stellar et al., 2017, S. 202). Zudem wird selbsttranszendenten Emotionen das Potential zugeschrieben, einen offeneren Austausch zu begünstigen (Wessler, 2018, S. 152). Für einen deliberativen Austausch ist die Bereitschaft, die verschiedenen Positionen anzuhören und nachzuvollziehen, also deliberative Offenheit, essentiell. So könnte ein fairer und freier Austausch gefördert werden, der die Idealform des deliberativen Austauschs darstellt. Daraus lässt sich insgesamt die Vermutung ableiten, dass im Zusammenhang mit deliberativer Offenheit besonders Empathie, verstanden als Mitfühlen oder empathic concern (Batson, 1991; Batson & Ahmad, 2009) von Relevanz ist, da es hierbei nicht notwendigerweise darum geht, die Position des anderen zu übernehmen und Differenzen zu beseitigen. Diese Art von Empathie als Mitfühlen ist es, die auch Wessler (2018) als überaus geeignet für den deliberativen Kontext erachtet: „The affective side of empathy […] seems like a most potent emotional base for facilitating and giving meaning to that cognitive role-taking and thus for truly open discussion. Therefore, empathy can be connected to learning about others and from others“ (Wessler, 2018, S. 145).
Weiterhin zeigen Studien positive Effekte von empathic concern auf altruistische Motivation und Verhaltensabsichten (z. B. Batson et al., 1991), was im Zusammenhang mit dem Austausch über politische Themen interessant ist. Für die Legitimität von politischen Entscheidungen ist die Orientierung am Gemeinwohl von Bedeutung; sie wäre nicht gegeben, wenn es nur um die Bedürfnisbefriedigung des Einzelnen ginge, also egoistische Beweggründe und Perspektiven im Vordergrund stünden. Eine Orientierung am Gemeinwohl und dessen Stärkung kann also umgekehrt insbesondere auch aus altruistischer Motivation heraus geschehen, womit zugleich weniger die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Im folgenden Kapitel wird erläutert, wie und warum Empathie altruistische Motivation fördern kann.
5.2
Empathie und Altruismus
Im Idealfall werden politische Entscheidungen deliberativ ausgehandelt, sodass nach dem besseren Argument entschieden wird. Das setzt voraus, dass Bürger bereit sind, bezüglich einer gemeinsamen Sache zu kooperieren (Morrell, 2010, S. 116) und so zu entscheiden, wie es für das Gemeinwohl am besten ist. Für
5.2 Empathie und Altruismus
59
den einen oder anderen Teilnehmer bedeutet die Entscheidung für das bessere Argument im Interesse des Gemeinwohls sogar, Entscheidungen zu treffen, die dem persönlichen Eigeninteresse zuwiderlaufen. Das kann unter Umständen dazu führen, dass politische Entscheidungen nicht mitgetragen werden. Um dies zu vermeiden, sollten die eigenen Interessen in Bezug zu den anderen Interessen oder Gefühlen, langfristigen Zielen und moralischen Prinzipiengesetzt werden (Rosenberg, 2014). Der Schlüssel dazu sei das Herstellen einer emotionalen Verbindung zwischen allen Teilnehmern: „The key here is to recognize that deliberation also requires conditions that foster emotional engagement, mutual nurturing and an affective tie to one’s community“ (Rosenberg, 2007, S. 349). Sich für andere und deren Belange zu interessieren und sich um andere zu sorgen, sei damit für Deliberation eine wichtige Voraussetzung (Rosenberg, 2007, S. 348). Interesse für Belange, die über die eigenen hinausgehen, kann auch aus altruistischer Motivation heraus entstehen2 . Damit wird die selbstbezogene bzw. egozentrische Sicht überwunden. Aus altruistischer Motivation heraus zu handeln, bedeutet, sich die Förderung des Wohls anderer zum ultimativen Handlungsziel zu setzen (Batson & Powell, 2003, S. 463) und steht im Kontrast zu egoistischem Handeln, also einem Handeln aus der „motivation to increase one’s own welfare“ heraus (Batson & Powell, 2003, S. 463). Mit Hilfe der Empathie-AltruismusHypothese erklären Batson und Powell (2003, S. 474), warum Empathie nach Batson (1987) als eine mögliche Ursache für altruistische Motivation gelten kann: Wenn eine Person in Not beobachtet wird, werden im Beobachter Emotionen wie Sympathie, Mitgefühl oder dergleichen ausgelöst. Diese empfundenen Emotionen „evoke motivation with an ultimate goal of benefiting the person for whom the empathy is felt – that is, altruistic motivation“ (Batson & Powell, 2003, S. 474). Diese Annahme wurde in verschiedenen Untersuchungen zum positiven Einfluss von Empathie auf prosoziales Verhalten untersucht (z. B. Batson, 1991; Eisenberg & Fabes, 1990). Prosoziales Verhalten meint dabei Handlungen, die nicht einem selbst, sondern anderen zu Gute kommen (Batson & Powell, 2003, S. 463). Allerdings geschieht prosoziales Handeln nicht per se aus altruistischer Motivation heraus, zumindest fehlen dafür Belege. Dennoch sind diese Studien für die vorliegende Untersuchung interessant, da sie aufzeigen, dass mit Hilfe von Empathie grundsätzlich ein Verhalten gefördert werden kann, dass sich auch positiv auf den deliberativen Austausch auswirken kann. Im deliberativen Kontext gibt es bisher kaum Studien auf dieser theoretischen Basis. Daher sind vor allem jene Studien von Interesse, die aufzeigen konnten, wie 2 Für
eine Übersicht von weiteren Faktoren, die prosoziales Verhalten fördern, siehe Batson und Powell (2003).
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5
Empathie und deliberative Offenheit
mit Hilfe von Empathie Vorurteile gegenüber anderen Gruppen überwunden werden können (z. B. Batson et al., 1997; Oliver et al., 2012; siehe Abschnitt 5.3). Krause (2008) äußert allerdings die Annahme, dass sich eine stärkere Auseinandersetzung mit Empathie im deliberativen Kontext lohnen könnte, weil damit nicht mehr nur die eigenen Interessen im Fokus stehen, sondern auch Interessen der anderen wahrgenommen werden: „Impartiality, the ability to adopt a common point of view involves abstracting from one’s own self-interest but not by means of disengaged intellect. Instead, we achieve impartiality by sympathetically experiencing the sentiments of others“ (Krause, 2008, S. 73). Aus altruistischer Motivation heraus zu handeln bedeutet, nicht die eigenen Ziele oder Themen als allein ausschlaggebend zu erachten, sondern sich auch den Themen, Sorgen und Nöten von anderen zuzuwenden. Es muss also ein Wechsel von der selbstbezogenen hin zur altruistischen Perspektive vollführt werden. Für Deliberation ist dies äußerst bedeutsam, da auch hier der Blick von den rein persönlichen Belangen zum Allgemeinwohl gerichtet werden sollte bzw. auch hin zu den Belangen anderer am Diskurs Beteiligter, insbesondere jener, deren Ansichten von den eigenen abweichen. Auf diese Art kann Empathie helfen, Teilnehmer des Diskurses für Meinungen und Positionen anderer zu öffnen. Das wird umso deutlicher, wenn empathic concern als selbstranszendente Emotion betrachtet wird (Stellar et al., 2017, S. 202). Neben selbsttranszendenten Emotionen wird auch eine zuletzt im Zusammenhang mit politischer Kommunikation stark untersuchte weitere Kategorie von Emotionen mit einer altruistischen Orientierung assoziiert: die sogenannten moralischen Emotionen (engl. moral emotions). Haidt (2003, S. 853) definiert moralische Emotionen als „emotions that go beyond the direct interests of the self“. Diese besondere Art von Emotionen ist demnach eng mit dem Wohl der Gemeinschaft verknüpft, was auch mit einer altruistischen Motivation in Einklang steht. Nach Haidt (2003) zählt auch Empathie zu den moralischen Emotionen. Moralische Emotionen entstehen als Reaktion auf soziale Situationen, in denen der Einzelne, der diese Emotionen empfindet, nicht einmal direkt von der Situation betroffen sein muss. Allein wenn eine andere, fremde Person lediglich dabei beobachtet wird, wie sie eine gute Tat vollbringt, kann das zutiefst beeindrucken (Haidt, 2003). Studien zeigen, dass moralische Emotionen zu einer gesteigerten Motivation und Bereitschaft zu prosozialem Handeln führen können (Pohling & Diessner, 2016). Haidt und Joseph (2008) halten in ihrer moral foundations theory (MFT) fünf Klassen altruistischer Motivation fest (care, fairness, loyalty, authority und purity), wobei vor allem care und fairness altruistischer Motivation im hier interessierenden Sinne entsprechen. Care bezieht sich nach Tamborini und Kollegen
5.3 Empathie und Outgroups
61
(2015) auf die Gefühle des Mitleids und der Sorge um das Wohlergehen oder Leiden anderer; fairness basiert auf Überlegungen von Gerechtigkeit und Gegenseitigkeit. Weiterhin zeigen Landmann und Hess (2018), dass Mitgefühl durch die Verletzung von care und purity hervorgerufen werden kann.
5.3
Empathie und Outgroups
Grundlage für einen fruchtbaren deliberativen Austausch ist die Inklusion aller Beteiligten des Sachverhalts, über den sich ausgetauscht werden soll. Das ist allerdings häufig nicht zu gewährleisten, zum einen auf Grund räumlicher Distanzen und zum anderen, da es Menschen leichter fällt, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen (siehe auch die in Abschnitt 1.1 erwähnte Annahme von Echokammern oder Filterblasen, z. B. Flaxman et al., 2016; Iyengar & Hahn, 2009; Pariser, 2011) als die (zuweilen unbequeme) Meinung von anderen zu hören. Zudem setzt man sich eher mit solchen Meinungen auseinander, welche die eigene Meinung bestärken (Ditto & Lopez, 1992). Untersuchungen zu Empathie und Outgroups haben jedoch gezeigt, dass ein Verständnis für Gruppen, die sich von der eigenen stark unterscheiden, durchaus geweckt werden kann. Einige Studien beschäftigen sich in diesem Zusammenhang mit der Rolle der verschiedenen Empathie-Formen und wie durch sie auf unterschiedliche Arten und Weisen Einstellungen und Beziehungen insbesondere zwischen verschiedenen Gruppen verbessert werden können (z. B. Batson et al., 1997; Batson & Ahmad, 2009). Erstens scheint es zwar grundsätzlich leichter zu sein, Empathie für Menschen zu empfinden, die einem selbst ähneln, als für Menschen, die Mitglied einer Outgroup sind (Batson & Ahmad, 2009; Cikara & Fiske, 2011; Chiao & Mathur, 2010; Stephan & Finlay, 1999). Empathie als Perspektivübernahme (siehe Abschnitt 5.1, imagine-self perspective) kann jedoch dazu führen, zuvor unbemerkte Ähnlichkeiten zwischen sich und den anderen wahrzunehmen (z. B. Davis, M. H., Conklin, Smith & Luce, 1996; Galinsky & Ku, 2004). Dadurch können Gemeinsamkeiten zwischen in anderer Hinsicht unterschiedlichen Gruppen aufgezeigt werden, wie etwa Menschlichkeit oder ein gemeinsames Schicksal (Stephan & Finlay, 1999). Zweitens können dispositionale Erklärungen für die Notlage anderer blaming hervorrufen, also eine Zuweisung von (Mit-)Verantwortung für diese Lage an die Opfer. Mit Hilfe von Empathie werden demgegenüber eher situative Erklärungsfaktoren für die Notlage in den Vordergrund gerückt (Regan & Totten, 1975).
62
5
Empathie und deliberative Offenheit
Drittens kann Empathie als emotion matching dazu führen, dass man einer anderen Person hilft, um sie aus ihrer unangenehmen Lage sowie sich und die Person von den damit einhergehenden negativen Gefühlen zu befreien. Allerdings kann daraus auch resultieren, dass man sich als Beobachter gänzlich von der Situation abwendet, um negativen Gefühlen zu entgehen (Batson, 1991; Dovidio, Piliavin, Gartner, Schroeder & Clark, 1991). Viertens schließlich können mit Hilfe von Empathie im Sinne von Mitfühlen (empathic concern) Vorurteile gegenüber Mitgliedern einer Outgroup reduziert und Einstellungen gegenüber der Outgroup verbessert werden und es kann der Wunsch entstehen, der Outgroup helfen zu wollen (z. B. Batson, Chang, Orr & Rowland, 2002; Batson et al., 1997; Bartsch et al., 2018; Oliver et al., 2012). Das empathy Attitude model (Batson et al., 1997) kann hierfür Erklärungen liefern: Wird Empathie für ein Individuum empfunden, kann diese stellvertretend empfundene Empathie auf die stigmatisierte Gruppe insgesamt übertragen werden, der das Individuum angehört, was prosoziales Verhalten und altruistische Motivation gegenüber dieser Gruppe begünstigt. Allerdings geht es in den meisten Studien um Einstellungs- oder Verhaltensänderungen bezüglich der Gruppen und nicht, wie in diesem Vorhaben, zunächst um die Offenheit ihnen gegenüber, also die grundsätzliche Bereitschaft, sich für die Belange der Mitglieder einer Outgroup zu öffnen. Befunde der Emotionsforschung zeigen, dass Emotionen auch eine tiefere kognitive Verarbeitung blockieren oder Vorurteile festigen können, wenn defensives Verhalten durch eine emotionale Botschaft gefördert wird (z. B. AIT; Marcus et al., 2008; Neuman et al., 2007). Jedoch zeigen zahlreiche Studien, dass eine stärkere Auseinandersetzung mit der Rolle von spezifischen Emotionen, insbesondere der moralischen Emotionen wie Hoffnung oder Empathie lohnend ist, um Vorurteile gegenüber Outgroups abzubauen (Batson & Ahmad, 2009; Batson et al., 2002; 1997; Batson et al., 1997; Bartsch et al., 2018; Oliver et al., 2012).
5.4
Empathie für gegensätzliche Charaktere und Unterhaltung
Empathie wird im Beobachter ausgelöst, wenn er eine andere Person beobachtet. Das kann unmittelbar geschehen, aber auch medial vermittelt, zum Beispiel, wenn über reale Personen in den Nachrichten berichtet wird. Empathie kann aber auch mit fiktiven Charakteren aus Serien oder Spielfilmen empfunden werden (Früh & Wünsch, 2009; Raney, 2011; Tamborini, 2011; Zillmann, 1991).
5.4 Empathie für gegensätzliche Charaktere und Unterhaltung
63
Die Identifikation mit einem fiktiven Charakter und insbesondere der Perspektivwechsel kann wiederum Verständnis für Outgroups fördern (Chung & Slater, 2013; Slater & Rouner, 2002). Das Besondere an Unterhaltungsformaten wie Spielfilmen ist, dass die empfundenen moralischen Emotionen wie Empathie während des Unterhaltungserlebens potentiell ein Umdenken beim Rezipienten begünstigen: „Prototypical moral emotion-evoking entertainment leads viewers to consider things beyond themselves“ (Raney, 2011, S. 20). Zuschauer haben die Möglichkeit, in einer geschützten Umgebung stellvertretend in Kontakt mit Charakteren zu kommen, mit denen man sich im tatsächlichen zwischenmenschlichen Umgang unwohl fühlen würde (Schiappa, Gregg & Hewes, 2005). Für eine gewisse Zeit können die Schranken der individuellen persönlichen und sozialen Grenzen überwunden werden (Slater et al., 2014). Einige Beispiele für Filme, die solche Reaktionen hervorrufen können, finden sich im Bereich der eudaimonischen Unterhaltung, bei der die Suche nach Wahrheit und Sinn im Vordergrund steht (Oliver & Bartsch, 2011), wie etwa die Filme Schindlers Liste (Spielberg, 1993) oder Hotel Ruanda (George, 2004). Im Folgenden werden Studien und Ansätze vorgestellt, die Erklärungen liefern, wie das Mitfühlen mit fiktiven Charakteren und Einstellungen zu kontroversen Themen zusammenhängen. Im nächsten Schritt wird dann ein neues Konzept, die Empathie für gegensätzliche Charaktere, vorgestellt und die Frage diskutiert, wie sich diese Art von Empathie auf die deliberative Offenheit auswirken kann. Studien zeigen, dass Empfinden von Empathie mit dem Protagonisten zum einen möglich ist und zum anderen verschiedene Wirkungen haben kann (Cohen, J., 2001, 2006; Moyer-Gusé, 2008; Oatley, 1995; Slater & Rouner, 2002; Tal-Or & Cohen, 2010; Zillmann, 1995). Allerdings wurde in den meisten Studien Empathie allgemein oder nur bezüglich einer Figur oder einer Gruppe erhoben. Es gibt nur wenige Ausnahmen, in denen Empathie bezogen auf verschiedene Charaktere untersucht wurde, die zum Beispiel exemplarisch für verschiedene Gruppen oder politische Ansichten stehen. Diese Studien fokussieren zweiseitige statt einseitiger Erzählungen (two-sided narratives; Cohen, Tal-Or, & Mazor-Tregerman, 2015). Eine dieser wenigen Untersuchungen ist die Studie von Slater, Rouner und Long (2006). Sie zeigen, dass Unterhaltung durch Evozieren von Identifikation, Story Involvement und Transportation zu gegenseitigem Verständnis bei kontroversen politischen Themen führen kann, wenngleich dieser Effekt nur bei einer der beiden getesteten Serien (If These Walls Could Talk II, 2000; Law and Order, 1990–2010) zu beobachten war. In einer weiteren Studie wird Empathie als Teil des Konstrukts Identifikation behandelt und in Bezug auf Charaktere mit konträren Zielen und Meinungen zu einem politischen Thema (Euthanasie) untersucht (de Graaf, Hoeken, Sanders
64
5
Empathie und deliberative Offenheit
& Beentjes, 2011). Allerdings wurde die Empathie nicht für beide Charaktere zugleich erhoben, sondern es wurden Gruppen verglichen, die nur jeweils einen der Charaktere bewerteten. Die Geschichten wurden aus der Sicht einer Figur erzählt, die in einem Fall für und im anderen Fall gegen Euthanasie eingestellt war. Die Befunde deuten darauf hin, dass die Identifikation mit der jeweiligen Hauptfigur zu einer erhöhten Bereitschaft für eine Einstellungsänderung führte. Die Befragten identifizierten sich eher mit der Figur, die die Geschichte erzählte und weniger mit ihrem Gegenpart und die Einstellungen der Befragten zum kontroversen Thema Euthanasie entsprachen nach der Rezeption eher den Einstellungen des jeweiligen Geschichtenerzählers. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass ambivalente Narrationen über kontroverse Themen das Potential besitzen, Einstellungen auch in Bezug auf hoch aufgeladene Konfliktthemen zu mäßigen (Cohen et al., 2015). Cohen und Kollegen erhoben in zwei Studien die Identifikation von Lesern einer fiktionalen Geschichte in Textform mit beiden Vertretern von gegensätzlichen Ansichten zu einem provokanten, kontroversen Thema. Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass die Identifikation mit dem Charakter, welcher der eigenen Position zu einem kontroversen Thema entspricht, die Einstellungen polarisiert. Andererseits mäßigte die Identifikation mit dem Charakter der entgegengesetzten Position sowie die Transportation in eine ambivalente Narration die Einstellungen bezüglich des kontroversen Themas. Cohen und Kollegen schlussfolgerten daraus, dass Geschichten, die zwei gegensätzliche Perspektiven beinhalten, die Offenheit für Argumente der verschiedenen Positionen eines kontroversen Themas begünstigen und Einstellungen in Bezug auf das Thema mäßigen können (Cohen et al., 2015). Offenheit wurde in dieser Studie allerdings nicht erhoben. Nur wenige Untersuchungen beschäftigten sich bislang mit den Wirkungen kontroverser Filme; die vorhandenen sind zudem im Bereich der historischen Fiktion angesiedelt. So wurden Einstellungsänderungen durch die Rezeption der kontroversen Spielfilme JFK (Stone, 1991), The Day After (Meyer, 1983) oder Fahrenheit 11/9 (Moore, 2004) untersucht (Butler, Koopman & Zimbardo, 1995; Koopman et al., 2006; Schofield & Pavelchak, 1989). Auch Igartua und Barrios (2012) untersuchten den Effekt eines kontroversen Spielfilms (Camino, Waller, 2008) auf Einstellungen und Ansichten. Sie erklärten die Einstellungsänderungen mit Hilfe des transportation imagery model (Green & Brock, 2000, 2002) und des extended-elaboration likelihood model (E-ELM, Slater, 2002; Slater & Rouner, 2002). Aber auch hier wurde Empathie nur in Bezug auf eine Figur erhoben. Manche Filme mit einem kontroversen Thema beinhalten jedoch sowohl Charaktere einer Ingroup wie einer Outgroup (z. B. Gran Torino, Eastwood, 2008; Men of Honor, Tillman Jr., 2000). Damit wird dem Zuschauer die Möglichkeit
5.4 Empathie für gegensätzliche Charaktere und Unterhaltung
65
gegeben, mit beiden Charakteren bzw. Gruppen mitzufiebern und mitzufühlen, was im Hinblick auf die in dieser Studie untersuchte Wirkung auf die deliberative Offenheit der Rezipienten eine interessante Erweiterung darstellt. Solche Konstellationen wurden allerdings bislang noch nicht in Zusammenhang mit Unterhaltungsformaten untersucht, welche gesellschaftliche Konflikte thematisieren. Daher wird in diesem Forschungsvorhaben ein neuer Ansatz gewählt: Statt Empathie nur für eine Figur eines Films zu untersuchen (Vertreter der einen Seite eines kontroversen Themas), wird zugleich betrachtet, inwieweit der Zuschauer auch mit dem Vertreter der anderen Seite eines kontroversen Themas mitfühlt. Diese Form der gemischten Empathie wird hier als Empathie für gegensätzliche Charaktere bezeichnet. Indem Empathie mit zwei Charakteren empfunden wird, die für gegensätzliche Positionen eines Konflikts stehen, liegt der Fokus nicht mehr nur auf der Position, die am ehesten der eigenen Perspektive entspricht, sondern wird auch auf andere Sichtweisen erweitert. Das wiederum ebnet den Weg für deliberative Offenheit, insbesondere der Offenheit für gegensätzliche Perspektiven, Interessen und Argumente. Studien im Kontext der in Abschnitt 4.1 angesprochenen Zweiprozessmodelle des Unterhaltungserlebens (z. B. Bartsch & Schneider, 2014) liefern Gründe für die Annahme, dass das Empfinden von Empathie mit einem Protagonisten dazu führt, dass man offener gegenüber Positionen anderer ist. Eudaimonisches Erleben wird typischerweise mit komplexen sozialen Emotionen wie Empathie (Bartsch, 2012; Bartsch et al., 2014; Oliver & Bartsch, 2010; Oliver et al., 2012) assoziiert. Bartsch, Oliver, Nitsch und Scherr (2018) vermuten sogar, dass Empathie und eudaimonisches Unterhaltungserleben sehr ähnliche Konstrukte sind, was sich in den Items zur Abfrage von Empathie („moved,“ „tender,“ „sympathetic,“ „warm,“ „softhearted,“ „compassionate“, Batson, Fultz & Schoenrade, 1987) und eudaimonischem Unterhaltungserleben („moved,“ „tender,“ „poignant“, Bartsch et al., 2014; „tender,“ „kind,“ „understanding,“ „sympathetic“, Oliver, 2008; „tender,“ „inspired,“ „compassionate,“ „touched,“ „moved“, Hall, A. E., 2015) widerspiegelt. Bartsch und Kollegen (2018) zeigen zudem, dass Empathie, ausgelöst durch eine Medienbotschaft über die Paralympischen Spiele, zu einem gesteigerten Interesse an den Paralympischen Spielen führte. Außerdem werden Empathie und eudaimonisches Unterhaltungserleben mit Faktoren in Verbindung gebracht, die für eine kognitive Belohnung stehen, wie die Erfahrung von Erkenntnis und Sinnstiftung sowie einer kognitiven Herausforderung (Hartmann, 2013; Lewis et al., 2014; Oliver & Bartsch, 2010). Das Zusammenwirken von Empathie und eudaimonischem Unterhaltungserleben und die daraus resultierende tiefere kognitive Auseinandersetzung mit
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5
Empathie und deliberative Offenheit
einem Thema kann auch zur Destigmatisierung beitragen und helfen, Vorurteile abzubauen und Reaktanz zu überwinden (Bartsch & Kloß, 2019). Es wird angenommen, dass ein Zusammenspiel von Unterhaltung und Empathie mit der Bereitschaft einhergeht, sich unabhängig von den eigenen Voreinstellungen mit einem Thema offen auseinanderzusetzen, also die Informationen möglichst offen und elaboriert gemäß dem AIM (Forgas, 1995) zu verarbeiten. Daher wird angenommen, dass Empathie zusammen mit eudaimonischem Unterhaltungserleben förderlich für deliberative Offenheit ist. Allerdings wurde bereits zu Beginn von Kapitel 5 angemerkt, dass in der Literatur bezüglich der Annahme einer positiven Rolle von Empathie in Zusammenhang mit Deliberation keine Einigkeit herrscht. Einige wichtige kritische Positionen werden im folgenden Kapitel beschrieben und im Zusammenhang mit diesem Forschungsvorhaben diskutiert.
5.5
Kritische Positionen zur Rolle von Empathie im politischen Diskurs
Die potentiellen Vorteile von Empathie für den deliberativen Austausch von kontroversen Ansichten wurden bereits in den vorhergehenden Kapiteln aufgezeigt. Allerdings wird die Kombination von Deliberation und Emotionen allgemein und insbesondere mit Empathie in der Literatur nicht einhellig für gut und fruchtbar befunden. Neben den vielen positiven Aspekten kann Empathie demnach auch negative Folgen haben (z. B. Bloom, 2016; Breithaupt, 2017; Scudder, 2016; Zaki & Cikara, 2015). In diesem Kapitel werden die zentralen Kritikpunkte aufgegriffen, um ein differenziertes Bild von Empathie und ihren Implikationen zu zeichnen. Wie bereits dargelegt, umfasst der Begriff Empathie viele Facetten und manche Kritik bezieht sich bei genauerer Betrachtung häufig auf eine bestimmte Spielart von Empathie und weniger auf Empathie insgesamt.
5.5.1
Verzerrungen durch Perspektivwechsel
Empathie wird von einigen Kritikern wie Goldie (2011) verstanden als ein möglichst akkurates sowohl kognitives als auch affektives Verstehen des anderen (Breithaupt, 2017, S. 10). Damit wird Empathie häufig mit Perspektivübernahme gleichgesetzt, was vor allem bedeute, die eigenen Sichtweisen auf den anderen zu übertragen (Scudder, 2016, S. 531). Diese eigenen Sichtweisen können sich erheblich von denen der anderen unterscheiden, weswegen eine empathy gap (von Boven & Loewenstein, 2007) entstehen kann. Die Ursache dafür liegt in
5.5 Kritische Positionen zur Rolle von Empathie …
67
egozentrischen Verzerrungen, die im Zuge der Perspektivübernahme auf die Wahrnehmung des anderen übertragen werden, was dazu führt, dass die andere Person nur aus Sicht der eigenen Sorgen, Nöte, Werte und Interessen beurteilt wird. Problematisch werden diese Empathielücken, wenn sich die Interessen, Ansichten und Werte von Beobachter und Beobachtetem tatsächlich sehr unterscheiden, der Beobachtete aber dennoch vom Beobachter aus dessen eigener Perspektive beurteilt wird und daher nur vermeintlich eine Perspektivübernahme vollzogen wurde. Diese Verzerrung sei allerdings unausweichlich, denn die „projection of our own thoughts onto others may be the best way for us to engage in imaginative role taking, and yet it does not adequately inform us about the actual perspectives of others“ (Scudder, 2016, S. 532). Scudder (2016) konzentriert sich in ihrer Kritik vor allem auf einen Aspekt von Empathie, den Batson und Ahmad (2009) als imagine-self perspective bezeichnen (siehe Abschnitt 5.1): „We may simply insert ourselves into the other’s situation and focus on how we would think and feel, becoming self-absorbed and never considering what this information may tell us about the thoughts and feelings of the other“ (Batson & Ahmad, 2009, S. 144).
In dieser Hinsicht ist die Kritik berechtigt. Auch Batson und Ahmad (2009) weisen darauf hin, dass man zwar so versuche, sich die Situation der anderen Person vorzustellen, jedoch den anderen nicht wirklich verstehe, was wiederum negative Folgen für den Diskurs haben kann (z. B. Young, 2001). Neben der hier angesprochenen imagine-self perspektive gibt es aber, wie in Abschnitt 5.1 beschrieben, noch andere Arten von Empathie, die häufig jedoch in der Kritik fälschlicherweise gleichgesetzt bzw. dazu synonym gebraucht werden. Einige Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass Empathie konzipiert als empathic concern (Batson & Ahmad, 2009), also als eine am Wohlbefinden anderer orientierte emotionale Reaktion, tatsächlich zu einem neuen Verständnis der anderen Person führen und altruistische Motivation fördern kann (z. B. Bartsch et al., 2018; Batson et al. 2002; Batson et al., 1997; Oliver et al., 2012).
5.5.2
Mangelnde Unterscheidung von Selbst und anderen
In ihrem Artikel formuliert Scudder (2016) die Kritik, Empathie sei kontraproduktiv für die Deliberation, da mit Hilfe von Empathie Differenzen überwunden werden sollen. Durch Perspektivübernahme solle sich also die Distanz zwischen
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5
Empathie und deliberative Offenheit
den Diskursteilnehmern verringern. Diese Perspektive auf die mögliche Bedeutung von Empathie für Deliberation wird von ihr als empathy approach (Scudder, 2016, S. 526) bezeichnet. Diesem stellt sie den von ihr favorisierten difference approach gegenüber (Scudder, 2016, S. 546). Sie setzt sich dafür ein, dass Differenzen zwischen den Diskursteilnehmern im Gegenteil anerkannt werden sollten, da es diese unterschiedlichen Sichtweisen für einen förderlichen deliberativen Austausch brauche. Differenzen durch Empathie einzuebnen würde dann der Deliberation die Grundlage nehmen, weil sie von einem vitalen Austausch unterschiedlicher Meinungen lebe. Auch Burkhalter, Gastil und Kelshaw (2002) sind der Ansicht, dass es nicht möglich sei, sich komplett in die Lage des anderen hineinzuversetzen, denn das würde auch bedeuten, dass Menschen ihre eigenen kulturellen und historischen Erfahrungen ablegen müssten (Burkhalter et al., 2002, S. 408). Sie gehen allerdings hierbei von Empathie als imagine-self perspective aus, bei der man sich, so gut es geht, in die Lage des anderen versetzen sollte. Dies sei so nicht möglich, was Befürworter der Empathie allerdings auch nicht bestreiten (Morrell, 2010, S. 165). Letzteren zufolge vernachlässige diese Kritik jedoch andere Facetten der Empathie, bei denen es nicht darum gehe, sich komplett in den anderen hineinzuversetzen, wie etwa den empathic concern als das Mitfühlen mit anderen. Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen beispielsweise auf, dass das geteilte Empfinden von Emotionen prinzipiell möglich ist (z. B. Decety & Jackson, 2006; Lamm, Batson & Decety, 2007). Wenn eine Person eine andere Person Schmerzen erleiden sieht, werden Gehirnareale beim Beobachter aktiviert, die für Schmerz zuständig sind (Singer & Lamm, 2009). Neuere Forschungen sprechen auch von Spiegelneuronen, die in diesem Prozess involviert sind (Gallese, 2014; Rizzolatti & Sinigaglia, 2010; Spaulding, 2013; Vignemont & Singer, 2006). Diese Befunde sprechen also eher dafür, dass auf emotionaler Ebene die Grenzen zwischen dem Selbst und anderen verschwimmen und somit mitfühlende Reaktionen durchaus möglich sind. Das bedeutet wiederum nicht automatisch, dass diese Reaktionen die kognitive Unterscheidung vom Selbst und anderen Personen völlig aufheben. Durch Mitfühlen könnten aber zumindest Brücken geschlagen werden, um Verständnis und Interesse für das Gegenüber aufzubringen. Geht man von dieser Art der Empathie aus, wäre es auch nicht mehr notwendig, die eigenen Wurzeln zu leugnen. So drückt es auch Morrell (2010, S. 165) aus: „Participants in deliberation should not attempt to empathize in order to recognize differences in background and identity that separate them, though this certainly might happen; they must engage in the process of empathy in order to gain an
5.5 Kritische Positionen zur Rolle von Empathie …
69
understanding of various perspectives that will then allow them to give those perspectives equal consideration in collective decision-making.“
Ein Zitat von Nussbaum (2014) fasst dieses Spannungsverhältnis treffend zusammen: „Dem eudämonistischen Denken zufolge muß dafür eine Brücke zwischen unseren aktuellen Anliegen und weiter gefaßten Anliegen errichtet werden, wobei immer noch ‚wir‘ und ‚unsere‘ erkennbar sein müssen“ (Nussbaum, 2014, S. 223). Preston und De Waal (2002) schlagen die Trennung zwischen dem Ich und den anderen als notwendige Voraussetzung für Empathie vor. Auch Morrell (2010, S. 167) hält die bewusste Unterscheidung der Bedürfnisse und Ansichten des eigenen Selbst von denen der anderen für den politischen Diskurs für essentiell. Anliegen der Empathie sollte es also nicht sein, diese Unterscheidung zwischen einem selbst und den anderen zu verwischen. Sie sollte eher dazu genutzt werden, um neue Perspektiven kennenzulernen und diese dann in weiteren Überlegungen zu berücksichtigen (Morrell, 2010, S. 165).
5.5.3
Empathie als Ersatz für tatsächlichen Austausch
Kritiker sehen die Gefahr, Empathie als Ersatz für einen tatsächlichen Austausch zwischen Personen zu betrachten, um den oben beschriebenen Verzerrungen durch die Perspektivübernahme zu entgehen (Scudder, 2016). Selbst Befürworter der Empathie würden aber davon abraten, es bei ihr zu belassen (Morrell, 2010, S. 167). Eng verknüpft mit Empathie ist die interne Deliberation. Und auch in diesem Fall sind sich die Befürworter einig, dass das bloße mit-sich-selbstAusmachen nicht ausreichend ist für einen fruchtbaren Austausch. Insofern muss den Kritikern Recht gegeben werden: Eine echte Person als Gegenüber zum Austausch, die auch auf ihrer Position beharren kann, fehlt, wenn rein innerlich deliberiert wird. Zudem besteht die Gefahr, dass bestimmte Personen und Ansichten ignoriert oder im Gegenteil überspitzt wahrgenommen werden (Goodin, 2000, S. 99). Daher spricht sich Goodin (2000) dafür aus, dass interne und externe Deliberation Hand in Hand gehen sollten, keine Form sollte die andere ersetzen. Genauso sieht es Scudder (2016) für das Verhältnis von Empathie und Deliberation: „the outcomes of perspective taking should inform deliberation, not replace it“ (Scudder, 2016, S. 533, Hervorhebung im Original) und andersherum. Idealerweise sollten in der Deliberation alle Diskursteilnehmer die Chance bekommen, über ihre Sicht und ihre Interessen zu sprechen und damit Informationen liefern, die
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5
Empathie und deliberative Offenheit
einen adäquaten Perspektivwechsel erleichtern. Dann erst wird eine positive Spirale in Gang gesetzt. Dazu ist es notwendig, dass man sich tatsächlich gegenseitig zuhört (Scudder, 2016, S. 541). Deliberative Offenheit ist dafür die Voraussetzung.
5.5.4
Selektive Empathie und kognitive Dissonanz
Scudder (2016) warnt allerdings davor, dass Empathie, und sei es auch nur ergänzend zum eigentlichen Austausch, Schaden anrichten kann, wenn nämlich die andere Person nicht wirklich verstanden wird. Nach Young (2001) kann es auch unangenehm sein, mit den Ansichten anderer konfrontiert zu werden, da einem dadurch die eigenen Vorurteile bewusst gemacht werden: „[I]f you think you can look at things from their point of view, then you may avoid the sometimes arduous and painful process in which they confront you with your prejudices, fantasies, and misunderstandings about them, which you have because of your point of view“ (Young, 2001, S. 215).
Es fällt schwerer, sich mit Gedanken und Ansichten auseinanderzusetzen, die quer zu den eigenen Sichtweisen liegen. Sowohl Scudder (2016, S. 534) als auch Bloom (2016, S. 31) kritisieren, dass Empathie selektiv vor allem mit den Personen empfunden wird, die einem selbst ohnehin ähnlich sind oder die man mag. Erklärungen dafür liefert die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957; siehe Abschnitt 3.1). Der von Young (2001) im vorhergehenden Zitat beschriebene Zustand wird als unangenehm empfunden und man sucht nach einem möglichst einfachen Weg, diesen Zustand zu reduzieren oder aufzulösen. Das kann auch zu Abwehrreaktionen wie etwa Reaktanz (Brehm, 1966) führen. Demnach ist der Kritikpunkt nachvollziehbar, dass sich eine einseitige und hochgradig selektive Form des Verstehens oder Verstehen-Wollens nachteilig auf den politischen Diskurs auswirkt, insbesondere im Hinblick auf die Interessen von Outgroups. Allerdings muss es dazu nicht kommen: Neue Untersuchungen zu Horizonterweiterungen und elaborierter Informationsverarbeitung in der Unterhaltungsforschung zeigen, dass sich Menschen auch zum Teil bewusst mit Medieninhalten auseinandersetzen, die ein tieferes Verständnis fördern (z. B. selbsttranszendente Medienerlebnisse; Oliver et al., 2018; siehe Abschnitt 4.2), was Reaktanz verringern kann (Bartsch & Kloß, 2019). Ergebnisse bisheriger Untersuchungen lassen vermuten, dass Menschen unter bestimmten Umständen einen kognitiven Mehraufwand in Kauf nehmen und ihren eigenen Ansichten entgegengesetzte
5.5 Kritische Positionen zur Rolle von Empathie …
71
Informationen offen und intensiv verarbeiten (AIM; Forgas, 1995), was letztlich kognitive Dissonanzen überwinden kann. Im folgenden Kapitel sollen die für das Ziel dieser Arbeit wesentlichen Ergebnisse der bisherigen Darstellung zusammengefasst und im Hinblick auf die folgende empirische Untersuchung zu Forschungsfragen und Hypothesen verdichtet werden.
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Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, wie mit Hilfe von Unterhaltung, insbesondere Transformationsgeschichten, beim Zuschauer deliberative Offenheit gefördert werden kann. Aus medienpsychologischer Sicht geht es darum, kognitive Dissonanzen (Festinger, 1957) und daraus folgende Bewältigungsstrategien zu reduzieren, die sich ergeben, wenn man im politischen Diskurs mit konträren Meinungen oder Ansichten konfrontiert wird. Grundsätzlich streben Menschen nach Konsistenz (Festinger, 1957), so auch bei Meinungen und Einstellungen zu einem politischen Thema. Widersprüchlichkeiten zu eigenen Ansichten werden als unangenehm empfunden und somit nach Möglichkeit reduziert. Eine Auseinandersetzung mit dissonanten Inhalten, wie etwa den Argumenten von Kontrahenten im Diskurs, ist daher mit Aufwand verbunden. Kognitive Dissonanz lässt sich beispielsweise verringern, indem die dissonante Information defensiv verarbeitet wird und Informationen gesucht werden, die die eigene Meinung verstärken (Festinger, 1957), was sich in Phänomenen wie confirmation bias oder Filterblasen ausdrückt. Damit sind jedoch die Anforderungen für einen fruchtbaren deliberativen Austausch nicht mehr erfüllt. Demgegenüber beschäftigen sich Modelle und Ansätze wie das affect infusion model (Forgas, 1995) oder actively open-minded thinking (Baron, 1993) mit Formen offenen, elaborierten Denkens, die eine Auseinandersetzung mit dissonanten Inhalten begünstigen und damit förderlich für einen Austausch von Argumenten im Diskurs sind. Diese Art der Informationsverarbeitung ist sehr aufwändig, allerdings können bestimmte Faktoren wie etwa ein bewegender Stimulus diese Verarbeitung begünstigen.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_6
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6 Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
Deliberative Offenheit Eine zentrale Rolle für diese Arbeit spielt das neu entwickelte Konzept der deliberativen Offenheit. Es kann zunächst grundsätzlich zwischen externer und interner Deliberation als zwei Formen der Deliberation unterschieden werden. Erstere beschäftigt sich klassisch mit der kollektiven Entscheidungsfindung, letztere mit dem innerlichen Abwägen von Argumenten (auch: deliberation within, enlightened understanding, private Deliberation, Gastil, 2008; Goodin, 2000; Goodin & Niemeyer, 2003; Mercier & Landemore, 2012). Deliberative Offenheit wird als Voraussetzung für Deliberation verstanden (Barabas, 2004; Morrell, 2010; Nussbaum, 2014; Sprain & Ivancic, 2016) und wird in der vorliegenden Arbeit definiert als Bereitschaft von Diskursteilnehmern, sich für zu den eigenen Ansichten inkonsistente Meinungen zu öffnen und als Aufgeschlossenheit dafür, sowohl über konsistente als auch über inkonsistente Meinungen nachzudenken (siehe S. 45, Arbeitsdefinition). Diese Definition umfasst zwei Dimensionen von deliberativer Offenheit: 1) Die Offenheit, die von der eigenen Meinung abweichende Perspektive anderer als legitime Meinung gelten zu lassen (= Offenheit für Perspektiven), zum Beispiel unter Berücksichtigung der legitimen Werte, Interessen und Bedürfnisse anderer. Und darauf aufbauend: 2) Die Offenheit, neue Fakten und Argumente gelten zu lassen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls seine eigene Meinung zu ändern, wenn sie überzeugend sind (= Offenheit für Meinungsänderung). Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt zunächst auf der Offenheit für Perspektiven, um damit zugleich das Fundament für eine Offenheit für Meinungsänderung zu untersuchen. In Untersuchungen wurden Formen deliberativer Offenheit unterschiedlich konzeptualisiert, vor allem im Zusammenhang mit cross-cutting networks (Campbell & Kwak, 2011; Lee, H. et al., 2015; Kwak et al., 2018) oder Online-Blogs (Borah, 2014; Hwang et al., 2008). Das hängt zum einen mit dem Kontext zusammen, in welchem Offenheit untersucht wurde, zum Beispiel in Bezug auf ein konkretes Diskussionsthema (Borah, 2014; Hwang et al., 2008; Weinmann, 2018), die ganz allgemeine Bereitschaft zur Offenheit (Facione, P. A., Sánchez, Facione, N. C. & Gainen, 1995; Haran et al., 2013; Kwak et al., 2018; Lee, H. et al., 2015; Stanovich & West, 1997) oder als Diskussionsverhalten in cross-cutting networks (Kwak et al., 2018; Lee, H. et al., 2015). Zum anderen handelt es sich bei deliberativer Offenheit um einen vielschichtigen Begriff, der verschiedene Dimensionen umfasst. Daher wird deliberative Offenheit in dieser Untersuchung als latentes Konstrukt konzeptualisiert, das sich aus verschiedenen Teilen zusammensetzt: 1) die generelle Offenheit für andere Ansichten sowie die grundsätzliche Bereitschaft, die eigenen Ansichten zu überdenken (allgemeine deliberative Offenheit), was am ehesten der Offenheit als Haltung (Sprain & Ivancic, 2016) entspricht.
6 Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
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Die anderen drei Bestandteile des latenten Konstrukts fokussieren weniger die eben geschilderte allgemeine Offenheit, sondern Offenheit bezüglich eines konkreten gesellschaftlichen Themas, welches kontrovers diskutiert wird. Den ersten dieser weiteren drei Bestandteile bildet 2) eine grundsätzliche Offenheit bezüglich der verschiedenen Standpunkte und Perspektiven zu einem kontroversen Thema (deliberative Offenheit Thema). Weiterhin ist das Nachdenken über verschiedene Argumente zentral für einen deliberativen Austausch (Chambers, 2003, S. 309; Lindeman, 2002, S. 199) und zugleich Ausdruck deliberativer Offenheit. Ein weiterer Bestandteil ist daher, 3) inwiefern eine Person nicht nur beispielhafte Argumente zu einem konkreten Diskussionsthema, die der eigenen Ansicht entsprechen, sondern auch Argumente, die der eigenen Ansicht entgegenstehen, als nachvollziehbar empfindet (Bewertung Argumente). Beim letzten Bestandteil handelt es sich um 4) das Verhalten, das eine Bereitschaft für Offenheit widerspiegelt. Personen, die offen sind, sind eher bereit, sich in cross-cutting networks zu bewegen, sich also auf eine Diskussion mit Personen einzulassen, die eine andere Meinung als die eigene zu dem konkreten Diskussionsthema vertreten (Verhalten cross-cutting networks). Das verweist auf eine Dialogbereitschaft mit Personen jenseits vertrauter, gleichgesinnter Netzwerke (dialogic openness; Kwak et al., 2018). Transformationsgeschichten und deliberative Offenheit Die neuere Unterhaltungsforschung rückt die Unterscheidung des Unterhaltungserlebens in hedonische und eudaimonische Formen der Unterhaltung und die damit verbundene unterschiedlich motivierte Informationsverarbeitung in den Fokus (Bartsch & Schneider, 2014; Oliver & Bartsch, 2010; Oliver & Raney, 2011; Tamborini, Bowman, Eden, Grizzard & Organ, 2010; Vorderer & Reinecke, 2015; Wirth et al., 2012). Beim hedonischen Unterhaltungserleben steht das Vergnügen und die Affektregulation durch die Medienbotschaft im Vordergrund; es ist eher mit einer geringen Motivation zur Informationsverarbeitung verbunden (Knobloch-Westerwick, 2006; Zillmann, 1988). Werden Informationen wie Argumente zu kontroversen Themen in diesem Kontext präsentiert, findet die kognitive Verarbeitung eher heuristisch, also oberflächlich statt, was weniger förderlich für deliberative Offenheit ist. Im Gegensatz dazu begünstigt eudaimonisches Unterhaltungserleben die Bereitschaft zur einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Medienbotschaft, damit wird auf eine komplexere und nachhaltigere Weise zum emotionalen Wohlbefinden beigetragen, was zum Beispiel das Gefühl von Einsicht und sozialer Verbundenheit fördern kann (Bartsch & Schneider, 2014; Oliver & Bartsch, 2011).
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6 Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
Diese Art der Unterhaltung geht mit einer eher offenen, elaborierten Informationsverarbeitung einher und ist daher auch für deliberative Aushandlungsprozesse relevant. Bei solchen Medienerfahrungen finden sich am ehesten Elemente deliberativer Offenheit wieder, da sie sowohl eine tiefere Informationsverarbeitung als auch eine Horizont- oder Grenzerweiterung nach sich ziehen und letztlich kognitive Dissonanzen überwinden bzw. reduzieren können. Diese Art des Unterhaltungserlebens wird als self-transcendent media experience (Oliver et al., 2018; Raney et al., 2018) bezeichnet. In diesem Vorhaben werden Transformationsgeschichten als eine Möglichkeit zur Evokation einer solchen grenzüberschreitenden Medienerfahrung gesehen. Der Begriff Transformationsgeschichten stammt ursprünglich aus der Deliberationsforschung; sie zeigen persönliche oder soziale Wandlungen auf und gehen bei der Rezeption mit gemischten, gegensätzlichen oder wechselnden Emotionen einher (Gastil, 2008, S. 37). Solche Geschichten sollen idealerweise aufzeigen, „how some kind of process would bring resolution or redemption to the situation [that was unsettled and unfinished]“ (Black, 2009, S. 22, Hervorhebung im Original). Im Deliberationsprozess helfen Transformationsgeschichten, abstrakte Themen mit eigenen Lebenserfahrungen zu verbinden, und können das Empfinden einer geteilten Erfahrung hervorrufen (Black, 2009; Gastil, 2008). Auf diese Weise sollen Zweifel an eigenen Überzeugungen und Verschiebungen oder Veränderungen im eigenen Denken entdeckt werden (Gastil, 2008), was mit Grenzerfahrungen und Horizonterweiterungen im Sinne von selbsttranszendenten Medienerlebnissen einhergehen kann. Im Zusammenhang mit Deliberation wurden Transformationsgeschichten bisher nur im Kontext von persönlichen Erfahrungsberichten in Online-Foren untersucht (Black, 2009; Gastil, 2008), jedoch gibt es bisher keine Studien zum Einfluss von Transformationsgeschichten als Unterhaltungsformat auf Deliberation. Ziel dieser Arbeit ist es daher auch, das Konzept der Transformationsgeschichten aus dem Kontext von Erlebnisberichten in Online-Foren auf Unterhaltungsformate zu übertragen. Allerdings kann Unterhaltung in Zusammenhang mit Politikvermittlung und Deliberation eine ambivalente Rolle spielen: Auf der einen Seite besteht einigen Autoren zufolge beispielsweise durch Unterhaltung die Gefahr einer Entpolitisierung des Publikums (z. B. Maurer, 2003) und einer Verminderung des Politikvertrauens (Guggenheim et al., 2011; Pfau et al., 1998). Auf der anderen Seite wird mit dem Zusammenspiel von Unterhaltung und Politikvermittlung die Hoffnung verbunden, auf diese Weise auch ein politisch eher wenig interessiertes Publikum erreichen zu können (Andersen, 2019; Baum, 2003). Ziel dieser Studie ist es, die Forschung zu Offenheit im deliberativen Kontext zu erweitern, indem Transformationsgeschichten als Kategorie von Mediendarstellungen
6 Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
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betrachtet werden, die möglicherweise deliberative Offenheit begünstigen können. Da Untersuchungen dazu bislang fehlen, lautet die übergeordnete Fragestellung: Wie kann mit Hilfe von Unterhaltung, insbesondere Transformationsgeschichten, beim Zuschauer deliberative Offenheit gefördert werden? Transformationsgeschichten enthalten gemischte, gegensätzliche oder wechselnde Emotionen und zeigen persönliche oder soziale Wandlungen auf (Gastil, 2008, S. 37). Sie sollen durch eine glaubhaft dargestellte Wandlung einer Figur einen Perspektivwechsel begünstigen und laden dazu ein, über Werte und Ansichten anderer nachzudenken. Es wird davon ausgegangen, dass die bloße Darstellung der gegensätzlichen Perspektiven allein nicht ausreicht. Vielmehr sollte aufgezeigt werden, wie die Figur ihre Perspektive wechselt, was die Rezipienten dazu einlädt, auch die eigene Position als wandelbar und fließend zu betrachten (Black, 2009; Gastil, 2008). Es wird daher erwartet, dass Rezipienten, die eine glaubhaft dargestellte Transformation von konfrontativem, egoistischem zu versöhnlichem, altruistischem Verhalten verfolgt haben, offener für unterschiedliche –und vor allem ihren eigenen entgegengesetzte –Standpunkte zu einem konkreten Diskussionsthema sind als Rezipienten, denen nur konfrontatives Verhalten gezeigt wird. Die Überlegungen führen zusammengenommen zu folgender Hypothese: H1: Ein Filmausschnitt, der eine Transformation von konfrontativem zu versöhnlichem Verhalten der Hauptfigur zeigt, führt zu mehr deliberativer Offenheit als ein Filmausschnitt, der nur konfrontatives Verhalten zeigt.
Empathie für gegensätzliche Charaktere und deliberative Offenheit In der deliberativen Theorie setzen einige Autoren Hoffnung auf den Mechanismus der Empathie, da sie den Austausch zwischen den Diskursteilnehmern begünstige (z. B. Goodin, 2003; Krause, 2008; Morrell, 2010; Nussbaum, 2014, S. 223; Rosenberg, 2014; Steenbergen et al., 2003). Mit Empathie wird insbesondere die Hoffnung verbunden, die Inklusivität und Legitimität von politischen Entscheidungen zu fördern (Krause, 2008). Allerdings ist sich die Forschung mittlerweile nicht mehr einig, ob Empathie dies leisten oder sich nicht im Gegenteil kontraproduktiv auswirken kann (z. B. Bloom, 2016; Breithaupt, 2017; Scudder, 2016; Zaki & Cikara, 2015). Die Kritik bezieht sich häufig auf eine Form der Empathie, die Batson und Ahmad (2009) als image-self perspective bezeichnen, was typischerweise als „in den Schuhen
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6 Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
des anderen sein“ umschrieben wird. Die vorliegende Arbeit legt den Fokus hingegen auf Empathie als empathic concern (Batson & Ahmad, 2009) und folgt der Definition von Batson (1991): Empathie wird demnach verstanden als eine am Wohlbefinden anderer orientierte emotionale Reaktion. Einige Studien belegen bereits den positiven Einfluss von Empathie, verstanden als empathic concern, auf den Abbau von Vorurteilen gegenüber Outgroups oder Stigmatisierung (Batson et al., 2002; Batson et al., 1997). Laut der EmpathieAltruismus-Hypothese (Batson & Powell, 2003) ruft das Empfinden von Empathie mit einer Person in Not altruistische Motivation hervor, also die Motivation, das Wohlbefinden anderer zu steigern. Außerdem kann nach dem empathy-attitude model (Batson et al., 1997) das Empfinden von Empathie für ein Individuum allgemein auf die stigmatisierte Gruppe übertragen werden, welcher das Individuum angehört, was prosoziales Verhalten und altruistische Motivation gegenüber dieser Gruppe begünstigt. Auch im Unterhaltungskontext zeigen neuere Studien, dass Empathie, evoziert durch einen medialen Stimulus, elaboriertes Denken begünstigen und Vorurteile abbauen sowie prosoziales Verhalten fördern kann (Bartsch et al., 2018; Bartsch & Kloß, 2019; Oliver et al., 2012). Das geht mit der Bereitschaft einher, sich unabhängig von den eigenen Voreinstellungen mit einem Thema offen auseinanderzusetzen, also die Informationen möglichst offen und elaboriert im Sinne des AIM (Forgas, 1995) zu verarbeiten. Es gibt bislang nur sehr wenige Untersuchungen zum Zusammenhang von Empathie und kontroversen Charakteren im fiktionalen Unterhaltungskontext (de Graaf et al., 2011; Igartua & Barrios, 2012; Slater et al., 2006). Sie zeigen auf, dass Unterhaltung durch Evozieren von Identifikation, Story Involvement und Transportation zu gegenseitigem Verständnis bei kontroversen politischen Themen führen kann. Allerdings wurde bei den Teilnehmern jeweils nur die Empathie bezüglich eines Charakters erhoben. Transformationsgeschichten beinhalten Charaktere, die für verschiedene Sichtweisen stehen (z. B. Men of Honor, 2000). Damit wird dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben, mit den Vertretern von Gruppen, die bei Konfliktthemen für unterschiedliche Perspektiven stehen, mitzufiebern und mitzufühlen. Daher erweitert diese Arbeit die Forschung um einen neuen Ansatz: Statt Empathie für eine Figur des Films (Ingroup) in den Fokus zu rücken, wurde zugleich betrachtet, inwieweit der Zuschauer auch mit der Figur der Outgroup mitfühlt; beide Figuren stehen dabei für gegensätzliche Perspektiven. In dieser Studie wird diese gemischte Form der Empathie als Empathie für gegensätzliche Charaktere bezeichnet. Die gemischte Empathie entspricht dem Fokus auf Offenheit für gegensätzliche Perspektiven, Interessen und Argumente. Durch die Darstellung gegensätzlicher Perspektiven in einer Transformationsgeschichte
6 Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
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wird diese Art der deliberativen Offenheit, die hier als Offenheit für Perspektiven bezeichnet wird, gefördert. Insbesondere wird das durch das Erleben eines Perspektivwechsels mit der Hauptfigur ermöglicht. Zusammenfassend wird daher angenommen: H2: Der Effekt der Transformationsgeschichte auf die deliberative Offenheit (H1) wird mediiert durch die Empathie für gegensätzliche Charaktere.
Transformationsgeschichten und Reaktanz Studien zeigen zum einen, dass fiktionale Unterhaltungsformate allgemein weniger als Überzeugungsversuch wahrgenommen werden und daher weniger Reaktanz hervorrufen (Green & Brock, 2000; Moyer-Gusé, 2008). Zum anderen wurde außerdem ein negativer Zusammenhang von Reaktanz mit der Glaubwürdigkeit der Quelle (Koch & Zerback, 2013; Silvia, 2006) oder der Glaubwürdigkeit der Medienbotschaft (Koch & Zerback, 2013) beobachtet. Transformationsgeschichten zeigen nun nicht lediglich einen Wechsel von negativem zu positivem Verhalten, sondern enthalten auch einen glaubwürdig dargestellten Wandel, zum Beispiel in Form einer ausgewählten Schlüsselszene, die das veränderte Verhalten plausibel erscheinen lässt. Somit sollte eine auf diese Weise glaubwürdig dargestellte Wandlung Reaktanz reduzieren und das neue, positive Verhalten des Darstellers als nachvollziehbar und möglich wahrgenommen werden. Andererseits sind speziell altruistische Medienbotschaften anfällig dafür, als persuasiv wahrgenommen zu werden. Durch solche wahrgenommenen Überzeugungsversuche können sich Personen in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt sehen und reaktant reagieren, was insgesamt wiederum zu Backfire-Effekten führen kann (Dillard & Shen, 2005). Da also insgesamt keine eindeutige Annahme zum Zusammenhang von Transformationsgeschichten und Reaktanz formuliert werden kann, wird offen gefragt: FF1: Erhöht ein Filmausschnitt, der eine Transformationsgeschichte zeigt, die Reaktanz? Eindeutigere Annahmen können hingegen hinsichtlich der Konsequenzen möglicher Reaktanz formuliert werden. Wird durch einen Stimulus Reaktanz ausgelöst, führt dies zu einem Abwehrverhalten bezüglich der Medienbotschaft (Dillard & Shen, 2005). Eine defensive Verarbeitung der Informationen steht dabei im Gegensatz zu einer offenen, elaborierten Informationsverarbeitung, wie sie der
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6 Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
deliberativen Offenheit zu Grunde liegt. Weiterhin kann Reaktanz die Wahrnehmung der in der Botschaft vermittelten Inhalte negativ beeinflussen (Koch & Zerback, 2013; LaVail, Anker, Reinhart, & Feeley, 2010; Meirick & Nisbett, 2011), was ebenfalls einer offenen Informationsverarbeitung entgegenstehen würde. Damit wird angenommen: H3: Die durch den Filmausschnitt möglicherweise hervorgerufene Reaktanz hat einen negativen Einfluss auf die deliberative Offenheit.
Empathie für gegensätzliche Charaktere H2
H2
Offenheit allg.
Offenheit Thema Transformaonsgeschichten
H1
deliberave Offenheit
H3
FF1
Bewertung Argumente Verhalten Cross-Cung Networks
Reaktanz
Abbildung 6.1 Hypothetisches Modell über den Effekt von Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit
Abbildung 6.1 fasst die Hypothesen und die Forschungsfrage in Form eines Modells zusammen. In diesem Modell wird deliberative Offenheit als latentes Konstrukt konzipiert, bestehend aus der allgemeinen deliberativen Offenheit, der deliberativen Offenheit in Bezug auf ein kontroverses Beispielthema, der Bewertung von Argumenten zum kontroversen Beispielthema sowie der Bereitschaft, sich in Cross-Cutting Networks zu bewegen. Der Effekt der Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit (H1) wird mediiert durch Empathie für
6 Theoretisches Fazit: Forschungsfrage und Hypothesen
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gegensätzliche Charaktere (H2). Zusätzlich wird gefragt, welchen Einfluss Transformationsgeschichten auf Reaktanz ausüben (FF1). In Ergänzung dazu wird angenommen, dass Reaktanz einen negativen Effekt auf deliberative Offenheit hat (H3).
7
Methodische Umsetzung
Gemäß den in Kapitel 6 vorgestellten Annahmen wurden durch dieses Forschungsvorhaben drei Ziele verfolgt: Erstens sollten Aussagen über den Zusammenhang der Darstellung von Transformationsgeschichten und der darin gezeigten Wandlung des Hauptdarstellers von egoistischem zu altruistischem Verhalten auf Empathie und deliberative Offenheit gemacht werden und darüber, inwiefern dieser Zusammenhang durch Empathie und Reaktanz mediiert wird. Des Weiteren wurde deliberative Offenheit als latentes Konstrukt konzipiert, bestehend aus den Dimensionen: allgemeine deliberative Offenheit, deliberative Offenheit bezüglich verschiedener Standpunkte eines konkreten Themas, Bewertung der gegensätzlichen Argumente des konkreten Diskussionsthemas sowie Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken (cross-cutting networks). Deshalb sollte zweitens empirisch geprüft werden, inwieweit diese Dimensionen das Konstrukt tatsächlich abbilden. Dabei sollten die empirischen Befunde in der vorliegenden Untersuchung nicht nur anhand eines akademischen Samples gewonnen werden, da ansonsten Deckeneffekte bezüglich der Offenheit zu erwarten waren. Daher wurden drittens die Hypothesen in zwei Studien überprüft: in einer ersten Studie mit einem hochgebildeten (Studie 1) und in einer zweiten mit einem niedriggebildeten Sample (Studie 2). Damit die Ergebnisse der beiden Studien so weit wie möglich miteinander verglichen werden konnten, wurden in beiden Studien dieselben abhängigen Variablen und Mediatoren anhand derselben Stimulusmaterialien untersucht.
Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_7.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_7
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Methodische Umsetzung
Aufgrund der überwiegend konfirmatorischen Natur der Studie als Hypothesenprüfung und der zugrunde gelegten Kausalitätsannahmen, wurde eine Online-Befragung mit einem experimentellen Design gewählt (für einen Überblick zum Experiment in der Kommunikationswissenschaft siehe Koch, Peter & Müller, 2019). Experimente ermöglichen durch die Manipulation der unabhängigen Variablen bei gleichzeitiger Ausschaltung von systematischen Verzerrungen durch die randomisierte Zuweisung der Versuchspersonen zu den experimentellen Bedingungen die Überprüfung von Kausalaussagen (Field & Hole, 2003, S. 71; Koch et al., 2019, S. 100). Damit können die angenommenen UrsacheWirkungs-Zusammenhänge mit der Manipulation der Transformationsgeschichten als unabhängiger Variable, Empathie für gegensätzliche Charaktere und Reaktanz als Mediatoren und deliberativer Offenheit als abhängiger Variable überprüft werden. In dieser Arbeit wurden Daten mit Hilfe von Online-Experimenten erhoben; die Teilnehmer füllten also über das Internet einen Fragebogen aus, in den die Stimuli eingebettet waren. Für die vorliegende Untersuchung liegt der größte Vorteil solcher Online-Experimente in der Rekrutierung der Versuchsteilnehmer: Anbieter von Online-Access-Panels (wie z. B. das SoSci-Panel; siehe: Leiner, 2012) verfügen über einen Pool von Teilnehmern, die sich bereit erklären, regelmäßig an wissenschaftlichen Studien teilzunehmen (Koch et al., 2019, S. 56). Zudem hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, von zu Hause aus oder an einem anderen frei gewählten Ort über das Smartphone oder den eigenen Computer an den Studien teilzunehmen. Da keine Studien vorliegen, die die unabhängige Variable Transformationsgeschichten durch Filme operationalisiert haben, konnte nicht auf entsprechende Vorerfahrungen aufgebaut werden. Weiterhin gibt es zwar bereits einige Studien zu Offenheit, jedoch sollte in diesem Forschungsvorhaben deliberative Offenheit nicht nur allgemein, sondern auch in Bezug zu einem gesellschaftlich kontroversen Diskussionsthema erhoben werden, sodass Diskussionsthema und Thema des Stimulusfilms möglichst zueinander passen sollten. Daher wurden im Vorfeld der eigentlichen experimentellen Studien zunächst qualitative Leitfadeninterviews durchgeführt, um zu untersuchen, inwiefern sich einige vorausgewählte Filmausschnitte zur Darstellung einer Transformationsgeschichte eignen und inwiefern die vorgelegten kontroversen Gesprächsthemen, inklusive beispielhafter Pro- und Contra-Argumente, tatsächlich als kontrovers und passend zum Stimulus wahrgenommen wurden. In Abbildung 7.1 sind die verschiedenen Datenerhebungen für dieses Forschungsvorhaben zusammenfassend dargestellt. In den folgenden Abschnitten wird zunächst die qualitative Vorstudie und im Anschluss daran der gemeinsame Rahmen der beiden Hauptstudien dargestellt
7.1 Qualitative Vorstudie
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Qualitave Vorstudie
qualitave Interviews (N = 19) Bildungsgrad: niedrig
Hauptstudien
Studie 1
Studie 2
experimentelle OnlineBefragung (N = 397) Bildungsgrad: hoch
experimentelle OnlineBefragung (N = 345) Bildungsgrad: niedrig
Abbildung 7.1 Übersicht über die Teilstudien des Projekts
und erläutert. Dabei werden zunächst die Untersuchungsanlage und der Aufbau des Fragebogens und anschließend das Stimulusmaterial vorgestellt. Das Kapitel schließt mit der zusammenfassenden Darstellung der Operationalisierung für die beiden experimentellen Hauptstudien.
7.1
Qualitative Vorstudie
Für die Manipulation der Transformationsgeschichten als unabhängiger Variable wurde ein neuer Operationalisierungsansatz gewählt, daher wurde zur Auswahl geeigneter Stimuli eine qualitative Vorstudie durchgeführt. In dieser Vorstudie wurden zudem im Hinblick auf die Erhebung von deliberativer Offenheit als der abhängigen Variable verschiedene Gesprächsthemen daraufhin getestet, ob sie als hinreichend kontrovers wahrgenommen wurden. Die Teilnehmer der Vorstudie waren zwischen 18 und 57 Jahre alt (N = 19) und hatten bis auf zwei Personen keinen höheren Bildungsabschluss als die mittlere Reife. Der berufliche Hintergrund war sehr divers (z. B. Kraftfahrer, Krankenschwester). Zunächst wurde den Teilnehmern eine kurze Einführung zum jeweiligen Filmausschnitt vorgelegt und im Anschluss der Filmausschnitt in einer von zwei Versionen gezeigt. In der ersten Version wurde der Ausschnitt so zusammengestellt, dass der Hauptcharakter eine persönliche Wandlung von konfrontativem zu versöhnlichem Verhalten vollzog, in der zweiten Version wurde nur konfrontatives Verhalten des Hauptcharakters gezeigt. Getestet wurden Ausschnitte aus folgenden Spielfilmen: • Gran Torino von Clint Eastwood, 2008 • Men of Honor von George Tillman Jr., 2000 • Dallas Buyers Club von Jean-Marc Vallée, 2013
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Methodische Umsetzung
Während die ersten beiden Filme kontroverse Haltungen gegenüber ethnischen Minderheiten in ihren Geschichten präsentieren, behandelt der dritte Film die Thematik Homosexualität und Transgender. Um die Experimentalbedingungen zu generieren, musste der sich im Film über eine durchschnittliche Spielzeit von zwei Stunden entwickelnde Wandel der Hauptfiguren auf nur wenige Minuten gekürzt werden. Dazu wurden die aufschlussreichsten Szenen ausgewählt und für die jeweilige Experimentalbedingung zusammengeschnitten. Somit wurde den Teilnehmern jeweils eine von sechs Stimulusversionen gezeigt, die in Tabelle 7.1 im Überblick charakterisiert werden. Danach wurden den Teilnehmern Fragen zum Clip und zu ihrer Person vorgelegt. Im Anschluss wurde ihnen ein Hintergrundtext sowie ein fiktiver Gesprächsverlauf entweder zum Thema doppelte Staatsbürgerschaft oder gleichgeschlechtliche Ehe gezeigt. Ziel war es, den Befragten möglichst kontrovers wahrgenommene Themen vorzulegen, die eine gesellschaftliche Relevanz besitzen. Als zusätzliches Kriterium sollte das jeweilige Thema nach Möglichkeit anschlussfähig, aber nicht deckungsgleich zum gezeigten Filmausschnitt sein. Im fiktiven Gesprächsverlauf wurden jeweils drei Pro- und drei Contra-Argumente zum Diskussionsthema eingebettet. Danach wurden die Teilnehmer gebeten, dass Thema einzuschätzen. Alle Teilnehmer hatten im Anschluss die Möglichkeit, an einem Gewinnspiel teilzunehmen und einen von fünf Amazon-Gutscheinen im Wert von 20 Euro zu gewinnen. Die Aussagen der Teilnehmer wurden protokolliert (siehe Vorlage Protokoll für qualitative Interviews, digitales Zusatzmaterial).
Tabelle 7.1 Stimulusversionen der qualitativen Vorstudie Version
mit Transformation des Hauptdarstellers
ohne Transformation des Hauptdarstellers
Stimulus: Dallas Buyers Club kombiniertes Diskussionsthema: gleichgeschlechtliche Ehe
Video 1
Video 2
Stimulus: Men of Honor kombiniertes Diskussionsthema: doppelte Staatsbürgerschaft
Video 3
Video 4
Stimulus: Gran Torino kombiniertes Diskussionsthema: doppelte Staatsbürgerschaft
Video 5
Video 6
7.1 Qualitative Vorstudie
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Die Auswertung der protokollierten Aussagen ergab für alle drei Filme, dass die Einleitungstexte etwas zu lang waren. Personen, welche die Gran TorinoAusschnitte zu sehen bekamen, äußerten sich überwiegend negativ, sowohl bei der Version mit Transformation der Hauptfigur als auch bei der Version ohne Transformation. Die Videos wurden als zu unübersichtlich und nicht aussagekräftig eingeschätzt. Es tauchten viele Fragen auf und die Wesensänderung der Hauptfigur wurde aktiv eher nicht erkannt. Damit schied dieser Film als nicht geeignet aus. Die Reaktionen auf die Sequenzen aus Men of Honor waren zumeist positiv im Sinne der Untersuchungsanforderungen. Die Szenen wurden als schlüssig empfunden, ein Hineinversetzen in die Charaktere war möglich. Als weiterer Film für die Hauptstudie kristallisierte sich Dallas Buyers Club heraus. Die Bedingung mit der Darstellung konfrontativen Verhaltens wurde als gut bewertet und in der anderen Bedingung wurde eine Transformation der Hauptfigur wahrgenommen. Letztere Sequenz wurde allerdings noch um einige Sekunden gekürzt, da sie als zu lang erlebt worden war. Negativ fiel bei beiden getesteten Diskussionsthemen auf, dass der fiktive Diskussionsteil als zu lang und zu textlastig empfunden wurde. Beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft wurden zudem zum Teil die Pro- und Contra-Argumente als nicht nachvollziehbar empfunden. Insgesamt wurde das Thema allerdings als wichtig wahrgenommen. Beim Thema gleichgeschlechtliche Ehe hatten die Teilnehmer demgegenüber wenig zu bemängeln. Einige Befragte gaben an, dass es sich hierbei um ein sehr wichtiges Thema handele, das schon viel diskutiert wurde, zum Teil auch im eigenen Freundeskreis. In der Vorstudie zeigte sich zudem, dass die Themen gleichgeschlechtliche Ehe in der Bedingung Dallas Buyers Club und doppelte Staatsbürgerschaft für Men of Honor zwar nicht als Bruch zu den Videos empfunden wurden, die dargestellten Argumente zum Teil aber nicht für die Befragten nachvollziehbar waren oder das Diskussionsthema zum Teil als weniger bedeutsam wahrgenommen wurde. Für die Hauptstudien wurden deshalb neue Diskussionsthemen ausgewählt (siehe Abschnitt 7.2.1). Außerdem wurde der fiktive Gesprächsverlauf eines OnlineForums als zu lang empfunden, daher wurden zu Gunsten eines einfacheren Fragebogens lediglich die Argumente ohne Gesprächsverlauf zwischen fiktiven Personen vorgelegt.
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7
Methodische Umsetzung
7.2
Untersuchungsanlage und Fragebogen
7.2.1
Untersuchungsanlage
Die Daten der beiden Hauptstudien wurden mit einer Online-Befragung in einer experimentellen Untersuchungsanlage erhoben. Die unabhängigen Variablen wurden in einem 2 (Transformationsgeschichten: Verhaltenswandel vs. konfrontatives Verhalten) × 2 (Thema des Videos: Transgender-Diskriminierung vs. Rassismus)Between-Subjects-Design operationalisiert (siehe Tabelle 7.2). Variiert wurde zum einen das Thema des Filmausschnitts (Dallas Buyers Club vs. Men of Honor) und zum anderen, ob der gezeigte Filmausschnitt eine Transformation von egoistischem, konfrontativem und feindseligem zu versöhnlichem, altruistischem Verhalten enthielt oder nur das egoistische Verhalten des Hauptcharakters zeigte. Jeder Versuchsteilnehmer wurde per Zufall einer dieser vier Bedingungen zugeordnet. In der Bedingung ohne Transformation stehen die gegensätzlichen Perspektiven der Figuren lediglich nebeneinander. Der Effekt der Manipulation durch Transformationsgeschichten auf die deliberative Offenheit sollte sich somit auf den Perspektivwechsel der Hauptfigur zurückführen lassen, wie er in der Bedingung mit Transformation dargestellt wird. Im Zusammenhang mit politischen Themen oder Gesprächen über Politik wurde Offenheit als abhängige Variable bisher vor allem in Kombination mit Zeitungsartikeln (Hwang et al., 2008, Mai; Hwang et al., 2016; Weinmann, 2019), gescripteten Online-Chatverläufen (Hwang et al., 2016), Ausschnitten aus einer politischen Talkshow oder Nachrichtensendung (Weinmann, 2018) oder fiktiven Online-Blog-Einträgen (Borah, 2014) als medialen Kontexten der unabhängigen Variable untersucht. Der Einfluss von Ausschnitten aus Spielfilmen, die gesellschaftliche Themen adressieren, wurde hingegen bisher nicht betrachtet. In Anlehnung an vorhergehende Untersuchungen wurde daher den Versuchsteilnehmern je nach experimenteller Themenbedingung zusätzlich zum Filmausschnitt ein zum Stimulusfilm möglichst passendes gesellschaftliches Thema vorgelegt, auf das sich die Abfrage der deliberativen Offenheit bezog. Die Teilnehmer bekamen nach einer kurzen Einführung zum Thema jeweils zwei Pro- und ContraArgumente vorgelegt, die exemplarisch für die gegnerischen Positionen stehen sollten. An das Diskussionsthema waren zwei Bedingungen geknüpft: Erstens, es sollte möglichst anschlussfähig zum Video sein und zweitens kontroverse Positionen beinhalten, wobei Zustimmung und Ablehnung in der deutschen Bevölkerung im besten Fall gleich verteilt sein sollten, damit systematische Verzerrungen durch
7.2 Untersuchungsanlage und Fragebogen
89
Einstellungen verhindert werden. Überprüfen ließe sich die Verteilung der Meinungen in der Bevölkerung zu einem kontroversen Thema zum einen in Rückgriff auf öffentliche Umfragedaten oder durch eine eigene Befragung. Letzteres war aus forschungsökonomischen Gründen nicht möglich. Dies stellte eine Herausforderung dar, da zum Zeitpunkt der Konzeption des Fragebogens zum jeweiligen konkreten Filmthema keine Umfragedaten vorlagen. Ein zum Erhebungszeitraum aktuell kontrovers diskutiertes Thema war die Debatte um die Einrichtung von Unisex-Toiletten in öffentlichen Gebäuden (Köllen, 2016). Transgenderpersonen sollten durch diese Maßnahme weniger diskriminiert werden. Da im Stimulusfilm Dallas Buyers Club der Repräsentant der Outgroup ein Transgender ist, wurden für die Hauptstudien jeweils zwei Pround Contra-Argumente aus dieser Debatte herausgegriffen, die speziell diese Personengruppe thematisierten. Befragte, die einen Ausschnitt aus Men of Honor sahen, bekamen jeweils zwei Pro- und Contra-Argumente zum Thema Ein- und Zuwanderung präsentiert. Zum Zeitpunkt der Datenerhebungen sorgte Ein- und Zuwanderung für kontroverse Auseinandersetzungen in der Gesellschaft, verstärkt durch eine hohe Zuwanderung in den Jahren zuvor (Melzer, 2016).
Tabelle 7.2 Stimulusversionen/ experimentelle Bedingungen Version
mit Transformation des Hauptdarstellers
ohne Transformation des Hauptdarstellers
Stimulus: Dallas Buyers Club kombiniertes Diskussionsthema: Unisex-Toiletten
Video 1 Länge: 3:10 min
Video 2 Länge: 0:40 min
Stimulus: Men of Honor kombiniertes Diskussionsthema: Ein- und Zuwanderung
Video 3 Länge: 3:34 min
Video 4 Länge: 0:50 min
7.2.2
Aufbau des Fragebogens
Grundsätzlich war der Aufbau des Fragebogens der beiden Hauptstudien in den zentralen Elementen identisch: Die Stimuli waren in einen Online-Fragebogen eingebettet und die Teilnehmer wurden automatisiert zufällig dem jeweiligen Stimulus zugeordnet. Wegen der Quotierung der Stichprobe machten die Teilnehmer
90
7
Methodische Umsetzung
zunächst Angaben zu soziodemographischen Merkmalen. Dann wurde ihnen ein kurzes, neutrales Testvideo gezeigt, um die Qualität der Wiedergabe und der Lautsprecher testen zu können. Im Anschluss wurde den Teilnehmern der Stimulus präsentiert: Nach einer kurzen Einführung zum jeweiligen Film (Dallas Buyers Club oder Men of Honor) sahen die Teilnehmer entweder einen Filmausschnitt, der eine Wandlung oder keine Wandlung des Hauptcharakters zeigte. Im Anschluss wurde die empfundene Offenheit bezüglich des Gesehenen, Empathie für die beiden Charaktere, die Wahrnehmung und Glaubwürdigkeit der Wandlung der Hauptcharaktere und die allgemeine Offenheit abgefragt (siehe Fragebögen Studie 1 und 2, elektronisches Zusatzmaterial). Damit die Befragten die Charaktere nicht verwechselten, wurde zu jeder Frage nicht nur der Name der jeweiligen Figur genannt, sondern auch eine Abbildung des jeweiligen Darstellers gezeigt. Im nächsten Teil des Fragebogens wurde das dem jeweiligen Stimulus zugeordnete gesellschaftliche Thema (Dallas Buyers Club: Transgender/UnisexToiletten; Men of Honor: Ein- und Zuwanderung) kurz vorgestellt und jeweils zwei Argumente dafür und dagegen vorgelegt. Deren Nachvollziehbarkeit sollte von den Teilnehmern bewertet werden. Im Anschluss wurden die deliberative Offenheit bezüglich des jeweiligen Themas, das Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken und Reaktanz abgefragt. Zum Schluss wurde erhoben, ob der Film dem Teilnehmer schon bekannt war und ob es technische Probleme beim Sehen gab, dazu abschließend das politische Interesse sowie die politische Grundhaltung. Am Ende des Fragebogens fand das Debriefing statt: Die Befragten wurden über das Anliegen der Studie und die experimentellen Bedingungen aufgeklärt.
7.3
Stimulusmaterial
Als Grundlage für das Stimulusmaterial dienten Geschichten, die sich als Transformationsgeschichten (Black, 2009) betrachten lassen; der Protagonist vollführt also im Film eine Transformation, im vorliegenden Fall von konfrontativem zu versöhnlichem Verhalten. Im experimentellen Design sah eine Gruppe einen Videoausschnitt mit konfrontativem Verhalten, die andere Gruppe bekam einen Ausschnitt gezeigt, in dem deutlich wurde, dass ein Wandel von konfrontativem zu versöhnlichem Verhalten stattfand. Es wird davon ausgegangen, dass Rezipienten auf unglaubwürdige Darstellungen einer solchen persönlichen Wandlung reaktant reagieren könnten. Daher musste diese Wandlung des Protagonisten von konfrontativem zu versöhnlichem Verhalten glaubhaft und nachvollziehbar
7.3 Stimulusmaterial
91
dargestellt sein. Gezeigt wurde daher auch ein Schlüsselmoment zwischen dem Charakter der In- und der Outgroup, der eine Veränderung im Verhalten des Charakters der Ingroup glaubhaft macht. Der Aufbau der Stimuli wurde über die verschiedenen Themen hinweg nach dem in Abbildung 7.2 dargestellten Schema gleich angelegt.
Video Bedingung ohne Transformaon
konfrontaves Verhalten
Schlüsselmoment
versöhnliches Verhalten
Video Bedingung mit Transformaon
Abbildung 7.2 Aufbau Stimuli
In dieser Arbeit soll mit Hilfe von Transformationsgeschichten zu altruistischem Handeln eingeladen werden, also zu Handeln mit dem Ziel, das Wohl anderer zu fördern. Anstatt jedoch ausschließlich altruistisches Verhalten aufzuzeigen, steht aufgrund der Darstellung in Form einer Transformationsgeschichte zum anderen aber auch der dargestellte Wandel von konfrontativem, feindseligem zu versöhnlichem, eher altruistischem Verhalten im Vordergrund. Die Auswahl der Sequenzen erfolgte basierend auf einem Codierschema von Hahn, Tamborini, Prabh, Klebig, Grall und Pei (2017), mit dem die altruistischen Motivationen nach der moral foundation theory (Haidt & Joseph, 2008) operationalisiert wurden. Im Stimulus liegen demnach zum Beispiel altruistische Motivationen vor, wenn die Elemente care oder fairness enthalten sind. Eine Szene beinhaltet care, wenn sich der Protagonist beispielsweise betroffen vom Schmerzen und Leiden anderer Menschen zeigt (Hahn, L. S. et al., 2017; Tamborini et al., Mai, 2015), wenn etwa Flüchtlingshelfer Menschen trösten, die um Angehörige trauern. Auf der anderen Seite ist eine Szene eindeutig als konfrontativ einzustufen, wenn Grausamkeit oder Indifferenz gegenüber Personen in Not dargestellt ist, zum Beispiel wenn ein weinender Freund vom Protagonisten ignoriert wird. Faires Verhalten äußert sich in „[i]nterest in ensuring the
92
7
Methodische Umsetzung
equal distribution of resources, including social justice, antidiscrimination, and equality“ (Tamborini et al., S. 34), zum Beispiel, wenn in einer Szene ein Verbrechen angemessen bestraft wird. Als Darstellungen unfairen Verhaltens gelten im Gegensatz dazu Darstellungen diskriminierenden Verhaltens, einer ungerechten Aufteilung von Gütern oder von Rechtsprechung mit ungleichem Maß (Tamborini et al., 2015, Mai, S. 34), etwa in Form einer Darstellung diskriminierenden Verhaltens gegenüber stigmatisierten Gruppen. Als Indikator für das Vorliegen von egoistischem Verhalten dient zum einen die Verletzung der Kategorie care und fairness sowie die Ausübung von power entsprechend dem Codierschema von Hahn et al. (2017). Der Protagonist zeigt in diesem Fall ein Verhalten, das der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse dient, insbesondere in Bezug auf den eigenen sozialen Status, eigene Privilegien und die Ausübung von Kontrolle. Wenn beispielsweise der Protagonist eine andere Person durch Demütigungen herabsetzt, um sich von ihr abzugrenzen, dient ein solches Verhalten dem Schutz des eigenen Status (power). Ziel bei der Auswahl der Filmausschnitte war es, wie bereits beschrieben, nicht nur Szenen auszuwählen, in denen konfrontatives und versöhnliches Verhalten gezeigt wird, sondern auch solche, in denen in der Wandlungsbedingung ein Schlüsselmoment enthalten ist, der die Transformation von demütigendem hin zu aufopferndem Verhalten glaubhaft vermittelt. Nachdem mögliche Stimulusversionen in der qualitativen Vorstudie getestet wurden, fiel die Entscheidung für die Hauptstudie auf Ausschnitte aus den Spielfilmen Dallas Buyers Club (Vallée 2013) und Men of Honor (Tillman Jr., 2000). Dallas Buyers Club (Vallée, 2013) Dieser Film spielt in den 1980er Jahren in den USA. Hauptfigur des Films, der auch die Wandlung vollführt, ist Ron Woodroof. Er erfährt, dass er HIV-positiv ist und nur noch eine geringe Lebenserwartung hat. Für ihn als Heterosexuellen (= Repräsentant der Ingroup) war HIV/AIDS bisher nur ein Problem der von ihm verachteten Minderheit der Homosexuellen. In diesem Film wird diese Minderheit verkörpert von einer Transgender-Person namens Rayon (= Repräsentant der Outgroup). Beide Filmausschnitte (Video 1 mit Wandlung des Hauptdarstellers Ron Woodroof; Video 2 ohne Wandlung von Ron Woodroof) beginnen zunächst gleich: Zu sehen ist ein Krankenhauszimmer, das sich Ron und Rayon teilen. Rayon stellt sich vor und Ron reagiert äußerst unfreundlich („Verzieh’ Dich endlich, was immer Du bist …“). Die Szene dauert 40 Sekunden. Diese Szenerepräsentiert die Bedingung ohne Wandlung (Video 2). In der Transformationsbedingung wurde diese Szene wie
7.3 Stimulusmaterial
93
folgt fortgesetzt: Rayon fragt Ron, ob sie gemeinsam Karten spielen wollen. Ron willigt ein. Während sie spielen, bekommt Ron einen starken Krampf in der Wade. Rayon hilft ihm umgehend und massiert ihm den Krampf weg. Dieses Hilfsangebot durch Rayon und die Annahme der angebotenen Hilfe durch Ron stellen zugleich den Schlüsselmoment für die glaubhafte Annäherung der beiden gegensätzlichen Charaktere dar. Sie bildet die Grundlage für die glaubhafte Transformation des Verhaltens von Ron gegenüber Rayon. In der nächsten Szene gehen Ron und Rayon im Supermarkt einkaufen. Dort trifft Ron auf einen alten Bekannten, TJ. Als dieser Rayon sieht, äußert er sich sehr abfällig („Überall diese beschissenen Schwuchteln…“). Er weiß nicht, dass Ron zusammen mit Rayon im Supermarkt ist. Ron stellt TJ Rayon vor und Rayon reicht ihm zur Begrüßung die Hand, in die TJ jedoch nicht einschlägt. Ron nimmt TJ daraufhin in den Schwitzkasten, bis er Rayon die Hand reicht. Nach 3 Minuten und 10 Sekunden endet dieser Clip. Men of Honor (Tillman Jr., 2000) Die Handlung von Men of Honor trägt sich in der Taucherschule der US Navy zu und spielt in den 1950er/1960er Jahren. Carl Brashear ist der erste AfroAmerikaner (= Repräsentant der Outgroup), der jemals für diese Ausbildung zugelassen wurde. Dort trifft er auf den Ausbilder Chief Sunday (= Repräsentant der Ingroup), welcher im Laufe des Films eine Wandlung durchmacht. Auch hier beginnen die Videos der beiden Experimentalbedingungen gleich (Video 3 mit Transformation des Hauptdarstellers Chief Sunday; Video 4 ohne Transformation von Chief Sunday): Es ist mitten in der Nacht und Carl Brashear wird von Chief Sunday misshandelt. Sunday macht ihm währenddessen Vorwürfe, etwa dass Sunday und seine Familie in seiner Kindheit umziehen mussten, weil sein Vater den Job verloren hatte, den ein Afro-Amerikaner für weniger Lohn zu machen bereit war. Die Szene und damit auch Video 4 endet nach 50 Sekunden. In der Transformationsbedingung (Video 3) schließt sich eine Szene an, in der die Rekruten die Tauchprüfung ablegen sollen. Dies ist zugleich der Schlüsselmoment: Alle Anwärter haben die Prüfungsaufgabe bereits erfolgreich beendet, bis auf Carl, der bereits vor Kälte unter Wasser zittert. Chief Sunday bekommt eine Anweisung seines Vorgesetzten, Carl nicht bestehen zu lassen, auch wenn es dessen Leben kosten wird. Chief Sunday hadert mit sich und lässt Carl schließlich gegen den Befehl seines Vorgesetzten an Land ziehen. Daraufhin wird Chief Sunday seines Amtes enthoben. Sunday macht dennoch weiter. In der nächsten Szene gehen beide spazieren und reden freundschaftlich miteinander. Sunday erzählt, wie es ihm zwischenzeitlich ergangen ist. Und schließlich bietet er Carl seine Hilfe dabei an, doch noch US Navy-Taucher werden zu können.
94
7
Methodische Umsetzung
Alle Stimuli wurden im Format HTML 5 erstellt, sodass sie möglichst reibungslos mit verschiedenen Browsern abgespielt werden konnten.
7.4
Operationalisierung
Die zentralen Variablen wurden in den beiden Hauptstudien auf die gleiche Art operationalisiert. Daher werden die Indikatoren für Studie 1 und 2 im Folgenden gemeinsam vorgestellt.
7.4.1
Abhängige Variablen
Deliberative Offenheit als abhängige Variable dieser Untersuchung wurde als latente Variable allgemein sowie themenbezogen erhoben (siehe Abbildung 7.3). Zunächst wurde deliberative Offenheit allgemein, das heißt ohne Bezug auf das Thema des Videos abgefragt. Die anderen drei Indikatoren bezogen sich auf ein kontroverses gesellschaftliches Thema, das möglichst passend zum Filmthema des Stimulus gewählt wurde (siehe Abschnitt 7.2.1). Dazu gehören: deliberative Offenheit bezüglich des Themas, Bewertung der Argumente zu diesem Thema sowie die Bereitschaft, sich in sich überschneidenden Netzwerken zu diesem Thema austauschen zu wollen.
deliberave Offenheit
allgemeine deliberave Offenheit allgemein
deliberave Offenheit Thema
Bewertung Argumente
bezogen auf ein kontroverses Thema
Abbildung 7.3 Allgemeine und themenbezogene deliberative Offenheit
Verhalten Cross-Cung Networks
7.4 Operationalisierung
95
Allgemeine deliberative Offenheit. Mit Hilfe von fünf Items (7-stufige Skala mit Skalenbeschriftung: 1 = stimme überhaupt nicht zu bis; 7 = stimme voll und ganz zu) wurde allgemeine deliberative Offenheit erhoben (siehe Tabelle 7.3). Die Items spiegeln das der Arbeit zu Grunde gelegte Konzept der deliberativen Offenheit wider (siehe Abschnitt 3.2). Die Items wurden aus verschiedenen Skalen entlehnt (Lee, H. et al., 2015; Stanovich & West, 2007; Weinmann, 2018), mussten jedoch für diese Untersuchung abgewandelt werden. Für die Auswertung wurden die Items zu einem Mittelwertindex zusammengefasst. Das (invers formulierte) Item „Wenn ich mir erst einmal eine Meinung gebildet habe, dann bleibe ich auch dabei“ wurde jedoch bei der Analyse aus der Skala ausgeschlossen, da es die interne Konsistenz reduzierte. Die interne Konsistenz der letztlich verwendeten Skala mit vier Items war in beiden Studien akzeptabel (Studie 1: M = 5.55, SD = 1.02, Cronbach’s α = .75; Studie 2: M = 5.16, SD = 1.09, Cronbach’s α = .79).
Tabelle 7.3 Items allgemeine deliberative Offenheit Item 1. Bei kontroversen Themen kann ich mich in die Lage von beiden Seiten versetzen. 2. Manchmal muss man auch mal über seinen Schatten springen können und über andere Meinungen nachdenken. 3. Es ist besser, seinen Standpunkt zu ändern, als aus Prinzip daran festzuhalten. 4. Manchmal muss man zum Wohle aller auch mal zurückstecken und sich andere Meinungen anhören.
Deliberative Offenheit Thema. Die deliberative Offenheit bezüglich eines konkreten Themas wurde mit Hilfe von drei Items erhoben (von 1 = trifft überhaupt nicht zu bis 7 = trifft voll und ganz zu), die an Skalen von Borah (2014), Hwang et al. (2008, Mai) und Weinmann (2018) angelehnt sind. Hier spiegeln sich ebenfalls die beiden Dimension deliberativer Offenheit wider. Die Formulierung der Items wurde in Bezug auf das jeweilige konkrete Diskussionsthema angepasst (siehe Tabelle 7.4).
96
7
Methodische Umsetzung
Tabelle 7.4 Items deliberative Offenheit zu einem Thema Item 1. Ich fühle mich offen für die Argumente von beiden Seiten. 2. Bei den verschiedenen Standpunkten zur Ein- und Zuwanderung [Unisex-Toiletten] konnte ich beide Seiten verstehen. 3. Ich habe über die verschiedenen Standpunkte zum Thema Ein- und Zuwanderung [Unisex-Toiletten] nachgedacht.
Für die Auswertung wurde aus diesen Items ein Mittelwertindex erstellt; die interneKonsistenzderSkalenwarzufriedenstellend(Transgender-/Unisex-Toiletten, Studie 1: M = 4.84, SD = 1.39, Cronbach’s α = .75; Studie 2: M = 4.54, SD = 1.54, Cronbach’s α = .78; Ein- und Zuwanderung, Studie 1: M = 4.97, SD = 1.27, Cronbach’s α = .68; Studie 2: M = 4.74, SD = 1.43, Cronbach’s α = .77). Bewertung Argumente. Für die Erhebung der Bewertung der Argumente durch die Teilnehmer wurde ein Item aus der Skala zur wahrgenommenen Stärke von Argumenten (Zhao, X., Strasser, Cappella, Lerman & Fishbein, 2011) übernommen („The statement is a reason for ___ that is convincing“) und abgewandelt: Den Befragten wurden zu einem konkreten Diskussionsthema jeweils zwei Pround zwei Contra-Argumente vorgelegt und sie wurden gebeten mit Hilfe des Items anzugeben, als wie nachvollziehbar sie das jeweilige Argument empfanden (1 = überhaupt nicht nachvollziehbar bis 7 = absolut nachvollziehbar) (siehe Tabelle 7.5). Tabelle 7.5 Items Bewertung Argumente Thema Unisex-Toiletten (Bedingung Dallas Buyers Club) 1. Ich bin gegen Unisex-Toiletten, denn manch einer findet es unangenehm, wenn er auf der Toilette jemanden vom anderen Geschlecht trifft (z. B. eine Frau trifft in der Toilette auf einen Mann). 2. Ich bin für Unisex-Toiletten, da sich Transgender in Herren- und Damen-Toiletten fehl am Platz fühlen. 3. Ich bin gegen Unisex-Toiletten, da es nur wenige Menschen betrifft, die sich als Transgender bezeichnen. Aufwand und Nutzen stehen damit für mich nicht im angemessenen Verhältnis. 4. Ich bin für Unisex-Toiletten, denn Toiletten müssen dafür nicht teuer umgebaut werden, manchmal reicht eine Neubeschilderung. (Fortsetzung)
7.4 Operationalisierung
97
Tabelle 7.5 (Fortsetzung) Thema Ein- und Zuwanderung (Bedingung Men of Honor) 1. Ich bin für Ein- und Zuwanderung, denn viele Menschen suchen in Deutschland Zuflucht vor Krieg und Verfolgung und diese sollten auch als Schutzbedürftige anerkannt und aufgenommen werden. 2. Ich bin gegen Ein- und Zuwanderung: Meiner Ansicht nach sind die in Deutschland lebenden Zuwanderer eine Belastung für den Sozialstaat. 3. Ich bin für Ein- und Zuwanderung, denn zahlreiche Menschen kommen als Fachkräfte und machen die Arbeit, die die Deutschen nicht machen können. 4. Ich bin gegen Ein- und Zuwanderung, denn das führt zu Problemen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt.
Die Items wurden jeweils zu einem Mittelwertindex für Pro-Argumente und Contra-Argumente zusammengefasst. Als Indikator für die Nachvollziehbarkeit von Pro- und Contra-Argumenten wurde im nächsten Schritt das gemeinsame Minimum der Mittelwertindizes von Pro- und Contra-Argumenten gebildet. Hohe Werte in der Nachvollziehbarkeit der Argumente wurden nur dann erreicht, wenn sowohl Proals auch Contra-Argumente jeweils hoch bewertet wurden (Studie 1: M pro = 5.13, SDpro = 1.56, M contra = 3.05, SDcontra = 1.81, M gesamt = 2.54, SDgesamt = 1.39; Studie 2: M pro = 4.08, SDpro = 1.75, M contra = 4.00, SDcontra = 1.99, M gesamt = 2.76, SDgesamt = 1.44). Verhalten Cross-Cutting Networks. Die Verhaltensintention, sich in sich überschneidenden Netzwerken (cross-cutting networks) bewegen zu wollen, wurde angelehnt an Kwak, Lane, Lee, Liang und Weeks (2018) mit folgender Frage erhoben: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie sich auf eine Diskussion zum Thema Einund Zuwanderung [Unisex-Toiletten] mit Personen einlassen, die eine ganz andere Meinung als die Ihre vertreten?“ (1 = äußerst unwahrscheinlich bis 7 = äußerst wahrscheinlich) (Studie 1: M = 4.88, SD = 1.74; Studie 2: M = 4.15, SD = 1.88).
7.4.2
Mediatorvariablen
Empathie für gegensätzliche Charaktere. Im ersten Schritt wurde die Empathie für die beiden Charaktere mit je vier Items getrennt erhoben, mit einer Skala von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 7 (trifft voll und ganz zu). Davon entfallen zwei Items auf kognitive Empathie (z. B. „Ich kann mich in die Lage von Ron [Rayon] hineinversetzen“) sowie zwei Items auf affektive Empathie (z. B. „Wenn
98
7
Methodische Umsetzung
es Ron [Rayon] gut oder schlecht geht, fühle ich mit und hoffe das Beste für ihn“). Die Items sind an die Empathie-Skala von Shen (2010) angelehnt und wurden zu einem Mittelwertindex für den jeweiligen Charakter zusammengefasst. Für die Empathie für gegensätzliche Charaktere wurde im nächsten Schritt das gemeinsame Minimum der Empathie der beiden gegensätzlichen Figuren (Ron und Rayon; Carl Brashear und Chief Sunday) gebildet. Hohe Werte in der Empathie für gegensätzliche Charaktere wurden also dann erreicht, wenn für beide Figuren jeweils hohe Werte für Empathie angegeben wurden. In beiden Teilstudien können die Skalen für Empathie als konsistent eingeschätzt werden (siehe Tabelle 7.6). Reaktanz. Ob die Befragten reaktant bezüglich des gezeigten Videos reagierten, wurde mit einer Skala in Anlehnung an Dillard und Shen (2005) erhoben, die aus vier Items bestand (z. B. „Das Video versucht, mir eine Meinung vorzuschreiben.“, 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 7 = stimme voll und ganz zu, Studie 1: M = 2.11, SD = 1.37, Cronbach’s α = .88; Studie 2: M = 2.40, SD = 1.55, Cronbach’s α = .95).
Tabelle 7.6 Kennwerte Skala Empathie SD
Cronbach’s α
4.36
1.35
.81
M Studie 1 EmpathieRon EmpathieRayon
4.49
1.58
.91
Sunday
3.16
1.65
.89
Brashear
4.94
1.54
.86
3.50
1.59
/
4.38
1.56
.91
EmpathieChief EmpathieCarl Empathiefür
gegensätzliche Charaktere
Studie 2 EmpathieRon EmpathieRayon
4.28
1.61
.94
Sunday
4.25
1.73
.93
Brashear
5.05
1.50
.92
4.02
1.66
/
EmpathieChief EmpathieCarl Empathiefür
gegensätzliche Charaktere
7.4 Operationalisierung
7.4.3
99
Manipulation Checks
Um herauszufinden, ob die Teilnehmer die Wandlung des Protagonisten der Transformationsgeschichte wahrgenommen haben, wurden im Zuge der Manipulation Checks die Wahrnehmung und Glaubwürdigkeit der Transformation abgefragt. Da bis zum Zeitpunkt der Datenerhebung keine experimentellen Studien zu Transformationsgeschichten vorlagen, wurden die Items für die vorliegende Arbeit selbst entwickelt. Glaubwürdige Transformation. Mit Hilfe der Items in Tabelle 7.7 wurde erhoben, inwiefern die im Filmausschnitt gezeigte Transformation als glaubwürdig eingeschätzt wurde. Die Teilnehmer konnten ihre Antwort abstufen von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 7 (stimme voll und ganz zu) (Studie 1: M = 3.72, SD = 2.08, Cronbach’s α = .89; Studie 2: M = 4.67, SD = 1.86, Cronbach’s α = .96).
Tabelle 7.7 Items glaubwürdige Transformation Item Der Filmausschnitt hat mir glaubwürdig vermittelt, … 1. … dass sich Menschen ändern können. 2. … dass Menschen aufeinander zugehen können. 3. … dass Konflikte zwischen Gruppen überwunden werden können.
Wahrgenommene Transformation. Mit Hilfe der folgenden beiden Items wurde erhoben (1 = trifft überhaupt nicht zu bis 7 = trifft voll und ganz zu), inwieweit der Befragte eine Wandlung des Hauptcharakters wahrnehmen konnte: „Ron Woodroof [Chief Sunday] hat sich im Verlauf des Filmausschnittes wesentlich charakterlich verändert“ und „Ron Woodroof [Chief Sunday] hat im Verlauf des Filmausschnittes eine wesentliche persönliche Wandlung vollzogen“. Die Kennwerte der Skala für wahrgenommene Transformation sind in nachfolgender Tabelle 7.8 dargestellt:
100
7
Methodische Umsetzung
Tabelle 7.8 Kennwerte Skala wahrgenommene Transformation SD
Cronbach’s α
3.86
2.30
.94
3.65
2.44
.97
3.76
2.37
/
M Studie 1 TransformationRon TransformationChief
Sunday
Transformationwahrgenommen
Studie 2 TransformationRon
4.33
1.93
.94
TransformationChief
4.52
1.93
.90
4.42
1.93
/
Sunday
Transformationwahrgenommen
Anmerkung. Transformationwahrgenommen setzt sich aus der wahrgenommenen TransformationRon und wahrgenommenen TransformationChief Sunday zusammen.
7.4.4
Kontrollvariablen
Zusätzlich zu den abhängigen Variablen wurden noch weitere potentiell relevante Merkmale als Kontrollvariablen erhoben. Damit sollten mögliche Konfundierungen oder etwaige Moderatorvariablen identifiziert werden. Politisches Interesse. Das politische Interesse wurde mit folgender Frage erfasst: „Und ganz allgemein: Wie sehr interessieren Sie sich für Politik?“ (1 = überhaupt nicht interessiert bis 7 = im höchsten Maße interessiert) (Studie 1: M = 5.12, SD = 1.31; Studie 2: M = 4.20, SD = 1.66). Einstellungen. Die Einstellung zu dem jeweiligen Diskussionsthema wurde ebenfalls mit einer Frage erfasst: „Halten Sie Ein- und Zuwanderung [Unisex-Toiletten] für sinnvoll?“ Die Antwort konnten die Befragten mit Hilfe eines Schiebereglers von 1 (überhaupt nicht sinnvoll) bis 100 (absolut sinnvoll) abstufen. (Studie 1: M = 68.88, SD = 27.52; Studie 2: M = 46.15, SD = 32.05). Politische Grundhaltung. Schließlich wurde auch die politische Grundhaltung mit einer Frage erfasst: „Wie ist Ihre eigene politische Grundhaltung? Eher politisch links oder eher politisch rechts?“ Erneut konnten die Befragten mit Hilfe eines Schiebereglers (1 = links bis; 100 = rechts) ihre Antwort abstufen (Studie 1: M = 36.94, SD = 20.66; Studie 2: M = 50.03, SD = 21.19).
8
Studie 1 – hochgebildetes Sample
Das Ziel beider Hauptstudien war es, anhand zweier im Bildungsgrad unterschiedlicher Stichproben zu untersuchen, ob Transformation Stories einen Einfluss auf deliberative Offenheit haben. Studie 1 verwendete ein hochgebildetes Sample, in Studie 2 hingegen hatten die Teilnehmer weder Abitur noch studiert. Zunächst wird Studie 1 mit dem hochgebildeten Sample vorgestellt. Um die Annahmen zu testen wurde, wie beschrieben, ein Experiment mit einem 2 (Transformationsgeschichten: Verhaltenswandel vs. konfrontatives Verhalten) × 2 (Thema des Videos: Dallas Buyers Club: TransgenderDiskriminierung vs. Men of Honor: Rassismus)-Design durchgeführt, wobei der zweite Faktor der Kontrolle diente, ob Transformationsgeschichten über unterschiedliche Filme hinweg dieselbe Wirkung auf die abhängige Variable haben. Der Untersuchungsaufbau, die Operationalisierung der Konstrukte sowie die Stimuli sind identisch mit der zweiten Hauptstudie und wurden bereits in Kapitel 7 beschrieben. Für die Auswertung wurden die Daten der beiden Filme Dallas Buyers Club und Men of Honor zusammengeführt, da sich die Befunde nicht signifikant unterschieden (siehe Manipulation Check, Abschnitt 8.3.1).
8.1
Stichprobenplanung und Durchführung
Um den angestrebten Stichprobenumfang zu bestimmen wurde vor der Erhebung eine A-Priori-Poweranalyse durchgeführt. Zur Untersuchung des Haupteffekts der Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_8.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_8
101
102
8
Studie 1 – hochgebildetes Sample
Manipulation der Transformationsgeschichten müssen vier Gruppen (Manipulation Transformationsgeschichte × Manipulation Filmthema) bzw. zwei Gruppen (Manipulation Transformationsgeschichten, Filme zusammengeführt) miteinander verglichen werden. Da es noch keine Erfahrungen mit der Operationalisierung durch Transformation Stories im Rahmen von Experimenten gibt, konnten die zu erwartenden Effektgrößen sowie die zu erwartende Reliabilität der Messung für das Konstrukt deliberative Offenheit für die untersuchten Einflussfaktoren schwer vorab geschätzt werden. Die Stichprobenplanung basiert daher auf einer eher groben Einschätzung der zu erwartenden Effekte als klein bis höchstens mittel (Cohen, 1988). Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von α = .05, einer Effektstärke von f = .25 und einer angestrebten Power von 1 − β = .80 weist eine A-priori-Poweranalyse mit G*Power (Version 3.1.9.2) für eine Fixed-EffectsANOVA eine anzustrebende Gesamtstichprobengröße von 269 Teilnehmern aus. Die Erhebung im Juni/Juli 2018 fand mit Hilfe des SoSci-Panels statt. Beim SoSci-Panel handelt es sich um ein nicht-kommerzielles sowie nichtrepräsentatives Online-Access-Panel. Die Mitglieder des Panels wurden im Laufe zahlreicher Online-Untersuchungen rekrutiert (Leiner, 2012). Die vom Betreiber des Panels zufällig ausgewählten Befragten bekamen zunächst eine E-Mail mit einer Einladung samt Link zu dieser Studie (siehe elektronisches Zusatzmaterial). Sie konnten daher am eigenen Gerät die Befragung ausfüllen. Bei der Auswahl der Probanden wurde darauf geachtet, dass sie über technische Endgeräte verfügen, die Videos abspielen können. Zudem wurde bereits im Einladungstext darauf verwiesen, dass ein Video gezeigt wird, sodass die Befragten Gelegenheit hatten, die Seite zur Online-Befragung in passender Umgebung beziehungsweise in einem ruhigen Moment zu öffnen.
8.2
Stichprobe und Datenbereinigung
Insgesamt füllten 447 Personen den Fragebogen komplett aus und wiesen zugleich eine nicht zu hohe Anzahl an nicht beantworteten Fragen ( .05 (gestrichelt). Das Strukturgleichungsmodell zeigt die Beziehung zwischen der Manipulation durch Transformationsgeschichten und dem latenten Konstrukt deliberative Offenheit. Die hier gezeigten Koeffizienten sind standardisierte Regressionskoeffizienten.
Abbildung 8.3 Strukturgleichungsmodell mit Empathie für gegensätzliche Charaktere als Mediator, Studie 1
In Hypothese 1 wurde angenommen, dass ein Filmausschnitt mit einer Transformationsgeschichte zu mehr deliberativer Offenheit führt als ein Filmausschnitt, der nur konfrontatives Verhalten zeigt. Das Strukturgleichungsmodell weist einen signifikanten totalen Effekt (B = .20, p = .04) der Manipulation der Wandlung auf deliberative Offenheit aus, damit kann Hypothese 1 vorläufig bestätigt werden. Weiterhin wurde angenommen, dass der direkte Effekt der Manipulation durch die Transformationsgeschichte auf deliberative Offenheit durch Empathie für gegensätzliche Charaktere mediiert wird (H2). Erwartungsgemäß zeigt das Strukturgleichungsmodell keinen signifikanten direkten Effekt der Transformationsgeschichte auf deliberative Offenheit (β = −.04, p = .63). Wie angenommen liegt ein signifikanter indirekter Effekt der Transformationsgeschichte auf deliberative Offenheit, vermittelt über die Empathie für gegensätzliche Charaktere, vor (β = .24, p < .001). Der in Hypothese 2 angenommene mediierte Zusammenhang wurde somit bestätigt und kann aufgrund des fehlenden direkten Effekts als vollständig mediiert (Zhao, X., Lynch & Chen, 2010) bezeichnet werden. Ergänzend soll hier auf einen bemerkenswerten Befund aufmerksam gemacht werden: Allen Charakteren und damit Repräsentanten für unterschiedliche Sichtweisen wird in der Bedingung der Transformationsgeschichte mehr Empathie
110
8
Studie 1 – hochgebildetes Sample
entgegengebracht als in der Bedingung, in der nur konfrontatives Verhalten gezeigt wird (siehe Tabelle 8.5). Tabelle 8.5 Deskriptive Statistiken der zentralen Konstrukte, Studie 1 Version
mit Transformation
ohne Transformation
M
SD
M
SD
EmpathieRon
4.64
1.24
4.07
1.40
EmpathieRayon
4.88
1.42
4.11
1.64
EmpathieChief
Sunday
4.06
1.46
2.17
1.24
Brashear
5.34
1.38
4.51
1.60
4.12
1.39
2.85
1.52
5.81
0.84
5.29
1.13
EmpathieCarl Empathiefür
gegensätzliche Charaktere
allgemeine Offenheit Offenheit Thema
4.94
1.33
4.87
1.33
Bewertung Argumente
2.53
1.35
2.56
1.44
Verhalten Cross-Cutting Networks
4.89
1.71
4.88
1.78
Reaktanz
2.16
1.38
2.07
1.36
Als Spezifikation von Hypothese 2 wurde angenommen, dass der durch die Empathie für gegensätzliche Charaktere mediierte Effekt der Transformationsgeschichteeinen positiven Einfluss auf alle vier zur Operationalisierung des latenten Konstrukts deliberative Offenheit verwendeten Indikatoren hat. Dem Strukturgleichungsmodell ist zu entnehmen, dass die Manipulation durch Transformationsgeschichten, mediiert durch Empathie für gegensätzliche Charaktere, tatsächlich signifikante indirekte Effekte auf alle Indikatoren hat: auf die allgemeine Offenheit (β = .15, p < .001), die Offenheit bezüglich eines konkreten Diskussionsthemas (β = .13, p < .001), die Bewertungen der Argumente zum konkreten Diskussionsthema (β = .07, p = .004) sowie auf das Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken (β = .10, p < .001). Ein signifikanter totaler Effekt der Manipulation durch Transformationsgeschichten liegt für Offenheit bezüglich des konkreten Diskussionsthemas (B = .11, p = .02), für die Bewertungen der Argumente zum Thema (B = .06, p = .04) und das Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken (B = .08, p = .04) vor (siehe Tabelle 8.6). Ursache für das Fehlen eines totalen Effekts für die allgemeine Offenheit könnten Messfehler bzw. noch unbekannte Mediatoren sein. Nicht-signifikante totale Effekte können eine Konfundierung von positiven und negativen Effektenbeinhalten, die von verschiedenen (teilweise nicht gemessenen) Mediatoren verursacht werden (Hayes, 2009).
8.3 Ergebnisse
111
Mit der gemischten Empathie wurde in dieser Studie der positive Mediator identifiziert und gemessen, auf der anderen Seite werden somit noch nicht im Modell berücksichtigte negative Mediatoren im Hinblick auf die allgemeine Offenheit und die Offenheit bezüglich des Themas vermutet.
Tabelle 8.6 Indirekte und totale Effekte durch Transformationsgeschichten auf Indikatoren von deliberativer Offenheit, Studie 1 Indirekte Effekte
Totale Effekte
β
p
B
p
deliberative Offenheit (latente Var.)
.24
.05 (gestrichelt). Das Strukturgleichungsmodell zeigt die Beziehung zwischen der Manipulation durch Transformationsgeschichten und der latenten Variable deliberative Offenheit. Die hier gezeigten Koeffizienten sind standardisierte Regressionskoeffizienten.
Abbildung 9.2 Strukturgleichungsmodell mit Empathie für gegensätzliche Charaktere und Reaktanz als Mediator, Studie 2
Weiterhin wurden erneut die Einstellungen zum Diskussionsthema, das politische Interesse und die politische Grundhaltung jeweils einzeln als Moderatoren in das Strukturgleichungsmodell (siehe Abbildung 9.3) aufgenommen. Jedoch moderierten weder die Einstellungen (b = .007, p = .95), noch das politische Interesse (b = –.20, p = .08) und die politische Grundhaltung (b = .09, p = .43) den Einfluss der Transformationsgeschichten auf Empathie für gegensätzliche Charaktere.
9.3 Ergebnisse
125
.12* Einstellung
.007
.27***
Transformaonsgeschichten
polische Grundhaltung
.09
–.005
.41***
–.19
.30***
deliberave Offenheit
Empathie für gegensätzliche Charaktere
.59***
polisches Interesse
Transformaonsgeschichten
.41***
–.08
Transformaonsgeschichten
–.20
Empathie für gegensätzliche Charaktere
deliberave Offenheit
Empathie für gegensätzliche Charaktere
.55***
.41***
–.13
deliberave Offenheit
Anmerkung. *p < .05, ***p < .001; Zwei verschiedene Linienarten der Pfeile differenzieren grafisch die Effekte mit p < .01 (durchgezogen) und p > .05 (gestrichelt). Das Strukturgleichungsmodell zeigt die Beziehung zwischen der Manipulation durch Transformationsgeschichten und der latenten Variable deliberative Offenheit (deliberative Offenheit bestehend aus: allgemeiner Offenheit, Offenheit Thema, Bewertung Argumente, Verhalten Cross-Cutting Networks). Die hier gezeigten Koeffizienten sind nicht-standardisierte Regressionskoeffizienten. Modell 1, Einstellung: n = 329; χ2 = 89.56, df = 16, p < .001, CFI = .78, RMSEA = .12, 90% CI [.10, .14] Modell 2, politische Grundhaltung: n = 334; χ2 = 39.38, df = 16, p < .001, CFI = .92, RMSEA = .07, 90% CI [.04, .09] Modell 3, politisches Interesse: n = 314; χ2 = 40.50, df = 16, p < .001, CFI = .92, RMSEA = .07, 90% CI [.04, .10]
Abbildung 9.3 Moderierte Mediation mit Einstellung, politische Grundhaltung und politisches Interesse als Moderator, Studie 2
126
9
Studie 2 – niedriggebildetes Sample
Für Studie 2 lässt sich insgesamt festhalten, dass der Effekt von Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit, wie schon in Studie 1, vollständig über Empathie für gegensätzliche Charaktere mediiert wurde. Transformationsgeschichten hatten keinen direkten Effekt auf deliberative Offenheit, was für eine vollständige Mediation spricht. Der positive Mediationseffekt zeigte sich bei drei von vier Indikatoren von deliberativer Offenheit: bei der allgemeinen deliberativen Offenheit, der deliberativen Offenheit bezüglich eines Themas sowie bei den Bewertungen der Argumente. Der indirekte Effekt der Transformationsgeschichte auf das Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken wurde hingegen nicht signifikant, was auf einen Messfehler oder einen weiteren noch unbekannten Mediator hindeutet. Letztlich ist jedoch der positive Effekt der Transformationsgeschichten auf das latente Konstrukt der deliberativen Offenheit ausschlaggebend, welcher durch die gemischte Empathie vermittelt wird. Auch in Studie 2 deutet der nicht-signifikante direkte (negative) Effekt der Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit insgesamt auf einen Mediator hin, der bislang nicht berücksichtigt wurde. Reaktanz als ein solcher plausibler negativer Mediator konnte jedoch erneut ausgeschlossen werden, da Reaktanz zwar einen direkten, jedoch keinen indirekten Effekt auf deliberative Offenheit hatte.
10
Fazit
10.1
Zusammenfassende Diskussion der Befunde
Ausgangspunkt dieser Untersuchung war die Feststellung, dass zwar einige existierende Studien Erkenntnisse darüber liefern, warum Teilnehmer im Diskurs gegnerische Ansichten und Argumente nicht berücksichtigen, aber kaum Studien zur Frage, wie man Diskursteilnehmer (wieder) für Ansichten der gegnerischen Parteien öffnen kann. Zugleich gibt es in der Unterhaltungsforschung vielversprechende neuere Ansätze, die darauf schließen lassen, dass Unterhaltungsformate einen positiven Einfluss auf Teilnehmer eines politischen Diskurses haben können. Diese Arbeit ging vor diesem Hintergrund der Frage nach, inwiefern unterhaltende Formate, insbesondere sogenannte Transformationsgeschichten, die einen Wandel eines Protagonisten von konfrontativem zu versöhnlichem Verhalten darstellen, einen Beitrag zu mehr deliberativer Offenheit der Rezipienten leisten können. Des Weiteren setzen in der aktuellen Deliberationsforschung einige Autoren ihre Hoffnung in das Phänomen der Empathie und ihr Vermögen, Brücken zwischen Diskursteilnehmern zu bauen, so dass sie gewillt sind, Argumente und Ansichten auch derer zu berücksichtigen, deren Meinung sie nicht teilen. In dieser Untersuchung wurde spezifischer angenommen, dass das Empfinden von Empathie mit Repräsentanten gegensätzlicher Perspektiven einen zusätzlichen positiven Einfluss auf deliberative Offenheit ausüben und damit als ein wesentlicher Mechanismus einen etwaigen Effekt der Transformationsgeschichte vermitteln könnte. Insgesamt verfolgte diese Arbeit drei Ziele: Erstens sollte untersucht werden, inwiefern Transformationsgeschichten einen Einfluss auf die deliberative
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 A. Kloß, Deliberative Offenheit durch Empathie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32435-3_10
127
128
10
Fazit
Offenheit von Personen haben, ob Empathie diesen Einfluss als Mechanismus vermittelt und ob er durch Reaktanz gehemmt wird. Zweitens sollte aus methodischer Perspektive ermittelt werden, ob die vier gewählten Indikatoren für deliberative Offenheit (allgemeine deliberative Offenheit, deliberative Offenheit bezüglich verschiedener Standpunkte zu einem konkreten Thema, Bewertung der Argumente des konkreten Diskussionsthemas sowie das Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken) angemessen sind und welche dieser Indikatoren durch die Manipulation der Transformationsgeschichten im Einzelnen beeinflusst werden. Und es sollte drittens überprüft werden, ob sich die Ergebnisse unabhängig vom Bildungsstand zeigen, sich also sowohl in einem hochgebildeten als auch in einem niedriggebildeten Sample replizieren lassen. Zur Überprüfung dieser Annahmen wurden zwei Online-Experimente durchgeführt. Der Versuchsaufbau war bei beiden Studien gleich: Für die Stimuli der jeweiligen Experimentalgruppe wurden in einer Vorstudie ausgewählte Filmausschnitte aus den US-Spielfilmen Dallas Buyers Club oder Men of Honor angefertigt. In diesen Ausschnitten wurden Charaktere gezeigt, die jeweils für unterschiedliche Seiten eines Konfliktthemas stehen. Die Stimulus-Version, die keine Wandlung des Hauptcharakters im Sinne einer Transformationsgeschichte enthielt, zeigte lediglich konfrontatives Verhalten des einen Charakters gegenüber dem anderen Charakter. In der anderen Stimulus-Version war eine Transformation der Hauptfigur eingebettet.Es wurden Szenen so ausgewählt und kombiniert, dass zunächst konfrontatives Verhalten und anschließend versöhnliches Verhalten gezeigt wurde, was durch einen Schlüsselmoment plausibel verbunden wurde. Wie erwartet, war die Manipulation durch Transformationsgeschichten erfolgreich. Bezüglich der grundlegenden Hypothese (H1), dass Transformationsgeschichten zu mehr deliberativer Offenheit führen, zeigte sich nur in einer der beiden Studien (Studie 1) ein signifikanter totaler Effekt der Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit. Erwartungsgemäß wurde jedoch in beiden Studien ein durch Empathie für gegensätzliche Charaktere mediierter signifikanter positiver Effekt von Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit gefunden (H2). Für Reaktanz als (negativen) Mediator zwischen Transformationsgeschichten und deliberativer Offenheit zeigte sich kein signifikanter Effekt, was ebenfalls den Erwartungen entsprach. Demnach löste die Manipulation durch Transformationsgeschichten keine Reaktanz aus (FF1). Im niedriggebildeten Sample war jedoch ein signifikanter negativer Effekt von Reaktanz auf deliberative Offenheit (H3) zu beobachten, jedoch wurde dieser nicht durch Transformationsgeschichten hervorgerufen. Weiterhin zeigte sich in beiden Studien kein Einfluss der Kontrollvariablen: Weder die Einstellungen zu den kontroversen Themen, noch das
10.1 Zusammenfassende Diskussion der Befunde
129
politische Interesse und die politische Grundhaltung moderierten den Einfluss der Transformationsgeschichten auf Empathie für gegensätzliche Charaktere. Der Effekt der Transformationsgeschichten scheint also robust und generalisierbar zu sein. Da es sich bei deliberativer Offenheit um ein latentes Konstrukt handelt, wurde zusätzlich in methodischer Hinsicht überprüft, inwiefern Transformationsgeschichten vermittelt durch Empathie für gegensätzliche Charaktere einen Einfluss auf die vorgeschlagenen vier Indikatoren des latenten Konstrukts deliberative Offenheit hatten. Im hochgebildeten Sample (Studie 1) zeigte sich im Strukturgleichungsmodell derselbe positive Effekt bei allen vier Indikatoren: Die Manipulation durch Transformationsgeschichten führte zu einer höheren allgemeinen deliberativen Offenheit und zu einer höheren deliberativen Offenheit in Bezug auf Argumente eines konkreten kontroversen Diskussionsthemas, das möglichst passend zum Filmthema ausgewählt worden war (Dallas Buyers Club: Unsisex-Toiletten; Men of Honor: Ein- und Zuwanderung). Auch bei der Nachvollziehbarkeit von Pro- und Contra-Argumenten zum konkreten Diskussionsthema sowie für die Bereitschaft, das Thema auch in sich überschneidenden Netzwerken (cross-cutting networks) besprechen zu wollen, zeigten sich positive Effekte. Unerwarteterweise bestätigte sich der im Strukturgleichungsmodell ermittelte positive Effekt auf die beiden Indikatoren allerdings nicht bei einer Überprüfung der Gruppenmittelwerte: Es zeigten sich zwar nur äußerst geringe Abweichungen, aber entgegen der Annahme (und den Befunden im Strukturgleichungsmodell) führten Transformationsgeschichten zu einer minimal geringeren durchschnittlichen Nachvollziehbarkeit der sich gegenüberstehenden Argumente. Beim Verhalten in Cross-Cutting-Networks stimmt zwar die Richtung der Mittelwertunterschiede mit dem ermittelten Effekt überein, aber auch diese waren so gering, dass sie im Grunde statistisch fast zu vernachlässigen sind. Dennoch besteht damit eine, wenn auch sehr geringe, Diskrepanz zwischen Befunden der Strukturgleichungsmodellierung und der deskriptiven Mittelwertvergleiche. Mögliche Ursachen für diese Diskrepanz könnten Messfehler oder eine unterschiedliche Handhabe von fehlenden Werten sein. Letzteres konnte jedoch ausgeschlossen werden, da lediglich ein fehlender Wert in Studie 2 vorlag, in Studie 1 lagen keinerlei fehlende Werte bei den betreffenden Variablen vor. In der zweiten Studie (niedriggebildetes Sample) unterschieden sich die Befunde hinsichtlich der Indikatoren leicht von der ersten Studie: Im Strukturgleichungsmodell zeigte sich ein signifikanter positiver Effekt der Transformationsgeschichten, vermittelt durch Empathie für gegensätzliche Charaktere, auf drei von vier Indikatoren der latenten Variable deliberative Offenheit: auf die
130
10
Fazit
allgemeine deliberative Offenheit, die Offenheit bezüglich des konkreten Diskussionsthemas (Dallas Buyers Club: Unsisex-Toiletten; Men of Honor: Ein- und Zuwanderung) sowie die Nachvollziehbarkeit der Pro- und Contra-Argumente des konkreten Diskussionsthemas. Auch bei der zweiten Studie zeigte sich bei der Nachvollziehbarkeit der Pro- und Contra-Argumente eine Diskrepanz zwischen dem positiven Effekt im Strukturgleichungsmodell und dem Mittelwertvergleich, wobei sich auch hier die Mittelwerte zwar nur sehr gering, aber erneut entgegen der Annahme unterschieden. Der indirekte Effekt von Transformationsgeschichten auf die Bereitschaft, sich in cross-cutting networks über das Diskussionsthema auszutauschen als viertem Indikator für deliberative Offenheit war entgegen der Erwartungen und Ergebnisse von Studie 1 nicht signifikant. In der Empathieforschung wird das Empfinden von Empathie häufig mit daraus entstehenden prosozialen Handlungsintentionen assoziiert und ist bereits gut untersucht (Batson et al., 1997; Batson et al., 2002; Batson & Powell, 2003; Dovidio, Allen & Schroeder, 1990; Greitemeyer, 2011; Kaufman & Libby, 2012; Oliver et al., 2012; Peng, Lee & Heeter, 2010). Dass die Verhaltensvariable nicht über die Empathie für gegensätzliche Charaktere beeinflusst wurde, ist daher zunächst überraschend. Eine Erklärung wäre, dass möglicherweise das vorgegebene Diskussionsthema als zu wenig passend zum Filmstimulus empfunden wurde. Dementsprechend musstevon den Befragten neu über das Thema nachgedacht werden, womit der Effekt der Empathie für die gegensätzlichen Charaktere des Filmausschnittes womöglich verloren ging. Dieser Befund kann neben anderen Erklärungen auf eine Kluft von berichteter Emotion und Verhalten hindeuten und ähnelt in Grundzügen dem Konzept der attitude-action gap, welches etwa im Forschungsbereich der Umweltpsychologie diskutiert wird(Mairesse, Macharis, Lebeau & Turcksin, 2012). Analog dazu liegt bei einer emotion-action gap bzw. empathy-action gap eine Diskrepanz vor zwischen der empfundenen Empathie bezüglich einer In- und einer Outgroup und der Verhaltensintention, sich in cross-cutting networks zu bewegen. Für diesen nicht-signifikanten Pfad sind neben der Passung von Filmstimulus und Diskussionsthema weitere Ursachen denkbar, wie beispielsweise weitere bisher nicht berücksichtigte Variablen oder Messfehler des Indikators. Außerdem wurde der Mediator des Effekts, Empathie für gegensätzliche Charaktere, als gemeinsames Minimum der Empathie mit dem Vertreter der Ingroup und der Empathie für die Figur der Outgroup berechnet. Diskrepanzen zwischen der Empathie für die beiden Figuren werden in diesem Wert nicht berücksichtigt, sie hatten jedoch möglicherweise eine Auswirkung auf das Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken. Zudem zeigte sich in Studie 2 kein signifikanter Effekt der Manipulation durch Transformationsgeschichten auf die Empathie
10.1 Zusammenfassende Diskussion der Befunde
131
für die Figuren in Dallas Buyers Club. Das wiederum führte dazu, dass Empathie für gegensätzliche Charaktere in Studie 2 einen geringeren Einfluss auf deliberative Offenheit hatte als in Studie 1. Damit war der Einfluss auf Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken insgesamt geringer. Nicht zuletzt lässt sich eine weitere mögliche Ursache gegebenenfalls im Antwortverhalten der Teilnehmer finden, sofern das hochgebildete Sample in Studie 1 eher sozial erwünscht antwortete1 , was zu einem signifikanten Effekt beigetragen haben könnte. Demgegenüber könnten die Teilnehmer im niedriggebildeten Sample der Studie 2 weniger sozial erwünschte und damit eher wahrheitsgemäße Antworten auf die Frage nach dem Verhalten in sich überschneidenden Netzwerkengegeben haben, was zu einem weniger homogenen Antwortverhalten geführt haben könnte. In dieser Untersuchung hatten Transformationsgeschichten keinen signifikanten negativen direkten Effekt auf deliberative Offenheit, er wurde allerdings über Empathie für gegensätzliche Charaktere mediiert. Nach der Argumentation von Hayes (2009) können signifikante indirekte Effekte gültig sein, auch wenn keine signifikanten direkten oder totalen Effekte vorliegen. Sie beinhalten möglicherweise eine Konfundierung von positiven und negativen Effekten, die von verschiedenen Mediatoren verursacht werden. Demnach deutet der negative, nicht signifikante Effekt der Manipulation auf deliberative Offenheit auf (mindestens) einen weiteren Mediator neben der Empathie hin, der bisher nicht berücksichtigt wurde. Bei Oliver, Dillard, Bae und Tamul (2012) war der direkte Effekt der Manipulation der Nachrichtengeschichte (narrativ vs. nicht narrativ) auf empathische Einstellungen bezüglich einer stigmatisierten Gruppe ebenfalls negativ, aber signifikant, sobald mitfühlende Reaktionen als Mediator in das Modell aufgenommen wurden. Auch in der aktuellen Forschung zu eudaimonischem Unterhaltungserleben sind zum Teil ähnliche Befunde zu finden. Zum einen bestätigen einige Studien den positiven Zusammenhang bedeutungsvoller Medienerfahrungen mit beispielsweise Reflektiertheit, Sinnsuche, need for cognition (Oliver & Raney, 2011), dem Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen, Benevolenz (Diessner, Iyer, Smith & Haidt, 2013) oder der Bereitschaft, über politische Themen nachzudenken und dem Interesse an hard news zu politischen Themen (Bartsch & Schneider, 2014). Aktuelle Forschung zu eudaimonischem Unterhaltungserleben zeigt aber auch auf,
1 Allerdings
ist der Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Erwünschtheit bisher nicht eindeutig geklärt. Dieser Zusammenhang konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden (Mielke & Mummendey, 1995) oder Befunde sprachen sogar für den entgegengesetzten Zusammenhang, dass mit steigender Bildung soziale Erwünschtheit abnimmt (Heerwig & McCabe, 2009).
132
10
Fazit
dass zwar manche Personen solche Medienerfahrungen als inspirierend und sinnstiftend empfinden, andere wiederum nehmen sie als nicht authentisch oder sogar kitschig wahr (Appel, Slater & Oliver, 2019), was das Vorliegen negativer direkter Effekte erklären kann. Personen, diezu Narzissmus, Machiavellismus oder Psychopathie (dark triad of personality) neigen, lehnten eudaimonische Videos eher ab und schätzten sie als nicht authentisch oder kitschig ein, was zu einer relativ negativen Gesamtbewertung der eudaimonischen Videos führte (Appel et al., 2019). Das deutet auf einen systematischen Einfluss der Persönlichkeit hin, der allerdings bislang in der Forschung zu Meaningful Entertainment Experiences und Empathie noch nicht beachtet wurde. Weiterhin kann counterarguing als möglicher negativer Mediator nicht ausgeschlossen werden, da es zu Gunsten einer möglichst sparsamen Erhebung nicht erhoben wurde. Jedoch wäre counterarguing gerade im Zusammenhang mit kontroversen Themen spannend: „Counterarguing would normally be expected in response to a message about a controversial public policy issue as a function of the extent that the viewer is opposed to or ambivalent about the position supported by the message“ (Slater et al., 2006, S. 236). Möglicherweise führte also counterarguing zu einer Unterdrückung des erwarteten positiven Effekts durch Transformationsgeschichten. Forschung zu Reaktanz zeigt, dass altruistische Medienbotschaften anfällig dafür sind, als Überzeugungsversuch wahrgenommen zu werden, was Reaktanz hervorrufen (Dillard & Shen, 2005) und einen (zusätzlichen) negativen direkten Effekt der Manipulation auf deliberative Offenheit erklären könnte. Obwohl in der Transformationsgeschichte versöhnliches Verhalten zu sehen war, hatte sie in beiden Studien keinen Einfluss auf Reaktanz. Das ist insofern erfreulich, da in dieser Untersuchung eine neuartige Manipulation mit Hilfe einer Transformationsgeschichte getestet wurde und diese damit als erfolgreich betrachtet werden kann. Damit ergänzt dieser Befund außerdem bisherige Forschungsergebnisse zu Reaktanz: Bei einer glaubhaften Darstellung des Wandels von negativem, konfrontativem hin zu versöhnlichem Verhalten, welche dem Rezipienten die Möglichkeit gibt, die Verhaltensänderung nachzuvollziehen, wird diese offenbar weniger als Überzeugungsversuch aufgefasst, was reaktante Reaktionen unterbindet. Somit konnte Reaktanz als mögliche Ursache für den negativen direkten Effekt der Transformationsgeschichte auf deliberative Offenheit ausgeschlossen werden. Diese Beobachtung wiederum findet sich auch in Befunden der Forschung zu fiktionalen Unterhaltungsformaten wieder: Fiktionale Geschichten werden weniger als Überzeugungsversuch wahrgenommen und rufen daher weniger Reaktanz hervor (Green & Brock, 2000; Moyer-Gusé, 2008).
10.1 Zusammenfassende Diskussion der Befunde
133
Die Befunde dieser Untersuchung bekräftigen insbesondere die Annahme, dass fiktionale Unterhaltungsformate gerade auch bei Themen geeignet sind, bei denen starke Voreinstellungen vorliegen (Dal Cin et al., 2004; Mazzocco et al., 2010; Slater, 2002), da in den vorliegenden Studien deliberative Offenheit speziell in Bezug auf kontroverse und daher bekannte und in der Regel stark diskutierte Themen erhoben wurde. Dieses Ergebnis ist zudem anschlussfähig an die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957) und Forschung zu selective exposure (Knobloch-Westerwick & Meng, 2009) innerhalb der politischen Kommunikation. Demnach strebt der Mensch grundsätzlich nach Konsistenz, die insbesondere bei der Auseinandersetzung mit politisch kontroversen bis polarisierenden Themen nur schwer aufrecht zu erhalten ist. Häufig greifen in solchen Fällen Strategien zur Wiederherstellung dieser Konsonanz, oft etwa das Vermeiden von Informationen, die die eigene Ansicht in Frage stellen, oder im Gegenteil die Suche nach Informationen, die die eigene Ansicht bestärken. Im Kontext des deliberativen Austauschs ist ein solches Verhalten allerdings ungünstig, da der Austausch von gegnerischen Positionen im Diskurs dadurch gehemmt würde. Die Befunde dieser Studie zeigen somit einen neuen Weg auf, kognitive Dissonanz und insbesondere das damit einhergehende Unbehagen anderweitig zu reduzieren und auf der anderen Seite die Motivation herzustellen, sich Inhalten zu öffnen, die nicht der eigenen Ansicht oder Position entsprechen oder ihr sogar entgegengerichtet sind. Das berührt letztlich den Kern von deliberativen Aushandlungsprozessen: Dissonanzen müssen überwunden werden, da die Auseinandersetzung mit der eigenen Meinung entgegenstehenden Informationen essentiell in einer Demokratie ist (z. B. Chaffee, Saphir, Graf, Sandvig & Hahn, 2001; Mutz & Martin, 2001), um zu einer politischen Entscheidung zu gelangen, die von allen Beteiligten anerkannt wird. Im Deliberationsprozess können Transformationsgeschichten auf zwei Arten unterstützend eingreifen: Zum einen, indem Werte und Ansichten vermittelt werden, die den eigenen Ansichten möglicherweise entgegenstehen. Zum anderen wird in einer typischen Transformationsgeschichte beschrieben, wie der Protagonist seine Perspektive wechselt, was die Rezipienten dazu einlädt, auch die eigene Position als wandelbar und fließend zu betrachten (Black, 2009; Gastil, 2008). In dieser Untersuchung ist der Effekt der Manipulation durch Transformationsgeschichten wahrscheinlich auf Letzteres zurückzuführen: Beide Vertreter der gegensätzlichen Positionen gewinnen gegenüber der Bedingung ohne Transformation an Sympathie. Das Aufzeigen, wie die Figur ihre Perspektive wechselt, lädt die Rezipienten dazu ein, auch die eigene Position als wandelbar und fließend zu betrachten.Es reicht somit nicht aus,die gegensätzlichen Perspektiven nur
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10
Fazit
nebeneinanderzustellen. In der Deliberationsforschung wurden Transformationsgeschichten bisher nur in Zusammenhang mit persönlichen Erfahrungsberichten in Online-Foren untersucht (Black, 2009; Gastil, 2008). Aus dieser Arbeit kann geschlussfolgert werden, dass das ursprüngliche Konzept der Transformationsgeschichten auch auf fiktionale Inhalte und Filmausschnitte übertragbar ist, womit sie aktuelle Forschung an der Schnittstelle von Unterhaltung und Deliberation (Bartsch & Schneider, 2014; Rinke, 2016; Rinke et al., 2013; Weinmann & Vorderer, 2018) ergänzt. Ein weiterer Ertrag dieser Arbeit ist die Fokussierung auf deliberative Offenheit. Offenheit ist ein vielfältiger Begriff und wurde hier im Zusammenhang mit Deliberation als die Bereitschaft definiert, sowohl über zu den eigenen Ansichten konsistente als auch über dazu inkonsistente Ansichten und Argumente nachzudenken. Das umfasst zwei Dimensionen von deliberativer Offenheit: eine Offenheit, die von der eigenen Meinung abweichende Perspektive anderer als legitime Meinung gelten zu lassen (= Offenheit für Perspektiven) und eine Offenheit, neue Fakten und Argumente gelten zu lassen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls seine eigene Meinung zu ändern, wenn sie überzeugend sind (= Offenheit für Meinungsänderung). Eine Persuasion ist damit nicht zwingend erforderlich, wohl aber die Bereitschaft, den eigenen Horizont erweitern zu wollen und sich von anderen Ansichten herausfordern zu lassen. In dieser Arbeit wurde angenommen, dass die Grundlage für solch eine eher mühevolle Auseinandersetzung mit anderen Ansichten und Argumenten eine offene, elaborierte Informationsverarbeitung (AIM; Forgas, 1995) bildet. Weitere Forschung sollte daher das Zusammenspiel von offener, elaborierter Informationsverarbeitung und deliberativer Offenheit vertiefend untersuchen. Zudem wurde deliberative Offenheit, um der Vielschichtigkeit des Begriffs gerecht zu werden, als latentes Konstrukt untersucht, bestehend aus vier Indikatoren: deliberative Offenheit allgemein, deliberative Offenheit bezüglich eines kontroversen Themas, die Bewertung der Pro- und Contra-Argumente bezüglich des kontroversen Themas und die Verhaltensintention, sich in Netzwerken bewegen zu wollen, die sich überschneiden. Deliberative Offenheit als latente Variable wurde am besten über den Indikator allgemeine deliberative Offenheit sowie auch durch Offenheit zu einem konkreten Thema erklärt. Die Befunde zur Bewertung sich gegenüberstehender Argumente und zur Bereitschaft, sich in cross-cutting networks zu bewegen, waren hingegen nicht eindeutig. Entgegen den Erwartungen und bisherigen Untersuchungen (Kwak et al., 2018), passte vor allem Verhalten in sich überschneidenden Netzwerken weniger gut zum Konstrukt deliberative Offenheit. Grund dafür könnte sein, dass Verhalten in Cross-Cutting Networks zu
10.2 Kritik und Ausblick
135
einem konkreten Thema erhoben wurde, was nicht vollständig dem Thema des Stimulus entsprach. Weiterhin legen die Befunde dieser Untersuchung nahe, dass es fruchtbar sein kann, Filmcharaktere nicht als statisch anzusehen, sondern in ihrer vollen Komplexität und Veränderbarkeit zu zeigen, womit sich Bezüge zur Forschung zu morally ambigous characters (MACs; Tsay-Vogel & Krakowiak, 2016) ergeben. Bei Figuren wie beispielsweise Ron Woodroof (Dallas Buyers Club) kann sich beim Zuschauer eine Toleranz bezüglich des Fehlverhaltens des Darstellers einstellen (Tsay-Vogel & Krakowiak, 2016). In Studie 2 hatte die Manipulation der Transformationsgeschichte keinen signifikanten Effekt auf die Empathie für die beiden Charaktere in Dallas Buyers Club, wenn die Empathie für Ron und Rayon einzeln betrachtet wurde. Konform zu den Überlegungen von Tsay-Vogel und Krakowiak (2016) wird vermutet, dass sich gegenüber MACs wie Ron Woodroof eine Toleranz gegenüber Fehlverhalten des Darstellers eingestellt hat, um das Video mehr genießen zu können.
10.2
Kritik und Ausblick
Neben den Erträgen dieser Untersuchung sind auch Kritikpunkte und offene Fragen festzuhalten, die zum Teil bereits während der Diskussion der Befunde anklangen. Zu den beiden Filmthemen (Dallas Buyers Club: Transgender; Men of Honor: Rassismus) sollten möglichst passende Diskussionsthemen vorgelegt werden, um die drei themenbezogenen der insgesamt vier Indikatoren von deliberativer Offenheit entsprechend zu operationalisieren. Zwar wurde bereits bei der Konzeption des Fragebogens angestrebt, zur Messung der deliberativen Offenheit ein möglichst zum jeweiligen Filmthema passendes kontroverses Diskussionsthema auszuwählen (Dallas Buyers Club: Unisex-Toiletten; Men of Honor: Einund Zuwanderung); die Ergebnisse legen allerdings nahe, das dies noch nicht ausreichend gelang. Das hatte zur Folge, dass sich die Befragten in ein neues Thema eindenken mussten. Damit kann sich nicht nur der Effekt des Videos verringern, der Bruch kann unter Umständen bei manch einem Befragten auch als unangenehm und verwirrend wahrgenommen worden sein. Dementsprechend sollte in zukünftigen Studien darauf geachtet werden, möglichst passende oder im besten Fall identische Film- und Diskussionsthemen zu finden. Weiterhin mussten für die Operationalisierung der Bewertung der Pro- und Contra-Argumente komplexe gesellschaftliche Themen und Diskurse auf je zwei exemplarische Pro- und Contra-Argumente heruntergebrochen werden. Dies gelang nicht einwandfrei, wie die eher uneindeutigen Befunde aus Studie 1 und 2
136
10
Fazit
zeigen. Am Beispiel des Themas Ein- und Zuwanderung lässt sich festhalten, dass es von Befragten zum Teil als zu eindimensional dargestellt empfunden wurde; hier hätte noch stärker auf die Unterscheidung von freiwilliger und unfreiwilliger Ein- und Zuwanderung eingegangen werden müssen, anstatt etwa pauschal von „Flüchtlingen“ zu reden. In jedem Fall sollte auch in zukünftiger Forschung darauf geachtet werden, gerade sensible Argumente und Begriffe zu erklären und in einen entsprechenden Kontext zu setzen. Mit der Rolle der hier gewählten Diskussionsthemen werden allerdings auch Fragen der externen Validität aufgeworfen: Im Verlauf der Experimente folgten das Diskussionsthema und die betreffenden Fragen relativ schnell auf den Stimulus. Inwiefern würde sich aber auch ein Effekt zeigen, wenn zwischen der Transformationsgeschichte und einer Exposition zu einem kontroversen Diskussionsthema mehr Zeit läge? Es kann vermutet werden, dass Transformationsgeschichten in Kombination mit der Exposition von Ansichten und Werten einer Outgroup sich im Lauf der Zeit sogar verstärkende Effekte haben könnten. Schlussfolgerungen von Wojcieszak, Winter und Yu (2020) gehen in eine solche Richtung. Sie untersuchten den Effekt von Offenheit als sozialer Norm auf die Zuwendung zu Medieninhalten mit entgegengesetzten Meinungen und sehen in diesem Zusammenhang potentielle Langzeiteffekte und entsprechende Forschungsdesiderate. Mit dieser Untersuchung wurde ein neuer Operationalisierungsansatz der Transformationsgeschichten gewählt. Deshalb wurden zum einen Ausschnitte aus zwei unterschiedlichen Filmen gewählt, um zu überprüfen, ob sich die angenommenen Effekte auch über verschiedene Filmthemen hinweg zeigen. Zum anderen wurde entweder nur konfrontatives Verhalten eines Filmcharakters gezeigt oder aber konfrontatives Verhalten gefolgt von einem Schlüsselmoment und daran anschließendes versöhnliches Verhalten des Filmcharakters. Daraus ergaben sich kürzere Spieldauern der Videos für die konfrontative Bedingung. Auf diese Operationalisierung aufbauend empfehlen sich weitere Variationsmöglichkeiten der Manipulation: erstens nur konfrontatives Verhalten (= Bedingung ohne Transformation), zweitens konfrontatives Verhalten, dann versöhnliches Verhalten (= Bedingung mit Verhaltensänderung, aber ohne glaubwürdige Transformation) und drittens konfrontatives Verhalten, ein Schlüsselmoment und versöhnliches Verhalten (= Bedingung mit Transformation). Zudem wurden in dieser Untersuchung nur fiktionale Formate getestet; es ist aber davon auszugehen, dass auch reale Geschichten wie sie etwa in Dokumentationen erzählt werden, einen ähnlichen Effekt auslösen können. Dies könnte ebenfalls in einer zusätzlichen Bedingung getestet werden.
10.2 Kritik und Ausblick
137
Im Zusammenhang mit diesen Variationen bietet sich auch eine Untersuchung der Transformationsgeschichten als Auslöser von emotional flow (Nabi, 2015; Nabi & Green, 2015) an. Damit würde der Fokus stärker auf die wechselnde Valenz oder Intensität der Emotionen bei den Rezipienten im Verlauf der Handlung gelegt und auf die Frage, inwiefern verschiedene Abfolgen von positiven und negativen Emotionen einen positiven Einfluss auf deliberative Offenheit und sich daraus ergebende Handlungsintentionen haben. Die Forschung zu emotional flow steht noch relativ am Anfang, aber die Grundidee ist, dass durch mehrere Emotionswechsel die Aufmerksamkeit besser gebunden und elaborierte Informationsverarbeitung gefördert wird (Lang, Sanders-Jackson, Wang & Rubenking, 2013; Nabi & Green, 2015; Nabi & Myrick, 2019). Um den emotional flow bei der Rezeption von Transformationsgeschichten präzise messen zu können, ist Anschlussforschung im Bereich der Medienpsychophysiologie denkbar (für einen Überblick: Bolls, Weber, Lang & Potter, 2020). In dieser Arbeit wurde Empathie, wie in vielen bisherigen Studien, nach der Rezeption des Stimulus durch Selbstauskunft des Studienteilnehmers erhoben. Jedoch würden es neu entwickelte Verfahren erlauben, empathische Verarbeitungsprozesse rezeptionsbegleitend zu erheben, indem psychophysiologische Reaktionen der Probanden in ständigen Abgleich zu dem sich verändernden emotionalen Zustand des Filmprotagonisten gesetzt werden (Sukalla, 2019, Juli). Hier wäre es interessant zu sehen, an welchen Stellen der Transformationsgeschichte ein Wechsel der Emotionen eintritt beziehungsweise ab welchem Zeitpunkt Empathie hervorgerufen wird. Außerdem wäre es spannend, hier insbesondere Empathie für gegensätzliche Charaktere zu untersuchen und damit zeitgleich Empathie in Bezug auf einen Darsteller der Ingroup und einen Darsteller der Outgroup zu erheben. Weiterhin ist zu bedenken, dass für diese Untersuchung nur ausgewählte Ausschnitte der Transformationsgeschichte gezeigt werden konnten. Die Handlung wurde damit reduziert auf beispielhafte Szenen, die jeweils konfrontatives und versöhnliches Verhalten zeigen, sowie einen Schlüsselmoment, der den Verhaltenswandel des Darstellers der Ingroup bezüglich der Outgroup glaubwürdig erscheinen lassen sollte. Die qualitative Vorstudie war notwendig, um festzustellen, welche Transformationen sich in kurzen Ausschnitten glaubwürdig darstellen ließen. Ausschnitte aus dem Spielfilm Gran Torino mussten auf dieser Grundlage ausgeschlossen werden, obwohl dieser Film über die gesamte Filmspanne hinweg betrachtet durchaus eine glaubwürdige Transformation der Hauptfigur darstellt.Diese Wandlung wird jedoch vergleichsweise subtil dargestellt und zeigt sich eher in der Summe vieler kleiner Gesten, was in der reduzierten Form eines wenige Minuten langen Zusammenschnitts offenbar nicht funktioniert. Mit
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10
Fazit
den vorliegenden Befunden lassen sich jedoch verallgemeinerbare Rückschlüsse darauf ziehen, dass vollständige Filme, die glaubwürdige Transformationen enthalten, oder auch Seriendarsteller, die sich im Verlauf von bis zu mehreren Staffeln wandeln, eine vergleichbare oder vielleicht sogar stärkere Wirkung auf Empathie und deliberative Offenheit haben könnten, da die Transformation Zeit hat sich zu entfalten und damit möglicherweise auch als authentischer wahrgenommen wird. Insgesamt war zwar die Manipulation der Empathie für gegensätzliche Charaktere durch Transformationsgeschichten über die beiden Studien und Filmthemen hinweg erfolgreich, einzeln betrachtet war allerdings der Effekt der Manipulation in Studie 2 auf die Darsteller von Dallas Buyers Club nicht signifikant. Wie bereits erörtert, kann dieses Ergebnis von einer Toleranz gegenüber Fehlverhalten der Darsteller herrühren (Tsay-Vogel & Krakowiak, 2016). Eine andere Erklärung könnte in einem systematischen Einfluss von Narzissmus, Machiavellismus oder Psychopathie (dark triad of personality; siehe: Appel et al., 2019) liegen. Personen mit hohen Ausprägungen auf diesen Persönlichkeitsmerkmalen sind weniger in der Lage, Empathie zu empfinden und stufen die Medienbotschaft möglicherweise eher als unauthentisch ein, was auch zu einer negativeren Gesamtbewertung führt (Appel et al., 2019). In zukünftiger Forschung sollten daher zur Kontrolle diese Eigenschaften erhoben werden, ebensowie die Wahrnehmung des Stimulus als nicht authentisch oder sogar kitschig, was Indikatoren für eine Distanzierung von den Filmcharakteren wären. Zu Gunsten eines schlankeren Fragebogens wurden nur wenige Kontrollvariablen abgefragt, da bei Experimenten durch eine zufällige Verteilung der Befragten auf die Experimentalgruppen (Randomisierung) systematische Verzerrungen etwa durch eine Ungleichverteilung von Persönlichkeitsmerkmalen vermieden oder zumindest sehr unwahrscheinlich gemacht werden (Field & Hole, 2003, S. 71; Koch et al., 2019, S. 100). Die Befunde dieser Arbeit lassen darauf schließen, dass in zukünftigen Untersuchungen neben den dark-triad-Persönlichkeitsmerkmalen auch eigene Erfahrungen mit dem jeweiligen Thema erfasst werden sollten, um etwaige Einflüsse zu spezifizieren. Im Zusammenhang mit kontroversen Themen wurde von Slater, Rouner und Long (2006)auch abgefragt, inwiefern im Freundesund Familienkreis vom jeweiligen Thema betroffene Personen vorhanden sind, um persönliche Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Thema zu kontrollieren. So können eigene Erfahrungen mit dem Thema erhoben werden, ohne direkt danach zu fragen, was gerade bei sensiblen Themen wie Transgender sinnvoll erscheint. Eine weitere Kontrollvariable wäre die Genre-Präferenz der Probanden. Es wurde zwar darauf geachtet, dass Handlung und Inhalte unterhaltsam,
10.2 Kritik und Ausblick
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aber nicht zu anspruchsvoll sind, aber gerade in Hinblick auf die externe Validität sollte abgefragt werden, welche Spielfilm- oder Serien-Genres am liebsten gesehen werden und es bietet sich in zukünftiger Forschung an, entsprechend alltagsnahe Genres, wie zum Beispiel auch Dokumentationen, zu testen. Einschränkungen der externen Validität ergeben sich außerdem durch eine mögliche Voreingenommenheit auf Grund der liberalen Filmthemen in Kombination mit der dargestellten Transformation hin zu versöhnlichem, altruistischem Verhalten. Slater, Rouner und Long (2006) nutzen in ihrer Studie zu kontroversen Themen hingegen Stimuli, die unterschiedliche Wertesysteme repräsentieren (liberal, konservativ). Scudder (2016, S. 541) gibt zudem zu bedenken, dass es schwerer ist, Empathie mit jenen zu empfinden, die sich komplett von den eigenen Sichtweisen und Werten unterscheiden. Um dieser Kritik gerecht zu werden, sollten zu Gunsten der externen Validität in zukünftiger Forschung auch unterschiedliche Wertesysteme berücksichtigt werden. Zudem wurden keine Voreinstellungen abgefragt, sodass keine Aussage darüber getroffen werden kann, wie liberal die Befragten von Anfang an waren und ob die Filme damit nur die eigenen Werte weiter bekräftigten, anstatt neue Perspektiven aufzuzeigen. Es wurden zwar bei der Bewertung der Pro- und-Contra-Argumente auch Argumente präsentiert, die aus entgegengesetzten Wertesystemen stammen, jedoch ist zu erwarten, dass vor allem jene Argumente als besonders nachvollziehbar eingeschätzt wurden, die dem liberalen Wertesystem des Films entsprachen. Daneben ergeben sich normative Grenzen der deliberativen Offenheit in einem problematischen politischen Diskurs im Austausch mit anderen wie etwa bei Trollen, Aufrufen zu Gewalt, Hass oder Mobbing (siehe Abschnitt 3.3). Solche Verhaltensweisen gehen häufig mit einer Herabwürdigung und Dehumanisierung des politischen Gegners einher, was dem Gegenteil von Empathie für eine Outgroup oder einen politischen Gegner entspricht (Batson & Ahmad, 2009). Damit ist aus normativer Sicht eine der Voraussetzungen für diskursive Offenheit und eine kritische bürgerliche Öffentlichkeit nicht mehr gegeben: die Gleichheit aller am Diskurs beteiligten Personen (Habermas, 2019). Hieraus ergibt sich wiederum eine Relevanz für Anschlussforschung für die deliberative Offenheit, um Dehumanisierung durch Verweis auf gemeinsame Werte zu begegnen. Erste Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Tutsi-Hutu-Konflikt (Paluck, 2009) deuten an, dass es möglich sein kann, individuelle Outgroup-Mitglieder wieder zu humanisieren, indem die Outgroup personalisiert und Empathie induziert wird. Mit der weiter voranschreitenden Polarisierung der Gesellschaft (z. B. Lee, J. K. et al., 2014; Melzer, 2016) wird auch zunehmend Forschung wichtiger, die aufzeigt, was diesem Trend entgegengesetzt werden kann. Gerade im Kontext politischer Entscheidungsfindung und Legitimation ist ein Austausch und
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Fazit
wechselseitiges Verständnis von Argumenten der beteiligten Gruppen, welche die eigenen Ansichten auch auf die Probe stellen, essentiell (Wojcieszak et al., 2020). Damit kann Toleranz und ein alltäglicher Umgang mit verschiedenen Ansichten gefördert (Price, Cappella & Nir, 2002) und im günstigsten Fall der Polarisierung entgegengewirkt werden (Sunstein, 2007; Wojcieszak et al., 2020). Welche vielversprechende Rolle Offenheit im Zusammenhang mit Polarisierung haben kann, zeigte nicht zuletzt eine aktuelle Studie von Wojcieszak, Winter und Yu (2020). Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen leistet diese Untersuchung einen fruchtbaren Beitrag und Anregungen zu weiterer Forschung zu Unterhaltungsformaten, insbesondere im Bereich des eudaimonischen Unterhaltungserlebens (Bartsch & Hartmann, 2015; Bartsch & Schneider, 2014) und der Self-Transcendent Media Experiences (Oliver et al., 2018). Es konnte aufgezeigt werden,dass Transformationsgeschichten und Empathie für gegensätzliche Charaktere auf politisch relevante Variablen Einfluss nehmen,wie deliberative Offenheit, aber auch damit verbundene Verhaltensintentionen, wie die Bereitschaft sich in cross-cutting networks zu bewegen, politische Themen von verschiedenen Seiten beleuchten zu wollen und Informationen zu kontroversen Themen offen, aber dennoch kritisch zu begegnen. Zudem liefern die Befunde weitere Anregungen für Theoriebildung und Forschung zu Offenheit im deliberativen Diskurs: Die Manipulation durch Transformationsgeschichten, vermittelt über Empathie für gegensätzliche Charaktere, erklärt zwar Effekte auf deliberative Offenheit, es bleiben aber einige Fragen unbeantwortet. So ist noch nicht geklärt, welcher Mediator zu einem nichtsignifikanten, negativen Effekt von Transformationsgeschichten auf deliberative Offenheit führt. Außerdem müssen die beiden Indikatoren Bewertung der Argumente und Verhaltensabsichten in sich überschneidenden Netzwerken überdacht werden, was auch zugleich zu der Frage führt, was geeignete Themen und Argumente sind, um deliberative Offenheit zu erheben. Außerdem wurden zwei Dimensionen von Offenheit herausgearbeitet (Offenheit für Perspektiven und Offenheit für Meinungsänderung), die ausdifferenzierter betrachtet und gemessen werden sollten. Zusätzlich konnte entgegen einiger Befürchtungen (z. B. Bloom, 2016; Breithaupt, 2017; Scudder, 2016) insgesamt gezeigt werden, dass Empathie einen positiven Einfluss auf das latente Konstrukt deliberative Offenheit hat. Das wiederum bekräftigt die existierenden Befunde zu Empathie als einem möglichen Vehikel für die Sensibilisierung für sich zwischen Gruppen unterscheidende Ansichten (Goodin, 2003; Krause, 2008; Morrell, 2010; Nussbaum, 2014; Rosenberg, 2014; Steenbergen et al., 2003). Den Kritikern muss jedoch Recht gegeben werden, dass sicher nicht alle Formen von Empathie passend für den deliberativen
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Kontext sind. In dieser Untersuchung wurde als sich in diesem Kontext sehr gut eignende Empathieform Empathie im Sinne von empathic concern, also Mitgefühl (Batson & Ahmad, 2009), herausgearbeitet. Bei diesem Empathie-Verständnis steht das Fühlen mit einer Person der Outgroup im Vordergrund, was nicht einschließen muss, die Position des anderen auch zu übernehmen beziehungsweise die eigene Position oder Sichtweise aufzugeben. Das entspricht auch am ehesten dem Verständnis deliberativer Offenheit im Sinne des Wahrnehmens von und Nachdenkens über die Positionen der anderen, ohne die eigene Perspektive aufgeben zu müssen oder, wie Scudder (2016, S. 547) es formuliert: „To foster greater openness, we should relish our differences instead of moving quickly beyond them for the sake of imagining commonalities“. Für die Praxis müssen also Wege gefunden werden, wie Personen sich nicht nur mit ihren eigenen, präferierten Ansichten auseinandersetzen, sondern auch andere Ansichten kennenlernen. Landemore und Mercier (2012) schlagen vor, eher auf institutioneller statt auf individueller Ebene anzusetzen, so dass Möglichkeiten gegeben sind, dass sich Personen mit unterschiedlichen Ansichten überhaupt zusammenfinden und austauschen können. Beispielsweise könnte man bei Gruppendiskussionen mit Hilfe einer kleinen Umfrage vorab herausfinden, ob die Gruppe zu homogen bezüglich ihrer Ansichten ist (Mercier & Landemore, 2012, S. 254). Transformationsgeschichten eignen sich als Ausgangspunkt und Eisbrecher für solche Formen von Diskussionen. Zudem können die Befunde Anregungen für Medienproduktionen liefern, die kontroverse Themen aufgreifen und für verschiedene Ansichten sensibilisieren sollen. Erste Untersuchungen befassen sich mit Komponenten audiovisueller Medienbotschaften, die förderlich für empathische Reaktionen und prosoziales Verhalten (Bálint & Rooney, 2019) oder Reduktion von Stigmata sind (Shen, 2019). Hier ist jedoch noch vertiefende und differenzierende Forschung notwendig. In dieser Untersuchung wurde das vielversprechende Potential von Transformationsgeschichten und Empathie für gegensätzliche Charaktere für eine Steigerung deliberativer Offenheit aufgezeigt. Hervorzuheben ist zudem, dass dieser wesentliche Effekt über zwei verschiedene Themen und zwei Studien hinweg konsistent beobachtet werden konnte. Damit leistet die Untersuchung einen Beitrag zu aktueller kommunikationswissenschaftlicher Forschung, indem aufgezeigt wird, wie Offenheit in Diskussionsprozessen gefördert werden kann, was gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung immer mehr an Relevanz gewinnt.
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