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German Pages 926 [928] Year 1978
Großkommentare der Praxis
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Schaps - Abraham
Das Seerecht
in der Bundesrepublik Deutschland Kommentar und Materialsammlung Unter dem Titel „Das deutsche Seerecht" begründet von Reichsgerichtsrat Dr. Georg Schaps Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage von
Professor em. Dr. jur. Hans Jürgen Abraham Universität Frankfurt am Main
unter Mitarbeit von Rechtsanwalt Klaus H. Abraham, Hamburg
Seehandelsrecht Zweiter Teil
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1978 Walter de Gruyter • Berlin • New York
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland : Kommentar u. Materialsammlung ; Seehandelsrecht / Schaps-Abraham. Unter d. Titel „Das deutsche Seerecht" begr. von Georg Schaps. - Berlin, New York : de Gruyter. 1 . - 3 . Aufl. u.d.T.: Das deutsche Seerecht. ISBN 3-11-007541-5 NE: Abraham, Hans Jürgen [Bearb.]; Schaf», Georg [Begr.]; Schaps-Abraham, . . . Teil 2. - 4 . , völlig neubearb. Aufl. / von Hans Jürgen Abraham. Unter Mitarb. von Klaus H. Abraham.-1978. (Großkommentare der Praxis)
© Copyright 1978 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: Ernst Kieser KG, Graphischer Betrieb, 8900 Augsburg Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, 1000 Berlin 61
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Allgemeine Einleitung Seite Erstes Kapitel: Begriff, Gliederung, Eigenart, Geschichte und Intemationalität des Seerechts I. Begriff II. Gliederung
3 3 4
III. Eigenart
5
IV. Geschichtliche Entwicklung V. Intemationalität Textwiedergabe: Übereinkommen über die Zwischenstaatliche Beratende Seeschifffahrts-Organisation
5 7
Zweites Kapitel: Quellen des Seerechts I. Die bundesrechtlichen Quellen Textwiedergaben: Auszug aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt vom 24. 5. 1965 Auszug aus dem Strafgesetzbuch II. Die landesrechtlichen Quellen
9 21 21 22 24 35 38
III. Staatsverträge und internationale Übereinkommen
39
IV. Besondere Quellen des Binnenschiffahrtsrechts
44
V. Wichtige luftrechtliche Quellen
45
VI. Ausländische nationale Seerechtsquellen
46
Drittes Kapitel: Schrifttum
54
I. Bundesrepublik Deutschland II. Ausländische Rechte
54 56
III. Internationales Privatrecht
61
IV. Seeversicherungsrecht
62
V. Seekriegsrecht
62
V
Inhaltsverzeichnis Seehandelsrecht Seite Erstes Kapitel: Einleitung
65
Zweites Kapitel: Das Vierte Buch des Handelsgesetzbuchs vom 10.5.1897 Seehandel
68
Erster Abschnitt: Allgemeine Vorschriften
68
Überblick
68
§§ 474-475
68
Vorbemerkung vor § 476: Das Schiff
68
I. Der Schiffsbegriff II. Unterarten des allgemeinen Schiffsbegriffs
69 73
III. Kennzeichnung des Schiffes durch Namen, Registereintragung, Heimathafen und Flagge
79
IV. Sachenrechtliche Besonderheiten der Schiffe
82
§§ 476-482 Anhang zu § 482: Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe § 483
85
Zweiter A bschnitt: Reeder und Reederei
105 112 112
§§ 484-485
112
Anhang zu § 485: Besondere Haftungsfälle
131
I. Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts II. Besondere Haftung für ölverschmutzungsschäden 1. Vorbemerkung
132
2. Gesetz zu den Internationalen Übereinkommen vom 29. November 1969 über die zivilrechtliche Haftung für ölverschmutzungsschäden und vom 18. Dezember 1971 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für ölverschmutzungsschäden vom 18. 3. 1975
135
3. Verordnung über die Ausstellung von Bescheinigungen nach dem Gesetz zu den Internationalen Übereinkommen vom 29. November 1969 über die zivilrechtliche Haftung für ölverschmutzungsschäden und vom 18. Dezember 1971 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für ölverschmutzungsschäden (ölhaftungsbescheinigung-Verordnung) vom 10. 6. 1975
140
4. Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für ölverschmutzungsschäden vom 29. 11. 1969
147
5. Internationales Übereinkommen über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für ölverschmutzungsschäden (zur Ergänzung des Internationalen Übereinkommens von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für ölverschmutzungsschäden) vom 18. 12. 1971
157
III. Haftung des Inhabers eines Reaktorschiffes 1. Auszug aus dem Atomgesetz 2. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie nebst Zusatzvereinbarungen, zu dem VI
131 132
174 174
Inhaltsverzeichnis Übereinkommen vom 25. Mai 1962 und zu dem Übereinkommen vom 25. Mai 1962 über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen nebst Zusatzprotokoll und zu dem Ubereinkommen vom 17. Dezember 1971 über die zivilrechtliche Haftung bei der Beförderung von Kernmaterial auf See (Gesetz zu den Pariser und Brüsseler Atomhaftungs-Übereinkommen) vom 8. 7. 1975
177
3. Übereinkommen über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen und Zusatzprotokoll
178
Vorbemerkung zu den §§ 486-487 d
188
§§ 4 8 6 - 4 8 7 d
191
Anhang I zu den §§ 486 - 4 8 7 d:
204
1. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1957 über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen und zu den auf der IX. Diplomatischen Seerechtskonferenz in Brüssel am 10. Mai 1952 geschlossenen Übereinkommen vom 21. 6. 1972 Internationales Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen von 1957
204 205
2. Auszug aus dem Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs und anderer Gesetze (Seerechtsänderungsgesetz) vom 21. 6. 1972
225
Anhang II zu den §§ 486-487 d: Gesetz über das Verfahren bei der Einzahlung und Verteilung der Haftungssumme zur Beschränkung der Reederhaftung (Seerechtliche Verteilungsordnung) vom 21. 6. 1972
228
§§ 488 - 5 0 9
261
Anhang I zu den §§ 489-509: Die Partenreederei (Miteigentum an Schiffen) im ausländischen Recht
312
Anhang II zu den §§ 489-509: Die Partenreederei im internationalen Privatrecht
314
Anhang HI zu den §§ 489-509:
315
1. Beispiel eines Reedereivertrages
315
2. Beispiel eines Korrespondentreedervertrages
317
§ 510 Dritter Abschnitt: Kapitän
319 327
Vorbemerkung
327
§§ 5 1 1 - 5 2 0
333
Anhang I zu § 520: Verordnung betreffend die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs
367
Anhang II zu § 520: Sonstige an Bord zu führende Bücher
380
§§ 5 2 2 - 5 2 5
384
Anhang zu den §§ 522-525: Die Aufnahme der Verklarung durch eine Auslandsvertretung der'Bundesrepublik Deutschland
390
§§ 5 2 6 - 5 5 5
395
Vierter Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern Vorbemerkung vor § 556
427 427
§§ 556-557
460
Anhang zu § 557: Muster von Charterformularen
477
§§ 5 5 8 - 5 6 4
489 VII
Inhaltsverzeichnis Seite Anhang zu § 564: Gesetz über die Verfrachtung alkoholischer Waren
522
§§ 5 6 4 a - 6 0 5
524
Vorbemerkung zu den § § 6 0 6 - 6 1 3
625
§§ 6 0 6 - 6 4 1
626
Vorbemerkungen zu den §§ 6 4 2 - 6 5 7
745
§§ 6 4 2 - 6 4 3
732
Anm. 23 und 24 zu § 643: Konnossementsbedingungen des Deutschen Einheitskonnossements 1940 und der Conlinebill §§ 6 4 4 - 6 5 3
VIII
768 777
Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Seite Vierter Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern (Fortsetzung) §§ 6 5 4 - 6 5 6 Anhang I zu § 656: Durchfrachtvertrag (Durch- oder Durchfrachtkonnossement), kombinierter Transport (Gesamtbeförderungsdokument)
811 825
Anhang II zu § 656: Reine Konnossemente gegen Revers
832
§§ 6 5 7 - 6 6 3 b
835
Anhang I zum Vierten Abschnitt: A. Haftungsprobleme im Container-Verkehr
862
B. Haftungsprobleme der Lash-Schiffe
865
C. Seetransport nuklearer Substanzen Vorbemerkung Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung bei der Beförderung von Kernmaterial auf See
866 866
Anhang II zum Vierten Abschnitt: Zulässige Freizeichnungen Anhang III zum Vierten Abschnitt: Das Internationale Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konnossemente (sog. Haager Regeln) :
868 871
894
A. Vorbemerkung
894
B. Text des Abkommens
904
C. Protokoll zur Änderung des am 25. August 1924 in Brüssel unterzeichneten internationalen Übereinkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente (Brüssel 1968) (sog. Visby-Rules)
935
D. Gold-Clause Agreement 1950
940
E. Texte einzelner HR-Gesetze 1. Großbritannien 2. Australien 3. Kanada 4. Vereinigte Staaten von Amerika 5. Belgien 6. Niederlande 7. Italien 8. Griechenland 9. Japan 10. Spanien 11. Schweiz 12. Portugal 13. Frankreich
942 948 949 949 954 955 959 960 963 968 972 974 975 IX
F. Der gegenwärtige Stand der UNCTAD-Pläne über die Reform des Seefrachtrechts
Inhaltsverzeichnis Seite
Anhang IV zum Vierten Abschnitt: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
990 1002
Unteranhang A: Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen
1008
Unteranhang B: Verordnung über die Übermittlung schiffahrtsgeschäftlicher Unterlagen an ausländische Stellen v. 14.12.1966
1034
Anhang V zum Vierten Abschnitt: 1. Außenwirtschaftsgesetz (Auszug)
1035
2. Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung - AWV) (Auszug)
1037
3. Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) vom 20. 4.1961 Anhang VI zum Vierten Abschnitt: Der Schiffsmakler Fünfter Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden: Vorbemerkung §§ 6 6 4 - 6 7 8
1039 1047 1061 1061 1068
Anhang zum Fünften Abschnitt 1. Gesetz zum Schutze der Auswanderer (Auswandererschutzgesetz - AuswSG) v. 26. 3. 1975
1080
3. Übereinkommen über die Haftung für Passagiergepäck auf See (Brüssel, 27. 5. 1967)
1085
4. Entwurf eines Übereinkommens für die Vereinheitlichung gewisser Regeln für den Passagierbeförderungsvertrag zur See und das Passagiergepäck (CMI-Konferenz Tokio, April 1969)
1089
5. Der gegenwärtige Stand der Verhandlungen über Passagier- und Gepäckkonvention Text des Athener Übereinkommens von 1974
1097 1098
6. Internationales Übereinkommen über Maßnahmen gegen das Einschleicherunwesen (Brüssel, 10. 10. 1957)
1106
7. Beispiel für Passagevertragsbedingungen
1109
Sechster Abschnitt: Bodmerei (aufgehoben) Siebenter Abschnitt: Haverei Erster Titel: Große (gemeinschaftliche) Haverei und besondere Haverei
X
1077
2. Übereinkommen über einheitliche Regeln über die Beförderung von Passagieren auf dem Seewege (29. 4. 1961)
1113 1113 1113
Überblick
1113
§§ 7 0 0 - 7 2 9
1120
Anhang zu § 729: Formelles Dispacherecht
1177
§§ 7 3 0 - 7 3 3
1181
Anhang I zum ersten Titel des siebenten Abschnitts: York Antwerp Rules
1184
Anhang II zum ersten Titel des siebenten Abschnitts: Havereirechte des Auslands
1216
Inhaltsverzeichnis
Seite
Zweiter Titel: Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen
1221
Vorbemerkung
1221
§§ 734-735
1232
Anhang zu § 735: Die Stellung des Schleppzuges im Kollisionsrecht
1282
§§ 736-737
1288
Vorbemerkung zu den §§ 7 3 8 - 7 3 8 b
1304
§§ 7 3 8 - 7 3 9
1304
Anhang I zum zweiten Titel des siebenten Abschnitts: Internationales Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen v. 23.9.1910
1313
Vorbemerkung
1313
Text des Übereinkommens
1315
Anhang II zum zweiten Titel des siebenten Abschnitts: Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilrechtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen (Brüssel, 10. 5. 1952)
1324
Vorbemerkung
1324
Text des Übereinkommens
1325
Anhang III zum zweiten Teil des siebenten Abschnitts: Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die strafgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen und anderen mit der Führung eines Seeschiffes zusammenhängenden Ereignissen (Brüssel, 10. 5. 1952)
1328
Vorbemerkung
1328
Text des Übereinkommens
1328
Anhang IV zum zweiten Teil des siebenten Abschnitts: Rechtsnatur und Rechtsgrundlage der Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlicher Körperschaften
1331
Achter Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot
1334
Vorbemerkung
1334
§§ 7 4 0 - 7 4 4
1337
Anm. 5 zu § 744: Deutsches Seeschiedsgericht
1363
§§ 745-749
1434
Vorbemerkung vor §§ 750-753
1471
§§ 7 5 0 - 7 5 3
1471
Anhang I zum achten Abschnitt:
1477
1. Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Hilfsleistung und Bergung in Seenot (23. 9. 1910)
1477
2. Ergänzungsabkommen zum Übereinkommen von 1910
1486
3. Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Regeln für die Hilfeleistung und Bergung von Luftfahrzeugen oder durch Luftfahrzeuge zur See (Brüssel 1938)
1486 XI
Inhaltsverzeichnis Seite Anhang II zum achten Abschnitt:
1486
1. Hilfsleistungsvertrag
1486
2. Lloyd's Standard Form of Salvage Agreement
1487
Neunter Abschnitt: Schiffsgläubiger Vorbemerkung 1. Internationales Übereinkommen über Vorzugsrechte und Schiffshypotheken 1926 . . 2. Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Schiffsgläubigerrechte und Schiffshypotheken 1967 §§ 7 5 4 - 7 6 4 Zehnter Abschnitt: Versicherung gegen die Gefahrender Seeschiffahrt
1491 1491 1500 1505 1516 1534
§§ 7 7 8 - 9 0 0
1534
Anhang zum Zehnten Abschnitt: Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen . . . .
1557
Elfter Abschnitt: Verjährung
1591
Vorbemerkung
1591
§§ 901-905
1593
Auszug aus dem Einfiihrungsgesetz zum Handelsgesetzbuch
1595
Nachtrag 1 (wesentliche Ergänzungen bis 31. 3. 1977)
1599
Nachtrag 2 betr. das Protokoll zur Änderung des am 25. August 1924 in Brüssel unterzeichneten Internationalen Übereinkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente vom 23. Februar 1968 (sog. Visby Rules) 1621 Register
XII
1629
§654
Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern §654
(1) Ist ein an Order lautendes Konnossement ausgestellt, so darf der Kapitän den Anweisungen des Abladers wegen Rückgabe oder Auslieferung der Güter nur dann Folge leisten, wenn ihm die sämtlichen Ausfertigungen des Konnossements zurückgegeben werden. (2) Dasselbe gilt, wenn ein Konnossementsinhaber die Auslieferung der Güter verlangt, bevor das Schiff den Bestimmungshafen erreicht hat. (3) Handelt der Kapitän diesen Vorschriften entgegen, so bleibt der Verfrachter dem rechtmäßigen Inhaber des Konnossements verpflichtet. (4) Lautet das Konnossement nicht an Order, so sind die Güter, auch wenn keine Ausfertigung des Konnossements beigebracht wird, zurückzugeben oder auszuliefern, wenn der Ablader und der im Konnossement bezeichnete Empfänger damit einverstanden sind. Werden jedoch nicht sämtliche Ausfertigungen des Konnossements zurückgegeben, so kann der Verfrachter verlangen, daB ihm wegen der deshalb zu besorgenden Nachteile zuvor Sicherheit geleistet wird. Schrifttum: Heyck, Die Rechtsstellung des Empfängers beim Seefrachtvertrag nach deutschem Recht, Leipziger rechtswissenschaftliche Studien, Heft 48, 1930; Pappenheim, H B 3 S. 306ff.; Wüstendörfer, S H R 328. Einleitung § 654 (früher § 659) betrifft Anweisungen an den Kapitän nach Ausstellung eines Konnossements. Hat der Verfrachter sich durch Ausstellung eines Konnossements verpflichtet, dessen legitimiertem Inhaber das G u t im Bestimmungshafen auszuliefern, so k a n n er ein Verlangen des Abladers, das G u t zurückzugeben oder in einen anderen H a f e n auszuliefern, verweigern ( P a p p e n h e i m , HB 3 S. 306), weil er sonst G e f a h r läuft, auch dem legitimierten Konnossementsinhaber leisten zu müssen. Anders, wenn im Konnossement Vorbehalte gemacht sind, z. B. d e m Ablader vorbehalten ist, im O r d e r h a f e n den Bestimmungshafen aufzugeben. Der § 654 regelt die Frage der Auslieferungsanweisung verschieden, je nachdem Orderkon- 1 nossenente (Abs. 1) — denen das /n/wZie/konnossement gleichzustellen sein wird (Boyens, Bd. 2 S. 364) — oder Atommskonnossemente (Abs. 4) ausgestellt sind. 1. Orderkonnossement.
2
a) Verpflichtet ist der Kapitän n u r im Bestimmungshafen zur Auslieferung des Guts, und zwar an den sich zuerst meldenden (prävenierenden) Inhaber eines Konnossementsexemplars (§ 648 HGB), dagegen z u r Hinterlegung, wenn sich m e h r e r e Inhaber melden (§ 649 HGB). Daraus folgt, daß er, sofern nicht sämtliche Konnossementsexemplare zurückgegeben werden, nicht den Anweisungen des Abladers (falls dieser nicht als legitimierter Konnossementsinhaber auftritt, s. § 647 Abs. 1 HGB), das G u t ihm zurückzugeben oder an einen anderen auszuliefern, Folge geben darf, u n d ferner, daß er das G u t nicht vor Erreichung des Bestimmungshafens d e m Konnossementsinhaber (anders für den Ladeschein § 444 Abs. 2 H G B ) aushändigen darf. Handelt er d e m zuwider, so bleibt er dem rechtmäßigen Inhaber des Konnossements, d. h. demjenigen, der im Bestimmungshafen präveniert bzw. gegen die anderen Prätendenten - nicht gegen den Befrachter (HansOLG H a n s G Z 1889 Nr. 48) — obsiegt, verantwortlich (Abs. 3; vgl. Pappenheim, H B 3 S. 306 Anm. 3), u n d zwar nicht auf das volle Interesse (so aber H G u n d O G H a m b u r g H a n s G Z 1879 Nr. 40 u. 108; H a n s O L G H a n s G Z 1897 Nr. 43; Schaps, 1. Aufl. S. 531), sondern gemäß §§ 658f. ( H a n s O L G H a n s G Z 1887, 76; Schlodtmann, Z H R Bd. 21 S. 406; Boyens, Bd. 2 S. 363; Brodmann, Z H R Bd. 70 S. 34; Wüstendörfer, Studien 1 S. 432; Pappenheim, H B 3 S. 286; Schlegelberger-Liesecke, A n m . 5 zu § 654; vgl. Anm. 8 zu § 656 HGB), es sei denn, daß eine unerlaubte Handlung vorliegt. b) Berechtigt, aber nicht verpflichtet (Pappenheim, Transportgeschäft nach Entw. H G B S. 61 und HB 3 S. 306ff.; anders Denkschrift Entw. S. 261; Wüstendörfer, Studien 1 S. 332; Jacobi, Ehrenbergs Handb. Bd. IV Abt. 1 S. 555 Anm. 92; Boyens, Bd. 2 S. 363; Schlegelberger-Liesek811
3
§ 655
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
ke, Anm. 4 zu § 654; Prüssmann, § 654 A 2) ist der Kapitän, den Anweisungen des (nicht als legitimierten Konnossementsinhaber auftretenden) Abladers, und ebenso vor Ankunft im Bestimmungshafen denjenigen des Inhabers eines Konnossementsexemplars wegen Rückgabe bzw. Auslieferung des Guts Folge zu leisten, wenn ihm sämtliche Exemplare des Konnossements zurückgegeben werden, weil er dann gegen weitere Inanspruchnahme aus einem Konnossement geschützt ist (vgl. R G Z 15, 26; Anm. 3 zu § 627 HGB). Die Auslieferung erfolgt in solchen Fällen auf Grund der Konnossementsforderung, nicht auf Grund eines übertragenen Verfügungsrechts des Abladers (Pappenheim, HB 3 S. 310 gegen Wüstendörfer, Studien 1, 332). Schaps, 1. Aufl. erachtet unter Bezugnahme auf LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1896 Nr. 35, daß es unter Umständen genüge, wenn der Nachweis geführt wird, daß die fehlenden Exemplare nicht in Zirkulation sind, doch handelte es sich in diesem Falle um das Verfolgungsrecht. Droht der Ladung die Gefahr des Verderbens oder entstehen hohe Kosten für Havereigrossebeiträge durch Aufenthalt in einem Nothafen, so wird auch dadurch der Kapitän nicht zur Rückgabe der Güter ohne Vorlage sämtlicher Konnossementsausfertigungen befugt (RGZ 98, 335). Anders kann die Sachlage im Falle von Kriegsereignissen liegen (RGZ 121, 300), weil es sich dann um eine nach § 535 HGB zu treffende Sorgemaßnahme handelt. 4
2. Namenskonnossement. Abweichend vom Falle des Orderkonnossements ist hier der Kapitän (Verfrachter) (Abs. 4) verpflichtet {Pappenheim, HB 3 S. 309), sei es im Bestimmungshafen, sei es vor seiner Erreichung, jedem, also auch ohne Beibringung eines Konnossementsexemplars und auch einem nicht im Konnossement Benannten, das Gut zurückzugeben bzw. auszuliefern, sofern der Ablader und der im Konnossement bezeichnete Empfänger einwilligen. Werden nicht sämtliche Konnossementsexemplare (oder überhaupt keins) zurückgegeben, so ist der Kapitän namentlich im Auslande, der Gefahr ausgesetzt, daß ein legitimierter Konnossementsempfänger Ansprüche an ihn stellen könnte. Deshalb ist der Kapitän (Verfrachter) in diesem Falle berechtigt, wegen der zu besorgenden Nachteile zuvor Sicherheitsleistung zu fordern.
5
Es ist die Frage aufgeworfen, ob im Bestimmungshafen der Ablader Aushändigung des Guts verlangen kann, wenn er das allerdings auf einen anderen Namen lautende Konnossement vorlegt. Diese Frage ist mit Heuer, Recht 1911, 375, und Pappenheim, HB 3 S. 308, zu bejahen, aber nicht auf Grund des von Heuer angezogenen § 650 (früher § 647) (wogegen s. Wüstendörfer, Studien 1 S. 332 Anm. 7; Pappenheim, HB 3 S. 308 Anm. 2), sondern deshalb, weil der Ablader sein Recht als solcher ausübt und durch die Vorlegung des Namenskonnossements beweist, daß für den Kapitän keine Gefahr besteht, vom Dritten in Anspruch genommen zu werden.,
6
3. Ob der Kapitän im Falle der Geltendmachung des Verfolgungsrechts verpflichtet ist, d e m Ablader das Gut auszuliefern, darüber s. Anm. 35 zu § 650 (vgl. Boyens, Bd. 2 S. 364 Note 1).
7
4. Das Recht, von demjenigen, dem das Gut ausgeliefert wird, die Rücklieferung der fehlenden Konnossementsexemplare zu fordern, steht dem Kapitän nur zu, wenn er sich dasselbe bei der Auslieferung des Guts vorbehalten hat (Prot. 2458).
§655 § 654 gilt auch, wenn der Frachtvertrag vor der Erreichung des Bestimmungshafens infolge eines Zufalls nach den §§ 628 bis 641 aufgelöst wird. Schrifttum: Capelle, Frachtcharter S. 547; Pappenheim, SHR358, 361. 1
HB 3 S. 310, 608;
Wüstendörfer,
Geltung der Vorschriften des § 654 für den Fall der Endigung des Frachtvertrages vor Erreichung des Bestimmungshafens. § 655 entsprach bis zum SFrG § 660. In den Fällen der angeführten §§ 6 2 8 - 6 4 1 erfolgt die Auslieferung des Guts vor der Erreichung des Bestimmungshafens, gegebenenfalls im Abgangshafen. Alsdann soll der § 654 zur 812
§656
Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
Anwendung gelangen. Danach ist der Kapitän zur Aushändigung des Guts gegen Rückgabe sämtlicher Konnossemente nicht nur berechtigt, sondern, wie sich aus der Beendigung des Frachtvertrags ergibt, auch verpflichtet {Pappenheim, HB 3 S. 310). § 655 ist entsprechend anzuwenden, wenn der Ablader von dem Kündigungsrecht nach §§ 580, 582, 587, 589 HGB Gebrauch macht. §656 (1) Das Konnossement ist für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger der Güter maßgebend. (2) Das Konnossement begründet insbesondere die Vermutung, daß der Verfrachter die Güter so übernommen hat, wie sie nach § 643 Nr. 8, § 660 beschrieben sind. Dies gilt nicht: 1. wenn das Konnossement einen Zusatz nach § 646 enthält; 2. hinsichtlich des Inhalts solcher Güter, die nach dem Konnossement dem Kapitän in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben worden sind, wenn das Konnossement mit dem Zusatz: „Inhalt unbekannt" oder mit einem gleichbedeutenden Zusatz versehen ist. (3) Für das Rechtsverhältnis zwichen dem Verfrachter und dem Befrachter bleiben die Bestimmungen des Frachtvertrages maßgebend. Schrifttum: Capelle, H a n s R G Z 1943 A 38; Deloukas, Die Haftung des Verfrachters aus schuldhafter Unrichtigkeit des Konnossements nach deutschem, englischem und amerikanischem Recht, Überseestudien Heft 16, 1940; Ehlers, Die Bezeichnung der Ladung im Konnossement, HansRGZ 1938 A 249ff.; Gramm, Seefrachtrecht S. 79 und 169ff.; v. Laun, Die Beweislastverteilung bei Konnossementszusätzen nach § 646 HGB, Hansa 1952 S. 1078; Liesekke, Die Freizeichnung des Verfrachters von der Haftung für schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung, Hansa 1961 S. 345; Mortillaro, Wirksamkeit der vexatorischen und Jurisdiktionsklauseln in Charter- und Konnossementsformularen unter Berücksichtigung der Art. 1341 und 1342 des Codice civile italiano, Recht der Schiffahrt Bd. IV Heft 2 S. 14; Pappenheim, HB 3 S. 289; Plüger, Nochmals Reisecharter und Konnossement, Hansa 1969 S. 2059 ff. (mit Anm. von Trappe); Ramberg, Die Haftung des Zeitcharterers gegenüber den Konnossementsinhabern, ETR 1966 S. 875ff.; Röhreke, Hansa 1951 S. 1464; Scapel, Traité theorique et pratique sur les transports par mer, terre, eau, air, fer: Le destinataire de la marchandise, Paris 1958; Trappe, Reisecharter und Konnossement, Hansa 1969 S. 1538ff.; ders., Zur Frage der Zeichnung des Konnossements unter einer Zeitcharter, VersR 1972 S. 518; Wüstendörfer, SKR 3\9. Einleitung Die §§656 — 657 regeln das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfrachter und dem konnossementsmäßigen Empfänger. § 656 gibt den allgemeinen Grundsatz, § 657 enthält Einzelbestimmungen. In § 656, dessen jetzige Fassung auf dem SFrG vom 10. 8. 1937 beruht, ist die Maßgeblichkeit des Konnossementsinhalts zwischen Verfrachter und Empfänger festgelegt. Ihm entsprach vor dem SFrG der § 651 HGB. Doch ist in § 656 anstelle der in dem früheren § 651 enthalten gewesenen Gewährleistungshaftung (Skripturhaftung) für den Konnossementsinhalt eine bloße Beweisvermutung getreten. Anders im deutschen Binnenschiffahrtsrecht, wo gemäß § 26 BSchG, 446 H G B für den Ladeschein noch die (allerdings nachgiebiges Recht bildende) Skripturhaftung gilt, die sich im einzelnen nach den §§72 bis 76 BSchG richtet. 1. Die aus dem Konnossement verpflichteten Personen. 1 Unmittelbar verpflichtet aus dem Konnossement ist lediglich der Verfrachter (s. o.): nur seine Verpflichtung ist dem Konnossement wesentlich. Seine Auslieferungsverpflichtung stellt sich als streng einseitige Obligation dar: die Erfüllung der in § 614 H G B genannten Verpflichtungen des Empfängers ist nicht Gegenleistung, sondern nur regelmäßige Voraussetzung für diejenige der Konnossementsobligation des Verfrachters (Anm. 14 und 18 Vorbemerkung vor § 642 HGB). Dennoch kann auch der Empfänger aus dem Konnossement verpflichtet sein, 813
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und er ist es in der Regel der Fälle. Diese Verpflichtung tritt aber, abgesehen vom Falle vertragsmäßiger Übernahme (Anm. 14 zu § 614 HGB), erst ein durch die Annahme der Güter (§ 614 HGB); vgl. auch B G H NJW 1957 S. 1917. Verpflichtungen des Abladers, Die im Konnossement aufgeführt sind, z. B. auf Zahlung eines Frachtvorschusses, gründen sich nicht auf das Konnossement, sondern auf die vor Ausstellung desselben getroffenen Abreden. 2
2. Charakter der Konnossementsverpflichtung a) „Das Konnossement ist für die Rechtsverhältnisse zwischen dem Verfrachter und dem Empfänger der Güter maßgebend." Das will sagen: Rechte und Pflichten aus dem Konnossement richten sich nach dem Inhalt des Konnossements, wobei dessen Vorder- und Rückseite in Betracht kommen (vgl. HansOLG HansGZ 1907, 166 für den Fall, daß die Rückseite eine Spezifikation der auf der Vorderseite bezeichneten Ladung enthält, wie das bei Holzladung oft der Fall ist). Ob der Verfrachter das Konnossement so ausstellen durfte, wie er es ausgestellt hat, fällt dem Empfänger gegenüber nicht ins Gewicht (so R G Z 93, 113). Unabhängig ist das Konnossement insbesondere von dem Inhalt des Frachtvertrags ( R O H G 1,203; 1 7 , 7 1 ; R G Z 4 , 91; 34, 79; 46, 5, 74, 194; Schlegelberger-Liesecke, § 656 Anm. 3; Prüssmann, § 656 Anm. B 1 f; ungenau R G Z 20, 68), wenn sich auch im Stückgüterverkehr gewöhnlich der Inhalt des Konnossements mit dem des Frachtvertrags deckt (vgl. dazu insbesondere auch Anm. 11 zu Vorbemerkung vor § 642 HGB): die nicht in das Konnossement aufgenommenen Bestimmungen desselben sind dem Empfänger gegenüber unwirksam und nicht einmal zur Auslegung des Konnossementsinhalts zu verwenden (ROHG 12, 131), sofern nicht das Konnossement ausdrücklich auf sie bezug nimmt (vgl. auch § 557 Anm. 7 und Vorbem. vor § 642 Anm. 12). Als solche ausdrückliche Bezugnahme werden Klauseln wie etwa „all other conditions as per charterparty", „all the terms, conditions and exemptions contained in Charter Party are herein incorporated", angesehen (BGHZ 29, 120 = Hansa 1959 S. 927 = VersR 1959 S. 286 = MDR 1959 S. 370; BGH VersR 1967 S. 156; HansOLG Hamburg MDR 1958 S. 519 = VersR 1958 S. 214 = Hansa S. 1438; OLG Hamburg VersR 1976 S. 538; LG Hamburg VersR 1975 S. 1121; aus der älteren Rechtsprechung: ROHG 15, 222; 19, 263; R G Z 14, 116; 64, 76; 71, 125). Es sind dies die sog. Inkorporationsklauseln. Eine generelle Bezugnahme liegt nicht in der Klausel, daß die Güter „are to be delivered in the like good Order and well conditioned at the aforesaid port as per charterparty": HansOLG und RG HansGZ 1894 Nr. 26; 1895 Nr. 35. Ist in der Chartepartie keine Vereinbarung darüber enthalten, welches Konnossementsformular für die Beförderung von Stückgütern Verwendung finden soll, dann ist der Reeder, wenn er dem Empfänger gegenüber als Verfrachter gilt, nicht gehindert, Konnossemente mit Inkorporationsklauseln vom Kapitän zeichnen zu lassen. Er kann dann vom Zeitpunkt der Fälligkeit der Chartermiete an die Weiterreise bis zur Zahlung gemäß § 320 BGB verweigern und sich darauf auch gegenüber den Empfängern nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen berufen (OLG Hamburg VersR 1974 S. 1174). Siehe über die weisungswidrige Nichtaufnahme der Inkorporationsklausel bei Ausstellung und Zeichnung von Konnossementen BGH VersR 1976 S. 659.
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Solche oben genannten allgemeinen Klauseln in dem Konnossement als Bezugnahme auf die Bedingungen des Chartervertrages genügen, so daß es nicht der Aufnahme der einzelnen Klauseln des Chartervertrages in das Konnossement bedarf. Vor dem SFrG ist das in Abs. 2 des § 651 ausdrücklich ausgesprochen gewesen. Mit Recht betont HansOLG Hamburg M D R 1958 S. 519 = VersR 1958 S. 214 = Hansa 1958 S. 1439, daran sei auch dadurch nichts geändert, daß die Bestimmung des § 651 Abs. 2 durch das SFrG weggefallen sei, da sie als überflüssig angesehen wurde und durch ihren Wegfall eine sachliche Änderung nicht eintreten sollte. Die genannten Generalverweisungen haben zum Ziel, daß alle Klauseln des Chartervertrages, einerlei, ob sie sich mit eigenen Klauseln des Konnossements decken oder nicht, ob sie im Konnossement selbst enthalten sind oder nicht, Bestandteile des Konnossements sein sollen (HansOLG Hamburg a. a. O.). Das gilt grundsätzlich auch für eine in dem Chartervertrag enthaltene Schiedsgerichtsklausel (BGHZ 29, 120 = MDR 1959 S. 370 = Hansa 1959 S. 927 = VersR 1959 S. 286 = NJW 1959 S. 720; BGH Hansa 1960 S. 1134 = VersR 1960 S. 308 = MDR 1960 S. 472. Vgl. HansOLG Hamburg a. a. O. für die mit den Worten „All disputes ari814
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sing out of this contract shall be referred to the final arbitratement" beginnende Schiedsgerichtsklausel. Siehe OLG Hamburg Hansa 1962 S. 452, wonach auch nach dem Recht der USA grundsätzlich keine Bedenken bestehen, durch eine eindeutige Verweisungsklausel des Konnossements eine Schiedsgerichtsvereinbarung der Chartepartie für das Konnossement maßgeblich zu machen. Siehe ferner HansOLG HansGZ 1905, 20, aber auch HansOLG HansGZ 1914, 305 und vgl. den nächsten Absatz. Doch ist eine Schiedsgerichtsklausel, die praktisch die Vorschrift des § 612 HGB unwirksam macht, nichtig, wenn § 612 wegen §§ 662, 663 H G B zwingendes Recht ist (BGH Hansa 1960 S. 1135 = VersR 1960 S. 308). Nach '§ 452 Abs. 2 der norwegischen ZPO muß der Schiedsvertrag schriftlich geschlossen werden. Vgl. dazu und über die Unwirksamkeit der im Chartervertrag vereinbarten Schiedsklausel gegenüber dem Empfänger trotz Verweisung im Konnossement Hansa 1958 S. 1936. Soweit der in Bezug genommene Frachtvertrag dem Inhalt des Konnossements offenbar widerspricht, entscheidet regelmäßig das letztere (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 80 = SeuffA Bd. 45 Nr. 207; HansGZ 1894 Nr. 26). - Vgl. für die Klausel 9 der Gencon-Charter auch Hansa 1961 S. 670: Der Ablader des Befrachters hat dafür Sorge zu tragen, daß dem Kapitän nur solche Konnossemente zur Unterzeichnung vorgelegt werden, die die Bestimmungen der Chartepartie nicht abändern oder schmälern. Werden in Verletzung dieses Grundsatzes Konnossemente vorgelegt, welche die Verantwortlichkeit des Verfrachters gegenüber dem Konnossementsempfänger vergrößern, dann kann der Verfrachter bei dem Befrachter Regreß nehmen (vgl. auch AppG Paris D M F 1955). Wenn auch durch die genannten Generalverweisungen also grundsätzlich der gesamte Inhalt des Frachtvertrages zum Bestandteil des Konnossements wird, so schließt das doch die Prüfung nicht aus, inwieweit einzelne Bestimmungen des Frachtvertrages ihrem Gegenstand und Inhalt nach auch im Rechtsverhältnis zum Empfänger anwendbar oder nur für das Verhältnis zwischen den Frachtvertragskontrahenten gedacht und geeignet erscheinen ( R O H G 17, 73; R G Bolze Bd. 21 Nr. 449; OLG Kiel a. a. O.; RG HansGZ 1914, 305 = LZ 1914, 1761; HansOLG HansGZ 1914, 188; vgl. schon HansOLG HansGZ 1886, 59). Die Anwendbarkeit ist z. B. verneint worden vom HansOLG HansGZ 1914, 188 für eine Schiedsgerichtsklausel, die zwischen Verfrachter und Befrachter vereinbart war, aber nur deshalb, weil die Schiedsgerichtsklausel mit Rücksicht auf den ausländischen Befrachter ein ausländisches Schiedsgericht vorsah, es sich bei dem konnossementsmäßigen Empfänger aber ebenso wie bei dem Verfrachter um eine inländische Firma handelte und weil daher die für das Verhältnis zwischen dem Verfrachter und dem Befrachter passende Schiedsgerichtsvereinbarung nicht als für das Verhältnis zwischen dem Verfrachter und dem konnossementsmäßigen Empfänger passend angesehen worden ist (vgl. auch HansOLG Hamburg MDR 1958 S. 519). Die Anwendbarkeit ist weiter verneint worden für gewisse Bestimmungen über die Berechnung der Fracht nach der Uniform River Plate Charterparty 1904 (RG HansGZ 1914, 305 = LZ 1914, 1761), für eine das Rücktrittsrecht im Streitfalle festsetzende Klausel des Frachtvertrags (OLG Kiel SchlHolstAnz. 1908 S. 119 ff.). In der Praxis ist die Anwendbarkeit auf den Empfänger z. B. bejaht worden für die Unterstellung des Rechtsverhältnisses unter ein bestimmtes Recht (RG Bolze Bd. 21 Nr. 2), für die Verpflichtung zur Zahlung des bei der Abladung erwachsenen Liegegeldes (Anm. 21 zu § 614 HGB), für Vereinbarungen hinsichtlich Berechnung und Zahlung der Fracht (Kassationshof Neapel II Diritto Marittimo 1913 S. 291), für die Klausel „as far as she safely may get" (RGZ 14, 116; R G Bolze Bd. 21 Nr. 449). Auch einzelne Bezugnahmen sind üblich und zulässig, z. B. auf das Recht eines bestimmten Staates, auf die Bestimmungen gewisser Gesetze, auf die York-Antwerp Rules oder dergleichen. Über ihr Verhältnis zu gleichzeitig vereinbarten, ihnen widersprechenden Klauseln s. den ersten Absatz dieser Anm.; über gleichzeitige Unterwerfung unter den Harter Act und unter englisches Recht vgl. H G Antwerpen Revue Autran 1914 S. 167. Wegen der „Paramount"-Klausel im Konnossement siehe Anm. 32 Vorbem. vor § 556 HGB und Anm. 14 Vorbem. zu den HR. Wegen nicht in das Konnossementsformular aufgenommener Verfrachtungsbedingungen siehe H G Rouen Revue Autran Bd. 9 S. 201. Vorbehalte in besonderen Protesten kommen nur in Betracht, wenn sie zu einer Urkunde mit dem Konnossement verbunden sind ( R O H G 1 Nr. 60; 6 Nr. 78; HansOLG HansGZ 1903 Nr. 118). Gleichgültig ist der Inhalt anderer Konnossemente, welche gleichzeitige Abladungen desselben Abladers an den815
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selben Empfänger mit demselben Schiffe betreffen (HG Hamburg Hans*GZ 1878 Nr. 30). Wenn Klausel 16 der Saltcon Charter bestimmt, daß die vom Verfrachter auszustellenden Konnossemente die Haager Regeln beinhalten sollen und dementsprechend die Konnossemente auf den Inhalt des Frachtvertrages Bezug nehmen, so gelten die Haager Regeln auch gegenüber dem Verfrachter, der das .Konnossement noch nicht an einen Dritten gegeben hat (Stadt-Gericht Oslo Hansa 1957 S. 1410). Siehe wegen einer beschränkten Verweisung (Buchungsnote) auch H o f s Gravenhage Schip en Schade 1960 S. 56 = Hansa 1960 S. 2543. — Vgl. § 657 Abs. 2 HGB, wonach bei Verweisung auf den Frachtvertrag wegen der Fracht die Bestimmungen über Löschzeit, Überliegezeit und Liegegeld nicht als einbegriffen anzusehen sind. b) Es leuchtet ein, daß absolut erschöpfend die sämtlichen Verpflichtungen der Beteiligten durch das Konnossement nicht geregelt werden können. Es gilt dies namentlich von der Höhe der nach dem Konnossement vom Empfänger zu zahlenden Beträge (Anm. 17 zu § 614 HGB), insbesondere der Liegegelder, der Zölle, der Leichterkosten, der Havariegrossebeiträge (RGZ 64, 77): sie läßt sich nicht im voraus festsetzen. Ist bei einem Raumfrachtvertrag ein Konnossement ausgestellt und an einen Dritten gegeben, so gelten gemäß § 663 HGB die zwingenden Vorschriften der §§ 662 f. Das kann dann zur Folge haben, daß der Verfrachter aus dem Konnossement strenger haftet als aus der Chartepartie. Dann hat aber der Verfrachter einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen den Charterer, wenn er vom Konnossementsinhaber stärker in Anspruch genommen wird, als es seinen Verpflichtungen aus der Chartepartie entspricht; BGH VersR 1956 S. 380. 3. Die Beweisvermutung des Konnossements. Eine Skripturhaftung aus dem Konnossement besteht seit dem SFrG nicht mehr. In Übereinstimmung mit Art. III § 4, IV § 5 Abs. 2 HR enthält das Konnossement heute lediglich noch eine einfache Beweisvermutung: Es begründet die widerlegliche Vermutung, daß die in ihm enthaltenen Angaben richtig sind (vgl. auch OLG Hamburg Hansa 1963 S. 528 = MDR 1962 S. 907 = VersR 1962 S. 1172). Das gilt an sich für alle Angaben des Konnossements, ist indessen für die Beschreibung der Güter in § 656 Abs. 2 S. 1 ausdrücklich hervorgehoben worden. Diese Beweisvermutung des Konnossements ist im Rahmen der §§ 662 ff. HGB zwingendes Recht. — Die Visby-Rules sehen eine Wiedereinführung der Skripturhaftung gegenüber einem gutgläubigen Dritten vor. Das rein gezeichnete Konnossement hat keine Beweiskraft im Verhältnis zu den Ladungsversicherern (Supreme Court State of New York i. Sa. Zack Meta Co. v. Federal Insurance Co, AMC 1961 S. 1545 = Hansa 1962 S. 876).
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Für die Beweisvermutung sind insbesondere die §§ 643 Nr. 8 und 660 "in bezug genommen. Das bedeutet im einzelnen, daß sie sich erstreckt auf: a) Die Art des Gutes. Insoweit geht § 656 über Art. III § 4 HR hinaus, nach welchem lediglich die Richtigkeit der Angaben über die Merkzeichen, die Menge und die äußerlich erkennbare Verfassung und Beschaffenheit des Gutes vermutet wird. Der Verfrachter ist nach § 643 Ziff. 8 HGB verpflichtet, die Art des Gutes im Konnossement anzugeben (vgl. auch Anm. 12 zu § 643 HGB). Bei verpackten und in geschlossenen Gefäßen übernommenen Gütern kann jedoch die Beweisvermutung des Konnossements stets durch den Zusatz „Inhalt unbekannt" ausgeschlossen werden (§ 656 Abs. 2 Ziff. 2). Vgl. auch Anm. 7. 7 b) Maß, Zahl oder Gewicht. Vgl. dazu § 643 HGB Anm. 13. Erforderlich ist gemäß § 643 Ziff. 8 nur, daß eine dieser drei Angaben gemacht wird (vgl. auch Anm. 1 zu § 645 HGB). Das bedeutet also, daß hinsichtlich der beiden anderen Angaben eine Unbekannt-Klausel zulässig ist. Vgl. dazu auch HansOLG Hamburg Hansa 1957 S. 1519 = MDR 1957 S. 486: Die Angabe im Konnossement „1 Kiste Eßbestecke 61 kg" bei Hinzufügung einer Unbekannt-Klausel gemäß §§ 656 Abs. 2, 646, 645 Abs. 2 hat also nur die Vermutung zur Folge, daß eine Kiste übergeben wurde, aber keine Vermutung, daß diese Eßbestecke enthalten und ein Gewicht von 61 kg gehabt hat. Vgl. für das französische Recht auch AppG Aix-en-Provence MDR 1956 S. 711 (mit Anm. von Sieg) = Recht der Schiffahrt 3 5 - 2 5 - 3 2 (Bd. II Heft 2): Die Entscheidung betrifft die Widerlegung der Konnossementsvermutung bei großen Gewichtsunterschieden, aber gleicher Stückzahl. Siehe über die Bedeutung der Ge816
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wichtsangaben im Konnossement nach französischem Recht auch Kassationshof DMF 1959 S. 86. — Über Beweiskraft des Konnossements bei geringfügigem Untergewicht und Kampfergeruch einer Kaffeeladung siehe Rechtsbank Rotterdam Schip en Schade 1958 Nr. 38. Siehe über Wegfall der Konnossementsvermutung für die Richtigkeit der Stückzahl einer Grasladung in Ballen wegen zulässigen Stauverlustes Queen's Bench Div. LL v. 10. 3. 1956 = Hansa 1956 S. 1713. Vgl. auch Gerichtshof Genua, II Diritto Marittimo 1959 S. 127: Wird bewiesen, daß weder auf der Reise noch bei der Entlöschung Güter entwendet sein können, so kann damit der Nachweis erbracht sein, daß die Differenz zwischen dem Konnossements-Gewicht und dem bei der Ablieferung festgestellten Gewicht nicht auf einem während der Reise eingetretenen Manko beruht. Einem Konnossementsinhaber gegenüber kann sich der Verfrachter nach Treu und Glauben nicht auf die im Konnossement enthaltene Freizeichnung von der Haftung für schuldhafte Unrichtigkeit der Gewichtsangaben berufen, wenn er gleichzeitig dem Ablader durch Ausstellung eines schuldhaft unrichtigen Zertifikats ein bestimmtes Gewicht uneingeschränkt bestätigt und es diesem als erstem Nehmer des Konnossements damit ermöglicht hat, mit dem Zertifikat den vollen Beweis für die Abladung der im Konnossement als nicht kontrolliert bezeichneten Gewichtsmenge zu erbringen (BGHZ 34, 216 = VersR 1961 S. 268 = NJW 1961 S. 827). Siehe dort auch zum Entlastungsbeweis des Verfrachters hinsichtlich des ihm gemachten Vorwurfs schuldhaft unrichtiger Gewichtsmenge. c) Merkzeichen. Vgl. dazu § 643 HGB Anm. 13. 8 d) Äußerlich erkennbare Verfassung und Beschaffenheit. Vgl. dazu § 643 HGB Anm. 14. Hat 9 der Kapitän im Konnossement die äußerlich erkennbare gute Verfassung und Beschaffenheit bescheinigt, so bezieht sich die Beweisvermutung des § 656 Abs. 2 auf den für den Kapitän bei Anwendung des Wahrnehmungsvermögens eines sorgfältigen Kapitäns ohne entsprechende kaufmännische Sach- und Warenkenntnis äußerlich erkennbaren Zustand der Güter nebst Verpackung (RGZ 141, 315 = HansRGZ 1933 B 603; BGH VersR 1962 S. 660; OLG Hamburg VersR 1976 S. 1059). Gehen die von dem Empfänger geltend gemachten Schäden über eine einfache Veränderung der äußerlich erkennbaren Verfassung und Beschaffenheit hinaus, so kann sich der Empfänger insoweit nicht darauf berufen, daß die Güter nach dem Konnossement ohne äußerliche Mängel übernommen worden sind. Vielmehr hat er dann zu beweisen, daß die geltend gemachten Schäden bei der Übernahme der Güter durch den Verfrachter noch nicht vorhanden waren (so auch Gramm, Anm. II 1 d zu § 656). Vgl. auch US-District Court, Southern District of New York, AMC 1954 S. 1616 = Hansa 1954 S. 2224; AMC 1956 S. 1152; US-Court of Appeals, Second Circuit, AMC 1935 S. 2571; US-District Court, Southern District of New York, AMC 1952 S. 1739 = Hansa 1953 S. 274; US-District Court Southern District of Texas, AMC 1955 S. 2050 = Hansa 1956 772 (die Beschaffenheitsangabe im Konnossement betrifft bei Sackladungen nur die Umhüllung). Für die Niederlande s. Rechtsb. Amsterdam Schip en Schade 1958 Nr. 36 (Rostschäden an Stahlplatten). Über Angaben bezüglich fehlender oder mangelhafter Verpackung nach libanesischem Recht vgl. Safa, DMF 1964 S. 117 ff. Siehe über den Beweis für Nässeschäden einer Rohkaffeeladung OLG Hamburg VersR 1964 S. 400. Finden sich im Konnossement keine Angaben über die äußere Beschaffenheit des Gutes, so liegt darin keine stillschweigende Bescheinigung, daß die Güter ohne äußerlich erkennbare Mängel übernommen worden seien. Der Empfänger muß deshalb in einem solchen Falle, wenn er den Schadensersatzanspruch nach § 606 HGB begründen will, nachweisen, daß der Verfrachter die Güter ohne diese Mängel übernommen hat (so zutreffend Gramm, a. a. O.). Eine dem früheren § 658 aus der Zeit vor dem SFrG entsprechende Bestimmung findet sich im gegenwärtigen Recht nicht mehr. e) Wert. Vgl. Anm. 15 zu § 643 HGB. Siehe auch Anm. zu § 660 und Art. IV § 5 Abs. 2 HR.
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4. Die Vermutung des § 656 Abs. 2 kann vom Verfrachter und vom Empfänger zu ihren Gun- 11 sten widerlegt werden. Zugunsten des Empfängers als Konnossementsinhaber ist die Vermutung im Rahmen der §§ 662 ff. HGB zwingendes Recht. Konnossementsklauseln, die sie ihm abschneiden würden, wären nichtig, so etwa die Bestimmung, daß der Empfänger nur Anspruch auf die Auslieferung des Konnossementsquantums habe und überschüssige Ware dem Verfrachter gehöre (vgl. Wüstendörfer, SHR 310; unzutreffend Hansa 1943 S. 172). Zuungun817
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sten des Verfrachters dagegen kann vereinbart werden, daß er von der Widerlegbarkeit der Vermutung keinen Gebrauch machen werde. Für den Ladungsempfänger ist die Widerlegbarkeit der Vermutung etwa von Bedeutung, wenn das Konnossement die Zahl der Güter zu niedrig oder ihre Art unrichtig oder zu geringwertig angibt. Bestreitet der Verfrachter die Richtigkeit der Angaben des Konnossements, so ist es seine Sache, deren Unrichtigkeit nachzuweisen. Er hat also darzulegen, daß z. B. tatsächlich weniger als die angegebene Menge der Güter übernommen oder an Bord genommen worden ist (OLG Hamburg Hansa 1963 S. 528 = M D R 1962 S. 907 = VersR 1962 S. 1172). Ist im Konnossement bescheinigt, daß Güter in äußerlich erkennbarer guter Verfassung und Beschaffenheit übernommen sind, die in äußerlich erkennbarem schlechten Zustande ausgeliefert wurden, so hat der Verfrachter zu beweisen, daß die Angaben im Konnossement unrichtig sind, die Güter also in Wirklichkeit schon bei der Übernahme äußere Mängel aufwiesen. Gelingt ihm ein solcher Nachweis, so ist er jedenfalls bei Schuldlosigkeit an den unrichtigen Konnossementsangaben f ü r den Ladungsschaden nicht verantwortlich und ersatzpflichtig, weil eben das gegenwärtige deutsche Recht beim Konnossement eine Skripturhaftung nicht mehr kennt. S. aber unten Anm. 12. Gelingt dagegen dem Verfrachter der Nachweis, daß die Konnossementsangaben falsch sind, nicht, dann wird vermutet, daß der Schaden während des Transportes eingetreten ist. Der Verfrachter kann sich dann von der Ersatzpflicht nur befreien, wenn ihm der Entlastungsbeweis nach den §§ 606 bis 608 möglich ist. Unzutreffend J. v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. 1958 S. 614, wonach der Empfänger die Unrichtigkeit zu beweisen habe. 12
5. Auch wenn dem Verfrachter der Nachweis der Unrichtigkeit der Konnossementsangaben gelingt, so kann dennoch nach den allgemeinen Regeln des Schuldrechts des BGB eine Haftung wegen schuldhaft unrichtiger Konnossementsausstellung gegeben sein (vgl. BGHZ 33, 364 = VersR 1961 S. 21; Hansa 1961 S. 1618 = VersR 1961 S. 268), die, worauf Sieg, MDR 1961 S. 299 zutreffend hinweist, mit der Beweisvermutung des § 656 an sich nichts unmittelbar zu tun hat. Eine solche Haftung besteht nicht nur wegen tatsächlich nicht übernommener Güter, sondern auch bei unrichtigen Angaben des Konnossements über die Menge und die Art sowie die Beschaffenheit der Güter, sofern das Konnossement rein gezeichnet wurde, ferner auch bei anderen Fehlangaben, insbesondere auch bei der falschen Datierung des Konnossements (von Bedeutung beim Abladegeschäft als einem Quasi-Fixgeschäft: vgl. R G Z 58, 229f.; Leo, HansRZ 1927, 241 ff.; Wüstendörfer, SHR 320; siehe auch Anm. 17 zu § 643 HGB) oder Angabe eines falschen Schiffes, sofern das Konnossement nicht eine Substitutionsklausel enthält, weiter falsche Bezeichnung des Abladeplatzes, der Klasse des Schiffes, falsche Angaben über die Zahl der Ausfertigungen des Konnossements, Ausstellung eines Bordkonnossements, wenn die Güter nur übernommen, aber noch nicht verladen worden sind. Die Haftung des Verfrachters — die bis zum SFrG auf die sog. Skripturhaftung des Reeders aus dem Konnossement gestützt werden konnte — leitet sich jetzt gegenüber dem Befrachter aus schuldhafter Schlechterfüllung des Frachtvertrags, gegenüber dem Konnossementsinhaber aus culpa in contrahendo her (BGHZ 33, 364 = VersR 1961 S. 21 = M D R 1961 S. 116 und 299 (mit Anm. von Sieg); B G H VersR 1961 S. 269 = NJW 1961 S. 823 = M D R 1961 S. 390 = VerkBl. 1961 S. 232; L G Bremen, Hansa 1955 S. 604, 612; Schlegelberger-Liesecke, § 656 Anm. 15; siehe auch Stengel, Die Traditionsfunktion S. 176, insbesondere Anm. 18). Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist im Falle des Kapitäns, der für den Reeder zeichnet, §§ 511 f. HGB, anderenfalls §§ 276, 278 BGB, dagegen nicht, wie Wüstendörfer, SHR 320 meint, §§ 606 S. 1, 607 Abs. 1 HGB (ähnlich wie Wüstendörfer auch J. v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl., S. 614). Im Grundsätzlichen besteht hierüber heute Einigkeit. In Einzelheiten ist dagegen vieles zweifelhaft, weil das Gesetz schweigt.
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a) Der Anspruchsberechtigte hat zu beweisen, daß die Konnossementsangaben unrichtig sind und daß die Unrichtigkeit die Ursache für den geltend gemachten Schaden ist (OLG Hamburg Hansa 1964 S. 934 = VersR 1964 S. 410). Es ist dann Sache des Verfrachters, sich hinsichtlich eines Verschuldens zu entlasten, allerdings nicht wegen § 606 Satz 2 H G B in unmittelbarer Anwendung, sondern wegen § 282 BGB 818
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und § 606 Satz 2 H G B in analoger Anwendung. So die h. M. (vgl. etwa Gütschow, HansRZ 1924, 893; Capelle, HansRGZ 1943 A Sp. 38; Deloukas, a. a. O. 40ff.; Wüstendörfer, SHR 320 und in „Die kommende Reform des deutschen Seerechts", Veröffentlichungen der Vereinigung der Handelsrechtslehrer deutscher Hochschulen, Heft 1, 1928, S. 29; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 16 zu § 656; Prüssmann, § 656 Anm. G 3; BGHZ 34, 222; LG Bremen Hansa 1955 S. 612; anders v. Laun, Hansa 1952 S. 1078; Gramm, a. a. O. Anm. II 2 zu § 656; siehe auch OLG Hamburg 1959 S. 1708). Wegen des Einstehens für Dritte gilt § 278 BGB. Vgl. für das us-amerikanische Recht auch US-District Court Northern District of California AMC 1953 S. 1888 = Hansa 1954S. 239. Der Einwand, den Ablader treffe hinsichtlich der unrichtigen Konnossementsangaben ein 1 4 mitwirkendes Verschulden (vgl. dazu auch Wüstendörfer, Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. IV, 1929 S. 202) ist jedenfalls gegenüber dem Ablader als legitimiertem Konnossementsinhaber zulässig, denn es handelt sich dabei immer um eine persönliche Einwendung. Wüstendörfer, SHR 320 f., wirft die Frage auf, ob der Einwand vielleicht auch gegenüber dem dritten gutgläubigen Konnossementsinhaber trotz § 656 Abs. 1 und 3 zuzulassen sei, und zwar in rechtsähnlicher Heranziehung der auch gegen Dritte wirksamen Rechtsvermutung des § 608 Abs. 1 Ziff. 5. Wüstendörfer entscheidet die Frage nicht, und sie ist auch wohl richtigerweise zu verneinen. Auch meint Wüstendörfer zutreffend, selbst wenn man sie bejahe, so würde doch des Abladers Mitschuld die des Verfrachters in der Regel nicht aufheben. Auch würde der Gegenbeweis dieser Mitschuld hier als bloßer Prima-facie-Beweis dem Ladungsbeteiligten nicht immer schwerfallen. Siehe auch Prüssmann, § 656 G 4 und Schlegelberger-Liesecke, § 656 Anm. 17. b) Hinsichtlich der Höhe der Ersatzpflicht ist mit Sicherheit zu sagen, daß sie sich nach 1 5 § 249 BGB richtet. Es ist das volle Interesse zu ersetzen, soweit es sich indessen um einen Anspruch aus culpa in contrahendo handelt, nur im Rahmen des Vertrauensinteresses (vgl. L G Bremen Hansa 1955 S. 604; R G Z 159, 57). Die §§ 658 f. HGB kommen nicht zur Anwendung (so auch Deloukas, a. a. O. S. 27ff.; Wüstendörfer, SHR 321 ; Gramm, 172). Richtiger Ansicht nach kommt indessen die Höchsthaftungsgrenze des § 660 zur Anwendung (so auch Gramm, a. a. O.), denn sie gilt „in jedem Falle" nach dem Wortlaut des § 660. A. A. Wüstendörfer, a . a . O . ; Deloukas, a . a . O . S. 30 f. ; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 17 zu § 656; Prüssmann, § 656 G 5). Wüstendörfer meint, es handle sich hier um eine bürgerlich-rechtliche Haftung für culpa in contrahendo. Doch ist auch das eine vertragliche Haftung, die von dem Wortlaut des § 660 umschlossen ist. Wüstendörfer a. a. O. will nur dann eine Ausnahme zulassen, wenn Konnossementszeichner der Kapitän sei und daher der Tatbestand der §§511 f., 485 vorliege. c) Die einjährige Ausschlußfrist des § 612 HGB ist für den Anspruch ohne Bedeutung, denn sie gilt nur für Verlust oder Beschädigung der Güter.
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d) Richtiger Ansicht nach fällt die Haftung für schuldhaft unrichtige Konnossementsanga- 17 ben auch nicht unter die zwingenden Bestimmungen des § 662. So auch Deloukas, a. a. O. ; Gramm, S. 172; Capelle, HansRGZ 1943 A 38f.; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 11 zu §662 HGB; Prüssmann, § 656 G 7a; BGHZ 33, 364 = VersR 1961 S. 21 = MDR 1961 S. 116 und 299 (mit Anm. von Sieg) = Hansa 1961 S. 341, wo es offengelassen ist, ob die die Freizeichnung wegen schuldhaft unrichtiger Angaben über Maß, Zahl oder Gewicht bezweckenden Klauseln n u r dieselben begründeten Unbekannt-Klauseln sein könnten wie im Falle des § 646 HGB, was von Deloukas, a. a. O. S. 49, bejaht, mit Recht aber verneint wird von Schlegelberger-Liesecke, § 656 Anm. 20; Prüssmann, § 656 G 7 a und Capelle, a . a . O . S. 39. Vgl. auch HansOLG Hamburg Hansa 1959 S. 1708 als Vorinstanz zu der Entscheidng des BGH; ferner BGHZ 34, 216 = VersR 1961 S. 269 = NJW 1961 S. 823 - VerkBl. 1961 S. 232 = MDR 1961 S. 390; Liesecke, Hansa 1961 S. 345, der zu einer entsprechenden Anwendung des § 656 Abs. 2 für die schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung zu neigen scheint. Bei schuldhaft unrichtigen Konnossementsangaben handelt es sich nicht um eine eigentliche Maßnahme des Ladungsdienstes. A . A . Wüstendörfer, SHR 321 (auch Kühl, HansRZ 1926, 571; siehe aber auch Wüstendörfer, Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben Bd. IV, 1929 S. 202), der meint, die HR wollten den Ladungsbeteiligten allgemein gegen Freizeichnung sichern von der Einstandspflicht für „kommerzielles" Verschulden. Unter diesen elastischen Begriff falle 819
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alles, was sich darstelle als mangelhafte Erfüllung kaufmännischer Pflichten des Ladungsdienstes aus dem Frachtvertrag. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß hierzu als typischer Fall die fehlerhafte Konnossementsausstellung gehöre (Brandis, HansGZ 1909 Nr. 1 S. 3 f.). Die Ausstellung dieser Papiere sei als kaufmännischer Erfüllungsakt des Frachtvertrags kontormäßig organisiert, bilde eine Maßnahme, „die überwiegend im Interesse der Ladung getroffen werde", und falle demzufolge unter die Haftung des Verfrachters für „ein Verschulden seiner Leute" im Sinne des § 607 Abs. 1, und zwar ein Verschulden bei der „Beförderung" der Ladung (§ 606 S. 1 HGB). Die zwingende Norm des § 607 Abs. 1 sei sehr weit gefaßt. Sie decke auch Verschulden, das nur bei Gelegenheit der Ausführung der Beförderung unterlaufe (Gramm, a. a. O. S. 114). Es sei aber kaum zu bestreiten, daß die Erteilung eines Konnossements als eines Empfangsbekenntnisses und Auslieferungsversprechens zum mindesten sich abspiele „bei Gelegenheit" der Ausführung der Beförderung. Es könne auch nicht angenommen werden, daß die entstehungsgeschichtliche Herkunft des § 607 Abs. 1 aus Art. IV § 22 q HR zu einer andern, einschränkenden Auslegung zwinge (so Deloukas, a. a. O.). Der Art. III § 8 HR verböte Freizeichnungsklauseln nicht nur in bezug auf Verlust oder Beschädigung, auch andere Schäden „in connection with goods" seien davon betroffen, und das Verbot beziehe sich auf „failure in the duties and obligations provided in this article", d. h. auf alle in jenem Artikel genannten Verpflichtungen. Dazu gehöre aber, wie Art. III § 3 zeige, auch die Konnossementsausstellung. Die etwas undurchsichtige Fassung der §§ 606 S. 1, 607 Abs. 1, 662 Abs. 1 bedürfe somit der Erläuterung durch den insoweit klareren Wortlaut der Art. III § 3 und III § 8 HR. Wüstendörfer ist deshalb der Ansicht, die Freizeichnung von der Haftung für schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung sei nichtig, ebenso wie die Abschwächung dieser Haftung durch Umdrehung der Beweislast. Zugegeben ist demgegenüber lediglich, daß auch die Freizeichnung wegen schuldhaft unrichtiger Konnossementsausstellung den sich aus §§ 138, 242 BGB ergebenden allgemeinen Beschränkungen unterliegt (vgl. Deloukas, a. a. O. S. 347; Liesecke, Hansa 1961 S. 347 f.; BGHZ 34, 216 = VersR 1961 S. 269 = NJW 1961 S. 823 = VerkBl. 1961 S. 232 = MDR 1961 S. 391, wo neben der schuldhaft unrichtigen Gewichtsangabe im Konnossement dem Ablader in einem schuldhaft unrichtigen Zertifikat ein bestimmtes Gewicht der Ladung uneingeschränkt bestätigt war). Die weitergehenderen Folgerungen Wüstendörfers sind mit dem Wortlaut der §§ 662, 606 f. nicht vereinbar, womit jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden soll, daß es nicht wünschenswert wäre, daß sie es wären. — Siehe für das französische Recht Sieg, MDR 1956 S. 711, Liesecke, Hansa 1961 S. 340. Eine hiernach zulässige und gültige Freizeichnung betrifft nur die Angaben im Konnossement, also nicht auf anderen Urkunden, die vom Verfrachter oder seinem Vertreter ausgestellt sind (vgl. Prüssmann, § 656 G 7 b ; BGHZ 34, 216: gleichlautendes und gleichzeitig ausgestelltes Gewichtszertifikat). 18
6. Im einzelnen ergibt sich aus dem Vorstehenden noch, sofern zugunsten des Empfängers die Beweisvermutung des Konnossements widerlegt wird: a) Ist im Konnossement eine geringere Menge von Gütern oder sind Güter anderer Art als übernommen angegeben, als in Wirklichkeit übernommen, so hat der Empfänger Anspruch auf Auslieferung der wirklich übernommenen Menge oder Art. Der Verfrachter muß also auch ein nachweislich verladenes Mehr der Güter ausliefern oder eine nachweislich andere Art der Güter, auch wenn diese hochwertiger sind als die im Konnossement bezeichneten. Vgl. Wüstendörfer, SHR 310f.; Gramm, Anm. II 2c zu § 656; aus der Rechtsprechung vor dem SFrG HansOLG H a n s R G Z 1935 B 364.
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b) Ist nichts oder zu wenig abgeladen, so hat der Empfänger, sofern schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung vorliegt, nicht nur Anspruch auf Ersatz des Wertes der nicht abgeladenen Güter, sondern wegen schuldhaft unrichtiger Konnossementsausstellung auf sein volles Interesse (im Rahmen des Vertrauensinteresses): nur das Mindestmaß dieses Interesses stellt der Sachwert nach § 658 dar (vgl. oben Anm. 15; Wüstendörfer, SHR 321; Gramm 172. Für das Recht vor dem SFrG ebenso Boyens, ZHR Bd. 63 S. 333; Jacobi, Ehrenbergs Handb. Bd. IV Abt. 1 S. 338; R G Z 20, 62; s. auch R G Z 39, 156. Anders für das frühere Recht: Lewis, Endemanns Handb. Bd. 4 S. 181; Brodmann, ZHR Bd. 63 S. 333; Wüstendörfer, Studien 1 S. 432; Mittelstein, HansRZ 1, Beiheft 149). 820
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c) Ist Ladung anderer Art als im Konnossement bezeichnet abgeladen und gelingt dem Emp- 2 0 fänger dieser Nachweis, so kann er, wie oben Anm. 18 dargelegt, zwar die abgeladene verlangen, kann aber auch, wenn schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung vorliegt, die abgeladene zurückweisen und Ersatz seines vollen Interesses (bei culpa in contrahendo: Vertrauensinteresse) fordern. So auch für den Rechtszustand vor dem SFrG Sieveking, 239; anderer Ansicht für den damaligen Rechtszustand — kein Anspruch auf Zurückweisung, sondern nur Anspruch auf den Ersatz des in § 652 S. 2 a. F. bezeichneten Minderwertes: Schaps-Mittelstein-Sebba, 2. Aufl., Anm. 8 zu § 651; Boyens, ZHR Bd. 63 S. 334; Wüstendörfer, Studien 1 S. 425; Mittelstein, HansRZ 1, Beiheft 140. d) Ist die Ladung mit einem anderen Schiffe als mit dem im Konnossement angegebenen ver- 2 1 schifft und kann der Empfänger dies nachweisen, so kann er sie zurückweisen und sein Interesse fordern. Doch kommt das Zurückweisungsrecht nicht in Frage, wenn dem Verfrachter im Konnossement die Verschiffung mit einem anderen Schiffe erlaubt ist (Anm. 6 ff. zu § 565 HGB); es ist zu verneinen, soweit es gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Mittelstein, HansRZ Bd. 1 Beiheft S. 149 (vgl. auch die dort angeführten Belege R G JW 1897 S. 243 Nr. 56; HansOLG HansGZ 1883 Nr. 60; 1893 Nr. 78; 1894 Nr. 77; 1900 Nr. 59) meint, der Empfänger könne nur den Verkehrswert des Gutes fordern, wie wenn es verloren wäre. Wüstendörfer, Studien 1 S. 427 ff. (und mit ihm Boyens, ZHR Bd. 73 S. 529) will ihm, unter Betonung des Restitutionsanspruchs, nur einen Anspruch auf Auslieferung der abgeladenen Ware nebst einem akzessorischen Schadensersatzanspruch gewähren. Dabei verkennt er, daß im eminentesten Sinne eine Nichterfüllung der Konnossementsverpflichtung vorliegt, weil die Verladung des Gutes in ein anderes Schiff sowohl die Traditionswirkung des Konnossements wie die Rechte des Inhabers aus dem Papier beeinträchtigt (Näheres Brodmann, ZHR Bd. 70 S. 41 ff.). 7. Die Beweisvermutung entfällt (Abs. 2 Satz 2):
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a) wenn das Konnossement einen Zusatz nach § 646 enthält und b) hinsichtlich des Inhalts solcher Güter, die nach dem Konnossement dem Kapitän in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben worden sind, wenn das Konnossement mit dem Zusatz „Inhalt unbekannt" oder mit einem gleichbedeutenden Zusatz („contents unknown") versehen ist. Siehe auch OLG Hamburg VersR 1970 S. 1125. Es ist also in diesem Falle Sache des Empfängers, nachzuweisen, daß die Güter bei ihrer Übernahme nicht mit den jetzt geltend gemachten Mängeln behaftet waren. Das gilt hinsichtlich der Art, Beschaffenheit und Menge des Inhalts. Unerheblich ist, ob die Art der Verpakkung Anhaltspunkte für den Inhalt geben kann. Durch die Erteilung eines Konnossements, in dem die offenbar gute Beschaffenheit einer verpackten Ladung bestätigt wird, versichert der Verfrachter nicht die einwandfreie Beschaffenheit des Gutes (AMC 1924 S. 1512; State of New York, Supreme Court i. S. Freedman v. NDL, AMC 1960 S. 154). 8. Auch die Leistungen des Empfängers gemäß § 614 HGB haben nach Maßgabe des Konnos- 2 3 sements zu erfolgen. Doch ist dabei zu beachten, daß dieses die Verpflichtungen des Empfängers nicht erschöpfend regeln kann (Anm. 17 zu § 614 HGB). Ist nach dem Konnossement die Fracht am Bestimmungsort zahlbar, so ist der Empfänger zur Frachtzahlung verpflichtet, auch wenn im Konnossement die Höhe der Fracht nicht angegeben und ein wirksamer Frachtvertrag nicht zustande gekommen ist (BGH Hansa 1958 S. 860 = Deutsche VerkehrsZeitung 1958 Nr. 76). Erwähnt das Konnossement oder der in Bezug genommene Frachtvertrag eine Fracht überhaupt nicht, so braucht der Empfänger solche nicht zu zahlen (LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1883 Nr. 127 = SeuffA Bd. 40 Nr. 42; Mittelstein, HB 213), ebenso wenn das Konnossement „frachtfrei" ausgestellt ist oder wenn es die Klausel enthält, daß die Fracht vom Ablader bei Aushändigung des Konnossements zu zahlen sei (OG Tsingtau DJZ 1912, 108). Nach dem Konnossement richtet sich auch der Umfang des gesetzlichen Pfandrechts des Verfrachters (OLG Karlsruhe SeuffA Bd. 51 Nr. 282; HansOLG HansGZ 1894 Nr. 52; Mittelstem, HB 202). Auf im Rahmen der §§ 662 ff. HGB zulässigerweise befreiende Konnossementsklauseln kann sich das Schiff auch dann berufen, wenn der Schaden zwischen Übernahme der Güter und Zeichnung des Konnossements entstanden ist 821
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(HansOLG HansGZ 1897 Nr. 62). Näheres über die Verpflichtungen des Empfängers, insbesondere auch zur Zahlung der Liegegelder, s. Anm. 17 ff. zu § 614 HGB. 24
9. Einreden. Dem Inhaber eines Namenskonnossements gegenüber sind alle Einreden aus der Person seines Vormannes zulässig; wobei jedoch daran zu erinnern ist, daß der Ablader nicht Vormann des im Konnossement als Empfänger Bezeichneten ist (Goldschmidt, HB 681 ff.): letzterem gegenüber kann aber die Einrede des mangelnden Begebungsvertrages (RGZ 87, 389, gegen HansOLG HansGZ 1915 Nr. 133) erhoben werden, folglich nach § 142 BGB auch diejenige, daß der Begebungsvertrag wegen Zwanges oder arglistiger Täuschung angefochten worden sei (nicht dagegen genügt die Behauptung, die Ausstellung des Konnossements sei durch Zwang oder Betrug veranlaßt: Goldschmidt, 684). Dem Inhaber eines Inhaberkonnossements kann der Schuldner nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder dem Aussteller unmittelbar gegen den Inhaber zustehen (§ 796 BGB); dem durch Indossament legitimierten Besitzer eines Orderkonnossements nur solche, welche die Gültigkeit seiner Erklärung auf der Urkunde betreffen oder sich aus dem Inhalte der Urkunde ergeben (BGHZ 29, 120: Bezugnahme im Konnossement auf Schiedsklausel des Chartervertrages) oder ihm unmittelbar gegen den Besitzer zustehen (§ 364 Abs. 2 HGB). Einreden, die die Gültigkeit der Erklärung auf der Urkunde betreffen, sind lediglich solche, durch die geltend gemacht wird, man habe überhaupt eine Urkunde der betreffenden Art nicht unterschrieben (z. B. Druckstempel statt Unterschrift: Anm. 11 zu §642 HGB; Wüstendörfer, SHR 314; Fälschung des Konnossements; Unterzeichnung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177 BGB ff.); die strenggenommenen auch hierher gehörigen Einreden, es sei kein oder nur ein mit Willensmängeln behafteter Begebungsvertrag geschlossen, können aus Gründen der Verkehrssicherheit dem gutgläubigen Inhaber des Orderkonnossements gegenüber nicht zugelassen werden (ROHG 25, 16; R G Z 65, 411; RG JW 1916 S. 263 = R G Z 87, 365; RGZ 112, 202; Wüstendörfer, a. a. O.). Die sich aus dem Inhalt der Urkunde ergebenden Einwendungen decken sich teilweise mit den die Gültigkeit der Urkunde betreffenden. Doch gehören hierher auch Freizeichnungs-Klauseln im Konnossement, soweit sie im Rahmen der §§ 662 ff. HGB zulässig sind, und namentlich gehört hierher auch die gesetzliche Regelung des Frachtvertrages als solche, denn das Konnossement ist kein abstraktes, sondern ein kausales Wertpapier. Aus § 796 BGB, § 364 HGB folgt, daß dem Legitimierten eines Inhaber- oder Orderkonnossements gegenüber insbesondere nicht zulässig sind Einreden lediglich aus der Person des Abladers oder Befrachters (HansOLG HansGZ 1885 Nr. 57; 1886 Nr. 75; R G Z 46, 5; 57, 63). Ist aber der Konnossementsinhaber, trotz Legitimation zum Empfang im eigenen Namen, nur Vertreter eines anderen (eines Vormannes, des Abladers oder Befrachters), so können ihm alle Einreden aus dessen Person entgegengehalten werden ( Wüstendörfer, Studien 1 S. 350 ff. ; H G Hamburg HansGZ 1874 Nr. 283; OG Hamburg ZHR Bd. 19, S. 231 ; HansOLG HansGZ 1884 Nr. 134; 1885 Nr. 25; 1886 Nr. 75; 1894, 220; SeuffA Bd. 38 Nr. 332; R G Z 20, 67ff.; 57, 64; 96, 121; BGHZ 5, 292; OLG Stuttgart MDR 1956 S. 110; unrichtig HG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 27; s. aber Pappenheim, HB 3 S. 328 — 329 Anm. 2). Ebenso, wenn umgekehrt der Ablader oder Befrachter Vertreter des Empfängers gewesen ist (HansOLG HansGZ 1911, 114; RG SeuffA Bd. 49, S. 64 = HansGZ 1892, 139 = Bolze Bd. 13 Nr. 413; R G Z 46, 5); nicht Vertreter des Empfängers ist der Verkäufer, der über die Beförderung der verkauften Ware einen Frachtvertrag geschlossen hat, an dem der empfangende Käufer unbeteiligt ist (RGZ 46, 5). — Vgl. auch Anm. 5 zu § 647 BGB.
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Ausnahmsweise sind auch beim Orderkonnossement persönliche Einwendungen gegenüber dem späteren Konnossementserwerber zulässig, wenn in entsprechender Anwendung des Art. 17 W G (auf den unmittelbar in § 365 Abs. 1 HGB nicht Bezug genommen ist) der Erwer• ber die vorhandene Einwendung kannte und das Bewußtsein der Schädigung des Schuldners durch Abschneidung des Einwands vermittels uneingeschränkten Rechtserwerbs hatte ( Wüstendörfer, SHR 315; R G Z 57, 68). Es muß also ein arglistiges Verhalten des Erwerbers vorgelegen haben. Bloße Kenntnis von der Einwendung gegen den Vormann genügt nicht. Zu weitgehend meint Boyens, Bd. 2 S. 338, die Einrede der Arglist stehe dem Schiffe gegen denjenigen zu, der beim Erwerb des Konnossements wußte, daß darauf nichts abgeladen war. Das trifft zu 822
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f ü r den ersten Konnossementserwerber und seine Nachmänner, die es in Benachteiligungsabsicht (s. o.) oder, u m es f ü r seine Rechnung geltend zu machen, sich übertragen lassen ( H a n s O L G H a n s G Z 1884 Nr. 134; L G Hamburg H a n s G Z 1885 Nr. 25); aber nicht für denjenigen, der nach Unterbrechung der Reihe der Bösgläubigkeit das Konnossement in Kenntnis der Nichtabladung erwirbt (vgl. H a n s O L G HansGZ 1897 Nr. 62, wo von dem Erwerb eines Konnossements in Kenntnis der Beschädigung der Güter die Rede ist). Eine Arglist des mit dem Ablader materiell identischen Empfängers liegt nicht vor, wenn er sich die Berufung auf eine übliche, im Konnossement versehentlich fortgelassene Klausel nicht gefallen läßt, es m ü ß t e d e n n sein, daß deren Inhalt mit d e m Verfrachter vereinbart worden ist ( H a n s O L G H a n s G Z 1898 Nr. 56). Aus den Beziehungen des Empfängers zum Befrachter oder Ablader kann der Verfrachter 26 grundsätzlich keine Einreden gegen den Empfänger herleiten ( R G Z 14, 7; O L G Marienwerder S e u f f A Bd. 48 Nr. 121; siehe aber oben Anm. 25 und unten A n m . 30), es müßte denn sein, daß die Rechte jener Personen auf ihn übergegangen wären. Dem Empfänger kann auch gegen die Ansprüche des Verfrachters die Einrede der ungerecht- 2 7 fertigten Bereicherung zustehen, z. B. wenn die Fracht, entgegen dem Konnossement, bereits v o m Ablader vorausbezahlt worden ist (doch gehen Vorschüsse des Befrachters auf die Charterfracht den Konnossementsempfänger nichts an: R G Holdheims MSchr. 1908, 111). Über die Einrede des unrechtmäßigen Konnossementsbesitzes s. H a n s O L G . H a n s G Z 1884 Nr. 137; R G Z 4 Nr. 43; 14 Nr. 2; 32 Nr. 6; R G H a n s G Z 1900 Nr. 48; Tribunal G e n u a II Diritto Marittimo 1913 S. 27; über die Zurückbehaltungseinrede H a n s O L G LZ 1914, 1630. 10. Die vorstehenden Sätze gelten nur im Verhältnis zwischen Verfrachter und Empfänger 28 (Das rein gezeichnete Konnossement hat keine Beweiskraft im Verhältnis zu den Ladungsversicherern; Supreme Court State of New York i. Sa. Zack Meta Co. v. Federal Insurance Co, A M C 1961 S. 1545 = Hansa 1962 S. 876), nicht dagegen a) zwischen Ablader und Empfänger. Unter diesen Personen ist nicht der Inhalt des Konnossements, sondern das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis maßgebend. Entspricht die v o m Kapitän zur Ablieferung angebotene Ware nicht der im Konnossement angegebenen Bezeichnung und zugleich nicht dem, was auf Grund des Vertragsverhältnisses der Ablader d e m Empfänger zu liefern hat, so steht es dem letzteren frei, entweder auf G r u n d des formalen Rechts aus dem Konnossement gegen das Schiff oder auf G r u n d des materiellen Tatbestandes gegen den Ablader vorzugehen, o h n e daß letzterer ihm aus dem Nichtvorgehen gegen das Schiff einen Vorwurf machen k ö n n t e ( R O H G 2, 330; R G Z 46, 6). Doch ist der Empfänger seinem Gegenkontrahenten gegenüber zur Wahrung der Ansprüche aus dem Konnossement verpflichtet; b) zwischen Verfrachter und Befrachter. Unter ihnen bleiben die Bestimmungen des Fracht- 2 9 Vertrags maßgebend, was Abs. 3 des § 656 zur Vermeidung von Mißverständnissen hervorhebt; ebenso § 446 Abs. 2 H G B . Es kann sich also keiner von beiden auf i h m günstigere Bedingungen des Konnossements berufen ( R G Bolze Bd. 17 Nr. 429); der Verfrachter kann Leistungen, die er nach dem Frachtvertrage, aber nicht nach d e m Konnossement zu beanspruchen hat, vom Befrachter eintreiben ( O L G Karlsruhe S e u f f A Bd. 51 Nr. 182; Mittelstein, H B 215); eine Handlung, die d e m konnossementsmäßigen Empfänger gegenüber unerlaubt ist, k a n n gegenüber dem Befrachter gestattet sein ( R G Z 1, 39; vgl. H G u n d O G H a m b u r g H a n s G Z 1876 Nr. 230; L G Oldenburg OldZ Bd. 16 S. 91 ff.); die die Charterfracht übersteigende Konnossementsfracht k a n n nicht gegen den Charterer geltend gemacht werden, d e n Ansprüchen des Verfrachters aus d e m Frachtvertrage kann der Befrachter nicht Einreden aus d e m Konnossement entgegenhalten ( H G und O G H a m b u r g H a n s G Z 1873 Nr. 46), sofern nicht dessen Inhalt den des Frachtvertrages darstellt ( O L G Rostock SeuffA Bd. 71 S. 35). Vgl. O L G Bremen Hansa 1961 S. 2590: Sind nach dem Frachtvertrag Verschiffungskosten u n d Fracht beim Empfänger n a c h z u n e h m e n , hat der Verfrachter zunächst den Versuch zu machen, diese Kosten vom E m p f ä n g e r einzuziehen. Erst bei dessen Weigerung kann der Verfrachter auf den Befrachter zurückgreifen, ohne daß es auf die G r ü n d e der Zahlungsverweiger u n g durch den Empfänger a n k ä m e . I m Frachtvertrag k a n n auf Angaben des Konnossements Bezug g e n o m m e n sein. Beispiel: 823
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„the bill of lading shall be conclusive evidence against the owners of the quantity of cargo received". Zu den „Bestimmungen" des Frachtvertrags gehört nicht die Entscheidung der Frage, wer Besitzer der Ladung ist; diese Frage unterliegt nicht dem Willen der Parteien; Jacobi, Das Wertpapier als Legitimationsmittel S. 69, gegen Pappenheim, KrVJSchr. BGBl. 44 S. 375. Auch kann der gesamte Inhalt des Konnossements vereinbarungsgemäß zum Inhalt des Frachtvertrages gemacht werden. Siehe RG HansRGZ B 476; BGHZ 6, 127: „In accepting this Bill of Lading shippers as well as owners of the goods shipped agree themselves to all its stipul a t i o n and conditions". Beim Stückgütervertrag werden regelmäßig die im Konnossement enthaltenen Bedingungen auch als diejenigen des Frachtvertrages angesehen. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten die Anm. 11 und 12 der Vorbemerkung vor § 642, insbesondere auch darüber, inwieweit ausnahmsweise eine Abänderung des Frachtvertrages durch das Konnossement möglich ist. Vgl. wegen des Chartervertrages auch Anm. 26 zu § 557 HGB. Da § 556 Abs. 3 also nicht so zu verstehen ist, daß er Abänderungen des Frachtvertrages durch ein nachfolgendes Konnossement ausschlösse, kann eine Ergänzung oder Abänderung des Frachtvertrages durch das Konnossement zur Frage stehen. Ob dies aber geschehen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden ( R O H G 17, 73). Doch kommt sie immer nur dann höchstens in Betracht, wenn Geber und Nehmer des Konnossements identisch sind mit den Kontrahenten des Frachtvertrages, wie es namentlich regelmäßig im Stückgutverkehr der Fall ist. Nur f ü r den Stückgüterverkehr trifft die Ansicht Hellwigs (Verträge auf Leistung an Dritte, 1899, S. 500) zu, daß alle nicht in das Konnossement aufgenommenen Bestimmungen des Frachtvertrags als aufgegeben zu gelten haben, sofern nicht die gegenseitige Absicht der Kontrahenten bewiesen wird. Zu Unrecht nehmen Goldschmidt, Bd. 1 S. 678, Wüstendörfer, Studien 1 S. 189 und O L G Rostock SeuffA Bd. 71 S. 35 im Zweifel auch sonst bei Identität der genannten Personen Abänderungen an (anders R G Z 66, 40; Pappenheim, HB 3 S. 122). Der Frachtvertrag ist auch dann maßgebend, wenn der Befrachter legitimierter Konnossementsinhaber ist (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 119; 1893 Nr. 29; 1911 Nr. 51; OLG Rostock MecklZ Bd. 31 S. 32; R G H a n s G Z 1892 Nr. 47 = SeuffA 49 Nr. 36; R G 46, 5). Auch Einreden aus der Person des Abladers, seines Vertreters, muß sich der empfangende Befrachter entgegenhalten lassen (OG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 31; HansOLG HansGZ 1889 Nr. 45 = SeuffA Bd. 44 Nr. 270), es müßte denn sein, daß der Ablader zum Nachteil des Befrachters mit dem Verfrachter kolludiert hätte (Boyens, Bd. 2 S. 346). Andererseits kann sich der Befrachter gegen Forderungen aus dem Frachtvertrage nicht darauf berufen, daß der Ablader ein reines Konnossement erwirkt hat (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 119). 30
Aus dem oben Anm. 25, 26 Gesagten erhellt, daß sich derjenige Konnossementsinhaber, der für Rechnung des Befrachters empfängt, alle Einreden aus dessen Person gefallen lassen muß, andererseits auch Einreden aus dessen Person erheben kann (Zahlung von Vorschüssen auf die Fracht: RG HoldheimsMSchr. 1908, 111). Daraus folgt aber nicht, daß er nach dem Erppfang für vorher nicht erhobene Ansprüche aus dem Frachtvertrage persönlich zu haften hätte ( H G Hamburg HansGZ 1878 Nr. 79).
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Die Ansprüche des Befrachters aus dem Frachtverträge gehen durch die Begebung von Konnossementen nicht unter: nur der Anspruch auf Auslieferung der zum Transport übergebenen Güter im Bestimmungshafen und auf Ersatz wegen Verlusts oder Beschädigung derselben geht auf den Konnossementsinhaber über (BGHZ 25, 250 = Hansa 1957 S. 2477; LG Hamburg HansGZ 1903, 192; HansOLG LZ 1915, 1674; Gerichtshof Amsterdam Schip en Schade 1959 S. 143 = Hansa 1960 S. 1320; siehe dazu auch Stengel, Traditionsfunktion des Orderkonnossements, S. 38 f.). Sonstige Ansprüche, z. B. Schadensersatzansprüche wegen Nicht- oder nichtgehöriger Erfüllung des Frachtvertrags (HansOLG HansGZ 1899, 88; RG 30. 1. 1911 I 445/10, unvollständig abgedruckt JW 1911 S. 321 Nr. 11, angeführt vom LG in HansGZ 1917, 130), oder aus darin übernommenen Garantien (HansOLG LZ 1915, 1674 = EisenbE Bd. 32 S. 433) bleiben beim Befrachter, aber nur soweit sie von dem Konnossementsanspruch materiell verschieden sind (Schlegelberger-Liesecke, § 647 Anm. 5; Prüssmann, § 647 Anm. C 4 d ; Stengel, a. a. O. S. 88 f.). Das ist z. B. der Fall, wenn der Befrachter Ersatz des Schadens verlangt, den er infolge beschädigter Ankunft der Ware durch das Verhalten seines Käufers erlit824
Durchfrachtvertrag, kombinierter Transport
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ten hat (RG a. a. O.), oder wenn der Befrachter Ersatzansprüche erhebt, weil ein nicht seetüchtiges Schiff gestellt w a r ( H a n s O L G HansGZ 1917, 131). 11. Rechtsverhältnis zwischen Verfrachter und Ablader. Der Ablader tritt von dem Augen- 32 blick an, wo ihm schiffsseitig die Beförderung der Güter zugesagt ist, in unmittelbare Vertragsbeziehungen zum Schiff (Vorb. zum 4. Abschnitt Anm. 6). Diese Beziehungen werden regelmäßig geregelt durch den Inhalt des ihm gegebenen Konnossements, sofern er es vorbehaltlos entgegengenommen hat (anders Kassationshof Paris Revue Autran Bd. 30 S. 13 = ZVersWiss. Bd. 17 S. 570), und zwar auch dann, wenn dasselbe nicht die Klausel „in accepting this bill of lading, the shipper agréés to its stipulations" (RGZ 11 Nr. 21), die jeder Bedeutung entbehrt (HansOLG HansGZ 1888, 100; Wüstendörfer, Studien 1 S. 189), oder eine ähnliche Bestimmung (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 12) oder die Mitunterschrift des Abladers enthält. Abweichend hiervon hat HansOLG HansRZ Bd. 2 S. 501 einen Anspruch des Befrachters wegen zu wenig ausgelieferter Ladung gegen den Verfrachter in einem Falle anerkannt, wo der Konnossementsempfänger keinen Anspruch erhoben hatte, weil er nur das ausgelieferte Gut zu bezahlen brauchte. Hiergegen s. Mittelstem, HansRZ Bd. 2 S. 504 — 505. — Siehe über das Rechtsverhältnis zwischen Verfrachter und Ablader auch norwegisches Höchstgericht Hansa 1957 S. 2146. Anhang I zu § 656 Durchfrachtvertrag (Durch- oder Durchfrachtkonnossement), kombinierter Transport (Gesamtbeförderungsdokument) A. Durchfrachtvertrag Schrifttum: Bagge, Der Durchfrachtvertrag, insbesondere die gemischte Beförderung, RabelsZ 1936 S. 463 ff.; Bateson, Law Quarterly Review Bd. V S. 424ff.; Brandis, Connaissement direct (Conférence de Kopenhague S. 147ff.); Brodmann, ZHR Bd. 70 S. 67ff.; Boyens, Bd. 2 S. 90ff. und 312ff.; Carver, S. 171 ff.; Coeler, Der Durchkonnossement, Diss. Hamburg 1950; Dor, Bill of Lading Clauses S. 99; Dreyer, Die Haftung des Verfrachters aus dem Linienkonnossement, Hansa 1957 S. 2482; Grönfors, Successiva Transporter, Stockholm 1968; Heini, Das Durchkonnossement (Through Bill of Lading), Arbeiten aus dem juristischen Seminar der Universität Freiburg (Schweiz), 1957; Jacobsen, Durchkonnossement, Diss. Erlangen 1912; K. v. Laun, Die Haftung für den fremden Transportabschnitt beim Durchkonnossement, ZHR Bd. 118 S. 1 ff.; Manca, International Maritime Law, Bd. 2 S. 458ff.; Norf, Das Konnossement im gemischten Warenverkehr, insbesondere am Beispiel des Containerverkehrs, Kölner Reihe, 1976; Pflüger, Nochmals Reisecharter und Konnossement, Hansa 1969 S. 2059 ff. (mit Anm. von Trappe) ; Poor, American Law of Charter Parties and Ocean Bills of Lading, 4. Aufl. 1954 S. 227; Prodromidès, Projets des Conventions internationales sur le transport des marchandises en trafic international, in Liber Amicorum für Bagge, 1955 S. 180; Priissmann, Anh. § 656 A, B, C; Robert-Tissot, Le connaissement direct, titre de transports combinés maritimes, terrestes, aériens, Paris 1957; Rodière, Connaissement direct et transports maritime successifs, DM F 1969 S. 195 ff.; ders.. Traité Bd. 3 S. 186; Schilling, Durchfrachtvertrag und Durchkonnossement, 1913 (siehe dazu die Besprechung von Boyens, ZHR Bd. 75 S. 549 ff.); Schlodtmann, ZHR Bd. 21 S. 384ff.; Scrutton, S. 371 ff.; Smeesters und Winkelmolen, Bd. I Nr. 413ff.; Trappe, Reisecharter und Konnossement, Hansa 1969 S. 1536; Weibgen, Das Durchkonnossement und seine besonderen Klauseln, Diss. Göttingen 1930; Wüstendörfer, SHR 331 ff.; ders., Studien 1 S. 82ff. und 270. I. Es ist nicht ungewöhnlich, daß bei der Versendung von Gütern mehrere Transportmittel 1 hintereinander in Anspruch genommen werden. Wird dann von dem Absender oder durch einen von ihm beauftragten Spediteur mit jedem der beteiligten Transportunternehmer nach dem für das betreffende Transportmittel in Betracht kommenden Rechtsnormen ein Vertrag geschlossen (sog. gebrochener Verkehr), so bieten sich rechtlich keine Besonderheiten. Solche können sich erst ergeben, wenn ein Transportunternehmer die Verantwortung für den Gesamttransport oder jedenfalls in irgendeiner Form die Verantwortung f ü r die Weiterversendung außerhalb seines eigenen Transportabschnitts übernimmt, insbesondere als Spediteur. D a n n liegt ein Durchfrachtvertrag in dieser oder jener Gestalt vor. 825
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II. Unter einem Durchfrachtvertrag ist deshalb ein Frachtvertrag zu verstehen, bei dem das G u t hintereinander durch verschiedene, nicht notwendig ungleichartige Transportmittel befördert wird. Hier interessiert nur derjenige Durchfrachtvertrag, bei dem jedenfalls auch eine Teilstreckenbeförderung durch ein Seeschiff erfolgt. Auf den restlichen Strecken können andere Seeschiffe, aber auch Binnenschiffe, Luftfahrzeuge, Eisenbahnen oder Lastkraftwagen benutzt werden. Von einem einfachen Durchfrachtvertrag spricht man, wenn der Erstbeförderer die Beförderungsverpflichtung f ü r die Gesamtstrecke im eigenen Namen eingeht, er also die Auslieferungsverpflichtung am endgültigen Bestimmungsort übernimmt. Von ihm hinzugezogene Zweit- und Drittbeförderer sind seine Erfüllungsgehifen, für die er nach § 278 BGB einzustehen hat. Ein unechter Durchfrachtvertrag liegt vor, wenn der Erstbeförderer den Frachtvertrag nur f ü r eine Teilstrecke abschließt und außerdem die Verpflichtung eingeht, für die Weiterbeförderung zum Bestimmungsort als Spediteur zu sorgen. Schließlich kann ein gemeinschaftlicher Durchfrachtvertrag gegeben sein. Das ist der Fall, wenn mehrere Transportunternehmer sich gemeinschaftlich zur Durchführung eines Gesamttransports verpflichten, die Verpflichtung eines jeden sich aber nur auf seinen Teilabschnitt bezieht. Bei einem solchen Vertrag kann der Erstbeförderer oder auch ein nachfolgender Beförderer als Vertreter der übrigen auftreten, aber auch eine Vertretung aller durch einen Dritten ist möglich. Solche Durchfrachtverträge ersparen es gegenüber dem sog. „gebrochenen Verkehr" dem Ablader, daß von ihm für sämtliche Teilstrecken Einzelfrachtverträge abgeschlossen werden müssen, was an auswärtigen Plätzen die Einschaltung von Zwischenspediteuren oder sonstiger Beauftragter erforderlich macht.
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III. Da die Haftung aus Frachtverträgen bei den einzelnen Beförderungsmitteln unterschiedlich ist, entsteht bei einem Durchfrachtvertrag mit verschiedenartigen Transportmitteln die Frage, wie gehaftet werden soll. Weiter ergibt sich die Frage nach einem gemeinschaftlichen Beförderungsdokument. Siehe dazu unten V und B.
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IV. Der Durchfrachtvertrag, bei dem an der Beförderung nur Seeschiffe hintereinander beteiligt sind. 1. Liegt ein einfacher Durchfrachtvertrag (siehe oben Anm. 2) vor, hat also der Erstverfrachter die Verpflichtung zur Auslieferung der Güter im endgültigen Bestimmungshafen übernommen, so stellt er ein Durch- oder Durchfrachtkonnossement aus (englisch: Through Bill of Lading, französisch und belgisch connaissement direct, italienisch polizza di carico per transito, holländisch door loopend cognoscement, spanisch conocimiento directo, portugiesisch conhecimento em transito, dänisch gjennemgaaend cognoscement). Dabei werden meistens Linienkonnossemente benutzt, die in erster Linie für den durchgehenden Verkehr gedacht sind, jedoch nach dem Willen ihrer Verfasser auf Grund besonderer Klauseln auf ihrer Rückseite auch für Durchfrachtgeschäfte verwendet werden können. In den vorgedruckten Text auf der Vorderseite wird der endgültige Bestimmungshafen eingesetzt, mit dem Zusatz etwa „via (Umladehafen)" oder „transshipment at (Umladehafen) by (Name des Schiffes)", um deutlich zu machen, daß das Konnossement als Durchkonnossement benutzt wird. Siehe die Beispiele bei Heini, S. 33. Es werden aber auch Formulare angewandt, die als Durchkonnossement bezeichnet werden, also von vornherein auf den Durchfrachtverkehr zugeschnitten sind (z. B. Conlinethrubill). Es ist üblich, daß der Erstverfrachter vom Zweitverfrachter, mit dem er im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgeschlossen hat und der sein Erfüllungsgehilfe ist, ein sog. Anschluß- oder Lokalkonnossement erhält (siehe dazu auch § 32 Seehandelsschiffahrtsgesetz der DDR). Aus diesen haftet der Zweitverfrachter dem Erstverfrachter oder dessen Indossatar für seine Teilstrecke. Es liegt dann im Interesse des Erstverfrachters, daß Durchkonnossement und Anschlußkonnossement möglichst die gleichen Bedingungen enthalten (vgl. R G Z 137, 301). Auch ist es zweckmäßig, durch eine sog. Bindungsklausel zu vereinbaren, daß der Anspruch aus dem Anschlußkonnossement nur gemeinsam mit dem aus dem Durchkonnossement geltend gemacht werden kann. Vgl. für den Fall, daß das Anschlußkonnossement ein Rektakonnossement ist, O L G Hamburg Hansa 1963 S. 337. 826
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Der Aussteller des Durchkonnossements hat sich, wie ausgeführt, zur Ablieferung im Endhafen verpflichtet. Damit steht im Vordergrund dieser Art der Konnossementsverpflichtung die Ablieferung und nicht etwa der Transport. Regelmäßig ist es gleichgültig, durch wen dieser geschieht (vgl. auch v. Laun, ZHR Bd. 118 S. 13). Deshalb bildet erst die Ausladung aus dem Seeschiff im Endhafen den Endpunkt der Zwangshaftung im Sinne der §§ 662, 663 Abs. 2 Ziff. 2 HGB (HansOLG Hamburg MDR 1957 S. 487; Wüstendörfer, SHR 376; v. Laun, a. a. O.; Heini, a. a. O. S. 67). Freizeichnungsklauseln, die mit dieser Zwangshaftung nicht vereinbar sind, sind daher nichtig (siehe auch Hof Amsterdam Hansa 1962 S. 342). Siehe R G Z 139, 293 über die Anwendung deutschen Rechts auf Ansprüche aus einem Durchkonnossement wegen Beschädigung im deutschen Umladehafen. Das einfache Durchkonnossement ist Traditionspapier. Doch geht die Eigenschaft als solches verloren, wenn ein gutgläubiger Dritter das Anschlußkonnossement ohne das Durchkonnossement erwirbt, da alsdann der Besitz nur noch durch das Lokalkonnossement vermittelt wird (Schlegelberger-Liesecke, § 656 Anm. 26; Prüssmann, Anh. zu § 656 B 1 d). Auf diesem einfachsten Fall des Durchkonnossements beruhen die grundlegenden Ausführungen von Schlodtmann, ZHR Bd. 21 S. 384 ff. Siehe aus der älteren Rechtsprechung H G und OG Hamburg HansGZ 1879 Nr. 40, 108; R O H G 3 Nr. 49; HansOLG HansGZ 1892 Nr. 53 und 1894 Nr. 48; R G Z 1 Nr. 110; 10 Nr. 7 (vgl. HansGZ 1884 Nr. 62, 136). 2. Beim unechten Durchfrachtvertrag kann der Erstverfrachter ein Konnossement nur für 5 seine Teilstrecke ausstellen. Es enthält eine Klausel, die ihm Spediteurfunktion für den Weitertransport nach Beendigung seiner eigenen Transportstrecke zuweist, etwa „The carrier acts as forwarding agent only from the vessel's port of discharge. The responsibility of the carrier shall be limited to the transport performed by him" (Prüssmann, Anh. zu § 656 H G B B 2 b). Der Auslieferungsverpflichtung aus seinem Konnossement kommt der Erstverfrachter durch Übergabe der Güter an den Zweitverfrachter nach. Das von diesem ausgestellte Konnossement hat er dem legitimierten Inhaber des ersten Konnossements gegen dessen Rückgabe zu übergeben. Dies Zweitkonnossement wird häufig auch als Anschlußkonnossement bezeichnet, wie auch das Erstkonnossement als Durchkonnossement. Anders als beim einfachen Durchfrachtvertrag haben aber beide Dokumente eine voneinander in jeder Weise selbständige Bedeutung. Nur für seine eigene Transportstrecke haftet der Erstverfrachter (vgl. franz. Kassationshof D M F 1960 S. 554 = Hansa 1961 S. 1060), für die Weiterverfrachtung nur als Spediteur. Fracht kann er nur für seine eigene Teilstrecke fordern. Der Zweitverfrachter ist nur aus seinem Konnossement zur Auslieferung verpflichtet und nur nach dessen Angaben haftet er (siehe Queen's Bench Div. Hansa 1956 S. 1713). Die Entscheidung darüber, ob ein einfacher oder ein unechter Durchfrachtvertrag vorliegt, 6 kann gelegentlich schwierig sein. Es ist dann zu prüfen, ob wirklich die Verpflichtung zur Ablieferung im Endhafen eingegangen war oder ob der Erst Verfrachter nur eine Beförderungsverpflichtung bis zum Umladehafen übernehmen und hinsichtlich der Weiterbeförderung nur als Spediteur tätig werden will (Siehe dazu, die Conlinethrubill betreffend, auch OLG Hamburg Hansa 1956 S. 399; Prüssmann, Anh. zu § 656 B 2 b und Dreier, Hansa 1957 S. 2482). Sofern in diesem Sinne die Regel X Ziff. 4 DEK 1940 „Bei Gütern in Durchfracht von und/oder nach anderen Häfen oder Plätzen ist die Verantwortung des Verfrachters auf dessen eigene Beförderung beschränkt. Soweit der Verfrachter den Weiterbeförderer auswählt, haftet er für dessen sorgfältige Auswahl" zu verstehen ist, ist sie gültig, nicht aber, wenn in ihr eine eigene Beförderungspflicht des Erstverfrachters bis zum Endhafen enthalten wäre. Vgl. Wüstendörfer, SHR 336; v. Laun, a. a. O.; Prüssmann, a. a. O.; Dreyer, Hansa 1957, 2482; OLG Hamburg Hansa 1956, 399. 3. Beim gemeinschaftlichen Durchfrachtvertrag wird nur ein Konnossement (gemeinschaftli- 7 ches Durchkonnossement) für die gesamte Transportstrecke ausgestellt (siehe dazu auch § 75 Seehandelsschiffahrtsgesetz der DDR). In ihm wird nur eine Übernahme durch den Erstverfrachter bescheinigt und nur ein Auslieferungsversprechen gegenüber dem Empfänger im Bestimmungshafen abgegeben. Den Erstverfrachter trifft im Umladehafen die Verpflichtung, die Güter an den Zweitverfrachter zu übergeben. Das gemeinschaftliche Durchkonnossement, das für die gesamte Transportstrecke gilt, wird von allen Verfrachtern oder in deren Namen 827
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von einem Agenten unterzeichnet. In ihm haben alle Frachtverträge ihren Niederschlag gefunden (vgl. O L G Hamburg MDR 1957 S. 487). Alle Verfrachter treten in ihm gleichberechtigt dem Befrachter/Empfänger gegenüber und alle haben ihre Haftung auf den eigenen Transportabschnitt begrenzt. Jedenfalls suchen die Verfrachter dieses Ergebnis durch Einführung von Klauseln zu erreichen, z. B. „No carrier shall be liable for loss or damage not occuring on its own road or its portion of the through road" (HansOLG HansGZ 1902 Nr. 2; siehe auch Deutsche Verkehrs-Zeitung 1958 Nr. 91). Die Haftungsbeschränkung auf den eigenen Transportabschnitt beinhaltet aber nicht, daß der Konnossementsinhaber zu beweisen hätte, daß der Ladungsschaden gerade auf der Beförderungsstrecke des in Anspruch genommenen Verfrachters eingetreten sei, wie auch beide Verfrachter die Beschreibung der Güter im Konnossement gegen sich gelten lassen müssen. Der erste Verfrachter hätte also nachzuweisen, daß der Schaden erst eingetreten ist, nachdem er die Güter an den zweiten Verfrachter weitergegeben hat, während diesem der Beweis obläge, daß die Güter von ihm im Zwischenhafen bereits beschädigt oder unvollständig übernommen wurden. Zweifelhaft ist, wieweit die zwingende Haftungsregelung der §§ 662 ff. HGB eingreift, insbesondere ob eine Freizeichnung für Landschäden oder Leichterschäden auch während der Umladung möglich ist (§ 663 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Während eine solche von von Laun, ZHR Bd. 118 S. 28, und HansOLG Hamburg Hansa 1956 S. 398 sowie Deutsche Verkehrs-Zeitung 1958 Nr. 91 (Klausel: „to be transhipped at ship's expense but cargo-owners risk" und „The carriers not be liable for loss or damage to the goods during the period before lading and after discharge from the vessel, howsoever such loss or damage arised") für zulässig erklärt wird, sind Heini, a. a. O. S. 40, Schlegelberger-Liesecke, Anm. 27 zu § 556, Anm. 28 zu § 656, Prüssmann, Anh. zu § 656 B 3 a, und das HansOLG Hamburg M D R 1957 S. 487 der gegenteiligen Ansicht, der gefolgt wird, und zwar weil die in § 663 Abs. 2 Nr. 2 HGB gebrauchten Worte „Einladung" und „Ausladung" bei dem gemeinschaftlichen Konnossement auf den gesamten Transport bezogen werden müssen, anderenfalls das Durchkonnossement als gemeinschaftliches Konnossement keinen Sinn für die Ladungsbeteiligten hätte. Der Fall liegt dann ebenso, wie wenn ein Verfrachter während der Reise (erlaubter- oder unerlaubterweise) die Güter vorübergehend aus dem Schiff ausladet. Auch die Auslieferung im Sinne der §§611, 612 HGB ist erst diejenige durch den Zweitverfrachter (Heini, a . a . O . S. 101; Schlegelberger-Liesecke, a . a . O . ; Prüssmann, a.a.O. Anm. B 3 d ; anders v. Laun, a. a. O. S. 33). Soweit hiernach noch Freizeichnungen gestattet sind, ist zu unterscheiden zwischen solchen, die sich ihrem Inhalte nach aus dem gemeinschaftlichen Konnossement ergeben und solchen, die sich erst aus einer Verweisung des gemeinschaftlichen Konnossements auf die Beförderungsbedingungen der einzelnen Unternehmer ermitteln lassen, z. B. „the responsability of each carrier shall be limited to its own line"; „all the provisions and conditions of this through bill of lading apply to said carriers and shipowners respectively"; „these goods are subject to all conditions of the companies, which carry them to Liverpool and on to the destination" (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 48); „les transports intermédiaires seront faits aux conditions des navires employés" ( H G Le Havre, Revue Autran Bd. 18 S. 659 ff., auch brit. High Court Revue Autran Bd. 21 S. 645). Siehe ferner die Klausel in R G LZ 1916 S. 326 = EE Bd. 32 S. 441 „Nach der Umladung treten die Konnossementsbedingungen des die Weiterbeförderung der Waren beschaffenden Schiffes in Kraft und hört jede Verantwortlichkeit des obigen Dampfschiffes a u f . 8
V. Durchfrachtverträge bei verschiedenartigen Transportmitteln 1. Soweit es sich um die Beförderung mit See- und Binnenschiffen handelt, kann in der Bundesrepublik Deutschland ein Durchfrachtkonnossement ausgestellt werden, auch wenn dieses für die Binnenwasserstraße nur die Bedeutung eines Ladescheins hätte. Da auch dieser Traditonswirkung hat (§ 450 HGB), wäre diese f ü r den Gesamttransport gegeben. Doch besteht die zwingende Haftung nur f ü r die Seetransportstrecke. Für die Beförderung mit dem Binnenschiff ist nach deutschem Recht Freizeichnung möglich (vgl. Schlegelberger-Liesecke, 29, Prüssmann, Anh. § 656 C 1, anders Wüstendörfer, 336; vgl. auch Norf, a. a. O. S. 83 ff.).
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2. Sind außer einem Seeschiff Landtransportmittel in einen Durchfrachtvertrag eingeschlossen, so kann ein Durchkonnossement nach deutschem Recht nicht ausgestellt werden. Die Eisenbahn, der Transport mit Lastkraftwagen und der Luftverkehr kennen nur den 828
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Frachtbrief. Zwar wäre für den Landverkehr, abgesehen von der Eisenbahn, nach § 444 ff. H G B die Ausstellung eines Ladescheins möglich. Doch ist dieser in der Bundesrepublik nur in der Binnenschiffahrt gebräuchlich. Die Haftung richtet sich auch bei einem derartigen Durchfrachtvertrag nach dem jeweiligen Transportmittel. VI. Im Seerecht der Bundesrepublik Deutschland finden sich keine Bestimmungen über 1 0 Durchfrachtverträge und Durchkonnossemente. Für die D D R siehe §§ 74 und 75 des Seehandelsschiffahrtsgesetzes. Nach § 74 ist der Verfrachter dem legitimierten Inhaber eines Durchkonnossements für die Güter von der Übernahme bis zur Ablieferung im Bestimmungshafen verantwortlich. Er kann seine Verantwortlichkeit nicht auf seinen Transportabschnitt beschränken. Stellen mehrere Verfrachter gemeinsam auf Grund eines Durchfrachtvertrages ein Durchkonnossement aus, so sind sie nach § 75 Abs. 1 für die Schäden gesamtschuldnerisch verantwortlich. Nach § 75 Abs. 2 kann in einem solchen Durchkonnossement vereinbart werden, daß jeder Verfrachter nur die Schäden zu ersetzen hat, die bis zur Übergabe der Güter an den nachfolgenden Verfrachter entstanden sind. Doch hat der in Anspruch genommene Verfrachter den Schaden zu ersetzen, wenn er nicht nachweisen kann, daß der Schaden nicht während seiner Transportleistung entstanden ist. Wie in der Bundesrepublik finden sich in den seerechtlichen Bestimmungen der meisten Staaten keine Bestimmungen über den Durchfrachtverkehr. Nur in den Niederlanden sind in den Art. 517v, w, x WvK solche enthalten, die indessen auf den niederländischen Küstenverkehr keine Anwendung finden. Das schweizerische Seeschiffahrtsgesetz erwähnt in Art. 133 Abs. 3 nur die Möglichkeit der Verwendung eines Durchkonnossements. Für die USA siehe Prüssmann, Anh. zu § 656 A I 3. B. Kombinierter Transport Schrifttum: Ganten, Das Übereinkommen über den internationalen kombinierten Güterverkehr — ein neuer Anlauf auch im Hinblick auf die Luftbeförderung? ZLW 1975 S. 116ff.; ders., Übereinkommen über multimodalen Güterverkehr, die Arbeiten der Welthandelskonferenz, Hansa 1976 S. 1035; Grönfors, Kombinierte Transporte und Haftungsgrundsätze, THB Sonderausgabe 16. Juni 1971 ; ders., The Concept of Delay in Transportation Law, ETR 1974 S. 400ff.; ders., Liability for Delay in Combined Transport, Journal of Maritime Law, Bd. V Nr. 3 S. 483 ff. ; Herber, Auf dem Wege zu einem Übereinkommen über die Haftung beim kombinierten Verkehr, Hansa 1973 S. 7; Kröger, Hansa 1970 S. 1598ff.; Loewe, Der I M C O / ECE-Entwurf des Übereinkommens über die gemischte Beförderung im internationalen Güterverkehr, Verkehr 1970 S. 401 ff. und 449ff.; ders., ETR 1972 S. 650ff.; Manca, International Maritime Law, Bd. 2 S. 343 ff. ; Meyer, Entwicklungstendenzen zum kombinierten Verkehr in Konnossementsbestimmungen, Hansa 1975 S. 742ff.; Norf, Das Konnossement im gemischten Warenverkehr, insbesondere am Beispiel des Containerverkehrs, Kölner Reihe, 1976; Peyrefitle, Le regime juridique des Transports combinés de marchandises, D M F 1973 S. 643 ff.; Ramberg, CMI Dokumentation 1973 Heft 3 S. 204ff.; Scheer, Die Haftung des Verfrachters im gemischten Überseeverkehr, Studien zum Container- und Durchfrachtverkehr, 1969; Wheble, Combined Transport - The „Rome" Draft TCM Convention, ETR 1970 S. 1307 ff. Siehe die Entwürfe eines Übereinkommens über den internationalen kombinierten Güterverkehr in Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe B: Dokumente und Materialien, Heft 9, 1971. I. 1. Die in Anm. 9 dargelegte Rechtslage bereitet bei dem Transport eines Gutes mit mehre- 11 ren verschiedenen Transportmitteln hintereinander Schwierigkeiten, wenn hierüber ein einheitlicher Frachtvertrag vorliegt. Diese ergeben sich insbesondere auch bei der Ausstellung eines einheitlichen Beförderungsdokuments. Die Zahl derartiger Verträge hat sich mit dem Aufkommen des Containerverkehrs und der Lash-Beförderung ganz erheblich vergrößert. Haftungsmäßig und dokumentenmäßig lebt gegenwärtig wohl in der ganzen Welt jedes Verkehrsmittel nach seinem eigenen Recht. Es sind deshalb Bestrebungen darauf gerichtet, eine einheitliche internationale Rechtsordnung für den Transport durch mehrere Verkehrsmittel hintereinander durch Abschluß einer entsprechenden Konvention zu schaffen. Einen Schritt auf dem Wege hierzu machte ein Beschluß des Instituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) in Rom aus dem Jahre 1957. Das Ergebnis war ein Entwurf von 1965. 829
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Auch das CMI hatte sich der Frage angenommen und im Frühjahr 1969 auf der Konferenz in Tokio einen Konventionsentwurf für den kombinierten Verkehr verabschiedet (sog. TokioRegeln). Siehe dazu Legendre, La Conférence de Tokyo du Comité Maritime International, D M F 1969S. 451 und 516 ff. 2. Der UNIDROIT-Entwurf hatte sich zum Ziel gesetzt, vor allem die vertraglichen Beziehungen der Parteien des kombinierten Transportvertrages und insbesondere die Frage der Haftung zu regeln. Der Entwurf des CMI sah die Problematik im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt, ein den gesamten kombinierten Transport umfassendes bankfähiges Papier schaffen zu wollen, wobei auch an der Frage der Haftung nicht vorbeigegangen werden konnte. Auch hatte sich der Entwurf des UNIDROIT vornehmlich an dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) ausgerichtet, während die Tokio-Regeln mehr von den Haager/Visby Regeln ausgingen. Gemeinsam war beiden Entwürfen, daß sie sich nicht auf den Container-Verkehr beschränkten, sondern auch den herkömmlichen Transport umfaßten. II. 1. Auf zwei Konferenzen in Rom 1968 und 1970 wurde dann ein neuer gemeinsamer Übereinkommensentwurf f ü r gemischte Beförderung erarbeitet, die „Convention sur le transport international combiné de marchandise" (TCM-Konvention), die indessen über das Stadiu m des Entwurfs noch nicht hinausgekommen ist. 2. Sie hat als neue Figur den sog. Combined Transport Operator (CTO) geschaffen. Das ist derjenige, der es übernimmt, einen internationalen kombinierten Transport auszuführen. Er haftet für die gesamte Strecke als Frachtführer, hat also als solcher für ein Verschulden der von ihm beauftragten Unterfrachtführer sowie für eigenes Verschulden einzustehen. Er braucht keinen Teil des Transports mit eigenen Transportmitteln durchzuführen. Er stellt ein sog. Combined Transport Document aus, das, um als solches qualifiziert zu werden, nach Art. 3 des Entwurfs gewissen Mindestanforderungen entsprechen muß. 3. Bezüglich der Haftung soll bei bekanntem Schadensort auf Antrag einer der Parteien das sog. Network-Prinzip zum Zuge kommen, bei unbekanntem Schadensort dagegen die eigenständige Haftung der Konvention. Network-System bedeutet, daß die für die jeweilige Transportart geltenden unabdingbaren Bestimmungen internationaler Übereinkommen oder des nationalen Rechts zum Zuge kommen. Es sollen Haftungshöchstsummen vorgesehen werden, falls die Haftungsregelung des Ubereinkommens zum Zuge kommt. Indessen wurde eine Einigung über ihre Höhe noch nicht erzielt. III. 1. Im November 1972 hat sodann in Genf die vom Wirtschafts- und Sozialrat der UN (ESOSOC) einberufene UN/IMCO-Konferenz über den internationalen Container-Verkehr stattgefunden. Es konnten zwei Übereinkommen über Sicherheits- und Zollfragen im Container-Verkehr fertiggestellt werden. Siehe über das Übereinkommen über sichere Container vom 2. 12. 1972 (Gesetz v. 10. 2. 1976, BGBl. II Nr. 10) Franz und Hartwig, Hansa 1973 S. 345. Bezüglich eines Übereinkommens über die Haftung beim kombinierten Verkehr konnten dagegen Fortschritte nicht erzielt werden. Es wurde eine Entschließung gefaßt, daß seitens der UNCTAD weitere wirtschaftliche Studien veranlaßt und erst nach deren Beendigung eine abschließende Konferenz einberufen werden sollte. Vgl. wegen Einzelheiten Herber, Hansa 1973 S. 7 ff. Siehe auch von Brevem, Die Hamburger Konferenz des Comité Maritime International, Hansa 1974 S. 1451. Vgl. ferner Ramberg, CMI-Dokumentation 1973, Heft III S. 204 ff. 2. Die UNCTAD hat als Vorbereitungsgruppe die Interntional Preparatory Group (IPG) eingesetzt. Siehe über deren Arbeiten Ganter, ZLW 1975 S. 116. Im Februar 1976 haben Beratungen der IPG stattgefunden. Vgl. über deren Ergebnisse Ganter, Hansa 1976 S. 1035. Die IPG hat dem UNCTAD-Sekretariat den Auftrag erteilt, bis zu ihrer nächsten Sitzung im Januar 1977 erste Entwürfe zu einem künftigen Übereinkommen auszuarbeiten. Die Bestimmungen eines solchen sollen unabdingbar sein. Es soll alle Beförderungsmittel und die Beförderung aller Güter einbeziehen. Die Haftung des Beförderungsunternehmers soll sich hinsichtlich des Haftungsbetrages ähnlich dem Networksystem gestalten. Doch sollen sich die Haftungsvoraussetzungen auch bei bekanntem Schadensort nicht nach dem Teilstreckenrecht, sondern nach den eigenen Haftungsvorschriften des Übereinkommens richten, für das der Verschuldensgrundsatz mit umgekehrter Beweislast vorgesehen ist. 830
Durchfrachtvertrag, kombinierter Transport
Anh I § 656
3. Die Praxis hat sich deshalb mittlerweile selbst geholfen. Auf der Grundlage der TCM- 1 8 Konvention sind bereits Dokumente für den kombinierten Transport von Gütern erarbeitet und in den Verkehr eingeführt worden, so das Combined Transport Bill of Lading der Spediteurorganisation (FIATA) aus dem Jahre 1970, das Combined Transport Bill of Lading der den Australien-Verkehr betreibenden großen Container-Konsortien aus dem Jahre 1970 und das Combined Transport Bill of Lading (Combibil) der Baltic and International Maritime Conference (BIMCO) aus dem Jahre 1971. Auch für den Ostasien-Verkehr ist ein derartiges Dokument geschaffen worden (vgl. Meyer, Hansa 1975 S. 746). Schließlich hat sich auch die Internationale Handelskammer um ein kombiniertes Transportdokument bemüht und Ausgang 1973 die sog. „Uniform Rules for a combined Transport Document" verabschiedet (Ergänzung 1975). In ihm ist wie im TCM-Konvention und den erwähnten anderen privaten Dokumenten auf dem Network-System aufgebaut. Siehe auch die Untersuchungen des Institut du Droit International des transports, Rouen, 1975. Siehe auch unter Anm. 20. 4. Eine gesetzliche Regelung hat der kombinierte Transport in den §§ 77 und 78 des Seehan- 19 delsschiffahrtsgesetzbuchs der DDR erfahren. Nach § 77 Abs. 1 ist der Gesamtbeförderer dem legitimierten Inhaber eines Gesamtbeförderungsdokuments für die Güter von der Übernahme bis zur Ablieferung am Bestimmungsort verantwortlich. Er hat Schadensersatz zu leisten, wenn die Güter während dieser Zeit beschädigt werden oder verlorengegangen sind. Vereinbarungen, durch die der Gesamtbeförderer seine Schadensersatzpflicht auf eine Transport- oder Teilleistung beschränkt, sind unzulässig. Nach § 77 Abs. 2 ist der Gesamtbeförderer nach den Rechtsvorschriften verantwortlich, die für die Transportleistungen gelten, bei denen der Schaden eingetreten ist. Kann nicht ermittelt werden, bei welcher Transport- oder Teilleistung der Schaden entstanden ist, finden Seerechtsvorschriften Anwendung. Hat der Gesamtbeförderer Schadensersatz geleistet, so steht ihm der Rückgriff gegen den zu, bei dessen Transportleistung der Schaden eingetreten ist (§ 78 Abs. 1). Kann nicht ermittelt werden, bei welcher Transportleistung der Schaden eingetreten ist, so haben nach § 78 Abs. 2 die Beteiligten den Schaden nach dem Verhältnis ihrer Anteile an dem Gesamttransport zu ersetzen. Doch gilt das nicht für Beteiligte, die beweisen können, daß der Schaden nicht bei Erfüllung ihrer Leistungen entstanden ist. 5. Beispiel für die Haftungsklausel bei Combined Transport in einem Combined Transport 20 Bill od Lading: Combined Transport (1) Where the carriage called for by this Bill of Lading is Combined Transport, then subject to (b) (2), (c), (d) and (e) below and Clause 17: (a) The Carrier shall be liable for loss of or damage to the Goods occuring between the time that the Goods are accepted for transportation at the Place of Acceptance until the time that the Goods are delivered at the Place of Delivery. The Carrier shall however, not be liable for loss or damage arising or resulting from: (i) the wrongful act or neglect of the Merchant; (ii) compliance with the instructions of the person entitled to give them; (iii) the lack or insufficiency of, or the defective condition of packing in the case of goods which, by their nature, are liable to wastage or to be damaged when not packed or when not properly packed; (iv) handling, loading, stowage or unloading of the Goods by or on behalf of the Merchant; (v) inherent vice of the Goods; (vi) insufficiency or inadequacy of marks or numbers on the Goods, containers, transportable tanks, flats, pallets, cases or coverings; (vii) strikes or lockouts or stoppage or restraint of labour from whatever cause whether partial or general; (viii) any cause or event which the Carrier could not avoid, and the consequence whereof he could not prevent, by the exercise of reasonable diligence. (b) Where under (a) the Carrier is not liable in respect of some of the factors causing the loss or damage, he shall only be liable to the extent that those factors for which he is liable have contributed to the loss or damage. 831
A n h II § 6 5 6
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
(c) The burden of proving that the loss or damage was due to one or more of the causes or events specified in (i), (ii) and (viii) of (a) shall rest upon the Carrier. Where the Carrier establishes that, in the circumstances of the case, the loss or damage could be attributed to one or more of the causes or events specified in (iii) to (vii) of (a), it shall be presumed that it was so caused. The Merchant shall, however, be entitled to prove that the loss or damage was not, in fact, caused either wholly or partly by one or more of these causes or events. (d) For the purpose of determining the extent of the Carrier's liability for loss of or damage to the Goods, the sound value of the Goods shall be deemed to be their sound value at the place and time of their delivery to the receiver in accordance with this Bill of Lading, or if not so delivered, at the place and time when they ought to have been so delivered. The sound value of the Goods shall be fixed according to the commodity exchange price or, if there be no such price, according to the current market price, or if there be no commodity exchange price or current market price, by reference to the normal value of goods of the same kind and quality(e) The Carrier's liability for loss of or damage to the Goods shall not in any event exceed U.S. $ 2 per kilo of gross weight of the Goods lost or damaged. (f) The Carrier shall not be entitled to the benefit of the limitation of liability in (e) if it is proved that the loss or damage resulted from an act or omission of the Carrier done with intent to cause loss or damage and with knowledge that loss or damage would probably result. (g) Unless notice of loss of or damage to the Goods and the general nature of it be given in writing to the Carrier at the Place of Delivery before or at the time of the removal of the Goods into the custody of the person entitled to delivery thereof under this Bill of Lading or, if the loss or damage be not apparent, within six consecutive days thereafter, such removal shall be prima facie evidence of the delivery by the Carrier of the Goods as described in this Bill of Lading. (2) Subject to (c), (d) and (e) below and Clause 17, if it can be proved during which stage of transport the loss or damage occurred the Carrier and the Merchant shall, as to the liability of the Carrier, be entitled to require such liability to be determined by: (a) the provisions contained in any international convention or national law, which provisions cannot be departed from by private contract, to the detriment of the Merchant, and would have applied if the Merchant had made a separate and direct contract with the Carrier in respect of the particular stage of transport where the loss or damage occurred and received as evidence thereof any particular document which must be issud if such international convention or national law shall apply. An international convention or national law shall be applied as aforesaid only if it would have been applicable (i) by the law of the State in which the loss or damage occurred; or (ii) where the loss or damage occurred between the time of acceptance and the time at which the Goods were discharged at the final port of discharge, by the law of the State of the Place of Acceptance; or (iii) where the loss or damage occurred between the time at which the Goods were discharged at the final port of discharge and the time of delivery, by the law of the State of the Place of Delivery. The Merchant's choice of the relevant international convention or national law shall prevail over that of the Carrier; or (b) the Hague Rules contained in the International Convention for the unification of certain rules relating to Bills of Lading dated 25th August, 1924, in respect of loss or damage occurring during carriage by sea or during carriage by inland waterways (as if such carriage were carriage by sea) if no international convention or national law should be applied by virtue of (a) above. Anhang II zu § 656 Reine Konnossemente gegen Revers Schrifttum: Avrameas, La lettre de garantie, DMF 1962 S. 437 und 500; Albrecht, Reine Konnossemente gegen Revers, Hansa 1951 S. 1347; Dabelstein, Recht der Schiffahrt Bd. I Heft 832
Reine Konnossemente gegen Revers
Anh II § 656
9/10; ders., Hansa 1970 S. 1455; Dor, Bill of Lading Clauses, S. 91 ; van Doosachere, Le problème des clauses marginales et les lettres de garantie, Jurisprudence du Port d'Anvers 1957 S. 61 ; Lange, Zeichnung reiner Konnossemente gegen Revers, 1929; Lion, Reine Konnossemente gegen Revers, Hamburger Rechtsstudien Heft 7, 1930; Michler, HansRGZ 1933 A 495; Mittelbach, Das Verfahren „Reines Konnossement gegen Revers" und seine Lösungsmöglichkeiten, Diss. Hamburg 1962; Obussier, HansRGZ 1933 A 246; Pape, Reine Konnossemente gegen Revers, Seeverkehr 1968 S. 530; Perren, La Convention de Bruxelles sur les connossements du 25 août 1924 et les lettres de garanties, Jurisprudence du Port d'Anvers, 1957 Nr. 3; Sieg, Die Stellung des Versicherers bei reinen Konnossementen gegen Revers nach der neueren französischen Rechtsprechung, VersR 1960 S. 7; Wriede, Ausgewählte Probleme aus der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts zum Seehandelsrecht (Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht A 13), 1972, S. 13 f.; Wüstendörfer, SHR 305. Aus der Rechtsprechung des Auslands siehe Hansa 1955 S. 2153 und 1957 S. 644, Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts für See- und Binnenschiffahrt in Gdynia v. 20. 3. 1963 Hansa 1964 S. 796. Siehe für das Recht der USA Bonassies, D M F 1974 S. 744. 1. Nach den „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive", die 1 durch internationale Vereinbarung der Banken aufgestellt und von der Internationalen Handelskammer gebilligt sind, können Versanddokumente, die Mängelvermerke tragen, zurückgewiesen werden (Art. 16). Es ist deshalb verständlich, daß die Ablader versuchen, vom Verfrachter trotz erkennbarer Mängel der Ware ein reines Konnossement zu erhalten. Er wird versuchen, Vermerke des Verfrachters über die schlechte Beschaffenheit der Güter oder ihrer Verpackung abzuwenden, die dieser in das Konnossement aufzunehmen hätte, um die Beweisvermutung des Konnossements und die Haftung aus schuldhaft unrichtiger Konnossementsausstellung auszuschalten. Kommt der Verfrachter einem solchen Verlangen nach, so geschieht es regelmäßig nur gegen Zeichnung eines Reverses seitens des Abladers, in dem die Verpflichtung enthalten ist, den Verfrachter für etwaige Schäden, die aus der Ausgabe des reinen Konnossements entstehen könnten, freizustellen (Garantievertrag). Der Reversvertrag kann lediglich aus dem Grunde geschlossen werden, weil beim Verfrachter Zweifel darüber bestehen, ob wegen des Zustandes der Ware oder der Verpackung Anlaß zu einem Mängelvermerk besteht. Nimmt dann der Verfrachter von der Aufnahme des Mängelvermerks Abstand und läßt sich einen Revers für den Fall geben, daß sich seine Bedenken doch als berechtigt herausstellen, so ist hiergegen nichts einzuwenden. Auf dieser Linie liegen auch die Versuche, den Revers gegen Zeichnung eines reinen Konnossements auf internationaler Ebene zu regeln. Auch dann ist der Revers noch als gültig anzusehen, wenn der Verfrachter den Versicherungen des Abladers geglaubt hat, und zwar auch dann, wenn dieser ihn absichtlich getäuscht hat (RGZ 114, 341). Hat der Verfrachter in Kenntnis der Schadhaftigkeit der übernommenen Güter ein reines Konnossement gegen Revers ausgestellt, so ist der Reversvertrag wegen Sittenverstoßes schon dann nichtig, wenn beide Parteien wußten, daß das Konnossement geeignet ist, einen späteren Konnossementsinhaber über den Zustand der Güter zu täuschen (OLG Hamburg M DR 1970 S. 146). Demgegenüber meint OLG Hamburg MDR 1971 S. 846, daraus, daß der Reversvertrag gegen die guten Sitten verstoße, folge noch nicht ohne weiteres, daß er nichtig sei (so im Ergebnis auch LG Hamburg HansRGZ 1928 B Sp. 147, Michler HansRGZ 1933 A Sp. 495). Es sei für das deutsche Recht anerkannt, daß eine Nichtigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nicht eintrete, wenn dem Gesetz selbst etwas anderes zu entnehmen sei. Mit dem Reversvertrag stand für die Parteien die Absicht im Vordergrund, in ihrem Verhältnis zueinander die sich aus der Aushändigung des unrichtigen Konnossements möglicherweise ergebenden Folgen zu regeln und klarzustellen, wer von ihnen für einen etwaigen Schaden aufzukommen habe. Das allein reiche nicht aus, den Hauptzweck des Reversvertrages gerade in der Schädigung eines anderen zu sehen. Ein teilweiser Ausgleichsanspruch des Verfrachters gegen den Ablader ist jedoch auch von OLG Hamburg MDR 1970 S. 146 auf dem Wege gewährt worden, daß Verfrachter und Ablader als Mittäter einer gegenüber dem Empfänger begangenen unerlaubten Handlung gemäß § 826 BGB, dem sie als Gesamtschuldner hafteten, intern nach dem Grade ihrer Mitwirkung ausgleichpflichtig seien. Siehe dazu auch Wriede, Ausgewählte Probleme aus der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts zum Seehandelsrecht (Schriften des 833
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
Deutschen Vereins für Internationales Seerecht A 13), 1972 S. 13 f. Gegen OLG Hamburg MDR 1971 S. 846 und für Nichtigkeit des Geschäfts als unausweichliche Folge der Sittenwidrigkeit B G H Z 60, 102 = NJW 1973 S. 466 = Hansa 1973 S. 1645 = MDR 1973 S. 466. Um dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit entgegenzuarbeiten, wird der Verfrachter gut tun, sich in dem Revers eine Ermächtigung geben zu lassen, die ihn befugt, von der Erteilung des Reverses den Interessenten Mitteilung zu machen. Vgl. Albrecht, a. a. O. S. 1348. Siehe zum Revers auch Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts für See- und Binnenschiffahrt in Gdynia v. 20. 3. 1963, Hansa 1964 S. 796. 2 2. Von den Antwerpener Speditions- und Schiffsmaklern wurde folgendes Dokument ausgearbeitet, das regelmäßig in der dortigen Seehafenspedition benutzt wird und zudem die Behandlung der Streitfälle durch Schiedsrichter vorsieht: „Revers für nichtquantitative Klauseln, welche den Warenwert nicht beeinflussen Betr. (Aktenzeichen) Verschiffung
(Beschreibung der Ware) mit Schiff
abgefahren vom Hafen mit Bestimmung nach
am auf Konnossement Nr
Der (die) Unterzeichnete(n) (Name, Vorname oder Firmenbezeichnung mit Anschrift) nach Kenntnisnahme der im Mate's Receipt aufgenommenen Einschränkungsklausel (genauer Wortlaut der Klausel)
gibt (geben die ausdrückliche Versicherung, daß diese Klausel in keiner Weise mit irgendwelcher Abwertung der Güter übereinstimmt, und bittet(n) den Kapitän, von einer Erwähnung genannter Klausel in dem Konnossement Abstand zu nehmen, auf G r u n d der Vereinbarung, daß er (sie) den Kapitän sowie seine Agenten für die Nichteintragung dieser Klausel deckt (decken). Der (die) Unterzeichnete(n) verpflichtet(n) sich außerdem, den Kapitän für sämtliche direkten oder indirekten Folgen, welche für ihn durch die Nichteintragung oben erwähnter Klausel im Konnossement entstehen könnten, zu entschädigen. Er wird (sie werden) nach Vorlage der Beweisstücke, welche die Reederei oder ihre Agenten ausgelegt haben, zufolge erhobener Klagen gegen den Kapitän auf Grund der oben angeführten Beschaffenheiten der Güter, zurückerstatten. Diese Verpflichtung ist gültig für einen Zeitraum von 14 Monaten ab Auslieferung der Güter an den Träger des Konnossements; allerdings darf dieser Zeitraum nicht kürzer sein als jede im Land der Löschung allgemein geltende Verjährungsfrist plus 2 Monate. Diese Bedingung beeinflußt die Folgen einer Unterbrechung der gesetzlichen Verjährungsfrist nicht. Der Schiffsagent, Inhaber dieses Verpflichtungsscheines, übernimmt nachstehende Verpflichtungen: a) Die Reeder zu ersuchen, ihn umgehend zu verständigen im Falle irgendwelcher Beschwerden seitens des Empfängers, Inhaber des Konnossements, sowie dem (den) Unterzeichneten hierüber zu benachrichtigen, b) Die Reeder aufzufordern, keine Zahlungen ohne vorherige, rechtzeitige Benachrichtigung an den (die) Unterzeichneten zu leisten. Falls, wider Erwarten, zwischen dem Schiff oder seinen Agenten einerseits, sowie dem (den) Unterzeichneten andererseits, Streitigkeiten bzgl. dieses Verpflichtungsscheines entstehen sollten, erklären sich die Parteien von vornherein damit einverstanden, den Fall zwei Schiedsrichtern zu unterbreiten. Ein Schiedsrichter wird bestimmt durch die Fédération Maritime 834
§657
Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
d'Anvers, der andere durch die Union des Expéditeurs d'Anvers, bzw. durch das Groupement der Agents Maritimes d'Usines. Im Falle einer Uneinigkeit zwischen den in dieser Form ernannten zwei Schiedsrichtern werden diese beiden einen dritten Schiedsrichter aus einer im voraus von der Fédération Maritime d'Anvers, der Union des Expéditeurs d'Anvers und dem Groupement der Agents Maritimes d'Usines ausgestellten Liste von Rechtsanwälten wählen. Dieser dritte Schiedsrichter wird durch diejenige Partei, welche hierzu als erste die Initiative ergreift, herangezogen. In dem Falle, daß sich die zwei Schiedsrichter über die Wahl eines dritten nicht einig werden, wird jener dritte aus der vorliegenden Liste durch das Los bestimmt. In diesem Falle bilden die drei Schiedsrichter ein Kollegium, das aller gesetzlichen Formalitäten enthoben ist. Die Schiedsrichter entscheiden in letzter Instanz und im Sinne eines Vergleichs. Die Unterzeichnung dieses Revers gilt zu gleicher Zeit als Unterschrift des Schiedsrichterkompromisses. Die Parteien verpflichten sich, dieses Schiedsverfahren anzuerkennen und den Schiedsspruch bedingungslos auszuführen. Der (die) Unterzeichnete(n) erklärt (erklären) die erforderlichen Vollmachten hierfür zu besitzen." §657 (1) Ist die Fracht nach der Menge (Maß, Zahl oder Gewicht) der Güter bedungen und im Konnossement die Menge angegeben, so ist diese Angabe für die Berechnung der Fracht entscheidend, wenn nicht das Konnossement eine abweichende Bestimmung enthält. Als eine solche ist ein Zusatz nach § 646 nicht anzusehen. (2) Wird wegen der Fracht auf den Frachtvertrag verwiesen, so sind hierin die Bestimmungen über Löschzeit, Überliegezeit und Liegegeld nicht als einbegriffen anzusehen. Schrifttum: 340. Einleitung
Capelle, Frachtcharter S. 401; Pappenheim,
HB 3 S. 340; Wüstendörfer,
SHR
§ 657 Abs. 1 war bis zum SFrG § 656, § 657 Abs. 2 § 651 Abs. 2 Satz 2.
1. Die Auslegungsregel des § 620 HGB, wonach die nach Maß, Gewicht oder Menge der Gü- 1 ter bedungene Fracht nach abgeliefertem Maß, Gewicht oder Menge berechnet wird, wird ausgeschlossen für den Fall, daß die besonderen Voraussetzungen des § 657 Abs. 1 gegeben sind. Auch im § 657 Abs. 1 handelt es sich darum, daß die Fracht nach Menge (Zahl, Maß oder Gewicht) der Güter bedungen ist, daß aber das Konnossement die Menge der Güter angibt. Ist die Fracht z. B. nach Gewicht bedungen, so greift aber der § 657 Abs. 1 nur Platz, wenn das Konnossement das Gewicht der Güter enthält, während es nicht genügt, daß das Konnossement die Menge der Güter nach Maß angibt (HG und O G Hamburg HansGZ 1874 Nr. 206; vgl. Prot. 2340). Dagegen wird die Anwendbarkeit des § 657 Abs. 1 nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Gewicht der Güter in andersartigem Gewicht angegeben ist als das, in dem die Fracht ausbedungen ist. 2. Sind die Voraussetzungen des § 657 gegeben, so greift die Auslegungsregel des § 620 nicht 2 Platz, sondern die Angabe der Gütermenge im Konnossement ist schlechthin maßgebend, ohne Zulässigkeit eines Gegenbeweises ( H G Hamburg HansGZ 1875 Nr. 159; O A G Lübeck SeuffA Bd. 27 Nr. 251 ; R O H G 1 Nr. 60; 6 Nr. 78; 12 Nr. 109; HansOLG HansGZ 1894 Nr. 52; Pappenheim, HB 3 S. 518; Mittelstein, HB 252 für den entsprechenden § 63 BSchG. — Anders nur Trib. Königsberg BuschsA Bd. 12 S. 373, welches den Beweis des Irrtums zulassen will). Es steht also nicht im Rahmen des Kapitäns, eine andere Grundlage für die Frachtberechnung zu wählen und die Aufwendungen dafür (Messen, Wägen) vom Empfänger ersetzt zu erlangen : HansOLG HansGZ 1888 Nr. 89. Da es sich um eine Angabe des Konnossements handelt, so gilt diese Vorschrift für das Verhältnis des Verfrachters und des Empfängers (Mittelstein, HB 252); für das Verhältnis des Verfrachters zum Befrachter ist die Mengenangabe des Konnossements nur dann von Bedeutung, wenn darin der ursprüngliche oder abgeänderte Frachtvertrag zum Ausdruck gelangt (Pappenheim, HB 3 S. 518; Mittelstein, HB 252; vgl. Anm. 29 zu § 656 HGB). Die im Konnossement angegebene Menge kann der Sachlage gemäß nur eine Angabe über 3 die Menge der eingenommenen Güter sein; die im Konnossement angegebene Menge gilt un835
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widerleglich als eingenommen (ROHG 1, 201; RGZ 14, 117; Mittelstein, LZ 1916, 210). Durch den Grundsatz über die Berechnung der Fracht wird aber nichts an dem Satz des § 617 HGB geändert, daß für durch einen Unfall verlorene Güter keine Fracht zu zahlen ist (Boyens, Bd. 2 S. 358). Obwohl nach der Regel des § 617 dem Verfrachter die Beweislast obliegt (Anm. 6 zu § 617), ist das hier anders, weil dem Verfrachter die Angabe des Konnossements schlechthin beweisend zur Seite steht. Deshalb muß der Empfänger, der nur für eine geringere als im Konnossement bezeichnete Menge Fracht bezahlen will, beweisen, daß der Ausfall auf einem Verlust durch Unfall beruht. 3. Eine Ausnahme gilt, wenn das Konnossement eine abweichende Bestimmung enthält. a) Eine abweichende Bestimmung ist, wie § 657 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich betont, der Zusatz nach § 646 HGB nicht, denn dieser hat nichts mit der Frachtberechnung zu tun, sondern bezweckt, die Haftung des Konnossementsschuldners für die Richtigkeit der Ziffern auszuschließen (Pappenheim, HB 3 S. 519 Anm. 1). Es muß vielmehr klar und deutlich gesagt sein, daß sich der Zeichner des Konnossements den darin gemachten Quantitätsangaben betreffs seiner Fracht nicht unterwerfe (ROHG 1, 202. Beispiel: „measurement subject to correction". HansOLG HansGZ 1881 Nr. 60; verneint HansOLG HansGZ 1913 Nr. 82: on intaken weight inserted above as agreed). Es genügt also nicht ein allgemeiner Protest („signed under protest": ROHG a. a. O.), wogegen ein Protest „wegen Übermaßes" (ROHG 6, 350) oder „wegen Mindermaßes" (HG Hamburg HansGZ 1876 Nr. 27) ausreicht, auch ein Vermerk, worin die Zahl als streitig bezeichnet wird (Boyens, Bd. 2 S. 357). Keine abweichende Bestimmung liegt vor, wenn die Fracht nach dem „actual gross weight shipped" berechnet werden soll. Hiermit soll gesagt sein, daß das im Konnossement angegebene Gewicht als wirklich eingenommenes Bruttogewicht anzusehen sei (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 50; 1902 Nr. 90; 1907 Nr. 59). Ebenso Trib. de commerce du Havre, Revue Autran Bd. 18 S. 848 ff., welches aber den Gegenbeweis gegen die Richtigkeit des vom Ablader angegebenen Gewichts zuläßt. Die Bestimmung, daß die Fracht zu zahlen sei „on the whole being delivered" bezieht sich nur auf den Zeitpunkt der Zahlung (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 52). Fälle, wo das Konnossement es zur Wahl des Schiffes stellte, ob es das amerikanische Fakturengewicht oder das ausgelieferte Gewicht zugrunde legen wollte, s. HansOLG OLG Rechtspr. 22, 53 und HansGZ 1914 Nr. 89. Auch dann ist die Regel des § 657 ausgeschaltet, wenn das Konnossement bestimmt, die Fracht sei nach Empfängers Wahl zu zahlen nach ausgeliefertem Gewicht oder nach Konnossementsgewicht abzüglich 2% (HansOLG HansGZ 1906 Nr. 134). Dagegen hat den § 656 a. F. (jetzt § 657) RGZ 87, 227 angewendet, obwohl im Konnossement bestimmt war, daß für jeden ausgelieferten Kubikfuß die Fracht bezahlt werden sollte (s. gegen dieses Urteil Mittelstein, LZ 1916 S. 209 bis 212; Pappenheim, HB 3 S. 519 Anm. 1). b) Das Konnossement soll die abweichende Bestimmung enthalten. Das schließt nicht aus, daß dieselbe in einer mit dem Konnossement verbundenen Protesturkunde steht (ROHG 1, 204; 6, 348). Fraglich erscheint, wieweit in der bloßen Bezugnahme auf die Frachtbestimmungen der Chartepartie (§ 656 Abs. 3) eine „abweichende Bestimmung" liegt (vgl. dazu auch HG Hamburg HansGZ 1875 Nr. 118; 1876 Nr. 27; RG HansGZ 1914, 305 Sp. 1). aa) Wenn die Chartepartie Frachtberechnung nach eingenommener Quantität anordnet, liegt eine „abweichende Bestimmung" nicht vor: denn hiermit steht nicht im Widerspruch, daß nach dem Konnossement die darin angegebene Quantität als eingenommen zu gelten hat (ROHG 12 Nr. 109; RGZ 14, 117; HansOLG HansGZ 1888 Nr. 89). bb) Sagt die Chartepartie gar nichts, gilt also für sie die Auslegungsregel des § 620, so liegt gleichfalls eine abweichende Bestimmung nicht vor (so Boyens, Bd. 2 S. 358 und das von ihm zitierte Urteil des OLG Stettin; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 5 zu § 657; dahingestellt vom RGZ 14, 117). Es gilt dann also § 657. cc) Wenn die Chartepartie Frachtberechnung nach ausgeliefertem Gewicht („weight delivered") anordnet, ausdrücklich oder stillschweigend (z. B. durch Hinweis auf einen Ermittlungsmodus im Löschungshafen: RGZ 14, 117), so ist eine abweichende Bestimmung gegeben (LG Oldenburg Zeitschr. f. Verwaltung und Rechtspflege in Oldenburg Bd. 15 S. 383 ff.; HansOLG HansGZ 1888 N89; RGZ 14, 117; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1908 S. 169, wo der Empfänger 836
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Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
trotzdem Fracht nach dem höheren Konnossementsgewicht gezahlt hatte). „Fret payable sur le poids délivré ou sur le poids porté au connaissement moins IV2 pour cent, à l'option du destinataire" (Trib. de commerce du Havre, Revue Autran Bd. 18 S. 187 ff.); „fret payable sur poids délivré et reconnu par poids public" (AppH. Algier daselbst S. 823). Siehe ferner den eigenartigen Fall des R G HoldheimsMSchr. Bd. 18 S. 107: es soll der Frachtverrechnung nach § 657 entgegenstehen, daß die im Konnossement angezogene Charter gestattet, daß auf Verlangen des Kapitäns die Fracht auf Grund einer bestimmten Messung bei der Ausladung entrichtet werde. 4. Abs. 2 bestimmt, daß „Fracht laut Chartepartie") gegeld beziehen soll. Sollen sel dementsprechend weiter
die Verweisung wegen der Fracht auf den Frachtvertrag (etwa sich nicht auf die Bestimmungen über die Löschzeit und das Lieauch diese in die Verweisung einbegriffen sein, so muß die Klaugefaßt sein.
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§658 (1) Ist in den Fällen der §§ 606, 607 für gänzlichen oder teilweisen Verlust von Gütern Ersatz zu leisten, so hat der Verfrachter den gemeinen Handelswert oder den gemeinen Wert zu ersetzen, den Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsort der Güter bei Beginn der Löschung des Schiffes oder, wenn das Schiff an diesem Ort nicht entlöscht wird, bei seiner Ankunft daselbst haben; hiervon kommt in Abzug was infolge des Verlustes an Zöllen und sonstigen Kosten sowie an Fracht gespart wird. (2) Wird der Bestimmungsort der GUter nicht erreicht, so tritt an dessen Stelle der Ort, wo die Reise endet, oder, wenn die Reise durch Verlust des Schiffes endet, der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist Schrifttum: Capelle, Frachtcharter S. 358; Lebuhn, Internationale Transport-Zeitschrift 1959 S. 3409 (Zulässigkeit besonderer Wertbestimmungsvorschriften im Konnossement); Leo, HansRZ 1925, 419; Pappenheim, H B 3 S. 452ff.; Selvig, Unit Limitation of Carrier's Liability, Oslo 1960; Wüstendörfer, S H R 283 f. 1. Die Bestimmung (früher § 611) regelt die Höhe des Schadensersatzes für verlorene Güter 1 im Falle der §§ 606, 607 HGB. Er wird (innerhalb der Höchstwertgrenze des § 660 H G B ) auf den gemeinen Handelswert begrenzt. Wegen des Ersatzes für beschädigte Güter vgl. § 659 HGB. Zu beachten ist, daß § 658 nur im Falle der Haftung des Verfrachters aus §§ 606, 607 zur Anwendung kommt, nicht also, wenn dieser aus einem anderen Grunde haftet, etwa aus § 559 H G B (anfängliche See- oder Ladungsuntüchtigkeit) oder aus § 565 H G B (unbefugte Umladung). Anders als nach § 430 Abs. 3 H G B im Landfrachtgeschäft (der gemäß § 26 BSchG auch für das Binnenschiffahrtsrecht gilt) kommt die Beschränkung der Ersatzpflicht auf den gemeinen Handelswert auch dann zur Anwendung, wenn den Verfrachter oder seine Leute Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit trifft. Darin liegt eine Härte für die Ladungsbeteiligten, die indessen dem gegenwärtigen Rechtszustand entspricht. Die Haager Regeln zwangen nicht zur Beibehaltung der Beschränkung auf den Ersatz des gemeinen Handelswerts. Ihrerseits kennen sie nur die Beschränkung des Art. IV § 5, die sich für das deutsche Recht in § 660 H G B findet. Doch stehen die H R auch den §§ 658, 659 nicht entgegen, denn sie bestimmen nicht, daß der Verfrachter im Rahmen des Höchstbetrages auf das volle Interesse haftet. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, diese für die Ladungsbeteiligten mißliche Rechtslage zu mildern. So ist noch in der 2. Auflage dieses Kommentars (Anm. 3 zu § 606 H G B ) die Auffassung vertreten worden, neben der „Rezeptumhaftung" aus § 606 a. F. auf den gemeinen Handelswert gäbe es noch eine frachtvertragliche Haftung des Verfrachters aus Verschulden auf das volle Interesse. Doch hatte diese Ansicht bereits seit dem Inkrafttreten des H G B den Boden verloren, weil das H G B — anders als das A H G B , in dem die Rezeptumhaftung in Art. 607 auch für Zufallschaden bis zur Grenze der höheren Gewalt enthalten war — in §§ 611, 613 a. F. deutlich auf die Haftung aus dem Frachtvertrag verwies. Das tun auch die jetzigen §§ 658 f. mit dem Hinweis auf die §§ 606, 607 HGB. Vgl. HansOLG HansRGZ 1930 B Nr. 216; Leo, HansRZ 1925, 418 ff.; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 2 zu § 658. Während somit die Beschränkung auf den gemeinen Handelswert infolge § 485 Satz 2 H G B
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§658
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
auch dann von Bestand bleibt, wenn ein mit dem Verfrachter nicht identischer Reeder nach § 485 Satz 1 H G B ein Verschulden eines Besatzungsmitgliedes zu vertreten hat, stellt sich die Frage, ob der Ladungsbeteiligte jedenfalls dann vollen Ersatz seines Schadens verlangen kann, wenn er gegen den Verfrachter deliktische Ansprüche aus §§ 823, 831 BGB geltend macht. In Anm. 28 ff. zu § 485 HGB ist ausgeführt worden, daß sich der Ladungsbeteiligte regelmäßig auch hinsichtlich deliktischer Ansprüche dem vertraglichen Haftungsmaßstab unterwirft. Dabei muß es auch im Falle der §§ 658, 659 sein grundsätzliches Bewenden haben, so daß jedenfalls regelmäßig auch über die Deliktsnormen nicht der volle Schadensersatz erzielt werden kann (anders Wüstendörfer, SHR 286; Leo, a. a. O.; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 3 zu § 658 HGB; Gramm, Seefrachtrecht S. 88, 177; Prüssmann, § 658 B 2; der hier vertretenen Ansicht zustimmend Selvig, a. a. O. S. 130; Helm, Haftung für Schäden an Frachtgütern, 1966 S. 309 ff.). 2
2. Zu ersetzen ist a) der gemeine Handelswert, in dessen Ermangelung der gemeine Wert. Der Ersatz des entgangenen Gewinns kommt also nicht in Betracht. §§ 249, 252 BGB gelten nicht. Von einem gemeinen Handelswert kann nur bei marktgängigen Gütern die Rede sein, in denen ein regelmäßiger Umsatz stattfindet ( R G Z 96, 125; 98, 151); bei anderen Gütern (Beispiele: Ölgemälde R G HansRZ Bd. 3, 39; Reisegepäck HansOLG HansGZ 1894 Nr. 20), sowie dort, wo sich ein Marktpreis nicht ermitteln läßt, entscheidet der gemeine Wert. Bei teilweisem Verlust kommt in Betracht nur der Wert der verlorenen Stücke, nicht die durch den Verlust entstandene Wertverminderung des Ganzen (RG Bolze 2 Nr. 965). Spekulationspreise sind nur dann zu zahlen, wenn sie dem gemeinen Handelswert oder gemeinen Wert entsprechen (vgl. auch R G Z 100,103). Der Ersatzberechtigte kann in den Fällen der §§ 606, 607 nach § 658 Abs. 1 stets den gemeinen Handelswert der Güter oder ihren Ankunftswert fordern, gleichgültig, ob sein Schaden tatsächlich größer oder kleiner gewesen ist (RGZ 117, 131; OLG Hamburg VersR 1964 S. 401 = M D R 1964 S. 851 = Hansa 1964 S. 934; Wüstendörfer, SHR 285; Prüssmann, § 658 C 6). Mit Unrecht führt das HansOLG HansGZ 1885 Nr. 52 aus, der zu ersetzende Betrag erhöhe sich um die Einkaufs- und Bankierkommission, welche für die Anschaffung von Ersatzgütern hätte gezahlt werden müssen: da diese Spesen nicht gezahlt sind und dem Ersatzberechtigten auch nicht zugute gekommen wären, liegt kein Grund vor, sie ihm zu ersetzen. Nicht unzulässig ist die reale Nachlieferung der wiedergefundenen Güter nebst Zahlung etwaigen Verlustsan Marktwert (HansOLG HansGZ 1904, 88). 3 b) Der zu a genannte Wert am Bestimmungsorte (vgl. Pappenheim, HB 3 S. 457 Anm. 1) der Güter bei Beginn der Löschung des Schiffes (RGZ 107, 214), bzw. wenn eine Entlöschung an diesem Orte nicht erfolgt, zurZeit der Ankunft des Schiffes daselbst. Diese örtlichen und zeitlichen Modalitäten sind mit Rücksicht auf die Zweckbestimmung der Güter entscheidend ( D R 258). Wird der Bestimmungsort der Güter nicht erreicht, so tritt an dessen Stelle der Ort, wo die Reise endet, oder, wenn die Reise durch Verlust des Schiffes endet, der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist (Abs. 2). Keine Bestimmung trifft das Gesetz für den Fall, daß Schiff und Ladung verlorengehen. Außer acht gelassen ist dabei nur, daß oftmals der wirkliche Bestimmungsort der Güter nicht identisch ist mit dem hier allein maßgebenden Bestimmungsort des vorliegenden Seetransports (vgl. Prot. 3920). Praktisch wird dies in den Fällen der durchgehenden Konnossemente (Anhang 1 zu § 656). — Gleichgültig ist, welchen Preis das Gut im Nothafen, als es unberechtigterweise vom Kapitän verkauft wurde, erzielt hat (HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 326). Die Berechtigung des Verkaufs hat der Verfrachter zu beweisen ( H G Hamburg a. a. O.). 4
Daraus, daß der Wert der Güter bei Beendigung der Reise zu ersetzen ist, folgt, daß der Verfrachter den Wert eines Gewichtsverlusts, der auf der Reise eingetreten ist, oder, wenn die Güter noch vorhanden gewesen wären, mit Sicherheit eingetreten sein würde, kürzen kann (HansOLG HansGZ 1885 Nr. 52), vorausgesetzt, daß er nicht etwa für diesen Gewichtsverlust haftbar ist. 5 c) Unter Abzug dessen, was infolge des Verlustes an Zöllen und sonstigen Kosten sowie an 838
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§658
Fracht erspart ist. Zu den „sonstigen Kosten" gehören vor allem die Kosten der Löschung, soweit sie vom Empfänger zu tragen sind (§ 593 HGB). Bezüglich der Fracht vgl. §§617, 618 HGB. Ein endgültig vorausbezahlter Frachtvorschuß (Anm. 8 zu § 617) wird nicht mehr erspart, kann also nicht abgezogen werden. Der wegen Auslieferung des Gutes an seinen nicht durch Konnossement legitimierten Käufer Ersatz fordernde Ablader muß sich vom Werte des Gutes die Anzahlung des Käufers abziehen lassen, um die er sonst ungerechtfertigt bereichert wäre (HansOLG HansGZ 1909, 294). Nicht abziehen darf der Verfrachter die dem Ladungsbeteiligten auf Grund des Schadensfal- 6 les gezahlten Versicherungsgelder. Die Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger und gegen den Versicherer stellen ein Gesamtschuldverhältnis nicht dar (HansOLG HansGZ 1886 Nr. 75; RGZ 61, 60ff.; unechtes Gesamtschuldverhältnis). Ebensowenig hat der Versicherer, wenn er zahlt, damit die Absicht, den Schädiger von seiner Verpflichtung zu befreien, für ihn zu zahlen. Irgendein Rechtsgrund, die Verpflichtung des Schädigers insoweit erlöschen zu lassen als der Versicherer bereits gezahlt hat, ist somit nicht gegeben. Nicht einmal von einer ungerechtfertigten Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers ist die Rede. Regelmäßig ist der Geschädigte gesetzlich oder vertragsmäßig verpflichtet, seinen Entschädigungsanspruch dem Versicherer abzutreten oder ihn für denselben geltend zu machen (§ 805 H G B vgl. § 804 HGB; §§ 45, 46 ADS); er behält also den doppelten Gegenwert nicht in der Hand. Aber auch dort, wo der Versicherer auf die Abtretung keinen Anspruch hat, ist der Versicherte vielleicht auf Kosten seines Versicherers ungerechtfertigt bereichert, aber nicht auf Kosten des Schädigers (HansOLG HansGZ 1887, 282): ja dieser würde, wenn er durch die Leistung des Versicherers befreit würde, auf Kosten des letzteren ungerechtfertigt bereichert sein. Ein Anspruch des Schadensersatzpflichtigen auf Anrechnung der Zahlungen des Versicherers — der übrigens folgerichtig dazu führen müßte, daß dem Ersatzpflichtigen ein Recht auf Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen den Versicherer zustände —, ist also unter allen Umständen (anders R G Z 15, 83 ff.; HansOLG HansGZ 1886, 176 = SeuffA Bd. 43 Nr. 52; Boyens, Bd. 2 S. 240) zu verneinen (RGZ 20, 70; 64, 353; 70, 102; R G SeuffA Bd. 55 Nr. 74; HansOLG HansGZ 1889, 282). Zweifelhaft ist es, ob § 255 BGB zur Anwendung kommt. Die Frage ist richtiger Ansicht nach zu verneinen, weil der Verfrachter keinen vollen Schadensersatz geleistet hat (so auch Schlegelberger-Liesecke, Anm. 4 zu § 658; anders Prüssmann, § 658 B 5, wenn die Ersatzleistung trotz der Beschränkung gemäß § 255 BGB ausnahmsweise den vollen Schaden deckt). Der wegen Falschauslieferung der Ladung zum Schadensersatz verpflichtete Verfrachter kann den Konnossementsinhaber grundsätzlich nicht auf dessen Rechtsbeziehungen mit dem Partner des Warenumsatzgeschäfts verweisen (OLG Hamburg VersR 1964 S. 401 = Hansa 1964 S. 934 = MDR 1964 S. 864). d) Anderweitige vertragsmäßige Festsetzung der Ersatzsumme ist zulässig, da § 658 kein zwin- 7 gendes Recht ist. Er ist in § 662 HGB nicht erwähnt. Klauselmäßig wird denn auch häufig der zu ersetzende Wert noch eingeschränkt. Vgl. OLG Hamburg VersR 1976 S. 1060. 3. Klagegegenstand. Der Empfangsberechtigte kann klagen entweder auf Herausgabe der 8 Ladungsgüter oder auf deren Wert (HansOLG HansGZ 1887 Nr. 118). Klagt er auf Herausgabe, so kann er gemäß § 255 ZPO, § 283 BGB vorgehen; wenn der Verfrachter beweist, daß er infolge Verlustes zur Herausgabe nicht in der Lage ist, kann er den Klagantrag gemäß § 268 Abs. 3 ZPO ändern. Klagt er auf den Sachwert, so kann der Verfrachter noch bis zum Urteil die Güter selbst anbieten (vgl. HansOLG HansGZ 1893 Nr. 78; 1904, 88; weitergehend HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 108). Der Verfrachter kann, wenn die Ware gemäß § 535 HGB veräußert ist und er für den Anlaß hierzu nicht aufzukommen hat, den Verkaufserlös statt des Gutes anbieten (Boyens, Bd. 2 S. 239); im Fall des § 541 Abs. 1 HGB kann er sich gegenüber der Klage auf das Gut durch Hergabe des Sachwerts bzw. des diesen übersteigenden Verkaufserlöses (§ 541 Abs. 2 HGB) befreien. Wenn der Ersatzberechtigte im Laufe des Prozesses die Substantiierung seines Ersatzanspruchs ändert, so ist dies keine Klagänderung (HansOLG HansGZ 1886 Nr. 76). 4. Beweislast. Zunächst ist auf die allgemeinen Regeln Anm. 21 ff. zu § 606 H G B zu verwei- 9 sen. Der Ersatzberechtigte ist dafür beweispflichtig, welches der Wert der verlorenen Güter an dem maßgebenden Orte zur maßgebenden Zeit gewesen ist, der Verfrachter dagegen für die 839
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
Höhe der von ihm geltend gemachten Abzüge. War der Schaden geringer als der gemeine Handelswert, so kann der Ladungsbeteiligte den gemeinen Handelswert als gesetzlich festgelegtes Ersatzminimum ebenfalls fordern (so die h. M. ; vgl. etwa Wüstendörfer, SHR 285 ; Prüssmann, § 658 C 6; R G Z 117, 131 ; OLG Hamburg VersR 1964 S. 401 = M D R 1964 S. 851 = Hansa 1964 S. 934). Ist durch den Verlust nachweislich kein Schaden entstanden (für die Liquiditation des Drittinteresses gelten die allgemeinen Regeln, so wenn etwa ein Spediteur als Ladungsbeteiligter für fremde Rechnung Drittschadensersatz begehrt), so soll nach HansOLG HansRGZ 1935 B 367 dennoch der gemeine Handelswert gefordert werden dürfen. Dagegen mit Recht Pappenheim, HB 3 S. 459 f. und, ihm folgend Wüstendörfer, SHR 285, Schlegelberger-Liesecke, § 658 Anm. 8, Prüssmann, § 658 B 6. 10
5. Ausländisches Recht. Vgl. den Überblick bei Dor, Bill of Lading Clauses and the International Convention of Brüssels 1924 (Hague Rules), S. 143 f.; Lebuhn, Internationale TransportZeitschrift 1959 S. 3409. Siehe auch US Court of Appeals i. S. McAllister & Co. v. Skibs A / S „Marie Bagge", AMC 1958 S. 2432: Die Konnossementsklausel, nach der die Höhe des Ladungsschadens nach dem Fakturenwert plus Versicherung und Zoll zu verrechnen ist, steht im Widerspruch zu sect. 3 (8) des US-Carriage of Goods by Sea Act, weil nach diesem der Wert a m Bestimmungsort maßgeblich ist. Siehe dazu Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln S. 185ff. Nach US Court of Appeals AMC 1959 S. 2230 = Recht der Schiffahrt 3 5 - 4 9 - 9 0 soll der Einkaufswert maßgeblich sein, wenn kein höherer Wert nachgewiesen ist. Im angloamerikanischen, französischen und belgischen Recht fehlen sonst dem § 658 entsprechende Bestimmungen. Die Regelungen Spaniens (Art. 11 Ges. vom 22. 12. 1949, der Niederlande (Art. 472, 473 WvK) und Griechenlands (Art. 139, 140) besagen nur, daß der Wert der Güter zur Zeit der Ankunft am Bestimmungsort maßgeblich sei, stellen jedoch nicht auf den gemeinen Handelswert ab. §659 Ist in den Fällen der §§ 606, 607 für Beschädigung von Gütern Ersatz zu leisten, so hat der Verfrachter den Unterschied zwischen dem Verkaufswert der Güter im beschädigten Zustand und dem gemeinen Handelswert oder dem gemeinen Wert zu ersetzen, den die Güter ohne die Beschädigung am Bestimmungsort zur Zeit der Löschung des Schiffes gehabt haben würden ; hiervon kommt in Abzug, was infolge der Beschädigung an Zöllen und sonstigen Kosten erspart ist. Einleitung Der Paragraph gibt eine dem § 658 entsprechende Vorschrift für den Fall der Beschädigung der Güter. Er entspricht seit dem SFrG dem früheren § 613 HGB. Wegen des Schrifttums siehe die Angaben zu § 658 HGB.
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1. Die Vorschrift gilt allein für den Fall der Beschädigung der Güter. Siehe Anm. 12 zu § 606 H G B darüber, was unter Beschädigung zu verstehen ist. Vgl. auch die Ausführungen in Anm. 1 zu § 658 HGB, daß es sich bei der Haftung nach §§ 658, 659 nur um die Haftung gem ä ß den §§ 606, 607 H G B handelt. Ebenso wie im Falle des § 658 (siehe dort Anm. 7) handelt es sich auch bei § 659 im deutschen Recht um eine dispositive Bestimmung, so daß auch ein anderer Wert, etwa der Versicherungswert oder der Fakturenwert als maßgeblich vereinbart werden kann. Siehe in Anm. 1 zu § 658 auch die Ausführungen darüber, daß der gemeine Wert auch bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Verfrachters oder seiner Erfüllungsgehilfen, insbesondere auch der Schiffsbesatzung, in Betracht kommt. Siehe dort auch über die Rechtslage, wenn ein deliktischer Anspruch geltend gemacht wird.
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2. Der Ersatzberechtigte kann nur den im Texte bezeichneten, von ihm zu beweisenden Wertunterschied fordern, und zwar auch dann, wenn die Güter infolge der Beschädigung nunmehr zu einer anderen Spezies geworden sind (Beispiel: eine medizinische Flüssigkeit ist nur noch als Stiefelwichse verwendbar). Die Ermittlung des Verkaufswerts der beschädigten Güter kann entweder durch Verkauf oder durch Sachverständige erfolgen (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 20; 1903, 144 = OLG Rechtspr. 6, 471 ; Mittelstein, HB 2); sie ist an keine Frist gebunden (vorbehaltlich der §§ 611, 612 HGB). Erfolgt sie durch Verkauf, so ist Verkaufswert der Nettowert, also der Erlös abzüglich der Verkaufsspesen. Der Ersatzberechtigte kann nicht etwa die Güter zurückweisen und den vollen Wert verlangen ( R O H G 11, 294; 13, 416; H G Hamburg 840
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Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
HansGZ 1870 Nr. 315, wo eine angebliche diesbezügliche Usance als irrationell bezeichnet wird; HansOLG HansGZ 1913, 122; Pappenheim, HB 3 S. 458; Mittelstein, HB 271); odersich anderweitig eindecken ( H G Hamburg HansGZ 1875 Nr. 191); nur dann kann der volle gemeine Handelswert oder Wert gegen Preisgabe des Gutes verlangt werden, wenn dieses derartig beschädigt ist, daß es zur Zeit gar keinen Verkaufswert mehr hat (RG JW 1893 S. 39 = Bolze Bd. 14 Nr. 406 b). Der Wertunterschied kann andererseits auch dann gefordert werden, wenn die Kosten der Reparatur des Gutes niedriger sind (HansOLG OLGRechtspr. 6, 472). Bei teilweiser Beschädigung der Güter braucht nur der beschädigte Teil nach Maßgabe des § 659 ersetzt zu werden, es müßte denn sein, daß die ganze Sendung ein derartig untrennbares Ganzes bildet, daß die Beschädigung des Teils zugleich eine solche des Ganzen darstellt ( R O H G 15, 3 7 4 f f . ; R G Z 15, 134). Was den Abzug der Ersparungen anlangt, so ist die Fracht nicht erwähnt, weil auch für be- 3 schädigte Güter stets Fracht zu zahlen ist. 3. Eine dem § 658 Abs. 2 entsprechende Bestimmung fehlt. Diese Lücke ist durch analoge 4 Anwendung des § 658 Abs. 2 auszufüllen (Boyens, Bd. 2 S. 243). §660 In jedem Fall haftet der Verfrachter für jede Packung oder Einheit bis zu einem Höchstbetrag von 1250 Reichsmark, wenn nicht der Ablader die Art und den Wert des Gutes vor dem Beginn der Einladung angegeben hat und diese Angabe in das Konnossement aufgenommen worden ist. Schrifttum: Capelle, Frachtcharter S. 360; Dor, Bill of Lading Clauses, S. 134f.; Gramm, Seefrachtrecht, S. 177; Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln nach anglo-amerikanischer Praxis, S. 171 ff.; Liesecke, Wertdeklaration im Konnossement ohne Zustimmung des Verfrachters? VersR 1965 S. 406f.; Markianos, Die Übernahme der Haager Regeln in die nationalen Gesetze über die Verfrachterhaftung, S. 200 FF.; Ruhwedel, Erhöhung der Haftung durch Wertangabe im Konnossement, VersR 1965 S. 221 ff.; Wüstendörfer, SHR 287; Selvig, Unit Limitation of Carrier's Liability;The Hague Rules Art. IV (5), Oslo 1960. Einleitung Die Bestimmung beruht auf dem SFrG. Siehe Art. IV § 5 und IX HR. 1. Art. IV § 5 HR setzt die Haftungssumme auf 100 £ fest. Gemäß Art. IX HR sind hierun- 1 ter die Goldwerte dieser Geldeinheiten zu verstehen. Doch ist die Bedeutung dieser Bestimmung zweifelhaft. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 204; Götz, a. a. O. S. 172; Wüstendörfer, Leistungen und Grenzen der internationalen Vereinheitlichung des Seehandelsrechts, MDR 1951, S. 449ff.; Scrutton, S. 441; Carver, S. 269ff. Sicher ist aber, daß ihr Zweck nur sehr unvollkommen erreicht wurde ( W ü s t e n d ö r f e r , a. a. O.). Da die Bestimmung, die in den britischen Carriage of Goods by Sea Act und in den zwischen 1925 und 1931 (die Jahre, in denen das Pfund endgültig vom Gold gelöst wurde) verkündeten HR-Gesetze der Länder des Commonwealth (außer Kanada und Neuseeland, in denen der Betrag nach der Bestimmung des Gesetzes als gesetzliche Währung zu verstehen ist) aufgenommen wurde, vor Währungsschwankungen schützen sollte, liegt es nahe, sie so auszulegen, daß der jeweilige Wert von 100 goldenen englischen Pfundmünzen gemeint ist (so Scrutton, a. a. O.; Götz, a. a. O.; Markianos, a. a. O.; Wüstendörfer, SHR 287). Doch könnte die Bestimmung auch so verstanden werden, daß der Wert des Goldes gemeint ist, der mit £ 100 gesetzlicher Währung gekauft werden kann (so Carver, a. a. O.). Da die englische Währung keine Goldwährung mehr ist, kommt das dann darauf hinaus, daß der Goldwert von £ 100 notwendig immer dem nominellen Betrag von £ 100 entspricht. Der ersteren Ansicht ist der Vorzug zu geben. Um die sich ergebende Unsicherheit nach Möglichkeit zu vermindern, haben die englischen Reeder, Banken und Versicherer im Jahre 1950 das British Maritime Law Association (Gold Clause) Agreement geschlossen, in welchem die Reeder eine Haftung von nominal £ 200 je Packung oder Einheit anerkannten. Da 100 Goldpfund heute etwa 400 Papierpfund entsprechen, würde die Vereinbarung allerdings als unzulässige Herabsetzung der Haftungssumme nichtig sein, wenn in Art. IX HR in der Tat der jeweilige Wert von 100 goldenen englischen Pfundmünzen gemeint 841
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
wäre. Gerichtliche Entscheidungen in dieser Richtung liegen nicht vor. Vielmehr zeigen die vorhandenen Entscheidungen, daß die in der Praxis herrschende Meinung dazu neigt, anzunehmen, die gesetzliche Höchstsumme betrage 100 £ gesetzlicher Währung. Vgl. Pendle & Rivett Ltd. v. Ellermann Lines Ltd., King's Bench Division of the High Court of Justice, 1927, 29 LI. L. R 133; Parke, Lace, Hardie Ltd., v. The „Clan MacFadyen", Supreme Court of New South Wales, 1948, 81 LI. L. R. 337. Anders die pakistanische Entscheidung Mackinnon Makkenzie & Co of Pakistan Ltd. v. Dada Ltd., All Pakistan Law Decisions 1958, 101, wo angen o m m e n wurde, daß die Höchsthaftsumme sich auf Goldpfunde beziehe. Insbesondere in der Bundesrepublik ist die Höchsthaftungssumme des § 660 ebenfalls nicht mit einer Goldwertklausel verknüpft. Es handelt sich bei dem Betrag von 1250 D M pro Packung oder Einheit um gesetzliches Währungsgeld. Gegenüber dem Preisniveau von 1937/39 hat sich die Höchstsumme also in ihrem inneren Wert erheblich vermindert. Art. 4 SFrG gab dem Reichsjustizminister die Ermächtigung, den Haftungshöchstbetrag anders festzusetzen. Insgesamt ist also die Höchstersatzsumme pro Packung oder Einheit, die in den einzelnen Mitgliedstaaten der HR erzielt werden kann, unterschiedlich. Vgl. die Ausführungen in der Anm. zu Art. IV § 5 HR. 2
2. Die Haftungssumme ist im Rahmen des § 662 f. zwingendes Recht. Doch kann sie zugunsten des Ersatzberechtigten erhöht werden. Jedoch bedarf eine solche Vereinbarung der Aufnahme in das Konnossement (§ 662 Abs. 3; siehe auch unten Anm. 6). Mit dieser Maßgabe können die Parteien die Haftungssumme auch in fremder Währung festsetzen, sofern nur der Gegenwert mindestens 1250 DM beträgt. Für die Kursbestimmung wird in analoger Anwendung § 661 heranzuziehen sein, nach welchem es auf den Kurswert ankommt, der zur Zeit der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsort bzw. an dem im § 658 Abs. 2 genannten Ort gilt (vgl. Gramm, a. a. O. S. 178). Der Betrag von DM 1250,— ist in jedem Falle der Höchstbetrag, so daß z. B. der Verfrachter, auch wenn ein Gut im tatsächlichen Werte von 4000 DM eine Wertminderung von 50% erleidet, 1250 DM und nicht etwa nur 625 DM zu erstatten hat. Es gilt also keine Proportionalitätsregel (Gramm, a . a . O . S. 177; Markianos, a . a . O . S. 201; a. A. Losch, Die Erneuerung des skaninavischen Seehandelsrechts, dargestellt an der Seerechtsgesetzgebung Norwegens, Diss. Hamburg 1954 S. 134). Vielmehr wird ein Schaden, der geringer ist als die Höchsthaftungssumme, vollständig ersetzt (bei Verlust oder Beschädigung im Rahmen der §§ 658, 659 HGB), ist er größer als die Höchsthaftungssumme, so bildet diese die obere Grenze des Ersatzes. Die Höchsthaftungssumme ist also auch nicht in dem Sinne zu verstehen, daß sie stets schlechthin gefordert werden könnte. Vielmehr muß auch innerhalb ihres Rahmens der Schaden im einzelnen nachgewiesen werden. — Der Haftungshöchstbetrag gilt auch für den Reeder, der nicht zugleich der Verfrachter ist (§ 485 S. 2 HGB).
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3. Die Haftungsbegrenzung auf DM 1250 gilt „in jedem Fall". Die Haftungsbegrenzung gilt also nicht nur im Falle der §§ 658, 659 HGB, sondern auch in dem des § 559 HGB. Sie kommt auch zur Anwendung bei der Geltendmachung eines Verspätungsschadens und auch bei der Haftung des Verfrachters f ü r schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung (für letztere bestr.; vgl. Anm. 15 zu § 656). Sie gilt auch für die außervertraglichen Ansprüche aus § 485 und richtiger Ansicht nach auch für diejenigen aus § 823 ff. BGB und (gegenüber den eigenen Ladungsbeteiligten) aus § 735 ff. HGB. Wer nämlich den deliktischen Anspruch geltend macht, ist an Haftungseinschränkungen gebunden, die auf den gesetzlichen Bestimmungen über die Vertragshaftung beruhen, denn andernfalls würde eine derartige Beschränkung praktisch ziemlich bedeutungslos werden. A.A. Wüstendörfer, SHR 286; Gramm, a. a. O. S. 88, 177; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 2 zu § 660; Prüssmann, § 660 B 1 b; OLG Bremen Hansa 1961 S. 997; wie hier HansOLG Hamburg MDR 1958 S. 923 = VersR 1958 S. 844; Markianos, a. a. O. S. 116; Selvig, a. a. O. S. 130
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4. Für jede Packung oder Einheit gilt die Haftungshöchstsumme. Für jede von ihnen wird also bis DM 1250,— gehaftet. Die Summe von DM 1250,— ist also zu multiplizieren mit der Gesamtzahl der verschifften Packungen oder Einheiten. Im Interesse des Verfrachters liegt es also, die Zahl der Packungen oder Einheiten möglichst gering zu halten, in dem der Ladungsbeteiligten, daß sie möglichst groß ist. Keine der Parteien kann sich aussuchen, ob sie für die Berechnung der Höchsthaftungssumme den Begriff der Packung oder den der Einheit zugrunde legen will. Vielmehr: auf den der Einheit kann erst dann zurückgegriffen werden, wenn das 842
Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
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Vorliegen einer Packung (vgl. dazu unten A n m . 5) verneint wird. Vgl. Götz, a. a. O. S. 178; Waterman S. S. Corp. v. United States Smelting, Refining & Mining Co., U. S. Court of Appeals, 1946, 155 Federal Reporter, Second Series 687; Middle East Agency Inc. v. The John B. Waterman, US District Court, 1949, 86 Federal Supplement 487; Pannel v. The S.S. American Flyer, US District Court, 1957, 157 Federal Supplement 422; Gulf Italia Co. v. American Export Lines Inc., US Court of Appeals, 1959, 263 Federal Reporter Second Series 135. Ist das Konnossement bezüglich der ü b e r n o m m e n e n Packungen oder Einheiten nicht eindeutig, so ist es wie jede U r k u n d e auslegbar ( H a n s O L G H a m b u r g Hansa 1956 S. 2335). — Der Betrag von D M 1250,— k o m m t auch bei Teilverlust oder Teilbeschädigung zur Anwendung, so daß eine Klausel, die f ü r diese Fälle eine verhältnismäßige Herabsetzung der Haftungssumme vorsieht (pro-rata-Klausel) im R a h m e n der zwingenden H a f t u n g nach §§ 662 ff. H G B unwirksam ist. Siehe auch oben A n m . 2. Bei Verlust oder Beschädigung einzelner Packungen oder Einheiten einer Gesamtladung wird für jede einzelne verlorengegangene oder beschädigte Packung nur bis zu dem in § 660 festgelegten Haftungshöchstbetrag pro Packung oder Einheit gehaftet. Eine Erhöhung dieses Betrages im R a h m e n des sich aus der Gesamtzahl der verschickten Packungen oder Einheiten ergebenden Haftungshöchstbetrages für die gesamte Ladung findet mangels dahin gehender besonderer Vereinbarungen nicht statt (OLG Bremen VersR 1970 S. 851). a) Der Begriff der Packung Vgl. Götz, a. a. O. S. 173 ff. Er kommt nicht auf eine Bulkladung 5 als Ganzes zur Anwendung (vgl. The Bill, US District Court, 1944, 55 Federal Supplement 780; Studebaker Distributors Ltd. v. Charlton Steam Shipping Co, King's Bench Division, 1938, 1 The Law Reports (Third Series) King's Bench Division 459), vielmehr setzt er eine irgendwie geartete Form der Verpackung des Gutes und damit einen gewissen äußeren Schutz desselben voraus ( O L G H a m b u r g Hansa 1975 S. 807 = M D R 1975; Schlegelberger-Liesecke, § 660 Anm. 3; Prüssmann, § 660 Anm. C 2 a ; Kirsten, Haftungsprobleme der Haager Regeln im Container-Seeverkehr, 1970 S. 101). Hierunter fällt auch der Container ( O L G H a m b u r g a. a. O.). Vgl. über Container im einzelnen A n h a n g I z u m Vierten Abschnitt A n m . 2. Niemals Packungen sind deshalb Güter, die ohne jeden äußeren Schutz verschifft werden (Götz, a. a. O. S. 174; W a t e r m a n S.S. Corp. v. United States Smelting, Refining & Mining Co, US Court of Appeals, 1946, 155 Federal Reporter Second Series 687; Petition of Isbrandtsen Co, US Court of Appeals, 1953, 201 Federal Reporter Second Series 281). Packungen sind aber stets Güter, die sich in Kisten, Verschlägen, Fässern oder dergleichen befinden, nicht dagegen leere Emballagen (Götz, a. a. O.). Regelmäßig ist die Zahl der Packungen aus dem Konnossement ersichtlich (vgl. § 643 Nr. 8 und § 645 HGB), wobei es f ü r die Haftungseinheit unerheblich ist, ob vielleicht eine Packung besonders umfangreich ist (vgl. z. B. H a n s O L G Hamburg Hansa 1956 S. 2335: 1 Behälter mit 200 hl Wein; siehe Middle East Agency Inc. v. The John B. Waterman, US District Court, 1949, 86 Federal Supplement 487). Regelmäßig genügt es nicht für den Begriff der Packung, daß das G u t in irgendeiner Weise f ü r die Verschiffung hergerichtet ist, insbesondere nur in einzelnen Beziehungen geschützt ist. Vielmehr m u ß das Gesamtbild den Eindruck einer verpackten Ladeeinheit hervorrufen (Götz, a. a. O. S. 175). So wurde in Pannell v. T h e S.S. „American Flyer", US District Court, 1957, 157 Federal Supplement 422 (siehe auch Petition of Isbrandtsen Co. a. a. O.; Anticosti Shipping Co. v. Viateur St. Amand, Canadian Supreme Court, 1959, 1 Lloyd's Rep. 352) entschieden, daß eine nur auf ein Stützgerüst auf Deck des Schiffes und mit Laschings befestigte Jacht nicht als Packung anzusehen sei; ebenso nicht in der Entscheidung Gulf Italia Co. v. American Export Lines Inc., US Court of Appeals, 1959, 263 Federal Reporter Second Series 135, ein fast 20 000 kg schwerer Traktor, dessen wichtigste Aufbauteile mit undurchlässigem Papier abgedeckt waren. Anders die oben erwähnte Entscheidung Middle East Agency v. The John B. Waterman, wo fünf Einzelteile eines Steinbrechers auf Ladegestelle aufgeschraubt oder mit Drahtseilen festgemacht waren und als eine entsprechende Anzahl von Packungen angesehen wurden. Überhaupt wird zu der Frage, was unter einer Packung zu verstehen ist, nicht einheitlich Stellung genommen. So ist der Begriff der Packung nach O L G H a m b u r g VersR 1977 S. 128 unabhängig vom Vorliegen einer „Verpackung" im Sinne einer Umhüllung. Er soll erfüllt sein, wenn das G u t entsprechend seiner Eigenart und der Verkehrsüblichkeit f ü r die bessere H a n d h a b u n g während des 843
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Transports hergerichtet worden ist und nach allgemeiner Anschauung der Schiffahrtskreise als Packung angesehen wird, wobei die Bezeichnung im Konnossement als Hinweis angesehen werden kann. Nach belgischem Recht sind Stahlblechrollen Packungen, vgl. OLG Hamburg VersR 1975 S. 826. Auf die Größe der Packung kommt es nicht an. Siehe BGH VersR 1973 S. 1038: f ü r Paletten und in Ständern übernommenes Weißblech. Die Palette oder der Ständer bildet hier die Packung. Auf die „Einheit" kann erst zurückgegriffen werden, wenn keine Pakkung vorhanden ist. Siehe US Court of Appeals, 2th Circuit i. Sa. Standard Electric v. Hamburg Süd, 1967, 4 Lloyd's Rep. 1193: Sechs Kartons auf einer Palette sind eine Packung. Vgl. US District Court Southern District of New York, i. Sa. Aluminios Pozuelo v. SS. „Navigator", 1968 A M C 74: Eine auf Gleitkufen befestigte Presse ist eine „package". Nach OLG Bremen VersR 1976 S. 556 A M C 1976 S. 629 = Fairplay v. 11. 11. 1976 sind auf Holzschlitten befestigte Kompressoren keine Packungen im Sinne von sect. 4 Ziff. 5 US Carriage of Goods Act. 6
b) Der Begriff der Einheit. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 201 f.; Götz, a. a. O. S. 175 ff.; Gramm, a. a. O. S. 178; Wüstendörfer, SHR 287; Sehig, a. a. O. S. 35 ff.). Der Begriff der Einheit interessiert regelmäßig erst in zweiter Linie, da die Haftung für die Packungen vorrangig ist (Prüssmann, § 660 C 3 a; OLG Hamburg Hansa 1975 S. 807 = MDR 1975 S. 846). Weder § 660 noch die HR lassen erkennen, was sie unter „Einheit" verstehen wollen. Zweifel hierüber haben sich deshalb ergeben. Die internationale Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Mit Gramm, a. a. O., und Wüstendörfer, a. a. O., wird vielfach angenommen, es käme zunächst auf die sich aus dem Konnossement ergebende Einheit an, so daß z. B. eine unverpackte Maschine eine Einheit wäre. Fehle es in diesem an einer Angabe, so würde man die übliche Mengenbezeichnung gelten lassen müssen, z. B. die Zahl der Gewichtstonnen bei Schüttladungen, bei Wein die Zahl der Hektoliter, bei Holz die der Standards. In diesem Sinne anscheinend auch die französische Rechtsprechung; vgl. etwa H G Oran D M F 1950 S. 126 und 1957 S. 444; Kassationshof D M F 1949 S. 11; vgl. Selvig, a. a. O. S. 46. Zu einer brauchbareren Lösung führt die Auffassung des nordamerikanischen Rechts (vgl. sect. 4 Ziff. 5 US Carriage of Goods by Sea Act; ihm nachgebildet das liberanische und das philippinische Recht), wonach es auf die „übliche Frachteinheit" („customary freight unit"; vgl. auch das schweizerische Seeschiffahrtsgesetz, in dem von der „Frachteinheit" die Rede ist) ankommt, d. h. auf diejenige Gewichts- oder Mengeneinheit, die der Frachtberechnung zugrunde liegt. Vgl. aus der Rechtsprechung The Bill, US District Court, 1944, 55 Federal Supplement 780; Waterman SS. Corp. v. United States Smelting, Refining & Mining Co, a. a. O.; Petition of Isbrandtsen Co., US Court of Appeals 201 Federal Reporter, Second Series 135. Im gleichen Sinne im englischen Schrifttum Carver, S. 1337. Doch ist in Großbritannien die Auffassung nicht einheitlich. Vgl. dazu im einzelnen Selvig, a. a. O. In der Richtung der „Frachteinheit" liegt auch Art. 56 Abs. 2 des jugoslavischen Gesetzes betr. Verträge über die Verwendung von Seeschiffen. Nach ihm soll, wenn die Fracht nach Maß oder nach Gewicht berechnet wird, unter Einheit ein Kubikmeter bzw. eine Tonne zu 1000 kg verstanden werden. Für das deutsche Recht haben sich auch Prüssmann, § 660 C 3 a und Schlegelberger-Liesecke, § 660 Anm. 4, für die Frachteinheit entschieden. Dieser Ansicht ist zu folgen. Im gleichen Sinne HansOLG Bremen Hansa 1961 S. 997. Die gewöhnliche Mengenbezeichnung und die Einheit nach der gewöhnlich die Fracht berechnet wird, können zusammenfallen, brauchen es aber nicht (Smeesters und Winkelmolen, Bd. II Nr. 731; Markianos, a. a. O.).
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Was unter „üblicher Frachteinheit" zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Handelsbrauch, der nach der Art der Ladung variieren kann, auch bei gleichartiger Ladung in verschiedenen Verkehrsrelationen unterschiedlich sein kann (Götz, a. a. O. S. 176). Läßt sich eine Übung nicht ermitteln, so kommt es auf die von den Parteien gewählte Berechnungsgrundlage an. Einzelheiten aus der amerikanischen Rechtsprechung: Für eine an Deck verschiffte Jacht wurde als Frachteinheit die Maßtonne angesehen (Pannell v. The S.S. American Flyer, US District Court, 1957, 157 Federal Supplement 422); ebenso bei unverpackten Traktoren (Middle East Agency Inc. v. The John B. Watermann a. a. O.); dagegen ist für Maschinenteile aus Honolulu (z. B. ein schwerer Steinbrecher) nach der gleichen Entscheidung die Frachtberechnung nach Gewichtstonnen üblich; bei einer Bulkladung von Oiticica-Öl wurde als Frachteinheit die Gewichtstonne zu 1000 kg angesehen, nicht die im Konnossement angegebene Gewichtsmenge 844
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in kg (The Bill, US District Court, 1944, 55 Federal Supplement 780); ein Gesamtfrachtbetrag f ü r ein Riesenrad, das in Einzelteile zerlegt ist, schließt nicht aus, daß die Frachtberechnung die Aufspaltung in mehrere Haftungseinheiten (nach Teilstücken) fordert (Stirnimann v. The San Diego, US Court of Appeals, 1945, 148 Federal Reporter Second Series 141); kleinere Lokomotiven werden üblicherweise nach Gewicht berechnet (Petition of Isbrandtsen Co. a. a. O.); nach der gleichen Entscheidung werden jedoch schwere Lokomotiven mit Tendern je Lokomotive mit Tender als Einheit für die Frachtberechnung betrachtet. Als überholt anzusehen ist die Entscheidung The Margaret Lykes, US District Court, 1944, 57 Federal Supplement 466, wo ein Speziallastkraftwagen als Einheit im Sinne einer Ladeeinheit angesehen wurde. — In HansOLG Bremen Hansa 1961 S. 997 wurde bei Verladung mehrerer Kraftwagen j e 1 Kraftwagen als die der Frachtberechnung zugrunde liegende Einheit betrachtet. Soweit eine handelsübliche Frachteinheit vorhanden ist, können die Parteien nicht im Rahmen der zwingenden Wirkung der §§ 662 ff. HGB einen anderen Maßstab vereinbaren. Bei Bulkladungen mit Lumpsumfracht kommt es auf die Einheit an, die üblicherweise bei solchen Gütern zur Frachtberechnung dient. 5. Die Haftungshöchstsumme des § 660 ist nicht maßgebend:
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a) Wenn die Parteien einen höheren Haftungsbetrag für die Packung oder Einheit vereinbart haben. Eine solche Vereinbarung ist nach § 662 Abs. 3 H G B zulässig, bedarf jedoch zu ihrer Gültigkeit der Aufnahme in das Konnossement. Der zwingende Charakter des § 660 HGB besteht nur zuungunsten der Verpflichtungen des Verfrachters (§ 662 Abs. 1 HGB; OLG Hamburg Hansa 1975 S. 807: Vereinbarung, nicht den Container als solchen, sondern die in ihm enthaltenen einzelnen Packungen als Haftungseinheit zu betrachten). Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung entspricht auch Art. IV § 5 HR. Doch muß aus der Vereinbarung klar hervorgehen, daß die Parteien einen anderen Höchstbetrag gewollt haben. Vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln S. 179. Es muß also ein anderer Höchstbetrag an Stelle des gesetzlich festgelegten ausdrücklich genannt sein, wie es z. B. in sect. 2 des British Maritime Law Association (Gold Clause) Agreement vom 1. 8. 1950 geschehen ist (Götz, a. a. O.). Eine Klausel, nach der eine Fehlmenge mit dem Marktpreis im Bestimmungshafen bewertet werden soll, genügt deshalb auch dann nicht, wenn der Marktpreis über der allgemeinen Haftungsgrenze liegt (vgl. die bei Götz, a. a. O. angeführten Entscheidungen Shackman v. Cunard White Star Ltd., US District Court, 1940, Federal Supplement 943, und The Bill, US District Court, 1944, Federal Supplement 780). Ebenso wie es bei der gesetzlichen Höchsthaftungssumme der Fall ist (vgl. oben Anm. 2), ist die vereinbarte Höchsthaftungssumme nur die obere Grenze für die Ersatzpflicht des Verfrachters. Diese wird durch den tatsächlich entstandenen Schaden (unter Berücksichtigung der §§ 658, 659 HGB) begrenzt, wenn er geringer als die vereinbarte Höchsthaftungssumme ist. So ausdrücklich sect. 4 Ziff. 5 US-Carriage of Goods by Sea Act. b) Wenn die Güter im Konnossement höher bewertet werden. Das erfordert im einzelnen: aa) Die Güter müssen ihrer Art und ihrem Wert nach vor dem Beginn der Einladung bezeichnet worden sein. Beide Bezeichnungen sind erforderlich, so daß Artangabe ohne Wertangabe oder Wertangabe ohne Artangabe keine weitergehende Haftung des Verfrachters zur Folge haben. Ist die Angabe mangelhaft, so gilt die gesetzliche Höchsthaftungssumme weiter. In Italien, Jugoslawien, in der Schweiz und in Spanien genügt es, wenn der Wert des Gutes angegeben wurde (anders für Spanien trotz des Wortlauts des Gesetzes Calero, El contrato de transporte marítimo de mercancías, 1957, S. 170); ebenso in der nicht dem Konnossementsabkommen angehörenden Sowjetunion. Wichtig ist, daß die Deklaration bis zum Beginn der Einladung erfolgt ist, weil der Verfrachter die Möglichkeit haben soll, sich rechtzeitig auf die Eigenart des Frachtgutes einzurichten. Der für die Wertberechnung maßgebliche Zeitpunkt ist der der Übergabe der Güter an den Verfrachter (John Deere & Co. v. Mississippi Shipping Co, US District Court, 1959, Federal Supplement 479). Anders als nach § 645 HGB ist Schriftform der Angaben nicht erforderlich. Daß die Angaben vom Ablader zu machen sind, entspricht den H R und wird auch von den meisten der diese einführenden Gesetze der einzelnen Mitgliedstaaten hervorgehoben (vgl. die Ausnahmen bei Markianos, a. a. O. S. 208 f.). 845
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Teilweise (so Gramm, a. a. O. S. 179) wird angenommen, im Hinblick auf § 662 HGB sei es unzulässig, daß der Wert des Gutes nicht mindestens den Betrag von DM 1250,— erreiche. Doch ist das nicht zutreffend, weil § 662 H G B nur die Vereinbarung eines niedrigeren abstrakt fixierten Höchsthaftungsbetrages, nicht aber die Angabe eines geringeren Wertes des konkreten Gutes verbietet. Vgl. Wüstendörfer, SHR 288; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 9 zu § 660 H G B ; Götz, a. a. O. S. 180 für das anglo-amerikanische Recht mit dem Hinzufügen, daß es sich um eine besondere und spezifische Erklärung handeln müsse, die nicht klauselmäßig unterschoben sein dürfe, und unter Bezugnahme auf die Entscheidungen William Holyman & Sons v. Foy & Gibson Pty., Australian High Court, 1945, 73 Commonwealth Law Reports 622; Nabob Foods Ltd. v. The Cape Corso, Exchequer Court of Canada, 1954, 2 Lloyd's Rep. 40; anders Markianos, S. 209 f., der allerdings auch auf die Zweifelhaftigkeit der Frage hinweist und darauf aufmerksam macht, daß nur nach dem italienischen sowie dem schweizerischen Recht und dem der vier nordischen Staaten eindeutig eine Wertangabe, die niedriger als der gesetzliche Höchstbetrag sei, nicht zu einer Haftungsbeschränkung in dieser Höhe führe. Für das deutsche Recht ist die Maßgeblichkeit der gesetzlichen Höchsthaftungssumme ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn der Ablader gutgläubig und irrtümlich die Wertdeklaration zu niedrig gemacht hat und die Vermutung des § 656 Abs. 2 HGB dann im Sinne eines höheren Wertes widerlegt wird ( W ü s t e n d ö r f e r , a. a. O.; Schlegelberger-Liesecke, a. a. O.). 10
bb) Diese Angaben über die Art und den Wert des Gutes müssen in das Konnossement aufgenommen sein. Gramm, a. a. O. S. 179, meint, daß eine Verpflichtung des Verfrachters zur A u f n a h m e dieser Angaben von Gesetzes wegen nicht gegeben sei, daß sie jedoch nach Treu und Glauben, anzunehmen sei, wenn es sich um die Beförderung von Kunstgegenständen, Geld oder Wertpapieren handle, es sei denn, daß auch in diesen Fällen der Verfrachter Grund zu der Annahme habe, die Angaben des Abladers seien ungenau, oder daß er keine ausreichende Gelegenheit habe, diese Angaben nachzuprüfen (ähnlich Schlegelberger-Liesecke, § 660 Anm. 8: nur bei Beförderung von Kostbarkeiten, Kunstgegenständen, Geld und Wertpapieren, Liesecke, Wertdeklaration im Konnossement ohne Zustimmung des Verfrachters?, VersR 1965, 406f., Prüssmann, § 660 E 2: abgesehen von besonders kostbaren Gütern nur bei entsprechender Vereinbarung bei Abschluß des Frachtvertrages). Wüstendörfer, SHR und Markianos, a. a. O. erwähnen die Frage nicht. Bei Götz, a. a. O. S. 180 heißt es nur, der Verfrachter könne eine vom Befrachter in das vorbereitete Konnossement aufgenommene Erklärung nicht ungeschehen machen, ihre Streichung wäre unwirksam. In der Tat kann eine Verpflichtung des Verfrachters, die Angaben des Abladers über Art und Wert des Gutes in das Konnossement aufzunehmen, jedenfalls aus § 662 Abs. 1 HGB nicht gefolgert werden, denn dieser setzt Verpflichtungen des Verfrachters voraus, schafft sie nicht. Dennoch muß eine solche Verpflichtung des Verfrachters aus der Gesamtstruktur der HR gefolgert werden, denn sie wollen ja gerade dem Ladungsbeteiligten eine höhere Ersatzsumme als die gesetzliche festgelegte ermöglichen, was ja eben auch in der zweiten Alternative des § 660 seinen Niederschlag gefunden hat. Es ist deshalb anzunehmen, daß der Verfrachter verpflichtet ist, auf Verlangen des Abladers dessen Angaben über Art und Wert des Gutes in das Konnossement aufzunehmen, und zwar zwingend (ebenso Ruhwedel, Erhöhung der Wertangabe durch Aufnahme im Konnossement, VersR 1965 S. 231). Keine Bestimmung der HR oder des SFrG untersagt es aber dem Verfrachter, wie Schlegelberger-Liesecke, Anm. 8 zu § 660 annimmt, die Haftung über den Höchstbetrag hinaus bis zum deklarierten Wert außer von der Angabe im Konnossement noch von der Vereinbarung eines Frachtzuschlags abhängig zu machen. Die HR treffen über die zu zahlende Fracht überhaupt keine Bestimmungen. Es wäre auch unbillig, dem Verfrachter eine erhöhte Haftung zuzumuten, ihm aber nicht ein Äquivalent mittels einer erhöhten Frachteinnahme zu gewähren. Vgl. auch die Regelung in Art. 22 Abs. 2 WA, wo es heißt: „Bei der Beförderung von aufgegebenem Reisegepäck oder Gütern haftet der Luftfrachtführer n u r bis zu einem Betrage von 250 Franken f ü r das Kilogramm. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn der Absender bei der Aufgabe des Stückes das Interesse an der Lieferung besonders deklariert und den etwa vereinbarten Zuschlag entrichtet h a t . ..".
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6. Sofern die Güter und ihr Wert ordnungsgemäß im Konnossement deklariert wurden, greift die Vermutung des § 656 Abs. 2 ein, daß der Verfrachter Güter dieser Art und dieses 846
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Wertes übernommen hat. Im Rahmen dieser Vermutung gilt die summenmäßige Beschränkung der Haftung auf 1250 D M für jede Packung oder Einheit nicht. Der Verfrachter hat hier vielmehr bis zur Höhe des deklarierten Wertes vollen Schadensersatz zu leisten. Doch kommen die §§ 658, 659 mit ihrer Beschränkung auf Ersatz des gemeinen Handelswerts bzw. des Minderwerts bei Ladungsverlusten und Ladungsschäden auch hier zur Anwendung. Daß bei deklariertem Wert dieser die Höchsthaftungssumme bildet, ist im c. nav., in den die HR einführenden skandinavischen Gesetzen und in Jugoslawien direkt ausgesprochen, ist aber auch für alle anderen Mitgliedstaaten der HR anzunehmen. Vgl. Markianos, a. a. Ö. S. 209. Indessen ist die Beweisvermutung hinsichtlich der Art und des Wertes widerlegbar. Wenn 1 2 der Verfrachter beweisen kann, daß die Konnossementsbeschreibung der Güter falsch ist und daß die ausgelieferten minderwertigen Güter mit den übernommenen identisch sind, so kommt die Beweisvermutung nicht zum Zuge. Alsdann wird mit der wiederum gesetzlichen summenmäßigen Beschränkung der Haftung auf DM 1250,— für jede Packung oder Einheit gehaftet. 7. Sind vom Ablader unrichtige Angaben über die Art und den Wert des Gutes gemacht 1 3 worden, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach den §§ 654, 609 HGB. Vgl. rechtsvergleichend dazu Markianos, a. a. O. S. 210 f., und Götz, a. a. O. S. 121 f. 8. Wegen der Verjährung der Ansprüche aus § 660 s. §§ 901 Ziff. 4, 903 Abs. 1.
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9. Siehe wegen der Höhe der Haftungssummen in den einzelnen Mitgliedstaaten der Haager 1 5 Regeln die Anm. 2 zu Art. 4 § 5 HR. 10. In den Visby-Rules ist die Höchsthaftungssume nicht nur auf Packung oder Einheit be- 1 6 zogen, sondern auch auf das Gewicht der Güter (Art. 2 a der Visby-Rules). 11. In § 66 Seehandelsschiffahrtsgesetz DDR ist bestimmt: „Die Haftung des Verfrachters 1 7 für die Beschädigung und den Verlust von Gütern ist auf einen Betrag von 2800 M je Packung oder Einheit oder 10 M j e kg Bruttomasse der beschädigten oder verlorengegangenen Güter beschränkt. Der jweweils höhere Betrag kommt zur Anwendung."
§661 § 244 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet Anwendung; jedoch erfolgt die Umrechnung nach dem Kurswert, der zur Zeit der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsort maßgebend ist. § 658 Abs. 2 gilt sinngemäß. Schrifttum:
Gramm, Seefrachtrecht, S. 180; Wüstendörfer, SHR 287.
1. Art. IX Abs. 3 HR behält es den Mitgliedstaaten vor, zu erlauben, daß eine in ausländi- 1 scher Währung ausgedrückte Schuld in inländischer Währung beglichen wird. Von dieser Befugnis ist in dem auf dem SFrG beruhenden § 661 Gebrauch gemacht worden. Es gilt nach ihm der Grundsatz des § 244 BGB, nach welchem, wenn eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld im Inlande zu zahlen ist, die Zahlung in der Währung des Bundesgebiets erfolgen kann, es sei denn, daß Zahlung in ausländischer Währung ausdrücklich bedungen ist. Der Verfrachter kann also unter diesen Voraussetzungen seine auf seerechtlicher Haftung beruhende Ersatzverpflichtung, die in ausländischer Währung ausgedrückt ist, in inländischer Währung begleichen. Unerheblich ist, ob auf die Schuld fremdes Recht anzuwenden ist ( R G Z 167, 62). 2. Während aber nach § 244 Abs. 2 BGB die Umrechnung nach dem Kurswert erfolgt, der 2 zur Zeit der Zahlung f ü r den Zahlungsort maßgeblich ist, läßt § 661 entsprechend Art. IX Abs. 3 HR den Kurswert am Bestimmungsort bei Ankunft des Schiffes entscheidend sein. Die Verweisung in § 661 auf § 658 Abs. 2 HGB besagt, daß es bei Nichterreichung des Bestimmungsortes auf den Ort ankommt, an dem die Reise endet, bei Verlust des Schiffes auf den Ort, an den die Güter gerettet werden. 3. Siehe § 660 Anm. 2 H G B wegen der entsprechenden Anwendbarkeit des § 661, wenn die Haftungssumme des § 660 in ausländischer Währung vereinbart ist. 847
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§662
2. Teil : Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB §662
(1) Ist ein Konnossement ausgestellt, so können die Verpflichtungen des Verfrachters aus: § 559 (See- und Ladungstüchtigkeit), § 563 Abs. 2 und §§ 606 bis 608 (Schadensersatzpflicht), §§ 611,612 (Schadensermittlung), § 656 (Beweisvermutung des Konnossements) und § 660 (Haftungssumme) durch Rechtsgeschäft im voraus nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Das gleiche gilt für die sich aus diesen Verpflichtungen ergebenden Schiffsgläubigerrechte. (2) Dem Ausschluß der Haftung steht die Vereinbarung, durch die dem Verfrachter der Anspruch aus der Versicherung abgetreten wird, sowie jede ähnliche Vereinberung gleich. (3) Vereinbarungen über die Erweiterung der Haftung bedürfen der Aufnahme in das Konnossement Schrifttum: Albrecht, Hansa 1950 S. 1630; Dor, Bill of Lading Clauses and the International Convention of Brüssels 1924 (Hague Rules), 1956; Capelle, Zur Verfrachterhaftung nach dem Deutschen Einheitskonnossement, HansRGZ 1943 A 25; Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln, 1960, S. 167; Markianos, Die Übernahme der Haager Regeln in die nationalen Gesetze über die Verfrachterhaftung, 1960, S. 94 ff. ; Schwarz, Die zwingende Verfrachterhaftung f ü r die beim Einladen, Stauen oder Ausladen verschuldeten Schäden an Ladungsgütern, Diss. Hamburg 1966; Städter, Geschichte der Konnossementsklauseln, Überseestudien, Heft 21, 2. Aufl. 1954; Wollny, Freizeichnung des Verfrachters von seiner Haftung für Gehilfenverschulden, Hansa 1965 S. 1586 f. Wüstendörfer, SHR 277. Einleitung Der auf dem SFrG beruhende § 662 regelt in Verbindung mit §§ 663 und 663 a den zwingenden Umfang der seefrachtvertraglichen Haftung. Siehe auch Art. 2 DVOzSFrG vom 5.12.1939 (RGBl. I S . 2501). 1
1.1. Fast zur Regel gewordene übermäßige Freizeichnungsklauseln waren die Ursachen, die zu dem Brüsseler Übereinkommen von 1924 zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konnossemente (Haager Regeln) und dem in ihm verwirklichten Gedanken einer zwingenden Mindesthaftung des Verfrachters geführt haben. Vgl. Art. III § 8, Art. IV § 5 und Art. V HR. Vgl. die Einzelheiten über das Abkommen und seine Mitgliedstaaten im Anhang III zum Vierten Abschnitt.
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2. Die Haager Regeln wollen in erster Linie den Konnossementsverkehr schützen. Die zwingende Mindesthaftung kommt deshalb nur dann zur Anwendung, wenn ein Konnossement ausgestellt wurde. Ist das der Fall, so können gemäß § 662 Abs. 1 die Verpflichtungen des Verfrachters aus anfänglicher See- und Ladungstüchtigkeit (§ 559 HGB), aus § 563 Abs. 2 und §§ 606 bis 608 HGB (Schadensersatzpflicht), aus § 656 HGB (Beweisvermutung des Konnossements) und aus § 660 HGB (Haftungssumme) durch Rechtsgeschäft im voraus nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Gleiches gilt für die sich aus diesen Verpflichtungen ergebenden Schiffsgläubigerrechte (§ 662 Abs. 1 Satz 2). Doch ist diese Bestimmung infolge des Fortfalls der Schiffsgläubigerrechte für Ladungsschäden seit dem SRÄG (vgl. § 754 Abs. 1 Ziff. 3 Satz 2) gegenstandslos. Nach § 662 Abs. 2 steht dem Ausschluß der Haftung eine Vereinbarung gleich, durch die dem Verfrachter der Anspruch aus der Versicherung abgetreten wird oder jede ähnliche Vereinbarung. Nach § 662 Abs. 2 sind dagegen Vereinbarungen über die Erweiterung der Haftung des Verfrachters zulässig, bedürfen indessen der Aufnahme in das Konnossement.
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3. Doch genügt die Tatsache der Konnossementsausstellung allein nur beim Stückgütervertrag, um den unter Ziff. 2 erörterten Haftungsausschluß unzulässig zu machen. Beim Raumfrachtvertrag muß noch hinzukommen, daß das Konnossement an einen Dritten begeben sein muß (§ 663 a HGB). Dem entspricht es, daß die zwingenden Mindesthaftungsvorschriften beim Raumfrachtvertrag auf Chartepartien keine Anwendung finden (§ 663 Abs. 2 Ziff. 4 HGB). 848
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4. Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen zu Anm. 2 und 3 hat der Gesetzgeber in einigen Fällen von der zwingenden Mindesthaftung abgesehen: a) gegenüber Vereinbarungen im Falle der großen Haverei (§ 663 Abs. 1 HGB);
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b) wenn sich der Vertrag auf lebende Tiere oder eine Ladung bezieht, die im Konnossement als Deckladung bezeichnet und tatsächlich so befördert wird (§ 663 Abs. 2 Ziff. 1 HGB);
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c) für Verpflichtungen, die dem Verfrachter hinsichtlich der Güter in der Zeit vor ihrer Einla- 6 dung und nach ihrer Ausladung obliegen (§ 663 Abs. 2 Ziff. 2 HGB); d) für solche Vereinbarungen, die über eine nicht handelsübliche im regelmäßigen Handels- 7 verkehr zu bewirkende Verschiffung getroffen werden und die durch die Eigenart oder Beschaffenheit der Güter oder durch die besonderen Umstände der Verschiffung gerechtfertigt sind, wenn das Konnossement diese Vereinbarungen enthält und mit dem Vermerk „nicht an Order" versehen ist(§ 663 Abs. 3 Ziff. 3 HGB); e) in räumlicher Hinsicht nicht für Verschiffungen auf bundesdeutschem Schiff zwischen 8 bundesdeutschen Häfen, ferner nicht, wenn das Konnossement in keinem Vertragsstaat der Haager Regeln ausgestellt wurde und der Bestimmungshafen außerhalb Deutschlands liegt. Vgl. Art. 2 Ziff. 1 und 2 DVOzSFrG vom 5. 12. 1939 (RGBl. I S. 2501): „§ 662 des Handelsgesetzbuches gilt nicht: 1. für Konnossemente, die nicht Verschiffungen nach einem Hafen des deutschen Reiches betreffen und die weder innerhalb des deutschen Reiches noch innerhalb des Gebiets eines Staates ausgestellt sind, der dem am 25. 8. 1924 in Brüssel unterzeichneten Internationalen Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente (RGBl. 1939 II S. 1049) beigetreten ist; 2. für Konnossemente über Verschiffungen durch deutsche Schiffe zwischen deutschen Häfen." Nicht unter die Ausnahmebestimmung des Art. 2 Ziff. 2 fallen also Verschiffungen zwischen bundesdeutschen Häfen auf ausländischen Schiffen, die nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Küstenschiffahrt vom 26. 7. 1957 unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig sind. Aus Art. 2 Ziff. 1 ergibt sich positiv, daß die zwingende Mindesthaftung auch gilt für Verladungen von einem Nichtvertragsstaat der Haager Regeln nach einem bundesdeutschen Hafen. Art. X HR sieht zwar nur vor, daß die Bestimmungen des Übereinkommens für Konnossemente gelten sollen, die in einem der Mitgliedstaaten ausgestellt worden sind. Durch Art. 2 Ziff. 1 DVOzSFrG ist also mit dieser Bestimmung des Konnossementsabkommens die in Deutschland maßgebliche Auffassung verbunden worden, daß für die Verpflichtungen aus dem Konnossement das Recht des Bestimmungshafens maßgeblich ist (vgl. Anm. 35 Vorbemerkung vor § 556 HGB; Anm. 38 zu § 642 HGB). Aus der genannten Bestimmung folgt weiter, daß § 662 zwingend gilt für Verschiffungen von einem deutschen Hafen ins Ausland, wenn das Konnossement in Deutschland gezeichnet wurde, einerlei, ob der Staat, in dem der Bestimmungshafen liegt, dem Konnossementsabkommen angehört oder nicht. Vgl. zu der Frage, ob die Parteien durch Vereinbarung eines anderen Rechts die zwingende Wirkung des § 662 ausschließen können, Anm. 31 Vorbemerkung vor § 556 HGB. Schließlich soll § 662 auch dann zur Anwendung kommen, wenn es sich um eine Verschiffung mit Abgangs- und Bestimmungshafen außerhalb Deutschlands handelt, aber das Konnossement in dem Hafen eines Landes ausgestellt wurde, das Mitglied des Konnossementsabkommens ist. Zu beachten ist aber stets, daß bei Verschiffungen zwischen nichtbundesdeutschen Häfen zwingende Vorschriften des Empfangs- und Verschiffungsstaates den Vorrang haben, einerlei, ob es sich u m solche der Haager Regeln oder solche sonstiger Art handelt und daß § 662 überhaupt nur dann Bedeutung haben kann, wenn nach den Regeln des internationalen Privatrechts (vgl. Anm. 30 ff. Vorbemerkung vor § 556 HGB) deutsches Recht zur Anwendung kommen würde, etwa als vereinbartes Recht oder kraft hypothetischen Parteiwillens. Siehe dazu auch Markianos, a. a. O. S. 93 und BGH MDR 1957 S. 28. Siehe in diesem Zusammenhang auch die in Vorbem. vor § 556 Anm. 32 und Vorbem. zu den HR Anm. 14 behandelte „Paramount-Klausel". Haben aber die Parteien im Rahmen ihrer Dispositionsfreiheit deutsches Recht für maßgeblich vereinbart, so gilt dann jedenfalls für den deutschen Richter auch die zwingende Wirkung des § 662. 849
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
II. Die Bestimmungen des § 662 im einzelnen. 1. Schon oben in Anm. 2 wurde darauf hingewiesen, daß Voraussetzung für den zwingenden Charakter des § 662 stets die Ausstellung eines Konnossements ist. Siehe über dieses Vorbemerkung vor § 642 HGB. Ist ein Konnossement überhaupt ausgestellt worden, wenn auch erst nach der Einladung, so m u ß die zwingende Wirkung der §§ 662 ff. auf den Zeitpunkt der Einladung zurückbezogen werden (vgl. Götz, Das Seefrachtrecht des HR, S. 48 Anm. 12). Vgl. über die Ausnahmen von der zwingenden Wirkung des § 662 auch bei Ausstellung eines Konnossements oben die Anm. 3 bis 8. Geschützt wird also der Konnossementsinhaber, beim Chartervertrag allerdings n u r ein solcher, der mit dem Befrachter oder Ablader nicht identisch ist. Gemäß der ausdrücklichen Vorschrift des § 663 Abs. 2 Ziff. 4 findet § 662 auf Chartepartien keine Anwendung. Ob § 662 beim Stückgütervertrag auch f ü r den Befrachter gilt, ist im Gesetz nicht gesagt. Doch muß auch ihm gegenüber die zwingende Mindesthaftung gelten, wenn nur überhaupt ein Konnossement ausgestellt wurde, ebenso gegenüber dem Ablader und einem mit ihnen identischen Empfänger. Das ist jedenfalls zutreffend, solange das Konnossement noch in ihren legitimierten Händen ist, muß aber auch dann gelten, wenn das Konnossement von vornherein auf den Namen eines Dritten ausgestellt wurde, auf einen solchen indossiert wurde oder der Empfänger eine vom Befrachter verschiedene Person ist. Zwar sollen nach § 656 Abs. 3 H G B f ü r das Rechtsverhältnis zwischen Verfrachter und Befrachter die Bestimmungen des Frachtvertrages maßgebend sein. Es entspricht indessen wohl dem Sinngehalt der Haager Regeln, ihre zwingende Haftung auch stets gegenüber dem Stückgutbefrachter anzunehmen, weil dieser infolge der engen Verbindung zwischen Bedingungen des Frachtvertrages und solchen des Konnossements (vgl. Anm. 11 Vorbemerkung vor § 642 HGB) davon ausgehen kann, daß die Konnossementsbedingungen des Verfrachters den §§ 662 ff. entsprechen, und sofern das nicht der Fall ist, er nur zu solchen Bedingungen abschließen will. Es würde ein jedenfalls der seit den Haager Regeln eingetretenen Entwicklung nicht entsprechendes Ergebnis sein, wollte man nur den Konnossementsinhaber, aber nicht den Stückgutbefrachter in den Genuß der zwingenden Mindesthaftung kommen lassen. Der Stückgutverfrachter kann sich also auch gegenüber dem Stückgutbefrachter nicht auf abweichende Konnossementsbedingungen berufen. So im Ergebnis auch Wüstendörfer, SHR 278; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 13 zu § 662; Prüssmann, § 662 B 2. Siehe auch Anm. 8 zu Art. 1 HR.
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2. Sind die in Anm. 9 angeführten Voraussetzungen gegeben, so sind die in Abs. 1 aufgeführten Bestimmungen zugunsten des Konnossementsinhabers nicht abdingbar. Dem Ausschluß der Haftung steht eine Vereinbarung gleich, durch die dem Verfrachter der Anspruch aus der Versicherung abgetreten wird, sowie jede ähnliche Vereinbarung (Abs. 2). Vgl. Art. III § 8 Satz 2 HR. Damit ist im Rahmen der zwingenden Wirkung der §§ 662 ff. die sog. „Benefitof-Insurance-Klausel" („if liable, to have the benefit of any insurance effected upon the goods"), sie sich im Anschluß an die sog. Insurance-Klausel („not liable for any loss, detriment or damage to any goods, which are capable of being covered by insurance; vgl. dazu Anm. 18 Anhang II zum Vierten Abschnitt) findet, unwirksam. Doch war die „Benefit-of-InsuranceKlausel" im deutschen Recht im Hinblick auf § 804 HGB ,§ 45 ADS auch schon vor Neufassung des § 662 praktisch bedeutungslos. Vgl. über die Klausel auch Mittelstein, HansRZ 1923, 765. Danach wird die Klausel in Großbritannien etwa wie folgt ausgelegt: „By a benefit of insurance clause is meant a clause providing that the shipowner — after he has met his liability — is entitled to take over any insurance the cargo owner may have effected on his cargo". Ein Verzicht des Ersatzberechtigten nach Eintritt der Verpflichtung des Verfrachters ist zulässig.
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3. Die in Abs. 1 als zwingend auf geführten Bestimmungen. a) Die See- und Ladungstüchtigkeit. Vgl. dazu § 559 HGB und die dortigen Anmerkungen. Vgl. wegen der Vereinbarkeit üblicher Freizeichnungsklauseln hinsichtlich der See- und Ladungstüchtigkeit mit § 662 Anm. 11 ff. zu § 559 HGB. 12 b) Schadensersatzpflicht (§ 563 Abs. 2 H G B und §§ 606 bis 608 HGB). Vgl. die Erläuterungen zu diesen Paragraphen. Siehe § 663 Abs. 2 Ziff. 2 HGB, nach welchem die zwingende Haftung sich nicht erstreckt auf die Verpflichtungen, die dem Verfrachter hinsichtlich der Güter 850
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Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
in der Zeit vor ihrer Einladung und nach ihrer Ausladung obliegen. Siehe Anhang II zum Vierten Abschnitt über übliche Freizeichnungsklauseln und ihr Verhältnis zu § 662. c) Schadensermittlung (§§611,612 HGB). Siehe die Erläuterungen zu diesen Paragraphen.
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d) Beweisvermutung des Konnossements (§ 656 HGB). Siehe die Erläuterungen zu dieser Bestimmung.
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e) Haftungssumme (§ 660 HGB). Vgl. die Erläuterungen zu diesem Paragraphen.
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4. Zweifelhaft ist die Anwendbarkeit des § 662 auf folgende, vom Gesetzgeber nicht er- 1 6 wähnte Fälle: a) Verspätungsschaden (vgl. zu diesem Anm. 14 zu § 606 HGB). Die Anwendbarkeit wird von Wüstendörfer, SHR 294 im Hinblick auf den allgemeinen Schutzzweck der HR gegenüber kommerziellem Verschulden wie auch angesichts der weiten Wortfassung des Art. III § 8 H R („or in connection with goods") bejaht (so auch Dor, Bill of Lading Clauses and the Internationale Convention of Brüssels 1924 (Hague Rules), 1956, S. 146; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 11 zu § 662). Zweifelnd Gramm, Seefrachtrecht Anm. I 3 zu § 606, aber doch wohl mehr bejahend. Die Frage ist indessen angesichts des klaren Wortlauts des § 606 für den reinen Verspätungsschaden zu verneinen (z. B. die Warenpreise sind in der Verspätungszeit gefallen). Siehe auch Deutsche Verkehrs-Zeitung 1956 Nr. 145. Ist aber Freizeichnung nicht erfolgt, so ist es regelmäßig Sache des Verfrachters, sich zu entlasten. Anders liegt es hinsichtlich des materiellen Ladungsschadens in Gestalt des Verlusts oder der Beschädigung der Güter, der in der Verzögerungszeit entstanden ist. Dieser fällt im Rahmen der §§ 606 ff. unter die zwingende Haftung. b) Schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung (Vgl. über diese Anm. 12 ff. zu § 656 1 7 HGB). Die Frage, ob die schuldhaft unrichtige Konnossementsausstellung unter die zwingende Mindesthaftung der §§ 662 f. fällt, ist ebenso zweifelhaft wie bezüglich des Verspätungsschadens. Doch ist die Frage wohl im Hinblick auf die Fassung der §§ 662 f. zu verneinen (so auch Deloukas, Die Haftung des Verfrachters aus schuldhafter Unrichtigkeit des Konnossements, Überseestudien Heft 16, 1940, S. 21, 44ff.; Gramm, Seefrachtrecht S. 172; Capelle, H a n s R G Z 1943 A 38f.; Schlegelberger-Liesecke, §656 Anm. 18; Prüssmann, §662 B 4 c ; B G H Z 33, 364 = VersR 1961 S. 21 = MDR 1961 S. 116 und 299 (mit Anm. von Sieg) = Hansa 1961 S. 341 ; anders Wüstendörfer, SHR 321 ; Kühl, H a n s R G Z 1926 Sp. 571). Siehe Anm. 17 zu § 656. 5. In Ü b e r e i n s t i m m u n g mit A r t . V § 1 H R bestimmt § 662 A b s . 3, d a ß eine vertragliche E r -
Weiterung der Haftung des Verfrachters zulässig ist, z. B. in Gestalt der Erhöhung der Haftungssumme des § 660 HGB oder auch der Bestimmung, daß das Konnossement unwiderleglichen Beweis für die Richtigkeit seiner Angaben erbringen soll. §663 ( 1 ) § 662 steht einer für den- Fall der grofien Haverei getroffenen Vereinbarung nicht entgegen. (2) Er findet ferner keine Anwendung: 1. wenn sich der Vertrag auf lebende Tiere oder eine Ladung bezieht, die im Konnossement als Deckladung bezeichnet und tatsächlich so befördert wird; 2. auf die Verpflichtungen, die dem Verfrachter hinsichtlich der Güter in der Zeit vor ihrer Einladung und nach ihrer Ausladung obliegen; 3. auf solche Vereinbarungen, die Uber eine nicht handelsübliche im regelmäfiigen Handelsverkehr zu bewirkende Verschiffung getroffen werden und durch die Eigenart oder Beschaffenheit der Güter oder durch die besonderen Umstände der Verschiffung gerechtfertigt sind, wenn das Konnossement diese Vereinbarungen enthält und mit dem Vermerk „nicht an Order" versehen ist; 4. auf Chartepartien (§ 557). 851
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Schrifttum: Bonassies, Le régime juridique des marchandises en cours de déchargement et de délivrance en droit américain, D M F 1963 S. 112; Capelle, Zur Verfrachterhaftung nach d e m Deutschen Einheitskonnossement, HansRGZ 1943 A Sp. 25 ff.; Dor, Bill of Lading Clauses and the International Convention of Brussels 1924 (Hague Rules, 1956; Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln nach anglo-amerikanischer Praxis, 1960, S. 133ff.; Gramm, Seefrachtrecht, S. 111, 183; Kreutziger, New Jason Clause, Die Kommandobrücke 1963 S. 71; Markianos, Die Übernahme der Haager Regeln in die nationalen Gesetze über die Verfrachterhaftung, Überseestudien Heft 22, S. 94 ff. ; Röhreke, Die Haftung des Reeders und Verfrachters für schuldhafte Handlungen, insbesondere Ladungsdiebstähle von Schauerleuten, Hansa 1952 S. 223ff. und 251 ff.; Wüstendörfer, SHR 278; ders., Der Schutzzweck der Haager Regeln u n d das Einheitskonnossement 1940, HansRGZ 1943 A Sp. 49. Einleitung Die Bestimmung enthält eine Reihe von Tatbeständen, die von der zwingenden Haftung des § 662 H G B ausgenommen sind. Sie beruhen teils auf den Haager Regeln, teils darauf, daß das SFrG bezüglich der Anwendbarkeit der Haager Regeln über das Konnossementsabkommen (vgl. dessen Art. Ic, e; Art. V Abs. 2, Art. VI, VII) hinausgegangen ist, ind e m es sie für alle Frachtverträge und für die gesamte Zeit zwischen der Anlieferung und der Ablieferung gelten läßt. Im Rahmen der Ausnahmen des § 663 können die Parteien ihre frachtrechtlichen Rechtsbeziehungen frei gestalten, vorbehaltlich der allgemeinen Begrenzung durch § 138 BGB. Vgl. über weitere Ausnahmen von dem zwingenden Charakter des § 662 § 663 a HGB und die in § 662 Anm. 8 erwähnten Fälle. 1
Die durch § 663 gewährte Vertragsfreiheit im einzelnen. 1. Nach Abs. 1 kommt die zwingende Mindesthaftung nicht zur Anwendung bei einer für den Fall der großen Haverei getroffenen Vereinbarung. Diese Bestimmung geht auf Art. V Abs. 2 Satz 2 H R zurück. Dieser lautet im französischen Text: „Aucune disposition dans ces règles ne sera considérée comme empêchant l'insertion dans un connaissement d'une disposition licite quelconque au sujet d'avaries communes." Es fragt sich, wie das Wort „licite" (in der Übersetzung „zulässig") zu verstehen ist. Dor, a. a. O. S. 32 ff., ist der Ansicht, es sei sicher, daß darunter alle Klauseln als unzulässig fielen, die, wenn auch im Rahmen der großen Havereibestimmungen getroffen, mit den Haager Regeln nicht vereinbar seien. Das gelte insbesondere für eine Vereinbarung, die einen Beitrag zur großen Haverei für infolge verschuldeter anfänglicher Seeuntüchtigkeit in Verlust geratene Güter vorsehe. Es bleiben deshalb bezüglich der großen Haverei nach der Ansicht von Dor im wesentlichen Vereinbarungen darüber, nach welchem Recht die große Haverei aufzumachen sei. Götz, a. a. O. S. 134, meint, wenn die Regeln in Art. V Abs. 2 Satz 2 das Recht der großen Haverei unberührt ließen, so träfe das nicht den Fall, daß im Gewand einer Beitragsvereinbarung eine Entlastung des Verfrachters von der Haftung für verschuldete Seeuntüchtigkeit oder kommerzielles Verschulden verwirklicht werden solle. Eine Umgehung der Haager Regeln solle durch Art. V Abs. 2 Satz 2 nicht ermöglicht werden. Vgl. auch „The Louise", US District Court, 1945, 58 Federal Supplement 445. Siehe auch Götz, a. a. O. S. 135. Wegen der vornehmlich für den Fall der Anwendbarkeit us-amerikanischen Rechts, welches grundsätzlich bei Verschulden am Unfall eine Verteilung in gemeinschaftlicher Haverei ausschließt, vereinbarten „Jason-Clause" oder „New JasonClause" vgl. Gilmore and Black, The Law of Admiralty, 1957, S. 243, Kühl, Hansa 1953 S. 229, Dor, a. a. O., Götz, a. a. O. Bern. 281 ; Kreutziger, a. a. O. Die Klausel lautet: „In the event of accident, danger, damage, or disaster, befor or after commencement of the voyage resulting f r o m any cause whatsoever, whether due to negligence or not, for which, or for the consequence of which, the Carrier is not responsible by statute, contract or otherwise, the goods, shippers, consignees, or owners of the goods shall contribute with the Carrier in general average to the payment of any sacrifices, losses, or expenses of a general average nature that may be made or incurred, and shall pay salvage and special charges incurred in respect of the goods." Die Klausel ist als gültig anzusehen, soweit sie den Zweck hat, den Ladungsbeteiligten zum Beitrag f ü r die große Haverei heranzuziehen in Fällen, in denen dieser nach den Haager Regeln von der Verantwortlichkeit frei ist. Vgl. auch die Entscheidungen The Jason, US Supreme Court 1912, 225 United States Reports 32; The Isis 1933 AMC 290 und 365; The Pamola 1925 AMC 1173. 852
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Für das deutsche Recht ist im Hinblick auf den Wortlaut des § 663 Abs. 1 jede Vereinbarung bezüglich der großen Haverei als zulässig anzusehen, insbesondere auch die Wegbedingung der Haftung des Verfrachters nach § 702 Abs. 2, 3 HGB (so auch Wüstendörfer, SHR 280; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 2 zu § 663; Prüssmann, § 663 B 1 a). Die Fassung des § 663 Abs. 1 ist die für das deutsche Recht maßgebliche, demgegenüber die Frage, ob sie voll dem Sinne des Art. V Abs. 2 Satz 2 HR entspricht, zurückzutreten hat. Vgl. R G Z 89, 285 über Ausschluß des Schadensausgleichs in großer Haverei durch eine Konnossementsklausel. 2. Bei der Verschiffung lebender Tiere (Abs. 2 Ziff. 1 1. Fall) entfällt die zwingende Mindest- 2 haftung, weil es sich um einen besonders risikohaften Transport handelt und der Befrachter die Möglichkeit hat, für die Versorgung der Tiere einen Begleiter zu stellen. Vgl. wegen der Freizeichnung z. B. DEK 1940 Regel V 3: „Der Verfrachter haftet nicht bei der Übernahme, Beförderung oder Ablieferung von lebenden Tieren". Abs. 2 Ziff. 1 1. Fall geht zurück auf Art. 1 c HR. Siehe rechtsvergleichend Markianos, a. a. O. S. 82. Für den Begriff der „lebenden Tiere" im Sinne der hier behandelten Bestimmung ist es einerlei, ob die Tiere eine gewisse Bewegungsfreiheit haben oder ob sie in Körbe oder dergleichen verpackt sind (anders Ripert, Droit Maritime Bd. II Nr. 1799; siehe zu der Frage auch Sauvage, Manuel pratique du transp o n des marchandises par mer, 1955 S. 36; Calero, El contrato de transporte marítimo de mercancías, Rom-Madrid 1957, S. 33; HG Marseille Revue Scapel 1948 S. 43). 3. Die zwingende Haftung entfällt weiter bei der Decksverladung (Abs. 2 Ziff. 1, 2. Fall). 3 Voraussetzung ist aber, daß die Ladung im Konnossement als Deckladung bezeichnet und tatsächlich auch so befördert worden ist. Die Verladung an Deck ist gemäß § 566 H G B nur mit Zustimmung des Abladers zulässig, und nur, wenn eine solche vorliegt, kommt Abs. 2 Ziff. 1, 2. Fall zur Anwendung. Siehe über die Zustimmung des Abladers Anm. 2, 3 zu § 566 HGB. Vgl. auch Götz, a. a. O. S. 57; Shaw, Savill & Albion Co. v. Electric Reduction Sales Co., Quebec Supreme Court, 1955, 3 Dominion Law Reports 617. Der Verfrachter, welcher ohne eine solche Erlaubnis die Güter auf Deck verladet, haftet den Interessenten der betreffenden Ladung für den aus seiner Handlungsweise entstehenden Schaden, es müßte denn sein, daß er sich von den Folgen seiner Vertragswidrigkeit erlaubterweise freigezeichnet hat. Für die Frage, ob und wann dem Verfrachter im Rahmen der §§ 662 ff. H G B eine solche Freizeichnung erlaubt ist, ist einerseits zu beachten, daß § 663 Abs. 2 Ziff. 1 in diesem Fall nicht zur Anwendung kommt, weil er erlaubte Verladung voraussetzt (vgl. Anm. 6 zu § 566 HGB; Hasche, Hansa 1951 S. 1184), andererseits § 566 HGB selbst in § 662 H G B nicht zum zwingenden Recht erklärt ist. Soweit aber die unerlaubte Verladung an Deck zum Verlust oder zur Beschädigung der Ladung im Rahmen der §§ 606 bis 608 HGB führt, haftet der Verfrachter nach diesen Bestimmungen. D a n n kann nämlich keine Rede davon sein, daß Verlust oder Beschädigung des betreffenden Gutes auf Umständen beruhen, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten. Insoweit ist dann im Rahmen der §§ 662 ff. die Haftung zwingend. Vgl. auch HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 2029. Wie hier auch Prüssmann, § 663 B 2 b, anders Schlegelberger-Liesecke, § 663 Anm. 4. a) Der Begriff der Deckladung in Abs. 2 Ziff. 1 hat die gleiche Bedeutung wie „ Verladung auf das Verdeck" im Sinne des §566 HGB. Erforderlich ist danach eine Verladung auf dem obersten Deck außerhalb der Luken oder geschlossenen Räume. Vgl. dazu auch Anm. 1 zu § 566 HGB. Nur solche Güter sind also als Deckladung anzusehen, die auf ungedeckten Teilen des Schiffes, nicht etwa aber dort verladen werden, wo sie gegen Seegefahren ebenso geschützt werden können wie unter Deck. Daher liegt keine Deckladung vor bei Verladung von Gütern in auf dem Deck befindlichen Hütten, Oberkajüten, Passagierkabinen, Steuermannskajüten oder allen anderen auf Deck befindlichen geschützten Räumen, die mit dem Schiffskörper fest verbunden sind (vgl. auch Kokkinopoulos, HansRGZ 1931 A 257). Dagegen sind Güter, die in den dem Schiff angehängten Booten verladen werden, ebenso wie die außenbords angehängten Güter zur Deckladung zu rechnen. Anders bezüglich der Verladung in einem Deckshaus die bei Carver, 10. Aufl. S. 475 angeführte ältere englische Entscheidung Exchange Shipping Co. v. Dixon, 1885. Doch entspricht die neuere Auffassung in den anglo-amerikanischen Rechten der oben dargelegten Meinung. Siehe Götz, a. a. O. S. 56 ff. Vgl. für die USA schon „The Kirkhill", US Court of Appeals, 1900, 99 Federal Reporter 575. Vgl. ferner Lagerloef Tra853
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ding Co. v. United States, US District Court, 1930, 43 Federal Reporter Second Series 871 (eine im Hecksteuerraum über dem Afterpiektank gestaute Ladung Zündhölzer ist Raumladung), The Velma Lykes, US District Court, 1934, 6 Federal Supplement 886 (im Brückendeck gestaute Ladung ist Raumladung, obwohl das Brückendeck nicht in der gleichen Stärke beplattet war wie das der Räume unter dem Hauptdeck; es handelte sich aber um einen abgeschlossenen, sicheren und gegen Wassereinflüsse völlig abgeschirmten Raum), The Lossiebank, Californien Supreme Court, 1938 AMC 1033 (Stauung in einem sonst als Hospital verwendeten Stahlaufbau an Deck mit schweren hölzerenen Türen, die von einem Unwetter eingedrückt wurden; auch hier wurde Raumstauung angenommen). 5
b) Die zwingende Haftung des Verfrachters entfällt aber nicht schon dann, wenn er das Gut erlaubterweise an Deck gestaut hat. Es muß vielmehr noch eine eindeutige Erklärung im Konnossement hinzukommen, in der die Verladung als Deckladung bezeichnet wird, z. B. durch Klauseln wie „Shipped on deck at shipper's risk" (vgl. Pioneer Import Corp. v. The Lafcome, US District Court, 1943, Federal Supplement 559) oder „On Deck at Shipper's Risk" (vgl. Pannell v. The S. S. American Flyer, US District Court, 1957, 157 Federal Supplement 422) oder „Loaded on Deck Owners Risk of Damage or Loss" (vgl. Globe Solvents Co. v. The California, US Court of Appeals, 1948, Federal Reporter Second Series 859). Vgl. auch BGHZ 6, 127 = NJW 1952 S. 1134. Sind Güter nach dem Konnossement als an Deck verladen bezeichnet, tatsächlich aber unter Deck verladen, so gelten die zwingenden Vorschriften des Gesetzes. Sind die Güter teils auf Deck, teils unter Deck verladen, so gelten die zwingenden Vorschriften nur für die letzteren, wenn die Güter teilbar sind, anderenfalls unterliegen die gesamten Güter den zwingenden Bestimmungen des Gesetzes (Gramm, a. a. O. S. 184; ähnlich Götz, a. a. O. S. 59; vgl. ferner The Margaret Lykes, US District Court, 1944, 57 Federal Supplement 466; Scrutton, S. 418). Die zwingenden Vorschriften sind auch dann zur Anwendung zu bringen, wenn die Güter zunächst an Deck gestaut wurden, später dann aber in den Raum gebracht wurden (Scrutton, S. 419; zweifelnd Götz, a. a. O., der eher dazu neigt, daß die zwingende Haftung dann nur die Zeit nach der Umladung erfaßt).
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c) Vgl. Anm. 3 zu § 566 H G B darüber, daß durch die Zustimmung zur Decksverladung der Verfrachter nicht von der Beachtung der nötigen Sorgfalt, die einer solchen Verladung entgegenstehen kann, entbunden wird.
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4. Die zwingende Haftung entfällt ferner gemäß Abs. 2 Ziff. 2 für Verpflichtungen, die dem Verfrachter hinsichtlich der Güter in der Zeit vor ihrer Einladung und nach ihrer Ausladung obliegen (nicht ganz zutreffend auch als Landschäden bezeichnet, weil es sich auch um Schäden handeln kann, die vor der Einladung oder nach der Ausladung in einem Leichter entstanden sind). Vgl. Art. 1 e HR, wonach die zwingenden Haftungsnormen nur umfassen „the period from the time when the goods are loaded on to the time, when they are discharged from the ship". In Art. VII HR ist noch zusätzlich zum Ausdruck gebracht, daß es zulässig ist, beliebige Vereinbarungen zu treffen „prior to the loading on and subsequent to the discharge from the ship on which the goods are carried by sea". Art. 1 e und Art. VII HR entspricht die Formulierung in Abs. 2 Ziff. 2: Die zwingende Haftung des Verfrachters beginnt also erst mit der Einladung in das Schiff und endet mit der Ausladung aus diesem. Für den etwa darüber hinausgehenden Zeitraum zwischen Annahme und Einladung einerseits und Ausladung und Ablieferung andererseits ist Freizeichnung möglich, von der auch regelmäßig in den Konnossementen Gebrauch gemacht wird, so etwa mit den Klauseln „not liable for any country damages" oder „Der Verfrachter haftet für die in der Zeit von der Einladung bis zur Ausladung entstandenen Schäden", „The carrier not be liable for loss or damage to the goods during the period before loading and after discharge from the vessel, however such loss or damage arises" (vgl. zu der Bedeutung der Klausel im einzelnen HansOLG Hamburg, Deutsche Verkehrs-Zeitung 1958 Nr. 91), „Die Haftung des Verfrachters hört in jedem Falle auf, sobald sich die Güter von dem Schiff getrennt haben", vgl. für die Klausel „La responsabilité de l'Armateur cesse au moment ou le réceptionaire, conformément à la stipulation précendante, est obligé de prendre livraison de la marchandise" AG Hamburg Hansa 1961 S. 2437. Vgl. für das deutsche Recht auch HansOLG Hamburg Hansa 1960 S. 1641 = VersR 1960 S. 607; Hansa 1960 S. 906. Man hat die Begrenzung der zwingenden Haftung auch als den „from tackle to tackle"-Grund854
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satz bezeichnet. Doch ist mit dieser Formulierung Vorsicht geboten, weil die Auslegung in den einzelnen Mitgliedstaaten der Haager Regeln nicht ganz einheitlich ist. Siehe dazu insbesondere auch Markianos, a. a. O. S. 85 f. Im Rahmen der zwingenden Haftung nach §§662 ff. können die Parteien nicht vereinbaren, was sie unter Ein- und Ausladung verstehen. Sollen aber Einladung und Ausladung in den zwingenden Haftungsbereich fallen, so muß da- 8 für Voraussetzung sein, daß das Ein- und Ausladen zu den vertraglichen Verpflichtungen des Verfrachters gehört, wie es nach der dispositiven gesetzlichen Regelungen der §§ 561, 593 H G B der Fall ist (OLG Hamburg VersR 1973 S. 1138). Anders z. B. bei der „fio"-Klausel: „free in and out" vgl. dazu Anm. 5 zu § 561 HGB. Auch im Bereich des anglo-amerikanischen Rechts scheint die überwiegende Meinung anzunehmen, daß die zwingende Haftung sich auf das Ein- und Ausladen nur dann erstreckt, wenn dieses vertraglich dem Verfrachter obliegt, daß also die Haager Regeln nicht den Umfang der vertraglichen Verpflichtungen des Verfrachters festlegen, sondern nur das „Wie" ihrer Erfüllung betreffen. So Carver, S. 235; Pyrene Co. v. Scindia Steam Navigation Co a. a. O. ; wohl auch G. H. Renton v. Palmyra Trading Corp. of Panama (1957), The Law Reports, Third Series, Appeal Cases 149. Zu beachten ist aber folgendes: Auch die „fio"-Klausel befreit den Verfrachter nicht völlig von der Verantwortung bei dem Ein- und Ausladen. Er hat, wie in Anm. 5 zu § 561 H G B dargelegt, die Pflicht, die Stauung allgemein zu beaufsichtigen, und er hat auch das Ladegeschirr des Schiffes zur Verfügung zu stellen. Soweit hiernach auch bei Übernahme des Ein- und Ausladens durch Ladungsbeteiligte die Verpflichtung des Verfrachters von Bestand geblieben ist, muß auch der zwingende Haftungsbereich der H'aager Regeln bzw. des § 662 H G B wirksam bleiben (ähnlich auch Götz, ZHR Bd. 121 S. 62 und Seefrachtrecht der HR S. 65). Siehe auch Anm. 6 zu § 606 HGB. Es genügt für die zwingende Geltung der Haager Regeln, daß der haftungsbegründende 9 Umstand in die Zeit des Ein- und Ausladens fällt. Die Entwicklung des Schadens kann auch später erfolgen. Vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der HR, S61 Anm. 71; Armco International Corp. v. Rederi A / B Disa, US Court of Appeals, 1945, 151 Federai Reporter, Second Series 5; United States v. Standard Oil Company of California, US Court of Appeals, 1946, 156 Federai Reporter, Second Series 912; Stein v. United, States Lines Co., US District Court, 1955, 132 Federai Supplement 334. a) Einladung (vgl. auch Anh. II z. 4. Abschnitt Anm. 10) ist die Beförderung der Ladung von 1 0 der Schiffsseite her bis in den Schiffsraum hinein. Es kommt also auf den Beginn dieses Vorgangs an, also auf das Anschlagen des Kollis in das Ladegeschirr, einerlei, ob es sich bei diesem um schiffseigenes Geschirr oder um einen an Land oder auf einem längsseits liegenden Fahrzeug befindlichen Kran (insbesondere Schwimmkran) handelt. Nach der in den USA vertretenen Ansicht soll bei der Benutzung eines Hafenkrans maßgebend sein allerdings erst der Augenblick, in dem die Güter mittels des Krans in den Einwirkungsbereich des Schiffes gelangen, die Ladung also bereits auf den Schiffskörper gelangt ist. Nach der dortigen Auffassung spielt der Gewahrsam des Schiffes eine erhebliche, wenn auch nicht immer ausschlaggebende Rolle. Vgl. Waters Trading Co. v. Dalgety & Co., Supreme Court of New South Wales, 1951, 2 LI. L. Rep. 385; siehe aber auch Knauth, The American Law of Ocean Bills of Lading S. 144ff.; vgl. ferner Götz, ZHR Bd. 121 S. 58. Für das deutsche Recht kann diese amerikanische Ansicht wegen des Wortlauts des § 663 Abs. 2 Ziff. 2 nicht übernommen werden, zumal auch ein sachlicher Grund für eine Unterscheidung, ob mit schiffseigenem Geschirr oder solchem des Kais oder einem Schwimmkran geladen wird, nicht anerkannt werden kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Einladen zu den vertraglichen Verpflichtungen des Verfrachters gehört. Über die andersartige Rechtslage, wenn das nicht der Fall ist, insbesondere für den Fall der „fio"-Klausel siehe oben Anm. 9. Bei Verladung über Gangway müssen die Güter von der Schiffsseite her in Bewegung gesetzt sein (auf das Passieren der Reeling kommt es nicht an; anders Dor, Bill of Lading Clauses S. 98). Für gepumpte Flüssigkeiten kommt es darauf an, ob sie sich schon in den Leitungen des Schiffes oder doch schiffsseitig gestellten Leitungen befinden (letzteres verkennt Schlegelberger-Liesecke, Anm. 8 zu § 663, indem er ausschließlich auf das Einfließen in die Einfüllöffnung des Schiffes abstellt; vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln S. 61; für das französische Recht unten Anm. 11. Wie hier auch Prüss855
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mann, § 663 B 3 b. Wird Getreide mit Hilfe von Getreidehebern eingeladen, so kommt es auf den Beginn des Einsaugens in den Heber an (so auch Prüssmann, a. a. O., anders Schlegelberger-Liesecke, § 663 Anm. 8: Austritt aus dem Sauger). Es fällt deshalb bereits in den zwingenden Haftungszeitraum, wenn die Güter beim Einladen aus der Hieve schießen oder sonst Schaden nehmen (vgl. Hansa 1955 S. 1043). In Sachen Krawill Machinery Corp. v. Robert C. Herd & Co. (vgl. US District Court AMC 1956 S. 2217) sollte eine schwere Presse aus einem Eisenbahnwaggon von der Pier übernommen werden. Sie wurde zunächst von einem Hafenkran angehoben, um Schlingen zum Überhieven an ihr befestigen zu können. Dabei stürzte sie in den Hafen. Die HR kamen nicht zur Anwendung, weil die Presse noch nicht im Gewahrsam des Schiffes war. Dieser Entscheidung wäre auch für das deutsche Recht zu folgen, weil weder schiffseigenes noch sonstiges Geschirr für die endgültige Übersetzung der Ladung auf das Schiff angeschlagen war. Werden die Güter von dem Ablader in einem Leichter längsseits gebracht, so fallen sie nicht unter die zwingende Haftung, solange sie sich in dem Leichter befinden und das der Übernahme in das Schiff dienende Geschirr noch nicht angeschlagen ist. Vgl. aus der Rechtsprechung der Gerichte der USA etwa Mackey v. US (US District Court, AMC 1949 S. 187, US Court of App., A M C 1952 S. 109): Kaffee in längsseits liegenden Leichtern, der eingeladen werden sollte, erlitt durch aufkommenden Sturm Wasserschäden; die zwingende Haftung der H R kam noch nicht zum Zuge, denn der Kaffee war noch nicht „in the ship's tackle". Gleiches gilt auch für den Fall, daß der Verfrachter die Güter bereits an Land übernommen hatte und sie seinerseits mit einer Schute an das im Strom ladende Schiff bringt. 11
b) Ausladung (vgl. auch Anm. 11 Anh. II z. 4. Abschnitt) ist die Beförderung der Ladung aus dem Schiffsraum bis über die Reeling hinaus an Land oder in einen Leichter (HansOLG HansGZ 1913, 136 = SeuffA Bd. 68 S. 287). Die Ausführungen in Anm. 10 gelten entsprechend. Regelmäßig wird die Ausladung im Bestimmungshafen erfolgen. Doch ist das nicht notwendig, sofern nur die endgültige vertragsgemäße Lösung von Schiff und Ladung beabsichtigt ist. Auch hier endet also die zwingende Haftung, wenn das Gut an Land oder in Leichter abgesetzt und das Löschgeschirr abgeschlagen ist. Unzutreffend Gramm, Seefrachtrecht Anm. IV 2 zu § 606 HGB, der darüber hinaus verlangt, daß die Güter an den Platz gebracht werden, an dem sie nach dem Konnossement niederzulegen sind (vgl. auch LG Hamburg Hansa 1956 S. 2437). Das aber ist die Begriffsbestimmung für die von der Ausladung zu unterscheidende Löschung. Zuzugeben ist lediglich, daß die Ausladung, wie sie erfolgt, die im Konnossement vorgesehene oder übliche sein muß. Kommt danach Löschung am Kai in Betracht, löscht das Schiff aber ohne Einverständnis des Empfängers in Leichter, so liegt noch keine Ausladung vor. Auch nach anglo-amerikanischer Auffassung unterstehen Güter, die vom Befrachter oder Ablader in Leichtern längsseits gebracht werden und entsprechend ausgeladene Güter den H R von Gesetzes wegen nicht. In Sachen Federal Ins. Co. v. American Export Lines war beim Ausladen von Stahl in einen längsseits liegenden Leichter eine Partie desselben aus dem Ladegeschirr des Schiffes auf andere, bereits aus dem Schiff in den Leichter ausgeladene Ladung gefallen und hatte diese beschädigt; auf die bereits in dem Leichter befindlichen Partien und den Schaden an diesen kamen die HR nicht mehr zur Anwendung (vgl. US District Court A M C 1953 S. 1330). Vgl. ferner Petition of Petterson Lighterage & Towing Corp., US District Court (1957) 154 Federal Supplement 461; Pyrene Co. v. Scindia Nav. Co. a. a. O.; Mackey v. United States, US District Court (1948) 83 Federal Supplement 14; Knauth, Ocean Bills of Lading, S. 232; Götz, Das Seefrachtrecht der HR S. 66 f. Anders liegt es aber, wenn etwa der Verfrachter aus dem Seeschiff auf einen Leichter auslädt, auf dem nach den konkreten Umständen die Sicherheit der Güter nicht gewährleistet ist. Vgl. Svenska Traktor Aktiebolaget v. Maritime Agencies (Southampton) Ltd., Queen's Bench Division (1953) 2 The Law Reports (Third Series) Queen's Bench Division 295; Shaw, Savill & Albion Co. v. Electric Reduction Sales Co, Quebec Superior Court, 1955, 3 Dominion Law Reports, Second Series, 617. Dann liegt eben in der Ausladung als solcher ein Verstoß gegen die HR und der von dieser zwingend vorgeschriebenen Ladungsfürsorge. In dieser Richtung scheint auch die Entscheidung Goodwin, Ferreira v. Lampert & Holt, 1929, LI. L. R. Bd. 34 S. 192, zu liegen. Dort war eine Baum856
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wollgarnladung bereits vollständig in einen längsseits liegenden Leichter entladen worden, als eine in den gleichen Leichter noch zu übernehmende Kiste mit Eisenröhren im Ladegeschirr des Schiffes brach. Durch die herabfallenden Eisenröhren wurde der Leichter leck geschlagen u n d die in diesem befindliche Baumwolle durch das eindringende Wasser beschädigt. Das Gericht n a h m an, daß der Sachverhalt in den zwingenden Anwendungsbereich des britischen Carriage of Goods by Sea Act falle, weil die Ausladung der G ü t e r erst mit d e m Abschluß der Beladung des Leichters beendet sei. Bedenken gegen diese Auffassung finden sich in der Entscheidung Lindsay Blee Depots Ltd. v. Motor Union Ins. Co., King's Bench Division, 1930, LI. L. R. Bd. 37 S. 220. Auch wenn die Leichterung im Verschiffungs- und Bestimmungshafen zu den Obliegenheiten des Verfrachters gehört, so ist f ü r Australien, G r o ß b r i t a n n i e n und die USA anzunehmen, daß die Leichterung nicht in den zwingenden Bereich der H R fällt (anders Dor, Bill of Lading Clauses, S. 52 f.). Auch hier kommt die A n w e n d u n g der Haftungsbestimm u n g e n der H R nur d a n n in Betracht, wenn die Sicherheit der G ü t e r auf d e m Leichter überhaupt nicht gewährleistet werden kann. Vgl. Götz, a. a. O. S. 68 f. mit weiteren Angaben; siehe insbesondere Remington Rand Inc. v. American Export Lines Inc., US District Court, 1955, 132 Federal Supplement 129; anders Dor, a. a. O. S. 52 f. u n d Knauth, O n Ocean Bills of Lading, S. 233. Anders auch f ü r Kanada, weil dessen Recht für den Anwendungsbereich der H R auf die Beförderung zu Wasser abstellt, wozu auch die Beförderung durch Leichter gehört. Vgl. Götz, a. a. O. S. 69. Die Leichterung im Zwischenhafen fällt unter die zwingende Haftung der HR. Das gilt auch für das Durchfrachtgeschäft, wenn ohne wirksame' Beschränkung auf den eigenen Transportabschnitt eine Transportgesamtverpflichtung ü b e r n o m m e n war (siehe dazu Anhang I zu § 656 HGB). D a n n überlagern die einheitlich durch die H R beherrschten Seestrecken das bloße Zwischenglied der Umladung. So zutreffend Götz, Das Seerecht der H R S. 71. Ausdrückliche Entscheidungen f ü r die HR liegen noch nicht vor. Vgl. aber Colton v. New York & Cuba Mail S.S. Co., US Court of Appeals (1928) 27 Federal Reporter, Second Series, 671, und Fyfe v. Pan-Atlantic S. S. Corp., US Court of Appeals (1940), 114 Federal Reporter Second Series 72, aus denen sich dieses Ergebnis jedenfalls mittelbar herleiten läßt. Anders, wenn keine einheitliche Verpflichtung vom Verschiffungs- z u m Bestimmungshafen ü b e r n o m m e n ist. Vgl. Götz, a . a . O . S. 71 f.; Heini, Durchkonnossement, 1957, S. 108ff.; Dor, Bill of Lading Clauses S. 9 9 f f . ; A n m . 15 A n h a n g II z. Vierten Abschnitt. Schon oben in A n m . 7 wurde darauf hingewiesen, daß die Begrenzung des f ü r die zwingen- 1 2 de H a f t u n g in Betracht k o m m e n d e n Zeitraums in den einzelnen Mitgliedstaaten der H R keine ganz übereinstimmende Auslegung erfahren hat. Vornehmlich im Rechtsbereich der USA werden Art. 1 e und Art. VII H R in dem Sinne verstanden, daß der zwingende Haftungsbereich den durch die „tackle-to-tackle-Regel" abgesteckten Bereich umfasse, womit aber dort z u m Ausdruck gebracht werden soll, daß die zwingende H a f t u n g nicht den gesamten Bereich des Ein- und Ausladens ergreife. Vielmehr soll es regelmäßig auf den G e w a h r s a m des Schiffes an den Gütern a n k o m m e n . Dieser wird angenommen, w e n n sich das G u t schon oder (bei der Ausladung) noch im eigenen Ladegeschirr des Schiffes befindet; bei Einsatz von f r e m d e m Ladegeschirr ist entscheidend, ob die Ladung schon oder noch auf dem Schiffskörper ist. Vgl. Götz, a. a. O. S. 61; Mackay v. United States, US District Court, 1948, 83 Federal Supplement 14; Petition of Petterson Lighterage & Toring Corp., US District Court, 1957, 154 Federal Supplement 461. Siehe f ü r das Recht der USA vornehmlich auch Knauth, S. 144 ff. Vgl. ferner US District Court, Southern District of New Yorck, A M C 1955 S. 1789 = Hansa 1956 S. 976. F ü r das englische Recht scheint die „tackle-to-tackle-Regel" nicht so allgemein in diesem Sinne anerkannt zu sein. Vielmehr scheint dort mehr die Neigung zu bestehen, die zwingende G e l t u n g der H R auf d e n Gesamtvorgang des Ein- u n d Ausladens zu erstrecken. Vgl. Götz, a. a. O. In dem französischen Recht haftet der Verfrachter zwingend für die Zeit von der „prise en Charge" bis zur „livraison", also von der A n n a h m e bis zur Ablieferung (Art. 27 Gesetz v. 18. 6. 1966). Doch können diese Begriffe nach Art. 38 Dekret v. 31. 12. 1966 näher bestimmt werden, so daß ein ähnlicher Rechtszustand wie nach § 663 Abs. 2 Ziff. 2 H G B hergestellt 857
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werden kann (vgl. Rodière, Traité Bd. II S. 231, Bieber, Das neue französische Seefrachtrecht, Diss. F r a n k f u r t / M . 1972, S. 47, 87, 107; anders wohl Norf, Das Konnossement im gemischten Warenverkehr, 1976, S. 43). Art. 1 des spanischen Gesetzes über die Seebeförderung von Waren v. 22. 12. 1949 bestimmt ausdrücklich, daß bei Ein- oder Ausladung durch schiffsfremde Mittel (also insbesondere durch Land- oder Schwimmkräne) die zwingende Haftung erst beginnt, sobald sich die Ware an Bord befindet oder noch an Bord ist. 13 c) Beweislast. (Vgl. auch Anhang II zum Vierten Abschnitt Anm. 12). Wird von der hiernach zulässigen Freizeichnung für die Zeit vor Beginn der Einladung bis nach Beendigung der Ausladung Gebrauch gemacht und ist umstritten, ob der Schaden innerhalb des der zwingenden Haftung unterstehenden Zeitraums entstanden ist oder nicht, so hat zwar auch in diesem Falle der Ladungsbeteiligte zunächst nachzuweisen, daß die Güter unbeschädigt waren, als sie übernommen wurden (vgl. dazu Anm. 23 zu § 606 HGB). Ist dieser Nachweis erbracht, so hat der Verfrachter darzulegen, daß der Schaden in der Zeit von der Übernahme bis zur Anbordnahme eingetreten ist, oder aber, daß die Güter nach Beendigung ihrer Ausladung noch vollständig und unbeschädigt waren (so auch Schiedsgericht Gdynia bei Richter und Weidlich, S. 21). Das folgt aus seiner grundsätzlichen Entlastungspflicht, ferner auch aus § 282 BGB. Die in § 663 Abs. 2 Ziff. 2 vorgesehene Ausnahme bezieht sich nur auf die materiellrechtliche Haftungsfrage. Den Ladungsbeteiligten ist eine Haftung des Verfrachters nahezu wertlos, wenn sie für Tatsachen den Beweis erbringen sollten, die sich ohne ihre Kontrolle oder auch nur Kontrollmöglichkeit abgespielt haben (so auch Capelle, HansRGZ 1943 A 30; Wüstendörfer, SHR 279; ders., HansRGZ 1943 455; Lebuhn, Neuzeitliche Konnossementsfragen, 1949 S. 20ff.; Albrecht, Hansa 1950 S. 1630; Markianos, a . a . O . S. 87; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 10 zu § 663; Dor, a. a. O. S. 95 mit Nachweisen über die ausländische Rechtsprechung; Prüssmann, §663 B 3 d ; siehe aus der deutschen Rechtsprechung HansOLG HansGZ 1924 Nr. 90 und 1925 Nr. 1, OLG Hamburg Hansa 1962 S. 2507, Hansa 1963 S. 528 = MDR 1962 S. 907 = VersR 1962 S. 1172, MDR 1967 S. 406 = VersR 1967 S. 700, OLG Bremen VersR 1972 S. 248 für die „tackle-to-tackle" Klausel, BGH VersR 1972 S. 295; a. A. Röhrecke, Hansa 1952 S. 253). Deshalb ist die Regel II 2 DEK 1941 mit § 663 Abs. 2 Ziff. 2 nicht vereinbar (so auch Schlegelberger-Liesecke, a. a. O. ; a. A. Röhrecke, a. a. O.). Siehe zu der andersartigen Regelung im englischen Recht OLG Hamburg VersR 1972 S. 282: Dort trägt der Empfänger die Beweislast dafür, daß der Verlust eingetreten ist, solange sich die Güter bis zur Beendigung des Löschens noch in der Hand des Verfrachters befinden ( Tetley, Marine Cargo Claims, 1965 S. 34). 14
5. Gemäß Abs. 2 Ziff. 3 entfällt die zwingende Haftung sodann bezüglich solcher Vereinbarungen, die über eine nicht handelsübliche im regelmäßigen Handelsverkehr zu bewirkende Verschiffung getroffen werden und durch die Eigenart oder Beschaffenheit der Güter oder durch die besonderen Umstände der Verschiffung gerechtfertigt sind, wenn das Konnossement diese Vereinbarungen enthält und mit dem Vermerk „nicht an Order" versehen ist. Vgl. Art. VI HR. Siehe zu der Vorschrift auch Poor; American Law of Charter Parties and Bills of Lading, 4. Aufl. 1954 S. 148. Erforderlich ist, daß das Konnossement ausdrücklich die ngative Orderklausel enthält, obwohl es ohne die positive Orderklausel gemäß § 363 HGB stets Rektapapier ist. Was unter handelsüblicher, im regelmäßigen Handelsverkehr zu bewirkender Verschiffung zu verstehen ist, kann nur im Einzelfall nach der Verkehrssitte entschieden werden, desgleichen, ob die Eigenart oder Beschaffenheit des Gutes die besonderen Vereinbarungen rechtfertigt. Unter die Bestimmung fallen z. B. als besondere Frachtverträge die Verschiffung von Gütern für Polarexpeditionen, Kabellegerarbeiten, Verschiffungen für Krankenstationen und Flugstützpunkte, die im gewöhnlichen Verkehr nicht angelaufen werden (vgl. Knauth, The American Law of Ocean Bills of Lading. S. S. 283), Museumsstücke, Schwergutverladungen besonderer Art. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist nicht besonders groß. Die Verschiffung von Wein in Tankschiffen wird in der Entscheidung des HG Séte D M F 1950 5. 511 nicht mehr als nicht handelsübliche Verschiffung angesehen. Liegen tatsächlich die Voraussetzungen der Ziff. 3 nicht vor, so sind die den zwingenden Vorschriften des § 662 H G B zuwiderlaufenden Vereinbarungen nichtig. Siehe rechtsvergleichend auch Markianos, a. a. O. S. 83 und die Anm. zu Art. VI HR. 858
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6. Schließlich entfällt gemäß Abs. 2 Ziff.4 die zwingende Haftung bei Chartepartien. Siehe 15 über diese § 557 HGB und die dortigen Anmerkungen. Vgl. Art. V Abs. 2 HR. Gemäß der Amtl. Begründung zu § 663 a HGB erschien der Charterer eines staatlichen Schutzes erheblich weniger bedürftig zu sein als der Konnossementsinhaber, und dieser, wie sich aus § 663 a ergibt, wieder vornehmlich beim Stückgüterverkehr, denn beim Raumfrachtvertrag genießt erst ein solcher Konnossementsinhaber den Schutz der zwingenden Haftung, der mit Befrachter oder Ablader nicht iedentisch ist. Es kommt hinzu, daß die Chartepartie, anders als das Konnossement, nicht Wertpapier ist, und daß die Rechte aus dem Chartervertrag nicht besonders häufig abgetreten werden. Vgl. kritisch zu Abs. 2 Ziff. Wüstendörfer, SHR 278 und Capelle, a. a. O. S. 356. Es entspricht jedenfalls dem gegenwärtigen Recht, daß bei Raumfrachtverträgen im Verhältnis zwischen Befrachter und Verfrachter alle Freizeichnungen, soweit sie nicht gegen die guten Sitten verstoßen, zulässig sind. Doch soll nach BGH VersR 1974 S. 590 die Freizeichnung ihre Grenze finden in den Pflichten bezüglich des Hauptzwecks des Chartervertrages, die Güter an den legitimierten Konnossementsinhaber gelangen zu lassen (Auslieferung der Güter durch den Kapitän ohne Entgegennahme des Konnossements) (dazu kritisch Trappe, VersR 1974 S. 593).
§ 663 a Wird bei einer Raumverfrachtung (§ 556 Nr. 1) ein Konnossement ausgestellt, so gilt § 662 von dem Zeitpunkt ab, in dem das Konnossement an einen Dritten begeben wird. Schrifttum: Capelle, Frachtcharter S. 57; Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln nach anglo-amerikanischer Praxis, 1960, S. 51 ff.; ders., ZHR Bd. 121 51; Gramm, Seefrachtrecht S. 185; Gehisen, Über den rückwirkenden Beginn der gesetzlichen Mindesthaftung des Verfrachters/Reeders bei Begebung eines Charterkonnossements, VersR 1958 S. 663; ders., Nochmals: Rückwirkung der Verfrachterhaftung bei Begebung eines Charter-Konnossements, VersR 1959 S. 5; Lebuhn, Hansa 1956 S. 1826; Markianos, Die Übernahme der Haager Regeln in die nationalen Gesetze über die Verfrachterhaftung, Heft 26 der Überseestudien, 1960, S. 73; Poor, On Charter-Parties and Ocean Bills of Lading, 4. Aufl. 1954, S. 147; Carver, S. 219; Scrutton, S. 417 f. Einleitung Die durch das SFrG eingeführte Bestimmung beruht auf Art. I b HR (siehe auch Art. V 2 HR). Durch sie werden bei einem Raumfrachtvertrag Konnossemente der zwingenden Haftung des § 662 erst vom Augenblick ihrer Begebung an einen Dritten ab unterworfen. Doch gelten auch dann die in § 663 HGB und in Art. 2 DVOzSFrG enthaltenen Ausnahmen. 1. Das Freizeichnungsverbot des § 662 HGB findet gemäß § 663 Abs. 2 Nr. 4 HGB auf 1 Chartepartien keine Anwendung. Bei einem Raumfrachtvertrag bestehen also zwingende Vorschriften über den Umfang der Verfrachterhaftung nicht. Wird bei einem Raumfrachtvertrag ein Konnossement ausgestellt und bleibt dieses in den Händen das Abladers oder ist der Empfänger mit dem Befrachter (Charterer) oder dem Ablader identisch, so hat das Konnossement im wesentlichen die Bedeutung eines Empfangsbekenntnisses (anders Prüssmann, § 663 B 3). Das gilt auch, wenn das vom Charterer ausgestellte und von ihm an einen Dritten begebene Konnossement später an ihn zurückübertragen ist (Götz, Seefrachtrecht S. 52; siehe auch Scrutton, S. 417 f.). Die zwingende Wirkung des Konnossements tritt erst dann ein, wenn das Konnossement an einen Dritten begeben wird, wenn es, wie Götz, Seefrachtrecht der HR S. 51, es ausdrückt, über die Charterparteien hinaus Wirkung entfaltet. Zutreffend ist in dem Schiedsspruch HansRGZ 1942 B 198 zum Ausdruck gebracht worden, daß die Weitergabe des Konnossements an einen Spediteur, der für Rechnung der Befrachter empfängt, keine Weitergabe im Sinne des § 663 a ist. Anders als beim Konnossement im Stückgüterverkehr ist das Konnossement beim Raumfrachtvertrag meistens nur kurz. Es enthält in der Regel nur die Angaben über die Güter und nimmt wegen aller sonstign Einzelheiten auf die Chartepartie Bezug. 859
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§ 663 a kommt nur auf die Konnossemente eines Raumfrachtvertrages zur Anwendung, und zwar auch dann, wenn der Charterer das Schiff selbst mit Stückgütern beläd, für die er der Ablader ist und für die der Vercharterer ihm als solchem Konnossemente ausstellt. Auch derartige Konnossemente sind den zwingenden Vorschriften des § 662 HGB so lange nicht unterworfen, wie sie sich noch in der Hand des Charterers befinden. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 74, der zutreffend darauf hinweist, daß der abgeschlossene Chartervertrag auch dann immer noch Raumfrachtvertrag bleibe und nicht dadurch in einen Slückgütervertrag umgewandelt würde, daß der Charterer Stückgüter verladen lasse. Liegt es aber so, daß der Charterer das Schiff seinerseits auf Stückgüter anlegt und er die Konnossemente für diese von ihm geschlossenen Frachtverträge ausstellt (indem sich dann also an den Raumfrachtvertrag Unterfrachtverträge über Stückgüter anschließen; vgl. dazu § 605 H G B und die dortigen Anmerkungen), so unterliegen diese Konnossemente schon in der Hand des Abladers den zwingenden Vorschriften (Markianos, a. a. O.; Götz, a. a. O. S. 53; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 3 zu § 663 a; Sieveking, Die Haager Regeln in englischer Beleuchtung, HansRZ 1923, 316). Götz, a. a. O., nimmt zutreffend an, daß die zwingenden Vorschriften auch dann zur Anwendung kämen, wenn der Charterer Unterfrachtverträge über Stückgüter schließt, die Konnossemente hierfür aber nicht vom Charterer, sondern vom Verfrachter ausgestellt würden. Vgl. Instituto Cubano de Estabilización del Azúcar v. T / V Golden West, US Court of Appeals, 1957, 246 Federal Reporter, Second Series, 802. Doch scheint dieser Fall für das deutsche Recht höchstens Bedeutung zu haben, wenn in einem vom Kapitän oder einem anderen Vertreter des Reeders ausgestellten Konnossement der Name des Verfrachters nicht angegeben ist, so daß gemäß § 644 H G B der Reeder als Verfrachter gilt. Bei derartigen vom Reeder ausgestellten Konnossementen soll dann die zwingende Mindesthaftung auch gelten, wenn sie von dem dritten Stückgutbefrachter an den Raumbefrachter übertragen werden (Götz, Seefrachtrecht S. 52; Steamship Calcutta Co. v. Andrew Weir & Co., brit. King's Bench Division 1910, The Law Reports, Third Series, King's Bench Division 759; Hogarth Shipping Co. v. Blyth, Greene, Jourdain & Co., brit. Court of Appeal, 1917, The Law Reports, Third Series, King's Bench Division 534.
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2. Die Bedeutung des Wortlauts des § 663 a „von dem Zeitpunkt ab" kann zweifelhaft sein. Mit ihm könnte gesagt sein, daß die gemäß § 662 HGB zwingende Haftung des Verfrachters erst mit dem Zeitpunkt (ex nunc) der Konnossementsbegebung an einen Dritten zum Tragen komme, oder aber auch, daß dem „dritten" Konnossementsinhaber gegenüber diese Haftung rückwirkend (et tune) vom Augenblick der Übernahme der Güter an gelte. Die überwiegende Meinung nimmt an, daß § 663 a so zu verstehen sei, daß zwar gegenüber dem Charterer/Ablader das Ausschlußverbot des § 662 HGB nicht gelte, gegenüber dem mit diesem nicht identischen Empfänger indessen volle Gültigkeit habe, sobald er als Inhaber des Konnossement legitimiert sei, so daß nun diesem Konnossementsinhaber gegenüber der Vercharterer auch f ü r Schäden hafte, die eingetreten sind, während sich das Konnossement noch in der Hand des Charterers befand (so Gramm, a. a. O. S. 186; Gehisen, VersR 1958 S. 663 und 1959 S. 5; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 4 zu § 663a; Prüssmann, § 663a C 2; Markianos, a. a. O. S. 74f.; anders OLG Hamburg VersR 1957 S. 650 = MDR 1957 S. 744; Lebuhn, Hansa 1956 S. 1828). Götz, der sich (vgl. Seefrachtrecht S. 53 und ZHR a. a. O.) für das deutsche Recht der herrschenden Meinung anschließt, meint für das anglo-amerikanische Recht, dort sei die Zweifelsfrage der Rückwirkung zwar noch nicht ausdrücklich entschieden worden, aber doch durch Entscheidungen zum allgemeinen Seefrachtrecht vorgezeichnet. Zweifelnd Scrutton, S. 417, f ü r den mit den HR fast wörtlich übereinstimmend englischen Carriage of Goods by Sea Act, 1924. Mit Recht hebt Gehisen, VersR 1958 S. 664, zugunsten der herrschenden Meinung hervor, § 663 a greife in die Umgrenzung der Haftungsbestimmungen selbst überhaupt nicht ein, sage mithin nur, daß im Falle der Konnossementsbegebung der etwa im Raumfrachtvertrag vorgenommene rechtsgeschäftliche Ausschluß eines bestimmten, in anderen Gesetzesparagraphen fest umschriebenen Haftungsrahmens von diesem Zeitpunkt ab als aufgehoben gelte. Von diesem Zeitpunkt ab gelten also diese Haftungsbestimmungen in ihrem vollen Inhalt, sowohl zeitlich wie materiell, und wirken zurück auf den Beginn der Reise, allerdings nur für das Konnossement. Der Rechtsschutz des Konnossementsinhabers wäre völlig wertlos, wollte 860
Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
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man den Haftungsrahmen selbst und nicht nur das Ausschlußverbot des § 662 zeitlich einschränken. Die oben erwähnte Entscheidung des HansOLG Hamburg will dagegen § 663 a so auslegen, daß eine Haftungsbeschränkung im Raumfrachtvertrag bis zum Zeitpunkt der Begebung des Konnossements gültig sei, also Schäden beinhalte, die zwischen dem Abschluß des Frachtvertrages und der Begebung des Konnossements entstanden sind, nicht aber Schäden, die aus der Zeit nach der Begebung des Konnossements stammen. 3. Ist bei einem Raumfrachtvertrag ein Konnossement ausgestellt und an einen Dritten be- 4 geben worden, so daß gemäß § 663 a die zwingenden Vorschriften des § 662 HGB gelten, so kann das zur Folge haben, daß der Verfrachter aus dem Konnossement strenger haftet als aus der Chartepartie. In einem solchen Falle hat der Vercharterer einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen den Charterer, wenn er also vom Konnossementsinhaber stärker in Anspruch genommen wird als es seinen Verpflichtungen aus der Chartepartie entspricht. Vgl. BGH VersR 1956 S. 380 = Hansa 1956 S. 1499 = BB 1956 S. 545; LG Berlin VRS Bd. 12 S. 427; Liesecke, Anm. 5 zu § 663 a und VersR 1960 S. 867; Poor, a. a. O. S. 33 Anm. 3; Götz, Seefrachtrecht der HR S. 52; Krüger & Co. v. Moel Tryvan Ship Co., brit. House of Lords, 1907, The Law Reports, Third Series, Appeal Cases 272. Im Gegensatz zu Schlegelberger-Liesecke, a. a. O., der der Ansicht ist, einer besonderen Vereinbarung des Rückgriffs bedürfe es nicht, ist indessen Götz, a. a. O. Anm. 35, m. E. zutreffend, der Ansicht, es sei jedenfalls zweckmäßig, eine besondere Ersatzklausel zugunsten des Vercharterers aufzunehmen. In den anglo-amerikanischen Rechten sei bisher die Ersatzhaftung des Charterers darauf gestützt worden, daß er verpflichtet sei, für die Erteilung von Konnossementen Sorge zu tragen, die mit dem Raumfrachtvertrag in Einklang stünden. Ob das aber auch ohne weiteres für Belastungen gelte, die sich aus der gesetzlichen Mindesthaftung ergeben, sei von der Rechtsprechung noch nicht entschieden. 4. Rechtsvergleichend siehe vornehmlich Markianos, a. a. O. S. 73 ff. Danach ist nach allen 5 HR-Gesetzen ohne Zweifel, daß die HR-Regelung das Konnossement und das Verhältnis zwischen Vercharterer und drittem Inhaber beherrscht, wenn sich das Konnossement in den Händen eines solchen befindet. Befindet sich das Konnossement noch in der Hand des Charterers, so finden sich Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten bezüglich der rechtlichen Behandlung. Unabdingbar gilt auch für diesen Fall die zwingende Haftung der HR in den Niederlanden, in Indonesien, in Curacao und in Surinam, ferner in Griechenland und in Jugoslawien. In der Schweiz, in der Türkei gilt ebenso wie in Deutschland zwar auch für Charterverträge die Regelung der HR, aber nicht als zwingendes Recht. Für Italien ist zweifelhaft, ob Art. 424 Abs. 2 c. nav. eine ähnliche Bedeutung hat wie § 663 a für Deutschland. Vgl. dazu im einzelnen Markianos, a. a. O. S. 75. Die übrigen Staaten sehen die Anwendung der HRGrundsätze weder als zwingendes noch als dispositives Recht für das Verhältnis zwischen Vercharterer und Charterer vor. § 663 b Auf die Beförderung von Gütern zur See durch die Reichspost finden die Vorschriften dieses Abschnitts keine Anwendung Schrifttum: Handwörterbuch des Postwesens, 2. Aufl., 1953, herausgegeben von Bundespostministerium, S. 616 (Reichspostdampfer), 663 (Schiffsbriefe), 664 (Schiffsposten), 677 (Seebeförderung), 678 (Seeposten); Koch, Deutsche Schiffs- und Seeposten, Archiv für deutsche Postgeschichte, 1964 S. 1 ff.; Lebuhn, Reederhaftung für Postbeförder'ung auf Seeschiffen, Hansa 1951 S. 1018; Ritter, LZ 1911, 90; Schuster, Archiv für das Post- und Fernmeldewesen, 1953 S. 600¡Schneider, Die Verkehrsmittel der Post, 1934 S. 59ff.; Wüstendörfer, SHR 123; Abraham, Postschiffe, in Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Aufl., Bd. II S. 786. Der durch das SFrG eingefügte § 663 b entspricht dem früheren § 663. Auf die Seebeförderung durch die Deutsche Bundespost (vgl. über diese VO vom 31.3. 1950 1 - BGBl. S. 94 - und das Postverwaltungsgesetz vom 24. 7. 1953 - BGBl. I S. 676) finden entsprechend § 452 HGB und Art. 2 Abs. 2 WA (vgl. zu diesem Schleicher-Reymann-Abra861
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
kam, Das Luftrecht Bd. I S. 282) die Vorschriften über das Seefrachtgeschäft keine Anwendung. Der Postverwaltung fehlt die Kaufmannseigenschaft (§ 452 Satz 2 HGB). 2
1. Post als Verfrachter. Wie nach § 452 Satz 1 H G B die Vorschriften über das Landfrachtgeschäft (§§ 425 ff. HGB). Nicht für die Postverwaltung gelten, sollen nach § 663 b auch die Vorschriften über das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern über See (§§ 556 ff. HGB) für die Postverwaltung nicht gelten. Befördert die Deutsche Bundespost Postsendungen zur See, so gilt für ihr Verhältnis zum Absender (Befrachter) in erster Linie das Sonderrecht der Post (Ritter, a. a. O.). Als solches kommen insbesondere in Betracht das Postgesetz vom 28. 10. 1871 (RGBl. S. 347) und die Postordnung vom 16. 5. 1963, weiter auch bei Vorschriften des Weltpostvertrages und seiner Nebenabkommen. Die Briefbeförderung (RGZ 158, 92) und die Paketbeförderung (RGZ 164, 276; BGHZ 16, 122) durch die Post ist hoheitliche Tätigkeit. Die in den Sondergesetzen ausgesprochene Haftungsbegrenzung der Post (vgl. besonders §§ 8 ff. des Postgesetzes) läßt sich nicht auf Umwegen beseitigen (BGHZ 14, 281).
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2. Post als Befrachter. Für Verträge der Post mit einem Verfrachter (Reeder, Charterer) gelten die Vorschriften über das Frachtgeschäft (Ritter, a. a. O.; Pappenheim, HB 3 S. 10). Die Briefe sind Güter im Sinne des Frachtrechts. In den von der Deutschen Bundespost mit den Verfrachtern geschlossenen Frachtverträgen (früher überwiegend Dauerverträge, heute überwiegend Einzelverträge) ist eine Haftung des Verfrachters bis zur höheren Gewalt vorgesehen (also über §§ 606, 607 HGB hinaus), der Höhe nach allerdings beschränkt auf diejenigen Beträge, die die Deutsche Bundespost auf Grund des Weltpostvertrages oder des Paketpostabkommens den Absendern oder den fremden Postverwaltungen zu zahlen hat. Siehe über die Haftung der Reederei für Beraubung einer Postsendung auch HansOLG HansRGZ 1928 B 339: Durch den mit der Postverwaltung abgeschlossenen Vertrag wird die Reederei gegenüber dem Eigentümer der Sendung nicht befreit. Über die Frage, ob die Postsendungen zur großen Haverei beitragen, vgl. HansOLG 1913 Nr. 30 und R G das. Nr. 111 sowie RGZ 82 Nr. 90; s. auch HansGZ 1911 Anm. 104 = EisenbE Bd. 28 S. 33ff.; Ritter, LZ 1911 S. 89ff.). Näheres s. Anm. 4 zu § 718 HGB und Anm. 5 zu Regel XVII YAR.
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3. Zusatz. Postschiffe sind Schiffe, die gemäß Anm. 3 im Auftrage einer Postverwaltung Post befördern. Die neuzeitliche Entwicklung der Postbeförderung zur See begann in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und erlangte ihren Höhepunkt auf der Nordatlantikroute zwischen den europäischen Häfen und denen der Vereinigten Staaten von Amerika mit der Einrichtung sog. Seeposten, bei welchen auf den Schiffen Beamte der Post mitfuhren, die die Sendungen unterwegs bearbeiteten. Die Postschiffe spielen auch heute noch eine erhebliche Rolle, wenngleich ihre Bedeutung durch den verstärkten Luftpostverkehr nachgelassen hat. Vor Entwicklung der technischen Nachrichtenmittel war es notwendig, durch Flaggen den angelaufenen Häfen und auch den unterwegs angetroffenen Schiffen zu erkennen zu geben, daß ein Schiff Post an Bord habe und auch Post abbefördere. Diese Tradition zeigt sich noch heute in der Postsignalflagge, die nach § 1 der auf Grund des § 19 FlaggRG vom 8. 2. 1951 (BGBl. I S. 79) erlassenen 4. DVO zu diesem Gesetz vom 5. 12. 1951 (BGBl. II S. 403) neben der Bundesflagge von deutschen Schiffen, die Post befördern, zu setzen ist. Rechtliche Bedeutung kommt der Postsignalflagge nicht mehr zu. Eine Bevorzugung der Postschiffe, z. B. hinsichtlich der Abfertigung, die früher weitgehend üblich war, findet sich nur noch in wenigen Ländern. Bundeseigene Schiffe für den Postdienst haben die Bundespostflagge zu führen (vgl. zu dieser die Anordnung über die deutschen Raggen vom 7. 6. 1950, BGBl. S. 205). Doch gibt es solche bundeseigenen Seeschiffe für den Postdienst nicht. Anhang I zum Vierten Abschnitt A. Haftungsprobleme im Container-Verkehr Schrifttum: Argyriadis, Rechtsfragen des Übersee-Container-Verkehrs, RabelsZ 1969 S. 235 ff.; Grönfors, Successiva Transporter, Stockholm 1968; ders., Container Bills of Lading — a new trend in documentation, Festschrift für Olive M. Schmitthoff, 1974 S. 187ff.; Kir862
A. Haftungsprobleme im Containerverkehr
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sten, Haftungsprobleme der Haager Regeln im Container-Seeverkehr, 1970; Kröger, Haftungsprobleme im Übersee-Container-Verkehr, 1967 (Heft 11 der Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe A 9; ders., Haftungsprobleme im Übersse-Container-Verkehr, Hansa 1967 S. 509; ders., Rechtsentwicklung im Bereich der Verfrachterhaftung beim Container-Überseeverkehr Hansa 1968 S. 1598; Lebuhn, Some Container Problems under German Law, Tijdschrift voor Verwoerswetenschap 1966 S. 236 ff. ; Liesecke, Verfrachterhaftung beim Behälter (Container-)Verkehr, BB 1965 S. 1435; Norf, Das Konnossement im gemischten Warenverkehr, insbesondere am Beispiel des Containerverkehrs, Kölner Reihe, 1976; Pineus, Les containers et les transports combinés, D M F 1967 S. 395; Priissmann, § 660 H G B C 2 b ; Ramberg, The Combined Transport Operator, The Journal of Business-Law, April 1968 S. 132 ff. ; Richter, Richterliche Aspekte der Container-Organisation im kombinierten Land- und Seetransport, DDR-Verkehr 1968 S. 367; Richter-Hannes und Richter, Vorschlag und Betrachtung einiger Lösungsmöglichkeiten für die Haftung der Container-Beförderung im Überseeverkehr, Seeverkehr 1968 S. 343; Richter-Hannes, Bemerkungen zum ContainerKonnossement der Atlantik-Container-Linie, Seeverkehr 1968 S. 428; dies., Die Entwürfe internationaler Konventionen über den kombinierten Transport und den kombinierten Container-Überseeverkehr, DDR Verkehr 1968 S. 212; Rodière, Un faux problème: celui des „containers", D M F 1967 S. 202; Scholtissek, Hansa 1966 S. 484; Schriftenreihe des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesverkehrsministerium Heft 13, 1968: Internationaler Container-Verkehr — Der kombinierte und Groß-Containerverkehr; Scrutton, S. 379; Selvig, Om Containerkonnossement og eemburs, Schriften der Handelshochschule Göteborg, Nr. 7, 1970; Sisula, Containerklausulen i Haag-Visbyreglerna, Schriftenreihe der Handelshochschule Göteborg, 1970 Bd. 1; Steenken, Der Container-Verkehr aus der Sicht des deutschen Seerechts, Diss. Kiel 1971; Wörn, Ist der Container eine Einheit bzw. Verpackung im Sinne des § 660 HGB? Die Kommandobrücke 1973 S. 199 und 1974 S. 9 Linter einem Container ist ein beweglicher Behälter zu verstehen, der eine so feste Beschaf- 1 fenheit hat, daß in ihm wiederholt Stückgut oder Massengüter in leichter Verpackung oder loser Form zum Zwecke der Beförderung über See verstaut werden können. Er ist zum Transport auf verschiedenen Transportmitteln geeignet und kann stets ohne Umladung als Einheit behandelt werden. 1. Eine wichtige Frage bei der Seebeförderung von Containern ist, ob der Container selbst 2 oder die in ihm gestauten Güter als Packung oder Einheit im Sinne des § 660 HGB anzusehen sind. Daß der Container an sich eine Verpackung ist, hat das OLG Hamburg in der Entscheidung Hansa 1975 S. 807 = MDR 1975 S. 846 dargelegt, denn dies recht stabile Gefäß bietet den in ihm untergebrachten Gütern normalerweise erhöhten Schutz vor Transportgefahren (vgl. auch § 660 Anm. 5; BGH NJW 1971 S. 1363 für § 86 ADS). Für die rechtliche Beurteilung dieser Frage hat sich etwa folgendes Bild ergeben: Erfolgt die Verpackung in den Container durch den Verfrachter, so kommt es für § 660 H G B darauf an, ob und inwieweit die einzelnen Güter Packungen oder Einheiten in seinem Sinne sind. Wird der Container dem Verfrachter im Container-Terminal vom Ablader verpackt und geschlossen übergeben, so gilt gleiches, wenn die Zahl der Packungen oder Einheiten im Konnossement angegeben ist und an Hand dieser Angaben die Frachtberechnung erfolgt (so auch OLG Hamburg a. a. O. ; Priissmann, § 660 Anm. C 2 b ; Schlegelberger-Liesecke, § 660 Anm. 3; Liesecke, a. a. O.; Kröger, a. a. O.). Wird jedoch bei dieser Art der Übergabe im Konnossement nur die Art der Güter und deren Gewicht angegeben und erfolgt die Frachtberechnung nur einheitlich nach diesen Angaben, dann ist der Container haftungsrechtlich als solcher die Einheit im Sinne des § 660 HGB. So auch OLG Hamburg Hansa 1975 S. 807 = MDR 1975 S. 846, und zwar auch dann, wenn in ihm Packungen herkömmlicher Art gestaut sind. Das Kriterium, ob der Container selbst oder die in ihm gestauten Packstücke im Sinne des § 660 als Packungen zu bewerten sind, könnte dann nach OLG Hamburg a. a. O. zwar auch darin liegen, ob die im Container enthaltenen Packungen auch ohne Container in ihrer Individualität nach Übersee hätten verschifft werden können oder ob es bei ihnen an einer für den Seetransport ausreichenden Verpackung fehlte (vgl. Royal Typewriter Co. v. „Kulmerland", US Court of Appeals AMC 1973 S. 178). Doch kann dies Kriterium nur sehr zufälliger Art sein, wie OLG Hamburg a. a. O. im 863
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
einzelnen darlegt, und ist deshalb abzulehnen. Wie OLG Hamburg auch Liesecke, BB 1965 S. 1435 f., Warnt, D M F 1951 S. 263, Kirsten, a. a. O. S. 104. So auch, allerdings ohne Rücksicht auf die Art der Frachtberechnung, de lege ferenda Art. 2 c der sog. Visby Rules. Siehe auch US District Court, Eastern District of New York ETR 1970 S. 1407. Nach Argyriadis, RabelsZ 1969 S. 242, soll es allein auf den Inhalt des Containers ankommen. Entscheidend sei allein, ob dieselben oder verschiedene Waren im Container gestaut seien und ob der Wert des Inhalts den Wert normaler verkehrsüblicher Packungen erheblich übersteige. Norf, a. a. O. S. 108, meint, der Container bleibe auf jeden Fall bei üblichem Gebrauch eine Verpackung. Wenn die Parteien im Frachtvertrag oder Konnossement z. B. durch Aufzählen oder Numerierung der Einzelkolli zum Ausdruck gebracht hätten, daß sie jedes einzelne Kollo als Packung ansehen wollten, so würde damit nicht die Eigenschaft des Containers als Pakkung abgeschafft, sondern konkludent eine Vereinbarung über eine höhere Haftungssumme nach § 660 HGB getroffen. Für die DDR bestimmt § 67 Abs. 1 Seehandelsschiffahrtsgesetz: „Werden Güter in einem Container oder in einem anderen Transportbehältnis transportiert, wird die Anzahl der im Konnossement oder in der Empfangsbescheinigung als in das Transportgefäß verpackt aufgeführten Packungen oder Einheiten der Errechnung des Haftungsumfanges des Verfrachters gemäß § 66 zugrunde gelegt. Ist die Anzahl der Packungen oder Einheiten nicht in dieser Weise im Konnossement oder in der Empfangsbescheinigung aufgeführt, gelten alle Güter im Transportbehältnis als eine Packung oder eine Einheit." 3
2. a) Wird der Verfrachter vom Container gestellt, so erhebt sich die Frage, ob sich die Haftung des Verfrachters f ü r die anfängliche Ladungstüchtigkeit nach § 559 HGB auch auf den Container selbst bezieht oder nur darauf, daß das Schiff für eine ordnungsgemäße Stauung der Container eingerichtet ist. Wenn auch speziell eingerichtete Container (etwa solche mit Kühlvorrichtungen) an die Stelle speziell eingerichteter Laderäume treten, so wird wohl nach dem Wortlaut des § 559 nur auf die Ladungstüchtigkeit des Schiffes selbst abzustellen sein. Doch bleibt die Frage zweifelhaft.
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b) Wie steht es mit der Sorgfaltspflicht des Verfrachters bei Container-Abladung (§§ 606 ff., 662, 663 HGB)? Bei vom Verfrachter selbst eingesetzten und gepackten Containern obliegt i h m die ordnungsgemäße Stauung der Güter im Container und die des Containers im Schiff. Doch ist es zweifelhaft, ob dann die zwingende Haftung des Verfrachters schon mit der Stauung beginnt oder, wie nach dem Wortlaut des Gesetzes anzunehmen ist, erst mit der Einladung des Containers in das Schiff. Wird der Container dem Verfrachter vom Ablader gepackt übergeben, so trifft den Verfrachter keine Verantwortung f ü r die Stauung im Container, denn diese gehört zur „Verpakkung" der Güter. Die vom Verfrachter vorzunehmende Stauung bezieht sich dann nur auf den vom Absender gepackten Container als solchen. Werden deshalb die Güter im Container nicht genügend befestigt, so daß sie etwa gegen die Wände des Containers oder gegeneinander stoßen, so liegt eine mangelhafte Verpackung der Güter vor (BGH NJW 1971 S. 1363). Siehe auch State of Louisiana Court of Appeal, Fourth Circuit vom 7. Juli 1969, AMC 1969 S. 2449.
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3. a) Die Container-Beförderung ist Stückgutbeförderung (so auch LG Hamburg MDR 1971 S. 494), jedenfalls in der Linienfahrt. Unter den Rechtsbegriff „Güter" im Sinne des § 566 H G B fallen nicht nur die im Container gestauten Güter, sondern auch die Container selbst ( L G Hamburg a. a. O.). Staut der Verfrachter den gepackten Container im Laderaum des Schiffes, so liegt Raumverladung vor. Die Haager Regeln kommen zur Anwendung.
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b) Ist der Container an Deck gestaut, so ist zunächst die Frage aufzuwerfen, ob der Container-Decktransport der — herkömmlichen — Raumverladung gleichzusetzen ist, insbesondere bei einem besonders als Container-Schiff gebauten Schiff. Doch ist die Frage zu verneinen, weil der an Deck verladene Container auf Grund seiner Bauweise und der Art seiner Verbindung mit dem Schiffskörper nicht den gleichen Schutz gegen Seegefahren bietet, wie es im normalen Laderaum der Fall ist (s. Kirsten, a. a. O. S. 19). 864
B. Haftungsprobleme der LASH-Schiffe
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Der an Deck verladene Container unterliegt deshalb den Haager Regeln, wenn nicht die 7 Voraussetzungen der §§ 663 Abs. 2 Ziff. 1, 566 HGB gegeben sind. Deshalb bedarf es im Konnossement eines ausdrücklichen Vermerks über die — vereinbarte — Beförderung an Deck (Kirsten, a. a. O., US Court of Appeals AMC 1969 S. 1744). In der widerspruchslosen Entgegennahme eines Konnossements, das eine Klausel mit der 8 Berechtigung zur Decksverladung enthält, liegt regelmäßig die erforderliche Zustimmung des Abladers (BGHZ 6, 127; LG Hamburg MDR 1971 S. 494; Prüssmann, § 566 Anm. 2 C). Doch hat diese Zustimmungsklausel nur die Bedeutung, das grundsätzliche Verbot der Decksverladung außer Kraft zu setzen (siehe § 566 HGB Anm. 2 C; Kirsten, a. a. O. S. 20 f.). Eine Haftung des Verfrachters aus kommerziellem Verschulden kommt nach wie vor in Betracht (BGHZ a. a. O.; siehe § 566 HGB Anm. 3). Er hat, insbesondere, soweit ihm der Inhalt des Containers bekannt ist, zu prüfen, ob dieser der Beförderung an Deck entgegensteht, wie etwa bei temperaturempfindlichen Gütern (Kirsten, S. 21). Dabei kann er allerdings davon ausgehen, daß der Behälter seinen Inhalt bei Decksverladung in vielen Fällen mehr schützen wird, als eine herkömmliche Verpackung (Kirsten, a. a. O.). Die Stauung eines Open-top-Containers wird nicht gegen die Pflicht des Verfrachters zur Ladungsfürsorge verstoßen, wenn Umstände dafür sprechen, daß ein Schutz für den Container gegeben ist, der praktisch demjenigen des allseits geschlossenen Containers entspricht. Der Klausel, die die Decksverladung des Containers gestattet, kann eine solche hinzugefügt 9 sein, daß in Containern beförderte Güter als unter Deck verladen angesehen werden sollen, unabhängig davon, wo sie tatsächlich gestaut sind (Kirsten, a. a. O. S. 21). Ist das der Fall, so ist damit die Geltung der Haager Regeln für den Decktransport vereinbart. Der Verfrachter haftet für die an Deck gestauten in gleicher Weise wie für die im Laderaum untergebrachten (Kirsten, a. a. O., der mit Recht hervorhebt, eine solche Vereinbarung sei wirksam nach Art. III § 8 HR, da sie die gesetzliche Haftung des Verfrachters nicht einschränke, sondern erweitere; vgl. auch AMC 1958 S. 1550 und 1962 S. 1989). Eine solche Container-Klausel hat etwa folgenden Wortlaut: „If the cargo is stated by the Shipper to be Container cargo, the following special conditions shall apply: 1. The Carrier shall be entitled to stow any Container on deck or under deck at his option, without notice to the Shipper or anyone else. 2. All such cargo, notwithstanding clause 1 above, shall be carried on terms set out in the International Convention for the Unification of Certain Rules of Law Relating to Bills of Lading signed at Brussels on August 25, 1924, and hereinafter referred to as „the Hague Rules" subject to paragraph 3 hereof. 3. Notwithstanding Article 1 (c) of the Hague Rules the said Rules shall apply to the carriage of any Container whether stowed on or under deck. 4. It is agreed by the Carrier and every Shipper, Consignee and Owner of any Container or goods contained therein shipped under the Bill of Lading that the Carrier, Shipper, Consignee and Owner of any Container or such goods shall be entitled to general average contribution, notwithstanding that such Container or goods was/were stowed on deck, in the event of jettison of such Container or goods, or any other general average loss to which the Carrier, Shipper, Consignee and/or Owner of such Container or goods would have been entitled had such Container or goods been stowed under deck." Siehe das Ubereinommen vom 2. 12. 1972 über sichere Container (Gesetz vom 10. 2. 1976, BGBl. II Nr. 10). Dazu Franz und Hartwig, Hansa 1973 S. 345.
B. Haftungsprobleme der LASH-Schiffe Schrifttum: Bericht des Instituts du Droit International des Transports, Rouen 1960; Figert, Seefrachtrechtliche Fragen des LASH-Verkehrs, VersR 1972 S. 611; Hickey, Legal Problems to combined transport and barge carrying vessels, Tulano Law Review Bd. 45 Nr. 4; Lau, Zur rechtlichen Problematik des LASH-Verkehrs, Hansa 1972 S. 1371 und 1844; Mercadal, Marine d'aujourdhui, 1971 S. 71; Nöller, Die Technik des Trägerverkehrs in ihrer wirtschaftlichen 865
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2. Teil : Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
und rechtlichen Problematik, Diss. Frankfurt/M. 1973; de Pontavice, Le droit et les navires ports-barges, D M F 1970 S. 707 ff.; Richter-Hannes und Trotz, DDR-Verkehr 1970 S. 466; Winter, Der Barge-Carrier als Rechtsproblem des Seehandels, Diss. Kiel 1972. 1
1. Beim LASH (Lighter abord Ship)-System werden die Güter in Leichter verladen, die in Schubverbänden auf den Binnenwasserstraßen zu den Seehäfen gebracht werden. Dort erfolgt in der Regel auf Reede ihre Anbordnahme mit Hilfe eines über die gesamte Schiffslänge fahrbaren Portalkrans, der sie über das Heck des LASH-Schiffes in dessen Laderaum bringt. Im Bestimmungshafen werden die Leichter wieder zu Wasser gegeben und ebenfalls in Schubverbänden oder auch einzeln zum Endbestimmungshafen gebracht.
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2. Haftungsmäßig ist zweifelhaft, ob die mit der Einladung verbundene zwingende Haftung erst mit dem Anbordnehmen des Leichters durch das LASH-Schiff beginnt oder bereits mit der Einladung der Güter in diesen. Gleiches gilt für die Beendigung bei der Ausladung. Richter-Hannes und Trotz, a. a. O., vertreten die Ansicht, daß es auf Einladung in und Ausladung aus dem Leichter ankomme. Der Leichter sei als ein nach außen verlagerter Teil des Schiffsladeraums anzusehen (ebenso Figert, VersR 1972 S. 612, Winter, S. 56 ff.). Demgegenüber befürwortet Mercadal, a. a. O., unter Berufung auf Art. 1 e HR den Beginn der zwingenden Haftung mit der Anbordnahme der Leichter, was auch zutreffender erscheint. Doch hat der Verfrachter für die Ladungstüchtigkeit der Leichter vom Beginn des Binnentransports einzustehen, allerdings nach Binnenschiffahrtsrecht, für das Trägerschiff nach § 559 HGB bei Übernahme der Leichter durch dieses (anders Winter, S. 56, der § 559 auch für den Binnentransport entsprechend anwenden will).
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Sieht man den Leichter als Schiffsraum an, so ist es nur folgerichtig, wenn Figert, a. a. O., meint, der Leichter könne ohne Zustimmung des Abladers an Deck gestaut werden (anders Richter-Hannes und Trotz, a. a. O. S. 469). Ein Bordkonnossement könnte dann ausgestellt werden, wenn die Güter in den Leichter eingeladen worden sind (Figert, a. a. O., Richter-Hannes und Trotz, a. a. O. S. 468). Bei der Vereinbarung der FOB-Klausel hätte der Verkäufer die Gefahr bis zu dem Zeitpunkt zu tragen, in dem die Ladung die Reeling des Leichters passiert hat (Figert, a. a. O.). 4 In Konnossementsklauseln wird vorgesehen, daß die Haftungsregelung der Haager Regeln für den Gesamttransport gelten soll. Durch eine solche Vereinbarung werden die obigen Zweifelsfragen praktisch weitgehend ausgeräumt.
C. Seetransport nuklearer Substanzen Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung bei der Beförderung von Kernmaterial auf See Vom 17. Dezember 1971 (BGBl. 1975 II S. 1026) Vorbemerkung Schrifttum: Von Welck, Die Haftung für nukleare Schäden beim Seetransport von Kernmaterial nach der Londoner Konvention vom 17. Dezember 1971, VersR 1972 S. 303; Ganter, Seetransport von Kernmaterial. Das Brüsseler Haftungsübereinkommen, Hansa 1972 S. 440; Sicaudy, La responsabilité civile en matière de transport de substance nucléaire par mer, D M F 1969 S. 579ff.; Legendre, Les navires à réacteurs nucléaires et le droit maritime, DMF 1971 S. 643; du Pontavice, Réflexions sur la pollution maritime d'origine radioactive, D M F 1976 S. 943 ff. 1 1. Bei dem Transport nuklearer Stoffe haben sich Probleme aus der sich überschneidenden Haftung des Inhabers einer Kernenergieanlage und der des Verfrachters bei Schadensereignissen während des Seetransports ergeben. Sowohl die Wiener (Art. II Abs. 5) als auch die Pariser atomrechtliche Konvention (Art. 6 b) sehen im Falle eines durch Kernmaterialen verursachten Drittschadens eine ausschließliche Haftung des Anlageninhabers vor. Doch sollten andere 866
C. Seetransport nuklearer Substanzen
Anh I § 663b
internationale Übereinkommen auf dem Gebiet der Beförderung unberührt bleiben, somit auch die Verantwortlichkeit des Verfrachters nach Maßgabe der Haager Regeln. Dem will das auf der Diplomatischen Seerechtskonferenz in Brüssel im November/Dezember 1971 geschlossene Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung bei der Beförderung von Kernmaterial auf See vom 17. 12. 1971 (siehe die Wiedergabe unten Anm. 3) steuern. In ihm ist ein Ausschluß der nach einem seerechtlichen Übereinkommen oder seerechtlicher nationaler Gesetze bestehenden Haftung des Verfrachters vorgesehen, wenn der Anlageninhaber aufgrund einer der beiden atomrechtlichen Konventionen oder nach einem nationalen Gesetz verantwortlich ist, vorausgesetzt, daß ein solches Gesetz für die Geschädigten in jeder Hinsicht ebenso günstig ist wie das Pariser oder das Wiener Übereinkommen. Das Übereinkommen von 1971 beruht also auf dem Prinzip der rechtlichen Kanalisierung der Haftung des Anlageninhabers. Das Übereinkommen ist nach der Ratifikation durch Frankreich, Spanien, Dänemark, Schweden und Norwegen am 15. Juli 1975 gemäß seinem Art. 6 Abs. 1 in Kraft getretefi. Siehe über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland Gesetz vom 8. 7. 1975 (BGBl. II S. 959), f ü r den Text des Übereinkommens BGBl. 1975 II S. 1026. 2. Soweit das Übereinkommen nicht zur Anwendung gelangt, gelten, soweit deutsches 2 Recht zur Anwendung gelangt, die Vorschriften des Atomgesetzes vom 23. 12. 1959 (BGBl. I S. 814) in der Neufassung der Bek. v. 31. 10. 1976 (BGBl. I S. 3053). In Betracht kommt § 25, der lautet: „(1) Beruht ein Schaden auf einem von einer Kernanlage ausgehenden nuklearen Ereignis, so gelten für die Haftung des Inhabers der Kernanlage ergänzend zu den Bestimmungen des Pariser Übereinkommens die Vorschriften dieses Gesetzes. Das gleiche gilt, wenn ein Schaden durch die ionisierende Strahlung einer sonstigen in der Kernanlage befindlichen Strahlenquelle verursacht worden ist. (2) Hat im Falle der Beförderung von Kernmaterialien einschließlich der damit zusammenhängenden Lagerung der Beförderer durch Vertrag die Haftung anstelle des Inhabers einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes gelegenen Kernanlage übernommen, gilt er als Inhaber einer Kernanlage vom Zeitpunkt der Haftungsübernahme an. Der Vertrag bedarf der Schriftform. Die Haftungsübernahme ist nur wirksam, wenn sie vor Beginn der Beförderung oder der damit zusammenhängenden Lagerung von Kernmaterialien durch die nach § 4 zuständige Behörde auf Antrag des Beförderers genehmigt worden ist. Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn der Beförderer im Geltungsbereich dieses Gesetzes als Frachtführer zugelassen ist oder als Spediteur im Geltungsbereich dieses Gesetzes seine geschäftliche Hauptniederlassung hat und der Inhaber der Kernanlage gegenüber der Behörde seine Zustimmung erklärt hat. (3) Die Bestimmungen des Art. 3 Abs. a Unterabs. ii Nr. 2 des Pariser Übereinkommens über den Haftungsausschluß bei Schäden am Beförderungsmittel sind nicht anzuwenden. (4) Die Bestimmungen des Art. 9 des Pariser Übereinkommens über den Haftungsausschluß bei Schäden, die auf nuklearen Ereignissen beruhen, die unmittelbar auf Handlungen eines bewaffneten Konflikts, von Feindseligkeiten, eines Bürgerkrieges, eines Aufstands oder eine schwere Naturkatastrophe außergewöhnlicher Art zurückzuführen sind, sind nicht anzuwenden. Tritt der Schaden in einem anderen Staat ein, so gilt Satz 1 nur, soweit der andere Staat zum Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland eine nach Art, Ausmaß und Höhe gleichwertige Regelung sichergestellt hat. (5) Der Inhaber einer Kernanlage haftet ohne die in Art. 2 des Pariser Übereinkommens vorgesehene räumliche Begrenzung. (6) Der Inhaber einer Kernanlage haftet nicht nach dem Pariser Übereinkommen, sofern der Schaden durch ein nukleares Ereignis verursacht wurde, das auf Kernmaterialien zurückzuführen ist, die in Anlage 2 zu diesem Gesetz bezeichnet sind." 867
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB 3. Text des Übereinkommens (Ubersetzung)
Die Hohen Vertragsparteien — Von der Erwägung geleitet, daß das Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die zivilrechtliche Haftung auf dem Gebiet der Kernenergie und sein Zusatzprotokoll vom 28. Januar 1964 (im folgenden als „Pariser Übereinkommen" bezeichnet) sowie das Wiener Übereinkommen vom 21. Mai 1963 über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden (im folgenden als „Wiener Übereinkommen" bezeichnet) vorsehen, daß bei Schäden, die während der Beförderung des unter die genannten Übereinkommen fallenden Kernmaterials auf See durch ein nukleares Ereignis verursacht werden, der Inhaber einer Kernenergieanlage für die Schäden haftet, in der Erwägung, daß in einigen Staaten ähnliche innerstaatliche Rechtsvorschriften in Kraft sind, in der Erwägung, daß alle früheren internationalen Übereinkünfte über die Beförderung auf See auch weiterhin Anwendung finden, in dem Wunsch, zu gewährleisten, daß für Schäden, die durch ein nukleares Ereignis während der Beförderung von Kernmaterial auf See verursacht werden, ausschließlich der Inhaber einer Kernenergieanlage haftet — sind wie folgt übereingekommen: Artikel 1 Wer auf Grund einer für die Beförderung auf See geltenden internationalen Übereinkunft oder eines entsprechenden innerstaatlichen Gesetzes für einen Schaden haftbar gemacht werden kann, der durch ein nukleares Ereignis verursacht worden ist, wird von dieser Haftung befreit, a) wenn der Inhaber einer Kernenergieanlage auf Grund des Pariser oder des Wiener Übereinkommens für den Schaden haftet oder b) wenn der Inhaber einer Kernenergieanlage auf Grund eines innerstaatlichen Gesetzes über die Haftung für solche Schäden für den Schaden haftet, vorausgesetzt, daß dieses Gesetz für die Gechädigten in jeder Hinsicht ebenso günstig ist wie das Pariser oder das Wiener Übereinkommen. Artikel 2 (1) Die in Artikel 1 vorgesehene Befreiung gilt auch für den durch ein nukleares Ereignis verursachten Schaden a) an der Kernenergieanlage selbst oder an Sachen auf dem Gelände dieser Anlage, die in Verbindung mit der Anlage verwendet werden oder verwendet werden sollen, oder b) an dem Beförderungsmittel, auf dem sich das betreffende Kernmaterial im Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses befand, für den der Inhaber der Kernenergieanlage nicht haftet, weil seine Haftung für einen solchen Schaden nach dem Pariser oder dem Wiener Übereinkommen oder — in den in Art. 1 Buchstabe b bezeichneten Fällen — durch entsprechende Bestimmungen des darin erwähnten innerstaatlichen Gesetzes ausgeschlossen worden ist. (2) Die Haftung einer natürlichen Person für einen Schaden, der die Folge einer in Schädigungsabsicht begangenen Handlung oder Unterlassung ist, wird jedoch von Abs. 1 nicht berührt. 868
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C. Seetransport nuklearer Substanzen Artikel 3
Die Haftung des Inhabers eines Reaktorschiffes für einen Schaden, der durch ein nukleares Ereignis verursacht worden ist, das auf Kernbrennstoffe dieses Schiffes oder auf d e m Schiff erzeugte radioaktive Erzeugnisse oder Abfälle zurückzuführen ist, wird durch dieses Übereink o m m e n nicht berührt. Artikel 4 Dieses Ü b e r e i n k o m m e n geht allen internationalen Übereinkünften über die Beförderung auf See vor, die an dem Tag, an dem das vorliegende Übereinkommen zur Unterzeichnung aufgelegt wird, in Kraft sind oder zur Unterzeichnung, zur Ratifizierung oder zum Beitritt aufgelegt sind, soweit solche Übereinkünfte mit d e m vorliegenden Übereinkommen im Widerspruch stehen; diese Bestimmung läßt jedoch die Verpflichtungen der Vertragsparteien des vorliegenden Übereinkommens gegenüber NichtVertragsparteien auf G r u n d solcher internationaler Übereinkünfte unberührt. Artikels (1) Dieses Ü b e r e i n k o m m e n wird in Brüssel zur Unterzeichnung aufgelegt; es liegt in Lond o n a m Sitz der Zwischenstaatlichen Beratenden Seeschiffahrts-Organisation (im folgenden als „Organisation" bezeichnet) bis z u m 31. Dezember 1972 zur Unterzeichnung u n d danach z u m Beitritt auf. (2) Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, einer ihrer Sonderorganisationen oder der Internationalen Atomenergie-Organisation sowie Vertragsstaaten des Statuts des Internationalen Gerichtshofs können Vertragsparteien dieses Übereinkommens werden, a) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, A n n a h m e oder G e n e h m i g u n g unterzeichnen; b) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, A n n a h m e oder G e n e h m i g u n g unterzeichnen u n d später ratifizieren, a n n e h m e n oder genehmigen; oder c) indem sie ihm beitreten. (3) Die Ratifikation, die A n n a h m e , die Genehmigung oder der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer entsprechenden förmlichen U r k u n d e beim Generalsekretär der Organisation. Artikel 6 (1) Dieses Ü b e r e i n k o m m e n tritt a m neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, an d e m f ü n f Staaten es ohne Vorbehalt der Ratifikation, A n n a h m e oder G e n e h m i g u n g unterzeichnet h a b e n oder eine Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Organisation hinterlegt haben. (2) Für jeden Staat, der dieses Übereinkommen später ohne Vorbehalt der Ratifikation, Ann a h m e oder G e n e h m i g u n g unterzeichnet oder seine Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde hinterlegt, tritt das Ü b e r e i n k o m m e n am neunzigsten Tag nach d e m Zeitpunkt dieser U n t e r z e i c h n u n g oder Hinterlegung in Kraft. Artikel 7 (1) Dieses Ü b e r e i n k o m m e n k a n n von jeder Vertragspartei jederzeit gekündigt werden, nachdem es f ü r den betreffenden Staat in Kraft getreten ist. (2) Die Kündigung erfolgt d u r c h eine an den Generalsekretär der Organisation zu richtende schriftliche Notifikation. 869
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(3) Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär der Organisation oder nach Ablauf eines längeren, in der Notifikation bezeichneten Zeitabschnitts wirksam. (4) Ungeachtet der Kündigung durch eine Vertragspartei gemäß diesem Artikel bleibt dieses Übereinkommen auf jeden Schaden anwendbar, der durch ein vor dem Wirksamwerden der Kündigung eingetretenes nukleares Ereignis verursacht worden ist. Artikel 8 (1) Die Vereinten Nationen als Verwaltungsmacht eines Hoheitsgebiets oder eine Vertragspartei dieses Übereinkommens, die für die internationalen Beziehungen eines Hoheitsgebiets verantwortlich ist, können jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Organisation gerichtete schriftliche Notifikation erklären, daß sich das Übereinkommen auf das betreffende Hoheitsgebiet erstrecken soll. (2) Dieses Übereinkommen wird vom Tag des Eingangs der Notifikation oder von einem anderen in der Notifikation bezeichneten Zeitpunkt an auf das darin genannte Hoheitsgebiet erstreckt. (3) Die Vereinten Nationen oder eine Vertragspartei, die eine Erklärung gemäß Abs. 1 abgegeben haben, können jederzeit nach dem Zeitpunkt, zu dem dieses Übereinkommen auf ein Hoheitsgebiet erstreckt worden ist, durch eine an den Generalsekretär der Organisation gerichtete schriftliche Notifikation erklären, daß sich das Übereinkommen nicht mehr auf das in der Notifikation genannte Hoheitsgebiet erstrecken soll. (4) Dieses Übereinkommen tritt für das in einer solchen Notifikation genannte Hoheitsgebiet ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär der Organisation oder nach Ablauf eines längeren, in der Notifikation bezeichneten Zeitabschnitts außer Kraft. Artikel 9 (1) Die Organisation kann eine Konferenz zur Revision oder Änderung dieses Übereinkommens einberufen. (2) Die Organisation beruft eine Konferenz der Vertragsparteien dieses Übereinkommens zu seiner Revision oder Änderung ein, wenn mindestens ein Drittel der Vertragsparteien dies beantragt. Artikel 10 Eine Vertragspartei kann diejenigen Vorbehalte einlegen, die den von ihr gegenüber dem Pariser oder dem Wiener Übereinkommen rechtsgültig eingelegten Vorbehalten entsprechen. Vorbehalte können bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt eingelegt werden. Artikel 11 (1) Dieses Übereinkommen wird beim Generalsekretär der Organisation hinterlegt. (2) Der Generalsekretär der Organisation a) unterrichtet alle Staaten, die dieses Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, i) von jeder neuen Unterzeichnung und jeder Hinterlegung einer Urkunde sowie von dem entsprechenden Zeitpunkt; ii) von jedem nach diesem Übereinkommen eingelegten Vorbehalt; 870
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Zulässige Freizeichnungen
iii) vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens; iv) von jeder Kündigung dieses Übereinkommens und von dem Zeitpunkt, zu dem sie wirksam wird; v) von der Erstreckung dieses Übereinkommens auf ein Hoheitsgebiet nach Art. 8 Abs. 1 und von der Beendigung einer solchen Erstreckung nach Abs. 4 jenes Artikels; dabei gibt er in jedem Fall den Zeitpunkt an, zu dem die Erstreckung dieses Übereinkommens beginnt oder endet; b) übermittelt allen Unterzeichnerstaaten dieses Übereinkommens und allen Staaten, die ihm beigetreten sind, beglaubigte Abschriften des Übereinkommens. (3) Sobald dieses Übereinkommen in Kraft tritt, übermittelt der Generalsekretär der Organisation dem Sekretariat der Vereinten Nationen eine beglaubigte Abschrift desselben zur Registrierung und Veröffentlichung nach Art. 102 der Charta der Vereinten Nationen. Artikel 12 Dieses Übereinkommen wird in einer Urschrift in englischer und französischer Sprache abgefaßt, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Amtliche Übersetzungen in die russische und die spanische Sprache werden vom Sekretariat der Organisation gefertigt und mit der unterzeichneten Urschrift hinterlegt. Zu Urkund dessen haben die hierzu von ihren Regierungen gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommens unterschrieben. Geschehen zu Brüssel am 17. Dezember 1971.
Anhang II zum Vierten Abschnitt Zulässige Freizeichnungen I. Aus den Ausführungen in Anm. 3 bis 8 zu § 662 H G B sowie aus § 663 H G B und den 1 dortigen Anmerkungen, schließlich aus § 663 a HGB und seinen Anmerkungen ergibt sich, daß die zwingende Haftung des § 662 längst nicht alle Fälle des Seefrachtvertrages ergreift, ferner, daß auch dort, wo sie zur Anwendung gelangt, nicht alle der überkommenen Freizeichnungen betroffen werden. Vgl. für die im Rahmen der Haftung des Verfrachters für anfängliche See- und Ladungstüchtigkeit noch zulässigen Freizeichnungen Anm. 11 ff. zu § 559 HGB. Im folgenden soll ein Überblick über noch zulässige Freizeichnungen im Rahmen der Haftung aus §§ 606 bis 608 HGB gegeben werden. II. Schrifttum: Albrecht, Hansa 1950 S. 1630; Capelle, Frachtcharter S. 354f.; Domine, 2 Grenzen der Freizeichnung im Sprecht, Diss. Hamburg 1934; Dor, Bill of Lading Clauses and the International Convention of Brüssels 1924 (Hague Rules), 1956; Prölss, HansRGZ 1932 A 143; Prüssmann, § 663 Anm. C; Schlegelberger-Liesecke, § 663 H G B Anm. 14; Wüstendörfer, SHR 243 und 280; Yiannopoulos, Négligence Clauses in Ocean Bills of Lading, Conflict of Laws and the Brüssels Convention of 1924, Louisiana 1962. III. Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß der strenge Haftungszwang nicht für alle 3 Seefrachtverträge, nicht f ü r alle Arten von Ladungsgut und nicht für die gesamte Transportdauer gilt. Der so geschaffene Zustand ist recht verwickelt und zeigt im einzelnen folgendes Bild: a) In allen Fällen, in denen die gesetzliche Regelung nicht zwingend ist, können Freizeichnungen vereinbart werden, die ihre Grenzen nur in dem Verbot der Freizeichnung vom eigenen Vorsatz (§ 276 Abs. 2 BGB) und in den Generalklauseln des allgemeinen Rechts, insbesondere in § 138 BGB, aber auch in § 242 BGB finden. Danach ist feststehender Grundatz, daß der Verfrachtersich auf Befreiungsklauseln nicht berufen kann, soweit ihn selbst oder seine leitenden Angestellten ein Verschulden, insbesondere Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit t r i f f t 871
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und der Verfrachter derartige Freizeichnungsklauseln in Ausnützung eines Monopols oder einer monopolartigen Stellung durchsetzen konnte. Vgl. z. B. RGZ 115, 218; 120, 43; BGH NJW 1956 S. 1065; OLG Hamburg VersR 1968 S. 552). Insbesondere ist eine formularmäßige Freizeichnung von eigenem groben Verschulden oder der leitender Angestellter unzulässig, wie sie sich namentlich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet (vgl. z. B. BGH Hansa 1960 S. 2630 = VersR 1960 S. 844; OLG Hamburg Hansa 1961 S. 2684; VersR 1965 S. 955 = Hansa 1966 S. 187; Hansa 1966 S. 1077 = VersR 1966 S. 1179; MDR 1967 S. 771 = Hansa 1967 S. 1448). Zu den leitenden Angestellten in diesem Sinne gehören nur solche Personen, die den Unternehmer im Geschäftsleben kraft ihrer Vollmachten so ersetzen, daß ihr Handeln dem des Unternehmers gleichwertig ist. Nach R G Z 120, 43, BGH Hansa 1975 S. 256 dort auch für den Schiffer des Binnenschiffs — ist der Kapitän kein leitender Angestellter. Ebenso nicht der Reedereiinspektor (vgl. auch RG HansRGZ 1931 B 499; BGH NJW 1956 S. 1065). Deshalb ist regelmäßig auch für den Kapitän die Freizeichnung für grobes Veschulden zulässig (BGH Hansa 1975 S. 257). Anders unter Bezugnahme auf BGH 22,109 und 33, 216 Prüssmann, a. a. O., soweit es sich um eine Verletzung der Obhutspflicht des Kapitäns hinsichtlich der ihm anvertrauten Sachen handelt und kein Fall des § 707 Abs. 2 H G B vorliegt. Ein Verschulden des Verfrachters selbst oder seiner leitenden Angestellten kann vornehmlich auch in einem Organisationsfehler bestehen. Vgl. R G Z 102, 396 wegen mangelnder Kontrolle bei Konnossementsausstellung, OLG Hamburg Hansa 1966 S. 732 = MDR 1966 S. 591 betr. Vorsorge gegen Eisgefahr. Siehe auch Domine, a. a. O. S. 66. Der Mißbrauch einer Monopolstellung spielt in der Seeschiffahrt nur selten eine Rolle, namentlich nicht in der Trampschiffahrt und in der Linienschiffahrt in fremde Häfen. Auch in der deutschen Küstenschiffahrt ist sie nur unter sehr seltenen Umständen denkbar, wie etwa bei einer Fähr- oder fährbootartigen Verbindung zu einer Insel. Hält sich die Freizeichnung außerhalb des zwingenden Anwendungsbereichs der Haager Regeln in deren Grenzen, so wird sie im allgemeinen nicht zu beanstanden sein. Das ist namentlich auch für die Freizeichnung von nautischem Verschulden anzunehmen. Auch wäre es nicht zulässig, außerhalb des zwingenden Anwendungsbereichs der Haager Regeln etwa schlechthin die Freizeichnung von kommerziellem Verschulden für unzulässig zu erklären, denn das hieße, den Anwendungsbereich der Haager Regeln über die gesetzliche Grenze hinaus auszudehnen. Dazu genügt aber die Heranziehung von Treu und Glauben nicht, vielmehr wäre dafür das Bestehen eines derartigen Gewohnheitsrechts erforderlich. Über die Möglichkeit zur Nichtigkerklärung von Freizeichnungsklauseln durch die Kartellbehörde siehe das im Anhang IV zum vierten Abschnitt wiedergegebene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere dessen § 22. 4
b) Aus allgemeinen Grundsätzen folgt, daß das Vorliegen eines von der Freizeichnung getroffenen Falles von demjenigen zu beweisen ist, der sich darauf beruft ( W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1, 399; Pappenheim, HB 3 S.479; HansOLG HansGZ 1 1896, 99), wobei der Beweis des in Anm. 30 zu § 606 HGB erwähnten Wahrscheinlichkeitsmaßes genügt (OG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 129), daß weiter Freizeichnungsklauseln auf das strikteste, also eher einschränkend als ausdehnend anzulegen sind (s. aber RGZ 89, 286, wo unter „Schadensersatzpflicht" auch die Ausgleichspflicht in großer Haverei gefaßt wird), und zwar im Zweifel gegen den Verfrachter, von dem sie herrühren und zu dessen Gunsten sie vereinbart sind. Treu und Glauben verbieten, außergewöhnliche Klauseln ohne vorherige Besprechung an unauffälligen Stellen, dem Gegner schwer bemerkbar, ins Konnossement aufzunehmen (vgl. auch BGHZ 5, 111; 24, 39). Freizeichnungsvereinbarungen in früheren Fällen lassen nicht ohne weiteres einen Schluß auf stillschweigende Neuvereinbarung zu (HansOLG HansGZ 1898 Nr. 56). Freizeichnungen gelten im Zweifel nur zugunsten des Verfrachters, nicht des Befrachters (wenn nicht „mutually agreed": HansOLG HansGZ 1896, 69; 1898, 135; R G HansGZ 1899, 67; Wüstendörfer, Studien 1, 448) oder solcher Personen, mit denen der Verfrachter zwecks Erfüllung seiner Beförderungsverpflichtungen selbständige Verträge geschlossen hat oder der Kaiverwaltung (Mathies, HansGZ 1913 S. 230 ff.). Unter welchen Voraussetzungen sich Freizeichnungsklauseln des Verfrachters auf die Schiffsbesatzung erstrecken, vgl. § 485 H G B Anm. 22 und unten Anm. 59. Über die Entwicklung der Freizeichnungsklauseln siehe Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 357 ff.; Städter, Geschichte der Konnossementsklauseln (Uberseestudien Heft 21, 1953). 872
Zulässige Freizeichnungen
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IV. Die Freizeichnungsklauseln lassen sich in fünf Gruppen teilen. Sie betreffen die zeitli- 5 chen Grenzen der Haftung, deren sachlichen Umfang, den Betrag der Ersatzsumme, die Beweislast oder die Dauer der Geltendmachung des Anspruchs. 1. Beschränkung der zeitlichen Grenzen der Haftung. Die zeitlichen Grenzen bestimmen sich 6 meist nach örtlichen Beziehungen, d. h. es soll nur gehaftet werden, solange sich das Gut in einem gewissen örtlichen Verhältnis zum Schiff befindet. a) Klauseln, welche den Beginn der Haftung, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Annah- 7 me (vgl. § 606 HGB Anm. 18) festsetzen. Hierher gehört der Ausschluß der Haftung für „Landbeschädigung" („country damage", „land damage"). Die Klausel, welche zugleich das Ende der Haftung festsetzt, aber auch eine Entlastung des Verfrachters für die Dauer zeitweiliger Ausladungen bewirkt ( Wüstendörfer, Studien 1, 547), deckt nicht etwa jeden Schaden, der während des Aufenthalts des Schiffes in einem Hafen entstanden ist, auch nicht unbedingt die beim Einladen (und Ausladen) entstandenen Schäden (HG Antwerpen, Le Droit Maritime Beige, 1910 S. 622). Freizeichnung von letzteren: HansOLG HansGZ 1900, 32; AppG Aix Revue Autran Bd. 26 S. 160 (Beweis des Verschuldens des Verfrachters oder seiner Leute zulässig). Auf den Beginn der Haftung bezieht sich auch die bei Capelle, Frachtcharter S. 352 erwähnte Klausel: „The steamer to sign for and take charge of cargo when delivered alongside but shall not be held responsible for any loss from alongside until the cargo is taken hold of by her loading tackle." Vgl. auch HansOLG VersR 1960 S. 607 = Hansa 1960 S. 1641: „The carrier shall not be liable in any capacity whatsoever for any delay, notdelivery, misdelivery or loss of or damage to the goods before the goods enter ship's tackle to be loaded or after the goods leave ship's tackle to be discharged." Derartige Klauseln schließen aber eine Haftung vor der Übernahme zur Beförderung oder nach der Ablieferung nach allgemeinem Deliktsrecht, insbesondere auch nach § 485 HGB nicht aus (HansOLG Hamburg VersR S. 607 = Hansa 1960 S. 1641), denn die frachtvertragliche Haftung, die von der Klausel betroffen werden soll, beginnt frühestens mit der Annahme und endet spätestens mit der Ablieferung. b) Klauseln, welche das Ende der Haftung, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Abliefe- 8 rung (vgl. § 606 HGB Anm. 19), festsetzen. Abgesehen von den zu 1 erwähnten Klauseln gehören hierher Klauseln wie „Für die in Schuten oder Kähnen übergeladenen Güter wird, sobald sich dieselben in diesen Fahrzeugen befinden, eine Haftung nicht übernommen" (HansOLG HansGZ 1906, 18), „the ship's responsibility shall cease immediately on the goods being discharged from the ship's tackle" (HansOLG HansGZ 1910 Nr. 103; HG Dünkirchen, Le Droit Maritime Beige, 1913 S. 85); sowie vor allem die unendlich häufige Klausel „to be delivered from the ship's deck, where the ship's responsability shall cease" (HansOLG HansGZ 1882 Nr. 93; 1888 Nr. 20 I, 20 II, 25, 56; 1897 Nr. 23; 1900 Nr. 93; RG Bolze Bd. 21 Nr. 454; SeuffA Bd. 51 Nr. 284; HansGZ 1896 Nr. 7 usw.; Capelle, Frachtcharter S. 352: „Die Verantwortlichkeit des Dampfers erlischt, sobald die Ladung das Deck verlassen hat"), auch in der Fassung „the ship's responsability to cease immediately the goods are discharged from the ship's deck" (HansOLG HansGZ 1906, 249) oder „in all cases whatsoever the steamer's responsability shall cease, when the goods pass over the ship's side" (HansOLG HansGZ 1895 Nr. 115), oder „Goods to be taken from the ship by the consignees directly they come to hand in discharging the ship, and the carrier's responsability to cease package by package immediately the goods leave the ship's deck or tackle (Lebuhn, Neuzeitliche Konnossementsfragen S. 19; vgl. HansOLG HansGZ 1910 Nr. 103), oder „Die Verantwortung des Schiffes hört jedenfalls auf, sobald die Waren des Schiffes Deck verlassen" (vgl. Lebuhn, a. a. O.). In Regel II 2 DEK 1940 heißt es „Der Verfrachter haftet nur, wenn der Nachweis geführt wird, daß der Schaden in der Zeit von der Einladung bis zur Ausladung der Güter entstanden ist. Unberührt bleibt eine etwaige Haftung des Verfrachters für Güter, die er in eigenen Gewahrsam und Obhut genommen hat." Alle diese Klauseln beziehen sich nur auf die Entlöschung des Schiffes im Bestimmungshafen, nicht etwa in einem Zwischen- oder Nothafen (HansOLG HansGZ 1882 Nr. 93; LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1895 Nr. 115); sie gelten ferner nur für die Entlöschung des Schiffes selbst, nicht etwaiger Leichter, in welche das Schiff im Bestimmungshafen gelöscht hat (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 93). Gleichgültig ist, ob der Empfänger die 873
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Ware von der Schiffsseite abgenommen hat und abnehmen konnte (Hinderung aus zollamtlichen Gründen: R G H a n s G Z 1896 Nr. 7 = Bolze Bd. 21 Nr. 454), oder ob etwa ortsgebräuchlicherweise eine Dockgesellschaft oder, dem Konnossementsinhalt entsprechend, der Agent des Verfrachters es getan hat (HansOLG HansGZ 1897 Nr. 23 usw.), oder der Verfrachter in Gemäßheit des § 601 H G B oder einer denselben erweiternden Klausel (Anm. 8 zu § 601) die Ladung selbst löschen und landen läßt (HansOLG HansGZ 1888 Nr. 25 usw.). Der Verfrachter muß sie aber, um der Haftung enthoben zu sein, entweder selbst abliefern oder selbst behalten oder in geeignete dritte Hände geben, er darf sie nicht etwa abandonnieren (vgl. HansOLG HansGZ 1906, 249). 9
c) Es fragt sich, inwieweit die unter Anm. 7 und 8 erwähnten Klauseln noch dort von Bedeutung sind, wo die Haftung des Verfrachters nach Anm. 1 eine zwingende ist. § 663 Abs. 2 Nr. 2 HGB gestattet dem Verfrachter, sich für die Zeit vor der Einladung und nach der Ausladung freizuzeichnen. Insoweit sind die oben erwähnten Klauseln auch weiterhin zulässig (vgl. z. B. Water Trading Co. Ltd. v. Dalgety 1951 (2), LI. L. Rep. 385; The Home Insurance Co. v. Philadelphia Piers, 1951 AMC 1738; The Monte II cier, 1948 AMC 615; AppG Paris D M F 1952 S. 250; S. 385; AppG Bordeaux D M F 1951 S. 393; Kassationshof Paris D M F 1949 S. 15; H G Antwerpen, Jurisprudence du Port d'Anvers 1949 S. 412. Doch kann die genaue Abgrenzung des Zeitraums, für welchen der Verfrachter zwingend haftet, gelegentlich schwierig sein. Siehe dazu vornehmlich auch die Anm. 7 ff. zu § 663 HGB.
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aa) Einladung (vgl. dazu vornehmlich Anm. 10 zu § 663 HGB) ist die Beförderung der Ladung von der Schiffsseite hin bis in den Schiffsraum hinein (LG Hamburg HansGZ 1888 Nr. 66; Anm. 2 zu § 561 H G B ; Gramm, Seefrachtrecht Anm. IV 1 zu § 606 HGB), und zwar auch dann, wenn der Verfrachter nach Gesetz oder Ortsgebrauch die Güter vor der Einladung an das Schiff zu einem bestimmten Ort entgegenzunehmen oder die Kosten des Transports der Güter bis an das Schiff zu tragen hat (§ 561 HGB). § 663 Abs. 2 Nr. 2 regelt nicht die Frage, ob und wann der Verfrachter haftet, sondern bestimmt nur einen Zeitpunkt, von dem ab der Verfrachter nach den zwingenden Bestimmungen der H R verantwortlich ist (Gramm, a. a. O.). Dieser Zeitpunkt ist der Beginn der Einladung. Unter die zwingende Haftung fällt deshalb auch bereits, wenn die Güter beim Einladen aus der Hiewe schießen oder sonst Schaden nehmen. Bei Gütern, die unter einem Konnossement verschifft sind, kommt es auf den Beginn der Einladung der Gesamtpartie an.
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bb) Ausladung (vgl. dazu vornehmlich auch Anm. 11 zu § 663 HGB) ist die Beförderung der Ladung aus dem Schiffsraum bis über die Reeling hinaus (HansOLG HansGZ 1913, 136 = SeuffA Bd. 68 S. 287; Anm. 1 zu § 593 HGB). Sie ist beendet, wenn der Haken des Ladegeschirrs (einerlei, ob es sich dabei um ein schiffseigenes Geschirr, um einen Schwimmkran oder einen landseitigen Kran handelt) von dem an Land oder in einen Leichter gesetzten Gut abgeschlagen ist. Deshalb sind auch für die Ausladung Ortsgebräuche oder sonstige Vorschriften, nach denen die Güter an einem bestimmten Ort abzuliefern oder auf Kosten des Verfrachters nach diesem Ort zu befördern sind, ohne Bedeutung. Ein Schaden bei der Löschung aber fällt unter die zwingenden Haftungsnormen auch dann, wenn ein bereits ausgeladener Teil der unter einem Konnossement verschifften Partie beschädigt wird (Conférence Internationale de Droit Maritime, Réunion de la Sous-Commission Bruxelles 1923. Procès-Verbaux des Séances tenues du 6 au 9 octobre 1923. Ledeberg 1924 S. 46; Gramm, Seefrachtrecht a. a. O.). Wie in Anm. 11 zu § 662 HGB dargelegt, ist Ausladung nur die Ausladung im Bestimmungshafen ; die im Zwischenhafen fällt unter die zwingenden Haftungsnormen. Deshalb bleibt auch bei einer vorübergehenden Leichterung während der Reise die zwingende Haftung des Verfrachters von Bestand. Für die Leichterung im Bestimmungshafen kommt es darauf an, ob der Verfrachter nach dem Konnossement dazu berechtigt ist oder nicht. Im ersteren Fall kann sich der Verfrachter f ü r die Zeit nach Beendigung der Leichterung freizeichnen (Gramm, Seefrachtrecht Anm. IV 2 zu § 606). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Verfrachter Eigentümer oder Ausrüster des Leichters ist oder er ein fremdes Fahrzeug benutzt (anders R G HansRZ 1925, 475, welches den Verfrachter nur bei der Entlöschung in fremde Leichter, nicht auch bei der in eigene oder von ihm als Ausrüster betriebene Leichter haftfrei läßt; wie Gramm, a . a . O . HansOLG, Leo, HansRZ 1925, 475; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 9 zu 874
Zulässige Freizeichnungen
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§ 663 F). Ist der Verfrachter hingegen im Bestimmungshafen nicht zur Löschung in Leichter berechtigt, so wird durch sie seine zwingende Haftung nicht berührt. Freizeichnungsklauseln erlangen vielmehr dann erst Bedeutung, wenn die Güter an den im Konnossement für die Ausladung bestimmten Platz befördert sind (HansOLG HansGZ 1925, 172). d) Wird von der hiernach zulässigen Freizeichnung für „Landschäden" Gebrauch gemacht 1 2 und ist streitig, ob ein Schaden ein Land- oder ein Bordschaden ist, so hat der Ladungsbeteiligte auch in diesem Falle zunächst nachzuweisen, daß die Güter unbeschädigt waren, als sie übernommen wurden (vgl. Anm. 24 zu § 606 HGB und die dort erläuterte Beweisvermutung des Konnossements; vgl. auch Anm. 13 zu § 663 HGB). Ist aber dieser Nachweis erbracht, so ist es Sache des Verfrachters, darzulegen, daß der Schaden in der Zeit von der Übernahme bis zur Anbordnahme eingetreten ist, oder aber, daß die Güter nach Beendigung ihrer Ausladung noch vollständig und unbeschädigt waren. Das folgt aus der Exkulpationspflicht des Verfrachters (§ 282 BGB). Die in § 663 Abs. 2 Ziff. 2 vorgesehene Ausnahme bezieht sich nur auf die materiellrechtliche Haftungsfrage und bringt für die Beweislastverteilung keine Änderung. Den Ladungsbeteiligten ist eine Haftung des Verfrachters völlig wertlos, wenn die Beweislast auf ihren Schultern ruht für Tatsachen, die nachzuweisen sie nur in den seltensten Fällen in der Lage sein werden. Die zu verladenden Güter sind vor dem Einladen den Augen und Einwirkungsmöglichkeiten des Abladers oft praktisch gänzlich entzogen. Dagegen hat der Verfrachter sein Schiff stets unter Kontrolle und steht dem Beweis deshalb aus praktischen Gründen sehr viel näher. Nur er ist in der Rechtswirklichkeit in der Lage, zu beweisen, daß ein bestimmter Verlust oder eine bestimmte Beschädigung z. B. nicht von seinen Leuten, sondern von Dritten, für die er nicht haftet, verursacht worden ist (so zutreffend Wüstendörfer, SHR 279; ders., HansRGZ 1943 A 49 ff.; ders., The Hague Rules, Überseestudien Heft 2, 1923 S. 30 ff. ; Lebuhn, Neuzeitliche Konnossementsfragen 19 ff. ; Gramm, Seefrachtrecht Anm. IV 2 b zu § 606; Möller, HansRGZ 1937, 406; Deloukas, Die Haftung des Verfrachters aus schuldhafter Unrichtigkeit des Konnossements, Überseestudien Heft 16, 1940, S. 43; Albrecht, Hansa 1950 S. 1630; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 10 zu § 663 HGB; Capelle, HansRGZ 1943, 25 ff.; Prüssmann, § 663 Anm. B 3 d ; OLG Hamburg Hansa 1963 S. 528 = MDR 1962 S. 907 = VersR 1962 S. 1172; M D R 1967 S. 406 = VersR 1967 S. 700; BGH VersR 1956 S. 380 = BB 1956 S. 545; aus der Zeit vor dem Seefrachtgesetz 1937: OG Hamburg HansGZ 1877, 354; HansOLG HansGZ 1910, 246 \Jaeschke, Die Rechtsstellung der Kaianstalten im Seefrachtverkehr, Überseestudien Heft 12 1931 S. 23; vgl. auch die Nachweise bei Städter, Hansa 1943 S. 448. A. A. aus der Zeit vor dem Seefrachtgesetz 1937 Kühl, Hansa 1927 S. 723 (vgl. aber die Bemerkung von Lebuhn, a. a. O. 21 Anm. 37 über die jetzige, mündlich geäußerte Ansicht Kuhls); HansOLG HansGZ 1908, 284; aus der Zeit nach Erlaß des Seefrachtgesetzes 1937: Städter, Hansa 1943, 447 ff. und 479 ff. ; ders., Geschichte der Konnossementsklauseln, Überseestudien Heft 21, 1953, 77; Röhreke, Hansa 1952, S. 253). Somit ist die Regel II 2 DEK 1940 „Der Verfrachter haftet nur, wenn der Nachweis geführt wird, daß der Schaden in der Zeit von der Einladung bis zur Ausladung der Güter entstanden ist" mit § 663 HGB nicht vereinbar. Versäumt allerdings der Empfänger, den Schaden nach §611 H G B anzuzeigen oder durch amtliche Sachverständige feststellen zu lassen, so wird vermutet, daß die Güter ordnungsgemäß abgeliefert worden sind und daß ein etwa nachgewiesener Schaden nicht von dem Verfrachter zu vertreten ist, § 611 Abs. 3 HGB. e) Zu den Klauseln, die die zeitlichen Grenzen der Haftung betreffen, gehören weiter, auch 1 3 wo sie nicht mit den in Anm. 7 und 8 erwähnten Klauseln verbunden auftreten (vgl. die meisten der dort erwähnten Entscheidungen), die Klauseln, welche das Schiff befugen, bei nicht sofortiger Abnahme die Ladung zu leichtem und zu Lager zu bringen „at the risk and expense of the consignee" oder dgl. Derartige Klauseln sind nach wie vor zulässig und unterliegen keinen zwingenden Bestimmungen. Vgl. etwa Regel XII 1 DEK 1940: „Nach Ankunft des Schiffes im Bestimmungshafen findet die Entlöschung ununterbrochen statt. Die Empfänger sind verpflichtet, die Güter, so wie sie vor die Hand kommen, bei Tag und Nacht, sonn- und feiertags entgegenzunehmen, wie und wo es der Schiffer für das Schiff unter tunlicher Wahrung der Interessen des Empfanges für erforderlich hält. Andernfalls werden die Güter für Rechnung und Gefahr der Ladungsberechtigten in Leichtem, Lagerhäusern oder Zollämtern niederes
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
gelegt, oder es wird nach Wahl des Verfrachters Liegegeld erhoben, dessen Höhe von dem Verfrachter von Fall zu Fall bestimmt wird. Das Schiff ist berechtigt, am Kai oder im Strom zu löschen . . R e g e l XII 2 DEK 1940: „Alle Güter an Order, für die sich ein Empfänger nicht sofort meldet, werden nach Wahl des Schiffes am Kai oder in Leichter gelöscht oder zu Lager genommen für Rechnung und Gefahr des Ladungsberechtigten." Regel XII 3 DEK 1940: „Werden Güter unter Quarantäne gestellt, können sie in Quarantänedepots, in Leichter oder andere Fahrzeuge gelöscht werden, wie für die Abfertigung des Schiffes dienlich ist...". Vgl. weitere Zitate Anm. 7 zu § 594 HGB; Anm. 8 zu § 601 HGB. Hat in einem solchen Falle der Verfrachter von seinem Recht Gebrauch gemacht, so endet seine Haftung, sofern ihn nicht etwa culpa in eligendo trifft, in dem Augenblick, wo er die Ladung in Leichter bzw. zu Lager gegeben hat (vgl. Boyens, Bd. 2 S. 209; anders ROHG 17, 237ff., wo angenommen wird, daß nach jenen Klauseln der Empfänger nur die durch das Landen und das Lagern veranlaßte Gefahr zu tragen habe), obschon eine Ablieferung noch nicht erfolgt ist (Anm. 12 zu § 601 HGB). Vgl. auch OLG Hamburg Deutsche Verkehrs-Zeitung 1965 Nr. 146 S. 9. 14
f) Klauseln, welche das Leichter- und Umladerisiko ausschlieBen. Ist dem Verfrachter vertragsmäßig Leichterung oder Umladung gestattet (Anm. 2, 6 zu § 565 HGB), so folgt daraus noch nicht, daß er für die Zeit, während der das Gut im Leichter bzw. im Schiff des neuen Verfrachters sich befinden, von der Haftung aus § 606 frei wird. Diese Wirkung wird aber erzielt durch Klauseln wie „not liable for risk of craft" ( Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 392), „the carriers shall have liberty to convey goods in lighters to and from the ship at the risk of the owners of the goods" (HansOLG HansGZ 1913, 298), „to tranship cargo from any intermediate port to its destination at ship's expense and merchants risk" (HansOLG HansGZ 1886, 4). „Risk of transhipment" bedeutet aber nicht, wenn dies sich aus dem Zusammenhang ergibt (wie in der letztgenannten Klausel), die Gefahr der Weiterbeförderung in dem neuen Fahrzeug, sondern im Zweifel nur die Gefahr der Operation der Umladung (HansOLG HansGZ 1914, 15; anders wohl Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 392). Weitere derartige Klauseln sind (vgl. Capelle, Frachtcharter S. 291): „Owners to have liberty to lighten if required to cross bars and/or shoals in the River Paraná at the steamers expense and the merchants risk . . . but the master to give notice before lightening to enable the charterers to send their representative on board", oder „Should it be necessary to lighten the vessel to reach the open sea the same to be at steamers expense and merchants risk."
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Soweit die Haftung des Verfrachters gemäß §§ 662 ff. HGB zwingend ist, ist für eine Freizeichnung von §§ 606 ff. für die Zeit der Leichterung oder Umladung kein Raum mehr. Leichterungen im Zwischenhafen oder im Umladehafen fallen in den Zeitraum von der Einladung bis zur Ausladung (Knauth, Ocean Bills of Lading, 4th ed. 1953 S. 233: „ . . . the „tackle to tackle" coverage of the Convention . . . will extend from the receiving tackle of the carrier's first lighter or vessel to the delivering tackle of the carrier's last lighter or vessel"). Vgl. The Jupiter AMC 1945 S. 1161. In Sachen Colton v. New York & Cuba Mail Steamship Co., AMC 1928 S. 1391, wurde eine auf Durchkonnossement verschiffte Kartoffelladung im Hafen von New York zwecks Umladung geleichtert. Auf dem Leichter erlitten die Kartoffeln Frostschäden. Das Gericht war der Ansicht, daß die Umladung auf den Leichter Teil des Transports sei. Nach dem anwendbaren Harter Act sei deshalb eine Klausel wie „transshipment by the usual method of conveyance should be at the sole risk of the owners of the goods and the expense of the carriers" ungültig. — Siehe auch die Ausführungen in Anm. 13 zu § 663 HGB.
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2. Beschränkungen des sachlichen Umfanges der Haftung. a) Allgemeine Freizeichnung. Gelegentlich, wenn auch verhältnismäßig selten, kommen Klauseln vor, in denen sich der Verfrachter von der Haftung für jeglichen nur denkbaren Schaden freizeichnet, natürlich nur bis zur Grenze der Entfreiung von der Haftung für eigenen Vorsatz (§ 276 Abs. 2 BGB) und der sonstigen oben in Anm. 3 genannten Umstände. Zwar würde die sagenhafte Klausel „not responsable for anything" mangels jeglicher Bestimmtheit der Rechtsgültigkeit entbehren ( Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 378). Beispiele aber sind: „free from all accidents, loss and damage of whatsoever nature or kind, and however occasioned"; „nicht verantwortlich für allen Verlust, Beschädigung welcher Art und durch 876
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welchen Umstand verursacht" (HansOLG HansGZ 1899 Nr. 35). Derselbe Erfolg kann unter Umständen durch eine Summe von besonderen Freizeichnungen erreicht werden (vgl. HansOLG HansGZ 1883 Nr. 59); doch muß in diesem Falle der Verfrachter beweisen, daß die Beschädigung auf einen der besonderen Freizeichnungsfälle zurückzuführen ist (HansOLG HansGZ 1891 Nr. 26). — Die allgemeine Freizeichnung kann auch lediglich für gewisse Güter oder für gewisse Fälle vereinbart sein, so für den der unrichtigen Deklaration der Güter (HansOLG HansGZ 1914, 48 = Hansa 1914 S. 486) oder ihrer unzureichenden oder den Vorschriften des Verfrachters nicht entsprechenden Markierung. Vgl. OLG Hamburg Hansa 1962 S. 840 zur Freizeichnung eines Verfrachter-Kapitäns. Soweit derartige Klauseln Freizeichnungen von Zufallschäden enthalten, sind sie überhaupt 1 7 überflüssig, weil sie nur das Gesetz wiederholen. Als Freizeichnungen von bestimmten typischen Schadensursachen (exception clauses) sind sie gleichfalls überflüssig, insbesondere insoweit sie mit ihrer Umkehrung der Beweislast nunmehr in das Gesetz aufgenommen sind (§ 608 Abs. 2 HGB). Verfehlungsklauseln (negligence-Klauseln) sind überflüssig, soweit sie sich dem Konnossementsinhaber gegenüber auf das nautisch-technische Verschulden der Leute beziehen (etwa: „or other accidents of navigation even when occasioned by the negligence, default or error in judgement of the master's pilot, mariners or other servants of the shipowner"). Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß die Verfehlungsklausel sich auch als absolute negligence-clause findet, in der der Verfrachter sich dann für jedes schuldhafte Verhalten der Schiffsbesatzung freizeichnet, insbesondere auch für deren kommerzielles Verschulden. Vgl. dazu Schiedsspruch H a n s R G Z 1942 B 68. Aber auch die absolute negligence-clause entbindet den Verfrachter nicht davon, die Schadensursache aufzuklären. Vgl. auch Anm. 29 ff. zu § 607 HGB. Gegenüber dem Konnossementsinhaber kann sich der Verfrachter im Rahmen der §§ 662 ff. HGB also nur in den Fällen des § 656 Abs. 2 H G B (Rechtsfolgen der Konnossementsangaben über Menge und Merkzeichen sowie über den Inhalt verpackter Güter) und in denen der §§ 663 Abs. 2, 663 a H G B freizeichnen, weil insoweit seine Haftung nicht zwingendes Recht ist (§ 662 HGB). Insbesondere sind exceptions-clauses nur im Rahmen des § 608 H G B gültig. Gehen Klauseln über ihn hinaus, so bleibt es bei der in § 607 Abs. 2 H G B vorgesehenen Entlastungspflicht des Verfrachters. Eine besondere Stellung nimmt die sog. „Insurance-Klausel" ein (vgl. Wüstendörfer, Studien 1 8 Bd. I S. 391, 397; siehe auch Anm. 10 zu § 662 HGB), gewöhnlich lautend „not liable for any loss, detriment or damage to any goods, which are capable of being covered by insurance", „nicht verantwortlich für Verlust oder Schäden an Gütern, gegen welche sich die Verschiffer durch Versicherung schützen können" oder dgl. (vgl. insbesondere Sohr, Le Droit Maritime Beige 1910 S. 641 ff.; Schaps. LZ 1913 S. 515 ff. und Le Droit Maritime Beige 1913 S. 241 ff.; in dem letztgenannten Aufsatz ist die deutsche und ausländische Literatur bis damals berücksichtigt. Vgl. weiter die Urteile LG Hamburg HansGZ 1914 Nr. 21 = LZ 1914 S. 167 und HansGZ 1914 Nr. 81 = LZ 1914 S. 1517 = ZVersWiss. 1915 S. 479; des See- und H G Triest II Diritto Marittimo 1913 S. 390; des H G Antwerpen Le Droit Maritime Beige 1913 S. 315; 1914 S. 164; des AppG Brüssel Le Droit Maritime Beige 1914, S. 421; über die Stellungnahme der Versicherer vgl. Pappenheim, HB 3 S. 491 Anm. 7); manchmal ist nur von „damage" die Rede, was aber den Sinn der Klausel nicht einschränkt (Le Droit Maritime Beige 1910 S. 872; anders HansOLG HansGZ 1910 Nr. 64 = Le Droit Maritime Beige 1910 S. 871 ff.). Die Gültigkeit der Klausel ist von der Literatur überwiegend anerkannt worden (Voigt, Verh. des 17. Juristentages, Gutachten S. 142; Pappenheim, DJZ 1903 S. 43 und HB 3 S. 490; Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 397; Tannenwald, LZ 1909 S. 768f.; in der englischen Literatur wurde die Klausel nur mit Einschränkungen anerkannt; für das deutsche Recht anders als die herrschende Ansicht Boyens, Bd. 2 S. 108; s. auch die Bedenken bei Brandis, Bd. 2 S. 33; f ü r die Gültigkeit der Klausel auch HansOLG HansGZ 1894 Nr. 12; AppG Brüssel Le Droit Maritime Beige 1910 S. 129). Die Klausel bezweckt die Entlastung des Verfrachters von der auf Frachtvertrag bzw. Konnossement beruhenden Haftung für Verluste und Beschädigungen der zur Beförderung übernommenen Gegenstände, gegen die der Befrachter sich versichern kann. Gleichgültig ist also, ob dieser dagegen Versicherung genommen und wirksam genommen hat, ob eine Versi877
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
cherung üblich und ob sie nur zu einer höheren als der üblichen Prämie zu schließen ist (anders HansOLG HansGZ 1913, 123; LG Hamburg HansGZ 1914 Nr. 81 = LZ 1914, 1517 = ZVersWiss. 1915 S. 479): entscheidend ist nur die Versicherungsmöglichkeit, deren Begriff freilich nicht überspannt werden darf ( Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 397; Schaps, LZ 1913 S. 518; Pappenheim, HB 3 S. 491 Anm. 4). Das Vorliegen der Versicherungsmöglichkeit hat der sich auf die Klausel berufende Verfrachter zu beweisen: soweit aber, ob sie vorliegt, nur geprüft werden kann, wenn die Schadensursache feststeht (hierzu Ritter, ZVersWiss. 1914 S. 30 ff.), so muß er auch diese dartun (LG Hamburg HansGZ 1914 Nr. 21 = LZ 1914 S. 167). Die Verpflichtungen des Verfrachters auf G r u n d von großer Haverei werden durch die Klausel nicht berührt. Die Klausel ist gegenstandslos, wenn die Versicherung der betreffenden Schäden aus tatsächlichen Gründen nicht möglich oder aus Rechtsgründen nicht statthaft ist. Die Klausel ist wirkungslos und ungültig, soweit eine Freizeichnung von der Haftung für gewisse Schäden gesetzlich ausgeschlossen ist. Im Rahmen der zwingenden Haftung der §§ 662ff. ist also für die Klausel kein Raum, ebenso nicht im Rahmen des in Anm. 3 oben Genannten. Sect. 3 (8) Abs. 2 US Carriage of Goods by Sea Act, 1936) erklärt die Klausel ausdrücklich schlechthin f ü r nichtig (vgl. Knauth, Ocean Bills of Lading, 4 th ed. 1953, 184 f.). 19
b) Was die besonderen Freizeichnungen anlangt, so wurde bereits in Anm. 16 betont, daß viele schon deshalb ihren materiellen Wert verloren haben, weil das Gesetz eine Zufallshaftung für den Verfrachter nicht mehr kennt (soweit die Klauseln also etwa Verfügungen von hoher Hand, Beschlagnahmen, Feindeshandlungen, höhere Gewalt (acts of god) betreffen, andere deshalb, weil ihre Umkehrung der Beweislast in das Gesetz aufgenommen wurde (vgl. § 608 Abs. 2 HGB). Diese Klauseln wiederholen also nur den gesetzlichen Zustand. Die einzelnen besonderen Freizeichnungen leiten ihren Ursprung vorwiegend aus der englischen Praxis her; gewöhnlich ist eine Anzahl davon miteinander zu einer umfassenden „exception clause" verbunden (Beispiele besonders umfangreicher exception clauses: HansGZ 1883 Nr. 59; 1891 Nr. 26), die, ihrem Ursprung entsprechend, im Zweifel (vgl. den Fall R G Z 11, 104) nach englischer Rechtsauffassung auszulegen ist (RGZ 39, 68; HansOLG HansGZ 1896 Nr. 28), es müßte denn sein, daß die f ü r die Beurteilung des Falles maßgebliche deutsche Praxis der englischen Klausel einen abweichenden Sinn beilegt ( Wüstendörfer, Studien Bd. 1 S. 400; vgl. aber auch LG Bremen Hansa 1955 S. 1001).
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Die besonderen Freizeichnungen betreffen entweder Schadensursachen ohne Rücksicht auf die Art des Schadens oder schädliche Erfolge ohne Rücksicht auf die Art der Ursache. Von den nachstehend aufgeführten Gruppen gehören litt, aa —ee zur ersten, litt, ff zur zweiten Klasse. aa) Freizeichnung von den Gefahren oder Zufällen der Schiffahrt, ohne Rücksicht, ob dieselben von auBen oder von innen kommen. Die Freizeichnung von „périls (dangers) of the sea (and rivers), périls of navigation" oder „sauf les risques et périls de la mer" oder „périls, dangers and accidents of the sea or other waters of what nature and kind so e v e r . . . strandings, collisions and ail accidents of navigation" oder „Gefahren oder Zufälle der See und anderer Gewässer, Zusammenstöße, Strandungen und alle sonstigen Unfälle der Schiffahrt" ist im Hinblick auf die Regelungen in §§ 607 Abs. 2 Satz 608 Abs. 1 Ziff. 1 teils bedeutungslos geworden, teils hat sie an Bedeutung verloren. Unter die Kausei sind nach englischer Rechtsauffassung begrifflich immer nur solche Unfälle gefallen, die weder mittelbar noch unmittelbar in menschlicher Nachlässigkeit oder Unvorsichtigkeit ihren Grund haben (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 27; 1896 Nr. 51; ebenso die amerikanische Auffassung: HansOLG HansGZ 1899, 129): ist ein prima-facie-Beweis für das Vorliegen eines peril of the sea gegeben, so kann ihn der Ersatzberechtigte durch den Beweis eines kausalen Verschuldens aus der Welt schaffen. Die deutsche Praxis dagegen hat es für zulässig gehalten, sich von périls of the sea etc. auch für den Fall freizuzeichnen, daß dem Ereignis ein schuldhaftes Verhalten zugrunde liegt (HansOLG und RG HansGZ 1896 Nr. 51; LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1899 Nr. 33 (Unselbständige oder relative NegligenceKlausel. Beispiele: „perils of the sea . . . whether arising from negligence of mariners or others 878
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of the crew, or otherwise howsoever" (HansOLG HansGZ 1892 Nr. 20, 89); „ . . . even when occasioned by the negligence . . . of the pilot, master, mariners or other servants of the shipown e r . .." (HansGZ 1893 Nr. 27; 1896, 70; 1909 Nr. 52; 1913, 256 usw.); „ . . . howsoever may be caused" (HansOLG HansGZ 1883Nr. 59). Liegt eine solche Freizeichnung nicht vor, so wurde angenommen, daß es dem Gegner des Verfrachters freistehe, zu beweisen, daß der Verfrachter oder die Leute, für die er verantwortlich ist, den Unfall verschuldet haben (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 26; RG HansGZ 1895 Nr. 35). Soweit nach § 662 ff. die Haftung des Verfrachters eine zwingende ist, kann jetzt nach § 608 Abs. 3 HGB die Haftungsbeschränkung nicht mehr eintreten, wenn dem Verfrachter nachgewiesen wird, daß der Eintritt der Gefahr auf einem Umstand beruht, den er zu vertreten hat. bb) Freizeichnung von äußeren Gefahren. Beispiele: 21 aaa) „Acts of God, höhere Schickungen, Elementarereignisse, die ohne jede menschliche Mitwirkung eingetreten sind und nicht zu vermeiden waren, the kings enemies, restraints of princes, rulers and people, capture and seizure." Vgl. § 608 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 HGB: Der Verfrachter haftet nicht für Schäden, die entstehen aus kriegerischen Ereignissen, Unruhen, Handlungen öffentlicher Verfügungen von hoher Hand sowie aus Quarantänebeschränkungen, aus gerichtlicher Beschlagnahme. Die Klauseln sind also durch die gesetzliche Regelung gegenstandslos geworden. Sie schützten auch früher den Verfrachter nicht, wenn er oder seine Leute den Schaden verschuldet hatten und hierfür nicht auch ausdrücklich eine Freizeichnung erfolgt war (siehe oben Anm. 20). Nach jetzt geltendem Recht (§ 608 Abs. 3) gilt die Haftungsbefreiung nicht, wenn nachgewiesen wird, daß der Eintritt der Gefahr auf einem Umstand beruht, den der Verfrachter zu vertreten hat. Nach Abs. 2 des § 608 wird vermutet, falls ein Schaden eingetreten ist, der nach den Umständen des Falles aus einer der in § 608 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 bezeichneten Gefahren entstehen konnte, daß er aus dieser Gefahr entstanden ist. Diese Regelung ist für den Verfrachter zwingend, soweit seine Freizeichnung nach § 622ff. H G B unzulässig ist. bbb) „Pirates, robbers by land or sea, thieves. " Die Klausel betrifft nur Eigentumsverletzun- 2 2 gen seitens nicht zur Schiffsbesatzung gehöriger Personen („thieves external to the ship": H G Hamburg HansGZ1873 Nr. 7; A G und LG Hamburg HansGZ 1899 Nr. 27; HansOLG HansGZ 1900, 78), also auch seitens der Passagiere, LG Hamburg a. a. O.; HansOLG HansGZ 1910, 235; Pappenheim, HB 3 S. 484 Anm. 3; anders HansOLG HansGZ 1908, 232 = SeuffA Bd. 64 S. 325). Der Verfrachter beruft sich hiernach vergebens auf die Klausel, wenn er nicht beweist, daß der Diebstahl nicht von einer Besatzungsperson begangen ist (HansOLG HansGZ 1903, 78); diese Beweislastverteilung wird indessen dadurch verändert, daß er sich von Diebstahl freizeichnet, „es sei denn, daß er von der Besatzung begangen sei" (vgl. HansOLG HansGZ 1915, 76 und 246). Weitergehend die Freizeichnung von „thieves, whether on board or not" oder „pas responsable pour voleurs de quelque nature, qu'ils fussent à bord ou non, sur terre ou sur mer" oder „plunder of goods by crew or stevedores" oder „pilferage committed by his own people" oder „Räuber- und Diebshandlungen zu Wasser und zu Lande" in Verbindung mit weitgehender Negligence-Klausel (HansOLG HansGZ 1915, 109). — Trotzdem Haftung des Verfrachters bei eigenem Verschulden (HansOLG HansGZ 1915, 111). Die Klausel ist für vom Verfrachter und seinen Leuten nicht verschuldete Schäden ohne Bedeutung. Im Falle des Verschuldens ist eine Freizeichnung im Rahmen der zwingenden Haftung der §§ 662 ff. nicht möglich. „Effects of climate." Die Klausel bezieht sich nicht auf gewöhnliche Vorkommnisse, wie 2 3 Regen, Schnee usw. sondern nur auf besondere Einflüsse exotischen Klimas (HansOLG HansGZ 1895 Nr. 115). Es findet sich aber auch Freizeichnung von Regenschaden („franc d'avaries causées par la plui": AppG Algier Revue Autran Bd. 17 S. 573; H G Marseille Revue Autran Bd. 20 S. 237), gegen welche der Gegenbeweis des Verschuldens geführt werden kann ( H G Marseille Revue Autran Bd. 3 S. 203), sofern der Freizeichnung nicht eine NegligenceKlausel beigefügt ist ( H G Antwerpen Revue Autran Bd. 21 S. 652). Im Rahmen der zwingenden Haftung des Verfrachters nach §§ 662 ff. H G B ist die Klausel nicht mehr von Bedeutung. Soweit nämlich ein Verschulden der Schiffsbesatzung für den 879
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Schaden mitursächlich gewesen ist, kommt ein Haftungsausschluß nicht in Betracht; im übrigen besagt sie nur etwas auch ohne sie geltendes. 24
cc) Freizeichnung von inneren Gefahren. aaa) Freizeichnung von schädlichen Einflüssen des Schiffes. Beispiele: „SeeuntüchtigkeitÜber die Freizeichnungsmöglichkeit von ihr vgl. Anm. 11 —15 zu § 559.
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„Every dangers of mctchinery, boilers, steam ... excepted." Freizeichnung von schädlichen Einflüssen der Maschine, des Kessels oder des Dampfes: Gegenbeweis mitwirkenden Verschuldens der Besatzung (z. B. fehlerhafte Stauung: HansOLG HansGZ 1916, 64), oder der Seeuntüchtigkeit des Schiffes (vgl. H G Hamburg HansGZ 1878 Nr. 120). Lautet die Klausel: „accidents from machinery, boilers, s t e a m . . . excepted", so muß der Verfrachter zunächst nachweisen, daß ein accident vorliegt (HG und O G Hamburg HansGZ 1878 Nr. 120, 183). Über den Begriff der machinery vgl. HansOLG HansGZ 1890 Nr. 99; RG HansGZ 1891 Nr. 81; LG Hamburg H a n s G Z 1916, 62. Im Rahmen der zwingenden Haftung des Verfrachters nach § 662 ff. HGB ist die Klausel ohne Bedeutung.
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„Latent defects in hull. . . excepted", Freizeichnung von den Folgen solcher Fehler am Schiffsrumpf, die nicht bloß ohne Verschulden unbekannt geblieben sind, sondern die objektiv ihrer Natur nach unerkennbar waren: HansOLG HansGZ 1902 Nr. 65; vgl. 1913 Nr. 120. Handelt es sich um einen Seeuntüchtigkeitsgrund, so schlägt die Klausel, abgesehen von weitergehender Freizeichnung, n u r durch, wenn sich bei Antritt der Reise alles in ordnungsgemäßem Zustand befand (HansOLG HansGZ 1907, 299; LG Bremen Hansa 1955 S. 1001: Seewasser war infolge der Lockerung einer Muffe durch die Deckwaschleitung in den Laderaum eingedrungen); das gleiche gilt für die Freizeichnung von „break down of machinery". Doch ist eine Freizeichnung von anfänglicher See- oder Ladungstüchtigkeit noch nicht in dem Zusatz „always mutually excepted" zu erblicken. Anders bei der Formulierung „even existing at the beginning of the voyage"; vgl. LG Bremen a. a. O.. In Verbindung mit obiger Freizeichnung kommt vor solche von den Folgen unerkannt gebliebener Fehler der Ausrüstung, „latent defects of equipment or fittings". Soweit die Haftung des Verfrachters nach § 662 ff. H G B zwingend ist, ist die Freizeichnung f ü r den Fall, daß kein Verschulden vorliegt, bedeutungslos, im Falle des Verschuldens und im Rahmen des § 559 H G B unzulässig.
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„Not accountable for rats and vermin", Freizeichnung von Ratten- und Wurmfraß. Im Rahmen der zwingenden Haftung der §§ 662 ff. HGB ist diese Freizeichnung nur zulässig, wenn der Verfrachter sich hinsichtlich eines Verschuldens entlasten kann oder es sich um einen Fraß handelt, der aus verborgenen Mängeln oder der eigentümlichen Art oder Beschaffenheit des Gutes herrührt (§ 608 Abs. 1 Ziff. 7; s. auch §§ 608 Abs. 2 und 3 HGB).
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„Not liable forsweat", „damage from sweating excepted". Freizeichnung von den Folgen des Schiffsdunstes (damp, sweat; über ihn und seine Wirkung s. HansOLG HansGZ 1895 Nr. 57; 1902, Nr. 103; 1911 Nr. 106 = LZ 1911, 716; RG LZ 1909, 147) Nicht unter die Klausel fällt Schädigung durch den dem Schiff von früherer Ladung anhaftenden Geruch (LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1897 Nr. 87) oder den Geruch der Nebenladung (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 133). Die Freizeichnung schlägt nicht durch, wenn die Schiffsbeschädigung eine Folge zu vertretender schlechter Stauung oder Garnierung ist. Daher sagt insoweit etwas Selbstverständliches die Freizeichnung von „sweating not due to improper stowage", durch die nicht etwa eine Haftung für jede objektiv ungeeignete Stauung begründet wird (HansOLG HansGZ 1915, 262). Die Klausel ist im Rahmen der zwingenden Haftung des Verfrachters nach §§ 662 ff. H G B ohne Bedeutung. Für nicht verschuldeten Schiffsdunst haftet der Verfrachter von Gesetzes wegen nicht, f ü r verschuldeten ist ihm die Freizeichnung nicht gestattet.
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bbb) Freizeichnung von schädlichen Einflüssen anderer Ladung. Beispiele: „Excepted injurious effects of other goods (LG Hamburg HansGZ 1892 Nr. 95); „damage 880
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f r o m other goods by sweating or otherwise excepted" (LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1887 Nr. 27, „owners to be exempt from damage arising from contact with other goods ( H G Antwerpen, Le Droit Maritime Beige, 1913 S. 316), „nicht verantwortlich für Beschädigung oder Verderb durch andere, im Schiffe befindliche Ladung" (HansOLG HansGZ 1909, 72), weniger weitgehend, obwohl die Hauptfälle deckend, „damage from other goods by sweating smell or evaporation excepted" (HansOLG HansGZ 1908, 132). Alle diese Klauseln decken nicht Beschädigung durch Rückstände der Ladung früherer Reisen ( H G Antwerpen Le Droit Mar. Beige 1913, S. 316). Sie schützen den Verfrachter nur insofern, als nicht ihn oder seine Leute ein Verschulden trifft, insbesondere bezüglich schuldhafter Stauung (HansOLG H a n s G Z 1887 Nr. 27; 1908, 132; 1913, 290; Distriktgericht Süd Neuyork Revue Autran Bd. 3 S. 488; H G Antwerpen Le Droit Maritime Beige 1912, S. 266; Capelle, Frachtcharter 349 f.), er müßte sich denn auch hiervon freigezeichnet haben (HansOLG HansGZ 1909, 72). Die Freizeichnung von „sweat" (oben Anm. 28) deckt die hier fraglichen Gefahren nicht (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 133). Die Freizeichnung ist ohne Bedeutung, soweit die Einflüsse anderer Ladung vom Verfrachter und seinen Leuten unverschuldet sind, im Falle eines Verschuldens im Rahmen der §§ 662 ff. unzulässig. ccc) Freizeichnung von Schäden, die durch den Zustand der Ladung selbst verursacht sind. 3 0 Hierher gehört die Freizeichnung von „rist" (d. h. eigenem Rost des Gutes, nicht Berührung mit dem Rost anderer Güter: High Court of Justice, Revue Autran Bd. 6 S. 468; vgl. Revue Autran Bd. 7 S. 170), „decay" (Schwinden), „corruption", „inherent deterioration", „oxydation" (LG Hamburg Hansa 1910 S. 474), „putrefaction" ( H G Antwerpen Revue Autran Bd. 21 S. 789), „heat" (im Zusammenhang mit Klauseln vorstehender Art: Erhitzung der Ladung aus sich selbst heraus), ferner von den Folgen mangelhafter Packung (HansGZ 1897, 224; 1897, 149: „the ship is not responsible for loss or damage causend by insufficient packing, torn, mended, chafed, weak or fragile bags and gagging and wrappers, nor for usual and reasonable wear and tear of packages . . . " Nach § 608 Abs. 1 Ziff. 5 H G B haftet der Verfrachter nicht für Schäden aus Handlungen oder Unterlassungen des Abladers oder Eigentümers des Gutes, seiner Agenten oder Vertreter, nach § 608 Abs. 1 Ziff. 7 nicht für solche aus Schwund an Raumgehalt oder Gewicht oder aus verborgenen Mängeln oder der eigentümlichen natürlichen Art oder Beschaffenheit des Gutes. Vgl. die Beweisvermutung des § 608 Abs. 2 und in § 608 Abs. 3 die Möglichkeit des Ladungsbeteiligten, den Nachweis zu führen, daß der Eintritt der Gefahr auf einem Umstand beruht, den der Verfrachter zu vertreten hat. Siehe die Anm. zu § 608. dd) Freizeichnung von Unfällen, gleichviel ob durch äußere oder innere Gefahren verur- 31 sacht. Hierher gehört die allgemeine Freizeichnung von „accidents of whatsoever kind"; es ist gleichgültig, ob das accident der Schiffahrt eigentümlich ist oder nicht. Alle hierher gehörigen Klauseln lassen dem Ersatzberechtigten den Beweis des Verschuldens des Verfrachters oder seiner Leute frei, soweit nicht daneben die Negligence-Klausel vereinbart ist. Im Rahmen der zwingenden Haftung des §§ 662ff. H G B haben diese Klauseln keine Bedeutung mehr: entweder besagen sie nur, was bereits von Gesetzes wegen Rechtens ist, oder sie gehen über die zwingende Mindesthaftung hinaus und sind dann insoweit ungültig. Das kann insbesondere hinsichtlich der Verteilung der Beweislast zutreffen. Einzelbeispiele: „Fire", Feuersgefahr (OG Hamburg HansGZ 1878 Nr. 177; R O H G 25 Nr. 23; HansOLG 3 2 HansGZ 1888 Nr. 56; 1895 Nr. 51 (explosion or fire at sea, in craft or on shore"); 1901 Nr. 93; H G Antwerpen, de Droit Mar. Beige 1914, 227). Die Klausel deckt nur den unmittelbaren Schaden durch Feuer (HansOLG HansGZ 1910, 154); doch darf der Kreis desselben nicht zu eng gezogen werden (er umfaßt Schaden durch den Rauch und das zum Löschen verwendete Wasser). Feuer durch Blitzschlag ist zugleich „act of God". Zuweilen wird ausdrücklich vorbehalten die Haftung für Feuerschaden, der auf schlechte Stauung oder ungeeignetes Garnier zurückzuführen ist (HansGZ 1906, 294). Die Klausel ist durch § 607 Abs. 2 HGB Satz 1 im wesentlichen gegenstandslos geworden: •881
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„Ist der Schaden durch Feuer entstanden, so hat der Verfrachter nur sein eigenes Verschulden zu vertreten". Vgl. die Anm. 24 ff. zu § 607. 33 „Explosion, bursting of boilers, breakage of shafts", Explosion, Bersten von Dampfkesseln oder Rohrleitungen, Brechen von Schäften: HansGZ 1893 Nr. 27. Im Zusammenhang mit der Freizeichnung von „fire" und „explosion" bezieht sich die Freizeichnung von „heat" nicht auf eine Erhitzung der Ladung aus sich selbst heraus (Anm. 30), sondern auf eine solche durch äußere Einflüsse. Soweit die freigezeichneten Umstände auf einem Verschulden des Verfrachters oder seiner Leute beruhen, sind sie, sofern nicht nautisches Verschulden oder management of the ship der Leute vorliegt, im Rahmen der zwingenden Mindesthaftung der §§ 662 ff. unwirksam. 34
ee) Über Freizeichnung von den Folgen schuldhaften Verhaltens von Hilfspersonen vgl. unten Anm. 48 ff. In Zusammenhang hiermit stehen Klauseln, durch die sich der Verfrachter von Verpflichtungen positiver oder negativer Art freizeichnet, deren Verabsäumung sonst Verschulden bedeuten würde. Beispiele: Lotsenklausel („to sail without pilots"; „unbeschadet der dem Verfrachter obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen darf das Schiff ohne Lotsen fahren", Regel V 1 a DEK 1940). Die Klausel hat nur geringe praktische Bedeutung. Soweit sie auf die Nichtzuziehung eines Zwangslotsen abzielt, ist sie schon gemäß § 134 BGB nichtig ( W ü s t e n d ö r f e r , Studien Bd. I S. 606; Capelle, Frachtcharter S. 296). Sie gewährt auch dem Verfrachter nicht das Recht, den Kapitän ein für alle Mal anzuweisen, ohne Lotsen zu fahren. Das würde auch innerhalb der Regelung der §§ 606 f. H G B eine unzulässige Freizeichnung vom eigenen Vorsatz sein (Capelle, a. a. O.). Innerhalb der Haftung aus §§ 606 hat die Freizeichnung nur Bedeutung für ein persönliches fahrlässiges Verhalten des Verfrachters, indem dieser für den konkreten Fall seinem Kapitän die Zuziehung eines Lotsen untersagt hatte. Versäumt es nämlich der Kapitän schuldhaft, einen Lotsen an Bord zu nehmen, wo es navigatorisch erforderlich war, so liegt darin ein nautisches Verschulden, und deshalb kommt eine Haftung für einen möglicherweise entstandenen Ladungsschaden nach § 607 Abs. 2 H G B nicht in Betracht (vgl. auch Lebuhn, Neuzeitliche Konnossementsfragen S. 41 f.; Knauth, Ocean Bills of Lading S. 204). Deviationsklauseln: siehe Anm. 3 zu § 536 HGB und Anm. zu § 636a HGB. Substitutions- und Umladeklauseln: siehe Anm. 6 ff. zu § 565 HGB. Deckladungsklauseln: siehe Anm. 2 zu § 566 HGB.
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ff) Freizeichnung von gewissen schädlichen Erfolgen, ohne Rücksicht auf die Ursache. Beispiele: Nichtablieferung identischer Ladung. Die in verschiedenen Urteilen ausgesprochene Meinung, der Verfrachter könne sich, sofern ihn nach den §§ 662 ff. H G B keine zwingende Mindesthaftung treffe, nicht von der Verpflichtung freizeichnen, das identische ihm zur Beförderung übergebene Gut auszuliefern, weil dies dem Wesen des Frachtvertrages widersprechen würde, ist nicht zutreffend (vgl. z. B. LG Hamburg HansGZ 1880, 22; 1883, 228; 1886, 4). Doch kommen solche Freizeichnungen nur in Sonderfällen unter gewissen engbegrenzten Voraussetzungen vor. Hierher gehört die Zuteilungsklausel: „cargo landed without marks or with wrong marks, to be apportioned by the steamer's agent among the consignees of the cargo, whose lots may be short, such apportionment to be accepted by said consignees against shortage" (HansOLG HansGZ 1908, 311; 1910, 245): wenn gleichartiges Gut für mehrere Empfänger im Löschungshafen gelandet wird und nach richtiger Verteilung der identifizierten Güter Stücke mit falscher Marke oder ohne Marke übrig bleiben, so soll der Verfrachter berechtigt sein, mit diesen Stücken seine Auslieferungsverpflichtung gegenüber den noch nicht befriedigten Empfängern zu erfüllen; den letzteren steht aber der Beweis offen, daß sie bei ordnungsgemäßer Auslieferung die richtigen Stücke erhalten haben würden (HansOLG HansGZ 1910, 247). Die Klausel ist innerhalb der zwingenden Mindesthaftung des Verfrachters im Rahmen der §§ 662 ff. HGB unwirksam.
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Veränderte oder beseitigte Identitätszeichen. Hierher gehören die Klauseln „für fehlende Marken nicht verantwortlich" (HansGZ 1898, 174), „not liable for inaccuracies, obliteration 882
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or absence qf marks, numbers or adress" (HansGZ 1890, 160). Diese Klauseln beseitigen nicht etwa die Verpflichtung des Verfrachters, das gleiche Gut, das er übernommen hat, abzuliefern, sie schließen vielmehr nur seine Haftung aus für Schäden, die entspringen aus der Veränderung oder Beseitigung der konnossementsmäßigen Identitätszeichen an den richtigen Gütern während der Reise (Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 451, der aber unzutreffend nur von verschuldetem Markenverlust spricht). Ihr Sinn erschöpft sich hiernach nicht darin, „daß der Verfrachter bei dem ihm obliegenden Identitätsbeweis durch das Fehlen oder Nichtbestimmen der Identitätsmerkmale nicht behindert werden will oder soll" (so HansOLG HansGZ 1890, 160 und beistimmend RG SeuffA Bd. 46 S. 448): dies versteht sich, wo ihm überhaupt der Identitätsbeweis obliegt (Anm. 23 zu § 606), von selbst. Die Klauseln decken nicht den Fall, daß die Unstimmigkeit der Identitätsmerkmale nicht auf obliteration usw. während der Reise, sondern darauf zurückzuführen ist, daß von vornherein unrichtige Marken usw. im Konnossement eingetragen worden sind. Dem Empfänger steht der Beweis offen, daß die Beseitigung oder Veränderung der Identitätszeichen auf vom Verfrachter zu vertretendes Verschulden beruht; wo sich freilich die Freizeichnung auf accidental obliteration usw. beschränkt, kommt dieser Beweis nicht in Frage, weil der Verfrachter die zufällige Beseitigung oder Veränderung der Zeichen nachzuweisen hat (HansOLG HansGZ 1908, 311). Die Bedeutung der obigen Klauseln wird nicht geändert durch die Fassung „not liable for incorrect (wrong) delivery of goods, arising from (accidental) obliteration, errors („Errors" sind nicht Irrtümer des Verfrachters bei der Ablieferung; HansOLG HansGZ 1903, 149; anders 1885, 12; das Wort bezieht sich auf „marks etc." und bedeutet nichts anderes als „inaccuracies"), insufficiency (indistinctness, illegibility) or absence (deficiency) of marks, numbers, adress or description" (HansGZ 1880, 22; 1885, 12; 1886, 4; 1890, 160; 1903, 86 und 149; 1904, 107; 1906, 250; 1908, 311; 1911, 211); auch durch sie wird der Verfrachter nicht von der Pflicht entbunden, das abgeladene Gut auszuliefern (HansOLG HansGZ 1903, 89; 1906, 250; 1908, 311 ; RG HansGZ 1907, 144). Der Empfänger braucht sich nicht mit Gütern ohne oder mit anderen Identitätszeichen abspeisen zu lassen, und noch weniger muß er sich, wie Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 452 und 559, meint, die Ablieferung an einen unrichtigen Empfänger, also den Verlust seiner Güter, ersatzlos gefallen lassen; die „incorrect" oder „wrong delivery" liegt nicht in der Ablieferung an einen unrichtigen Empfänger, sondern in der Nichtablieferung der Güter, wie sie im Konnossement bezeichnet sind. Auch an der Beweislast (Anm. 22 ff. zu § 606 HGB) wird durch die Klausel nichts geändert (LG Hamburg HansGZ 1880, 22; 1886, 4). Soweit die Haftung des Verfrachters nach §§ 662 ff. HGB zwingend ist, insbesondere soweit ihn und seine Leute in der Zeit von der Einladung bis zur Ausladung ein Verschulden trifft, ist die Freizeichnung ungültig. Zerrissene Säcke und loses Getreide. Die besonders bei Getreide- und Salpeterladungen 37 häufigen Klauseln „nicht verantwortlich für zerrissene Säcke", „not responsible for broken bags" (auch „rotten bags" oder „condition of bags"), die sich nur beziehen auf ein Zerreißen der Säcke durch Einwirkung des Inhalts, der Hantierung und der Reiseeinflüsse, nicht etwa auf Grund vorsätzlichen oder fahrlässigen menschlichen Handelns, werden teilweise nur auf den Schaden am Sackmaterial bezogen (HansOLG HansGZ 1910 Nr. 46; vgl. Tribunal Venedig, Il Diritto Marittimo 1912 S. 355). Das ist zu eng. Doch hat die Klausel heute neben der gesetzlichen Regelung eine selbständige Bedeutung nicht mehr, weil der Verfrachter überhaupt nur für Verschulden haftet. Das gilt auch für die nächste Folge des Zerreißens der Säkke, dem Auslaufen des Sackinhalts. Wer für das Zerreißen der Säcke nicht verantwortlich ist, darf deren Inhalt lose ausliefern (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 43 und 108; 1906 Nr. 75; A p p G Venedig II Diritto Marittimo 1914 S. 375), wobei er die wertlosen Reste der Säcke nicht mit anzudienen braucht (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 43; 1906 Nr. 75; 1913 Nr. 29 = SeuffA Bd. 68 Nr. 179 = Hansa 1913 S. 335; RG HansGZ 1906 Nr. 136). Immerhin muß die ausgelieferte Ware, von dem üblichen Schwund abgesehen (vgl. HansGZ 1913, 68), quantitativ dem Inhalt der ausgelaufenen Säcke entsprechen (HansGZ 1905 Nr. 108; 1906 Nr. 75); doch deckt die Klausel Verluste an Ware, die eine Folge des Zerreißens der Säcke gewesen sind (HansOLG HansGZ 1904 Nr. 131 ; 1909 Nr. 81), wobei aber nicht, wie das letztgenannte Urteil annimmt, der Klausel eine Vermutung dafür zu entnehmen ist, daß der Verlust auf das 883
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Zerreißen der Säcke zurückzuführen ist. Im Streitfall hat das Schiff nachzuweisen, daß das Anliefern loser Ware eine Folge des Zerreißens der Säcke ist. Von diesem Beweise aber wird es frei, wenn zugleich eine Klausel wie „nicht verantwortlich für loses Getreide" (HansOLG H a n s G Z 1913 Nr. 29 = SeuffA Bd. 68 Nr. 129 = EisenbE 30, 177 = Hansa 1913 S. 335), „not responsible for loose grain" (HansOLG HansGZ 1907, 150 = LZ 1907, 670) vorliegt: dann m u ß ihm bewiesen werden, daß das Vorhandensein loser Ware auf einem von ihm zu vertretenden Umstand beruht. Die Freizeichnung kann auch lauten „nicht verantwortlich für (zerrissene und) befleckte Säcke (HansGZ 1913, 67); sie deckt insoweit nicht nur Schäden des Sackmaterials, sondern auch solche, die der gesackten Ware durch die Befleckung der für deren Wert bedeutsamen Umhüllung zugefügt werden. 38 Entsprechend dem Vorstehenden ist aufzufassen die Klausel „not responsible for torn and stained wrappers". So wenig wie die Freizeichnung von broken bags bezieht sich diejenige von torn wrappers auf gewaltsame Beschädigungen der Umhüllungen und den sich daraus ergebenden Inhaltsverlust ( H G Antwerpen, Le Droit Maritime Beige 1913 S. 306). Soweit diesen unter Anm. 37 und 38 genannten Klauseln heute neben dem Gesetzesinhalt überhaupt noch eine selbständige Bedeutung zukommt, finden sie ihre Schranken an den zwingenden Bestimmungen der §§ 662 ff. 39 Beschädigung, Bruch (breakage) und Leckage (leakage). Bruch ist eine Art der Beschädigung der Ladung, nicht auch Zerbrechen eines Schiffsteils (HansOLG HansGZ 1916, 84 = LZ 1916 S. 705); Leckage ist das Ausfließen flüssiger Ladung aus ihren Behältnissen (Näheres HansOLG HansGZ 1903 Nr. 114 = OLGRechtspr. 7, 390; R G Z 56, 402), nicht Beschädigung durch andere flüssige Güter oder leckende Schiffsteile (HansOLG HansGZ 1916, 84 = LZ 1916, 705). Diese Freizeichnung ist unnötig, soweit es sich um Zufallsschaden handelt; soweit es sich um vom Verfrachter oder seinen Leuten verschuldeten kommerziellen Schaden handelt, ist die Freizeichnung im Rahmen der §§ 662 ff., insbesondere von der Einladung bis zur Ausladung, unzulässig. Vgl. auch Dor, Bill of Lading Clauses, S. 115 f. 40
Erkrankung und Sterblichkeit bei lebenden Tieren: „ship free of mortality and disease" ( H G Hamburg HansGZ 1869, 119), „not accountable for mortality of whatever cause arising"; „sans garantie . . . de mortalité ( H G Marseille Revue Autran Bd. 26 S. 60). Derartige Klauseln sind auch nach den HR noch in vollem Umfange zulässig. Vgl. § 663 Abs. 2 Ziff. 1 H G B und die dortigen Erläuterungen. 41 Irrelaufen und verspätete Ablieferung: „ship not to be responsible for loss on market value caused by missarriage or late delivery of goods" (HG Antwerpen, Le Droit Maritime Beige 1912 S. 132), „das Schiff ist nicht verantwortlich für irgendwelchen Verlust an Marktwert, der durch verspätete oder unrichtige Ablieferung der Waren verursacht ist (HansOLG HansGZ 1904 Nr. 43) und noch weitergehend: „Für irgendwelche Verluste, die durch schuldhaft verspätete oder schuldhaft unrichtige Ablieferung der Güter entstehen, haftet der Reeder bis zu der vorstehend bezeichneten Höhe, falls die Ablieferung nicht innerhalb dreier Monate nach Ankunft des Schiffes im Löschhafen erfolgt. " Vgl. über den Verspätungsschaden und die Freizeichnungsmöglichkeit für ihn Anm. 14 zu § 606 HGB. Soweit die unrichtige Ablieferung der Güter deren Verlust für den berechtigten Empfänger zur Folge hat, gelten im Rahmen der §§ 662 ff. zwingend die für den Verlust in Betracht kommenden Bestimmungen. Vgl. auch Dor, a. a. O. S. 53, 146. 42
3. Beschränkungen des Betrages der Ersatzsumme. Der Verfrachter haftet gesetzlich für Verlust und Beschädigung auf den gemeinen Handelswert, §§ 658, 659 HGB, für sonstige Schadensursachen auf den vollen Wert, in jedem Falle aber nur für jede Packung oder Einheit bis zu einem Höchstbetrage von 1250 DM (§ 660 HGB). § 660 ist zwingendes Recht aber nur im Rahmen der §§ 662 ff. HGB. Außerhalb dieses zwingenden Rechts kann sich also der Verfrachter hinsichtlich des Betrages der Ersatzsumme freizeichnen, was aber für den Fall des eigenen Vorsatzes des Verfrachters bedeutungslos ist (§ 276 Abs. 2 BGB). Siehe auch die Ausführungen oben in Anm. 3 über Beschränkungen in der Freizeichnungsmöglichkeit hinsichtlich eigener Fahrlässigkeit und des Verschuldens leitender Angestellter. Im übrigen sind (außerhalb der zwingenden Wirkung der §§ 662 ff.) derartige Freizeichnungen möglich, indem 884
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a) eine Haftung nur nach dem Sachwert vereinbart wird für alle Ansprüche wegen Verlusts, Beschädigung oder unvollständiger Ablieferung oder wenigstens für alle Ansprüche wegen unvollständiger Ablieferung (HansGZ 1904, 83), also eine Regelung ähnlich derjenigen der §§ 658, 659 HGB, nur daß der Sachwert auf jede Art des Schadens erstreckt wird, und daß der Schadensberechnung andere als die in den §§ 658, 659 HGB genannten Sachwerte zugrunde gelegt werden, so der Kostpreis zuzüglich gewisser Unkosten oder abzüglich solcher, der Nettofakturenpreis, der Preis im Abladehafen zur Abladezeit (HansGZ 1884, 295). b) daß ein anderer Höchstbetrag als derjenige des § 660 H G B festgesetzt wird, z. B. nicht f ü r jede Packung oder Einheit, sondern „per 100 Kilo brutto" (HansGZ 1901, 119), oder ganz allgemein „the owners will in no case be liable for any amount above . . . L." Vgl. auch die Erläuterungen zu § 660 HGB, Art. 4 § 5 HR. Siehe Dor, a. a. O. S. 134 ff. 4. Klauseln betreffend die Beweislast. 43 Sie sind gegenüber der gesetzlichen Regelung der Beweislast von Bedeutung nur dort, wo die Haftung des Verfrachters nicht nach §§ 662ff. H G B eine zwingende ist. Sie kommen in folgenden Formen vor: a) Ausschluß des Exkulpationsbeweises. Der Verfrachter hat sich ausbedungen, daß er nur 4 4 haften solle, wenn ihm oder seinen Leuten (auch: ihm oder einer Person der Schiffsbesatzung) ein Verschulden nachgewiesen sei (RGZ 20, 115; Pappenheim, HB 3 S. 494; Mittelstein, HB 270). Auch das entbindet ihn aber nicht von der Verpflichtung, dem Gegner über die Begebnisse der Reise Auskunft zu erteilen und, soviel an ihm liegt, darzulegen, wieso er die Güter nicht oder nicht unbeschädigt abzuliefern in der Lage ist (HansOLG HansGZ 1894, 159; 1914, 95 = SeuffA Bd. 69 S. 280; 1915, 77; LG Hamburg HansGZ 1906, 43). Lautet die Vereinbarung dahin, er hafte nur, wenn ihm ein Verschulden nachgewiesen werde, so ist darunter im Zweifel auch eirf solches seiner Leute zu verstehen (HansOLG HansGZ 1906, 43). Der Ersatzberechtigte hat den Inkulpationsbeweis erbracht, wenn er einen Tatbestand dartut, der unter normalen und im Regelfall vorauszusetzenden Verhältnissen ein solches Verschulden ergibt: es genügt ein eventuell vom Verfrachter zu widerlegender prima-facie-Beweis (RG HansGZ 1908, 42). Soweit nach §§ 662 ff. H G B die Beweislastregelung der §§ 559, 606 bis 608, 611, 612 und 656 eine zwingende ist, ist der Ausschluß des Exkulpationsbeweises unzulässig. Vgl. auch Dor, a. a. O. S. 130. b) Ausschluß gewisser Beweismittel für den Ersatzberechtigten. Wenn der Aussteller des 4 5 Konnossements erklärt, die Richtigkeit gewisser Angaben des Konnossements nicht vertreten zu wollen, so kann sich der Ersatzberechtigte insoweit für seine Behauptung nicht auf das Konnossement berufen. Doch ist das, soweit §656 H G B gemäß §§662 ff. H G B zwingendes Recht ist, nur noch in dem beschränkten Umfange des § 656 Abs. 2 zulässig. c) Ausschluß des Gegenbeweises gegen bei der Abladung getroffene Feststellungen. Der Be- 4 6 weis schlechter Stauung soll dem Ersatzberechtigten abgeschnitten sein durch ein Stauungsattest, das nach dem Konnossement „conclusive evidence" für gehörige Stauung bilden soll; es müßte denn das Attest durch Kollusion des Ausstellers mit Verfrachter oder Kapitän zustande gekommen sein (HansGZ 1909, 175 = LZ 1909, 794) oder sonst eine offenbare Unbilligkeit im Sinne von 319 BGB darstellen (HansOLG SeuffA Bd. 70 S. 438 = HansGZ 1915, 144 = EisenbE 32, 310). Die Klausel ist im Rahmen der zwingenden Wirkung der §§ 662 ff. ohne Bedeutung. Dem Verfrachter obliegt dann zwingend die Verpflichtung zum Nachweis ordnungsgemäßer Stauung. In diesem Rahmen ist ein Stauungsattest nur eins unter möglichen Beweismitteln, dem eine ausschließliche Bedeutung nicht zukommt. Vgl. auch Dor, a. a. O. S. 133; H G Antwerpen Jurisprudence du Port d'Anvers 1941 S. 101; 1938 S. 269. 5. Klauseln, welche die Dauer der Geltendmachung des Ersatzanspruchs beschränken. Sie 4 7 haben heute nur noch Bedeutung, soweit die Haftung des Verfrachters nicht nach §§ 662 ff. HGB eine zwingende ist und deshalb die Regelung der §§ 611, 612 HGB nicht wegbedungen werden kann. Nach § 612 ist der Verfrachter von jeder Haftung f ü r Verluste oder Beschädigungen der Güter frei, wenn der Anspruch nicht innerhalb eines Jahres seit der Auslieferung der Güter (vgl. dazu § 611 HGB) oder seit dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten ausgeliefert wer885
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den müssen, gerichtlich geltend gemacht wird. Zu beachten ist namentlich aber auch § 611, wonach ein Verlust oder eine Beschädigung der Güter dem Verfrachter oder seinem Vertreter im Löschungshafen spätestens bei der Auslieferung der Güter an den schriftlich anzuzeigen ist, der nach dem Frachtvertrag zum Empfang der Güter berechtigt ist. War der Verlust oder die Beschädigung äußerlich nicht erkennbar, so genügt es, wenn die Anzeige innerhalb von drei Tagen nach diesem Zeitpunkt abgesandt wird. Vgl. wegen der weiteren Einzelheiten § 611 HGB, auch Abs. 2 und 3 und die dortigen Erläuterungen. Gegenüber dieser im Rahmen der §§ 662 ff. zwingenden, sonst dispositiven gesetzlichen Regelung haben die überkommenen Freizeichnungsklauseln nur noch geringe Bedeutung. Ihr Inhalt ist, wie der der gesetzlichen Regelung, daß sie die Erhebung des Ersatzanspruchs wegen Verlustes oder Beschädigung an kurze Präklusivfristen knüpfen, endend entweder eine gewisse Zeit nach dem Konnossementsdatum (RG JW 1906 S. 205) oder nach Landung der Güter (zur Auslegung der Klausel „no claim that may write in respect of goods shipped by the steamer will be recoverable unless made at the port of delivery within 24 hours from date of goods being landed: HansOLG HansGZ 1908, 307), oder nach seiner Ablieferung („no claims for damage or shortage will be allowed unless reported to the Superintendent of Dock before delivery and claim made within 5 days after delivery of the goods"), oder mit der Weiterfahrt des Schiffes („claims presented after sailing of the steamer will not be admitted"), oder endlich mit der Fortschaffung der gelandeten Güter („not liable for any claim, notice of which is not given before the removal of the goods"). Bei allen diesen Klauseln bedeutet die Erhebung des Anspruchs nicht etwa dessen Einklagung, sondern nur seine Geltendmachung bei dem Vertreter des Schiffes, also die Reklamation (RG JW 1906 S. 206). Mehr verlangt die Regel „receivers are obliged to have proved their claims immediately after discharge of the goods by survey ordered by Tribunal, otherwise such claims are not to be regarded". Ferner gehören hierher die scharfen Klauseln, welche die Geltendmachung von Ansprüchen von Feststellungen bei der Entlöschung (HansOLG HansGZ 1903 Nr. 2) oder vor der Auslieferung (RG Recht 1914 Nr. 1902; HansOLG HansGZ 1898, 191) abhängig machen und dabei weit über die Fristen der §§ 611 f. H G B hinausgehen. Das ist im Rahmen der zwingenden Mindesthaftung des Verfrachters nach §§ 662 ff. HGB unzulässig. 48
6. Freizeichnungsklauseln des Verfrachters von den Folgen schuldhaften Verhaltens der Hilfspersonen außerhalb der zwingenden Wirkung der §§ 662 ff. a) Die Haftungsregelung des § 607 (und auch die des § 559 HGB) ist nur innerhalb der Grenzen der §§ 662 ff. H G B eine zwingende. Außerhalb derselben ist also nach wie vor eine Freizeichnung des Verfrachters im weitergehenden Umfange zulässig. Die Bedeutung der üblichen Freizeichnungsklauseln ist zwar im Hinblick auf die Regelungen der §§ 607 Abs. 2 und 608 abgeschwächt, aber nicht beseitigt. Deshalb ist eine Eröterung dieser Klauseln noch erforderlich. Die Freizeichnung des Verfrachters von der Haftung für Verschulden der Hilfspersonen ändert nichts an deren eigener Haftung, soweit die Freizeichnung nicht ausdrücklich auch für die eigene Haftung der Hilfspersonen erfolgt ist. Das gilt übrigens auch für die eigene Haftung der Hilfspersonen neben der gesetzlichen Haftungsregelung in § 607. Das schuldige Besatzungsmitglied hat also f ü r von ihm verschuldeten Feuer- oder nautisch-technischen Schaden im Rahmen der §§ 823 ff. BGB einzustehen, der Kapitän nach Maßgabe der §§511 ff. HGB. Vgl. dazu eingehend Anm. 33 ff. zu § 607 HGB; siehe auch Selvig, Unit Limitation of Carrier's Liability, Oslo I960, S. 138 ff.
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b) Von den üblichen Freizeichnungsklauseln kommt in erster Reihe die sog. NegligenceKlausel in Betracht. Man unterscheidet zwischen der absoluten oder selbständigen und der relativen oder unselbständigen Negligence-Klausel. Die erstere befreit den Verfrachter von der Haftung für alle durch Verschulden der darin genannten Hilfspersonen entstandenen Schäden, während die letztere nur die Entlastung in bestimmten Fällen bewirkt. Es bedarf kaum einer Darlegung, daB die allgemeine Negligence-Klausel innerhalb der zwingenden Haftung nach § 607, §§ 662 ff. nicht mehr zulässig ist. Vgl. zur Geschichte der negligence-clause Wittmaack, ZHR Bd. 52 S. 81 ff.; Wüstendörfer, Studien Bd. 1 S. 164ff.; Städter, Geschichte der 886
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Konnossementsklauseln S. 7 ff. Siehe Piédelièvre, La „Negligence Clause" dans les chartesparties, D M F 1966S. 131 ff. aa) Absolute (selbständige) Negligence-Klausel. Beispiele: „barratry, misfeasance, error in 5 0 judgement, negligence or default of pilot, master, mariners or other persons in the service of the ship, whether in navigating the ship or otherwise, excepted (HansGZ 1886, 13); „not liable for any damage by want of intelligence, default or error in judgement of the master, mariners, engineers or other persons in the service of the shipowners" {Schirrmeister, ZHR BGBl. 54 S. 541); „Verlust oder Schaden durch Nachlässigkeit oder Fehler des Lotsen, Kapitäns, der Seeleute, der Maschinisten oder anderer Personen im Dienste des Schiffes, gleichviel ob in der Navigation des Schiffes oder sonstwie, sind ausgenommen (HansGZ 893, 197); „ . . . und alle Schäden, Einbußen und Verluste, die durch irgendeine Handlung, Nachlässigkeit, Versehen, Irrtum in der Beurteilung abseiten des Kapitäns, der Offiziere, Maschinisten oder Mannschaft, Lotsen, Stauer, Besatzung von Schleppdampfern oder anderer Angestellter, Beauftragten oder Agenten der Reederei in der Navigierung, Herrichtung, Stauung oder Leitung des Schiffes oder anderweitig verursacht sind" (sind ausgenommen) (Capelle, Frachtcharter S. 352). Soweit solche Klauseln außerhalb des zwingenden Charakters der §§ 559, 607 noch verein- 5 1 bart werden oder sie neben der abgeänderten gesetzlichen Regelung überhaupt noch eine selbständige Bedeutung haben, ist zu ihnen zu bemerken: aa) Als Personen, von deren Verschulden sich der Verfrachter freizeichnet, sind in der Regel genannt Mitglieder der Schiffsbesatzung, Kapitän (master), Matrosen (mariners), Mannschaft (crew), Schiffsoffiziere (officers), Lotse (pilot), Maschinisten (engineers), oder solche Personen, für die der Reeder analog § 485 H G B haftet (Anm. 9 ff. zu §481). Die hinsichtlich der Reederhaftung analog der Besatzung zu behandelnden Personen sind stets inbegriffen, wenn vom Verschulden der Besatzung freigezeichnet ist (A. A. Wüstendörfer, Studien Bd. I S. 398, der die entsprechende Anwendung einer Klausel zugunsten des Verfrachters auf Tatbestände, welche die Klausel ihrem unmittelbaren Inhalt nach nicht zu decken vermag, für unzulässig hält), nicht aber, wenn die Klausel von der Mannschaft spricht, unter der auch nicht schlechthin alle Angestellten des Verfrachters zu verstehen sind (RG JW 1911 S. 600 = LZ 1912 S. 241). Freizeichnung von Fehlern des Kapitäns befreit nicht von der Haftung für Verschulden der Kaiverwaltung (HG Hamburg HansGZ 1875 Nr. 26), dagegen von demjenigen des Schiffsmaklers, soweit er als Substitut des Kapitäns handelt (anders Brandis, Bd. 2 S. 36). In der Generalklausel „or others in the service of the ship" sind nur solche Personen inbegriffen, die im Schiffsdienste tätig sind, also nicht andere Bevollmächtigte des Verfrachters (RG HansGZ 1889, 99; R G Z 25, 107), während bei der Fassung ,in the service (servants) of the shipowner" (vgl. HansGZ 1878, 256 „servants or employes") weitergehend auch sonstige im Geschäftsbetriebe des Verfrachters angestellte Personen einbezogen sind (vgl. HansOLG HansGZ 1909, 141, wo die Rede war von „others in the service of the ship and owners"), auch Bevollmächtigte (RGZ 52, 403). Unter beide Kategorien fallen Stauer, soweit sie nicht Zwangsstauer (Anm. 15 zu § 481) sind (vgl. LG Hamburg HansGZ 1892, 248), unter die letztere unter Umständen Ewerführer, nämlich sofern sie nicht selbständige Erfüllungsgehilfen des Verfrachters sind (HansOLG HansGZ 1909, 149), wie überhaupt die Klausel auch das Verschulden solcher Angestellten decken kann, die nicht auf dem Schiffe selbst für dasselbe tätig sind (vgl. HansOLG HansGZ 1895, 305). Nicht „servants of the shipowner" sind selbständige geschäftliche Vertreter ( Ullrich, ZVersWiss. Bd. 12, S. 1056), insbesondere Agenten (HansOLG HansGZ 1909, 294); doch ist auch Freizeichnung von deren Verschulden möglich durch Zusätze wie „or for whose acts the shipowner would otherwise be liable (HansOLG HansGZ 1894, 35); vgl. speziell für den Agenten die Klauseln: HansGZ 1899, 92 und RGZ 52, 403. „Servant" des Verfrachters im Sinne der Klausel ist nicht ein Besatzungsmitglied eines anderen, dem gleichen Verfrachter gehörigen Schiffes (Queens Bench Division, Aspinall N. S. 4, 523; AppG Algier, Revue du droit international maritime Bd. 6 S. 36), es müßte denn das Gegenteil einbart sein (HansGZ 1910, 235: „ . . . or other persons in the service of the owners on this or any other vessel"). 887
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Es k o m m t vor, daß der Verfrachter in die Negligence-Klausel eine Freizeichnung .seiner eigenen Person einfügt („of the owners": H a n s G Z 1894, 35), was nach dem Gesetz bis zur G r e n z e des eigenen Vorsatzes zulässig ist (§ 276 Abs. 2 BGB). Siehe aber die in A n m . 3 oben erwähnten, durch die Rechtsprechung gezogenen weiteren Grenzen. Die französische Praxis n i m m t an, daß eine solche Freizeichnung des Verfrachters nicht seine H a f t u n g beseitige, sond e r n n u r die Beweislast zu seinen Gunsten umkehre.
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bb) Als schuldhafte Handlungen werden aufgeführt default, misfeasance (beides k a n n nachlässiges oder arglistiges H a n d e l n sein: RGZ H a n s G Z 1889, 99), negligence oder neglect, error in judgement (der aber nicht schuldhaft zu sein braucht, wenn es sich handelt u m die schuldlos irrtümliche Beurteilung der Sachlage bei Vornahme einer sachwidrigen schadenstiftenden Handlung, insbesondere im Augenblick einer drohenden Gefahr, R G Bolze 4 Nr. 422; R G Z 20, 179; 50, 95; R G H a n s G Z 1906 Nr. 124). Auch barratry wird in diesem Z u s a m m e n h a n g häufig erwähnt. Mit diesen schuldhaften Handlungen sind im ursprünglichen Sinn der Klausel solche gemeint auf nautisch-technischem und auf administrativem (kommerziellem) Gebiet. Die Klausel ist hinsichtlich der Freizeichnung auf nautisch-technischem Gebiet jetzt überflüssig, weil sie besagt, was auch ohne sie nach § 607 Abs. 2 rechtens ist. Das Gewöhnliche ist übrigens, daß den Worten „in navigating the ship" oder „in the navigation of the ship" die Worte „or otherwise" beigefügt werden, wodurch die Klausel ebenfalls wieder auf nautisches u n d kommerzielles Verschulden erstreckt wird, insbesondere auch auf mangelhafte Stauung ( R G H a n s G Z 1888 Nr. 37; H a n s O L G H a n s G Z 1893 Nr. 65) sowie die Tätigkeit des Kapitäns bei der Entlöschung ( R G Z 52, 402). Dieselbe Wirkung wird erzielt d u r c h die pleonastische Klausel „providing, dispatching or navigating the ship or otherwise". Zuweilen wird anderseits die H a f t u n g des Kapitäns für gute Stauung ausdrücklich von der Freizeichnung a u s g e n o m m e n („but nothing herein contained shall exempt the shipowner f r o m liability to pay for damage to cargo occasioned by bad stowage": H a n s O L G H ä n s G Z 1893 Nr. 95).
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cc) Der Verfrachter k a n n sich auf die Negligence-Klausel nicht berufen, wenn er die schuldh a f t e Handlung des Besatzungsmitgliedes angeordnet oder genehmigt hat oder sonst sein eigenes Verschulden konkurriert. Doch kann sich der Verfrachter auch von eigenem Verschulden (abgesehen vom Vorsatz) freigezeichnet haben. Doch ist das n u r in den oben A n m . 52 genannten Grenzen möglich. A u c h innerhalb derselben ist eine Berufung auf die Negligence-Klausel unzulässig, wenn der Verfrachter die Erfüllung des Vertrages besonders gewährleistet hat ( H G G e n t Le Droit Maritime Beige 1910 S. 59). Er kann sich weiter auf die Negligence-Klausel nicht berufen im Falle vorsätzlicher ihm zugutekommender Vertragsverletzungen des Kapitäns, weil dies Treu und G l a u b e n wie Logik widersprechen würde ( H G Antwerpen Revue A u t r a n Bd. 21 S. 652; auch A p p G Rouen Revue Autran Bd. 24 S. 610).
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b) Relative (unselbständige) Negligence-Klausel. Sie tritt auf als Zusatz zu anderen Freizeichnungen, die an sich die H a f t u n g für Verschulden der Hilfspersonen des Verfrachters nicht decken, indem sie f ü r diese ganz bestimmten, nicht zu verallgemeinernden Fälle (vgl. R G Z 62, 26) den Verfrachter auch dann entlastet, wenn der Schadensursache Verschulden von Hilfspersonen zugrunde liegt, regelmäßig restlos, zuweilen aber mit Einschränkungen: „.. . but unless stranded, Struck or burnt, nothing herein contained shall exempt the shipowner f r o m lialility to pay for damage to cargo owner occasioned by improper opening of valves, sluices and ports". Es bedarf für sie in jedem Einzelfall der Prüfung, ob sie gegenüber der gesetzlichen Regelung überhaupt noch eine eigene Bedeutung hat und inwieweit sie mit dem zwingenden Charakter des §§ 662 ff. H G B vereinbar ist. Eine Fortentwicklung der Negligence-Klausel ist die Responsibility-Klausel, die im Vergleich mit j e n e r eine positive Fassung hat, dergestalt, daß die Fälle, in denen der Verfrachter haftet, a u f g e f ü h r t sind mit dem Zusatz, daß er in allen sonstigen Fällen nicht haftet.
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c) Von hierher gehörigen Einzelfreizeichnungen sind zu n e n n e n diejenigen von aa) „Barratry" (Baratterie). D a r u n t e r ist zu verstehen jeder vorsätzliche Vertrauensbruch des Kapitäns oder eines anderen Besatzungsmitglieds gegenüber dem Reeder, mag er sich in vorsätzlicher körperlicher Beschädigung von Schiff oder Ladung, in Veruntreuungen oder 888
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sonstigen eigennützigen Akten, wie Betrug, Schmuggelei, verlängertem Aufenthalt oder Deviation im Interesse des Kapitäns, fraudulosem Verkauf von Schiff oder Ladung äußern. Wie diese Beispiele zeigen, kann die schadenbringende, unter den Begriff der barratry fallende Handlung des Besatzungsmitglieds auch gerichtet sein gegen die Ladung, also nur mittelbar gegen den Reeder. Es muß sich aber auch hier um ein unabhängig von den dienstlichen Aufgaben des Besatzungsmitglieds beobachtetes Verhalten handeln: die schlechte Erfüllung dienstlicher Verrichtungen, wie die nachlässige Verstauung oder die Zerschneidung von Leinsaatsäkken behufs bequemer Stauung, welche das HansOLG (HansGZ 1913, 290; 1907, 150 = LZ 1907 S. 670), die Vordatierung von Konnossementen, die das H G Antwerpen (Revue Autran Bd. 15 S. 516) und das AppG Brüssel (Le Droit Maritime Beige 1911 S. 474) als Baratterie ansieht, fällt darunter nur, wenn darin zugleich eine verbrecherische oder eigennützige Handlungsweise zum Ausdruck gelangt (RGZ 69, 25). Unter dieser Voraussetzung gehört zur Baratterie jede vorsätzliche Schädigung der Ladung ohne Mitschuld des Reeders, in erster Reihe Diebstahl der Besatzung (Boyens, Bd. 2 S. 224; Pappenheim, HB 3 S. 488 Anm. 2; vgl. LG Hamburg HansGZ 1885 Nr. 29; 1903, 77; HansOLG HansGZ 1907, 227; 1908, 233; 1910 S. 60 und 235; 1915, 111). Der Begriff der „barratry" nach englischem Recht ist streitig. Namhafte Schriftsteller fassen ihn ähnlich wie oben dargelegt, verstehen darunter also auch Beschädigung und Diebstahl der Ladung, während andere daran festhalten, daß der verbrecherische Wille gegen das Vermögen des Reeders gerichtet sein muß. Es ist deshalb zweifelhaft, ob die deutsche und die englische Auffassung sich hinsichtlich des Begriffs decken (verneinend Wüstendörfer, SHR 270 und HB 555 Anm. 11 bis 13). Viel weitergehend versteht die französische Praxis unter „baraterie du patron" jedes diesem zur Last fallende Verschulden technischer oder kommerzieller Art im weitesten Sinne. Ihr folgt die belgische Rechtsprechung (z. B. AppG Brüssel, Revue Autran Bd. 17 S. 184), während die italienischen Urteile kommerzielles Verschulden ausschließen, z. B. AppG Genua Revue Autran Bd. 18 S. 740; Kassationshof Turin Revue Autran Bd. 20 S. 122. b) „Jettison." Hierunter fällt Seewurf, der unnötigerweise vorgenommen, durch Verschul- 57 den der Besatzung erforderlich gemacht oder in ungehöriger Weise („improperly") ausgeführt ist. Die Klausel deckt nicht Seewurf, zu dem es infolge von ungehöriger Verstauung der Ladung gekommen ist, z. B. infolge von unbefugter Verladung auf Deck. Die Klausel wird regelmäßig Fälle umfassen, f ü r welche die Haftung des Verfrachters schon von Gesetzes wegen nach § 607 Abs. 2 ausgeschlossen ist. c) „Stowage", „not responsible for bad stowage", Freizeichnung von den Folgen schlechter 58 Stauung. Sie ist nur noch außerhalb der zwingenden Mindesthaftung der §§ 662 ff. HGB zulässig. V. Freizeichnungen zugunsten von Hilfspersonen. 59 1. In den Chartepartien oder Konnossementen können Freizeichnungen zugunsten der Hilfspersonen des Verfrachters oder Reeders erfolgen, was insbesondere durch die sog. HimalayaKlausel geschieht. Die Klausel findet sich nicht nur in Chartepartien und Konnossementen, sondern auch in Passageverträgen. Siehe zu ihr Zeller, Die Umgehung der Haager Regeln durch die Ladungsbeteiligten und die Himalaya-Klausel im Seefrachtrecht, Diss. Hamburg 1966; Prüssmann, § 663 D 2; neuerdings insbesondere auch OLG Hamburg VersR 1975 S. 801 = Hansa 1976 S. 361 (mit Anm. von Puttfarken). Auch unabhängig von solchen direkten Klauseln zeigt sich in der Rechtsprechung die Tendenz, Freizeichnungen des Reeders oder Verfrachters von der Haftung für das Verschulden seiner Hilfspersonen erweiternd dahin auszulegen, daß sie auch zugunsten der eigenen Haftung dieser Personen gelten. Siehe die Angaben hierzu auch in § 511 HGB Anm. 13. Das Interesse des Reeders oder Verfrachters, die eigene Haftung seiner Erfüllungsgehilfen 60 auszuschließen, die aus Delikt oder, wie der Kapitän, auch aus §§ 512 ff. HGB haften können, liegt einmal in einer sozialen Fürsorge für seinen Erfüllungsgehilfen, zum anderen aber auch darin, daß bei Schäden, die gegenüber dem Erfüllungsgehilfen selbst geltend gemacht werden, für diesen gegen Reeder oder Verfrachter ein arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch entste889
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hen kann und damit die Gefahr gegeben ist, daß Reeder oder Verfrachter über die frachtrechtlichen gesetzlichen Haftungsbeträge hinaus indirekt Schadensersatz leisten müssen. Siehe auch § 485 HGB Anm. 22 und vornehmlich auch BGHZ 41, 203. Vgl. auch unten Anm. 62 vorletzter Absatz. 61
2. Die Himalaya-Klausel findet sich beispielhaft in folgenden Formen: ' T h e Servants and agents of the carrier shall not be liable in their personal capacity for any loss of or damage or delay to the cargo whatsoever and wheresoever arising and all rights, defences and immunities of whatsoever nature referred to in this Bill of Lading applicable to the carrier shall in all respects inure also for the benefit of any servants or agents of the carrier." oder "It is hereby expressly agreed that no servant or agent of the Company (including every independent contractor from time to time employed by the Company) shall in any circumstances whatsoever be under any liability whatsoever to the Shipper, Consignee or Owner of the goods or to any holder of this bill of lading for any loss, deterioration, damage or delay of whatsoever kind arising or resulting directly or indirectly from any act, neglect or default on his part whilst acting in the course of or in connection with his employment and, but without prejudice to the generality of the foregoing provisions in this Clause, every exemption, limitation, condition and liberty herein contained and every right, exemption from liability, defence and immunity of whatsoever nature applicable to the Company or to which the Company is entitled hereunder shall also be available and shall extend to protect every such servant or agent of the Company acting as aforesaid and for the purpose of all the foregoing provisions of this sub-clause the Company is or shall be deemed to be acting as agent or trustee on behalf of and for the benefit of all persons who are or might be its servants or agents from time to time (including independent contractors as aforesaid) and all such persons shall to this extent be or be deemed to be parties to the contract contained in or evidenced by this Bill of Lading." oder (so Liner-Terms Klausel 18 - siehe OLG Hamburg VersR 1975 S. 801 = Hansa 1976 S. 361) "All limitations of liability and other provisions herein contained shall inure not only to the benefit of the Carrier, his vessels, Agents, Employees and other Representaives but also to the benefit of any independant Contractor performing services to the goods."
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Die Klausel geht zurück auf den Streitfall Adler v. Dickson, (1954) 2 Lloyd's Rep. 267, wo eine Frau Adler als Passagierin des MS „Himalaya" an Land gegangen war. Bei ihrer Rückkehr stürzte die Gangway auf die Pier. Die dabei verletzte Frau Adler verklagte nicht nur die Reederei, sondern auch den Kapitän und den Bootsmann auf Schadensersatz. Der Reeder hatte zwar für sich einen Haftungsausschluß vorgesehen, nicht aber für seine Angestellten. Das Gericht verurteilte Kapitän und Bootsmann aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung. In die (noch nicht in Kraft getretenen) sog. Visby-Rules (Erneuerung der Haager Regeln) ist in Art. IV bis eine der Himalaya-Klausel ähnelnde Bestimmung eingefügt worden, nach der „a servant or agent of the carrier (such servant or agent not being an independent contractor)" sich auf die Haftungsbeschränkungen berufen kann, die dem Verfrachter nach den HR zustehen. Doch soll das nicht gelten, „if it is proved that the damage resulted from an act or omission of the servant or agent done with intent to cause damage or recklessly and with knowledge that damage would probably result". Nach § 487 Abs. 1 Nr. 2 H G B kommen die Leute des Reeders und des Charterers in den G e n u ß der gleichen Haftungsbeschränkungsmöglichkeit, wie diese und die sich aus den §§ 486 bis 487 d ergeben. Doch gilt das nur für die Rechte derjenigen Staaten, die das Reederhaftungsübereinkommen von 1957 übernommen haben und auch in diesen gilt es nicht für Haftungsbeschränkungen, die sich aus den Haager Regeln und den diesbezüglichen Bestimmungen des nationalen Seefrachtrechts ergeben. Bis zum Inkrafttreten der Visby-Rules (und einer entsprechenden Bestimmung in einem etwaigen Abkommen über die beschränkte Haftung beim Passagevertrag hat die Himalaya-Klausel noch die Bedeutung, daß sie die gesetzlichen und vereinbarten Beschränkungen der Verfrachterhaftung und die vereinbarten Beschränkungen beim Passagevertrag auf die Leute erstreckt. Vgl. Puttfarken, Hansa 1976 890
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S. 362; siehe auch OLG Hamburg Hansa 1976 S. 360 = VersR 1975 S. 801 = M D R 1975 S. 406 (Auszug). Soweit durch die Himalaya-Klausel die Haftung der Leute des Verfrachters oder Reeders ausgeschlossen ist, kann sich hierauf auch der Kapitän berufen, wenn er in dieser Eigenschaft fahrlässig Schaden zufügt (OLG Hamburg VersR 1975 S. 801 = Hansa 1976 S. 362). Das gilt auch gegenüber Ansprüchen an den Kapitän nach §§511 ff. H G B (Puttfarken, a. a. O.). Es trifft auch zu für den Fall, daß den Kapitän grobes Verschulden trifft (siehe § 511 H G B Anm. 13). 3. Zu beachten ist, daß die in das Konnossement oder in die Chartepartie aufgenommene 6 3 Enthaftungsklausel nur insoweit wirksam werden kann, wie der Anspruchsberechtigte durch das Konnossement oder die Chartepartie gebunden ist. Ist sie in einem Konnossement enthalten, so ist sie für das Verhältnis zwischen Befrachter und Verfrachter nur dann wirksam, wenn sie vor Abschluß des Frachtvertrages auch diesem zugrunde gelegt wurde. Das kann allerdings bei einem Stückgütervertrag regelmäßig angenommen werden. Vgl. dazu Vorbem. vor § 642 H G B Anm. 11. Sind dann Befrachter und Eigentümer der Güter identisch, so umfaßt die Klausel auch die allgemeinen deliktischen Ansprüche, die dem Befrachter als Ladungseigentümer zustehen. Das muß schon deshalb angenommen werden, weil außer dem Kapitän die Besatzung in der Regel überhaupt nur aus den allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen haftet und sonst der Verzicht auf die Ersatzansprüche keinen Sinn hätte. Soweit aber der „owner" (vgl. auch B G H Z 6, 127) eine vom Befrachter, Ablader oder Empfänger verschiedene Person ist, ist er, wenn nicht in Vollmacht für ihn gehandelt sein sollte, nicht betroffen, weil es einen Vertrag zu Lasten Dritter im deutschen Recht nicht gibt. Für den Ablader, der nicht legitimierter Konnossementsinhaber ist, gilt das gleiche wie für den Befrachter. Stets bindend ist die Haftungsbefreiungsklausel gegenüber dem legitimierten Konnossementsinhaber (§ 656 HGB). Gegenüber einem Ladungseigentümer, der weder Befrachter noch Ablader oder Konnossementsinhaber ist, wird im allgemeinen anzunehmen sein, daß er weder direkt noch indirekt an den Konnossementsinhalt und damit insbesondere auch nicht an den Haftungsausschluß der Besatzungsmitglieder gebunden ist, so daß die ihm aus unerlaubter Handlung gegenüber den Besatzungsmitgliedern zustehenden Ansprüche von Bestand Mieben. Doch ist die Sachlage im Einzelfall zweifelhaft. Ist nämlich der Eigentümer der Auftraggeber des Spediteur-Befrachters oder Spediteur-Empfängers, so erhebt sich die wohl im bejahenden Sinne zu beantwortende Frage, ob der Eigentümer dann nicht auch hinsichtlich deliktischer Ansprüche an Konnossementsbedingungen gebunden ist, die ihm gegenüber zwar nicht Vertragsbestandteil sind, denen er aber üblicherweise zugestimmt haben würde, wenn er den Vertrag selbst geschlossen hätte. Die Geltendmachung deliktischer Ansprüche könnte jedenfalls in vielen Fällen gegen Treu und Glauben verstoßen. Vgl. auch Anm. 28 zu § 485 HGB. Ist die Klausel in die Chartepartie aufgenommen, so wirkt sie unmittelbar nur gegen den 6 4 Charterer als Vertragspartei des Vercharterers (vgl. § 557 HGB Anm. 7; Vorbemerkung zu den §§ 692 — 657 Anm. 12). Handelt der Charterer für einen dritten Eigentümer, z. B. als Spediteur, so wird auch hier anzunehmen sein, daß der Eigentümer auch hinsichtlich deliktischer Ansprüche den Beschränkungen unterworfen ist, die er auf sich genommen hätte, wenn er den Vertrag selbst abgeschlossen hätte. Fraglich ist, ob der Empfänger, wenn kein Konnossement ausgestellt ist, in den Haftungsverzicht eingeschlossen ist. Soweit er Rechte auf Grund des Frachtvertrages geltend macht, ist das zu bejahen. Dagegen kann nicht angenommen werden, daß er durch die Annahme des Gutes außervertragliche — etwa ihm aus Eigentumsverletzung zustehende — Rechte aufgeben will. Eine dem § 656 H G B entsprechende gesetzliche Regelung fehlt hierfür. 4. Die Klausel beinhaltet regelmäßig einen Haftungsausschluß zugunsten der „agents" und 6 5 „servants" des „carriers". Dabei ist f ü r diese Begriffe von der Bedeutung auszugehen, die ihnen die HR zulegen. Demnach ist nach Art. 1 HR unter carrier der Schiffseigentümer oder der Charterer, der mit dem Befrachter einen Frachtvertrag eingeht, zu verstehen, also Reeder und Charterer-Verfrachter. Der Begriff „agents and servants" entspricht den in Art. 4 § 3 HR ver891
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wandten und in der amtlichen deutschen Ubersetzung mit „seinen Agenten oder in seinem Dienst stehenden Personen" übertragenen Begriffen. Bei der Einarbeitung in das H G B hat der Gesetzgeber die Ausdrücke mit „Leute" übersetzt und die Schiffsbesatzung dabei besonders erwähnt (vgl. § 607 Abs. 1 HGB). Fraglich könnte sein, ob auch die nach Zeichnung des Konnossements oder der Chartepartie noch nachträglich in die Dienste des Reeders oder Verfrachters aufgenommenen Leute der Schiffsbesatzung in den G e n u ß der Freizeichnung kommen sollen. Das wird nach dem Willen der Parteien als zutreffend anzusehen sein. Die Klausel schließt, da in ihr vom Grad des Verschuldens gar keine Rede ist, ihrem Wortlaut nach jede Schadensverursachung, also auch die vorsätzliche, mit ein. In einigen Klauseln wird auch die eigene Haftung zugunsten selbständiger Unternehmer und deren Erfüllungsgehilfen ausgeschlossen, die der Verfrachter oder Reeder vorübergehend in Anspruch nimmt und die in der Regel seine Erfüllungsgehilfen sind, etwa selbständige Stauer, Schlepper, Lagerhalter. Während Prüssmann, § 663 D 3, sich positiv zu derartigen Ausdehnungen der Freizeichnung durch die Himalaya-Klausel äußert, betrachtet Puttfarken, Hansa 1976 S. 302 Anm. 3, sie wohl zutreffend kritisch. Nach US Court of Appeals, Fairplay 1976 v. 20. 5. 1976 S. 41, ist ein Bewachungsunternehmen, das ein selbständiger Stauer für die Überwachung auf der Pier bestellt hat, nicht „used or employed by the carrier for the purpose of or in connection with the Performance of any carrier's Obligation", also auf ihn bezieht sich die Haftungsbefreiung nicht. 66
5. Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung des Zustandekommens der Himalaya-Klausel gilt folgendes: a) Es ist möglich, daß der Verfrachter beim Zustandekommen der Enthaftungsklausel als Vertreter der Leute und der sonst genannten Personen auftritt. Zwar erscheint er nach dem Wortlaut der Klausel nicht ausdrücklich als Vertreter der Leute. Eine Vertretung wäre jedoch auch dann möglich, wenn der Verfrachter oder Reeder, ohne daß eine entsprechende Bestimmung im Konnossement enthalten ist, erkennbar als Vertreter der Leute handeln würde. Bei den Umständen, unter denen die Konnossementsausstellung erfolgt, ist es allerdings fraglich, ob sich aus ihr etwas über den Willen des Verfrachters, als Stellvertreter aufzutreten, entnehmen läßt. Ein Indiz dafür ist zwar, daß die Freizeichnungsklausel vor allem den Leuten zugute kommt. Jedoch handelt der Verfrachter durchaus nicht immer uneigennützig, wenn er die Klausel in sein Konnossementsformular aufnimmt, da er damit jedenfalls gleichzeitig seine eigene moralische und unter Umständen sogar rechtliche Pflicht zur Freistellung der Leute von Schadensersatzpflichten erfüllt (siehe auch oben Anm. 60). Gleichwohl ist die Annahme einer Vertretung durchaus möglich: Handelt der Verfrachter bei Abschluß des Enthaftungsvertrages als Vertreter der Leute oder sonst genannten Personen, so bedarf es der Erteilung der Vollmacht durch jede einzelne dieser Personen. Ist der Verfrachter im Augenblick der Zeichnung der Konnossemente Arbeitgeber der betreffenden Person — was z. B. dann nicht der Fall ist, wenn der Verfrachter das Schiff mit Besatzung gechartert hat oder wenn das Besatzungsmitglied erst später eingestellt wird —, dann könnte im Abschluß des Arbeitsvertrages eine Bevollmächtigung des Verfrachters zum Abschluß eines Enthaftungsvertrages gesehen werden. Diese Konstruktion ist aber deshalb sehr fraglich, weil den Leuten — vielleicht mit Ausnahme des Kapitäns und der Schiffsoffiziere — in der Regel von dem Inhalt des Konnossements und damit von der Freizeichnungsklausel nichts bekannt sein wird. Mangels einer solchen Kenntnis wird man eine stillschweigende Bevollmächtigung kaum annehmen können. Auch der Gesichtspunkt, daß der Enthaftungsvertrag den zu schützenden Leuten nur Vorteil bringe, kann die Bevollmächtigung nicht überflüssig machen. Ausgeschlossen ist eine Bevollmächtigung des Verfrachters dann, wenn dieser nicht Arbeitgeber ist und es an jeder Gelegenheit zur Erteilung der Vollmacht fehlt. Gleiches gilt für solche Leute, die erst nach der Zeichnung des Konnossements oder der Chartepartie eingestellt werden. Daher kann in diesem Fall nur eine Vertretung ohne Vertretungsmacht in Frage kommen. Hierbei schadet weder die Kenntnis der Parteien vom Mangel der Vertretungsmacht noch die Tatsache, daß unter Umständen noch gar nicht feststeht, welche Personen vertreten werden sollen. Nach §§ 177, 182, 184 BGB können daher die Leute, wenn es an einer Bevollmächtigung des Verfrachters fehlt, den Haftungsausschlußvertrag noch nachträglich genehmigen. Die Genehmigung wird stets noch im Sichberufen auf die Klausel gesehen werden können, gegebenenfalls 892
Zulässige Freizeichnungen
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sogar noch im Prozeß. Die Genehmigung ist nicht an eine Frist gebunden. Auch der Widerruf nach § 178 BGB wird dem Ladungsbeteiligten in der Regel nicht möglich sein, da er stets wissen wird, daß der Verfrachter insoweit ohne Vertretungsmacht handelt. Von Seiten des Verfrachters bzw. der zu schützenden Leute könnte also der Enthaftungsvertrag als auf Grund von Stellvertretung mit oder ohne Vertretungsmacht wirksam angesehen werden. b) Hat der Verfrachter bei Abschluß des Frachtvertrages bzw. bei Zeichnung der Konnosse- 6 7 mente oder der Chartepartie auch hinsichtlich der Freizeichnungsklausel nicht als Vertreter der Leute, sondern im eigenen Namen gehandelt, so kann in der Vereinbarung der Freizeichnung ein Vertrag zugunsten Dritter, also der Leute, gesehen werden (vgl. BGH VersR 1960 S. 720 = Hansa 1960 S. 2261 = MDR 1960 S. 907, BGH VersR 1962 S. 141 = MDR 1962 S. 207 = NJW 1962 S. 388), OLG Hamburg VersR 1975 S. 801 = Hansa 1976 S. 360: analog § 328 BGB). Es handelt sich um einen Verzicht des Gläubigers zugunsten der Leute, künftige Ansprüche gegen sie geltend zu machen. Ein solcher Verzicht zugunsten Dritter wird jedoch, wie ein Erlaß und ein Vergleich, keine unmittelbare, die Entstehung der Schuld hindernde Wirkung haben, weil § 328 BGB auf das Versprechen einer Leistung beschränkt ist und auf schuldrechtliche Verfügungsgeschäfte nicht angewandt werden kann (vgl. RGZ 124, 325; 127, 128; 148, 257). Es steht aber nichts im Wege, den Vertrag analog § 328 BGB in ein pactum de non petendo umzudeuten, also einen Vertrag, durch den sich bei der hier zu behandelnden Sachlage der Ladungsbeteiligte verpflichtet, keine Ersatzansprüche gegen den Dritten, d. h. das Besatzungsmitglied geltend zu machen (RGZ 127, 128; 148; 262f.; BGH VersR 1960 S. 729; OLG Hamburg Hansa 1970 S. 517; Prüssmann, § 663 D 2). Verklagte der Ladungsbeteiligte das Besatzungsmitglied trotzdem, so kann dieses im Prozeß sich auf den Vertrag berufen. Anders das englische Recht. In diesem kann der Schädiger seine Haftung aus unerlaubter Handlung gegenüber dem Geschädigten nicht auf Grund eines Vertrages zwischen diesem und einem Dritten beschränken, an dem er selbst nicht beteiligt ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gibt es nur, wenn eine an dem Vertrag beteiligte Partei diesen erwiesenermaßen nur als Vertreter eines nicht genannten Auftraggebers abgeschlossen hat (Court of Appeal i. S. Midland Silicones Ltd. v. Scruttons Ltd. LL v. 3. 6. 1960 = Hansa 1960 S. 1850). Siehe Näheres bei Zeller, a. a. O. S. 123 ff. 6. Voraussetzung für eine Haftungsbefreiung nach der Himalaya-Klausel ist stets, daß-auch 6 8 der Verfrachter für den eingetretenen Schaden nicht haftet, weil dieser nach der Klausel wirksam entlastet sein muß (OLG Hamburg VersR 1975 S. 801 = Hansa 1976 S. 360). Im übrigen ist durch die Klausel ein Haftungsausschluß für Vorsatz nach § 276 Abs. 2 BGB nicht möglich. Da es sich in der Klausel um einen Haftungsausschluß für eigenes Verschulden des Haftenden handelt, wird § 276 Abs. 2 durch § 278 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen. Nur in dem Falle der Haftung des Kapitäns nach §§511 ff. HGB, 278 BGB für seine Gehilfen (vgl. Anm. 8 zu § 511 HGB) kann dessen Haftung auch für deren Vorsatz ausgeschlossen werden. In allen anderen Fällen der Haftung der Besatzung ist eine Freizeichnung für Vorsatz nicht zulässig. Siehe für den Kapitän auch § 511 Anm. 13. VI. Sind, wenn keine die eigene Haftung der Besatzungsmitglieder ausschließenden Klau- 6 9 sein vereinbart sind, auf den Kapitän und die anderen Besatzungsmitglieder die haftungsausschließenden und -beschränkenden Vorschriften der Haager Regeln anzuwenden? Die meisten der Änderungen, die das die HR in das deutsche Recht einführende SFrG mit sich brachte, betrafen den das Frachtgeschäft behandelnden vierten Abschnitt des vierten Buches des HGB. Der vierte Abschnitt regelt deshalb nur die Frage, wie sich ein Verschulden eines Besatzungsmitglieds auf das Rechtsverhältnis des Verfrachters zu den Ladungsbeteiligten auswirkt. Auch außerhalb des vierten Abschnitts hat das SFrG keine direkte Änderung des vierten Buches des H G B gebracht, die die eigene Haftung des Besatzungsmitglieds betrifft. Der zweite Satz des § 485 HGB befaßt sich nur mit der Haftung des Reeders. Insbesondere sind durch das SFrG auch nicht die die Haftung des Kapitäns betreffenden §§511 ff. H G B geändert worden. Die Änderungen des SFrG haben deshalb eine direkte Einwirkung auf die Haftung der Besatzungsangehörigen nicht gehabt. Anders Art. 6 Abs. 2 und 3 des Internationalen Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen, Brüssel 1957, und dazu § 487 Abs. 1 Ziff. 2 HGB. Anders auch die zur Reform der Haager Regeln 1968 beschlos893
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senen, aber noch nicht in Kraft getretenen sog. Visby-Rules, die in die Haager Regeln einen neuen Art. IV einfügen, nach welchem ein servant or agent of the carrier (such servant or agent not being an independent contractor) sich in einem gegen ihn angestrengten Haftungsprozeß auf die Haftungsbeschränkungen berufen kann, die dem Verfrachter nach Maßgabe der Haager Regeln zustehen. Siehe dazu auch oben A n m . 62. — Für das anglo-amerikanische Recht gibt Götz, Das Seefrachtrecht der H R nach anglo-amerikanischer Praxis, 1960 S. 73, einen Überblick über H a f t u n g selbständiger und unselbständiger Verfrachtergehilfen im Rahm e n der HR. Anhang III zum Vierten Abschnitt Das Internationale Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konnossemente (sog. Haager Regeln) vom 25. August 1924 A. Vorbemerkung Schrifttum: Albrecht, Freizeichnungsklauseln im Seefrachtrecht nach A u f n a h m e der Haager Regeln in das Handelsgesetzbuch, Hansa 1950 S. 1630ff.; Argan, Considerazioni sul limite legale del debito per risarcimento del vettore marittimo, Il Diritto Marittimo 1955 S. 177 ff.; Astle, Shipowners' Cargo Liabilities and Immunities, 2. Aufl. 1954; Aubun, Les transports de marchandises par mer, Paris 1938; Audouin, De la responsabilité de l'armateur pour innavigabilité du navire au départ, Revue Dor Bd. 7 S. 1 ff.; Auletta, Limitazione de responsabilità del vettore marittimo, Rivista del diritto della navigazione 1952 I S . 180 ff. ; Baumont, Comparison of American legislation and the International Convention for the Unification of certain rules relating to bills of Lading, Washington 1928; Behm, Zur Ladungshaftung des Reeders, Hansa 1951 S. 364 ff. ; Berlingieri, La polizza di carico e la convenzione internationale di Bruxelles, 25 agosto 1924, 1932; Berlingieri jun.. La convenzione di Bruxelles sulla polizza di carico ed il codice della navigazione, Il Diritto Marittimo 1952 S. 489ff.; ders., I concetti di „package" e „unit" della convenzione di Bruxelles e di „unità di carico" dell art. 423 cod. nav., Il Diritto Marittimo, 1952 S. 3 ff. ; Bisschop, Rapport sur les clauses d'exonération dans les connaissements, CMI-Bulletin Nr. 57 S. 159ff.; v. Bladel, Connaissements et règles de la Haye, 1929; Blomeyer, Die H a f t u n g des Seeverfrachters aus § 608 I Ziff. 7 HGB, Hansa 1957 S. 1810ff. ; Boyens, Gesetzlicher Schutz der Ansprüche aus Konnossementen, Z H R Bd. 86 S. 449ff.; Brajkovic, Les principes fondamentaux de la loi sur les contrats relatifs à l'utilisation des navires de mer, Le Nouveau Droit Yougoslave, Bd. 10, 1959, S. 3 0 f f . ; Brunetti, Legge internazionale e responsabilità degli armatori, Rivista del Diritto della Navigazione 1940 I S. 254ff.; Capelle, Die Frachtcharter in rechtsvergleichender Darstellung, Überseestudien Heft 17, 1940; ders., Z u r Revision der Haager Regeln, Festschrift für Möller, 1972 S. 155ff.; Carver, S. 190ff.; Chauveau, Traité de droit maritime, 1958; Chorley and Giles, 6. Aufl. 1970; Choteau, Les effets de l'adoption contractuelle des Regies de la Haye, Revue Dor Bd. 19 S. 18 ff. ; Cigoy, Jugoslavische Kollisionsregeln des Seefrachtvertrages, Osteuropa-Recht, 1960 Heft 2 / 3 S. 97 ff. ; Cleveringa, Zeerecht, 4. Aufl. 1961; Cole, T h e Hague Rules explained, being the Carriage of Goods by Sea Act, with introduction, notes and appendices, London 1924; Devlin, The English Rules on choice of law with reference to maritime contracts (charterparties and bill of lading), Göteborg 1952; Deloukas, Die Haftung des Verfrachters aus schuldhafter Unrichtigkeit des Konnossements nach deutschem, englischem und amerikanischem Recht, Überseestudien H e f t 16, 1940; Dimini, Onere della prova in caso di incendio della merce trasportata, Rivista del diritto della navigazione 1958 II S. 217 ff. ; Dor, Bill of lading clauses and the Brussels international convention of 1924 (Hague Rules), 1956; Dreyer, Paramount-Klauseln in Charterpartien, Monthley Circular der BIMCO, 1970 S. 8207; Dubosc, De la loi appicable au contrat de transport maritime, D M F 1951 S. 211 ff. ; Dymling, Haagreglerna og kyltransporter, Schriften der Handelshochschule Göteborg 1969, 4 ; Ehlers, Die Ü b e r n a h m e der Haager Regeln in das deutsche Seefrachtrecht, Hansa 1937 S. 1588ff.; ders.. Die Haager Regeln und das deut894
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Die Haager Regeln
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Wollny, Die Verantwortlichkeit des Verfrachters aus dem Seefrachtvertrag für das Verschulden seiner Helfer mit einem Überblick über die Lösungen im ausländischen Recht, 1965; Wüstendörfer, SHR 24 f., 28, 30, 31, 266f., 272, 336; ders., Zur Haftung für Feuerschäden an Bord von Seehandelsschiffen nach den Haager Regeln, MDR 1949 S. 450ff.; ders., The Hague Rules 1922, 1923; ders., Leistungen und Grenzen der internationalen Vereinheitlichung des Seehandelsrechts, MDR 1951 S. 449 ff.; ders., Studien zur modernen Entwicklung des Seefrachtvertrages, Bd. I, 1905 bis 1909; ders., Gutachten über die Verschlechterung der Rechtslage der Reeder durch die Haager Regeln, Hansa 1928 S. 893, 929, 1046; ders.. Der Schutzzweck der Haager Regeln und das Einheitskonnossement, HansRGZ 1943 S. 49 ff.; Yiannopoulos, Negligence Clauses in Ocean Bills of Lading, Louisiana State University Press, 1962; Zeller, Die Umgehung der Haager Regeln durch die Ladungsbeteiligten und die Himalaya-Klausel, Diss. Hamburg 1965; Züger, Die Haager Regeln über Konnossemente und das rechtliche Schicksal der Ware während der Seetransportes, Freiburg/Schweiz 1953. 1. Das Internationale Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konnosse- 1 mente vom 25. 8. 1924, bekannter unter der Bezeichnung als „Hague Rules" oder „Haager-Regeln" (deshalb wird auch in diesem Kommentar für das Konnossementsabkommen die Abkürzung HR gebraucht), weil ein Entwurf 1921 von der Internationalen Law Association im Haag aufgestellt war, der dann in leicht veränderter Form zum Abkommensinhalt wurde, hatte seine Entstehungs-Ursache in fast zur Regel gewordenen übermäßigen Freizeichnungsklauseln in Konnossementen. Deshalb werden durch die Haager Regeln die Freizeichnungsmöglichkeiten in Konnossementen beschränkt und im Falle der Ausstellung eines solchen grundsätzlich dem Verfrachter eine zwingende Mindesthaftung auferlegt. Insbesondere können die Verpflichtungen des Verfrachters aus anfänglicher See- und Ladungsuntüchtigkeit und die Haftung für das sog. kommerzielle Verschulden im voraus nicht ausgeschlossen werden. Dagegen haftet der Verfrachter nach dem Abkommensinhalt nicht für das sog. nautische Verschulden. Doch genügt die Tatsache der Konnossementsausstellung allein nur beim Stückgütervertrag, um den erwähnten Haftungsausschluß unzulässig zu machen. Beim Raumfrachtvertrag muß noch hinzukommen, daß das Konnossement an einen Dritten (Indossatar, Empfänger) gegeben wird. Dem entspricht es, daß die zwingende Mindesthaftung auf Chartepartien keine Anwendung findet. Man glaubte bei der Abfassung der Haager Regeln, daß der Raumbefrachter eines besonderen Schutzes nicht bedürftig sei. Die zwingende Mindesthaftung kommt also insbesondere auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Charterer als Importeur zugleich der Empfänger ist. — Die Haager Regeln stellen also keineswegs eine erschöpfende Behandlung des Seefrachtvertrages dar. 2. Die Entwicklung, die schließlich zu dem Brüsseler Konnossementsabkommen von 1924 2 führte, hat ihren Ursprung in dem us-amerikanischen Harter Act von 1893, der als Gegengewicht gegen die Macht der britischen Reeder gedacht war (die USA verfügten damals über eine nennenswerte Überseeschiffahrt unter ihrer Flagge nicht) und der als erstes Gesetz die gesetzliche Verfrachterhaftung bei verschuldeter anfänglicher Seeuntüchtigkeit und bei kommerziellem Verschulden einführte. Es folgten entsprechende Gesetze in anderen überseeischen Exportländern ohne ins Gewicht fallende eigene Schiffahrt, so 1904 in Australien, 1906 für die Fidschi-Inseln, 1908 in Neuseeland, 1910 in Kanada. Auch in den traditionellen europäischen Schiffahrtsländern machten sich vor dem ersten Weltkriege starke Bestrebungen nach einer Änderung der Konnossementsbedingungen bemerkbar (vgl. für Deutschland dazu z.B. Wüstendörfer, Studien 1 S. 381, 387; Städter, Geschichte der Konnossementsklauseln S. 27 ff.), vermochten sich jedoch gegen den Widerstand der Reeder nicht durchzusetzen. So gelang es vor dem ersten Weltkrieg nicht, einen tragbaren Ausgleich zwischen den sich wider-, streitenden Interessen zu ermöglichen. Vgl. über diese vornehmlich auch Markianos, a. a. O. S. 6. Erst die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse nach dem Ende des ersten Weltkrieges (starke Vergrößerung der Welthandelsflotte ohne entsprechende Vermehrung des Welthandels, erhebliche Beeinträchtigung der vor dem Kriege vorhanden gewesenen starken Stellung Großbritanniens als Gläubigerland) führten zu neuen Bemühungen um einen Ausgleich. Im August 1921 trat in Den Haag eine Konferenz der International Law Association zusam897
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
men. Schon eingangs wurde darauf hingewiesen, daß auf dieser Konferenz, auf der englische Rechts- und Wirtschaftsauffassungen sehr im Vordergrund standen, die wesentliche Grundlage zu dem heutigen Konnossementsabkommen gelegt wurde, entsprechend dem erwähnten starken englischen Einfluß mit starker Berücksichtigung des englischen Rechts. Mit nur unwesentlichen Änderungen des Textes wurden diese „Haager Regeln" dann am 25. 8. 1924 Inhalt des dort gezeichneten Internationalen Abkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konnossemente. Vgl. über die Geschichte des Konnossementsabkommens im einzelnen etwa Sieveking, Internationale Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Seefrachtrechts, H a n s R G Z 1921, 945; Gramm, a . a . O . S. 73ff.; Möller, Umbruch des Seefrachtrechts. H a n s R G Z 1937, 406f.: Städter, Konnossementsklauseln S. 54ff.; Wüstendörfer, SHR 31. Siehe auch International Law Association Report of the 30th Conference (30. 8 . - 3 . 9. 1921), Volume II (proceedings of the Maritime Law Commitee), London 1922. Es ist falsch, die Haager Regeln als einseitig verfrachterfeindlich anzusehen, wie es gelegentlich geschieht, besonders auch, weil sie zugunsten des Verfrachters die Nichthaftung für nautisches Verschulden vorsehen. Das ist besonders im us-amerikanischen Rechtskreis für ihn vorteilhaft, weil die dortigen Gerichte leicht geneigt sind, gesetzlich nicht vorgesehenen Freizeichnungsklauseln die Wirksamkeit zu versagen. Vgl. Götz, Seefrachtrecht S. 17. Bei der Auslegung der Haager Regeln, sei es in der ursprünglichen Form, sei es in der Form, in der sie in einem Mitgliedstaat eingeführt sind (vgl. dazu unten Anm. 4), muß nach Möglichkeit der Internationalität der Bestimmungen Rechnung getragen werden. Siehe für das englische Recht etwa High Court of Justice in Sachen Stag Line Ltd. v. Foscolo Mango & Co. Ltd., 1932, The Law Reports (Third Series) Appeal Cases 328: „Da diese Regeln auch von ausländischen Gerichten angewandt werden, ist im Interesse einer einheitlichen Handhabung anzustreben, daß ihre Auslegung nicht starr an älteren innerstaatlichen Vorentscheidungen ausgerichtet wird; für die Begriffe der Regeln sollten vielmehr weite und allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze maßgebend sein." Das schließt nicht aus, daß auch im Bereich des anglo-amerikanischen Rechts vielfach zur Auslegung der H R auf ältere Urteile zurückgegriffen wird, namentlich in denjenigen Staaten, in deren Gesetzgebung sich Vorläufer der HR fanden (vgl. dazu oben). Vgl. etwa brit. High Court of Justice i. S. Gosse Miller Ltd. v. Canadian Government Merchant Marine Ltd., 1929, The Law Reports (Third Series) Appeal Cases 223. Überhaupt ist zu beachten, daß die Gerichtspraxis zu den HR international weitgehend auf der Rechtsprechung der Gerichte der USA beruht. 3
3. a) Ursprüngliche Zeichnungsstaaten des Abkommens sind: Belgien, Chile, Deutschland, Estland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Jugoslavien, Polen, Rumänien, Spanien, Ungarn, Vereinigte Staaten von Amerika. Die in der Präambel des Abkommens ebenfalls als Vertragsstaaten genannten Staaten Argentinien, Kuba, Lettland, Mexiko, Peru und Uruguay haben das Abkommen nicht gezeichnet.
b) Staaten mit Protektoraten, Kolonien oder sonstigen überseeischen Gebieten hatten nach Art. 13 des Abkommens die Möglichkeit, für das Mutterland und für jedes der genannten Gebiete getrennt zu ratifizieren. Hiervon haben Belgien, Frankreich, Großbritannien und Portugal Gebrauch gemacht, dagegen nicht die USA und die Niederlande. Für die meisten der damaligen britischen Protektorate und Kolonien sind besondere Ratifikationen erfolgt. Die in u n d für die früheren überseeischen Besitzungen erlassenen Gesetze gelten in den Nachfolgestaaten fort, soweit diese dem Übereinkommen nicht gesondert beigetreten sind. 4 c) Dem Abkommen gehörten am 31. 12. 1975 folgende Staaten durch Ratifikation oder Beitritt an (das Datum in der Klammer gibt den Tag des völkerrechtlichen Inkrafttretens des Abkommens für den betr. Staat an): Aden (2.6.1931), Ägypten (29.5.1944), Algerien (13. 10. 1964), Antigua (12. 6. 1931), Argentinien (19. 10. 1961), Ascension (3. 5. 1932), Australien, einschließlich Nauru, Neuguinea, Norfolk-Inseln und Papua (4. 1. 1956), Bahamas (2.6. 1931), Barbados (2.6. 1931), Belgien (2.6. 1931), Bermuda (2.6. 1931), Brit. Guayana (2. 6. 1931), Brit. Honduras (2. 6. 1931), Brit. Salomon-Inseln (2. 6. 1931), Ceylon (Sri Lanka, 2. 6. 1931), Dänemark (1.1. 1939), Deutschland (1.1. 1940), Dominica (2. 6. 1931), Elfenbeinküste (15.6.1962), Falkland-Inseln (2.6.1931), Fidschi-Inseln (2.6.1931), Finnland (1.1.1940), Frankreich (4.7.1937), Gambia (2.6.1931), Ghana (2.6.1931), Gibraltar 898
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(2.6.1931), Gilbert u. Ellice-Inseln (2.6.1931), Grenada (2.6.1931), Großbritannien (2.6. 1931), Honduras, Hongkong (2.6. 1931), Iran (26. 10. 1966), Irland (30. 7. 1962), Israel (5.3.1960), Italien (7.4.1939), Ivory Coast (15.12.1961), Jamaika (2.6.1931), Japan (1.1.1958), Jugoslavien (17.4.1959), Kenya (2.6.1931), Kuwait (8.6.1969), Malaya (2. 6. 1931), Malgalche, Montserrat (2. 6. 1931), Niederlande, wohl auch für Surinam und Curacao (18. 2. 1957), Nigeria (2. 6. 1931), Nordborneo (2. 6. 1931), Norwegen (I. 1. 1939), Paraguay, Peru (29. 4. 1965), Portugal (24. 6. 1932), frühere portugiesische überseeische Besitzungen (2.8. 1952), Rumänien (4.2. 1938), St. Christopher u. Nevis (2.6. 1931), St. Helena (3.5.1932), St. Lucia (2.6.1931), St. Vincent (2.6.1931), Sansibar (2.6.1931), Sarawak (3. 5. 1932), Schweden (1. 1. 1939), Schweiz (28. 11. 1954), Seychellen (2. 6. 1931), Sierra Leone (2.6. 1931), Singapur (2.6. 1931), Somaliland (2.6. 1931), Spanien (2.6. 1931), Tanganjika (9. 12. 1963), Tonga (2. 6. 1931), Trinidad u. Tobago (2. 6. 1931), Türkei (4. 1. 1956), Ungarn (2. 6. 1931), Vereinigte Staaten von Amerika (29. 12. 1937), Virgin Islands (2. 6. 1931), Zypern (2. 6. 1931), Zaire (17. 1. 1968). d) Gegenüber folgenden Staaten, die das Abkommen vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges 5 ratifiziert hatten, ist im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich die Wiederanwendung des Abkommens festgelegt worden: Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (Bek. vom 13. 3. 1953; BGBl. II S. 116), Ägypten, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Norwegen und Vereinigte Staaten von Amerika (BGBl. 1954 II S. 1043). e) Gemäß Art. 14 des Abkommens sollte dieses für die Staaten, die an der ersten Hinterle- 6 gung von Ratifikationsurkunden teilnehmen würden, ein Jahr nach dem Tage wirksam werden, an dem das Hinterlegungsprotokoll von der belgischen Regierung aufgenommen worden wäre. Für jeden später ratifizierenden Staat sollte die Wirksamkeit sechs Monate nach dem Tage der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde bei der belgischen Regierung eintreten. f) Nach der Verfassung jedes einzelnen Staates entscheidet sich grundsätzlich und regelmä- 7 ßig, ob ein Staatsvertrag, um zum Bestandteil der Rechtsordnung eines ratifzierenden Staates zu werden, außer der Ratifikation noch eines besonderen Gesetzes in diesem Staat bedarf. Für die meisten Staaten ist diese Frage zu bejahen (vgl. dazu im einzelnen die Angaben bei Markianos, a. a. O. S. 52 f. mit weiteren Nachweisen). Mit Recht ist indessen hervorgehoben worden, daß für das Konnossementsabkommen die Lage insofern eine besondere ist, als es jedenfalls immer erst durch einen besonderen gesetzgeberischen Akt in den einzelnen ratifizierenden Staaten zum innerstaatlichen Recht wird, und zwar auch in denjenigen Staaten, deren Verfassungen bestimmen, daß ordnungsgemäß abgeschlossene und ratifizierte Staatsverträge automatisch Gesetzeswirkung haben sollen (vgl. Knauth, a. a. O. S. 153 f.; Markianos, a. a. O. S. 53; a. A. anscheinend Hosner, a. a. O. S. 12). Im Zeichnungsprotokoll des Abkommens heißt es nämlich: „Die hohen vertragschließenden Staaten können dieses Abkommen dadurch wirksam machen, daß sie ihm entweder Gesetzeskraft beilegen, oder daß sie die in diesem Abkommen angenommenen Regeln in das autonome Landesrecht in einer dieser Gesetzgebung angepaßten Form einführen." Es bleibt also ohne ein besonderes Gesetz, in welchem sich der Ratifikationsstaat für die Transformierung in das nationale Recht in der einen oder anderen Form entscheidet, unsicher, welche der beiden möglichen Formen er wählen will. Die bloße Ratifikation hat bei dem Konnossementsabkommen nur die Bedeutung, daß sie den ratifizierenden Staat verpflichtet, den sachlichen Gehalt des Konnossementsabkommens in einer der erwähnten Form durch Gesetzgebung in das nationale Recht einzuführen (Knauth, a. a. O.; Markianos, a. a. O.). Dementsprechend sind derartige Gesetze in folgenden Ratifikationsstaaten des Abkom- 8 mens erlassen (das 1. Datum gibt den Tag des Erlasses des Gesetzes an, das 2. den seines Inkrafttretens): Aden (15. 10. 1941; 15. 10. 1941), Ägypten (31. 3. 1944; 29. 5. 1944), Antigua (24. 2. 1926; 11. 3. 1926), Australien (17. 9. 1924; 1. 1. 1925), Bahamas (22. 3. 1926; 1. 2. 1929), Barbados (15. 3. 1926; 15. 3. 1926), Belgien (28. 11. 1928; 22. 1. 1929; obwohl Belgien für seine damalige Kolonie Kongo das Abkommen nicht ratifiziert hatte, wurde das Gesetz auch für den Kongo für maßgebend erklärt), Bermuda (13. 1. 1926 und Gesetz Nr. 71 von 1930; 13.1.1926); Britisch Guayana (21.5.1927; 13.7.1927), Britisch Honduras (22.9.1926; 1. 1. 1927), brit. Salomon-Inseln (31. 3. 1926; 31. 3. 1926), Ceylon (3. 12. 1926; 1. 6. 1927), Cu899
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racao (13. 3. 1935; die Ratifikation ist erfolgt durch die Niederlande, die einen Vorbehalt f ü r ihre überseeischen Besitzungen nicht gemacht haben), D ä n e m a r k ( 7 . 5 . 1 9 3 7 ; 1.1.1939), Deutschland (10.8. 1937; 1. 1. 1940; für die D D R jetzt 5.2. 1976), Dominica (2.9. 1926; 18. 10. 1926), Falkland-Inseln (16. 11. 1927; 1. 4. 1928), Fidschi-Inseln (2. 6. 1926; 10. 6. 1926), F i n n l a n d ( 9 . 6 . 1939; 1. 1. 1940), Frankreich ( f r ü h e r Gesetz v. 9.4. 1936, jetzt Gesetz v o m 18. 6. 1966 und Dekret vom 31. 12. 1966), G a m b i a (31.5. 1926), G h a n a (13. 3. 1926 als fortgeltendes Gesetz d e r damaligen brit. Kolonie Gold Coast; 1.5. 1926), G i b r a l t a r (26.3. 1926; 2 6 . 3 . 1 9 2 6 ) , Gilbert- u n d Ellice Islands ( 3 1 . 3 . 1 9 2 6 ; 3 1 . 3 . 1 9 2 6 ) , G r e n a d a ( 2 7 . 3 . 1 9 2 6 ; 1. 4. 1026), G r o ß b r i t a n n i e n (1. 8. 1924; 1. 1. 1925), H o n g k o n g (28. 12. 1928; I. 1. 1929), Israel (1. 12. 1926 als fortgeltendes Gesetz aus der Zeit des britischen Mandatsgebiets Palästina; 1. 12. 1926), Italien (in diesem Lande erging zunächst ein unter dem 19. 7. 1929 in ein Gesetz umgewandeltes Dekret vom 6. 1. 1928, nach welchem das K o n n o s s e m e n t s a b k o m m e n an dem Tage seiner völkerrechtlichen Wirksamkeit f ü r Italien — d. i. der 7. 4. 1929 — auch als innerstaatliches Recht gelten sollte. Über die Bedeutung dieser Bestimmung herrschte Streit. Siehe d a r ü b e r im einzelnen Markianos, a. a. O. S. 46, mit den Hinweisen auf das italienische Schriftt u m . Seit dem I n k r a f t t r e t e n des c. nav. am 21. 4. 1942 ist im Hinblick auf dessen Art. 1329 die Fortgeltung des Dekrets vom 6. 1. 1928 zweifelhaft, scheint indessen überwiegend bejaht zu w e r d e n ; so Berlingieri, La convenzione di Bruxelles sulla polizza di carico ed il codice della navigazione, II Diritto Marittimo 1952 S. 499 ff., Malintoppi, Le legge regolatrice della prescrizione della azioni per perdita od avaria della merce, II Diritto M a r i t t i m o 1953 S. 212 ff., aus der Rechtsprechung Kassationshof Rivista del Diritto della Navigazione 1954 II S. 141 und 1955 II S. 139, siehe die weiteren Angaben bei Markianos, a. a. O. S. 47 A n m . 23), Jamaica 3 1 . 3 . 1 9 2 7 ; 3 1 . 3 . 1 9 2 7 ) , Japan ( 1 . 7 . 1 9 5 7 ; 1.1.1958), Jugoslavien (13.6.1959), Kenya (28. 9. 1926; 1. 1. 1927), Malaya (23. 5. 1950; 23. 5. 1950; dieses Gesetz trat an die Stelle der einzelnen HR-Gesetze der Bundesstaaten aus den J a h r e n 1927 und 1928), Mauritus ( 5 . 1 1 . 1 9 2 7 ; 15.2.1929), Montserrat ( 2 0 . 2 . 1 9 2 6 ; 17.4.1926), Niederlande ( 1 5 . 8 . 1 9 5 5 ; 26.8. 1956), Nigeria (1. 1-. 1926; 18.3. 1926), Nordborneo (1.9. 1927; 1. 1. 1928), Norwegen (4. 2. 1938; 1. 1. 1939), Polen (30. 4. 1937; doch ist es m e h r als zweifelhaft, ob an diesem Dat u m nicht n u r die Ratifikationsurkunde im polnischen Gesetzblatt veröffentlicht worden ist; so Markianos, a. a. O. S. 39 mit der Folgerung, daß in Polen damals 'ein besonderes Gesetz, d u r c h welches die H R z u m innerstaatlichen Recht wurden, nicht erlassen worden sei; in Betracht k o m m t jetzt das Seegesetzbuch v. 1. 1. 1961), Portugal (1. 2. 1950; 1. 3. 1950), St. Christopher u n d Nevis ( 2 . 2 . 1 9 2 6 ; 3.3.1926), St. Lucia ( 2 9 . 6 . 1 9 2 6 ; 1.1.1927), St. Vincent (26.5. 1926; 1.6. 1926), Sansibar (15. 1. 1926; 31.3. 1926), Sarawak (1.8. 1931; 1.8. 1931), Schweden (5.6. 1936; 1. 1. 1939), Schweiz (23.9. 1953; 1. 1. 1957), Seyschellen (25.9. 1926; 1.1. 1927), Sierra Leone (10. 4. 1926), Singapur (20. 4. 1927; 1. 10. 1927 als Gesetz f ü r die ehemalige brit. Kolonie Straights Settlements), brit. Somaliland (17. 11. 1926; 17. 11. 1926), Spanien ( 2 2 . 1 2 . 1 9 4 9 ; 24.6.1950), Tanganjika ( 1 . 4 . 1 9 2 7 ; 1.1.1928), Tonga ( 1 2 . 8 . 1 9 2 7 ; 1. 9. 1927), Trinidad u n d Tobago (22. 4. 1926; 1. 1. 1927), T ü r k e i (29. 6. 1956; 1. 2. 1957), Vereinigte Staaten A m e r i k a (16. 4. 1936; 16. 7. 1936 mit W i r k u n g auch f ü r die Panamakanalzone, Alaska, Hawaii, Midway, Wake, G u a m , amer. Samoa, Puerto Rico und den amer. Virgin-Islands), brit. Virgin Islands (1925; 1. 1. 1926), Zypern (2. 2. 1927; 1. 1. 1927 mit geringfügigen Ä n d e r u n g e n d u r c h die VO Nr. 13 von 1927).
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g) Eine ganze Reihe von Staaten hat den Inhalt des Konnossementsabkommens übernommen, ohne dieses formell ratifiziert zu haben. Es sind dies: B u r m a (wie Indien), Cook-Inseln (1946), G r i e c h e n l a n d (26. 2. 1958), die zu G r o ß b r i t a n n i e n gehörenden Inseln G u e r n s e y (28. 6. 1926) u n d Jersey (11. 2. 1926), G u i n e a (2. 4. 1936), Indien (21. 9. 1925), Indonesien (4. 2. 1933), Kan a d a (23. 6. 1936), K o n g o / Z a i r e (sofern die Weitergeltung des belgischen Gesetzes v o m 18. 11. 1928 a n g e n o m m e n werden kann), Libanon (18. 2. 1947), Liberia (18. 12. 1948 mit gewissen Ä n d e r u n g e n d u r c h Gesetz v. 22. 12. 1949), Malta (1954), Neuseeland (25. 1. 1943), Neuf u n d l a n d (30. 4. 1932, a n dessen Stelle nach der Eingliederung N e u f u n d l a n d s in Kanada der dortige Water Carriage of Goods Act, 1936, getreten ist), Pakistan (es gilt das f ü r das damalige gesamte Indien erlassene indische Gesetz vom 25. 9. 1925), Philippinen (22. 10. 1936), Syrien (12. 3. 1950), West-Samoa (1946), Sowjetunion (14. 6. 1929, jetzt 17. 9. 1968), Südafrikanische
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Union (27.6.1951), Tschechoslovakei (27.7.1956), Tunesien (16.4.1943), Vatikanstadt (15. 9. 1951). Soweit von einem Vertragsstaat des Konnossementsabkommens die Rede ist, kommen die in Anm. 9 genannten Staaten nicht in Betracht. Es bleibt allerdings fraglich, ob das auch im Sinne des Art. 2 Ziff. 2 DVOzSFrG zu gelten hat. Doch wird die Frage zu bejahen sein. h) In dem Zeichnungsprotokoll des Abkommens heißt es: „Die Hohen vertragschließenden 1 0 Teile können dieses Abkommen dadurch wirksam machen, daß sie ihm entweder Gesetzeskraft beilegen, oder daß sie die in diesem Abkommen angenommenen Regeln in das autonome Landesrecht in einer dieser Gesetzgebung angepaßten Form einführen." Von beiden Möglichkeiten ist Gebrauch gemacht worden, und zwar in den Mitgliedstaaten des Abkommens und in solchen, die das Abkommen ohne Ratifikation übernommen haben. aa) Zu denjenigen Ländern die das Abkommen (meistens allerdings mit Ausnahme der in 11 diesem vorgesehenen Höchsthaftungssumme, an deren Stelle Festsetzungen in nationaler Währung erfolgen) in seinem Wortlaut übernommen haben, gehören Ägypten, Belgien, Großbritannien und die dem dortigen Carriage of Goods by Sea Act, 1924, nachgebildeten Gesetze von Aden, Antigua, Australien, Bahamas-Inseln, Barbados, Bermuda, Brit. Guayana, Brit. Honduras, Brit. Salomon-Inseln, Burma, Ceylon (Sri Lanka), Dominica, Falkland-Inseln, Fidschi-Inseln, Gambia, Ghana, Gibraltar, Gilbert- und Ellice-Inseln, Granada, Hongkong, Indien, Jamaica, Kanada, Kenya, Malaya, Malta, Mauritius, Montserrat, Neuseeland, Nigeria, Nordbeorneo, Pakistan, St. Christopher und Nevis, St. Lucia, St. Vincent, Sansibar, Sarawak, Seychellen, Sierra Leone, Singapor, brit. Somaliland, Tanganjika, Tonga, Trinidad und Tobago, brit. Virgin-Islands, Zypern, ferner Italien (bezüglich des Gesetzes vom 6. 1. 1928), Zaire (sofern man die Fortgeltung des belgischen Gesetzes vom 28. 11. 1928 annehmen kann), Liberia, Philippinen, Portugal, Vatikanstadt, Vereinigte Staaten von Amerika. bb) Mit mehr oder weniger erheblichen Änderungen wurde der Inhalt des Konnossements- 1 2 abkommens von folgenden Staaten übernommen: Curacao, Deutschland, Frankreich, den skandinavischen Staaten, Griechenland, Guinea, Indonesien, Italien bezüglich des c. nav., Japan, Jugoslawien, Libanon, Niederlande, Schweiz, Sowjetunion, Spanien, Südafrikanische Union, Surinam, Syrien, Tunesien, Türkei. i) Während insbesondere in Curacao, in der Bundesrepublik Deutschland, in der DDR, in 13 Griechenland, Italien (soweit es sich um die Anwendung des c. nav. handelt), Indonesien, Jugoslavien, den Niederlanden, Polen, der Schweiz, den skandinavischen Staaten, der Sowjetunion, Surinam und der Türkei das den H R gemäße Recht als einziges Seetransportrecht besteht, sind in den nicht genannten Ländern die dort früher geltenden Bestimmungen für das Seefrachtrecht von Bestand geblieben. Sie kommen immer dann zur Anwendung, wenn die Geltung der Vorschriften des Konnossementsabkommens in der in dem betr. Lande eingeführten Form nicht ausdrücklich angeordnet worden ist. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten Markianos, a. a. O. S. 56 ff. 4. Über die Paramount-Klausel vgl. Anm. 32 Vorbemerkung vor § 556 HGB; Markianos, 14 a. a. O. S. 99f.; Götz, Das Seefrachtrecht bei Haager Regeln, S. 33 ff.; Necker, Der räumliche Geltungsbereich der Haager Regeln, S. 89 ff. und Hansa 1959 S. 1810; Becker, Klauseln des Seefrachtrechts, S. 165. Siehe über die Klausel auch § 557 Anm. 22. Die Klausel, die in sehr unterschiedlichen Fassungen vorkommt, lautet etwa: „Dieses Konnossement ist wirksam vorbehaltlich der Bedingungen der „Carriage of Goods by Sea Act" der USA, angenommen am 16. 4. 1936. Diese Akte soll als Bestandteil desselben gelten und nichts soll als Verzicht des Verfrachters auf seine Rechte oder Haftungsbeschränkung oder als Vergrößerung seiner Verantwortlichkeit oder Verpflichtungen gemäß dieser Akte betrachtet werden. Jede Bedingung dieses Konnossements, die irgendwie im Widerspruch zu der Akte steht, ist im gleichen Maße hinfällig." Vgl. Bes, Chartering and Shipping Terms, Deutsche Ausgabe S. 120 f. Siehe auch Dor, Bill of Lading Clauses S. 23 f. Die Klausel hat keine Bedeutung, wenn das in ihr genannte HR-Gesetz auch ohne diese Erwähnung zur Anwendung kommen würde. Ist das nicht der Fall, so liegt ihr Wert darin, daß die Parteien sich f ü r ein bestimmtes HR-Gesetz im Wege der Parteivereinbarung ent901
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schieden haben. Vornehmlich wird aber durch die Klausel auch die Güterbeförderung aus einem Staat, in dem die H R nicht gelten, der Mindesthaftung unterworfen (siehe dazu Switzerland Gen. Ins. Co. v. Navigazione Libera Triestina S.A., US Court of Appeals, 1937, 91 Federal Reporter Second Series 960; Golodetz v. Kersten, Hunik & Co., King's Bench Division, 1926, 24 LI. R. 374). In den Ländern, in denen die HR eingeführt sind, wird die Verweisung auf ein anderes HR-Gesetz als das nach heimischem Recht in Frage kommende als gültig angesehen, da wichtig vor allem ist, daß die H R überhaupt zur Anwendung kommen. Vgl. f ü r das anglo-amerikanische Recht etwa Occan S.S. Co. v. Queensland State Wheat Board, brit. Court of Appeal, 1941, 1 The Law Reports, Third Series 403; Waters Trading Co. v. Dalgety & Co., Supreme Court of New South Wales, 1951, 2 Lloyd's Rep. 385; Wilson v. Darling Island Stevedoring & Lighterage Co., High Court of Australia, 1956, 1 Lloyd's Rep. 346; The Aakre, US Court of Appeals, 1941 122 Federal Reporter Second Series 469; G. H. Renton & Co. v. Palmyra Trading Corp. of Panama, House of Lords, 1957, The Law Reports, Third Series, Appeal Cases 149. Nach dem Vorbild des sect. 3 des britischen Carriage of Goods by Sea Act verlangen eine Reihe von HR-Gesetzen, vornehmlich solche des anglo-amerikanischen Rechtskreises, die ausdrückliche Erwähnung dieses Gesetzes, wenn es von Gesetzes wegen auf das Konnossement zur Anwendung kommt. Hier ändert also die Klausel nichts an der Anwendbarkeit des ohnehin zur Anwendung gelangenden Gesetzes. Außer dem schon erwähnten brit. Carriage of Goods by Sea Act kommen die übrigen H R des Britischen Commenwealth in Betracht, weiter gemäß seinem sect. 13 der US Carriage of Goods by Sea Act bei ausgehenden Konnossementen, ferner die HR-Gesetze Belgiens, Israels und Portugals (vgl. Markianos, a. a. O. S. 99). Doch handelt es sich bei der Erwähnung nur um eine Sollvorschrift, von deren Befolgung die Anwendung der gesetzlichen Haftungsnormen nicht abhängig ist. In diesem Sinne ist die Frage, seit der Entscheidung Vita Food Products Inc. v. Unus Shipping Co., Judicial Committee of the Privy Council on Appeal f r o m the Supreme Court of Nova Scotia, 1939, 2 Dominion Law Reports 1, auch für Großbritannien und Kanada geklärt. Vgl. wegen der in Neuseeland und Portugal bestehenden Sanktionen, falls die Klausel nicht in das Konnossement aufgenommen wurde, Markianos, a. a. O. S. 100; Necker, a. a. O. S. 92. 15
5. Reformbestrebungen zu den Haager Regeln. Schrifttum: Burchard-Motz, Die Stockholmer Verhandlungen des Comité Maritime International über die Reform der Haager Regeln, Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe B, Heft 6, 1964; Capelle, Zur Revision der Haager Regeln, Festschrift f ü r Möller, 1972 S. 155ff.; Herber, Die Brüsseler Seerechtskonferenz 1967 S. 1358ff.; ders., Zur Neuregelung der Haftung im internationalen Seefrachtrecht, Hansa 1968 S. 620; ders., Neue Arbeiten zur Vereinheitlichung des Seefrachtrechts, Hansa 1969 S. 1642; ders., 2. Tagung der UNCTAD-Arbeitsgruppe für internationale Schiffahrtsgesetzgebung, Hansa 1971 S. 981 ff.; ders., Die Revision der Haager Regeln, Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe A Heft 16, 1974; Krieger, Der gegenwärtige Stand der Arbeiten zur Modernisierung des Seerechts, Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe A Heft 14, 1971; Legrendre, La Conférence diplomatique de Bruxelles de 1968, D M F 1968 S. 387ff.; Liesecke, Die Haager Regeln, Probleme ihrer Anwendung und Reform, Hansa 1965 S. 1136ff. u. 1254ff.; de la Motte, Zur Revision der Haager Regeln, 3. Sitzung der UNCITRAL-Arbeitsgruppe, Hansa 1972 S. 764; Stieper, Die Seeschiffahrt auf der 3. Welthandelskonferenz in Santiago, Hansa 1972 S. 515; Rodiére, La revision de la Convention de Bruxelles relative aux transports maritimes internationaux, Bulletin des transports internationaux par chemins de fer, 1974, Heft 1 und 2.
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a) Das Brüsseler Konnossementsabkommen von 1924 hatte sich in wesentlichen Punkten bewährt. Doch machten Schwierigkeiten mit der auf Pfundbasis festgesetzten Höchsthaftungssumme, eine zu kurze Frist für die Geltendmachung von Ladungsschäden, die Frage der Beweisvermutung des Konnossements gegenüber einem gutgläubigen Dritten sowie neue technische Entwicklungen bei der Güterbeförderung über See, wie insbesondere die Einführung von Paletten und Containern, nach 40 Jahren seit der Zeichnung der Übereinkunft, eine Ergänzung bzw. Änderung notwendig. 902
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b) Zu diesem Zweck wurde auf Grund eines Beschlusses der Vollversammlung des CMI in 1 7 Rijeka im Jahre 1959 eine internationale Kommission des CMI gebildet (siehe die Zusammensetzung bei Manca, International Maritime Law, Bd. II S245 Anm. 1), der von den nationalen Verbänden des CMI Vorschläge zur Verbesserung der Haager Regeln eingereicht wurden. Diese Vorschläge sind auf der XXVI. Konferenz des CMI, die vom 9. — 15. Juni 1963 in Stockholm stattfand, beraten und — soweit sie angenommen wurden — in einem Änderungsentwurf zusammengefaßt. Dieser wurde in Visby auf Gotland unterzeichnet und in Erinnerung an das Visbyer Seerecht des Mittelalters als „Visby-Rules" bezeichnet. c) Diese Visby-Rules sind auf der XII. Diplomatischen Seerechtskonferenz vom 16. bis 1 8 27. Mai 1967 in Brüssel beraten worden, Da man über die Haftungssumme und den Geltungsbereich keine Einigung erzielen konnte, kam es zunächst nicht zur Unterzeichnung eines Änderungsabkommens. Nach weiteren Vorarbeiten durch das CMI und die Regierungen wurden diese beiden Punkte erneut beraten, und zwar in einer Fortsetzung der XII. Diplomatischen Seerechtskonferenz in Brüssel vom 19. bis 22. Februar 1968, wobei man zu einer weitgehenden Einigung gelangte. Die positiven Beschlüsse der beiden Phasen der XII. Diplomatischen Seerechtskonferenz wurden vereinigt als „Protocol to amend the International Convention for the Unification of certain rules of law relating to Bills of Lading signed at Brüssel on 25. April 1924" gezeichnet und werden gemeinhin als Hague-Visby-Rules bezeichnet. Siehe die Wiedergabe unter C. d) Die Visby-Rules von 1968 ändern insbesondere die Beweisvermutung des Konnossements 1 9 (Art. 3 § 4 HR) dahin ab, daß zugunsten eines gutgläubigen Konnossementserwerbers die Skripturhaftung des Konnossements eingeführt wird. Rückgriffsklagen nach Art. 3 § 6 HR können nach dem neu eingefügten Art. 3 § 6 HR noch nach dem Ablauf der einjährigen Frist erhoben werden. Die Frage der Haftungssumme wurde dahin geregelt, das als Währungseinheit der sog. Poincare-Franken gewählt wurde, und zwar soll die Höchsthaftungssumme 10000 Poincare-Franken für das Stück oder die Einheit oder 30 Poincare-Franken für das Kilogramm des Rohgewichts der verlorenen oder beschädigten Güter betragen, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Die Visby-Rules regeln weiter die Haftung bei Verwendung von Containern, Paletten und ähnlichen Geräten. Sie enthalten weiter eine Beseitigung der Haftungshöchstgrenze bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Unternehmers durch den neu eingeführten Art. 4 § 5 a und sehen eine Haftungsbeschränkung auch für die Leute des Unternehmers vor mit Gesamthaftungsbetrag für Unternehmer und Leute (Art. 4 bis § 3 b). Sie bringen in Art. 4 bis § 1 zum Ausdruck, daß die Haftungsbeschränkung auch bei Ansprüchen aus außervertraglicher Haftung des Unternehmers gelten soll. Schließlich wurde der Geltungsbereich der HR (Art. 10) neu geregelt. e) Die Visby-Rules sind bisher (1. 11. 1976, bisher keine Ratifizierung durch die Bundesre- 2 0 publik Deutschland) nicht in Kraft getreten. Der Grund hierfür waren zunächst Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und den europäischen Staaten über die Auslegung der Container-Klausel. Vornehmlich aber waren es die Reformpläne der UNCTAD (Welthandelskonferenz), die in Zusammenarbeit mit dem neu gebildeten Ausschuß der UN für Welthandelsrecht (UNCITRAL) eine Arbeitsgruppe für internationales Schiffahrtsrecht eingesetzt hat, die die Haager Regeln im Hinblick auf eine Revision überprüfen soll. Der Ausschuß hat sich im April 1971 dafür ausgesprochen, daß eine Reform der HR über die Visby-Rules hinaus wünschenswert sei. Die Arbeiten des Ausschusses sollen voraussichtlich 1978 abgeschlossen sein. Sie zielen auf eine weitgehende Angleichung des Seefrachtrechts an das anderer Transportmittel ab, und zwar in einem völlig neuen Abkommen. Siehe über den gegenwärtigen Stand der UNCTAD-Pläne unten unter F. Unsicher ist, ob es unabhängig von dem Vorhaben der UNCTAD noch vorher zu einem Inkrafttreten der Visby-Rules kommen wird. Sie sind bisher nur von Singapur ratifiziert worden. Auf der Hamburger Konferenz des CMI von 1974 ist die Ratifikation empfohlen worden. Frankreich und die skandinavischen Staaten haben bereits Gesetze, welche die Ratifikation der Visby-Rules erlauben würden. Der englische Carriage of Goods Act, 1971, der ebenfalls den Visby-Rules entspricht, ist bisher nicht in Kraft getreten. 903
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B. Text des Abkommens in der französischen Originalfassung und der amtlichen deutschen Übersetzung Convention internationale pour l'unification de certaines règles en matière de connaissements signé à Bruxelles le 25 Août 1924 Internationales Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente gezeichnet in Brüssel am 25. August 1924 (Siehe RGBl. 1939 II S. 1049) Article 1 Dans la présente Convention, les mots suivants sont employés dans le sens précis indiqué ci-dessous: a) „Transporteur" comprend le propriétaire du navire ou l'affréteur, partie à un contrat de transport avec un chargeur; b) „Contrat de transport" s'applique uniquement au contrat de transport constaté par un connaissement ou par tout autre document similaire formant titre pour le transport des marchandises par mer; il s'applique également au connaissement ou document similaire émis en vertu d'une chartepartie à partir du moment ou ce titre régit les rapports du transporteur et du porteur de connaissement; c) „Marchandises" comprend biens, objets, marchandises et articles de nature quelqonque, à l'exception des animaux vivants et de la cargaison qui, par le contrat de transport, est déclarée comme mise sur le pont et, en fait, est ainsi transportée; d) „Navire" signifie tout bâtiment employé pour le transport des marchandises par mer; e) „Transport de marchandises" couvre le temps écoulé depuis le chargement des marchandises à bord du navire jusqu' à leur déchargement du navire. Übersetzung Artikel 1 In diesem Abkommen werden die folgenden Worte in dem nachstehend angegebenen Sinne gebraucht: a) Das Wort „Unternehmer" umfaßt den Schiffseigentümer oder den Charterer, der mit einem Befrachter einen Frachtvertrag eingeht. b) Das Wort „Frachtvertrag" bezeichnet nur solche Frachtverträge, über die ein Konnossement oder ein gleichartiger Titel für die Beförderung von Gütern zur See ausgestellt ist; dazu gehören die auf Grund oder in Verfolg einer Chartepartie ausgestellten Konnossemente und gleichartigen Titel von dem Zeitpunkt ab, in dem sie für das Rechtsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Inhaber des Konnossements maßgebend geworden sind. c) Das Wort „Güter" umfaßt Güter, Gegenstände, Waren und Artikel jeglicher Art mit Ausn a h m e von lebenden Tieren und der im Frachtvertrag als Deckladung bezeichneten und tatsächlich so beförderten Ladung: d) Als „Schiff gilt jedes Fahrzeug, das f ü r die Beförderung von Gütern zur See verwendet wird. e) Die „Beförderung von Gütern" umfaßt den Zeitraum vom Beginn des Einladens der Güter in das Schiff bis zu ihrer Ausladung aus dem Schiffe. 1
1. Art. 1 enthält für die Anwendung des Abkommens wichtige Begriffsbestimmungen. Unter litt, a ist die Rede vom „transporteur", für den in der amtlichen deutschen Übersetzung die Bezeichnung „Unternehmer" gewählt wurde. Er ist derjenige, um dessen Haftung es in den 904
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H R geht. Vgl. Art. 2 ff. Unternehmer ist danach der Schiffseigentümer oder der Charterer , der mit einem Befrachter einen Frachtvertrag abgeschlossen hat. Nach Markianos, a. a. O. S. 27 f., ist die Bezeichnung „Unternehmer" zu weitgehend. Er spricht statt dessen vom „Beförderer". In den HR-Gesetzen des anglo-amerikanischen Rechtskreises ist die Rede vom „carrier", das spanische Gesetz spricht vom „porteador". Sicher ist, daß unter die Begriffsbestimm u n g nicht fällt ein Zeitvercharterer, dessen Verpflichtungen sich als die eines bloßen Schiffsvermieters darstellen, sei es auch mit Verschaffungen von Dienstleistungen der Besatzung (vgl. dazu Anm. 16 ff. Vorbemerkungen vor § 556 HGB). Im Falle des Unterfrachtvertrages kann das Wort „Unternehmer" an sich den Hauptverfrachter im Verhältnis zum Unterverfrachter, aber auch diesen in seinem Verhältnis zum Unterbefrachter betreffen, nicht dagegen das Verhältnis zwischen Hauptverfrachter und Unterbefrachter, weil zwischen diesen ein vertragliches Band nicht besteht (vgl. dazu die Erläuterungen zu § 605 HGB). Indessen scheidet der Hauptverfrachter regelmäßig deshalb als Unternehmer aus, weil im Falle der Unterverfrachtung in Verfolg des Hauptfrachtvertrages kein Konnossement ausgestellt wird, eine nach litt, b notwendige Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens. Mit den vorstehenden Ausführungen ist indessen die Frage noch nicht beantwortet, ob sich 2 die HR etwa außervertraglich auswirken können, wenn der Unterbefrachter, dessen Vertragsgegner der Charterer ist, den Reeder oder Ausrüster deliktisch oder quasideliktisch in Anspruch nimmt. Das Konnossementsabkommen selbst befaßt sich mit dieser Frage nicht. Im deutschen Recht ist die Frage durch § 485 Satz 2 H G B gelöst, wonach der Reeder den Ladungsbeteiligten nur soweit haftet, wie der Verfrachter ein Verschulden der Schiffsbesatzung zu vertreten hat, eine Bestimmung, die den nicht mit dem Verfrachter identischen Reeder des Schutzes der HR teilhaftig werden läßt. Vgl. für das niederländische Recht Art. 321 Abs. 3 WvK, der gemäß dem Gesetz vom 15. 8. 1955 neu eingefügt wurde: „Ter zake van schade, toegebracht aan met het schip vervoerde personen of goederen, is de reder tegenover derden niet verder aansprakelijk dan hij dit tegenover zijn wederpartij bij de door hem gesloten vervoerofbevrachtingsovereenkomst zou zijn." Für das englische Recht läßt sich aus der Entscheidung Eider Dempster & Co. v. Paterson, Zochonis & Co. (1924), LI. L. R. Bd. 18 S. 319 nur mittelbar etwas entnehmen, da diese Entscheidung noch vor dem Inkrafttreten der HR in Großbritannien erging. Das House of Lords hat bejaht, daß eine Freizeichnungsklausel in dem Konnossement des Charterers (der sich hier allerdings fälschlich als Reeder bezeichnet hatte) auch dem Reeder zugute komme. Für das Recht der USA liegt die Entscheidung Autobuses Modernos v. The Federal Mariner (US District Court, AMC 1954 S. 1650) vor, wo das Konnossement von einem Verfrachter ausgestellt war, der das Schiff von einem Zeitcharterer gechartert hatte. Das Gericht war der Ansicht, daß auch Reeder und Zeitcharterer nur bis zu einem Betrage von 500 Dollar einzustehen hatten. Doch scheint die Frage für den Bereich des anglo-amerikanischen Rechts immer noch zweifelhaft zu sein. Vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln nach anglo-amerikanischer Praxis, S. 76 f. und Selvig, Unit Limitation of Carrier's Liability, S. 154 ff. Kein Unternehmer im Sinne der litt, a ist ein Spediteur, und zwar auch dann nicht, wenn er 3 ein sog. Spediteurkonnossement ausgestellt hat; anders, wenn sich ein Spediteur im konkreten Fall als Verfrachter verpflichtet hat. Vgl. zu der Frage, ob ein Unternehmer im Sinne der litt, a sich auch dann auf die Haftungs- 4 Beschränkungen der HR berufen kann, wenn er von seinem Vertragsgegner deliktisch in Anspruch genommen wird, für das deutsche Recht Anm. 16 zu § 606 HGB. Für das anglo-amerikanische Recht meint Götz, Seefrachtrecht, S. 73 und ZHR Bd. 121 S. 62, es sei unbestritten, daß die H R die gesamten Beziehungen der Frachtvertragsparteien erfaßten und unabhängig davon gelten, ob ein Anspruch auf Vertrag oder auf außervertragliche Haftungsgründe gestützt werde. In diesem Sinne auch Queen's Bench Division in Sachen Pyrene Co. v. Scindia Navigation Co, 1954, 2 All-England Reports 158. Markianos, S. 217, weist demgegenüber darauf hin, daß das Problem sich für das anglo-amerikanische Recht deshalb anders stelle als für das deutsche, weil dort der Begriff der deviation nicht nur als geographische Abweichung vom Reiseweg verstanden werde, sondern als „any breach of contract of so serious a character as to entitle the party aggrieved to that it as repudiated and to rescind it". Die ungerechtfertigte De905
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viation jeglicher Art schließe aber die Anwendung der HR-Gesetze aus und habe die strenge, unbeschränkte Haftung des common-law zur Folge. Vgl. dazu auch Selvig, a. a. O. S. 118, der jedenfalls für das englische Recht mehr eine Neigung zu der Ansicht von Götz zu erkennen glaubt. In diesem Sinne für das amerikanische Recht auch Gilmore and Black, S. 159 ff.; im Sinne von Markianos dagegen die Entscheidung Jones and Guerrero v. The Flying Clipper AMC 1954 S. 259. 5
Obwohl in litt, a nur von dem Unternehmer die Rede ist, erhebt sich die Frage, ob die ihnen gewährte Haftungsbeschränkung auch abgesehen von dem schon oben erörterten Fall des mit dem Verfrachter nicht identischen Reeders — den selbständigen und unselbständigen Gehilfen des Verfrachters zustatten kommt, wenn diese Personen von einem Ladungsinteressenten aus unerlaubter Handlung in Anspruch genommen werden. Vgl. für das deutsche Recht dazu Anm. 45 zu § 607 HGB. In Australien hatten zwar die erstinstanzliche Entscheidung Gilbert Stokes & Kerr Proprietary v. Dalgety & Co. (1948), LI. L. R. Bd. 81 S. 337, und der Supreme Court of New South Wales in Sachen Waters Trading Co. v. Dalgety & Co. (1951) 2 Lloyd's Rep. S. 385, entschieden, daß die Haftungsvorteile der HR auch einer selbständigen Stauereifirma zuzusprechen seien. Demgegenüber hat das höchste australische Gericht in Sachen Wilson v. Darling Island Stevedoring and Lighterage Co (1956) 1 Lloyd's Rep. S. 346, die beiden genannten Entscheidungen für unrichtig erklärt, der Klage gegen den Stauer aus unerlaubter Handlung in vollem Umfang stattgegeben und zum Ausdruck gebracht, daß sich jedenfalls im australischen Recht die HR in keinem Falle auf die eigene Haftung des selbständigen oder unselbständigen Gehilfen bezögen (vgl. Götz, ZHR Bd. 121 S. 63 f.; ders., Das Seefrachtrecht der HR S. 74). Dasselbe ist für das englische Recht anzunehmen. Das House of Lords hat in Sachen Scruttons Ltd. v. Midland Silicones Ltd. bestätigt, daß die Stauerei des Schiffes sich nicht auf Freizeichnungen und Haftungsbeschränkungen im Konnossement berufen kann (LL vom 8. 12. 1961 = Hansa 1962 S. 244). Siehe auch Götz, a. a. O. Anders noch Adler v. Dickson, Queen's Bench Division und Court of Appeal, 1955, 1 The Law Reports (Third Series) 158, überholt durch Midland Silicones Ltd. v. Scruttons Ltd., Queen's Bench Division (1959) 2 The Weekly Law Reports 761 = LL v. 3. 6. 1960 = Hansa 1960 S. 1850. Die Rechtsprechung der USA hat ebenfalls zunächst einer entgegengesetzten Auffassung zugeneigt. In der Entscheidung Autobuses Modernos v. The Federal Mariner (AMC 1954 S. 1650) wurde angenommen, auch der mitbeklagte Stauer könne sich auf die summenmäßige Haftungsbegrenzung der HR berufen, ebenso in der Entscheidung US v. The South Star (US Distr. Ct. AMC 1953 S. 1304 und US Court of Appeals AMC 1954 S. 418). Anders die bei Götz, ZHR Bd. 121 S. 66 aufgeführte erstinstanzliche Entscheidung Krawill Machinery Corp. v. Robert C. Herd & Co., bestätigt durch den Obersten Gerichtshof (1959) 359 United States Reports 297, nach welcher die HR die Verfrachtergehilfen nicht begünstigen. Einer selbständigen Stauerfirma, die das Frachtgut bei der Einladung beschädigt hatte, wurde die Haftungsbeschränkung auf 500 Dollar versagt. Die Beschränkung war sogar noch vertraglich vereinbart worden. Eine Drittwirkung derselben wurde jedoch verneint (vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der HR S. 74 Anm. 137). Einem unselbständigen Verfrachtergehilfen wurde die Berufung auf die Haftungsbeschränkun der HR in Sachen International Milling Co v. The Perseus, AMC 1958 S. 526, versagt. Vgl. über die selbständige Stellung des Umschlagsunternehmers in Frankreich gegenüber dem Verfrachter auch Kassationshof D M F 1958 S. 470. Umschlagsbetriebe, die auf der Reede die Ladung „sous palan" in einen Leichter übernehmen, können nicht die für den Seeverfrachter geltenden Bestimmungen für sich in Anspruch nehmen. Vgl. franz. Kassationshof D M F 1959 S. 336. Ein Hafenumschlagsbetrieb, der weder Seeverfrachter noch an dem zugrunde liegenden Frachtvertrag irgendwie beteiligt ist, kann sich gegenüber demjenigen, für den er die Ladung in Empfang genommen hat, nicht auf die Konnossementsbedingungen berufen; französischer Kassationshof D M F 1959 S. 336. Siehe zu der Frage der Drittwirkung der HR auch Selvig, Unit Limitation of Carrier's Liability, 1960, S. 157 ff.
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Die Regeln gelten auch nicht für das Verhältnis des Verfrachters zu seinen Hilfspersonen. Vgl. United States v. Bull S. S. Linie, US District Court (1956) 146 Federal Supplement 210. Auch für die Rechtsbeziehungen mehrerer Verfrachter untereinander kommen sie nicht in 906
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Betracht. Vgl. Lyons-Magnus Inc. v. American Hawaiian S. S. Co, US District Court (1924) 41 Fédéral Supplement 575. 2. Zu litt, b 1. Hälfte: Danach bezieht sich das Konnossementsabkommen nicht auf jeden 7 Seefrachtvertrag, sondern nur auf einen solchen, über den ein Konnossement oder „ein gleichartiger Titel für die Beförderung von Gütern zur See" ausgestellt ist. Was unter derartigen „gleichartigen Titeln" zu verstehen ist, sagt das Abkommen nicht. Es lassen sich darüber auch keine generellen Merkmale aufstellen. Die Frage beantwortet sich vielmehr nach der Rechts- und Handelspraxis eines jeden einzelnen Ortes (Markianos, a. a. O. S. 77). Unter den Konnossementsbegriff selbst fallen das Übernahmekonnossement (Markianos, a. a. O.; Carver, S. 253; Scrutton, S. 416; Smeesters und Winkelmolen, Bd. II Nr. 634; vgl. über das Übernahmekonnossement § 642 Abs. 5 HGB), und zwar unabhängig von der in den einzelnen Rechtsordnungen verschieden beantworteten Frage, ob es ein echtes Konnossement ist (vgl. dazu Markianos, a. a. O. mit weiteren Nachweisen), das Durchkonnossement mit seinem auf die Seereise bezüglichen Abschnitt. Zu dem „gleichartigen Titel" gehört der Konnossementsteilschein (delivery order), aber nur in seiner in Anm. 11 und 12 zu § 648 HGB erwähnten Form (Markianos, a. a. O. S. 78 mit weiteren Nachweisen), nicht dagegen das Spediteurkonnossement (vgl. Anm. 22 Vorbemerkung vor § 642 HGB) oder das Mate's Receipt (vgl. über dieses Anm. 8 Vorbemerkung vor § 642 HGB). So auch Ripert, Droit Maritime Bd. II Nr. 1489; Scrutton, S. 378; Nippon Yusen Kaisha v. Ramjiban Serowgee, 1938 Appeal Cases 429; Wüstendörfer, SHR 299; Gramm, Seefrachtrecht 150; Markianos, a. a. O. S. 78; anders Fraikin, Traité de la responsabilité du transporteur maritime, 1957 Nr. 36, und Marais, Les transports internationales de marchandises par mer et la jurisprudence en droit comparé, 1949 S. 30. Die HR wollen das Konnossementsrecht vereinheitlichen, nicht schlechthin das Seefracht- 8 recht. Dementsprechend tritt nach § 662 Abs. 1 HGB die zwingende Wirkung der HR-Rechte nur ein, wenn ein Konnossement ausgestellt „ist". Doch ist in Art. I litt, b im französischen Text nur die Rede davon, daß der Beförderungsvertrag ist „constaté par un connaissement" (in der englischen Übersetzung: „covered by a bill of lading"). Wenn auch die deutsche Übersetzung für den Geltungsbereich des HGB maßgebend ist, so fragt sich doch, ob die für § 662 H G B aus der amtlichen deutschen Übersetzung übernommene Formulierung nicht zu eng ist. Vgl. für das englische Recht die Entscheidung Pyrene Co. v. Scindia Steam Navigation Co LI. L. R. 1954 S. 321 = Götz, ZHR Bd. 121 S. 52 (siehe auch Götz, Das Seefrachtrecht der HR nach anglo-amerikanischer Praxis, 1960, S. 96); in gleichem Sinne die kanadische Entscheidung Great Lakes Paper Co. v. Paterson Steamship Ltd., 1951, 3 Dominion Law Reports 518. Dort wurde ausdrücklich entschieden, daß die HR auch dann zur Anwendung kämen, wenn zwar ein Konnossement nicht ausgestellt worden sei, sofern nur ein solches erteilt werden sollte. In der amerikanischen Entscheidung Krawill Machinery Corp. v. Robert C. Herd & Co (AMC 1956 S. 2217 = Götz, ZHR a. a. O.) betonte das Gericht, daß die Regeln kraft Gesetzes anwendbar sein dürften, selbst wenn ein Konnossement nicht ausgestellt worden sei. Nach anglo-amerikanischem Recht ist es deshalb nicht erforderlich, daß ein Konnossement tatsächlich ausgestellt worden ist. Genügend ist vielmehr, daß die Erteilung eines Konnossements in Betracht kommt. Die Regeln gelten aber auch dann, wenn dann später ein Konnossement tatsächlich nicht ausgestellt wurde. Vgl. Carver, S. 253; Scrutton, S. 416; Götz, ZHR Bd. 121 S. 52 f. Siehe auch die nordirische Entscheidung Hugh Mack & Co. v. Burns & Laid Lines Ltd., 1944, 77 LI. L. R. 377. Damit löst sich für das anglo-amerikanische Recht die Frage, ob die HR beim Stückgutvertrag auch im Verhältnis zwischen Befrachter und Verfrachter gelten sollen im positiven Sinne (vgl. für das deutsche Recht Anm. 9 zu § 662 HGB). Es wird angenommen, daß der Frachtvertrag mangels entgegenstehender Abrede zu den Konnossementsbedingungen und damit auch nach Maßgabe der HR zustande kommt, weil Befrachter und Verfrachter nach der Verkehrssitte zu den Bedingungen abschließen, die im Konnossement als Vertragsordnung bereitliegen. Der Vertrag ist deshalb von Anfang an „covered by a bill of lading". Vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der HR, S. 47; Pyrene Co. v. Scindia Nav. Co. a. a. O.; Harland & Wolff Ltd. v. Burns & Laid Lines Ltd., 1931 Session Cases (Sixth Series) 722. Zweifelhaft ist es, in welchem Umfang die Anwendbarkeit der H R durch eine Vereinbarung ausgeschlossen werden kann, daß ein Konnossement über die Ladung nicht ausgestellt 907
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werden soll. Vgl. dazu Art. VI HR. Es ist die Frage, ob das Abkommen derartige Vereinbarungen für unzulässig erklärt, soweit es sich um gewöhnliche Verschiffungen im gewöhnlichen Handelsverkehr handelt. Das ist in der Tat die Auffassung von Knauth, The American Law of Ocean Bills of Lading S. 176 und 283, eine Auffassung, die Art. III § 3 und 7 i. Verb, mit Art. III Ziff. 8 berücksichtigen und Art. VI Abs. 1 einen sachlichen Gehalt geben würde {Götz, ZHR Bd. 121 S. 53 Anm. 35; ders.. Das Seefrachtrecht der HR S. 48 ff.). Demgegenüber steht die Ansicht von Carver, S. 202, daß nichts dem Abschluß eines Seefrachtvertrages entgegenstehe, bei dem kein Konnossement vorhanden sei. Dann sei auch für die Anwendung der HR kein Raum. Vgl. auch die englischen Entscheidungen Vita Food Products v. Unus Shipping Co, LI. L. R. Bd. 63 S. 21, Wolff v. Bums and Laird Lines, LI. L. R. Bd. 40 S. 286 und Hugh Mack v. Bums and Laird Lines LI. L. R. Bd. 77 S. 377. Die beiden letztgenannten Entscheidungen scheinen in dem Sinne zu verstehen zu sein, daß die HR nur dann nicht eingreifen, wenn die Erteilung eines Konnossements unüblich ist. Vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der HR S. 50. 9 Von der Tatsache, daß das Konnossementsabkommen selbst ein Konnossement verlangt, um die Regeln zur Anwendung zu bringen, ist die Frage, ob die die HR einführenden Landesgesetze für ihren Geltungsbereich die Anwendung auch ohne Konnossementausstellung vorschreiben können, zu unterscheiden. Das ist zu bejahen. Geschehen ist es in § 662 HGB, Art. 424 c. nav., Art. 117 Abs. 1 schweizerisches Seeschiffahrtsgesetz dergestalt, daß eine den HR entsprechende Haftung des Verfrachters stets vorgesehen ist. Doch ist ohne Ausstellung eines Konnossements eine abweichende Vereinbarung der Parteien zulässig. Nach Art. 469 Abs. 9 i. Verb, mit Art. 470 niederl. WvK, Art. 470 der Handelsgesetze von Surinam, Indonesien und Curacao, Art. 36 Abs. 2, 58 des jugoslawischen Gesetzes betr. Verträge über die Verwendung von Seeschiffen v. 13. 6. 1959, Art. 142 f. griech. Seegesetz von 1958, Art. 29 des französischen Gesetzes von 1966 für den Stückgütervertrag (siehe auch Rodière, Traité Bd. II S. 14, Bieber, Das neue französische Seefrachtrecht, Diss. Frankfurt/M, 1972 S. 106) gelten die Bestimmungen der HR bei jedem Seefrachtvertrag zwingend. Art. 1116 türk. HGB schließt die Freizeichnung bei einem nicht beurkundeten Seefrachtvertrag nur dann aus, wenn dieser Verschiffungen zwischen türkischen Häfen betrifft. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 69. In Japan scheint sich aus Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 1 jap. Gesetz über die internationale Seebeförderung von Waren von 1957 die Unzulässigkeit der Freizeichnung bei Stückgüterverträgen zu ergeben, bei grundsätzlicher Anwendung der HR auf alle Seebeförderungsverträge (vgl. dazu Markianos, a. a. O. S. 70). 10 3. Zu litt, b 2. Hälfte. Danach gehören die auf Grund oder in Verfolg einer Chartepartie ausgestellten Konnossemente und gleichartigen Titel zu den in Anm. 7 genannten Urkunden erst von dem Zeitpunkt ab, in dem sie für das Rechtsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Inhaber des Konnossements maßgebend geworden sind. Vgl. für das deutsche Recht § 663 a HGB. Es kommt also der Gehalt der HR zwingend erst von dem Augenblick an zur Anwendung, in dem das Konnossement an einen Dritten begeben ist. Siehe die Erläuterungen zu § 663 a HGB. Insbesondere kommt er nach § 663 Abs. 2 Ziff. 4 HGB zwingend auch nicht auf Chartepartien zur Anwendung. Der deutschen Regelung entspricht diejenige nach schweizerischem Recht (Art. 117 Abs. 1 und 3 des Seeschiffahrtsgesetzes) und in der Türkei. Auch für Italien scheint das zuzutreffen, wenn auch dort eine dem § 663 a HGB entsprechende Bestimmung fehlt. Vgl. dazu im einzelnen Markianos, a. a. O. S. 75. In Belgien scheint die Auffassung über diesen Punkt nicht ganz einheitlich zu sein. Im Sinne einer Nichtanwendbarkeit der HR, solange sich das Konnossement in der Hand des Charterers befindet, vgl. HG Antwerpen, Jurisprudence du Port d'Anvers 1931 S. 35, 1934 S. 227; 1935 S. 165a; a. A. Gerichtshof Brüssel Jurisprudence du Port d'Anvers 1936 S. 28. Über Japan vgl. Markianos, a. a. O. S. 76. Trotz des scheinbar widersprechenden Wortlauts des Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes betr. die internationale Seebeförderung von Waren von 1957 scheint man dort der Ansicht zu sein, daß die zwingende Haftung nur gegenüber dem dritten Konnossementsinhaber besteht. Siehe auch Manca, International Maritime Law Bd. 2 S. 167 mit weiteren Angaben. 11
Wie nach § 663 a HGB wird auch im anglo-amerikanischen Recht die Begebung des Konnossements an Dritte allgemein als Voraussetzung für die zwingende Geltung der HR aner908
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kannt (vgl. Carver, S. 219; Scrutton, S. 417; Götz, ZHR Bd. 121 S. 49; ders., Das Seefrachtrecht des HR S. 57). Zwischen Befrachter und Verfrachter gelten also auch dort beim Raumfrachtvertrag die Vereinbarungen des Chartervertrages, für die Vertragsfreiheit besteht. Das Konnossement ist in der Hand des Raumbefrachters nur ein Empfangsbekenntnis. Das gilt auch dann noch, wenn das Konnossement an einen Dritten begeben ist. Die HR kommen auch dann nur im Verhältnis zwischen Verfrachter und dritten Konnossementsinhaber zur Wirkung. Scrutton, a. a. O. S. 418, hält Vollrechtsübertragung an den Dritten für erforderlich, Verpfändung nur dann für genügend, wenn der Pfandgläubiger unter Vorlage des Konnossements die Güter in Empfang genommen hat. Ausdrückliche Entscheidungen der anglo-amerikanischen Gerichte zu der Frage, ob mit der Begebung des Konnossements an einen Dritten eine Rückwirkung der HR im Verhältnis zwischen Verfrachter und dritten Konnossementsinhaber auf die Zeit vor der Konnossementsbegebung anzunehmen ist, liegen noch nicht vor. Doch wird allgemein angenommen, daß die zwingende Verfrachterhaftung im Falle der Raumverfrachtung von der Einladung, nicht erst vom Zeitpunkt der Begebung des Konnossements an Dritte gilt, sofern nur eine solche Begebung erfolgt ist (Carver, a. a. O. S. 219; Scrutton, a. a. O. S. 418; Götz, ZHR Bd. 121 S. 50f.). — Sind die Konnossemente an einen Ablader gegeben worden, der nicht selbst Charterer oder dessen Vertreter ist, und werden sie von diesem auf den Charterer indossiert, so wird im englischen Recht angenommen, daß sie von diesem Zeitpunkt ab die Rechtsgrundlage für die Beziehungen zwischen Befrachter und Verfrachter bilden (Carver, S. 219; Trappe, Hansa 1961 S. 664). — Vgl. für Ägypten Trappe, a. a. O.. Andere Staaten wenden die HR zwingend auch dann an, wenn ein Konnossement beim Char- 1 2 tervertrag entweder überhaupt nicht ausgestellt wurde oder es sich noch in der Hand des Charterers befindet. Es sind dies die Niederlande, Curacao, Surinam, Indonesien, Jugoslawien, Griechenland und die Sowjetunion. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 73. Siehe für Griechenland auch Trappe, Hansa 1961 S. 664. 4. Zu litt. c. Dort ist zunächst die Rede davon, daß das Wort „Güter" Gegenstände Waren und Artikel jeglicher Art umfaßt. Grundsätzlich ist also die Regelung des Abkommens auf alle Ladungsgüter anwendbar. Die Ausschließung einer Anzahl von Tatbeständen aus der zwingenden Anwendung der HR wird in der Weise erreicht, daß gewisse Arten von Gütern oder Güter in gewissen Beförderungsarten ausdrücklich ausgenommen sind. Vgl. außer litt. c. auch Art. 6 Abs. 2 des Abkommens.
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a) Nach litt, c sind zunächst lebende Tiere keine Güter im Sinne der HR. Der G r u n d ihrer 1 4 Ausschließung ist der, daß sie in der Regel schwerer zu kontrollieren sind als andere Güter und auch gewöhnlich von Wärtern begleitet sind (vgl. Markianos, a. a. O. S. 82). Der Regelung des Konnossementsabkommens entspricht diejenige in den Staaten, die das Abkommen wörtlich übernommen haben, weiter diejenige in Syrien, Libanon, Spanien und Südafrika. Vgl. Markianos, a. a. O. S82. Dort richtet sich also die Haftung für den Seetransport lebender Tiere nach dem jeweils in Betracht kommenden Seerecht des Landes. Dieses bestimmt auch die Freizeichnungsmöglichkeit. Eine andere Gruppe von Staaten hat den Weg gewählt, die Bestimmungen des Konnossementsabkommens in der in das Recht des betreffenden Landes transformierten Gestalt auf den Transport lebender Tiere zur Anwendung zu bringen, gibt aber dem Verfrachter die Möglichkeit, sich im Rahmen des allgemeinen Rechts freizuzeichnen. Hierher gehören Deutschland (vgl. § 663 Abs. 1 Ziff. 1 HGB), Frankreich (§ 30 Gesetz v. 1966), Griechenland (Art. 143 Abs. 2 Seegesetzbuch von 1958), Italien (Art. 424 Abs. 1 Satz 2 c. nav.), Japan (Art. 18 Abs. 1 Gesetz über die internationale Seebeförderung von Waren von 1957), Jugoslawien (Art. 58 Abs. 1 Ziff. 2 Ges. betr. die Verwendung von Seeschiffen von 1959), Niederlande (Art. 470 WvK), Schweiz (Art. 117 Abs. 2 Seeschiffahrtsgesetz), Türkei (Art. 1117 HGB). Die Haager Regeln ohne Freizeichnungsmöglichkeit kommen zur Anwendung in der Sowjetunion, Indonesien, Curacao und Surinam (vgl. Markianos, a. a. O. S. 82 f.). Auch der Harter Act gilt grundsätzlich für lebende Tiere (vgl. Götz, Das Seefrachtrecht des HR, S. 55 Anm. 44). b) Das Abkommen nimmt in litt, c weiter aus die im Frachtvertrag als Deckladung bezeichnete und tatsächlich so beförderte Ladung. Vgl. dazu insbesondere auch die Erläuterungen zu 909
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§ 663 H G B Anm. 3 bis 6. Siehe auch § 560 HGB und die dortigen Erläuterungen. Die Bestimmung, die ihren Grund in den besonderen Gefahren hat, denen eine Deckladung ausgesetzt ist, hat in alle HR-Gesetze in dieser Gestalt Eingang gefunden. Doch verlangen Frankreich (vgl. Art. 22 Gesetz v. 18. 6. 1966), Italien und die Schweiz als Voraussetzung für die Freizeichnungsmöglichkeit nicht, daß die Ladung ausdrücklich als Deckladung bezeichnet wurde. Siehe Markianos, a. a. O. S. 84. Für den Begriff der Deckladung ist an die ältere anglo-amerikanische Rechtsprechung anzuknüpfen. In der bei Carver, S. 613, angeführten Entscheidung Royal Exchange Shipping Co. v. Dixon (1885) wurde Deckladung auch dann angenommen, wenn die Verstauung in einem Aufbau auf dem Deck vorgenommen war. Demgegenüber stellt die neuere Rechtsprechung darauf ab, ob die Güter in einem Raum verstaut wurden, der auf Grund seiner Konstruktion und seiner festen Verbindung mit dem Schiffskörper dauernden Schutz gewährt. War das der Fall, so lag eine Deckverladung auch dann nicht vor, wenn sich dieser Raum über dem Schutzdeck des Schiffes befand. Vgl. Knauth, The American Law of Ocean Bills of Lading, S. 237; Götz, ZHR Bd. 121 S. 55f.; ders., Das Seefrachtrecht der HR S. 55 ff. Siehe z. B. US Court of Appeals i. Sa. The Kirkhill (1900) 99 Federal Reporter 575; US District Court i. Sa. Lagerloef Trading Co. v. United States (1930) 43 Federal Reporter Second Series 871: Als Raumladung wurde eine Ladung Zündhölzer im Heckstauraum über dem Afterpiektank, der nach dem Schiffsplan nicht für Ladung, sondern nur für Vorräte vorgesehen war, anerkannt; US District Court i. S. The Nelma Lykes (1934) 6 Federal Supplement 886: Stauung im abgeschlossenen Brückendeck ist Raumladung; Cal. Superior Court in Sa. „The Lossiebank", 1938 AMC 1033: Stauung im „Hospital" auf Deck des Schiffes ist Raumladung. Die Befreiung von der zwingenden Haftung der HR, tritt aber immer nur dann ein, wenn das Gut nicht nur tatsächlich als Deckladung befördert worden, sondern zugleich auch als Deckladung bezeichnet worden ist. So etwa durch die Klausel „Shipped on deck at shipper's risk" (Pioneer Import Co. v. The Lafcome, US District Court, 1943, 49 Federal Supplement 559), oder „Loaded on deck Owner's Risk of Damage or Loss" (Globe Solvents Co. v. The California, US Court of Appeals, 1948, 167 Federal Reporter Second Series 422). In der Entscheidung Svenska Traktor v. Maritime Agencies (1953) LI. L. R. 1953 S. 124 enthielt das Konnossement die Klausel: „Steamer has liberty to carry goods on deck and shipowners will not be responsible for any loss loss, damage or claim arising therefrom". Ein Kollo des an Deck verladenen Teils der Partie wurde über Bord gespült. Das Gericht nahm an, daß die Ladung in der erwähnten Klausel nicht als Deckladung bezeichnet war und die HR deshalb zwingend zur Anwendung kämen (vgl. Götz, ZHR Bd. 121 S. 56; ders., Das Seefrachtrecht des HR S. 58). Erforderlich ist, daß aus dem Konnossement positiv erkennbar ist, daß die Güter wirklich an Deck verladen worden sind. Die bloße Befugnis des Verfrachters, die Güter an Deck zu stauen, reicht also nicht aus. Sind die Güter als Deckladung bezeichnet worden, ist tatsächlich aber ein Teil von ihnen unter Deck verladen worden, so gelten die HR nur für den unter Deck verladenen Teil, für die ganze Partie nur dann, wenn eine Aufspaltung nicht möglich ist (vgl. Götz, a. a. O.). Ist während der Reise eine Umstauung von Deck unter dasselbe erfolgt, so ist mit Scrutton, S. 419, anzunehmen, daß dann die HR vom Beginn der Reise an zur Anwendung kommen (anders Götz, a. a. O. S. 57, der sie nur vom Zeitpunkt der Umladung ab gelten lassen will).
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4. Zu litt. d. Vgl. über den Schiffsbegriff Vorbem. vor § 476 Anm. 1 ff., über die Verwendung eines Schiffes zur Seefahrt ebendort Anm. 12. Litt, d stellt nicht darauf ab, ob es sich um ein Seeschiff oder ein Binnenschiff handelt, sondern nur darauf, ob es sich im konkreten Falle um ein Schiff handelt, das tatsächlich f ü r die Beförderung von Gütern zur See verwendet wird, ohne Rücksicht insbesondere auch darauf, ob eine solche Verwendung aus Sicherheitsgründen gestattet war. Es ist also kein Zweifel, daß die HR zur Anwendung kommen, wenn es sich bei der Reise des Schiffes um eine reine Seereise handelt oder wenn das durchfahrene Binnengewässer nur als verlängerter Arm des Seewegs anzusehen ist (siehe auch Scrutton, a. a. O. S. 417). Zweifel können bei den sog. kombinierten Reisen entstehen. Hier können sich die Regeln nur auf die Seestrecke beziehen (so auch Götz, a. a. O. und ders., Das Seefrachtrecht der HR S. 60. Anders anscheinend Scrutton, a. a. O., im Hinblick auf die Formulierung der Art. IV Ziff. 2(c), in dem die Haftungsfreiheit gewährt würde bei „. . . perils, dangers and 910
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accidents of the sea or other navigable waters". Die Anführung der letzteren habe keinen Sinn, wenn nur Seegewässer betroffen werden sollten. Scrutton will deshalb die HR auch anwenden auf Binnengewässer, die von großen Schiffen befahren würden. Aber das ist sehr relativ und bringt keine Klärung. Im Canadian Water Carriage of Goods Act, 2, sect. ist ausdrücklich die Rede von „water" statt von „sea", so daß für seinen Anwendungsbereich eindeutig klargestellt ist, daß auch die Binnenschiffahrt betroffen ist. Auch andere Staaten haben die Binnenschiffahrt ausdrücklich den HR unterstellt, so die Schweiz (vgl. Art. 125 Abs. 1, 127 Abs. 2 Seeschiffahrtsgesetz) und Italien (Art. 468 c. nav.), aber nicht die Bundesrepublik Deutschland. Auch in Großbritannien, Australien und in den Vereinigten Staaten von Amerika gelten die Regeln nur für den Seefrachtverkehr. Vgl. auch Markianos, a. a. O. S. 81 und 88. 5. Zu litt. e. Danach wird die Dauer der Geltung der Abkommensbestimmungen auf den Zeit- 17 räum vom Beginn der Einladung der Güter in das Schiff bis zu ihrer Ausladung aus dem Schiff festgelegt. Vgl. dazu für das deutsche Recht § 663 Abs. 2 Ziff. 2 HGB und die dortigen, auch rechtsvergleichenden Erläuterungen in Anm. 7 bis 12. Siehe ferner Markianos, a. a. O. S. 85. Dem entspricht die Regelung in denjenigen Staaten, deren HR-Gesetze das Abkommen nahezu wörtlich wiedergeben, ebenso Art. 1 i. Verb, mit Art. 17 spanisches Gesetz über die Seebeförderung von Waren von 1949 und die Gesetze Libanons und Syriens. In diesen Staaten richtet sich die Haftung des Verfrachters für die Zeit von der Annahme der Güter bis zu deren Einladung und von der Ausladung bis zur Ablieferung, soweit sie im konkreten Fall gegeben ist, nach dem gemeinen Seerecht des Landes. Eine Reihe von HR-Gesetzen schreibt die Haftung des Verfrachters gemäß dem Abkommen für die gesamte Zeit zwischen der Annahme und der Ablieferung der Güter vor, gestattet aber dem Verfrachter Freizeichnung für den Zeitraum vor der Einladung und nach der Ausladung. So z. B. die Regelung in Deutschland (§ 663 Abs. 2 Ziff. 2 HGB), Griechenland (Art. 134 Abs. 3 und 143 Ziff. a Gesetzbuch des privaten Seerechts von 1958), Italien (Art. 422 Abs. 1 und Art. 424 Abs. 1 Satz 2 c. nav.), Japan (Art. 15 Abs. 3 Gesetz über die internationale Seebeförderung von Waren von 1957), Jugoslawien (Art. 58 Abs. 1 Ziff. 1 Gesetz betr. Verträge über die Verwendung von Seeschiffen von 1959), Niederlande (Art. 470 WvK), Schweiz (Art. 117 Abs. 2 Seeschiffahrtsgesetz), Südafrikanische Union (sect. 310 Abs. 5 MShA), Türkei (Art. 1061 und 1117 HGB). Eine Anwendung der HR auf den gesamten Zeitraum zwischen Annahme und Ablieferung ohne die Möglichkeit der Freizeichnung für die Zeit vor der Einladung und nach der Ausladung findet sich in Indonesien, Surinam und Curacao (vgl. Art. 468, 470 der dortigen HGB). Siehe Malaysia Fédéral Court i. Sa. Rambler Cycle Co. v. P. & O. Steamship Co. 1968 1 Lloyd's Rep. 42: Für eine Falschauslieferung der Güter seitens der Kaianstalt nach dem Löschen in einem Kaischuppen haftet der Verfrachter nicht auf Grund der Haager Regeln, da deren Geltungsbereich auf den Zeitraum bis zum Löschen begrenzt ist. Über die Begriffe „Einladung" und „Ausladung" siehe Anm. 7 ff. zu § 663 HGB. Article 2 Sous réserve de stipulations de l'article 6, le transporteur dans tout les contrats de transport des marchandises par mer, sera, quant au chargement, à la manutention, à l'arrimage, au transport, à la garde, aux soins et au déchargement des dites marchandises, soumis aux responsabilités et obligations, comme il bénéficiera des droits et exonérations ci-dessous énoncés. Übersetzung Artikel 2 Unbeschadet der Bestimmungen des Art. 6 soll jeder Frachtvertrag für den Unternehmer in bezug auf das Einladen, Handhaben, Stauen, Befördern, Verwahren, Betreuen und Ausladen der zu befördernden Güter die nachstehend aufgeführten Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen sowie Rechte und Befreiungen begründen. Es fragt sich, wem gegenüber der Verfrachter die in den HR angeführten Rechte und Pflich- 1 ten hat. Sie bestehen ohne Zweifel gegenüber dem legitimierten Konnossementsinhaber, des911
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
sen Schutz ja gerade in erster Linie durch die HR bezweckt wird. Bestehen sie aber auch gegenüber dem Eigentümer des Frachtguts, der mit dem Konnossementsinhaber nicht identisch ist? In der englischen Entscheidung Pyrene Co. v. Scindia Steam Navigation Co (1954) 2 All England Rep. 158, wurde dem Verfrachter zugestanden, daß er sich auch gegenüber dem Eigentümer, der nicht Vertragspartei war, auf die summenmäßige Haftungsbegrenzung oder HR berufen könne, wenn dieser aus unerlaubter Handlung klage. Vgl. für das deutsche Recht Anm. 29 zu § 485 HGB. Article 3 1. Le transporteur sera tenu avant et au début du voyage d'exercer une diligence raisonable pour: a) Mettre le navire en état de navigabilité ; b) Convenablement armer, équiper et approvisionner le navire; c) Approprier et mettre en bon état les cales, chambres froides et frigorifiques et toutes autres parties du navire où des marchandises sont chargées pour leur réception, transport et préservation. Übersetzung Artikel 3 §1 Der Unternehmer soll verpflichtet sein, vor und bei dem Antritte der Reise gehörige Sorgfalt anzuwenden, a) um das Schiff seetüchtig zu machen, b) um das Schiff gehörig zu bemannen, auszurüsten und zu verproviantieren, c) um die Lade-, Kühl und Gefrierräume sowie alle anderen Teile des Schiffes, in denen Güter verladen werden, für deren sichere Aufnahme, Beförderung und Erhaltung einzurichten und instand zu setzen. Schrifttum: Renzo Berlingieri, II Muncaster Castle, L'Amstelslot e la revisione d'ell art. II n. 1. délia Convenzione di Bruxelles, 1924, Festschrift für Giorgio Berlingieri, 1964 S. 33 ff. 1
1. Die Bestimmung enthält die Pflichten des Unternehmers bezüglich der anfänglichen Seeund Ladungstüchtigkeit. Siehe wegen seiner Haftung Art. 4 § 1 des Abkommens. Eine entsprechende Vorschrift findet sich durchweg in allen HR-Gesetzen. Siehe dazu im einzelnen Markianos, a. a. O. S. 129.
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2. Siehe über die materiellrechtliche Bedeutung des Art. 3 § 1 die Erläuterungen zu § 559 HGB, wo sich auch rechtsvergleichende Bemerkungen finden, so vornehmlich in Anm. 19, aber auch sonst eingestreut. Vgl. wegen Griechenland und Spanien Markianos, a. a. O. S. 131. Daß Zertifikate einer Klassifikationsgesellschaft nur ein Anhaltspunkt für wahrscheinlich vorhandene anfängliche Seeuntüchtigkeit sind, bestätigt auch Berufungs-Gericht Brüssel ETR 1967 S. 205. Reise im Sinne des Art. III § 1 HR ist die Fahrt vom Ladehafen nach dem Löschhafen, wie dieser im Konnossement bestimmt ist (Admiralty Div. i. Sa. „The Makenonia" (1962) 1 Lloyd's Rep. 316 = Hansa 1967 S. 1312. 2.
Le transporteur sous réserve des dispositions de l'article 4, procédera de façon apropriée et soigneuse aux chargement, à la manutention à l'arrimage, au transport, à la garde, aux soins et au déchargement des marchandises transportées. 912
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Die Haager Regeln Übersetzung §2
Unbeschadet der Bestimmungen des Art. 4 soll der Unternehmer verpflichtet sein, die zu befördernden Güter sachgemäß und sorgfältig einzuladen, zu behandeln, zu stauen, zu befördern, zu verwahren, zu betreuen und auszuladen. Die Bestimmung regelt die Pflichten des Unternehmers hinsichtlich der Ladungsfürsorge. 1 Siehe wegen der Haftung desselben Art. 4 §§ 2, 4 und 5 Satz 4. Die Vorschrift ist direkt oder indirekt in alle HR-Gesetze übergegangen. Sie begründet indessen keine Verpflichtung des Verfrachters, die Stauung, Verladung und Ausladung selbst vorzunehmen. Vielmehr können diese Maßnahmen der Ladungsfürsorge vom Befrachter oder Empfänger vorgenommen werden, und wenn das geschehen ist, entfällt die Haftung des Verfrachters grundsätzlich. Vgl. dazu Anm. 6 zu § 606 HGB. In diesem Sinne auch Markianos, a. a. O. S. 141 ; Richter Sir Patrick Devlin in Pyrene v. Scindia Navigation, 1954, 2 All England Reports 158. Siehe aber auch Dor, Bill of Lading Clauses S. 111. Siehe Internationales Schiedsgericht für die See- und Binnenschiffahrt Gdynia Hansa 1964 S. 1078 über Verunreinigung einer Ladung Gasöl durch Seewasser und Haftung des Verfrachters. 3. Après avoir reçu et pris en charge les marchandises, le transporteur ou le capitaine ou agent du transporteur devra, sur demande du chargeur, délivrer au chargeur un connaissement portant entre autres choses: a) Les marques principales nécessaires à l'identification des marchandises telles, qu'elles sont fournies par écrit par le chargeur avant que le chargement de ces marchandises ne commence, pourvu qu ces marques soient imprimées ou apposées clairement de toute autre façon sur les marchandises non emballées ou sur les caisses ou emballages dans lesquelles les marchandises sont contenues, de telle sorte qu'elles devraient normalement rester lisibles jusqu'à la fin du voyage; b) Ou le nombre de colis, ou de pièces, ou la quantité ou le poids, suivant les cas tels qu'ils sont fournis par écrit par le chargeur; c) L'état et le conditionnement apparent des marchandises. Cependant, aucun transporteur, capitaine ou agent du transporteur ne sera tenu de déclarer ou de mentionner dans le connaissement, des marques, un nombre, une quantité ou un poids dont il a une raison sérieuse de soupçonner qu'ils ne représentent pas exactement les marchandises actuellement reçues par lui, ou qu'il n'a pas eu des moyens raisonnables de vérifier.
Übersetzung §3 Nach der Übernahme der Güter in seine Obhut soll der Unternehmer, Schiffer oder Agent des Unternehmers verpflichtet sein, dem Ablader auf Verlangen ein Konnossement zu erteilen, das unter anderem enthält: a) die für die Unterscheidung der Güter erforderlichen Merkzeichen, so wie sie der Ablader vor dem Beginn des Einladens dieser Güter schriftlich- angegeben hat, sofern diese Merkzeichen auf den Gütern selbst, im Falle der Verpackung auf ihren Behältnissen oder Umhüllungen derart aufgedruckt oder in anderer Weise klar angebracht sind, daß sie unter gewöhnlichen Umständen bis zum Ende der Reise lesbar bleiben ; b) je nach Lage des Falles die Zahl der Packungen oder Stücke oder die Menge oder das Gewicht, so wie sie der Ablader schriftlich angegeben hat; 913
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
c) die äußerlich erkennbare Verfassung und Beschaffenheit der Güter. Jedoch soll der Unternehmer, Schiffer oder Agent des Unternehmers nicht verpflichtet sein, in dem Konnossement solche Merkzeichen, Zahlen, Mengen oder Gewichte festzustellen oder zu erwähnen, von denen er den Umständen nach Verdacht hegen darf, daß sie die von ihm tatsächlich übernommenen Güter nicht genau bezeichnen, oder deren Richtigkeit zu prüfen er keine ausreichende Gelegenheit hatte. 1
Vgl. für das deutsche Recht §§ 642, 643, 645, 646 HGB. Siehe Hof Amsterdam Schip en Schade 1960 S. 116 = Hansa 1963 S. 1167: Beschädigung einer Partie Baumwollwaren durch Verfärbung und Verunreinigung. Verteilung der Beweislast bei rein gezeichnetem Konnossement. Schrifttum: Reynardson, Statements in Bills of Lading, Festschrift für Berlingieri, 1964 S. 49. 4. Un tel connaissement vaudra présomption, sauf preuve contraire, de la réception par le transporteur des marchandises telles qu'elles y sont décrites conformément au paragraphe 3, a, b, c. Übersetzung
§4 Ein solches Konnossement soll zum Beweise dafür genügen, daß der Unternehmer die Güter so empfangen hat, wie sie darin gemäß 3 a), b), c) beschrieben sind. 1 Vgl. für das deutsche Recht § 656 Abs. 2 HGB. 5. Le chargeur sera considéré avoir garanti au transporteur, au, moment du chargement, l'exactitude des marques, du nombre, de la quantié et du poids tels qu'ils sont fournis par lui, et le chargeur indemnisera le transporteur de toutes pertes, dommages et dépenses provenant ou résultant d'inexactitudes sur ces points. Le droit du transporteur à pareille indemnité ne limitera d'aucune façon sa responsabilité et ses engagements sous l'empire du contrat de transport vis-à-vis de toute personne autre que le chargeur.
Übersetzung §5 Der Ablader soll so angesehen werden, als habe er dem Unternehmer gegenüber zur Zeit der Abladung die Gewähr für die Richtigkeit seiner Angaben über Merkzeichen, Zahl, Menge und Gewicht übernommen. Er soll verpflichtet sein, dem Unternehmer alle Verluste, Schäden und Kosten zu ersetzen, die aus Unrichtigkeiten solcher Angaben entstehen. Durch das Recht des Unternehmers auf diese Entschädigung sollen die Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen, die ihm auf Grund des Frachtvertrages anderen Personen als dem Ablader gegenüber obliegen, nicht berührt werden. 1
Vgl. die Erläuterungen zu Art. 4 § 5 Satz 4 des Abkommens und die Erläuterungen zu diesem. 6.
A moins qu'un avis des pertes ou dommages et de la nature générale de ces pertes ou dommages ne soit donné par écrit au transporteur ou à son agent au port de déchargement, avant ou au moment de l'enlèvement des marchandises, et de leur remise sous la garde de la personne ayant droit à la délivrance sous l'empire du contrat de transport, cet enlèvement constituera, jusqu'à preuve contraire, une présomption que les marchandises ont été délivrées par le transporteur telles qu'elles sont décrites au connaissement. 914
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Die Haager Regeln
Si les pertes ou dommages ne sont pas apparents, l'avis doit être donné dans les trois jour de la délivrance. Les réserves écrites sont inutiles si l'état de la marchandise a été contradictoirement constaté au moment de la réception. En tout cas, le transporteur et le navire seront déchargés de toute responsabilité pour pertes ou dommages, à moins qu'une action ne soit intentée dans l'année de la délivrance des marchandises ou de la date à laquelle elles pussent du être délivrées. En cas de pertes ou dommages, certains ou présumés, le transporteur et le réceptionnaire se donneront réciproquement toutes les facilités raisonnables pour l'inspection de la marchandise et la vérification du nombre de colis. Übersetzung §6 Sofern nicht Verluste oder Schäden und ihre allgemeine Natur dem Unternehmer oder seinem Agenten im Entlöschungshafen vor oder bei der Überführung der Güter in den Gewahrsam des auf G r u n d des Frachtvertrages zum Empfange Berechtigten schriftlich angezeigt werden, soll diese Überführung zum Beweise dafür genügen, daß der Unternehmer die Güter so abgeliefert hat, wie sie in dem Konnossement beschrieben sind. Sind die Verluste oder Beschädigungen nicht äußerlich erkennbar, so muß die Anzeige binnen drei Tagen nach der Ablieferung gemacht werden. Der schriftlichen Anzeige soll es nicht bedürfen, wenn der Zustand der Güter zur Zeit des Empfanges auf Veranlassung der einen und unter Zuziehung der anderen Partei festgestellt ist. In allen Fällen sollen der Unternehmer und das Schiff von jeder Haftung f ü r Verluste oder Schäden frei werden, wenn nicht der Anspruch innerhalb eines Jahres seit der Ablieferung der Güter oder seit dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten abgeliefert werden müssen, gerichtlich geltend gemacht wird. Im Falle tatsächlicher oder vermeintlicher Verluste oder Beschädigungen sollen der Unternehmer und der Empfänger verpflichtet sein, einander alle angenemessenen Erleichterungen zu gewähren, um die Güter besichtigen und ihre Mängel feststellen zu können. Vgl. die rechtsvergleichenden Hinweise in Anm. 11 zu § 612 HGB. Siehe für Ägypten Trap- 1 pe, Hansa 1961 S. 665. Siehe OLG Hamburg Hansa 1974 S. 365: Die einjährige Klagefrist des Art. 3 (6) der Haager Regeln kann nach us-amerikanischem Recht durch eine Streitverkündung (tender to defend) nicht unterbrochen werden. Siehe dort auch über die Voraussetzung der Wirksamkeit einer Streitverkündung an den Reeder in einem Rechtsstreit gegen den Zeitcharterer nach deutschem Recht. Siehe franz. Kassationshof ETR 1970 S. 543: Die Konnossementsklausel, die dem Verfrachter das Recht gibt, das Entlöschungsunternehmen auf Kosten des Empfängers auszusuchen, erlaubt dem Kapitän, in der Person des Stauers denjenigen zu bezeichnen, der im Sinne von Art. 3 § 6 HR berechtigt ist, die Ware in Empfang zu nehmen und dem die Verpflichtung obliegt, eine wirksame Mängelanzeige in dem dafür von der Konvention vorgesehenen Zeitraum abzugeben. 7. Lorsque les marchandises auront été chargées, le connaissement que délivrera le transporteur, capitaine ou agent du transporteur au chargeur sera, si le chargeur le demande, un connaissement libellé „embarque" pourvu que, si le chargeur a auparavant reçu quelque document donnant droit à ces marchandises, il restitue ce document contre remise d'un connaissement „embarqué". Le transporteur, le capitaine ou l'agent aura également la faculté d'annoter au port d'embarquement, sur le document remis en premier lieu, le ou les noms du ou des navires sur lesquels les marchandises ont été embarquées et la date ou les dates de l'embarquement, et lorsque ce document sera ainsi annoté, il sera, s'il contient les mentions de l'article 3 (§ 3), considéré aux fins de cet article comme constituant un connaissement libellé „embarque". 915
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2. Teil : Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Übersetzung §7
Nach der Beendigung des Einladens soll das Konnossement, das der Unternehmer, Schiffer oder Agent des Unternehmers dem Ablader zu erteilen hat, auf Verlangen des Abladers und gegen Rückgabe eines ihm etwa vorher über dieselben Güter erteilten Titels als „Abladekonnossement" auszustellen sein. Jedoch soll der Unternehmer, Schiffer oder Agent des Unternehmers berechtigt sein, in dem Verschiffungshafen auf der zuerst erteilten Urkunde zu vermerken, wann und in welches Schiff die Güter abgeladen worden sind; enthält die Urkunde einen solchen Vermerk, so soll sie im Sinne dieses Artikels als Abladekonnossement gelten. 1
Vgl. wegen des Übernahmekonnossements für das deutsche Recht § 642 Abs. 1 und 5 HGB. Das Ubernahmekonnossement steht nach dem Konnossementsabkommen dem Bordkonnossement gleich, wenn es einen Vermerk enthält, wann und in welches Schiff die Güter abgeladen sind. Insoweit kann für das Konnossementsabkommen die in den einzelnen Rechtsordnungen verschieden beantwortete Frage dahingestellt bleiben, ob das Übernahmekonnossement ein echtes Konnossement sei. Siehe dazu Markianos, a. a. O. S. 77, mit weiteren Angaben. 8.
Toute clause, convention ou accord dans u n contrat de transport exonérant le transporteur ou le navire de responsabilité pour perte ou dommage concernant des marchandises provenant de négligence, faute ou manquement aux devoirs ou obligations édictés dans cet article ou atténuant cette responsabilité autrement que ne le prescrit la présente Convention, sera nul, non avenu et sans effet. U n e clause cédant le bénéfice de l'assurance au transporteur ou toute autre clause semblable sera considérée comme exonérant le transporteur de sa responsabilité. Übersetzung §8 Die Haftung des Unternehmers oder des Schiffes für Verlust, oder Beschädigung von Gütern oder für Schäden in bezug auf Güter soll, soweit der Schaden auf Verschulden oder auf Nichterfüllung der in diesem Artikel vorgesehenen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten beruht, im Frachtvertrage weder ausgeschlossen noch in anderer Weise, als in diesem Abkommen vorgeschrieben ist, beschränkt werden können. Die Klausel, durch die dem Unternehmer der Anspruch aus der Versicherung abgetreten wird, und jede ähnliche Klausel sollen als Ausschluß der Haftung des Unternehmes angesehen werden. 1
1. Die Bestimmung legt den zwingenden Charakter der Haftung des Unternehmers für Verlust oder Beschädigung der Güter, wie sie in Art. 3 vorgesehen ist, fest. Vgl. § 662 HGB und die dortigen Erläuterungen. Entsprechend dem § 662 HGB haben auch alle übrigen HR-Gesetze eine zwingende Haftung des Unternehmers für die Fälle vorgesehen, in denen das Konnossementsabkommen seine Anwendung bestimmt. Vgl. für diejenigen Staaten, die die HR fast wörtlich übernommen haben, Art. 3 § 8, von den übrigen Staaten für Curacao, Surinam und Indonesien Art. 470 Abs. 1 1 bis 2, Art. 470 a HGB, Frankreich Art. 29 Ges. v. 1966, Griechenland Art. 142 Gesetzbuch des privaten Seerechts von 1958, Italien Art. 424 Abs. 1 Satz 1 c. nav., Japan Art. 15 Abs. 1 bis 2 Gesetz über die internationale Seebeförderung von Waren von 1957, Jugoslawien Art. 36 Abs. 2, Art. 58 Gesetz betr. die Verwendung von Seeschiffen von 1959, Libanon und Syrien Art. 212 Seehandelsgesetzbuch, Niederlande Art. 468 Abs. 9 bis 10 WvK, Schweiz Art. 117 Abs. 1 und Art. 162 Abs. 2 b Seeschiffahrtsgesetz, Spanien Art. 10 und 14 Gesetz über die Seebeförderung von Waren von 1949, Südafrikanische Union sect. 308 Abs. 12, sect. 310 Abs. 1 MShA, Türkei Art. 1116 HGB. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 95. Die „benefit of insurance clause" (vgl. darüber Anm. 10 zu § 662) findet sich nicht in den HR-Gesetzen der Schweiz (Art. 117 Abs. 1 des Seegesetzbuches erklärt für nichtig „jede Abrede mit dem mittelbaren Ziele, die gesetzliche Haftung aufzuheben" ; es ist zweifelhaft, ob darunter auch die benefit of insurance clause fällt, siehe dazu Markianos, a. a. O. S. 96), Italiens, der Sowjetunion, Indonesiens, Surinams und Curaçaos. 916
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2. Das Konnossementsabkommen sagt nichts darüber, ob Klauseln, die die in dem Abkom- 2 men vorgesehene Beweislast zugunsten des Unternehmers ändern, in jedem Falle unzulässig sind oder nur dann, wenn sie die in dem Abkommen vorgesehene Haftung des Unternehmers beschränken. Das letztere wird angenommen von Dor, Bill of Lading Clauses S. 130, Marais, Les transports internationaux de marchandises par mer et la jurisprudence en droit comparé 1949, S. 112, Royer, Hoofdzaken der vervoerdersaansprakelijkheid in het zeerecht, 1959, S. 132 ff., Smeesters-Winkelmolen, Bd. II Nr. 741 (siehe dagegen die Bedenken bei Markianos, a. a. O. S. 97). Ausdrücklich wird eine Änderung der Beweislast, wie sie in dem Konnossementsabkommen vorgesehen ist, in Griechenland, Guinea, Libanon, Schweiz, Spanien, Syrien, Tunesien und in der Türkei für unzulässig erklärt (vgl. Markianos, a. a. O.), mittelbar jedenfalls außer in Deutschland in Italien und Japan. In Indonesien, Surinam und Curacao sind nur Beweislastklauseln, die sich auf die Pflicht des Unternehmers zum Beweis der anfänglichen See- und Ladungstüchtigkeit beziehen, ausdrücklich für nichtig erklärt. 3. Siehe über Gerichtsstandsklauseln und ihre Vereinbarkeit mit § 8 Vorbemerkung vor § 556 H G B Anm. 45.
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Article 4 1. Ni le transporteur ni le navire ne seront responsables des pertes ou dommages provenant ou résultant de l'état d'innavigabilité, à moins qu'il soit imputable à un manque de diligence raisonnable de la part du transporteur à mettre le navire en état de navigabilité ou à assurer au navire un armement, équipement ou approvisionnement convenables, ou à approprier et mettre en bon état les cales, chambres froides et frigorifiques, et toutes autres parties du navire où des marchandises sont chargées, de façon qu'elles soient aptes à la réception, au transport et à la préservation des marchandises, le tout conformément aux prescriptions de l'article 3 (§ 1 er). Toutes les fois qu'une perte ou un dommage aura résulté de l'innavigabilité, le fardeau de la preuve, en ce qui concerne l'exercice de la diligence raisonnable, tombera sur le transporteur ou sur toute autre personne se prévalent de l'exonération prévue au présent article. Übersetzung Artikel 4 §1 Weder der Unternehmer noch das Schiff sollen für Verluste oder Schäden haften, die aus einem Mangel an Seetüchtigkeit entstehen, es sei denn, daß der Mangel darauf beruht, daß der Unternehmer nicht gemäß Art. 3 § 1 die gehörige Sorgfalt angewandt hat, um das Schiff seetüchtig zu machen oder um es gehörig zu bemannen, einzurichten oder zu verproviantieren oder um die Lade-, Kühl- und Gefrierräume oder andere Teile des Schiffes, in denen Güter verladen werden, für deren Aufnahme, Beförderung und Erhaltung einzurichten und instand zu setzen. In allen Fällen, in denen Verluste oder Schäden aus einem Mangel an Seetüchtigkeit entstehen, soll die Beweislast für die Anwendung der gehörigen Sorgfalt den Unternehmer oder denjenigen treffen, der seine Befreiung von der Haftung auf Grund dieses Artikels geltend macht. Während Art. 3 § 1 die Pflichten bezüglich der anfänglichen See- und Ladungstüchtigkeit regelt, betrifft Art. 4 § 1 die diesbezügliche Haftung. Vgl. über Gehalt und Bedeutung der Bestimmung im einzelnen die Anm. zu Art. 3 § 1, § 559 HGB, insbesondere dort Anm. 19. Siehe rechtsvergleichend vornehmlich auch die Ausführungen bei Markianos, a. a. O. S. 128 ff. 2.
Ni le transporteur, ni le navire ne seront responsables pour perte ou dommage résultant ou provenant: a) Des actes, négligence ou défaut du capitaine, marin, pilote, ou des préposés du transporteur dans la navigation ou dans l'administration du navire; 917
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b) D'un incendie, à moins qu'il ne soit causé par le fait ou la faute du transporteur; c) Des périls, dangers ou accidents de la mer ou d'autres eaux navigables; d) D'un acte de Dieu; e) De faits de guerre; 0 Du fait d'ennemis publics; g) D'un arrêt ou contrainte de prince, autorités ou peuple, ou d'une saisie judicaire; h) D'une restriction de quarantaine; i) D'une acte ou d'une omission du chargeur ou propriétaire des marchandises, de son agent ou représentant ;
j) De grèves ou lock-out, d'arrêts ou entraves apportés au travail, pour quelque cause que ce soit, partiellement ou complètement; k) D'émeutes ou de troubles civils; 1) D'un sauvetage ou tentative de sauvetage de vies ou de biens en mer; m) De la freinte en volume ou en poids, ou de toute autre perte ou dommages résultant de vice caché, nature spéciale ou vice propre de la marchandise; n) D'une insuffisance d'emballage; 0) D'une insuffisance ou imperfection de marques; p) De vices cachés échappant à une diligence raisonnable; q) De toute autre cause ne provenant pas du fait ou de la faute du transporteur ou du fait ou de la faute des agents ou préposés du transporteur, mais le fardeau de la preuve incombera à la personne réclament le bénéfice de cette exception, et il lui appartiendra de montrer que ni la faute personelle, ni le fait du transporteur, ni la faute ou le fait des agents ou préposés du transporteur n'ont contribué à la perte ou au dommage.
Übersetzung §2 Weder der Unternehmer noch das Schiff sollen für Verluste oder Schäden haften, die entstehen: a) aus Handlungen, Nachlässigkeit oder Unterlassungen des Schiffers, der Schiffsoffiziere, der Schiffsmannschaft, des Lotsen oder der im Dienste des Unternehmers stehenden Personen bei der Führung oder dem Betriebe des Schiffes; b) aus Feuer, es sei denn durch eigenes Verschulden des Unternehmers verursacht; c) aus Gefahren oder Unfällen der See und anderer schiffbarer Gewässer; d) aus Naturereignissen ; e) aus kriegerischen Ereignissen; f) aus Handlungen öffentlicher Feinde; g) aus Behinderung durch Herrscher, Behörden oder Volk oder aus gerichtlicher Beschlagnahme; h) aus Quarantänebeschränkungen; 1) aus Handlungen oder Unterlassungen des Abladers oder des Eigentümers des Guts, seines Agenten oder Vertreters; j) aus Streik oder Aussperrung, Unterbrechung oder Hemmung der Arbeit ohne Rücksicht auf Grund und Ausdehnung; k) aus Aufruhr oder bürgerlichen Unruhen; 1) aus der Rettung oder dem Versuch der Rettung von Leben oder Eigentum zur See ; m) aus Schwund an Raumgehalt oder Gewicht oder aus einem anderen Verlust oder Schaden, der durch verborgene Mängel, durch die besondere Natur des Guts oder durch die dem Gute eigenen Mängel herbeigeführt ist; n) aus Unzulänglichkeit der Verpackung; 918
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o) aus Unzulänglichkeit oder Ungenauigkeit der Merkzeichen; p) aus verborgenen, bei Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht zu entdeckenden Mängeln; q) aus irgendeiner anderen Ursache, die nicht durch Verschulden des Unternehmers, seiner Agenten oder der in seinem Dienste stehenden Personen herbeigeführt ist; doch soll die Beweislast dafür, daß weder das eigene Verschulden des Unternehmers noch ein Verschulden seiner Agenten oder der in seinem Dienste stehenden Personen zu dem Verlust oder Schaden beigetragen hat, demjenigen obliegen, der sich auf diesen Befreiungsgrund beruft. Schrifttum: Pece, L'Incendie e bordo quäle pericolo eccettuato secondo la Conventione di Bruxelles del 1924 e secondo il Codice della Navigazione, Festschrift für Berlingieri, 1964 S. 402. 1. Litt, a bestimmt die Nichthaftung des Unternehmers f ü r Verschulden der Schiffsbesat- 1 zung und seiner Leute bei der Führung oder dem Betriebe des Schiffes. Alle HR-Gesetze sehen diese Nichthaftung für das sog. nautische Verschulden vor mit Ausnahme der Gesetze von Indonesien, Curacao und Surinam, in welchen eine Haftung des Unternehmers auch für nautisches Verschulden der Leute bestimmt ist, allerdings vertraglich ausgeschlossen werden kann. Vgl. im einzelnen die Angaben bei Markianos, a. a. O. S. 144 f. Vgl. über die materielle Bedeutung der Vorschrift vornehmlich die Anm. 9 ff. zu § 607 HGB. 2. Litt, b bestimmt die Nichthaftung für Feuer, es sei denn, daß dieses durch eigenes Ver- 2 schulden des Unternehmers verursacht ist. Vgl. über die materiellrechtliche Bedeutung der Bestimmung vornehmlich die Ausführungen in Anm. 24 ff. zu § 607 HGB. Die Nichthaftung für Feuer ist nicht erwähnt in den HR-Gesetzen Indonesiens, Curacaos, Surinams, Libanons und Syriens. Nach diesen Gesetzen genügt deshalb für die Befreiung des Unternehmers f ü r die Haftung von Feuerschaden nicht allein der Nachweis, daß der Schaden durch Feuer entstanden ist, vielmehr muß er nachweisen, daß die Nichthaftung für den Feuerschaden durch einen der in dem betr. HR-Gesetz erwähnten Entlastungstatbestände belegt ist, insbesondere nach den Gesetzen Libanons und Syriens, daß das Feuer durch Zufall oder höhere Gewalt verursacht ist, nach den Gesetzen Indonesiens, Curacaos und Surinams, daß das Feuer durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnte. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 156. Während dem Konnossementsabkommen die Nichthaftung für Feuerschaden den Zeitraum vom Beginn des Einladens der Güter in das Schiff bis zu ihrer Ausladung aus dem Schiff umfaßt (vgl. Art. 1 litt, e), spricht das japanische Gesetz über die internationale Seebeförderung von Waren von 1957 nur von einer Befreiung bei „Feuer des Schiffes", das jugoslawische Gesetz betr. Verträge über die Verwendung von Seeschiffen von 1959 von „Feuer auf dem S c h i f f , das schweizerische Seeschiffahrtsgesetz von „Feuer an Bord". 3. a) In den litt, c bis g ist eine Reihe von Ereignissen zusammengefaßt, in denen die Haf- 3 tung des Unternehmers ausgeschlossen ist („excepted perils"). Eine gleiche Liste enthalten außer den grundsätzlich inhaltsgleichen HR-Gesetzen Deutschland (§ 608 Abs. 1 HGB), Frankreich (Art. 27 Ges. v. 1966), Griechenland (Art. 144 Gesetzbuch des privaten Seerechts von 1958), Italien (Art. 422 Abs. 2 c. nav.), Japan (Art. 4 Abs. 2 Gesetz über die internationale Seebeförderung von Waren von 1957), Jugoslawien (Art. 54 Gesetz betr. Verträge über die Verwendung von Seeschiffen von 1959), Libanon und Syrien (Art. 210 Abs. 1 Ziff. 3 - 6 der Seehandelsgesetze), Niederlande (Art. 469 Abs. 2 Ziff. c - p WvK), Schweiz (Art. 103 litt, a - d und g—i Seeschiffahrtsgesetz), Spanien (Art. 8 Abs. 3 litt, c —p Gesetz über die Seebeförderung von Waren von 1949), Südafrikanische Union (sec. 309 Abs. 2 litt, c—p MShA), Türkei (Art. 1063 Abs. 1 HGB). b) Siehe über die materiellrechtliche Bedeutung der litt, c —p vornehmlich die Erläuterun- 4 gen zu § 608 HGB. In Anm. 1 zu § 608 ist darauf hingewiesen worden, daß es sich aus litt, c —p nicht mit Sicherheit ergibt, ob die Haftungsbefreiung auch im Falle des Verschuldens eintritt. Der Klarstellung dieser Frage dient Abs. 3 Ziff. 1 des Zeichnungsprotokolls, wonach es den Vertragsstaaten anheimgestellt ist, im Falle des Verschuldens des Unternehmers oder eines nicht unter litt, a fallenden Verschuldens der im Dienste des Unternehmers stehenden Personen die Haftung von Bestand zu lassen. Eine diesbezügliche Regelung findet sich 919
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ausdrücklich in den HR-Gesetzen der skandinavischen Staaten und in Frankreich (Art. 27 Abs. 2 Ges. von 1966), mittelbar in der Bundesrepublik, Guinea, Italien, Japan, Jugoslawien, Libanon, Syrien, Tunis und der Türkei. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 162. Art. 470, 471 der Handelsgesetze von Indonesien, Surinam und Curacao lassen, falls der Schaden durch bestimmte objektive Ereignisse eingetreten ist, einen vertraglichen Haftungsausschluß zu. Siehe dazu Völlmar, Zee- en Binnenvaartrecht, 2. Aufl. 1952, S. 125 f. und Cleveringa, Het nieuwe zeerecht, 3. Aufl. 1946. Für die Schweiz ist zweifelhaft, ob Art. 103 des Seeschiffahrtsgesetzes so zu verstehen ist, daß die Haftungsbefreiung absolut bei jedem Vorliegen der dort aufgeführten Ereignisse eintritt. So Eisenhart, Die zwingenden Rechtsvorschriften im Seefrachtrecht, Diss. Basel 1953, S. 125; anders Hosner, La responsabilité du transporteur maritime, Etüde de droit suisse, Diss. Lausanne S. 100; Markianos, a . a . O . S. 163. Für die Niederlande vgl. Art. 469 Abs. 2 WvK, in dem sich keine Haftungsbeschränkung für den Verschuldensfall findet. Doch sieht das Gesetz Nr. 399 vom 15. 8. 1955 in Art. 2 eine gesetzliche Regelung vor, daß in den Fällen des Art. 4 Abs. 2 litt, c —p der Konnossementsinhaber ein Verschulden des Unternehmers oder ein nicht nautisches Verschulden seiner Leute nachweisen darf. Markianos, a. a. O., meint, damit habe sich der Gesetzgeber ein Eingreifen für den Fall vorbehalten, daß die Rechtsprechung den Art. 469 Abs. 2 WvK im Sinne eines absoluten Haftungsausschlusses interpretieren werde. Für Griechenland siehe Markianos, a. a. O. S. 164. — Für das Konnossementsabkommen selbst nimmt Markianos an, daß es hinsichtlich der excepted perils wohl im Sinne einer Befreiung nur bei NichtVerschulden zu verstehen sei. Dementsprechend kommt er (S. 162 f.) zu einer solchen Auslegung auch bei allen gleichgefaßten HR-Gestzen, ebenso für Spanien und die Südafrikanische Union. 5
c) Für die Beweislastverteilung bei excepted perils im deutschen Recht siehe Anm. 3 ff. zu § 608 HGB. Für das englische Recht wurde vom Court of Appeal i. Sa. The Glendarroch (1894) 63 Law Journal, Probate, Divorce and Admiralty Division 89, die Ansicht vertreten, der Unternehmer habe nur das peril, der Ladungsbeteiligte das Verschulden zu beweisen. Vgl. zu der umstrittenen Frage, ob das auch noch unter der Herrschaft des Carriage of Goods by Sea Act gelte, Markianos, a. a. O. S. 167.
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d) aa) Siehe im einzelnen zu litt, c Anm. 9 f. zu § 608 HGB und außer den dort angeführten Nachweisen insbesondere auch Markianos, a. a. O. S. 168 ff. Für das französische Recht siehe Bieber, Das neue französische Seefrachtrecht, Diss. Frankfurt/M. 1972, S. 96 f. Die Seegefahr ist im französischen Recht nicht besonders erwähnt, sondern wird dort unter Art. 27 des Gesetzes von 1966 mit den dort erwähnten „faits constituant un événement non imputable au transporteur" gerechnet. Siehe auch Ripert, Traité Général Bd. II, S. 272f.; de la Grassiere, La force majeure et le cas fortuit en face de la loi du 2 avril 1936 sur le transport des marchandises par mer, D M F 1958 S. 383 ff.; Gerichtshof Aix D M F 1955 S. 290. Siehe für das französische Recht auch Kassationshof MDR 1956 S. 708 mit Anm. von Sieg und de Juglart = Recht der Schiffahrt 35—49 — 28 (Bd. II Heft 2). In Italien wird eine Seegefahr als ein Fall der höheren Gewalt angesehen, obwohl der c. nav. anders als das französische Gesetz ausdrücklich die Seegefahren erwähnt. Siehe für das italienische Recht etwa die Entscheidungen AppG Genua II Diritto Marittimo 1955 S. 134 und 478; Gericht Genua II Diritto Marittimo 1952 S. 265, 1954 S. 113 und 116, 1955 S. 247 und 654. Für das spanische Recht wird eine gleiche Ansicht von Calero, El contrato de transporte marítimo de mercancías, 1957, S. 148 f. vertreten. Vgl. f ü r Ägypten die bei Trappe, Hansa 1961 S. 664 angeführte Entscheidung des AppG Alexandria: „Die Seegefahr ergibt sich aus der Seeschiffahrt eigenen und voraussehbaren Umständen. Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, um ihre Folgen — Kentern, Stranden usw. — zu vermeiden. Bei der höheren Gewalt dagegen handelt es sich um ein aus natürlichem Grund entstehendes Ereignis, das der Verfrachter weder voraussehen noch verhindern kann, wie z. B. Blitzschlag, Wirbelsturm und dergleichen."
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bb) Der in litt, d enthaltene Begriff des Naturereignisses ist in das deutsche Seefrachtrecht nicht mitübernommen worden. Gleiches gilt für Griechenland, Italien und der Türkei. Der Begriff des Naturereignisses geht zwar über denjenigen der „Gefahren der See" hinaus, hat aber neben ihm kaum selbständige praktische Bedeutung. Vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der HR, 1960, S. 97. Nach Markianos ist von Naturereignissen außer in den abkommensgleichen
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HR-Gesetzen nur die Rede in Art. 469 Abs. 2 litt, d WvK und in Art. 4 des japanischen Gesetzes über die internationale Seebeförderung von Waren von 1957. Dennoch besteht in der Sache nahezu Übereinstimmung, weil ein Naturereignis (act of God) im Sinne des anglo-amerikanischen Rechts dem Begriff der höheren Gewalt im Sinne der kontinental-europäischen Rechte entspricht, insbesondere beide verschuldete Ereignisse ausschließen. cc) Über kriegerische Ereignisse vgl. Anm. 11 zu § 608 HGB und Markianos, a. a. O. S. 172. 8 Sie sind im französischen Gesetz vom 16. 6. 1966 (ebenso in Libanon und in Syrien) nicht besonders angesprochen, sondern fallen dort unter den Begriff der höheren Gewalt. dd) Wegen Handlungen öffentlicher Feinde siehe Anm. 13 zu § 608 HGB und Markianos, 9 a. a. O. S. 172. Die HR-Gesetze Frankreichs, Griechenlands, der Schweiz, Libanons, Syriens und der Sowjetunion erwähnen diese nicht. In Art. 422 Abs. 2 c. nav. und in Art. 4 Abs. 2 Ziff. 4 des japanischen Gesetzes über die internationale Warenbeförderung zur See ist die Rede von Seeräuberei, in Art. 469 Abs. 2 litt, f WvK von „Handlungen von Feinden des Staates". ee) Wegen litt, g (Behinderung durch Herrscher, Behörden oder Volk oder aus gerichtlicher 10 Beschlagnahme) vgl. Anm. 15 zu § 608 HGB, Götz, Das Seefrachtrecht der HR S. 113 und Markianos, a. a. O. S. 173. Auch hier ist eine besondere Erwähnung dieser Ereignisse in den Gesetzen Frankreichs, Libanons und Syriens nicht erfolgt, so daß es in diesen Ländern einer Prüfung bedarf, ob sie unter den Begriff des Zufallsereignisses gebracht werden können. Nach US District Court, Northern District of Ohio i. Sa. John Morrisey v. Steamship A. & I. Faith, AMC 1966 S. 71 darf die gerichtliche Beschlagnahme weder vorhersehbar noch verschuldet sein. So auch Manca, International Maritime Law, Bd. 2 S. 208. ff) Wegen litt, i (Handlungen oder Unterlassungen des Abladers oder des Eigentümers des 11 Guts, eines Agenten oder Vertreters siehe Anm. 17 zu § 608 HGB und Markianos, a. a. O. S. 173. Auch diese Umstände sind in den HR-Gesetzen Libanons und Syriens nicht erwähnt und können dort nur unter den Begriff der höheren Gewalt eingeschlossen werden. gg) Wegen litt, j (Streik oder Aussperrung, Unterbrechung oder Hemmung der Arbeit ohne 12 Rücksicht auf Grund und Ausdehnung) siehe Anm. 16 zu § 608 HGB, ferner Götz, a. a. O. S. 113 f. und Markianos, a. a. O. S. 174. Vgl. für die USA, die Philippinen und Liberia die Auslegungsregel in sec. 4 Abs. 2 litt, j der dortigen HR-Gesetze. Die Bestimmung hat keine Erwähnung in dem sowjetischen Recht gefunden. hh) Siehe wegen litt, k (Aufruhr oder bürgerliche Unruhen) Anm. 11 zu § 608 HGB und 1 3 Markianos, a. a. O. S. 174. ii) Vgl. für litt. 1 (Rettung oder dem Versuch der Rettung von Leben oder Eigentum zur See) 1 4 Anm. 4 und 5 zu § 536 HGB, die Anm. zu § 636 a HGB und Markianos, a. a. O. S. 175. Die Bestimmung ist in alle HR-Gesetze übergegangen. kk) Für litt, m (Schwund an Raumgehalt oder Gewicht oder aus einem anderen Verlust 1 5 oder Schaden, der durch verborgene Mängel, durch die besondere Natur des Guts oder durch die dem Gute eigenen Mängel herbeigeführt ist) siehe Anm. 19 zu § 608 HGB, Markianos, a. a. O. S. 175 f., de la Grassiire, Le vice propre des marchandises en droit maritime, DMF 1960 Nr. 141 und 142. 11) Die in litt, n erwähnte Unzulänglichkeit der Verpackung ist nicht erwähnt in den HR-Ge- 1 6 setzen Deutschlands und der Türkei. Eine Befreiung des Unternehmers würde aber auch in diesen Ländern eintreten, weil die Unzulänglichkeit der Verpackung auf einer Handlung oder Unterlassung des Abladers oder einer von ihm bestellten Person beruht (§ 608 Abs. 1 Ziff. 5 HGB, Art. 1063 Abs. 1 Ziff. 5 türk. HGB; Markianos, a. a. O. S. 176). Siehe H o f s Gravenhage Schip en Schade 1962 S. 140 = Hansa 1963 S. 1520: Die auf das Konnossement gestempelte Klausel „unpacked cars — ship not responsible for scratches small dents" bildet eine unzulässige Beschränkung der Reederhaftung und ist nach Art. 3 § 8 HR nichtig. Soweit damit der Gesichtspunkt der „Unzulänglichkeit der Verpackung" (Art. 4 § 2 n) geltend gemacht werden sollte, trifft das nicht zu, denn eine ungenügende Verpackung verpackter Güter ist etwas anderes als die hier verschifften unverpackten PKW. 921
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mm) Für die in litt, o erwähnte Unzulänglichkeit oder Ungenauigkeit der Merkzeichen gilt gleiches wie in Anm. 16.
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nn) Die in litt, p angesprochenen verborgenen, bei Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht zu 1 8 entdeckenden Mängel sind außer in den wörtlich übernommenen HR-Gesetzen nur in Art. 469 Abs. 2 litt, p WvK und Art. 8 Abs. 3 des spanischen Gesetzes über die Seebeförderung von Waren von 1949 erwähnt; ähnlich die skandinavischen Seegesetze, in denen von verborgenen Mängeln des Schiffes die Rede ist. Doch ergibt sich aus der Nichterwähnung ein Auseinanderfallen der materiellen Regelung in den einzelnen Mitgliedstaaten der HR nicht, weil dann die allgemeinen Vorschriften des Abkommens eingreifen. Vgl. Markiânos, a. a. O. S. 176 ff. Siehe auch die Ausführungen in Anm. 9 zu § 559 HGB, Götz, a. a. O. S. 94.
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4. Litt, q enthält die allgemeine Regel, daß der Unternehmer nicht haften soll aus irgendeiner anderen Ursache, die nicht durch Verschulden des Unternehmers, seiner Agenten oder der in seinem Dienst stehenden Personen herbeigeführt ist. Die Beweislast für das Nichtvorliegen eines Verschuldens obliegt demjenigen, der sich auf diesen Befreiungsgrund beruft, also dem Unternehmer. Vgl. die Erläuterungen in Anm. 27 ff. zu § 606 HGB. 3. Le chargeur ne sera pas responsable des pertes ou dommages subis par le transporteur ou le navire et qui proviendraient ou résulteraient de toute cause quelconque sans qu'il y ait acte, faute ou négligence du chargeur, de ses agents ou de ses préposés.
Übersetzung §3 Der Befrachter soll nicht f ü r Verluste oder Schäden haften, die der Unternehmer oder das Schiff aus irgendeinem Grunde erleiden, ohne daß Handlungen, Fehler oder Nachlässigkeit des Befrachters, seiner Agenten oder der in seinem Dienste stehenden Personen vorliegen. 4. Aucun déroutement pour sauver ou tenter de sauver des vies ou des biens en mer, ni aucun déroutement raisonnable ne sera considéré comme une infraction à la présente Convention ou au contrat de transport, et le transporteur ne sera responsable d'aucune perte ou dommage en résultant. Übersetzung §4 Wird zum Zweck der Rettung oder des Versuchs der Rettung von Leben oder Eigentum zur See oder in sonst gerechtfertiger Weise vom Reiseweg abgewichen, so soll dies nicht als Verletzung dieses Abkommens oder als Bruch des Frachtvertrags angesehen werden, und der Unternehmer soll für einen daraus entstehenden Verlust oder Schaden nicht haften. 1
1. Die Bestimmung befaßt sich mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Unternehmer von der Haftung für Schäden frei sein soll, die ihre Ursache in einer Deviation haben. Nicht geregelt im Abkommen ist die Frage, welches die Folgen einer Deviation sind, wenn diese nach Art. IV § 4 nicht gerechtfertigt ist. Das entscheidet sich nach dem in Betracht kommenden nationalen Recht. Vgl. für das deutsche Recht Anm. 3 zu § 636 a HGB. Siehe wegen der Rettung oder den Versuch zur Rettung von Leben oder Eigentum zur See auch Art. IV § 2 des Abkommens. In Art. IV § 4 ist ausdrücklich hervorgehoben, daß eine solche Rettung auch eine Deviation rechtfertigt. Im Hinblick auf die durch Art. IV § 2 hervorgehobene allgemeine Befreiungsvorschrift bei Rettungsmaßnahmen ist in den HR-Gesetzen Griechenlands und der Schweiz die wegen Rettungsmaßnahmen erfolgte Deviation nicht besonders hervorge' 922
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hoben worden. Ein sachlicher Unterschied gegenüber dem Konnossementsabkommen ergibt sich dadurch nicht. Siehe in dem gleichen Sinne Markianos, a. a. O. S. 175. Über die „sonst gerechtfertigte Deviation" sind keine besonderen Bestimmungen in den HR-Gesetzen Frankreichs (Gesetz vom 16. 6. 1966), Italiens (c. nav.), der Schweiz, Libanons, Syriens, Indonesiens, Curaçaos und Surinams aufgenommen worden. Nach diesen Rechten kann sich also der Unternehmer auf eine „sonst gerechtfertigte Deviation" nicht berufen. Vielmehr kann er nur geltend machen, daß der Schaden auf einem Umstand beruhe, für den er sonstwie nach den in Betracht kommenden Gesetzen nicht hafte, insbesondere deshalb, weil ein Verschulden nicht vorliege. Vgl. Markianos, a . a . O . S. 180. Mißverständlich erscheint der sich bei Markianos, a. a. O. S. 179 für das deutsche Recht — § 636 a HGB — und die sonstigen Rechte, die ausdrücklich besagen, daß die gerechtfertige Deviation kein Vertragsbruch sei und daß der Unternehmer für den daraus entstehenden Schaden nicht hafte (so Art. 469 Abs. 4 WvK, sec. 309 Abs. 4 MSchA der Südafrikanischen Union, Art. 1091 türkisches HGB, Art. 4 Abs. 2 Ziff. 8 des japanischen Gesetzes über die internationale Seebeförderung von Waren, Art. 9 des spanischen Gesetzes über die Seebeförderung von Waren, Art. 54 Ziff. 4 des jugoslawischen Gesetzes betreffend Verträge über die Verwendung von Seeschiffen) findende Satz, nach diesen Gesetzen befreie sich der Beförderer von der Haftung, wenn er beweise, daß der Schaden aus einer Deviation entstanden sei und daß diese gerechtfertigt gewesen sei; der Ladungsberechtigte könne dann aber diese Einwendung durch den Beweis vernichten, daß der Schaden auf einem vom Unternehmer zu vertretenden Verschulden beruhe. Das ist nur dann zutreffend, wenn es sich um einen Schaden handelt, der nicht durch die berechtigte Deviation gedeckt ist, und auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihr steht. Kaum der Hervorhebung bedarf es, daß der Verfrachter auch bei berechtigter Deviation, soweit möglich, zur sorgfältigen Ladungsfürsorge verpflichtet bleibt. 2. Wegen der materiellen Rechtslage, auch rechtsvergleichend, siehe die Anmerkungen zu 2 § 636 a HGB, auch Anm. 4 und 5 zu § 536 HGB. 5. Le transporteur comme le navire ne seront tenus en aucun cas des pertes ou dommages causés aux marchandises ou les concernant pour une somme dépassant 100 livres sterling, par colis ou unité, ou l'équivalent de cette somme en une autre monnaie, à moins que la nature et la valeur de ces marchandises n'aient été déclarées par le chargeur avant leur embarquement et que cette déclaration ait eété insérée au connaissement. Cette déclaration ainsi insérée dans le connaissement constituera une présomption, sauf preuve contraire, mais elle ne liera pas le transporteur qui pourra la contester. Par convention entre le transporteur, capitaine ou agent du transporteur et le chargeur, une somme maximum différente de celle inscrite dans ce paragraphe peut être déterminée, pourvu que ce maximum conventionnel ne soit pas inférieur au chiffre cidessus fixé. Ni le transporteur ni le navire ne seront en aucun cas responsables pour perte ou dommage causé aux marchandises ou les concernant, si dans le connaissement le chargeur a fait sciemment une déclaration fausse de leur nature ou de leur valeur. Übersetzung §5 In keinem Falle sollen der Unternehmer oder das Schiff für Verlust oder Beschädigung der Güter oder für Schäden in bezug auf die Güter zu einem höheren Betrag als einhundert Pfund Sterling f ü r das Stück oder die Einheit oder für einen dieser Summe entsprechenden Betrag einer anderen Währung haften, es sei denn, daß die Natur und der Wert dieser Güter vor ihrer Einladung vom Ablader angegeben und daß diese Angabe in das Konnossement aufgenommen ist. Eine so in das Konnossement aufgenommene Angabe soll zum Beweise genügen, für den Unternehmer jedoch nicht bindend oder unwiderlegbar sein. 923
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Durch Vereinbarung zwischen dem Unternehmer, dem Schiffer oder dem Agenten des Unternehmers einerseits und dem Befrachter andererseits soll ein anderer als der in diesem Paragraphen angegebene Höchstbetrag bestimmt werden können, sofern der vereinbarte Höchstbetrag nicht niedriger als die vorstehend festgesetzte Summe ist. In keinem Fall soll der Unternehmer oder das Schiff für Verlust oder Beschädigung von Gütern oder für Schäden in bezug auf Güter haften, wenn der Ablader im Konnossement eine wissentlich falsche Angabe über ihre Natur oder ihren Wert gemacht hat. 1
1. Die Bestimmung enthält als einen der Grundgedanken der HR die Vorschrift, daß der Unternehmer, wenn er auf Grund der vorhergehenden Bestimmungen dem Konnossementsberechtigten gegenüber grundsätzlich ersatzpflichtig ist, den Schaden dennoch nur in beschränktem Umfange zu ersetzen hat. Art. IV § 5 findet sich in allen HR-Gesetzen. Nur in denjenigen Indonesiens, Surinams und Curacaos findet sich die Modifikation, daß die Haftungsbeschränkung dort nicht ex lege gilt, sondern der Vereinbarung bedarf. Die Haftungsbeschränkung gilt — auch darin stimmen alle HR-Gesetze überein —, für jedes Stück oder jede Einheit, aber nicht als wertmäßige Schadensfixierung, sondern nur als Haftungshöchstsumme, innerhalb derer der Geschädigte seinen Schaden nachweisen muß. Doch gilt die Summe nur, wenn kein Wert des Gutes besonders deklariert wurde oder vertraglich eine höhere Summe vereinbart wurde. Vgl. in materiellrechtlicher Hinsicht vornehmlich die Anm. 1 bis 7 zu § 660 HGB. Siehe auch Selvig, Unit Limitation of Carriers's Liability, The Hagne Rules Art. IV (5), Oslo 1960.
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2. In § 5 ist als Haftungshöchstbetrag die Summe von einhundert Pfund Sterling genannt worden. Dazu heißt es in Art. 9 Abs. 1, daß die in dem Abkommen angegebenen Geldeinheiten die Goldwerte bezeichneten. Wie in der Einleitung zu § 660 HGB dargelegt worden ist, ist die Bedeutung dieser Bestimmung zweifelhaft. Sicher ist, daß die Bestimmung in der Praxis der HR-Gesetze nicht als Goldwertklausel beachtet worden ist. Da nach Art. 9 Abs. 2 auch noch denjenigen Vertragsstaaten, in deren Gebiet das Pfund Sterling nicht als Währungseinheit verwendet wird, das Recht vorbehalten ist, die in dem Abkommen in Pfund Sterling angegebenen Summen durch abgerundete Beträge der Landeswährung zu ersetzen, haben sich die Höchsthaftungsbeträge in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich entwickelt. Nicht zu Unrecht bemerkt Markianos, a. a. O. S. 202, man könne ruhig sagen, daß in der Praxis jeder Streit um die Anwendung des einen oder des anderen HR-Gesetzes hauptsächlich ein Streit um die Höchsthaftungssummen sei. Bei Markianos, a. a. O. S. 202 ff., findet sich ein Überblick über den Stand der Höchsthaftungssummen in den einzelnen Ländern am 15. 10. 1959. Siehe auch Scrutton, S. 518. Danach beträgt die Summe 100 Pfund in den Staaten, die zum Britischen Commonwealth gehören (außer Kanada, Neufundland, Trinidad und Tobago), in Ägypten, Burma, Irland, Israel, Polen, Vatikanstadt. Dabei ist zu bedenken, daß in manchen der genannten Länder heute andere Währungseinheiten gelten und daß auch das Pfund Sterling nicht in allen Mitgliedstaaten des Commonwealth mit dem englischen Pfund identisch ist. Zweifelhaft ist für Großbritannien, ob mit der Summe Goldpfundnote gemeint sind (siehe dazu Scrutton, S. 441). Siehe über das englische Gold Clause Agreement Einleitung zu § 660 HGB und unten D. Die Haftungshöchstsumme beträgt in Belgien 17500 bfrs, in der Bundesrepublik Deutschland 1250 DM, in der Deutschen Demokratischen Republik 2800 M je Packung oder Einheit oder 10 M je kg Bruttomasse, in den skandinavischen Staaten 10000 Poincare-Franken für Packung oder Einheit oder 30 Poincare-Franken je kg Gewicht, in Frankreich 2000 frs, in Griechenland 8000 Drachmen, in Indonesien 600 hfl, in der UdSSR 250 Rubel, in Japan 100000 Yen, in Jugoslawien 200000 Dinar, in Kanada 500 kanadische Dollar, in Libanon 1000 lbn. Pfund, in Liberia 500 lbr. Dollar, in Neufundland 500 Dollar, in den Niederlanden 1250 hfl, auf den Philippinen 500 Dollar, in Portugal 12500 Esc., in der Schweiz 2000 sFr., in Spanien 5000 Pesetas, in Trinidad und Tobago 480 westind. Dollar, in Tunesien 100000 ffrs, in der Türkei 1500 trk. Pfund, in den USA 500 Dollar.
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3. Nach Abs. 3 kann die Höchsthaftungssumme durch Vertrag und Aufnahme in das Konnossement erhöht, aber nicht ermäßigt werden. Nach Abs. 1 kommt die gesetzliche oder vertragliche Höchsthaftungssumme nicht in Betracht, wenn der Wert des Ladungsgutes im Kon924
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nossement angegeben wurde. Entsprechende Bestimmungen finden sich in allen HR-Gesetzen. Vgl. dazu materiellrechtlich die Anm. 8 bis 13 zu § 660 HGB. 6.
Les marchandises de nature inflammable, explosive ou dangereuse, à l'embarquement desquelles le transporteur, le capitaine ou l'agent du transporteur n'auraient pas consenti, en connaissant la nature ou leur caractère, pourront à tout moment, avant déchargement, être débarquées à tout endroit ou détruites ou rendues inoffensives par le transporteur sans indemnité, et le chargeur de ces marchandises sera responsable de tout dommage et dépenses provenant ou résultant directement ou indirectement de leur embarquement. Si quelqu'une de ces marchandises, embarquées à la connaissance et avec le consentement du transporteur, devenait un danger pour le navire ou la cargaison, elle pourrait de même façon être débarquée ou détruite ou rendue inoffensive par le transporteur, sans responsabilité de la part du transporteur, si ce n'est du chef d'avaries communes, s'il y a lieu.
Übersetzung §6 Güter von entzündlicher, explosiver oder gefährlicher Natur, deren Abladung der Unternehmer, Schiffer oder Agent des Unternehmers nicht zugestimmt hätte, wenn sie die Beschaffenheit und Eigenart der Güter gekannt hätten, soll der Unternehmer, ohne ersatzpflichtig zu werden, jederzeit vor der Ausladung an jedem beliebigen Ort ausschiffen, vernichten oder unschädlich machen können, und der Ablader dieser Güter soll für alle Schäden und Kosten haften, die unmittelbar oder mittelbar aus ihrer Abladung entstehen. Gefährden derartige mit dieser Kenntnis und Zustimmung abgeladenen Güter das Schiff oder die Ladung, so soll der Unternehmer sie in gleicher Weise ausschiffen, vernichten oder unschädlich machen können, ohne daß er, abgesehen von seinem etwaigen Beitrag zur großen Haverei, dafür zu haften hätte. Vgl. §§ 564 ff. HGB und die dortigen Anmerkungen, Götz, Das Seefrachtrecht nach den 1 HR, S. 110 ff., Markianos, a. a. O. S. 195 (allgemein rechtsvergleichend für die HR-Gesetze), Carver, S. 253, 259; Scrutton, S. 444. Siehe für Großbritannien die Bestimmungen in sec. 446 MSchA 1894. Kraft Gesetzes hat nach dieser der Verfrachter keinen Schadensersatzanspruch gegen die Ladung, wenn die gefährlichen Güter offen verschifft werden. Vgl. Shaw Savill & Albion Co. v. Electric Réduction Sales Co., Quebec Superior Court 1955, 3 Dominion Law Reports 617. Article 5 Un transporteur sera libre d'abandonner tout ou partie de ses droits et exonérations ou d'augmenter ses responsabilités et obligations tels que les uns et les autres sont prévus par la présente Convention, pourvu que cet abandon ou cette augmentation soit inséré dans le connaissement délivré au chargeur. Aucune disposition de la présente Convention ne s'applique aux chartesparties; mais si des connaissements sont émis dans le cas d'un navire sous l'empire d'une chartepartie, ils sont soumis aux termes de la présente Convention. Aucune disposition dans ces règles ne sera considérée comme empêchant l'insertion dans un connaissement d'une disposition licite quelconque au sujet d'avaries communes. Übersetzung Artikel 5 Der Unternehmer soll befugt sein, auf alle oder einzelne seiner in diesem Abkommen vorgesehenen Rechte und Befreiungen zu verzichten oder seine in diesem Abkommen vorgesehe925
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nen Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen zu vermehren, sofern der Verzicht oder die Verpflichtungserklärung in das dem Ablader erteilte Konnossement aufgenommen wird. Keine Bestimmung dieses Abkommens gilt für Chartepartien; werden jedoch im Falle der Verfrachtung eines Schiffes durch Chartepartie Konnossemente ausgestellt, so sollen sie den Bestimmungen dieses Abkommens unterliegen. Keine Bestimmung dieses Abkommens soll so ausgelegt werden, als hindere sie, in das Konnossement irgendeine zulässige Bestimmung über die große Haverei aufzunehmen. 1
1. In Abs. 1 ist vorgesehen, daß der Unternehmer auf alle oder einzelne seiner in dem Abkommen vorgesehenen Rechte oder Befreiungen verzichten oder seine in dem Abkommen vorgesehenen Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen vermehren kann. Doch bedarf eine diesbezügliche Vereinbarung der Aufnahme in das Konnossement. Vgl. für das deutsche Recht § 662 Abs. 3 HGB.
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2. Nach Abs. 2 Satz 1 gilt das Abkommen nicht für Chartepartien; siehe dazu im einzelnen die Erläuterungen in Anm. 7 bis 13 zu Art. 1 des Abkommens. Siehe für das deutsche Recht § 663 Abs. 2 Ziff. 4 HGB. Abs. 2 Satz 1 gibt dem Raumbefrachter keinen Anspruch auf ein Empfangsbekenntnis in der Form eines Konnossements. Wenn ihm aber ein Konnossement erteilt wird, so kann er es vom Verfrachter in der Form des Art. 3 Ziffer 3 verlangen (so Götz, Das Seefrachtrecht nach den HR S. 51). Das sei daraus zu entnehmen, daß der Befrachter seinerseits nach Art. 3 Ziff. 5 f ü r alle von ihm gemachten Angaben bezüglich Merkzeichen, Zahl, Maß und Gewicht der Güter einzustehen habe. Diesem Einstehenmüssen entspreche das Recht aus Art. 3 Ziff. 3. Zweifelnd Scrutton, Charterparties and Bills of Lading, S. 446.
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3. Nach Abs. 2 Satz 2 soll keine Bestimmung des Abkommens so ausgelegt werden, als hindere sie, in das Konnossement irgendeine zulässige Bestimmung über die große Haverei aufzunehmen. Vgl. f ü r das deutsche Recht § 663 Abs. 1. Vgl. dazu, auch materiell rechtsvergleichend, Anm. 1 zu § 663 HGB. Article 6 Nonobstant les dispositions des articles précédents, un transporteur, capitaine ou agent du transporteur et un chargeur seront libres, pour des marchandises déterminées, quelles qu'elles soient, de passer un contrat quelconque avec des conditions quelconques concernant la responsabilité et les obligations du transporteur pour ces marchandises, ainsi que les droits et exonérations du transporteur au sujet de ces mêmes marchandises, ou concernant ses obligations quant à l'état de navigabilité du navire dans la mesure où cette stipulation, n'est pas contraire à l'ordre public, ou concernant les soins ou diligence de ses préposés ou agents quant au chargement, à la manutention, à l'arrimage, au transport, â la garde, aux soins et au déchargement des marchandises transportées par mer, pourvu qu'en ce cas aucun connaissement n'ait été ou ne soit émis et que les conditions de l'accord intervenu soient insérées dans un récépissé qui sera un document non négociable et portera mention de ce caractère. Toute convention ainsi conclue aura plein effet légal. Il est toutefois convenu que cet article ne s'appliquera pas aux cargaisons commerciales ordinaires faites au cours d'opérations commerciales ordinaires, mais seulement à d'autres chargements ou le caractère et la condition des biens à transporter et les circonstances, les termes et les conditions auxquels le transport doit se faire sont de nature à justifier une convention spéciale. Übersetzung Artikel 6 Sofern ein Konnossement nicht ausgestellt worden ist oder ausgestellt wird und die vereinbarten Bedingungen in eine nicht begebbare und als solche gekennzeichnete Empfangsbescheinigung aufgenommen werden, sollen ungeachtet der Bestimmungen der vorstehenden Artikel der Unternehmer, Schiffer oder Agent des Unternehmers einerseits und der Befrach926
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ter andererseits befugt sein, jeglichen Vertrag abzuschließen mit beliebigen Bedingungen hinsichtlich der Verantwortlichkeit und der Verpflichtungen sowie der Rechte und Befreiungen des Unternehmers in bezug auf diese Güter, hinsichtlich der Verpflichtungen des Unternehmers in bezug auf die Seetüchtigkeit des Schiffes, soweit die Vereinbarung nicht der öffentlichen Ordnung zuwiderläuft, hinsichtlich der Sorgfalt und Aufmerksamkeit des Agenten des Unternehmers und der im Dienst des Unternehmers stehenden Personen in bezug auf das Einladen, Handhaben, Stauen, Befördern, Verwahren, Betreuen und Ausladen der zur See beförderten Güter. Jede so getroffene Vereinbarung soll rechtswirksam sein. Es ist jedoch vereinbart, daß die Bestimmungen dieses Artikels nicht für gewöhnliche Handelsverschiffungen im gewöhnlichen Handelsverkehr, sondern nur für andere Abladungen gelten sollen, bei denen die Eigenart und Beschaffenheit der zu befördernden Güter und die Art der Umstände, Bestimmungen und Bedingungen, unter denen die Beförderung ausgeführt werden soll, eine besondere Vereinbarung rechtfertigen. Die Bestimmung regelt die Beförderung „besonderer" Güter, d. h. solcher, deren Transport 1 entweder wegen ihrer besonderen Beschaffenheit oder Eigenart oder wegen der besonderen Umstände nicht in der Art, wie für Handelsverschiffungen gewöhnlich erfolgt. Es steht dann den Parteien frei, die Anwendung der Vorschriften des Abkommens auszuschließen und andere Beförderungsbedingungen zu vereinbaren. Doch ist Voraussetzung, daß diese besonderen Bedingungen in eine „nicht begebbare" Empfangsbescheinigung aufgenommen werden. Entsprechende Vorschriften finden sich nicht in dem französischen Gesetz vom 16. 6. 1966, dem c. nav., dem jugoslawischen Gesetz betreffend Verträge über die Verwendung von Seeschiffen, dem sowjetischen Seeschiffahrtsgesetz, dem indonesischen HGB und denjenigen Surinams und Curaçaos. Vgl. für das deutsche Recht § 663 Abs. 2 Ziff. 3 HGB und dessen Anm. 14.
Article 7 Aucune disposition de la présente Convention ne défend à un transporteur ou à un chargeur d'insérer dans un contrat des stipulations, conditions, réserves ou exonérations relatives aux obligations et responsabilités du transporteur ou du navire pour la perte ou les dommages survenant aux marchandises ou concernant leur garde, soin et manutention, antérieurement au chargement et postérieurement au déchargement du navire sur lequel les marchandises sont transportées par mer. Übersetzung Artikel 7 Keine Bestimmung dieses Abkommens soll den Unternehmer oder den Befrachter hindern, in einen Vertrag Vereinbarungen, Bedingungen, Vorbehalte oder Befreiungsklauseln in bezug auf die Haftung des Unternehmers und des Schiffes für Verlust und Beschädigungen von Gütern aufzunehmen, soweit der Schaden vor dem Beginn des Einladens oder nach der Beendigung des Ausladens eintritt oder im Zusammenhang mit dem Verwahren, Betreuen und Handhaben der Güter vor dem Beginn des Einladens oder nach der Beendigung des Ausladens steht. Vgl. dazu die Erläuterungen in Anm. 17 zu Art. 1 des Abkommens. In Art. 7 ist in Ergän- 1 zung des Art. 1 litt, e noch ausdrücklich bestimmt, daß für die Zeit vor Beginn des Einladens und nach Beendigung des Ausladens die Parteien beliebige Vereinbarungen treffen können.
Article 8 Les dispositions de la présente Convention ne modifient ni les droits ni les obligations du transporteur tels qu'ils résultent de toute en viguer en ce moment, relativement à la limitation de la responsabilité des propriétaires de navires de mer. 927
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Übersetzung Artikel 8
Die Bestimmungen dieses Abkommens berühren weder die Rechte noch die Pflichten des Unternehmers aus den gegenwärtig geltenden Gesetzen über die beschränkte Haftung der Eigentümer von Seeschiffen. 1
Gemeint sind die Bestimmungen, in welchen dem Reeder (so das deutsche Recht in §§ 486 ff. HGB) oder dem Eigentümer von Seeschiffen eine dem gemeinen Recht des betreffenden Staates gegenüber beschränkte Haftung in gewissen Fällen zusteht. Die Rechte und Pflichten des Unternehmers nach den HR stehen diesem also unabhängig davon zu, ob ihm auch als Reeder oder Eigentümer des Schiffes eine beschränkte Haftung zukommt. Article 9 Les unités monétaires dont il s'agit dans la présente Convention s'entendent valeur or. Ceux des Etats contractants où la livre sterling n'est pas employée comme unité monétaire, se réservent le droit de convertir en chiffres ronds, d'après leur système monétaire, les sommes indiquées en livres sterling dans la présente Convention. Les lois nationales peuvent réserver au débiteur la faculté de se libérer dans la monnaie nationale, d'après le cours du change au jour de l'arrivée du navire au port de déchargement de la marchandise dont il s'agit. Übersetzung Artikel 9 Die in diesem Abkommen angegebenen Geldeinheiten bezeichnen die Goldwerte. Diejenigen Vertragsstaaten, in deren Gebiet das Pfund Sterling nicht als Währungseinheit verwendet wird, behalten sich das Recht vor, die in diesem Abkommen in Pfund Sterling angegebenen Summen durch abgerundete Beträge der Landeswährung zu ersetzen. Die Landesgesetze können dem Schuldner die Befugnis vorbehalten, sich durch Zahlung in der Landeswährung zu befreien; die Umrechnung erfolgt nach dem Kurse, der am Tage der Ankunft des Schiffes in dem Hafen maßgebend ist, in dem die betreffenden Güter gelöscht werden.
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Vgl. wegen der Abs. 1 und 2 die Erläuterungen zu Art. 4 § 5 des Abkommens, siehe Necker, Der räumliche Geltungsbereich der Haager Regeln, 1962, S. 111.
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Siehe zu Abs. 3 für das deutsche Recht § 661 HGB und die dortigen Erläuterungen. Eine entsprechende Bestimmung scheint sich außer in Deutschland und den abkommensgleichen HR-Gesetzen nur noch im türkischen Recht zu finden (Art. 1115 HGB). Article 10 Les dispositions de la présente Convention s'appliqueront à tout connaissement créé dans un des Etats contractants. Übersetzung Artikel 10 Die Bestimmungen dieses Abkommens sollen für jedes Konnossement gelten, das in einem der Vertragsstaaten ausgestellt wird. Schrifttum: Necker, Der räumliche Geltungsbereich der Haager Regeln, 1962 (Überseestudien Heft 31). 928
Die Haager Regeln
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1. Der Sinn der Bestimmung ist umstritten. Im Schrifttum (vgl. die Nachweise bei Necker, 1 a. a. O. S. 11) ist wiederholt die Meinung vertreten worden, es handle sich bei Art. 10 um eine Bestimmung über den Anwendungsbereich der Konvention im Sinne einer Abgrenzung zwischen Vertragsstaat und Nichtvertragsstaaten. Andere Stellungnahmen (siehe wiederum die Nachweise bei Necker, a. a. O. S. 12) wollen Art. 10 als international-privatrechtliche Kollisionsnorm qualifizieren. Aber das kann schon deshalb nicht zutreffen, weil das Konnossements-Abkommen einen Rechtskonflikt unmittelbar lösen soll, es deshalb nichts mit dem internationalen Privatrecht zu tun hat (Necker, a. a. O. S. 14). Necker, a. a. O. S. 19, meint, bei Art. 10 handle es sich um eine nicht praktikable Vorschrift, die jedoch zwei Schlußfolgerungen erlaube, einmal die Absicht der Verfasser des Abkommens, diesem den denkbar weitesten Anwendungsbereich zu verschaffen, sodann in allen Vertragsstaaten als ordre-public-Vorschrift gelten zu sollen. Jedenfalls hat die Fassung der Bestimmung dazu geführt, daß der Geltungsbereich der H R in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich abgegrenzt worden ist. Art. 10 redet nur davon, daß die Bestimmungen des Abkommens gelten sollen für jedes Konnossement, das in einem der Vertragsstaaten ausgestellt wird. Das betrifft dem Wortlaut nach sowohl Konnossemente, die sich auf internationale Transporte beziehen, als auch solche, die für Beförderungen in der nationalen Küstenfahrt ausgestellt werden. Vgl. aber für die nationale Küstenfahrt Abs. 3 Ziff. 2 des Zeichnungsprotokolls, nach welchem ein Vertragsstaat Freistellung von den Rechten und Pflichten des Abkommens anordnen kann. 2. Während die Staaten des anglo-amerikanischen Rechts die Fassung der H R im allgemei- 2 nen in fast wörtlich übereinstimmender Weise gegenüber dem Abkommen übernommen haben, ist das Anwendungsgebiet ihrer zwingenden Vorschriften nicht einheitlich festgelegt. In Großbritannien (sect. 1 Carriage of Goods by Sea Act) und nach seinem Vorbild in den Staaten des Britischen Commonwealth, in Burma, Israel und Irland gelten die zwingenden Normen nur f ü r den ausgehenden Verkehr. Eine gleiche Regelung findet sich auch in den Niederlanden (Art. 517 d WvK) und in Portugal (Art. 1 Gesetz vom 1. 2. 1950, wo allerdings nicht auf den Transportvertrag, sondern auf den Ausstellungsort des Konnossements abgestellt ist). 3. In den Vereinigten Staaten von Amerika (vgl. sect. 13 und Präambel Carriage of Goods by 3 Sea Act) sind von den HR nicht nur alle ausgehenden Verladungen, sondern auch alle eingehenden Verschiffungen nach dortigen Häfen erfaßt. Eine gleiche Regelung findet sich für die Philippinen. Während in Großbritannien und den nach seinem Vorbild ausgerichteten HRGesetzen auch die Frachtfahrt zwischen einheimischen Häfen (Küstenfrachtfahrt) den H R unterliegt, werden in den Vereinigten Staaten nur die Verschiffungen im internationalen Verkehr von diesen betroffen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß für den innerstaatlichen Verkehr in den USA noch der Harter Act vom 13. 2. 1893 gilt, dessen Anwendung zu ähnlichen Ergebnissen führt wie die der HR. Innerstaatlicher Verkehr in diesem Sinne sind Verschiffungen innerhalb der USA, ihrer Territorien und Besitzungen. Doch können die Parteien im innerstaatlichen Verkehr an die Stelle des Harter Act den US-Carriage of Goods by Sea Act vereinbaren. Die Auslegung des Begriffs „for carriage of goods by sea to ports of the United States in foreign trade" (sect. 13 US Carriage of Goods by Sea Act) ist streng: Die HR gelten nach amerikanischer Ansicht auch dann, wenn das Schiff, das die Güter ursprünglich zur Verschiffung nach den USA übernahm, einen Hafen der USA deshalb nicht berührt, weil die Güter im Verlaufe der Reise planmäßig im Hafen eines anderen Landes umgeladen wurden. Es wird angenommen, daß auch dann jedenfalls anfangs eine Beförderung der Güter nach einem Hafen der USA vorlag, was die Anwendung der HR rechtfertige (vgl. Knauth, The American Law of Ocean Bills of Lading, S. 230; Jefferson Ins. Co. v. Cia. Colonial de Navegacao (1954) 121 Federal Supplement 828). Das gilt jedenfalls bei einem direkten Konnossement mit Umladevorbehalt oder bei einem einfachen Durchkonnossement. Vgl. dieserhalb und wegen weiterer Einzelheiten Götz, Seefrachtrecht der HR S. 21 ff. Die HR gelten auch dann, wenn das Schiff vor dem Erreichen des USA-Bestimmungshafens strandete und die Reise in die USA deshalb nicht fortsetzen konnte (siehe US-District Court i. Sa. Für Merchant Corp. v. United States (1948) 77 Federal Supplement 1000). 929
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Die gleiche Regelung wie in den USA gilt auch nach Art. 1 des japanischen Gesetzes über die internationale Segbeförderung von Waren, nach Art. 130 Abs. 1 Ziff. 2 des jugoslawischen Gesetzes betreffend Verträge über die Verwendung von Seeschiffen, des Titel VI sec. 11 des liberianischen Seegesetzes, ebenso nach Art. 91 A des belgischen Seegesetzes (siehe dazu Smeesters und Winkelmolen, Bd. II Nr. 641, 644). Auch für Ägypten wird die Ansicht vertreten, daß die HR für den ein- und auskommenden Verkehr zur Anwendung kämen, obwohl Ägypten die HR wörtlich übernommen hat (vgl. Markianos, a. a. O. S. 91, Faire, DMF 1952 S. 391 mit Angaben aus der Rechtsprechung).
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4. Die Gesetze einiger Staaten ordnen an, daß die HR stets auf alle ausgehenden Verschiffungen anzuwenden seien, auf die einkommenden aber nur unter gewissen Voraussetzungen, insbesondere, daß sie aus einem Vertragsstaat des Konnossementsabkommens kommen. Vertragsstaaten in diesem Sinne sind nur solche, die das Konnossementsabkommen ratifiziert haben, nicht auch solche, die seine Bestimmungen ohne Ratifikation übernommen haben. Vgl. dazu auch Anm. 9 der Vorbemerkung zum Konnossementsabkommen. Siehe weiter die Art. 517 c der Handelsgesetze von Indonesien, Surinam und Curaçao, nach denen die HR im einkommenden Verkehr abdingbar sind, wenn es sich um Verschiffungen aus einem Lande handelt, das Freizeichnungen gestattet. Vgl. Markianos, a. a. O. S. 92.
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5. In Spanien bestimmt Art. 24 des Gesetzes über die Seebeförderung von Waren vom 22. 12. 1949, daß die HR (um welche es sich bei dem Inhalt des Gesetzes handelt) nur und ausschließlich zur Anwendung gelangen, wenn es sich um eine Beförderung von Waren zwischen Ländern handelt, die das Brüsseler Übereinkommen von 1924 ratifiziert und in ihre nationale Gesetzgebung inkorporiert haben. Auch hier kommen also diejenigen Staaten, die das Abkommen zwar eingeführt, aber nicht ratifiziert haben, nicht in Betracht. Siehe über Streitfragen, die sich an Art. 24 angeknüpft haben, Markianos, a. a. O. S. 92 f.
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6. Für Deutschland siehe Anm. 8 zu § 662 HGB. 7. In Frankreich kommt das Gesetz vom 18. 6. 1966 nach seinem Art. 16 Abs. 1 grundsätzlich zur Anwendung bei allen Transporten, die entweder von einem französischen Hafen ausgehen oder dort ankommen. Vgl. Bieber, Das neue französische Seefrachtrecht, Diss. Frankf u r t / M . 1972, S. 50 f. Die Häfen des französischen Mutterlandes und die der überseeischen Gebiete sind dabei gleichgestellt (arg. aus Art. 60 Abs. 1 des Gesetzes; Bieber, a. a. O.). Doch sind nach Art. 16 Abs. 1 von dieser Regelung ausgenommen solche Transporte, die einem von Frankreich ratifizierten internationalen Abkommen unterworfen sind, wozu die HR gehören, die von Frankreich in der Fassung von 1924 am 4. Juli 1937 ratifiziert worden sind. Aus dem Gesetz von 1966 lassen sich keine Schlüsse darüber ziehen, wann ein Transport dem nationalen Recht und wann er den HR unterliegt. Vgl. Bieber, a. a. O.; Simon-Depitre und Legendre, La nouvelle législation sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes et le droit international privé, Journal du Droit international 1967 S. 598 ff. ; Soyer, Les aspects de Droit international privé de la réforme du Droit maritime, Journal du Droit international, 1969 S. 610 ff. Art. 10 HR wurde von der Rechtslehre so verstanden, daß es darauf ankomme, ob das Konnossement in einem Mitgliedstaat der HR ausgestellt ist und der Transport zwischen Häfen verschiedener Nationalität erfolgt (Ripert, Nr. 1352, 1427). Die Rechtsprechung fordert auch noch die unterschiedliche Nationalität der Vertragspartner (vgl. etwa Handelsgericht Le Havre, D M F 1965 S. 738, Rouen D M F 1966 S. 682). Nach herrschender Ansicht kann die An-
. wendung des Gesetzes von 1966, wenn sie gegeben ist, nicht durch Gerichtsstandsvereinbarungen umgangen werden (vgl. Rodière, Traité Général Bd. II Nr. 795). Auch die Vereinbarung einer anderen Rechtsordnung soll nicht möglich sein (Rodière, a. a. O.; Jambu-Merlin, Note sur les nouvelles règles de conflits de lois en matière de contrats d'affrètement et de transport maritimes, Revue critique de Droit international privé 1966 S. 730). 9
8. Die Anwendbarkeit der HR bei Umladung Mit Sicherheit kann gesagt werden, daß die Beförderung vom Verschiffungs- zum Umladehafen den HR untersteht. Für den weiteren Transport vom Umlade- zum Bestimmungshafen muß nach Götz, Seefrachtrecht S. 24, das Recht des Umlade- und das des Bestimmungshafens herangezogen werden. Eine gesetzliche Klärung darüber, ob ausgehender Verkehr vorliegt, 930
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wenn die Güterbeförderung nur den zweiten Teil eines Seetransports bildet, fehlt. Carver, Carriage of Goods by Sea S. 214, verneint die Frage, Knauth, The American Law of Ocean Bills of Lading S. 230, bejaht sie, wenn aus Anlaß der Umladung in den USA neue Konnossemente ausgestellt werden. Vgl. die Entscheidung Stafford Allen & Sons v. Pacific Steam Nav. Co (1956) 1 LI. L. Rep. 104, wo offenbar die Unterstellung der Weiterbeförderung unter die HR von dem Abschluß eines besonderen Frachtvertrages abhängig gemacht wird. Hinsichtlich des Rechts des Verschiffungshafens lehren Carver, a. a. O. S. 214, Knauth, a. a. O. S. 229, 230, Scrutton, S. 410, die Umladung in einem dritten Staat hindere die Fortgeltung der H R nicht, sofern nur eine einheitliche Beförderungsverpflichtung bis zum Löschhafen übernommen sei. Endet dagegen die vertragliche Beförderungspflicht des Erstbeförderers im Umladehafen, so gelten die HR nur bis zum Umladehafen. Vgl. Founders' Ins. Co. v. Pacific Far East Line Inc, A M C 1958 S. 901. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten Götz, a. a. O. S. 26 ff. Wie gestaltet sich die Haftung für den fremden Transportabschnitt beim Durchfrachtge- 1 0 schäft? Ein Einstehenmüssen auch für den von einem anderen Beförderer durchgeführten Teil des Transports kommt nur in Betracht, wenn die Verpflichtung eines Hauptverfrachters sich auf den Gesamttransport erstreckt hat. Daß dann der Nebenbeförderer, der hier Erfüllungsgehilfe des Hauptverfrachters ist, nur f ü r seine Nebenstrecke haftet, bedarf keiner weiteren Darlegung. Fällt dann der Gesamttransport unter die HR, so haftet der Hauptverfrachter entsprechend. Will der Hauptverfrachter seine Haftung auf den einen Teil der Beförderung beschränken, was nach den HR möglich ist, so muß das durch eindeutige und klare Freizeichnungsklauseln geschehen. In Sachen Lyons-Magnus Inc. v. American Hawaiian SS Co (AMC 1941 S. 1291) wurde nicht als ausreichend angesehen die Klausel „Any damage must be claimed against the party only in whose possesion the Goods were when the damage ocurred". Über die Beschränkung der Haftung des Hauptverfrachters auf den eigenen Transportabschnitt bei einem echten Durchkonnossement vgl. „The President Taft" A M C 1941 S. 1291. Vgl. weiter die Entscheidungen „The Pionier Land" A M C 1957 S. 50 und die bei Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln S. 31, erwähnte kanadische Entscheidung General Accident Fire & Life Assur-Corp. v. Paterson Steamships Ltd. Vgl. auch Götz, a. a. O. über die Frage der Haftungsbeschränkung, wenn bei Übernahme einer Transportverpflichtung nur die Möglichkeit der Umladung vorbehalten bleibt. Article 11 A l'expiration de délai de deux ans au plus tard à compter du jour de la signature de la Convention, le Gouvernement belge entrera en rapport avec les Gouvernements des hautes parties contractantes qui se seront déclarées prêtes à la ratifier, à l'effet de faire décider s'il y a lieu de la mettre en viguer. les ratifications seront déposées à Bruxelles à la date qui sera fixée de commun accord entre les dits Gouvernements. Le premier dépôt de ratifications sera constaté par u n proces-verbal signé par les représentants des Etats qui y prendront part et par le ministre des Affaires étrangères de Belgique. Les dépôts ultérieurs se feront au moyen d'une notification écrite, adressée au Gouvernement belge et accompagnée de l'instrument de ratification. Copie certifiée conforme au procès-verbal relatif au premier dépôt de ratifications, des notifications mentionnées à l'alinéa précédent, ainsi que des instruments de ratification qui les accompagnent sera immédiatement, par les soins du Gouvernement belge et par la voie diplomatique, remise aux Etats qui ont signé la présente Convention ou qui y auront adhéré. Dans les cas visés à l'alinéa précédent, ledit Gouvernement fera connaître, en même temps, la date à laquelle il a reçu la notification. Übersetzung Artikel 11 Die Belgische Regierung wird binnen zweier Jahre seit dem Tage der Zeichnung des Abkommens mit den Regierungen der Hohen vertragschließenden Teile, die sich zur Ratifika931
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tion bereit erklärt haben, in Verbindung treten, um eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob das Abkommen in Kraft gesetzt werden soll. Die Ratifikationsurkunden sollen in Brüssel zu einem Zeitpunkt hinterlegt werden, der zwischen den genannten Regierungen vereinbart werden wird. Die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden wird durch ein Protokoll festgestellt, das von den Vertretern der daran teilnehmenden Staaten und von dem Belgischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten unterzeichnet wird. Die späteren Hinterlegungen von Ratifikationsurkunden werden mittels einer schriftlichen, an die Belgische Regierung gerichteten Anzeige unter Beifügung der Ratifikationsurkunde bewirkt. Die Belgische Regierung wird den Staaten, die dieses Abkommen gezeichnet haben oder ihm später beigetreten sind, alsbald auf diplomatischem Wege beglaubigte Abschrift des Protokolls über die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden, der im vorstehenden Absatz erwähnten Anzeigen sowie der ihnen beigefügten Ratifikationsurkunden mitteilen. In den Fällen des vorstehenden Absatzes wird die Belgische Regierung zugleich bekanntgeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat. Article 12 Les Etats non signataires pourront adhérer à la présente Convention, qu'ils aient été ou non représentés à la Conférence internationale de Bruxelles. L'Etat qui désire adhérer notifie par écrit son intention au Gouvernement belge, en lui transmettant l'acte d'adhésion qui sera déposé dans les archives dudit Gouvernement. Le Gouvernement belge transmettra immédiatement à tous les Etats signataires ou adhérents copie certifiee conforme de la notification, ainsi qu l'acte d'adhésion, en indiquant la date à laquelle il a reçu la notification. Übersetzung Artikel 12 Die Staaten, die dieses Abkommen nicht gezeichnet haben, können ihm später beitreten, auch wenn sie auf der internationalen Konferenz von Brüssel nicht vertreten waren. Der Staat, der beizutreten wünscht, hat seine Absicht der Belgischen Regierung schriftlich anzuzeigen und ihr dabei die Beitrittsurkunde zu übersenden, die im Archiv dieser Regierung hinterlegt werden wird. Die Belgische Regierung wird alsbald allen Staaten, die das Abkommen gezeichnet haben oder ihm später beigetreten sind, beglaubigte Abschrift der Anzeige wie der Beitrittsurkunde übersenden und zugleich angeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat. Article 13 Les Hautes Parties contractantes peuvent, au moment de la signature du dépôt des ratifications ou lors de leur adhésion, déclarer que l'acceptation qu'elles donnent à la présente Convention ne s'applique pas soit à certains, soit à aucun des Dominions autonomes, colonies, possessions, protectorats ou territoires d'outre-mer se trouvant sous leur souveraineté ou autorité. En conséquence, elles peuvent ultérieurement adhérer séparément au nom de l'un ou de l'autre de ces Dominions autonomes, colonies, possessions, protectorats ou territoires d'outre-mer ainsi exclus dans leur déclaration originale. Elles peuvent aussi, en se conformant à ces dispositions, dénoncer la présente Convention séparément pour l'un ou plusieurs des Dominions autonomes, colonies, possessions, protectorats ou territoires d'outre-mer trouvant sous 1er souveraineté ou autorité. Übersetzung Artikel 13 Die Hohen vertragsschließenden Teile können bei der Zeichnung, bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde oder bei Gelegenheit ihres Beitritts erklären, daß die von ihnen erklärte 932
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Annahme des Abkommens für alle oder einzelne der unter ihrer Staatshoheit oder Schutzgewalt stehenden autonomen Dominien, Kolonien, Besitzungen, Protektorate oder überseeischen Gebiete keine Geltung haben soll. Infolgedessen können sie später im Namen des einen oder des anderen der so in der ursprünglichen Erklärung ausgenommenen autonomen Dominien, Kolonien, Besitzungen, Protektorate oder überseeischen Gebiete gesondert beitreten. Ebenso können Sie dieses Abkommen unter Beobachtung seiner Bestimmungen im Namen des einen oder des anderen der unter ihrer Staatshoheit oder Schutzgewalt stehenden autonomen Dominien, Kolonien, Besitzungen, Protektorate oder überseeischen Gebiete kündigen. Article 14 A l'égard des Etats qui auront participé au premier dépôt de ratifications, la présente Convention produira effet un an après la date du procès-verbal de ce dépôt. Quant aux Etats qui la ratifieront ultérieurement ou qui adhéreront, ainsi que dans les cas où la mise en viguer se fera ultérieurement et selon l'article 13, elle produira effet six mois après que les notifications prévues à l'article 11, alinéa 2, et à l'article 12, alinéa 2, auront été reçues par le Gouvernement belge. Übersetzung Artikel 14 Für die Staaten, die an der ersten Hinterlegung von Ratifikationsurkunden teilgenommen haben, wird dieses Abkommen ein Jahr nach dem Tage wirksam, an dem das Protokoll über die Hinterlegung aufgenommen ist. Für die später ratifizierenden und für die beitretenden Staaten sowie in den Fällen, in denen das Abkommen nachträglich gemäß Art. 13 in Kraft gesetzt wird, erlangt es sechs Monate nach dem Zeitpunkt Wirksamkeit, in dem die Belgische Regierung die im Art. 11 Abs. 2 und im Art. 12 Abs. 2 vorgesehenen Anzeigen erhalten hat. Article 15 S'il arrivait qu'un des Etats contractants voulût dénoncer la présente Convention, la dénonciation serait notifiée par écrit au Gouvernement belge qui communiquera immédiatement copie certifiée conforme de la notification à tous les autres Etats, en leur faisant savoir le date à laquelle il l'a reçue. La dénonciation produira ses effets à l'égard de l'Etats seul qui l'aura notifiçe, et un an après que la notification en sera parvenue au Gouvernement belge. Übersetzung Artikel 15 Sollte einer der Vertragsstaaten dieses Abkommen kündigen wollen, so ist die Kündigung schriftlich der Belgischen Regierung zu erklären, die alsbald beglaubigte Abschrift der Erklärung allen anderen Staaten mitteilen und ihnen zugleich bekanntgeben wird, an welchem Tage sie die Erklärung erhalten hat. Die Kündigung soll nur in Ansehung des Staates, der sie erklärt hat, und erst ein Jahr, nachdem die Erklärung bei der Belgischen Regierung eingegangen ist, wirksam sein. Article 16 Chaque Etat contractant aura la faculté de provoquer la réunion d'une nouvelle conférence, dans le but de rechercher les améliorations qui pourraient être apportées à la présente Convention. Celui des Etats qui ferait usage de cette faculté aurait à notifier un an à l'avance son intention aux autres Etats, par l'intermédiaire du Gouvernement belge qui se chargerait de convoquer la conférence. Fait à Bruxelles, en un seul exemplaire, le 25 août 1924. 933
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2. Teil : Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Übersetzung Artikel 16
Jeder der Vertragsstaaten kann den Zusammentritt einer neuen Konferenz veranlassen, um etwaige Verbesserungen des Abkommens herbeizuführen. Ein Staat, der von dieser Befugnis Gebrauch machen will, hat seine Absicht ein Jahr vorher den anderen Staaten durch Vermittlung der Belgischen Regierung anzuzeigen, die es übernehmen wird, die Konferenz einzuberufen. Protocole de signature En procédant à la signature de la Convention internationale pour l'unification de certaines règles en matière de connaissement, les plénipotentiaires soussignés ont adopté le présent protocole qui aura la même force et la même valeur que si ses dispositions étaient insérées dans le texte même de la Convention à laquelle il se rapporte. Les Hautes Parties contractantes pourront donner effet à cette Convention, soit en lui donnant force de loi, soit en introduisant dans leur législation nationale les régies adoptées par la Convention sous une forme appropriée à cette législation. Elles se réservent expressément le droit: 1. De préciser que, dans les cas prévus par l'article 4, alinéa 2, de c à p, le porteur du connaissement peut établir la faute personnelle du transporteur ou les fautes de ses préposés non couverts par le paragraphe a; 2. D'appliquer, en ce concerne le cabotage national, l'article 6 à toutes catégories de marchandises, sans tenir compte de la restriction figurant au dernier alinéa dudit article. Fait a Bruxelles, en un seul exemplaire, le 25 août 1924. Ubersetzung Zeichnungsprotokoll Bei der Unterzeichnung des Internationalen Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente haben die unterzeichneten Bevollmächtigten dieses Protokoll angenommen, das die gleiche Wirkung haben soll, als wenn seine Vorschriften in den Wortlaut des Abkommens selbst aufgenommen worden wären, auf das es sich bezieht. Die Hohen vertragschließenden Teile können dieses Abkommen dadurch wirksam machen, daß sie ihm entweder Gesetzeskraft beilegen, oder daß sie die in diesem Abkommen angenommenen Regeln in das autonome Landesrecht in einer dieser Gesetzgebung angepaßten Form einführen. Sie behalten sich ausdrücklich das Recht vor, 1. festzustellen, daß in den im Art. 4 § 2 Buchstabe c) bis p) vorgesehenen Fällen der Inhaber des Konnossements ein Verschulden des Unternehmers oder ein nicht unter den Buchstaben a) fallendes Verschulden der im Dienste des Unternehmers stehenden Personen geltend machen kann; 2. in bezug auf die inländische Küstenschiffahrt den Art. 6 auf alle Arten von Gütern ohne Rücksicht auf die im letzten Absatz dieses Artikels enthaltene Beschränkung anzuwenden. 1
1. Vgl. zu Abs. 2 Anm. 7 der Vorbemerkung zum Abkommen.
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2. Vgl. zu Abs. 3 Ziff. 1 Anm. 4 zu Art. 4 § 2.
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3. a) Von der Möglichkeit des Abs. 3 Ziff. 2 haben gemäß dem Wortlaut des Zeichnungsprotokolls Gebrauch gemacht Großbritannien und die nicht unter litt, b, c oder d oder erwähnten Länder des Commonwealth, Burma, Irland (Küstenfahrt in dem hier in Betracht kommenden Sinne ist auch die Fahrt zwischen irischen und großbritannischen Häfen), Israel. In den erwähnten Staaten gelten die HR grundsätzlich auch für die Küstenfahrt. Sind indessen die Voraussetzungen des Art. 6 des Abkommens gegeben, so ist Freizeichnung gestattet. 934
Visby-Rules
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b) Einige Staaten sind über Abs. 3 Ziff. e hinausgegangen, indem sie bei grundsätzlicher An- 4 Wendung des H R die Freizeichnung in der K ü s t e n f a h r t auch d a n n gestatten, wenn ein anderes D o k u m e n t als eine „nicht" begebbare Empfangsbescheinigung ausgestellt wurde, insbesondere also auch ein Orderkonnossement. Hierher gehören Deutschland (Art. 2 DVOzSFrG) und Italien (Art. 424 Abs. 1 Satz 2 c. nav.). c) Wieder andere Staaten haben die Küstenfahrt aus der HR-Regelung ganz herausgenom- 5 men. Hierher gehören die Vereinigten Staaten von Amerika (sec. 13 Carriage of Goods by Sea Act), die skandinavischen Staaten (hier gilt auch die Fahrt zwischen diesen Ländern als Küstenfahrt: vgl. die Erklärungen der Regierungen Dänemarks, Finnlands, Norwegens u n d Schwedens anläßlich ihres Beitritts zum Konnossementsabkommen, RGBl. 1939 II S. 1051), Japan, Spanien, Barbados, Neuseeland, Ägypten und Australien (indessen nur für Beförderungen zwischen Häfen desselben Bundesstaates). In den genannten Staaten kommt auf die nationale Küstenfahrt das gemeine Seerecht des betreffenden Staates zur Anwendung, grundsätzlich also das vor der E i n f ü h r u n g der H R geltende Recht, in den USA also der Harter Act. Doch ist es zulässig, daß an seiner Stelle die H R vereinbart werden. d) Eine Reihe von Staaten hat von der Vorbehaltsmöglichkeit des Abs. 3 Ziff. 2 keinen Ge- 6 brauch gemacht. In diesen Staaten k o m m e n also die H R auch auf die nationale Küstenfahrt zur A n w e n d u n g . Hierher gehören Belgien, Bermuda, Curaçao, Fidschi-Inseln, Frankreich einschließlich der französischen Gemeinschaft, Griechenland, Guinea, Indien, Indonesien, Jugoslawien, Libanon, Niederlande (vgl. Royer, Hoofdzaken der vervoerdersansprakelijkheid in het zeerecht, 1959 S. 118ff.; Markianos, a. a. O. S. 89), Portugal, Sansibar, Somaliland, Sowjetunion, Surinam, Syrien, Tonga, Tunesien, Türkei (vgl. Art. 1116 HGB).
C. Protokoll zur Änderung des am 25. August 1924 in Brüssel unterzeichneten internationalen Übereinkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente (Brüssel 1968; sog. Visby-Rules) (Übersetzung) Vorbemerkung Siehe die Angaben in Anm. 15 der Vorbemerkung zu den Haager Regeln. Text des Protokolls Die
Vertragsparteien,
in der Erwägung, daß es wünschenswert ist, das a m 25. August 1924 in Brüssel unterzeichnete Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente zu ändern, haben folgendes vereinbart: Artikel 1 1. In Art. 3 § 4 soll folgender Zusatz gemacht werden: „Der Beweis des Gegenteils ist jedoch nicht zulässig, wenn das Konnossement einem gutgläubigen Dritten übertragen worden ist." 2. In Art. 3 § 6 erhält Abs. 4 folgenden Wortlaut: „Vorbehaltlich des § 6 sollen, bis der U n t e r n e h m e r und das Schiff in allen Fällen von jeder H a f t u n g f ü r die G ü t e r frei werden, sofern nicht der Anspruch innerhalb eines Jahres seit ihrer Ablieferung oder seit dem Zeitpunkt, zu dem sie hätten abgeliefert werden müssen, gerichtlich geltend gemacht wird. Diese Frist kann jedoch durch eine zwischen den Parteien nach dem Ereignis, aus dem der Anspruch entstanden ist, getroffene Vereinbarung verlängert werden." 935
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3. In Art. 3 wird hinter § 6 folgender § 6 bis eingefügt: „Rückgriffsklagen können selbst nach Ablauf der im § 6 vorgesehenen Jahresfrist erhoben werden, wenn dies innerhalb der von dem Recht des angerufenen Gerichts bestimmten Frist geschieht. Diese Frist darf jedoch nicht kürzer sein als drei Monate seit dem Tage, an dem derjenige, welcher die Rückgriffsklage erhebt, den Anspruch befriedigt hat oder an dem ihm die Klage zugestellt worden ist." Artikel
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Art. 4 § 5 wird durch folgenden Wortlaut ersetzt: ,,a) Sofern nicht die Natur und der Wert der Güter vor ihrer Einladung vom Ablader angegeben sind und diese Angabe in das Konnossement aufgenommen ist, sollen der Unternehmer oder das Schiff für Verlust oder Beschädigung der Güter oder für Schäden in bezug auf die Güter in keinem Falle für einen höheren Betrag haften als den Gegenwert von 10000,— Franken für das Stück oder die Einheit oder von 30 Franken für das Kilogramm des Rohgewichts der verlorenen oder beschädigten Güter, je nachdem, welcher Betrag höher ist. b) Der Gesamtbetrag der Entschädigung wird nach dem Wert der Güter an dem Ort und dem Tag berechnet, an dem sie nach dem Vertrag ausgeladen worden sind oder hätten ausgeladen werden müssen. Der Wert der Güter bestimmt sich nach dem Börsenpreis oder mangels eines solchen nach dem Marktpreis oder mangels beider nach dem gemeinen Wert von Gütern gleicher Art und Beschaffenheit. c) Wird ein Behälter, eine Palette oder ein ähnliches Gerät verwendet, um die Güter für die Beförderung zusammenzufassen, so gilt jedes Stück und jede Einheit, welche in dem Konnossement als in einem solchen Gerät enthalten angegeben sind, als Stück oder Einheit im Sinne dieses Paragraphen. Außer in dem genannten Fall gilt das Gerät als Stück oder Einheit. d) Unter Franken ist eine Werteinheit von 65,5 Milligramm Gold von 900 Tausendstel Feingehalt zu verstehen. Der Zeitpunkt der Umrechnung des zugesprochenen Betrages in die Landeswährung bestimmt sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts. e) Der Unternehmer oder das Schiff gehen der Haftungsbeschränkung nach diesem Paragraphen verlustig, wenn nachgewiesen wird, daß der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung des Unternehmers verursacht worden ist, die dieser entweder in der Absicht, einen Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen hat, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. f) Eine in das Konnossement aufgenommene Angabe nach Buchstabe a begründet eine widerlegbare Vermutung und ist für den Unternehmer, der sie widerlegen kann, nicht bindend. g) Durch Vereinbarung zwischen dem Unternehmer, dem Schiffer oder dem Agenten des Unternehmers einerseits und dem Befrachter andererseits sollen andere als die in Buchstabe a dieses Paragraphen genannten Höchstbeträge bestimmt werden können, sofern der vereinbarte Höchstbetrag nicht niedriger ist als der entsprechende in Buchstabe a genannte Höchstbetrag. h) In keinem Falle soll der Unternehmer oder das Schiff für Verlust oder Beschädigung von Gütern oder für Schäden in bezug auf die Güter haften, wenn der Ablader im Konnossement eine wissentlich falsche Angabe über ihre Natur oder ihren Wert gemacht hat." Artikel
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Zwischen Art. 4 und 5 des Übereinkommens wird folgender Art. 4 bis eingefügt:
§1 „Die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbeschränkungen gelten für jeden Anspruch gegen den Unternehmer auf Ersatz des Schadens wegen Verlusts oder Beschädigung von Gütern, die Gegenstand eines Frachtvertrages sind, 936
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gleichgültig, ob der Anspruch auf die vertragliche Haftung oder auf eine außervertragliche Haftung gestützt wird. §2 Wird ein solcher Anspruch gegen einen der Leute des Unternehmers geltend gemacht, so kann er sich auf die Haftungsbefreiungen und Haftungsbeschränkungen berufen, die nach diesem Übereinkommen für den Unternehmer gelten. §3 Der Gesamtbetrag, der in diesem Falle von dem Unternehmer und seinen Leuten als Ersatz zu leisten ist, darf den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Haftungshöchstbetrag nicht übersteigen. §4 Die Leute des Unternehmers können sich jedoch auf diesen Artikel nicht berufen, wenn nachgewiesen wird, daß der Schaden von ihnen durch eine Handlung oder Unterlassung verursacht worden ist, die in der Absicht, einen Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen wurde, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde."
Artikel 4 Art. 9 des Übereinkommens erhält folgenden Wortlaut: „Dieses Übereinkommen berührt nicht die Bestimmungen internationaler Übereinkommen oder innerstaatlichen Rechts über die Haftung für Atomschäden." Artikel 5 Art. 10 des Übereinkommens erhält folgenden Wortlaut: „Dieses Übereinkommen gilt für jedes Konnossement, das sich auf die Beförderung von Gütern zwischen Häfen in zwei verschiedenen Staaten bezieht, wenn a) das Konnossement in einem Vertragsstaat ausgestellt ist oder b) die Beförderung von einem Hafen in einem Vertragsstaat ausgeht oder c) das Konnossement vorsieht, daß der Vertrag den Bestimmungen dieses Übereinkommens oder dem Recht eines Staates unterliegt, auf Grund dessen sie anzuwenden sind, gleich welche Staatszugehörigkeit das Schiff hat oder welche Staatsangehörigkeit der Unternehmer, der Befrachter, der Empfänger oder andere Beteiligte haben. Jeder Vertragsstaat wendet dieses Übereinkommen auf die oben bezeichneten Konnossemente an. Dieser Artikel läßt das Recht eines Vertragsstaats unberührt, dieses Übereinkommen auf Konnossemente anzuwenden, die nicht unter die vorstehenden Absätze fallen." Artikel 6 Im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien dieses Protokolls sind das Übereinkommen und das Protokoll als ein und dasselbe Vertragswerk anzusehen und auszulegen. Eine Vertragspartei dieses Protokolls ist nicht verpflichtet, das Protokoll auf Konnossemente anzuwenden, die in einem Staat ausgestellt sind, der Vertragspartei des Übereinkommens, aber nicht des Protokolls ist. Artikel 7 Im Verhältnis zwischen den Parteien dieses Protokolls gilt die Kündigung des Übereinkommens durch eine von ihnen nach dessen Art. 15 nicht als Kündigung des durch dieses Protokoll geänderten Übereinkommens. 937
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Artikel 8
Jede Streitigkeit zwischen Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens, die nicht durch Verhandlungen beigelegt werden kann, wird auf Antrag einer der Parteien einem Schiedsverfahren unterworfen. Können sich die Parteien binnen sechs Monaten seit dem Tage des Antrags auf Einleitung des Schiedsverfahrens nicht über die Gestaltung des Verfahrens einigen, so kann jede der Parteien die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem sie eine seinem Statut entsprechende Klageschrift einreicht. Artikel
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1. Jede Vertragspartei kann in dem Zeitpunkt, zu dem sie dieses Ubereinkommen unterzeichnet, ratifiziert oder ihm beitritt, erklären, daß sie sich nicht durch Art. 8 gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsparteien sind durch diesen Artikel gegenüber einer Vertragspartei, die einen solchen Vorbehalt erklärt hat, nicht gebunden. 2. Hat eine Vertragspartei einen Vorbehalt nach Abs. 1 erklärt, so kann sie ihn jederzeit durch eine an die belgische Regierung zu richtende Notifikation zurückziehen. Artikel
10
Dieses Protokoll liegt für die Staaten, die das Übereinkommen vor dem 23. Februar 1968 ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind, sowie für jeden auf der zwölften Tagung (1967 — 1968) der Diplomatischen Seerechtskonferenz vertretenen Staat zur Unterzeichnung auf. Artikel
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1. Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation. 2. Die Ratifikation dieses Protokolls durch einen Staat, der nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist, bewirkt den Beitritt zu dem Übereinkommen. 3. Die Ratifikationsurkunden werden bei der belgischen Regierung hinterlegt. Artikel
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1. Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen oder ihrer Spezialorganisationen, die auf der zwölften Tagung der Diplomatischen Seerechtskonferenz nicht vertreten waren, können diesem Protokoll beitreten. 2. Der Beitritt zu diesem Protokoll bewirkt den Beitritt zu dem Übereinkommen. 3. Die Beitrittsurkunden werden bei der belgischen Regierung hinterlegt. Artikel
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1. Dieses Protokoll tritt drei Monate nach Hinterlegung von zehn Ratifikations- oder Beitrittsurkunden in Kraft, von denen mindestens fünf von Staaten stammen müssen, die je eine Million Bruttoregistertonnen Schiffsraum haben. 2. Für jeden Staat, der dieses Protokoll nach Hinterlegung derjenigen Ratifikations- oder Beitrittsurkunde, die nach Abs. 1 das Inkrafttreten des Protokolls bewirkt, ratifiziert oder ihm beitritt, tritt es drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft. Artikel
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1. Jeder Vertragsstaat kann dieses Protokoll durch Notifikation an die belgische Regierung kündigen. 2. Diese Kündigung bewirkt die Kündigung des Übereinkommens. 938
Anh III § 663b
Visby-Rules
3. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation bei der belgischen Regierung wirksam. Artikel 15 1. Jeder Vertragsstaat kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, dem Beitritt oder jederzeit danach der belgischen Regierung schriftlich notifizieren, für welche der Hoheitsgebiete, die seiner Souveränität unterstehen oder deren internationale Beziehungen er wahrnimmt, dieses Protokoll gilt. Das Protokoll findet drei Monate nach Eingang dieser Notifikation bei der belgischen Regierung auf diese Hoheitsgebiete Anwendung, jedoch nicht vor Inkrafttreten dieses Protokolls in bezug auf diesen Staat. 2. Diese Erstreckung gilt auch für das Übereinkommen, wenn dieses noch keine Anwendung auf diese Hoheitsgebiete gefunden hat. 3. Jeder Vertragsstaat, der eine Erklärung nach Abs. 1 abgegeben hat, kann der belgischen Regierung jederzeit notifizieren, daß das Protokoll für die betreffenden Hoheitsgebiete nicht mehr gilt. Diese Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der entsprechenden Notifikation bei der belgischen Regierung wirksam; sie gilt auch für das Übereinkommen.
Artikel 16 Die Vertragsparteien können dieses Protokoll entweder dadurch in Kraft setzen, daß ihm Gesetzeskraft verliehen wird, oder dadurch, daß seine Bestimmungen in einer dem innerstaatlichen Recht angepaßten Form in dieses Recht übernommen werden.
Artikel 17 Die belgische Regierung notifiziert den auf der zwölften Tagung (1967 — 1968) der Diplomatischen Seerechtskonferenz vertretenen Staaten, den diesem Protokoll beitretenden Staaten sowie den Vertragsstaaten des Übereinkommens: 1. die Unterzeichnungen, Ratifikationen und Beitritte nach den Art. 10, 11 und 12; 2. den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach Art. 13; 3. die Notifikationen über den räumlichen Anwendungsbereich nach Art. 15; 4. die nach Art. 14 eingegangenen Kündigungen. Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, gehörig befugten Bevollmächtigten dieses Übereinkommen unterschrieben. Geschehen zu Brüssel am 23. Februar 1968 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv der belgischen Regierung hinterlegt wird; diese erteilt beglaubigte Abschriften.
Verzeichnis der Unterzeichnerstaaten des Änderungsprotokolls (Stand vom 4.12.1968) Argentinien, Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Republik China, Finnland, Frankreich, Griechenland, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, Italien, Kamerun, Kanada, Demokratische Republik Kongo, Liberia, Mauretanien, Paraguay, Philippinen, Polen, Schweden, Schweiz, Uruguay, Vatikanstadt, Vereinigte Staaten von Amerika. 939
A n h III § 6 6 3 b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB D. Gold Clause Agreement 1950 Vorbemerkung
Schrifttum: Becker, Klauseln des Seefrachtgeschäfts, S. 55ff.; Carver, S. 1350ff.; Scrutton S. 528 ff. Bei dem Gold Clause Agreement, dem praktisch alle britischen Schiffseigner und Seeversicherer, auch viele deutsche Versicherer angehören, handelt es sich um ein privates Abkommen, das sich auf alle Schadensersatzforderungen bezieht, die einen Verlust oder einen Schaden an solchen Ladungen betreffen, die aufgrund eines Seefrachtvertrages befördert werden, der den HR unterliegt, weil diese entweder direkt oder indirekt über eine nationale Gesetzgebung zur Anwendung kommen. Der Schadensersatz muß von einem Versicherer oder einem Ladungseigentümer, die Mitglied des Abkommens sind, gegenüber einem Verfrachter geltend gemacht werden, der ebenfalls Mitglied des Abkommens ist. Da es in Großbritannien streitig ist, ob die in den britischen COGSA übernommene Goldwertklausel des Art. IX HR nach der Ablösung des englischen Pfundes 1929 vom Goldwert noch gilt, ist in dem Abkommen die Haftungssumme auf £ 200. — „lawful money of die United Kingdom" erhöht worden. Außerdem ist die Jahresfrist des Art. III Regel 6 H R (vgl. für das deutsche Recht § 612 HGB) derart erweitert worden, daß die dem Abkommen beigetretenen Unternehmen verpflichtet sind, einer Fristverlängerung von zwölf Monaten zuzustimmen, so daß dem Anspruchsberechtigten damit praktisch eine Zweijahresfrist zur Verfügung steht. Das Abkommen ist am 1. August 1950 von englischen Reedern, Banken, Versicherern und Ladungseigentümern geschlossen worden. Text des Abkommens 1. This agreement shall apply to all claims for loss or of damage to cargo made by or at the request of any of the Members of the Underwriters' Associations specified in Schedule I (d) or any of the Underwriters (not being Members of any such Underwriter's Associations) specified in Schedule I (e) or any of the Members of the Cargo Owner's Associations specified in Schedule I (c) against any of the Members of the Shipowners' Associations specified in Schedule I (a) or any others Shipowners, whose vessels are entered in the P. & I. Associations specified in Schedule I (b) and who may become Parties to the Agreement pursuant in Clause 8 under a Contract of Carriage which is dated not earlier than twelve months prior to the date of this Agreement, and which is subject to any of the legislation listed in Schedule II hereof giving statutary effect to the International Convention for the Unification of Certain Rules relating to Bills of Lading dated at Brussels, August 25th, 1924, hereinafter referred to as „The Hague Rules", or which incorporates those Rules as part of its contractual terms, but no claim already settled at the date of this Agreement shall be thereby reopened. 2.
The Shipowner's liability (whether contested or not) in respect of any such claim shall be limited to £ 200 Sterling lawful money of the United Kingdom per package or unit of cargo (unless the nature and value of such cargo have been declared by the Shipper before loading and inserted in the bill of lading) notwithstanding that some other monetary limit is laid down by the legislation to which the contract of carriage is subject. 3. In the event of any claim being contested by legal process, the Shipowner will not rely upon any provision in the contract of carriage stipulating that claims must be referred to tribunals outside the United Kingdom; conversely, if the claim is such that the Courts of the United Kingdom or any of them have jurisdiction or the contract of Carriage provides for Arbritation 940
A n h III § 663b
Visby-Rules
in the United Kingdom, the Underwriters will not seek to enforce the claim elsewhere; but this shall not apply in either case if, prior to the date of this Agreement, Shipowners or Underwriters have already elected that suit must be brought in a foreign jurisdiction. Further the Shipowners agree that, where the law of the port of shipment or discharge requires that the relevant Bill of Lading shall be subject to local Hague Rules legislation, it shall be deemed to be subject to the Hague Rules as modified by this Agreement, whether such legislation be expressly incorporated in the Bill or not. 4. The Shipowners will, upon the request of any party representing the cargo (whether made before or after the expiry of the period of twelve months after the delivery of the goods or the date when the goods should have been delivered as laid down by the Hague Rules) extend the time for bringing suit for a further twelve months, unless: a) Notice of the claim with the best particulars available has not been given within the period of twelve month. or b) There has been undue delay on the part of Consignees, Receivers or Underwriters in obtaining the relevant information and formulating the claim. 5. Any dispute as to the interpretation of this Agreement, or as to whether the Shipowners are entitled to a particular case to refuse to extend the time for bringing suit under Clause 4 hereof, shall be referred to the decision of the British Maritime Law Association Sub-Commitee, for the time being in office, whose decision shall be final, but who shall have power in their sole discretion to refer the dispute to the final decision of a legal arbitrator, to be chosen by the Sub-Commitee or, in default of their Agreement, to be appointed by the President for the time being of the Law Society. Notice of any dispute which either party desires to refer in accordance with this clause shall be given in writing to the Secretary of the Sub-Commitee, for the time being, and also to the other party. The Members of the Commitee at the date of signing this Agreement are set out in Schedule I I I ; the British Maritime Law Association or its President for the time being shall have power to vary or add to the membership of the Sub-Commitee as occasion may require. 6. It is appreciated that, while the parties to this Agreement will use their best endeavours to ensure that all the claims with which the Agreement is designed to deal are dealt with in accordance with its terms, there may be cases in which Shipowners or Underwriters may be obliged to become parties to proceedings outside the United Kingdom; in such cases the provisions of this Agreement shall not apply to such proceedings. 7. Except as hereinafter provided, this Agreement shall remain in force for a period of five years from the date of this Agreement and shall remain binding on all the parties thereafter subject only to six months' notice or intention to terminate being given in writing to the Secretary of the Sub-Commitee: (1) By any of the Shipowners' Association set out in Schedule I (a) or by any one of the Protection and Indemnity Associations set out in Schedule I ( b ) or by any one of the Underwriters' Associations set out in Schedule I ( d ) hereof. On the expiry of such six months notice this Agreement shall become cancelled as between all the parties thereto, save that it shall remain operative in respect of all claims for loss of or damage to cargo arising under bills of lading dated prior to the expiry of such notice. (2) By any one of the parties set out in Schedule I (e) or by any one of the foreign Shipowners who have become parties to the Agreement in accordance with terms of Clause 8. On the expiry of such six months notice, the party giving notice shall be entitled to withdraw from the 941
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Agreement but the Agreement shall continue as between all the remaining parties thereto, and the party giving notice shall remain bound by the Agreement for all claims for loss or of damage to cargo arising under bills of lading, dated prior to expiry of such notice. In the event or there being any change in any of the legislation set out in Schedule II hereof during the currency of this Agreement, the Sub-Commitee shall consider such change and report its findings to the parties set out in Schedule I (a) und (d) hereof and to the British Maritime Law Association. After the issue of such report, and whether before or after the expiry of the said period of five years, should all the British Shipowners' Associations set out in Schedule I (a), or all the British Underwriters' Associations set out in Schedule I (d) hereof desire to terminate the Agreement, this may be done by giving not less than thirty days notice in writing to the Secretary of the Sub-Commitee. On the expiry of such notice this Agreement shall be cancelled as between all the parties thereto, save that it shall remain operative in respect of all claims for loss or of damage to cargo arising under bills of lading dated prior to the expiry of such notice. 8.
In the event of any Underwriters not being members of any of the associations specified in Schedule I (d) desiring to participate in this Agreement, applications should be made by them in writing to the Secretary of the Sub-Committee, and subject to the Approval of the Sub-Committee, they shall become parties to the Agreement. Any Shipowner not being a member of any of the Shipowners' Associations specified in Schedule I (a) whose vessel or vessels is or are entered in a British Protecting and Indemnity Association, shall likewise be entitled to apply, through the P. & I. Association, to participate in this Agreement in respect of such vessel or vessels, and subject to the approval of the Sub-Committee, shall become and remain a party to the Agreement so long as such vessel or vessels shall continue to be entered in a British P. & I. Association. Dated London, Liverpool, Glasgow, 1st August 1950.
E. Texte einzelner HR-Gesetze (Auswahl) 1. Großbritannien Carriage of Goods by Sea Act, 1924 Vorbemerkung Der Carriage of Goods by Sea Act, 1924, ist nur nach der allgemeinen Bedeutung seines Wortlauts, nicht an Hand älterer britischer Urteile auszulegen (Malaysia Federal Court, Appellate Jurisdiction, i. Sa. Rambite Cycle Co. v. P. & O. Steamship Co., 1968 1 Lloyd's Rep. 42). Eine Neufassung des Carriage of Goods by Sea Act von 1971, die die Visby-Rules berücksichtigt, war am 1. 11. 1976 noch nicht in Kraft getreten. Siehe den Text bei Scrutton, S. 450 ff. Text Whereas at the International Conference on Maritime Law held at Brussels in October, 1922, the delegates at the Conference, including the delegates representing His Majesty, agreed unanimously to recommend their respective Governments to adopt as the basis of a convention a draft convention for the unification of certain rules relating to bills of lading: 6. Unless notice of loss or damage and the general nature of such loss or damage be given in writing to the carrier or his agent at the port of discharge before or at the time of the removal of the goods into the custody of the person entitled to delivery thereof under the contract of carriage, or, if the loss or damage be not apparent, within three days, such removal shall be prima facie evidence of the delivery by the carrier of the goods as described in the bill of lad ing. 942
Texte einzelner HR-Gesetze
A n h III § 6 6 3 b
Be it therefore enacted by the King's most Excellent Majesty, by and with the advice and consent of the Lords Spiritual and Temporal, and Commons, in this present Parliament assembled, and by the authority of the same, as follows: — Application of Rules in Schedule 1. Subject to the provisions of this Act, the Rules shall have effect in relation to and in connection with the carriage of goods by sea in ships carrying goods from any port in Great Britain or Northern Ireland to any other port whether in or outside Great Britain or Northern Ireland. Absolute warranty of seaworthiness not to be implied in contracts to which Rules apply 2. There shall not be implied in any contract for the carriage of goods by sea to which the Rules apply any absolute undertaking by the carrier of the goods to provide a seaworthy ship. Statement as to application of Rules to be included in bills of lading 3. Every bill of lading, or similar document of title, issued in Great Britain or Northern Ireland which contains or is evidence of any contract to which the Rules apply shall contain an express statement that it is to have effect subject to the provisions of the said Rules as applied by this Act. Modification of Article VI. of Rules in relation to coasting trade 4. Article VI. of the Rules shall, in relation, to the carriage of goods by sea in ships carrying goods f r o m any port in Great Britain or Northern Ireland to any other port in Great Britain or Northern Ireland or to a port in the Irish Free State, have effects as though the said Article referred to goods of any class instead of to particular goods and as though the proviso to the second paragraph of the said Article were omitted. Modification of Rules 4 and 5 of Article III. in relation to bulk cargoes 5. Where under the custom any trade the weight of any bulk cargo inserted in the bill of lading is a weight ascertained or accepted by a third party other than the carrier or the shipper and the fact the weight is so ascertained or accepted is stated in the bill of lading, then, notwithstanding anything in the Rules, the bill of lading shall not be deemed to be prima facie evidence against the carrier of the receipt of goods of the weight so inserted in the bill of lading, and the accuracy thereof at the time of shipment shall not be deemed to have been guaranteed by the shipper. Short title, saving, and operation 6. (1) This Act may be cited as the Carriage of Goods by Sea Act, 1924. (2) Nothing in this Act shall affect the operation of sections four hundred and forty-six to four hundred and fifty, both inclusive, five hundred and two, and five hundred and three of the Merchant Shipping Act, 1894, as amended by any subsequent enactment, or the operation of any other enactment for time being in force limiting the liability of the owners of seagoing vessels. (3) The Rules shall not by virtue of this Act apply to any contract for the carriage of goods by sea made before such day, not being earlier than June 30, 1924, as His Majesty may be Order in Council direct, nor to any bill of lading or similar document of title issued, whether before or after such day as aforesaid, in pursuance of any such contract as aforesaid. Schedule Rules Relating to Bills of Lading (Dem Schedule liegt nicht das Konnossementsabkommen vom 25. 8. 1924 zugrunde, vielmehr Vorentwürfe zu diesem, insbesondere derjenige vom Oktober 1923. Doch sind die Abweichungen gegenüber dem Konnossementsabkommen, abgegeben in der Fassung des Art. IX, geringfügig.) 943
Anh III § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Article I Definitions
In these Rules the following expressions have the meanings hereby assigned to them respectively, that is to say — a) "Carrier" includes the owner or the charterer who enters into a contract of carriage with a shipper; b) "Contract of carriage" applies only to contracts of carriage covered by a bill of lading or any similar document of title, in so far as such document relates to the carriage of goods by sea, including any bill of lading, or any similar document as aforesaid issued under or pursuant to a charterparty from the moment at which such bill of lading or similar document of title regulates the relations between a carrier and a holder of the same; c) "Goods" includes goods, wares, merchandises, and article of every kind whatsoever, except live animals and cargo which by the contract of carriage is stated as being carried on deck and is so carried; d) "Ship" means any vessel used for the carriage of goods by sea; e) "Carriage of goods" covers the period from the time when the goods are loaded on to the time when they are discharged from the ship. Article II Risks Subject to the provisions of Article VI, under every contract of carriage of goods by sea the carrier, in relation to the loading, handling, stowage, carriage, custody, care, and discharge of such goods, shall be subject to the responsibilities and liabilities, and entitled to the rights and immunities hereinafter set forth. Article III Responsibilities and Liabilities 1. The carrier shall be bound, before and at the beginning of the voyage, to exercise due diligence to — a) Make the ship seaworthy: b) Properly man, equip, and supply the ship: c) Make the holds, refrigerating and cool chambers, and all others parts of the ship in which goods are carried, fit and safe for their reception, carriage and preservation. 2. Subject to the provisions of Article IV, the carrier shall properly and carefully load, handle, stow, carry, keep, care for and discharge the goods carried. 3. After receiving the goods into his charge, the carrier, or the master or agent of the carrier, shall, on demand of the shipper, issue to the shipper a bill of lading showing among other things — a) The leading marks necessary for identification of the goods as the same are furnished in writing by the shipper before the loading of such goods starts, provided such marks are stamped or otherwise shown clearly upon the goods if uncovered, or on the cases or coverings in which such goods are contained, in such a manner as should ordinarily remain legible until the end of the voyage; b) Either the number of packages or pieces, or the quantity, or weight, as the case may be, as furnished in writing by the shipper; c) The apparent order and condition of the goods: 944
Texte einzelner HR-Gesetze
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Provided that no carrier, master or agent of the carrier, shall be bound to state or show in the bill of lading any marks, number, quantity, or weight which he has reasonable ground for suspecting not accurately to represent the goods actually received, or which he has had no reasonable means of checking. 4. Such a bill of lading shall be prima facie evidence of the receipt by the carrier of the goods as therein described in accordance with paragraph 3 a), b), and c). 5. The shipper shall be deemed to have guaranteed to the carrier the accuracy at the time of shipment of the marks, number, quantity, and weight, as furnished by him, and the shipper shall indemnify the carrier against all loss, damages, and expenses arising or resulting f r o m inaccuracies in such particulars. The right of the carrier to such indemnity shall in no way limit his responsibility and liability under the contract of carriage to any person other than the shipper. 6. Unless notice of loss or damage and the general nature of such loss or damage be given in writing to the carrier or his agent at the port of discharge before or at the time of the removal of the goods into the custody of the person entitled to delivery thereof under the contract of carriage, or, if the loss or damage be not apparent, within three days, such removal shall be prima facie evidence of the delivery by the carrier of the goods as described in the bill of lading. The notice in writing need not be given if the state of the goods has at the time of their receipt been the subject of joint survey or inspection. In any event the carrier and the ship shall be discharged from all liability in respect of loss or damage unless suit is brought within one year after delivery of the goods or the date when the goods should have been delivered. In the case of any actual or apprehended loss or damage the carrier and the receiver shall give all reasonable facilities to each other for inspecting and tallying the goods. 7. After the goods are loaded the bill of lading to be issued by the carrier, master or agent of the carrier, to the shipper shall, if the shipper so demands, be a "shipped" bill of lading, provided that if the shipper shall have previously taken up any document of title to such goods, he shall surrender the same as against the issue of the "shipped" bill of lading, but at the option of the carrier such document of title may be noted at the port of shipment by the carrier, master, or agent with the name or names of the ship or ships upon which the goods have been shipped and the date or dates of shipment, and when so noted the same shall for the purpose of this Article be deemed to constitute a "shipped" bill of lading. 8. Any clause, covenant or agreement in a contract of carriage relieving the carrier or the ship f r o m liability for loss or damage to or in connection with goods arising from negligence, fault of failure in the duties and obligations provided in this article or lessening such liability otherwise than as provided in these Rules, shall be null and void and of no effect. A benefit of insurance or similar clause shall be deemed to be a clause relieving the carrier from liability. Article IV Rights and Immunities 1. Neither the carrier nor the ship shall be liable for loss or damage arising or resulting f r o m unseaworthiness unless caused by want of due diligence on the part of the carrier to make the ship seaworthy, and to secure that the ship is properly manned, equipped and supplied, and to make the holds, refrigerating and cool chambers and all other parts of the ship in which goods are carried fit and safe for their reception, carriage and preservation in accordance with the provisions of paragraph 1 of Article III. Whenever loss or damage has resulted from unseaworthiness, the burden of proving the exercise of due diligence shall be on the carrier or other person claiming exemption under this section. 945
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2. Neither the carrier nor the ship shall be responsible for loss or damage arising or resulting from — a) Act, neglect, or default of the master, mariner, pilot, or the servants of the carrier in the navigation or in the management of the ship; b) Fire, unless caused by the actual fault or privity of the carrier; c) Perils, dangers and accidents of the sea or other navigable waters; d) Act of God; e) Act of war; f) Act of public enemies; g) Arrest or restraint of princes, rulers or people, or seizure under legal process; h) Quarantine restrictions; i) Act or omission of the shipper or owner of the goods, his agent or representative; j) Strikes or lock-outs or stoppage or restraint of labour from whatever cause, whether partial or general; k) Riots and civil commotions; 1) Saving or attempting to save life or property at sea; m) Wastage in bulk or weight or any other loss or damage arising from inherent defect, quality, or vice of the goods; n) Insufficiency of packing; o) Insufficiency or inadequacy of marks; p) Latent defects not discoverable by due diligence; q) Any other cause arising without the actual fault or privity of the carrier, or without the fault or neglect of the agents or servants of the carrier, but the burden of proof shall be on the person claiming the benefit of this exception to show that neither the actual fault or privity of the carrier nor the fault or neglect of the agents or servants of the carrier contributed to the loss or damage. 3. The shipper shall not be responsible for loss or damage sustained by the carrier or the ship arising or resulting from any cause without the act, fault or neglect of the shipper, his agents or his servants. 4. Any deviation in saving or attempting to save life or property at sea, or any reasonable deviation shall not be deemed to be an infringement or breach of these Rules or of the contract of carriage, and the carrier shall not be liable for any loss or damage resulting therefrom. 5. Neither the carrier nor the ship shall in any event be or become liable for any loss or damage to or in connection with goods in an amount exceeding £ 100 per package or unit, or the equivalent of that sum in other currency, unless the nature and value of such goods have been declared by the shipper before shipment and inserted in the bill of lading. This declaration of embodied in the bill of lading shall be prima facie evidence, but shall not be binding or conclusive on the carrier. By agreement between the carrier, master or agent of the carrier and the shipper another maximum amount than that mentioned in this paragraph may be fixed, provided that such maximum shall not be less than the figure above named. Neither the carrier nor the ship shall be responsible in any event for loss or damage to or in connection with goods if the nature or value thereof has been knowingly misstated by the shipper in the bill of lading. 6. Goods of an inflammable, explosive or dangerous nature to the shipment whereof the carrier, master or agent of the carrier, has not consented, with knowledge of their nature and character, may at any time before discharge be landed at any place or destroyed or rendered innocuous by the carrier without compensation, and the shipper of such goods shall be liable for all damages and expenses directly or indirectly arising out of or resulting from such shipment. If any such goods shipped with such knowledge and consent shall become a danger to the ship or cargo, they may in like manner be landed at any place or destroyed or rendered innocuous by the carrier without liability on the part of the carrier except to general average, if any. 946
Texte einzelner HR-Gesetze
A n h III § 6 6 3 b Article V
Surrender of Rights and Immunities, and Increase of Responsibilities and Liabilities A carrier shall be at liberty to surrender in whole or in part all or any of his rights and immunities or to increase any of his responsibilities and liabilities under the Rules contained in any of these articles, provided such surrender or increase shall be embodied in the bill of lading issued to the shipper. The provisions of these Rules shall not be applicable to charterparties, but if bills of lading are issued in the case of a ship under a charterparty they shall comply with the terms of these Rules. Nothing in these Rules shall be held to prevent the insertion in a bill of lading of any lawful provision regarding general average. Article VI Special Conditions Notwhithstanding the provisions of the preceding articles, a carrier, master or agent of the carrier, and a shipper shall in regard to any particular goods be at liberty to enter into any agreement in any terms as to the responsibility and liability of the carrier for such goods, and as to the rights and immunities of the carrier in respect of such goods, or his obligation as to seaworthiness, so far as this stipulation is not contrary to public policy, or the care or diligence of his servants or agents in regard to the loading, handling, stowage, carriage, custody, care, and discharge of the goods carried by sea, provided that in this case no bill of lading has been or shall be issued and that the terms agreed shall be embodied in receipt which shall be a nonnegotiable document and shall be marked as such. Any agreement so entered into shall have full legal effect: Provided that this article shall not apply to ordinary commercial shipments made in the ordinary course of trade, but only to other shipments where the character or condition of the property to be carried or the circumstances, terms and conditions under which the carriage is to be performed, are such as reasonably to justify a special agreement.
Article VII Limitations on the Application of the Rules Nothing herein contained shall prevent a carrier or a shipper from entering into any agreement, stipulation, condition, reservation or exemption as to the responsibility and liability of the carrier or the ship for the loss or damage to or in connection with the custody and care and handling of goods prior to the loading on and subsequent to the discharge from the ship on which the goods are carried by sea. Article
VIII
Limitation of Liability The provisions of these Rules shall not affect the rights and obligations of the carrier under any statute for the time being in force relating to the limitation of the liability of owners of sea-going vessels. Article IX The monetary units mentioned in these Rules are to be taken to be gold value. Siehe dazu das oben unter D wiedergegebene „Gold Clause Agreement".
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Anh III § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB 2. Australien Sea-Carriage of Goods Act, 1924
1. This Act may be cited as the Sea-Carriage of Goods Act, 1924. 2. This Act shall commence in a date to be fixed by Proclamation. 1
Die Inkraftsetzung erfolgte am l. 1. 1925. Vgl. Australian Gazette 1924 Nr. 8. 3. The Sea-Carriage of Goods Act, 1904, is hereby repealed. 4. (1) Subject to the provisions of this Act, the Rules contained in the Schedule to this Act (in this Act referred to as "the Rules") shall have effect in relation to and in connection with the carriage of goods by sea in ships carrying goods from any part in the Commonwealth to any other post whether in our outside the Commonwealth. (2) The Rules shall not by virtue of this Act apply to the carriage of goods by sea from a port in any State to any other port in the same State. 5. There shall not be implied in any contract for the carriage of goods by sea to which this Act applies any absolute undertaking by the carrier of the goods to provide a seaworthy ship. 6. Every bill of lading or similar document of title issued in the Commonwealth which contains or is evidence of any contract to which the Rules apply shall contain an express statement that it is to have effect subject to the provisions of the Rules as applies by this Act. 7. A bill of lading issued in accordance with paragraph 3 of Article III of the Rules shall for all purposes be deemed to be a valid bill of lading with the like effect, and capable of negotiation in all respects and with the like consequences, as if it were a shipped bill of lading. 8. Where, under the custom of any trade, the weight of any bulk cargo inserted in the bill of lading is a weight ascertained or accepted by a third party other than the carrier or the shipper, and the fact that the weight is so ascertained or accepted is stated in the bill of lading, then, notwithstanding anything in the Rules, the bill of lading shall not be deemed to be prima facie evidence against the carrier of the receipt of goods of the weight so inserted in the bill of lading, and the accuracy thereof at the time of shipment shall not be deemed to have been guaranteed by the shipper. 9. (1) All parties to any bill of lading or document relating to the carriage of goods from any place in Australia to any place outside Australia shall be deemed to have intended to contract according to the laws in force at the place of shipment, and any stipulation or agreement to the contrary, or purporting to oust or lessen the jurisdiction of the courts of the Commonwealth or of a State in respect of the bill of lading or document, shall be illegal, null and void, and of no effect. (2) Any stipulation or agreement, whether made in the Commonwealth or elsewhere, purporting to oust or lessen the jurisdiction of the courts of the Commonwealth or of a State in respect of any bill of lading or document relating to the carriage of goods from any place outside Australia to any place in Australia shall be illegal, null and void, and of no effect. 10. (1) Nothing in this Act shall affect the operation of Division 10 of Part IV of the Navigation Act, 1912 — 1920, or the operation of any other Act for the time being in force limiting the liability of the owners of sea-going vessels. (2) The rules shall not by virtue of this Act apply to any contract for the carriage of goods by sea made before the commencement of this Act. The Schedule (Der Anhang ist identisch mit demjenigen zu dem britischen Carriage of Goods by Sea Act). 948
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A n h III § 6 6 3 b 3. Kanada Water Carriage of Goods Act, 1936
1. This Act may be cited as the Water Carriage of Goods Act, 1936. 2. Subject to the provisions of this Act, the Rules relating to bills of lading as contained in the Schedule to this Act (hereinafter referred to as "the Rules") shall have effect in relation to and in connection with the carriage of goods by water in ships carrying goods from any port in Canada to any other port whether in or outside Canada. 3. There shall not be implied in any contract for the carriage of goods by water to which the Rules apply any absolute undertaking by the carrier of the goods to provide a seaworthy ship. 4. Every bill of lading, or similar document of title issued in Canada which contains or is evidence of any contract to which the Rules apply shall contain an express statement that it is to have effect subject to the provisions of the Rules as applied by this Act. 5. Article VI of the Rules, shall, in relation to the carriage of goods by water in ships carrying goods from any port or place in Canada to any other port or place in Canada, have effect as though the said Article referred to goods of any class instead of to particular goods and as though the proviso to the second paragraph of the said Article were omitted. 6. (wie Art. 5 des britischen Carriage of Goods by Sea Act). 7. (1) Nothing in this Act shall affect the operation of sections four hundred and fifty-six and four hundred and fifty-seven, and sections six hundred and forty-nine to six hundred and fifty-eight, both inclusive, of the Canada Shipping Act, 1934, as amended, or the operation of any other enactment for the time being in force limiting the liability of the owners of vessels. (2) The Rules shall not by virtue of this Act apply to any contract for the carriage of goods by water made before such day, not being earlier than the first day of August, nineteen hundred and thirty-six, as the Governor-General may by Order in Council direct, nor to any bill of lading or similar document of title issued, whether before or after such day as aforesaid, in pursuance of any such contract as aforesaid. 8. The Water Carriage of Goods Act, chapter two hundred and seven of the Revised Statues of Canada, 1927, is repealed. 9. This Act shall come into force on a date to be fixed by proclamation of the Governor in Council published in the Canada Gazette. Das Inkrafttreten erfolgte am 1. 8. 1936 (vgl. Canada Gazette Bd. 70 S. 93).
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Schedule Rules Relating to Bills of Lading Die Bestimmungen entsprechen denjenigen des Schedules des British Carriage of Goods by Sea Act mit folgenden Abweichungen: In Art. I (6), VI und VII ist das Wort „water" an Stelle von „sea" gebraucht worden, und in Art. VIII fehlt das Wort „sea —going". Art. IV, Zeile 5, bestimmt an Stelle von £ 100 $ 500, und Art. IX lautet: "The monetary units mentioned in these Rules are to be taken to be lawful money of Canada." 4. Vereinigte Staaten von Amerika Carriage of Goods by Sea Act An Act relating to the carriage of goods by sea Be it enacted by the Senate and House of Representatives of the United States of America in Congress assembled. That every bill of lading or similar document of title which is evidence of a contract for the carriage of goods by sea to or from ports of the United States, in foreign trade, shall have effect subject to the provisions of this Act. 949
Anh III § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Title I
Section 1. When used in this Act — a) The term "carrier" includes the owner or the charterer who enters into a contract of carriage with a shipper. b) The term "contract of carriage" applies only to contracts of carriage covered by a bill of lading or any similar document of title, insofar as such document relates to the carriage of goods by sea, including any bill of lading or any similar document as aforesaid issued under or pursuant to a charter party from the moment at which such bill of lading or similar document of title regulates the relations between a carrier and a holder of the same. c) The term "goods" includes goods, wares, merchandise, and articles of every kind whatsoever, except live animals and cargo which by the contract of carriage is stated as being carried on deck and is so carried. d) The term "ship" means any vessel used for the carriage of goods by sea. e) The term "carriage of goods" covers the period from the time when the goods are loaded on to the time when they are discharged from the ship. Risks Section 2. Subject to the provisions of section 6, under every contract of carriage of goods by sea, the carrier in relation to the loading, handling, stowage, carriage, custody, care, and discharge of such goods, shall be subject to the responsibilities and liabilities and entitled to the rights and immunities hereinafter set forth. Responsibilities and Liabilities Section 3. (1) The carrier shall be bound, before and at the beginning of the voyage, to exercise due diligence to — a) Make the ship seaworthy; b) Properly man, equip, and supply the ship; c) Make the holds, refrigerating and cooling chambers, and all other parts of the ship in which goods are carried, fit and safe for their reception, carriage, and preservation. (2) The carrier shall properly and carefully load, handle, stow, carry, keep, care for, and discharge the goods carried. (3) After receiving the goods into his charge the carrier, or the master or agent of the carrier, shall, on demand of the shipper, issue tci the shipper a bill of lading showing among other things — a) The leading marks necessary for indentification of the goods as the same are furnished in writing by the shipper before the loading of such goods starts, provided such marks are stamped or otherwise shown clearly upon the goods if uncovered, or on the cases or coverings in which such goods are contained, in such a manner as should ordinarily remain legible until the end of the voyage. b) Either the number of packages or pieces, or the quantity or weight, as the case may be as furnished in writing by the shipper. c) The apparent order and condition of the goods: Provided, That no carrier, master, or agent of the carrier, shall be bound to state or show in the bill of lading any marks, number, quantity, or weight which he has reasonable ground for suspecting not accurately to represent the goods actually received, or which he has had no reasonable means of checking. (4) Such a bill of lading shall be prima facie evidence of the receipt by the carrier of the goods as therein described in accordance with paragraphs (3) a), b), and c), of this section: Provided, That nothing in this Act shall be construed as repealing or limiting the application of any part of the Act, as amended, entitled "An Act relating to bills of lading in interstate and foreign commerce", approved August 29, 1916 (U. S. C., title 49, ss. 81 —124), commonly known as the "Pomerene Bills of Lading Act". 950
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Anh III § 663b
(5) The shipper shall be deemed to have guaranteed to the carrier the accuracy at the time of shipment of the marks, number, quantity, and weight, as furnished by him; and the shipper shall indemnify the carrier against all loss, damages, and expenses arising or resulting f r o m inaccuracies in such particulars. The right of the carrier to such indemnity shall in no way limit his responsibility and liability under the contract of carriage to any person other than the shipper. (6) Unless notice of loss or damage and the general nature of such loss or damage be given in writing to the carrier or his agent at the port of discharge before or at the time of the removal of the goods into the custody of the person entitled to delivery thereof under the contract of carriage, such removal shall be prima facie evidence of the delivery by the carrier of the goods as described in the bill of lading. If the loss or damage is not apparent, the notice must be given within three days of the delivery. Said notice of loss or damage may be indorsed upon the receipt for the goods given by the person taking delivery thereof. The notice in writing need not be given if the state of the goods has at the time of their receipt been the subject of joint survey or inspection. In any event the carrier and the ship shall be discharged from all liability in respect of loss or damage unless suit is brought within one year after delivery of the goods or the date when the goods should have been delivered: Provided, That if a notice of loss or damage, either apparent or concealed, is not given as provided for in this section, that fact shall not affect or prejudice the right of the shipper to bring suit within one year after the delivery of the goods or the date when the goods should have been delivered. In the case of any actual or apprehended loss or damage the carrier and the receiver shall give all reasonable facilities to each other for inspecting and tallying the goods. (7) After the goods are loaded the bill of lading to be issued by the carrier, master, or agent of the carrier to the shipper shall, if the shipper so demands, be a "shipped" bill of lading: Provided, That if the shipper shall have previously taken up any document of title to such goods, he shall surrender the same as against the issue of the "shipped" bill of lading, but at the option of the carrier such document of title may be noted at the port of shipment by the carrier, master, or agent whith the name or namens of the ship or ships upon which the goods have been shipped and the date or dates of shipment, and when so noted the same shall for the purpose of this section be deemed to constitute a "shipped" bill of lading. (8) Any clause, covenant, or agreement in a contract of carriage relieving the carrier or the ship from liability for loss or damage to or in connection with the goods, arising from negligence, fault, or failure in the duties and obligations provided in this section, or lessening such liability otherwise than as provided in this Act, shall be null and void and of no effect. A benefit of insurance in favor of the carrier or similar clause, shall be deemed to be a clause relieving the carrier from liability. Rights and immunities Section 4.( 1) Neither the carrier nor the ship shall be liable for loss or damage arising or resulting from unseaworthiness unless caused by want of due diligence on the part of the carrier to make the ship seaworthy, and to secure that the ship is properly manned, equipped, and supplied, and to make the holds, refrigerating and cool chambers, and all other parts of the ship in which goods are carried fit and safe for their reception, carriage, and preservation in accordance with the provisions of paragraph (1) of section 3. Whenever loss or damage has resulted from unseaworthiness, the burden of proving the exercise of due diligence shall be on the carrier or other persons claiming exemption under this section. (2) Neither the carrier nor the ship shall be responsible for loss or damage arising or resulting from a) Act, neglect, or default of the master, mariner, pilot, or the servants of the carrier in the navigation or in the management of the ship; b) Fire, unless caused by the actual fault or privity of the carrier; c) Perils, dangers, and accidents of the sea or other navigable waters; 951
A n h III § 6 6 3 b
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d) Act of G o d ; e) Act of war; f) Act of public enemies; g) Arrest or restraint of princes, rulers, or people, or seizure under legal process; h) Quarantine restrictions; i) Act or omission of the shipper or owner of the goods, his agent or representative; j) Strikes or lockouts or stoppage or restraint of labour from whatever cause, whether partial or general: Provided, That nothing herein contained shall be constructed to relieve a carrier from responsibility for the carrier's own acts; k) Riots and civil commotions; 1) Saving or attempting to save life or property at sea; m) Wastage in bulk or weight or any other loss or damage arising from inherent defect, quality, or vice of the goods; n) Insufficiency of packing; o) Insufficiency or inadequacy of marks; p) Latent defects not discoverable by due diligence; and q) Any other cause arising without the actual fault and privity of the carrier and without the fault or neglect of the agents or servants of the carrier, but the burden of proof shall be on the person claiming the benefit of this exception to show that neither the actual fault or privity of the carrier nor the fault or neglect of the agents or servants of the carrier contributed to the loss or damage. (3) The shipper shall not be responsible for loss or damage sustained by the carrier or the ship arising or resulting from any cause without the act, fault, or neglect of the shipper, his agents, or his servants. (4) Any deviation in saving or attempting to save life or property at sea, or any reassonable deviation shall not be deemed to be an infringement or breach of this Act or of the contract of carriage, and the carrier shall not be liable for any loss or damage resulting therefrom: Provided, however, That if the deviation is for the purpose of loading or unloading cargo or passengers it shall, prima facie, be regarded as unreasonable. (5) Neither the carrier nor the ship shall in any event be or become liable for any loss or damage to or in connection with the transportation of goods in an amount exceeding $ 500 per package lawful money of the United States, or in case of goods not shipped in packages, per customary freight unit, or the equivalent of that sum in other currency, unless the nature and value of such goods have been declared by the shipper before shipment and inserted in the bill of lading. This declaration, if embodied in the bill of lading, shall be prima facie evidence, but shall not be conclusive on the carrier. By agreement between the carrier, master, or agent of the carrier, and the shipper another maximum amount than that mentioned in this paragraph may be fixed: Provided, That such maximum shall not be less than the figure above named. In no event shall the carrier be liable for more than the amount of damage actually sustained. Neither the carrier nor the ship shall be responsible in any event for loss or damage to or in connection with the transportation of the goods if the nature or value thereof has been knowingly and fraudulently misstated by the shipper in the bill of lading. Goods of an inflammable, explosive, or dangerous nature to the shipment whereof the carrier, master or agent of the carrier, has not consented with knowledge of their nature and character, may at any time before discharge be landed at any place or destroyed or rendered innocuous by the carrier without compensation, and the shipper of such goods shall be liable for all damages and expenses directly or indirectly arising out of or resulting from such shipment. If any such goods shipped with such knowledge and consent shall become a danger to the ship or cargo, they may in like manner be landed at any place, or destroyed or rendered innocuous by the carrier without liability on the part of the carrier except to general average, if any. 1
Ein auf einem hölzernen Schlitten (wooden skid) befestigtes, sonst unverpacktes Aggregat ist nicht als package i. S. der Sektion 4 (§ 5) anzusehen (OLG Bremen VersR 1976 S. 556). 952
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Surrender of rights and Immunities and Increase of Responsabilities and Liabilities Section 5. A carrier shall be at liberty to surrender in whole or in part all or any of his rights and immunities or to increase any of his responsibilities and liabilities under this Act, provided such surrender or increase shall be embodied in the bill of lading issued to the shipper. The provisions of the Act shall not be applicable to charter parties; but if bills of lading are issued in the case of a ship under a charter party, they shall comply with the terms of this Act. Nothing in this Act shall be held to prevent the insertion in a bill of lading of any lawful provision regarding general average. Special Conditions Section 6. Notwithstanding the provisions of the preceding sections, a carrier, master or agent of the carier, and a shipper shall, in regard to any particular goods be at liberty to enter into any agreement in any terms as to the responsibility and liability of the carrier for such goods, and as to the rights and immunities of the carrier in respect of such goods, or his obligation as to seaworthiness (so far as the stipulation regarding seaworthiness is not contrary to public policy), or the care or diligence of his servants or agents in regard to the loading, handling, stowage, carriage, custody, care, and discharge of the goods carried by sea: Provided, That in this case no bill of lading has been or shall be issued and that the terms agreed shall be embodied in a receipt which shall be a nonnegotiable document and shall be marked as such. Any agreement so entered into shall have full legal effect: Provided, That this section shall not apply to ordinary commercial shipments made in the ordinary course of trade but only to other shipments where the character or condition of the property to be carried or the circumstances, terms, and conditions under which the carriage is to be performed are such as reasonably to justify a special agreement. Section 7. Nothing contained in this Act shall prevent a carrier or a shipper from entering into any agreement, stipulation, condition, reservation, or exemption as to the responsibility and liability of the carrier or the ship for the loss or damage to or in connection with the custody and care and handling of goods prior to the loading on and subsequent to the discharge from the ship on which the goods are carried by sea. Section 8. The provisions of this Act shall not affect the rights and obligations of the carrier under the provisions of the Shipping Act, 1916, or under the provisions of sections 4281 to 4289, inclusive, of the Revised Statutes of the United States, or of any amendments thereto; or under the provisions of any other enactment for the time being in force relating to the limitation of the liability of the owners of seagoing vessels Title II Section 9. Nothing contained in this Act shall be construed as permitting a common carrier by water to discriminate between competing shippers similarly placed in time and circumstances, either a) with respect to their right to demand and receive bills of lading subject to be provisions of this Act; or b) when issuing such bills of lading, either in the surrender of any of the carrier's rights and immunities or in the increase of any of the carrier's responsibilities and liabilities pursuant to section 5, title I, of this Act; or c) in any other way prohibited by the Shipping Act, 1916, as amended. Section 10. (aufgehoben durch den Transportation Act, 1940). Section 11. Where under the customs of any trade the weight of any bulk cargo inserted in the bill of lading is a weight ascertained or accepted by a third party other than the carrier or the shipper, and the fact that the weight is so ascertained or accepted is stated in the bill of lading, then, notwithstanding anything in this Act, the bill of lading shall not be deemed to be prima facie evidence against the carrier of the receipt of goods of the weight so inserted in the bill of lading, and the accuracy thereof at the time of shipment shall not be deemed to have been guaranteed by the shipper. 953
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Section 12. Nothing in this Act shall be construed as superseding any part of the Act entitled "An Act relating to navigation of vessels, bills of lading, and to certain obligations, duties, and rights in connection with the carriage of property", approved February 13, 1893, or of any other law which would be applicable in the absence of this Act, insofar as they relate to the duties, responsibilities, and liabilities of the ship or carrier prior to the time when the goods are loaded on or after the time they are discharged f r o m the ship. Section 13. This Act shall apply to all contracts for carriage of goods by sea to or from ports of the United States in foreign trade. As used in this Act the term "United States" includes its districts, territories, and possessions: Provided, however, That the Philippine Legislature may by law exclude its application to transportation to or from ports of the Philippine Islands. The term "foreign trade" means the transportations of goods between the ports of the United States and ports of foreign countires. Nothing in this Act shall be held to apply to contracts for carriage of goods by sea between any port of the United States or its possessions, and any other port of the United States or its possessions: Provided, however, That any bill of lading or similar document of title which is evidence of a contract for the carriage of goods by sea between such ports, containing an express statement that it shall be subject to the provisions of this Act, shall be subjected hereto as fully as if subject hereto by the express provisions of this Act: Provided further, That every bill of lading or similar document of title which is evidence of a contract for the carriage of goods by sea from ports of the United States, in foreign trade, shall contain a statement that it shall have effect subject to the provisions of this Act. Section 14. Upon the certification of the Secretary of Commerce that the foreign commerce of the United States in its competition with that of foreign nations is prejudiced by the provisions, or any of them, of title I of this Act, or by the laws of any foreign country or countries relating to the carriage of goods by sea, the President of the United States may, from time to time, by proclamation, suspend any or all provisions of title I of this Act for such periods of time or indefinitely as may be designated in the proclamation. The President may at any time rescind such suspension of title I hereof, and any provisions thereof which may have been suspended shall thereby be reinstated and again apply to contracts thereafter made for the carriage of goods by sea. Any proclamation of suspension or rescission of any such suspension shall take effect on a date named therein, which date shall be not less than ten days from the issue of the proclamation. Any contract for the carriage of goods by sea, subject to the provisions of this Act, effective during any period when title I hereof, or any part thereof, is suspended, shall be subject to all provisions of law now or hereafter applicable to that part of title I which may have thus been suspended. Section 15. This Act shall take effect ninety days after the date of its approval; but nothing in this Act shall apply during a period not to exceed one year following its approval to any contract for the carriage of goods by sea, made before the date on which this Act is approved, nor to any bill of lading or similar document of title issued, whether before or after such date of approval in pursuance of any such contract as aforesaid. Section 16. This Act may be cited als the "Carriage of Goods by Sea Act".
S. Belgien Art. 91 SeeG: A. Le connaissement négociable émis pour le transport des marchandises effectué par toute navire, de quelque nationalité qu'il soit, au départ ou en destination d'un port du royaume ou de la colonie, est régi par les règles suivantes : (Hier folgen Art. 1 — 8 des Konnossementsabkommens). B. Tout connaissement émis dans les conditions ci-dessus portera la mention qu'il est régi par les règles de l'article 91. 954
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Texte einzelner HR-Gesetze 6. Niederlande Auszug aus dem Wetboek van Koophandel (i d. F. des Gesetzes vom 15. August 1955) Art. 453
Onder vervrachting en bevrachting worden verstaan de tijdbevrachting (tijd-charter) en de reisbevrachting (reis-charter). Tijdbevrachting is de overeenkomst, waarbij de eene partij (de vervrachter) zieh verbindt een aangewezen ship gerudende eene bepaalden tijd ter beschikking te stellen van de wederpartij (den bevrachter), ten einde het te hären behoeve tot de vaart ter zee te gebruiken, tegen betaling van een prijs, berekend naar tijdsduur. Reisbevrachting is de overeenkomst waarbij de eene partij (de vervrachter) zieh verbindt een aangewezen schip geheel of voor en deel ter beschicking te stellen van de wederpartij (den bevrachter), ten einde op een of meer bepaalde reizen voor haar personen of goederen over zee te vervoeren, tegen betaling van een zekeren prijs voor dit vervoer. Art. 466 Vervoerder in den zin van dezen titel is degene die zieh, hetzij bij een tijd-of reisbevrachting, hetzij bij eenige andere overeenkomst, verbindt het vervoer van goederen, geheel of gedeeltelijk over zee, te bewerkstelligen. Art. 468 De vervoerder is gehouden voor en bij de aanvang van de reis een redelijke zorg aan te wenden voor: a) het zeewaardig maken van het schip; b) het voldoende bemannen, uitrusten en bevooraden van het schip; c) het geschikt maken en in goede Staat brengen van de ruimen, vies-en koelkamers en alle andere delen van het schip, waarin goederen worden vervoerd, om deze daarin te bergen, te vervoeren en goed te houden. Onder voorbehould van het bepaalde bij art. 469 is de vervoerder verpflicht van het ogenblik der inontvangstneming tot dat der aflevering zorg te dragen voor de behoorlijke en zorgvuldige lading, behandeling, stuwing, vervoer, bewaking, verzorging en lossing van de vervoerde goederen. De afzender wordt geacht ten behoeve van de vervoerder in te staan voor de juistheid op het ogenblik van de inontvangstneming van de door hem opgegeven merken, getal, hoeveelheid en gewicht, en de afzender zal de vervoerder schadeloos stellen voor alle verliezen, schaden en kosten, ontstaan ten gevolge van onjuistheden in de opgave van deze bijzonderheten. Het recht van de vervoerder op dergelijke schadelosstelling beperkt in genen dele zijn aansprakelijkheid en zijn verbintenissen, zoals zij uit de vervoerovereenkomst voortlvoeien, tegenover elke ander person dan de afzender. Tenzij aan de vervoerder in de loshaven, voor of op het ogenblik van het weghalen van de goederen en van hun overgifte aan de krachtens de vervoerovereenkommst op de aflevering recht hebbende persoon schriftelijk kennis is gegeven van het verlies of de beschadiging en van de algemene aard van dit verlies of de beschadiging, geldt bedoelde weghaling, tot bewijs van het tegendeel, als vermoeden, dat de goederen door de vervoerder behoorlijk werden afgeleverd. Is het verlies of de beschadiging niet uiterlijk zichtbaar, dan hioet de kennisgeving binnen drie werkdagen na de aflevering geschieden. Schriftelijk voorbehoud is overbodig als de Staat van het goed op het ogenblik van de inontvangstneming door beide partijen gezamenlijk vastgesteld werd. 955
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In elk geval is de vervoerder van alle aansprakelijkheid wegen verlies of beschadiging ontheven, tenzij een rechtsvordering wordt ingesteld binnen een jaar, nadat de goederen zijn of behoorden te zijn afgeleverd. Indien er zekerheid of vermoeden bestaat, dat er verlies of beschadiging heeft plaats gehad, moeten de ver vervoerder en de ontvanger elkander over en weer in redelijkheid alle middelen verschaffen om het onderzoek van het goed en het natellen van de colli gemakkelijk te maken. Ieder beding in een vervoerovereenkomst, waardoor de vervoerder wordt ontheven van aansprakelijkheid voor verlies of beschadiging van of met betrekking tot goederen, voortvloeiende uit nalatigheid, schuld of tetortkoming in het voldoen aan de verplichtingen, in dit artikel voorzien, of waardoor deze aansprakelijkheid mocht worden vermindered of andere wijze dan in artikel 469 is voorzien, is nietig. Een beding, krachtens hetwelk de uitkering op grond van een gesloten verzekering aan de vervoerder komt, of elk ander beding van dergelijke strekking wordt geacht te zijn gemaakt ten einde de vervoerder van aansprakelijkheid te ontheffen. Art. 469 De vervoerder is niet aansprakelijk wegens verlies of schade, ontstaan ten gevolge van onzeewaardigheid, tenzij deze te wijten is aan gebrek aan redelijke zorg aan de zijde van de vervoerder om het schip zeewardig te maken of om het behoorlijk uit te rüsten, te bemannen of te bevoorraden, of om de ruimen, koel- en vrieskamers en alle andere delen van het schip, waarin goederen vervoerd worden, geschikt te maken en in goede Staat te brengen, opdat zij kunnen dienen tot het ontvangen, alles overeenkomstig het bepaalde bij artikel 468. Telkens als verlies of schade het gevolg is van onzeewaardigheid, rust de bewijslast ten aanzien van de redelijke zorg op de vervoerder of op elke andere persoon, die mocht beweren krachtens dit artikel van aansprakelijkheid te zijn ontheven. De vervoerder is niet aansprakelijk wegen verlies of schade, ontstaan ten gevolge van: a) een handeling, onachtzaamheid of nalatigheid van de kapitein, een lid van de bemanning, de loods of een ondergeschikte, gepleegd bij de navigatie of de behandeling van het schip; b) brand, tenzij veroorzaakt door opzet of schuld van de vervoerder; c) gevaren er onheilen van de zee of van andere bevaarbare wateren; d) onvermijdelijke natuurlijke toevallen; e) oorlogshandelingen; f) daden van vijanden van de Staat; g) aanhouding of maatregelen van hogerhand of gerechtelijk beslag; h) quarantainemaatregelen; i) een handeling of een nalatigheid van de afzender of eigenaar der goederen; j) werkstadingen of uitsluitingen of stilstand of belemmering van de arbeid, ten gevolge van welke oorzaak ook, hetzie gedeeltelijk, hetzij geheel; k) oproer of ongeregeldheden; 1) redding of poging tot redding van mensenlevens of goederen op zee; m) verlies aan volume of gewicht of elk ander verlies, of elke andere beschadiging, veroorzaakt door een verborgen gebrek, de bijzondere aard of een eigen gebrek van het goed; n) onvoldoende verpakking; o) onvoldoende of verkeerde merken; p) verborgen gebreken, indien zij ondanks redelijke zorg niet te ontdekken waren; q) een andere oorzaak, niet bestaand uit opzept of schuld van de vervoerder, noch uit opzet of schuld van de vertegenwoordigers of ondergeschikten van de vervoerder; doch de bewijslast rust og degene, die zieh op deze ontheffing beroept, en het Staat aan hem aan te tonen, dat noch de schuld van de vervoerder zelf, noch zijn opzet, noch de schuld of het opzet van de vertegenwoordigers of de ondergeschikten van de vervoerder hebben bijgedragen tot het verlies of de schade. 956
Anh III § 663b
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De afzender is niet aansprakelijk wegens door de vervoerder geleden verlies of schade, ontstaan ten gevolge van enigerlei oorzaak, welke in geen verband Staat tot einige handeling, schuld of nalatigheid van de afzender. Generlei afwijking van de koers tot redding of poging tot redding van mensenlevens of goederen op zee gen generlei redelijke afwijking van de koers wordt als een inbreuk op de verpflichtingen, voortoloeinde uit de artikelen 468, 477, dit artikel of uit de vervoerovereenkomst, beschouwd en de verlies of enige beschadiging, daardoor entstaan. De vervoerder is nimmer aansprakelijk voor verlies of schade van of met betrekking tot de goederen dan tot een nader bij algeme maatregel van bestuur te bepalen bedrag per stuk of eenheid, tenzij de aard en de waarde van de goederen zijn aangegeven door de afzender, voordat de goederen zijn ingeladen, en opgenomen in een cognossement, indien dit is afgegeven. Deze aldus in het cognossement opgenomen verklaring schept een vermoeden behoudens tegenbewijs. Bij overeenkomst tussen de vervoerder en de afzender mag een ander maximumbedrag dan het in de algemene maatregel van bestuur vermelde bepaald worden, mits dit overeengekomen maximum niet lager zij dan het daarin vastgestelde bedrag. De vervoerder is niet aansprakelijk voor verlies of schade van of met betrekking tot goederen, indien aard of waarde daarvan door de afzender opzettelijk verkeerdelijk is aangegeven en, indien een cognossement is afgegeven, daarin verkeerdelijk is opgenomen. Goederen van ontvlambare, ontplofbare of gevaarlijke aard, tot welker inlading de vervoerder geen toestemming zou hebben gegeven, wanneer hij de aard of de gesteldheid daarvan gekend had, mögen te allen tijde voor de lossing op iedere plaats door de vervoerder worden gelost of vernietigd of onschadelijk gemaakt zonder schadevergoeding, en de afzender van deze goederen is aansprakelijk voor alle schaden en onkosten, middellijk of onmiddellijk ontstaan ten gevolge van de inlading ervan. Indien een van deze goederen, ingeladen met voorkennis en toestemming van de vervoerder, een gevaar wordt voor het schip of de lading, mag het eveneens door de vervoerder worden gelost of vernietigd of onschadelijk gemaakt zonder enige aansprakelijkheid van de vervoerder, tenzij voor avarij-grosse, indien daartoe gronden bestaan. De bepalingen der artikelen 468 en 469 staan niet in de weg aan enigerlei beding omtrent overliggeld of avarij-grosse. Art. 470 In afwijking van de artikelen 468 en 469 Staat het de vervoerder vrij te bedingen, dat hij niet of in geringere mate of tot een beperkt bedrag aansprakelijk zal zijn voor verlies of beschadiging von goederen voor de lading boord van of na de lossing uit het vervoerende schip alsmede van levende dieren en van lading, die bij de vervoerovereenkomst is opgegeven als deklading en feitelijk op het dek wordt vervoerd.
Art. 471 Het in het vorige artikel bepaalde geldt eveneens ten aanzien van goederen, welke door hun karakter en gesteldheid een bijzondere overeenkomst rechtvaardigen of welker vervoer moet geschieden onder omstandigheden, of op voorwaarden, welke een bijzondere overeenkomst rechtvaardigen, mits voor deze goederen geen cognossement is afgegeven, doch een blijkens zijn bewoordingen onverhandelbaar ontvangstbewijs.
Art. 477 De vervoerder is aansprakelijk voor de schade door vertraagde aflevering van het goed ontstaan, tenzij hij bewijst, dat de vertraging het gevolg is van een voorval, dat hij redelijkerwijze niet heeft kunnen voorkomen of afwenden. 957
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des H G B Art.
504
Na de goederen ontvangen en aangenoment te hebben moet, behalve in de gevallen bedoeld in artikel 471, de vervoerder op verlangen van de afzender aan deze een cognossement afgeven, dat onder meer vermeldt: a) de voornaamste, voor het onderkennen van de goederen nodige merken, zoals deze voor het begin der inlading door de afzender schriftelijk zijn opgegeven, mits deze m e r k e n op de niet verpakte goederen of op de kisten of verpakkingen, die de goederen inhouden, door stempeling of op enige andere wijze duidelijk aangebracht zijn op zodanige wijze, dat zij in normale omstandigheden tot het einde van de reis leesbaar zullen blijven; b) het aantal der colli of het stuktal der goederen of de hoeveelheid of het gewicht, al naar gelang d e r omstandigheden, zoals zulks door de afzender schriftelijk is opgegeven; c) de uiterlijke Staat en de uiterlijke gesteldheid van de goederen; met dien verstände, dat geen vervoerder verplicht zal zijn een cognossement af te geven inh o u d e n d e merken, getal, hoeveelheid of gewicht, wanneer hij redelijke gronden heeft te vermoeden, dat zij niet nauwkeurig de in werkelijkheid door hem ontvangen goederen weergeven of tot het toetsen waarvan hij geen redelijke gelegenheid heeft gehad. D e vervoerder wordt, b e h o u d e n s tegenbewijs, vermoed geen redelijke gelegenheid te hebben gehad de hoevelheid e n het gewicht van gestorte en gepompte ladingen te toetsen. Ieder beding in een vervoerovereenkomst, waardoor de vervoerder wordt ontheven van het n a k o m e n van een of meer der in het eerste lid omschreven verbintenissen, is nietig. Art.
506
Het cognossement is een gedagteekend geschrift, waarin de vervoerder verklaart, dat hij bepaalde goederen in ontvangst heeft genomen, ten einde die te vervoeren naar een aangewezen bestemmingsplaats en aldaar uit te leveren aan een aangewezen persoon, alsmede onder welke bedingen de uitlevering zal geschieden. Deze persoon kan worden aangeduid hetzij bij name, hetzij als order van den afzender of van een derde, hetzij als toonder, al of niet nevens een bij name genoemden persoon. De woorden „aan order" zonder meer worden geacht de Order van den afzender aan te duiden. Als de goederen ingeladen zijn, wordt door de vervoerder aan de afzender op zijn verlangen een cognossement afgegeven met de vermelding „geladen", mits de afzender, indien hij vooraf enig op die goederen rechtgevend document heeft ontvangen, hetzelve tegen afgifte van het „geladen"-cognossement teruggeeft. De vervoerder heeft eveneens het recht in de haven van inlading op het oorspronkelijk afgegeven document de n a a m van het schip of van de schepen, waarin de goederen werden geladen, en de datum of de data van inlading aan te tekenen, in welk geval het aldus aangevulde document, mits inhoudende de in artikel 504 vermelde bijzonderheden, als een „geladen"-cognossement in de zin van dit artikel wordt beschouwd. Ieder beding in een vervoerovereenkomst, waardoor de vervoerder wortd ontheven van het n a k o m e n van een of meer der in het vorige lid omschreven verbintenissen, is nietig. Art.
510
De regelmatige houder heeft het recht overeenkomstig den inhoud van het cognossement uitlevering van het goed ter plaatse van bestimming te vorderen, tenzij hij niet op rechtmatige wijze h o u d e r is geworden. Indien de houder van het cognossement de afzender is of voor diens rekening handelt of indien h i j bij de verkrijging van het cognossement desbewust ten nadele van de vervoerder heeft gehandeld, volstaat de vervoerder met uitlevering van heetgen hij ten vervoer heeft ontvangen, ook al stemt de omschrijving van het goed in het cognossement daarmede niet overeen, en k a n de vervoerder de verweermiddelen, gegrond op zijn persoonlijke verhouding tot de afzender, aan de houder van het cognossement tegenwerpen. 958
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Stukken, door den cognossementhouder aan derden afgegeven, ten einde daarop gedeelten der in het cognossement vermelde goederen te ontvangen, geven niet aan de houders een zelfstandig recht op uitlevering tegen den vervoerder. Art. 517 d De artikelen 468—480 zijn steeds van toepassing op het vervoer van goederen over zee v a n Nederlandse havens. Art. 533 Ten aanzien van de bagage des reizigers zijn de bepalingen omtrent het vervoer v a n goederen van toepassing. De vervoerder is niet gehouden tot vergoeding van de schade, overkomen aan de goederen die de reiziger onder eigen bewaring heeft gehouden, tenzij blijkt, dat deze tot behoud daarvan de noodige zorg heeft aangewend. Voor schade, door medereizigers toegebracht, is de vervoerder ten aan zien van deze goederen niet aansprakelijk.
7. Italien Codice della navigazione (Auszug) Libro terzo Delle obbligazioni relative all'esercizio della navigazioni Titolo primo. Dei contratti di utilizzazione della nave Capo III. Del trasporto Sezione II. — Del trasporto di cose in generale 419. (Trasporti di cose). — Il trasporto di cose può avere per oggetto u n carico totale o parziale ovvero cose singole, e può effettuarsi su nave determinata ovvero su nave indeterminata. 420. ( F o r m a del contratto). — Il contratto di trasporto di cose deve essere provato per iscritto, t r a n n e che il trasporto debba effettuarsi su navi minori, di stazza lorda non superiore alle diece tonnellate, se a propulsione meccanica, o alle venticinque, in ogni altro caso. 421. (Obblighi del vettore all'inizio del viaggio). — Il vettore, prima dell'inizio del viaggio, oltre ad usare la normale diligenza perché la nave sia apprestata in stato di navigabilità e convenientemente armata ed equipaggiata, deve curare che le stive, le camere refrigeranti, quelle frigorifere e le altre parti della nave destinate alla caricazione siano in buono stato per il ricevimento, la conservazione e il trasporto dell merci. 422. (Responsabilità del vettore). — Il vettore è responsabile della perdita o delle avarie delle cose consegnategli per il trasporto, dal m o m e n t o in cui le riceve al m o m e n t o in cui le riconsegna, n o n c h é dei danni per il ritardo, a m e n o che provi che la causa della perdita, delle avarie o dell ritardo non è stata, né tutto né in parte, determinata da colpa sua o da colpa commerciale dei suoi dipendenti e preposti. Deve invece l'avente diritto alla riconsegna provare che la causa della perdita, delle avarie o del ritardo è stata determinata da colpa del vettore o da colpa commerciale dei di lui dipendenti e preposti, q u a n d o il danno è stato prodotto d a vizio occulto, o da innavigabilità della nave non derivante da inadempimento agli obblighi di cui all'articolo precedente, da colpa nautica dei dipendenti o preposti del vettore, da fortuna o pericoli di mare, incendio non determinato da colpa del vettore, pirateria, fatti di guerra, sommosse e rivolgimenti civili, provvedimenti di 959
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
autorità di diritto o di fatto, anche a scopo sanitario, sequestri giudiziari, scioperi o serrate, impedimenti al lavoro generali o parziali, atti o tentativi di assistenza o salvataggio ovvero deviazione del viaggio fatta a tale scope, cattivo stivaggio, vizio proprio della merce, calo di volume o di peso, insufficienza degli imballaggi, insufficienza o imperfezione delle marche, atti od omissioni in genere del caricatore o dei suoi dipendenti o preposti (art. 424, 425). 423. (Limite del risarcimento). — Il risarcimento dovuto dal vettore non può, per ciascuna unità di carico, essere superiore a lire cinquemila o alla maggior cifra corrispondente al valore dichiarato da caricatore anteriormente all'imbarco. Il valore dichiarato dal caricatore anteriormente all'imbarco si presume come valore effettivo delle cose trasportate fino a prova contraria; ma il vettore, ove provi che la dichiarazione è insesatta, non è responsabile per la perdita o per le avarie delle cose trasportate ovvero per il ritardo, a meno che venga provato che l'inesattezza non fu scientemente commessa (art. 424). 424. (Derogabilità delle norme sulla responsabilità). Le norme degli artt. 422, 423 sono sempre derogabili a favore del caricatore. Sono derogabili anche a favore del vettore per quanto concerne il periodo di tempo anteriore alla caricazione e quello posteriore alla scaricazione; e, anche per il periodo che intercorre tra caricazione e scaricazione, relativamente ai trasporti di merci caricate sopra coperta e di animali vivi, relativamente ai trasporti nazionali di merci di qualsiasi genere, nonché per quanto concerne i danni da ritardo. Nei confronti dei terzi l'efficacia delle clausole derogatrici è subordinata alla loro inserzione nella polizza ricevuto per l'imbarco o nella polizza di carico. Le norme anzidette sino infine derogabili, anche fuori delle ipotesi e dei limiti-previsti nel precedente comma, qualora non venga emessa polizza di carico, nè altro documento negoziabile. Capo IV. Dei contratti di utilizzazione nella navigazione interna Art. 468 (Norme applicabili). Ai contratti di utilizzazione delle navi adette alla navigazione interna si applicano le norme di questo titolo, in quanto gli usi speciali non dispongono diversamente.
8. Griechenland (Der Staat hat die H R nicht formell übernommen, doch sind deren Grundsätze eingeführt) Code de Droit Maritime privé (Auszug aus der Übersetzung der Griechischen Schiffahrtskammer, herausgegeben 1960) Titre Sixième De l'Affrètement Chapitre II Obligations du Fréteur Article 111 Le fréteur doit avoir la navire apte à la navigation et généralement en état, armement, approvisionnement et équipement correspondant au but de l'affrètement (navigabilité). Il doit entretenir les cales y comprises les frigorifiques à l'état exigé pour le placement convenable et la due conservation des marchandises (aptitude pour la conservation de la cargaison). Article 126 Le fréteur est obligé de suivre la route indiquée dans le contrat ou par les circonstances en général, n'ayant pas droit à un changement ou à un déroutement. Ne constitue pas infraction à l'obligation de l'alinéa précédent un déroutement effectué pour sauver des vies ou des biens en mer ou dicté par un autre motif raisonnable. 960
Anh III § 663b
Texte einzelner HR-Gesetze Chapitre III De la Responsabilité du Fréteur Article 134
Le fréteur est tenu à toute diligence. Il en est aussi notamment quant au chargement, arrimage, bonne conservation, garde, transport et déchargement des effets dont l'affrètement. Le fréteur est responsable pour tout dommage résultant de la perte ou de l'avarie causée aux marchandises dès leur prise en charge en vue du transport jusqu'à leur livraison, à moins que la perte ou l'avarie soit imputable à des événements qui ne pourraient pas être évités ne fut ce qu'avec la diligence d'un fréteur diligent. Le fréteur est responsable pour tout dommage résultant d'un retard fautif au départ, durant le voyage ou lors du déchargement. Article 135 Le fréteur est responsable envers tout intéressé à la cargaison de tout dommage résultant d'un vice du navire quant à sa navigabilité ou son aptitude concernant la conservation de la cargaison à moins qu'il ignorât le vice et qu'il ne pût le découvrir, encore qu'en faisant preuve de la diligence due aux affaires. Si le vice s'est produit postérieurement au début du voyage la disposition de l'article 138 est également applicable.
Article 138 Le fréteur répond de la faute de ses préposés et notamment du capitaine comme s'il s'agissait de sa propre faute. Si le dommage provient d'un acte ou d'une omission quant à la navigation tion du navire, le fréteur ne répond que de sa propre faute. N'entrent pas dans l'administration du navires les mesures prises principalement dans l'intérêt de Si le dommage provient d'un incendie le fréteur ne répond que de sa propre
et de l'équipage ou l'administrala navigation ou la cargaison. faute.
Article 139 Le fréteur responsable pour perte totale ou partielle des marchandises conformément aux dispositions des articles 134, 135, 138, est tenu à la réparation de la valeur que des marchandises de la même et de la même qualité ont, au lieu de déstination lors du commencement de déchargement. Article 140 En cas d'avaries causés aux marchandises le fréteur est tenu à la réparation de la différence entre leur prix de vente et celui auquel elles auraient été vendues à l'état non avarié au lieu de destination lors du déchargement. Article 141 L'indemnité due par le fréteur pour pertes ou dommages de la cargaison ne peut en aucun cas dépasser la somme qu'un Décret aura fixé chaque fois par colis ou par unité, à moins qu'une somme supérieure à été convenue ou que l'espèce et la valeur des marchandises chargées aient été déclarées par le chargeur par écrit avant le chargement. La preuve contraire à cette déclaration est toujours admise. 961
Anh III § 663b
2. Teil : Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Article 142
Est nul et sans effet tout accord exonérant le fréteur de ses obligations et responsabilités édictées dans les dispositions du présent Chapitre ou les limitant de quelque façon que ce soit. Est nul tout accord ayant pour effet de modifier les règles relatives au fardeau de la preuve. Il est aussi nul tout accord par lequel l'indemnité d'assurance est cedée au fréteur. Article 143 La nullité édictée dans l'article précédent n'a pas lieu: a) Quant aux obligations incombant au fréteur antérieurement au chargement ou postérieurement du déchargement. b) En matière d'accords qui se rapportent aux cas d'avaries communes. La nullité n'a pas lieu également: a) Lorsque le chargement en vertu d'un accord spécial se fait sur le pont; b) En matière de transport des animaux vivants ; c) En matière de transport qui à raison de la nature particulière de la cargaison ou des circonstances spéciales du chargement a un caractère exceptionnel et inaccoutumé pourvu que ce caractère ait été déclaré expressément et que la clause en faveur du fréteur ait été établie par écrit et qu'aucun connaissement à ordre n'ait été émis. Article 144 Sous réserve des dispositions générales concernant l'impossibilité de prestation, le fréteur n'est pas responsable de dommages provenant: a) des événements de mer en général; b) des faits constituant la conséquence de guerre ou d'hostilités en général; c) de l'arrêt d'une puissance étrangère; d) de restrictions de quarantaine; e) d'une saisie judiciaire; f) de grèves ou entravées en général apportées au travail; g) d'un acte de sauvetage de vies ou de biens en mer; h) de la freinte en poids ou en volume, nature spéciale, emballage défectueux ou imperfection de marques de la cargaison ; i) d'un acte ou d'une omission du chargeur, du propriétaire de la cargaison ou de leurs préposés; j) d'emeutes civiles. Article 146 La prise en livraison sans réserves des marchandises transportées, par le réceptionnaire dûment légitimé, constitue une présomption que les marchandises ont été délivrées telles qu'elles sont décrites au connaissement. Les réserves doivent être faites le plus tard au moment de la prise en livraison des marchandises par une déclaration écrite adressée au fréteur ou son représentant au port du déchargement ou au capitaine. Si les pertes ou dommages ne sont pas apparents, les réserves peuvent être faites dans les trois jours après la livraison. Article 147 Les réserves sont inutiles si l'état des marchandises transportées a été constaté contradictoirement ou par des experts au moment de la réception. Les experts, un ou trois, sont désignés par le Président du Tribunal du lieu de la livraison des marchandises et statuent sur leur état ainsi que sur l'étendue et les causes du dommage. Celui qui requiert l'expertise doit citer l'autre partie pour que celle-ci y assiste. 962
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A n h III § 6 6 3 b Article 148
L'action en dommages-intérêts pour perte partielle ou dommages aux marchandises chargées s'éteint un an après la livraison.
9. Japan Loi relative aux transports internationaux des marchandises par mer (Übersetzung von S. Komachiya, D M F 1958 S. 120 ff.) Portée d'application. Art. 1 La présente loi est applicable aux transports des marchandises par navire dont le port d'embarquement ou celui de débarquement est en dehors du Japon. Définition. Art. 2 (1) »Navire« signifie dans la présente loi le navire désigné à l'article 684, alinéa 1 du code de commerce (loi No. 48 de la 32e année Meiji) excluant les bâtiments indiqués à l'alinéa 2 de cet article. (2) »Transporteur« signifie dans la présente loi le propriétaire du navire, le locataire d'un navire et l'affréteur, qui exécute les transports prévus à l'article précédent. (3) »Expéditeur« signifie dans la présente loi l'affréteur et l'expéditeur qui confie les transports prévus à l'article précédent. Obligations des soins relatifs au transport. Art. 3 (1) Le transporteur est responsable de la perte, du dommage ou du retard des marchandises transportées résultant de sa négligence dans les soins relatifs à leur réception, chargement, arrimage, transport, garde, déchargement et délivrance par lui-même ou par ses préposés. (2) L'alinéa précédent ne s'applique pas, ni aux dommages résultant des actes du capitaine, marin, pilote, ou des autres préposés du transporteur dans la navigation ou dans l'administration du navire, ni à l'incendie du navire (non compris celui résultant du fait ou de la faute du transporteur). Art. 4 (1) Le transporteur ne peut s'exonérer de la responsabilité prévue à l'article précédent qu'en prouvant que les soins visés cet article ont été exécutés. (2) Nonobstant l'alinéa précédent, le transporteur est exonéré de la responsabilité prévue à l'article précédent lorsqu'il prouve que des faits indiqués ci-dessous sont survenus, et que les dommages relatifs aux marchandises transportées sont de la sorte causés ordinairement par ces faits. A moins toutefois qu'il soit prouvé que, les dits dommages, qui auraient pu être évités si les soins prévus à l'article précédent avaient été pris, ont été causés par le manque de ces soins. 963
Anh III § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
1° Risques propres à la mer ou aux autres eaux navigables; 2° Accidents de la nature; 3° Guerre, émeutes ou troubles civils; 4° Pirateries ou autres actes analogues; 5° Saisie judiciaire, restriction de quarantaine, ou d'autres dispositions par la puissance publique; 6° Acte du chargeur ou propriétaire des marchandises transportées ou leurs préposés; 7° Grèves, sabotage, lockout ou autres obstacles au travail; 8° Sauvetage de vie ou de biens en mer ou déroutement en vue de ce sauvetage, ou déroutement résultant d'autres causes raisonnables; 9° Nature spéciale ou vice cacheé des marchandises transportées; 10° Insuffisance d'emballage ou de marques des marchandises transportées; 11° Vice caché du palan ou d'autres installations similaires; (3) L'alinéa précédent n'empêche pas l'application de l'article 9. Obligations relatives à la navigabilité. Art. 5 (1) Le transporteur est responsable de la perte, du dommage ou du retard des marchandises transportées résultant de la négligence des soins relatifs aux acts suivants par lui ou ses préposés, au moment du départ du navire. 1° Mettre le navire en bon état de navigabilité; 2° Equiper, armer et approvisionner le navire; 3° Approprier et mettre en bon état les cales, chambre froides et autres parties du navire où des marchandises à.transporter sont chargées pour leur réception, transport et conservation. (2) Le transporteur ne peut s'exonérer de la responsabilité visée à l'alinéa précédent que s'il prouve que les soins prévus à l'alinéa précédent ont été pris. Obligation de délivrer le connaissement. Art. 6 (1) Après le chargement des marchandises à transporteur, le transporteur doit, sans retard, délivrer un connaissement ou plusieurs exemplaires du connaissement, en mentionnant que les marchandises sont embarquées (désigné ci-dessous comme »le connaissement embarqué«) au chargeur sur sa demande. Après la réception des marchandises à transporter, même avant leur chargement, un connaissement ou plusieurs exemplaires du connaissement mentionnant la réception des marchandises à transporter (désigné ci-dessous comme »le connaissement reçu embarquement«) doivent être délivrés au chargeur sur sa demande. (2) Dans le cas où les connaissements reçus pour embarquement sont délivrés, la délivrance des connaissements embarqués ne peut être demandée qu'en échange de tous les exemplaires des connaissements reçus l'embarquement. Etablissement du connaissement. Art. 7 (1) Les mentions suivantes doivent être inscrites sur le connaissements (les mentions visées aux numéros 7 et 8 sont exceptées pour le connaissement reçu pour embarquement), et signées par le transporteur, le capitaine ou le représentant du transporteur, ou revêtues de son sceau avec son nom. 1. Le genre des marchandises à transporteur; 2. le volume ou le poids ou le nombre des colis ou des pièces et la marque des marchandises à transporter; 3. l'état et le conditionnement apparent des marchandises à transporter; 4. les noms et prénoms ou la firme du chargeur; 5. les noms et prénoms ou la firme du destinataire; 6. les noms et prénoms ou la firme du transporteur; 7. le nom et la nationalité du navire; 8. le port de chargement et la date du chargement; 9. le port de déchargement; 10. le fret; 11. le nombre d'exemplaires, si le connaissement est dressé en plusieurs exemplaires; 12. le lieu et la date de l'établissement du connaissement. 964
Anh III § 663b
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(2) Lorsque la délivrance du connaissement embarqué est demandée en échange du conaissement reçu pour embarquement, le transporteur ou représentant du transporteur aura la faculté, au lieu d'établir le connaissement embarqué, de noter le fait du chargement sur le connaissement reçu pour embarquement avec sa signature ou son sceau et son nom. Dans ce cas les mentions indiquées aux numéros 7 et 8 de l'alinéa précédent doivent y être aussi inscrites.
Avis du chargeur. Art. 8 (1) En ce qui concerne les mentions prévues aux numéros 1 et 2 de l'alinéa 1 de l'article précédent, s'il y a un avis par écrit du chargeur relatif à ces mentions, elles doivent être inscrites sur le connaissement conformément à cet avis. (2) L'alinéa précédent ne s'applique pas, lorsqu'il y a un motif raisonnable de croire que l'avis prévu à l'alinéa précédent n'est pas exact, et lorsqu'il n'y a pas de moyens raisonnables de constater l'exactitude de cet avis. Il en est de même, en ce qui concerne les marques des marchandises à transporter, lorsqu'elles sont restées lisibles jusqu'au moment de la fin du voyage. (3) Le chargeur garantit au transporteur que l'avis prévu à l'alinéa 1 est exact.
Inscription inexacte sur le connaissement. Art. 9 Dans le cas où des mentions inexactes sont inscrites sur le connaissement, le transporteur ne peut pas affirmer au porteur de bonne foi de ce connaissement l'exactitude de ces mentions, sauf dans le cas où il prouverait qu'il a exercé toute sa diligence pour inscrire ces mentions.
Dispositions s'appliquant par analogie. Art. 10 Les articles 573 à 575, 584 et 770 à 775 s'appliquent par analogie aux connaissements visés à la présente loi.
Disposition relative aux marchandises de nature dangereuse. Art. 11 (1) Les marchandises de nature inflammable, explosive ou autrement dangereuse dont le transporteur, le capitaine et le représentant du transporteur n'ont pas connu la nature au moment de leur embarquement, peuvent être, à tout moment, débarquées, détruites ou rendues inoffensives. (2) L'alinéa précédent n'empêche pas le transporteur de réclamer des dommages-intérêts au chargeur. (3) Les marchandises de nature inflammable, explosive ou autrement dangereuse dont le transporteur, le capitaine ou le représentant du transporteur connaît la nature au moment de leur embarquement, peuvent être déchargées, détruites ou rendues inoffensives, lorsqu'elles deviennent un danger pur le navire ou la cargaison. (4) Le transporteur n'est pas responsable pour les dommages causés aux dites marchandises par une disposition prévue à l'alinéa 1 ou à l'alinéa précédent. 965
A n h III § 6 6 3 b
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Obligations de l'avis par le destinataire et par toute autre personne. Art.
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(1) Lorsqu'il y a pertes partielles ou dommages des marchandises transportées, le destinataire ou le porteur du connaissement doit, au moment de la réception, aviser par écrit le transporteur de la nature générale de ces pertes ou dommages. Toutefois, si ces pertes ou dommages n'ont pas été découverts immédiatement, et si l'avis est envoyé dans les trois jours de la réception, cet avis sera valable. (2) Lorsqu'il n'y a pas l'avis prévu à l'alinéa précédent, il sera présumé que les marchandises transportées sont délivrées sans pertes ou dommages. (3) Les deux alinéas précédents ne s'appliquent pas dans le cas où l'état de la marchandise transportée a été contradictoirement constaté au moment de la réception. (4) En cas de perte ou dommage présumé des marchandises transportées, le transporteur et le destinataire ou le porteur du connaissement doivent se donner réciproquement la facilité nécessaire pour l'inspection de ces marchandises. Limite de la responsabilité. Art.
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(1) La responsabilité du transporteur relative aux marchandises transportées est limitée au montant de cent mille yen par colis ou unité. (2) L'alinéa précédent ne s'applique pas dans le cas où le genre et la valeur des marchandises transportées sont déclarés au moment ou elles sont confiées au transporteur; de plus, dans le cas où le connaissement est émis ce genre et cette valeur y sont inscrites. (3) Dans les cas prévus à l'alinéa précédent, si le chargeur a déclaré sciemment une valeur excédant extrêmement la valeur véritable, le transporteur ne sera pas responsable pour les dommages des marchandises transportées. (4) Dans les cas prévus à l'alinéa 2, si le chargeur a déclaré sciemment une valeur qui est extrêmement moindre que la valeur véritable, la valeur déclarée est considérée comme la valeur des marchandises transportées pour les dommages qui leur sont relatifs. (5) Les deux alinéas précédents ne s'appliquent pas au cas où le transporteur a été de mauvaise foi. Extinction de la responsabilité. Art. 14
La responsabilité du transporteur s'éteint si l'action en justice n'est pas intentée dans le délai d'un an, soit à partir du jour de la délivrance des marchandises transportées, soit, dans le cas où elles sont totalement perdues, à partir du jour où elles devaient être délivrées. A moins, toutefois que le transporteur n'ait été de mauvaise foi.
Prohibition de clauses spéciales. Art. 15
(1) Les clauses qui sont en contravention des articles 3 à 5, 8, 9, 12 à 14 et qui sont désavantageuses au chargeur, au destinataire ou au porteur du connaissement seront nulles. Il en est de même pour une clause cédant le bénéfice de l'assurance au transporteur ou autre clause semblable. 966
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( 2 ) L'alinéa précédent n'empêche pas de stipuler une clause désavantageuse au transporteur. Dans de cas, le chargeur peut exiger qu'elle soit inscrite sur le connaissement. ( 3 ) L'alinéa 1 ne s'applique pas aux dommages résultant des survenus avant le chargement ou après le déchargement des marchandises transportées. ( 4 ) Dans le cas où il y a une clause spéciale, prévue à l'alinéa 1, relative aux dommages visés à l'alinéa précédent, si elle n'est pas inscrite sur le connaissement, le transporteur ne peut l'opposer au porteur du connaissement. Dispositions spéciales relatives-à la prohibition de la clause spéciale. Art. 16 L'alinéa 1 de l'article précédent ne s'applique pas dans le cas où le navire est affrété en entier ou en partie; toutefois, il s'applique dans les relations entre le transporteur et le porteur du connaissement. Art. 17 L'article précédent s'applique par analogie au transport dans lequel il est raisonable de supprimer ou de diminuer la responsabilité du transporteur relative à la marchandise à transporter, soit à cause de sa nature spéciale ou de son état spécial, soit à cause de la circonstance spéciale où le transport sera éxecuté. Art. 18 ( 1 ) L'article 15 alinéa 1 ne s'applique pas au transport des animaux vivants ni à la cargaison chargée sur le pont. ( 2 ) Dans le cas où la clause spéciale prévue à l'article 15 alinéa 1 est stipulée pour le transport visé à l'alinéa précédent, si cette clause n'est pas inscrite sur le connaissement, le transporteur ne peut pas l'opposer au porteur du connaissement. Il en est de même lorsque la clause relative au transport de la cargaison chargée sur le pont n'est pas inscrite sur le connaissement si une telle clause existe. Privilège sur le navire. Art. 19 (1) Au cas où le navire est affrété entièrement ou partiellement, si l'afréteur conclut un contrat de transport avec un tiers, celui qui peut exiger des dommages-intérêts à l'égard des dommages des marchandises transportées cause dans la limite des fonctions du capitaine, a un privilège pour sa créance sur le navire et ses accessoires. ( 2 ) Au cas où il y a concours du privilège prévu à l'alinéa précédent et d'un privilège stipulé à l'article 842 du Code de commerce, le rang de préférence du premier est de m ê m e rang que le privilège mentionné au numéro 9 de l'article 842 du Code de commerce. ( 3 ) Les articles 844 de l'alinéa 2 et 3, 845, 846, 847 de l'alinéa 1 et 849 s'appliquent par analogie au privlège prévu à l'alinéa 1. Application du Code de commerce. Art. 20 ( 1 ) Le Code de commerce s'applique, excepté les articles 738, 739, 759 et 766 à 776, au transport prévu à l'article 1 de la présente loi. ( 2 ) Les articles 576 et 578 à 583 s'appliquent par analogie au transport prévu à l'article 1 de la présente loi. 967
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Transport des lettres et colis postaux. Art. 21 La présente loi ne s'applique pas au transports des lettres et colis postaux. Dispositions Accessoires 1. La présente loi sera mise en vigueur à partir du jour où la Convention internatonale pour l'unification de certaines règles en matière de connaissement, signée le 25 août 1924 à Bruxelles, produira son effet pour le Japon. 2. La présente loi ne s'applique pas au contrat conclu avant sa mise en viguer. 3. En ce qui concerne l'application de la présente loi, le district désigné par l'ordonnance, sera considéré, pour le moment, comme existant en dehors du Japon.
10. Spanien Gesetz vom 22. Dezember 1949 Ley de 22 de diciembre de 1949 sobre unifcación de reglas para los conocimientos de embarque en los buques mercantes. — A partir del Harter Act americano de mil ochocientos noventa y tres, se vino sintiendo la necesidad de adoptar normas internacionales sobre cláusulas de exoneración de responsabilidad en los conocimientos de embarque y tras diversos intentos plasmaron esas normas en el Convenio de Bruselas le veinticinco de agosto de mil novecientos veinticuatro, que fué suscrito por dieciséis naciones, entre ellas España. En dos de junio de mil novecientos treinta (Gaceta de treinta y uno de julio) ratificó España el referido Convenio sobre unificación de ciertas reglas en materia de conocimiento de embarque, cuyo Protocolo de firma dispone que las Altas Partes contratantes podrán darle efecto, ya dándole fuerza de Ley, ya introduciendo en su legislación nacional las reglas adoptadas por el Convenio, en una forma apropiada a esta legislación. Los acontecimientos que se han sucedido en nuestra Patria desde mil novecientos treinta han demorado la incorporación de estas normas a nuestra legislación; mas toda vez que en la actualidad siguen latentes con la misma o, si cabe, mayor intensidad los motivos que originaron la celebración del Convenio, se estima llegado el momento de incorporar a nuestro Derecho las reglas del referido Convenio, optando España por el sistema de introducir en su legislación nacional las normas del Convenio de Bruselas en forma apropiada a las peculiaridades del Derecho español, al mismo tiempo que se hace uso de la reserva prevista en el articulo segundo del Protocolo de firma, de que el cabotaje nacional puede quedar excluido. En su virtud, y de conformidad con la propuesta elaborada por las Cortes Españolas, Dispongo: Art. 1 La presente Ley tiene por objeto regular las relaciones entre los elementos interesados en el transporte de mercancias por mar, y se aplicará solamente al contrato de transporte internacional, formalizado en las condiciones que expresa el articulo siguiente, a las mercancias que en él se mencionan, y por el tiempo transcurrido desde la carga de las mercancias hasta su descarga, realizadas estas operaciones por los medios propios del barco, entendiéndose que cuando se empleen medios ajenos al mismo, el contrato empezará a regir cuando la mercancía se encuentre a bordo del buque. Art. 2 Por "contrato de transporte," a los efectos de la presente Ley, ha de entenderse únicamente el contrato de porte formalizado en un conocimiento o en cualquier documento similar que sirva como título para el transporte de mercancias por mar, aplicándose igualmente al conoci968
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miento o documento similar emitido en virtud de una póliza de fletamento, a contar desde el momento en que este documento regula las relaciones del porteador y del tenedor del conocimiento. Por "mercancías," las bienes, objetos y artículos de cualquier clase, con excepción de los animales vivos y del cargamento que, según el contrato de transporte, se declara colocado sobre cubierta y es, efectivamente, transportado asi. Y "porteador", el naviero, armador o fletador comprometido en un contrato de transporte con un cargador. Art. 3 A los efectos del artículo anterior, se entenderá por "naviero" el propietario del buque que lo pertrecha, dota avitualla y lo explota por su cuenta y resgo, y también a la persona encargada de representar al buque en el puerto en que éste se halle; "fletador," el .que fleta un buque por tiempo o por uno o varios viajes, y "armador," el que lo toma en arriendo por tiempo determinado o viejes para explotarlo, corriendo de su cuento el pertrecharlo, dotarlo y avituallarlo. Art. 4 Ninguna de las disposiciones de la presente Ley se aplicará a la póliza de fletamento. No obstante, sie en el caso de transporte regido por póliza de fletamento se expiden conocimientos, éstos quedarán sometidos a lo que esta Ley dispone. Art. 5 Serán obligaciones del porteador las siguientes: Primera. Cuidar que el buque esté en estado de navegar, armador, equipado aprovisionado convenientemente. Segunda. Limpiar y poner en buen estado, para recibir la carga, las bodegas, cámaras frías y frigoríficas y demás lugares del buque en que se carguen las mercancías. Tercera. Bajo la reserva de los artículos octavo, noveno, once y doce, proceder de manera apropiada y cuidadosa a la carga, estiba, conservación, transporte, vigilancia y cuidado y descarga de las mercancías que conduzca. Cuarta. Entregar al cargador, después de recibir a bordo las mercancías, u n conocimiento firmador por el porteador, el Capitán o agente del porteador en el puerto de carga, que exprese lo que señala el articulo dieciocho. Art. 6 El porteador será civilmente responsable de todas las pérdidas, averías o daños sufridos por las mercancías y, en general, de las indemnizaciones en favor de tercero a que diere lugar la conducta del Capitán, en relación con las cargadas en el buque, salvo los casos de exoneración de que tratan los artículos y noveno. Art. 7 El Capitán será responsable civilmente para con el naviero, y éste, para con los terceros que hubieren contratado con él, de todos los daños, pérdidas, averías y perjuicios causados a las mercancías cargadas en el buque de su mando, en los casos y por las causas que se detallan en el artículo seiscientos dieciocho de Código de Comercio, salvo lo que preceptúan los dos artículos siguientes. Art. 8 Ni el porteador ni el buque serán responsables de las pérdidas o daños que provengan a re969
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sulten de la falta de condiciones del buque para navegar, a menos que sea imputable a falta de la debida diligencia, por parte del porteador, para poner el buque en las condiciones que señalan los apartados primero y segundo del artículo quinto. Siempre que resulte una pérdida o daño, las costas de la prueba, en lo que concierne a haber empleado la ebida diligencia, serán de cuenta del porteador o de cualquier otra persona a quien beneficie la exonerción prevista en el presente artículo. Tampoco será el porteador, ne el buque, resonsable por pérdida o daños que sufran las mercancías y que resulten o provengan: a) De actos, negligencia o falta del Capitán, Marinero, Piloto o del personal destinado por el porteador a la navegación o a la administración del buque; pero no exonerarán al porteador los actos, negligencia o faltas del personal citado en relación con el manejo, cuidado y custodia del cargamento. b) De incendio, a menos que haya sido ocasionado por hecho o falta de porteador. c) De peligros, daños o accidentes de mar o de otras aguas navegables. d) De fuerza mayor. e) De hechos de guerra. 0 Del hecho de enemigos públicos. g) De detención o embargo por Soberanos, autoridades a pueblos o de un embargo judicial. h) De restricción de cuarentena. i) De un acto u omisión del cargador o propietario de las mercancías o de su agente o representante. j) De huelgas, "lock-outs" o de paros o de trabas impuestas, total o parcialmente, al trabajo, por cualquier causa que sea. k) De motines o perturbaciones civiles. 1) De salvamento o tentativa de salvamento de vidas o bienes en el mar. m) De dismunicón en volumen o peso o de cualquiera otra pérdida o daño resultantes des vicio oculto, naturaleza especial o vicio propio de la mercancía. n) De embalaje insuficiente. o) De insuficiencias o imperfecciones de las marcas. p) De los vicios ocultos que escapan a una diligencia razonable. q) De cualquiera otra causa que no proceda de hecho o falta del porteador, o de hecho, o falta de los agentes o encargados del porteador; pero las costas de la prueba incumbirán a la persona que reclame el beneficio de esta excepción, y a ella corresponderá demostrar que la pérdida o daños no han sido producidos por falta personal, hecho del porteador ni por falta o hecho de los agentes encargados del porteador.
Art. 9 Ningún cambio de ruta para salvar o intentar el salvamento de vidas o bienes en el mar, ni ningún cambio de ruta razonable será considerado como infracción de la presente Ley o del contrato de transporte, y el porteador no será responsable de ninguna pérdida o daño que de ello resulte. Art. 10 Toda cláusula, convenio o acuerdo en un contrato de transporte que exonere al porteador o al buque de responsabilidad por pérdida o daños relativos a las mercancías, que provengan de negligencia, falta o incumplimiento de los deberes y obligaciones señanalados en los artículos anteriores, o que atenúe dicha responsabilidad en otra forma que no sea al determinada en la presente Ley, será nula, ineficaz y se tendrá por no puesta. Del mismo modo será nula toda cláusula que ceda al porteador el beneficio del seguro contratado por el cargador o cláusula semejante que tenga por objeto eximir a aquél de responsabilidad. 970
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Texte einzelner HR-Gesetze Art. 11
El porteador y el buque serán responsables de las pérdidas o daños causados a las mercancías con arreglo al valor que el cargador haya declarado por bulto o undidad, siempre que dicha declaración consiste en el conocimiento de embarque y no haya formulado en el mismo la oportuna reserva al porteador, su agente o el Capitán del buque. Si no se hubiera hecho constar esta reserva, la declaración del cargador constituirá una presunción a su favor, y la prueba para impugnar aquélla será a cargo del porteador. Por el contrario, si en el conocimiento de embarque constara la reserva del porteador, si en el conocimiento de embarque constara la reserva del porteador, su agente o el Capitán del barco, la prueba incombirá al cargador. Si el cargador no hubiera declarado en el conocimiento de embarque el valor de la mercancía, pero sí su naturaleza, y el porteador, su agente o el Capitán del barco no hubieran formulado reserva sobre dicha declaración en el conocimiento de embarque, se atendrá el porteador, para la indemnización, al precio de la mercancía en el puerto de embarque, pero limitado siempre ese valor a la cantidad máxima de cinco mil pesetas papel por bulto o unidad. Por convenio entre el porteador, el Capitán o el agente del porteador y el cargador, podrá fijarse una cantidad máxima diferente de la antes señalada, con tal esta máxima convencional no sea inferior a la cifra anteriormente indicada. La suma fijada en este artículo podrá ser revisada por Decreto, teniendo en cuenta las fluctuaciones monetarias internacionales. Art. 12 Las mercancías de naturaleza inflamable, explosiva o peligrosa, cuyo embarque no hubiera consentido el porteador, el Capitán o el agente del porteador, si coniciesen su naturaleza o carácter, podrán en todo momento, antes de su descarga, ser desembarcadas en cualquier lugar, destruidas o transformadas en inofensivas por el porteador, sin indemnización, y el cargador de dichas mercancías será responsable de los daños y gastos producidos u ocasionados directa o indirectamente por su embarque. Si alguna de dichas mercancías, embarcadas con el consentimiento del porteador, llegasen a constituir un peligro para el buque o para el cargamento, podrá, de la misma manera, ser desembarcada, destruida o transformada en inofensiva por el porteador, sin responsabilidad para éste, si no se trata de averías gruesas, en el caso en que proceda declararlas.
Art. 13 El porteador podrá libremente abandonar todos o parte de los derechos y exoneraciones, o aumentar las responsabilidades y obligaciones que les correspondan con arreglo a la presente Ley, siempre que dicho abandono o aumento se inserte en el conocimiento entregado al cargador. Art. 16 El porteador, Capitán o agente del porteador y el cargador están en libertad, tratándose de mercancías determinadas, cualesquiera que sean, para otorgar contratos, estableciendo las condiciones que crean convenientes relativas a la responsabilidad y a las obligaciones del porteador para estas mercancías, así como los derechos y las exoneraciones del porteador especto de estas mismas mercancías o concernientes a sus obligaciones en cuanto al estado del buque para navegar, siempre que esta estipulación no sea contraria al orden público a concerniente a los cuidados o diligencias de sus agentes en cuanto a la carga, conservación, estiba, transporte, custodia, cuidado y descarga de las mercancías transportadas por mar, y con tal que en este caso no haya sido expedido ni se expida ningún conocimiento, y que las condiciones del acuerdo recaído se inserten en un recibo, que será un documento no negociable y llevará la indicación de este carácter. 971
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Los convenios celebrados en esta forma tendrán plenos efectos legales. No obstante, este artículo no se aplicará a los cargamentos comerciales ordinarios hechos en el curso de operaciones comerciales corrientes, sino solamente a otros cargamentos en los cuales el carácter y la condición de las cosas que hayan de transportarse y las circunstancias, término condiciones en que el transporte deba hacerse sean de tal naturaleza que justifiquen un convenio especial. Art. 17 Ninguna de las disposiciones de la presente Ley prohibe al porteador o al cargador insertar en un contrato estipulaciones, condiciones, reservas o exenciones relativas a las obligaciones, y responsabilidades del porteador o del buque la pérdida o daños que sobrevengan a las mercancías o concernientes a su custodia, cuidado o conservación, antes de la carga o después de la descarga, en el plazo que define el artículo primero. Art. 23 Ninguna disposición de las establecidas en esta Ley se considerará como impedimento para la inserción en un conocimiento de cualquier disposición lícita relativa a averías gruesas. Art. 24 Las disposiciones de esta Ley no se aplicarán al transporte de mercancías en navegación de cabotaje nacional, y surtirán efecto, única y exclusivamente, cuando se trate del transporte de mercancías entre naciones que ratificaron el Convenio de Bruselas de mil novecientos veinticuatro y lo incorporaron a su legislación nacional. Art. 25 Los preceptos de esta Ley no modifican los derechos ni las obligaciones del porteador derivados de cualquier Ley en vigor en el día de su promulgación, relativa a la limitación de la responsabilidad de los propietarios de buques destinados a la navegación marítima. Art. 26 La presente Ley empezará a regir a partir de los seis meses de la fecha de su promulgación.
11. Schweiz Auszug aus dem Seeschiffahrtsgesetz
vom 23. 9. 1953
Artikel 102 Seetüchtigkeit Der Seefrachtführer haftet für den Schaden, der den Gütern aus einem Mangel an Seetüchtigkeit des Schiffes entsteht, sofern er nicht nachweist, daß er vor und beim Antritt der Reise die gehörige Sorgfalt angewendet hat, um sich zu vergewissern, daß das Seeschiff in seetüchtigem Zustand, gehörig ausgerüstet, bemannt und verproviantiert ist, und daß sich die Laderäume und anderen Teile des Schiffes, in die Güter verladen werden, in einem für deren Aufnahme, Beförderung und Erhaltung geeigneten Zustand befinden. 972
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Texte einzelner HR-Gesetze Artikel 103 Haftung des Seefrachtführers a) Verlust der Güter
Der Seefrachtführer haftet für Verlust oder Untergang der Güter, sofern er nicht nachweist, daß der Verlust oder der Untergang auf einer der nachfolgenden Ursachen beruht: a) höhere Gewalt, Zufall, Gefahren oder Unfälle der See oder anderer schiffbarer Gewässer; b) kriegerische Ereignisse, Aufruhr und Unruhen; c) behördliche Maßnahmen, wie gerichtliche Beschlagnahme, Quarantäne und andere Einschränkungen; d) Streik, Aussperrung oder sonstige Arbeitsbehinderungen; e) Feuer an Bord, sofern es nicht durch Verschulden des Seefrachtführers verursacht worden ist; f) Verschulden in der nautischen Führung des Seeschiffes; g) Rettung von Leben und Eigentum zur See; h) Handlungen oder Unterlassungen des Abladers oder Empfängers; i) Eigenart und natürliche Beschaffenheit des Gutes, ungenügende Verpackung oder Kennzeichnung; oder daß weder den Seefrachtführer, noch den Kapitän, die Schiffsbesatzung oder weitere Personen im Dienste des Seeschiffs ein Verschulden trifft.
Artikel 104 b) Beschädigung und Verspätung Unter den gleichen Voraussetzungen und Vorbehalten wie beim Verlust des Gutes haftet der Seefrachtführer für allen Schaden, der aus Beschädigung oder aus teilweisem Untergang des Gutes entstanden ist. Der Seefrachtführer haftet für den aus der Verspätung in der Ablieferung entstandenen schaden, sofern er nicht nachweist, daß die Verspätung auf einer der im vorstehenden Artikel aufgeführten Ursachen beruht oder ihn und seine Hilfspersonen kein Verschulden trifft.
Artikel 105 Beschränkung der Haftung Der Seefrachtführer haftet in jedem Falle nur bis zum Betrage von zweitausend Franken für jedes Stück oder jede Frachteinheit, wenn nicht der Ablader einen höheren Wert des Gutes vor Beginn der Einladung ausdrücklich angegeben hat. Vorbehalten bleiben die Fälle der Arglist und grober Fahrlässigkeit. Treten wesentliche und dauernde Änderungen in der Bewertungsgrundlage ein, so kann der Bundesrat den Einheitsbetrag erhöhen oder herabsetzen.
Artikel 115 Bedeutung und Angaben im Konnossement Das Konnossement ist für das Rechtsverhältnis zwischen dem Seefrachtführer und dem Empfänger der Güter maßgebend. Es begründet insbesondere die Vermutung, daß der Seefrachtführer die Güter so übernommen habe, wie sie im Konnossement beschrieben sind. Für das Rechtsverhältnis zwischen dem Seefrachtführer und dem Ablader sind die Bestim973
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
mungen des Seefrachtvertrages maßgebend. Die Bestimmungen des Konnossements werden als Vertragswille angenommen, sofern keine Abweichungen schriftlich vereinbart werden. Vorbehalte des Seefrachtführers bezüglich der Beschreibung der Güter im Konnossement sind nur gültig, wenn sie bei dessen Ausstellung eingetragen werden und die Gründe angeben, die ihre Geltendmachung im einzelnen Falle rechtfertigen. Artikel 117 Nichtige Klauseln Jede Abrede in einem Konnossement mit dem mittelbaren oder unmittelbaren Ziele, die gesetzliche Haftung des Seefrachtführers f ü r Verlust oder Beschädigung der Güter aufzuheben oder zu beschränken oder die Beweislast für diese Haftung umzukehren, ist nichtig. Gegenteilige Vereinbarungen über die Haftung des Seefrachtführers sind jedoch zulässig, wenn es sich um die Beförderung lebender Tiere oder um eine Ladung handelt, die nach Vereinbarung oder Übung auf Deck verladen wird, sowie hinsichtlich der Haftung des Seefrachtführers f ü r die Zeit vor der Einladung der Güter an Bord und nach ihrer Löschung. Zulässig sind desgleichen gegenteilige Vereinbarungen über die Haftung des Seefrachtführers in einem Chartervertrag, wenn mit diesem Vertrag ein Seefrachtvertrag verbunden ist, jedoch nur für das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.
12. Portugal Gesetz Nr. 37748 vom 1. Februar 1950 (Die Übersetzung ist D M F 1951 S. 102 entnommen) Ayant compris l'urgente nécessité d'introduire dans la Loi interne les préceptes de la Convention Internationale pour l'unification de certaines règles en matière de connaissement, signée à Bruxelles le 25 août 1924; En accord avec les propositions faites par le Comité maritime international relativement à cette matière ; Conformément à l'Autorité établie par la première partie du No. 2 de l'Art 109 de la Constitution, le Gouvernement décrète et je promulgue comme Loi, les dispositions qui suivent: Article premier. — Le texte des art. 1 à 8 de la Convention de Bruxelles du 25 août 1924, publié dans la Gazette Officielle 1res séries du 11 juillet de la même année, s'appliquera à tous les connaissements émis sur le territoire portugais quelque soit la nationalité des parties contractantes. (1) La limitation de responsabilité prévue par l'art. 4, par. 5 et 9 de la Convention est fixée à 12 500 escudos. (2) Le porteur du connaissement peut se prévaloir des droits prévus par la clause I du protocole de signature de la Convention. Art. 2 Le poids ou volume des marchandises indiqué sur le connaissement et basé sur les mesures et indications faites, suivant les usages ou coutumes du commerce pour des marchandises déterminées, par une tierce partie étrangère à l'armateur et au chargeur, n'est pas garanti par ce dernier, non plus qu'il ne peut servir de preuve contre le premier. Art. 3 Les connaissements dont il est fait mention dans l'article 1 ne seront pas négociables s'il n'est pas spécialement précisé qu'ils sont émis conformément avec le présent décret et les dis974
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positions de la Convention de Bruxelles Au 25 août 1924, incorporés par celuici dans la Loi portugaise. Art. 4 Le présent décret (Loi) s'appliquera à tous les territoires de la République à partir du 1er mars 1950.
13. Frankreich Vorbemerkung Das französische Gesetz vom 2. April 1936 relative aux transports des marchandises par mer ist durch das Gesetz vom 18. Juni 1966 sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes außer Kraft gesetzt worden. Es wird ergänzt durch das Dekret vom 31. Dezember 1966. Schrifttum: Bieber, Das neue französische Seefrachtrecht, Diss. Frankfurt/Main 1972; Liesecke, Hansa 1967 S. 1496. a) Loi Nr. 66 - 420 du 18 Juin 1966 sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes (Journal Officiel du 24 juin 1966 S. 5206) Titre 1er Affrètement du navire Chapitre 1er Règles générales Art. 1er Par le contrat d'affrètement, le fréteur s'engage, moyennant rénumeration, à mettre un navire à la disposition d'un affréteur. Les conditions et les effets de l'affrètement sont définis par les parties au contrat et, à défaut, par les dispositions du présent titre et celles du décret pris pour son application. Art. 2 Le fréteur a un privilège sur les marchandises pour le paiement de son fret.
Art. 3 En matière internationale, le contrat d'affrètement est régi par la loi du pavillon du navire, sauf convention contraire des parties. Art. 4 La prescription des actions nées du contrat d'affrètement est d'un an. Elle est interrompue ou suspendue et produit ses effets conformément au droit commun. 975
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Chapitre II Affrètement au voyage Art. 5
Par l'affrètement au voyage, le fréteur met, en tout ou en partie, un navire à la disposition de l'affréteur en vue d'accomplir un ou plusieurs voyages. Art. 6 Le fréteur est responsable des marchandises reçues à bord par le capitaine dans les limites prévues à la charte-partie. Il se libère de cette responsabilité en établissant soit qu'il a satisfait à ses obligations de fréteur précisées par décret, soit que les dommages ne tiennent pas à un manguement à ces obligations, soit que le dommage est dû à la faute nautique du capitaine ou de ses préposés.
Chapitre III Affrètement à temps Art. 7 Par le contrat d'affrètement à temps, le fréteur s'engage à mettre un navire armé à la disposition de l'affréteur pour un temps défini. Art. 8 Le fréteur est responsable des dommages subis par la marchandise s'il est établi qu'ils sont dûs à un manquement à ses obligations de fréteur précisées par décret. Il n'est cependant pas reponsable de la faute nautique du capitaine ou de ses préposés. Art. 9 L'affréteur est responsable des dommages causés an navire du fait de son exploitation commerciale.
Chapitre IV Affrètement »coque Nue« Art. 10 Par l'affrètement »coque nue«, le fréteur s'engage, contre payement d'un loyer, à mettre, pour u n temps défini, à la disposition d'un affréteur, un navire déterminé sans armement, ni équipement ou avec un équipement et un armement incomplite. Art. 11 L'affréteur garantit le fréteur contre tous recours des tiers qui sont la conséquence de l'exploitation du navire. 976
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A n h III § 6 6 3 b Chapitre V Sous-affrètements
Art. 12
L'affréteur peut sous-fréter le navire ou l'utiliser à des transports sous connaissement.
Art.
13
Le sous-affrètement laisse l'affréteur tenu envers le fréteur des obligations résultant du contrat d'affrètement. Art. 14
Le fréteur, dans la mesure de ce qui lui est dû par l'affréteur, peut agir contre le sous-affréteur en payement du fret encore dû par celui-ci. La sous-affrètement n'établit pas d'autre relations directes entre le fréteur et le sous-affréteur.
Titre II Transport de Marchandises Chapitre 1er Règles générales
Art. 15
Par le contrat de transport maritime, le chargeur s'engage à payer un fret déterminé et le transporteur à acheminer une marchandise déterminée, d'un port à un autre. Les dispositions du présent titre s'appliquent depuis la prise en charge jusqu'à la livraison.
Art.
16
Le présent titre est applicable aux transports, effectués au départ ou à destination d'un port français, qui ne sont pas soumis à une convention internationale à laquelle la France est partie, et en tout cas aux opérations de transport qui sont hors du champ d'application d'une telle convention. Les diligences extrajudiciaires, les mesure conservatoires et les mesures d'exécution sur la marchandise sont régie par la loi du lieu où elles doivent être effectuées. La prescription de l'action en justice et régie par la loi du tribunal devant lequel l'action est portée. Art. 17
Les dispositions du présent titre s'appliquent: 1. Entre tous les intéressés au transport, en l'absence de charte-partie; 2. Dans les rapports du transporteur et des tiers porteurs, aux connaissement émis en exécution d'une charte-partie. 977
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Chapitre II Le Connaissement
Art. 18 Le transporteur ou son représentant doit, sur la demande du chargeur, lui délivrer un connaissement. Art. 19 Le chargeur est garant de l'exactitude des émotions relatives à la marchandise inscrite sur ses déclarations au connaissement. Toute inexactitude commise par lui engage sa responsabilité à l'égard du transporteur. Celui-ci ne peut s'en prévaloir qu' à l'égard du chargeur.
Art. 20 Toutes lettres ou conventions par lesquelles le chargeur s'engage à dédommager le transporteur lorsque celui-ci ou son représentant a consenti à délivrer un connaissement sans réserves, sont nulles et sans effet à l'égard des tiers; mais ceux-ci peuvent s'en prévaloir à rencontre du chargeur. Si la réserve volontairement omise concerne un défaut de la marchandise dont le transporteur avait ou devait avoir connaissance lors de la signature du connaissement, il ne pourra pas se prévaloir de ce défaut pour éluder sa responsabilité prévue par l'article 28 ci-dessous.
Chapitre III Exécution du contrat Art. 21 Nonobstant toute stipulation contraire, le transporteur sera tenu, avant et au début du voyage, de faire diligence pour: a) Mettre le navire en état de navigabilité, compte tenu du voyage qu'il doit effectuer et des marchandises qu'il doit transporter; b) Convenablement armer, équiper et approvionner le navire; c) Approprier et mettre en bon état toutes parties du navire où les marchandises doivent être chargées. Art. 22 Sauf dans le petit cabotage, le transporteur commet une faute si, en l'absence de consentement du chargeur mentionné sur le connaissement ou de dispositions réglementaires qui l'imposent, il arrime la marchandise sur le pont du navire. Art. 23 Le capitaine est préféré, pour son fret, sur les marchandises de son chargement, pendant la quinzaine après leur délivrance si elles n'ont passé en mains tierces. 978
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A n h III § 6 6 3 b Art. 24
En cas de faillité ou d'admission au règlement judicaire des chargeurs ou réclamateurs avant l'expiration de la qinzaine, le capitaine est privilégié sour tous les créanciers pour le paiement de son fret et des avaries qui lui sont dues. Art. 25 Le chargeur est responsable des dommages causés au navire ou aux autres marchandises par sa faute ou par le vice propre de sa marchandise.
Art. 26 Toutes actions contre le chargeur ou le destinataire sont prescrites par un an.
Chapitre IV Responsabilité du transporteur Art. 27 Le transporteur est responsable des pertes ou dommages subis par la marchandises depuis la prise en charge jusqu'à la livraison, à moins qu'il ne prouve que ces pertes ou dommages proviennent: a) de l'innavigabilité du navire sauf au transporteur à établir qu'il a satisfait aux obligations énoncées à l'article 21 ci-dessus; b) Des fautes nautiques du capitaine, du pilote ou d'autres préposés du transporteur; c) D'un incendie; d) Des faits constituant un événement non imputable au transporteur; e) De grèves ou lock-out ou d'arrêts ou entraves apportée au travail pour quelque cause que ce soit, particlement ou complètement; f) Du vice propre de la marchandise ou de freintes de route dans la mesure des tolérances d'usage au port de destination; g) Des fautes du chargeur, notamment dans l'emballage, le conditionnement ou le marquage des marchandises; h) De vices cachés du navire échappant à un examen vigilant; i) D'un acte où d'une tantative de sauvetage de vies ou de biens en mer ou de déroutement à cette fin. Le chargeur ou son ayant droit pourra néanmoins, dans ces cas, faire la preuve que les pertes ou dommages sont dus, en tout ou en partie, à une faute du transporteur ou de ses préposés, autre que la faute prévue à la lettre b ci-dessus. Art. 28 La responsabilité du transporteur ne peut dépasser, pour les pertes ou dommages subis par les marchandises, et par colis ou par unité, une somme dont le montant sera fixé par décret. Il n'en est autrement que: a) En cas de dol du transporteur; b) En cas de déclaration de valeur par le chargeur, insérée dans le connaissement et acceptée 979
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
par le transporteur. Paraille déclaration fera foi à l'égard du transporteur, sauf preuve contraire de sa part. Art. 29 Est nulle et de nul effet toute clause ayant directement pour objet ou pour effet: a) De soustraire le transporteur à la responsabilité définie à l'article 27 ; b) Ou de renverser le fardeau de la preuve qui lui incombe tel qu'il résulte de la presence loi; c) Ou de limiter sa responsabilité à une somme inférieure à celle fixée en application de l'article 28 ; d) Ou de céder au transporteur le bénéfice d'une assurance de la marchandise. Art. 30 Par dérogation à l'article précédent, toutes clauses relatives à la responsabilité ou à la réparation sont autorisées dans les transports d'animaux vivants et dans les transports de marchandises chargées sur le pont conformémant à l'article 22. Art. 31 Lorsque le chargeur a fait une déclaration sciemment inexacte de la nature ou de la valeur des marchandises, le transporteur n'encourt aucune responsabilité pour les pertes ou dommages survenus à ces marchandises. Art. 32 Toutes actions contre le transporteur à raison de pertes ou dommages se prescrivent par un an. Les actions récursoires peuvent être intentées, même après le délai d'un an ci-dessus, pendant trois mois à compter du jour de l'exercise de l'action contre le garanti ou du jour où celui-ci aura à l'amiable réglé la réclamation.
Titre III Transports de Passagers Titre IV Entreprises de Manutention Art. 50 L'entrepreneur de manutention est chargé de toutes les opérations qui réalisent la mise à bord et le débarquement des marchandises y compris les opérations de mise et de reprise sous hangar et sur terre-plein, qui en sont le préalable ou la suite nécessaire. Art. 51 En dehors des opérations visées à l'article précédent, l'entrepreneur de manutention peut éventuellement être appelé à accomplir pour le compte du navire, du chargeur et du rceptionnaire, d'autres opérations définies par décret. 980
Anh III § 663b
Texte einzelner HR-Gesetze Art. 52
L'entrepreneur de manutention opère pur le compte de celui qui aura requis ses services, et sa responsabilité n'est engagée qu'envers celui-ci qui seul a une action contre lui.
Art.
53
Quel que soit celui pour le compte de qui l'entreprise manipule, reçoit ou garde la marchandise, sa responsabilité est engagée dans les conditions et limites ci-dessous fixées: a) Lorsqu'il accomplit les opérations visées à l'article 50, il est responsable des dommages qui lui sont imputables; b) Lorsqu'il accomplit les opérations visées à l'article 51, il est présumé avoir reçu la marchandise telle qu'elle a été déclarée par le déposant. Il répond des dommages subis par la marchandise, sauf s'ils proviennent: 1. D'un incendie; 2. De faits constituant un événement non imputable à l'entrepreneur; 3. De grève, lock-out ou entraves apportés au travail, pour quelque cause que ce soit, partiellement ou complètement; 4. D'une faute du chargeur, notamment dans le mauvais emballage, le conditionnement ou le marquage des marchandises; 5. Du vice propre de la marchandise. Le demandeur purra néanmoins, dans ces cas, faire la preuve que les pertes ou dommages sont dus, en tout ou en partie, à une faute de l'enrepreneur ou de ses préposés.
Art. 54
La responsabilité de l'entrepreneur de manutention ne peut en aucun cas dépasser la somme fixée par les décrets visés aux articles 28 et 43 à moins d'une déclaration de valeur qui lui aura été notifiée. Art.
55
Est nulle à l'égard du chargeur du réceptionnaire ou de leurs ayants droit, toute clause ayant directement ou indirectement pour objet ou pour effet: a) De soustraire l'entrepreneur de manutention à la responsabilité définie à l'article 53 ; b) Ou de renverser le fardeau de la preuve qui lui incombe tel qu'il résulte de la présente loi; c) Ou de limiter sa responsabilité à une somme inférieure à celle fixée en application de l'article 54; d) Ou de céder à l'entrepreneur de manutention le bénéfice d'une assurance de la marchandise. Art. 56
Toutes actions contre l'entrepreneur de manutention sont prescrites dans les conditions des articles 32 et 46. Art. 57
En matière internationale, les opérations visées au présent titre sont soumises à la loi du port où opère l'entrepreneur. 981
Anh III § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Dispositions générales
Art. 60 La présente loi est applicable aux territoires d'outre mer. b) Decret Nr. 66 —1078 du 31 Décembre 1966 sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes (Journal Officiel du 11 janvier 1967 p. 483) Titre 1er Affrètement du navire Chapitre 1er Règles générales Art. 1 Les conditions et les effets de l'affrètement sont définis par les parties au contrat et, à défaut, par les dispositions du titre 1er de la loi susvisée du 18 juin 1966 et celles du présent titre. Art. 2 L'affrètement est prouvé par écrit. La charte-partie est l'acte qui énonce les engagements des partie. Cette règle de preuve ne s'applique pas aux navires de moins de 10 tonneaux de jauge brute. Art. 3 Si le fréteur n'est point payé lors du déchargement des marchandises, il ne peut les retenir dans son navire, mais il peut les consigner en mains tierces et les faire vendre, sauf à l'affréteur à fournir caution. La consignation est autorisée par ordonnance sur requête; la vente par ordonnance de référé. Art. 4 Le délai de presciription des actions nées des contrats d'affrètement court: Pour l'affrètement au voyage, depuis le débarquement complet de la marchandise ou l'événement qui a mis fin au voyage; Pour l'affrètement à temps et pour l'affrètement »coque nue« depuis l'expiration de la durée du contrat ou l'interruption définitive de son exécution; Pour le sous-affrètement, dans les conditions réglées ci-dessus selon que le sous-affrètement est au voyage ou à temps. Chapitre II Affrètement au voyage
Art. 5 La charte-partie au voyage énonce: 1. Les éléments d'individualisation du navire; 982
Anh III § 663b
Texte einzelner HR-Gesetze 2. 3. 4. 5. 6.
Les noms du fréteur et de l'affréteur; L'importance et la nature de la cargaison; Les lieux de chargement, et de déchargement; Les temps prévus pour le chargement et le déchargement; Le taux du fret.
Le fréteur s'oblige:
Art. 6
1. A présenter à la date et au lieu convenus et à maintenir pendant le voyage le navire désigné en bon état de navigabilité, armé et équipé convenablement pour accomplir les opérations prévues dans la charte-partie. 2. A faire toutes diligences qui dépendent de lui pour exécuter le ou les voyages prévus à la charte-partie. Art. 7 Le fréteur conserve la gestion nautique et commerciale du navire.
Art. 8 L'affréteur doit mettre à bord quantité de marchandises énoncée par la charte-partie. A défaut, il paie néanmoins le fret prévu pour cette quantité.
Art. 9 L'affréteur doit charger et décharger la marchandise. Il y procède dans les délais alloués par la charte-partie. Si celle-ci établit distinctement un délai pour le chargement et un délai pour le déchargement, ces délais ne sont pas réversibles et doivent être déomptés séparément.
Art. 10 Le point de départ et la computation des jours de planche sont réglés suivant l'usage du port où ont lieu les opérations et, à défaut, suivant les usages maritimes.
Art. 11 Es cas de dépassement des délais, l'affréteur doit des surestaries qui sont considérées comme un supplément du fret. Art. 12 Le contrat est résolu sans dommages intérêts de part ni d'autre si, avant le départ du navire, survient une interdiction de commercer avec la pays pour lequel il est destiné ou tout autre événement de force majeure qui rend impossible l'exécution du voyage.
Art. 13 L'affréteur peut résilier le contrat avant tout commencement de chargement. Il doit, en pareil cas, une indemnité correspondant au préjudice subi par le fréteur et au plus égale au montant du fret. 983
Anh III § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Art. 14
S'il existe u n cas de force majeure qui n'empêche que pour un temps la sortie du navire, les conventions subsistent et il n'y a pas lieu à dommages-intérêts à raison du retard. Elles subsistent également et il n'y a lieu à aucune augmentation de fret si la force majeure arrive pendant le voyage. L'affréteur peut décharger la marchandise à ses frais et doit le fret entier. Art. 15 Dans le cas d'empêchement durable d'entrée dans le port, le capitaine doit obéir aux ordres donnés d'un commun accord par le fréteur et l'affréteur ou, à défaut, se rendre dans un port voisin où il pourra décharger. Art. 16 En cas d'arrêt définitif du navire en cours de route par l'effet d'un événement non imputable au fréteur, l'affréteur doit le fret de distance. Art. 17 En cours de route, l'affréteur peut faire décharger la marchandise mais doit payer le fret entier stipulé pour le voyage ainsi due les fraits entraînés par l'opération. Cette faculté n'existe que si le navire fait l'objet d'un seul affrètement.
Chapitre III Affrètement à temps Art. 18 La charte-partie énonce: 1. Les éléments d'individualisation du navire; 2. Les noms du fréteur et de l'affréteur; 3. Le taux du fret; 4. La durée du contrat. Art. 19 Le fréteur s'oblige à présenter à la date et au lieu convenus et à maintenir pendant la durée du contrat le navire désigné en bon état de navigabilité, armé et équipé convenablement pour accomplir les opérations prévues à la charte-partie. Art. 20 Le fréteur conserve la gestion nautique du navire. Art. 21 La gestion commerciale du navire appartient à l'affréteur. Tous les frais inhérants à cette exploitation commerciale du navire sont à sa charge, notamment les soutes dont il doit pourvoir le navire, d'une qualité propre à assurer le bon fonctionnement des appareils. 984
Anh III § 663b
Texte einzelner HR-Gesetze Art. 22
Le capitaine doit obéir, dans les limites tracées par la charte-partie, aux instructions que lui donne l'affréteur pour tout ce concerne la gestion commerciale du navire. Art. 23 Le fret court du jour où le navire est mis à la disposition de l'affréteur dans les conditions du contrat. Il est payable par mensualité et d'avance. Il n'est pas aquis à tout événement. Art. 24 Le fret n'est pas dû pour les périodes durant lesquelles le navire est commercialement inutilisable, si du moins l'immobilisation du navire dépasse vingt-quatre heurs. Chapitre IV Affrètement »coque nue« Art. 25 Le fréteur s'oblige à présenter à la date et au lieu convenus, le navire désigné en bon état de navigabilité et apte au service auquel il est destiné. Art. 26 Le fréteur a la charge des réparations et des remplacements dus au vice propre du navire. Si le navire est immobilisé par suite d'un vice propre, aucun loyer n'est dû pendant l'immobilisation, si celle-ci dépasse vingt-quatre heures. Art. 27 L'affréteur peut utiliser le navire à toutes fins conformes à sa destination normale. Il a l'usage du matériel et des équipements du bord, à charge d'en restituer en fin de contrat la même quantité de la même qualité. Art. 28 Sont à la charge de l'affréteur l'entretien du navire et les réparations et remplacements autres que ceux visés à l'article 26. L'affréteur recrute l'équipage, paie ses gages, sa nourritue et les dépenses annexes. Il supporte tous les frais d'exploitation. Il assure le navire. Art. 29 L'affréteur doit restituer le navire en fin de contrat dans l'état où il l'a reçu, sauf l'usure normale du navire et des appareils. Art. 30 En cas de retard dans la restitution du navire, sauf preuve par le fréteur d'un préjudice plus élevé, l'affréteur doit une indemnité calculée pendant les quinze premiers jours sur le prix du loyer et postérieurement sur le double de ce prix. 985
A n h III § 6 6 3 b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Titre II Transport de Marchandises Chapitre 1er Règles générales Art. 31
Le contrat est résolu, si, par cas de force majeure, le départ du navire qui devait effectuer le transport est empêché ou retardé d'une manière telle que le transport ne puisse plus se faire utilement pour le chargeur et sans risque d'engager sa responsabilité pour le transporteur. En ce cas, la résolution a lieu sans dommages-intérêts, de part ni d'autre. Art.
32
Si le même effet est produit par la faute du transporteur, le contrat peut être résolu à la demande du chargeur ou de son ayant-droit. Celui-ci a droit à des dommages-intérêts d'après le préjudice qu'il subit. Le montant ne peut en excéder le chiffre fixé en application de l'article 28 de loi sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes.
Chapitre II Du connaissement Art.
33
Le connaissement est délivré après réception de marchandises. Il porte les inscriptions propes à identifier les parties, les marchandises à transporter, les éléments du voyage à effectuer et le fret à payer. Art.
34
La Mention »Embarqué« apposée sue le connaissement fait foi du chargement de la marchandises à bord du navire. Art.
35
Entre autes, le connaissement doit indiquer: a) Les marques principales destinées à l'identification des marchandises telles qu'elles sont fournies par écrit par le chargeur avant que le chargement de ces marchandises n'ait commencé: les marques doivent être suffisantes pour l'identification des marchandises et être apposées de manière qu'elles restent normalement lisibles jusqu'à la fin du voyage; b) Suivant les cas, le nombre des colis et objets ou leur quantité ou leur poids, tel qu'il sont fournis par écrit par le chargeur; c) L'état et le conditionnement apparents des marchandises. Art.
36
Le transporteur ou son représentant peu refuser d'inscrire au connaissement les déclarations du chargeur relatives aux marques, au nombre, à la quantité, au poids ou à l'état des marchandises, lorsqu'il a de sérieuses raisons de douter de leur exactitude ou qu'il n'a pas eu les moyens normaux de les contrôler. 986
Texte einzelner HR-Gesetze
Anh III § 663b
Mais dans ce cas il doit faire mention spéciale et motivée de ces raison ou de cette impossibilité. La preuve des dommages incombe alors à l'expéditeur ou au réceptionaire. Art. 37 Chaque connaissement est établi en deux originaux au moins, un pour le chargeur et l'autre pour le capitaine. Les originaux sont signés par le transporteur ou son représentant et par le chargeur au plus tard dans les vingt-quatre heures après le chargement. Les originaux sont datés. Le nombre des originaux émis est mentionné sur chaque exemplaire.
Chapitre III Exécution du contrat
Art. 38 Nonobstant toute clause contraire, le transporteur procède de façon appropriée et soigneuse au chargement, à la manutention, à l'arrimage, au transport, à la garde et au déchargement de la marchandise. Il doit à la marchandise les soins ordinaires conformément à la convention des parties ou aux usages du port de chargement. Art. 39 Le chargeur ou son représentant doit présenter les marchandises aux temps et lieu fixés par la convention des parties ou l'usage du port de chargement.
Art. 40 En cas d'interruption de voyage, le transporteur ou son représentant doit, à peine de dommages-intérêts, faire diligence pour assurer le transbordement de la marchandise et son déplacement jusqu'au port de destination prévu. Cette obligation pèse sur le transporteur quelle que soit la cause de l'interruption.
Art. 41 Le chargeur doit le prix du transport ou fret. En cas de fret payable à destination, le réceptionaire en est également débiteur s'il accepte la livraison de la marchandise. Art. 42 Le montant du fret est établi par la convention des parties.
Art. 43 Le chargeur qui ne présente pas sa marchandise en temps et lieu, conformément à l'article 39 ci-dessus, paiera une indemnité correspondant au préjudice subi par le transporteur, et au plus égale au montant du fret convenu. 987
Anh III § 663b
2. Teil : Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Art. 44
Les marchandises de matière inflammable, explosive ou dangereuse à l'embarquement desquelles le transporteur ou son représentant n'eu pas consenti s'il avait connu leur nature pourront, à tout moment et en tous lieux, être débarqués, détruites ou rendues inoffensives par le transporteur, et ce sans aucune indemnité; le chargeur sera en outre responsable de tous les dommages et dépenses pouvant résulter de leur embarquement. Lorsque le transporteur, connaissant la nature de ces marchandises, a consenti à leur embarquement, il ne peut les débarquer, les détruire ou les rendre inoffensives que dans le cas où elles mettraient en danger le navire ou la cargaison; aucune indemnité ne sera due, sinon à titre d'avaries communes s'il y a lieu. Art. 45 Le transporteur est payé du fret des marchandises jetées à la mer pour le salut commun, à charge de contribution. Art. 46 Il n'est dû aucun fret pour les marchandises perdues par fortune de mer ou par suite de la négligence du transporteur à satisfaire aux obligations des articles 21 und 22 de la loi sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes et de l'article 38 ci-dessus. Art. 47 En cas de transbordement sur un autre navire en application de l'article 40 ci-dessus, les frais du transbordement et le fret dû pour achever de déplacement de la marchandise sont à la charge de la marchandise lorsque l'interruption était due à des cas d'exonération de responsabilités énumérés à l'article 27 de la loi sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes. Les mêmes frais sont à la charge du transporteur dans les autres cas. Dans un cas comme dans l'autre, le transporteur conserve le fret prévu pour le voyage entier. Art. 48 Le capitaine ne peut retenir les marchandises dans son navire faute de paiement de son fret. Art. 49 Le capitaine ou le consignataire du navire doit livrer la marchandise au destinataire ou à son représentant. Le destinataire est celui dont le nom est indiqué dans le connaissement à personne dénommée: c'est celui qui présente le connaissement à l'arrivée lorsque le connaissement est au porteur, c'est le dernier endossataire dans le connaissement à ordre. Art. 50 La remise d'un original du connaissement établit la livraison, sauf preuve contraire. Le connaissement une foi accompli, les autres originaux sont sans valeur. Art. 51 Le consignataire du navire représente le transporteur. Il répond envers lui des fautes d'un mandataire salarié. 988
Anh III § 663b
Texte einzelner HR-Gesetze Art. 52
Le consignataire de la cargaison représente le destinataire. Il répond envers lui des fautes d'un mandataire salarié. La livraison des marchandises entre ses mains libère le transporteur de la même manière qu'elle le libère entre les mains du destinataire. Art. 53 A défaut de réclamation des marchandises ou en cas de contestation relative à la livraison ou au paiement du fret, le capitaine peut, par autorité de justice: a) En faire vendre pour le paiement de son fret, si mieux n'aime le destinataire fournir caution; b) Faire ordonner le dépôt du surplus. S'il y a insuffisance, le transporteur conserve son recours en paiement du fret contre le chargeur. Art. 54 Les actions nées du contrat de transport de marchandises sont portées devant les jurisdictions compétentes selon les règles du droit commun. Elles peuvent en outre être portées devant le tribunal du port de chargement ou devant le tribunal du port de déchargement, s'il est situé sur le territoire de la République française. Art. 55 Le délai de prescription des actions contre le chargeur ou le destinataire court du jour prévu pour la livraison.
Chapitre IV Responsabilité du transporteur Art. 56 Le demandeur doit établir la realité et l'importance des dommages dont il demande réparation. Art. 57 En cas de perte ou dommages survenus aux marchandises, le réceptionnaire doit adresser ses réserves écrites au transporteur ou à son représentant au port de déchargement, au plus tard au moment de la livraison, faute de quoi les marchandises sont présumées, sauf preuve contraire, avoir été reçues par lui telles qu'elles sont décrites au connaissement. S'il s'agit de pertes ou dommages non apparents, cette notification peut être valablement faite dans les trois jours de la livraison, jours fériés non compris. Le transporteur aura toujours le droit demander qu'une constatation contradictoire de l'état des marchandises soit faite lors de leur prise en charge. Art. 58 Le délai de prescription des actions contre le transporteur ou le destinataire court à compter du jour où les marchandises furent remises ou offertes au destinataire ou, en cas de perte totale, du jour où elles auraient dû être livrées. 989
A n h III § 6 6 3 b
2. Teil : Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Art. 59
Les dispositions du présent titre s'appliquent: 1. Entre tous les intéressés au transport, en l'absence de charte-partie; 2. Dans les rapports du transporteur et des tiers porteur, aux connaissements émis en exécution d'une charte-partie.
Titre III Transport de passagers Titre IV Entreprises de Manutention Art. 80 Les opérations visées à l'article 51 de la loi sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes que l'entrepreneur de manutention peut éventuellement être appelé à effectuer pour le compte du navire, du chargeur ou du réceptionnaire sont notamment les suivants: a) La réception et la reconnaissance à terre des marchandises à embarquer ainsi que leur garde jusqu'à leur embarquement; b) La réception et la reconnaissance à terre des marchandises débarquées ainsi que leur garde et leur délivrance. Ces services supplémentaires sont dus s'ils sont convenus ou sont conformes aux usages du port. Art. 81 Si le transporteur est chargé par l'ayant-droit et pour son compte de faire exécuter par un entrepreneur de manutention les opérations visées aux articles 50 et 51 de la loi sur les contrats d'affrètement et de transport maritimes et 80 ci-dessus, il devra en aviser cet entrepreneur.
Dispositions générales
Art. 83 Le présent décret est applicable aux territoires d'outre-mer.
F. Der gegenwärtige Stand (November 1976) der UNCTADPläne über die Reform des Seefrachtrechts Schrifttum: v. Schlayer, Entwurf einer neuen internationalen Konvention für die Güterbeförderung zur See (Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe A Heft 23), 1975; Latron, Va — t'on vers une responsabilité nouvelle du transporteur maritime de marchandises? D M F 1976 S. 131 ff. Siehe Notiz Hansa 1976 S. 260 und Ganten, Neues Internationales Übereinkommen über das Seefrachtrecht, Stellungnahme der WHK und Schlußberatung in UNCITRAL, Hansa 1976 S. 510. 990
UNCTAD-Pläne zur Reform des Seefrachtrechts
A n h III § 6 6 3 b
Schon in Anm. 15 zur Vorbemerkung zu den Haager Regeln wurde auf die Bestrebungen 1 der UNCTAD hingewiesen, zu einer vollständigen Erneuerung des Seefrachtrechts zu gelangen und dabei von den maßgeblichen Grundsätzen der Haager Regeln abzugehen. Diese Bestrebungen gehen auf das Jahr 1968 zurück. Auf Anregung der UNCTAD wurde von der U N die UNCITRAL gegründet, die für die Reform des Seefrachtrechts eine besondere Arbeitsgruppe, die Working Group on International Shipping Legislation, bildete. Die Arbeitsgruppe gelangte zu dem Ergebnis, es sei zweckmäßiger statt einer Reform der Haager Regeln einen völlig neuen Entwurf eines Seefrachtabkommens zu schaffen. Dementsprechend wurde 1975 ein „Entwurf einer Konvention für die Beförderung von Gütern zur See" (Draft Convention on the Carriage of Goods by Sea — UN-Dokument A / C N 9/105) fertiggestellt. Der Entwurf ist von der Arbeitsgruppe an die UNCITRAL weitergeleitet worden, die im Frühjahr 1976 über ihn beraten hat und ihn an die UNCTAD zur Stellungnahme geben wird. Es wird dann wahrscheinlich zur Einberufung einer Diplomatischen Seerechtskonferenz kommen, die sich endgültig mit der Materie zu befassen haben wird. Man nimmt an, daß eine Konferenz im Jahre 1977 oder 1978 stattfinden könnte. Siehe wegen der Einzelheiten, insbesondere auch über die Erstellung des Entwurfs v. Schlayer, a. a. O., Ganten, Hansa 1976 S. 510, Ramberg, CMI News Letter Nr. 3, Juli 1976. Vgl. neuerdings insbesondere Herber, Der UNCITRALEntwurf eines neuen Seefrachtrechts-Übereinkommens, Hansa 1976 S. 2044ff.
Text der Draft Convention on the Carriage of Goods by Sea Article 1 Definitions In this Convention: 1. "Carrier" or "contracting carrier" means any person by whom or in whose name a contract for carriage of goods by sea has been concluded with the shipper. 2. "Actual carrier" means any person to whom the contracting carrier has entrusted the performance of all or part of the carriage of goods. 3. "Consignee" means the person entitled to take delivery of the goods. 4. "Goods" means any kind of goods, including live animals; where the goods are consolidated in a container,pallet or similar article of transport or where they are packed, "goods" includes such article of transport or packaging if supplied by the shipper. 5. "Contract of carriage" means a contract whereby the carrier agrees with the shipper to carry by sea against payment of freight, specified goods from one port to another where the goods are to be delivered. 6. "Bill of lading" means a document which evidences a contract for the carriage of goods by sea and the taking over or loading of the goods by the carrier, and by which the carrier undertakes to deliver the goods against surrender of the document. A provision in the document that the goods are to be delivered to the order of a named person, or to order, or to bearer, constitutes such an undertaking. Article 2 Scope of application 1. The provisions of this Convention shall be applicable to all contracts for carriage of goods by sea between ports in two different States, if: a) The port of loading as provided for in the contract of carriage is located in a Contracting State, or b) The port of discharge as provided for in the contract of carriage is located in a Contracting State, or 991
A n h III § 6 6 3 b
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
c) One of the optional ports of discharge provided for in the contract of carriage is the actual port of discharge and such port is located in a Contracting State, or d) The bill of lading or other document evidencing the contract of carriage is issued in a Contracting State, or e) The bill of lading or other document evidencing the contract of carriage provides that the provisions of this Convention or the legislation of any State giving effect to them are to govern the contract. 2. The provisions of paragraph 1 of this article are applicable without regard to the nationality of the ship, the carrier, the shipper, the consignee or any other interested person. 3. A Contracting State may also apply, by its national legislation, the rules of this Convention to domestic carriage. 4. The provisions of this Convention shall not be applicable to charter-parties. However, where a bill of lading is issued pursuant to a charter-party, the provisions of the Convention shall apply, to such a bill of lading where it governs the relation between the carrier and the holder of the bill of lading. Article 3 Interpretation of the Convention In the interpretation and application of the provisions of this Convention regard shall be had to its international character and to the need to promote uniformity.
Part II. Liability of the carrier Article 4 Period of responsibility 1. "Carriage of goods" covers the period during which the goods are in the charge of the carrier at the port of loading, during the carriage and at the port of discharge. 2. For the purpose of paragraph 1 of this article, the carrier shall be deemed to be in charge of the goods from the time the carrier has taken over the goods until the time the carrier has delivered the goods: a) By handing over the goods to the consignee; or b) In cases when the consignee does not receive the goods, by placing them at the disposal of the consignee in accordance with the contract or with the law or with the usage of the particular trade, applicable at the port of discharge; or c) By handing over the goods to an authority or other third party to whom, pursuant to law or regulations applicable at the port of discharge, the goods must be handed over. 3. In the provisions of paragraphs 1 and 2 of this article, reference to the carrier or to the consignee shall mean, in addition to the carrier or the consignee, the servants, the agents or other persons acting pursuant to the instructions, respectively, of the carrier or the consignee.
Article 5 General rules 1. The carrier shall be liable for loss, damage or expense resulting from loss of or damage to the goods, as well as from delay in delivery, if the occurence which caused the loss, damage or delay took place while the goods were in his charge as defined in article 4, unless the carrier proves that he, his servants and agents took all measures that could reasonably be required to avoid the occurence and its consequences. 992
U N C T A D - P l ä n e zur Reform des Seefrachtrechts
Anh III § 663b
2. Delay in delivery occurs when the goods have not been delivered at the port of discharge provided for in the contract of carriage within the time expressly agreed upon in writing or, in the absence of such agreement, within the time which it would be reasonable to require of a diligent carrier, having regard to the circumstances of the case. 3. T h e person entitled to make a claim for the loss of goods may treat the goods as lost when they have not been delivered as required by article 4 within 60 days following the expiry of the time for delivery according to paragraph 2 o£»this article. 4. In case of fire, the carrier shall be liable, provided the claimant proves that the fire arose due to fault or negligence on the part of the carrier, his servants or agents. 5. With respect to live animals, the carrier shall be relieved of his liability where the loss, damage or delay in delivery results from any special risks inherent in that kind of carriage. When t h e carrier proves that he has complied with any special instructions given h i m by the shipper respecting the animals and that, in the circumstances of the case, the loss, damage or delay in delivery could be attributed to such risks, it shall be presumed that the loss, damage or delay in delivery was so caused unless there is proof that all or a part of the loss, damage or delay in delivery resulted from fault or negligence on the part of the carrier, his servants or agents. 6. The carrier shall not be liable for loss, damage or delay in delivery resulting from measures to save life and from reasonable measures to save property at sea. 7. W h e r e fault or negligence on the part of the carrier, his servants or agents, concurs with another cause to produce loss, damage or delay in delivery the carrier shall be liable only for that portion of the loss, damage or delay in delivery attributable to such fault or negligence, provided that the carrier bears the burden of proving the amount of loss, damage or delay in delivery not attributable thereto. Article 6 Limits of liability Alternative A 1. The liability of the carrier according to the provisions of article 5 shall be limited to an amount equivalent to (.. .) francs per kilo of gross weight of the goods lost, damaged or delayed. Alternative B 1. a) T h e liability of the carrier for loss of or damage to goods according to the provisions of article 5 shall be limited to an amount equivalent to ( . . . ) francs per kilo of gross weight of the goods lost or damaged. b) T h e liability of the carrier for delay in delivery according to the provisions of article 5 shall not exceed [double] the freight. c) In no case shall the aggregate liability of the carrier, under both subparagraphs a) and b) of this paragraph, exceed the limitation which would be established under subparagraph a) of this paragraph for total loss of the goods with respect to which such liability was incurred. Alternative C 1. The liability of the carrier according to the provisions of article 5 shall be limited to an amount equivalent to (. . .) francs per package or other shipping unit or (. . .) francs per kilo of gross weight the goods lost, damaged or delayed, whichever is the higher. 2. For t h e purpose of calculating which a m o u n t is t h e higher in accordance with paragraph 1 of this article, the following rules shall apply: a) W h e r e a container, pallet or similar article of transport is used to consolidate goods, the package or other shipping units enumerated in the bill of lading as packed in such article of transport shall be deemed packages or shipping units. Except as aforesaid the goods in such article of transport shall be deemed one shipping unit. b) In cases where the article of transport itself has been lost or damaged, that article of 993
Anh III § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
transport shall, when not owned or otherwise supplied by the carrier, be considered one separate shipping unit. Alternative D 1. a) The liability of the carrier for loss of or damage to goods according to the provisions of article 5 shall be limited to an amount equivalent to (...) francs per package or other shipping unit or ( . . . ) francs per kilo of gross weight of the goods lost or damaged, whichever is the higher. b) The liability of the carrier for delay in delivery according to the provisions of article 5 shall not exceed: variation A-: [double] the freight; variation Y: an amount equivalent to (x — y)' francs per package or other shipping unit or (x —y) francs per kilo of gross weight of the goods delayed, whichever is the higher. 1 It is assumed that t h e (x —y) will represent lower limitations on liability than those established u n d e r subp a r a g r a p h 1 a).
c) In no case shall the aggregate liability of the carrier, under both subparagraphs a) and b) of this paragraph, exceed the limitation which would be established under subparagraph a) of this paragraph for total loss of the goods with respect to which such liability was incurred. 2. For the purpose of calculating which amount is the higher in accordance with paragraph 1 of this article, the following rules shall apply: a) Where a container, pallet or similar article of transport is used to consolidate goods, the package or other shipping units enumerated in the bill of lading as packed in such article of transport shall be deemed packages or shipping units. Except as aforesaid the goods in such article of transport shall be deemed one shipping unit. b) In cases where the article of transport itself has been lost or damaged, that article of transport shall, when not owned or otherwise supplied by the carrier, be considered one separate shipping unit. Alternative E 1. a) The liability of the carrier for loss of or damage to goods according to the provisions of article 5 shall be limited to an amount equivalent to (...) francs per package or other shipping unit or ( . . . ) francs per kilo of gross weight of the goods lost or damaged, whichever is the higher. b) The liability of the carrier for delay in delivery according to the provisions of article 5 shall not exceed [double] the freight. c) In no case shall the aggregate liability of the carrier, under both subparagraphs a) and b) of this paragraph, exceed the limitation which would be established under subparagraph a) of this paragraph for total loss of the goods with respect to which such liability was incurred. 2. Where a container, pallet or similar article of transport is used to consolidate goods, limitation based on the package or other shipping unit shall not be applicable. The following paragraphs apply to all alternatives: A franc means a unit consisting of 65,5 milligrams of gold of millesimal fineness 900. The amount referred to in paragraph 1 of this article shall be converted into the national currency of the State of the court or arbitration tribunal seized of the case on the basis of the official value of that currency by reference to the unit defined in the preceding paragraph of this article on the date of the judgement or arbitration award. If there is no such official value, the competent authority of the State concerned shall determine what shall be considered as the official value for the purposes of this Convention. Article 7 Actions in tort 1. The defences and limits of liability provided for in this Convention shall apply in any 994
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action against the carrier in respect of loss of or damage to the goods covered by the contract of carriage, as well as of delay in delivery, whether the action be founded in contract or in tort. 2. If such an action is brought against a servant or agent of the carrier, such servant or agent, if he proves that he acted within the scope of his employment, shall be entitled to avail himself of the defences and limits of liability which the carrier is entitled to invoke under this Convention. 3. The aggregate of the amounts recoverable from the carrier and any persons referred to in the preceding paragraph, shall not exceed the limits of liability provided for in this Convention. Article 8 Loss of right to limit liability The carrier shall not be entitled to the benefit of the limitation of liability provided for in article 6 if it is proved that the damage resulted from an act or omission of the carrier, done with the intent to cause such damage, or recklessly and with knowledge that such damage would probably result. Nor shall any of the servants or agents of the carrier be entitled to the benefit of such limitation of liability with respect to damage resulting from an act or omission of such servants or agents, done with the intent to cause such damage, or recklessly and with knowledge that such damage would probably result. Article 9 Deck cargo 1. The carrier shall be entitled to carry the goods on deck only if such carriage is in accordance with an agreement with the shipper, with the usage of the particular trade or with statutory rules or regulations. 2. If the carrier and the shipper have agreed that the goods shall or may be carried on deck, the carrier shall insert in the bill of lading or other document evidencing the contract of carriage a statement to that effect. In the absence of such a statement the carrier shall have the burden of proving that an agreement for carriage on deck has been entered into; however, the carrier shall not be entitled to invoke such an agreement against a third party who has acquired a bill of lading in good faith. 3. Where the goods have been carried on deck contrary to the provisions of paragraph 1 of this article, the carrier shall be liable for loss of or damage to the goods, as well as for delay in delivery, which results solely from the carriage on deck, in accordance with the provisions of articles 6 and 8. The same shall apply when the carrier, in accordance with paragraph 2 of this article, is not entitled to invoke an agreement for carriage on deck against a third party who as acquired a bill of lading in good faith. 4. Carriage of goods on deck contrary to express agreement for the carriage under deck shall be deemed to be an act or omission of the carrier within the meaning of article 8. Article 10 Liability of contracting carrier and actual carrier 1. Where the contracting carrier has entrusted the performance of the carriage or part thereof to an actual carrier, the contracting carrier shall nevertheless remain responsible for the entire carriage according to the provisions of this Convention. The contracting carrier shall, in relation to the carriage performed by the actual carrier, be responsible for the acts and omissions of the actual carrier and of his servants and agents acting within the scope of their employment. 2. The actual carrier also shall be responsible, according to the provisions of this Convention, for the carriage performed by him. The provisions of paragraphs 2 and 3 of article 7 and 995
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of the second sentence of article 8 shall apply if an action is brought against a servant or agent of the actual carrier. 3. Any special agreement under which the contracting carrier assumes obligations not imposed by this Convention or any waiver of rights conferred by this Convention shall affect the actual carrier only if agreed by him expressly and in writing. 4. Where and to the extent that both the contracting carrier and the actual carrier are liable, their liability shall be joint and several. 5. The aggregate of the amounts recoverable from the contracting carrier, the actual carrier and their servants and agents shall not exceed the limits provided for in this Convention. 6. Nothing in this article shall prejudice any right of recourse as between the contracting carrier and the actual carrier. Article 11 Through carriage 1. Where a contract of carriage provides that the contracting carrier shall perform only part of the carriage covered by the contract, and that the rest of the carriage shall be performed by a person other than the contracting carrier, the responsibility of the contracting carrier and of the actual carrier shall be determined in accordance with the provisions of article 10. 2. However, the contracting carrier may exonerate himself from liability for loss, damage or delay in delivery caused by events occurring while the goods are in the charge of the actual carrier, provided that the burden of proving that any such loss, damage or delay in delivery was so caused, shall rest upon the contracting carrier.
Part III. Liability of the shipper Article 12 General rule The shipper shall not be liable for loss or damage sustained by the carrier, the actual carrier or by the ship unless such loss or damage was caused by the fault or neglect of the shipper, his servants or agents. Article 13 Special rules on dangerous goods 1. When the shipper hands dangerous goods to the carrier, he shall inform the carrier of the nature of the goods and indicate, if necessary, the character of the danger and the precautions to be taken. The shipper shall, whenever possible, mark or label in a suitable manner such goods as dangerous. 2. Dangerous goods may at any time be unloaded, destroyed or rendered innocous by the carrier, as the circumstances may require, without payment of compensation by him where they have been taken in charge by him without knowledge of their nature and character. Where dangerous goods are shipped without the carrier having knowledge of their nature or character, the shipper shall be liable for all damages and expenses directly or indirectly arising out of or resulting from such shipment. 3. Nevertheless, if such dangerous goods, shipped with knowledge of their nature and character, become a danger to the ship or cargo, they may in like manner be unloaded, destroyed or rendered innocous by the carrier, as the circumstances may require, without payment of compensation by him except with respect to general average, if any. 996
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Part IV. Transport documents Article 14 Issue of bill of lading 1. When the goods are received in the charge of the contracting carrier or the actual carrier, the contracting carrier shall, on demand of the shipper, issue to the shipper a bill of lading showing among other things the particulars referred to in article 15. 2. The bill of lading may be signed by a person having authority from the contracting carrier. A bill of lading signed by the master of the ship carrying the goods shall be deemed to have been signed on behalf of the contracting carrier.
Article 15 Contents of bill of lading 1. The bill of lading shall set forth among other things the following particulars: a) The general nature of the goods, the leading marks necessary for identification of the goods, the number of packages or pieces, and the weight of the goods or their quantity otherwise expressed, all such particulars as furnieshed by the shipper; b) The apparent condition of the goods; c) The name and principal place of business of the carrier; d) The name of the shipper; e) The consignee if named by the shipper; f ) The port of loading under the contract of carriage and the date on which the goods were taken over by the carrier at the port of loading; g) The port of discharge under the contract of carriage; h) The number of originals of the bill of lading; i) The place of issuance of the bill of lading; j ) The signature of the carrier or a person acting on his behalf; the signature or made by any other mechanical or electronic means, if the law of the country where the bill of lading is issued so permits; k) The freight to the extent payable by the consignee or other indication that freight is payable by him; and 1) The statement referred to in paragraph 3 of article 23. 2. After the goods are loaded on board, if the shipper so demands, the carrier shall issue to the shipper a "shipped" bill of lading which, in addition to the particulars required under paragraph 1 of this article shall state that the goods are on board a named ship or ships, and the date or dates of loading. If the carrier has previously issued to the shipper a bill of lading or other document of title with respect to any of such goods, on request of the carrier, the shipper shall surrender such document in exchange for the "shipped" bill of lading. The carrier may amend any previously issued document in order to meet the shipper's demand for a "shipped" bill of lading if, as amended, such document includes all the information required to be contained in a "shipped" bill of lading. 3. The absence in the bill of lading of one or more particulars referred to in this article shall not affect the validity of the bill of lading. Article 16 Bills of lading: reservations and evidentiary effect 1. If the bill of lading contains particulars concerning the general nature, leading marks, number of package or pieces, weight or quantity of the goods which the carrier or other person issuing the bill of lading on his behalf knows or has reasonable grounds to suspect do not accu-
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rately represent the goods actually taken over or, where a "shipped" bill of lading is issued, loaded, or if he had no reasonable means of checking such particulars, the carrier or such other person shall make special note of these grounds or inaccuracies, or of the absence of reasonable means of checking. 2. When the carrier or other person issuing the bill of lading on his behalf fails to note on the bill of lading the apparent condition of the goods, he is deemed to have noted on the bill of lading that the goods were in apparent good condition. 3. Except for particulars in respect of which and to the extent to which a reservation permitted under paragraph 1 of this article has been entered: a) The bill of lading shall be prima facie evidence of the taking over or, where a "shipped" bill of lading is issued, loading, by the carrier of the goods as described in the bill of lading; and b) Proof to the contrary by the carrier shall not be admissible when the bill of lading has been transferred to a third party, including any consignee, who in good faith has acted in reliance on the description of the goods therein. 4. A bill of lading which does not, as provided in paragraph 1, subparagraph k) of article 15, set forth the freight or otherwise indicate that freight shall be payable by the consignee, shall be prima facie evidence that no freight is payable by the consignee. However, proof to the contrary by the carrier shall not be admissible when the bill of lading has been transferred to a third party, including any consignee, who in good faith has acted in reliance on the absence in the bill of lading of any such indication.
Article] 7 Guarantees by the shipper
1. The shipper shall be deemed to have guaranteed to the carrier the accuracy of particulars relating to the general nature of the goods, their marks, number, weight and quantity as furnished by him for insertion in the bill of lading. The shipper shall indemnify the carrier against all loss, damage or expense resulting from inaccuracies of such particulars. The shipper shall remain liable even if the bill of lading has been transferred by him. The right of the carrier to such indemnity shall in no way limit his liability under the contract of carriage to any person other than the shipper. 2. Any letter of guarantee or agreement by which the shipper undertakes to indemnify the carrier against loss, damage or expense resulting f r o m the issuance of the bill of lading by the carrier, or a person acting on his behalf, without entering a reservation relating to particulars furnished by the shipper for insertion in the bill of lading, or to the apparent condition of the goods, shall be void and of no effect as against any third party, including any consignee, to whom the bill of lading has been transferred. 3. Such letter of guarantee or agreement shall be valid as against the shipper unless the carrier or the person acting on his behalf, by omitting the reservation referred to in paragraph 2 of this article, intends to defraud a third party, including any consignee, who acts in reliance on the description of the goods in the bill of lading. If in such a case, the reservation omitted relates to particulars furnished by the shipper for insertion in the bill of lading, the carrier have not right of indemnity from the shipper pursuant to paragraoh 1 of this article. 4. In the case referred to in paragraph 3 of this article the carrier shall be liable, without the benefit of the limitation of liability provided for in this Convention, for any loss, damage or expense incurred by a third party, including a consignee, who has acted in reliance on the description of the goods in the bill of lading issued. 998
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Article 18 Documents other than bills of lading When a carrier issues a document other than a bill of lading to evidence a contract of carriage, such a document shall be prima facie evidence of the taking over by the carrier of the goods as therein described.
Part V. Claims and actions Article 19 Notice of loss, damage or delay 1. Unless notice of loos or damage, specifying the general nature of such loss or damage, be given in writing by the consignee to the carrier not later than at the time the goods are handed over to the consignee, such handing over shall be prima facie evidence of the delivery of the goods by the carrier in good condition and as described in the document of transport, if any. 2. Where the loss or damage is not apparent, the notive in writing must be given within 10 days after the completion of delivery, excluding that day. 3. The notice in writing need not be given if the state of the goods has at the time of their delivery been the subject of joint survey or inspection. 4. In the case of any article or apprehended loss or damage the carrier and the consignee shall give all reasonable facilities to each other for inspecting and tallying the goods. 5. No compensation shall be payable for delay in delivery unless a notice has been given in writing to the carrier within 21 days from the time that the goods were handed over to the consignee. 6. If the goods have been delivered by an actual carrier, any notive given under this article to the actual carrier shall have the same effect as if it had been given to the contracting carrier. Article 20 Limitation of actions 1. The carrier shall be discharged from all liability whatsoever relating to carriage under this Convention unless legal or arbitral proceedings are initiated within [one year] [two years]: a) In the case of partial loss of or of damage to the goods, or delay, from the last day on which the carrier has delivered any of the goods covered by the consignee; b) In all other cases, from the ninetieth day after the time the carrier has taken over the goods or, if he has not done so, the time the contract was made. 2. The day on which the period of limitation begins to run shall not be included in the period. 3. The period of limitation may be extended by a declaration of the carrier or by agreement of the parties after the cause of action has arisen. The declaration or agreement shall be in writing. 4. The provisions of paragraphs 1, 2 and 3 of this article shall apply correspondingly to any liability of the actual carrier or of any servants or agents of the carrier or the actual carrier. 5. An action for indemnity against a third person may be brought even after the expiration of the period on limitation provided for in the preceeding paragraphs if brought within the time allowed by the law of the Court seized of the case. However, the time allowed shall not be less than ninety days commencing from the day when the person bringing such action for indemnity has settled the claim or has been served with process in the action against himself.' 99 9
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Article 21 Jurisdiction
1. In a legal proceeding arising out of the contract of carriage the plaintiff, at his option, may bring an action in a contracting State within whose territory is situated: a) The principal place of business or, in the absence thereof, the ordinary residence of the defendant; or b) The place where the contract was made provided that the defendant has there a place of business, branch or agency through which the contract was made; or c) The port of loading; or d) T h e port of discharge; or e) A place designated in the contract of carriage. 2. a) Notwithstanding the preceding provisions of this article, an action may be brought before the courts of any port in a contracting State at which the carrying vessel may have been legally arrested in accordance with the applicable law of that State. However, in such a case, at the petition of the defendant, the claimant must remove in the action at his choice, to one of the jurisdiction referred to in paragraph 1 of this article for the determination of the claim, but before such removal the defendant must furnish security sufficient to ensure payment of any judgement that may subsequently be awarded to the claimant in the action; b) All questions relating to the sufficiency or otherwise of the security shall be determined by the court at the place of the arrest. 3. No legal proceedings arising out of the contract of carriage may be brought in a place not specified in paragraphs 1 and 2 of this article. The provisions which precede do not constitute an obstacle to the jurisdiction of the contracting States for provisional or protective measures. 4. a) Where an action has been brought before a court competent under paragraphs 1 and 2 of this article or where judgement has been delivered by such a court, no new action shall be started between the same parties on the same grounds unless the judgement of the court before which the first action was brought is not enforceable in the country in which the new proceedings are brought; b) For the purpose of this article the institution of measures with a view to obtaining enforcement of a judgement shall not be considered as the starting of a new action; c) For the purpose of this article the removal of an action to a different court within the same country shall not be considered as the starting of a new action. 5. Notwithstanding the provisions of the preceding paragraphs, an agreement made by the parties after a claim under the contract of carriage has arisen, which designates the place where the claimant may bring an action, shall be effective. Article 22 Arbitration 1. Subject to the rules of this article, parties may provide by agreement that any dispute that may arise under a contract of carriage shall be referred to arbitration. 2. The arbitration proceedings shall, at the option of the plaintiff, be instituted at one of the following places: a) A place in a State within whose territory is situated i) The port of loading or the port of discharge, or ii) The principal place of business of the defendant or, in the absence thereof, the ordinary residence of the defendant, or iii) The place where the contract was made, provided that the defendant has there a place of business, branch or agency through which the contract was made; or b) Any other place designated in the arbitration clause or agreement. 3. The arbitrator or arbitration tribunal shall apply the rules of this Convention. 1000
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4. The provisions of paragraphs 2 and 3 of this article shall be deemed to be part of every arbitration clause or agreement, and any term of such clause or agreement which is inconsistent therewith shall be null and void. 5. Nothing in this article shall affect the validity of an agreement relating to arbitration made by the parties after the claim under the contract of carriage has arisen.
Part VI. Derogations from the convention Article 23 Contractual stipulations 1. Any stipulation of the contract of carriage or contained in a bill of lading or any other document evidencing the contract of carriage shall be null and void to the extent that it derogates, directly or indirectly, from the provisions of this Convention. The nullity of such a stipulation shall not affect the validity of the other provisions of the contract or document of which it forms a part. A clause assigning benefit of insurance of the goods in favour of the carrier, or any similar clause, shall be null and void. 2. Notwithstanding the provisions of paragraph 1 of this article, a carrier may increase his responsibilities and obligations under this Convention. 3. When a bill of lading or any other document evidencing the contract of carriage is issued, it shall contain a statement that the carriage is subject to the provisions of this Convention which nullify any stipulation derogating therefrom to the detriment of the shipper or the consignee. 4. Where the claimant in respect of the goods has incurred loss as a result of a stipulation which is null and void by virtue of the present article, or as a result of the omission of the statement referred to in the preceding paragraph, the carrier shall pay compensation to the extent required in order to give the claimant full compensation in accordance with the provisions of this Convention for any loss of or damage to the goods as well for delay in delivery. The carrier shall, in addition, pay compensation for costs incurred by the claimant for the purpose of exercising his right, provided that costs incurred in the action where the foregoing provision is invoked shall be determined in accordance with the law of the court seized of the case. Article 24 General average Nothing in this Convention shall prevent the application of provisions in the contract of carriage or national law regarding general average. However, the rules of this Convention relating to the liability of the carrier for loss of or damage to the goods shall govern the liability of the carrier to indemnify the consignee in respect of any contribution to general average. Article 25 Other conventions 1. This Convention shall not modify the rights or duties of the carrier, the actual carrier and their servants and agents, provided for in international conventions or national law relating to the limitation of liability of owners of seagoing ships. 2. No liability shall arise under the provisions of this Convention for damage caused by a nuclear incident if the operator of a nuclear installation is liable for such damage: a) Under either the Paris Convention of 29 July 1960 on Third Party Liability in the Field of Nuclear Energy as amended by the Additional Protocol of 28 January 1964 or the Vienna Convention of 21 May 1963 on Civil Liability for Nuclear Damage, or 1001
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b) By virtue of national law governing the liability for such damage, provided that such law is in all respects as favourable to persons who may suffer damage as either the Paris or Vienna Conventions. Anhang IV zum Vierten Abschnitt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 (BGBl. I S. 1081) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1974 (BGBl. I S. 869) (mit Änderungen) (Auszug) §99 (1) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Verträge der Deutschen Bundespost einschließlich der Landespostdirektion Berlin, der Deutschen Bundesbahn, anderer Schienenbahnen des öffentlichen Verkehrs und von Unternehmen, die sich mit der Beförderung und der Besorgung der Beförderung von Gütern und Personen befassen, sowie auf Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen über Verkehrsleistungen und -nebenleistungen, wenn und soweit die auf diesen Verträgen, Beschlüssen und Empfehlungen beruhenden Entgelte oder Bedingungen durch Gesetz oder Rechtsverordnung oder auf Grund eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung festgesetzt oder genehmigt werden; das gleiche gilt, soweit Verträge und Beschlüsse, die einen von diesem Gesetz betroffenen Inhalt haben, nach anderen Rechtsvorschriften einer besonderen Genehmigung bedürfen. (2) Die §§ 1, 15 bis 18 finden keine Anwendung. 1. auf Verträge von Unternehmen der See-, Küsten- und Binnenschiffahrt, von Fluglinienunternehmen sowie auf Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen, wenn und soweit sie die Beförderung über die Grenzen oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zum Gegenstand haben, und auch, wenn sie deren unmittelbarer Durchführung dienen, auf sonstige Verträge, Beschlüsse und Empfehlungen solcher Unternehmen und Vereinigungen; la) 2. auf Verträge von See- und Flughafen-Unternehmen sowie auf Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen über die Bedingungen und Entgelte für die Inanspruchnahme ihrer Dienste oder Anlagen; 3. auf Verträge von Unternehmen sowie auf Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen, die den Güterumschlag, die Güterbeförderung und die Güterlagerung und die damit verbundenen Nebenleistungen in den deutschen Flug-, See- und Binnenhäfen sowie die Vermittlung dieser Leistungen, die Vermittlung der Befrachtung und die Abfertigung von See- und Binnenschiffen einschließlich der Schlepperhilfe zum Gegenstand haben; 4. auf Verträge von Unternehmen der Küsten- und Binnenschiffahrt sowie auf Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen, soweit sie sich darauf beschränken, im Interesse eines geordneten Verkehrs die Beförderungsbedingungen und Fahrpläne von Fahrgastschiffen sowie die Verteilung des Fracht- und Schleppgutes zu regeln. 5 (3) Auf Verträge und Beschlüsse der in Abs. 2 Nr. 2 bis 4 bezeichneten Art ist § 9 Abs. 2 bis 7 entsprechend anzuwenden. Die in Abs. 2 Nr. 2 und 3 bezeichneten Verträge und Beschlüsse sind nicht in das Kartellregister einzutragen
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1. Abs. 1 1. Alternative betrifft die Nichtanwendung des GWB auf gewisse (siehe unten) Verträge von Unternehmen, die sich mit der Beförderung und der Besorgung der Beförderung von Gütern und Personen befassen, sowie auf Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigun1002
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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
gen dieser Unternehmen über Verkehrsleistungen und -nebenleistungen. Dabei kommt es auf die Art des Beförderungsmittels nicht an. Es fallen also auch der See- und der Küstenverkehr darunter, ferner auch der Seehafenumschlag, die Tätigkeit des Seehafenspediteurs und die des Stauereiunternehmers, ferner die des Schiffsmaklers, da die Begriffe „Beförderung", „Besorgung der Beförderung", „Verkehrsleistung" und „Verkehrsnebenleistung" weit auszulegen sind. Doch stellt Abs. 1 1. Alternative nur solche Arten von Verträgen, Beschlüssen und Empfehlungen von den Bestimmungen des Gesetzes frei, die Entgelte und Bedingungen zum Inhalt haben, die durch bundes- oder landesrechtliche Rechtsvorschriften geregelt sind. In der Seeschiffahrt gibt es gegenwärtig keine derartigen Rechtsvorschriften, so daß momentan Abs. 1 1. Alternative für sie gegenstandslos ist. Die 2. Alternative des Abs. 1 betrifft alle Wettbewerbsbeschränkungen des Gesetzes, also 2 nicht nur, wie die 1. Alternative, solche, die mit dem Preis und den Bedingungen in Zusammenhang stehen. Hier kommt das Gesetz insoweit nicht zur Anwendung, als es sich handelt um Verträge und Beschlüsse, die nach anderen Rechtsvorschriften einer besonderen Genehmigung bedürfen. Für die Seeschiffahrt gibt es gegenwärtig keine Beispiele. 2. Das nicht unter das Gesetz fallende Gebiet nach Abs. 1 wird durch Abs. 2 erweitert. Auf 3 die in Abs. 2 Ziff. 1 bis 5 genannten Verträge, Beschlüsse und Empfehlungen finden nämlich die §§ 1, 15 bis 18 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen keine Anwendung. a) Der in Abs. 2 in Bezug genommene § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen lautet:
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§1 (1) Verträge, die Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen zu einem gemeinsamen Zweck schließen, und Beschlüsse von Vereinigungen von Unternehmen sind unwirksam, soweit sie geeignet sind, die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen. Dies gilt nicht, soweit in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. (2) Als Beschluß einer Vereinigung von Unternehmen gilt auch der Beschluß der Mitgliederversammlung einer juristischen Person, soweit ihre Mitglieder Unternehmen sind.
In Abs. 2 ist zwar ausdrücklich nur § 1 GWB erwähnt. Doch bedeutet das auch die Nichtan- 5 wendbarkeit aller sonstigen Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Gesetzes, in denen zwar anders als in § 1, in dem die generelle Unwirksamkeit der in Betracht kommenden Verträge und Beschlüsse festgelegt ist, die Wirksamkeit derartiger Verträge und Beschlüsse zugelassen, aber von Maßnahmen der Kartellbehörde abhängig gemacht ist. Eine Ausnahme von der Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des Ersten Abschnitts bilden nur für die Ziffern 2 — 4 des Abs. 2 der in Abs. 3 genannten § 9 Abs. 2 bis 7 GWB. b) Der in Abs. 2 in Bezug genommene § 15 GWB lautet:
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§15 Verträge zwischen Unternehmen über Waren oder gewerbliche Leistungen, die sich auf Märkte innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes beziehen, sind nichtig, soweit sie einen Vertragsbeteiligten in der Freiheit der Gestaltung von Preisen oder Geschäftsbedingungen bei solchen Verträgen beschränken, die er mit Dritten über die gelieferten Waren, über andere Waren oder über gewerbliche Leistungen schließt.
In Betracht kommen vornehmlich Verträge zwischen Unternehmen verschiedener Wirt- 7 schaftsstufen (vertikale Bindung von Preisen und Geschäftsbedingungen). Eine Wirtschaftsstufe eigener Art stellen z. B. gegenüber dem Verfrachter Schiffsmakler, Spediteure und Ablader dar. Der Schutz, den § 15 des Gesetzes bietet, entfällt also, wenn die Tatbestandsmerkmale der Ziffern 1 —4 gegeben sind. c) Die in Abs. 2 genannten §§ 16 und 17 GWB sind nicht wiedergegeben worden, da ein 8 erkennbarer Zusammenhang mit den hier behandelten Fragen nicht besteht. 9
d) Der in Abs. 2 genannte § 18 GWB lautet: 1003
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(1) Die Kartellbehörde kann Verträge zwischen Unternehmen über Waren oder gewerbliche Leistungen mit sofortiger Wirkung oder zu einem von ihr zu bestimmenden künftigen Zeitpunkt für unwirksam erklären und die Anwendung einer neuen, gleichartigen Bindung verbieten, soweit sie einen Vertragsbeteiligten 1. in der Freiheit der Verwendung der gelieferten Waren, anderer Waren oder gewerblicher Leistungen beschränken, oder 2. darin beschränken, andere Waren oder gewerbliche Leistungen von Dritten zu beziehen oder an Dritte abzugeben, oder 3. darin beschränken, die gelieferten Waren an Dritte abzugeben, oder 4. verpflichten, sachlich oder handelsüblich nicht zugehörige Waren oder gewerbliche Leistungen abzunehmen, und soweit a) dadurch eine für den Wettbewerb auf dem Markt erhebliche Zahl von Unternehmen gleichartig gebunden und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit unbillig eingeschränkt ist oder b) dadurch für andere Unternehmer der Marktzutritt unbillig beschränkt oder c) durch das Ausmaß solcher Beschränkungen der Wettbewerb auf dem Markt für diese oder andere Waren oder gewerbliche Leistungen wesentlich beeinträchtigt wird. (2) Als unbillig im Sinne des Abs. 1 Buchstabe b ist nicht eine Beschränkung anzusehen, die im Verhältnis zu den Angebots- oder Nachfragemöglichkeiten, die den anderen Unternehmen verbleiben, unwesentlich ist.
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Unter der Voraussetzung, daß einer der Tatbestände der Ziff. 1 bis 5 gegeben ist, kommen also die Bestimmungen des § 18 über Verwendungsbeschränkungen, Ausschließlichkeitsbindungen, Vertriebsbindungen und Koppelungsgeschäfte nicht zur Anwendung.
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3. Insbesondere Abs. 2 Ziff. 1. Es handelt sich bei ihm um eine Sonderregelung für den Auslandsverkehr als grenzüberschreitendem Verkehr, und zwar dergestalt, daß dann auch der inländische Teil des Verkehrs einbegriffen ist, und als ausschließlichem Auslandsverkehr. Unerheblich ist es, ob Ausländer an derartigen Verträgen, Beschlüssen und Empfehlungen beteiligt sind. Damit sind von den Bestimmungen der in Abs. 2 genannten Paragraphen des GWB vor allem ausgenommen die in der Linienfahrt der Seeschiffahrt üblichen „Konferenzen", soweit sie den grenzüberschreitenden oder den Auslandsverkehr betreffen. Diese Konferenzen sind Kartelle oder doch jedenfalls kartellähnliche Gebilde, in denen vornehmlich Entgelte, aber auch Beteiligungen der Mitglieder des Pools an dem Gesamtaufkommen der Entgelte oder der Ladung festgelegt sind. Bei dem Pool-Abkommen hat diejenige Linie, die ihren Anteil überfahren hat, diejenige zu entschädigen, die den ihrigen nicht eingefahren hat, vorausgesetzt, daß diese ihren Verpflichtungen bezüglich Stellung einer genügenden Tonnage, um ihren Anteil einzufahren, nachgekommen ist. Besondere Buchungskontore dienen bisweilen der Überwachung, ob die beteiligten Linien den vereinbarten Anteil erhalten. Einen wesentlichen Teil der Konferenzbedingungen bilden regelmäßig die Bestimmungen über den Treurabatt. Nach diesen gewähren die Konferenzlinien den Abladern oder Befrachtern einen gewissen Rabatt auf die Frachtbeträge, die von ihnen im Laufe des vergangenen halben oder ganzen Jahres bezahlt worden sind, sofern sie ihre sämtlichen Verschiffungen ausschließlich mit Linien, die Mitglieder der Konferenz sind, vorgenommen haben. Siehe über den Treurabatt auch Anm. 4 zu § 618 HGB. Durch die Treurabatte sollen die einzelnen Befrachter gezwungen werden, ihre gesamten im Konferenzbereich anfallenden Transporte an die an der Konferenz beteiligten Verfrachter zu übertragen. Derartige Vereinbarungen unterliegen also innerhalb der oben gezogenen Grenzen nicht den Vorschriften des § 18 GWB. — Abs. 2 Ziff. 1 gilt, wie auch die übrigen Bestimmungen des § 99 nach § 98 GWB für alle Beschränkungen, die sich im Geltungsbereich des Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb desselben veranlaßt werden.
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Die Konferenzen unterscheiden vielfach auch zwischen Kontrakt- und Nichtkontrakt-Raten (Dual Rate-System). Die niedrigeren Kontraktraten werden nur solchen Abladern gewährt, die einen Kontrakt mit den zu der Konferenz gehörigen Linien geschlossen haben, nach welchen sie alle ihre Verschiffungen den Konferenzlinien übertragen. 13 Vgl. über Schiffahrtskonferenzen Erichsen, Die internationalen Linienschiffskonferenzen in kartellrechtlicher Betrachtung, unter besonderer Berücksichtigung der Bestimmungen des 1004
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Anh IV § 663b
Gesetzes wegen Wettbewerbsbeschränkungen, Diss. Köln 1963; Harten, Die Konferenzen der internationalen Linienschiffahrt und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Hansa 1970 S. 739 — 741; Lieberknecht, Frachtratendiskriminierungen durch Seeschiffahrtskonferenzen und §§ 25, 26 GWB, Heidelberger rechtsvergleichende Studien, Bd. I, 1967; siehe weiter Bes, Chartering and Shipping Terms, Deutsche Ausgabe 1956, S. 189 ff.; Reinbek, Kartellverordnung und Schiffahrtsverbände, Kartellrundschau 1925, Heft 8, 9; Heimannsdörfer, Die Rechtsnatur des Poolvertrages, 1924; Wemeburg, Rechtsverhältnisse der Schiffahrtskonferenzen, LZ 1927, 1303f.; Hirsch, Zur Frage der Veröffentlichung der Konferenztarife, Hansa 1961 S. 2265; siehe auch Hansa 1960 Nr. 14/15; RG Hamburg 1928 B 467: Auslegung eines Vertrages, welcher den Wettbewerb zwischen Reedereien regelt; Bedeutung des Rechts auf eine Schiffahrtslinie; HansOLG HansRGZ 1929 B 99: Auslegung eines Vertrages über gemeinsamen Betrieb einer Schiffahrtslinie durch 2 Firmen; Folgen unzeitgemäßer Kündigung. In den USA (vgl. über die dortigen Verhältnisse Gilmore and Black, The Law of Admiralty 1 4 1957 S. 783 ff.; Das Konferenz-Kontrakt-System im Spiel der us-amerikanischen Schiffahrtsgesetzgebung, Hansa 1961 S. 1143) bedarf jedes zwischen Verfrachtern geschlossene Abkommen der Genehmigung des Federal Maritime Board, soweit es sich dabei um die Festsetzung und Regelung von Transporten, Fracht- und Passagesätzen, Anwendung von Sonderraten, die Gewährung von sonstigen Vorrechten und Vorteilen handelt, ferner um Maßnahmen zur Verhinderung oder Ausschaltung der Konkurrenz oder um die Aufteilung von Gewinnen, Verlusten oder Verkehrsanteilen. Außerdem ist es nach der American Shipping Act, 1916, nicht gestattet, Kampfschiffe einzusetzen. Siehe auch Hansa 1962 S. 3 und 1924, 1963 S. 1293. Mit „sonstigen" Verträgen im Sinne der Ziff. 1 sind Verträge gemeint, die nicht die Beförde- 1 5 rung als solche betreffen, sondern Nebenleistungen zu diesen, insbesondere Tätigkeiten, die mit der Be- oder Entladung des Schiffes zusammenhängen. Doch m u ß es sich dabei um Unternehmen handeln, die in der Haupttätigkeit der Beförderung selbst dienen, also um Reedereiunternehmen. Andernfalls würden derartige Unternehmen unter Ziff. 3 fallen. 4. Insbesondere Abs. 2 Ziff. 2. Sie betrifft Seehäfen, d. h. solche Häfen, in denen mit einer 1 6 gewissen Regelmäßigkeit und überwiegend, insbesondere auch der Anlage des Hafens nach, Verschiffungen über die See durchgeführt werden und solche eintreffen. Die Abgrenzung gegenüber einem Binnenhafen ist von Bedeutung, weil diese in Ziff. 2 nicht erwähnt sind. Die Rheinhäfen, die überwiegend Binnenschiffshäfen sind, wenn auch der Rhein-Seeverkehr von erheblicher Bedeutung ist, fallen deshalb nicht unter Ziff. 2. Unter die Bestimmung fallende Absprachen sind gegenwärtig, soweit festgestellt werden konnte, nicht vorhanden. Etwaige Absprachen über künftige Gestaltung von Hafengeldern und Kaitarife haben wegen ihrer losen Form keinen Kartellcharakter. Siehe wegen der Einschränkung der Ziff. 2 Abs. 3 und unten Anm. 19. 5. Während Ziff. 2 die Seehafenunternehmen als solche betrifft, fallen unter Ziff. 3 alle ha- 1 7 fenwirtschaftlichen Unternehmen in See- und Binnenhäfen, wie Lagerhalter und Quartiersleute, Bugsierunternehmen, Stauer, Greiferbetriebe, Tallyleute. Derartige Unternehmen schließen sich häufig zu Vereinigungen zusammen und stellen gemeinsame Geschäftsbedingungen und Tarife auf. Diese an sich unter das Gesetz fallenden Absprachen werden durch Ziff. 3 freigestellt. Siehe wegen der Einschränkung der Ziff. 3 Abs. 3 und unten Anm. 19. 6. Insbesondere in Ziff. 4 werden für die Unternehmen der Küsten- und Binnenschiffahrt 1 8 Sonderrechte gewährt. Doch betreffen sie nur den inneren Verkehr in der Bundesrepublik. Der Auslands- und der grenzüberschreitende Verkehr ist in Ziff. 1 geregelt. Bei den von den Bestimmungen des Gesetzes freigestellten Vereinbarungen, Beschlüsse und Empfehlungen muß es sich handeln entweder um die Regelung der Beförderungsbedingungen (dem Wortlaut nach nur f ü r Fahrgastschiffe, doch scheinen Güterschiffe und Schlepper nicht ausgenommen zu sein, so daß auch die Beförderungsbedingungen der „Deutküst-Charter" darunter fallen würden), die Regelung der Fahrpläne für Fahrgastschiffe, die Regelung der Verteilung der Fracht- und Schleppgüter. 1005
Anh IV § 663b 19
2. Teil: Seehandelsrecht - D a s 4. Buch des H G B
7. a) N a c h Abs. 3 Satz 1 u n d 2 sind auf Verträge u n d Beschlüsse der in Abs. 2 N r . 2 bis 4 bezeichneten Art. § 9 Abs. 2 bis 7 des Gesetzes entsprechend a n z u w e n d e n . Doch w e r d e n die in Abs. 2 N r . 2 u n d 3 bezeichneten Verträge u n d Beschlüsse nicht in das Kartellregister eingetragen. § 9 Abs. 2 bis 7 lautet: (2) Verträge und Beschlüsse der in den §§ 2, 3, 5 Abs. 1, § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 und § 6 Abs. 1 bezeichneten Art sowie ihre Änderungen und Ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Anmeldung bei der Kartellbehörde. In den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 1 gilt die Anmeldung nur als bewirkt, wenn ihr die in § 5 Abs. 1 Satz 2 vorgesehene Stellungnahme eines Rationalisierungsverbandes beigefügt ist. Verträge und Beschlüsse der in § 5 Abs. 4 bezeichneten Art sind unverzüglich bei der Kartellbehörde anzumelden. Die angemeldeten Verträge und Beschlüsse, mit Ausnahme der in § 6 Abs. 1 genannten, sind in das Kartellregister einzutragen. (3) Die Beendigung oder Aufhebung der in Abs. 1 und Abs. 2 bezeichneten Verträge und Beschlüsse soll bei der Kartellbehörde angemeldet werden; sie ist in das Kartellregister einzutragen. (4) Das Kartellregister wird beim Bundeskartellamt geführt. In das Kartellregister sind einzutragen: 1. Firma oder sonstige Bezeichnung und Ort der Niederlassung oder Sitz der beteiligten Unternehmen; 2. Name und Anschrift der Inhaber oder Gesellschafter, bei juristischen Personen der gesetzlichen Vertreter der beteiligten Unternehmen; 3. Rechtsform und Anschrift des Kartells; 4. Name und Anschrift des bestellten Vertreters (§ 36) oder sonstigen Bevollmächtigten, bei juristischen Personen der gesetzlichen Vertreter des Kartells; 5. der wesentliche Inhalt der Verträge und Beschlüsse, insbesondere Angaben über die betroffenen Waren oder Leistungen, über den Zweck, über die beabsichtigten Maßnahmen und über Geltungsdauer, Kündigung, Rücktritt und Austritt; 6. Änderungen und Ergänzungen zu Nummer 1 bis 5; 7. die Beendigung oder Aufhebung der Verträge und Beschlüsse; 8. die von der Kartellbehörde verfügten Befristungen, Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen sowie der Widerruf einer Erlaubnis und die Unwirksamerklärung der Verträge und Beschlüsse durch die Kartellbehörde. (5) Die Anmeldungen sind bei der Kartellbehörde mündlich oder schriftlich zu bewirken. (6) Die Einsicht in das Kartellregister ist jedem gestattet. (7) Näheres über Anlegung und Führung des Kartellregisters bestimmt der Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf.
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b) D u r c h Abs. 3 Satz 1 wird also in den Fällen des Abs. 2 Nr. 2 bis 4 die A n w e n d b a r k e i t der o b e n s t e h e n d e n B e s t i m m u n g e n vorgeschrieben. Doch ist eine E i n t r a g u n g in das Kartellregister n u r in d e n Fällen der Ziff. 4 erforderlich. D i e A n m e l d u n g (die n u r f ü r Verträge u n d Beschlüsse, nicht aber f ü r E m p f e h l u n g e n gefordert wird) soll der n a c h § 104 f ü r A u s n a h m e b e r e i c h e vorgesehenen b e s o n d e r e n Kartellaufsicht dienen.
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8. Z u b e a c h t e n ist, d a ß auch in allen Fällen des Abs. 2 die B e s t i m m u n g e n über die Aufsicht über m a r k t b e h e r r s c h e n d e U n t e r n e h m e n (§§ 22 ff.) u n d über das Verbot wettbewerbsbeschränk e n d e n u n d d i s k r i m i n i e r e n d e n Verhaltens (§§ 25 ff.) von Bestand bleiben. Von einer Wiedergabe dieser B e s t i m m u n g e n ist hier abgesehen. Es wird ihretwegen auf das Spezialschrifttum z u m G W B verwiesen.
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9. Vgl. a u c h die sich aus §§ 104, 105 des Gesetzes gegen W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k u n g e n ergebenden Beschränkungen. 1006
Anh IV § 663b
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen §104
(1) In den Fällen des § 99 Abs. 2 und der §§ 100 und 103 hat die Kartellbehörde die in Abs. 2 bezeichneten Maßnahmen zu treffen 1. soweit die Verträge, Beschlüsse oder Empfehlungen oder die Art ihrer Durchführung einen Mißbrauch der durch Freistellung von den Vorschriften dieses Gesetzes erlangten Stellung im Markt darstellen oder 2. soweit sie die von der Bundesrepublik Deutschland in zwischenstaatlichen Abkommen anerkannten Grundsätze über den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen verletzen. (2) Die Kartellbehörde kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 1. den beteiligten Unternehmen aufgeben, einen beanstandeten Mißbrauch abzustellen, 2. den beteiligten Unternehmen aufgeben, die Verträge oder Beschlüsse zu ändern oder 3. die Verträge und Beschlüsse für unwirksam erklären.
§105 In den Fällen des § 99 Abs. 2 und der §§ 100, 102, 102a und 103 finden die §§ 13, 14 und 34 entsprechende Anwendung. a) Der Sinn des § 104 ist, Mißbräuche abstellen zu können, die sich daraus ergeben, daß die in Abs. 1 am Eingang genannten Ausnahmetatbestände möglicherweise zu weitgehend gefaßt sind. Für die Anwendbarkeit des § 104 ist also vorab die Frage zu klären, ob die zu beanstandende Wettbewerbsbeschränkung an sich tatbestandsmäßig unter eine der in Abs. 1 genannten Ausnahmebestimmungen fallen würde. Alsdann ist zu prüfen, ob die an sich zulässige Wettbewerbsbeschränkung im konkreten Falle nicht mehr dem vom Gesetzgeber unterstellten Zweck entspricht oder ihm sogar zuwiderläuft. Als Zweck der in § 99 Abs. 2 ausgenommenen Tatbestände ist, soweit die Seeschiffahrt und die Hafenwirtschaft in Betracht kommt, bei der ersteren die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines regelmäßigen internationalen Linienverkehrs anzusehen, bei der letzteren, die Verhältnisse nach Möglichkeit zu stabilisieren. Doch ist immer der Zweck der Wettbewerbsbeschränkung sorgfältig zu ermitteln, weil erst dann festgestellt werden kann, ob in der Beschränkung ein Mißbrauch im Sinne des § 104 liegt. Siehe in § 99 Abs. 2 Ziff. 4 die ausdrückliche Festlegung des Vertragszweckes „im Interesse eines geordneten Verkehrs". Von der Mißbrauchklausel hat das Bundeskartellamt bezüglich der Nichtgewährung von Treuerabatten bei Beauftragung von Außenseitern Gebrauch gemacht (Beschluß vom September 1971, der dann durch das Kammergericht und den Bundesgerichtshof aufgehoben wurde. Siehe dazu Hansa 1973 S. 1255. Vgl. auch Abs. 1 Ziff. 2, wonach die Kartellbehörde die in Abs. 2 vorgesehenen Maßnahmen auch treffen kann, soweit die von der Bundesrepublik in zwischenstaatlichen Abkommen anerkannten Grundsätze über den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen verletzt werden. In Betracht können hier für die Verkehrswirtschaft die §§ 85 ff. des Vertrages über die Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft kommen. Ihre Anwendung ist für die Verkehrswirtschaft durch die §§ 74 ff. des Vertrages zugunsten des Vorrangs der Bestimmungen über eine gemeinsame Verkehrspolitik zwar erheblich eingeschränkt, aber nicht ausgeschlossen. Die Maßnahmen, die von der Kartellbehörde ergriffen werden können, ergeben sich aus Abs. 2, der wörtlich dem § 12 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entspricht. b) Die in § 105 angezogenen §§ 13, 14 und 34 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen lauten: §13 (1) Jeder Beteiligte kann Verträge und Beschlüsse der in den §§ 2 bis 8 bezeichneten Art aus wichtigem Grunde fristlos schriftlich kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Kündigenden unbillig eingeschränkt oder durch eine nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung im Verhältnis zu den übrigen Beteiligten beeinträchtigt wird. Die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Fehlens eines wichtigen Grundes kann nur durch Klage innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Kündigung geltend gemacht werden. 1007
Anh IV § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
(2) Solange die Kartellbehörde für Verträge und Beschlüsse der in den §§ 4, 5 Abs. 2 und 3, § 6 Abs. 2, §§ 7 und 8 bezeichneten Art noch keine Erlaubnis erteilt hat, kann jeder Beteiligte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zurücktreten. Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Ist vor der Rücktrittserklärung bereits die Erteilung einer Erlaubnis bei der Kartellbehörde beantragt worden, so soll die Rücktrittserklärung auch der Kartellbehörde mitgeteilt werden. (3) Eine Vereinbarung, durch welche das Kündigungsrecht oder Rücktrittsrecht ausgeschlossen oder diesen Vorschriften zuwider rechtlich oder wirtschaftlich eingeschränkt wird, ist nichtig.
§14 (1) Auf G r u n d von Verträgen und Beschlüssen der in den §§ 2 bis 8 bezeichneten Art dürfen Sicherheiten nur verwertet werden, soweit die Kartellbehörde auf Antrag des Kartells eine Erlaubnis erteilt hat. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn die Maßnahmen die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Betroffenen unbillig einschränken oder ihn durch eine nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung im Verhältnis zu den übrigen Beteiligten beeinträchtigen. (2) Die Erlaubnis kann mit Fristen versehen und mit Beschränkungen, Bedingungen und Auflagen verbunden werden.
§34 Kartellverträge und Kartellbeschlüsse (§§ 2 bis 8) sowie Verträge, die Beschränkungen der in den §§ 16, 18, 20 und 21 bezeichneten Art enthalten, sind schriftlich abzufassen. § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet Anwendung/Es genügt, wenn die Beteiligten Urkunden unterzeichnen, die auf einen schriftlichen Beschluß, auf eine schriftliche Satzung oder auf eine Preisliste Bezug nehmen. § 126 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet keine Anwendung.
Die Bestimmung des § 105 ergänzt in wesentlicher Hinsicht die Vorschrift des § 104. Durch § 104 sollen vornehmlich dritte Wettbewerber geschützt werden, § 105 dagegen soll in erster Linie den Vertragsbeteiligten selbst eine Schutzmöglichkeit bieten. Aus der entsprechenden Anwendung des § 34 ergibt sich insbesondere, daß auch Verträge in dem Ausnahmebereich des § 99 Abs. 2 schriftlich abzufassen sind. Unteranhang A Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen Schrifttum: Breuer, Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen — Genf, 7. April 1974 —, Hansa 1974 S. 1123; Breuer und Hinz, Verhaltenskodex für Linienkonferenzen, Erster Teil der UN-Konferenz Genf 12. bis 15. Dezember 1973, Hansa 1974 S. 273; Dipner, Verhaltenskodex f ü r Linienkonferenzen, Hansa 1973 S. 416ff.; Haubold, Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen (Schriften des Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung); Hinz, Warum hat die Bundesrepublik Deutschland den Verhaltenskodex für Linienkonferenzen unterzeichnet? Hansa 1975 S. 1103; Lindemeyer, Schiffsembargo und Handelsembargo, Völkerrechtliche Praxis und Zulässigkeit, 1975, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht, Bd. 9; Rathjen, Verhaltenskodex für Linienkonferenzen. — Ist die EG-Kommission zu weit gegangen? Hansa 1976 S. 345. - Siehe auch Die Kommandobrücke 1976 S. 25; DIHT, Bedingtes Ja zum Konferenz-Codex, Hansa 1975 S. 318; siehe weiter Hansa 1975 S. 242. Auf einer in Genf im März/April 1974 stattgefundenen Konferenz wurde über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen beraten (Code of Conduct f ü r Liner Conferences). 72 Staaten sprachen sich für einen solchen Code aus, 7 dagegen, 5 enthielten sich der Stimme. Dafür stimmten Australien, Belgien, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Japan, Spanien, Türkei, die sozialistischen Staaten Ostdeutschlands, 56 Entwicklungsländer, China einschließlich. Dagegen stimmten Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden, Schweiz, Großbritannien und die USA. Kanada, Griechenland, Italien, die Niederlande und Neuseeland enthielten sich der Stimme. Der wesentliche Inhalt der Konvention ist: wo „pooling Arrangements" in einer Linienkonferenz bestehen, sollen die Gruppe der Schiffahrtslinien zweier bedienter Länder gleichen An1008
Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen
Anh IV § 663b
teil an dem Frachtaufkommen haben. Wird von dritten Ländern ein solcher Schiffahrtsdienst betrieben, so soll ihnen ein Anteil von 20% gewährt werden. Die Frachtraten sollen möglichst niedrig bemessen sein, aber doch so, daß sie einen hinreichenden Nutzen für die Schiffahrtslinien gewähren. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Übereinkommen am 30. Juni 1975 unter Vorbehalt der Ratifikation gezeichnet, die bis zum November 1976 nicht erfolgt war. Bis zum gleichen Datum als dem des Ablaufs der Zeichnungsfrist ist der Kodex von insgesamt 30 Staaten unterzeichnet worden, darunter 22 Entwicklungsländern (u. a. Brasilien, Venezuela, Indien, Pakistan, Sri Lanka), den Ländern Osteuropas (UdSSR, DDR, Tschechoslowakei) sowie von vier westlichen Ländern (Frankreich, Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Türkei). Zum Inkrafttreten ist die Ratifikation durch 24 Staaten erforderlich, die mindestens 25% der Weltlinientonnage besitzen. Siehe zu der Frage, ob Belgien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland mit der Zeichnung des Übereinkommens gegen die Art. 5, 113 und 116 des EWG-Vertrages verstoßen haben, Hansa 1976 S. 345, Die Kommandobrücke 1976 S. 23.
Die nachstehende deutsche Übersetzung des Verhaltenskodex wurde vom Verband Deutscher Reeder zur Verfügung gestellt.
Übereinkommen über einen Verhaltenskodex für
Linienkonferenzen
Ziele und Grundsätze Die Vertragsparteien dieses Übereinkommens — von dem Wunsch geleitet, das System der Linienkonferenzen zu verbessern, in Erkenntnis der Notwendigkeit eines weltweit annehmbaren Verhaltenskodexes für Linienkonferenzen, unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse und Probleme der Entwicklungsländer in bezug auf die Tätigkeit der ihrem Außenhandel dienenden Linienkonferenzen, darin übereinstimmend, folgende grundlegende Ziele und wesentliche Grundsätze in dem Kodex zum Ausdruck zu bringen: a) das Ziel, die geordnete Ausweitung des Welt-Seehandels zu erleichtern; b) das Ziel, die Entwicklung regelmäßiger und leistungsfähiger Liniendienste entsprechend den Erfordernissen des in Betracht kommenden Handels anzuregen; c) das Ziel, einen Interessenausgleich zwischen den Anbietern und den Nutzern von Schiffsliniendiensten sicherzustellen; d) den Grundsatz, daß die Konferenzpraktiken keine Diskriminierung von Schiffseigentümern, Verladern oder des Außenhandels eines Landes zur Folge haben sollen; e) den Grundsatz, daß die Konferenzen ernsthafte Konsultationen mit den Verladerorganisationen, Verladervertretern und Verladern über gemeinsam interessierende Angelegenheiten durchführen, wobei auf Verlangen die zuständigen Behörden zu beteiligen sind; f) den Grundsatz, daß die Konferenzen den internationalen Parteien einschlägige Informationen über ihre Tätigkeit, soweit sie für die Parteien von Belang ist, zur Verfügung stellen und sachdienliche Informationen über ihre Tätigkeit veröffentlichen sollen — sind wie folgt
übereingekommen: 1009
Anh IV § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Teil Eins Kapitel I: Begriffsbestimmungen
Linienkonferenz oder Konferenz Eine Gruppe von zwei oder mehr Unternehmen der Seeschiffahrt, die internationale Liniendienste für die Beförderung von Ladung in einem bestimmten Fahrtgebiet innerhalb fester geographischer Grenzen zur Verfügung stellt und die eine Vereinbarung oder Abmachung gleich welcher Art getroffen hat, in deren Rahmen sie auf der Grundlage einheitlicher oder gemeinsamer Frachtraten und etwaiger sonstiger vereinbarter Bedingungen hinsichtlich der Bereitstellung von Liniendiensten arbeitet. Nationale Linienreederei Eine nationale Linienreederei eines bestimmten Landes ist ein Unternehmen der Seeschiffahrt, das den Hauptsitz seiner Geschäftsleitung und seine tatsächliche Kontrolle in diesem Land hat und das von einer zuständigen Behörde des betreffenden Landes oder nach dessen Recht als nationale Linienreederei anerkannt wird. Linienreedereien, die einem zwei oder mehr Länder umfassenden gemeinsamen Unternehmen gehören und von ihm betrieben werden und an deren Gesellschaftskapital nationale öffentliche und/oder private Interessen dieser Länder einen wesentlichen Anteil haben und deren Hauptsitz der Geschäftsleitung und tatsächliche Kontrolle sich in einem dieser Länder befinden, können von den zuständigen Behörden dieser Länder als nationale Linienreederei anerkannt werden. Drittland-Linienreederei Ein Unternehmen der Seeschiffahrt in seinen Geschäften zwischen zwei Ländern, deren nationale Linienreederei es nicht ist. Verlader Eine natürliche oder juristische Person, die mit einer Konferenz oder Linienreederei eine vertragliche oder sonstige Abmachung für den Versand von Gütern, an denen sie ein wirtschaftliches Interesse hat, getroffen hat oder welche die Absicht bekundet, eine solche Abmachung zu treffen. Verladerorganisation Eine Vereinigung oder entsprechende Organisation, welche die Interessen von Verladern fördert, vertritt und schützt und die auf Wunsch der zuständigen Behörden des Landes, dessen Verlader sie vertritt, von diesen Behörden in dieser Eigenschaft anerkannt wird. Von der Konferenz beförderte GUter Ladung, die von den einer Konferenz angehörenden Linienreedereien nach dem Konferenzvertrag befördert wird. Zuständige Behörde Eine Regierung oder eine von einer Regierung oder aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften bestimmte Stelle, die eine der einer solchen Behörde nach diesem Kodex zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen hat. Förderungsfrachtrate Eine Rate, die zur Unterstützung der Beförderung nicht-herkömmlicher Ausfuhren des betreffenden Landes festgesetzt wurde. Sonderfrachtrate Eine Vorzugsfrachtrate, die keine Förderungsfrachtrate ist und die zwischen den betreffenden Parteien ausgehandelt werden kann. 1010
Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen
A n h IV § 663b
Kapitel II: Beziehungen zwischen den Mitgliedern Artikel 1 Mitgliedschaft (1) Jede nationale Linienreederei hat vorbehaltlich der in Abs. 2 aufgeführten Kriterien das Recht, Vollmitglied einer Konferenz zu sein, die dem Außenhandel ihres Landes dient. Linienreedereien, die keine nationalen Reedereien in einem von einer Konferenz erfaßten Fahrtgebiet sind, haben vorbehaltlich der in den Abs. 2 und 3 aufgeführten Kriterien und der in Art. 2 für Drittland-Linienreedereien vorgesehenen Bestimmungen über den Verkehrsanteil das Recht, Vollmitglieder der Konferenz zu werden. (2) Eine Linienreederei, welche die A u f n a h m e in eine Konferenz beantragt, hat ihre Fähigkeit und Absicht — gegebenenfalls unter Benutzung gecharterter Tonnage, sofern die Voraussetzungen dieses Absatzes erfüllt sind — langfristig einen regelmäßigen, angemessenen und leistungsfähigen Dienst im Sinne des im Rahmen der Konferenz geschlossenen Konferenzvertrags zu betreiben, nachzuweisen und sich zu verpflichten, alle Bedingungen des Konferenzvertrags einzuhalten, sowie eine finanzielle Bürgschaft zu hinterlegen, um im Fall eines späteren Austritts, vorläufigen Ausschlusses oder Ausschlusses etwaige finanzielle Verbindlichkeiten zu decken, wenn dies nach dem Konferenzvertrag erforderlich ist. (3) Bei der Prüfung eines Aufnahmeantrags einer Linienreederei, die nicht eine nationale Linienreederei in einem von der betreffenden Konferenz erfaßten Fahrtgebiet ist, sollen außer Abs. 2 unter anderem auch folgende Kriterien berücksichtigt werden: a) das vorhandene Verkehrsaufkommen auf der Strecke oder den Strecken, die von der Konferenz bedient werden, und die Aussichten für sein Wachstum; b) die Angemessenheit des Schiffsraums für das vorhandene und in Zukunft erwartete Verkehrsaufkommen auf der Strecke oder den Strecken, die von der Konferenz bedient werden; c) die voraussichtliche Auswirkung der Aufnahme der Linienreederei in die Konferenz auf die Leistungsfähigkeit und Qualität des Konferenzdienstes; d) die derzeitige Beteiligung der Linienreederei am Verkehr auf derselben Strecke oder denselben Strecken außerhalb einer Konferenzverbindung und e) die derzeitige Beteiligung der Linienreederei auf derselben Strecke oder denselben Strekken innerhalb einer anderen Konferenzverbindung. Diese Kriterien sind nicht so anzuwenden, daß sie die Durchführung der Bestimmungen des Art. 2 über die Beteiligung am Verkehr aushöhlen. (4) Anträge auf Aufnahme oder Wiederaufnahme werden umgehend entschieden, und die Entscheidung wird einem Antragsteller von einer Konferenz umgehend, spätestens jedoch sechs Monate nach dem Antragsdatum, übermittelt. Wird die Aufnahme oder Wiederaufnahme einer Linienreederei abgelehnt, so hat die Konferenz gleichzeitig eine schriftliche Begründung dafür abzugeben. (5) Bei der Prüfung von Aufnahmeanträgen berücksichtigt eine Konferenz die von Verladern und Verladerorganisationen der Länder, deren Handel von der Konferenz befördert wird, vorgebrachten Ansichten sowie die Ansichten der zuständigen Behörden, wenn diese es wünschen. (6) Außer der Erfüllung der in Abs. 2 enthaltenen Aufnahmekriterien hat eine Linienreederei, die Wiederaufnahme beantragt, auch nachzuweisen, daß sie ihre Verpflichtungen nach Art. 4 Abs. 1 und 4 erfüllt hat. Die Konferenz kann die Umstände, unter denen die Reederei die Konferenz verlassen hat, eingehend prüfen. Artikel 2 Beteiligung am Verkehr (1) Jede in eine Konferenz aufgenommene Linienreederei hat Abfahrt- und Laderechte in dem von dieser Konferenz erfaßten Fahrtgebiet. 1011
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
(2) Betreibt eine Konferenz einen Pool, so haben alle Linienreedereien, die Mitglieder der Konferenz sind, welche den von dem Pool erfaßten Verkehr dient, das Recht, sich an dem Pool für diesen Verkehr zu beteiligten. (3) Für die Bestimmung des Verkehrsanteils, den die Mitgliedreedereien zu erwerben berechtigt sind, gelten die nationalen Linienreedereien jedes Landes unabhängig von der Anzahl der Reedereien als eine einzige Gruppe von Linienreedereien für das betreffende Land. (4) Bei der Bestimmung eines Verkehrsanteils einzelner Mitgliedreedereien und/oder Gruppen nationaler Linienreedereien nach Abs. 2 innerhalb eines Pools werden folgende Grundsätze hinsichtlich ihres Rechts auf Beteiligung an dem von der Konferenz beförderten Handel beachtet, sofern nicht etwa anderes vereinbart wurde: a) Die Gruppe nationaler Linienreedereien jedes der beiden Länder, deren gegenseitiger Außenhandel von der Konferenz befördert wird, hat gleiche Rechte auf Beteiligung an der Fracht und an der Ladungsmenge, die sich aus dem gegenseitigen Außenhandel, soweit er von der Konferenz befördert wird, ergeben. b) Drittland-Linienreedereien, sofern vorhanden, haben das Recht, einen erheblichen Teil, z. B. 20 v. H., an der Fracht und der Ladungsmenge zu erwerben, die sich aus diesem Handel ergeben. (5) Gibt es in einem der Länder, deren Handel durch eine Konferenz befördert wird, keine nationale Linienreederei, die an der Beförderung dieses Handels beteiligt ist, so wird der Verkehrsanteil, auf den nationale Linienreedereien dieses Landes nach Abs. 4 Anspruch hätten, unter den einzelnen Mitgliedreedereien, die an dem Verkehr beteiligt sind, im Verhältnis ihres jeweiligen Anteils aufgeteilt. (6) Beschließen die nationalen Linienreedereien eines Landes, nicht ihren gesamten Verkehrsanteil zu befördern, so wird der Teil, den sie nicht befördern, unter den einzelnen Mitgliedreedereien, die an dem Verkehr beteiligt sind, im Verhältnis ihres jeweiligen Anteils aufgeteilt. (7) Beteiligen sich die nationalen Linienreedereien der betreffenden Länder nicht an dem Verkehr zwischen diesen Ländern, der von einer Konferenz erfaßt wird, so werden die Anteile des von der Konferenz zwischen diesen Ländern beförderten Handels den teilnehmenden Mitgliedreedereien dritter Länder durch kaufmännische Verhandlungen zwischen diesen Reedereien zugeteilt. (8) Die einer Konferenz angehörenden nationalen Linienreedereien einer Region an einem Endpunkt des von der Konferenz erfaßten Verkehrs können die ihnen nach den Abs. 4 bis 7 zugewiesenen Verkehrsanteile untereinander einvernehmlich neu verteilen. (9) Vorbehaltlich der Abs. 4 bis 8 über die Verkehrsanteile zwischen einzelnen Linienreedereien oder Gruppen solcher Reedereien werden Pool- oder Verkehrsbeteiligungsvereinbarungen in regelmäßigen, in diesen Vereinbarungen festzusetzenden Abständen und in Übereinstimmung mit den in dem Konferenzvertrag zu bestimmenden Kriterien von der Konferenz überprüft. (10) Die Anwendung dieses Artikels beginnt so bald wie möglich nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens und muß innerhalb einer Übergangszeit abgeschlossen sein, die keinesfalls länger sein darf als zwei Jahre, wobei die besondere Lage in jedem betreffenden Verkehr zu berücksichtigen ist. (11) Linienreedereien, die Mitglieder einer Konferenz sind, haben das Recht, gecharterte Schiffe einzusetzen, um ihren Konferenzverpflichtungen nachzukommen. (12) Die Kriterien für die Aufteilung und die Überprüfung der Anteile nach den Abs. 1 bis 11 gelten, wenn in Ermangelung eines Pools Anlauf-, Abfahrt- und/oder sonstige Ladungszuteilungsvereinbarungen vorliegen. (13) Liegen in einer Konferenz keine Pool-, Anlauf-, Abfahrt- oder sonstigen Verkehrsbetei1012
Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen
Anh IV § 663b
ligungsvereinbarungen vor, so kann jede Gruppe nationaler Linienreedereien, die Mitglieder der Konferenz sind, beantragen, daß für den von der Konferenz beförderten Handel zwischen ihren Ländern Poolabmachungen nach Abs. 4 eingeführt werden oder daß die Abfahrten so geregelt werden, daß diese Reedereien im wesentlichen dieselben Rechte auf Beteiligung an dem von der Konferenz zwischen diesen beiden Ländern beförderten Handel wahrnehmen können, die ihnen nach Abs. 4 zugestanden hätten. Jeder derartige Antrag wird von der Konferenz geprüft und entschieden. Besteht unter den Mitgliedern der Konferenz keine Übereinstimmung über die Einführung eines solchen Pools oder die Regelung der Abfahrten, so haben die Gruppen der nationalen Linienreedereien der Länder an beiden Endpunkten des Verkehrs die Stimmenmehrheit bei dem Beschluß, einen solchen Pool oder eine Regelung der Abfahrten einzuführen. Die Frage wird innerhalb eines Zeitabschnitts von höchstens sechs Monaten nach Eingang des Antrags entschieden. (14) Besteht zwischen den nationalen Linienreedereien der Länder an beiden Endpunkten, deren Handel von der Konferenz bedient wird, keine Übereinstimmung darüber, ob ein Pool eingeführt werden soll, so können sie verlangen, daß innerhalb der Konferenz die Abfahrten so geregelt werden, daß diese Reedereien im wesentlichen dieselben Rechte auf Beteiligung an dem von der Konferenz zwischen diesen beiden Ländern beförderten Handel wahrnehmen können, die ihnen nach Abs. 4 zugestanden hätten. Gibt es in einem der Länder, deren Handel von der Konferenz bedient wird, keine nationalen Linienreedereien, so können die nationale Linienreederei oder -reedereien des anderen Landes denselben Antrag stellen. Die Konferenz bemüht sich nach besten Kräften, diesem Antrag stattzugeben. Wird jedoch diesem Antrag nicht stattgegeben, so können die zuständigen Behörden der Länder an beiden Endpunkten des Verkehrs die Frage aufgreifen, wenn sie dies wünschen, und ihre Ansichten den beteiligten Parteien zur Prüfung mitteilen. Wird kein Einvernehmen erzielt, so wird die Streitigkeit nach den in diesem Kodex festgelegten Verfahren behandelt. (15) Andere einer Konferenz angehörende Linienreedereien können ebenfalls beantragen, daß Pool- oder Abfahrtvereinbarungen eingeführt werden; der Antrag wird von der Konferenz nach den einschlägigen Bestimmungen dieses Kodexes geprüft. (16) Eine Konferenz hat in jeder ihrer Poolvereinbarungen geeignete Maßnahmen für Fälle vorzusehen, in denen Ladung von einer Mitgliedreederei aus einem anderen Grund als der verspäteten Anlieferung durch den Verlader zurückgelassen worden ist. Eine solche Vereinbarung hat vorzusehen, daß ein Schiff mit nicht gebuchtem benutzbarem Raum die Erlaubnis erhält, die Ladung auch über den Poolanteil der Reederei an dem Verkehr hinaus aufzunehmen, wenn die Ladung sonst zurückgelassen und über eine von der Konferenz festgesetzte Frist hinaus zurückbleiben würde. (17) Die Abs. 1 bis 16 beziehen sich auf alle Güter unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Bestimmungsort oder dem vorgesehenen Verwendungszweck, mit Ausnahme militärischer Ausrüstungen für Zwecke der nationalen Verteidigung.
Artikel 3 Beschlußverfahren Die in einem Konferenzvertrag enthaltenen Beschlußverfahren müssen auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller Vollmitgliedreedereien beruhen; diese Verfahren haben sicherzustellen, daß die Abstimmungsvorschriften die ordnungsgemäße Arbeit der Konferenz und die Bedienung des Handels nicht behindern, und die Gegenstände anzugeben, über die Beschlüsse einstimmig zu fassen sind. Jedoch können Beschlüsse über Gegenstände, die in einem Konferenzvertrag festgelegt sind und die sich auf den Verkehr zwischen zwei Ländern beziehen, nicht ohne Zustimmung der nationalen Linienreedereien dieser beiden Länder gefaßt werden. 1013
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Artikel 4 Sanktionen
(1) Eine Linienreederei, die Mitglied einer Konferenz ist, ist vorbehaltlich der Bestimmungen über den Austritt, die in Poolabsprachen und/oder Ladungsaufteilungsabmachungen enthalten sind, berechtigt, sich ohne Verhängung von Sanktionen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist von den Bedingungen des Konferenzvertrags freizumachen, sofern dieser Vertrag nicht eine andere Kündigungsfrist vorsieht; jedoch hat die Reederei ihre Verpflichtungen als Mitglied der Konferenz bis zum Tage ihrer Freigabe zu erfüllen. (2) Eine Konferenz kann mit einer in dem Konferenzvertrag festzusetzenden Frist ein Mitglied wegen einer erheblichen Verletzung der Bedingungen des Konferenzvertrags vorläufig ausschließen oder ausschließen. (3) Ein Ausschluß oder ein vorläufiger Ausschluß wird erst dann wirksam, wenn eine schriftliche Begründung gegeben und wenn eine Streitigkeit nach Kapitl VI beigelegt worden ist. (4) Bei einem Austritt oder Ausschluß muß die betreffende Linienreederei ihren Anteil an den bestehenden finanziellen Verpflichtungen der Konferenz bis zum Tage des Austritts oder Ausschlusses zahlen. Im Falle eines Austritts, eines vorläufigen Ausschlusses oder eines Ausschlusses wird die Reederei nicht von ihren eigenen finanziellen Verpflichtungen aufgrund des Konferenzvertrags oder von einer ihrer Verpflichtungen gegenüber Verladern befreit. Artikel 5 Selbstkontrolle (1) Eine Konferenz beschließt ein möglichst umfassendes erläuterndes Verzeichnis der Praktiken, die als Mißbräuche und/oder Verstöße gegen den Konferenzvertrag betrachtet werden, und hält es auf dem laufenden; sie sorgt für ein wirksames Kontrollsystem für derartige Praktiken, das besondere Vorschriften enthält über a) die Festsetzung von Strafen oder eines Katalogs von Strafen für Mißbräuche oder Verstöße entsprechend ihrem Schweregrad; b) die Untersuchung und unparteiische Überprüfung von Entscheidungen über Beschwerden und/oder Beschlüssen zu Beschwerden gegen Mißbräuche oder Verstöße durch eine nicht mit einer der der Konferenz angehörenden Linienreedereien oder ihren Tochtergesellschaften in Verbindung stehende natürliche oder juristische Person auf Ersuchen der Konferenz oder einer anderen beteiligten Partei; c) die auf Verlangen erfolgende Berichterstattung über die im Zusammenhang mit Beschwerden gegen Mißbräuche und/oder Verstöße getroffenen Maßnahmen unter Wahrung der Anonymität der beteiligten Parteien an die zuständigen Behörden der Länder, deren Handel von der Konferenz bedient wird, und der Länder, deren Linienreedereien Mitglieder der Konferenz sind. (2) Die Linienreedereien und Konferenzen haben ein Recht auf umfassende Mitarbeit der Verlader und Verladerorganisationen bei den Bemühungen zur Bekämpfung von Mißbräuchen und Verstößen. Artikel 6 Konferenzverträge Alle Konferenzverträge, Vereinbarungen über Pool-, Anlauf- und Abfahrtrechte und ihre Änderungen oder sonstige unmittelbar mit derartigen Übereinkünften in Verbindung stehende und sie betreffende Urkunden werden auf Verlangen den zuständigen Behörden der Länder, deren Handel von der Konferenz bedient wird, sowie der Länder, deren Linienreedereien Mitglieder der Konferenz sind, zur Verfügung gestellt. 1014
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Kapitel III: Beziehungen zu Verladern Artikel 7 Treueabmachungen (1) Die einer Konferenz angehörigen Linienreedereien sind berechtigt, Treueabmachungen mit Verladern zu schließen und zu unterhalten, deren Form und Bedingungen Gegenstand von Konsultationen zwischen der Konferenz und den Verladerorganisationen oder -Vertretern sind. Diese Treueabmachungen enthalten Schutzklauseln, welche die Rechte der Verlader und der Konferenzmitglieder deutlich machen. Die Abmachungen beruhen auf dem Kontraktsystem oder einem anderen rechtlich zulässigen System. (2) Unabhängig davon, welche Treueabmachungen getroffen werden, wird die auf treue Verlader anzuwendende Frachtrate innerhalb eines festen Rahmens von Prozentsätzen der auf andere Verlader anwendbaren Frachtrate festgesetzt. Hat eine Änderung der Spanne zwischen den beiden Raten eine Erhöhung den Verladern in Rechnung gestellten Raten zur Folge, so kann die Änderung erst 150 Tage nach einer entsprechenden Benachrichtigung dieser Verlader oder nach Maßgabe regionaler Praxis und/oder Vereinbarungen durchgeführt werden. Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Änderung der Spanne werden nach der Treueabmachung beigelegt. (3) Die Treueabmachungen müssen Schutzklauseln enthalten, welche die Rechte und Pflichten der Verlader und der der Konferenz angehörigen Linienreedereien deutlich machen; dabei sind unter anderem folgende Bestimmungen zu berücksichtigen: a) Der Verlader ist hinsichtlich der Ladung gebunden, deren Versand nach dem Kaufvertrag für die betreffenden Güter durch ihn oder seine Tochter- oder Zweiggesellschaft oder seinen Spediteur kontrolliert wird, vorausgesetzt, daß der Verlader nicht durch Umgehung, Täuschung oder eine Mittelsperson versucht, in Verletzung seiner Treuepflicht Ladung umzuleiten. b) Sofern ein Treuevertrag vorliegt, wird das Ausmaß des tatsächlichen oder des im voraus bestimmten Schadenersatzes und/oder der Strafe in dem Vertrag festgelegt. Die Mitgliedreedereien der Konferenzen können jedoch beschließen, den im voraus bestimmten Schadenersatz niedriger zu bemessen oder auf den Anspruch auf einen im voraus bestimmten Schadenersatz zu verzichten. Auf jeden Fall darf der vom Verlader zu zahlende im voraus bestimmte Schadenersatz nicht höher sein als die Frachtgebühren für die betreffende Sendung, die nach der im Vertrag vorgesehenen Rate berechnet werden. c) Der Verlader ist berechtigt, seinen Treuestatus voll wieder einzunehmen, sofern er die von der Konferenz aufgestellten Bedingungen, die in der Treueabmachung niedergelegt sind, erfüllt. d) Die Treueabmachung enthält folgendes: i) ein Verzeichnis der Ladung — gegebenenfalls einschließlich des ohne Kennzeichnung oder Zählung versandten Massenguts —, die ausdrücklich von der Treueabmachung ausgenommen ist; ii) eine Schilderung der Umstände, unter denen andere als die unter Ziff. i aufgeführte Ladung als von der Treueabmachung ausgenommen gilt; iii) das Verfahren zur Beilegung der im Rahmen der Treueabmachung entstehenden Streitigkeiten; iv) eine Bestimmung über die straffreie Beendigung der Treueabmachung entweder auf Verlangen eines Verladers oder der Konferenz nach Ablauf einer festgesetzten Kündigungsfrist, wobei die Kündigung schriftlich zu erfolgen hat, und v) die Bedingungen für die Gewährung einer Freistellung. (4) Im Fall einer Streitigkeit zwischen einer Konferenz und einer Verladerorganisation, Verladervertretern und/oder Verladern über die Form oder die Bedingungen einer vorgeschlagenen Treueabmachung kann jede Partei die Sache zwecks Lösung dem in diesem Kodex vorgesehenen einschlägigen Verfahren unterwerfen. 1015
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Artikel 8 Freistellung
(1) Die Konferenzen sehen in den Treueabmachungen vor, daß Anträge von Verladern auf Freistellung geprüft und rasch entschieden werden und daß auf Verlangen die Ablehnung der Freistellung schriftlich begründet wird. Bestätigt eine Konferenz nicht innerhalb einer in der Treueabmachung festgesetzten Zeit genügend Schiffsraum zur Aufnahme der Ladung eines Verladers innerhalb einer ebenfalls in der Treueabmachung festgesetzten Zeit, so hat der Verlader das Recht, straffrei jedes Schiff für die betreffende Ladung zu benutzen. (2) In Häfen, in denen Konferenzdienste nur bei Vorhandensein einer festgelegten Mindestmenge von Ladung (d. h. auf Veranlassung) geleistet werden, haben die Verlader, wenn die Linienreederei entweder den Hafen trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung durch die Verlader nicht anläuft oder innerhalb einer vereinbarten Zeit nicht auf die Nachricht der Verlader antwortet, ohne weiteres das Recht, ohne Beeinträchtigung ihres Treuestatus jedes verfügbare Schiff für die Beförderung ihrer Ladung zu benutzen. Artikel 9 Verfügbarkeit von Tarifen und damit zusammenhängenden Bedingungen und/oder Vorschriften Tarife, damit zusammenhängende Bedingungen, Vorschriften und alle Änderungen derselben werden den Verladern, Verladerorganisationen und sonstigen beteiligten Parteien auf Verlangen zu angemessenen Gebühren zur Verfügung gestellt; sie liegen in den Büros der Linienreedereien und bei ihren Agenten zur Einsicht aus. Sie enthalten alle Bedingungen für die Anwendung von Frachtraten und die Beförderung jeder darunter fallenden Ladung. Artikel 10 Jahresberichte Die Konferenzen stellen jährlich den Verladerorganisationen oder den Verladervertretern Berichte über ihre Tätigkeit zur Verfügung, die ihnen sie interessierende allgemeine Informationen vermitteln sollen, darunter einschlägige Informationen über Konsultationen mit Verladern und Verladerorganisationen, im Zusammenhang mit Beschwerden getroffene Maßnahmen, Änderungen im Mitgliederbestand und wesentliche Änderungen in den Diensten, Tarifen und Beförderungsbedingungen. Diese Jahresberichte werden auf Verlangen den zuständigen Behörden der Länder übermittelt, deren Handel durch die betreffende Konferenz bedient wird. Artikeln Konsultationsverfahren (1) Es finden Konsultationen über Fragen von gemeinsamem Interesse statt zwischen einer Konferenz, Verladerorganisationen, Verladervertretern und, wenn durchführbar, Verladern, die von der zuständigen Behörde auf deren Wunsch für diesen Zweck bestimmt werden. Diese Konsultationen finden statt, wenn sie von einer der genannten Parteien verlangt werden. Die zuständigen Behörden haben das Recht, auf Antrag voll an den Konsultationen teilzunehmen; dies bedeutet jedoch nicht, daß ihnen eine Entscheidungsbefugnis zusteht. (2) Folgende Fragen können unter anderem Gegenstand von Konsultationen sein: a) Änderungen der allgemeinen Tarifbedingungen und damit zusammenhängende Vorschriften; 1016
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b) Änderungen der allgemeinen Höhe der Tarifraten und der Raten für wichtige Warenarten; c) Förderungs- und/oder Sonderfrachtraten; d) Einführung von Zuschlägen und damit zusammenhängende Änderungen; e) Treueabmachungen, ihr Abschluß oder Änderung ihrer Form und ihrer allgemeinen Bedingungen; f) Änderungen der Einstufung von Häfen für Tarifzwecke; g) Verfahren für die Bereitstellung der erforderlichen Angaben durch die Verlader über den voraussichtlichen Umfang und die Ärt ihrer Ladungen und h) die Art und Weise der Anlieferung der Ladung zum Versand und die Erfordernisse in bezug auf die Meldung verfügbarer Ladung. (3) Soweit die folgenden Fragen in den Zuständigkeitsbereich einer Konferenz fallen, können sie auch Gegenstand von Konsultationen sein: a) Durchführung von Ladungsinspektionsdiensten; b) Änderungen in der Struktur des Dienstes; c) die Wirkung der Einführung neuer Techniken bei der Beförderung von Ladung, insbesondere die Schaffung von Einheitsladungen, und daraus folgende Verringerung des herkömmlichen Dienstes oder Verlust direkter Dienste und d) Angemessenheit und Qualität der Schiffsdienste einschließlich der Auswirkungen von Pool-, Anlauf- oder Abfahrtsabmachungen auf die Verfügbarkeit von Schiffsdiensten und auf die Frachtraten, zu denen Schiffsdienste zur Verfügung gestellt werden; Änderungen der Fahrtgebiete und der Regelmäßigkeit des Anlaufens durch Konferenzschiffe. (4) Die Konsultationen werden abgehalten, bevor endgültige Beschlüsse gefaßt werden, sofern nicht dieser Kodex etwas anderes vorsieht. Die Absicht, Beschlüsse über die in den Abs. 2 und 3 genannten Fragen zu fassen, ist im voraus anzukündigen. Ist dies unmöglich, so können dringende Beschlüsse vor Abhaltung der Konsultationen gefaßt werden. (5) Die Konsultationen beginnen ohne ungebührliche Verzögerung, auf jeden Fall innerhalb einer in dem Konferenzvertrag festgesetzten Höchstfrist oder, falls der Vertrag keine solche Bestimmung enthält, spätestens 30 Tage nach Eingang des Konsultationsvorschlags, sofern nicht in diesem Kodex andere Fristen bestimmt sind. 6) In den Konsultationen bemühen sich die Parteien nach besten Kräften, die einschlägigen Informationen zur Verfügung zu stellen, rechtzeitig ihre Auffassungen auszutauschen und eine Klärung der Probleme zum Zweck ihrer Lösung durchzuführen. Die beteiligten Parteien berücksichtigen ihre gegenseitigen Ansichten und Probleme und bemühen sich, eine Einigung zu erzielen, die mit ihrer wirtschaftlichen Lebensfähigkeit vereinbar ist.
Kapitel IV: Frachtraten Artikel 12 Kriterien für die Bestimmung der Frachtraten Bei der Herbeiführung eines Beschlusses über Fragen der Tarifpolitik in allen in diesem Kodex genannten Fällen werden, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist, folgende Punkte berücksichtigt: a) Die Frachtraten werden so niedrig festgesetzt, wie dies vom kaufmännischen Standpunkt aus möglich ist; sie müssen den Schiffseigentümern die Erzielung eines angemessenen Gewinns ermöglichen; b) die Betriebskosten der Konferenzen werden in der Regel für die Rundreise der Schiffe berechnet, wobei die Hin- und die Rückfahrt als Ganzes betrachtet wird. Gegebenenfalls wird die Hin- und die Rückfahrt getrennt betrachtet. Die Frachtraten sollen unter anderem die Art 1017
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der Ladungen, das Verhältnis zwischen Gewicht und Raummaß der Ladung sowie den Wert der Ladungen berücksichtigen; c) bei der Festsetzung von Förderungsfrachten und/oder Sonderfrachtraten für bestimmte Güter werden die Bedingungen des Handels mit diesen Gütern in den von der Konferenz bedienten Ländern, insbesondere den Entwicklungs- und Binnenländern, berücksichtigt. Artikel 13 Konferenztarife und Einstufung der Tarifraten (1) Die Konferenztarife dürfen keinen unangemessenen Unterschied zwischen Verladern in ähnlicher Lage machen. Die einer Konferenz angehörenden Linienreedereien haben sich genau an die in den Tarifen und anderen jeweils gültigen veröffentlichten Dokumenten der Konferenz aufgeführten Raten, Regeln und Bedingungen sowie an alle aufgrund dieses Kodexes zulässigen Sonderabmachungen zu halten. (2) Die Konferenztarife sollen einfach und klar abgefaßt sein und je nach den besonderen Erfordernissen eines Handels möglichst wenige Klassen/Kategorien enthalten; sie sollen eine Frachtrate für jede Warenart und gegebenenfalls für jede Klasse/Kategorie angeben; um die statistische Zusammenstellung und Auswertung zu erleichtern, sollen sie ferner nach Möglichkeit die entsprechende Codenummer der Position nach der Standardklassifikation für den internationalen Handel, der Brüsseler Zollnomenklatur oder einer anderen international anerkannten Nomenklatur angeben; die Einstufung der Warenarten in den Tarifen soll soweit wie möglich in Zusammenarbeit mit den Verladerorganisationen und anderen beteiligten nationalen und internationalen Organisationen ausgearbeitet werden. Artikel 14 Allgemeine Frachtratenerhöhungen (1) Eine Konferenz hat mindestens 150 Tage im voraus oder gemäß der regionalen Praxis und/oder Übereinkunft den Verladerorganisationen oder Verladervertretern und/oder Verladern sowie auf Verlangen den zuständigen Behörden der Länder, deren Handel die Konferenz bedient, ihre Absicht anzukündigen, eine allgemeine Erhöhung der Frachtraten vorzunehmen, wobei das Ausmaß der Erhöhung, der Tag des Wirksamwerdens und die Gründe für die geplante Erhöhung anzugeben sind. (2) Auf Antrag einer der hierzu in diesem Kodex bestimmten Parteien, der innerhalb einer vereinbarten Zeit nach Eingang der Ankündigung zu stellen ist, beginnen Konsultationen nach den einschlägigen Bestimmungen dieses Kodexes innerhalb einer festgesetzten Frist von höchstens 30 Tagen oder nach vorheriger Vereinbarung durch die beteiligten Parteien; die Konsultationen erstrecken sich auf Grundlagen und Betrag der geplanten Erhöhung und den Tag, von dem an sie wirksam werden soll. (3) Zur Beschleunigung der Konsultationen kann eine Konferenz oder auf Antrag einer der Parteien, die nach diesem Kodex zur Teilnahme an den Konsultationen über allgemeine Frachtratenerhöhungen berechtigt sind, muß eine Konferenz — nach Möglichkeit rechtzeitig vor den Konsultationen — den teilnehmenden Parteien einen Bericht angesehener unabhängiger Rechnungsprüfer vorlegen, der auch eine Gesamtauswertung der Daten über die einschlägigen Kosten und Erlöse enthält, die nach Auffassung der Konferenz eine Erhöhung der Frachtraten erfordern, wenn die antragstellenden Parteien diese Analyse als eine der Grundlagen der Konsultationen anerkennen. (4) Führen die Konsultationen zu einer Einigung, so wird die Erhöhung der Frachtraten mit dem Tag wirksam, der in der nach Abs. 1 vorgenommenen Ankündigung angegeben ist, sofern nicht zwischen den beteiligten Parteien ein späterer Tag vereinbart wird. 1018
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(5) Wird innerhalb von 30 Tagen nach der nach Abs. 1 vorgenommenen Ankündigung gemäß den in diesem Kodex vorgesehenen Verfahren keine Einigung erzielt, so wird die Frage umgehend der internationalen Zwangsschlichtung nach Kapitel VI unterworfen. Die Empfehlung der Schlichter ist, wenn sie von den beteiligten Parteien angenommen wird, für sie verbindlich und wird vorbehaltlich des Abs. 9 mit Wirkung von dem in der Empfehlung der Schlichter angegebene Tag an wirksam. (6) Vorbehaltlich des Abs. 9 kann eine allgemeine Erhöhung der Frachtraten von einer Konferenz vor der Abgabe der Empfehlung durch die Schlichter vorgenommen werden. Bei der Abgabe ihrer Empfehlung sollen die Schlichter das Ausmaß der genannten von der Konferenz vorgenommenen Erhöhung und die Zeit berücksichtigen, während der sie bereits in Kraft ist. Lehnt die Konferenz die Empfehlung der Schlichter ab, so haben die Verlader u n d / oder Verladerorganisationen das Recht, sich nach einer angemessenen Ankündigung durch eine Abmachung oder einen sonstigen Vertrag mit der Konferenz, die sie an der Benutzung von nicht der Konferenz angehörenden Linienreedereien hindern, nicht mehr als gebunden zu betrachten. Liegt eine Treueabmachung vor, so haben die Verlader und/oder Verladerorganisationen innerhalb von 30 Tagen anzuzeigen, daß sie sich durch diese Abmachung nicht mehr als gebunden betrachten; dafür ist in der Treueabmachung ein Zeitabschnitt von mindestens 30 und höchstens 90 Tagen vorzusehen. (7) Ein Zeitrabatt, der einem Verlader zusteht und der von der Konferenz bereits angesammelt wurde, wird von dieser als Folge des Vorgehens des Verladers nach Abs. 6 nicht zurückbehalten und fällt ihr nicht zu. (8) Besteht der von einer Konferenz angehörenden Linienreedereien beförderte Handel eines Landes auf einer bestimmten Strecke weitgehend aus einer oder wenigen Hauptwarenarten, so wird eine Erhöhung der Frachtrate für eine oder mehrere dieser Warenarten als allgemeine Frachtratenerhöhung behandelt, und es finden die entsprechenden Bestimmungen dieses Kodexes Anwendung. (9) Die Konferenzen sollen jede nach diesem Kodex wirksame allgemeine Frachtratenerhöhung für eine bestimmte Mindestdauer einführen, stets vorbehaltlich der Vorschriften über Zuschläge und über die Anpassung der Frachtraten nach Wechselkursschwankungen. Die Zeit, für die eine allgemeine Frachtratenerhöhung gelten soll, ist bei den nach Abs. 2 geführten Konsultationen zu erörtern; jedoch muß, sofern die beteiligten Parteien während der Konsultationen nichts anderes vereinbaren, die Mindestzeit zwischen dem Tag des Wirksamwerdens einer allgemeinen Frachtratenerhöhung und dem Tag der Ankündigung der nächsten allgemeinen Frachtratenerhöhung nach Abs. 1 mindestens 10 Monate betragen. Artikel 15 Förderungsfrachtraten (1) Die Konferenzen sollen für nicht-herkömmliche Ausfuhren Förderungsfrachtraten einführen. (2) Die beteiligten Verlader, Verladerorganisationen oder Verladervertreter legen einer Konferenz alle erforderlichen und angemessenen Angaben zur Begründung der Notwendigkeit einer Förderungsfrachtrate vor. (3) Es werden besondere Verfahren eingeführt, nach denen innerhalb von 30 Tagen nach Eingang dieser Angaben, sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde, eine Entscheidung über Anträge auf Förderungsfrachtraten ergehen muß. Zwischen diesen Verfahren und allgemeinen Verfahren zur Prüfung der Möglichkeit der Herabsetzung der Frachtraten für andere Warenarten oder der Befreiung anderer Warenarten von Erhöhungen ist deutlich zu unterscheiden. (4) Die Konferenz stellt den Verladern und/oder Verladerorganisationen sowie auf Verlangen den Regierungen und/oder zuständigen Behörden der Länder, deren Handel sie bedient, 1019
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Informationen über die Verfahren zur Prüfung von Anträgen und Förderungsfrachtraten zur Verfügung. (5) Eine Förderungsfrachtrate wird in der Regel für einen Zeitabschnitt von 12 Monaten eingeführt, sofern nicht die beteiligten Parteien etwas anderes vereinbaren. Vor Ablauf dieser Zeit wird die Förderungsfrachtrate auf Verlangen des betreffenden Verladers und/oder der betreffenden Verladerorganisation überprüft; dabei obliegt es dem Verlader und/oder der Verladerorganisation, auf Verlangen der Konferenz darzulegen, daß die Weitergeltung der Rate über die ursprüngliche Zeit hinaus gerechtfertigt ist. (6) Bei der Prüfung eines Antrags auf eine Förderungsfrachtrate kann die Konferenz berücksichtigen, daß die Rate zwar die Ausfuhr des nicht-herkömmlichen Erzeugnisses, für das sie beantragt wird, fördern soll, jedoch nicht dazu führen darf, erhebliche Wettbewerbsverzerrungen in der Ausfuhr eines ähnlichen Erzeugnisses aus einem anderen von der Konferenz bedienten Land hervorzurufen. (7) Die Förderungsfrachtraten sind nicht von der Erhebung eines Zuschlags oder eines Währungsanpassungsfaktors nach den Art. 16 und 17 ausgenommen. (8) Jede Linienreederei, die Mitglied einer Konferenz ist, welche die in Frage kommenden Häfen des Fahrtgebiets der Konferenz bedient, hat einen angemessenen Anteil von Ladung aufzunehmen, für welche die Konferenz eine Förderungsfrachtrate eingeführt hat, und darf diese nicht ohne stichhaltige Gründe ablehnen. Artikel 16 Zuschläge (1) Zuschläge, die von einer Konferenz zur Deckung plötzlicher oder außergewöhnlicher Kostenerhöhungen oder Erlösverluste erhoben werden, gelten als vorübergehend. Sie werden entsprechend der Verbesserung der Lage oder der Umstände, deretwegen sie eingeführt worden waren, herabgesetzt und vorbehaltlich des Abs. 6 aufgehoben, sobald die Lage oder die Umstände, die zu ihrer Erhebung führten, entfallen sind. Dies ist bei ihrer Erhebung anzugeben; ebenso ist nach Möglichkeit die Änderung der Lage oder der Umstände zu beschreiben, welche ihre Erhöhung, Herabsetzung oder Aufhebung zur Folge haben wird. (2) Zuschläge, die für nach oder von einem bestimmten Hafen beförderte Ladung erhoben werden, gelten ebenfalls als vorübergehend und werden ebenfalls vorbehaltlich des Abs. 6 erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich die Lage in dem betreffenden Hafen ändert. (3) Bevor ein Zuschlag erhoben wird, gleichviel ob er allgemein oder nur für einen bestimmten Hafen gilt, soll dies angekündigt werden, und es finden auf Verlangen Konsultationen nach den Verfahren dieses Kodexes zwischen der betreffenden Konferenz und anderen unmittelbar von dem Zuschlag berührten Parteien statt, die nach diesem Kodex zur Teilnahme an den Konsultationen berechtigt sind, es sei denn, daß außergewöhnliche Umstände eine sofortige Erhebung des Zuschlags erfordern. Ist ein Zuschlag ohne vorherige Konsultation erhoben worden, so finden auf Verlangen so bald wie möglich danach Konsultationen statt. Vor diesen Konsultationen stellen die Konferenzen die Unterlagen zur Verfügung, die nach ihrer Auffassung die Erhebung des Zuschlags rechtfertigen. (4) Sofern nicht die Parteien innerhalb von 15 Tagen nach Eingang einer nach Abs. 3 gemachten Ankündigung etwas anderes vereinbaren, finden, sofern zwischen den in jenem Absatz bezeichneten beteiligten Parteien keine Einigung über die Frage des Zuschlags erzielt wird, die in diesem Kodex vorgesehenen einschlägigen Bestimmungen über die Beilegung von Streitigkeiten Anwendung. Sofern nicht die beteiligten Parteien etwas anderes vereinbaren, kann der Zuschlag jedoch vor Beginn der Streitigkeit erhoben werden, sofern diese nach Ablauf von 30 Tagen nach Eingang der genannten Ankündigung noch nicht beigelegt ist. (5) Wird ein Zuschlag unter außergewöhnlichen Umständen ohne vorherige Konsultation nach Abs. 3 erhoben, so finden, wenn keine Einigung durch nachfolgende Konsultationen er1020
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zielt wird, die in diesem Kodex vorgesehenen einschlägigen Bestimmungen über die Beilegung von Streitfragen Anwendung. (6) Finanzielle Verluste, die den einer Konferenz angehörenden Linienreedereien durch eine Verzögerung infolge von Konsultationen und/oder anderen Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten über die Erhebung von Zuschlägen nach diesem Kodex gegenüber dem Tag entstehen, von dem an der Zuschlag nach der gemäß Abs. 3 vorgenommenen Ankündigung erhoben werden soll, können durch eine entsprechende Verlängerung der Zeit, während der der Zuschlag erhoben wird, ausgeglichen werden. Umgekehrt werden für jeden durch die Konferenz erhobenen Zuschlag, der später infolge der Konsultationen oder sonstigen in diesem Kodex vorgeschriebenen Verfahren als ungerechtfertigt oder überhöht festgestellt und anerkannt wird, die dabei eingezogenen Beträge oder die sich nach dieser Feststellung ergebenden Überschußbeträge den beteiligten Parteien auf Antrag innerhalb von 30 Tagen nach diesem Antrag zurückgezahlt, sofern nicht etwas anderes vereinbart wird. Artikeln Währungsänderungen (1) Wechselkursänderungen einschließlich amtlicher Ab- und Aufwertungen, die zu Änderungen der gesamten Betriebskosten und/oder Erlöse der einer Konferenz angehörenden Linienreedereien in bezug auf ihre Geschäfte innerhalb der Konferenz führen, stellen einen stichhaltigen Grund für die Einführung eines Währungsanpassungsfaktors oder für eine Änderung der Frachtraten dar. Die Anpassung der Änderung muß so beschaffen sein, daß die betreffenden Mitgliedreedereien dadurch nach Möglichkeit weder Gewinne erzielen noch Verluste erleiden. Die Anpassung oder Änderung kann in Form von Währungszuschlägen oder -abschlägen oder von Erhöhungen oder Herabsetzungen der Frachtraten erfolgen. (2) Diese Anpassungen oder Änderungen bedürfen der Ankündigung, die nach der regionalen Praxis erfolgen soll, wenn eine solche besteht; zwischen der betreffenden Konferenz und den anderen unmittelbar betroffenen Parteien, die nach diesem Kodex zur Teilnahme an Konsultationen berechtigt sind, finden Konsultationen nach diesem Kodex statt, es sei denn, daß außergewöhnliche Umstände eine sofortige Einführung des Währungsanpassungsfaktors oder der Frachtratenänderung rechtfertigen. Ist dies ohne vorherige Konsultation geschehen, so finden die Konsultationen so bald wie möglich danach statt. Die Konsultationen sollen sich auf die Anwendung, den Umfang und den Zeitpunkt der Einführung des Währungsanpassungsfaktors oder der Frachtratenänderung erstrecken, und es gelten dafür dieselben Verfahren, die in Art. 16 Abs. 4 und 5 für Zuschläge vorgechrieben sind. Diese Konsultationen sollen innerhalb von höchstens 15 Tagen nach dem Tag, an dem die Absicht zur Einführung eines Währungszuschlags oder zur Durchführung einer Frachtratenänderung angekündigt wird, stattfinden und abgeschlossen werden. (3) Wird innerhalb von 15 Tagen durch die Konsultationen keine Einigung erzielt, so finden die in diesem Kodex vorgesehenen einschlägigen Bestimmungen über die Beilegung von Streitigkeiten Anwendung. (4) Art. 16 Abs. 6 gilt sinngemäß für Währungsanpassungsfaktoren und Frachtratenänderungen nach dem vorliegenden Artikel. Kapitel V: Sonstige Fragen Artikel 18 Kampfschiffe Die Mitglieder einer Konferenz dürfen im Fahrtgebiet der Konferenz keine Kampfschiffe für den Zweck einsetzen, den Wettbewerb durch Vertreibung einer nicht der Konferenz ange1021
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hörenden Linienreederei aus diesem Gebiet auszuschließen, zu verhindern oder einzuschränken. Artikel 19 Angemessenheit des Dienstes (1) Die Konferenzen sollen die notwendigen und geeigneten Maßnahmen treffen, damit ihre Mitgliedreedereien einen regelmäßigen, angemessenen und leistungsfähigen Dienst mit der erforderlichen Häufigkeit auf den von ihnen bedienten Strecken zur Verfügung stellen, und diese Dienste so einrichten, daß die Abstände zwischen den Abfahrten nach Möglichkeit weder zu klein noch zu groß sind. Die Konferenzen sollen ferner alle erforderlichen Sondermaßnahmen bei der Einrichtung der Dienste treffen, um jahreszeitliche Schwankungen im Ladungsaufkommen zu bewältigen. (2) Die Konferenzen und die anderen nach diesem Kodex zur Teilnahme an Konsultationen berechtigten Parteien einschließlich der zuständigen Behörden, wenn sie dies wünschen, sollen die Nachfrage nach Schiffsraum, die Angemessenheit und Eignung des Dienstes und insbesondere die Möglichkeiten der Rationalisierung und der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Dienste überwachen und dabei eng zusammenarbeiten. Vorteile, die sich aus der Rationalisierung der Dienste ergeben, müssen in der Höhe der Frachtraten einen angemessenen Niederschlag finden. (3) Für einen Hafen, für den Konferenzdienste nur bei Vorhandensein eines festgesetzten Mindestaufkommens an Ladung zur Verfügung gestellt werden, wird dieses Mindestaufkommen im Tarif festgesetzt. Die Verlader sollen das Vorhandensein solcher Ladung rechtzeitig melden. Artikel 20 Hauptbüro Eine Konferenz muß in der Regel ihr Hauptbüro in einem Land einrichten, dessen Handel von der Konferenz bedient wird, sofern nicht die der Konferenz angehörenden Linienreedereien etwas anderes vereinbaren. Artikeln Vertretung Die Konferenzen richten in allen bedienten Ländern örtliche Vertretungen ein; jedoch kann aus entgegenstehenden praktischen Gründen die Vertretung auf regionaler Grundlage eingerichtet werden. Die Namen und Anschriften der Vertreter müssen ohne weiteres zugänglich sein, und diese Vertreter müssen gewährleisten, daß die Ansichten der Verlader und der Konferenzen rasch ausgetauscht werden, um die Beschlußfassung zu beschleunigen. Hält eine Konferenz dies für zweckmäßig, so sorgt sie für eine angemessene Übertragung von Beschlußvollmachten auf ihre Vertreter. Artikel 22 Inhalt der Konferenzverträge, Verkehrsbeteiligungsvereinbarungen und Treueabmachungen Die Konferenzverträge, Verkehrsbeteiligungsvereinbarungen und Treueabmachungen müssen den einschlägigen Anforderungen dieses Kodexes entsprechen und können alle sonstigen vereinbarten Bestimmungen enthalten, soweit sie mit dem Kodex vereinbar sind. 1022
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Kapitel VI: Bestimmungen und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten A. Allgemeine Bestimmungen Artikel
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(1) Dieses Kapitel findet Anwendung, sobald eine Streitigkeit über die Anwendung oder Durchführung dieses Kodexes zwischen folgenden Parteien entsteht: a) einer Konferenz und einer Linienreederei; b) den einer Konferenz angehörenden Linienreedereien; c) einer Konferenz oder einer ihr angehörenden Linienreederei und einer Verladerorganisation, Verladevertretern oder Verladern sowie d) zwei oder mehr Konferenzen. Im Sinne dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck „Partei" die ursprünglichen Parteien der Streitigkeit sowie Dritte, die dem Verfahren nach Art. 34 Buchstabe a beigetreten sind. (2) Streitigkeiten zwischen Linienreedereien derselben Flagge sowie zwischen Organisationen desselben Landes werden im Rahmen der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit dieses Landes beigelegt, sofern dies nicht ernsthafte Schwierigkeiten bei der Anwendung dieses Kodexes mit sich bringt. (3) Die Streitparteien versuchen zunächst, die Streitigkeit durch einen Meinungsaustausch oder unmittelbare Verhandlungen mit dem Ziel beizulegen, eine beiderseitig zufriedenstellende Lösung zu finden. (4) Streitigkeiten zwischen den in Abs. 1 genannten Parteien über a) die Ablehnung der Aufnahme einer nationalen Linienreederei in eine Konferenz, die den Außenhandel des Landes dieser Linienreederei bedient; b) die Ablehnung der Aufnahme einer Drittland-Linienreederei in eine Konferenz; c) den Ausschluß aus einer Konferenz; d) die Unvereinbarkeit eines Konferenz Vertrages mit diesem Kodex; e) eine allgemeine Frachtratenerhöhung; f) Zuschläge; g) Änderungen der Frachtraten oder die Einführung eines Währungsanpassungsfaktors wegen Wechselkursänderungen; h) die Beteiligung am Verkehr und i) Form und Bedingungen geplanter Treueabmachungen, die nicht durch einen Meinungstaustausch oder unmittelbare Verhandlungen beigelegt worden sind, werden auf Antrag einer Streitpartei einer internationalen Zwangsschlichtung nach diesem Kapitel unterworfen. Artikel 24
(1) Das Schlichtungsverfahren wird auf Antrag einer der Streitparteien eingeleitet. (2) Der Antrag wird gestellt a) bei Streitigkeiten über die Mitgliedschaft in Konferenzen: spätestens 60 Tage nach Eingang des Konferenzbeschlusses einschließlich Begründung nach Art. 1 Abs. 4 und Art. 4 Abs. 3 bei dem Bewerber; b) bei Streitigkeiten über allgemeine Frachtratenerhöhungen: spätestens mit Ablauf der in Art. 14 Abs. 1 festgesetzten Ankündigungsfrist; c) bei Streitigkeiten über Zuschläge: spätestens mit Ablauf der in Art. 16 Abs. 4 festgesetz1023
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ten 30-Tage-Frist oder, wenn keine Ankündigung erfolgte, spätestens 15 Tage nach dem Tag, an dem der Zuschlag wirksam wurde, sowie d) bei Streitigkeiten über Änderungen der Frachtraten oder die Einführung eines Währungsanpassungsfaktors wegen Wechselkursänderungen: spätestens fünf Tage nach Ablauf der in Art. 17 Abs. 3 festgesetzten Frist. (3) Abs. 2 gilt nicht für eine Streitigkeit, die der internationalen Zwangsschlichtung nach Art. 25 Abs. 3 unterworfen wurde. (4) Anträge auf Schlichtung bei anderen als den in Abs. 2 genannten Streitigkeiten können jederzeit gestellt werden. (5) Die in Abs. 2 festgesetzten Fristen können im Einvernehmen zwischen den Parteien verlängert werden. (6) Ein Schlichtungsantrag gilt als ordnungsgemäß gestellt, wenn bewiesen wird, daß er der anderen Partei durch eingeschriebenen Brief, Telegramm oder Fernschreiben übermittelt oder innerhalb der in Abs. 2 oder 5 festgesetzten Fristen zugestellt worden ist. (7) Ist innerhalb der in Abs. 2 oder 5 festgesetzten Fristen kein Antrag gestellt worden, so ist der Beschluß der Konferenz endgültig und keine Streitpartei kann ein Verfahren aufgrund dieses Kapitels gegen den Beschluß einleiten.
Artikel 25 (1) Haben die Parteien vereinbart, Streitigkeiten nach Art. 23 Abs. 4 Buchstaben a, b, c, d, h und i durch andere als die in jenem Artikel vorgesehenen Verfahren beizulegen, oder vereinbaren sie Verfahren zur Beilegung einer bestimmten zwischen ihnen entstandenen Streitigkeit, so werden diese Streitigkeiten auf Antrag einer der Streitparteien nach Maßgabe ihrer Vereinbarung beigelegt. (2) Abs. 1 gilt auch für die in Art. 23 Abs. 4 Buchstaben e, f und g bezeichneten Streitigkeiten, sofern die Verlader nicht durch innerstaatliche Rechtsvorschriften oder sonstige Vorschriften daran gehindert sind, diese freie Wahl auszuüben. (3) Ist ein Schlichtungsverfahren eingeleitet worden, so geht es den nach dem innerstaatlichen Recht verfügbaren Rechtsmitteln vor. Legt eine Partei Rechtsmittel nach dem innerstaatlichen Recht in bezug auf eine unter dieses Kapitel fallende Streitigkeit ein, ohne die hierin vorgesehenen Verfahren in Anspruch zu nehmen, so wird das innerstaatliche Verfahren auf Antrag einer Gegenpartei ausgesetzt, und die Streitigkeit von dem Gericht oder der Behörde, die mit dem innerstaatlichen Rechtsmittel befaßt ist, den in diesem Kapitel vorgesehenen Verfahren unterworfen.
Artikel 26 (1) Die Vertragsparteien verleihen den Konferenzen und den Verladerorganisationen jede für die Anwendung dieses Kapitels erforderliche rechtliche Eigenschaft. Insbesondere a) kann eine Konferenz oder eine Verladerorganisation in ihrer Gesamtheit als Partei ein Verfahren einleiten oder als Partei im Verfahren benannt werden; b) stellt jede Mitteilung an eine Konferenz oder eine Verladerorganisation in ihrer Gesamtheit auch eine Mitteilung an jedes Mitglied der Konferenz oder Verladerorganisation dar; c) wird eine Mitteilung an eine Konferenz oder Verladerorganisation an die Anschrift des Hauptbüros der Konferenz oder Verladerorganisation übermittelt. Jede Konferenz oder Verladerorganisation meldet die Anschrift ihres Hauptbüros bei dem nach Art. 46 Abs. 1 ernannten Sekretär an. Meldet eine Konferenz oder Verladerorganisation kein Hauptbüro an oder verfügt sie nicht über ein Hauptbüro, so gilt eine an ein Mitglied für die Konferenz oder Verladerorganisation gerichtete Mitteilung als Mitteilung an diese Konferenz oder Organisation. 1024
Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen
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(2) Die Annahme oder Ablehnung einer Schlichtungsempfehlung durch eine Konferenz oder Verladerorganisation gilt als Annahme oder Ablehnung dieser Empfehlung durch jedes ihrer Mitglieder. Artikel 27 Sofern nicht die Parteien etwas anderes vereinbaren, können die Schlichter beschließen, eine Empfehlung aufgrund schriftlicher Mitteilungen ohne mündliches Verfahren abzugeben.
B. Internationale Zwangsschlichtung Artikel 28 In einer internationalen Zwangsschlichtung nehmen die zuständigen Behörden einer Vertragspartei, wenn sie dies wünschen, an dem Schlichtungsverfahren teil, um eine Partei, die Staatsangehöriger der betreffenden Vertragspartei ist, oder eine Partei, die in eine im Zusammenhang mit dem Außenhandel der Vertragspartei entstehende Streitigkeit verwickelt ist, zu unterstützen. Die zuständige Behörde kann auch als Beobachter an einem solchen Schlichtungsverfahren teilnehmen. Artikel 29 (1) In einer internationalen Zwangsschlichtung findet das Verfahren an einem Ort, der von den Parteien einstimmig vereinbart wurde, oder, wenn keine Einigung zustande kommt, an dem von den Schlichtern bestimmten Ort statt. (2) Bei der Bestimmung des Ortes für das Schlichtungsverfahren berücksichtigen die Parteien und Schlichter unter anderem Länder, welche die Streitigkeit besonders betrifft, vor allem das Land der beteiligten Linienreederei und, wenn sich die Streitigkeit auf Ladung bezieht, das Land, aus dem die Ladung stammt.
Artikel 30 (1) Für die Zwecke dieses Kapitels wird eine internationale Schlichtergruppe gebildet, die aus angesehenen oder erfahrenen Sachverständigen auf dem Gebiet des Rechts, der Seeverkehrswirtschaft oder des Außenhandels und der Finanzen besteht, wie es die sie auswählenden Vertragsparteien bestimmen; die Sachverständigen üben ihr Amt unabhängig aus. (2) Jede Vertragspartei kann jederzeit bis zu 12 Mitglieder der Gruppe benennen; sie teilt ihre Namen dem Sekretär mit. Die Benennungen gelten für jeweils sechs Jahre und können erneuert werden. Im Fall des Todes, der Verhinderung oder des Rücktritts eines Mitglieds der Gruppe ernennt die Vertragspartei, die es benannt hatte, ein Ersatzmitglied für die restliche Amtszeit. Eine Ernennung wird mit dem Tag wirksam, an dem die Mitteilung über die Ernennung beim Sekretär eingeht. (3) Der Sekretär führt die Liste der Schlichter und unterrichtet die Vertragsparteien regelmäßig über die Zusammensetzung der Gruppe.
Artikel 31 (1) Zweck der Schlichtung ist es, eine gütliche Beilegung der Streitigkeit durch Empfehlungen unabhängiger Schlichter herbeizuführen. 1025
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des H G B
(2) Die Schlichter bestimmen u n d klären die Streitfragen, ersuchen die Parteien dazu u m I n f o r m a t i o n e n u n d legen ihnen auf der Grundlage dieser Informationen eine E m p f e h l u n g zur Beilegung der Streitigkeit vor. (3) Die Parteien arbeiten in gutem Glauben mit den Schlichtern zusammen, u m ihnen die W a h r n e h m u n g ihrer Aufgaben zu ermöglichen. (4) Vorbehaltlich des Art. 25 Abs. 2 k ö n n e n die Streitparteien jederzeit, während des Schlichtungsverfahrens einvernehmlich beschließen, ein anderes Verfahren für die Beilegung ihrer Streitigkeit anzuwenden. Die Parteien einer Streitigkeit, die einem anderen als dem in diesem Kapitel vorgesehenen Verfahren unterworfen worden ist, können einvernehmlich beschließen, die internationale Zwangsschlichtung anzuwenden. Artikel 32 (1) Das Schlichtungsverfahren wird entweder von einem Schlichter oder von einer ungeraden Zahl von Schlichtern geführt, auf die sich die Parteien geeinigt oder die sie benannt haben. (2) Können sich die Parteien über Zahl oder Ernennung der Schlichter nach Abs. 1 nicht einigen, so wird das Schlichtungsverfahren von drei Schlichtern durchgeführt, von denen einer von jeder Partei in der Antragsschrift bzw. Erwiderung benannt und der dritte von den beiden so benannten Schlichtern bestimmt wird; dieser wird als Vorsitzender tätig. (3) W i r d in der Erwiderung in Fällen, in denen Abs. 2 anzuwenden wäre, kein Schlichter benannt, so wird der zweite Schlichter innerhalb von 30 Tagen nach Eingang der Antragsschrift von d e m darin bestimmten Schlichter durch das Los aus den Mitgliedern der G r u p p e bestimmt, welche die Vertragspartei oder -parteien, deren Staatsangehörige(r) der (die) Antragsgegner ist (sind), benannt haben. (4) K ö n n e n sich die nach Abs. 2 oder 3 b e n a n n t e n Schlichter innerhalb von 15 Tagen nach B e n e n n u n g des zweiten Schlichters nicht auf den dritten Schlichter einigen, so wird dieser innerhalb der folgenden 5 Tage von den benannten Schlichtern durch das Los bestimmt. Vor der Auslosung a) müssen alle Mitglieder der Schlichtergruppe, welche dieselbe Staatsangehörigkeit wie einer der beiden benannten Schlichter haben, aus der f ü r das Los bestimmten Liste gestrichen werden; b) k a n n jeder der beiden benannten Schlichter aus der Liste der Schlichter dieselbe Anzahl von Mitgliedern streichen, wobei jedoch mindestens 30 Mitglieder der G r u p p e f ü r die Auslosung übrigbleiben müssen. Artikel 33 (1) Beantragen mehrere Parteien eine Schlichtung mit demselben Antragsgegner in derselben Streitfrage oder in eng verknüpften Streitfragen, so kann der Antragsgegner eine Verbind u n g der Fälle beantragen. (2) Der Antrag auf eine Verbindung der Fälle wird von den Vorsitzenden der bisher gewählten Schlichter geprüft und durch Mehrheitsbeschluß entschieden. Wird dem Antrag stattgegeben, so bestimmen die Vorsitzenden die Schlichter für die P r ü f u n g der verbundenen Fälle aus den bisher b e n a n n t e n oder gewählten Schlichtern; dabei m u ß eine ungerade Zahl von Schlichtern gewählt und der von jeder Partei zuerst benannte Schlichter in die Reihe der Schlichter a u f g e n o m m e n werden, welche die verbundenen Fälle p r ü f e n sollen. Artikel 34 Jede Partei mit A u s n a h m e einer in Art. 28 bezeichneten zuständigen Behörde kann, wenn die Schlichtung eingeleitet worden ist, dem Verfahren beitreten, 1026
Der Verhaltenskodex für Linienkonferenzen
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und zwar entweder a) als Partei im Fall eines unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses oder b) zur Unterstützung einer der ursprünglichen Parteien im Fall eines unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses sofern nicht eine der ursprünglichen Parteien gegen diesen Beitritt Einspruch erhebt.
Artikel
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(1) Die Empfehlungen der Schlichter werden nach Maßgabe dieses Kodexes abgegeben. (2) Ist ein Punkt in dem Kodex nicht behandelt, so wenden die Schlichter das Recht an, auf das sich die Parteien zu Beginn des Schlichtungsverfahrens oder danach, spätestens jedoch im Zeitpunkt der Vorlage von Beweisen an die Schlichter, einigen. Kommt eine Einigung zustande, so ist das Recht anzuwenden, das nach Auffassung der Schlichter am engsten mit der Streitigkeit verbunden ist. (3) Die Schlichter dürfen nicht nach billigem Ermessen über die Streitigkeit entscheiden, sofern die Parteien dies nicht nach Entstehen der Streitigkeiten vereinbaren. (4) Die Schlichter dürfen keine Feststellung treffen, daß eine Empfehlung wegen Unklarheit des Rechts unmöglich sei. (5) Die Schlichter können alle Abhilfen und Wiedergutmachungen empfehlen, die in dem auf die Streitigkeit anzuwendenden Recht vorgesehen sind.
Artikel
36
Die Empfehlungen der Schlichter sind zu begründen.
Artikel 37
(1) Sofern nicht die Parteien vor, in oder nach dem Schlichtungsverfahren vereinbart haben, daß die Empfehlung der Schlichter bindend sein soll, wird die Empfehlung mit ihrer Annahme durch die Parteien bindend. Eine Empfehlung, die von einigen Parteien einer Streitigkeit angenommen worden ist, ist nur zwischen diesen Parteien bindend. (2) Die Annahme der Empfehlung ist den Schlichtern an eine von ihnen zu bestimmende Anschrift spätestens 30 Tage nach Eingang der Mitteilung der Empfehlung von den Parteien zur Kenntnis zu bringen; andernfalls gilt die Empfehlung als nicht angenommen. (3) Eine Partei, welche die Empfehlung nicht annimmt, teilt den Schlichtern und den anderen Parteien innerhalb von 30 Tagen nach der in Abs. 2 genannten Frist ausführlich und schriftlich ihre Gründe für die Ablehnung der Empfehlung mit. (4) Ist die Empfehlung von den Parteien angenommen worden, so verfassen und unterzeichnen die Schlichter sofort eine Niederschrift über die Beilegung, und damit wird die Empfehlung für diese Parteien bindend. Ist die Empfehlung nicht von allen Parteien angenommen worden, so verfassen die Schlichter einen Bericht betreffend die Parteien, welche die Empfehlung ablehnen, wobei sie die Streitigkeit und die Tatsache vermerken, daß diese Parteien die Streitigkeit nicht beigelegt haben. (5) Eine Empfehlung, die für die Parteien bindend geworden ist, wird von ihnen sofort oder zu einem in der Empfehlung festgesetzten späteren Zeitpunkt ausgeführt. 1027
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(6) Eine Partei kann ihre Annahme von der Annahme durch alle oder einige der anderen Streitparteien abhängig machen. Artikel 38 (1) Eine Empfehlung stellt eine endgültige Beilegung einer Streitigkeit im Verhältnis zwischen den Parteien dar, die sie annehmen, es sei denn, daß sie nicht nach Art. 39 anerkannt und vollstreckt wird. (2) Der Ausdruck „Empfehlung" umfaßt jede Auslegung, Erläuterung oder Änderung durch Empfehlung, welche die Schlichter vor Annahme derselben vorgenommen haben.
Artikel 39 (1) Jede Vertragspartei erkennt an, daß eine Empfehlung die Parteien, die sie angenommen haben, bindet, und vollstreckt vorbehaltlich der Abs. 2 und 3 auf Verlangen einer dieser Parteien alle durch die Empfehlung auferlegten Verpflichtungen, als sei ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichts dieser Vertragspartei. (2) Eine Empfehlung wird nur dann nicht auf Verlangen einer in Abs. 1 bezeichneten Partei anerkannt und vollstreckt, wenn das Gericht oder die sonstige zuständige Behörde des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckung verlangt werden, überzeugt ist, a) daß eine Partei, welche die Empfehlung angenommen hat, nach dem auf sie anzuwendenden Recht zur Zeit der Annahme nicht voll geschäftsfähig war; b) daß bei der Abfassung der Empfehlung Betrug oder Zwang angewendet wurde; c) daß die Empfehlung gegen die öffentliche Ordnung in dem Land der Vollstreckung verstößt oder d) daß die Zusammensetzung des Schlichtergremiums oder das Schlichtungsverfahren diesem Kodex nicht entsprach. (3) Ein Teil der Empfehlung wird nicht anerkannt und vollstreckt, wenn das Gericht oder die zuständige Behörde überzeugt ist, daß dieser Teil unter einen der Buchstaben des Abs. 2 fällt und von den anderen Teilen der Empfehlung getrennt werden kann. Kann dieser Teil nicht getrennt werden, so wird die gesamte Empfehlung nicht anerkannt und vollstreckt.
Artikel 40 (1) Ist die Empfehlung von allen Parteien angenommen worden, so kann sie samt Begründung veröffentlicht werden, wenn alle Parteien dem zustimmen. (2) Ist die Empfehlung von einer oder mehreren Parteien abgelehnt, aber von einer oder mehreren Parteien angenommen worden, a) so müssen die Partei oder Parteien, welche die Empfehlung ablehnen, ihre nach Art. 37 Abs. 3 vorgebrachten Ablehnungsgründe veröffentlichen und können gleichzeitig die Empfehlung und ihre Begründung veröffentlichen; b) so kann eine Partei, welche die Empfehlung angenommen hat, die Empfehlung und ihre Begründung veröffentlichen; sie kann auch die von einer anderen Partei vorgebrachten Ablehnungsgründe veröffentlichen, sofern diese andere Partei ihre Ablehnung und deren Begründung nicht bereits nach Buchstabe a veröffentlicht hat. (3) Ist die Empfehlung von keiner Partei angenommen worden, so kann jede Partei die Empfehlung und deren Begründung sowie ihre eigene Ablehnung und deren Begründung veröffentlichen. 1028
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Artikel 41 (1) Die Schriftstücke und Erklärungen, die von einer Partei den Schlichtern übermittelte tatsächliche Informationen enthalten, werden veröffentlicht, sofern nicht die betreffende Partei oder eine Mehrheit der Schlichter etwas anderes vereinbart. (2) Diese von einer Partei vorgelegten Schriftstücke und Erklärungen können von dieser Partei in späteren Verfahren, die sich aus derselben Streitigkeit und zwischen denselben Parteien ergeben, zur Begründung ihrer Sache vorgelegt werden. Artikel 42 Ist eine Empfehlung nicht für die Parteien bindend geworden, so lassen die von den Schlichtern vorgebrachten Ansichten oder Gründe oder die von den Parteien für die Zwecke des Schlichtungsverfahrens gemachten Zugeständnisse oder Angebote die gesetzlichen Rechte und Pflichten der Parteien unberührt. Artikel 43 (1) a) Die Kosten der Schlichter und alle Verwaltungskosten des Schlichtungsverfahrens werden zu gleichen Teilen von den Parteien des Verfahrens getragen, sofern sie nicht etwas anderes vereinbaren. b) Sobald das Schlichtungsverfahren eingeleitet worden ist, sind die Schlichter berechtigt, einen Vorschuß oder eine Sicherheit für die unter a bezeichneten Kosten zu verlangen. (2) Jede Partei trägt alle ihr im Zusammenhang mit dem Verfahren entstehenden Auslagen, sofern nicht die Parteien etwas anderes vereinbaren. (3) Ungeachtet der Abs. 1 und 2 können die Schlichter, wenn sie einstimmig festgestellt haben, daß eine Partei einen Antrag böswillig oder leichtfertig gestellt hat, einzelne oder alle Kosten der anderen Parteien des Verfahrens dieser Partei auferlegen. Diese Entscheidung ist endgültig und für alle Parteien bindend. Artikel 44 (1) Versäumt es eine Partei, während irgendeines Stadiums des Verfahrens zu erscheinen oder ihre Sache zu vertreten, so gilt dies nicht als Anerkennung des Vorbringens der anderen Partei. In diesem Fall kann die andere Partei nach Wahl die Schlichter ersuchen, das Verfahren abzuschließen oder die ihnen vorgelegten Fragen zu behandeln und nach den in diesem Kodex für die Abgabe von Empfehlungen vorgesehenen Bestimmungen eine Empfehlung abzugeben. (2) Vor Abschluß des Verfahrens gewähren die Schlichter der Partei, die es versäumt, zu erscheinen oder ihre Sache zu vertreten, eine Nachfrist von höchstens 10 Tagen, sofern sie nicht überzeugt sind, daß die Partei nicht beabsichtigt, zu erscheinen oder ihre Sache zu vertreten. (3) Die Nichteinhaltung von Verfahrensfristen, die in diesem Kodex niedergelegt oder von den Schlichtern festgesetzt sind, insbesondere Fristen für die Vorlage von Erklärungen oder Informationen, gilt als Nichterscheinen im Verfahren. (4) Ist das Verfahren wegen des Versäumnisses einer Partei, zu erscheinen oder ihre Sache zu vertreten, abgeschlossen worden, so verfassen die Schlichter einen Bericht, in dem sie das Versäumnis dieser Partei vermerken. 1029
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Artikel 45
(1) Die Schlichter halten die in diesem Kodex niedergelegten Verfahrensvorschriften ein. (2) Die diesem Übereinkommen als Anlage beigefügte Verfahrensordnung gilt als Musterverfahrensordnung für die Schlichter. Die Schlichter können im gegenseitigen Einvernehmen die in der Anlage enthaltene Verfahrensordnung anwenden, ergänzen oder ändern oder ihre eigene Verfahrensordnung aufstellen, soweit diese ergänzende, geänderte oder neue Verfahrensordnung mit diesem Kodex nicht unvereinbar ist. (3) Die Parteien können einvernehmlich eine Verfahrensordnung aufstellen, die mit diesem Kodex nicht unvereinbar ist, wenn sie dies im Interesse einer raschen und kostensparenden Lösung des Schlichtungsverfahrens für zweckmäßig halten. (4) Die Schlichter geben ihre Empfehlung einvernehmlich oder, wenn kein Einvernehmen erzielt wird, mit Stimmenmehrheit ab. (5) Spätestens sechs Monate nach dem Tag, an dem die Schlichter ernannt sind, endet das Schlichtungsverfahren und wird die Empfehlung der Schlichter abgegeben, außer in den Fällen des Art. 23 Abs. 4 Buchstaben a, f und g, für welche die Fristen in Art. 14 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 4 gelten. Die Frist von sechs Monaten kann durch Vereinbarung der Parteien verlängert werden.
C. Institutioneller Rahmen Artikel 46
(1) Sechs Monate vor Inkrafttreten dieses Übereinkommens ernennt der Generalsekretär der Vereinten Nationen vorbehaltlich der Zustimmung der Generalversammlung der Vereinten Nationen und unter Berücksichtigung der Auffassungen der Vertragsparteien einen Sekretär, dem zusätzliches Personal beigegeben werden kann, soweit es zur Wahrnehmung der in Abs. 2 aufgeführten Aufgaben erforderlich ist. Die Verwaltungsdienste für den Sekretär und seine Mitarbeiter stellt das Büro der Vereinten Nationen in Genf. (2) Der Sekretär nimmt, gegebenenfalls in Konsultation mit den Vertragsparteien, die folgenden Aufgaben wahr: a) Führung der Schlichterliste für die Internationale Schlichtergruppe und regelmäßige Unterrichtung der Vertragsparteien über die Zusammensetzung der Gruppe; b) Mitteilung der Namen und Anschriften der Schlichter an die beteiligten Parteien auf deren Verlangen; c) Entgegennahme und Aufbewahrung von Abschriften der Anträge auf Schlichtung, Erwiderungen, Empfehlungen, Annahmen oder Ablehnungen samt Begründungen; d) Übermittlung von Abschriften der Empfehlungen und Ablehnungsgründe an die Verladerorganisationen, Konferenzen und Regierungen auf deren Verlangen und auf deren Kosten vorbehaltlich des Art. 40; 3 e) Bereitstellung von nichtvertraulichen Informationen über abgeschlossene Schlichtungsfälle — ohne Nennung der beteiligten Parteien — zwecks Vorbereitung von Material für die in Art. 52 vorgesehene Revisionskonferenz und f) alle sonstigen Aufgaben, die in Art. 26 Abs. 1 Buchstabe c und Art. 30 Abs. 2 und 3 für den Sekretär vorgesehen sind. 1030
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Kapitel VII: SchluBbestimmungen Artikel 47 Durchführung (1) Jede Vertragspartei trifft alle gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, die zur Durchführung dieses Übereinkommens erforderlich sind. (2) Jede Vertragspartei übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Verwahrer ist, den Wortlaut der zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen. Artikel 48 Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt (1) dieses Übereinkommen liegt vom 1. Juli 1974 bis zum 30. Juni 1975 am Sitz der Vereinten Nationen zur Unterzeichnung und danach zum Beitritt offen. (2) Alle Staaten 1 ) sind berechtigt, Vertragsparteien dieses Übereinkommens zu werden, a) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und danach ratifizieren, annehmen oder genehmigen; b) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder c) indem sie ihm beitreten. (3) Die Ratifikation, die Annahme, die Genehmigung oder der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer entsprechenden Urkunde beim Verwahrer.
') Auf ihrer 9. Vollsitzung am 6. April 1974 nahm die Konferenz folgende von ihrem Dritten Hauptausschuß empfohlene Vereinbarung an: „Nach seinem Wortlaut steht dieses Übereinkommen allen Staaten zur Beteiligung offen, und der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird als Verwahrer tätig. Die Konferenz geht davon aus, daß der Generalsekretär bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Verwahrer eines Übereinkommens oder einer sonstigen mehrseitigen rechtlich bindenden Übereinkunft mit einer „All-Staaten"-Klausel die Übung der Generalversammlung der Vereinten Nationen bei der Durchführung einer solchen Klausel befolgen und, soweit zweckmäßig, die Meinung der Generalversammlung einholen wird, bevor er eine Unterschrift oder eine Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde entgegennimmt." Artikel 49 Inkrafttreten (1) Dieses Übereinkommen tritt sechs Monate nach dem Tag in Kraft, an dem mindestens 24 Staaten, deren gemeinsame Tonnage mindestens 25 v. H. der Welttonnage ausmacht, nach Art. 48 Vertragsparteien geworden sind. Für die Zwecke dieses Artikels gilt als Tonnage diejenige, die in Lloyd's Register of Shipping, Statistical Tables 1973, Tabelle 2 „World Fleets — Analysis by Principal Types" für allgemeine Fracht-(einschließlich Fahrgast/Fracht-)schiffe und Container-(Vollzellen-)schiffe ausschließlich der Reserveflotte der Vereinigten Staaten und der Große-Seen-Flotten der Vereinigten Staaten und Kanadas 2 ) angegeben ist. 1031
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(2) Für jeden Staat, der dieses Ubereinkommen später ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, tritt es sechs Monate nach Hinterlegung der entsprechenden Urkunde durch diesen Staat in Kraft. (3) Ein Staat, der nach Inkrafttreten einer Änderung Vertragspartei dieses Übereinkommens wird, gilt, sofern er nicht eine abweichende Ansicht zum Ausdruck bringt, a) als Vertragspartei des Übereinkommens in seiner geänderten Fassung und b) als Vertragspartei des Übereinkommens in nicht geänderter Fassung im Verhältnis zu jeder Vertragspartei des Übereinkommens, die nicht durch die Änderung gebunden ist. 2
) Die Tonnageerfordernisse für die Zwecke des Art. 49 Abs. 1 sind in dem Bericht der Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen betreffend den zweiten Teil ihrer Tagung (TD/CODE/IO), Anlage I, wiedergegeben. Artikel 50 Kündigung
(1) Dieses Übereinkommen kann von einer Vertragspartei jederzeit nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Tag seines Inkrafttretens gekündigt werden. (2) Die Kündigung wird dem Verwahrer schriftlich notifiziert; sie wird nach Ablauf eines Jahres oder einer etwa in der Kündigungsurkunde bestimmten längeren Frist nach dem Tag ihres Eingangs beim Verwahrer wirksam. Artikel 51 Änderungen (1) Eine Vertragspartei kann eine oder mehrere Änderungen dieses Übereinkommens vorschlagen, indem sie die Änderungen dem Verwahrer mitteilt. Der Verwahrer übermittelt die Änderungen zur Annahme den Vertragsparteien und zur Unterrichtung den Staaten, die berechtigt sind, Vertragsparteien dieses Übereinkommens zu werden, aber nicht Vertragsparteien sind. (2) Jeder nach Abs. 1 übermittelte Änderungsvorschlag gilt als angenommen, wenn dem Verwahrer nicht innerhalb von zwölf Monaten nach dem Tag seiner Übermittlung ein Einspruch einer Vertragspartei zugeht. Teilt eine Vertragspartei einen Einspruch gegen den Änderungsvorschlag mit, so gilt die Änderung nicht als angenommen und wird nicht in Kraft gesetzt. (3) Ist kein Einspruch mitgeteilt worden, so tritt die Änderung für alle Vertragsparteien sechs Monate nach Ablauf der in Abs. 2 genannten Zwölfmonatsfrist in Kraft. Artikel 52 Revisionskonferenzen (1) Der Verwahrer beruft fünf Jahre nach dem Tag, an dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt, eine Revisionskonferenz zur Überprüfung der Wirkungsweise des Übereinkommens unter besonderer Berücksichtigung seiner Durchführung und zur Prüfung und Annahme geeigneter Änderungen ein. (2) Der Verwahrer holt vier Jahre nach dem Tag, an dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt, die Ansichten aller zur Teilnahme an der Revisionskonferenz berechtigten Staaten ein und arbeitet auf der Grundlage dieser Ansichten den Entwurf einer Tagesordnung sowie von der Konferenz zu prüfende Änderungsvorschläge aus und verteilt sie. 1032
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(3) Weitere Revisionskonferenzen werden in ähnlicher Weise alle fünf Jahre oder jederzeit nach der ersten Revisionskonferenz auf Antrag eines Drittels der Vertragsparteien dieses Übereinkommens einberufen, sofern nicht die erste Revisionskonferenz etwas anderes beschließt. (4) Ist dieses Übereinkommen fünf Jahre nach dem Tag der Annahme der Schlußakte der Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen nicht in Kraft getreten, so wird ungeachtet des Abs. 1 auf Antrag eines Drittels der Staaten, die berechtigt sind, Vertragsparteien des Übereinkommens zu werden, vom Generalsekretär der Vereinten Nationen vorbehaltlich der Zustimmung der Generalversammlung eine Revisionskonferenz einberufen, um dieses Übereinkommen und seine Anlage zu revidieren und geeignete Änderungen zu prüfen und anzunehmen. Artikel 53 Aufgaben des Verwahrers (1) Der Verwahrer notifiziert den Unterzeichnerstaaten und den beitretenden Staaten a) Unterzeichnungen, Ratifikationen, Annahmen, Genehmigungen und Beitritte nach Art. 48; b) den Tag, an dem dieses Übereinkommen nach Art. 49 in Kraft tritt; c) Kündigungen dieses Übereinkommens nach Art. 50; d) Vorbehalte zu diesem Übereinkommen und die Zurücknahme von Vorbehalten; e) den Wortlaut der gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, die jede Vertragspartei zur Durchführung dieses Übereinkommens nach Art. 47 getroffen hat; f) Änderungsvorschläge und Einsprüche gegen Änderungsvorschhläge nach Art. 51 sowie g) das Inkrafttreten von Änderungen nach Art. 51 Abs. 3. (2) Der Verwahrer trifft auch die nach Art. 52 erforderlichen Maßnahmen. Artikel 54 Verbindliche Wortlaute — Hinterlegung Die Urschrift dieses Übereinkommens, dessen chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Zu Urkund dessen haben die hierzu von ihren Regierungen gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommens an dem neben ihrer Unterschrift angegebenen Tag unterzeichnet.
Anlage zu dem Übereinkommen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen Muster-'Verfahrenordnung für die internationale Zwangsschlichtung (nicht wiedergegeben)
Anlage II Von der Konferenz angenommene Entschließungen 1. Linienreedereien, die keiner Konferenz angehören 1033
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Die Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen — nach Ausarbeitung des Übereinkommens über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen mit dem Ziel, das System der Linienkonferenzen zu verbessern; eingedenk dessen, daß das Übereinkommen auf Linienkonferenzen und ihre Außenbeziehungen anzuwenden ist — beschließt folgendes: 1. Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als verweigere es Verladern die Wahl zwischen Linienreedereien, die einer Konferenz angehören, und solchen, die keiner Konferenz angehören, vorbehaltlich der etwa bestehenden Treueabmachungen; 2. die mit einer Konferenz im Wettbewerb stehenden Linienreedereien, die keiner Konferenz angehören, sollen den Grundatz des lauteren Wettbewerbs auf kaufmännischer Grundlage beachten; 3. im Interesse einer gesunden Entwicklung der Linienschiffahrtsdienste soll die Betätigung von Linienreedereien, die keiner Konferenz angehören, nicht behindert werden, solange sie den Erfordernissen der Nr. 2 genügen. 2. örtliche Schlichtung Die Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen — eingedenk der Bedeutung der in dem Übereinkommen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen vorgesehenen Konsultationsbestimmungen und Streitregelungsverfahren; im Hinblick darauf, daß Vorschläge gemacht wurden, in dem Kodex die Unterwerfung bestimmter Streitigkeiten unter örtliche Schlichtungsverfahren vorzusehen — 1. ersucht die erste nach Art. 52 des Übereinkommens einzuberufende Revisionskonferenz, die Frage der örtlichen Schlichtung unter Berücksichtigung der von den Vertragsparteien des Übereinkommens zum Ausdruck gebrachten Ansichten darüber, ob das Nichtbestehen einer örtlichen Schlichtung die wirksame Beilegung von Streitigkeiten behindert hat und bejahendenfalls, welche Gegenstände als für die örtliche Schlichtung geeignet angesehen werden und welche Verfahren zur Lösung derartiger Streitigkeiten herangezogen werden sollen, vorrangig zu beraten; 2. kommt überein, daß der Verwahrer bei der Vorbereitung der Revisionskonferenz die Auffassungen aller Staaten erkunden wird, die zur Teilnahme an der Revisionskonferenz berechtigt sind; diese soll dabei die Auffassungen der zuständigen Behörden, Linienkonferenzen und Verladerorganisationen berücksichtigen.
Unteranhang B Verordnung über die Übermittlung schiffahrtsgeschäftlicher Unterlagen an ausländische Stellen Vom 14. Dezember 1966 ( B G B l . I S . 1542)
Auf Grund des § 11 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt vom 24. Mai 1965 (BGBl. II S. 833) wird verordnet: 1034
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Außenwirtschaftsgesetz §1
(1) Wer Unterlagen (Schriftstücke, Bild- und Tonträger), die sich auf das Schiffahrtsgeschäft beziehen, an Behörden oder sonstige Stellen des Auslands oder einem Dritten zur Weiterleitung an solche Stellen übermitteln will, bedarf der Genehmigung des Bundesministers für Verkehr. Zu den Unterlagen nach Satz 1 gehören insbesondere Verträge von Unternehmen der Seeschiffahrt, Beschlüsse und Empfehlungen von Vereinigungen dieser Unternehmen, alle Unterlagen, welche die Mitgliedschaft in Konferenzen, den Linienverkehr, das Fracht-, Charter- oder Agenturgeschäft betreffen, sowie Studien, Marktberichte, Statistiken, Gutachten und sonstige Äußerungen. (2) Abs.-l gilt nicht für 1. die zur Abfertigung von Schiffen übliche Übermittlung von Unterlagen an Hafen-, Zoll-, Gesundheits-, Einwanderungs- und Grenzkontrollbehörden; 2. Unterlagen, die im Geltungsbereich dieser Verordnung veröffentlicht sind. (3) Die Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß auch für die Erteilung von Auskünften über das Schiffahrtsgeschäft, ohne Rücksicht darauf, ob die Auskunft schriftlich, mündlich oder in sonstiger Weise erteilt werden soll. §2 (1) Genehmigungen können auch befristet f ü r eine unbestimmte Anzahl gleichartiger Fälle (Sammelgenehmigung) erteilt werden. (2) Genehmigungen können mit Befristungen, Bedingungen, Auflagen und Widerufsvorbehalten verbunden werden. (3) Die Genehmigung, die Versagung der Genehmigung sowie Rücknahme und der Widerruf einer Genehmigung bedürfen der Schriftform. Versagung, Rücknahme und Widerruf sind zu begründen.
§3 Diese Verordnung gilt nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (BGBl. I S. 1) in Verbindung mit § 21 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt auch im Land Berlin.
§4 Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Die Verkündung ist am 20. Dezember 1966 erfolgt. Anhang V zum Vierten Abschnitt 1. Außenwirtschaftsgesetz Vom 28. April 1961 (BGBl. IS. 481; Berichtigg. der Anlage BGBl. 1961 I S. 495, 1555)
mit Änderungen durch die Gesetze vom 20. Juli 1962 (BGBl. IS. 455), vom 25. März 1964 (BGBl. I S. 245), vom 28. Oktober 1964 (BGBl. I S. 821), vom 18. August 1965 (BGBl. I S. 892), vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S. 503), vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705), vom 29. März 1976 (BGBl. I S. 869) und vom 23. Juni 1976 (BGBl. I S. 1614). (Auszug)
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2. Teil : Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Zweiter Abschnitt. Allgemeine
Beschränkungsmöglichkeiten
§6 Abwehr schädigender Einwirkungen aus fremden Wirtschaftsgebieten (1) Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr können beschränkt werden, um schädlichen Folgen für die Wirtschaft oder einzelne Wirtschaftszweige im Wirtschaftsgebiet vorzubeugen oder entgegenzuwirken, wenn solche Folgen durch Maßnahmen in fremden Wirtschaftsgebieten drohen oder entstehen, die 1. den Wettbewerb einschränken, verfälschen oder verhindern oder 2. zu Beschränkungen des Wirtschaftsverkehrs mit dem Wirtschaftsgebiet führen. (2) Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr können ferner beschränkt werden, um Auswirkungen von in fremden Wirtschaftsgebieten herrschenden, mit der freiheitlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht übereinstimmenden Verhältnissen auf das Wirtschaftsgebiet vorzubeugen oder entgegenzuwirken. §7 Schutz der Sicherheit und der auswärtigen Interessen (1) Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr können beschränkt werden, um 1. die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten, 2. eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten oder 3. zu verhüten, daß die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gestört werden. (2) Nach Abs. 1 können insbesondere beschränkt werden 1. im Rahmen der auf die Durchführung einer gemeinsamen Ausfuhrkontrolle gerichteten internationalen Zusammenarbeit die Ausfuhr oder Durchfuhr von a) Waffen, Munition und Kriegsgerät, b) Gegenständen, die bei der Entwicklung, Erzeugung oder dem Einsatz von Waffen, Munition und Kriegsgerät nützlich sind, oder c) Konstruktionszeichnungen und sonstigen Fertigungsunterlagen für die in Buchstabe a und b bezeichneten Gegenstände; 2. die Ausfuhr von Gegenständen, die zur Durchführung militärischer Aktionen bestimmt sind; 3. die Einfuhr von Waffen, Munition und Kriegsgerät; 4. Rechtsgeschäfte über gewerbliche Schutzrechte, Erfindungen, Herstellungsverfahren und Erfahrungen in bezug auf die in Nr. 1 bezeichneten Waren und sonstigen Gegenstände. 1 Anm. zu §§ 6 und 7 Siehe §§ 44, 44a AWV. Vgl. wegen des Transports von Kriegswaffen auch das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 30. April 1961 (BGBl. I S. 444). Dritter Abschnitt. Warenverkehr Vierter Abschnitt. Dienstleistungsverkehr §18 Seeschiffahrt. Wenn der internationale Seeverkehr durch Maßnahmen beeinträchtigt wird, die eine wettbewerbsgemäße Beteiligung der deutschen Handelsflotte an der Beförderung von Gütern behindern, können der Abschluß von Frachtverträgen zur Beförderung von Gütern durch Seeschiffe fremder Flagge und das Chartern solcher Seeschiffe durch Gebietsansässige beschränkt werden, um erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der deutschen Handelsflotte entgegenzuwirken. 1 Siehe dazu § 46 AWV. 1036
Anh V § 663b
Außen wirtschaftsverordnung Fünfter Abschnitt. Kapitalverkehr Sechster Abschnitt. Gold Zweiter Teil. Ergänzende Vorschriften §26 Verfahrens- und Meldevorschriften
(1) Durch Rechtsverordnung können Vorschriften über das Verfahren bei der Vornahme von Rechtsgeschäften oder Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr erlassen werden, soweit solche Vorschriften zur Durchführung dieses Gesetzes oder zur Überprüfung der Rechtsgeschäfte oder Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit im Sinne dieses Gesetzes erforderlich sind. (2) Durch Rechtsverordnung kann angeordnet werden, daß Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr, insbesondere aus ihnen erwachsende Forderungen und Verbindlichkeiten sowie Vermögensanlagen und die Leistung oder Entgegennahme von Zahlungen, unter Angabe des Rechtsgrundes zu melden sind, wenn dies erforderlich ist, um 1. festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Aufhebung, Erleichterung oder Anordnung von Beschränkungen vorliegen, 2. laufend die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland erstellen zu können, 3. die Wahrnehmung der außenwirtschaftspolitischen Interessen zu gewährleisten, 4. Verpflichtungen aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen erfüllen zu können oder 5. die Durchführung und Einhaltung einer auf Grund des § 6a Abs. 1 Satz 1 vorgeschriebenen Depotpflicht zu gewährleisten. (3) Durch Rechtsverordnung kann ferner angeordnet werden, daß der Stand und ausgewählte Positionen der Zusammensetzung des Vermögens Gebietsansässiger in fremden Wirtschaftsgebieten und Gebietsfremder im Wirtschaftsgebiet zu melden sind, soweit dies zur Verfolgung der in Abs. 2 Nr. 1 bis 4 angegebenen Zwecke erforderlich ist. Vermögen im Sinne des Satzes 1 ist auch die mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen. Gehört zu dem meldepflichtigen Vermögen eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einem Unternehmen, so kann angeordnet werden, daß auch der Stand und ausgewählte Positionen der Zusammensetzung des Vermögens des Unternehmens zu melden sind, an dem die Beteiligung besteht. (4) Art und Umfang der Meldepflichten sind auf das Maß zu begrenzen, das notwendig ist, um den in den Abs. 2 und 3 angegebenen, jeweils verfolgten Zweck zu erreichen. Die §§7, 10 und 12 des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke sind in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und des Abs. 3 entsprechend anzuwenden. 1
Siehe § 50 AWV.
2. Verordnung zur Durchführung des AuBenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung — AWV) in der Fassung vom 20. Dezember 1966 (BGBl. 1967 I S. 1) zuletzt geändert durch die 37. ÄndVO vom 22. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3679) (Auszug) §44 Beschränkung nach §§ 6 und 7 Abs. 1 AWG (1) Das Verchartern von Seeschiffen, welche die Bundesflagge führen, bedarf der Genehmi1037
Anh V § 663b
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
gung, wenn der Chartervertrag mit einem Gebietsfremden abgeschlossen wird, der in einem Land der Länderliste C (Anlage L) ansässig ist. (2) Die Mitwirkung von Gebietsansässigen als Stellvertreter, Vermittler oder in ähnlicher Weise beim Abschluß von Frachtverträgen zur Beförderung einzelner Güter (Stückgüter) durch Seeschiffe fremder Flagge zwischen einem Gebietsfremden, der nicht in einem Land der Länderliste F 1 od F 2 (Anlage L) ansässig ist, und einem weiteren Gebietsfremden bedarf der Genehmigung, wenn das Entgelt für die Beförderung eintausend Deutsche Mark übersteigt. 1
Für die Erteilung von Genehmigungen in den durch die §§ 44, 44 a und 46 AWV erfaßten Bereichen der Seeschiffahrt ist die Zuständigkeit übertragen worden a) auf die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest, wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz oder Sitz in den Ländern Bremen, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen hat b) auf die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord in den übrigen Fällen (vgl. § 2 Nr. 1 der VO vom 12. 12. 1967 - BGBl. I S. 1214 - ) . Die Bezeichnungen der Wasser- und Schiffahrtsdirektion entsprechen den jetzigen Benennungen. § 44a Beschränkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AWG (1) Das Verchartern oder Vermieten von Seeschiffen, welche die Bundesflagge führen, und von Luftfahrzeugen, die in das Verzeichnis der deutschen Luftfahrzeuge (Luftfahrzeugrolle) eingetragen sind, bedarf der Genehmigung, wenn der Vertrag mit einem Gebietsfremden abgeschlossen wird, der in Südrhodesien ansässig ist. (2) Die Beförderung von Waren durch Seeschiffe, welche die Bundesflagge führen, oder durch Luftfahrzeuge, die in das Verzeichnis der deutschen Luftfahrzeuge (Luftfahrzeugrolle) eingetragen sind, sowie durch andere von Gebietsansässigen gecharterte oder gemietete Seeschiffe oder Luftfahrzeuge bedarf der Genehmigung, wenn Südrhodesien Empfangsland oder Ursprungsland der Ware ist.
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Siehe die Anm. zu § 44 AWV. Die Bestimmung ist mit Abs. 1 durch die 10. ÄndVO v. 14. 2. 1967 (BGBl. I S. 193), mit Abs. 2 durch die 13. ÄndVO v. 7. 11. 1968 (BGBl. I S. 1129) eingefügt worden. §46 Beschränkung nach § 18 AWG (1) Der Abschluß von Frachtverträgen zur Beförderung einzelner Güter (Stückgüter) durch Seeschiffe fremder Flagge zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden, die nicht in einem Land der Länderliste F 1 oder F 2 (Anlage L) ansässig sind, bedarf der Genehmigung, wenn das Entgelt für die Dienstleistung eintausend Deutsche Mark übersteigt. (2) Das Chartern von Seeschiffen fremder Flagge bedarf der Genehmigung, wenn der Chartervertrag zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden, die nicht in einem Land der Länderliste F 2 ansässig sind, geschlossen wird.
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Siehe die Anm. zu § 44 AWV. §50 Meldungen im Seeverkehr (1) Gebietsansässige, die ein Seeschiffahrtsunternehmen betreiben, haben 1. a) den Abschluß von Charter- und Frachtverträgen mit Gebietsfremden alsbald nach Vertragsabschluß, b) die Durchführung von Charter- und Frachtverträgen mit Gebietsansässigen im Seeverkehr mit fremden Wirtschaftsgebieten alsbald nach Beginn der Durchführung des Vertrages mit Vordruck „Aktive Dienstleistungen im Seeverkehr" (Anlage S 1), 1038
Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen
Anh V § 663b
2. die Aufnahme von Schiffahrtsverbindungen in einem bestimmten Fahrtgebiet mit regelmäßigen Abfahrten (Linienverkehr), deren Änderung oder Einstellung formlos alsbald nach der Aufnahme, Änderung oder Einstellung zu melden. Nummer 1 gilt nicht für Frachtverträge im Linienverkehr, für Zeitcharterverträge sowie für Charterverträge, die mit der Maßgabe abgeschlossen werden, daß der Charterer die Schiffsbesatzung stellt (bare-boat-charter). (2) Gebietsansässige haben den Abschluß von Charter- und Frachtverträgen mit Gebietsfremden zur Beförderung von Gütern durch Seeschiffe fremder Flagge außerhalb des Linienverkehrs mit Vordruck „Passive Dienstleistungen im Seeverkehr" (Anlage S 2) alsbald nach Vertragsabschluß zu melden. Das gilt auch für den Abschluß von Frachtverträgen im Linienverkehr, wenn der gebietsfremde Vertragspartner in einem Land der Länderliste C (Anlage 1) ansässig ist. (3) Gebietsansässige haben den Abschluß von Frachtverträgen zwischen Gebietsfremden, bei dem sie als Stellvertreter, Vermittler oder in ähnlicher Weise mitgewirkt haben, alsbald nach Vertragsabschluß zu melden, wenn die Frachtverträge die Beförderung von Gütern durch Seeschiffe fremder Flagge im Linienverkehr zum Gegenstand haben und der Verfrachter in einem Land der Länderliste C (Anlage L) ansässig ist. In den Meldungen sind der Verfrachter, der Name und die Flagge des Schiffes, das Abfahrtsdatum, der Lade- und Löschhafen, die Art und Menge der Ladung und das vereinbarte Beförderungsentgelt je Maß-, Gewichts* oder Mengeneinheit anzugeben. (4) Die Meldungen sind, wenn der Meldepflichtige seinen Wohnsitz oder Sitz in den Ländern Bremen, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen hat, bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nordwest, in den übrigen Fällen bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Nord einzureichen. Abs. 4 i. d. F. der 37. ÄndVO v. 22. 12. 1976 (BGBl. I S. 3679).
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3. Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) Vom 20. April 1961 (BGBl. I S. 444, geänd. durch Bek. v. 17. 7. 1963, BGBl. I S. 487, Art. 7 EG zum OrdnungswidrigkeitenG v. 24. 5. 1968, BGBl. I S. 503, VO v. 18. 7. 1969, BGBl. I S. 842, VO v. 28. 8. 1973, BGBl. I S. 1050, und Art. 35 EGStGB v. 2. 3. 1974, BGBl. I S. 469)
Vorbemerkung Schrifttum: Von dem Hagen, Zu den Schiffahrtsvorschriften des Kriegswaffenkontrollgesetzes, Hansa 1961 S. 1231. Art. 26 G G lautet: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskriegs vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen. Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in den Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." Dieses Gesetz liegt in Gestalt des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vor. Vgl. zur Vorgeschichte des Gesetzes v. dem Hagen, a. a. O. Neben der Genehmigung nach diesem Gesetz sind — außenwirtschaftsrechtlich — die Bestimmungen des Außenhandelswirtschaftsgesetzes zu beachten. Nach dem Gesetz ist der Seetransport der unter das Gesetz fallenden Kriegswaffen genehmigungspflichtig, soweit er durch das deutsche Hoheitsgebiet führt, und zwar einerlei, ob er mit Schiffen deutscher oder ausländischer Flagge ausgeführt wird. Die Genehmigung hat derjenige zu beschaffen, der die Waffen befördern lassen will (§ 3), also derjenige am Exportge1039
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
schäft Beteiligte, der den Schiffsraum zu beschaffen hat. Eine Abschrift der Genehmigungsurkunde ist an Bord mitzuführen. Auch der Transport von Kriegswaffen mit deutschen Schiffen im Crosstrade ist genehmigungspflichtig. Hier hat der Beförderer die Genehmigung zu verschaffen, d. h. der Verfrachter, bei einem Unterfrachtvertrag also der Unterverfrachter. In §§3 Abs. 4, 4 Abs. 2 des Gesetzes ist die Möglichkeit vorgesehen, allgemeine Genehmigungen zu erteilen. Text des Gesetzes Erster Abschnitt Genehmigungsvorschriften §1 Begriffsbestimmung (1) Zur Kriegführung bestimmte Waffen im Sinne dieses Gesetzes (Kriegswaffen) sind die in der Anlage zu diesem Gesetz (Kriegswaffenliste) aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Kriegswaffenliste entsprechend dem Stand der wissenschaftlichen, technischen und militärischen Erkenntnisse derart zu ändern und zu ergänzen, daß sie alle Gegenstände, Stoffe und Organismen enthält, die geeignet sind, allein, in Verbindung miteinander oder mit anderen Gegenständen, Stoffen oder Organismen Zerstörungen oder Schäden an Personen oder Sachen zu verursachen und als Mittel der Gewaltanwendung bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten zu dienen. 1 Die Anlage ist nicht wiedergegeben. Sie gilt jetzt i. d. F. der Bek. v. 29. 8. 1973 (BGBl. I S. 1052). §2
Herstellung und Inverkehrbringen (1) Wer Kriegswaffen herstellen will, bedarf der Genehmigung. (2) Wer die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen von einem anderen erwerben oder einem anderen überlassen will, bedarf der Genehmigung. §3 Beförderung innerhalb des Bundesgebietes (1) Wer Kriegswaffen im Bundesgebiet außerhalb eines abgeschlossenen Geländes befördern lassen will, bedarf der Genehmigung. (2) Der Genehmigung bedarf ferner, wer Kriegswaffen, die er hergestellt oder über die er die tatsächliche Gewalt erworben hat, im Bundesgebiet außerhalb eines abgeschlossenen Geländes selbst befördern will. (3) Kriegswaffen dürfen nur eingeführt, ausgeführt, durch das Bundesgebiet durchgeführt oder sonst in das Bundesgebiet oder aus dem Bundesgebiet verbracht werden, wenn die hierzu erforderliche Beförderung im Sinne des Abs. 1 oder 2 genehmigt ist. (4) Für die Beförderung von Kriegswaffen, die außerhalb des Bundesgebietes ein- und ausgeladen werden und unter Zollüberwachung ohne Wechsel des Frachtführers oder im Schiffsverkehr über Freihäfen ohne Lagerung durch das Bundesgebiet durchgeführt werden, kann auch — unbeschadet der Regelung des § 27 — eine Allgemeine Genehmigung erteilt werden.
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Vgl. zu Abs. 4 die 1040
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Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen
Verordnung über Allgemeine Genehmigungen nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen Vom 30. Juli 1961 (BA Nr. 150) Auf Grund des § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 und 4 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 20. 4. 1961 (BGBl. I S. 444) verordnet die Bundesregierung:
§1 Die Beförderung von Kriegswaffen mit Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs wird allgemein genehmigt, soweit die Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebiets eingeladen, unter zollamtlicher Überwachung ohne Wechsel des Frachtführers durch das Bundesgebiet durchgeführt und in Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien oder der Türkei ausgeladen werden. §2 (1) Die Beförderung von Kriegswaffen mit Seeschiffen, die die Bundesflagge führen, wird allgemein genehmigt, soweit a) die Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebietes eingeladen, auf dem Seewege ein- und ausgehend ohne Wechsel des Verfrachters durch das Bundesgebiet durchgeführt werden und b) die Seeschiffe im Bundesgebiet außer zur Abwendung unmittelbarer Gefahr für Besatzung, Schiff oder Ladung nur an Zollandungsplätzen oder in Freihäfen mit anderen Fahrzeugen oder mit dem Land in Verbindung treten und c) die Kriegswaffen in einem der in § 1 genannten Staaten oder in Irland, Island, Kanada oder den Vereinigten Staaten von Amerika ausgeladen werden. (2) Die Beförderung von Kriegswaffen mit Seeschiffen fremder Flagge wird allgemein genehmigt, soweit die Voraussetzungen des Abs. 1 Buchstaben a und b vorliegen und die Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebietes ausgeladen werden. §3 Die Beförderung von Kriegswaffen mit Seeschiffen, die die Bundesflagge führen, oder mit Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik eingetragen sind, wird allgemein genehmigt, soweit die Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebietes eingeladen, durch das Bundesgebiet nicht durchgeführt und in einem der in §§ 1 oder 2 Abs. 1 Buchstabe c genannten Staaten ausgeladen werden. §4 Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. (Fortsetzung Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) §4 Beförderung außerhalb des Bundesgebietes (1) Wer Kriegswaffen, die außerhalb des Bundesgebietes ein- und ausgeladen und durch das Bundesgebiet nicht durchgeführt werden, mit Seeschiffen, die die Bundesflagge führen, oder mit Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik eingetragen sind, befördern will, bedarf der Genehmigung. (2) Für die Beförderung von Kriegswaffen im Sinne des Abs. 1 in und nach bestimmten Gebieten kann auch eine Allgemeine Genehmigung erteilt werden. Vgl. zu Abs. 2 § 3 der in der Anm. zu § 3 des Gesetzes wiedergegebenen VO über Allgemeine Genehmigungen nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen. 1041
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB §5 Befreiungen
(1) Einer Genehmigung nach den §§ 2 bis 4 bedarf nicht, wer unter der Aufsicht oder als Beschäftigter eines anderen tätig wird. In diesen Fällen bedarf nur der andere der Genehmigung nach den §§ 2 bis 4. (2) Wer Kriegswaffen auf Grund einer Genehmigung nach § 3 Abs. 1 befördert, bedarf für den Erwerb der tatsächlichen Gewalt über diese Kriegswaffen von dem Absender und die Überlassung der tatsächlichen Gewalt an den in der Genehmigungsurkunde genannten Empfänger keiner Genehmigung nach § 2 Abs. 2. (3) Einer Genehmigung nach § 2 Abs. 2 bedarf ferner nicht, wer die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen 1. demjenigen, der Kriegswaffen auf Grund einer Genehmigung nach § 3 Abs. 1 befördert, überlassen oder von ihm erwerben will, sofern der Absender und der Empfänger in der Genehmigungsurkunde genannt sind, 2. der Bundeswehr, dem Zollgrenzdienst, einer für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörde oder Dienststelle oder einer Behörde des Strafvollzugs überlassen oder von diesen zur Instandsetzung oder zur Beförderung erwerben will. §6
Versagung der Genehmigung (1) Auf die Erteilung einer Genehmigung besteht kein Anspruch. (2) Die Genehmigung kann insbesondere versagt werden, wenn 1. Grund zu der Annahme besteht, daß ihre Erteilung dem Interesse der Bundesrepublik an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu anderen Ländern zuwiderlaufen würde, 2. a) der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter, bei juristischen Personen das vertretungsberechtigte Organ oder ein Mitglied eines solchen Organs, bei Personenhandelsgesellschaften ein vertretungsberechtigter Gesellschafter, sowie der Leiter eines Betriebes oder eines Betriebsteiles des Antragstellers, b) derjenige, der Kriegswaffen befördert, c) derjenige, der die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen dem Beförderer überläßt oder von ihm erwirbt, nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 des Grundgesetzes ist oder den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes hat, 3. eine im Zusammenhang mit der genehmigungsbedürftigen Handlung nach anderen Vorschriften erforderliche Genehmigung nicht nachgewiesen wird. (3) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn 1. die Gefahr besteht, daß die Kriegswaffen bei einer friedenstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, 2. Grund zu der Annahme besteht, daß die Erteilung der Genehmigung völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzen oder deren Erfüllung gefährden würde, 3. Grund zu der Annahme besteht, daß eine der in Abs. 2 Nr. 2 genannten Personen die für die beabsichtigte Handlung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. (4) Andere Vorschriften, nach denen für die in den §§ 2 bis 4 genannten Handlungen eine Genehmigung erforderlich ist, bleiben unberührt. §7 Widerruf der Genehmigung (1) Die Genehmigung kann jederzeit widerrufen werden. (2) Die Genehmigung ist zu widerrufen, wenn einer der in § 6 Abs. 3 genannten Versagungsgründe nachträglich offenbar geworden oder eingetreten ist, es sei denn, daß der Grund innerhalb einer zu bestimmenden Frist beseitigt wird. 1042
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Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen §8 Erteilung und Widerruf der Allgemeinen Genehmigung
(1) Die Allgemeine Genehmigung im Sinne des § 3 Abs. 4 und des § 4 Abs. 2 wird durch Rechtsverordnung erteilt. (2) Die Allgemeine Genehmigung kann durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise widerrufen werden, insbesondere wenn Grund zu der Annahme besteht, daß die allgemein genehmigten Beförderungen dem Interesse der Bundesrepublik an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu anderen Ländern zuwiderlaufen würden. (3) Die Allgemeine Genehmigung ist durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise zu widerrufen, wenn 1. die Gefahr besteht, daß die auf Grund der Allgemeinen Genehmigung beförderten Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, 2. G r u n d zu der Annahme besteht, daß durch die allgemein genehmigten Beförderungen völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzt würden oder deren Erfüllung gefährdet würde. (4) Rechtsverordnungen nach den Abs. 1 bis 3 werden von der Bundesregierung erlassen; sie bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates. §9 Entschädigung im Falle des Widerrufs (1) Wird eine Genehmigung nach §§ 2, 3 Abs. 1 oder 2 oder nach § 4 Abs. 1 ganz oder teilweise widerrufen, so ist ihr Inhaber vom Bund angemessen in Geld zu entschädigen. Die Entschädigung bemißt sich nach den vom Genehmigungsinhaber nachgewiesenen zweckentsprechenden Aufwendungen. Anderweitige, den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung entsprechende Verwertungsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. (2) Der Anspruch auf eine Geldentschädigung entfällt, wenn der Inhaber der Genehmigung oder die f ü r ihn auf Grund der Genehmigung tätigen Personen durch ihr schuldhaftes Verhalten Anlaß zum Widerruf der Genehmigung gegeben haben, insbesondere wenn 1. diese Personen gegen die Vorschriften dieses Gesetzes, gegen die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsverordnungen oder gegen Anordnungen der Genehmigungs- oder Überwachungsbehörde erheblich oder wiederholt verstoßen haben, 2. die Genehmigung auf Grund des § 7 Abs. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 Nr. 3 widerrufen worden ist. §10 Inhalt und Form der Genehmigung (1) Die Genehmigung kann inhaltlich beschränkt, befristet und mit Auflagen verbunden werden. (2) Nachträgliche Befristungen und Auflagen sind jederzeit zulässig. § 9 gilt entsprechend. (3) Die Genehmigung bedarf der Schriftform; sie muß Angaben über Art und Menge der Kriegswaffen enthalten. Die Genehmigung zur Herstellung der in Teil B der Kriegswaffenliste genannten Kriegswaffen kann ohne Beschränkung auf eine bestimmte Menge, die Genehmigung zur Beförderung von Kriegswaffen kann ohne Beschränkung auf eine bestimmte Art und Menge erteilt werden. 1043
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§" Genehmigungsbehörden (1) Für die Erteilung und den Widerruf einer Genehmigung ist die Bundesregierung zuständig. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung in den Fällen der §§ 2 und 3 Abs. 1 und 2 1. für den Bereich der Bundeswehr auf den Bundesminister für Verteidigung, 2. für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf den Bundesminister der Finanzen, 3. für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf den Bundesminister des Innern, 4. für alle übrigen Bereiche auf den Bundesminister für Wirtschaft zu übertragen. (3) Die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung in den Fällen des § 4 Abs. 1 kann durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, auf den Bundesminister für Verkehr übertragen werden, der diese Befugnis im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Auswärtigen ausübt. (4) Die Bundesregierung wird ferner ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die erforderlichen Vorschriften zur näheren Regelung des Genehmigungsverfahrens zu erlassen. (5) Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann bei der Prüfung der Zuverlässigkeit gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 3 herangezogen werden. 1 Siehe zu Abs. 2 die 1. DVO v. 1. 6. 1961 (BGBl. I S. 140), zu Abs. 3 die 2. DVO v. 1. 6. 1961 (BGBl. I S. 649), geänd. durch VO v. 18. 7. 1969 (BGBl. I S. 842). Zweiter Abschnitt Überwachungs- und Ausnahmevorschriften §12 Pflichten im Verkehr mit Kriegswaffen (1) Wer eine nach diesem Gesetz genehmigungsbedürftige Handlung vornimmt, hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, 1. um zu verhindern, daß die Kriegswaffen abhanden kommen oder unbefugt verwendet werden, 2. um zu gewährleisten, daß die gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Anordnungen zum Schutze von geheimhaltungsbedürftigen Gegenständen, Tatsachen, Erkenntnissen oder Mitteilungen beachtet werden. (2) Wer Kriegswaffen herstellt, befördern läßt oder selbst befördert oder die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen von einem anderen erwirbt oder einem anderen überläßt, hat ein Kriegswaffenbuch zu führen, um den Verbleib der Kriegswaffen nachzuweisen. Dies gilt nicht in den Fällen des § 5 Abs. 1 und 2 sowie für Beförderungen in den Fällen des § 5 Abs. 3 Nr. 2. (3) Wer Kriegswaffen befördern lassen will, hat bei der Übergabe zur Beförderung eine Ausfertigung der Genehmigungsurkunde zu übergeben. Dies gilt nicht für Beförderungen durch die Deutsche Bundespost. (4) Wer eine Beförderung von Kriegswaffen ausführt, hat eine Ausfertigung der Genehmigungsurkunde mitzuführen, den zuständigen Behörden oder Dienststellen, insbesondere den Eingangs- und Ausgangszollstellen, im Freihafen Hamburg dem Freihafenamt der Freien und Hansestadt Hamburg, unaufgefordert vorzuzeigen und auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen. Dies gilt nicht für Beförderungen durch die Deutsche Bundespost. (5) Wer berechtigt ist, über Kriegswaffen zu verfügen, hat der zuständigen Überwachungsbehörde den Bestand an Kriegswaffen sowie dessen Veränderungen unter Angabe der dazu 1044
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erteilten Genehmigungen innerhalb der durch Rechtsvorschrift oder durch Anordnung der zuständigen Überwachungsbehörde bestimmten Fristen zu melden. (6) Wer 1. als Erbe, Konkursverwalter, Zwangsverwalter oder in ähnlicher Weise die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen erlangt, 2. die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen verliert, 3. Kenntnis vom Verbleib einer Kriegswaffe erlangt, über die niemand die tatsächliche Gewalt ausübt, hat dies der zuständigen Überwachungsbehörde oder einer für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörde oder Dienststelle unverzüglich anzuzeigen. (7) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. die erforderlichen Vorschriften zur Durchführung der Abs. 1 bis 6 zu erlassen, 2. geringe Mengen an Kriegswaffen und geringfügige Bestandsveränderungen von der Buchführungs-, Melde- und Anzeigepflicht (Abs. 2, 5 und 6) auszunehmen, soweit hierdurch öffentliche Interessen nicht gefährdet werden, 3. eine Kennzeichnung für Kriegswaffen vorzuschreiben, die den Hersteller oder Einführer ersichtlich macht. Siehe zu Abs. 7 die 2. DVO v. 1. 6. 1961 (BGBl. I S. 649), geänd. durch VO v. 18. 7. 1969 1 (BGBl. I S. 842). §13 Sicherstellung (1) Die Überwachungsbehörden und die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen können Kriegswaffen sicherstellen, wenn es erforderlich ist, um ihre unbefugte Verwendung zu verhindern oder Staatsgeheimnisse zu schützen. (2) Bei Gefahr im Verzuge kann auch die Bundeswehr unter den in Abs. 1 genannten Voraussetzungen Kriegswaffen sicherstellen. §14 Überwachungsbehörden (1) Für die Überwachung der nach diesem Gesetz genehmigungsbedürftigen Handlungen und der Einhaltung der in § 12 genannten Pflichten ist 1. in den Fällen der §§ 2 und 3 Abs. 1 und 2 der Bundesminister für Wirtschaft und 2. in den Fällen des § 4 der Bundesminister für Verkehr zuständig. (2) Für die Überwachung der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr sowie des sonstigen Verbringens von Kriegswaffen in das Bundesgebiet oder aus dem Bundesgebiet (§ 3 Abs. 3 und 4) sind der Bundesminister der Finanzen und die von ihm bestimmten Zolldienststellen, im Freihafen Hamburg das Freihafenamt der Freien und Hansestadt Hamburg, zuständig. (3) Die Überwachungsbehörden (Abs. 1 und 2) können zur Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere zur Überwachung der Bestände an Kriegswaffen und deren Veränderungen, 1. die erforderlichen Auskünfte verlangen, 2. Betriebsaufzeichnungen und sonstige Unterlagen einsehen und prüfen, 3. Besichtigungen vornehmen. (4) Die von den Überwachungsbehörden beauftragten Personen dürfen Räume und Grundstücke betreten, soweit es ihr Auftrag erfordert. Das Grundrecht des Art. 13 auf Unverletzlichkeit der Wohnung wird insoweit eingeschränkt. (5) Wer einer Genehmigung nach den §§ 2 bis 4 bedarf, ist verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, die Betriebsaufzeichnungen und sonstige Unterlagen zur Einsicht und 1045
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Prüfung vorzulegen und das Betreten von Räumen und Grundstücken zu dulden. Das gleiche gilt für Personen, denen die in § 12 genannten Pflichten obliegen. (6) Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. (7) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die erforderlichen Vorschriften zur Durchführung der nach Abs. 3 zulässigen Überwachungsmaßnahmen zu erlassen und das Verfahren der Überwachungsbehörden zu regeln. (8) Der Bundesminister für Wirtschaft wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die ihm nach Abs. 1 zustehenden Überwachungsbefugnisse auf das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft zu übertragen. 1
Siehe zu Abs. 7 die 2. DVO v. 1. 6. 1961 (BGBl. I S. 649), geänd. durch VO v. 18. 7. 1969 (BGBl. I S. 842), zu Abs. 8 die 1. DVO v. 1. 6. 1961 (BGBl. I S. 649).
§15 Bundeswehr und andere bewaffnete Organe (1) Die Vorschriften der §§ 2, 3, 4 und 12 gelten nicht für die Bundeswehr, den Zollgrenzdienst und den Bundesgrenzschutz. (2) Die übrigen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie die Behörden des Strafvollzugs bedürfen keiner Genehmigung 1. für den Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen, 2. für die Überlassung der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen an einen anderen zur Instandsetzung oder zur Beförderung und 3. für die Beförderung von Kriegswaffen in den Fällen des § 3 Abs. 2. § 12 findet insoweit keine Anwendung.
Dritter Abschnitt. Straf- und Bußgeldvorschriften (nicht wiedergegeben)
Vierter Abschnitt. Übergangs- und Schlußvorschriften §26 Vor Inkrafttreten des Gesetzes erteilte Genehmigungen Genehmigungen, die im vorläufigen Genehmigungsverfahren auf Grund des Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes erteilt worden sind, gelten als nach diesem Gesetz erteilt. §27 Zwischenstaatliche Verträge Verpflichtungen der Bundesrepublik auf Grund zwischenstaatlicher Verträge bleiben unberührt. Insoweit gelten die nach Abs. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes und die nach diesem Gesetz erforderlichen Genehmigungen als erteilt. §28 Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nicht im Land Berlin. 1046
Der Schiffsmakler
A n h VI § 663b §29 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt mit dem Beginn des auf die Verkündung folgenden zweiten Kalendermonats in Kraft. (2 ) Das Gesetz wurde am 25. 4. 1961 verkündet. — § 29 Abs. 2 enthält eine Aufhebungsvorschrift. Kriegswaffenliste Anlage (zu § 1 Abs. 1) (nicht wiedergegeben. Sie gilt jetzt i. d. F. der Bek. v. 29. 8. 1973 (BGBl. I S. 1052).
Anhang VI zum Vierten Abschnitt Der Schiffsmakler Schrifttum: Albrecht, Schiffsgläubigerrechte des Schiffsmaklers, Hansa 1953 S. 1261 ff. und 1290 ff. ; Capelle, Frachtcharter S. 106; Hasselmann, Der Schiffsmakler in Hamburg, Diss. Göttingen 1913; Kleemann, Der Schiffsmakler im Seeverkehr, Diss. Hamburg 1934; Lebuhn, Die Haftung des Schiffsmaklers als Handelsmakler, Hansa 1955 S. 811 ; Prüssmann, vor § 556 Anm. II E; Schlegelberger-Liesecke, § 556 H G B Anm. 26; Zander, Die rechtliche Stellung des Schiffsmaklers, 1932. Vgl. auch über das Hamburger Schiffsmaklerwesen die Mitteilungen der Handelskammer Hamburg 1965 S. 696. Zum Auslandsrecht siehe: Manca, International Maritime Law Bd. I S. 253 ff. Insbesondere für Frankreich: Barbey, Les agents terrestres et de navigation maritime et les conflits qui les opposent en droit français, 1947; Bothier, Consignataire du navire et consignataire de la cargaison, 1904; Jauffret, Le consignataire du navire, 1931 ; Rodière, Traité Bd. III S. 81 ff. Insbesondere f ü r Italien: Guidi, Il Maccomandatario marittimo, 1965; Righetti, Il raccomandatario marittimo, 1963. I. Begriff. Schiffsmakler (engl, shipbroker, für Frankreich siehe unten Anm. 43) im ur- 1 sprünglichen Sinne ist derjenige, der gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen auf Grund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, die Vermittlung von Verträgen über Gegenstände des Seeverkehrs (Frachtverträge, Schiffsmiete, Verkäufe von Schiffen und Schiffsparten, Bergungen, Hilfsleistungen usw., unter Umständen Seeversicherungen) übernimmt. Soweit diese vermittelnde Tätigkeit des Schiffsmaklers (Näheres über sie bei Hasselmann, a. a. O. S. 37 ff. und Kleemann, a. a. O. S. 6 ff.) in Betracht kommt, gelten f ü r ihn die Bestimmungen der §§ 93 ff. HGB (vgl. auch Pappenheim, HB 3 S. 112; Schlegelberger-Liesekke, a. a. O.; R G HansRZ 3, 96). Aber die Praxis des Schiffsverkehrs hat den Kreis der Aufgaben des Schiffsmaklers weiter gezogen. Wer sich heute als „Schiffsmakler" bezeichnet, braucht nicht Maklerdienste zu leisten, er kann Hilfsperson, Agent, Kommissionär, rechtsgeschäftlicher Vertreter des Kapitäns bzw. Reeders sein ( Wüstendörfer, Studien S. 74, 233 ff.; Hasselmann, a. a. O. S. 20; Kleemann, a. a. O. S. 29 ff., 61 ff.), auch mehrere dieser Rechtstypen in sich vereinen, z. B. hinsichtlich der von ihm vermittelten Verträge Abschlußvertreter des Reeders sein ( Wüstendörfer, ZHR Bd. 58 S. 129 Note 32). Die Entwicklung hat ihre guten Gründe. Der Kapitän braucht im fremden Hafen eine Vertrauensperson, die die erforderlichen Geschäfte mit ihm und f ü r ihn erledigt, eine Vertrauensperson, die entweder vom Reeder — sei es ständig als Handelsvertreter (vgl. §§ 84ff. HGB), sei es für den einzelnen Fall — oder vom Kapitän selbst ihren Auftrag erhält. Aber auch der einheimische Reeder kann Veranlassung haben, gewisse Zweige seiner auf den Frachtverkehr bezüglichen Tätigkeit durch eine außerhalb seines Geschäfts stehende und mit geeigneten Verbindungen ausgestattete Persönlichkeit ausüben zu lassen. Bezeichnend f ü r die Üblichkeit dieses Verfahrens ist der häufig für den entgegengesetzten Fall ge1047
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brauchte Ausdruck, der Reeder fungiere „als sein eigener Makler" — vgl. HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 220; Hasselmann, a. a. O. S. 42f. (Einen Fall der Bestellung eines Schiffsmaklers zum „Agenten resp. Makler" für mehrere von einem Korrespondentreeder verwaltete Reedereien betrifft die Entscheidung HansGZ 1901 Nr. 3.) So ist es zu erklären, daß sich der Schiffsmakler nicht nur zu einer Hilfsperson des Reeders entwickelt hat, zu dessen Obliegenheiten in dieser Eigenschaft regelmäßig die Berechnung von Fracht und Unkosten, Hilfsleistung in Zollangelegenheiten und überhaupt im Verkehr mit Behörden, Legitimationsprüfung der Ladungsempfänger, Aufstellung von Havereirechnungen, Leistung von Dolmetscherdiensten, Vornahme von Verauslagungen (HansOLG HansGZ 1907 Nr. 101) usw. gehören (vgl. Wüstendörfer, Studien 1 S. 235 ff.; Hasselmann, a . a . O . S. 21, 43, 78; Kleemann, a . a . O . S. 29 ff., 61 ff.). Vielmehr hat sich der Schiffsmakler in gewissem Umfange auch zu einem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Kapitäns bzw. des Reeders herausgebildet, dessen Befugnisse, auch wenn sie nicht ausdrücklich vertraglich festgelegt sind, einen durch langjährige Übung festgestellten Umfang erlangt haben. Wenn sich auch in dieser Hinsicht ein allgemeines Gewohnheitsrecht nicht wird nachweisen lassen, vielmehr der Ortsgebrauch maßgebend ist (siehe RG HansRZ Bd. 3, 96), so führt doch die Auslegung der zwischen dem Schiffsmakler und seinen Auftraggebern geschlossenen Verträge gemäß §§ 346 HGB und 157 BGB zur Aufstellung des Satzes, daß der im Verkehr übliche Umfang der Befugnisse des Schiffsmaklers vermutlich der maßgebende ist. Hieraus folgt, daß der Dritte, der mit dem beauftragten Schiffsmakler ein Geschäft der fraglichen Art abschließt und Rechte daraus herleitet, nicht zu beweisen braucht, daß der Schiffsmakler zum Abschluß desselben bevollmächtigt war (HansOLG HansGZ 1888, 312), sondern nur, daß der Makler mit der Erledigung der Schiffsgeschäfte überhaupt beauftragt war. Maßgebend für die Beurteilung des Vollmachtsumfangs ist die Sitte am Sitz des Schiffsmaklers, nicht des Geschäftsherrn (RGZ 58, 151; 91, 217). Über den Schiffsmakler als selbständigen Unternehmer (Reeder, Unterverfrachter, Warenhändler, Korrespondentreeder, Vertragsreeder (s. Anm. 2 zu § 492 HGB), Spediteur, Schiffsausrüster). s. Wüstendörfer, Studien 1 S. 80; Kleemann, a. a. O. S. 80 ff. Über den Schiffsmakler als Transportkommissionär und seine diesbezügliche Haftung für Ladungsschäden nach französischem Recht siehe Kassationshof D M F 1960 S. 394 = Hansa 1961 S. 6. Der Schiffsmakler ist Kaufmann nach § 1 Abs. 2 Ziff. 7 HGB. Siehe über Geschäftsbedingungen für Schiffsmakler, die der Zentralverband Deutscher Schiffsmakler empfohlen hat, Hansa 1971 S. 1473. 2
II. Der Schiffsmakler als Handelsmakler. Vgl. Kleemann, a. a. O. S. 6 ff. 1. a) N u r bei der Vermittlung von Verträgen des Seeverkehrs (vgl. Anm. 1) übt der Schiffsmakler eine Maklertätigkeit im Sinne des § 93 H G B aus. Derjenige „Schiffsmakler", der im regelmäßigen Linienverkehr ständig damit betreut ist, Frachtverträge, insbesondere über Stückgüter zu vermitteln, ist im rechtlichen Sinne Handelsvertreter. Einer Betätigung, die rechtlich in die des Handelsmaklers und des Handelsvertreters einzuordnen ist, steht für den „Schiffsmakler" nichts entgegen. In der Rechtswirklichkeit ist es die Regel, daß der Schiffsagent (Handelsvertreter) auch Schiffsmakler im Sinne eines Handelsmaklers ist, dagegen nicht umgekehrt.
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Handelsmakler ist nur derjenige Schiffsmakler, der gewerbsmäßig vermittelt, der also gerade aus dieser Tätigkeit dauernde Einnahmen ziehen will. Die gelegentliche Vermittlung eines den Seeverkehr betreffenden Vertrages macht nur zum bürgerlich-rechtlichen Zivilmakler (§§652 ff. BGB).
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Für den Schiffsmakler in seiner Eigenschaft als Handelsmakler gelten in erster Linie die dispositiven §§ 93 ff. HGB, ergänzend die §§ 652 ff. BGB. Der Schiffsmakler kann als Handelsmakler Maklerlohn nur f ü r die Vermittlung eines Vertrages fordern. Eine Vermittlung liegt vor, wenn durch das Verhandeln des Maklers mit beiden Parteien diese abschlußgeneigt gemacht worden sind. Unerheblich ist es, wenn die Parteien nach Zusammenführung durch den Schiffsmakler auf dessen weitere Mitwirkung verzichten und den Vertrag ohne seine Hilfe schließen oder den Versuch machen, ihn zu umgehen. Auch in diesem Falle ist der Maklerlohn zu zahlen. Dagegen genügt es nicht, wenn die Tätigkeit dee Schiffsmaklers nur im Nach1048
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weis der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrages bestanden hat (anders beim Zivilmakler; vgl. § 652 BGB). Siehe über die Vereinbarung zweier Schiffsmakler, nur in abgegrenzten Bereichen für denselben Reeder tätig zu werden, sowie zur Kündigung eines solchen Vertrages L G Bremen Hansa 1963 S. 1346. b) Regelmäßig übernimmt der Schiffsmakler als Handelsmakler keine Verpflichtung zur 5 Tätigkeit oder Herbeiführung eines Erfolges. Doch ist auch beides mit dem Wesen des Maklervertrages nicht unvereinbar. So kann sich der Schiffsmakler gegenüber einem Reeder verpflichten, für die Befrachtung von dessen Schiff mit den hierfür in Betracht k o m m e n d e n Befrachtern in Verbindung zu treten, oder er kann auch für einen Erfolg einstehen, indem er sich sogar verpflichtet, eine geeignete Ladung zu beschaffen (Kleemann, a. a. O. S. 8). c) Der Maklervertrag ist seitens des Auftraggebers jederzeit widerrufbar, wenn nicht hier- 6 auf verzichtet wurde, was auch stillschweigend geschehen kann. Ein „Fest-an-die-Hand-Geben" für eine bestimmte Zeit bedeutet einen Verzicht auf Widerruf für diese Frist. War eine solche nicht bedungen, so ist anzunehmen, daß ein Verzicht auf Widerruf nur für eine angemessene Zeit gelten soll, die sich nach den Umständen des Einzelfalles, nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte bestimmt. In dem Verzicht auf Widerruf liegt jedoch nicht eine Verpflichtung des Auftraggebers, das vermittelte Geschäft auch abzuschließen. Doch hat er Provision zu zahlen, wenn er in der bestimmten oder angemessenen Frist das Geschäft durch einen anderen Vermittler oder allein schließt. d) aa) Der Schiffsmakler kann als Handelsmakler den Vertrag auch unter Vorbehalt späte- 7 rer Aufgabe des Vertragsgegners schließen, § 95 BGB. D a n n ist der Auftraggeber an das Geschäft mit der Partei gebunden, welche ihm nachträglich bezeichnet wird, es sei denn, daß gegen diese begründete Einwendungen zu erheben sind (§ 95 Abs. 1 HGB). Doch liegt in der Zeichnung als „charterer's agent" kein Vorbehalt der Aufgabe des Vertragsgegners (Kleemann, a . a . O . S. 11). Unterbleibt die Bezeichnung der anderen Partei innerhalb der ortsüblichen oder angemessenen Frist (§ 95 Abs. 2 H G B ; siehe auch AG Hamburg M D R 1964 S. 512: Weigerung des Schiffsmaklers, den Namen der Vertragspartei zu nennen) oder sind gegen die bezeichnete Partei begründete Einwendungen zu erheben, so kann der Auftraggeber den Makler auf Erfüllung in Anspruch n e h m e n ( § 9 5 Abs. 3 H G B ; H a n s O L G H a m b u r g Hansa 1955 S. 1000 = M D R 1955 S. 234, LG H a m b u r g M D R 1969 S. 764). Der Makler gilt dann gemäß §§ 179 Abs. 1 BGB, 95 H G B als Vertragsgegner des Verfrachters. Dem Makler stehen dann auch alle Einreden und Einwendungen zu, die der von ihm vertretene Befrachter hätte erheben können, also auch eine im Chartervertrag vereinbarte Schiedsgerichtsklausel (LG Hamburg a. a. O.). § 95 Abs. 3 H G B ist entsprechend anzuwenden, wenn der Makler der ihn erstbeauftragenden Partei einen Vertragsgegner aufgibt, ohne von diesem dazu ermächtigt worden zu sein ( H a n s O L G HansRZ 1923, 541). Selbst in das Geschäft eintreten darf der Makler n u r mit Z u s t i m m u n g seines Auftraggebers ( H a n s O L G OLGRechtspr. 26, 268). Tritt so ein Schiffsmakler in die Charter ein, so hat die G e n e h m i g u n g des Eintritts durch den Reeder die Folge, daß dieser nicht die höhere durch seinen Makler (Hauptbefrachter) von dessen Unterbefrachter bezogene Fracht beanspruchen kann und daß er auch noch den Maklerlohn zahlen m u ß ( H a n s R Z 24, 100 = H a n s G Z 1922, 278; Kleemann, a. a. O. S. 9 f.). W e n n auch schon nach der gesetzlichen Bestimmung des § 95 Abs. 1 bei der vorbehaltenen Aufgabe eine Bindung an die nachträglich bezeichnete Partei nicht besteht, sofern gegen diese begründete Einwendungen zu erheben sind (z. B. bezüglich ihrer Zahlungsfähigkeit, Redlichkeit), so sichert sich doch der Befrachter noch oft ausdrücklich gegen einen unerwünschten Befrachter, z. B. durch die Klausel „subject first class charterers" oder „subject approval of charterers" (vgl. Kleemann, a. a. O. S. 10). Bei A b l e h n u n g des Vertraggegners im Falle der ersteren Klausel ist die ablehnende Partei nicht d a f ü r beweispflichtig, daß der Gegner nicht erstklassig ist. Sie braucht nur ihre G r ü n d e f ü r die A b l e h n u n g bekannt zu geben, die jedoch nicht rein willkürlich sein dürfen. Der Vertrag k o m m t bei dieser Klausel bereits bei Abschluß mit dem Makler fest zustande, aber bedingt d u r c h die Eigenschaft des Vertragsgegners. Die Klausel „subject approval of charterers" erweitert die d e m Verfrachter schon nach § 95 Abs. 1 zustehenden Rechte: er kann den ihm bezeichneten Befrachter aus irgendeinem G r u n d e ableh1049
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nen, sofern es nur ein vernünftiger, nicht ein rein willkürlicher Grund ist (Kleemann, a. a. O. S. 10). Für den Verfrachter ist ein solcher Schutz durch besondere Klauseln zweckmäßig, weil ihm der Makler bei den Vermittlungsverhandlungen im allgemeinen nur die Einzelheiten der Ladung, nicht aber den Namen des Befrachters aufgibt. Anders liegt es für den Befrachter: ihm wird regelmäßig der Schiffsname genannt. Er kann dann durch Einsichtnahme in das Klassifikationsregister den Reeder feststellen (aber nicht einen etwaigen Ausrüster, Mieter oder Zeitcharterer). Siehe HansOLG Hamburg MDR 1955 S. 363 = Hansa 1955 S. 1142 über die Rechtsstellung eines Schiffsmaklers, der als Bevollmächtigter beider Parteien bei Abschluß des Vertrages tätig ist. Vgl. auch R G Z 116, 156. — Ohne besondere Vollmacht, die auch durch Handelsbrauch gegeben sein kann, hat der Schiffsmakler nicht die Befugnis zum Abschluß des vermittelten Geschäfts (RGZ 97, 218; OLG Hamburg BB 1955 S. 847 und Hansa 1963 S. 1665; Prüssmann, vor § 556 II E 2a). § 95 H G B setzt an sich die Ausstellung einer Schlußnote (§ 94 HGB) voraus. Doch ist eine solche im Schiffsmaklergewerbe nicht üblich. Das entspricht dem in den Hafenstädten bestehenden Ortsgebrauch (Kleemann, a. a. O. S. 14). Die Funktionen der Schlußnote werden in der Schiffahrtspraxis bis zu einem gewissen Grade vom Frachtvertrag (LG Hamburg HansRGZ 1930 B 163 Nr. 60), Kaufvertrag oder Mietvertrag wahrgenommen. Zwar handelt es sich bei der vom Makler unterschriebenen Schlußnote um eine Bestätigung des Maklers an die Parteien, während der Fracht- oder Kaufvertrag Vertragsurkunden der Parteien sind und von ihnen selbst unterschrieben werden. Doch behält der Schiffsmakler die Urschrift im Besitz und händigt den Parteien die von ihnen gewünschte Anzahl beglaubigter Abschriften aus (Kleemann, a. a. O.). Aber auch wenn eine Schlußnote nicht ausgestellt ist, kommt, wenn der Makler sich der Aufgabeklausel bedient, § 95 HGB zur jedenfalls entsprechenden Anwendung (Pappenheim, HB 3 S. 114). Ist im Falle des Zusammenwirkens mehrerer örtlich getrennter Makler bei Vertragsschluß und Zeichnung des Vertrages die Gegenpartei unbekannt, so wird häufig vorerst der andere bekannte Makler als Vertreter der anderen Vertragspartei als Charterers' oder Owners' Agent im Vertrage angegeben. Bei nachträglicher Bezeichnung der Gegenpartei entsteht dann die Rechtslage des § 95 H G B (vgl. Kleemann, a. a. O. S. 11 mit weiteren Nachweisen; siehe auch HansOLG Hamburg Hansa 1955 S. 1000 = MDR 1955 S. 234). 8
2. Pflichten des Schiffsmaklers als Handelsmakler. Der Schiffsmakler haftet f ü r die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB), z. B. hinsichtlich wahrheitswidriger Angaben über das zu befrachtende Schiff (HansOLG HansRZ 1921, 235; 1923, 889; 1924, 906; s. auch die von Reinbek, HansRGZ 1930 A 107 wiedergegebene Entscheidung), oder bezüglich vorsätzlich oder fahrlässig abgegebener Erklärungen über den anderen Vertragsteil. Er ist als Handelsmakler objektiver, unparteiischer Vermittler und Vertrauensperson beider Vertragsparteien. Er steht zu beiden Parteien in einem Vertragsverhältnis und haftet beiden Parteien für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden, auch wenn er nur von einer Partei beauftragt worden ist. Begünstigt er einseitig die eine Partei, so kann ihn die andere nach § 98 H G B in Anspruch nehmen. Nur wenn jede Partei ihren eigenen Makler hat, so kann sich daraus für den Schiffsmakler ergeben, daß er nur Beauftragter seiner Partei ist und auch nur dieser gegenüber zu haften hat (Hasselmann, a. a. O. S. 39; Kleemann, a. a. O. S. 13; ebenso die englische Rechtsprechung, vgl. die von Reinbek, in der HansRGZ 1928 A Sp. 680 unter Nr. 79 mitgeteilte Entscheidung). In diesem Falle hat er auch nur Anspruch auf Maklerlohn gegen die eigene Partei. Siehe zur Frage des Bestehens von Schadensersatzansprüchen des Reeders gegen den Agenten, den der Befrachter mit dem Abschluß eines Raumfrachtvertrages beauftragt hatte, wegen unrichtiger Bezeichnung der zu befördernden Ladung (Pyrit statt Pyritkonzentrat) OLG Hamburg VersR 1970 S. 517.
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Nach § 97 H G B gilt der Handelsmakler nicht als ermächtigt, eine Zahlung öder eine andere im Vertrage bedungene Leistung in Empfang zu nehmen. Diese Bestimmung findet auch auf den Schiffsmakler als Handelsmakler hinsichtlich der Frachteinziehung Anwendung. Indes1050
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sen gehört die Frachteinziehung zum präsumtiven Umfang des mit Schiffsgeschäften beauftragten Schiffsmaklers als Vertreter des Reeders oder Kapitäns (s. unter III). Der Schiffsmakler als Handelsmakler ist verpflichtet, das in § 100 H G B bezeichnete Tage- 1 0 buch zu führen. Vgl. die Strafvorschrift in § 103 HGB. In dieses Buch sind alle abgeschlossenen Geschäfte täglich einzutragen. Die Eintragungen sind nach der Zeitfolge zu bewirken und haben die in § 94 Abs. 1 HGB bezeichneten Angaben zu enthalten. 3. Die Rechte des Schiffsmaklers als Handelsmakler. 11 a) Er hat Anspruch auf Maklerlohn (brokerage), sofern der Vertrag durch die Tätigkeit des Maklers zustande gekommen ist (§ 652 BGB). Wird der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen (z. B. der Kaufvertrag über ein Schiff unter der aufschiebenden Bedingung eines dem Käufer zugesicherten Ergebnisses einer Besichtigung), so wird der Maklerlohn erst mit dem Eintritt der Bedingung fällig (§ 652 Abs. 1 Satz 2 BGB; Kleemann, a. a. O. S. 19). Bei auflösend bedingten Geschäften wird der Maklerlohn regelmäßig mit dem Eintritt der Bedingung nicht hinfällig (bestr.; wie hier HansOLG HansGZ 1918, 28; 1915, 312; LZ 1916, 628; Kleemann, a. a. O. S. 21). Im übrigen ist für den Anspruch auf Maklerlohn regelmäßig ein rechtsgültiger Vertrag vorausgesetzt (OLG Braunschweig OLG Rechtspr. 34, 53). Begründete Anfechtung steht dem Anspruch auf Maklerlohn entgegen (RGZ 76, 354; HansOLG HansGZ 1919, 52), nicht dagegen die Anfechtbarkeit als solche, die nicht ausgeübt worden ist. Vgl. über die Rechtslage bei Nichtigkeit des vermittelten Vertrages im einzelnen Kleemann, a . a . O . S. 21. Siehe HansOLG HansGZ 1921, 199 darüber, daß mit der Charterung eines Schiffes für verbotene Fahrten auch der die Befrachtung betreffende Maklervertrag nichtig ist. Ist in dem Frachtvertrage für die eine Partei ein Rücktrittsrecht vereinbart (z. B. in Gestalt des Cancelling Date), so ist doch der Maklervertrag unbedingt und der Maklerlohn ist mangels ausdrücklicher anderweitiger Vereinbarung bei Abschluß zahlbar und auch nicht bei ausgeübtem Rücktrittsrecht zurückzuzahlen (RG LZ 1915, 504). Das gleiche gilt bei der Klausel: „This charter-party is in force subject to the owners obtaining necessary licenses from the German and Entente authorities" (HansOLG HansGZ 1922, 48). Über den Einfluß der Annullierung des Frachtvertrages auf den Provisionsanspruch des Schiffsmaklers siehe Schiedsspruch Hansa 1959 S. 1713. Bei ersichtlichem Zusammenhang zwischen Maklertätigkeit und Geschäftsabschluß dauert die Pflicht zur Vergütung der Maklertätigkeit auch nach Aufhebung des Maklervertrages fort (RGZ 148, 354). Siehe insbesondere über den Provisionsanspruch des Maklers trotz Entziehung des Auftrags vor Abschluß des vermittelten Schiffsbauvertrages BGH Hansa 1959 S. 1957. Der Maklerlohn ist mangels anderweitiger Vereinbarung der Parteien zwar von jeder Partei 1 2 zur Hälfte zu entrichten (§ 99 HGB). Hinsichtlich des Schiffsmaklerlohns entspricht es aber der regelmäßigen Praxis, daß er nur von einer Partei gezahlt wird, und zwar meistens von dem Verkäufer, Vermieter, Verfrachter eines Schiffes (RG HansRGZ 1929, 246 Nr. 101; RG HansGZ 15, 300 Nr. 147; Kleemann, a. a. O. S. 15; a. M. hinsichtlich der Vermietung und Verfrachtung Hasselmann, a. a. O. S. 59). Doch kommt es beim Schiffsverkauf auch vor, daß der Käufer den ganzen Maklerlohn zahlt, weil z. B. der Verkäufer einen Nettopreis verlangt, unter den er nicht heruntergehen will. Auch kann es sein, daß sich beim Schiffsverkauf die Parteien den Maklerlohn gemäß der gesetzlichen Regel des § 99 HGB teilen. Doch selten wird der Befrachter oder Schiffsvermieter geneigt sein, den Maklerlohn ganz oder teilweise zu übernehmen. Doch wird nicht selten vom Befrachter selbst noch eine sog. „Commission" (Adress-Commission) als Vergütung ohne Gegenleistung verlangt (HansGZ 1876, 26 Nr. 19; Kleemann, a. a. O. S. 15 f.). Siehe BGH Hansa 1965 S. 2061 über die Maklerprovision für die Vermittlung eines Schiffskaufs, Schadensersatzpflicht des Käufers wegen Umgehung des Maklers. Nach Hamburger Handelsbrauch hat der Verkäufer eines Schiffs keine Courtage zu zahlen, wenn die Veräußerung ohne sein Verschulden nicht durchgeführt wird (BGH NJW 1966 S. 502 = M D R 1966 S. 230 = BB 1966, 9). Wird einem Korrespondentreeder, der zugleich Schiffsmakler ist, durch den Reedereivertrag das alleinige Befrachtungsrecht übertragen, so kann er für seine Vermittlertätigkeit einen Maklerlohn beanspruchen, weil er hier nicht in seiner Eigenschaft als Korrespondentreeder, sondern als Schiffsmakler tätig wird (HansOLG HansGZ 1899, 128; Kleemann, a. a. O. S. 15). 1051
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b) Der Maklerlohn ist also regelmäßig bereits mit dem Abschluß des rechtsgültigen Vertrages verdient (RG LZ 1915, 504, 1920, 41). Der Anspruch auf den Maklerlohn ist somit unabhängig davon, ob der Reeder die Fracht einnimmt oder die Reise überhaupt durchgeführt wird (HansOLG LZ 1919, 1030). Das besagt die in Frachtverträgen häufige Klausel „commission at the rate of 5% on the estimated amount of freight is due by the master or owners on signing this charter party".
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Vgl. über die Klausel „Commission is due on shipment of cargo, Ship lost or not lost" Kleemann, Hansa 1954 S. 1972 und „Der Schiffsmakler im Seeverkehr" S. 20. Die Klausel hat nach deutscher Rechtsauffassung regelmäßig nicht die Bedeutung, daß der Maklerlohn erst mit der Verschiffung geschuldet wird, so daß der Makler also nichts zu verlangen hätte, falls keine Ladung verschifft wird (so auch Hamburger Schiedsspruch Hansa 1959 S. 1713 für die Klausel „due on delivery of the cargo"). Zwar haben die englischen Gerichte in diesem Sinne entschieden. Nach englischem Recht entfällt der Anspruch auf Maklerlohn, wenn der Frachtvertrag vor Ladebeginn aufgehoben und daher keine Ladung geliefert wird. Das Wort „due" kann aber nicht nur „schuldig", sondern auch „fällig" bedeuten. Legt man es im letzteren Sinne aus, sieht man also in ihm keine Bedingung, sondern eine Befristung für die Zahlung des Maklerlohns, so ist die Frist nach billigem Ermessen zu bestimmen (LG Leipzig LZ 1913, 94), wenn die Abladung nicht in der vorgesehenen Frist erfolgt. Es fehlt dann an einem Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien die dem Makler nach deutschem Recht zustehenden Ansprüche hätten ausschließen oder einschränken wollen für den Fall, daß der vermittelte Vertrag aus einem nicht in der Person des Maklers liegenden Grunde nicht zur Durchführung gelangt (HansOLG bei Kleemann, Hansa 1954 S. 1972). Der Praxis des Schiffahrtsgeschäfts entspricht es, daß der Maklerlohn häufig erst nach Ausführung der Reise und Zahlung der Fracht gezahlt wird, einerlei, ob er schon vorher fällig war (vgl. dazu auch RGZ 115, 267). Es kommt indessen auch vor, daß die Vergütung des Schiffsmaklers von der Ausführung des Vertrages abhängig gemacht wird. Siehe darüber obigen Absatz, daß das regelmäßig bei der Klausel „Commission is due on shipment" nicht der Fall ist. Vgl. aber RGZ 95, 136 und HansOLG HansRZ 1920, 492 = HansGZ 1920, 89, auch HansOLG HansRGZ 1930 B 361 als Beispiele für Fälle, in denen ähnliche Klauseln auch als Bedingungen für die Entstehung des Makleranspruchs aufgefaßt worden sind. Ist so auch rechtlich die Zahlung der Schiffsmaklergebühren erst nach der Erfüllung des Frachtvertrages vorgesehen, so findet sich in einigen Frachtverträgen die Bestimmung: „In case of non execution at least 1/3 of brokerage on the estimated amount of freight to be paid by owners to the brokers as indemnity for the latters expenses and work". Ist der Frachtvertrag nicht ausgeführt worden und wird deshalb Fautfracht geschuldet, so kann ein entsprechender Maklerlohn geschuldet sein; vgl. BGH NJW 1956 S. 1197 = Hansa 1956 S. 1711 = VersR 1956 S. 476.
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Über Berechnung der Maklerprovision nach Ziff. 22 Coal Charter-Party (Welsh-Form) siehe HansOLG Hamburg Hansa 1955 und BGH Hansa 1956 S. 1711. Bei der Regelung der Zahlung der Maklerprovision in der Baltime-Charter handelt es sich nicht um eine typisch angloamerikanische Klausel, so daß auch auf sie deutsches Recht angewandt werden kann. Die in RGZ 39, 65 vertretene Auffassung, bei typisch anglo-amerikanischen Klauseln habe die Auslegung grundsätzlich nach englisch-amerikanischem Recht zu erfolgen, selbst wenn dem Vertrag als solchem deutsches Recht zu unterstellen sei, beschränkt sich jedenfalls auf die Auslegung solcher typischen Klausel; BGH VRS 1956 S. 346 = Hansa 1956 S. 1711. Über den Provisionsanspruch des Schiffsmaklers für Verlängerung eines Chartervertrages nach vorgesehener Option siehe Hansa 1957 S. 1818. Siehe Queen's Bench Division Hansa 1958 S. 463 über den Anspruch des Schiffsmaklers auf Provision für den Verkauf eines Schiffes trotz unmittelbaren Ausschlusses durch die Parteien.
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cc) Mangels besonderer Vereinbarung bestimmt sich die Höhe des Maklerlohns nach § 653 Abs. 2 BGB. Es kommt danach bei Bestehen einer Taxe auf den taxmäßigen Lohn, in Ermangelung einer Taxe auf den üblichen Lohn an. Der Schiffsmaklerlohn wird in der Regel in einem Hundertsatz vom Kaufpreis oder von der Fracht festgesetzt (Kleemann, a. a. O. S. 17). Doch kommt es auch vor, daß der Verkäufer eines Schiffes einen Nettopreis fordert und es dem Makler überläßt, seinen Maklerlohn in Form eines Aufschlages auf den vom Reeder ge1052
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forderten Preis zu erzielen (HansOLG HansRZ 1919, 367 Nr. 57; HansGZ 1919, 52 Nr. 33; R G H a n s G Z 1920, 1; s. auch die von Reinbek, in HansRGZ A 1930, 107 ff. mitgeteilte englische Entscheidung). Auch bei Befrachtungen kann der Maklerlohn in Form einer Überfracht vereinbart werden. Sofern der Überpreis die Höhe des üblichen Maklerlohns nicht übersteigt, wird anzunehmen sein, daß der Maklerlohn auch in dieser Form im Zweifel schon mit dem Abschluß des betreffenden Geschäfts geschuldet wird (HansOLG HansGZ 1918, 106; 1918, 152; 1919, 52; R G HansGZ 1920, 1). Deshalb hat der Makler dann gegen seinen Auftraggeber einen von der Abwicklung des Geschäfts unabhängigen Anspruch auf Vergütung des Überpreises. Bei einem höheren Überpreis ist indessen häufig aus den Umständen zu entnehmen, daß er eine Gewinn- und Risikobeteiligung darstellt und von der Erziehung des Gewinns und dem Eingang der Zahlung abhängig ist (HansOLG und R G a. a. O.; Kleemann, a. a. O.). dd) Einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen hat der Schiffsmakler regelmäßig 1 7 nicht (§ 652 Abs. 2 BGB; R G Z 1913, 144; Kleemann, a. a. O. S. 22). Das gilt insbesondere auch dann, wenn der Vertrag nicht zustande kommt. III. Der Schiffsmakler als Hilfsperson des Kapitäns oder Reeders mit Einzelauftrag. Vorbemerkung. Einzelaufträge für die Schiffsbesorgung erhält der Schiffsmakler regelmä- 1 8 Big im Trampverkehr. Die Tätigkeit des Schiffsmaklers als Hilfsperson des Kapitäns oder Reeders im Trampverkehr und im Liniendienst ist teilweise so unterschiedlich, daß auch rechtlich eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist. Die Ausführungen unter III gelten zwar auch zum Teil für den Linienverkehr, jedoch mit Ausnahme aller derjenigen, welche durch das Einmalige der Übertragung der Schiffsgeschäfte im Trampverkehr bedingt sind. Besonderheiten der Tätigkeiten des Schiffsmaklers in der Schiffsbesorgung im Linienverkehr werden unter IV bei der Darstellung des Schiffsmaklers als Handelsvertreter berücksichtigt. 1. Rechtsverhältnisse zwischen dem Schiffsmakler und dem von ihm Vertretenen. 19 a) Allgemeine Charakteristik. Es handelt sich regelmäßig um einen Dienst- oder Werkvertrag, welcher eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande hat (§ 675 BGB: entgeltlicher Auftrag), doch ist auch gewöhnlicher Auftrag (§ 662 ff. BGB) oder ein sonstiges Vertragsverhältnis denkbar, welches den einen Teil verpflichtet, für den anderen Schiffsmaklerdienste zu verrichten (Tätigkeit des Korrespondentreeders als Schiffsmakler, wenn sie im Reedereivertrage oder Anstellungsvertrage bedungen ist: was nicht der Fall war in dem vom HansOLG HansGZ 1890 Nr. 51 entschiedenen Falle). Dem Auftrage steht genehmigte auftragslose Geschäftsführung gleich. Ob jederzeitige fristlose Kündigung gestattet ist, richtet sich nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse; im Zweifel ist sie zu bejahen ( Wagner, HB 271). b) Person des Auftraggebers. Auftraggeber des Schiffsmaklers ist entweder der Reeder 2 0 (oben Anm. 18) oder der Kapitän. Der letztere ist außerhalb, nämlich sofern dies erforderlich oder auch nur üblich (was fast allgemein zu bejahen ist), als befugt zu erachten, einen Schiffsmakler zuziehen (§ 527 HGB), im Heimathafen nur nach Maßgabe des § 526 HGB. Hat der Reeder die gesetzlichen Befugnisse des Kapitäns beschränkt, so gilt § 531 HGB. Ob der Reeder oder der Kapitän im Rahmen seiner Vollmacht Auftraggeber des Schiffsmaklers ist, ist für die Haftung des Reeders ohne Bedeutung und kann im Einzelfall zweifelhaft sein (vgl. OLG Rostock SeuffA Bd. 65 S. 74 = OLGRechtspr. 22, 68 = MecklZ BGBl. 28 S. 33 ff.). e) Vertragsabschluß. Die Beauftragung kann in jeder zulässigen Weise erfolgen, auch still- 2 1 schweigend ( H G Hamburg HansGZ 1870 Nr. 208), z. B. durch Aushändigung der Schiffspapiere ( O L G Rostock SeuffA Bd. 65 S. 77 = MecklZ Bd. 28 S. 33 ff.; R G Z 58, 151). Die Annahme des Auftrags braucht in den Fällen der §§151 BGB, 362 Abs. 1 HGB nicht erklärt zu werden. Vielfach wird das Schiff durch den Frachtvertrag mittels einer sog. Adreßklausel an einen Makler gebunden. Eine solche Klausel kann etwa lauten (vgl. Kleemann, a. a. O. S. 36; siehe dazu auch BGHZ 25, 300): „In Hamburg und Bremen ist das Schiff durch die Schiffsmakler der Befrachter zu gewöhnlichen Bedingungen zu deklarieren. Im Nichtbefolgungsfalle ist ihnen vom Schiff eine Strafe von DM 2000. — zu zahlen", oder „Kapitän klariert am Ladeplatz bei Befrachters Agenten Chr. Eyde, Arendal; Johann G. Olsen, Christiansand; am Löschplatz 1053
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bei Befrachters Agenten Karl Bresemann, Flensburg": oder „The steamer to be consigned at port of loading to charterers or their agents and to pay them there a commission of 2'/2% on the estimated gross amount of freight on the cargo taken on board"; oder „and to NN. (Name des Schiffsmaklers) or his agents, the vessel is to be addressed on her return to the Elbe": H a n s O L G H a n s G Z 1897, 84; oder „to apply for customs b u s i n e s s . . . to them or their agents . . . paying usual agency fees" (HansOLG HansGZ 1899, 57); oder „The Captain to employ Charterers or their nominees at Ports of Loading and discharging for reporting, clearing or other business on usual terms". Durch die im Frachtvertrag übernommene Verpflichtung, sich an einen namentlich bezeichneten Makler zu wenden, erhält dieser keine Vertretungsmacht, bevor ihm die Vertretung tatsächlich vom Kapitän übertragen worden ist (HG Hamburg HansGZ 1879, 342; Wagner, HB 271 Hasselmann, a. a. O. S. 24; Kleemann, 37; Prüssmann, § 556 D 3; Manca, International Maritime Law Bd. I S. 256). Es wird aber vielfach angenommen, daß der Makler aus der Adreßklausel stets einen unmittelbaren Anspruch gegen den Verfrachter (Reeder) auf Übertragung der zugesagten Funktionen habe (so Wagner, HB 271; Hasselmann, a. a. O. S. 25 f.; Zander, a. a. O. S. 41). Das ist indessen nur dann zu bejahen, wenn die Prüfung der konkreten Lage ergeben hat, daß wirklich ein Vorvertrag zugunsten des Maklers in dem Frachtvertrag enthalten ist (ähnlich auch Prüssmann, vor § 556 II E 3 a). Zu weit geht Schlegelberger-Liesekke, Anm. 28 zu § 556 HGB, der meint, der in der Adreßklausel etwa namentlich benannte Makler erwerbe aus dieser keine unmittelbaren Ansprüche gemäß § 328 BGB. Siehe auch BGH VersR 1974 S. 590: Der Schiffsmakler, der im Bestimmungshafen für den Verfrachter tätig wird, ist nicht deshalb zugleich Vertreter des Befrachters, weil er in der Chartepartie als Agent vertraglich vorgesehen ist. Es ist aber Kleemann, a. a. O. S. 38 ff. (so auch Prüssmann, a. a. O.) zuzustimmen, daß in der Mehrzahl der Fälle ein Vertrag zugunsten Dritter abzulehnen ist und es sich nur um eine Vereinbarung zugunsten des Befrachters, also einer Vertragspartei, handelt. Auch die älteren Entscheidungen des H G Hamburg Ullrich, Sammlung von seerechtlichen Erkenntnissen des Handelsgerichts zu Hamburg Nr. 57, und Seebohm, Sammlung seerechtlicher Erkenntnisse des Handelsgerichts zu Hamburg, 1866, Nr. 103, sind in diesem Sinne. Die späteren Entscheidungen hingegen ergingen in dem Sinne (vgl. LG Hamburg HansGZ 1892, 91; HansOLG HansGZ 1897 Nr. 38; 1899 Nr. 21: dahingestellt gelassen, ob die Klausel im Vertrage allein einen klagbaren Anspruch des Maklers begründet; 1905, 36; H G Gent Revue Autran 1913, S. 159, 585; dahingestellt gelassen vom HansOLG HansGZ 1902, 70), daß der Makler unmittelbaren Anspruch auf Übertragung der Schiffsgeschäfte in dem vereinbarten Umfange (z. B. for customs business, so HansOLG HansGZ 1899, 57) oder bei unbeschränkter Zusage im handelsüblichen Umfange (HG Hamburg HansGZ 1874, 12; LG Hamburg HansGZ 1892, 91) habe, evtl. auf das Interesse (Die ältere hamburgische Praxis billigte gewöhnlich die halbe schragenmäßige Courtage auf die eingehende Fracht zu: Ullrich, Nr. 327; hierzu Hasselmann, a. a. O. S. 25) bzw. (§ 340 BGB) die vereinbarte Vertragsstrafe habe. Mit Recht argumentiert Kleemann, a. a. O. S. 39 f. gegen die herrschende Meinung, regelmäßig gehe das eigene Interesse des Befrachters nicht dahin, daß der Makler einen unmittelbaren Anspruch erwerbe. Zwischen Vertragsschluß und Ankunft des Schiffes kann oft eine geraume Zeit liegen. Während derselben kann der Befrachter das Vertrauen zu dem von ihm benannten Makler verloren haben. Es sei nicht gerechtfertigt, dann diesem noch einen Anspruch auf das Interesse oder die Vertragsstrafe zu geben, wenn der Befrachter jetzt einen anderen Makler wähle. Bei der Adreßklausel wird meistens vereinbart, daß sich der Kapitän an Befrachters Makler, seltener an einen namentlich aufgeführten Makler zu wenden habe (vgl. z. B. HansGZ 1874 Nr. 7; 1875 Nr. 277; 1876 Nr. 131; 1892 Nr. 29; 1897 Nr. 38; 1899 Nr. 21; 1904 Nr. 3; 1905 Nr. 16; Kleemann, a. a. O. S. 35). Auch der Kapitän kann einen solchen Vorvertrag schließen, entweder direkt mit dem Schiffsmakler (HansGZ 1875 Nr. 277) oder in der Charter dem Vertragspartner gegenüber, indem dann wiederum die Möglichkeit des Vertrages zugunsten eines Dritten gegeben ist. Allerdings bindet die Eingehung einer Verpflichtung des Kapitäns, daß das Schiff sich immer bei seiner Rückkehr nach dem betreffenden Hafen an einen bestimmten Schiffsmakler wenden werde, den Reeder nicht, weil sie außerhalb der Befugnisse des Kapitäns liegt ( H G Hamburg 1054
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HansGZ 1876 Nr. 130), der damit feine ihm in § 527 H G B eingeräumte Vollmacht überschreiten würde. Anders liegt es, wenn der Kapitän einen solchen Vertrag nur für mehrere (sog. konsekutive) Reisen abschließt, die als ein zusammenhängendes Ganzes zu betrachten sind. Hat der Reeder dem künftigen Empfänger mitgeteilt, er sei an Charterer's Agent gebunden, so wird dadurch der Empfänger nicht zu der Annahme berechtigt, daß der Reeder nicht Verfrachter der Güter sei; vgl. BGHZ 25, 300 = Hansa 1958 S. 860 = NJW 1957 S. 1917 = VersR 1957 S. 746. Siehe A G Hamburg Hansa 1974 S. 1299 (mit Anm. von Trappe) = Jahresbericht des Schutzvereins Deutscher Rheder 1974 S. 18 über Zeitcharterschiffe und Agentengebühr. Bei der Zeitcharter ist es danach Sache des Zeitbefrachters, den Hafenagenten zu benennen und zu bezahlen. Daneben kann aber der Reeder eines Zeitcharterschiffes auch selbst einen Hafenagenten benennen (sog. husbandry agent), um entweder den vom Zeitbefrachter ernannten Agenten zu kontrollieren oder um sonst eigene Belange wahrzunehmen. Siehe über die Abgrenzung der Tätigkeit beider Agenten auch Manca, International Maritime Law Bd. I S. 256. Behauptet der Agent, er sei einmal Agent des Zeitcharterers und sodann auch gleichzeitig husbandry agent, so hat der Agent den Nachweis hierfür zu führen, der ihm in dem vor dem AG Hamburg geführten Prozeß nicht gelang (vgl. auch ebenso OLG Hamburg M D R 1954 S. 486 = Hansa 1954 S. 1589, Stadtgericht Oslo NDS 1962 S. 213, Rathaus-Gericht Stockholm BIMCO-Monthly Circular 1962 Nr. 1020). d) Inhalt des Auftrages. Der Auftrag kann gehen auf Leistung der gesamten Schiffsmakler- 2 3 dienste in usuellem Umfange (LG Hamburg HansGZ 1892 Nr. 29; RG Bd. 58 Nr. 37) oder auf Ausführung bestimmter einzelner Geschäfte, z. B. Klarierung, d. h. der vorgeschriebenen Abfertigung des Schiffes bei den in Betracht kommenden Behörden (HansOLG SeuffA Bd. 55 S. 435; für das einkommende Schiff Einklarierung, für das ausgehende Ausklarierung genannt; Hasselmann, a. a. O. S. 46, 80; Kleemann, a. a. O. S. 31 ff.), Verkehr nur mit gewissen Behörden (z. B. der Zollbehörde: „the ship to be reported to the custom house", „for customs business", HansGZ 1899 Nr. 21, was sich unter Umständen mit der Einklarierung decken kann), Beantragung der Verklarung, Einkassierung der Frachten und Liegegelder, gerichtliche Vertretung, Kautionsübernahme im Falle der Arrestierung des Schiffes (der Vertrag mit dem Dritten ist nicht Bürgschaft, sondern Garantievertrag, daher kann der Schiffsmakler nicht einwenden, daß der Anspruch gegen den Reeder verjährt sei; LG Hamburg HansGZ 1915, 216; 1916, 180), Expedition des Schiffes (HansOLG HansGZ 1879 Nr. 151; RG HansGZ 1880 Nr. 109; HansOLG HansGZ 1888 Nr. 132), Abschluß von Frachtverträgen (oft mit Weisung, womöglich eine höhere als die limitierte Frachtrate zu erzielen, „freight x sh. per ton, try more": Wüstendörfer, ZHR Bd. 58 S. 125 Note 17), Hilfslohnverträgen (LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1892 Nr. 42; RG HansGZ 1893 Nr. 77), Erledigung von Havariegrosseangelegenheiten (Hasselmann, a . a . O . S. 49), Besorgung von Kaskoversicherungen (Ullrich, Nr. 292), Einkauf von Schiffsbedürfnissen usw. Der für die eingehenden Geschäfte eines Schiffes beauftragte Schiffsmakler ist nicht ohne weiteres beauftragt, auch die ausgehenden zu erledigen (Hermann und Hirsch, Nr. 71), wenn es auch — außer bei großen Reedereien mit verzweigtem Routennetz ( W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1 S. 77) — üblich ist, ihm dieselben zu übertragen (vgl. LG Hamburg HansGZ 1896, 310); der Auftrag zur Vermittlung eines Frachtvertrages schließt nicht zugleich denjenigen zur Einklarierung des Schiffes ein (HansOLG HansGZ 1902, 70). Der Schiffsmakler hat bei den für seinen Auftraggeber abzuschließenden Geschäften die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden (HansOLG HansGZ 1893, 280) und ausschließlich das Interesse seines Auftraggebers — wenn er einen Pool vertritt, nur die gemeinschaftlichen Interessen, nicht Sonderinteressen der Teilnehmer (HansOLG HansGZ 1901, 8) — wahrzunehmen. Daher ist regelmäßig unstatthaft die Vertretung kollidierender Interessen (HansOLG HansGZ 1884 Nr. 36), es sei denn im Einvernehmen der verschiedenen Beteiligten (vgl. über die Zuweisung von Gütern an Linien, die Frachtrabatte gewähren, Hasselmann, a. a. O. S. 29, 80 ff.), ebenso die Ausbedingung von Retourkommissionen von Lieferanten (LG Hamburg HansGZ 1896, 311; vgl. HansOLG HansGZ 1901 Nr. 64; Hasselmann, a. a. O. S. 30). Ist der Makler jedoch nur auf Grund einer entsprechenden Klausel im Frachtvertrag (vgl. Anm. 22) als „Befrachters Makler" beauftragt worden, so ist darin ein Einverständnis des Reeders zu erblicken, daß der Makler auch die
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Interessen des Befrachters wahrt (Kleemann, a. a. O. S. 38; vgl. HansOLG HansGZ 1904, 7; in HansOLG HansGZ 1926, 95 wird der vom Befrachter bestimmte Schiffsmakler als Vertreter des Verfrachters und Befrachters angesehen; vgl. dagegen HansOLG HansGZ 1901, 8). War der Schiffsmakler indessen gleichzeitig Vertreter des Verfrachters und des Befrachters, so darf er die eingezogene Fracht nur mit Zustimmung der einen Partei an die andere auszahlen. Vgl. HansOLG HansGZ 1926 Nr. 41. 24
e) Vergütung. Der Schiffsmakler hat für seine Dienste für das Schiff regelmäßig Anspruch auf Vergütung (Klarierungsgebühren). Soweit ihre Höhe nicht vertragsmäßig festgesetzt oder durch obrigkeitliche Taxen normiert ist, unterliegt sie dem richterlichen Ermessen. In älteren Entscheidungen ist mehrfach ausgesprochen worden, daß die Vergütung für die usuellen Leistungen des Schiffsmaklers nicht in Prozenten des Werts von Schiff, Fracht und Ladung zu berechnen sei (OAG Lübeck HansGZ 1868, 329ff.; LG Hamburg HansGZ 1883, 185), sondern angemessenerweise in einem Prozentsatz vom Betrage der gesamten Unkosten bestehe. Trotzdem bildet die Berechnung nach der Höhe der Fracht die Regel (Hasselmann, a. a. O. S. 36); Prozente vom Liegegeld können mangels Vereinbarung nicht beansprucht werden. In den meisten Hafenplätzen bestehen heute f ü r die Klarierungsgebühren (engl, „agencyfee") Gebührenordnungen. Die Gebühren werden in der Regel nicht in einem Prozentsatz der Fracht, sondern in nach der Größe des Schiffes und anderen Merkmalen bestimmten Sätzen berechnet. Die Klarierungsgebühren sind von den in Anm. 11 behandelten echten Maklerlöhnen, die der Schiffsmakler für den Abschluß der Fracht-, Miet- oder Kaufverträge erhält, streng zu unterscheiden. Ist der Schiffsmakler, der den Frachtvertrag abschließt, mit demjenigen, der die Schiffsgeschäfte abschließt, identisch, so hätte er außer der Befrachtungscourtage noch Anspruch auf die Klarierungsgebühren. Bis zum SRÄG hatte der Schiffsmakler f ü r seine Ansprüche gegen den Reeder ein Schiffsgläubigerrecht, wenn der Kapitän ihn außerhalb des Heimathafens im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse beauftragt hatte und die Voraussetzungen des damaligen § 754 Ziff. 6 oder 8 H G B gegeben waren. Siehe wegen der weiteren Einzelheiten Bd. II S. 768 Anm. 24 der dritten Auflage dieses Kommentars. Dieses Schiffsgläubigerrecht ist seit dem SRÄG entfallen, da es ein Schiffsgläubigerrecht für Kapitänsgeschäfte nicht mehr gibt. In der bloßen Unterschrift des Kapitäns unter die Abrechnung des Maklers ist im Zweifel nur eine Bestätigung des Kapitäns zu erblicken, daß die in Rechnung gestellten Arbeiten geleistet sind, nicht aber eine Anerkennung der erhobenen Forderung. Die Bezahlung der Rechnung, bevor der Reeder sie auf ihre Richtigkeit prüfen konnte, entspricht nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Reeders. Der Schiffsmakler des Zeitcharterers ist nicht befugt, für den Reeder Rechnungen für Schiffsarbeiten zu bezahlen, die dieser bestellt hat, auch nicht, wenn der Kapitän auf Wunsch des Unternehmers seinen Namen auf die Rechnung gesetzt hat. Anders liegt es, wenn der Zeitcharterer Ausrüster ist (vgl. HansOLG HansRZ 1921, 908 f.). Siehe OLG Hamburg VersR 1973, S. 164: Ein Reeder verstößt gegen Treu und Glauben, wenn er erst mehrere Jahre nach Übersendung einer mit Belegen versehenen Abrechnung des Schiffagenten beanstandet hat, bestimmte Anschaffungen an Betriebsstoffen und Ausrüstungsgegenständen seien nicht erforderlich gewesen und trotz einer Empfangsquittung eines Schiffsingenieurs nicht auf das Schiff gelangt.
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2. Rechtsverhältnis zwischen dem Schiffsmakler als Vertreter des Kapitäns bzw. Reeders und dem Dritten: Vertretungsmacht. Ist der Schiffsmakler vom Kapitän beauftragt worden, so gilt er in gewissem Umfange als geschäftlicher Substitut des Kapitäns (HansOLG HansGZ 1887 Nr. 128; 1888, 312; 1896, 226; R G Z 58, 150). a) Hieraus folgt:
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aa) Die Vertretungsmacht des Schiffsmaklers geht, von vertragsmäßigen Erweiterungen abgesehen, keinesfalls weiter als die gesetzlichen Befugnisse des Kapitäns. Hieraus ergibt sich aber nicht, daß, wenn die letztere zeitlich wegfällt, z. B. durch Tod oder Entlassung des Kapitäns, damit auch die Vertretungsmacht des vom Kapitän beauftragten Schiffsmaklers beendet wird ( H G H a m b u r g HansGZ 1869,145). 1056
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bb) Der Schiffsmakler ist, abgesehen von vertragsmäßigen Erweiterungen seiner Vollmacht 2 7 durch den Reeder, nicht befugt, sich mit Rechtshandlungen des Kapitäns in Widerspruch zu setzen, z. B. willkürlich Frachtsätze oder sonstige wesentliche Bestimmungen in den vom Kapitän gezeichneten Konnossementen zu ändern (OG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 179; Wagner, HB 273), einen anderen Stauer als den vom Kapitän bereits beauftragten die Entlöschung des Schiffes zu übergeben. Bei widersprechenden Erklärungen beider hat sich der Dritte daher an diejenige des Kapitäns zu halten, sofern nicht der Schiffsmakler seine weitergehende Vollmacht dartut. b) Präsumtiver Umfang der Vertretungsmacht des Schiffsmaklers. Über ihn ist im allgemei- 2 8 nen bereits oben Anm. 1 gesprochen worden. Die einzelnen Geschäfte, zu denen der Schiffsmakler präsumtiv, also bis zum Gegenbeweise, als bevollmächtigt gilt, sind: aa) Der Abschluß von Frachtverträgen, insbesondere Uber Stückgüter, und die Erledigung 2 9 der mit der Erfüllung des Frachtvertrages zusammenhängenden Geschäfte. Hiernach ist der Schiffsmakler legitimiert, für den Kapitän den Lade- und Löschplatz zu besorgen, dem Befrachter die Ladebereitschaft anzuzeigen (HansOLG HansGZ 1888 Nr. 132), ebenso dem Empfänger die Löschbereitschaft, verpflichtende Erklärungen betreffend Art, Zeit und Kosten der Einnahme der Ladung abzugeben (HansOLG HansGZ 1893, 262), Fracht und Liegegelder einzuziehen (HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 42; 1873 Nr. 26; 1875 Nr. 209; HansOLG H a n s G Z 1886 Nr. 12; 1888 Nr. 132; 1890 Nr. 3; R G Z 58, 150 usw.), ebenso Fautfracht (Ullrich, Nr. 24) und Passagegelder (Seebohm, Nr. 73), Frachtberechnungen aufzumachen (die dann regelmäßig Kapitän und Reeder gegen sich gelten lassen müssen: HansOLG HansGZ 1886 Nr. 12; H G Antwerpen Le Droit Maritime Beige 1912 S. 511), sich als „Gegenpartei" zu den Besichtigungen des § 610 zuziehen zu lassen (HansOLG HansGZ 1896, 226), alle auf Auslieferung der Ladung an den Empfänger bezüglichen Verhandlungen zu führen, Konnossemente abzustempeln (Schaps, ZHR Bd. 42, S. 415; Hasselmann, S. 51; Sieveking, S. 349; HansOLG HansGZ 1912 Nr. 127 = LZ 1913, 319 = SeuffA BGBl. 68, S. 74ff.; Anm. 7 zu § 614 HGB), zu viel ausgelieferte Ladung zurückzuverlangen (LG Hamburg HansGZ 1879 Nr. 142), das Vorhandensein von Mankos anzuerkennen und den Abzug des Wertes derselben von der Fracht zu gestatten (HG Antwerpen Le Droit Maritime Beige 1911, S. 45; HG Gent Le Droit Maritime Beige 1912 S. 424; 1913, S. 48), dem Empfänger Abnahmeaufforderungen des Kais weiterzugeben (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 50), mit der Löschung zusammenhängende Verträge, z. B. mit Stauern (HansOLG H a n s G Z 1887 Nr. 128 = SeuffA Bd. 43, Nr. 211), Leichterschiffern (Wagner, HB 273), Kaianstalten (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 37; Friedensgericht Antwerpen Le Droit Maritime Beige 1913, S. 597) und Lagerhäusern (Hasselmann, a. a. O. S. 46) zu schließen und zu erfüllen. Über die Legitimation des Schiffsmaklers, dem Empfänger die Belegung einer Verklarung zuzusagen, und die Wirksamkeit einer solchen Zusage s. H G Hamburg HansGZ 1871 Nr. 195. Dagegen ist der Schiffsmakler nicht befugt, ohne besondere Vollmacht des Reeders oder Kapitäns Konnossemente zu zeichnen (ROHG 14, 337; HansOLG HansGZ 1887 Nr. 118; R G HansGZ 1888 Nr. 80; H G Antwerpen Le Droit Maritime Beige 1913, 73), er wäre denn ständiger Vertreter des Reeders in einem auswärtigen Hafen (RGZ 20, 55; HansOLG HansGZ 1895, 140); ist ihm aber diese Befugnis gegeben, so hat er sie nach außen in demselben Umfang wie der Kapitän, und der Reeder kann sich auf deren Einschränkungen durch ihn selbst oder durch den substituierenden Kapitän nicht berufen ( R G Z 20, 55; 74, 195; anders HansOLG HansGZ 1909, 239 = SeuffA Bd. 65, S. 204). Er ist ferner nicht berechtigt, wesentliche Bestimmungen der vom Kapitän gezeichneten Konnossemente eigenmächtig zu ändern (oben Anm. 27), ebensowenig zur Geltendmachung von Regreßansprüchen gegen den Ablader (Ullrich, Nr. 82; H G Hamburg HansGZ 1875 Nr. 209). bb) Die aktive gerichtliche Vertretung ohne besondere Vollmacht in allen unter aa aufge- 3 0 führten Angelegenheiten, also insbesondere die Einklagung von Fracht, Liegegeld, Fautfracht und Passagegeldern (s. die unter aa zitierten Entscheidungen). Zu klagen hat aber nicht der Schiffsmakler im eigenen Namen (vgl. Seebohm, Nr. 73), auch nicht „als Vertreter des Schiffes X", sondern „der Reeder N. N. des Schiffes X., vertreten durch den Schiffsmakler Y." (RG SeuffA Bd. 54, S. 102 = HansGZ 1898, 274). Hieraus folgt, daß dem für das Schiff klagenden Schiffsmakler gegenüber zwar Einreden gegen das Schiff (Seebohm, Nr. 34), aber nicht Einre1057
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den aus seiner eigenen Person erhoben werden können (Seebohm, Nr. 7; HansOLG HansGZ 1890 Nr. 3), daß insbesondere der Schuldner nicht mit Gegenforderungen gegen den Schiffsmakler aufrechnen kann (RG HoldheimsMSchr. 1909 S. 327). Siehe auch Manca, International Maritime Law Bd. I, S. 260 f. Auf die passive gerichtliche Vertretung des Kapitäns oder Reeders braucht er sich Dritten gegenüber nicht einzulassen (Ullrich, Nr. 12; Hermann u. Hirsch, Nr. 110). 31
Der Schiffsmakler ist weiter befugt, die Verklarung für den Kapitän zu
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Eine ganz andere Rolle spielt der Schiffsmakler, wenn er sich als Kavent für den Reeder verklagen läßt (oben Anm. 23). Er tritt alsdann im eigenen Namen auf, nicht als Vertreter, kann also Gegenansprüche des Reeders im Wege der Widerklage nicht geltend machen (RG HansGZ 1888 Nr. 4 = Bolze Bd. 3 Nr. 1160; HansOLG HansGZ 1888, 78), sofern sie ihm nicht abgetreten sind. Für sein Auftreten als Kavent gebührt ihm auch ohne Abrede eine Vergütung (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 26).
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3. Haftung des Reeders. Dieser haftet, einerlei, ob er selbst den Schiffsmakler beauftragt hat oder ob dies durch den Kapitän auf Grund seiner gesetzlichen Vollmacht geschehen ist, seit dem SRÄG mit seinem ganzen Vermögen und der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach Maßgabe der §§ 486 ff. HGB, wenn deren Voraussetzungen gegeben sind.
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4. Haftung des Schiffsmaklers. Der Schiffsmakler haftet — und zwar, wo er haftet, auch für das Verschulden seiner Leute gemäß § 278 BGB (vgl. Ullrich Nr. 187) — ohne die Beschränkungsmöglichkeit nach §§ 486 bis 487 d HGB (denn der Schiffsmakler ist kein Bediensteter des Reeders im Sinne von § 487 Abs. 1 Ziff. 2 HGB): a) dem Reeder gegenüber nach dem Vertrage, auf dem das Vertretungsverhältnis beruht, also regelmäßig für jedes Verschulden (Beispiele: schuldhafte Unterlassung der Aufforderung des § 588 Abs. 1 H G B : HansOLG HansGZ 1893, 263; Ausstellung eines falschen Manifestes: HansOLG HansGZ 1908, 163). Verschulden liegt nicht ohne weiteres in der Kreditierung der Fracht an solvente Empfänger (HansOLG HansGZ 1884 Nr. 36; strenger R G JW 1893 S. 546). Über die persönliche Haftung des mehrere Reedereien vertretenden Schiffsmaklers, der ohne Benennung einer derselben abschließt und sie auch nachher nicht benennt siehe HansOLG HansGZ 1912 Nr. 104. Über Haftung des Verfrachtermaklers, der gleichzeitig konnossementsmäßiger Empfänger ist, siehe BGH Hansa 1958. Siehe über Ersatzpflicht des Agenten wegen weisungswidriger Ausstellung eines Konnossements OLG Hamburg Hansa 1975 S. 1391: Nichtaufnahme der Klausel in das Konnossement „freight is payable according to the C/P, the terms, conditions and exemptions of which apply to this B/L and are deemed to be incorporated herein". Werden einem Agenten des Zeitcharterers, der zugleich die Interessen des Reeders wahrnimmt, die Frachten abgetreten, so kann er nach den Umständen verpflichtet sein, einem Schiffsmakler, den er im Namen des Charterers mit der Abfertigung des Schiffes beauftragt, darüber zu unterrichten, daß die vom Agenten einzuziehenden Frachten der Reise an den Reeder abgeführt und mit Forderungen des Agenten verrechnet, nicht aber zur Deckung der Auslagen und der Vergütung des Schiffsmaklers verwendet werden sollen. (BGH Hansa 1959 S. 373 = M D R 1959, S. 187 = VersR 1959, S. 64). Aus dem Grundsatz, daß ein Vertreter persönlich f ü r ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet, wenn er im eigenen Interesse handelt (BGHZ 14, 313), kann sich eine Verpflichtung des Agenten zum Ersätze des Schadens ergeben, den der Schiffsmakler dadurch erleidet, daß er darauf vertraut, der Agent werde zunächst die Kosten der Abfertigung des Schiffs begleichen und nur die Nettofrachten für sich und den Reeder in Anspruch nehmen. Vgl. B G H VersR 1972 S. 366 = MDR 1972 S. 305 = VklBl. 1972 S. 220: Hat ein Schiffsmakler f ü r eine Reederei die Abfertigung eines Schiffes übernommen, so trifft ihn auf Grund seiner gewerblichen Tätigkeit eine allgemeine Rechtspflicht, bei der Genehmigung zur Verladung von Gütern in das Schiff so zu verfahren, daß keine vermeidbaren Gefahrenquellen für das Eigentum Dritter, insbesondere anderer Ladungsbeteiligter geschaffen werden. Sind die Vorschriften der VO über gefährliche Seefrachtgüter beachtet worden, so besteht keine Rechtspflicht des Schiffsmaklers, die Schiffsleitung besonders auf erkennbare Beschädigun1058
Der Schiffsmakler
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gen von Verstandstücken hinzuweisen, die zur sicheren Beförderung eine besonders sorgfältige Behandlung erfordern und gegebenenfalls von der Mitnahme auszuschließen sind (so bei Feuchtigkeit von Jutesäcken mit Kalisalpeter, die Nässeflecken zeigen). b) Dritten, insbesondere den Reiseinteressenten (§512 HGB) gegenüber nicht wie ein Kapitän 35 (Wüstendörfer, Studien Bd. 1 S. 239; Pappenheim, HB 3 S. 225 Anm. 5; vgl. HansOLG HansGZ 1893, 263; Boyens, Bd. 1, S. 136; Hasselmann, a . a . O . S. 32; anders Wagner, HB S. 265, 274), sondern nur aa) nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen (§§ 823, 826 BGB); bb) im Falle der Gewährleistung (HansOLG HansGZ 1900, 83; 1907 Nr. 101; Friedensge- 36i, rieht Antwerpen Le Droit Maritime Beige 1913 S. 597; vgl. den bei Hasselmann, a. a. O. S. 45 abgedruckten Verpflichtungsschein) und überhaupt der Zusagen im eigenen Namen (vgl. Ullrich Nr. 244; Hermann und Hirsch Nr. 94; H G Hamburg HansGZ 1868, 46); sowie, falls er auch zu ihnen in einem Vertragsverhältnis steht, für Sorgfaltsverletzungen, z. B. dahin, daß er es geschehen läßt, daß der Kapitän vertragswidrige Bedingungen ins Konnossement schreibt (LG Bremen HansGZ 1885 Nr. 32); cc) als falsus procurator (§ 179 BGB) oder bei Überschreitung seiner Befugnisse (Beispiele: 37 Seebohm, Nr. 3, 59). Doch fällt in diesem Falle seine Haftung durch Genehmigung des Kapitäns oder Reeders fort. dd) gemäß §95 HGB bei Anwendung der Aufgabeklausel (Pappenheim, HB 3 S. 114; 38 HansOLG HansGZ 1912 Nr. 104). 5. Haftung des Kapitäns. Der Kapitän haftet jedem Dritten für Verschulden des Schiffsma- 39 klers nur (§ 533 Abs. 2 HGB), a) im Falle der Gewährleistung b) falls er durch Genehmigung der Geschäftsführung des Schiffsmaklers selbst seine Befugnisse überschreitet. Dem Reeder und den Reiseinteressenten haftet er außerdem nach §§ 511, 512 HGB für jedes Verschulden, insbesondere für mangelnde Auswahl und Instruktion des Schiffsmaklers. Soweit er sich des Schiffsmaklers zur Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeiten bedient, haftet er für dessen Verschulden aus § 278 BGB. IV. Der Schiffsmakler als Reedereivertreter in der Linienfahrt. 1. In der Linienfahrt ist es üblich, daß eine Reederei einen Schiffsmakler ständig damit be- 40 traut, Frachtverträge über Stückgüter zu vermitteln und im Namen der Reederei abzuschließen. Anders als in der Trampschiffahrt wird hier die Vermittlung von Frachtverträgen und die Besorgung der Schiffsgeschäfte regelmäßig von dem gleichen Schiffsmakler erledigt, der meist auch zum Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff. HGB bestellt wird. Soweit die §§ 84 ff. HGB zwingendes Recht enthalten, sind sie für den Schiffsmakler als Handelsvertreter abdingbar (§ 92 c Abs. 2 HGB). Anders als der Maklervertrag verpflichtet der Handelsvertretervertrag als Unterart des Dienstvertrages den Handelsvertreter zur Tätigkeit für den Geschäftsherrn, wenn auch bei der Art ihrer Durchführung die Selbständigkeit des Dienstverpflichteten zu berücksichtigen ist. Es ist ein auf die Dauer berechnetes Verhältnis zum Geschäftsherrn erforderlich, auf Grund dessen der Handelsvertreter verpflichtet ist, im Interesse des Geschäftsherren für diesen als Vermittler tätig zu sein oder in seinem Namen Geschäfte abzuschließen. Regelmäßig erhält der Schiffsmakler als Handelsvertreter vom Reeder selbst seine Vollmacht. Soweit er aber im Rahmen der gesetzlichen Kapitänsbefugnisse in Beziehung auf ein bestimmtes Schiff Geschäfte tätigt, hat er trotzdem als Substitut des Kapitäns zu gelten (Wüstendörfer, HB S. 340ff.; ders., Studien 1, S. 247; Wagner, HB S. 265ff.; Kleemann, a. a. O. S. 62; Zander, a . a . O . S. 77). Es wird durch die rechtsgeschäftliche Vertretung des Reeders nicht ausgeschlossen, daß der Schiffsmakler zugleich Substitut des Kapitäns ist (Kleemann, a. a. O.). In der Trampschiffahrt findet sich nicht selten ein handelsvertreterähnliches Verhältnis zwischen Trampreeder und Schiffsmakler, indem der Reeder, ohne irgendwie vertraglich ge1059
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
bunden zu sein, seine Frachtverträge fast ausschließlich durch Vermittlung eines Schiffsmaklers schließen läßt (Kleemann, a. a. O. S. 64; s. auch Wüstendörfer, ZHR Bd. 58, S. 126ff.). Über „gewillkürte Prozeßstandschaft" des ständigen inländischen Schiffsmaklers einer ausländischen Reederei vgl. H G Hamburg Hansa 1956 S. 2397. 41
2. Hauptaufgabe des Linienagenten ist neben der Besorgung der Schiffsangelegenheiten die Güteranwerbung. Seine Vergütung besteht in der Regel in einem Hundertsatz der ein- oder ausgehenden Fracht. Hiermit ist regelmäßig auch die Tätigkeit hinsichtlich der Klarierung mit abgegolten (anders in der Trampschiffahrt). Anders als für den Provisionsanspruch des Maklers ist es für den des Handelsvertreters regelmäßig Voraussetzung, daß das vermittelte Geschäft zur Ausführung gelangt (§ 87 HGB).
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3. W e n n auch der Aufgabenkreis des Schiffsmaklers als Handelsvertreter in den meist auf längere Zeit geschlossenen Verträgen regelmäßig genau beschrieben wird, so hat sich doch auch hier, wie in der Trampfahrt, der Umfang der Befugnisse für die diesbezügliche Tätigkeit des Schiffsmaklers durch Üblichkeit herausgebildet, wenn auch mit Unterschieden in den einzelnen Hafenplätzen. Dabei ist es, anders als in der Trampschiffahrt, nicht immer möglich, die reine Vertretertätigkeit von Obliegenheiten bezüglich der Besorgung der Schiffsangelegenheiten zu scheiden, so hinsichtlich der Frachteinziehung, die im Liniendienst, dem Makler obliegt (vgl. auch die Ausführungen in Anm. 23 u. 29). Der Umfang der Befugnisse des Linienagenten ist in einigen Punkten noch weiter als im Trampverkehr. So gehört hier zum üblichen U m f a n g der Vollmacht außer den technischen Diensten des Fahrbetriebes wie Ein- und Ausklarierung, Aufmachung der Manifeste, Frachteinziehung und Legitimationsprüfung der Empfänger vornehmlich auch die rechtsgeschäftliche Vertretung der Reederei, insbesondere der Abschluß von Stückgüterverträgen ( Wüstendörfer, Studien Bd. 1, S. 235; Kleemann, a. a. O. S. 73). Im Zusammenhang mit dem Abschluß von Stückgüterverträgen gehört zum üblichen Umfang der Befugnisse des Linienagenten im Gegensatz zur Trampschiffahrt auch die Zeichnung der Konnossemente ( Wüstendörfer, Studien Bd. 1, S. 235; Kleemann, a. a. O. S. 93; anders die ältere Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung: R O H G 14, 337; HansOLG HansGZ 1887, 279; R G HansGZ 1888, 84; 1895, 140; Boyens, Bd. 2, S. 310). - War dem Schiffsmakler die Ausstellung der Konnossemente übertragen, damit insbesondere auch die Sorge dafür, daß das Konnossement keine tatsächlichen falschen Angaben enthielt, so darf sich der Makler nicht auf die Angaben der Stauerei oder sonstiger dritter Personen verlassen, sondern muß sich im Rahmen des nach den Umständen des Einzelfalles Gebotenen selbst davon überzeugen, welche Ladung das Schiff übernommen hat (LG Hamburg vom 2. 12. 1960, mitgeteilt von Lebuhn, Internationale Transport-Zeitschrift 1961 S. 905; anders HansOLG Hansa 1959, S. 1708, wonach der Schiffsführer festzustellen hat, welche Güter an Bord genommen sind. Der Agent handle im allgemeinen nicht fahrlässig, wenn er sich bei der Konnossementsausstellung auf die Mengenangaben des Schiffes verläßt. Eine Reedereiagentur ist nicht Schuldnerin der nach dem Hamburger Kaitarif zu zahlenden Gebühren (OLG Hamburg Hansa 1467 S. 1630). Siehe OLG Hamburg Hansa 1967 S. 2055, wonach der Agent nicht für die Abwicklung der von ihm als Vertreter abgeschlossenen Geschäfte haftet.
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V. Rechtsvergleichende Hinweise. In Frankreich haben die sog. „courtiers interprètes et conducteurs de navire (vgl. Art. 80 c. com), die auch als „courtiers maritimes" bezeichnet werden, ein Maklermonopol. Doch widmen sich neben ihnen auch zahlreiche „agents maritimes" der Vermittlung von Frachtverträgen an solchen Plätzen, wo keine amtlichen Makler ansässig sind, so vornehmlich in Paris. Die courtiers maritimes treten nicht offen als Makler auf, sondern erscheinen als Vertreter der Befrachter. Siehe über Frankreich Rodière, Traité Bd. I S. 61 ff. In Belgien hat der Schiffsmakler („courtier de navires" oder „courtier maritime") einen ähnlichen Aufgabenkreis bei der Schiffsabfertigung wie in Deutschland (vgl. Kleemann, a. a. O. S. 60). Die Schiffsmaklertätigkeit kann dort frei ausgeübt werden. Gleiches gilt für die Niederlande (Art. 64 WvK), Spanien (Art. 118 HGB) und vornehmlich auch GroBbritannien. Hinzuweisen ist auf die bekannte Befrachtungsbörse „The Baltic London Mercantile and Shipping Exchange". 1060
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Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden
VI. Internationalprivatrechtlich kommt für den Schiffsmaklervertrag in erster Linie das 4 4 vereinbarte Recht zur Anwendung, in zweiter Linie ist maßgeblich der hypothetische Parteiwille (siehe dazu Hamburg Schiedsspruch Hansa 1959, S. 1753, ferner BGH Hansa 1956, S. 177: Anwendung deutschen Rechts auf einen Schiffsmakler-Vertrag, an dem neben einem deutschen ein niederländischer Schiffsmakler beteiligt ist), in dritter Linie das Recht des Erfüllungsortes, der regelmäßig mit dem Geschäftssitz des Maklers identisch sein wird. Fünfter
Abschnitt
Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden Schrifttum: Androulidakis Dimitriadis, Der Passagiervertrag auf See, 1967 (Überseestudien Heft 33); Bieber, Das neue französische Seefrachtrecht, Diss. F r a n k f u r t / M 1972, S. 182 ff.; Bonassies, La responsabilité du transporteur maritime de passagers et le droit des Etats-Unis d'Amérique, D M F 1959 S. 195 ff. und 260ff.; Bruun, Med Bill â Bât, en sjörättslig Frâgâ (Accompanied Cars Transported by Sea, 1954; Carver, S. 1492 ff.; Clamer, Die Haftung des Reeders für Personenschäden an Bord, Diss. Hamburg 1960; Deloukas, Die Haftung des Seebeförderers für das Gepäck der Passagiere, ZHR Bd. 126 S. 46; Ehlermann, Die Haftung des Seebeförderers aus Passagierunfällen an Bord nach deutschem und französischem Recht, Diss. Hamburg 1966; Grapengeter, Der Überfahrtsvertrag des deutschen Seerechts, Diss. Halle 1917; Hermann, Die geschichtliche Entwicklung des Seereisevertrages vom Hochmittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Diss. Kiel 1939; Klett, Verkehrsfragen beim Auswanderungswesen, Archiv für Verkehrswesen, 1957 S. 83; Lebuhn, Die Haftung des Reeders für Reisegepäck VersR 1962 S. 887; Legendre, La Convention d'Athènes relative au transport par mer de passagers et de leur bagages, D M F 1976 S. 451 ff. Prodromidès, La responsabilité du transporteur dans le transport international des passagers et de leur bagages, D M F 1957 S. 195 ff. und 259 ff. Rodière, Traité Bd. III 1970 S. 221 ff.; Rodiére, A badir und Chao, Le transport de personnes dans la Jurisprudence (Recueil Systématique de Jurisprudence commentée Nr. 1) 1973; Rosenau, Die Haftung des Beförderers für Personenschäden von Reisenden, Diss. Hamburg 1970; Szèkessy, Kritik des Passagiervertrages, Diss. Hamburg 1964; Trappe, Quelques remarques sur la convention internationale pour l'unification de certaines règles en matière de transport de passagers par mer, Bruxelles 1961, Revue se quancun wal iptisad, 32. Jahrg. Nr. 1 ; Wodrich, Haftpflicht und P & O Versicherung beim Passagevertrag, Hansa 1957 und 654; ders., Der Schiffsreisevertrag im Seeverkehr, ungedr. Diss. Hamburg, 1951 ; Wohlhaupter, Der Schiffsreisevertrag (Passagiervertrag) nach deutschem und italienischem Recht, ZHR Bd. 112 S. 172ff.; ders., Verträge zum Recht der Personenbeförderung über See im Mittelalter, Historisches Jahrbuch Bd. 57 (1937) S. 339 ff. ; Wüstendörfer, SHR 365 ff.
Vorbemerkung 1. Der Überfahrtsvertrag (so §§ 664, 668, 670 HGB; in der Überschrift zum Fünften Ab- 1 schnitt noch als „Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden" bezeichnet) oder Passagiervertrag (auch Schiffsreisevertrag) (engl, contract of passage) ist ein Vertrag, in welchem sich der eine Teil, der Beförderungsunternehmer, vom HGB Verfrachter genannt (§§ 669, 673, 674, 676 HGB; Kaufmannseigenschaft kommt ihm zu bei gewerbsmäßiger Betätigung: § 1 Abs. 2 Nr. 5 HGB) verpflichtet, eine andere Person, den Reisenden nebst seinem Gepäck, dem Reisegut, zur See nach einem bestimmten Ort (der im Falle einer Rundreise auch mit dem Abgangsort identisch sein kann) zu befördern. Ein Überfahrtsvertrag fehlt bei den sog. stowaways, d. h. blinden Passagieren; vgl. über diese das auf der Brüsseler Seerechtskonferenz 1957 geschlossene Internationale Übereinkommen über Maßnahmen gegen das Einschleicherun wesen — Anhang zum 5. Abschn. Ziff. 6 — und zu diesem Röhreke und Necker, Hansa 1957 S. 2218). 2. Die Bestimmungen des HGB über den Überfahrtsvertrag sind nicht erschöpfend. 2 Ergänzend kommen, soweit dies sinngemäß zulässig, diejenigen des BGB über den Werk1061
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vertrag (§§ 631 ff.) zur Anwendung, so insbesondere der von der Vergütung handelnde § 632 BGB für die Überfahrtsgelder, ferner die allgemeinen Vorschriften des Rechts der Schuldverhältnisse, z. B. bei Verzug des Verfrachters § 326 Abs. 1 und 2 BGB (anders Boyens, Bd. 2 S. 393, der § 542 BGB anwenden und ein Rücktrittsrecht nur bei Verschulden des Schiffes gewähren will) oder über die Unmöglichkeit der Leistung (§§ 323 ff. BGB). Die Vorschriften der §§ 628 ff. HGB sind Sondervorschriften für den Frachtvertrag, die hier keine entsprechende Anwendung leiden ; s. aber §§ 668 ff. HGB. Der Teilnehmer an einer Exkursion, die anläßlich einer bestimmten Gelegenheit stattfinden soll, kann nicht Rückzahlung des Billettpreises und Entschädigung verlangen, wenn der Anlaß der Reise ohne Verschulden des Verfrachters weggefallen ist (RG Bolze Bd. 11 Nr. 369 = HansGZ 1891 Nr. 67 = SeuffA Bd. 46 Nr. 183; HansOLG HansGZ 1890 Nr. 117). Doch kann es im Einzelfall anders liegen, wenn nämlich der Reisezweck ausdrücklich zur Geschäftsgrundlage gemacht worden ist. Die über die positive Vertragsverletzung entwickelten Grundsätze kommen auf den Passagevertrag zur Anwendung. So haftet der Verfrachter dem Reisenden für den Schaden, der demselben durch eine an Bord herrschende ansteckende Krankheit, die ihm bei Eingehung des Vertrages verschwiegen worden ist, entsteht; einredeweise kann der Verfrachter beweisen, daß der Reisende die Existenz der Krankheit kannte (OAG Lübeck Hamb. Sammlung Bd. 4 Nr. 31 = Seebohm Nr. 144). 3 3. Die §§ 664ff. sind nachgiebiges Recht. Eine zwingende Mindesthaftung, wie sie für den seerechtlichen Frachtvertrag durch die Haager Regeln und für den Luftpassagevertrag durch das Warschauer Abkommen geschaffen wurde (vgl. Art. 17 ff. W A ; siehe auch §§ 44ff. LVG; nach § 50 LVG, nicht nach dem WA, sind Luftfahrtunternehmen verpflichtet, den Fluggast gegen Unfälle zu versichern) gibt es für den Seepassagevertrag nach deutschem Recht noch nicht. Freizeichnung ist nach § 276 Abs. 2 BGB nicht möglich vom eigenen Vorsatz, und nach der Rechtsprechung (vgl. Anhang II zum Vierten Abschnitt Anm. 2) von eigener grober Fahrlässigkeit und der leitender Angestellter, insbesondere in vorgedruckten Formularen. Auch von der Haftung für anfängliche Seetüchtigkeit kann Freizeichnung nicht erfolgen (siehe § 559 H G B Anm. 12). Anders in den USA — siehe dazu Anm. 24 —, Italien (Art. 386, 392 c.nav. Siehe Wohlhaupter, ZHR Bd. 112 S. 204 und Kassationshof II Diritto Marittimo 1962 S. 557 = Recht der Schiffahrt 45 - 0 4 - 1 0 , auch 1963 S. 487 = Recht der Schiffahrt 4 5 - 0 1 - 0 9 ) , in den Niederlanden (Art. 522 bis 524 a WvK), in den skandinavischen Staaten, wo bereits weitgehend der Inhalt der Athener Konvention aus dem Jahre 1974 vorweggenommen ist, eine Haftung für Schäden des Passagiers an Leib und Seele bis zu etwa 150.000 DM und eine Haftung für Verzögerungsschäden besteht, auch ein Haftungsausschluß für nautisches Verschulden nicht gegeben ist (vgl. Hansa 1976 S. 271, Selvig, Revision of the Uniform Skandinavian Maritime Codes, 1976, Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, A Heft 25 S. 19; Pineus, D M F 1975 S. 629), in Frankreich (Gesetz vom 18. Juni 1966, vornehmlich dessen Art. 36, 37 und 38, die an das Passagierhaftungsübereinkommen von 1961 angelehnt sind. Siehe Rodière, Traité Bd. III S. 278ff.; Liesecke, VersR 1967 S. 919), Spanien kennt eine obligatorische Passagierversicherung; vgl. Reglement vom 26. 2. 1943. In der Deutschen Demokratischen Republik ist der Personenbeförderungsvertrag modern in den §§90 — 100 des Seehandelsschiffahrtsgesetzes geregelt, ebenso die Gepäckbeförderung. Es besteht eine zwingende Mindesthaftung, die sich im einzelnen der Höhe nach aus § 98 des Gesetzes ergibt. Eine internationale Vereinbarung, die sich mit der zwingenden Haftung für Passagiere und Reisegepäck befaßt, ist noch nicht in Kraft getreten. Siehe die Entwürfe dazu im Anhang zum Fünften Abschnitt. Die Rechtswirklichkeit in der Bundesrepublik ist gegenwärtig noch von Allgemeinen Beförderungsbedingungen mit Freizeichnungsmöglichkeit beherrscht, auf die allerdings die internationalen Vereinheitlichungsbestrebungen Einfluß auszuüben beginnen (vgl. dazu Anhang zum fünften Abschnitt Ziff. 7). Vgl. über Freizeichnung in Passagebedingungen auch Oberstes Israelisches Gericht LL vom 24. 9. 1960 = Hansa 1961 S. 7. Auch in der Personenschiffahrt auf Binnengewässern ist in der Bundesrepublik die Freizeichnung in dem nach bürgerlichem Recht gestattetem Umfange zulässig. Das BSchG hat die Personenbeförderung überhaupt nur in wenigen Punkten geregelt (vgl. z. B. §§ 7 Abs. 2, 8 1062
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Abs. 4, 45, 77 BSchG). Im übrigen gilt auch hier, abgesehen von den allgemeinen Vorschriften der §§ 1 bis 25 BSchG, das Werkvertragrecht der §§ 631 ff. BGB. 4. Der Vertragsgegner des Beförderungsunternehmers kann identisch sein mit dem Reisen- 4 den, er braucht es aber nicht, insbesondere muß sich der Verfrachter, wenn er auf Inhaber gestellte Passagebilletts ausgegeben hat, gefallen lassen, daß ein anderer als der „Käufer" des Billetts die Gegenleistung beansprucht (§ 807 BGB). Ist der Reisende namentlich benannt, so ist gemäß § 664 H G B zur Übertragung der Rechte die Genehmigung des Beförderungsunternehmers („Befrachters") erforderlich. 5. Ebensowenig wie der Verfrachter des Seefrachtvertrages braucht der Beförderungsunter- 5 nehmer mit dem Reeder des Schiffes, mit dem die Beförderung erfolgen soll, identisch zu sein. Vielmehr kann der Unternehmer sich eines fremden Schiffes bedienen (§ 676), sei es, daß er es mietet, sei es, daß er mit dessen Reeder seinerseits Beförderungsverträge geschlossen hat. Im Wege des Mietvertrages kann er es auch in bare-boat-charter genommen haben und so dessen Ausrüster (§510 HGB) geworden sein. Wegen der Haftung für das Reisegut siehe § 673 HGB. 6. Dem Kapitän steht der Reisende als Reiseinteressent gegenüber (§ 512 HGB); der Kapitän haftet ihm daher aus §§511 ff. HGB.
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7. An eine Form ist der Überfahrtsvertrag regelmäßig nicht gebunden (anders in ausländi- 7 sehen Rechten, so in Italien und in Großbritannien, wo sect. 320 MerchShA 1894 in gewissen Fällen ein „contract ticket" verlangt). Die allgemeinen Beförderungsbedingungen, die die Rechtswirklichkeit des Überfahrtsvertrages beherrschen, verlangen vielfach die Ausstellung eines Fahrscheins. 8. Ein Rechtszwang zum Kontrahieren besteht für den Beförderungsunternehmer nach deut- 8 schem Recht grundsätzlich nicht (anders teilweise das ausländische Recht, z. B. in Italien und die Niederlande, im Bereich des anglo-amerikanischen Rechts für den common carrier): Die Veröffentlichung von Passagebedingungen und Abfahrtszeiten ist nur eine Aufforderung, Vertragsanträge zu machen. Die Voraussetzungen des § 826 BGB, aus dem ausnahmsweise ein Abschlußzwang hergeleitet werden könnte (vgl. auch § 22 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen), werden im praktischen Schiffahrtsbetrieb nur selten vorkommen (z. B. bei einer einzigen Schiffsverbindung zu einer Insel), besonders auch im Hinblick auf regelmäßig im Überseeverkehr ebenfalls vorhandener Luftfahrtverbindungen. Bei der Beförderung eines Seemannes auf Grund des Heimschaffungsgesetzes vom 2. 6. 1902 liegt zwar eine Pflicht zur Mitnahme vor, doch fehlt es hier an einem Beförderungsvertrag im Sinne des HGB, weil die Beförderung in Erfüllung einer Pflicht des öffentlichen Rechts erfolgt. 9. Der Gewerbebetrieb, der die Übernahme der Beförderung von Reisenden zur See zum 9 Gegenstande hat, gilt als Handelsgewerbe (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 HGB) ; wer es betreibt, ist Kaufmann (§ 1 Abs. 1 HGB). Auf den Gewerbebetrieb zielt die Überschrift des fünften Abschnittes; der Ausdruck „Frachtgeschäft" entspricht aber nicht dem Sprachgebrauch. 10. Der Überfahrtsvertrag ist Werkvertrag (vgl. auch BGH ZfBSch 1959 S. 334 = Hansa 1 0 1959 S. 1504 = VersR 1959 S. 443: Gegenstand eines Vertrages über die Fahrt einer Reisegesellschaft mit einem Schiff ist nicht die Überlassung des Schiffes, sondern die Beförderung der Mitglieder der Reisegesellschaft nach dem Bestimmungsort. Ein solcher Vertrag ist kein Mietvertrag, sondern ein Beförderungsvertrag, also ein Werkvertrag), doch hat er abweichend vom Frachtvertrage, nicht eine Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) zum Gegenstand (siehe auch Mittelstein, HB 312). Boyens, Bd. 2 S. 395, bezeichnet den Überfahrtsvertrag als gemischten Vertrag eigener Art (vgl. auch Brandis, Bd. 2 S. 78), weil er nicht nur die Beförderung des Reisenden und seines Gepäcks nach dem Bestimmungshafen zum Gegenstande habe, sondern auch die mietweise Überlassung gewisser Schiffsräume zur Wohnung und bei längeren Reisen regelmäßig auch Beköstigung (Kaufrecht) während der Reise. Aber weder das eine noch das andere ist wesentlich f ü r den Überfahrtsvertrag. Irgendein Raum muß dem Reisenden überlassen sein (entsprechend der Unterbringung des Frachtguts), aber es braucht nicht einmal ein bestimmter Raum zu sein. Zugegeben ist deshalb nur, daß der Passagevertrag außer dem 1063
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
werkvertraglichen Grundelement mehr oder weniger stark auch Elemente eines gemischten Vertrages aufweisen kann, vornehmlich mietvertragliche wegen einer Kabine und kaufrechtliche wegen der Verpflegung (vgl. auch Prüssmann, vor § 664 III A; auch italienischer Kassationshof II Diritto Marittimo 1963 S. 487 = Recht der Schiffahrt 4 5 - 0 1 - 0 9 und französischer Kassationshof D M F 1960 S. 467 = Hansa 1961 S. 1482). Ob dem Reisenden Beköstigung zu gewähren ist, richtet sich nach dem Inhalt des Beförderungsvertrages (siehe dazu auch Buch II Art. 166 belg. c. com.). Alkohol hat der Kapitän dem Reisenden zu verweigern, wenn dadurch die Schiffsordnung gefährdet würde (SeeA Hamburg Hansa 1913 S. 140). 11
11. Eine Ergänzung der §§664 ff. HGB bildet das Gesetz zum Schutz der Auswanderer (Auswandererschutzgesetz) vom 26. 3. 1975 (BGBl. I S. 774). Siehe die Wiedergabe im Anhang zum Fünften Abschnitt Ziff. 1. Nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes ist die Annahme von Prämien für den Abschluß von Beförderungsverträgen mit Ausländern verboten. § 2 Abs. 3 verbietet auslandsunterstützte Beförderung von Auswanderern.
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12. Der Reisende unterliegt an Bord der Befehlsgewalt des Kapitäns bezüglich aller, die Schiffsordnung betreffenden Anweisungen (§ 665 HGB), auch seiner Zwangsgewalt, aber nicht einer disziplinaren Strafgewalt. Auch trifft den Reisenden richtiger Auffassung nach eine Hilfspflicht. Vgl. Wüstendörfer, SHR 365 und 184. Siehe die Erläuterungen zu § 665 H G B und auch Vorbemerkung zum Dritten Abschnitt Anm. 10.
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13. Die Uberfahrtsbedingungen bestimmen fast stets, daß das Überfahrtsgeld im voraus Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrscheins zu zahlen ist. A m Reisegut und an sonstigen an Bord gebrachten Sachen des Reisenden hat der Beförderungsunternehmer ein Pfandrecht wegen des Überfahrtsgeldes (§ 674 HGB) und der Vergütung für Beförderung des Reisegutes, jedoch nur, solange die Sachen zurückbehalten oder hinterlegt, also dem Reisenden noch nicht ausgeliefert sind. Der Reisende, der sich vor oder nach dem Antritt der Reise nicht rechtzeitig an Bord begibt, hat das volle Überfahrtsgeld zu zahlen, wenn der Kapitän die Reise antritt oder fortsetzt, ohne auf ihn zu warten (§ 666 HGB). Nur die Hälfte des Überfahrtsgeldes ist indessen dann zu zahlen, wenn der Reisende vor Antritt der Reise stirbt, durch Zufall (z. B. durch Krankheit) zurückbleiben m u ß oder seinen Rücktritt erklärt (§ 667 Abs. 1 und 2 HGB).
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14. Wesentlich für den Überfahrtsvertrag ist die vereinbarte Abfahrtszeit, auch wenn dies im Gesetz nicht besonders hervorgehoben ist. Der Beförderungsunternehmer ist verpflichtet, die Reise nicht eher als festgesetzt oder üblich und nicht später als vereinbart anzutreten oder fortzusetzen. Werden diese Zeiten nicht innegehalten, so hat der Reisende die Rechte aus §§ 320ff. BGB. Verlust des Schiffes vor oder nach Antritt der Reise hat ein Außerkrafttreten des Vertrages zur Folge (§ 668 HGB). Ein Rücktrittsrecht wird dem Reisenden gewährt im Falle eines Kriegsausbruchs oder einer Verfügung von hoher Hand (§ 669 HGB), einerlei, ob dies vor oder nach dem Antritt der Reise eintritt. Auch der Beförderungsunternehmer kann zurücktreten, wenn er wegen solcher Ereignisse die Reise aufgibt, oder auch, wenn das Schiff hauptsächlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist und die Unternehmung unterbleiben muß, weil die Güter ohne Verschulden des Verfrachters nicht befördert werden können, z. B. wegen eines die Ladung betreffenden Zufalls oder wegen Rücktritts des Befrachters (§ 669 Abs. 2 HGB). Treten Schiffsuntergang, Kriegsausbruch oder die Verfügung von hoher Hand vor Antritt der Reise ein, so ist kein Teil zur Entschädigung des anderen verpflichtet (§ 670 Abs. 1 HGB); ereignen sie sich später, so hat der Reisende einen nach Analogie der Distanzfracht (§§ 630, 631 HGB) zu berechnenden Teil des Überfahrtsgeldes (Distanzüberfahrtsgeld) zu zahlen, und zwar abweichend von § 617 H G B auch dann, wenn er mit dem Schiff untergeht. Verzögert sich die Durchführung der Reise nach ihrem Antritt infolge notwendig werdender Reparatur des Schiffes, so hat der Reisende, der nicht warten will, das volle Überfahrtsgeld zu entrichten. Wartet er die Ausbesserung ab, so hat ihm der Beförderungsunternehmer bis zum Wiederantritt der Reise ohne besondere Vergütung Wohnung und Beköstigung zu gewähren, es sei denn, daß er ihm zur Weiterreise eine gleichwertige Schiffspassagegelegenheit anbieten sollte (§ 671 HGB). 1064
Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden
Vor § 664
15. Es besteht eine Obhutspflicht des Beförderungsunternehmers gegenüber dem Reisenden, 1 5 wenn diese auch nicht so umfangreich ist wie beim Frachtgut, weil es sich um einen sich frei bewegenden Menschen handelt. Der Unternehmer ist nicht nur verpflichtet, den Reisenden überhaupt zu befördern, sondern ihn auch wohlbehalten zu befördern. Er hat dabei insbesondere auch die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen über die Schiffssicherheit zu beachten, wie sie vornehmlich aus in der SchiffssicherheitsVO vom 9. 10. 1972 (BGBl. I 1933), z. B. hinsichtlich der vorgeschriebenen Rettungsmittel, enthalten sind. Doch ist regelmäßig davon auszugehen, daß diese öffentlich-rechtlichen Schiffssicherheitsbestimmungen nur das Mindestmaß dessen darstellen, was der Reisende erwarten kann. Der Beförderungsunternehmer haftet aus dem Beförderungsvertrag dafür, daß alle zur sicheren Beförderung des Fahrgastes gebotenen Einrichtungen und Maßnahmen getroffen sind und sachgemäßer Aufsicht und Überprüfung unterliegen. Vgl. R G Z 83, 197; 116, 214; 124, 49; 126, 329; BGH ZfBsch 1959 S. 334 = Hansa 1959 S. 1504; BGH Hansa 1955, 1886). Dies ist vertragliche Hauptleistungspflicht, nicht nur nebenherlaufende bloße Schutzpflicht ( Wüstendörfer, SHR 367; abweichend Lindenmaier, in Festschrift für Raape, 1948 S. 349ff., bes. 357f.; ders., Hansa 1951 S. 513 f.). Diese Obhutspflicht endet regelmäßig nicht schon, wenn die Fahrgäste das Schiff verlassen, sondern erst, wenn sie an Land kommen. Das Anlandbringen der Fahrgäste ist eine Hauptverpflichtung des Unternehmers, für deren ordnungsgemäße Erfüllung er die Beweislast trägt, wenn der Fahrgast zu Schaden kommt. Müssen für das Anlandbringen Zubringerfahrzeuge benutzt werden, so haftet der Unternehmer für die Zubringung jedenfalls dann, wenn diese sich in seinem Betriebe vollzieht. Beim Anlegen an eine Kaimauer oder eine Landungsbrücke haftet der Unternehmer bis zu dem Augenblick, in dem die Passagiere den Kai oder die Landungsbrücke betreten haben. Für den Zustand der Kais oder der Brücke haftet er jedoch grundsätzlich nicht, wenn diese dem öffentlichen Verkehr dienen (BGH ZfBsch 1959 S. 334 = Hansa 1959 S. 1504 = VerkBl. 1959 S. 486 = VersR 1959 S. 443 = NJW 1959 S. 1366, das Binnenschiffahrtsrecht betreffend; vgl. auch BOSA Hansa 1958 S. 1537; R G Z 118, 91). Siehe auch R G Hansa 1930 S. 621. Vgl. auch brit. Court of Appeal i. S. Norton v. Canadian PacificSteamship Co Ltd. Hansa 1961 S. 2288: Keine Haftung der Beförderungsunternehmer für Verletzungen des Passagiers durch fremde Gepäckträger auf der Landungsbrücke. Doch beschränkt sich die Pflicht jeder Transportanstalt, für sicheren Zu- und Abgang der Passagiere zu sorgen, auf die Stationen, für die sie Beförderungsverträge abschließt (RG JW 1911 S. 360 Nr. 7 = Hansa 1911 S. 406, eine Binnenschiffahrtssache betreffend). In Anwendung der Obhutspflicht auf die Einrichtung einer Schlafkabine, insbesondere ihre Beleuchtungsmöglichkeit, sagt RG Hansa 1918 S. 128, daß das Beförderungsmittel überall so eingerichtet sein muß, daß es vom Reisenden gefahrlos benutzt werden kann. Aus der ausländischen Rechtsprechung vgl. Queen's Bench Div. LL vom 25. 2. 1955 = Hansa 1956 S. 504 f. (Sorgfaltspflicht des Kapitäns gegenüber Passagieren beim Auslegen von Bordspielen), Queen's Bench Div. LL vom 10. 10. 1956 = Hansa 1957 S. 497 (Schutzmaßnahmen bei Glastüren während stürmischen Wetters). Siehe ferner US Court of Appeals, Ninth Circuit, i. S. Moore McCormark Lines v. Russak AMC 1959 S. 1372: Haftung des Unternehmers für einen Unfall durch Nässe auf der Tanzfläche. Mit Recht hat BGH Hansa 1955 S. 1886 = VersR 1955 S. 420 eine Verpflichtung, die Passagiere einer Barkasse auch noch zu besonderer Vorsicht zu ermahnen, abgelehnt. Bei einem Unfall auf einer Eisenbahnfähre kommt eine seerechtliche Haftung nur in Betracht, wenn der Unfall nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Betrieb der Eisenbahn steht. Soweit das der Fall ist, richtet sich die Haftung nach § 1 R H G und der EVO. Mit dem Betrieb der Eisenbahn steht der Unfall z. B. in Zusammenhang, wenn ein Fahrgast der Eisenbahn während der Überfahrt auf der Fähre aus dem Eisenbahnwaggon auf das Deck der Fähre an einer Stelle aussteigen will, an der sich zunächst eine besondere, auch schon dem Fahrgast benutzte Treppe befand, die aber inzwischen entfernt war (Höchster Gerichtshof Dänemark VersR Beilage Ausland 1961 Nr. 1). Der Beförderungsunternehmer hat ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen bei der Ver- 1 6 letzung der Obhutspflicht ebenso zu vertreten wie sein eigenes (§ 278 BGB; für Besatzungsmitglieder im Rahmen von Dienstverrichtungen § 485 HGB). Außervertraglich haftet er zudem nach §§ 823, 831 BGB (dabei Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB). Aus §§ 823 BGB folgt die allgemeine Rechtspflicht, für die Sicherheit des von ihm auf dem Schiff eröff1065
Vor §664
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
neten Verkehrs zu sorgen (RGZ 124, 50; 126, 330; 160, 156). Für ein Mitverschulden des Passagiers kommt §§ 254 BGB in Betracht. Vgl. z. B. R G Z 116, 214: ein gehbehinderter Passagier bewegt sich bei schwerem Wetter an Deck. 17
Beweislast. Das Reichsgericht hatte ursprünglich in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dem Beförderungsunternehmer obliege die Entlastungspflicht aus §§ 282 BGB, wenn der Reisende körperlich zu Schaden käme (RG HansGZ 1903 Nr. 36 = SeuffA Bd. 58 Nr. 84 für den Fall der Ausbootung; RGZ 55, 335; 62, 120; 86, 322; RG Hansa 1918 S. 128). In späteren Entscheidungen ( R G Z 124, 49; 126, 329 = Hansa 1930 S. 246) legte das Gericht dem Reisenden den Beweis dafür auf, daß ein ursächliches Verschulden vorliege. In der neueren Rechtsprechung hatte das Reichsgericht sich wieder der früheren Auffassung angenähert: Wenn im Falle eines Beförderungsvertrages die Sachlage nach der Lebenserfahrung zunächst auf eine Verletzung der vertraglichen Sorgfaltspflicht schließen lasse, dann müsse der Unternehmer sich entlasten (RGZ 148, 148; 160, 155; 169, 97; mit Recht zustimmend Wüstendörfer, SHR 367 f. So auch der Bundesgerichtshof ZfBSch 1959 S. 334 = Hansa 1959 S. 1500. Siehe auch Prüssmann, vor § 664 D 4, Androulidakis-Dimitriadis, S. 41.
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16. Wegen der Haftung bei Schiffszusammenstoß siehe insbesondere § 736 Abs. 2 Satz 1 HGB, Art. 4 IÜZ: Danach haften bei Tötung oder Körperverletzung des Reisenden die Reeder der schuldigen Schiffe als Gesamtschuldner. Die etwaige Freizeichnung des Reeders des Schiffes, mit dem der Reisende befördert wurde, befreit den anderen Reeder nicht, wenn auch dort ein Verschulden der Schiffsbesatzung vorliegt.
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17. Das anzuwendende Recht. Regelmäßig wird in den Passagebedingungen das Recht der Flagge des Schiffes vereinbart. Auch als mutmaßlicher Parteiwille kann das Flaggenrecht in Betracht kommen, wenn eine echte Verbindung des Schiffes zu seinem Flaggenland angenommen werden kann. Ist das nicht der Fall, so gilt für die Form des Überfahrtsvertrages das Recht des Einschiffungshafens (das überhaupt immer zu beachten ist, wenn es zwingende Vorschriften enthält) als das des Wirkungsstatuts; doch genügt die Beachtung des Rechts des Ortes, an dem der Vertrag geschlossen wurde (Art. 11 EGBGB). Für die Rechtsverhältnisse, die mit der Einschiffung zusammenhängen, gilt auch das Recht des Einschiffungshafens (so auch Schlegelberger-Liesecke, vor § 664 Anm. 18; anders Prüssmann, vor § 664 V A 1), für alle, die mit der Erfüllung des Vertrags zusammenhängen, das Recht des Bestimmungshafens. Italien verweist in Art. 10 der disposizioni preliminari des c. nav. von Gesetzes wegen auf das Recht der Flagge. — Vgl. US Court of Appeals A M C 1955 S. 1191 : Ist in den Passagebedingungen einer britischen Reederei englisches Recht für maßgeblich erklärt, so ist das von den usamerikanischen Gerichten anzuerkennen. Siehe über die Rechtsstellung des auswärtigen Passagierreeders vor amerikanischen Gerichten ausführlich Bonassies, D M F 1959 S. 259 ff. ; ders., D M F 1956 S. 747.
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18. Zuständigkeit. Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes sind die Amtsgerichte zuständig für Streitigkeiten zwischen Reisenden und Kapitänen oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, welche über Überfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über Verlust und Beschädigung der letzteren entstanden sind (§ 23 Nr. 2 b GVG). Die Zuständigkeit ist keine ausschließliche. Siehe auch Prüssmann, vor § 664 VI.
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19. Insbesondere das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika. Vgl. Bonassies, La responsabilité du transporteur maritime de passagers et le droit des Etats-Unis d'Amérique, D M F 1959, S. 195 ff. und 259 ff. Die entsprechenden Normen beruhen überwiegend auf Gewohnheits- und Richterrecht. Es wird unterschieden zwischen der Verantwortlichkeit des Transportunternehmers gegenüber dem Passagier selbst und derjenigen gegenüber seinen Hinterbliebenen im Falle seines Ablebens.
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a) Die Verantwortlichkeit des Transportunternehmers gegenüber dem Passagier selbst Dem Transportunternehmer obliegt hinsichtlich des Passagiers eine ständige „duty of care". Vgl. „The City of Panama" (101 United States Reports 453). Der Transportunternehmer hat den „highest degree of care" zu beachten. Vgl. z. B. „The Arabie" 1929 A M C 1364; „The Black 1066
Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden
Vor §664
Gull" 1956 A M C 1267; „Allen v. Matson Navigation Co." 1958 AMC 1343; US Court of Appeals, 9th Circuit i. S. Lundstrom v. American President Line, AMC 1963 S. 2523 = Hansa 1964 S. 795; US Court of Appeals, 5th Circuit i. S. Stratt v. McCormeck Shipping Co, AMC 1964 S. 119 = Hansa 1964 S. 1396 (Verletzung eines Passagiers durch eine auffliegende Tür). Das bedeutet im einzelnen: Der Transportunternehmer hat dem Passagier ein in gutem Zustande befindliches Schiff zur Verfügung zu stellen. Dessen Einrichtungen müssen in einem solchen Zustande sein, daß der Reisende eine risikolose Reise erwarten kann. Insbesondere müssen die Kabinen und die Aufenthaltsräume sowie die Zugänge zu diesen in einem der Üblichkeit entsprechenden Zustande sein. Die Anlegestelle des Schiffes wie überhaupt die Einrichtungen zur Ein- oder Ausschiffung der Passagiere müssen ordnungsgemäß sein. Vgl. z. B. „Lawlor v. Incres Nassau S. S. Line", 1958 AMC 1701; „Allen v. Matson" a. a. O.; „Kvart v. Swedish American Line", 1924 AMC 387; „The Arabic" a. a. O.; „Gerrish v. Panama Canal Co.", 1957 AMC 2104; doch darf die Sorgfaltspflicht auch nicht übertrieben werden: vgl. „Dumont v. American Export Lines", 1955 AMC 138 und „Demgard v. U. S.", 1950 A M C 1874. Für Fehler seiner Erfüllungshilfen hat der Transportunternehmer in gleichem Umfange einzustehen wie für eigene. Die Beweislast dafür, daß den Transportunternehmer oder ein Besatzungsmitglied (vgl. z. B. „Ludena v. The Santa Lucia", 1953 AMC 533) ein Verschulden trifft, und für den Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Verhalten des Transportunternehmers oder seines Erfüllungsgehilfen trifft den Passagier. Vgl. „Erdmann v. U. S.", 1944 A M C 904; „Dann c.C.G.T.", 1942 AMC 942. Im Gegensatz zum gemeinen amerikanischen Recht erfolgt bei mitwirkendem Verschulden des Passagiers ein teilweiser Ersatz des Schadens. Vgl. „The Melrose - The Sandcraft", 1957 AMC 64. Die Haftung für aufgegebenes Reisegepäck und f ü r Kabinengepäck unterliegt zwar im allgemeinen nicht den Bestimmungen des Harter Act und des US Carriage of Goods by Sea Act. Indessen wird angenommen, daß der Verfrachter wie ein Versicherer haftet. Er kann sich nicht allein durch den Nachweis entlasten, daß ihn und seine Mitarbeiter kein Verschulden treffe. Vielmehr muß er das Vorliegen bestimmter Nichthaftungstatbestände nachweisen, so daß es sich um eine Haftung handelt, die derjenigen bis zur höheren Gewalt ähnelt. Doch scheint die Ansicht über die Haftung für Kabinengepäck nicht einheitlich zu sein (vgl. Bonassies, a. a. O. S. 199). b) Die Ersatzansprüche der Hinterbliebenen eines getöteten Passagiers. Das us-amerikani- 2 3 sehe Recht gibt ihnen Ansprüche aus dem Passagevertrag des Getöteten nicht. In Betracht kommen vornehmlich Ansprüche aus dem Death on the High Seas Act von 1920. Voraussetzung ist, daß der Tod des Passagiers durch den Beförderer oder seine Erfüllungshilfen verschuldet ist, was seitens der Hinterbliebenen zu beweisen ist. Auch muß das Ableben auf hoher See eingetreten sein; bei einem solchen innerhalb der Küstengewässer der USA kommen die Death Acts der einzelnen Bundesstaaten, in deren Gebiet das Ableben erfolgte zur Anwendung (doch sind die Abweichungen der einzelnen Gesetze im allgemeinen nicht sehr bedeutend). Es wird nur Ersatz des materiellen Schadens gewährt, dessen Bemessung allerdings durchweg großzügig gehandhabt zu werden scheint. Ersatzberechtigt sind nur Ehegatte, Eltern und sonstige unterhaltsberechtigte Verwandte, auch uneheliche Kinder (Civil v. Waterman S. S. Co., 1955 AMC 21). c) Inwieweit ist die Haftung des Beförderungsunternehmers zwingend? Das us-amerikani- 2 4 sehe Recht steht Freizeichnungen bei Transportverträgen ohnehin ablehnend gegenüber. Vgl. etwa The Arabic, 1931 AMC 1377. Für Passagierverträge insbesondere erging ein Gesetz vom 5. 6. 1936, das Freizeichnungen im Falle eines Verschuldens des Beförderungsunternehmers oder seiner Gehilfen beim Tode oder bei der Verletzung eines Passagiers für unzulässig erklärte, desgleichen eine Begrenzung der Haftung auf eine Höchstsumme. Doch gilt diese Beschränkung nicht für Gepäck; hier kann eine Höchstgrenze festgesetzt werden, sofern diese nicht unangemessen niedrig ist, und es muß dem Passagier auch die Möglichkeit gegeben sein, gegen Zahlung eines Zuschlags eine höhere Haftungssumme zu vereinbaren. Vgl. Chou v. U. S. Lines, 1949 A M C 1935; Isthmian Co. v. McElligot, 1950 AMC 119. Nach einem Gesetz vom 19. 8. 1935 muß dem Beförderungsunternehmer von dem Personenschaden binnen sechs 1067
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Monaten seit dem Unfall Kenntnis gegeben werden; die Klage muß binnen eines Jahres seit dem genannten Zeitpunkt erhoben werden. Vgl. dazu Foster v. Cunard White Star Ltd., 1941 AMC 1205. Auf Gepäckschaden bezieht sich das Ges. von 1935 nicht. Hier genügt nach der Rechtsprechung eine angemessene Frist. Vgl. dazu Miller v. International Freighting Co., 1951 AMC 944. Vgl. über nicht gefestigte Rechtsprechung, daß der Passagier alle Klauseln des Beförderungsvertrages ausdrücklich durch Unterzeichnung des Fahrscheins nach Betreten des Schiffes bestätigen müsse, Bonassies, a. a. O. S. 204; The Majestic, 166 United States Reports 375; The Kungsholm 1937 AMC 46; Rogers v. Furness & Co., 1952 AMC 154; Toohill v. Cunard S.S.Co. 1955 AMC 600; Hovarth v. Cunard S.S.Co. 1952 AMC 1170; Rasmussen v. Gdynia American Lines 1933 AMC 411; Azrak v. Panama Canal Co., 1954 AMC 713. 25
d) Die Bestimmungen über die beschränkte Haftung des Reeders nach dem Recht der USA werden durch die vorstehenden Ausführungen nicht berührt. §664 Ist der Reisende in dem Überfahrtsvertrage genannt, so ist er nicht befugt, das Recht auf die Überfahrt an einen anderen abzutreten. Übertragbarkeit des Rechts auf die Überfahrt.
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1. Das Recht auf die Überfahrt ist grundsätzlich übertragbar; (anders belg. c. com. Buch II, Art. 165; vgl. für das französische Recht Bieber, a. a. O. S. 188). Für den gewöhnlichen Fall, daß Überfahrtsbilletts auf den Inhaber ausgegeben werden, ergibt sich dies schon aus §§ 807, 793 Abs. 1 BGB. Übertragen werden kann das Recht aber nur vor Antritt der Reise: die Übertragung von Teilstrecken, insbesondere bei Rückfahrkarten, ist unzulässig.
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2. Eine Ausnahme gilt, wenn der Reisende in dem Überfahrtsvertrage genannt ist. Dies ist möglich, auch wenn der Vertrag mündlich geschlossen ist. Eine „Nennung im Vertrage" liegt auch dann vor, wenn dem Präsentanten eines ursprünglich ausgegebenen Inhaberbiletts eine Kabinenkarte auf den Namen ausgestellt wird (Prot. 2505). §665 Der Reisende ist verpflichtet, alle die Schiffsordnung betreffenden Anweisungen des Kapitäns zu befolgen.
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Befolgung der Schiffsordnung. Anders als nach dem britischen MShA 1894, sect. 287, hat der Kapitän keine Disziplinargewalt gegenüber den Reisenden. Er steht zu ihnen nur in einem Rechtsverhältnis auf Grund eines bürgerlichen Vertrages (Boyens, Bd. I S. 447; Grapengeter, a. a. O. S. 60). Der Kapitän ist aber verpflichtet, für Ordnung auf dem Schiffe zu sorgen; das erfordert die Sicherheit der ihm anvertrauten Menschen und Güter. Deshalb bestimmt der § 665, daß der Reisende aus dem Überfahrtsvertrag verpflichtet ist, alle die Schiffsordnungen betreffenden Anweisungen des Kapitäns zu befolgen (ebenso belg. C. Com. Buch II, art. 168). Verletzt der Reisende solche Verpflichtung, so sind zwar Disziplinarstrafen gegen ihn nicht zulässig, aber die eigenartigen Schiffsverhältnisse bringen es mit sich, daß der Kapitän weitgehende Maßregeln ergreifen, nötigenfalls auch Zwang anwenden darf, wenn anders die Ordnung nicht aufrecht erhalten werden kann (Wagner, HB S. 351; Boyens, Bd. 1 S. 447 — 448; Grapengeter, a. a. O. S. 61). Insbesondere wird er auch befugt sein, einen widerspenstigen Reisenden, der dauernd die Schiffsordnung verletzt, von Bord zu entfernen, wenn mit seinem längeren Verbleib an Bord eine dauernde Gefährdung der Schiffsordnung und damit der ordnungsmäßigen Durchführung der Reise gegeben ist (vgl. Boyens, Bd. 1 S. 448; Prüssmann, § 665 A). Vgl. auch Vorbem. vor § 511 HGB Anm. 10 und Vorbem. vor § 664 Anm. 12.
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Hilfspflicht des Reisenden. Eine Verpflichtung des Reisenden, in Notfällen bei den zur Rettung des Schiffs erforderlichen Arbeiten auf Verlangen des Kapitäns mit Hand anzulegen, ist im Gesetz nicht ausgesprochen (Wagner, HB 1 S. 351), wird aber trotzdem auf Grund der ge1068
Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden
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meinschaftlichen Notlage anzuerkennen sein (Grapengeter, a. a. O. S. 61). Vgl. auch Lindenmaier, Jahrb. AkDR 1939/40 S. 125; Prüssmann, § 665 B.
§666 Der Reisende, der sich vor oder nach dem Antritte der Reise nicht rechtzeitig an Bord begibt, hat das volle Überfahrtsgeld zu bezahlen, wenn der Kapitän die Reise antritt oder fortsetzt, ohne auf ihn zu warten. Verspätung des Reisenden. 1. Rechtzeitig muß sich der Reisende vor Antritt (im Abgangshafen) oder nach Antritt der- 1 selben (im Zwischenhafen) an Bord begeben, d. h. eine festgesetzte oder übliche Spanne Zeit vor der festgesetzten oder üblichen Abfahrt des Schiffes, evtl. auf Aufforderung seitens des Kapitäns oder Mitteilung desselben von der Abfahrtsbereitschaft. Sich über die Üblichkeit zu erkundigen, ist ebenso seine Sache, wie die Sorge für die Beförderung an Bord (wegen des Reiseguts s. §§ 673, 561 HGB). Enthält der Überfahrtsvertrag die Bestimmung „passengers must be prepared to embark at Suez the morning of January 6th", so muß der Passagier vom Beginn des Morgens des 6. Januar, also von 24 Uhr nachts an, zur Einschiffung bereit sein (HansOLG HansGZ 1898 Nr. 19). 2. Ist der Reisende nicht rechtzeitig an Bord, so hat er, wenn der Kapitän, ohne auf ihn zu 2 warten, die Reise antritt oder fortsetzt, das volle Überfahrtsgeld zu zahlen (ebenso belg. c. com. Buch II, art. 172). Gleichgültig ist, ob die Verspätung auf Verschulden des Reisenden beruht oder nicht; doch ist in den Fällen des § 667 Abs. 1 nur das halbe Überfahrtsgeld und in den Fällen des § 669 gar kein solches zu entrichten. Vielfach wird im Überfahrtsvertrage die Höhe der Verpflichtung des Reisenden herabgesetzt („passengers not embarking after having engaged a passage, will be liable to forfeit half the passage money": HansOLG HansGZ 1898 Nr. 19). — Im Falle HansGZ 1886 Nr. 74 war nur das Reisegepäck rechtzeitig an Bord gebracht. 3. Der Verpflichtung des Reisenden, pünktlich an Bord zu erscheinen, entspricht die Ver- 3 pflichtung des Verfrachters, die Reise nicht eher als festgesetzt oder üblich, und nicht später als im Überfahrtsvertrag vereinbart (HG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 96), anzutreten oder fortzusetzen (Brandis, Bd. 2 S. 78; Grapengeter, S. 50; Prüssmann, § 666 B), eine Verpflichtung, die freilich durch zufällige Ereignisse beschränkt werden kann („prevented by weather or unforeseen circumstances": HansGZ 1898 Nr. 19), die der Kapitän darzutun hat (HG Hamburg Seebohm Nr. 145). Der Reisende kann aber auf eine verfrühte Abfahrt dann keine Schadensersatzansprüche gründen, wenn er selbst in dem Moment, in welchem das Schiff frühestens abfahren durfte, nicht einschiffungsbereit war (HansOLG a. a. O.). Angaben eines Fahrplans über die Zeit der Abfahrt können Zusicherungen enthalten (anders Grapengeter, a. a. O. S. 50, der sich ohne Grund auf Wüstendörfer Studien Bd. I S. 188 und HansGZ 1898 Nr. 105 beruft, welche von Stückgüterverträgen handeln). §667 (1) Wenn der Reisende vor dem Antritt der Reise den Rücktritt von dem Überfahrtsvertrag erklärt oder stirbt oder durch Krankheit oder einen anderen in seiner Person sich ereignenden Zufall zurückzubleiben genötigt wird, so ist nur die Hälfte des Überfahrtsgeldes zu zahlen. (2) Wenn nach dem Antritte der Reise der Rücktritt erklärt wird oder einer der erwähnten Zufälle sich ereignet, so ist das volle Überfahrtsgeld zu zahlen. Rücktritt oder zufällige Verhinderung des Reisenden vor oder nach dem Reiseantritt 1. Die in Betracht kommenden Fälle sind Rücktrittserklärung des Reisenden, die ausdrück- 1 lieh oder stillschweigend dem Kapitän oder einem anderen Vertreter des Verfrachters gegen1069
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
über erfolgen kann — besonderes gilt von dem Rücktritt in den Fällen des § 669 —, Tod, Reisebehinderung infolge Krankheit oder eines anderen sich in der Person des Reisenden ereignenden Zufalls. Daß einer dieser Fälle vorliegt, ist im Bestreitungsfalle, da es sich um Ausnahmen von dem Satze des § 666 handelt, von dem Reisenden bzw. seinen Erben zu beweisen. Auch der Fall, daß der Verfrachter den an einer ansteckenden Krankheit leidenden Reisenden, ohne daß es dessen Zustand erfordert, im Interesse der übrigen auf dem Schiffe befindlichen Personen ans Land setzt, gehört hierher. Vgl. Brandis, Bd. 2 S. 78; Grapengeter, a. a. O. S. 79. 2
2. Entscheidend ist hier der Reiseantritt, welcher erfolgt ist, wenn das Schiff den Anlegeplatz verlassen hat, um die Reise anzutreten (Boyens, Bd. 2, S. 397; Grapengeter, a. a. O. 76). Tritt einer dieser Fälle vor dem Reiseantritt ein, so ist nur halbes Überfahrtsgeld zu zahlen — also, wenn, wie verkehrsüblich, das Überfahrtsgeld im voraus gezahlt ist, die Hälfte vom Verfrachter zurückzuerstatten —, nach dem Reiseantritt indessen das volle Überfahrtsgeld (für ein Distanzüberfahrtsgeld belg. c. com. Buch II, Art. 176 Abs. 2). Ob in demselben Vergütung für Beköstigung inbegriffen ist, ist gleichgültig. Der Reisende wird von seiner Verpflichtung nicht dadurch befreit, daß sein Platz anderweitig besetzt wird; andererseits kann der Verfrachter weitergehende Ersatzansprüche nicht erheben. Für den Fall des Rücktritts ergibt sich beides daraus, daß ein der Fautfracht (§ 580 HGB) analoger Anspruch vorliegt (Prot. 2515); aber auch in den übrigen Fällen handelt es sich um eine aus Zweckmäßigkeitsgründen gesetzlich fixierte Ersatzsumme (Grapengeter, a. a. O. 76). — Über die Abtretung des Rechts auf die Überfahrt s. Anm. 1, 2 zu § 664. §668 Der Überfahrtsvertrag tritt außer Kraft, wenn durch einen Zufall das Schiff verlorengeht (§ 628 Abs. 1 Nr. 1). Außerkrafttreten des Vertrages im Falle des Verlustes des Schiffes.
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1. Verlust des Schiffes vor oder nach Antritt der Reise. Der angeführte § 628 Abs. 1 Nr. 1 enthält nur Beispiele (Anm. 1 zu § 628). Macht derselbe Zufall, durch den der Verlust des Schiffes eintritt, zugleich dem Reisenden den Antritt oder die Fortsetzung der Reise unmöglich, so ist der Fall nach § 668, nicht nach § 667 zu beurteilen (Prot. 2515ff.; Boyens, Bd. 2, S. 398).
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2. Der Überfahrtsvertrag tritt außer Kraft, kraft Gesetz, ohne daß es einer Rücktrittserklärung bedarf; kein Teil ist dem anderen zur Entschädigung verpflichtet (§ 670 Abs. 1; vgl. Abs. 2); der Verfrachter braucht kein Ersatzschiff zu stellen, der Reisende braucht nicht solches zu nehmen (Grapengeter, a. a. O. S. 80). Abweichende Abreden sind möglich: der Verfrachter kann sich vorbehalten, die Überfahrt mittels eines anderen Schiffes zu bewirken oder bewirken zu lassen.
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Tritt der Verlust nach Antritt der Reise ein, so ist der Verfrachter mangels anderweitiger Abrede nicht verpflichtet, für die Weiterbeförderung der Reisenden zu sorgen.
§669 (1) Der Reisende ist befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, wenn ein Krieg ausbricht, infolgedessen das Schiff nicht mehr als frei betrachtet werden kann und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt wäre, oder wenn die Reise durch eine das Schiff betreffende Verfügung von hoher Hand aufgehalten wird. (2) Das Recht des Rücktritts steht auch dem Verfrachter zu, wenn er in einem der vorstehenden Fälle die Reise aufgibt oder wenn das Schiff hauptsächlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist und die Unternehmung unterbleiben muß, weil die Güter ohne sein Verschulden nicht befördert werden können. 1070
Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden
§670
Rücktrittsrecht ohne Entschädigungsverpflichtung (vgl. § 670 HGB). 1. Die hier aufgestellten Rücktrittsrechte sind gegeben, gleichviel ob die Reise bereits ange- 1 treten ist oder nicht. Dieser Umstand ist indessen von Bedeutung für die Frage, wieweit Überfahrtsgeld zu zahlen ist (§ 670 Abs. 1, 2). 2. (Abs. 1). Ein Rücktrittsrecht des Reisenden ist gegeben, 2 a) falls ein Krieg ausbricht, infolgedessen das Schiff nicht mehr als frei betrachtet werden kann und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt wäre (Anm. 2 zu § 629 HGB); b) falls die Reise durch eine das Schiff betreffende Verfügung von hoher Hand (Anm. 1 zu 3 § 629 HGB) aufgehalten wird. Eine Auflialtung von nach Sachlage ganz unerheblicher Dauer (§ 629 Nr. 1 H G B Schlußabsatz), z. B. das Verbot an das Schiff, den Hafen während eines Tages zu verlassen, kommt nicht in Betracht (so auch Schlegelberger-Liesecke, § 669 Anm. 1 ; ablehnend Prüssmann, § 669 B: die Gründe, die bei der Vollcharter die Einschränkung des § 629 Nr. 1 gebieten, entfallen hier; ersichtlich weitergehend Boyens, Bd. 2, S. 399; Brandis, Bd. 2, S. 79 : nicht von voraussichtlich erheblicher Dauer). 3. (Abs. 2). Ein Rücktrittsrecht des Verfrachters ist gegeben, 4 a) wenn er in einem der Fälle des Abs. 1 die Reise aufgibt. Entschließt er sich nachher infolge veränderter Umstände oder aus sonstigen Gründen, die Reise doch auszuführen oder zu Ende zu bringen, so lebt dadurch der durch den Rücktritt aufgelöste Überfahrtsvertrag nicht wieder auf. b) wenn das Schiff hauptsächlich zur Beförderung von Gütern bestimmt ist und die Untemeh- 5 mung unterbleiben muß, weil die Güter ohne Verschulden des Verfrachters nicht befördert werden können, z. B. wegen eines die Ladung betreffenden Zufalls oder wegen Rücktritts des Befrachters. Es soll dem Verfrachter nicht zugemutet werden, die Reise nur wegen einiger Passagiere zu unternehmen (Prot. 2516 ff.). Daraus, daß das Unterbleibenmüssen der Unternehmung die Bedingung für das Rücktrittsrecht des Verfrachters bildet, ergibt sich, daß die Nichtbeförderung nur eines Teiles der Güter, selbst des größten Teiles derselben, einen Rücktrittsgrund nicht bildet, selbst wenn es dem Verfrachter gelingt, den Frachtvertrag hinsichtlich des Restes rückgängig zu machen. §670 (1) In allen Fällen, in denen nach den §§ 668, 669 der Überfahrtsvertrag aufgelöst wird, ist kein Teil zur Entschädigung des anderen verpflichtet. (2) Ist jedoch die Auflösung erst nach dem Antritte der Reise erfolgt, so hat der Reisende das Überfahrtsgeld nach dem Verhältnis der zurückgelegten zur ganzen Reise zu zahlen. (3) Bei der Berechnung des zu zahlenden Betrags ist die Vorschrift des § 631 maßgebend. Entschädigungsverpflichtung bei Vertragsauflösung gemäfi §§ 668,669. 1. (Abs. 1). Prinzipiell besteht für keinen Teil eine Entschädigungsverpflichtung. Dieser 1 Grundsatz wird zugunsten des Verfrachters in allen Fällen aufrechterhalten. 2. (Abs. 2 und 3). Erfolgt die Auflösung nach Antritt der Reise, d. h. nachdem der Reisende 2 mit dem Schiff die Reise angetreten hat, so hat der Reisende einen nach Analogie der Distanzfracht (§§ 620, 631 HGB) zu berechnenden Teil des Überfahrtsgeldes (Distanzüberfahrtsgeld) zu zahlen, bzw. er kann, wenn er im voraus bezahlt hat, nur den Überschuß über jenen Teil zurückverlangen. Auch im letzteren Falle ist indessen für die Höhe des Distanzüberfahrtsgeldes der Verfrachter beweispflichtig (anders anscheinend H G und O G Hamburg bei Ullrich Bd. 1 Nr. 90), derselbe muß daher, soweit er dessen Höhe nicht nachweisen kann, das ganze Überfahrtsgeld zurückerstatten. Der Anspruch auf das Distanzüberfahrtsgeld besteht (abweichend von § 617 HGB) auch dann, wenn der Reisende mit dem Schiffe untergeht (Boyens, Bd. 2, S. 399; Eine Abrede, daß der Reisende in diesen Fällen das volle Überfahrtsgeld zu entrichten hat, ist in der Vertragsbestimmung zu sehen, daß der Reisende das Überfahrtsgeld zu versichern hat (Boyens, Bd. 2, S. 400; vgl. Prot. 2520ff. und Anm. 8 zu § 617 HGB). 1071
§672
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB §671
(1) Muß das Schiff während der Reise ausgebessert werden, so hat der Reisende, auch wenn er die Ausbesserung nicht abwartet, das volle Überfahrtsgeld zu zahlen. Wartet er die Ausbesserung ab, so hat ihm der Verfrachter bis zum Wiederantritte der Reise ohne besondere Vergütung Wohnung zu gewähren, auch die nach dem Überfahrtsvertrag in Ansehung der Beköstigung ihm obliegenden Pflichten weiter zu erfüllen. (2) Erbietet sich jedoch der Verfrachter, den Reisenden mit einer anderen gleichguten Schiffsgelegenheit ohne Beeinträchtigung der übrigen vertragsmäßigen Rechte des Reisenden nach dem Bestimmungshafen zu befördern, und weigert sich der Reisende, von dem Anerbieten Gebrauch zu machen, so hat er auf Gewährung von Wohnung und Kost bis zum Wiederantritte der Reise nicht weiter Anspruch. 1
1. Notwendige Ausbesserung des Schiffes während der Reise. Notwendig ist die Ausbesserung des Schiffes, wenn es ohne solche den Bestimmungshafen nicht erreichen kann. Wird das ermöglicht durch eine vorläufige Ausbesserung, so ist der Kapitän gegenüber dem Reisenden nicht berechtigt, eine gründliche Ausbesserung vorzunehmen (ebenso Grapengeter, a. a. O. S. 81). Daß die Ausbesserung im gemeinsamen Interesse liegen müßte (so Grapengeter, a. a. O. unter Hinweis auf den Frachtfall RGZ 14 Nr. 14), ist nicht anzunehmen. Eine entsprechende Anwendung des § 671 kommt in Betracht, wenn die Reise zufällig aus anderen Gründen vorübergehend behindert wird (vgl. Wüstendörfer, SHR 370: ungerechtfertigte Beschlagnahme durch einen Gläubiger; Schlegelberger-Liesecke, Anm. 2 zu § 671: Erkrankungen unter der Besatzung infolge einer Epidemie; siehe auch Lindenmaier, Jahrb. AkDR 1939/40 S. 125).
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2. Der Reisende hat in dem Falle der Anm. 1 a) die Verpflichtung zur Zahlung des vollen Überfahrtsgeldes, gleichviel ob er die Ausbesserung abwartet oder nicht; 3 b) falls er die Ausbesserung abwartet, den Anspruch auf vergütungslose Gewährung von Wohnung und im Überfahrtsvertrag etwa vereinbarten Beköstigung bis zum Wiederantritt der Reise (vgl. belg. c. com. Buch II, Art. 178). Dieser Anspruch ist aber auflösend bedingt durch das Erbieten des Verfrachters, den Reisenden mit anderer gleich guter Schiffsgelegenheit ohne Beeinträchtigung seiner sonstigen vertragsmäßigen Rechte nach dem Bestimmungshafen zu befördern. Nimmt der Reisende dieses Anerbieten an, so verwandelt sich sein Anspruch in einen solchen auf Erfüllung des Anerbietens; weigert er sich aber, es anzunehmen, oder erklärt er sich nicht §§ 146 ff. BGB), so erlischt der Anspruch auf Gewährung von Wohnung und Kost bis zum Wiederantritt der Reise, wogegen das Recht auf Weiterbeförderung nach Ausbesserung des Schiffes natürlich bestehen bleibt. §672 Für die Beförderung des Reiseguts, welches der Reisende nach dem Überfahrtsvertrag an Bord zu bringen befugt ist, hat er, wenn nicht ein anderes bedungen ist, neben dem Überfahrtsgelde keine besondere Vergütung zu zahlen. 1
1. Vergütung für Beförderung des Reiseguts. Reisegut sind diejenigen Sachen, die der Reisende als seine persönliche Habe mit sich nimmt, im Gegensatz zu Waren, die er als Frachtgut verladet oder doch nach dem Sinne des Überfahrtsvertrags verladen sollte (HansOLG HansGZ 1887 Nr. 15). Ob der Reisende der Sachen zu seinem Gebrauch unterwegs bedarf, ist gleichgültig (Prot. 2510). Auch Kraftwagen, die der Reisende mit sich führt, können deshalb Reisegut sein. Reiseeffekten, welche unabhängig von der Beförderung der Person des Reisenden zur Beförderung gegeben werden, sind kein Reisegut im Sinne der §§ 672, 673 (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 20; Grapengeter, a. a. O. S. 64), sondern Frachtgut. Vgl. auch Bruun, a. a. O. Ob und wieviel Reisegut der Reisende an Bord zu bringen befugt ist, darüber entscheidet der Überfahrtsvertrag oder der sonst erkennbare übereinstimmende Parteiwille (vgl. Prot. 2509), evtl. die Üblichkeit. 1072
Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden
§673
Handgepäck ist ein Teil des Reiseguts, welches der Reisende für den täglichen Gebrauch bei 2 der H a n d hat und den er deshalb in seiner Obhut (in seiner Kabine) behält (vgl. Anm. 3 zu § 673). Wenn Grapengeter, a. a. O. S. 65 das Handgepäck nicht f ü r Reisegut erklärt und diesen Begriff beschränkt auf das übernommene Reisegut (s. Anm. 2 zu § 673), so wird das dem Sprachgebrauch und dem § 672 nicht gerecht. Die Passagebedingungen in der in Anm. 2 zu § 673 angeführten Entscheidung des HansOLG unterscheiden zwischen Raumgepäck einerseits und Kabinen- und Handgepäck andererseits. 2. Das Gesetz stellt die Vermutung auf, daß der Reisende für Reisegut, welches er befugterwei- 3 se an Bord bringt, neben dem Überfahrtsgelde keine besondere Vergütung zu zahlen hat, weil es sich um einen einheitlichen Vertrag handelt, der zum Hauptgegenstand die Beförderung der Person hat. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich mangels Vereinbarung nach § 619 H G B (§ 673 Abs. 3). Stellt sich heraus, daß das angebliche Reisegut aus Gütern besteht, die der Reisende ohne 4 Wissen des Kapitäns an Bord gebracht hat, so ist für dieselben, wenn der Kapitän sie überhaupt an Bord behält, die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reise und Güter bedungene Fracht zu zahlen (§§ 673 Abs. 3, 564 HGB). 3. Über den Fall, daß das Reisegut Gegenstände enthält, die Schiff oder Ladung gefährden, 5 s. §§ 564 bis 564 c HGB (§ 673 Abs. 3 HGB). §673 (1) Auf das an Bord gebrachte Reisegut finden die Vorschriften der §§ 561, 593, 617 Anwendung. (2) Ist das Reisegut von dem Kapitän oder einem dazu bestellten Dritten übernommen, so gelten für den Fall seines Verlustes oder seiner Beschädigung die §§ 606 bis 608, 610 bis 613. Für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Wertpapiere haftet der Verfrachter nur, wenn diese Art oder der Wert des Gutes bei der Übergabe dem Kapitän oder dem Dritten angegeben worden ist. (3) Auf sämtliche von dem Reisenden an Bord gebrachte Sachen finden außerdem die Vorschriften der §§ 563 bis 565 und 619 Anwendung. Beförderung des Reiseguts. Haftung für dasselbe. Vorschriften für sämtliche von dem Reisenden an Bord gebrachte Sachen. Abs. 2 i. d. F. des SFrG. Schrifttum: Deloukas, Die Haftung des Seebeförderers für das Gepäck der Passagiere, Z H R Bd. 126 S.S. 46. 1. (Abs. 1). Über den Begriff des Reiseguts s. Anm. 1 zu § 672 HGB. Für die Kosten der 1 Einladung desselben gilt § 561 HGB, f ü r die Kosten der Löschung § 593 HGB. Sofern für seine Beförderung eine besondere Vergütung (§ 672 HGB) zu zahlen ist, kommt im Falle des Verlustes durch Unfall § 617 HGB zur Anwendung. 2. (Abs. 2). Haftung für das Reisegut Dieselbe ist verschieden, je nachdem das Reisegut 2 vom Kapitän bzw. einem dazu (vom Verfrachter, Kapitän oder einem Vertreter derselben) bestellten Dritten übernommen ist oder nicht. a) Übernahme des Reiseguts ist seine Annahme im Sinne des § 606 HGB (OLG Rostock HansRZ Bd. 2, 282; vgl. Anm. 19 zu § 606). Es genügt dazu bei einem Küstendampfer, daß das Gepäck auf den dazu bestimmten Teil des Decks gesetzt ist (OLG Rostock a. a. O.). Das HansOLG, HansGZ 1918 Nr. 71 = JW 1918 S. 380 Nr. 4, hat angenommen, daß ein Kabinenkoffer (Handgepäck), der dem Reisenden bei der Ausbootung abgenommen war, dadurch im Sinne des § 673 übernommen war (vgl. Wüstendörfer, JW 1918 S. 380). Der Umstand, daß der Reisende sich nicht rechtzeitig an Bord begeben hat (§ 666), ändert nichts an der schon erfolgten Übernahme seines Gepäcks (anscheinend anders Grapengeter, S. 67; vgl. den Fall HansGZ 1073
§ 674
2. Teil: Seehandelsrecht -
Das 4. Buch des H G B
1886 Nr. 74). Ist die Ü b e r n a h m e erfolgt, so gelten für den Fall seines Verlustes oder seiner Beschädigung für die Haftung des Verfrachters, soweit nicht die hier im R a h m e n des bürgerlichen Rechts (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) zulässige Freizeichnung erfolgt ist (vgl. H a n s O L G a. a. O.)., die Haftungsvorschriften der §§ 606 bis 608 H G B und die Bestimmungen der §§ 610 bis 613 HGB, ebenso die Verjährungsvorschriften der §§ 902, 903 H G B ( H a n s O L G H a n s G Z 1887 Nr. 15), dagegen nicht die Vorschriften über die Höhe des Schadensersatzes (Brandis, Bd. 2 S. 80), d e n n die §§ 658 ff. sind nicht im § 673 Abs. 2 angeführt (anders § 77 BSchG; siehe Mittelstein, H B 314). Deshalb kommt insbesondere auch die Bestimmung des § 660 H G B mit der Haftungsbegrenzung auf DM 1250,- pro Packung oder Einheit nicht zur Anwendung. — Die A n w e n d u n g der §§ 606 bis 608, 610 bis 613 bedeutet insbesondere, daß, soweit nicht bestimmte Schadensursachen in Betracht kommen, der U n t e r n e h m e r sich entlasten muß, daß er nicht f ü r nautisches Verschulden seiner Leute haftet. Der Reisende ist gehalten, den Schaden spätestens bei der Auslieferung schriftlich anzuzeigen — bei äußerlich nicht erkennbaren Mängeln genügt Absendung der Anzeige innerhalb von drei Tagen — oder eine Besichtigung durch einen amtlich bestellten Sachverständigen zu veranlassen, wenn er sich seine Beweisvorteile erhalten will. Die einjährige Ausschlußfrist des § 612 kommt zur Anwendung. — Für ü b e r n o m m e n e s Reisegut in Gestalt von Kostbarkeiten, Kunstgegenständen, Geld und Wertpapieren haftet der U n t e r n e h m e r nur, wenn d e r Reisende ihre Art und ihren Wert dem Kapitän oder dem dazu bestellten Dritten bei der Übergabe angegeben hat. Anders als im Falle des § 660 H G B ist also eine Artangabe ohne Wertangabe hier ausreichend, wie auch eine Wertangabe ohne Artangabe. 3
b) Liegt eine Übernahme nicht vor, wie es beim Handgepäck (Anm. 2 zu § 672) der Fall ist (vgl. O L G Rostock HansRZ Bd. 2, 282), so haftet der Verfrachter, abgesehen vom Falle des Haftungsversprechens, nur für eigenes Verschulden und für solches seiner Erfüllungsgehilfen, im letzteren Falle allgemein nach § 278 BGB und, falls er Reeder oder Ausrüster ist, für Verschulden von Besatzungsmitgliedern nach § 485 H G B (Mittelstein, HB 313). Die Beweislast f ü r einen Verlust trifft hier den Reisenden, weil er die Obhut über das Handgepäck hat (Mittelstein, a. a. O.). 4 3. (Abs. 3). Nicht bloß auf das Reisegut, sondern auf alle vom Reisenden an Bord gebrachten Sachen bezieht sich die Bestimmung des Abs. 3. Danach finden auf dieselben Anwendung die Vorschriften über die Abladung unrichtig bezeichneter Güter (§ 563 H G B ) über die Anbordbringung von G ü t e r n ohne Wissen des Kapitäns (§ 564a H G B ; vgl. Heymann, DJZ 1914, 1053), § 564 (Kriegskonterbande), § 564 b (gefährliche Güter), über die Substitution eines anderen Schiffes (§ 565 HGB) und über die Höhe der Fracht mangels Vereinbarung ( § 6 1 9 H G B ; vgl. aber § 672 HGB).
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4. Die hier nicht aufgeführten Bestimmungen des vierten Abschnitts über die Ladung finden nicht o h n e weiteres entsprechende Anwendung auf das Reisegut, insbesondere nicht diejenigen über die Befugnisse des Kapitäns als Vertreters des abwesenden Ladungsbeteiligten (anders anscheinend Boyens, Bd. 2, S. 402): d e n n der Reisende ist anwesend. Das Reisegut trägt nach § 723 Abs. 1 Nr. 3 H G B zur großen Haverei nicht bei. Nicht zur A n w e n d u n g kommt insbesondere auch § 609 H G B mit der Haftungsbefreiung des Verfrachters bei wissentlich falschen Angaben des Reisenden über die Art oder den Wert des Gutes, weil über Reisegüter kein Konnossement gezeichnet wird.
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5. Auf der Diplomatischen Seerechtskonferenz in Brüssel im Mai 1967 wurde ein Übereinkommen über eine Haftung für Passagiergepäck geschlossen. Siehe dessen Wiedergabe im Anhang zu diesem Abschnitt. Das Übereinkommen ist bis jetzt nicht in Kraft getreten, soll vielmehr mit dem Passagierhaftungsübereinkommen von 1961 zu einem einheitlichen Abkommen zusammengefaßt werden. Das ist geschehen auf der Tokyoter Konferenz des CMI 1969. Der dort gefaßte Entwurf war die Grundlage der Athener Konferenz der I M C O 1974 und des dort gefaßten Konventionsentwurfs, der bisher nicht in Kraft getreten ist.
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§674 (1) Der Verfrachter hat wegen des Überfahrtsgeldes an den von dem Reisenden an Bord gebrachten Sachen ein Pfandrecht. 1074
Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden
§676
(2) Das Pfandrecht besteht jedoch nur, solange die Sachen zurückbehalten oder hinterlegt sind. 1. Das gesetzliche Pfandrecht des Verfrachters besteht wegen des Überfahrtsgeldes und we- 1 gen der einen Anhang desselben bildenden Vergütung für Beförderung der vom Reisenden an Bord gebrachten Sachen. 2. Es besteht an den vom Reisenden an Bord gebrachten Sachen, also auch am nicht aufge- 2 gebenen Reisegut (Handgepäck) (anders das Binnenschiffahrtsrecht, s. Mittelstein, HB 313). § 366 H G B ist auf das aufgegebene Reisegepäck, nicht aber auf das Handgepäck entsprechend anzuwenden. Gegen eine entsprechende Anwendung Schlegelberger-Liesecke, Anm. 3 zu § 674, weil es an einer Übergabe fehle und bei einem gesetzlichen Pfandrecht die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nur bei einer solchen gegeben sei. Das ist richtig, doch liegt bei aufgegebenem Reisegepäck Übergabe vor. Wie hier Prüssmann, § 674 B 2. Vgl. auch Anm. 3 zu § 623 HGB. 3. Es besteht nur so lange, wie die Sachen zurückbehalten sind: es dauert also nicht nach 3 der Ablieferung fort, wie das beim Pfandrecht des § 623 HGB der Fall ist. Hinterlegung ist statthaft in entsprechender Anwendung des § 601 HGB. 4. Es besteht im übrigen nach Maßgabe von § 1207 BGB. Die Zusatzbestimmungen des 4 § 623 H G B finden keine Anwendung. Dagegen gelten § 49 KO und § 777 ZPO. 5. §§ 704 Satz 2, 559 Satz 3 BGB sind entsprechend anzuwenden, auch wenn § 674 unpfänd- 5 bare Sachen nicht ausdrücklich vom Pfandrecht ausnimmt (so auch Schlegelberger-Liesecke, Anm. 5 zu § 674). §675 Stirbt ein Reisender, so ist der Kapitän verpflichtet, in Ansehung des an Bord befindlichen Reiseguts des Verstorbenen das Interesse der Erben nach den Umständen des Falles in geeigneter Weise wahrzunehmen. Verhalten des Kapitäns beim Tode eines Reisenden. 1. Vorgekommene Sterbefälle sind ins Tagebuch einzutragen: § 520 Abs. 3 HGB a. F. 1 2. In Ansehung des an Bord befindlichen Reiseguts des Verstorbenen hat der Kapitän das 2 Interesse der Erben in geeigneter Weise wahrzunehmen. Als Maßregeln, die nach Sachlage von dem Kapitän zu wählen sind, kommen in Betracht Inventarisierung des nachgelassenen Reiseguts, Aufbewahrung desselben und Übersendung an die Erben oder an die zuständige Nachlaßbehörde ( Wagner, 321). Der Umstand, daß Angehörige des Verstorbenen an Bord sind, ändert grundsätzlich nichts an der Pflicht des Kapitäns (Prot. S. 2523 ff., 4036), sondern kann nur von Bedeutung werden für den Umfang der Tätigkeit des Kapitäns (vgl. Boyens, Bd. 2 S. 403), der regelmäßig nicht in der Lage sein wird, festzustellen, wer die Erben sind. §676 Wird ein Schiff zur Beförderung von Reisenden einem Dritten verfrachtet, sei es im ganzen oder zueinem Teile oder dergestalt, daß eine bestimmte Zahl von Reisenden befördert werden soll, so gelten für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfrachter und dem Dritten die Vorschriften des vierten Abschnitts, soweit die Natur der Sache ihre Anwendung zuläßt. Einleitung Verfrachtung eines Schiffes zur Beförderung von Reisenden. Die Beförderung von Reisenden mit einem fremden Schiffe kann der Verfrachter vornehmen a) als Ausrüsterdesselben (§510 HGB); b) als Mieter, Entleihervsw. desselben, ohne daß seine Ausrüsterqualität gegeben ist; c) als Unterverfrachter. Dieses ist der Fall des § 676. 1075
§678 1
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
1. Der Tatbestand des § 676. a) Zur Beförderung von Reisenden muß ein Schiff einem Dritten, dem Hauptbefrachter, verfrachtet sein. Wer das Schiff zur Beförderung von Waren gechartert hat, darf es, selbst als Zeitcharterer, nicht ohne weiteres zum Personentransport verwenden (HansOLG HansGZ 1901 Nr. 69). Tut er es trotzdem, so liegt kein von § 676 betroffener Fall vor; die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten sind aber, abgesehen von etwaigen aus der unerlaubten Verwendung des Schiffes sich ergebenden Ersatzansprüchen, durchaus die gleichen (Grapengeter, a. a. O. S. 21).
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b) Im ganzen oder zu einem Teil oder dergestalt, daß eine bestimmte Zahl von Reisenden befördert werden soll. Es liegt also zwischen Hauptverfrachter und Hauptbefrachter ein Chartervertrag in Gestalt eines Werkvertrages vor, inhalts dessen der Hauptverfrachter eine Anzahl vom Hauptbefrachter zu stellender Reisenden befördern (und evtl. auch verpflegen) soll. Der letztere Fall ist nicht gegeben, wenn ein Schiff im ganzen verchartert und die Zahl der Plätze garantiert ist (ROHG 22 Nr. 46). 3 2. Rechtsverhältnisse zwischen den beteiligten Personen, wobei davon ausgegangen wird, daß Haupt Verfrachter und Reeder identisch sind. a) Zwischen Hauptverfrachter (Reeder) und Hauptbefrachter gilt lediglich der Hauptfrachtvertrag. Die Ansprüche des Hauptbefrachters aus demselben gehen nicht etwa dadurch auf den Reisenden über, daß der Reeder demselben direkt einen Passageschein erteilt (HG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 96, 392; vgl. Ullrich, Nr. 242). - Insoweit, als der Hauptfrachtvertrag Bestimmungen nicht enthält, gelten die Vorschriften des vierten Abschnitts (§§ 556f.), soweit die Natur der Sache ihre Anwendung zuläßt. Dies ist der Fall hinsichtlich der Regeln über die Seetüchtigkeit, Lade- und Löschzeit, Liegegeld, Fautfracht, Einwirkung zufälliger Ereignisse (Prot. 2531). Unanwendbar dagegen sind insbesondere die Vorschriften über die Haftung für das Frachtgut auf die Haftung für Untergang oder Verletzung des Reisenden, diejenigen über die Haftung des Empfängers für die Fracht auf die des Reisenden für das Überfahrtsgeld. 4 b) Zwischen Hauptbefrachter (dem „Verfrachter" des Unterfrachtvertrags) und Reisendem gilt lediglich der Überfahrtsvertrag bzw. die gesetzlichen Bestimmungen über denselben. Über den Umfang der Haftung des Hauptbefrachters siehe Vorbemerkung zum Fünften Abschnitt Anmerkung 5. Der Hauptverfrachter und die von diesem gestellte Schiffsbesatzung sind Erfüllungsgehilfen des Hauptbefrachters aus dessen Vertragsverhältnis mit dem Reisenden. 5
c) Zwischen Hauptverfrachter (Reeder) und Reisendem (bestehen an sich direkte kontraktliche Beziehungen nicht. Deshalb bleibt der Hauptbefrachter (Unternehmer) dem Reisenden auch für das vom Kapitän übernommene Reisegut aus dem Überfahrtsvertrag verantwortlich. Die außervertragliche Haftung des Reeders für die Schiffsbesatzung regelt sich nach § 485 HGB. Siehe Vorbemerkung zum Fünften Abschnitt Anm. 5. 6 d) Zwischen Kapitän und Reisendem: letzterer steht ersteren als Reiseinteressent (§512 HGB) gegenüber. Daher haftet ihm der Kapitän aus § 511 HGB. §677 Wenn in den folgenden Abschnitten dieses Buches die Fracht erwähnt wird, so sind darunter, sofern nicht das Gegenteil bestimmt ist, auch die Überfahrtsgelder zu verstehen. 1
Vgl. insbesondere §§ 715, 716, 797, 798, 821 (ROHG 17, 342) 825, 855, 878. §678 Die auf das Auswanderungswesen sich beziehenden Landesgesetze werden, auch soweit sie privatrechtliche Vorschriften enthalten, durch die Vorschriften dieses Abschnitts nicht berührt.
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Die Bestimmung ist gegenstandslos geworden. Die Materie wird jetzt ausschließlich durch das Bundesrecht geregelt. 1076
Anh § 678
Auswandererschutzgesetz Anhang zum Fünften Abschnitt 1. Gesetz zum Schutze der Auswanderer (Auswandererschutzgesetz — AuswSG) Vom 26. März 1975 (BGBl. I S. 774) §1 Auswandererberatung
(1) Wer geschäftsmäßig Auskunft über die Aussichten der Auswanderung und über die Lebensverhältnisse im Einwanderungsland, insbesondere über die Arbeits- und Niederlassungsverhältnisse im Ausland oder in diesen Angelegenheiten Rat erteilen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für die Beratung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, oder wenn der Antragsteller die für die Beratung erforderliche Sachkunde nicht nachweist. Der Nachweis der Sachkunde gilt als erbracht, wenn der Antragsteller fünf Jahre als unselbständiger Berater bei einer in Absatz 2 genannten Auskunfts- oder Beratungsstelle tätig war. Die Erlaubnis kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden; nachträgliche Auflagen sind zulässig; darauf ist in der Erlaubnis hinzuweisen. (2) Keiner Erlaubnis bedürfen Auskunfts- oder Beratungsstellen von Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts oder von Vereinigungen, die sich die Fürsorge für Auswanderer zur Aufgabe machen und die als gemeinnützig im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953 (BGBl. I S. 1592), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Steueränderungsgesetzes 1969 vom 18. August 1969 (BGBl. I S. 1211), anerkannt sind. Diese Stellen haben jedoch der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen, wenn sie eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 aufnehmen oder eine solche bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit fortsetzen wollen. (3) Keiner Erlaubnis bedürfen ferner Einrichtungen und Personen, die mit der Anwerbung und Arbeitsvermittlung für eine Beschäftigung im Ausland nach § 23 des Arbeitsförderungsgesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 582), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung vom 23. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3676), beauftragt sind oder soweit ihnen die Zustimmung zu solcher Anwerbung und Arbeitsvermittlung nach § 18 des Arbeitsförderungsgesetzes erteilt ist, wenn sie bei diesen Tätigkeiten Rat und Auskunft nur über die Arbeitsstelle erteilen, für die sie anwerben oder vermitteln. Dabei ist auf die in Abs. 2 genannten Auskunfts- und Beratungsstellen hinzuweisen. (4) Die zuständige Behörde kann die nach Abs. 1 erteilte Erlaubnis zurücknehmen, wenn nachträglich bekannt wird, daß bei ihrer Erteilung Tatsachen vorgelegen haben, aus denen sich der Mangel der erforderlichen Zuverlässigkeit ergibt. Die Behörde kann die Erlaubnis widerrufen oder die Tätigkeit der in Abs. 2 bezeichneten Stellen verbieten, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, aus denen sich der Mangel der erforderlichen Zuverlässigkeit ergibt, oder wenn eine Gewähr für eine sachkundige Beratung nicht gegeben ist. §2 Werbungsverbot; Verbot von Prämien; Verbot der auslandsunterstützten Auswanderung (1) Es ist verboten, geschäftsmäßig für die Auswanderung zu werben. § 18 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes bleiben unberührt. (2) Für den Abschluß von Beförderungsverträgen mit Auswanderern oder im Zusammenhang damit dürfen Prämien oder andere Vergünstigungen weder gewährt noch angenommen werden. (3) Verboten sind die Beförderung sowie der Abschluß von Verträgen über die Beförderung von Auswanderern, für die von Unternehmen oder internationalen Einrichtungen oder aus1077
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
ländischen Regierungen der Beförderungspreis ganz oder teilweise gezahlt wird oder Darlehen zur Zahlung des Beförderungspreises gewährt werden. (4) Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen von Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 zulassen, soweit dies zur Durchsetzung zwischenstaatlicher Vereinbarungen erforderlich ist. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit kann Ausnahmen von Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 aus besonderen Gründen zulassen, wenn dieses im öffentlichen Interesse liegt oder aus Gründen humanitärer oder sozialer Art angezeigt ist, insbesondere bei der Rückwanderung von Ausländern in ihre Heimat oder bei der Weiterwanderung dieser Personen. §3 Auswanderung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften § 2 Abs. 3 gilt nicht für die Auswanderung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften. §4 Beförderung von Auswanderern ins außereuropäische Ausland mit Schiff und Luftfahrzeug im Gelegenheitsverkehr Der Bundesminister für Verkehr kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit der Gesundheitsschutz für die mit Schiff oder Luftfahrzeug im Gelegenheitsverkehr bei Sammelbeförderung nach außereuropäischen Bestimmungsorten reisenden Auswanderer dies erfordert, Vorschriften erlassen über 1. Mindestanforderungen an Einrichtung, Ausrüstung und Bordvorräte der Beförderungsmittel sowie 2. die Kontrolle der Beförderungsmittel durch Beauftragte der zuständigen Behörde; das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 des Grundgesetzes) kann insoweit eingeschränkt werden. §5 Zuständigkeit und Verfahren (1) Für die Ausführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sind die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen zuständig. § 2 Abs. 4 Satz 2 dieses Gesetzes sowie § 2 des Gesetzes über die Errichtung des Bundesverwaltungsamtes vom 28. Dezember 1959 (BGBl. I S. 829) bleiben unberührt. (2) Die zuständige Behörde soll die bei ihr nach § 1 Abs. 2 eingehenden Anzeigen sowie die Entscheidungen, durch die sie eine Erlaubnis erteilt, zurücknimmt oder widerruft oder einer Auskunfts- oder Beratungsstelle die Aufnahme oder Fortsetzung der Tätigkeit verbietet, auch dem Bundesverwaltungsamt und der Bundesanstalt für Arbeit mitteilen. §6 Ordnungswidrigkeiten (1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 ohne Erlaubnis geschäftsmäßig Auskunft oder Rat erteilt oder einer vollziehbaren Auflage nach § 1 Abs. 1 Satz 4 zuwiderhandelt, 2. einem vollziehbaren Verbot nach § 1 Abs. 4 zuwiderhandelt, 3. entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 geschäftsmäßig für die Auswanderung wirbt, 4. entgegen § 2 Abs. 2 für den Abschluß von Beförderungverträgen mit Auswanderern oder im Zusammenhang damit Prämien oder andere Vergünstigungen gewährt oder annimmt oder 5. als Reeder oder Kapitän eines Schiffes oder Halter oder Führer eines Luftfahrzeugs im Gelegenheitsverkehr a) entgegen § 2 Abs. 3 Auswanderer befördert oder mit ihnen Beförderungsverträge abschließt oder 1078
Auswandererschutzgesetz
A n h § 678
b) einer Rechtsverordnung nach § 4 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu vierzigtausend Deutsche Mark geahndet werden. (3) In den Fällen des Abs. 1 Nr. 5 kann die Ordnungswidrigkeit auch dann geahndet werden, wenn sie nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes begangen wird.
§7
Änderung der Gewerbeordnung In § 6 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung werden die Worte „der Auswanderungsunternehmer und Auswanderungsagenten" durch die Worte „der Auswandererberater" ersetzt. §8 Änderung des Gesetzes für Jugendwohlfahrt In § 48 a Abs. 2 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 1970 (BGBl. I S. 1197), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31. Juli 1974 (BGBl. I S. 1713), werden die Worte „sowie nach § 9 Abs. 1 der Verordnung gegen Mißstände im Auswanderungswesen vom 14. Februar 1924 (RGBl. I S. 107)" gestrichen.
§9
Änderung des Gesetzes über das Paßwesen § 7 Abs. 2 Buchstabe c des Gesetzes über das Paßwesen vom 4. März 1952 (BGBl. I S. 290), zuletzt geändert durch Art. 44 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469), wird gestrichen. §10 Aufhebung von Vorschriften (1) Das Reichsgesetz über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897 (RGBl. S. 463), zuletzt geändert durch Art. 82 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469), die Bekanntmachung betreffend Bestimmungen über den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsunternehmer und Agenten vom 14. März 1898 (RGBl. S. 39), geändert durch die Bekanntmachung betreffend Abänderung der Bestimmungen über den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsunternehmer und Agenten vom 23. August 1903 (RGBl. S. 274), und die Verordnung gegen Mißstände im Auswanderungswesen vom 14. Februar 1924 (RGBl. I S. 107), zuletzt geändert durch Art. 83 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469), werden aufgehoben. (2) Der Bundesminister für Verkehr wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit ohne Zustimmung des Bundesrates die Verordnung über die Einrichtung von Auswandererschiffen vom 21. Dezember 1956 (BGBl. I S. 2145) aufzuheben. Die VO über die Einrichtung von Auswandererschiffen vom 21. 12. 1956 ist in der dritten 1 Auflage dieses Kommentars, Bd. I S. 855, wiedergegeben. Wegen ihrer nach Abs. 2 bevorstehenden Aufhebung — die bis zum 1.1. 1976 nicht erfolgt war — ist von ihrer Wiedergabe abgesehen worden. §11 Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (BGBl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes. 1079
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB §12 Inkrafttreten
§ 2 Abs. 4 und die §§ 4 und 5 Abs. 1 dieses Gesetzes treten am Tage nach der Verkündung in Kraft. Im übrigen tritt dieses Gesetzes am ersten Tage des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft.
2. Übereinkommen über einheitliche Regeln über die Beförderung von Passagieren auf dem Seewege (29. April 1961) Vorbemerkung Schrifttum: Breuer, Hansa 1961 S. 1230; Legendre, DMF 1961 S. 390. Das Übereinkommen, das auf der Diplomatischen Seerechtskonferenz 1961 beschlossen wurde, ist eine Überarbeitung des Entwurfs, mit dem sich die Diplomatische Seerechtskonferenz 1957 beschäftigte. Das Übereinkommen wurde am 29. 4. 1961 von 23 Staaten unterzeichnet, von der Bundesrepublik Deutschland lediglich ad referendum. Das Übereinkommen zeigt Anklänge an die revidierte Fassung des Warschauer Abkommens, das sog. Haager Protokoll von 1955 (vgl. dazu Schleicher-Reymann-Abraham, Das Recht der Luftfahrt Bd. I S. 386 ff.). Der Zweck des Übereinkommens ist, gewisse unabdingbare Schadensersatzansprüche einzuräumen, wenn ein Fahrgast während der Schiffsreise durch Verschulden des Beförderers oder seiner Leute den Tod oder eine körperliche Verletzung erleidet. Bestimmungen über die Haftung für Gepäckschäden sind in dem Übereinkommen nicht enthalten. Ratifikationen und Beitritte nach dem Stand vom 1. Januar 1971: Vereinigte Arabische Republik, Frankreich, Marokko, Schweiz, Kuba, Peru, Malgalche, Iran, Kongo (Demokratische Republik). Siehe wegen des Inkrafttretens Art. 17. Text des Übereinkommens International Convention for the Unification of Certain Rules Relating to the Carriage of Passengers by Sea The High Contracting Parties, Having recognised the desirability of determining by agreement certain uniform rules relating to the carriage of passengers by sea, Have resolved to conclude a Convention for this purpose, and to this have agreed as follows: Article 1 In this Convention, the following terms shall have the meanings hereby assigned to them: a) "carrier" includes any of the following persons who enters into a contract of carriage: the shipowner, the charterer or the operator of the ship; b) "contract of carriage" means a contract made by or on behalf of a carrier to carry passengers, but does not include a charter party; c) "passenger" means only a person carried in a ship under a contract of carriage; d) "ship" means only a seagoing ship; e) "carriage" covers the period while a passenger is on board the ship, and in the course of embarking or disembarking; but does not include any period while the passenger is in a marine station or on a quay or other port installation. In addition, "carriage" includes transport by water from land to ship or viceversa, if the cost is included in the fare, or if the vessel used for this auxiliary transport has been put at the disposal of the passenger by the carrier; 1080
Anh § 678
Einheitliche Regeln über Passagierbeförderung
f) "international carriage" means any carriage in which according to the contract of carriage the place of departure and the place of destination are situated either in a single State if there is an international port of call in another State, or in two different States; g) "Contracting State" means a State whose ratification or adherence to this Convention has become effective and whose denunciation thereof has not become effective. Article
2
This Convention shall apply to any international carriage if either the ship flies the flag of a Contracting State or if, according to the contract of carriage, either the place of departure or the place of destination is in a Contracting State. Article
3
1. Where a carrier is the owner of the carrying ship he shall exercise due diligence, and shall ensure that his servants and agents, acting within the scope of their employment, exercise due diligence to make and keep the ship seaworthy and properly manned equipped and supplied at the beginning of the carriage, and at all times during the carriage and in all other respects to secure the safety of the passengers. 2. Where a carrier is not the owner of the carrying ship, he shall ensure that the shipowner or operator, as the case may be, and their servants and agents acting within the scope of their employment exercise due diligence in the respects set out in paragraph (1) of this article. Article
4
1. The carrier shall be liable for damage suffered as a result of the death of, or personal injury to a passenger if the incident which causes the damage so suffered occurs in the course of the carriage and is due to the fault or neglect of the carrier or of his servants or agents acting within the scope of their employment. 2. The fault or neglect of the carrier, his servants and agents shall be presumed, unless the contrary is proved, if the death or personal injury arises from or in connection with shipwreck, collision, stranding, explosion or fire. 3. Except as provided in paragraph (2) of this Article, the burden of proving the fault or neglect of the carrier, his servants or agents shall be on the claimant. Article
5
If the carrier proves that the death of, or personal injury to the passenger was caused or contributed to by the fault or neglect of the passenger, the Court may exonerate the carrier wholly or partly for his liability in accordance with the provisions of its own law. Article
6
1. The liability of the carrier for the death of or personal injury to a passenger shall in no case exceed 250000 francs, each franc consisting of 65,5 milligrams of gold of millesimal fineness 900. The sum awarded may be converted into national currencies in round figures. Conversion of this sum into national currencies other than gold shall be made according to the gold value of such currencies at the date of payment. 2. Where in accordance with the law of the Court seized of the case damages are awarded in the form of periodical income payments the equivelant capital value of these payments shall not exceed the said limit. 1081
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
3. Nevertheless the national legislation of any High Contracting Party may fix as far as the carriers who are subjects of such State are concerned a higher per capita limit of liability. 4. The carrier and the passenger may also agree by special contract to a higher per capital limit of liability. 5. Any legal costs awarded and taxed by a Court in an action for damages shall not be included in the limits of liability prescribed in this Article. 6. The limits of liability prescribed in this article shall apply to the aggregate of the claims put forward by or on behalf of any one passenger, his personal representatives, heirs or dependants on any distinct occasion. Article 7 The carrier shall not be entitled to the benefit of the limitation of liability provided for in Article 6, if it is proved that the damage resulted from an act or omission of the carrier done with intent to cause damage or recklessly and with knowledge that damage would probably result. Article 8 The provisions of this Convention shall not modify the rights or duties of the carrier, provided for in international Conventions relating to the limitation of liability of owners of seagoing ships or in any national law relating to such limitation. Article 9 Any contractual provision, concluded before the occurrence which caused the damage, purporting to relieve the carrier of his liability towards the passenger or his personal representatives, heirs or dependants or to prescribe a lower limit than that fixed in this Convention, as well as any such provision purporting to shift the burden of proof which rests on the carrier, or to require disputes to be submitted to any particular jurisdiction or to arbitration, shall be null and void, but the nullity of that provision shall not render void the contract which shall remain subject to the provisions of this Convention. Article 10 1. Any claim for damages, however founded, may only be made subject to the conditions and the limits set out in this Convention. 2. Any claim for damages for personal injury suffered by a passenger may only be made by or on behalf of the passenger. 3. In case of the death of the passenger a claim for damages may be made only by the personal representatives, heirs or dependants of the deceased, and only if such persons are permitted to bring an action in accordance with the law of the Court seized of the case. Article 11 1. In case of personal injury suffered by a passenger, he shall give written notice of such injury to the carrier whithin fifteen days of the date of disembarkation. If he fails to comply with this requirement, the passenger shall be presumed, in the absence of proof to the contrary, to have disembarked safe and sound. 2. Actions for damages arising out of the death or personal injury of a passenger shall be time barred after a period of two years. 3. In case of personal injury, the limitation period shall be calculated from the date of the disembarkation of the passenger. 1082
Anh § 678
Einheitliche Regeln über Passagierbeförderung
4. In the event of death occurring during carriage the limitation period shall be calculated from the date on which the passenger should have disembarked. 5. In the event of personal injury which occurs in the course of carriage and results in death after disembarkation the limitation period shall be calculated from the date of death, provided that this period shall not exceed three years from the date of disembarkation. 6. The law of the Court seized of the case shall govern rights of suspension and interruption of the limitation periods in this Article; but in no case shall an action under this Convention be brought after the expiration of a period of three years from the date of disembarkation.
Article
12
1. If an action is brought against a servant or agent of a carrier arising out of damages to which this Convention relates, such servant or agent, if he proves that he acted within the scope of his employment, shall be entitled to avail himself of the defences and limits of liability which the carrier himself is entitled to invoke under this Convention. 2. The aggregate of the amounts recoverable from the carrier, his servants and agents, in that case, shall not exceed the said limits. 3. Nevertheless, a servant or agent of the carrier shall not be entitled to avail himself of the provisions of paragraphs 1° and 2 of this Article if it is proved that the damage resulted from an act or omission of the servant or agent done with intent to cause damage or recklessly and with knowledge that damage would probably result. Article
13
This Convention shall be applied to commerical carriage within the meaning of Article 1 undertaken by States or Public Authorities. Article
14
This Convention shall not affect the provisions of any international Convention or national law which governs liability for nuclear damage.
Article
15
This Convention shall be open for signature by the States represented at the eleventh session of the Diplomatic Conference on Maritime Law.
Article
16
This Convention shall be ratifed and the instruments of ratification shall be deposited with the Belgian Government. Article
17
1. This Convention shall come into force between the two States wich first ratify it, three months after the date of the deposit of the second instrument of ratification. 2. This Convention shall come into force in respect of each signatory State which ratifies it after the deposit of the second instrument of ratification, three months after the date of the deposit of the instrument of ratification of that State. 1083
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Article 18
Any State not represented at the eleventh session of the Diplomatic Conference on Maritime Law may accede to this Convention. The instruments of accession shall be deposited with the Belgian Government. The Convention shall come into force in respect of the acceding State three months after the date of the deposit of the instrument of accession of that State, but not before the date of entry into force of the Convention as established by Article 17, paragraph 1°.
Article 19 Each High Contracting Party shall have the right to denounce this Convention at any time after the coming into force thereof in respect of such High Contracting Party. Nevertheless, this denunciation shall only take effect one year after the date on which notification thereof has been received by the Belgian Government.
Article 20 1. Any Contracting Party may at the time of its ratification of or accession to this Convention or at any time thereafter declare by written notification to the Belgian Government that the Convention shall extend, to any of the countries which have not yet obtained sovereign rights and for whose international relations it is responsible. The Convention shall three months after the date of the receipt of such notification by the Belgian Gouvernment, extend to the countries named therein. The United Nations Organisation may apply the provisions of this Article in cases where they are the administering authority for a country or where they are responsible for the international relations of a country. 2. The United Nations Organisation or any High Contracting Party which has made a declaration under paragraph 1° of this Article may at any time thereafter declare by notification given to the Belgian Government that the Convention shall cease to extend to such country. This denunciation shall take effect one year after the date on which notification thereof has been received by the Belgian Government. Article 21 The Belgian Gouvernment shall notify the States represented at the eleventh session of the Diplomatic Conference on Maritime Law, and the acceding States to this Convention, of the following: 1° The signatures, ratifications and accessions received in accordance with Articles 15, 16 and 18. 2° The date on which the present Convention will come into force in accordance with Article 17. 3° The notification with regard to the territorial application of the Convention in accordance with Article 20. 4° The denunciations received in accordance with Article 19. Article 22 Any High Contracting Party mag three years after the coming into force of this Convention, in respect of such High Contracting Party or at any time thereafter request that a Conference be convened in order to consider amendments to this Convention. 1084
Übereinkommen über die Haftung für Passagier^epäck zur See
Anh § 678
Any High Contracting Party proposing to. avail itself of this right shall notify the Belgian Government which, provided that one third of the High Contracting Parties are in agreement, shall convene the Conference within six months thereafter. In witness whereof the undersigned Plenipotentiaries, whose credentials have been duly accepted have signed this Convention. Done at Brussels, this 29th day of april, 1961, in the French and English languages, the two texts being equally authentic, in a single copy, which shall remain deposited in the archives of the Belgian Government, which shall issue certified copies. Protocol Any High Contracting Party may at the time of signing, ratifying or acceding to this Convention make the following reservations: 1. Not to give effect to the Convention in relation to carriage which according to its national law is not considered to be international carriage; 2. Not to give effect to the Convention when the passenger and the carrier are both subjects of the said Contracting Party; 3. To give effect to this Convention either by giving it the force of law or by including the provisions of this Convention in its national legislation in a form appropriate to that legislation.
3. Übereinkommen über die Haftung für Passagiergepäck zur See (27. Mai 1967, Brüssel). Vorbemerkung: Bisher keine Ratifikationen (1. 1. 1971). Das Übereinkommen sollte mit dem von 1961 über die Haftung für die Passagierbeförderung zusammengefaßt werden. Das ist auf der CMI-Konferenz Tokio, April 1969, geschehen (siehe unten Ziff. 4). Über den gegenwärtigen Stand der Angelegenheit siehe unten Ziff. 5.
Article 1 In this Convention the following expressions have the meaning hereby assigned to them: a) "carrier" includes the shipowner or the charterer or the operator who enters into a contract of carriage of passengers and luggage. b) "contract of carriage" means a contract made by or on behalf of a carrier to carry passengers and their luggage, but does not include a charter party or bill of lading. c) "passenger" means only a person carried in a ship under a contract of carriage. d) "ship" means only a sea-going ship. e ) ( l ) "luggage" means any articles or vehicles carried under a passenger contract of carriage. (2) "cabin luggage" means luggage which the passenger carries on his person or takes with him in the cabin or which personally accompanies him. f) "carriage" covers the following periods: (1) With, regard to cabin luggage, the period while the luggage is on board the ship and in the course of embarkation or disembarkation, but does not include any period while the luggage is in a marine station or on a quay or other port installation. In addition "carriage" includes transport by water from land to a ship or vice-versa, if the cost is included in the fare, or if the vessel used for this auxiliary transport has been put at the disposal of the passenger by the carrier. 1085
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des H G B
(2). With regard to all other luggage, the period from the time when they are loaded on to the time when they are discharged from the ship. g) "international carriage" means any carriage in which according to the contract of carriage the place of departure and the place of destination are situated either in a single State, if there is an intermediate port of call in another State, or in two different States. h) "contracting State" means a State whose ratification or accession to this Convention has become effective and whose denunciation thereof has not become effective. Article 2 This Convention shall apply to any international carriage if either the ship flies the flag of a contracting State, or if, according to the contract of carriage, either the place of departure or the place of destination is in a contracting State. Article 3 1. Where a carrier is the owner of the carrying ship he shall exercise due diligence, and shall ensure that his servants and agents, acting within the scope of their employment, exercise due diligence to make the ship seaworthy and properly manned, equipped, and supplied at the beginning of the carriage, and in all other respects to secure the safe transportation of the luggage. 2. W h e r e a carrier is not the owner of the carrying ship, he shall ensure that the shipowner or operator, as the case may be, and their servants and agents acting within the scope of their employment, exercise due diligence in the respects set out in paragraph (1) of this article.
Article 4 1. T h e carrier shall be liable for loss of or damage to the luggage if the incident which causes the loss or damage occurs in the course of carriage and is due to the fault or neglect of the carrier or his servants or agents acting within t h e scope of their employment. 2. T h e carrier shall not be liable if the fault o r neglect is committed by the carrier's servants in the navigation or management of the ship during the voyage. 3. Unless specially agreed, the carrier shall not be liable for loss of or damage to monies, bonds and other valuables such as gold and silverware, watches, jewellery, ornaments. 4. T h e b u r d e n of proving (a) the extent of the loss or damage b) that the incident which caused the loss or damage occurred in the course of carriage shall be with the passenger. 5. (a) In the case of cabin luggage the burden of proving that the loss or damage was due to the fault or neglect of the carrier or his servants or agents shall lie with the passenger (b) In t h e case of all other luggage the burden shall be on the carrier to prove that the loss or damage was due to some cause other than t h e fault or neglect of the carrier, his servants or agents acting within the scope of their employment.
Article 5 If the carrier proves that the loss of or damage to the luggage was caused or contributed to by the fault or neglect of the passenger, the Court may exonerate the carrier wholly or partly from his liability in accordance with the provisions of its own law. 1086
Übereinkommen über die Haftung für Passagiergepäck zur See
Anh § 678
Article 6 1. The liability for the loss of or damage to cabin luggage shall in no case exceed 6,000 francs per passenger. 2. The liability for loss of or damage to vehicles including all luggage carried in or on the vehicle shall in no case exceed 20,000 francs per vehicle. 3. The liability for the loss of or damage to all other articles than those mentioned under (1) or (2) shall in no case exceed 10,000 francs per passenger. 4. Each franc mentioned in this article shall be deemed to refer to a unit consisting of 65,5 milligrams of gold of millesimal fineness 900. Conversion of this sum into national currencies other than gold shall be made according to the gold value of such currencies at the date of conversion of the sum awarded into national currencies and shall be regulated in accordance with the law of the Court seized of the case. 5. The carrier and the passenger may agree by a special contract to a higher limit of liability. They may also agree that the liability of the carrier shall be subject to a deductible not exceeding 1500 francs in the case of damage to a vehicle and not exceeding 100 francs per passenger in the case of loss of or damage to other luggage. 6. Any legal costs awarded and taxed by a Court in an action for damages shall not be included in the limits of liability prescribed in this article. 7. The limits of liability prescribed in this article shall apply to the aggregate of the claims put forward by or on behalf of any one passenger, his personal representative, heirs or dependents on any distinct occasion. Article 7 The carrier shall not be entitled to the benefit of the limitation of liability provided for in article 6, if it is proved that the damage resulte from an act or omission of the carrier done with the intent to cause damage or recklessly and with knowledge that damage would probably result. Article 8 The provisions of this Convention shall not modify the rights or duties of the carrier, provided for in international Conventions relating to the limitation of liability of owners of seagoing ships or in any national law relating to such limitation.
Article 9 Except as provided for in article 6 (5), any contractual provision concluded before the occurrence which caused the damage, purporting to relieve the carrier of his liability towards the passenger or to prescribe a lower limit than that fixed in this Convention, as well as any provision purporting to shift the burden of proof, which rests on the carrier, shall be null and void, but the nullity of that provision shall not render void the contract which shall remain subject to the provisions of this Convention. Article 10 Any claim for damages, however founded, may only be made subject to the conditions and the limits set out in this Convention. 1087
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Article 11
1. (a) In case of apparent damage to luggage the passenger shall give written notice to the carrier or his agent. (i) In the case of cabin luggage before or at the time of disembarkation. (ii) in the case of all other luggage before or at the time of its delivery. (b) In the case of loss of or damage which is not apparent such notice must be given within seven days from the date of disembarkation or delivery or at the time when such delivery should have taken place. (c) If he fails to comply with the requirements of this article the passenger shall be presumed in the absence of proof to the contrary to have received his luggage undamaged. (d) The notice in writing needs not be given if the state of the luggage has at the time of their receipt been the subject of joint survey or inspection. 2. Actions for damages arising out of loss of or damage to luggage shall be time-barred after a period of one year from the date of disembarkation, or if the ship has become a total loss, from the date when the disembarkation should have taken place. 3. The law of the Court seized of the case shall govern rights of suspension and interruption of limitation periods in this article; but in no case shall an action under this Convention be brought after the expiration of a period of three years from the date of disembarkation.
Article 12 1. If an action is brought against a servant or agent of the carrier arising out of damage to which this Convention relates, such servant or agent, if he proves that he acted within the scope of his employement, shall be entitled to avail himself of the defences and limits of liability which the carrier himself is entitled to invoke under this Convention. 2. The aggregate of the amounts recoverable from the carrier, his servants and agents, in that case, shall not exceed the said limits. 3. Nevertheless, a servant or agent of the carrier shall not be entitled to avail himself of the provisions of paragraphs (1) and (2) of this Article if it is proved that the damage resulted from an act or omission of the servant or agent, done with intent to cause damage or recklessly and with knowledge that damage would probably result.
Article 13 Proceedings for liability can be taken only according to the plaintiffs preference: (a) either before the Court of the habitual residence or principal place of business of the defendant; (b) or before the Court of the place of departure or that of destination according to the contract of passage. Any clauses which would result in altering the place where the case is to be heard according to the rule of this Convention is null and void and of no effect.
Article 14 This Convention shall be applied to commercial carriage within the meaning of Article 1 by States or Public Authorities. 1088
Entwurf Übereinkommen z. Vereinheitlichung Passagierbeförderungsvertrag
A n h § 678
Article 15 This Convention shall not affect the provisions of any international Convention or national law which governs liability for nuclear damage. Article 16 This Convention shall be open for signature by the States represented at the . . . session of the Diplomatic Conference on Maritime Law. Article 17 This Convention shall be ratified and the instruments of ratification shall be deposited with the Belgian Government. Article 18 1. This Convention shall come into force between the two States which first ratify it, three months after the date of the deposit of the second instrument of ratification. 2. This Convention shall come into force in respect of each signatory State which ratifies it after the deposit of the second instrument of ratification, three months after the date of the deposit of the instrument of ratification of that State.
4. Entwurf eines Übereinkommens für die Vereinheitlichung gewisser Regeln für den Passagierbeförderungsvertrag zur See und das Passagiergepäck (CMI-Konferenz Tokio, April 1969) Article 1 In this Convention the following expressions, insofar as they apply, have the meaning hereby assigned to them: 1) "carrier" includes the shipowner, charterer or operator of the ship who has concluded a contract of carriage; 2) "contract of carriage" means a contract made by or on behalf of a carrier, for the carriage of a passenger or his luggage, as the case may be, with the exception of: (a) a charter party or a contract under a bill of lading; (b) a contract of carriage governed by the International Convention concerning the carriage of passengers and luggage by rail. 3) "ship" means only a seagoing vessel; 4) "passenger" means only a person carried in a ship under a contract of carriage; 5) "luggage" means any article or vehicle with the exception of live animals carried by the carrier under a contract of carriage; 6) "cabin luggage" means luggage which the passenger has with him, or in his cabin, or which is in his custody. Except for the application of Article 8, paragraph 2), cabin luggage includes the luggage which the passenger has in or on his vehicle; 7) "loss of or damage to luggage" includes pecuniary loss resulting from the luggage not having been re-delivered to the passenger within a reasonable time after the arrival of the ship in 1089
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des H G B
which the luggage has been or should have been carried, but does not include delays resulting from strikes or lock-outs; 8) "carriage" covers the following periods: (a) with regard to the passenger and his cabin luggage, the period during which the passenger and his luggage are on board the ship or in the course of embarkation or disembarkation, and the period during which the passenger and his luggage are transported by water from land to the ship or vice-versa, if the cost of such transport is included in the fare or if the vessel used for this auxiliary transport has been put at the disposal of the passenger by the carrier. Carriage does not include the period during which the passenger is in a marine station or on a quay or in or on any other port installation but does include that period so far as cabin luggage is in the custody of the carrier or his servant or his agent; (b) with regard to all other luggage which is not cabin luggage, the period from the time of delivery to the carrier or his servant or agent on shore or on board until the time of redelivery by the carrier or his servant; 9) "international carriage" means any carriage in which according to the contract of carriage the place of departure and the place of destination are situated in two different States or in a single State, if there is an intermediate port of call in another State; 10) "contracting State" means a State whose ratification or accession to this Convention has become effective and whose denunciation thereof has not become effective. Article
2
This Convention shall apply to any international carriage if: 1) the ship is registered in a contracting State, or 2) the contract of carriage has been made in a contracting State, or 3) the place of departure, according to the contract of carriage, is in a contracting State.
Article
3
1. Where a carrier is the owner of the carrying ship, he shall exercise due diligence and shall ensure that his servants and agents, acting within the scope of their employment, exercise due diligence to make the ship seaworthy and properly manned, equipped and supplied at the beginning of the carriage and at any time during the carriage and in all other respects to secure the safe transport of the passengers and their luggage. 2. Where a carrier is not the owner of the carrying ship, he shall ensure that the shipowner or operator, as the case may be, and their servants and agents acting within the scope of their employment, exercise due diligence in the respects set out in the preceding paragraph of this Article. Article
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1. The carrier shall be liable for the damage suffered as a result of the death of, or personal injury to a passenger and the loss of or damage to his luggage if the incident which caused the damage so suffered occurs in the course of the carriage and is due to the fault or neglect of the carrier or his servants or agents acting within the scope of their employment. 2. The burden of proving that the incident which caused the loss or damage occurred in the course of the carriage, and the extent of the loss or damage, shall lie with the passenger. 3. The fault or neglect of the carrier, his servants and agents, referred to in paragraph 1) of this Article, shall be presumed, unless the contrary is proved, if the death or personal injury or the loss of or damage to cabin luggage arises from or in connection with shipwreck, collision, stranding, explosion or fire. In respect of all other luggage, the fault and negligence of the 1090
Entwurf Übereinkommen z. Vereinheitlichung Passagierbefôrderungsvertrag
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carrier, his servants and agents, shall be presumed, unless there is proof to the contrary, in all cases of loss or damage, irrespective of the nature of the inicident which caused the loss or damage. 4. In all other cases the burden of proving the fault or neglect of the carrier or of his servants or agents shall lie with the passenger. Article 5 1. Notwithstanding the provisions of Articles 3 and 4, the carrier shall not be liable for loss or damage to any vehicle, arising or resulting from any act, neglect or default of the master, mariner, pilot or the servants of the carrier in the navigation or in the management of the ship during the carriage. 2. Unless agreed expressly and in writing, the carrier shall not be liable for loss of or damage to monies, bonds and other valuables such as gold and silverware, watches, jewelry, ornaments or works of art. Article 6 If the carrier proves that the death or personal injury to the passenger or the loss of or damage to the luggage was caused or contributed to by the fault or neglect of the passenger, the Court may exonerate the carrier wholly or partly from his liability in accordance with the provisions of its own law. Article 7 1. The liability of the carrier for the death of or personal injury to a passenger shall in no case exceed 500,000 francs. Where in accordance with the law of the Court seized of the case, damages are awarded in the form of periodical income payments, the equivalent capital value of these payments shall not exceed the said limit. 2. Nevertheless, the national legislation of any contracting State may fix, as far as the carriers who are subjects of such State are concerned, a higher per capita limit of liability. Article 8 1. The liability for the loss of or damage to cabin luggage shall in no case exceed 10,000 francs per passenger. 2. The liability for loss of or damage to vehicles including all luggage carried in or on the vehicle shall in no case exceed 30,000 francs per vehicle. 3. The liability for the loss of or damage to all other articles than those mentioned in the preceding subparagraphs shall in no case exceed 16,000 francs per passenger. 4. The carrier and the passenger may agree, expressly and in writing, that the liability of the carrier shall be subject to a deductible not exceeding 1,500 francs in the case of damage to a vehicle and not exceeding 100 francs per passenger in the case of loss or damage to other luggage, such a sum to be deducted from the loss or damage. Article 9 1. The franc mentioned in this Convention shall be deemed to refer to a unit cosisting of 65.5 milligrams of gold of millesimal fineness 900. 2. The date of conversion of the sum awarded into national currencies shall be governed by the law of the Court seized of the case. 1091
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Article 10
1. The carrier and the passenger may agree, expressly and in writing, to higher limits of liability than those prescribed in Articles 7 and 8. 2. Interest on damages and legal costs awarded and taxed by a Court in an action for damages shall not be included in the limits of liability prescribed in Articles 7 and 8. 3. The limits of liability prescribed in Articles 7 and 8 shall apply to the aggregate of the claims put forward by or on behalf of any one passenger, his personal representative, heirs or dependants on any distinct occasion. Article 11 The carrier shall not be entitled to the benefit of the limitation of liability provided for in Articles 7, 8 and 10(1), if it is proved that the damage resulted from an act or omission of the carrier done with the intent to cause damage or recklessly and with knowledge that the damage would probably result. Article 12 1. Any claim for damages, however founded, may only be made subject to the conditions and the limits set out in this Convention. 2. Any claim for damages for personal injury suffered by a passenger may only be made by or on behalf of the passenger. 3. In case of the death of the passenger a claim for damages may be made only by the personal representatives, heirs or dependants of the deceased, and only if such persons are permitted to bring an action in accordance with the law of the Court seized of the case.
Article 13 1. The passenger shall give written notice to the carrier or his agent: a) in the case of personal injury within fifteen days from the date of disembarkation; b) in the case of apparent damage to luggage: (i) in the case of cabin luggage, before or at the time of disembarkation; (ii) in the case of all other luggage, before or at the time of its delivery; c) in the case of loss of or damage to luggage which is not apparent, within fifteen days from the date of disembarkation or delivery or from the time when such delivery should have taken place. 2. If the claimant fails to comply with the requirements of this Article, he shall be presumed, in the absence of proof to the contrary, to have disembarked safe and sound and have received the luggage undamaged. 3. The notice in writing needs not be given if the state of the luggage has at the time of its receipt been the subject of joint survey or inspection.
Article 14 1. Actions for darhages out of the death of a passenger or out of personal injury and loss or damage to luggage shall be timebarred after a period of two years. 2. The limitation period shall be calculated as follows: a) in the case of personal injury, from the date of the disembarkation of the passenger; 1092
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b) in t h e event of death occurring during carriage, f r o m the date when the passenger should have disembarked, and in the event of personal injury occurring during carriage and resulting in the death of the passenger after disembarkation, f r o m the date of death, provided that this period shall not exceed three years f r o m the date of disembarkation; c) in t h e case of loss of or damage to luggage, f r o m the date of disembarkation, or, if the ship has become a total loss, f r o m the date when the disembarkation should have taken place. 3. T h e law of the Court seized of the case shall govern the grounds of suspension and interruption of limitation periods, but in no case shall an action under this Convention be brought after the expiration of a period of three years from t h e date of disembarkation, or if the ship has become a total loss, from the date when the disembarkation should have taken place.
Article 15 1. If a n action is brought against a servant or agent of the carrier arising out of damage to which this Convention relates, such servant or agent, if he proves that he acted within the scope of his employment, shall be entitled to avail himself of the defences and limits of liability which t h e carrier himself is entitled to invoke under this Convention. 2. In that case, the aggregate of the amounts recoverable from the carrier, his servants and agents shall not exceed the said limits. 3. Nevertheless, a servant or agent of the carrier shall not be entitled to avail himself of the provisions of paragraphs (1) and (2) of this Article if it is proved that the damage resulted f r o m an act or omission of the servant or agent, done with the intent to cause damage or recklessly and with knowledge that damage would probably result.
Article 16 1. Prior to the occurrence of the incident which has caused the death or personal injury of the passenger or the loss of or damage to the luggage, the parties to the contract of carriage may agree that t h e claimant shall have the right to maintain an action for damages, according to his preference, only before: * a) the Court of the permanent residence or principal place of business of the defendant, or b) the Court of the place of departure or that of destination according to the contract of carriage, or c) the Court of the State of the domicile or permanent place of residence of the claimant if the defendant has a place of business and is subject to jurisdiction in that State. 2. A f t e r the occurrence of the incident which has caused the damage, the parties may agree that the claim for damages shall be submitted to any jurisdiction or to arbitration.
Article 17 Any contractual provision concluded before the occurrence of t h e incident which has caused the death or personal injury of the passenger or the loss of or damage to the luggage, purporting to relieve the carrier of his liability towards the passenger or to prescribe a lower limit than that fixed in this Convention, except as provided in Article 8, paragraph 4, as well as any such provision purporting to shift the burden of proof which rests on the carrier, or having the effect of restricting the choice of the claimant beyond the limit allowed in Article 16, paragraph 2, shall be null and void, but the nullity of that provision shall not render void the contract which shall remain subject to the provision of this Convention. 1093
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Article 18
1. The provisions of this Convention shall not modify the rights or duties of the carrier and his servants or agents provided for in international Conventions relating to the limitation of liability of owners of seagoing ships or in any national law relating to such limitation. 2. This Convention shall not affect the provisions of any international Convention or national law which governs liability for nuclear damage.
Article 19 This Convention shall be applied to commericial carriage within the meaning of Article 1 undertaken by States or Public Authorities.
Article 20 1. Any Contracting Party may, at the time of signing, ratifying or acceding to this Convention, make one of the following reservations : a) that it does not accept and shall not give effect to the provisions of this Convention which govern the contract of carriage of passengers as well as the liability of the carrier towards the passenger, or, b) that it does not accept and shall not give effect to the provisions of this Convention which govern the contract of carriage of luggage as well as the liability of the carrier towards the passenger's luggage. 2. The Contracting Party which has made a declaration in accordance with this Article shall not be bound by the provisions of the Convention which have been excluded by this declaration and the other Contracting Parties shall not be bound by the provisions which have been excluded with respect to any Contracting Party having made such a reservation. 3. The Contracting Party having made a declaration in accordance with this Article may at any time withdraw this reservation by notification to the Belgian Government with the result that it shall also be a Contracting Party to the provisions of the Convention which had heretofore been excluded. The withdrawal of the declaration shall take effect three months after the date when it has been deposited. Article 21 Any Contracting Party may at the time of signing, ratifying or acceding to this Convention make the following reservations: 1. not to give effect to the provisions of this Convention when the passenger and the carrier are both subjects of the said Contracting Party; 2. that in giving effect to the provisions of this Convention it may, with respect to contracts of carriage issued within its territorial boundaries, for a voyage of which the port of embarkation is in such territorial boundaries, provide in its national laws, for the form and size of any notice of the terms of this Convention to be inserted in a contract of carriage.
Article 22 Any dispute between two or more Contracting Parties concerning the interpretation or application of this Convention which cannot be settled through negotiation, shall, at the request of one of them, be submitted of arbitration. If within six months from the date of the request 1094
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for arbitration the Parties are unable to agree on the organization of the arbitration, any one of those Parties may refer the dispute to the International Court of Justice by request in conformity with the Statute of the Court.
Article 23 1. Each Contracting Party may at the time of signature or ratification of this Convention or accession thereto, declare that it does not consider itself bound by Article 22 of the Convention. T h e other Contracting Parties shall not be bound by this Article with respect to any Contracting Party having made such a reservation. 2. A n y Contracting Party having made reservation in accordance with paragraph (1) may at any time withdraw this reservation by notification to t h e Belgian Government.
Article 24 This Convention shall be open for signature by the States represented at the . . th session of the Diplomatic Conference on Maritime Law.
Article 25 This Convention shall be ratified and the instruments of ratification shall be deposited with the Belgian G o v e r n m e n t .
Article 26 1. T h i s Convention shall come into force three months after the date of the deposit of the fifth instrument of ratification dealing with the acceptance of the same provisions in this Convention. 2. T h e provisions in the present Convention, which may be excluded by declaration in accordance with Article 20, come into force three months after the date of deposit of the fifth instrument of ratification of the Contracting Parties, by which they have been accepted, be it by the absence of a declaration of exclusion or be it by the withdrawal of this declaration. 3. This Convention, or the provisions which are not excluded, shall come into force in respect of each signatory State which ratifies it, or the provisions thereof which it accepts, after the deposit of t h e fifth instrument, three m o n t h s after the date of the deposit of t h e instrument of ratification of that State.
Article 27 1. States, M e m b e r s of the United Nations or Members of the specialized agencies, not represented at the . . . th session of the Diplomatic Conference on Maritime Law, may accede to this Convention. 2. T h e instruments of accession shall be deposited with the Belgian Government. 3. T h e Convention shall come into force in respect of the acceding State three months after the date of deposit of the instrument of accession of that State, but not before t h e date of entry into force of the Convention as established by Article 26. 1095
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Article 28
Each contracting Party shall have the right to denounce this Convention at any time after the coming into force thereof in respect of such Contracting Party. Nevertheless, this denunciation shall only take effect one year after the date on which notification thereof has been received by the Belgian Government. Article 29 1. Any Contracting Party may at the time of signature, ratification or accession to this Convention or at any time thereafter declare by written notification to the Belgian Government which among the territories under its sovereignty or for whose it is responsible, are those to which the present Convention applies. The Convention shall three months after the date of the receipt of such notification by the Belgian Government, extend to the territories named therein. 2. Any Contracting Party which has made a declaration under paragraph (1) of this Article may at any time thereafter declare by notification given to the Belgian Government that the Convention shall cease to extend to such territories. This denunciation shall take effect one year after the date on which notification thereof has been received by the Belgian Government. Article 30 The Belgian Government shall notify the States represented at the . . . th session of the Diplomatic Conference on Maritime Law and the States acceding to this Convention of the following: 1. The signatures, ratifications and accessions received in accordance with articles 24, 25 and 27. 2. The declarations received following the application of Article 20, as well as the withdrawals notified according to paragraph 3 in Article 20. 3. The date on which this Convention, or the provisions which have not been excluded in accordance with Article 20, shall come into force in pursuance of Article 26. 4. The notifications which have been served in enforcement of Articles 23 and 29. 5. The denunciations received in pursuance of Article 28. Article 31 Any Contracting Party may three years after the coming into force of this Convention, in respect of such Contracting Party, or at any time thereafter request that a Conference be convened in order to consider amendments to this Convention. Any Contracting Party proposing to avail itself of this right shall notify the Belgian Government which, provided that one third of the Contracting Parties are in agreement, shall convene the Conference within six months thereafter. Article 32 Having regard to the relations between States which have ratified or adhered to this Convention, whether or not they have made a declaration in pursuance of Article 20, the present Convention replaces and repeals the International Convention for the unification of certain rules relating to the carriage of Passengers by Sea, signed at Brussels on the 29th April 1961 and/or the International Convention for the unification of certain rules relating to the carriage of Passenger's Luggage by Sea signed at Brussels on the 27th May 1967. 1096
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Passagier- und Gepäckkonvention 5. Der gegenwärtige Stand der Verhandlungen Uber eine Passagier- und Gepäckkonvention Vorbemerkung
Schrifttum: Legendre, La Convention d'Athènes relative au transport par mer de passagers et de leur bagages, DM F 1976 S. 451 ff. I. Der im Dezember 1974 in Athen veranstalteten Diplomatischen Konferenz der IMCO lag 1 der oben unter 4 wiedergegebene Konventionsentwurf der CMI von Tokio 1969 zugrunde. 32 Staaten nahmen an der Konferenz teil, von 3 Staaten waren Beobachter vertreten. Die Konferenz hat am 13. 12. 1974 die „Athener Konvention als Internationales Abkommen über eine zwingende Mindesthaftung des Reeders für Passagierunfälle und Gepäckschäden bei Seebeförderungen" mit 26 Stimmen ohne Gegenstimme bei 6 Enthaltungen verabschiedet. Die Bundesrepublik Deutschland hat für die Konvention gestimmt; der Stimme enthalten haben sich Australien, Kanada, Frankreich, Italien, Norwegen und USA. Gezeichnet wurde die Konvention nur von Griechenland, der Schweiz und Jugoslawien. II. Der Inhalt der Konvention ist im wesentlichen folgender:
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1. Sie regelt für internationale Seebeförderungen die zwingende Haftung des Beförderers das ist der Reeder oder auch ein Reiseveranstalter — gegenüber a) einem Passagier, der aufgrund eines Vertrages befördert wird ; b) einer Person, die mit Zustimmung des Reeders ein aufgrund eines Beförderungsvertrages transportiertes Fahrzeug oder lebende Tiere begleitet. Die Haftung erstreckt sich auf Schäden durch Tod, Körperverletzung oder Verlust bzw. Beschädigung des Gepäcks und Kabinengepäcks sowie auf Schäden an Fahrzeugen. Neben dem unmittelbaren Vertragspartner des Passagiers unterliegt auch der sogenannte „performing carrier", der also den Vertrag des carrier ausführt, einer zwingenden Verschuldenshaftung. 2. Die Konvention findet Anwendung auf internationale Seebeförderungen, wenn a) der Flaggenstaat, b) der Staat, in dem der Beförderungsvertrag geschlossen worden ist, c) der Staat des Abfahrts- oder Zielortes die Konvention ratifiziert hat. 3. Der Beförderer haftet für Verschulden. Sein Verschulden wird vermutet a) im Falle des Todes oder der Körperverletzung eines Passagiers und im Falle des Verlustes oder der Beschädigung von Kabinengepäck in Katastrophenfällen, wenn also der Schaden durch „shipwreck, collision, stranding, explosion or fire, or defect in the ship" entstanden ist; b) in allen Fällen des Verlustes oder der Beschädigung von Gepäck einschließlich der Schäden am Fahrzeug. Die Haftung ist zwingend; eine Freizeichnung für nautisches Verschulden ist nicht möglich.
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4. An Haftungshöchstbeträge sind vereinbart worden: 5 a) bei Tod oder Körperverletzung eines Passagiers 700000 Poincaré-Francs, annähernd entsprechend 150000,- DM, b) für Verlust oder Beschädigung des Kabinengepäcks (ausschließlich des in oder auf einem Fahrzeug befindlichen Gepäck) 12 500 Poincaré-Francs, annähernd etwa 2700 DM entsprechend, c) f ü r Verlust bzw. Beschädigung eines Fahrzeugs einschließlich des in oder auf dem Fahrzeug befindlichen Gepäcks 50000 Poincaré-Francs pro Fahrzeug, entsprechend etwa 10500 DM. d) f ü r Verlust oder Beschädigung anderen Gepäcks 18000 Poincaré-Francs, entsprechend etwa 3800 DM. für Beschädigung eines Fahrzeugs (nicht f ü r Verlust) kann eine Franchise bis zu 1750 Poincaré-Francs — etwa 375, — DM, für Verlust oder Beschädigung von Gepäck bis zu 200 Poincaré-Francs — etwa 42, — DM vereinbart werden. 1097
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des H G B
5. Die Umrechnung der in Poincare-Francs ausgedrückten Beträge in die nationale Währung soll auf der Grundlage des amtlichen Kurses der nationalen Währung am Tage des Urteils oder an einem zwischen den Parteien vereinbarten Datum erfolgen.
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6. Dem Kläger stehen zur Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche folgende Gerichtsstände zur Verfügung, soweit diese in einem Vertragstaat gelegen sind: a) Sitz des Beklagten, b) Abfahrts- oder Zielort nach dem Beförderungsvertrag, c) Wohnsitz des Klägers, wenn der Beklagte dort eine Niederlassung hat und der Gerichtsbarkeit dieses Staates unterworfen ist, d) Staat des Vertragsabschlusses, wenn der Beklagte dort eine Niederlassung hat und der Gerichtsbarkeit des Staates unterworfen ist. 8 7. Die Konvention tritt in Kraft sobald sie von zehn Staaten ratifiziert worden ist. 9 8. Abgelehnt wurden unter anderem Anträge, eine Gefährdungshaftung bzw. eine uneingeschränkte Verschuldensvermutung des Beförderers einzuführen. 10
III. Auf der Konferenz der IMCO in London im November 1976 ist ein Ergänzungsprotokoll zu der Athener Konvention geschlossen worden, in dem die auf Poincare-Franken basierende Haftungssumme auf Sonderziehungsrechte umgestellt wurde. Siehe die Wiedergabe im Nachtrag.
Text des Athener Übereinkommens ATHENS CONVENTION RELATING TO THE CARRIAGE OF PASSENGERS AND THEIR LUGGAGE BY SEA, 1974 The States Parties to this Convention, HAVING R E C O G N I Z E D the desirability of determining by agreement certain rules relating to the carriage of passengers and their luggage by sea; HAVE DECIDED to conclude a Convention for this purpose and have thereto agreed as follows: Article 1 Definitions In this Convention the following expressions have the meaning hereby assigned to them: 1. a) "carrier" means a person by or on behalf of whom a contract of carriage has been concluded, whether the carriage is actually performed by him or by a performing carrier; b) "performing carrier" means a person other than the carrier, being the owner, charterer or operator of a ship, who actually performs the whole or a part of the carriage; 2. "contract of carriage" means a contract made by or on behalf of a carrier for the carriage by sea of a passenger or of a passenger and his luggage, as the case may be; 3. "ship" means only a seagoing vessel, excluding an aircushion vehicle; 4. "passenger" means any person carried in a ship, a) under a contract of carriage, or b) who, with the consent of the carrier, is accompanying a vehicle or live animals which are covered by a contract for the carriage of goods not governed by this Convention; 5. "luggage" means any article or vehicle carried by the carrier under a contract of carriage, excluding: a) articles and vehicles carried under a charter party, bill of lading or other contract primarily concerned with the carriage of goods, and b) live animals; 1098
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Passagier- u n d Gepäckkonvention
6. "cabin luggage" means luggage which the passenger has in his cabin or is otherwise in his possession, custody or control. Except for the application of paragraph 8 of this Article and Article 8, cabin luggage includes luggage which the passenger has in or on his vehicle; 7. "loss of or damage to luggage" includes pecuniary loss resulting from the luggage not having been re-delivered to the passenger within a reasonable time after the arrival of the ship on which the luggage has been or should have been carried, but does not include delays resulting from labour disputes; 8. "carriage" covers the following periods: a) with regard to the passenger and his cabin luggage, the period during which the passenger a n d / o r his cabin luggage are on board the ship or in the course of embarkation or disembarkation, a n d the period during which the passenger and his cabin luggage are transported by water f r o m land to the ship or viceversa, if the cost of such transport in included in t h e fare or if the vessel used for this purpose of auxiliary transport has been put at the disposal of the passenger by the carrier. However, with regard to the passenger, carriage does not include the period during which he is in a marine terminal or station or on quay or in or on any other port installation; b) with regard to cabin luggage, also the period during which the passenger is in a marine terminal or station or on a quay or in or on any other port installation if that luggage has been taken over by the carrier or his servant or agent and has not been re-delivered to the passenger; c) with regard to other luggage which is not cabin luggage, the period f r o m the time of its taking over by the carrier or his servant or agent o n shore or on board until the time of its redelivery by the carrier or his servant or agent; 9. "International carriage" means any carriage in which, according to the contract of carriage, the place of departure and the place of destination are situated in two different States, or in a single State if, according to the contract of carriage or the scheduled itinerary, there is an intermediate port of call in another State; 10. "Organization" means the Inter-Governmental Maritime Consultative Organization.
Article 2 Application 1. This Convention shall apply to any international carriage if: a) t h e ship is flying the flag of or is registered in a State Party to this Convention, or b) t h e contract of carriage has been made in a State Party to this Convention, or b) t h e place of departure or destination, according to the contract of carriage, is in a State Party to this Convention. 2. Notwithstanding paragraph 1 of this Article, this Convention shall not apply when the carriage is subject, under any other international convention concerning t h e carriage of passengers or luggage by another mode of transport, to a civil liability regime under the provisions of such convention, insofar as those provisions have mandatory application to carriage by sea. Article 3 Liability of the carrier 1. T h e carrier shall be liable for the damage suffered as a result of the death of or personal injury to a passenger and the loss of or damage to luggage if t h e incident which caused the damage so suffered occurred in the course of the carriage and was due to the fault or neglect of the carrier or of his servants or agents acting within the scope of their employment. 2. T h e b u r d e n of proving that the incident which caused the loss or damage occurred in the course of t h e carriage, and the extent of the loss or damage, shall lie with the claimant. 1099
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
3. Fault or neglect of the carrier or of his servants or agents acting within the scope of their employment shall be presumed, unless the contrary is proved, if the death of or personal injury to the passenger or the loss of or damage to cabin luggage arose from or in connexion with shipwreck, collision, stranding, explosion or fire, or defect in the ship. In respect of loss of or damage to other luggage, such fault or neglect shall be presumed, unless the contrary is proved, irrespective of the nature of the incident which caused the loss or damage. In all other cases the burden of proving fault or neglect shall lie with the claimant. Article 4 Performing carrier 1. If the performance of the carriage or part thereof has been entrusted to a performing carrier, the carrier shall nevertheless remain liable for the entire carriage according to the provisions of this Convention. In addition, the performing carrier shall be subpect and entitled to the provisions of this Convention for the part of the carriage performed by him. 2. The carrier shall, in relation to the carriage performed by the performing carrier, be liable for the acts and omissions of the performing carrier and of his servants and agents acting within the scope of their employment. 3. Any special agreement under which the carrier assumes obligations not imposed by this Convention or any waiver of rights conferred by this Convention shall affect the performing carrier only if agreed by him expressly and in writing. 4. Where and to the extent that both the carrier and the performing carrier are liable, their liability shall be joint and several. 5. Nothing in this Article shall prejudice any right of recourse as between the carrier and the performing carrier. Article 5 Valuables The carrier shall not be liable for the loss of or damage to monies, negotiable securities, gold, silverware, jewellery, ornaments, works of art, or other valuables, except where such valuables have been deposited with the carrier for the agreed purpose of safe-keeping in which case the carrier shall be liable up to the limit provided for in paragraph 3 of Article 8 unless a higher limit is agreed upon in accordance with paragraph 1 of Article 10. Article 6 Contributory
fault
If the carrier proves that the death of or personal injury to a passenger or the loss of or damage to his luggage was caused or contribued to by the fault or neglect of the passenger, the court seized of the case may exonerate the carrier wholly or partly from his liability in accordance with the provisions of the law of that court. Article 7 Limit of liability for personal injury 1. The liability of the carrier for the death of or personal injury to a passenger shall in no case exceed 700,000 francs per carriage. Where in accordance with the law of the court seized of the case damages are awarded in the form of periodical income payments, the equivalent capital value of those payments shall not exceed the said limit. 2. Notwithstanding paragraph 1 of this Article, the national law of any State Party to this Convention may fix, as far as carriers who are nationals of such State are concerned, a higher per capita limit of liability. 1100
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Passagier- und Gepäckkonvention Article 8 Limit of liability for loss of or damage to luggage
1. The liability of the carrier for the loss of or damage to cabin luggage shall in no case exceed 12,500 francs per passenger, per carriage. 2. The liability of the carrier for the loss of or damage to vehicles including all luggage carried in or on the vehicle shall in no case exceed 50,000 francs per vehicle, per carriage. 3. The liability of the carrier for the loss of or damage to luggage other than that mentioned in paragraphs 1 and 2 of this Article shall in no case exceed 18,000 francs per passenger, per carriage. 4. The carrier and the passenger may agree that the liability of the carrier shall be subject to a deductible not exceeding 1,750 francs in the case of damage to a vehicle and not exceeding 200 francs per passenger in the case of loss of or damage to other luggage, such sum to be deducted from the loss or damage. Article 9 Monetary unit and conversion 1. The francs mentioned in this Convention shall be deemed to refer to a unit consisting of 65.5 milligrams of golf of millesimal fineness 900. 2. The amounts referred to in Articles 7 and 8 shall be converted into the national currency of the State of the court seized of the case on the basis of the official value of that currency, by reference to the unit defined in paragraph 1 of this Article, on the date of the judgment or the date agreed upon by the parties. If there is no such official value, the competent authority of the State concerned shall determine what shall be considered as the official value for the purpose of this Convention. Article 10 Supplementary provisions on limits of liability 1. The carrier and the passenger may agree, expressly and in writing, to higher limits of liability than those prescribed in Articles 7 and 8. 2. Interest on damages and legal costs shall not be included in the limits of liability prescribed in Articles 7 and 8. Article 11 Defences and limits for carriers' servants If an action is brought against a servant or agent of the carrier or of the performing carrier arising out of damage covered by this Convention, such servant or agent, if he proves that he acted within the scope of his employment, shall be entitled to avail himself of the defences and limits of liability which the carrier or the performing carrier is entitled to invoke under this Convention. Article 12 Aggregation of claims 1. Where the limits of liability prescribed in Articles 7 and 8 take effect, they shall apply to the aggregate of the amounts recoverable in all claims arising out of the death of or personal injury to any one passenger or the loss of or damage to his luggage. 2. In relation to the carriage performed by a performing carrier, the aggregate of the amounts recoverable from the carrier and the performing carrier and from their servants and 1101
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agents acting within the scope of their employment shall not exceed the highest amount which could be awarded against either the carrier or the performing carrier under this Convention, but none of the persons mentioned shall be liable for a sum in excess of the limit applicable to him. 3. In any case where a servant or agent of the carrier or of the performing carrier is entitled under Article 11 of this Convention to avail himself of the limits of liability prescribed in Articles 7 and 8, the aggregate of the amounts recoverable from the carrier, or the performing carrier as the case may be, and from that servant or agent, shall not exceed those limits. Article 13 Loss of right to limit liability 1. The carrier shall not be entitled to the benefit of the limits of liability prescribed in Articles 7 and 8 and paragraph 1 of Article 10, if it is proved that the damage resulted from an act or omission of the carrier done with the intent to cause such damage, or recklessly and with knowledge that such damage would probably result. 2. The servant or agent of the carrier or of the performing carrier shall not be entitled to the benefit of those limits if it is proved that the damage resulted from an act or omission of that servant or agent done with the intent to cause such damage, or recklessly and with knowledge that such damage would probably result. Article 14 Basis for claims No action for damages for the death of or personal injury to a passenger, or for the loss of or damage to luggage, shall be brought against a carrier or performing carrier otherwise than in accordance with this Convention. Article 15 Notice of loss or damage to luggage 1. The passenger shall give written notice to the carrier or his agent: a) in the case of apparent damage to luggage: i) for cabin luggage, before or at the time of disembarkation of the passenger; ii) for all other luggage, before or at the time of its re-delivery; b) in the case of damage to luggage which is not apparent, or loss of luggage, within fifteen days from the date of disembarkation or re-delivery or from the time when such re-delivery should have taken place. 2. If the passenger fails to comply with this Article, he shall be presumed, unless the contrary is proved, to have received the luggage undamaged. 3. The notice in writing need not be given if the condition of the luggage has at the time of its receipt been the subject of joint survey or inspection. Article 16 Time-bar for actions 1. Any action for damages arising out of the death of or personal injury to a passenger or for the loss of or damage to luggage shall be time-barred after a period of two years. 2. The limitation period shall be calculated as follows: a) in the case of personal injury, from the date of disembarkation of the passenger; b) in the case of death occurring during carriage, from the date when the passenger should have disembarked, and in the case of personal injury occuring during carriage and resulting in 1102
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Passagier- und Gepäckkonvention
the death of the passenger after disembarkation, f r o m the date of death, provided that this period shall not exceed three years from the date of disembarkation; c) in the case of loss of or damage to luggage, from the date of disembarkation or from the date when disembarkation should have taken place, whichever is later. 3. The law of the court seized of the case shall govern the grounds of suspension and interruption of limitation periods, but in no case shall an action under his Convention be brought after the expiration of a period of of three years from the date of disembarkation of the passenger or from the date when disembarkation should have taken place, whichever is later. 4. Notwithstanding paragraphs 1, 2 and 3 of this Article, the period of limitation may be extended by a declaration of the carrier or by agreement of the parties after the cause of action has arisen. The declaration or agreement shall be in writing.
Article 17 Competent
jurisdiction
1. An action arising under this Convention shall, at the option of the claiment, be brought before one of the courts listed below, provided that court is located in a State Party to this Convention : a) the court of the place of permanent residence or principal place of business of the defendant, or b) the court of the place of departure or that of the destination according to the contract of carriage, or c) a court of the State of the domicile or permanent residence of the claiment, if the defendant has a place of business and is subject to jurisdiction in that State, or d) a court of the State where the contract of carriage was made, if the defendant has a place of business and is subject to jurisdiction in that State. 2. After the occurrence of the incident which has caused the damage, the parties may agree that the claim for damages shall be submitted to any jurisdiction or to arbitration.
Article 18 Invalidity of contractual
provisions
Any contractual provision concluded before the occurrence of the incident which has caused the death of or personal injury to a passenger or the loss of or damage to his luggage, purporting to relieve the carrier of his liability towards the passenger or to prescribe a lower limit of liability than that fixed in this Convention except as provided in paragraph 4 of Article 8, and any such provision purporting to shift the burden of proof which rests on the carrier, or having the effect of restricting the option specified in paragraph 1 of Article 17, shall be null and void, but the nullity of that provision shall not render void the contract of carriage which shall remain subject to the provisions of this Convention.
Article 19 Other conventions on limitation of liability This Convention shall not modify the rights or duties of the carrier, the performing carrier, and their servants or agents provided for in international conventions relating to the limitation of liability of owners of seagoing ships. 1103
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Article 20 Nuclear damage
No liability shall arise under this Convention for damage caused by a nuclear incident: a) if the operator of a nuclear installation is liable for such damage under either the Paris Convention of 29 July 1960 on Third Party Liability in the Field of Nuclear Energy as amended by its Additional Protocol of 28 January 1964, or the Vienna Convention of 21 May 1963 on Civil Liability for Nuclear Damage, or b) if the operator of a nuclear installation is liable for such damage by virtue of a national law governing the liability for such damage, provided that such law is in all respects as favourable to persons who may suffer damage as either the Paris or the Vienna Conventions. Article 21 Commercial carriage by public authorities This Convention shall apply to commercial carriage undertaken by States or Public Authorities under contracts of carriage within the meaning of Article 1. Article 22 Declaration of
non-application
1. Any Party may at the time of signing, ratifying, accepting, approving or acceding to this Convention, declare in writing that it will not give effect to this Convention when the passenger and the carrier are subjects or nationals of that Party. 2. Any declaration made under paragraph 1 of this Article may be withdrawn at any time by a notification in writing to the Secretary-General of the Organization. Article 23 Signature, ratification and accession 1. This Convention shall be open for signature at the Headquarters of the Organisation until 31 December 1975 and shall thereafter remain open for accession. 2. States may become Parties to this Convention by: a) signature without reservation as to ratification, acceptance or approval; b) signature subject to ratification, acceptance or approval followed by ratification, acceptance or approval, or c) accession. 3. Ratification, acceptance, approval or accession shall be effected by the deposit of a formal instrument to that effect with the Secretary-General of the Organization. Article 24 Entry into force 1. This Convention shall enter into force on the ninetieth day following the date on which ten States have either signed it without reservation as to ratification, acceptance or approval or have deposited the requisite instruments of ratification, acceptance, approval or accession. 2. For any State which subsequently signs this Convention without reservation as to ratification, acceptance or approval, or deposits its instrument of ratification, acceptance, approval or accession, the Convention shall come into force on the ninetieth day after the date of such signature or deposit. 1104
Anh § 678
Passagier- und Gepäckkonvention Article 25 Denunciation
1. This Convention may be denounced by a Party at any time after the date on which the Convention entered into force for that Party. 2. Denunciation shall be effected by the deposit of an instrument with the Secretary-General of the Organization who shall inform all other Parties of the receipt of the instrument of denunciation and of the date of its deposit. 3. A denunciation shall take effect one year after the deposit of an instrument of denunciation, of after such longer period as may be specified in the instrument.
Article 26 Revision and
amendment
1. A Conference for the purpose of revising or amending this Convention may be convened by the Organization. 2. The Organization shall convene a Conference of the Parties to this Convention for revising or amending it at the request of not less than one-third of the Parties. 3. Any State becoming a Party to this Convention after the entry into force of an amendment adopted by a conference convened in accordance with this Article shall be bound by the Convention as amended. Article 27 Depositary 1. This Convention shall be deposited with the Secretary-General of the Organisation; 2. The Secretary-General of the Organisation shall: a) inform all States which have signed or acceded to this Convention of: i) each new signature and each deposit of an instrument together with the date thereof; ii) the date of entry into force of this Convention; iii) any denunciation of this Convention and the date on which it takes effect; b) transmit certified true copies of this Convention to all signatory States and to all States which have acceded to this Convention. 3. Upon entry into force of this Convention, a certified true copy thereof shall be transmitted by the Secretary-General of the Organization to the Secretariat of the United Nations for registration and publication in accordance with Article 102 of the Charter of the United Nations. Article 28 Languages This Convention is established in a single original in the English and French languages, both texts being equally authentic. Official translations in the Russian and Spanish languages shall be prepared by the Secretary-General of the Organization and deposited with the signed original. IN WITNESS W E H R E O F the undersigned being duly authorized for that purpose have signed this Convention. DONE AT ATHENS this thirteenth day of December one thousand nine hundred and seventy-four. 1105
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
6. Internationales Übereinkommen über Maßnahmen gegen das Einschleicherunwesen (Brüssel, 10. Oktober 1957) Vorbemerkung Mitglieder: Dänemark, Finnland, Italien, Malgalche, Marokko, Norwegen, Peru, Schweden (Stand 1. 1. 1971). Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Mitglied. Siehe wegen des Inkrafttretens Art. 8. Text The High Contracting Parties, Having recognised the desirability of determining by agreement certain uniform rules relating to stowaways, have decided to conclude a Convention for this purpose, and thereto have agreed as follows: — Article 1 In this Convention the following expressions shall have the meanings specified hereunder: "Stowaway" means a person who, at any port or place in the vicinity thereof, secretes himself in a ship without the consent of the shipowner or the master or any other person in charge of the ship and who is on board after the ship has left that port or place. "Port of Embarkation" means the port or place in the vicinity thereof at which a stowaway boards the ship on which he is found. "Port of Disembarkation" means the port at which the stowaway is delivered to the appropriate authority in accordance with the provisions of this Convention. "Appropriate authority" means the body or person at the port of disembarkation authorised by the Government of the State in which that port is situated to receive and deal with stowaways in accordance with the provisions of this Convention. "Owner" includes any charterer to whom the ship is demised. Article 2 (1) If on any voyage of a ship registered in or bearing the flag of a Contracting State a stowaway is found in a port or at sea, the master of the ship may, subject to the provisions of paragraph (3), deliver the stowaway to the appropriate authority at the first port in a Contracting State at which the ship calls after the stowaway is found, and at which he considers that the stowaway will be dealt with in accordance with the provisions of this Convention. (2) Upon delivery of the stowaway to the appropriate authority, the master of the ship shall give to that authority a signed statement containing all information in his possession relating to that stowaway including his nationality or nationalities, his port of embarkation and the date, time and geographical position of the ship when the stowaway was found, as well as the port of departure of the ship and the subsequent ports of call with dates of arrival and departure. (3) Unless the stowaway is under a previous individual order of deportation or prohibition from entry, the appropriate authority of a Contracting State shall receive any stowaway delivered to it in accordance with the foregoing provisions of this Article and deal with him in accordance with the provisions of this Convention. Article 3 When a stowaway is delivered to the appropriate authority at the port of disembarkation: (1) This authority may return him to any State of which it considers that he is a national and is admitted as such by that State. 1106
Anh § 678
Int. Übereinkommen betr. Einschleicherunwesen
(2) When, however, the State or States of which the appropriate authority consider the stowaway to be a national refuses or refuse to accept his return, or when the appropriate authority is satisfied that the stowaway possesses no nationality or that, for reasons mentioned in Article 5 (2), he should not be returned to his own country, then the said authority may, subject to the provisions of Article 5 (2), return the stowaway to the State in which the port which they consider to have been his port of embarkation is situated. (3) However, if the stowaway cannot be returned as provided under paragraph (1) or (2) of this article, the appropriate authority may, subject to the provisions of Article 5 (2), return him to the State in which the last port at which the ship called prior to his being found is situated. (4) Finally, when the stowaway cannot be returned as provided under paragraph (1) (2) or (3) of this Article, the appropriate authority may return him to the Contracting State whose flag was flown by the ship in which he was found. The State to which the stowaway is accordingly returned, shall be bound to accept the stowaway, subject to the provisions of Article 2 (3). Article
4
The costs of maintenance of a stowaway at his port of disembarkation as well as those for returning him to the country of which he is a national shall be defrayed by the shipowner, without prejudice to the right of recovery, if any, from the State of which the stowaway is a national. In all other cases the shipowner shall defray the costs of returning the stowaway but he will not be liable to defray maintenance costs for a period exceeding three months from the time when the stowaway is delivered to the appropriate authority. Any obligation to provide a deposit or bail as a guarantee for payment of the above costs shall be determined by the law of the port of disembarkation. Article
5
(1) The powers conferred by this convention on the Master of a ship and on an appropriate authority, with respect to the disposal of a stowaway, shall be in addition to and not in derogation of any other powers or obligations which he or they may have in that respect. (2) As regards the application of the provisions of this Convention, the Master and the appropriate authorities of the port of disembarkation will take into account the reasons which may be put forward by the stowaway for not being disembarked at or returned to those ports or States mentioned in this Convention. (3) The provisions of this Convention shall not in any way affect the power or obligation of a Contracting State to grant political asylum. Article
6
This Convention shall be open for signature by the States represented at the tenth session of the Diplomatic Conference on Maritime Law. Article
7
This Convention shall be ratified and the instruments of ratification shall be deposited with the Belgian Gouvernment which shall notify through diplomatic channels all signatory and acceding States of their deposit. 1107
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Article 8
(1) This Convention shall come into force between the ten States which first ratify it, six months after the date of the deposit of the tenth instrument of ratification. (2) This Convention shall come into force in respect of each signatory State which ratifies it after the deposit of the tenth instrument or ratification, six months after the date of the deposit of the instrument of ratification of that State. Article 9 Any State not represented at the tenth session of the Diplomatic Conference on Maritime Law may accede to this Convention. The instruments of accession shall be deposited with the Belgian Government which shall inform through diplomatic channels all signatory and acceding States of the deposit of any such instruments. The Convention shall come into force in respect of the acceding State six months after the date of the deposit of the instrument of accession of that State, but not before the date of entry into force of the Convention as established by Article 8(1). Article 10 Each High Contracting Party shall have the right to denounce this Convention at any time after the coming into force thereof in respect of such High Contracting Party. Nevertheless, this denunciation shall only take effect one year after the date on which notification thereof has been received by the Belgian Government which shall inform through diplomatic channels all signatory and acceding States of such notification. Article 11 (1) Any High Contracting Party may at the time of its ratification of or accession to this Convention or at any time thereafter declare by written notification to the Belgian Government that the Convention shall extend to any of the territories for whose international relations it is responsible. The Convention shall six months after the date of the receipt of such notification by the Belgian Government extend to the territories named therein, but not before the date of the coming into force of the Convention in respect of such High Contracting Party. (2) Any High Contracting Party which has made a declaration under paragraph (1) of this Article extending the Convention to any territory for whose international relations it is responsible may at any time thereafter declare by notification given to the Belgian Government that the Convention shall cease to extend to such territory. This denunciation shall take effect one year after the date on which notification thereof has been received by the Belgian Government. (3) The Belgian Government shall inform through diplomatic channels all signatory and acceding States of any notification received by it under this article. Article 12 Any High Contracting Party may three years after the coming into force of this Convention in respect of such High Contracting Party or at any time thereafter request that a Conference be convened in order to consider amendments to this Convention. Any High Contracting Party proposing to avail itself of this right shall notify the Belgian Government which shall convene tHe Conference within six months thereafter. 1108
Passage-Vertragsbedingungen der Hapag-Lloyd AG
Anh § 678
In witness whereof the Plenipotentiaries, duly authorized, have signed this Convention. Done at Brüssels, this tenth day of October 1957, in the French and English languages, the two texts being equally authentic, in a single copy, which shall remain deposited in the archives of the Belgian Government, which shall issue certified copies.
7. Passage-Vertragsbedingungen der Hapag-Lloyd AG (gültig ab 1. April 1973) (wiedergegeben mit Genehmigung der Reederei) Die Hapag-Lloyd Aktiengesellschaft nachstehend „der Beförderer" genannt, übernimmt die Beförderung von Passagieren und deren Gepäck zu den folgenden Bedingungen: 1. Abschluß und Gültigkeit des Passagevertrages Die Fahrkarte gilt nur für die auf ihr genannte Person und Reise und ist nicht auf andere Personen übertragbar. Die Fahrkarte wird entweder dem Passagier oder einer für den Passagier auftretenden Person, die in jeder Beziehung als sein Bevollmächtigter angesehen wird, ausgehändigt. Der Passagier, der diese Fahrkarte persönlich oder durch einen anderen entgegennimmt, erklärt sich mit allen Bedingungen dieses Passagevertrages einverstanden. 2. Leistungsumfang (1) Soweit in diesen Bedingungen nichts anderes bestimmt ist, schließt der Fahrpreis die Beförderung und Unterbringung des Passagiers und des Gepäcks sowie die Verpflegung an Bord ein. Nicht im Fahrpreis enthalten sind alkoholische Getränke und Erfrischungsgetränke, besondere Dienstleistungen (z. B. Wäscherei, Friseur, Masseur) und die den Passagier betreffenden behördlichen Abgaben (z. B. Steuern, Lande-, Quarantäne- oder Stempelgebühren). Im übrigen ergibt sich der Umfang der Leistungen des Beförderers aus den Besonderen Leistungsbedingungen, die in den Geschäftsstellen des Beförderers ausliegen und Bestandteil dieses Passagevertrages sind. (2) Diese Bedingungen gelten nicht für Fahrzeuge, Tiere sowie anderes Gepäck als Kabinengepäck. Die Beförderung dieser Gegenstände erfolgt nur aufgrund besonderer Vereinbarungen mit dem Beförderer. 3. Ärztliche Behandlungskosten Die Leistungen des Schiffarztes einschließlich Abgabe von Medikamenten und Verbandsmitteln sind für den Passagier kostenfrei, wenn es sich um die Behandlung einer Krankheit oder Verletzung handelt, die erst durch den Aufenthalt an Bord entstanden ist und nicht auf einem Verschulden des Passagiers beruht. In allen anderen Fällen kann der Schiffsarzt für seine Inanspruchnahme ein Honorar gemäß den Vorschriften der Allgemeinen Deutschen Gebührenordnung für Ärzte verlangen und dem Passagier die Koten f ü r Medikamente und Verbandsmittel in Rechnung stellen. 4. Gepäck (1) Die Passagiere dürfen Freigepäck im Rahmen der von dem Beförderer in seinen Tarifen oder „Allgemeinen Mitteilungen" festgesetzten Grenzen mitnehmen. Weiteres Gepäck kann zu besonderen Transportbedingungen nach dem zur Zeit der Abfahrt des Schiffes geltenden Tarif befördert werden. (2) Das Gepäck darf nur persönliche Gebrauchsgegenstände enthalten. Insbesondere ist es den Passagieren nicht gestattet, Waffen und andere gefährliche Gegenstände, Rauschmittel sowie f ü r den Verbrauch während der Reise bestimmte alkoholische Getränke an Bord zu nehmen. Ziffer 6) Abs. 3 dieses Passagevertrages findet entsprechende Anwendung. (3) Die Passagiere müssen ihr Gepäck leserlich mit ihrem Namen und mit Angabe des Verlade- und Entladehafens etikettieren, andernfalls ist der Beförderer für Verluste, Verwechslungen und fehlerhaftes Ein- oder Ausladen des Gepäcks nicht verantwortlich. 1109
Anh § 678
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
5. Geld und Wertgegenstände Der Beförderer übernimmt keinerlei Haftung für irgendwelche Verluste oder Beschädigungen von Dokumenten, Wertgegenständen und Geld, die im Gepäck enthalten sind oder die der Passagier bei sich trägt. Der Passagier hat die Möglichkeit, solche Wertsachen bei einem Beauftragten des Beförderers bzw. des Kapitäns zu den besonderen „Verwahrungsbedingungen" zu hinterlegen. 6. Reisevorschriften/Reisepapiere (1) Der Passagier hat alle Gesetze, Verordnungen, Anordnungen oder Reisebestimmungen (Vorschriften) der Länder und Häfen, die von dem Schiff angelaufen werden, sowie alle Regeln und Anweisungen des Beförderers oder seiner Beauftragten zu befolgen. Der Passagier hat die notwendigen Reisepapiere rechtzeitig vor Antritt der Reise selbst zu beschaffen und auf Verlangen vorzuweisen. (2) Passagiere, die die in Absatz 1 genannten Vorschriften, Regeln oder Anweisungen nicht befolgen oder deren Reisepapiere unvollständig sind, verlieren das Recht, Beförderung unter diesem Vertrag zu verlangen und haben keinen Anspruch auf Fahrgelderstattung. (3) Der Passagier haftet dem Beförderer f ü r alle Folgen und Schäden, insbesondere Strafen, Bußen und Auslagen, die er zahlen oder hinterlegen muß, weil der Passagier die bezüglich der Ein-, Aus- oder Durchreise geltenden Vorschriften des betreffenden Landes nicht befolgt oder die erforderlichen Urkunden nicht vorgewiesen hatte. Der Passagier ist verpflichtet, Geldbeträge, die der Beförderer zahlen oder hinterlegen muß, sofort zu erstatten. (4) Der Beförderer haftet nicht für Hilfeleistungen und Auskünfte, die seine Angestellten oder Agenten für die Beschaffung der notwendigen Reisepapiere oder hinsichtlich der Befolgung der in Absatz 1 genannten Vorschriften gegeben haben. 7. Reisefähigkeit des Passagiers Der Beförderer hat, ohne daß ihm daraus Verpflichtungen entstehen, das Recht, Passagiere von der Beförderung auszuschließen oder in irgendeinem Hafen ausschiffen zu lassen, wenn diese nach dem Urteil des Kapitäns oder eines Beauftragten des Beförderers a) wegen Krankheit, Gebrechen oder aus irgendeinem anderen Grunde reiseunfähig sind; b) auf Begleitung angewiesen sind, jedoch ohne Begleitung reisen; c) für die Sicherheit oder Annehmlichkeit der Passagiere, der Besatzung oder des Schiffes nachteilig sind oder werden können; d) auf Grund falscher Angaben gebucht wurden. In diesen Fällen ist der Beförderer zur Erstattung von Fahrgeld nicht verpflichtet. Auf schriftlichen Antrag des Passagiers kann das Fahrgeld für den nicht zurückgelegten Teil der Reise erstattet werden, wenn der Passagier die vorzeitige Beendigung des Passagevertrages nicht zu vertreten hat und der Beförderer den freigewordenen Platz wieder verkaufen konnte. 8. Reiseklausel Der Beförderer ist berechtigt, mit dem eingesetzten Schiff anderen Schiffen Hilfe zu leisten und Schiffe zu schleppen und zu bergen, jede Route zu befahren und irgendwelche Häfen, in beliebiger Reihenfolge, ein- oder mehrmals anzulaufen oder Häfen auszulassen. Das Schiff ist ferner berechtigt, mit oder ohne Lotsen zu fahren, Reparaturen auszuführen oder zu docken, Probefahrten zu machen, Kompasse zu justieren, im Konvoi oder außerhalb eines solchen zu fahren, sowie Fracht jeder Art zu befördern. Alle derartigen Handlungen, ob vorher angekündigt oder nicht, gelten als Bestandteil der Vertragsreise. 9. Reiseänderungen/Ersatzbeförderung Der Beförderer ist berechtigt, ohne vorherige Ankündigung a) die Reise zu verschieben oder ganz ausfallen zu lassen und dafür eine andere Reise gleicher Art und Dauer durchzuführen; b) die Reise in einem anderen Einschiffungshafen beginnen zu lassen. Sofern diese Änderung auf Umständen beruht, die der Beförderer nicht zu vertreten hat, hat sich der Passagier auf eigene Kosten und Gefahr in den neuen Einschiffungshafen zu begeben; 1110
Passage-Vertragsbedingungen der Hapag-Lloyd AG
Anh § 678
c) f ü r das in diesem Passagevertrag bezeichnete Schiff ein anderes einzusetzen, gleichgültig, ob dieses Eigentum des Beförderers ist oder nicht oder ob es gleicher Art und G r ö ß e ist oder nicht; d) d e n Passagier u n d / o d e r sein Gepäck im Einschiffungs- oder in einem Zwischenhafen zu landen und mit einem anderen Verkehrsmittel auf jeder Route auf Kosten des Beförderers, aber auf eigene G e f a h r des Passagiers befördern zu lassen. 10. Verweigerung der Landungserlaubnis/Kosten der Weiterbeförderung Wird die Landung oder die Einreise des Passagiers u n d / o d e r die E i n f u h r seines Gepäcks in d e m vorgesehenen Hafen verweigert, ist der Beförderer berechtigt, den Passagier u n d / o d e r sein Gepäck nach einem anderen Hafen, der vom Schiff angelaufen wird, weiterzubefördern u n d dort zu landen. Er m u ß d a f ü r dem Beförderer den jeweils tariflich gültigen Fahrpreis für eine solche zusätzliche Beförderung zahlen und alle hiermit im Z u s a m m e n h a n g stehenden, sonstigen A u f w e n d u n g e n ersetzen. F ü r derartige zusätzliche Beförderungen gelten die Bestimm u n g e n dieses Vertrages. 11. Verhinderung oder Verzögerung der Reise (1) Wenn durch Krieg, Streik, A u f r u h r oder U n r u h e n , Eisgang, schweres Wetter, Anordn u n g e n einer Regierung oder Behörde oder aus irgendeinem anderen G r u n d e (ausgenommen anfängliche, vom Beförderer verschuldete, Seeuntüchtigkeit) das Schiff außerstande ist, die Reise fortzusetzen, oder wenn dem Kapitän oder dem Beförderer das Anlaufen eines bestimmten Hafens oder die Landung der Passagiere dort gefährlich oder geeignet erscheint, die Weiterreise des Schiffes zu verzögern, so dürfen die Passagiere u n d ihr Gepäck in irgendein e m H a f e n oder Ort (gleichgültig, ob vor oder nach dem ursprünglich vorgesehenen Ausschiffungshafen) gelandet werden. Damit ist dieser Passagevertrag voll erfüllt und die Verpflichtungen des Beförderers sind gleichzeitig beendet. (2) Sollte das Schiff am Auslaufen zur angesetzten Abfahrtszeit verhindert sein oder die Abfahrt sich aus irgendeinem G r u n d verzögern, ist der Beförderer f ü r den Unterhalt der Passagiere nicht verantwortlich. In derartigen Fällen, sowie bei Verzögerung der A n k u n f t oder falls das Schiff in Quarantäne kommt, hat der Passagier selbst die Kosten f ü r seinen Unterhalt zu tragen. Falls er in solchen Fällen an Bord ist und verpflegt wird, hat er die dem Beförderer entstehenden Mehrkosten zu ersetzen. 12. Rücktritt des Passagiers (1) Der Passagier hat das Recht, vor Beginn der Reise vom Vertrag zurückzutreten. Insoweit gelten die bei der Buchung vereinbarten Rücktrittsbedingungen. (2) Passagiere, die nicht vor Beginn der Reise vom Vertrag zurückgetreten sind oder sich nicht zur festgesetzten Einschiffungszeit a n Bord begeben haben oder die Reise vorzeitig beenden, haben keinen Anspruch auf Rückvergütung des Fahrgeldes oder eines Teils desselben. (3) Der Beförderer ist berechtigt, nicht belegte oder freigewordene Plätze anderweitig zu verkaufen, o h n e daß der Passagier hieraus irgendwelche Ansprüche herleiten kann. 13. Rücktritt des Beförderers Der Beförderer ist berechtigt, ohne vorherige Ankündigung von diesem Passagevertrag zurückzutreten. Bei Rücktritt vor Beginn der Schiffsreise wird der bezahlte Fahrpreis in voller H ö h e erstattet, bei späterem Rücktritt anteilig. 14. Haftung des Beförderers (1) Der Beförderer haftet für den durch Tod oder Körperverletzung des Passagiers entstandenen Schaden u n d für Verluste oder Beschädigungen von Gepäck (vgl. Ziffer 4) wenn sich das Schadensereignis während der Beförderung ereignet und auf einem Verschulden des Beförderers oder seiner im R a h m e n ihrer Dienstverrichtungen handelnden Leute beruht. Für den Schaden oder Verlust infolge Seeuntüchtigkeit des Schiffes haftet der Beförderer nur, wenn er oder seine Leute im R a h m e n ihrer Dienst Verrichtungen nicht die angemessene Sorgfalt hinsichtlich der Erhaltung der Seetüchtigkeit, Bemannung, Einrichtung und Ausrüstung ausgeübt haben. 1111
Arth § 678
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
(2) Der Beförderer haftet nicht f ü r Folgeschäden und indirekte Schäden sowie f ü r Schäden infolge von Verzögerungen, gleichgültig, worauf sie beruhen. (3) Die Haftpflicht des Beförderers ist begrenzt auf den Zeitraum währenddessen sich der Passagier und/oder sein Gepäck auf dem Schiff oder einem eigenen Zubringerschiff des Beförderers befinden. Alle sonstigen Beförderungs- oder Dienstleistungen (z. B. Beförderung mit Schiffen oder Tendern, die nicht dem Beförderer gehören oder von ihm betrieben werden, sowie mit anderen Transportmitteln, Landausflüge, Hotelunterbringung) geschehen auf eigene Gefahr des Passagiers bzw. zu den Bedingungen derjenigen Personen und Gesellschaften, die diese Leistungen erbringen. Die Entgegennahme von Geldbeträgen für solche Leistungen gilt nicht als Übernahme einer Haftung durch den Beförderer. 15. Beweislast (1) Die Beweislast dafür, daß das Ereignis, das den Schaden oder Verlust verursacht hat, während der Beförderung eingetreten ist, und die Beweislast für den Umfang des Schadens oder Verlustes, trägt der Passagier. (2) Die Beweislast für ein Verschulden des Beförderers oder seiner Leute obliegt dem Passagier, sofern nicht der Schaden oder Verlust durch oder infolge Schiffbruch, Kollision, Strandung, Explosion oder Feuer entstanden ist. 16. Schadenanzeige (1) Der Passagier hat jede Körperverletzung und jeden Schaden oder Verlust seines Gepäcks unverzüglich, jedoch spätestens bei der Ausschiffung dem Kapitän oder seinem Stellvertreter schriftlich mit allen Einzelheiten mitzuteilen. Ist die Körperverletzung oder der Schaden äußerlich nicht erkennbar, so genügt es, wenn die Mitteilung innerhalb von 15 Tagen nach der Ausschiffung erfolgt. (2) Bei nicht rechtzeitiger Anzeige wird vermutet, daß der Passagier und sein Gepäck bei der Ausschiffung unversehrt bzw. unbeschädigt waren. 17. Ausschlufifristen (1) Schadenersatzansprüche wegen Körperverletzung oder Tod des Passagiers sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres gerichtlich geltend gemacht werden. Die Ausschlußfrist beginnt a) bei Körperverletzung: mit dem Tage der Ausschiffung des Passagiers; b) bei Tod während der Reise: mit dem Tage, an dem der Passagier ausgeschifft worden wäre; c) bei Körperverletzung während der Reise mit Todesfolge nach Ausschiffung: mit dem Tage des Todes. In diesem Fall läuft die Frist spätestens drei Jahre nach Ausschiffung ab. (2) In allen anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen sind Ansprüche ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Ausschiffung geltend gemacht werden. 18. Höchsthaftungsbeträge (1) Die Haftung des Beförderers ist begrenzt auf: a) DM 100000,— je Passagier bei Tod oder Körperverletzung des Passagiers; b) DM 3 000, — je Passagier bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck. (2) Der Beförderer ist in keinem Fall für mehr als den tatsächlich erlittenen und ordnungsmäßig nachgewiesenen Schaden verantwortlich. 19. Haftung der Hilfspersonen Alle Rechte, Befreiungen und Beschränkungen, die nach den Vertragsbedingungen dem Beförderer, gleichgültig in welcher Beziehung, zustehen, finden auch zugunsten des Kapitäns, der Besatzungsmitglieder, Angestellten, Agenten und derjenigen selbständigen Unternehmer Anwendung, deren Dienste der Beförderer von Zeit zu Zeit für den Betrieb des Schiffes und alle hiermit verbundenen Tätigkeiten, einschließlich Be- und Entladen, in Anspruch nimmt. Im Sinne der in dieser Klausel enthaltenen Vereinbarungen gilt der Beförderer als Vertreter der jeweils für den Beförderer tätigen obengenannten Personen, so daß diese insoweit als Parteien dieses Passagevertrages gelten und von dem Passagier nur unter den gleichen Vorausset1112
Vor § 700
Haverei
zungen und in demselben Umfang wie der Beförderer selbst verantwortlich gemacht werden können. 20. Havarie-Grosse Passagiere sind für Eigentum, das von ihnen auf das Schiff mitgenommen ist, nicht beitragspflichtig zu einer Havarie-Grosse. Sie haben kein Recht auf Vergütungen in Havarie-Grosse. 21. Beschränkung gesetzlicher Ansprüche Die in diesen Bedingungen enthaltenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbeschränkungen gelten gegenüber allen Schadenersatzansprüchen des Passagiers, gleichgültig, ob sie auf den Passagevertrag oder andere Rechtsgrundlagen gestützt sind. 22. Gesetzliche Haftungsbefreiungen Soweit gesetzliche Vorschriften eines anderen Landes oder Staates zwingend anwendbar sind (insbesondere „Sections 4281-4286 inclusive of the Revised Statutes of the United States of America"), ist der Beförderer berechtigt, die sich daraus ergebenden Haftungsbegrenzungen und -befreiungen für sich in Anspruch zu nehmen. 23. Überschriften Die Überschriften dieser Bedingungen sollen ausschließlich die Übersicht erleichtern und in keiner Weise für den Inhalt oder die Auslegung der Klauseln bindend sein. 24. Gerichtsstand, anzuwendendes Recht (1) Für alle Streitigkeiten aus oder in Verbindung mit diesem Passagevertrag sind nach Wahl des Passagiers die Gerichte von Bremen oder Hamburg ausschließlich zuständig. (2) Soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, ist deutsches Recht anzuwenden. 25. Ungültigkeit einzelner Bestimmungen Wenn aus irgendeinem Grund eine der Bestimmungen dieses Vertrages unanwendbar oder unwirksam sein sollte, so bleiben alle übrigen Bestimmungen wirksam. Hier Fortsetzung 4. Buch HGB Sechster
Abschnitt
Bodmerei Die Vorschriften des Sechsten Abschnitts „Bodmerei" (§§ 679 bis 699) sind durch Art. 1 Ziff. 26 SRÄG aufgehoben worden. Die betreffenden Vorschriften sind entfallen. Die Aufhebung des Instituts der Bodmerei ist nach BT-Drucks. VI/2225 S. 25 erfolgt, weil es wirtschaftlich keine Bedeutung mehr habe und rechtssystematisch überholt sei. Eine Aufhebung ist auch in einer Reihe ausländischer Seerechte erfolgt, so in denen Belgiens, der Niederlande, Griechenlands, Italiens, Japans und Frankreichs. Siebenter
Abschnitt
Haverei Erster Titel GroBe (gemeinschaftliche) Haverei und besondere Haverei Überblick Schrifttum: Bergenroth, Die Freizeichnungsklauseln in der „Großen Haverei", HansRGZ 1936 A 334; Blümcke, Die große Haverei des Binnenschiffahrtsrechts im Vergleich mit der des Seerechts, Diss. Greifswald 1910; Bookholtz, Seefrachtvertrag und Konnossement in ihrem Einfluß auf die große Haverei, Diss. Hamburg 1934; Brunetti, Verschulden des Beteiligten und Regelung der großen Haverei, HansRGZ 1940 A 223; Bruun, Med bil à bât, 1954; Le Clère, Avaries Communes, Avaries Partieculières et Manquants, 1957; Darsing, Schiffsschäden im 1113
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Haverei- und im Versicherungsfalle, Verkehrs-Rundschau 1925 S. 695; Ehlers, Haverei-Grosse-Einschußquittungen und Urkundensteuer, Hansa 1941 S. 370; Frankenstein, Internationales Privatrecht, Bd. II, 1929, S. 532; Fleischfresser, Große Haverei, Versicherungsabandon, HansRZ 1921, 857; Graf, Vereinheitlichung des Rechts der großen Haverei auf dem Rhein, Strom und See 1956 S. 338; Groninger, Die „gemeinsame Gefahr" als Voraussetzung der Haverei-Grosse, Hansa 1954 S. 1881; Hagen, Voraussetzungen und Wesen der großen Haverei, Hansa 1941 S. 936; Heck, Das Recht der großen Haverei, 1889; Helmers, Havarie in der Praxis, Hansa 1967 S. 707; Hochgräber, Haftung des Kaskoversicherers für Aufopferung der Ladung, Juristische Rundschau für Privatversicherung. 1938 S. 291; ders., Große Haverei und Seeversicherung (eine rechtsvergleichende Übersicht), ZVersWiss 1942 S. 1; ders., Einiges über die stellvertretenden Kosten, Hansa 1943 S. 642; Kreller, Lex Rhodia, ZHR Bd. 85 S. 257ff.; Kreutziger, Gefahr und Irrtum im Recht der Großen Haverei, VersR 1961 S. 776; ders., Verschulden, Große Haverei und Freizeichnungsklauseln, Die Kommandobrücke 1963 S. 25; ders., Short of Bunkers, VersR 1963 S. 397; ders., Einiges über den Begriff „Aufopferung" im Havereigrosse- und Seeversicherungsrecht, Die Kommandobrücke 1964 S. 12; Liesecke, Opfer des Schiffes in großer Haverei, VersR 1965 S. 1017 ff. ; Lowndes und Rudolf, The Law of General Average, 10. Aufl. 1975 von Donaldson, Staughten und Wilson (British Shipping Laws Bd. 7); Lureau, Le fret initiale, le fret de remplacement et l'avarie commune, D M F 1961 S. 579; ders., De l'influence des fluctuations de change sur le règlement se l'avarie commune, D M F 1974 S. 131; ders., Une extension anormale de l'avarie commune: La clause de non-separation, D M F 1963 S. 515; Lyons, Some thoughts on general average in the Container Age, Journal of maritime Law and Commerce, 1970 S. 165; Martin, Havariegrosse und Währungsfragen, Juristische Rundschau für Privatversicherung 1926 S. 220; Meliert, HavereiGrosse und Haverei-Particular, Hansa 1935 S. 1122; Möring, Die York-Antwerp-Regeln von 1924 und das Problem der subsidiären Anwendbarkeit der Havarie-Grosse-Rechte, HansRGZ 1930 A 193; Moltmann, Das Recht der großen Haverei, Hansa 1905 Nr. 45 bis 47; Oesau, Die große Haverei, DDR 1974; Parenthou, L'avarie commune et les biens transportes sana connaissement, D M F 1966 S. 707ff.; ders., L'avarie commune et les „containers", D M F 1970 S. 451 ff.; ders., Les comptes joints d'avarie commune, D M F 1973 S. 515 ff.; Pateras, Vergleichende Darstellung der Großen Haverei nach griechischem und deutschem Recht, Diss. Leipzig 1931 ; Pierron, Les frais de déchargement de l'avarie commune, 1962; Pineus, L'avarie commune, D M F 1965 S. 14 ff. ; ders., La voiture automobile accompagnée et l'avarie commune, D M F 1965 S. 13; ders., Convention de non séparation, D M F 1970 S. 195; ders., On „Emma", en Orientierung on gemensamt haveri, Schriften der Handelshochschule Göteborg, 1968, Bd. 4; Plön-Kreutziger, Das Recht der großen Haverei, Bd. I 1965, Bd. II 1968; Prause, Große Haverei und Dispache nach sowjetischem Recht, Hansa 1965 S. 484ff.; Prosch, Havereigrossefolgen, Hansa 1911 S. 361 und 380; ders., Große Haverei in der Seeschiffahrt, SchiffJ 1925 S. 94ff.; Remé, Abschaffung oder Vereinfachung der großen Haverei?, 1970 (Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht, Reihe A Heft 13); Ritter, Große Haverei bei Ballastschiffen, LZ 1914, 341 ; Schade, Un problème de législation maritime: les avaries communes, D M F 1964 S. 451 ff. ; Selmer, The Survival of General Average, Oslo 1958; Sieveking, HansRZ 1927, 463; Sommer, Die mittelbaren Schäden in der Großen Haverei, Diss. Hamburg 1931; Wagner, Die Grundzüge des englischen Haveriegrosserechts, 1910; Wüst, Die Interessengemeinschaft im Ordnungsprinzip des Privatrechts, 1958, S. 63 ff.; Wüstendörfer, SHR 375; ders., Feuerschaden an Bord von Handelsschiffen als Große Haverei, in Festschrift für Haff, 1950, S. 380ff.; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Große Haverei, 3. Aufl., Bd. I 1927, Bd. II 1930. Siehe auch Hansa 1941 S. 269 (ohne Verfassernamen): Grundsätzliches über den Tatbestand der Großen Haverei. Vgl. auch die Angaben über das Schrifttum les. 1
in der Vorbemerkung zu den
York-Antwerp-Ru-
1. Ein aus dem griechisch-römischen Recht (lex Rhodia de jactu ; Dig. XIV, 2) überkommender Grundsatz des Seerechts ist, daß Schäden, die dem Schiff oder der Ladung oder beiden vorsätzlich auf Anordnung des Kapitäns zugefügt werden, um Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu retten, nicht nur von dem zufällig Betroffenen getragen, sondern im 1114
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Interesse aller gebrachten Opfer auf alle geretteten Werte verteilt werden sollen. Das aus diesem Grundsatz entstandene Rechtsinstitut bezeichnet man als große Haverei. Große Haverei (franz. avarie grosse, engl, general average, skandinavisch haveri, holländisch avarij, italienisch und portugiesisch avaria) sind also alle vorsätzlich auf Geheiß des Kapitäns zwecks Rettung von Schiff und Ladung dem Schiff und (oder) der Ladung zugefügte Schäden, zu deren Ersatz grundsätzlich alle geretteten Werte beizutragen haben (§ 700 HGB). Diesen Schäden stehen gleich die durch solche Maßregeln ferner verursachten Schäden und die Kosten, die zu demselben Zwecke aufgewendet werden. Das Rechtsinstitut der großen Haverei regelt im Wege der außervertraglichen Haftung die Verteilung solcher Schäden auf alle Beteiligten. 2. Durch diese vorsätzliche Schadenszuführung und die Verteilung des Schadens unterschei- 2 det sich die große Haverei von der kleinen Haverei und der besonderen Haverei. a) Kleine Haverei sind alle Aufwendungen, die als Unkosten der Schiffahrt angesehen werden. Unter sie fällt insbesondere der Katalog des § 621 Abs. 2 HGB: Lotsengelder, Hafengelder, Leuchtfeuergelder, Schlepplöhne, Quarantänegelder, Auseisungskosten und dgl. Sie sind, wenn nicht vertraglich etwas anders vereinbart ist, vom Verfrachter allein zu tragen, weil davon auszugehen ist, daß sie normalerweise bereits in der Fracht mitberechnet sind (§ 621 Abs. 2 HGB). b) Die besondere Haverei umfaßt alle Schäden und Kosten, die weder zur kleinen noch zur großen Haverei zu rechnen sind (§ 701 Abs. 1 HGB). Insbesondere gehört hierher auch der durch Schiffszusammenstoß entstandene Schaden. Der unter die besondere Haverei fallende Schaden wird nicht verteilt, sondern von dem Eigentümer des Schiffes oder der Ladung, je nachdem, wen er unmittelbar betroffen hat, für sich allein getragen (§ 701 Abs. 2 HGB). Doch schließt das nicht aus, daß der Geschädigte nach bürgerlichem Recht oder seerechtlichen Haftungsnormen einen Ersatzanspruch haben kann. 3. Der Begriff der großen Haverei erfordert im einzelnen: 3 a) Eine gegenwärtige, also unmittelbar drohende Gefahr, deren Erheblichkeit verständigerweise vom Kapitän angenommen werden durfte. Vgl. im einzelnen Anm. 1 ff. zu § 701 HGB. Der Kapitän muß überzeugt sein, daß ein Opfer notwendig ist, um Schiff und Ladung ganz oder teilweise zu retten. Dabei darf es sich nicht um rein vorbeugende Maßregeln handeln, die einer erst in Zukunft drohenden Gefahr, die erst von einem künftigen, noch ungewissen Ereignis abhängig ist, begegnen wollen (RGZ 165, 171; vgl. aber als eine Ausnahme hiervon § 706 Abs. 1 Ziff. 4 HGB). Auf die Ursache der Gefahr kommt es nicht an; sie kann also von einem Beteiligten oder Dritten verschuldet sein, z. B. durch Navigationsfehler, Seeuntüchtigkeit des Schiffes, gefährliche Ladung (§ 702 HGB). Unerheblich ist, ob die vom Kapitän angenommene Gefahr wirklich bestand, sofern er nur nach verständigem Ermessen ihr Bestehen annehmen durfte. Lagen vernünftige Gründe für die Annahme der Gefahr vor, so sind also die ihrer Anwendung gebrachten Opfer auch dann in großer Haverei zu vergüten, wenn die Annahme sich später als irrtümlich erwies (anders die Auffassung in den Staaten des angloamerik. Rechts). Um eine Seegefahr braucht es sich nicht zu handeln. Es genügt auch jede andere Gefahr während der Fahrt oder im Hafen. Während aber z. B. eine Strandung auf See oder in Flußmündungen regelmäßig eine gegenwärtige Gefahr bedeutet, ist das auf Flüssen, Kanälen oder in Hafengebieten nur dann der Fall, wenn besondere gefährdende Umstände hinzutreten, z. B. starke Strömung, die das Schiff höher auf das Land hinaufzudrücken droht, oder fallendes Wasser, das die Gefahr eines Durchbrechens des Schiffes mit sich bringt. b) Es muß sich um eine für Schiff und Ladung gemeinsame Gefahr handeln. Sie müssen sich 4 also in einer Gefahrengemeinschaft befinden. Siehe im einzelnen Anm. 6 ff. zu § 700 HGB. Eine Schadensverteilung in großer Haverei kommt deshalb nicht in Betracht bei einer Ballastreise oder wenn nur dem Schiff eine Beschädigung droht, die den Weitertransport der Ladung nicht hindern würde, oder wenn nur der Ladung eine Gefahr droht, die die Weiterreise des Schiffes nicht beeinträchtigen würde. Die Gemeinsamkeit der Gefahr muß auch für die ganze Ladung bestehen, nicht nur für einen Teil derselben (RGZ 165, 171). Ein Opfer, das zur Rettung einer Person gebracht wird, ist nicht in großer Haverei zu vergüten. In denjenigen 1115
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Fällen, in denen große Haverei nicht vorliegt, kann aber auch aus anderen Gründen eine Ersatzforderung gegeben sein, insbesondere nach den bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen. Die Gefahr muß für Schiff und Ladung auf derselben Ursache beruhen. Ihre Wirkung kann jedoch für Schiff und Ladung verschiedenartig sein; vgl. Anm. 8 und 9 zu § 700 HGB. Die Gefahrengemeinschaft beginnt mit der Beladung und endet grundsätzlich mit deren Löschung. Doch nimmt immer nur der schon oder noch an Bord befindliche Teil der Ladung an der Verteilung in großer Haverei teil. Auch bei vorübergehender Trennung von Schiff und Ladung vor Reisebeendigung kann große Haverei vorkommen (s. auch § 706 Nr. 2 HGB). In den YAR ist die Grundregel A hinsichtlich der gemeinsamen Gefahr für bestimmte Sonderfälle durch einzelne Zifferregeln abgewandelt. Dann haben nach der Präambel der YAR die Spezialbestimmungen der Zifferregeln den Vorrang. Vgl. z. B. die Regel VII (Maschinenschäden beim Abbringen) und Regel IX (Verfeuern von Schiffsmaterial, wo für beide Regeln eine gegenwärtige Gefahr gefordert wird, und die Regeln X und XI (Nothafen), wo sich eine Milderung der Ansprüche an die gemeinsame Gefahr gegenüber der Grundregel A findet. 5
c) Vom Kapitän oder seinem Vertreter selbst oder auf „dessen Geheiß" muß das Opfer gebracht werden, und zwar vorsätzlich, also in dem Bewußtsein, wahrscheinlich ein Opfer zu bringen. Vgl. Anm. 15 ff. zu § 700 HGB. Ordnen Unbefugte (Schiffsmannschaft, Ladungsbeteiligte oder Versicherer) eigenmächtig Rettungshandlungen an, so erfolgt keine Verteilung in großer Haverei. Erforderlich ist das Opfer als einheitliches Rettungswerk für Schiff und Ladung aus gemeinsamer Not. Das entscheidende Merkmal zur Abgrenzung des einheitlichen Rettungswerkes von Sondermaßnahmen, die nicht zur großen Haverei gehören, ist in der Willensrichtung des Kapitäns oder der mit seinem Einverständnis handelnden Personen zu erblicken. Vgl. Anm. 18 zu § 700 HGB.
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d) Ein Opfer muß erbracht sein, also eine außerordentliche Maßregel bezüglich der Handlung als solcher oder doch jedenfalls hinsichtlich der Wirkung einer an sich gewöhnlichen Handlung durch besondere Umstände. Es darf sich also nicht um gewöhnliche Maßregeln der Reiseausführung handeln. Auch Schäden, die ohne die Handlung des Kapitäns eingetreten wären, fallen nicht unter die große Haverei. Vgl. im einzelnen auch zu Anm. 7 bis 12 ff. zu § 700 HGB.
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e) Das Opfer kann darin bestehen, daß dem Schiff oder der Ladung oder auch beiden ein Schaden zugefügt wird; z. B. das Schiff wird auf Strand gesetzt, u m seinen Untergang zu verhüten. Ladung wird über Bord geworfen, um das Schiff zu erleichtern. Das Opfer kann aber auch in der Aufwendung von Kosten liegen, z. B. Hilfs- und Bergelohn, Extraschlepplohn. Doch scheiden solche Kosten aus, die der Verfrachter als regelmäßige Kosten der Schiffahrt zu tragen hat. Es muß sich also um Kosten für außerordentliche Maßregeln handeln. Vgl. oben unter 6. Vergütungsberechtigt sind auch die sog. Havereigrossefolgen, d. h. die durch vorsätzlich zugefügte Schäden und aufgewandte Kosten femer verursachten Schäden (§ 700 Abs. 1 HGB); z. B.: Ladung wird als Maßnahme der großen Haverei an Deck gebracht und später über Bord gespült. Doch sind Havereigrossefolge nur diejenigen Ereignisse, die als Folgen im gewöhnlichen Lauf der Dinge anzusehen sind. Niemals hierher gehören Schäden, die aus der Gefahr, der man durch die Opfermaßregel entgehen will, entstanden sind.
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f) Schließlich ist erforderlich, daß Schiff und Ladung ganz oder teilweise aus der Gefahr gerettet werden (§ 703 HGB). Doch braucht dieser Erfolg nicht die Folge des dargebrachten Opfers zu sein: es wird nur die Rettung nach, nicht durch das Opfer gefordert.
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4. Das Recht der großen Haverei ist zwar in seinen Grundprinzipien in allen Seerechten mehr oder weniger übereinstimmend. In den Einzelheiten jedoch zeigen sich erhebliche Abweichungen. U m diesen Zufälligkeiten zu entgehen (das Verfahren der Regulierung und die Frage, welche Schäden zur Verteilung gelangen, richtet sich nach dem Recht des Ortes der amtlichen Schadensaufmachung, der meistens der Bestimmungshafen ist; R G Z 147, 61), lag eine internationale Vereinheitlichung des Rechts der großen Haverei nahe. Diese ist in Ge1116
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stalt der sog. York-Antwerp-Rules, jetzt in der Fassung von 1974 erfolgt (zuerst 1864 in York, 1877 in Antwerpen, in Liverpool die YAR 1890, in Stockholm die YAR 1924, dann 1950). Es handelt sich bei ihnen um private Regeln, die auf die Initiative der International Law Association zurückgehen und sich als vereinbartes Recht in sehr vielen Konnossementen und Charterverträgen finden. Vornehmlich hat in ihnen englisches Recht seinen Niederschlag gefunden. Die YAR schließen das sonst anwendbare nationale Recht nicht vollständig aus, sondern nach der vorangestellten Rule of Interpretation nur insoweit, als es mit ihnen „inconsistent" ist. Die Regeln gliedern sich in sieben grundlegende Regeln (A —G) und 22 Einzelbestimmungen (I — XXII). Vgl. im einzelnen Anhang I zum ersten Titel des siebenten Abschnitts. Siehe auch § 700 H G B Anm. 35. 5. Nach § 702 Abs. 1 HGB wird die Anwendung der Vorschriften über die große Haverei 1 0 nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Gefahr infolge des Verschuldens eines Dritten oder auch eines Beteiligten herbeigeführt ist (ähnlich auch Regel D YAR). Ist ein Dritter schuldig, so beeinflußt das die Haveriegrosseverteilung überhaupt nicht. Fällt einem Beteiligten — Beteiligte in diesem Sinne sind der Reeder, Verfrachter, Ladungsbeteiligte, und im Rahmen des § 723 Abs. 2 und 3 H G B auch Reisende und Schiffsbesatzung — ein Verschulden zur Last, so kann er für den ihm entstandenen Schaden nichts vergütet verlangen und ist den Beitragsgeschädigten für den durch die Verteilung des Schadens als große Haverei für sie entstehenden Verlust verantwortlich (§ 702 Abs. 2 HGB). Entstehen also nur dem Schuldigen Schäden, so kann er keine Verteilung in großer Haverei fordern. Es bedarf dann keiner Aufmachung eines Schadensverteilungsplans. Sind die Schäden anderen entstanden, so erfolgt die Schadensverteilung, aber die so Benachteiligten haben einen Ersatzanspruch gegen den Schuldigen. Sind Schäden für den Schuldigen und andere eingetreten, so kombinieren sich diese Rechtswirkungen. Für den Reeder kommt aber nicht nur sein eigenes Verschulden in Betracht. Er trägt auch die Folgen eines Verschuldens einer Person der Schiffsbesatzung nach Maßgabe des § 485 HGB (§ 702 Abs. 3 HGB). Auch in diesem Fall entfällt also sein Vergütungsanspruch und entsteht f ü r ihn eine Schadensersatzpflicht gegenüber den übrigen Beitragspflichtigen. Dabei ist zu beachten, daß nach § 607 Abs. 2 H G B i. Verb, mit § 485 S. 2 H G B der Reeder den Ladungsbeteiligten für nautisches Verschulden der Schiffsbesatzung nicht einzustehen hat. Das gleiche gilt f ü r nautisches Verschulden des Seelotsen, der deshalb in § 702 Abs. 3 H G B keiner besonderen Erwähnung bedurfte, weil es sich bei einem Verschulden seinerseits regelmäßig um ein nautisches Verschulden handelt. Es erfolgt dann also eine Schadensverteilung, wie wenn kein Verschulden vorliegt, ohne Ersatzverpflichtung des Reeders und mit einem Vergütungsanspruch seinerseits ( Wüstendörfer, SHR 381). Nach der gesetzlichen Regelung ist dagegen kommerzielles Verschulden der Schiffsbesatzung gegenüber den Ladungsbeteiligten zu vertreten. Doch ist dies anders als bei der Haftung aus dem Frachtvertrag hier nur nachgiebiges Recht. Denn nach § 663 Abs. 1 HGB steht § 662 H G B einer für den Fall der großen Haverei getroffenen Vereinbarung nicht entgegen. Doch ist die Wirkung einer solchen Freizeichnung sehr umstritten. Nach h. A. hat sie jedenfalls Befreiung des Reeders von seiner Schadenshaftung gegenüber den anderen Beteiligten zur Folge und gewährt ihm auch den gesetzlich nicht gegebenen Vergütungsanspruch für seinen eigenen Schaden. Zweifelhaft ist namentlich, ob sie den Reeder auch von der gewöhnlichen anteilsweisen Umlage der Ladungsopfer auf das Schiff befreit. Vgl. im einzelnen dazu Anm. 18 u. 19 zu § 702 BGB. 6. Z u m Ersatz des gegen die Gefahr erbrachten Opfers sind auch die nur teilweise geretteten 11 Gegenstände beitragspflichtig. Wird ein aus jener Gefahr geretteter Gegenstand später auf der Reise von einer besonderen Haverei betroffen, so wird die Verpflichtung, von ihm beizutragen, n u r dann vollständig aufgehoben, wenn der Gegenstand vor dem Beginn der Löschung am Ende der Reise ganz verlorengeht (§ 704 Abs. 1). Doch bleibt die Verpflichtung auch in diesem Fall bestehen, wenn ein Dritter, der den Verlust durch eine rechtswidrige Handlung verursacht hat, hierfür eine Entschädigung zu zahlen hat (§ 704 Abs. 2). Wird ein durch das Opfer beschädigter Gegenstand nachher von einer besonderen Haverei betroffen, die ihn weiter beschädigt oder ganz verlorengehen läßt, so bleibt grundsätzlich der 1117
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Anspruch auf Vergütung in der ursprünglichen Höhe von Bestand. Er entfällt nur, wenn der spätere Unfall mit dem früheren in keinem Zusammenhang steht, und auch dann nur insoweit, als der spätere Unfall auch den früheren Schaden nach sich gezogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre (§ 705 Abs. 1 HGB). Für die zur Wiederherstellung des beschädigten Gegenstandes bereits gemachten Aufwendungen bleibt indessen der Vergütungsanspruch auch dann bestehen, wenn später der Gegenstand neu beschädigt wird oder verlorengeht (§ 705 Abs. 2 HGB). Entfällt eine Beitragspflicht, so erhöhen sich die übrigen Beiträge entsprechend. Das gilt nur dann nicht, wenn erst nach Beginn der Löschung ein beitragspflichtiger Gegenstand verlorengeht oder im Wert vermindert wird, weil alsdann keine Gefahrengemeinschaft mehr vorhanden ist (§ 724 HGB). 12
7. Der allgemeine Begriff der großen Haverei in § 700 HGB findet seine Ergänzung und Einengung in dem umfangreichen kasuistischen Katalog des § 706 HGB, Fälle, in denen große Haverei vorliegen soll, ohne daß aber die Aufzählung eine erschöpfende ist, wie sich aus den einleitenden Worten des § 706 ergibt: „Große Haverei liegt namentlich in den nachstehenden Fällen vor". Die Bedeutung der Einzelaufzählung liegt darin, daß in den genannten Fällen die vergütungsberechtigten Havereiopfer im Interesse der Rechtssicherheit und der allgemeinen Verständlichkeit erschöpfend aufgezählt werden (anders Heck, Das Recht der großen Haverei, 1889, S. 203 f.). Soweit sich nicht aus den Einzelbestimmungen des § 706 H G B etwas anderes ergibt, müssen aber auch in seinen Fällen die allgemeinen Voraussetzungen der großen Haverei und adäquater Kausalzusammenhang vorliegen. Die Einzelfälle des § 706 HGB betreffen hauptsächlich: a) Seewurf, b) Leichterung, aber nur, sofern sie nicht im regelmäßigen Verlauf der Reise erfolgt, c) absichtliche Strandung, wenn sie erfolgt zum Zwecke der Anwendung der Nehmung oder des Untergangs und das Schiff im letzteren Falle nach der Abbringung reparaturfähig bleibt; eine nicht gewollte, zufällige Strandung fällt an sich nicht unter den Begriff der großen Haverei; es sollen aber nach der positiven Bestimmung des § 706 Nr. 3 HGB die Abbringungskosten sowie die bei der Abbringung dem Schiff oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden in großer Haverei verteilungsberechtigt sein (vgl. im einzelnen Anm. 19 ff. zu S. 706), d) Anlaufen eines Nothafens zur Vermeidung drohender Gefahr, und zwar sind in großer Haverei zu verteilen die eigentlichen Kosten des Ein- und Auslaufens, die Aufenthaltskosten im Nothafen für Schiff, Besatzung und Ladung, ferner die Ausbesserungskosten des Schiffes, sofern der auszubessernde Schaden selbst große Haverei ist. Zu diesen wichtigeren Fällen kommen die weniger bedeutsamen des § 706 Ziff. 5 — 7 HGB hinzu. In § 707 HGB sind ausdrücklich einige Fälle angeführt, die nicht als große, sondern als besondere Haverei angesehen werden.
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8. Auf G r u n d der besonderen Bestimmung des § 708 H G B sollen bei der großen Haverei außer Ansatz bleiben die Schäden von auf Deck verladenen Gütern, an Gütern, über die kein Konnossement ausgestellt ist und über die auch das Manifest oder Ladebuch keine Auskunft gibt, ferner an Kostbarkeiten, Kunstgegenständen, Geld und Wertpapieren, die dem Kapitän nicht gehörig bezeichnet worden sind. Vgl. im übrigen für die Ermittlung der Schäden am Schiff §§ 709, 710 HGB, für diejenigen an der Ladung §§711 bis 714 HGB, für diejenigen an der Fracht § 715 HGB. Der hiernach ermittelte Schaden einschließlich der Ermittlungskosten wird über das Schiff, die Fracht und die Ladung nach Verhältnis ihres Wertes verteilt (§ 716 HGB). Auch der für gemachte Opfer Vergütungsberechtigte ist insoweit beitragspflichtig, um auf diese Weise seinen Anteil zu tragen. Der Anspruch des Vergütungsberechtigten richtet sich unmittelbar gegen die Vergütungspflichtigen. Doch ist es die Aufgabe des Kapitäns, die Aufmachung einer Dispache zu veranlassen, deren Zweck eine gerechte Verteilung der Schäden ist. Von dem Grundsatz der gleichmäßigen Verteilung des Schadens auf die beitragspflichtigen Werte bestehen einige Ausnahmen: vgl. § 723 Abs. 2 HGB, wonach die nicht vergütungsberechtigte Decksladung, nicht ordentlich deklarierte Güter oder Kostbarkeiten beitragspflichtig sind, falls sie gerettet werden; nach § 723 Abs. 1 H G B sollen der Kriegs- und Mundvorrat des Schiffes, weiter die Habe der Besatzung und das Passagiergut regelmäßig nicht beitragen (anders, wenn für diese Sachen Vergütung gewährt wird); nach § 721 Abs. 1 H G B soll die Fracht 1118
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nur mit zwei Dritteilen der tatsächlich verdienten Bruttofracht u n d der in großer Haverei zu vergütenden entgangenen Fracht beitragen (Überfahrtsgelder dagegen mit dem Betrage, welcher im Falle des Verlustes des Schiffes eingebüßt wäre (§ 670 HGB), nach Abzug der Kosten, die alsdann erspart sein würden, § 722 Abs. 2 HGB). Hinsichtlich der entscheidenen Werte f ü r die Beitragspflicht des Schiffes vgl. § 717 HGB, für diejenigen der Ladung § 718 HGB, ferner auch §§ 7 1 9 - 7 2 0 HGB. 9. Der S u m m e der zur Haverei beitragenden Werte steht diejenige der für Schäden zu leiStenden Vergütungen gegenüber. Aus dem Verhältnis beider errechnet sich der Prozentsatz der Havereibeiträge. Die als Dispache bezeichnete Berechnung erfolgt im Bestimmungshafen, sonst in dem, wo die Reise endet (§ 727 HGB), u n d zwar durch besonders e r n a n n t e „Dispacheure", f ü r deren Tätigkeiten die §§145 bis 158 F G G gelten. Der Kapitän hat die Dispache zu beantragen, wenn er sich den Beteiligten nicht verantwortlich machen will. Diese können den A n t r a g aber auch selbst stellen (§ 728 HGB). Die Dispache ist regelmäßig nur ein gutachtenartiger Vorschlag ( R G Z 147, 60). Jeder Beteiligte k a n n eine Verhandlung über sie vor dem Amtsgericht des Verteilungsortes beantragen (§§ 153, 149 F G G ) . Entweder schon vorher oder in dieser ist Widerspruch gegen sie zulässig (§ 155 F G G ) . Dieser kann, wenn er sich nicht d u r c h Einigung erledigt, für begründet anerkannt oder unter Fristsetzung auf den Klageweg verwiesen werden (§ 155 f. F G G ) . Das Gericht hat die Dispache zu bestätigen, wenn kein Widerspruch erhoben wurde oder ein erhobener erledigt ist (§§ 155 Abs. 2, 156 Abs. 1 u n d 2 F G G ) . Vgl. über die sofortige Beschwerde als Rechtsmittel gegen die Bestätigung § 157 Abs. 1 u n d 2 F G G . Die rechtskräftig bestätigte Dispache ist ein vollstreckbarer Titel (§ 158 F G G ) .
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10. Z u r Zahlung des von dem Schiff zu entrichtenden Beitrags ist der Schiffseigentümer, zur Z a h l u n g des von der Ladung zu entrichtenden Beitrags ist der Eigentümer der Ladung verpflichtet (§ 725 Abs. 1 Satz 1). Die Zahlungspflicht für den von den Fracht- und Überfahrtsgeldern zu entrichtenden Beitrag trifft den Verfrachter (§ 725 Abs. 2 Satz 1). Doch haftet in allen diesen Fällen der Beitragsverpflichtete n u r bis zur Höhe des Wertes der geretteten Gegenstände, mit denen er beitragspflichtig ist (§ 725 Abs. 3 Satz 1). Wegen der von dem Schiff und der Fracht zu entrichtenden Beiträge haben die Vergütungsberechtigten a n dem Schiff die Rechte von Schiffsgläubigern (§ 726 Abs. 1). A n den beitragspflichtigen G ü t e r n steht den Vergütungsberechtigten wegen des von den G ü t e r n zu entrichtenden Beitrags ein Pfandrecht zu (§ 726 Abs. 2). Siehe wegen der Rangverhältnisse der Pfandrechte an den beitragspflichtigen Gütern § 726 a. Die Forderung auf Beiträge zur großen Haverei verjährt in einem J a h r (§ 901 Ziff. 3). Die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist (§ 903 Abs. 1).
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11. Das Schiff darf den Hafen, in welchem nach § 727 H G B Feststellung und Verteilung der 1 6 Schäden zu erfolgen hat (Dispachehafen) n u r verlassen, wenn f ü r die vom Schiffe zu leistenden Beiträge den Ladungsbeteiligten Sicherheit geleistet ist (§ 730 HGB). Der Kapitän darf Güter, auf denen Havereibeiträge haften, vor der Berichtigung oder Sicherstellung der letzteren (§ 615 H G B ) nicht ausliefern, (§ 731 Abs. 1). 12. D u r c h das S R Ä G sind Änderungen der §§ 704, 706 Nr. 7 Abs. 3, 722, 724, 731, 737, die 1 7 E i n f ü g u n g des §§ 721 a und die A u f h e b u n g des f r ü h e r e n § 723 Abs. 4 erfolgt. Weiter sind an die Stelle der §§ 725, 726 die §§ 725 bis 726a getreten. Die Ä n d e r u n g e n wurden im Z u s a m m e n h a n g mit der Ratifizierung des Übereinkommens von 1957 über die Beschränkung der H a f t u n g der Eigentümer von Seeschiffen f ü r erforderlich gehalten (BT-Drucks. VI/2225 S. 25). Wenn bei der Reederhaftung allgemein das Summenhaftungsprinzip eingeführt wurde, sei es k a u m zu rechtfertigen, daß bei der großen Haverei und der Bergung u n d Hilfeleistung die Verwirklichung des Anspruchs weiterhin von dem Schicksal des Schiffes nach den anspruchsbegründenden Ereignis abhängig sein sollte. Die Ä n d e r u n g e n im Bereich der großen Haverei haben zwei Schwerpunkte: A n die Stelle der beschränkt-dinglichen H a f t u n g des f r ü h e r e n § 726 H G B ist eine persönliche H a f t u n g des Beitragspflichtigen getreten, die jedoch auf den Wert des f ü r ihn geretteten Gegenstandes beschränkt ist (§ 725 HGB). Außerdem sollte ausdrücklich klargestellt werden, daß im Falle des 1119
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Verlustes eines beitragspflichtigen Gegenstandes vor dem Ende der Reise ein etwaiger Ersatzanspruch des Verpflichteten mit seinem Wert beiträgt (§ 721 a HGB). 18
13. Eine uneigentliche große Haverei kennt das Gesetz in den Fällen der §§ 635, 732, 733 HGB.
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14. Das Institut der großen Haverei findet sich auch im Binnenschiffahrtsrecht, allerdings mit Abweichungen im einzelnen gegenüber dem Seerecht (vgl. §§ 78 ff. BSchG). Über die Zweckmäßigkeit seiner Einführung im Luftrecht vgl. de Rode-Verschoor, ZHR Bd. 118 S. 131 ff.
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15. Internationales Privatrecht. 1. Nach dem Recht der Flagge sind zu beurteilen (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 32 hält das Recht des Hafens, in welchem die Reise endet, für maßgebend): a) die Voraussetzungen, unter denen der Kapitän zu einem Opfer schreiten darf, sowie die etwa zu beachtenden Formvorschriften (Heck, 516; vgl. Boyens, Bd. 1, S. 22, 80; Ulrich-BrüdersHochgräber, Bd. IS. 7; Prüssmann, vor § 700 IV B). b) die Zuständigkeit des Gerichts für die Regulierung der Haverei (Boyens, Bd. 1, S. 79). Für das deutsche Recht vgl. § 727 HGB: Danach kommt regelmäßig der Bestimmungshafen in Betracht, und wenn dieser nicht erreicht wird, der Hafen, an dem die Reise endet. Siehe RGZ 147, 61 und vgl. §§ 835 HGB, 30 Abs. 4 ADS; Prot. 2756f.
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2. Nach dem Recht des für die Regulierung zuständigen Gerichts (dahin gehört aber nicht der zur Aufmachung der Dispache zuständige Konsul: Boyens, Bd. 1, S. 81) regelt sich mangels abweichender Vereinbarung (Beispiel: HansOLG HansGZ 1902 Nr. 19 und RG daselbst Nr. 134) a) die Frage, ob große Haverei vorliegt (HansOLG HansGZ 1904 Nr. 66; HansRGZ 1931 B 758); b) das Verfahren der Regulierung; c) die Beantwortung der Fragen, welche Schäden Havariegrosse sind und in welcher Weise der Ausgleich zu erfolgen hat (OG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 272; 1879 Nr. 11; ROHG 7 Nr. 42; 8 Nr. 74; 25 Nr. 1; HansOLG HansGZ 1882 Nr. 40; 1893 Nr. 101; LG Bremen und HansOLG HansRZ 1922 Nr. 132 und 133; RGZ 38 Nr. 1; Heck, 517ff.). Dahin gehört aber nicht die Frage, welche Schäden entstanden sind; z. B. ist dafür, welcher Frachtverlust erwachsen ist, das den Frachtkontrakt beherrschende Recht maßgebend (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 101). Vgl. hierzu YAR Regel XV. Siehe auch RGZ 147, 58.
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Nach OLG Hamburg Hansa 1970 S. 715 soll in analoger Anwendung der für unerlaubte Handlungen geltenden internationalprivatrechtlichen Bestimmungen das Recht des Tatorts gelten für die Verpflichtungen des Kapitäns aus großer Haverei, ebenso für die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen (Brand auf einem Schiff in einem deutschen Hafen).
§700 (1) Alle Schäden, die dem Schiffe oder der Ladung oder beiden zum Zwecke der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Kapitän oder auf dessen Geheiß vorsätzlich zugefügt werden, sowie auch die durch solche Maßregeln ferner verursachten Schäden, ingleichen die Kosten, die zu demselben Zwecke aufgewendet werden, sind große Haverei. (2) Die große Haverei wird von Schiff, Fracht und Ladung gemeinschaftlich getragen. Einleitung § 700 gibt die Begriffsbestimmung und das Grundprinzip der großen Haverei. Vgl. aber § 707 HGB, nach welchem, auch wenn die in § 700 aufgeführten Begriffsmerkmale vorhanden sind, kraft positiver Bestimmung die in § 707 aufgezählten Fälle nicht als große Haverei angesehen werden. Siehe auch § 706 HGB. 1
I. Begriffsbestimmung. Aus der vom Gesetz gegebenen Definition ergeben sich folgende Tatbestandsmerkmale: 1120
Haverei
§700
1. Gefahr. Gefahr ist eine die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes oder einer Wertminderung in sich schließende Situation (vgl. HansOLG HansGZ 1911 Nr. 8). Die Gefahr macht die Entstehung eines Schadens möglich, ohne ihn jedoch als notwendigen Erfolg erscheinen zu lassen (RG JW 1915 S. 703 Nr. 8). Vgl. auch Ehrenberg, KrVJSchr. 1921 S. 183 ff. Die Wahrscheinlichkeit ist nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge zu beurteilen (Mittelstein, HB 333). Der drohende Verlust braucht kein Totalverlust zu sein {Heck, 132; Boyens, Bd. I S. 468; UlrichBrüders-Hochgräbers, S. 10; anders ROHG 23, 344), wenn er es auch in den meisten Fällen der großen Haverei regelmäßig ist. Vgl. dazu §§ 704, 705 HGB und RGZ 93, 166. Ist die Gefahr bereits vorüber (z. B. wenn ein ausreichend starker Schlepper das Schiff bereits in seiner Gewalt hat), so kommt große Haverei nicht mehr in Frage; doch kann später eine neue Gefahr eintreten (vgl. HansOLG HansGZ 1911 Nr. 8). Nach dem Sinn der Gesetzesvorschrift versteht es sich von selbst, daß der in Frage stehende Verlust und damit die G e f a h r selbst nicht unerheblich sein darf. Insbesondere stellt nicht jedes Angrundgeraten eines Schiffes eine G e f a h r dar ( H a n s O L G H a n s G Z 1906 Nr. 113); vielmehr entscheidet hierüber der Einzelfall. Vgl. z. B. H a n s O L G H a n s G Z 1904 Nr. 27; 1907 Nr. 105; 1912 Nr. 139; 1916 Nr. 96. Doch ist zu berücksichtigen, daß die Frage der Erheblichkeit wie überhaupt diejenige des Vorliegens der G e f a h r nicht ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Das heißt: sofern der berufene Vertreter der Sachlage, der Kapitän, ohne daß ihm ein Vorwurf, sei es auch nur der übertriebenen Ängstlichkeit (Prot. 2686; LG Hamburg H a n s G Z 1884 Nr. 21; 1916 Nr. 96; R G Z 38, 5; O L G Königsberg PosMSchr. 1909, S. 81; Wüstendörfer, HB 379) zur Last fällt, eine erhebliche G e f a h r für vorliegend erachtet hat, kann nicht nachträglich der Tatbestand deshalb als nicht unter § 700 fallend angesehen werden, weil keine oder nur eine unerhebliche G e f a h r vorgelegen habe (Prot. 4077; OAG Lübeck SeuffA Bd. 7 Nr. 89; OG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 304; R O H G 8, 299; 23, 345; R G Z 38, 1; 165, 171 = H a n s R G Z 1941 B 161; HansOLG H a n s G Z 1897 Nr. 37; 1091 Nr. 104; 1904 Nr. 66; H a n s R G Z 1929 B 467 HansOLG Juristische Rundschau für Privatversicherung 1938 S. 155 = Sasse, Deutsche Seeversicherung 1923-1957, 1958, Nr. 446; Ulrich-Brüders-Hochgräber, S. 13 ff.; Wüstendörfer, SHR 380; Schlegelberger, A n m . 1 zu § 700; ders., Seeversicherungsrecht § 29 Anm. 4; Kreutziger, VersR 1961 S. 776; Prüssmann, § 700 B 1 a). Auf die Meinung eines Dritten kommt es nur dann an, wenn er an Stelle des Kapitäns das Kommando führt, z. B. ein — gegenwärtig nicht vorkommender — Führungslotse. Vgl. HansOLG H a n s G Z 1913 Nr. 117 = SeuffA Bd. 69 Nr. 38. Vgl. auch H a n s O L G H a n s G Z 1905 Nr. 32. Gegebenfalls m u ß sich der Kapitän mit dem an Bord befindlichen Lotsen über die Notwendigkeit einer Havariegrossemaßnahme (z. B. das Forcieren der Maschine) verständigen. Doch liegt, abgesehen vom Führungslotsen, die Entscheidung immer beim Kapitän. Übertriebene Ängstlichkeit des Kapitäns begründet das Vorliegen großer Haverei nicht (HansOLG H a n s G Z 1916 Nr. 96). Hat sich der Kapitän im Schiffstagebuch lediglich auf tatsächliche Angaben beschränkt, so kann seine persönliche Auffassung der Sachlage (z. B. aus der Verklarung) nachträglich festgestellt und verwertet werden ( H a n s O L G H a n s G Z 1909 Nr. 18). Gegen eine schuldhafte Überschätzung der G e f a h r bildet § 702 H G B das Korrektiv (HansOLG H a n s G Z 1905 Nr. 12). Vgl. auch Groninger, Hansa 1954 S. 1881. — Anders die anglo-amerikanische Auffassung, wonach die G e f a h r objektiv vorhanden sein m u ß (wie im deutschen Recht Regel A YAR). Was die Gefahr verursacht hat, ist gleichgültig; nicht einmal Verschulden eines Beteiligten 2 schließt die Anwendung der Vorschriften über die große Haverei aus (§ 702); ähnlich Regel D YAR 1950; vgl. RGZ 93, 166; OLG Hamburg Hansa 1966 S. 732; Brandis, Bd. 2 S. 88; Mittelstein, HB 334; Wüstendörfer, SHR 380, Ebenso ist unerheblich, wo die Gefahr eingetreten ist, ob auf der Reise oder im Abladehafen (anders A G Lübeck SeuffA 6 Nr. 245) oder im Löschungshafen (HG Bremen und HansOLG HansGZ 1880 Nr. 22; ROHG 25 Nr. 34; RGZ 11, 106; vgl. auch Prosch, Hansa 1911 S. 362). Daß Haveriegrosse im Hafen, auf Flüssen, Seen ebenso wie auf dem Meer vorkommen kann, ergibt sich schon daraus, daß sie auch dem Binnenschiffahrtsrecht bekannt ist. Allerdings wird eine gemeinsame Gefahr im Hafengebiet seltener entstehen als auf See (HansOLG Jur. Rdsch. für Privatversicherung 1938 S. 155; vgl. auch RGZ 165, 166). 1121
§700
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
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Wortlaut (vgl. das Wort „Errettung") und Sinn des Gesetzes ergeben weiter, daß nur eine bereits eingetretene, gegenwärtige, nicht eine bloß drohende, zukünftige Gefahr in Frage kommt (Prot. 2687; R O H G 21, 157; RG HansGZ 1882 Nr. 32 und 1885 Nr. 72; R G Z 38 Nr. 1; 165, 166; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 119; vgl. 1905 Nr. 12; LG Hamburg Hansa 1960 S. 1798. In einer Ausnahmebestimmung läßt § 706 Ziff. 4 Abs. 1 HGB die Nothafelung auch bei nur drohender, noch nicht gegenwärtiger Gefahr zu). Doch ist andererseits nicht erforderlich, daß die Gefahr bereits ihren Höhepunkt erreicht hat (HansOLG HansGZ 1881 Nr. 126). Eine unmittelbar drohende Gefahr kann sehr wohl als „gegenwärtig" gelten (HansOLG HansGZ 1904 Nr. 27; 1905 Nr. 12). Doch braucht z. B. der Untergang des Schiffes nicht bevorzustehen (HansOLG HansGZ 1912 Nr. 139; Brandis, Bd. 2 S. 87\ Sieveking, 193). Die Abgrenzung im Einzelfalle ist vom Gericht unter Berücksichtigung der früheren Beurteilung durch den Kapitän vorzunehmen. Auf die Ausnahme im Falle des § 706 Nr. 4 wurde bereits oben hingewiesen. — Vgl. für die York-Antwerp-Rules Anm. 3 zu Regel A.
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Beispiele gegenwärtiger Gefahr: das Schiff gerät in Treibeis, welches droht, dasselbe auf gefährliche Stellen zu drängen oder zu zerschneiden oder das Ruder zu beschädigen (HG Bremen und HansOLG HansGZ 1880 Nr. 22; R O H G 23 Nr. 114; HansOLG HansGZ 1881 Nr. 126; 1891 Nr. 74). Das Schiff ist im Eise festgeraten und kann trotz Maschinenüberanstrengung nicht freikommen (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 21; HansRZ 1920, 36). Das Schiff kommt auf G r u n d und es ist infolge der Beschaffenheit des Bodens oder der Stauung der Ladung ein Leckspringen oder Durchbrechen zu befürchten (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 18). Das Schiff gelangt in Gebiete, in denen es infolge Fortnahme der Seezeichen der Strandung ausgesetzt ist ( H G Hamburg HansGZ 1871 Nr. 146). Ein großer Dampfer gerät in einer engen und belebten Fahrstraße auf Grund (HansOLG HansGZ 1904 Nr. 27). Über Erhitzung der Kohle in den Bunkern oder Laderäumen vgl. KG HansRZ 1918, 403, über Hochwasser als Havereigrund siehe Mittelstein, HansGZ 1920, 280.
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Beispiele bloß drohender Gefahr (die Grenze ist gegenüber der gegenwärtigen Gefahr nicht immer leicht zu ziehen): drohendes Schlechtwetter (RGZ 165, 166; Wüstendörfer, HB 379); das Schiff gerät in Treibeis, das erst bei Hinzutritt weiterer Ereignisse, wie Sturm gefährlich werden kann; in ein im Hafen liegendes Schiff dringt Wasser ein, das Sinken des Schiffes läßt sich aber durch Hinausschaffen der Ladung verhindern (HansOLG HansGZ 1901 Nr. 119); der Mast eines Segelschiffes wird schadhaft, ohne daß zur Zeit ein Überbordgehen desselben zu befürchten ist (LG Hamburg HansGZ 1883 Nr. 121); das Schiff verläßt unter Zurücklassung von Ladung einen Hafen, in welchem es sich bei ausbrechendem Nordsturm gefährdet glaubt (HansOLG HansGZ 1888 Nr. 53); es liegt die Befürchtung nahe, daß durch Seewasser beschädigte, bereits gelöschte Ladung im Falle ihrer Wiedereinladung das Schiff zum Kentern bringen würde ( R O H G 21 Nr. 49). Vorbeugende Maßregeln bei nur möglicher Gefahr begründen keine große Haverei, z. B. Werfen schlecht gestauter Ladung, die ein Kentern erleichtern würde, oder Maßnahmen bei Ausbruch eines Krieges, solange nicht unmittelbare Gefahr (Geraten in Minenfelder, Sperrgebiete usw.) vorliegt, oder ein übervorsichtiger Kapitän nimmt in Cuxhaven für die Fahrt nach Hamburg einen Schlepper an in der Befürchtung, der Eisgang auf der Elbe könne so stark werden, daß er das Schiff gefährde (vgl. dazu Sieveking, 192; HansOLG HansGZ 1091 Nr. 119; Wüstendörfer, SHR 379).
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2. Eine gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung muß vorliegen. a) Verschiedene Interessen müssen beteiligt sein: große Haverei ist ausgeschlossen bei einem unbeladenen oder in Ballast fahrenden Schiff (Prot. 2636; H G Hamburg HansGZ 1871 Nr. 30; HansOLG HansGZ 1923, 128; Ulrich-Brüders-Hochgräber, S. 16; Wüstendörfer, SHR 379; Ritter, Große Haverei bei Ballastschiffen, LZ 1914, 341). Auch Schäden auf einer Probefahrt können nicht nach den Regeln der großen Haverei zwischen Werft und Reederei verteilt werden (RGZ 143, 387 = HansRGZ 1934, 187). Vgl. jedoch § 834 Nr. 2 HGB und § 63 ADS. Daß Schiff und Ladung verschiedenen Eigentümern gehören, ist nicht erforderlich. Das Interesse an der Dispachierung kann schon dadurch gegeben sein, daß der Eigentümer Schiff und Ladung bei verschiedenen Gesellschaften versichert hat. Wie hier Brodmann, 116; Prüssmann, § 700 B 4 a ; anders Sieveking, 125. - Vgl. HansOLG Hansa 1942 S. 838 = HansRGZ 1942 B 1122
Haverei
§700
121; Keine analoge Anwendung der Vorschrift über die große Haverei bei den Kosten für Pumpen und Abdichten eines Schwimmdocks und des in diesem eingedockten Schiffes, um beide vor dem Sinken zu bewahren. b) Unter gemeinsamer Gefahr ist zu verstehen eine gegenwärtige, für die mehreren Interessen- 7 ten auf dieselbe Grundursache zurückzuführende Gefahr (RGZ 165, 178; Wüstendörfer, SHR 379; siehe auch R G Z 14, 40; Groninger, Hansa 1954 S. 1881). Vgl. auch OLG Kiel HansRGZ 1934 B 461. aa) Für Schiff und Ladung (und zwar für die ganze Ladung: Boyens, Bd. 2 S. 468; Mittelstem, HB 334) muß es sich um eine gegenwärtige Gefahr handeln. Dies ist nicht der Fall, wenn die Gefahr zwar für die Ladung gegenwärtig, aber für das Schiff nur drohend ist. Vgl. den vom HansOLG HansGZ 1901, 281 entschiedenen Fall, daß Wasser in ein beladenes, im Hafen liegendes Schiff eindringt. Es ist auch dann nicht der Fall, wenn umgekehrt nur eine Gefahr für das Schiff vorliegt, z. B. nur besteht für ein im Nordostseekanal gesunkenes Schiff, aber nicht für die auf seinem Achterdeck verstauten Schienen (RGZ 165, 166); im Binnenschiffahrtsrecht für ein Schiff, das am Kai einzufrieren droht, dessen Holzladung aber auch dann noch entladen werden kann (KG HansRGZ 1939 B 75). Brandis, Bd. 2 S. 88 weist darauf hin, daß in solchen Fällen ein Ersatzanspruch für Opfer des Schiffes aus § 683 BGB oder ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Ladung hergeleitet werden könne. Siehe OLG Hamburg Hansa 1970 S. 715 über Brand an Bord eines Schiffes im Hafen als erhebliche gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung. Bei Opfern der Ladung zugunsten des Schiffes ist zu erwägen, ob Ersatzansprüche aus dem Frachtvertrag herzuleiten sind. Doch wird dann regelmäßig die Nichthaftung des Verfrachters wegen nautischen Verschuldens vorliegen. Ein geschlepptes Schiff gilt im Sinne der Havereivorschriften nicht als Ladung, selbst wenn es auf Grund eines Frachtvertrages befördert wird. Vgl. Mittelstein, HB 333. Dagegen kann die Haverei das geschleppte Schiff und seine Ladung betreffen. Zwischen mehreren geschleppten Schiffen (und deren Ladungen) besteht keine wechselseitige Gemeinschaft; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 84. Gefahr Dritter kommt nach deutschem Recht nicht in Betracht, ebensowenig die Gefahr für Menschenleben (vgl. auch unten Anm. 17). bb) Auf dieselbe Grundursache muß die Gefahr zurückzuführen sein (so ist auch R G Z 14, 41 8 aufzufassen, die der großen.Haverei zugrunde liegende Interessengemeinschaft beruhe darauf, „daß sämtliche Güter mit dem Schiffe von ein und derselben Gefahr bedroht würden"). Treten die Gefahren für Schiff und Ladung unabhängig voneinander auf, liegt z. B. für das Schiff die Gefahr der Aufbringung, für die Ladung aus ganz anderen Gründen diejenige des inneren Verderbs vor, so ist die Gemeinsamkeit der Gefahr zu verneinen (Wüstendörfer, SHR 379; anders Heck, Recht der Großen Haverei 142). Über Auflaufen auf eine verschlammte Untiefe als gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung s. Gerichtshof Den Haag Schip en Schade 1959 S. 156 = Hansa 1960 S. 1320. Über Auflaufen in einem Fluß als gemeinsame Gefahr vgl. AppG Genua II Diritto Marittimo 1958 S. 97. cc) Nicht erforderlich ist die Gleichheit der Gefahr, mag dieselbe auch in vielen Fällen vor- 9 handen sein. Es genügt eben, wenn die Gefährdung auf die gleiche Grundursache zurückgeht. So kann dieselbe die Ladung nur mit Beschädigung bedrohen, z. B. Eisenbahnschienen durch Rost, das Schiff aber mit Totalverlust (RGZ 165, 166). Oder es kann für das Schiff die Gefahr der Beschädigung, f ü r die Ladung die der Vernichtung bestehen; dem Schiff und der Ladung kann der Untergang in ganz verschiedener Gestalt drohen (vgl. die Beispiele bei Heck, a. a. O. S. 141 und Wüstendörfer, SHR 279). Wie hier Heck, 140ff.; Wüstendörfer, a. a. O.; Schlegelberger, Anm. 2 zu § 700; Prüssmann, § 700 B 4 b ; R G Z 165, 166; anders Mittelstein, HB 334; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 17; vgl. auch HansOLG HansGZ 1913 Nr. 41. dd) Bei einem Seeschubleichtertransport sind die Regeln der großen Haverei auf den Ge- 1 0 samtschubverband anzuwenden, wenn das Stoßboot und alle oder einige seiner Seeleichter und ihre Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr gerettet werden sollen (so auch für die Binnenschiffahrt Regel XXV der Rheinregeln). Als „Schiff" werden dann das Stoßboot und die Seeleichter angesehen, als „Ladung" die Gesamtladung der Seeleichter. Doch ist dann in den Schubvertrag und in den Seetransport eine entsprechende Klausel aufzunehmen, wenn die 1123
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
YAR zur Anwendung kommen sollen. Ist nur das Schubschiff oder nur der Seeleichter oder nur die Ladung von einer Gefahr bedroht, dann ist ein Fall der großen Haverei nicht gegeben. Siehe auch Oesau, Die große Haverei S. 81 f. und zur Frage der Schiffseinheit beim Schubverband Müller ZfBSch 1963 S. 177, der sie bejaht, und Papst ZfBSch 1963 S. 380, der sie verneint. 11
c) Für die Beurteilung, ob gemeinsame Gefahr vorliégt, ist maßgebend der Zeitpunkt des Eintritts des Havereifalls, der Ergreifung der Maßregel, nicht derjenige der Veranlassung desselben ( R O H G 13 Nr. 129; Mittelstein, a. a. O.; Ulrich-Brüders-Hochgräber, a. a. O.). Ist in diesem Zeitpunkt die Gefahr nicht gemeinsam, so liegt große Haverei nicht vor (HansOLG HansGZ 1919, 87). Zum mindesten muß in diesem Zeitpunkt die Überzeugung des Kapitäns von der Gemeinsamkeit der Gefahr vorhanden sein. Vgl. oben Anm. 1. Wird jedoch die Ladung nach dem Havereifall von dem Schiffe entfernt (z. B. nach der Strandung), so wird damit das Vorliegen der Haverei nicht in Frage gestellt (OLG Köln Recht 1914 Nr. 1663). Ebenso auch das englische Recht. Dagegen ist im amerikanischen Recht der entgegengesetzte Grundsatz anerkannt. Vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, a. a. O., S. 18, mit weiteren Nachweisen.
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d) Beginn und Ende der Gemeinschaft. Dieselbe beginnt mit der Anbordbringung der Güter (auch wenn das Konnossement erst später gezeichnet wird: HansOLG HansGZ 1911 Nr. 47) und endet regelmäßig mit ihrer Löschung (HansOLG HansGZ 1888 Nr. 8; R O H G 25 Nr. 34; Mittelstein, HB 332; Boyens, Bd. 2 S. 469; Wüstendörfer, SHR 379; Ulrich-Brüders-Hochgräber, a. a. O.). Große Haverei kann also schon im Abladehafen bestehen, soweit Güter schon eingeladen sind (ROHG 25, 138; vgl. RGZ 11, 106; nicht aber solange alle Güter noch in Leichtern längsseits liegen: — vgl. LG Hamburg HansGZ 1882 Nr. 89; Mittelstein, a. a. O. — oder am Kai lagern). Ebenso im Löschungshafen, soweit Güter noch nicht gelöscht sind ( R O H G 25 Nr. 34; H G Bremen und HansOLG HansGZ 1880 Nr. 22; R G Z 11, 106). Ausnahmsweise kann auch über die Löschung hinaus die Gemeinschaft fortbestehen (Heck, a. a. O. S. 144), auch über die vorzeitige Beendigung der Reise hinaus (LG Hamburg HansGZ 1880 Nr. 39: Bewachung eines gesunkenen Schiffes zum Schutze gegen Räubereien). Ist die Ladung nur zum Teil an Bord gebracht oder gelöscht, so nimmt nur der an Bord befindliche Teil an der späteren Verteilung teil. Vorübergehende Trennung von Schiff und Ladung beseitigt regelmäßig die Gemeinschaft nicht. Beispiele: die Ladung wird in großer Haverei geleichtert, um nach Beendigung der Gefahr zurückgeladen zu werden (§§ 706 Nr. 2, 718 HGB); das Schiff läuft nach zeitweiliger Trennung von der Ladung einen Nothafen an, um nach Ausbesserung die Ladung wieder einzunehmen ( R O H G 13 Nr. 139). Wegen der vor dem Havereifall im Nothafen gelöschten Güter s. Anm. 1 zu §718 HGB.
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3. Opfer. Gemeinsam gilt von ihnen, daß sie außerordentlicher Natur sein müssen (HansOLG HansGZ 1888 Nr. 53; 1913 Nr. 117; Mittelstein, HB 336; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 24f.; Ritter, HansRGZ 1936 A 47), wenn dies auch zur Vermeidung von Mißdeutungen nicht ins Gesetz aufgenommen ist (Prot. 2689, 2691 ff.). Die Außerordentlichkeit kann liegen in der Handlung, zu der sich der Kapitän entschließt (Ritter, LZ 1910 S. 341). Der Handlung kann vielfach die Unterlassung gleichgestellt werden, nämlich dann, wenn die Möglichkeit des Handelns überhaupt bestand (Brandis, Bd. 2 S. 89); anderenfalls würde es an der Freiwilligkeit des Opfers fehlen (vgl. Anm. 15). Beispiele für die außerordentliche Natur des Opfers: Überbordwerfen einer Sprengladung bei Kriegsausbruch (RGZ 89, 285 = DJZ 1917, 518 = LZ 1917, 393), Verfeuern von Ladung bei Kohlenmangel (RGZ 74, 335 = JW 1911 S. 106 = HansGZ 1911 Nr. 32), Werfen eines Teiles der Deckladung bei 20° Schlagseite des Schiffes und schwerem Wetter (LG Hamburg Hansa 1960 S. 1798). Beispiele für Fälle, in denen das Opfer nicht außerordentlicher Natur war: Ausbringen von Ankern, wenn infolge Eisgangs mit deren Verlust zu rechnen ist: HansOLG HansGZ 1913 Nr. 117 = SeuffA Bd. 69 Nr. 38; BGH Hansa 1965 S. 1984 = VersR 1965 S. 972 und 1017 (Anm. Liesecke) = MDR 1965 S. 979 für die Binnenschiffahrt: wenn von dem Anker bestimmungsgemäßer Gebrauch gemacht wird. Im allgemeinen ist das Ankerwerfen auch dann eine gewöhnliche Maßregel, wenn das Schiff festgeraten war. Wird der Anker aber in schwerer Seenot geworfen, um ein weiteres Auftrei1124
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ben des Schiffes auf die Sandbank zu verhüten, wobei die Wahrscheinlichkeit, daß Kette und Anker verlorengehen, sehr groß ist (letztes Rettungsmittel), so ist die Maßregel als außerordentliche anzusehen (HansOLG HansRZ 1920, 38; R G Z 98, 116 = HansRZ 1920, 386). Als gewöhnliche Opfer kommen namentlich nicht in Betracht der ordnungsgemäße Gebrauch der gewöhnlichen Hilfskräfte des Schiffes (HansOLG HansGZ 1881 Nr. 12 a. E.; 1884 Nr. 53; RG HansGZ 1885 Nr. 72; 1913 Nr. 117; HansRZ 1920, 36: Vor- und Rückwärtsarbeiten der Maschine bei Eisgefahr; ebenso HansRGZ 1932 B 4 0 f . ; anders wenn die Maschine dabei forciert wird, HansOLG HansGZ 1920, 35), Maßnahmen, welche die „normale Seefahrt" mit sich bringt, die gewöhnlichen und ungewöhnlichen Kosten der Schiffahrt und die Schäden, die der betreffende Schiffahrtsbetrieb seiner Natur nach gewöhnlich mit sich bringt. Deshalb gehören Löhne der Besatzung nicht zur großen Haverei, auch wenn von Besatzungsmitgliedern Arbeiten zur Rettung aus gemeinsamer Gefahr ausgeführt werden (BGH a. a. O. für die Binnenschiffahrt; siehe wegen des Falles des Einlaufens in einen Nothafen § 706 Ziff. 4 HGB) oder die Kosten, die vom Schiff vertraglich zu tragen sind (Boyens, Bd. 2 S. 476 für § 78 BSchG; Ritter, H a n s R G Z 1936 A 47). Denn der Kapitän ist stets verpflichtet, bei entstehender Gefahr zunächst die eigenen Hilfskräfte des Schiffes zu gebrauchen und die dadurch im normalen Verlauf eintretenden Schäden und Kosten fallen dem Reeder zur Last (Prot. 2658), z. B. Brechen von Trossen beim Vertäuen des Schiffes (HansOLG HansGZ 1881, 374), Kosten des Betriebes der Maschine, wenn das Schiff mit eigener Maschinenkraft vom Strande abgebracht wird (Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 25), Inbetriebnahme einer Dampfpumpe (UlrichBrüders-Hochgräber, a. a. O.), Kosten der Inbetriebsetzung einer Hilfsmaschine bei Segelschiffen, Schiffahrtsabgaben, Kosten der Instandhaltung des Schiffes, Schlepplohn, wenn er im gewöhnlichen Verlauf derartiger Reisen notwendig wird, auch wenn wegen Eisgangs ein außergewöhnlich hoher Schlepplohn zu zahlen ist, weil auch dieser voraussehbar war (RG HansGZ 1882, 60). Die Außerordentlichkeit kann ferner liegen in der Wirkung, welche an sich gewöhnliche 14 Handlungen durh besondere Umstände erhalten (Heck, 155 ff.; vgl. die Beispiele bei Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 28) oder in dem Anlaß der ergriffenen Maßregel (Heck, 155; Mittelstein, HB 337; Beispiel: Strandung § 706 Nr. 3 Abs. 4), insbesondere Forcieren der Maschine, um von G r u n d loszukommen (Boyens, Bd. 2 S. 476; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 29). Die Entsendung eines Schiffes in eine Gegend, wo Eisgefahr herrscht, ist nicht schuldhaft und kann die Außerordentlichkeit einer Maßnahme nicht in Frage stellen (HansOLG HansRZ 1920, 37). Aus der außerordentlichen Natur der Haveriegrosseopfer ergibt sich, daß Schäden und Kosten insoweit nicht grosse Haverei sind, als sie auch unter gewöhnlichen Umständen entstanden wären oder dem Reeder Ausgaben ersparen, die er ohne den Haveriegrossefall hätte aufwenden müsse. Es ist alsdann nur der Mehrbetrag über die gewöhnlichen bzw. ersparten Schäden und Kosten große Haverei (RG HansGZ 1882 Nr. 32; vgl. aber HansOLG HansGZ 1891 Nr. 74). Weitere Beispiele bei Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 29. Daß das Opfer für die spätere Rettung kausal ist, verlangt § 700 nicht (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 32). Das Gesetz nennt drei Arten von Havariegrosseopfern: 15 A) Schäden, die dem Schiff oder der Ladung oder beiden zum Zwecke der Errettung beider aus der gemeinsamen Gefahr von dem Kapitän oder auf dessen GeheiB vorsätzlich zugefügt werden. a) Schäden im weitesten Sinne, also entweder Beschädigungen oder partielle Verluste an Schiff oder Ladung (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 90), wie Seewurf, Verkauf von Schiffszubehör, Vorräten oder Ladungsstellen, Aufdenstrandsetzen des Schiffes, Kappen der Masten, Benutzung der Maschine trotz Versandens derselben. b) Vorsätzliche Zufiigung, durch Handlung oder Unterlassung (Heck, 106ff.; vgl. auch 1 6 Sieg, M D R 1959, S. 187; a. A. Mittelstein, HB § 78 Anm. 3 a; Boyens, Bd. 2 S. 472). Dazu gehört, daß gehandelt wird. aa) freiwillig. Nicht große Haverei sind also solche Schäden, die unabsichtlich statt der beabsichtigten verursacht werden (RGZ 44, 139; vgl. auch HansOLG HansGZ 1888 Nr. 53; Mittelstein, HB 337; Ritter, LZ 1910 S. 343; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 19); ferner unabwendbare Schäden, insbesondere auch solche, die auf öffentlich-rechtlichem Zwang oder völ1125
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kerrechtlicher Notwendigkeit beruhen (vgl. Ritter, a. a. O.), — gleichgültig ob sie ohne Tätigkeit des Kapitäns eintreten oder eine solche hinzutritt —, vornehmlich auch solche infolge von Unterlassung von Rettungsmaßregeln, die aus physischen oder juristischen Gründen unmöglich sind (ein Anker wird geschlippt, der nicht mehr aufgewunden werden kann; gefährliche Ladung wird nicht wieder an Bord genommen: H G und OG Hamburg HansGZ 1876 Nr. 60; R O H G 21, 157: die Entlöschung brennender Ware wird auf Grund behördlicher Abordnung zwecks Behinderung des Umsichgreifens des Feuers unterbrochen: HansOLG HansGZ 1894 Nr. 90 = SeuffA Bd. 50 Nr. 265; Ritter, LZ 1910, 343), oder von Aufopferung bereits wertlos gewordener Gegenstände (Kappen eines zerbrochenen Mastes: R O H G 17 Nr. 43; Werfen wertlos gewordener oder brennender Waren: HansOLG HansGZ 1892 Nr. 59; Mittelstein, a. a. O.; Brandis, Bd. 2 S. 89). Nicht große Haverei ist der Feuerschaden an Bord. Er ist daher nur vom Reeder bzw. Ladungseigentümer oder von deren Versicherern zu tragen. Vgl. Wüstendörfer, Feuerschäden an Bord von Handelsschiffen als große Haverei, in Festschrift für Haff, 1950, S. 380 ff. Dagegen ist große Haverei derjenige Schiffs- oder Ladungsschaden, der nur durch Löschmaßnahmen entstanden ist, einerlei, ob es sich bei diesem um Verwendung von Wasser oder chemischen Mitteln oder um Ladungswurf handelt. Häufig ist der Fall, daß die durch Löschmaßnahmen beschädigten Schiffs- oder Ladungsteile schon Feuerschaden aufweisen: dann sind die vom Feuer herstammenden Schäden nicht in großer Haverei zu verteilen, wohl aber die durch Maßnahmen der Feuerbekämpfung entstandenen weiteren Schäden ( R O H G 25, 100; Brodmann, bei Borchardt, Handelsgesetze des Erdballs, Bd. 13 S. 325 Note 2; Wüstendörfer, SHR 388 und in Festschrift für Haff). 17
bb) In der Voraussicht der Wahrscheinlichkeit des Schadens („vorsätzlich"), also in dem Bewußtsein, wenigstens evtl. ein Opfer zu bringen (RG HansGZ 1885 Nr. 72; HansOLG OLG-Rechtspr. 13, 62; HansGZ 1906 Nr. 48; HansRZ 1920, 36; Mittelstein, HB 337; Wüstendörfer, SHR 382). Diesbezügliche Gewißheit oder geradezu Bezweckung des Schadenseintritts ist nicht erforderlich (RG a. a. O.; Heck, 110; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 21; anders HansOLG HansGZ 1881 Nr. 126): es ist z. B. der Fall der vorsätzlichen Schadenszufügung auch dann gegeben, wenn Ladung in der Erwartung geworfen wird, sie würde geborgen werden. Vorsatz ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Eintritt des Schadens so nahe lag, daß der Kapitän mit ihm notwendig rechnen mußte (HansOLG OLG-Rechtspr. 13, 62; HansRZ 1920, 37). Andererseits genügt nicht die Inbetrachtziehung des Schadens als möglich, in der Hoffnung, ihn zu vermeiden (HansOLG HansGZ 1901 Nr. 84; besonders weitgehend f ü r den Fall bestimmungsgemäßer Verwendung der Anker unter Gefahr des Verlustes: H a n s O L G HansGZ 1913 Nr. 117 = SeuffA Bd. 69 Nr. 38). Wohl aber wenn der Kapitän den nur als möglich vorhergesehenen Schaden evtl. gewollt hat (HansOLG HansGZ 1906 Nr. 48 = SeuffA; 62 Nr. 117). Erfolgte die Schädigung nicht vorsätzlich, so liegt keine große Haverei vor, selbst wenn die Maßregel zur Rettung von Schiff und Ladung führte.
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c) Dem Schiffe oder der Ladung oder beiden. Außer Betracht bleiben also grundsätzlich die einem Menschen zugefügten Schäden, wie Tod, Gesundheitsbeschädigung, Nachteile durch Reiseverzögerung oder Aussetzung im Nothafen. Ausnahmefall: § 706 Nr. 5 Abs. 2.
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d) Zum Zwecke der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr. Nicht in Betracht kommen also Opfer zum Zwecke der Ausführung des Frachtvertrags — dienen sie beiden Zwekken, so ist nur der für die Rettung aufgewandte Mehrbeitrag Haveriegrosse (oben Anm. 13; dadurch, daß eine Maßregel gleichzeitig auch anderen Zwecken als dem der Rettung dient, verliert sie noch nicht den Charakter einer Havariegrossemaßnahme, vgl. Ritter, LZ 1910, 343; HansOLG HansGZ 1909 Nr. 79) Opfer zur Errettung von Schiff oder Ladung, insbesondere Totalopferung des einen im Interesse des anderen (Prot. 4075 ff., 2637; Beispiele: Boyens, Bd. 2 S. 473; Mittelstein, HB 338; R G Z 96, 320; Wüstendörfer, SHR 382 f. Die Folgen derartiger Opfer regeln sich nach bürgerlichem Recht: s. Anm. 5 zu § 703 HGB; vgl. Boyens, Bd. 2 S. 473; Mittelstein, HB 2, 338; Brandis, Bd. 2 S. 88; HansOLG HansGZ 1910 Nr. 37), ebensowenig Opfer zwecks Errettung von Menschenleben. Unerheblich ist, ob eine zur gemeinsamen Rettung vorgenommene Maßregel zugleich geeignet ist, gefährdete oder schon beschädigte einzelne Gegenstände vor Untergang oder weiterer Entwertung zu schützen. Es sind daher die schädlichen Folgen einer solchen Maßregel große Haverei (vgl. insbesondere den 1126
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durch Feuerschaden verursachten Schaden an bereits in Brand geratenen Gegenständen; s. dazu oben Anm. 16, ferner Tribunal de commerce Marseille, Revue internationale du droit maritime, Bd. 17 S. 763ff.; Appellationshof Aix, Revue internationale du droit maritime Bd. 18 S. 638 ff.; anders Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 20: Wenn ein den Umständen nach unabwendbarer Schaden noch eine Tätigkeit des Kapitäns erfordert, so kann er nicht als große Haverei verrechnet werden, namentlich wenn Gegenstände, die bereits wertlos geworden sind, aufgeopfert werden). Kann der Kapitän der Gefahr nicht mehr entgehen und bezwecken seine Maßnahmen lediglich die Herabsetzung des Schadens, so kommt große Haverei nicht in Frage (z. B. das Stranden ist unvermeidlich. Der Kapitän sucht es an eine Stelle zu verlegen, an welcher das Schiff möglichst wenig Schaden erleidet). Sind während der Gefahr mehrere selbständige Rettungsmaßnahmen getroffen worden, von denen nur eine oder einige zu dem Erfolg führten, so gehören doch alle Maßnahmen zur großen Haverei. Denn maßgebend ist der Zweck der Errettung. Dem steht § 703 nicht entgegen, denn er sieht von dem Kausalzusammenhang zwischen Maßnahme und Rettung völlig ab. Vgl. § 703 HGB Anm. 1. Werden Schiff und Ladung nicht durch dieselbe Maßregel gerettet, sondern durch eine Mehrheit von Einzelhandlungen, so kommt es darauf an, ob diese Handlungen auf Grund eines die Rettung von Schiff und Ladung bezweckenden einheitlichen Planes vorgenommen werden (RGZ 165, 166 = HansRGZ 1941 B 161; BGHZ 6, 324 = Hansa 1952 S. 1311 = NJW 1952 S. 1136; Wüstendörfer, SHR 383). Die Einheitlichkeit des Plans darf aber nicht nur eine gedachte sein, sondern muß sich aus der Ausführung selbst ergeben. Ist ein Teil der Ladung schon geborgen und wird dann noch einmal ein neuer Bergungsvertrag mit einem anderen Unternehmer abgeschlossen, so kann höchstens ein neuer Fall der großen Haverei vorliegen, zu deren Kosten aber die bereits gerettete Ladung nicht mit beiträgt (HansOLG, Vergleichsvorschlag, HansRGZ 1941 B 260). e) Von dem Kapitän oder auf dessen GeheiS. Alles soll in das pflichtgemäße Ermessen des 2 0 Kapitäns gestellt und ein eigenmächtiges Eingreifen von Besatzungsmitgliedern, Passagieren oder Interessenten ausgeschlossen werden. Zu diesen gehören insbesondere Versicherer und Ladungsbeteiligte (HansOLG HansGZ 1901 Nr. 119; HansRZ 1917, 150; die bei Mittelstein, HB 339 Note 59 zitierte Judikatur zum BSchG). — Hat der Kapitän aber bei den Maßnahmen der Dritten mitgewirkt, so gelten diese als auf sein Geheiß geschehen (RGZ 96, 322). Es steht auch natürlich nicht im Wege, daß der Kapitän solche Interessenten mit Havereimaßnahmen beauftragt, was unter Umständen stillschweigend durch Dulden derselben geschehen kann (vgl. Mittelstein, HB 339; OLG Naumburg OLG-Rechtspr. Bd. 13, S. 64; KG HansRZ 1917, 150). Vgl. auch R G Z 98, 171 = HansRZ 1920, 309 = HansGZ 1920, 98: Rettungskosten fallen auch dann in entsprechender Anwendung des § 700 unter große Haverei; wenn sie nicht auf reiner Eigenmacht des Versicherers oder anderer unbefugter Personen beruhen, sondern auf Maßnahmen und Abreden, die der Kapitän und Reeder gebilligt haben. Siehe auch Wüstendörfer, SHR 383; R G Z 165, 170; BGHZ 6, 328. Keinesfalls ist aber die Zustimmung dieser Interessenten wesentlich für die Frage, ob der Fall der großen Haverei vorliegt (OLG Köln Recht 1914 Nr. 1653). aa) Unter Kapitän ist hier der jeweilige Befehlshaber zu verstehen, also auch der den Kapi- 21 tän vertretende Schiffsoffizier (vgl. Anm. 3 zu § 516 HGB; § 2 Abs. 3 SeemG) und der das Kommando führende Führungslotse (Prot. 4078; ebenso Mittelstein, HB 339; Boyens, Bd. 2 S. 474; vgl. auch HansOLG HansGZ 1913 Nr. 117). bb) Geheiß ist nicht eine allgemeine Anordnung: es bedarf vielmehr einer besonderen Wei- 2 2 sung im Einzelfall (so auch Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 33). Auch die stillschweigende Duldung einer von anderer Seite vorgenommenen Handlung ist nicht ausreichend. Einerlei ist dagegen, auf wessen Initiative das Geheiß des Kapitäns beruht. Unter Umständen wird eine im Einverständnis des Kapitäns mit einem Ladungsbeteiligten oder Versicherer angeordnete Maßregel als „auf Geheiß" des Kapitäns vorgenommen angesehen werden können (vgl. HansOLG HansGZ 1901 Nr. 119; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 34; Prüssmann, § 700 B 9 a ; s. auch oben Anm. 19 mit weiteren Angaben). Die bloße Duldung des Eingreifens der Besatzung genügt jedoch nicht (Mittelstein, HB 338). 1127
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cc) Welche von mehreren Maßregeln zu ergreifen ist, entscheidet der Kapitän n a c h pflichtg e m ä ß e m E r m e s s e n ; an Beschlüsse des Schiffsrats ist er nicht gebunden (§ 518 H G B ) . Ü b e r Interessenkollision s. A n m . 11 ff. zu § 535 H G B . Falls die Befriedigung von G e l d b e d ü r f n i s s e n auf verschiedene A r t e n in Frage k o m m t , gilt § 539 H G B ; vgl. auch Mittelstein, H B 339. Die sachliche A n g e m e s s e n h e i t des Opfers ist nicht Voraussetzung der großen Haverei (Mittelstein, H B 339), ebensowenig die Frage der Kostspieligkeit ( H a n s O L G H a n s G Z 1909 Nr. 79: Befestigung d e r D e c k s l a d u n g mit Schiffsmaterial). Vgl. a u c h R G H a n s R Z 1920, 196.
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B. Die durch solche Maßregeln ferner verursachten Schäden: Havariegrossefolgen (Siehe Prosch, H a n s a 1911 S. 361 und 380). Die Havariegrossefolgen k ö n n e n beruhen auf Willensakt („Folgehandlungen": Heck, 115 ff.) oder auf Zufall. Folgehandlungen sind aber auch d a n n große Haverei, wenn sie nicht dem g e m e i n s a m e n Interesse, sondern demjenigen von Schiff oder L a d u n g dienen und wenn sie nicht v o m Kapitän oder auf dessen G e h e i ß v o r g e n o m m e n werden. Das von Heck, 116ff. sog. Opfersystem, dem das deutsche Recht folgt, gewährt also die Vergütung f ü r Folgehandlungen, auch w e n n sie weder die gemeinsame Sicherheit noch das g e m e i n s a m e U n t e r n e h m e n fördern. Ü b e r den Gegensatz der drei Systeme, des common-safety-Systems, des common-benefit-Systems u n d des Opfersystems s. rechtsvergleichend Heck, 116 ff. Das common-safety-System versagt die Vergütung f ü r Folgehandlungen, die nicht m e h r die H e r b e i f ü h r u n g der Sicherheit f ü r die g e m e i n s a m e n Interessen bezwecken; das common-benefit-System gewährt die Vergütung auch f ü r derartige Folgehandlungen, wenn und soweit sie der Fortsetzung der gemeinsamen Reise dienen. Der Streit zwischen dem common-safety-System und d e m common-benefit-System bewegte vornehmlich das englische Recht. Nach dem common-safety-System waren z. B. die Kosten des Aufenthalts im Nothafen, w e n n mit dem Einlaufen dort die Sicherheit erreicht war, nicht verteilbar. Nachdem die Sonderfragen der N o t h a f e n k o s t e n durch die R e c h t s p r e c h u n g geklärt ist, ist der Streit abgeflaut. Nach Regel A Y A R 1950 k o m m t es auf O p f e r u n d Kosten „for the c o m m o n safety" a n . Vgl. Wüstendörfer, S H R 385. Die Havariefolgen müssen nur mit der Havariegrossemaßregel in Kausalzusammenhang stehen. Doch genügt im deutschen Rechtskreis adäquate Verursachung (vgl. § 735 H G B A n m . 30 ff.). Es ist also nicht j e d e Folgehandlung und nicht jedes zufällige Ereignis, welches o h n e die Havariegrossemaßregel nicht eingetreten wäre, Havariegrossefolge, sondern nur diejenige Folgehandlung bzw. dasjenige zufällige Ereignis, das sich als natürliche voraussehbare (wenn auch nicht beabsichtigte: O G H a m b u r g H a n s G Z 1870 Nr. 304) Folge des Opfers im gewöhnlichen Verlauf der Dinge darstellt, = Boyens, Bd. 2 S. 474; ähnlich Heck, 112 ff.; Wüstendörfer, S H R 385; Prüssmann, § 700 C 3 a ; vgl. Prot. 2683ff.). Auch wenn diese Kriterien zutreffen, sind nicht Havariegrossefolgen die Schäden, die im Falle des § 706 Nr. 4 auf der Reise z u m N o t h a f e n eintreten, und die Kosten dieser Reise. Denn der Tatbestand des § 706 Nr. 4 stellt begrifflich keinen Havariegrossefall d a r („drohende Gefahr"), er ist es nur kraft positiver Bestimmung, und in Abs. 2 daselbst ist das, was in diesem Falle zur großen Haverei gehört, erschöpfend aufgezählt. Näheres Einleitung und A n m . 45 zu § 706 H G B . A n d e r s natürlich, wenn sich die Reise zum Nothafen selbst als Fall der großen Haverei darstellt; vgl. H a n s O L G u n d R G H a n s G Z 1888 Nr. 8. Keine große Haverei liegt deshalb vor, wenn der Blitz in geleichterte G ü t e r einschlägt (vgl. Wüstendörfer, S H R 385; bestr.). W o h l aber ist adäquat verursachter Grossehavereischaden gegeben, wenn die auf der Unterelbe zur Erleichterung des g e f ä h r d e t e n Schiffes bei schlechtem Wetter in Leichter geworfene Ladung dort Wasserschaden d u r c h Regen oder Seegang erleidet ( Wüstendörfer, a. a. O.). Ausnahmen von der Voraussetzung der adäquaten Verursachung enthält § 706 H G B , welcher n u r b e s t i m m t e Havariegrossefolgen gelten läßt. Ist der Schaden teils durch Seegefahr (z. B. Eispressung) und durch M a ß n a h m e n , welche die n o r m a l e Seefahrt mit sich bringt (Voru n d Rückwärtsarbeiten der Maschine im Eise) einerseits, teils durch Havariegrossemaßnahm e n (forciertes Arbeiten der Maschine) verursacht, so ist es Sache des Richters, gemäß § 287 Z P O nach f r e i e m Ermessen zu schätzen, welcher Teil des am Schiffsrumpf, der Maschine und dem I n v e n t a r entstandenen Schadens als Havariegrosseschaden anzusehen ist ( H a n s O L G H a n s R Z 1920, 36 f.). M u ß t e das Schiff zwecks R e p a r a t u r einen N o t h a f e n anlaufen und dort wegen derselben R e p a r a t u r die Ladung löschen, so ist der Schaden, den die Ladung durch das 1128
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Lagern an Land erleidet, nicht große Haverei ( R O H G 8, 217); siehe aber Plön-Kreulziger, I, S. 54: laufe ein Kühlschiff einen Nothafen an, müsse die Ladung in ein Lagerhaus gebracht werden und verderbe sie dort, weil es an den erforderlichen Kühleinrichtungen fehle, dann sei der Ladungsschaden als voraussehbarer Schaden in großer Havarei zu vergüten). Havariegrossefolge ist z. B. der Schaden, der durch Niederfallen eines gekappten Mastes entsteht (§ 706 Nr. 1 Abs. 2) oder der durch eindringendes Seewasser bei Öffnung der Luken zwecks Seewurfs verursacht wird, der Frachtverlust infolge der Opferung von Gütern, der Schaden, den die geleichterten Güter in den Leichterfahrzeugen erleiden (§ 706 Nr. 2 Abs. 2 HGB), die besonderen Kosten der Notreparatur einer sich als Havariegrosse darstellenden Beschädigung (Prot. 2690), der Untergang der Warenladung, welche der Kapitän wegen Kohlenmangels verfeuert (RGZ 74, 335 = JW 1911, S. 106), Schaden an der Ladung durch Sturzseen, die durch die, zwecks Leichterung geöffneten Luken schlagen oder Überbordspülen der an Deck gebrachten Ladung. Dagegen sind nicht Havariegrossefolgen Schäden durch Blitzschlag oder Feuersbrunst im 2 5 Nothafen, Schaden, welchen das Schiff nach Kappung des Mastes bei neuem Sturm erleidet, den es ohne den Havariefall bestanden haben würde (Prot. 4079), Schaden durch Sturm in dem wegen Kriegsgefahr angelaufenen Hafen (HG Hamburg HansGZ 1871 Nr. 146; vgl. auch R O H G 25, 100). Über die Frage, ob und wann bei Strandung Bodenschaden als zur Haverei gehörend anzusehen ist, vgl. § 706 HGB Anm. 27 ff. Unter keinen Umständen sind Havariegrossefolgen solche Schäden, die durch diejenige Ge- 2 6 fahr entstehen, welcher man durch die Havariegrossemaßregel aus dem Wege gehen wollte (Beispiel: HansOLG HansGZ 1880 Nr. 22); vgl. Niemeyer, HansRZ 1919, 46. Siehe dazu auch HansOLG Bremen Hansa 1963 S. 1143: Ladungsbrand. Unter welchen Voraussetzungen fallen Schäden durch Brandbekämpfungsmaßnahmen unter die Havariegrosse? Siehe dazu ebenso OLG Bremen MDR 1964 S. 80 = VersR 1964 S. 674. Wegen der YAR vgl. deren Regel C Abs. 1 und die Anm. zu diesem.
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C. „Die Kosten, die zu demselben Zwecke aufgewendet werden." 28 Kosten, d. h. Ausgaben, nicht sonstige pekuniäre Nachteile (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 90; SeuffA Bd. 50 Nr. 265), sind unter denselben Voraussetzungen große Haverei wie Schäden: sie müssen aufgewendet sein vorsätzlich vom Kapitän oder auf dessen Geheiß (das Reichsgericht erachtete in einem Falle, in welchem die Bergung eines von der Mannschaft verlassenen Schiffes nicht von dem Kapitän veranlaßt war, die Vorschriften über große Haverei analog f ü r anwendbar (Bolze Bd. 23 Nr. 542)) zum Zwecke der Errettung von Schiff und Ladung aus gemeinsamer Gefahr. Beispiele: Nothafenkosten, Hilfslöhne für Rettung in Seenot (vgl. aber Boyens, Bd. 2 S. 478), Notreparaturkosten (BGH VersR 1965 S. 954 = Hansa 1965 S. 1984 = M D R 1965 S. 980), Extraschleppkosten (vgl. dazu Sieveking, 198; LG Hamburg HansGZ 1900 Nr. 76; HansOLG HansGZ 1880 Nr. 92; R G HansGZ 1882 Nr. 32), Extralotsengelder, Auseisungskosten (Brandis, Bd. 2 S. 90), Kosten der Befestigung von Deckladung (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 79), Taucherkosten (LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1881 Nr. 72). Sind jedoch durch diese Maßnahmen dem Reeder Ausgaben erspart worden, die er bei Unterlassung der Maßnahme gehabt hätte, so tritt keine Havereiverteilung ein. Wurden die Havereikosten von dem Versicherer der Ladung aufgewendet, so kann dieser mit dem Versicherten wirksam vereinbaren, daß der letztere nach außen hin diese Kosten (insbesondere im Prozeßwege) geltend machen soll. Sind die Kosten von einem Ladungsbeteiligten (insbesondere dem Absender) aufgewendet, so steht ihm der sich daraus ergebende Anspruch zu. Vgl. KG HansRZ 1918, S. 403. In Betracht kommen ferner die Folgen der in Anm. 27 erwähnten Kosten, mögen sie in wei- 2 9 teren Kosten oder in Schäden bestehen (z. B. die Kosten, die der Schlepper als Geschäftsführer ohne Auftrag liquidiert, wenn er die Schlepptrosse geschlippt hat, um ein Kentern des geschleppten Schiffes zu verhindern). Auch sie sind als „durch solche Maßregeln ferner verursachte Schäden" (oben Anm. 24) große Haverei ( H e c k , 113; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 24). Über die Kosten zum Nothafen siehe oben Anm. 24 und Anm. 45 zu § 706 HGB. Vgl. dazu auch Ritter, ArchBürgR Bd. 40 S. 412. Über Regreßansprüche geschädigter Dritter vgl. ZVersWiss. Bd. 16 S. 218. 1129
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Wenn die Voraussetzungen der großen Haverei nicht vorliegen, so hat doch eine Verteilung der aufgewendeten Kosten nach ihren Grundsätzen insoweit zu erfolgen, als dadurch andere Kosten erspart werden, welche große Haverei gewesen wären. Man spricht alsdann von stellvertretenden Kosten („substituted expenses"): Heck, 425; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 35; Prüssmann, § 700 C 5. Vgl. YAR Regel F. Kosten, welche der Versicherer zur Rettung der Ladung (ohne Geheiß des Kapitäns) aufwendet, fallen nicht unter § 700 (HansOLG OLG Rechtspr. Bd. 22 S. 64; Mittelstein, HB 339 mit Judikatur). Siehe Sieg, MDR 1959 S. 187 darüber, ob die stellvertretenden Kosten auch im Rahmen des § 706 H G B verteilungsfähig sind. Vgl. auch Fricke, H a n s R G Z 1931 A 459 ff. Vgl. die das Binnenschiffahrtsrecht betreffende Entscheidung BGHZ 28, 285 = NJW 1959 S. 149 = Hansa 1959 S. 251 = MDR 1959 S. 104 und 186 = ZfBch 1959 S. 57. Siehe auch Anm. 9 und 58 zu § 706 HGB.
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II. Das Grundprinzip der großen Haverei ist in Abs. 2 niedergelegt: die große Haverei wird von Schiff, Fracht und Ladung gemeinschaftlich getragen. Es handelt sich um eine eigentümliche gesetzliche Gemeinschaft der verschiedenen Interessenten (der „Beteiligten": Anm. 6 zu § 702 HGB), vermöge deren einerseits jeder dulden muß, daß sein Gut zum gemeinsamen Besten geopfert wird, andererseits aber die Opfer und Aufwendungen gemeinschaftlich getragen werden (Näheres Heck, 565ff.; Pappenheim, HB2 S. 332). Und zwar handelt es sich um eine Interessengemeinschaft an einem Schiffe; zwischen mehreren Schiffen kann eine Havereigemeinschaft nicht bestehen; vgl. Gütschow, Hansa 1911 S. 271. Das Nähere über die Teilnahme am Ausgleich und über die Beitragspflicht bestimmt das Gesetz. Über den Erfolg als Voraussetzung des Havereiausgleichs s. § 703 HGB. Über Rechtspolitisches zum Institut der Großen Haverei s. Wüstendörfer, SHR 399; Heck, 48 ff. Vgl. auch Selmer, The Survival of General Average, Oslo 1958. Ist das Vorliegen einer Haveriegrosse rechtskräftig verneint worden, so können immer noch Ansprüche nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts (§§ 683, 228, 812, 904 BGB) erhoben werden (HansOLG HansGZ 1910 Nr. 37).
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III. Parteivereinbarungen. Vertragsmäßige Abreden, welche das Verfügungsrecht des Kapitäns über Schiff und Ladung beseitigen sollen, sind nichtig, sofern der Kapitän des Schiffes zur Rettung von Menschenleben bedarf (Heck, 522). Im übrigen hat auf dem Gebiete des Havariegrosserechts die Parteivereinbarung freies Spiel (Heck, 523; Mittelstein, HB 331 f.; Boyens, Bd. 2 S. 461; Prüssmann, vor § 700 III A R G Z 89, 285; HansOLG HansRGZ 1931 B 758). Doch ist zu berücksichtigen, daß die Parteivereinbarung stets nur die Kontrahenten bindet. Haben z. B. die Kontrahenten des Frachtvertrages für die Regelung von Haveriegrosseschäden die YAR für maßgebend erklärt, so ist hieran der Versicherer der Ladung nicht ohne weiteres gebunden. Über die Klausel „all questions of general average to be settled according to the custom of the London unterwriters at Lloyd's" s. ROHG 25 Nr. 1. Eine besondere Rolle unter den vertraglichen Vereinbarungen spielen die York-AntwerpRules (YAR), die der internationalen Vereinheitlichung des Rechts der großen Haverei dienen wollen, und zwar unter Hinneigung zum englischen Recht. Auf Anregung der International Law Association kamen sie in mehrfachen Kongreßberatungen (York 1864, Antwerpen 1877, Liverpool 1890, Stockholm 1924, Amsterdam 1949/50) in der jetzt maßgeblichen Fassung Hamburg 1974 zustande. Die YAR enthalten keine vollständige Regelung des Rechts der großen Haverei. Ursprünglich stellten sie nur Grundsätze zur Schlichtung ganz bestimmter Fragen des Haveriegrosserechts auf und enthielten sich auch allgemeiner Prinzipien. Sie verwiesen in der damaligen Regel 18 ausdrücklich auf die subsidiäre Geltung der Landesrechte und der Landespraxis. Seit der Fassung von 1924 fehlt indessen diese Regel 18. Dafür wurden den vermehrten Einzelbestimmungen sieben allgemeine und grundlegende „Buchstabenregeln" A bis G vorangestellt. Aus ihnen, nicht mehr aus den nationalen Rechten, sollte die Ergänzung der Einzelbestimmungen erfolgen. In der Fassung 1950 findet sich an der Spitze eine „Rule of Interpretation", die Landesgesetze und Landesgebräuche insoweit ausschließt, als sie mit den YAR in Widerspruch stehen („inconsistent therewith"). Doch betrifft das richtiger Auffassung nicht die Fälle bloßer Lückenausfüllung (vgl. auch Wüstendörfer, SHR 377). Nach herrschender und zutreffender Auffassung ist die Lückenausfüllung durch das Landesrecht nicht zu entbehren, wenn der in erster Linie heranzuziehende sonstige Inhalt der Regeln selbst nichts ergibt (vgl. R G Z 147, 60; Heuer, HansRGZ 1928 A Sp. 569ff.; HansRGZ 1933 B Nr. 186 Sp. 1130
Haverei
§ 701
441; Wüstendörfer, a. a. O.; s. D E K 1940 Regel XVI; a. A. Maring, H a n s R G Z 1930 A 193). Vgl. über die YAR im einzelnen ihren Abdruck im A n h a n g I zu diesem Abschnitt. Die YAR haben in den Konnossementen der meisten Linienreedereien Eingang gefunden. Vertragsmäßiger Ausschluß des Havereiverfahrens ist a n sich zulässig, jedoch nur dann 3 4 wirksam, wenn er allen Havereibeteiligten gegenüber gilt. In der Regel m u ß danach eine entsprechende Klausel in allen Konnossementen der Reise enthalten sein. Vgl. z. B. in R G Z 89, 285 die Klausel „Der Kapitän ist im Falle der G e f a h r oder vermuteter G e f a h r berechtigt, ohne Schadenersatzpflicht Kolli über Bord zu werfen". In dem Ausschluß der H a f t u n g liegt jedoch ein Vorteil f ü r alle Havereibeteiligten, so daß die in einem Konnossement erfolgte Ausschließung des Havereiverfahrens eine Vertragsbestimmung auch zugunsten Dritter (nämlich der übrigen Havereibeteiligten) darstellen kann, aus der diese nach § 241, 328 B G B ein unmittelbares Recht erwerben. Die Folge ist also die Freizeichnung aller Havereibeteiligten. Vgl. hierzu R G Z 89, 285 = DJZ 1917 S. 518 = LZ 1917 S. 393. §701 (1) Alle nicht zur großen Haverei gehörigen, durch einen Unfall verursachten Schäden und Kosten, soweit die letzteren nicht unter den § 621 fallen, sind besondere Haverei. (2) Die besondere Haverei wird von den Eigentümern des Schiffes und der Ladung, von jedem für sich allein, getragen. Begriff und Grundprinzip der besonderen Haverei (avarie particulière, particular average). 1 Dieselbe ist nicht, wie die große Haverei, ein selbständiges Rechtsinstitut (anders Plön-Kreutziger, I S. 97), sondern eine Art Restbegriff ( Wüstendörfer, SHR 373); ihre ausdrückliche Hervorhebung geschieht nur, u m das Rechtsinstitut der großen Haverei klarer abzugrenzen (so auch f ü r das englische Recht R G H a n s R G Z 1929 B 67). Der Begriff der Haverei überhaupt ist gesetzlich nicht festgelegt. Er umfaßt alle durch Unfälle während einer Seereise entstandenen Verluste, Kosten u n d Schäden (insbesondere auch d e n Totalverlust u n d kriegerische Maßnahmen). Vgl. R G Z 93, 166; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 1. 1. Die Definition der besonderen Haverei enthält ein positives und zwei negative Tatbe- 2 standsmerkmale. Positiv m u ß es sich handeln um Schäden oder Kosten, die durch einen Unfall (Anm. 3 zu § 617 H G B ; daher sind nicht besondere Haverei die durch ordnungsgemäßen Gebrauch, gewöhnliche Leckage, inneren Verderb usw. entstandenen Schäden; vgl. Prot. 2779) verursacht sind; negativ ist bestimmt, daß nur dasjenige besondere Haverei ist, was nicht große Haverei (§ 700 HGB) oder kleine Haverei (Anm. 2 ff. zu § 621 HGB) ist. Spezialentscheidungen gibt § 707 HGB. Ob der Unfall auf der Reise oder vor ihrem Antritt oder nach ihrer Beendigung eintritt, ist gleichgültig (Prot. 4136). Unter § 701 fallen z. B. Reparaturkosten infolge eines Unfalls (und zwar auch dann, wenn aus diesem Unfall eine gemeinsame G e f a h r f ü r Schiff und Ladung entsteht, welche zu Havereigrossemaßnahmen führt), Berge- und Hilfskosten, sofern nicht große Haverei vorliegt. Läßt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Schadens (z. B. Verlust des Schraubenflügels) nicht feststellen, so liegt partikuläre Haverei vor (HansOLG H a n s G Z 1909 Nr. 18). 2. Das Grundprinzip der besonderen Haverei ist, daß der Schaden von dem Eigentümer des davon betroffenen Gegenstandes getragen wird (vgl. H a n s O L G H a n s G Z 1909 Nr. 21), und zwar, wie das Gesetz sagt: „von jedem f ü r sich allein". Eine etwaige Verteilung kann demnach n u r auf Parteivereinbarung beruhen (vgl. unten). Das schließt aber nicht aus, daß unter Umständen ein Regreßanspruch des zunächst Betroffenen gegen andere Interessenten auf G r u n d der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e Auftrag, unerlaubte H a n d l u n g oder ungerechtfertigte Bereicherung begründet ist (Beispiele Prot. 2691, 3973; 4092, 4146; Wüstendörfer, SHR 375) Auch aus einem Gesellschaftsverhältnis der Havereibeteiligten kann sich ein Ausgleichsanspruch ergeben. Einen Fall, in welchem trotz NichtVorliegens einer großen Haverei die Beteiligten eine Verteilung des ganzen Schadens auf die beschädigten und unbeschädigten G ü t e r vereinbarten, behandelt O L G H a m b u r g H a n s G Z 1877 Nr. 165. Vgl. R G H a n s R G Z 1929 B 67 darüber, wer die durch besondere Haverei entstandenen Mehrkosten der Entlöschung trägt. 1131
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§ 702
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB §702
(1) Die Anwendung der Vorschriften Uber die große Haverei wird dadurch nicht ausgeschlossen, daB die Gefahr infolge des Verschuldens eines Dritten oder auch eines Beteiligten herbeigeführt ist. (2) Der Beteiligte, welchem ein solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch nicht allein wegen des ihm entstandenen Schadens keine Vergütung fordern, sondern ist auch den Beitragspflichtigen für den Verlust verantwortlich, den sie dadurch erleiden, daB der Schaden als groBe Haverei zur Verteilung kommt (3) Ist die Gefahr durch eine Person der Schiffsbesatzung verschuldet, so trägt die Folgen dieses Verschuldens auch der Reeder nach MaBgabe des § 485. Verschulden eines Dritten oder eines Beteiligten als Ursache des Havariegrossefalls. Die Bestimmung in der Fassung des SRÄG. durch das in Abs. 3 der Hinweis auf § 486 gestrichen wurde, weil die Verweisung auf die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit, die auch nach dem Inkrafttreten des SRÄG gegeben sein kann, dem Gesetzgeber nicht erforderlich erschien. 1
1. (Abs. 1). Grundsatz: Der Umstand, daB die Gefahr durch Verschulden eines Dritten oder eines Beteiligten herbeigeführt ist, schließt die Anwendung der Vorschriften Uber die groBe Haverei nicht aus. Die Entstehungsursache der Gefahr ist, wie schon in Anm. 2 zu §§ 700 H G B hervorgehoben, für den Begriff der großen Haverei unerheblich. Auch in den Wirkungen der großen Haverei wird nichts geändert, wenn ein „Dritter" (unten Anm. 2) die Gefahr verschuldet hat. Ist sie aber von einem „Beteiligten" verschuldet, dann treten die Modifikationen des Abs. 2 ein (vgl. HansRZ 1918, 403). Beweispflichtig für das Verschulden ist derjenige, der sich auf § 702 beruft (HansOLG HansGZ 1913 Nr. 41).
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2. Verschulden eines Dritten (vgl. dazu Klugmüller, JheringsJ Bd. 65 S. 76 ff.). „Dritter" im Sinne des Abs. 1 ist jeder, der, der nicht „Beteiligter" (Abs. 2: unten Anm. 6) ist, sind also auch, soweit nicht Vergütungsansprüche wegen § 723 Nr. 2 gegeben sind, die Personen der Schiffsbesatzung (Abs. 3: unten Anm. 11). Hat ein Dritter die Gefahr verschuldet, so ändert dies nichts im Verhältnis der die Gefahrgemeinschaft bildenden Personen. Der Vergütungsberechtigte hat also aus der großen Haverei primäre Ansprüche gegen den oder die Beitragspflichtigen, ohne daß er, sofern ihm überhaupt der Schädiger nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen haftet (Prot. 4212), verpflichtet wäre, zunächst gegen den Schädiger vorzugehen. Schädiger und Beitragspflichtiger sind indessen nicht Gesamtschuldner (vgl. Anm. 6 zu § 658 HGB); vielmehr stellt sich das Rechtsverhältnis, falls eine direkte Haftung des Schädigers gegenüber dem Vergütungsberechtigten vorliegt, wie folgt:
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a) Beitragspflichtiger und Vergütungsberechtigter. Der Beitragspflichtige kann einwenden, daß der Vergütungsberechtigte bereits vom Schädiger befriedigt sei: durch eine nochmalige Leistung würde der Vergütungsberechtigte aus dem Vermögen des Beitragspflichtigen ungerechtfertigt bereichert werden. Ist Befriedigung seitens des Schädigers nicht erfolgt, so kann der Beitragspflichtige Abtretung der Ansprüche gegen den Schädiger in Höhe der gezahlten Vergütung verlangen.
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b) Schädiger und Vergütungsberechtigter. Der Schädiger kann prinzipiell nicht einwenden, daß der Beitragspflichtige bereits gezahlt habe. Denn durch die Zahlung des letzteren ist der Vergütungsberechtigte sicher nicht aus dem Vermögen des Schädigers bereichert. Ebensowenig kann er selbstverständlich Abtretung des noch nicht geltend gemachten Anspruchs gegen den Beitragspflichtigen verlangen. Dagegen kann er, falls der Beitragspflichtige gezahlt hat und auf denselben die Ansprüche des Vergütungsberechtigten übergegangen sind, die Aktivlegitimation des letzteren bestreiten.
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c) Beitragspflichtiger und Schädiger. Der Beitragspflichtige, der gezahlt hat, hat aus eigenem Recht keinen Ersatzanspruch gegen den Schädiger: denn Beschädigung der Vermögenslage im ganzen fällt nicht unter § 823 BGB. Er muß sich also in Höhe seiner Zahlung den Anspruch des Vergütungsberechtigten abtreten lassen (unrichtig H G Hamburg HansGZ 1871 Nr. 125; wie hier Brandis, Bd. 2 S. 94). 1132
Haverei
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3. Verschulden eines „Beteiligten". Beteiligte sind lediglich die Teilnehmer an der Gefahren- 6 gemeinschaft, also der Reeder als solcher (Schiffsinteressent), der Verfrachter als solcher (Frachtinteressent), die derzeitigen Ladungsinteressenten (die auch zugleich Frachtinteressenten sein können: Anm. 1 zu § 721 HGB) und die Vergütungsberechtigten nach § 723 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 HGB (Schiffsbesatzung und Reisende unter bestimmten Voraussetzungen. Vgl. dazu § 723 HGB Anm. 6). Ebenso Mittelstein, HB 335; Wüstendörfer, SHR 380; Ulrich-BrüdersHochgräber, Bd. I S. 42; Prüssmann, § 702 D 1; vgl. auch OLG Kiel SchlHolstAnz. 1909 S. 117. Anders hinsichtlich der Schiffsbesatzung und der Reisenden (§ 723 HGB) Knitschky-Rudorff § 702 Note 1. Dagegen nicht auch ganz allgemein, wie Boyens, Bd. 2 S. 481 und Brandis, Bd. 2 S. 94 annehmen, solche Personen, deren Verschulden die oben Genannten nach bürgerlichem oder Seerecht zu vertreten haben. Auf diese Personen, denen ja Vergütungsansprüche aus der großen Haverei nicht zustehen, treffen die Worte des Gesetzes: „ . . . kann . . . wegen des ihm entstandenen Schadens keine Vergütung fordern..." nicht zu. Nicht als Beteiligter gilt der Versicherer von Schiff oder Ladung (Wüstendörfer, SHR 380; Mittelstein, 335; KG OLGRechtspr. 12, 227; OLG Kiel a. a. O.; OLG Königsberg PosMSchr. 1909 S. 80). Auch der Berger ist nicht Beteiligter (BGHZ 29, 223 = VersR 1959 S. 223) = MDR 1959 S. 278 = NJW 1959 S. 723). Beispiele: Verschulden des Reeders als Gefahrursache kann vorliegen bei Anweisung des 7 Kapitäns zu einer schuldhaften Handlung gegen die Reiseinteressenten im Falle der Kenntnis der Sachlage (§512 Abs. 3 HGB), bei nicht genügender Orientierung des Kapitäns über Eigenschaften des Schiffes (HansOLG HansGZ 1897, 83 Nr. 37); Verschulden des Verfrachters bei Lieferung eines seeuntüchtigen Schiffes, sofern der Exkulpationsbeweis des § 559 Abs. 2 HGB nicht gelingt (vgl. HG Hamburg HansGZ 1871 Nr. 260; ROHG 25, 144; HansOLG OLGRechtspr. 20, 7; LG Hamburg, HansRGZ 1939 B 271) oder Stellung eines ungeeigneten Kahnes (RGZ 38, 6; 62, 424), mangelnde Sorgfalt bei Beladung und Stauung des Schiffes (HansOLG HansGZ 1897 Nr. 37); ebenso Mittelstein, a. a. O.; abweichend das von ihm zitierte Urteil des HansOLG vom 20. 1. 1903 (Bf. II 372/02). Verschulden eines Ladungsinteressenten bei schuldhafter Verheimlichung, daß die Güter der Selbstentzündung ausgesetzt sind (HG Hamburg HansGZ 1878 Nr. 104), bei Verstößen gegen die §§ 564 bis 564c HGB (vgl. über die Haftung des Empfängers für Verschulden des Befrachters oder Abladers Einl. zu § 564 HGB). Weitere Beispiele bei Mittelstein, a. a. O. und bei Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 42. Siehe auch AG Stettin HansRGZ 1929 B 115. Es sind folgende Fälle denkbar: 8 a) Entstehen durch die Havariegrossemaßregel nicht dem Schuldigen, sondern nur anderen Beteiligten Schäden oder Kosten, so tritt Havariegrosseverteilung ein, der Schuldige ist aber den Beitragspflichtigen für den Verlust verantwortlich, den sie dadurch erleiden, daß der Schaden als große Haverei zur Verteilung kommt (Abs. 2), und zwar haftet er persönlich. b) Entstehen durch die Havariegrossemaßregel nur dem Schuldigen Schäden oder Kosten, so 9 ist zwar gleichfalls ein Havariegrossefall gegeben (anders HansOLG 1886 Nr. 39; wie hier Boyens, Bd. 2, S. 481 Note 1; Wüstendörfer, SHR 380), aber zur Vornahme einer Havariegrosseverteilung liegt kein Anlaß vor: dieselbe würde eine leere Formalität bilden, da das Gesetz dem Schuldigen einen Vergütungsanspruch abspricht (HansOLG a. a. O. und OLG Hamburg Hansa 1966 S. 732 = MDR 1966 S. 591; Prüssmann, § 702 D 2b; Wüstendörfer, a. a. O.; Mittelstein, HB 335; Brunetti, HansRGZ 1940 A 226; anders Sieveking, 204). c) Entstehen durch die Havariegrossemaßregel Schäden oder Kosten sowohl für den Schuldigen als für sonstige Beteiligte, so tritt Havariegrosseverteilung ein, aber nur für die nicht dem Schuldigen erwachsenen Kosten und Schäden: denn für diese kann er Vergütung nicht verlangen. Den Beitragspflichtigen haftet der Schuldige für ihren Verlust gemäß Abs. 2. Der schuldige Beteiligte kann nicht einwenden, daß ein anderes Schiff, welches einem Ladungsbeteiligten gehört, mitschuldig war. Denn das andere Schiff und dessen Eigentümer in seiner Eigenschaft als Reeder sind nicht „Beteiligte". § 254 BGB ist im Rahmen der großen Haverei nicht anwendbar (RGZ 62, 420 = DJZ 1906, S. 653 = JW 1906 S. 341; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 43; vgl. dazu auch Gruchots Beitr. Bd. 50 S. 1031; anders HansOLG HansRGZ 1933 1133
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§ 702
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
B 319). § 254 BGB kommt jedoch zur Anwendung, soweit es sich um Ansprüche außerhalb des Havereiverfahrens (insbesondere um Regreßansprüche) handelt. So vor allem im Falle des § 702 Abs. 2 hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs des Beteiligten gegen den Schädiger (RG a. a. O.). 11
4. Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung (Abs. 3). Eine solche ist regelmäßig nicht „Beteiligter", sondern „Dritter" (oben Anm. 2 u. 6). Bezüglich des Anspruchs gegen das schuldige Besatzungsmitglied gilt daher das oben Anm. 2 ff. Gesagte. Jedes schadenstiftende Verschulden, welches einem Besatzungsmitglied in Ausführung von Dienstverrichtungen zur Last fällt, hat aber die Haftung des Reeders aus § 485 HGB zur Folge. Ist also die Gefahr durch ein solches Verschulden herbeigeführt, so gelten die oben Anm. 8 ff. ausgesprochenen Sätze, als wenn den Reeder selbst ein Verschulden träfe. Vgl. Prüssmann, § 702 E; Wüstendörfer, SHR 381; Mittelstem, HB 335; HansOLG HansGZ 1897 Nr. 17; 1904 Nr. 123; 1905 Nr. 12; 1901 Nr. 84. Die letztere Entscheidung will dem in Anspruch genommenen Reeder die gesamte Aufklärungs- und Exkulpationspflicht auferlegen, wenn er die Verklärung unterlassen hat (bedenklich). Doch erleidet das eben Gesagte eine wesentliche Einschränkung durch § 485 S. 2 HGB: Danach haftet der Reeder den Ladungsbeteiligten nur soweit, wie der Verfrachter ein Verschulden der Schiffsbesatzung zu vertreten hat. Aus § 485 S. 2 HGB i. Verb, mit § 607 Abs. 2 H G B ergibt sich namentlich, daß demgemäß der Reeder den Ladungsbeteiligten gegenüber ein Verschulden der Schiffsbesatzung bei der Führung oder sonstigen Bedienung des Schiffes oder Feuer nicht zu vertreten hat. Das gleiche gilt f ü r nautisches Verschulden des Seelotsen, der deshalb in § 702 Abs. 3 keiner besonderen Erwähnung bedurfte, weil es sich bei einem Verschulden seinerseits regelmäßig um ein nautisches Verschulden handelt. Es erfolgt dann also eine Schadensverteilung, wie wenn kein Verschulden vorliege, ohne Ersatzverpflichtung des Reeders und mit einem Vergütungsanspruch seinerseits ( W ü s t e n d ö r f e r , SHR 381). Nach der gesetzlichen Regel ist dagegen kommerzielles Verschulden der Schiffsbesatzung gegenüber den Ladungsbeteiligten zu vertreten (§ 607 Abs. 2 S. 2 HGB). Vgl. zu § 607 H G B im einzelnen die dortigen Anm. 9—31.
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5. Verschuldenshaftung aus der Havereigemeinschaft und aus vertraglichen Beziehungen. Wie verhält sich die gegenseitige Haftung der Beteiligten aus der Havereigemeinschaft zu derjenigen aus vertraglichen Beziehungen, in denen diese Beteiligten zueinander stehen? Als solche Beziehung kommt insbesondere der Frachtvertrag zwischen Verfrachter und Ladungsinteressenten in Betracht, aber auch das Konnossement zwischen Verfrachter und legitimiertem Konnossementsinhaber, der Passagiervertrag zwischen Verfrachter und Reisenden, der Heuervertrag zwischen Reeder und Schiffsmannschaft.
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Teilweise ist gelehrt worden, die Havariegrossehaftung sei von der Vertragshaftung durchaus unabhängig (z. B. Boyens, Bd. 2 S. 481 ff.). Die Regelung der großen Haverei trete erst ein, wenn die Regelung des Frachtvertrags nicht mehr ausreiche; beim Frachtvertrag sei nur gedacht an die sich an die Transportpflicht knüpfenden regelmäßigen Folgen, nicht aber an außerordentliche Schäden, welche die Fracht nicht decke und nicht decken solle. Mit Beginn der gemeinschaftlichen Gefahr entstehe daher eine ganz neue Rechtslage. Insbesondere regle sich die Beweislast nicht mehr gemäß den §§ 606 ff. HGB, sondern dem Verfrachter sei nach § 702 wie jedem Beteiligten ein Verschulden nachzuweisen.
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Dem kann nur bedingt beigestimmt werden. Sicherlich ist die große Haverei ein selbständiges Rechtsinstitut, das den Beteiligten selbständige Rechte und Pflichten auferlegt und eine selbständige Haftung begründet. Die Havereiinteressenten brauchen in keinerlei vertraglichem Nexus zu stehen: man denke nur an das Verhältnis zwischen dem Befrachter und dem Reeder, der nicht Verfrachter ist, oder das von mehreren Ladungsbeteiligten zueinander. Besteht aber eine vertragliche Beziehung, so kann derselben eine Wirksamkeit auch im Falle der großen Haverei nicht abgesprochen werden. Das ergab sich schon vor Erlaß des Seefrachtgesetzes vom 10. 8. 1937 daraus, daß vertraglich auf die Verteilung von Schäden in Haveriegrosse Verzicht geleistet werden kann (Anm. 33 ff. zu § 700 HGB), daß sich weiter die Kontrahenten f ü r den Fall der Havariegrosse eine eigene lex contractus, wie die York-Antwerp-Rules, schaffen können. Vgl. aus der Rechtsprechung vor Erlaß des Seefrachtgesetzes: HansOLG OLG1134
Haverei
§ 702
Rechtspr. 7 Nr. 16c; HansGZ 1905 Nr. 12; RG HansGZ 1905 Nr. 86; R G Z 60, 401; RG H a n s R G Z 1930 B 709; HansOLG HansOGZ 1933 B 320; s. auch Mittelstein, HB 336). Nachdem indessen durch die jetzige Fassung des § 663 Abs. 1 eine für den Fall der großen Haverei getroffene Vereinbarung vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt worden ist, ist endgültig klargestellt, daß vertragliche Abreden den Vorrang vor dem nicht zwingenden Recht der großen Haverei haben. Gesetzliche oder gewillkürte Vertragsfolgen werden also durch den Eintritt eines Havariegrossefalls nicht außer Kraft gesetzt. Wer dies im einzelnen Fall behaupten sollte, wird es zu beweisen haben, sofern das Gesetz nicht selbst die Havariegrossefälle ausscheidet. Vgl. auch ZHR Bd. 26 S. 498 ff. darüber, daß die englischen Urteile Schmidt v. Royal Mail S.S. Corp. (1877) und Crook v. Allen (1879) in allgemein gehaltenen Klauseln, wie „the owners being in no way liable for any consequences of the causes above excepted" oder „the shipowner is not liable for any loss, detriment or damage, which are capable of being covered by insurance" keine Freisprechung des Reeders von der Beitragspflicht zur großen Haverei sehen. Die Darlegungen in Anm. 14 führen, auf den Fall des Frachtvertrags bezogen, zu folgenden Ergebnissen: a) Für den Fall des Verlustes oder der Beschädigung von Frachtgütern gelten in der Sache und 15 hinsichtlich der Beweislast die §§ 606 — 608 HGB. Das bedeutet insbesondere, daß der Verfrachter sich vorbehaltlich der Regelung des § 608 HGB grundsätzlich rechtfertigen muß, daß der Havariegrossefall auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abzuwenden waren (anders HansOLG HansGZ 1909 Nr. 145; 1913 Nr. 41; dazu Schaps, Neumanns Jahrb. 1909 zu § 702). Es bedeutet aber weiter, daß der Verfrachter auch nachweisen muß, daß ein Tatbestand des § 607 Abs. 1 HGB vorliegt. Dem Verlust oder der Beschädigung der Frachtgüter gleichzustellen ist der Fall, daß die betreffenden Güter nur mit Pfandrechten wegen der Havariegrossebeiträge belastet sind. Gelingt dem Verfrachter die Entlastung nicht, so gilt gegen ihn § 702 Abs. 2. Vgl. Wüstendörfer, SHR 382; Bookholtz, Seefrachtvertrag und Konnossement in ihrem Einfluß auf die große Haverei, Diss. Hamburg 1934, S. 27f.; HansOLG HansRGZ 1933 B Nr. 143. Abgesehen von der Nichthaftung für nautisches Verschulden gilt Entsprechendes von der 1 6 Entlastungspflicht des Verfrachters im Falle des § 559 Abs. 2, sofern der Havereifall auf anfängliche See- oder Ladungstüchtigkeit zurückzuführen ist. b) Der Havariegrossefall ist auf ein Ereignis zurückzuführen, welches zwar nicht vom Ver- 1 7 frachter verschuldet ist, für dessen Folgen er aber gesetzlich oder vertraglich haftet. Gesetz oder Vertrag führen alsdann zu einem Ergebnis, welches mit dem von § 702 Abs. 2 für den Fall des Verschuldens eines Beteiligten gegebenen identisch ist (vgl. R G Bolze, Bd. 6 Nr. 532, 533; anders Boyens, Bd. 2 S. 482), d. h. der Verfrachter kann den ihm entstandenen Schaden nicht in Havariegrosse verteilen und ist den beitragspflichtigen Ladungsinteressenten f ü r ihren Verlust verantwortlich. c) Der Verfrachter bzw. Reeder hat sich von den Folgen des Verschuldens seiner Leute freigezeichnet. Sofern das für den Fall der großen Haverei geschehen ist, ist es auch nach dem Erlaß des Seefrachtgesetzes im Rahmen der zwingenden Haftung des § 662 noch zulässig (§ 663 Abs. 1 H G B ; siehe auch Queen's Bench Div. Commercial Court, LI. L. Rep. 1957 S. 207 = Internationale Transport-Zeitschrift 1958 S. 879 über schuldhaft verursachte Grosse Haverei und Haager Regeln). In diesem Rahmen spielt deshalb die negligence-Klausel (vgl. über sie Anm. 49 ff. Anh. II zu §§ 662 —663 a HGB) stets noch eine Rolle. Ist freilich der Haveriegrossefall auf anfängliche See- oder Ladungstüchtigkeit zurückzuführen, so greift die Berufung auf die negligence-Klausel nicht durch (Anm. 12 zu § 559 HGB; Prüssmann, § 702 F 2 v); Appellhof Aix Revue Autran Bd. 9 S. 488 ff.; High Court of Justice Revue Autran Bd. 14 S. 700; vgl. auch Handelsgericht Marseille Revue Autran Bd. 7 S. 231 ff.; HansOLG HansGZ 1912 Nr. 55; R G Deutsche Schiffahrt 1913 S. 156: Einnahme eines zu geringen Kohlenvorrats).
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Wenn somit die Negligence-Klausel auch stets als Modifikation der Havereiverteilung gül- 1 9 tig bleiben kann, so ist doch ihr Einfluß auf diese umstritten. Mit Recht nimmt aber die herrschende Ansicht an, daß in einem solchen Falle der Reeder nicht nur für Schäden der La1135
§ 703
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
dungsbeteiligten nicht aufzukommen habe, sondern auch seinen eigenen Schaden zur Verteilung bringen dürfe (vgl. RGZ 60, 401; 74, 335 = JW 1911 S. 106 Nr. 42 = Hans GZ 1911 Nr. 32; HansOLG OLGRechtspr. 7 Nr. 16c; HansGZ 1904 Nr. 123; 1905 Nr. 12; 1907 Nr. 105; ebenso auch die englische Rechtsprechung — vgl. ZHR Bd. 54 S. 543 ff. — und zum Teil die belgische: H G Antwerpen Revue Autran Bd. 11, S. 123ff.; s. auch ZHR Bd. 54 S. 543 — und der größere Teil der französischen - vgl. Revue Autran Bd. 10, S. 147ff.; 8, 48 ff. (anders 2, 531 ff.; 7, 659ff.); wie hier auch Sieveking, 204; Mittelstein, HB 336; Prüssmann, § 702 F 2c; Brandis, Bd. 2 S. 95; Knitschky-Rudorff, § 702 Note 3). Zweifelnd Wüstendörfer, Studien 487 ff. und SHR 381 (auch Schlegelberger-Liesecke, § 703 Anm. 3), der davon ausgeht, daß eine unklar gefaßte Verfehlungsklausel grundsätzlich einengend auszulegen sei und der Wegfall auch der normalen Beitragspflicht des Reeders auf der einen, die Bejahung seines Vergütungsanspruchs auf der anderen Seite nach wie vor problematisch blieben (etwas anders Boockholtz, Seefrachtvertrag und Konnossement in ihrem Einfluß auf die große Haverei, Diss. Hamburg 1934 S. 30 ff.). Eine mehrfach vertretene Mittelmeinung geht dahin, daß der Reeder bzw. Verfrachter die negligence-Klausel nur einredeweise geltend machen kann (HG Marseille Revue Autran Bd. 14 S. 153; Appellhof Gent Revue Autran Bd. 17 S. 191; Belgischer Kassationshof Revue Autran Bd. 18 S. 225; dagegen Schirrmeister, ZHR Bd. 54 S. 542). Schließlich ist von Boyens, Bd. 2 S. 482 auch noch die Auffassung vertreten worden, die negligence-Klausel sei für die Havereigroßverteilung überhaupt ohne Einfluß.
§703 Die Havereiverteilung tritt nur ein, wenn sowohl das Schiff als auch die Ladung, und zwar jeder dieser Gegenstände entweder ganz oder teilweise wirklich gerettet worden ist. Einleitung Wirkliche Rettung ist Voraussetzung der Havereiverteilung (Vgl. Seeliger, Der „Erfolg" als Voraussetzung der großen Haverei, Diss. Berlin 1894; Pappenheim, Verhandlungen des 23. Deutschen Juristentages Bd. 2 S. 287 ff.). 1 1. Das Gesetz verlangt a) Rettung nach dem Opfer, nicht durch das Opfer („Erfolg im weiteren Sinne": Seeliger, S. 4, 92; Heck, 188 ff.; „nur ein zeitliches Zusammentreffen von Rettung und Opfermaßregel"; Ehrenberg, 79; Boyens, Bd. 2 S. 483; Wüstendörfer, SHR 383 f.; Mittelstein, HB 340; Brandis, Bd. 2 S. 91; Prüssmann, § 703 A 1; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 484; Prot. 4080; HansOLG HansGZ 1905 Nr. 32); es verzichtet also auf den Kausalzusammenhang zwischen Havariegrossemaßregel und Rettung. Ob die letztere herbeigeführt wird durch die erstere oder durch spätere Opfer oder durch anderweitige, insbesondere zufällige Ereignisse oder durch das Eingreifen Dritter, ist somit gleichgültig. Beispiele bei Heck, 175. Vgl. auch Niemeyer, HansRZ 1919, 46 und § 700 Anm. 12. Wie das deutsche Recht die YAR und das anglo-amerikanische Recht, während die Rechte Belgiens (vgl. Art. 156 c.com.), der Niederlande (Art. 734 WvK) und Spaniens (Art. 860 span. HGB) die Kausalität des Opfers für die Rettung verlangen. 2
b) „Wirkliche" Rettung. Auf das Wort „wirklich" ist kein Gewicht zu legen. Insbesondere liegt darin nicht, wie Heck, 190, und Pappenheim, Bd. 3 S. 291 meinen, eine Hindeutung auf die Verwirklichung der gehegten Absicht. Gefordert wird nicht eine endgültige, sondern es genügt eine zeitweilige Rettung, eine Beseitigung der aktuellen Gefahr. Was nach Beendigung derselben eintritt, ob also insbesondere das Schiff sein Ziel oder überhaupt einen Hafen erreicht, ist gleichgültig (Brandis, Bd. 2 S. 91; Sieveking, 200; Prüssmann, § 703 A 2).
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c) Rettung von Schiff und Ladung. Beide müssen — ganz oder zum Teil (unten Anm. 4) — gerettet sein; bei Rettung nur eines von beiden (Beispiele: Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 50) liegt nur besondere Haverei vor (vgl. § 706 HGB Anm. 2). Über Erstattungsansprüche in diesem Falle vgl. Anm. 6.
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d) „Ganz oder teilweise" müssen Schiff und Ladung gerettet sein. Zur Rettung gehört zunächst, daß der betreffende Gegenstand seinem Wesen nach erhalten geblieben sein muß. Dies 1136
Haverei
§ 704
ist nicht der Fall beim Schiff, wenn es so zerstört ist, daß es nicht mehr als Schiff bezeichnet werden kann, auch wenn seine einzelnen Bestandteile gerettet sind (Schiffstrümmer). Bei der Ladung trifft es nicht zu, wenn sie ihrem Wesen oder ihrer Substanz nach zerstört ist (lebendes Vieh ist getötet, Holzladung zu Asche gebrannt, Salpeterladung aufgelöst). Zur teilweisen Rettung des Schiffes genügt es, wenn dasselbe als zusammenhängendes Wrack bestehen geblieben ist (Prot. 2636, 2638): es ist nicht erforderlich, daß es reparaturfähig (anders Schröder, Endemanns HB IV1 S. 267; wie hier Heck, 191; Boyens, Bd. 2 S. 486; Prüssmann, § 703 B 2 a) reparaturwürdig oder seetüchtig geblieben ist (Ausnahme § 706 Nr. 3 Abs. 3 HGB). Wie hier Sieveking, 201; Wüstendörfer, SHR 384; vgl. auch R G Z 93, 106 (Totalverlust). Die aus dem Wrack eines gesunkenen Schiffes verkauften Güter sind als teilweise gerettet anzusehen (RGZ 13, 123). Sind die geretteten Werte geringer als die f ü r die Rettung aufgewendeten Kosten, so ist in Wahrheit nichts gerettet, also für eine Havarieverteilung kein Raum: RG GruchotsBeitr. Bd. 46, S. 388; Mittelstein, HB 340. 2. Rettung von Schiff oder Ladung (Die Rettung der Fracht spielt hierbei keine Rolle; vgl. 5 R G H a n s G Z 1903 Nr. 102). Wird durch Aufopferung des ganzen Schiffes die Ladung oder durch Aufopferung der ganzen Ladung das Schiff gerettet, so findet eine Havereiverteilung nicht statt (Mittelstem, HB 340; Boyens, Bd. 2 S. 484; Wüstendörfer, a. a. O.; R G HansGZ 1903 Nr. 102). Ebenso nicht, wenn zwar Ladung und Fracht, nicht aber auch das Schiff gerettet worden ist (RG a. a. O.). Nach zivilrechtlichen Grundsätzen ist zu beurteilen, ob die Interessenten der untergegangenen gegen diejenigen der geretteten Rechtsgüter Ersatzansprüche haben. Den Rechtsgrund für dieselben kann aber nie Geschäftsführung ohne Auftrag bilden: die Annahme, der Kapitän besorge als Vertreter des Schiffes durch dessen Aufopferung die Geschäfte der Ladung oder als Vertreter der Ladung durch deren Aufopferung die des Schiffes, ist nicht haltbar. Vgl. BGH Hansa 1955 S. 1886. Denn wenn er sich nach Abwägung der kollidierenden Interessen (Anm. 11 ff. zu § 535 HGB) entschließt, eines der ihm anvertrauten Rechtsgüter zugunsten des anderen zu opfern, so handelt er nicht mit der Absicht, als Vertreter des geopferten Guts die Geschäfte des zu rettenden zu besorgen, sondern vielmehr kraft der ihm zustehenden Souveränität und diskretionären Gewalt, also kraft eigenen Rechts. Soweit er aber kraft eigenen Rechts die Geschäfte des geretteten Guts besorgt hat, ist für Geschäftsführung ohne Auftrag kein Raum, da er gesetzlicher Bevollmächtigter ist (vgl. §677 BGB; Ehrenberg 87; Boyens, Bd. 2 S. 484; Anm. 8 zu § 535 HGB. Dagegen ist ein Ersatzanspruch auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung nicht ausgeschlos- 6 sen (vgl. Boyens, Bd. 2 S. 485; Wüstendörfer, a. a. O.). Der Interessent des geretteten Rechtsguts kann sich hiergegen nicht mit dem Vorbringen verteidigen, daß er nicht „ohne rechtlichen G r u n d " (§812 BGB) bereichert sei, weil Notstand (§ 228 BGB) vorgelegen habe. Denn abgesehen davon, daß, weil eine Notstandshandlung nicht widerrechtlich ist, damit noch nicht ein selbständiges Notstandsrecht konstituiert ist (vgl. Prot, zum BGB 1 S. 250, 262), liegt eine Notstandshandlung seitens der Interessenten der geretteten Rechtsgüter gar nicht vor, weil der Kapitän, wie oben betont, nicht als deren Vertreter, sondern kraft eigenen Rechts das Opfer vornimmt (Sieveking, 200 will unter Umständen § 904 BGB eingreifen lassen). 3. Die York-Antwerp-Rules kennen ebenso wie das englische Recht die Voraussetzung des 7 § 703 nicht (Boyens, Bd. 2 S. 487; Plön-Kreutziger, Bd. I S. 35 zu Regel A YAR; Prüssmann, § 703 Anm. C 1). Sie schweigen sich über den Erfolgsgrundsatz aus. Deshalb genügt bei ihrer Vereinbarung die Rettung von Schiff oder Ladung, ganz oder teilweise. Seit der Fassung der Regeln von 1924 kann kein Zweifel mehr sein, daß § 703 innerhalb ihres Anwendungsbereichs nicht in Betracht kommt. Das belgische Recht (Art. 156 c.com.), das niederländische Recht (Art. 734 WvK) sowie das spanische (Art. 860) fordern nur die Rettung des Schiffes. In Portugal (Art. 639 HGB) entspricht die Regelung der in § 703 HGB. §704 Die Verpflichtung, von einem geretteten Gegenstand beizutragen, wird dadurch, daß der Gegenstand später von einer besonderen Haverei betroffen wird, nur dann vollständig aufgeho1137
§ 705
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
ben, wenn der Gegenstand vor dem Beginn der Löschung am Ende der Reise ganz verlorengeht. Die Verpflichtung bleibt auch in diesem Fall bestehen, wenn ein Dritter, der den Verlust durch eine rechtswidrige Handlung verursacht hat, hierfür eine Entschädigung zu zahlen hat. Vorbemerkung zu §§ 704 und 705. Diese regeln den Einfluß späterer besonderer Haverei auf die Pflichten und Rechte aus der großen Haverei. Das deutsche Recht geht davon aus, daß die Havereiverteilung nicht sofort nach dem Havereifall, sondern erst nach Beendigung der Reise stattzufinden hat. Daraus ergeben sich die Sätze der §§ 704, 705, 709, 711—715, 7 1 7 - 7 1 9 , 724 (vgl. auch Mittelstein, HB 349; Brandis, Bd. 2 S. 95; Wüstendörfer, SHR 393). § 704 i. d. F. des Art. 1 Ziff. 28 SRÄG regelt den EinfluB späterer besonderer Haverei auf die Beitragspflicht eines geretteten Gegenstandes. 1
1. Nur den Fall, daß der gerettete Gegenstand von besonderer Haverei (§ 701) betroffen, behandelt § 704. Geht der Gegenstand auf andere Weise, z. B. durch inneren Verderb, durch ordnungsgemäßen Gebrauch, durch Verschulden des betreffenden Beteiligten, zugrunde, so kommt er nicht zur Anwendung. Unerheblich für das Erlöschen der Beitragspflicht ist es, ob die besondere Haverei von einem Beteiligten verschuldet ist. Jedoch haftet der Schuldige dem Vergütungsberechtigten.
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2. Bei Totalverlust des geretteten Gegenstandes vor dem Beginn der Löschung am Ende der Reise wird, obschon die Havereiverteilung bestehen bleibt (vgl. § 703 HGB), die Beitragspflicht vollständig aufgehoben (vgl. Sieveking, 244), bei Partialverlust oder Wertverringerung (vgl. auch § 722 HGB), soweit diese reichen. Entsprechend erhöht sich nach § 724 die Beitragspflicht der übrigen geretteten Gegenstände.
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Im Hinblick auf den durch das SRÄG eingefügten neuen § 721 a HGB macht Satz 2 eine Ausnahme von dem Grundsatz des Satz 1 f ü r den Fall, daß der beitragspflichtige Gegenstand verlorengegangen ist, jedoch eine Ersatzforderung auf Grund der besonderen Haverei gegen einen Dritten besteht, deren Wert dann bei der Havereiverteilung an die Stelle des Wertes des Gegenstandes tritt. §705 (1) Der Anspruch auf Vergütung einer zur groBen Haverei gehörenden Beschädigung wird durch eine besondere Haverei, die den beschädigten Gegenstand später trifft, sei es, dafi er von neuem beschädigt wird oder ganz verlorengeht, nur dann aufgehoben, wenn der spätere Unfall mit dem früheren in keinem Zusammenhange steht, und nur insoweit, als der spätere Unfall auch den früheren Schaden nach sich gezogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre. (2) Sind jedoch vor dem Eintritte des späteren Unfalls zur Wiederherstellung des beschädigten Gegenstandes bereits Aufwendungen gemacht, so bleibt rücksichtlich dieser der Anspruch auf Vergütung bestehen. Einleitung EinfluB einer späteren besonderen Haverei auf die Vergütungsberechtigung eines beschädigten Gegenstandes (vgl. dazu Mittelstein, HB 350; Wüstendörfer, SHR 354). — § 705 beruht auf dem Gedanken, daß die Reise ein Ganzes bildet, daß daher f ü r die Rechte und Pflichten der Havereibeteiligten nicht ohne weiteres die Sachlage, wie sie sich unmittelbar nach der Rettungsmaßregel gestaltet hat, sondern im allgemeinen die Sachlage am Ende der Reise entscheidend ist. Siehe für die YAR die Regelung an Rule XVI. 1. Das Gesetz bezieht sich
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a) nur auf durch große Haverei beschädigte Gegenstände. Wenn auch sein Zweck der ist, daß überhaupt der Ersatz für solche Schäden ausgeschlossen werden soll, die auch ohne die Havariegrosse eingetreten wären, so hat man doch, um schwierige Beweisfragen abzuschneiden ({//rich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 54), davon Abstand genommen, durch den Satz des § 705 auch den Vergütungsanspruch für solche Gegenstände zu treffen, die durch die Havariegrosse total verlorengegangen sind. Ein solcher Vergütungsanspruch bleibt also bestehen, auch wenn es 1138
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Haverei
keinem Zweifel unterliegt, daß die fraglichen Gegenstände durch den späteren Unfall zugrunde gegangen wären (ROHG 25, 100ff. Nr. 23; Mittelstein, HB 350; anders Sieveking, welcher bei Totalverlust § 705 analog anwenden will; gegen ihn und wie hier Boyens, ZHR Bd. 63 S. 34, Wüstendörfer, SHR 394, Schlegelberger, § 705 Anm. 1; Prüssmann, § 705 A 1. b) nur auf spätere Beschädigung oder späteren Verlust auf Grund von besonderer Haverei 2 (Anm. 1 zu § 701 HGB), also nicht auf Havariegrossefolgen der ersten Haverei (Sieveking, 228). Sonstige Wertverringerungen oder Verluste, mögen sie ihren Grund haben in innerem Verderb, gewöhnlicher Abnutzung oder Verschulden des betreffenden Interessenten, trifft ausschließlich die Bestimmung des § 713 HGB. 2. Der Vergütungsanspruch wird durch die besondere Haverei nur dann aufgehoben, 3 a) wenn der spätere Unfall mit dem früheren in keinem Zusammenhange steht, d. h. sich auch ohne die vorhergehende große Haverei zugetragen haben würde (Prot. 4082). Unter „Zusammenhang" kann demnach nur ^awsafeusammenhang verstanden werden (ebenso Mittelstein, a. a. O.). Die Lehre von der adäquaten Verursachung ist auch hier anwendbar (vgl. dazu § 735 H G B Anm. 31 ff.; ebenso Wüstendörfer, SHR 394). b) und auch dann nur insoweit, als der spätere Unfall auch den früheren Schaden nach sich 4 gezogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre. Es genügt dasjenige Maß von Wahrscheinlichkeit, das im gewöhnlichen Leben als Gewißheit hingenommen wird (s. das Zitat § 735 H G B Anm. 40 ff.). Besondere Regeln für Beweisführung gelten nicht. Beispiele: Eine bei dem Havariegrosseunfall durch Feuchtigkeit beschädigte Kiste fällt spä- 5 ter über Bord (Prot. 4082); unmittelbar nach dem Kappen des Mastes wird das Schiff vom Blitz entzündet (Prot. 4084). Vgl. auch Sieveking, 226 ff. 3. (Abs. 2). Der Vergütungsanspruch bleibt — auch wo er im übrigen wegfällt — bestehen 6 für vor dem späteren Unfall gemachte Aufwendungen zur Wiederherstellung der durch den Havariegrossefall beschädigten Gegenstände (Mittelstein, HB 350; Sieveking, 227: mit Beispielen). 4. Von der Aufhebung des Vergütungsanspruchs sind zu unterscheiden Abzüge von der Ver- 7 gütung auf Grund von Wertverringerungen und Verlusten (§713 HGB). §706 Große Haverei liegt namentlich in den nachstehenden Fällen vor, vorausgesetzt, daß zugleich die Erfordernisse der §§ 700, 702, 703 insoweit vorhanden sind, als in den folgenden Vorschriften nichts Besonderes bestimmt ist: 1. Wenn Waren, Schiffsteile oder Schiffsgerätschaften Uber Bord geworfen, Masten gekappt, Taue oder Segel weggeschnitten, Anker, Ankertaue oder Ankerketten geschlippt oder gekappt werden. Sowohl diese Schäden selbst als die durch solche Maßregeln an Schiff oder Ladung ferner verursachten Schäden gehören zur großen Haverei. 2. Wenn zur Erleichterung des Schiffes die Ladung ganz oder teilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen wird. Es gehört zur großen Haverei sowohl der Leichterlohn als der Schaden, der bei dem Überladen in das Leichterfahrzeug oder bei dem Rückladen in das Schiff der Ladung oder dem Schiffe zugefügt wird, sowie der Schaden, den die Ladung auf dem Leichterfahrzeug erleidet. Muß die Erleichterung im regelmäßigen Verlaufe der Reise erfolgen, so liegt große Haverei nicht vor. 3. Wenn das Schiff absichtlich auf den Strand gesetzt wird, jedoch nur, wenn es zum Zwekke der Abwendung des Unterganges oder der Nehmung geschieht. Sowohl die durch die Strandung einschließlich der Abbringung entstehenden Schäden als auch die Kosten der Abbringung gehören zur großen Haverei. Wird das behufs der Abwendung des Unterganges auf den Strand gesetzte Schiff nicht abgebracht oder nach der Abbringung reparaturunfähig befunden (§ 479), so findet eine Havereiverteilung nicht statt. 1139
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
Strandet das Schiff, ohne daB die Strandung zur Rettung von Schiff und Ladung vorsätzlich herbeigeführt ist, so gehören zwar nicht die durch die Strandung veranlaBten Schäden, wohl aber die auf die Abbringung verwendeten Kosten und die zu diesem Zwecke dem Schiffe oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden zur großen Haverei. 4. Wenn das Schiff zur Vermeidung einer dem Schiffe und der Ladung im Falle der Fortsetzung der Reise drohenden gemeinsamen Gefahr in einen Nothafen einläuft, insbesondere, wenn das Einlaufen zur notwendigen Ausbesserung eines Schadens erfolgt, den das Schiff während der Reise erlitten hat. Es gehören in diesem Falle zur großen Haverei die Kosten des Einlaufens und des Auslaufens, die das Schiff selbst treffenden Aufenthaltskosten, die der Schiffsbesatzung während des Aufenthalts gebührende Heuer und Kost, die Auslagen für die Unterbringung der Schiffsbesatzung am Lande, solange die Besatzung nicht an Bord verbleiben kann, ferner, falls die Ladung wegen des Grundes, welcher das Einlaufen in den Nothafen herbeigeführt hat, gelöscht werden muB, die Kosten des Verbringens von Bord und an Bord sowie die Kosten der Aufbewahrung der Ladung am Lande bis zu dem Zeitpunkte, in welchem sie wieder an Bord gebracht werden kann. Die sämtlichen Aufenthaltskosten kommen nur für die Zeit der Fortdauer des Grundes in Rechnung, der das Einlaufen in den Nothafen herbeigeführt hat. Liegt der Grund in einer notwendigen Ausbesserung des Schiffes, so kommen außerdem die Aufenthaltskosten nur bis zu dem Zeitpunkt in Rechnung, in welchem die Ausbesserung hätte vollendet sein können. Die Kosten der Ausbesserung des Schiffes gehören nur insoweit zur großen Haverei, als der auszubessernde Schaden selbst groBe Haverei ist 5. Wenn das Schiff gegen Feinde oder Seeräuber verteidigt wird. Die bei der Verteidigung dem Schiffe oder der Ladung zugefügten Beschädigungen, der dabei verbrauchte Schießbedarf und, falls eine Person der Schiffsbesatzung bei der Verteidigung verwundet oder getötet wird, die Heilungs- und Begräbniskosten sowie die nach den §§ 553 a, 554 dieses Gesetzbuchs und den §§ 49, 51 der Seemannsordnung zu zahlenden Belohnungen bilden die große Haverei. 6. Wenn im Falle der Anhaltung des Schiffes durch Feinde oder Seeräuber Schiff und Ladung losgekauft werden. Was zum Loskaufe gegeben ist, bildet nebst den durch den Unterhalt und die Auslösung der Geiseln entstehenden Kosten die große Haverei. 7. Wenn die Beschaffung der zur Deckung der großen Haverei während der Reise erforderlichen Gelder Verluste und Kosten verursacht oder wenn durch die Auseinandersetzung unter den Beteiligten Kosten entstehen. Diese Verluste und Kosten gehören gleichfalls zur großen Haverei. Dahin werden insbesondere gezählt der Verlust an den während der Reise veräußerten oder verpfändeten Gütern sowie die Kosten für die Ermittlung der Schäden und für die Aufmachung der Rechnung Uber die groBe Haverei (Dispache). Einleitung § 706 Ziff. 7 Abs. 3 i. d. F. des Art. 1 Ziff. 29 SRÄG. Die in der Ziffer 5 erwähnten §§ 553 a und 554 H G B sind durch § 146 Ziff. 3 SeemG aufgehoben worden. Mit den §§ 49 und 51 SeemO waren die der SeemO von 1872 gemeint, an deren Stelle vor dem Erlaß des SeemG bereits die §§ 61, 64 SeemO von 1902 getreten waren. Das SeemG kennt keine Belohnungen mehr. § 706 zählt die wichtigsten und häufigsten Fälle der großen Haverei auf (weitere Fälle z. B. bei Brandis, Bd. 2 S. 103 und unten Anm. 76—79). Er will damit aber nicht nur Beispiele geben, sondern zugleich betreffs der aufgeführten Fälle alle Streitfragen entscheiden und klares Recht schaffen (Prot. 2692 ff.). Diesem Zwecke würde es widersprechen, wenn die Bestimmung dessen, was in jedem einzelnen Falle „zur großen Haverei gehören soll", lückenhaft wäre. Nach fast einhelliger Ansicht wird deshalb angenommen, daß in jedem der geregelten sieben Fälle nur das zur großen Haverei gehört, was die betreffende Nummer des Falles als dahingehörig benennt (Mittelstein, HB 340; Ritter, ArchBürgR Bd. S. 40, 413; ders., LZ 1910, 1140
§ 706
Haverei
339; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 60; Wüstendörfer, SHR 384; Prüssmartn, § 706 A 2; Sommer, a. a. O., S. 31 Anm. 3 mit weiteren Nachweisen; aus der Rechtsprechung: ROHG 8, 218; RG HansGZ 1888 Nr. 84 = SeuffA Bd. 4 Nr. 40; HansOLG HansGZ 1883 Nr. 64; 1888 Nr. 8). Insofern enthält § 706 Ausnahmen von dem Grundsatz des § 700 HGB. Vgl. § 700 Anm. 23. Anders außer einem älteren Erkenntnisse des OG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 304 (ZHR Bd. 18 S. 589 ff.) nur Heck, 203 ff.; dagegen mit Recht Boyens, Bd. 2 S. 493ff. Es ist deshalb unzulässig, Ausnahmebestimmungen der einen Nummer auf eine andere zu übertragen (ROHG 13, 407) oder sonstige Analogien zu ziehen (ROHG 8, 219); vgl. Boyens, Bd. 2 S. 493; Mittelstein, a. a. O.. Soweit ein Fall unter keine der Kategorien des § 706 fällt, gilt die allgemeine Bestimmung des § 700 HGB. Zu betonen ist, daß auch für die unter 1 — 7 aufgezählten Fälle — wie der Vorbehalt der Eingangswerte ergibt — die allgemeinen Erfordernisse der großen Haverei (§§ 700, 702, 703 HGB) vorhanden sein müssen (Ist z. B. ein Opfer gebracht, das in § 706 als zur großen Haverei gehörig bezeichnet ist, so ist dasselbe trotzdem nicht große Haverei, wenn es nicht auf Geheiß des Kapitäns gebracht ist), sofern nicht in § 706 etwas Besonderes bestimmt ist (RGZ 44, 140; Wüstendörfer, SHR 386; Ulrich-Brüders-Hochgräber, a. a. O.; Prüssmann, § 706 A 3); nämlich entweder a) ein Minus an Voraussetzungen (vgl. Nr. 4: „drohende Gefahr"), oder b) ein Plus an Voraussetzungen (vgl. Nr. 3: „nur wenn es zum Zwecke der Abwendung des Untergangs oder der Nehmung geschieht"), oder c) eine Ausschaltung adäquat verursachter oder umgekehrt Hineinziehung nicht adäquat verursachter Folgeereignisse (z. B. Ausschaltung des entgangenen Gewinns, auch wenn adäquat verursacht; Wüstendörfer, SHR 386). Wie in § 706 finden sich in den Zifferregeln der YAR die typischen und wichtigsten Sonderfälle der großen Haverei. Sie haben hinsichtlich der Voraussetzungen und Folgen den Vorrang vor den Buchstabenregeln, soweit sie das nicht ausschließen. Die Fälle des § 706 I. Seewurf u. dgl. II. Leichterung. III. Strandung. IV. Einlaufen in einen Nothafen. V. Verteidigung des Schiffes. VI. Loskauf. VII. Beschaffung von Havereigeldern und Auseinandersetzung der Beteiligten. I. Seewurf u. dgl. 1. Allgemeines. Vom Seewurf als Havariegrossefall hat das ganze Institut seinen Ausgang 1 genommen. Dem eigentlichen Seewurf werden andere Fälle vorsätzlicher Beschädigung des Schiffes oder der Ladung rechtlich gleichgestellt. Die wichtigsten Ursachen des Seewurfs sind Leckwerden, Schlagseite sowie Strandung des Schiffes. Welche Maßregel der Kapitän zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes wählen soll, schreibt ihm das Gesetz nicht vor; es ist seiner pflichtgemäßen Sorgfalt überlassen. 2. Die einzelnen Fälle. a) Der eigentliche Seewurf liegt vor, wenn Waren (vgl. RGZ 89, 285 über den Fall, daß der 2 Kapitän bei Ausbruch des Krieges die aus Sprengstoff bestehende Ladung über Bord wirft), Schiffsteile oder Schiffsgerätschaften über Bord geworfen werden. Vgl. über das Werfen eines Teiles der Decksladung bei 20° Schlagseite des Schiffes und schwerem Wetter (große Haverie ist dann gegeben) LG Hamburg Hansa 1960 S. 1789. Dem Überbordwerfen ist gleichzuachten ihre Niederlegung auf Felsen oder einsamen Strand, wo sie dem Wegspülen oder dem sonstigen Verderben preisgegeben sind (Brandis, Bd. 2 S. 98). Wird die ganze Ladung geworfen, so liegt kein Haveriegrossefall vor (Anm. 3 zu § 703 HGB); ebenso wenn bereits wertlos gewordene Gegenstände geworfen werden (Brandis, a. a. O.; ROHG HansGZ LG Hamburg Hansa 1141
§ 706
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
1960 S. 1798, 1877 Nr. 92; HansOLG HansGZ, 1892 Nr. 59). Daß Gegenstände der im § 708 H G B genannten Art geworfen werden, schließt das Vorliegen eines Havariegrossefalles nicht aus, wenn auch für die betreffenden Gegenstände nach § 708 keine Vergütung gewährt wird. Schiffsgerätschaften, die an Deck gehören, z. B. Schiffsboote (Prot. 2640), sind nicht etwa nach Analogie der Deckladung zu behandeln; darin, daß Gegenstände, obschon sie nicht dorthin gehören, an Deck genommen sind, braucht nicht unter allen Umständen ein Verschulden der Schiffsbesatzung mit den Rechtsfolgen des § 702 HGB zu liegen. Über die Aufwendungen zur Befestigung von Deckladung, die sich losgerissen hat, vgl. HansOLG HansGZ 1909 Nr. 79 = OLG Rechtspr. 22, 65. Die YAR erwähnen den Seewurf von Schiffsteilen in den Ziffernregeln anders als den von Ladung nicht ausdrücklich. Er richtet sich daher nach den Buchstabenregeln (Plön-Kreutziger, Bd. IS. 92f.). 3
b) Das Kappen von Masten, Wegschneiden von Tauen oder Segeln (praktische Beispiele bei Heck, 217 ff., 220; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 64). Sind die Masten durch Sturm gebrochen, so ist die gewaltsame Beseitigung ihrer Trümmer oder Reste besondere Haverei ( R O H G 17, 189), es müßte denn sein, daß ihr Verbleiben Gefahr für Schiff und Ladung in sich schließt und dadurch ein Fall der großen Haverei begründet wird (Ulrich-Brüders-Hochgräber, a. a. O.). Vgl. für die YAR Regel IV.
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c) Das Schlippen oder Kappen von Ankern, Ankertauen oder Ankerketten. Der Fall ist gegeben, wenn infolge der Gefahr zum Aufwinden des Ankers keine Zeit mehr ist. Er liegt nicht vor, wenn der Anker überhaupt nicht aufgefunden werden kann, weil dann das Opfer nicht vorsätzlich gebracht ist (Heck, 219). Dem Kappen des Ankers ist der Fall gleichzustellen, daß der Anker nach Bruch der Kette nicht aufgesucht wird, sondern das Schiff gleich weiterfährt, um sich der Gefahr zu entziehen (Heck, a. a. O.). Vgl. BGH Hansa 1965 S. 1984 (§ 82 Nr. 1 BSchG betreffend): Nach § 82 Nr. 1 BSchG gehört das Kappen von Ankern und Ankerketten zur großen Haverei. Daraus darf freilich nicht der Schluß gezogen werden, daß nur in diesem Falle der Verlust oder die Beschädigung von Ankern und Ankerketten in großer Haverei zu verrechnen wäre. Denn § 82 BSchG enthält nur eine beispielhafte Aufzählung von Fällen der großen Haverei (BGHZ 28, 289). Aus § 82 Nr. 1 BSchG kann kein Argument dafür gewonnen werden, daß sonstige Fälle des Verlustes oder der Beschädigung von Anker und Ankerketten keinen Haverei-grosse-Vergütungsanspruch auslösen könnten. Ein solcher wäre im vorliegenden Fall dann gegeben, wenn die Voraussetzungen der allgemeinen Regel der großen Haverei in § 78 Abs. 1 BSchG gegeben wären. Diese liegen aber nicht vor. Der dem Schiff oder der Ladung zugefügte Schaden muß durch eine außerordentliche Maßnahme herbeigeführt sein. Werden Schiffsteile oder Schiffsgeräte zur Rettung aus gemeiner Gefahr verwendet, so kann von einer außerordentlichen Maßnahme nur dann gesprochen werden, wenn sie zu einem anderen Zweck eingesetzt werden als dem, der ihrer Bestimmung entspricht. Der Verlust des Ankers bei bestimmungsgemäßem Gebrauch fällt deshalb nicht in die Havereigrosse. Die YAR regeln den Sachverhalt nicht ausdrücklich. Er ist sachlich wie im deutschen Recht nach den Buchstabenregeln zu entscheiden (Prüssmann, § 706 B 2d).
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3. Was gehört in diesen Fällen zur großen Haverei? a) Die genannten Schäden selbst. b) Die durch solche Maßregeln an Schiff oder Ladung ferner verursachten Schäden. Beispiele: Beschädigung beim Seewurf, durch Störung der Stauung oder Eindringen von Seewasser in die Luken (Prot. 2642; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 65; YAR Regel II); Beschädigung beim Niederfallen des gekappten Mastes (Prot. 2641); Einschlagen des Decks, um rascher an die zu werfende Ladung zu kommen (Ulrich-Brüders-Hochgräber, a . a . O . ) ; Frachtverlust (Boyens, Bd. 2 S. 495). Nicht in Betracht kommen aber Schäden, die sich nicht als adäquate Folgen des Opfers darstellen (Anm. 23 zu § 700 HGB; Anm. 31 ff. zu § 735 HGB; Heck, 218).
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II. Leichterung 1. Leichterfahrzeuge im Sinne des Gesetzes sind nicht nur solche Fahrzeuge, die besonders für das Leichtern bestimmt sind, sondern auch alle andern Schiffe, in welche Ladung aus dem 1142
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gefährdeten Schiffe ü b e r n o m m e n wird (Boyens, Bd. 2 S. 497; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 66. Vgl. auch Heck, 234). Leichterfahrzeug ist somit auch ein Schiff, das dem gefährdeten Schiff auf offener See begegnet und ihm Ladung a b n i m m t (so mit Boyens, a. a. O.; UlrichBrüders-Hochgräber, a. a. O. gegen Prot. 2732), nicht dagegen eine Hulk ( H a n s O L G H a n s G Z 1884 Nr. 2; einschränkend Heck, 234) oder ein zu dem gefährdeten Schiff gehöriges Schiffsboot (vgl. Prot. 4213; anders 2644). 2. Erforderlich kann die Leichterung des Schiffes werden hauptsächlich zum Zwecke der 8 Verhütung der Strandung, der Abbringung nach erfolgter Strandung, der Überwasserhaltung nach Leckwerden, der Einbringung in einen Hilfen oder Fluß. Vgl. auch R G Z 38, 1. 3. Havariegrossefall ist die Leichterung nur, wenn die allgemeinen Voraussetzungen der 9 Havariegrosse vorliegen. Dementsprechend hebt das Gesetz hervor, daß große Haverei nicht vorliege, nenn die Erleichterung im regelmäßigen Verlauf der Reise erfolgen müsse, z. B. an den Barren mancher Ströme oder mit Rücksicht auf die unzureichende Tiefe der Hafenzufahrt. Ausnahmen sind aber denkbar ( H a n s O L G H a n s G Z 1881 Nr. 72; dagegen jedoch Siereking, 207). Vgl. auch A n m . 4 zu §621 H G B sowie LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1881 Nr. 72. Der Umstand aber, daß eine zur A u s f ü h r u n g der Reise erforderliche Maßregel zugleich die tatsächliche Wirkung hat, Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen G e f a h r zu retten, berechtigt nicht dazu, die dadurch verursachten Kosten in Haveriegrosse zu bringen (RG H a n s G Z 1882 Nr. 32; Mittelstein, HB 341). Wird die Leichterung nur im Interesse der Ladung vorgenommen (z. B. weil sie auf dem gestrandeten Schiffe, dem an sich keine G e f a h r droht, gefährdet ist), so liegt keine Havariegrosse vor ( H a n s O L G OLGRechtspr. 22, 64). Vgl. auch R G Z 165, 166. — G r o ß e Haverei ist anzunehmen, wenn die G e f a h r dadurch hervorgerufen ist, daß eine Leichterung, die im regelmäßigen Verlauf der Reise hätte erfolgen müssen, unterlassen ist. Nach § 702 wird ja gerade dadurch, daß die G e f a h r durch Verschulden eines Beteiligten herbeigeführt ist, die Anwendung der Vorschriften über die große Haverei nicht ausgeschlossen. Es ist also in jenem Falle ein Haveriegrossefall gegeben, es greift nur § 702 Abs. 2 ein, und auch dies nicht einmal, wenn sich der Verfrachter durch eine negligence-clause freigezeichnet hat. Über stellvertretende Kosten siehe die das Binnenschiffahrtsrecht betreffende Entscheidung B G H Z 28, 285 = NJW 1959 S. 149 = Hansa 1959 S. 251 = M D R 1959 S. 104 und 186 (Anm. von Sieg) = ZfBch 1959 S. 57: Läßt der Kapitän sein im Zwischenhafen (§ 82 Ziff. 5 BSchG) liegendes Schiff bei fallendem Wasser auf G r u n d aufsitzen, statt zu leichtern, um die die zu erwartenden Bodenschäden voraussichtlich übersteigenden Leichterkosten zu vermeiden, so sind die Bodenschäden bis zur Höhe der ersparten vergütungsberechtigten Kosten der Leichterung als große Haverei-Folge anzusprechen. Siehe Sieg, a. a. O., über stellvertretende Kosten und § 706. Vgl. A n m . 29 zu § 700 HGB. 4. Was gehört in diesem Falle zur großen Haverei? Vgl. auch YAR Regel VIII, der eine ent- 1 0 sprechende Regelung nur f ü r den Fall der Leichterung eines gestrandeten Schiffes trifft. a) Der Leichterlohn. Dahin sind zu rechnen das Mietsgeld, evtl. der Hilfslohn für das Leichterfahrzeug, die für dasselbe zu verauslagenden Nebenkosten, wie Lotsen- und Hafengelder, sowie die Kosten des Umladens in ein Leichterschiff und des Rückladens in das Hauptschiff (Boyens, Bd. 2 S. 496; anders Brandis, Bd. 2 S. 99), Schlepplohn für den Leichter (Mittelstein, HB 341). b) Der Schaden, der bei dem Überladen in das Leichterfahrzeug oder bei dem Rückladen in 11 das Schiff der Ladung oder dem Schiff zugefügt wird (Mittelstein, HB 342). Der an dem Leichterfahrzeug, etwa durch Kollision mit dem Hauptschiff, entstandene Schaden ist an sich nicht große Haverei; doch ist er dann in den Schaden des Hauptschiffes hineinzuziehen, wenn dieses dem Leichterschiff Garantie leisten mußte (vgl. Prot. 2645). c) Zweifelhaft ist, ob Sachschaden, den die Ladung auf dem Leichterfahrzeug erleidet, auch 12 wenn er nicht durch die Umladung adäquat verursacht wurde, stets zur großen Haverei zählt. Bejahend Boyens, Bd. 2 S. 496; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 68. Zuzustimmen ist der Auffassung von Heck, S. 233; Sommer, a. a. O., S. 40; Wüstendörfer, S H R 387; Prüssmann, § 706 C 3 d, daß nur eine mit der Leichterung in adäquatem Z u s a m m e n h a n g stehende Beschädigung gemeint ist. Das entspricht dem Hinweis auf die allgemeinen Erfordernisse des § 700 a m Eingang zu § 706. 1143
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
Die auf dem Leichterschiff befindliche Ladung bleibt auch für spätere Havereifälle des Hauptschiffes beitragspflichtig, es müßte denn sein, daß sie zugleich zwecks Weiterbeförderung mit dem Leichterfahrzeug abgeleichtert wurde, daß also für sie die Reise mit der Leichterung endete (Boyens, Bd. 2 S. 496). III. Strandung
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Der Ausdruck „Strandung" ist vom Gesetz nicht im gleichen Sinne wie in § 853 HGB gebraucht, sondern im Sinne des gewöhnlichen Sprachgebrauchs (HansOLG HansGZ 1884 Nr. 53 = SeuffA Bd. 40 Nr. 136; Brandis, Bd. 2 S. 99 Note 1). Das Gesetz unterscheidet zwei Fälle, den der absichtlichen und den der zufälligen Strandung. Während die erstere selbst Havariegrossemaßregel ist, ist dies bei der letzteren nicht der Fall: sie kann lediglich Anlaß zu Havariegrossemaßregeln geben (vgl. dazu Niemeyer, Große Haverei bei unfreiwilliger Strandung, HansRZ 1919, 46). Das Wort „absichtlich" bedeutet hier soviel wie „vorsätzlich". Hierauf deutet die Entstehungsgeschichte. Es ist vermutlich hier aus Versehen unterlassen worden, das Wort „absichtlich" durch das Wort „vorsätzlich" zu ersetzen, wie das für § 700 H G B geschehen ist. Vgl. Prot. a. a. O. und HansOLG HansGZ 1885 Nr. 72. Auch der Sinn der Vorschrift, vor allem aber die Fassung des § 706 Nr. 3 Abs. 4 („vorsätzlich") spricht dafür. Siehe auch unten Anm. 16. Strandung erfordert nicht, daß das Schiff an einem Meeresstrand aufläuft. Auch das Festkommen auf einer unter dem Meeresspiegel liegenden Sandbank ist ein Stranden; nicht dagegen das Anstoßen an einen im Fahrwasser liegenden Stein oder sog. „Grundstoß".
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A. Absichtliche Strandung. 1. Begriff a) Auf den Strand gesetzt muß das Schiff sein. In Betracht kommt aber — da jedes Havariegrosseopfer außerordentlicher Natur sein m u ß (Anm. 12 zu § 700 HGB) — nur ein solches Setzen auf den Strand, welches erhebliche Beschädigungen für das Schiff in Aussicht stellt. Es muß also eine Gefahr vorliegen. Ein Festsetzen des Schiffes bei Ebbe bis zur nächsten Flut fällt regelmäßig nicht hierunter (HansOLG HansGZ 1881, Nr. 126 = SeuffA Bd. 38 Nr. 153), ebensowenig das Aufgrundliegen im Hafen bei niedrigem Wasserstand.
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b) Absichtlich (vgl. Prot. 2685 ff.) muß es auf den Strand gesetzt sein. Vgl. über den Ausdruck „absichtlich" oben Anm. 14. Es genügt nicht die bei einer anderen Maßregel, etwa dem Ausweichen vor einem anderen Schiff, in Betracht gezogene Möglichkeit der Strandung (RGZ 44, 139; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 84), sofern nicht etwa der Kapitän diese voraussehbare Gefahr des Strandens in den Kauf genommen, also evtl. gewollt hat (ebenso Mittelstein, HB 342; Brandis, Bd. 2 S. 100). Gleichgültig ist, ob dem Kapitän noch eine Wahl zwischen dieser und anderen Rettungsmaßregeln frei stand oder ob die Strandung die einzige Rettungsmaßregel bildete (Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. IS. 70); ferner, ob es sich um eine absolut freiwillige oder um eine relativ-freiwillige, d. h. um eine solche Strandung handelte, bei der der Führer des unrettbar der Küste zutreibenden Schiffes sich noch den Ort des Auflaufens an der Küste oder einen geeigneten Moment oder sonstige günstigere Umstände wählt. Vgl. Prot. 2646; Preußisches Obertribunal SeuffA Bd. 24 Nr. 146; LG Rostock Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 70; vgl. auch den vom LG Hamburg HansGZ 1884 Nr. 21 entschiedenen Fall; Brandis, Bd. 2 S. 100; anders Heck, S. 263; Wüstendörfer, SHR 387; Plön-Kreutziger, Bd. I S. 108, und Prüssmann, § 706 D 2 b, weil es sich nicht um eine vorsätzliche Schadenszufügung handle, sondern gerade umgekehrt um eine vorsätzliche Minderung eines Zufallsschadens. Nach Regel V YAR i. d. F. Hamburg 1974 sollen die absichtliche und die relativ freiwillige Strandung in großer Haverei vergütet werden.
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2. Absichtliche Strandung ist nach positivem deutschen Recht große Haverei nur unter folgenden Voraussetzungen: (a) (Abs. 1). Sie muß erfolgt sein zum Zwecke der Abwendung des Unterganges oder der Nehmung von Schiff und Ladung (vgl. R G Z 93, 150; 92, 414; HansRZ 1918, 459), Nehmung kann sowohl durch Feinde wie durch Seeräuber drohen. Gefahr der Nehmung durch Feinde — der die G e f a h r der Aufbringung, z. B. bei einem verdächtigen, in Wahrheit aber neutralen Schiff nicht gleichsteht (Prot. 4087) — kommt nicht nur dann in Frage, wenn sowohl Schiff wie Ladung unfrei sind ( Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 72), sondern auch dann, wenn zwar nur 1144
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eines von beiden unfrei ist, die gemeinsame Gefahr aber um deswillen vorliegt, weil der Feind sich an die Pariser Seerechtsdeklaration oder sonstige völkerrechtliche Vereinbarungen nicht kehrt. Erfolgt die Strandung lediglich im Interesse der Ladung, so liegt große Haverei nicht vor (z. B. wenn das Schiff frei ist und kein Anlaß zu der Annahme vorliegt, daß es trotzdem genommen werden würde). b) (Abs. 3). Im Falle der Strandung zur Abwendung des Unterganges muß das Schiff in reparaturfähigem Zustande abgebracht sein. Ob die Abbringung durch den Reeder oder durch einen Berger oder einen Käufer erfolgt, ist gleichgültig. (Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 71). Über den Begriff der Reparaturunfähigkeit vgl. § 479 H G B Anm. 2 ff. 3. Was gehört im Falle der absichtlichen Strandung zur großen Haverei?
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a) Die durch die Strandung entstehenden Schäden an Schiff oder Ladung, Es genügt nicht daß die Schäden während des Angrundsitzens eintraten; sie müssen eine Folge des letzteren sein (HansOLG HansGZ 1881 Nr. 126 = SeuffA Bd. 38 Nr. 153; Mittelstein, HB 342). b) Die durch die Abbringung entstehenden Schäden an Schiff oder Ladung, gleichgültig ob 2 0 die Abbringung durch ordentliche oder außerordentliche Maßregeln bewirkt ist. Hierher gehören insbesondere Schäden der Maschine durch forciertes Arbeiten. c) Die Kosten der Abbringung, wiederum gleichviel, ob durch ordentliche oder außerordent- 2 1 liehe Maßregeln verursacht. Zu den Kosten der Abbringung gehört insbesondere der Bergelohn f ü r Bergung eines preisgegebenen, aber (im Falle der Anm. 18 reparaturfähig) geborgenen Schiffes, ferner die Kosten für Löschung, zeitweilige Bergung und Wiedereinladung von Schiffsinventar und Ladung (vgl. R O H G 13, 407), nicht aber die Kosten erfolgloser Abbringungsversuche (Boyens, Bd. 2 S. 499; BrandisM. 2 S. 100); Prüssmann, §706 D 3 a ; BGH VersR 1965 S. 954). d) Dagegen nicht Heuer und Kost der Schiffsbesatzung während des Aufenthaltes auf dem 2 2 Strand ( R O H G 13, 407; HansOLG HansGZ 1894 Nr. 90 = SeuffA Bd. 50 Nr. 265). Auch nicht die Kosten der vom Versicherer im Interesse der Ladung vorgenommenen Löschung (HansOLG OLG Rechtspr. 22, 65), selbst wenn sie die Möglichkeit der Abbringung erleichterte. B. (Abs. 4). Sog. zufällige Strandung. 23 1. Begriff. In Betracht kommt jede nicht unter A fallende Strandung, also nicht nur die durch Zufall (das Schiff wird z. B. durch einen Sturm auf den Strand getrieben) oder Verschulden verursachte, sondern auch diejenige vorsätzliche, die nicht zum Zwecke der Abwendung des Untergangs oder der Nehmung geschieht (vgl. oben Anm. 16). 2. Was ist im Falle der zufälligen Strandung Havereiakt? Nicht die Strandung selbst — deshalb sind auch die durch sie entstehenden Schäden nicht 2 4 große Haverei —, sondern die Abbringungsmaßregeln, und auch diese nur, wenn die allgemeinen Voraussetzungen der großen Haverei vorliegen, wofür im vorliegenden Falle keinerlei Vermutung spricht (RG HansGZ 1885 Nr. 72; RGZ 44 Nr. 33). Es ist auf die allgemeinen Ausführungen in Anm. l f f . z u § 700 zu verweisen. Gegenwärtigegemeinsame Gefahr liegt regelmäßig vor bei Strandungen auf hoher See, auf engen, belebten Fahrstraßen und in Flußmündungen, z. B. auf der Unterelbe (RG HansGZ 1885 Nr. 72; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 104; HansGZ 1905 Nr. 12: Straße von Kertsch; HansGZ 1912 Nr. 139: Oberlauf des Parana; vgl. auch HansaGZ 1906 Nr. 113). Dagegen regelmäßig nicht bei Strandungen auf Kanälen (RGZ 44, 140, 165, 166; s. auch AG Hamburg HansGZ Nr. 117). Ob ein Opfer zwecks gemeinsamer Rettung von Schiff und Ladung vorliegt, kann zweifelhaft erscheinen, wenn die Rettung nicht durch dieselbe Maßregel erfolgt, z. B. erst die Ladung in Sicherheit gebracht und dann das Schiff abgeschleppt wird (vgl. Prot. 2657): es ist eine Tatsachenfrage, ob in einem solchen Falle eine einheitliche Rettungsmaßregel, bestehend aus einzelnen Rettungshandlungen („Sukzessivrettung") als vorliegend anzunehmen ist oder nicht. Dabei kommt es vornehmlich auch darauf an, ob nach der Absicht des Kapitäns die einzelnen Handlungen auf die Rettung von Schiff und Ladung gerichtet waren und durch diese Absicht zu einer Einheit verknüpft sind (RGZ 165, 166). Regelmäßig wird ein zeitlicher Zusammenhang bezüglich der einzelnen tat1145
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sächlichen Arbeitsausführungen zu fordern sein. Vgl. auch Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 78. Es dürfen also nicht etwa zunächst die kostbaren Güter geborgen werden, um danach erst an die Rettung des Schiffes und der übrigen zu gehen. Vgl. Handelsgericht Antwerpen Revue Autran Bd. XXV S. 397, wonach trotz getrennter Rettungsmaßnahmen große Haverei anzunehmen ist, wenn „le sauvetage a été organisé en fait et pouvait être concue comme un ensemble". Vgl. auch Heck, S. 272 ff.; Sieveking, S. 208. Immer aber muß eine außerordentliche Sachlage gegeben sein. So darf nicht etwa die Abbringung des Schiffes durch eigene Kraft oder nur durch, wenn auch besonders große, Anstrengung der eigenen Mannschaft erfolgen (RG HansGZ 1885, 168). Vgl. auch HansOLG HansGZ 1884, 99: Die Kosten für Steinkohlen, Öl, Talg, Putzbaumwolle usw. beim Abbringen sind nicht in großer Haverei zugelassen. Siehe ferner HansOLG HansGZ 1884, 98: Keine große Haverei mangels außerordentlicher Sachlage bei Strandung an einem Orte, an dem diese mit Rücksicht auf die tiefe Beladung des Schiffes vorauszusehen war, z. B. in Flußmündungen und Kanälen. Erfolgt die Abbringung nicht auf Geheiß des Kapitäns, sondern z. B. durch freiwillige Berger, nachdem die Schiffsbesatzung das Schiff verlassen hatte, so liegt große Haverei nicht vor. Die Frage des auch hier vorausgesetzten Abbringungserfolges ist nach § 703, nicht nach § 706 Nr. 3, zu beantworten. Es genügt also, daß das Schiff als Wrack abgebracht ist. 25
3. Was gehört im Falle der zufälligen Strandung zur großen Haverei? a) Nicht die durch die Strandung verursachten Schäden (Beispiele: Prot. 2657), denn die Strandung ist keine Havereimaßregel. 26 b) Die auf die Abbringung verwendeten Kosten, z. B. die der Leichterung, des Abschleppens oder Hebens des Schiffes, des Löschens der Güter, der Verbrauch von Kohlen und Maschinenöl auf Seiten des gestrandeten Schiffes — nicht Heuer und Kost der Schiffsbesatzung während des Aufenthalts auf dem Strand (vgl. oben Anm. 22). 27 c) Die zum Zwecke der Abbringung dem Schiff oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden. Vgl. auch Anm. 12 zu § 700. Die Feststellung, welche Schäden durch die Strandung und welche durch die Abbringungsmaßnahmen hervorgerufen sind, wird in der Praxis vielfach schwierig sein, insbesondere bei Boden- und Maschinenschäden. Vgl. auch See- und Handelsgericht Kopenhagen, Hansa 1908 S. 280. „Absichtlich" im Sinne des § 706 Nr. 3 ist gleich „vorsätzlich" im Sinne des § 700 HGB. Es kommen also nicht nur die unmittelbar bezweckten, sondern alle als Folgen der Rettungsmaßregel voraussehbaren Schäden in Betracht (vgl. HansOLG H a n s G Z 1884, 99; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 80). Vgl. Anm. 14 und § 700 H G B Anm. 25. 28
Manöver, welche sich der Strandung unmittelbar anschließen, insbesondere forciertes Rückwärtsschlagen der Maschine oder abwechselndes Angehenlassen der Backbord- und Steuerbordmaschine eines Doppelschraubendampfers können im allgemeinen der Strandung zugerechnet werden. Schlägt hierbei z. B. eine Schraube gegen einen Stein, oder schrammt das Schiff rückwärts über steinigen Grund, so daß es Bodenschaden nimmt, so kommt Verteilung in Havariegrosse nicht in Frage. Vgl. auch HansOLG HansGZ 1919, 21 = HansRZ 1919, 87; siehe auch Niemeyer, HansRZ 1919,46.
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Anders, wenn der Kapitän nach Feststellung des Sachverhalts und planmäßiger Vorbereitung der Abbringung (Ausloten der Schiffslage, Prüfung des Grundes, auf dem das Schiff sitzt, Abdichtung eines Lecks, Peilung der Pumpen, Schottenschluß, Veränderung der Ladungsstauung, Steigerung des Dampfdrucks usw.) zu den Maßnahmen schreitet, in deren Verfolg die Schädigung eintritt. Hat der Kapitän mit solchem Schaden gerechnet und ihn evtl. als das kleinere Übel in den Kauf genommen, so ist dem Erfordernis der Absichtlichkeit genügt und es tritt Havereiverteilung ein. So z. B. wenn der Kapitän einen Warpanker ausbringt und trotz des steinigen Grundes das Schiff zu drehen versucht, wobei es Bodenschaden nimmt. Vgl. hierzu Heck, 280; Prosch, Hansa 1905 S. 536f., 549f„ 560f.; 1911 S. 361, 380; Niemeyer, a. a. O., HansOLG HansGZ 1884 Nr. 53; 1885 Nr. 72; 1912 Nr. 139, 1918 Nr. 12 = HansRZ 1919, 87 (dagegen Prot. 6, 2657). 30 Es ist voll zu beweisen, daß die Schäden oder welche Teile des Schadens (insbesondere am Schiffsboden) durch die Abbringung und nicht bereits durch die Strandung entstanden sind. Läßt sich dies nicht ermitteln, so darf nicht etwa ohne weiteres die Klage aus der Haverei ab1146
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gewiesen werden, vielmehr tritt im deutschen Recht freie Schätzung nach § 287 ZPO ein. (HansOLG HansRZ 1919, 87; Niemeyer, HansRZ 1916, 46). Vgl. z.B. HansOLG HansGZ 1919 Nr. 18, wo der Verlust eines Schraubenflügels nicht als große Haverei anerkannt wurde, weil nach Lage der Dinge der Beweis, daß der Verlust wirklich auf die Abbringung des Schiffes zurückzuführen war, als nicht erbracht angesehen wurde. Regelmäßig ist, wenn nur eine einzige Beschädigung vorliegt und sich der Zeitpunkt ihres Eintritts nicht feststellen läßt, partikuläre Haverei anzunehmen (HansOLG a. a. O.). Im englischen Recht wird vermutet, daß Schäden unter der Wasserlinie durch die Strandung verursacht sind (siehe Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 80). Vgl. über Bodenschäden auch Schierenbeck und Frosch, Mitteilungen des Internationalen Transport-Versicherungs-Verbandes, 1925 S. 21 und 58; HansOLG HansGZ 1919, 21 = HansRZ 1919, 87. Für die YAR siehe Regeln VII und VIII. IV. Einlaufen in einen Nothafen Dasselbe ist im deutschen Recht, im Gegensatz zu manchen ausländischen Rechten grundsätzlich als selbständiger Havereiakt anerkannt und bildet den häufigsten und praktisch wichtigsten Fall der großen Haverei. Siehe für die YAR Regel X, XI und XII. 1. Begriff. a) Nothafen. Hafen ist ein ans Ufer grenzender Meeresteil oder ein vom Meere aus erreichbarer Platz in einem Binnengewässer, der entweder von Natur oder durch Herrichtung gewisser Vorkehrungen geeignet ist, Schiffen zum Laden oder Löschen zu dienen oder ihnen jedenfalls einen gesicherten Ankerplatz daruzubieten. Vgl. RGZ 89, 277. Ob danach ein bestimmter Platz als Hafen anzusprechen ist, ist eine nur für den konkreten Fall entscheidbare Tatfrage. Siehe die für das Binnenschiffahrtsrecht ergangene Entscheidung HansOLG HansGZ 1902, 123. Jedenfalls ist zu fordern, daß eine sichere Ankerung nicht nur für eine ganz kurze Zeitdauer möglich ist. Auch ein geschützter, natürlicher Ankerplatz (Reede) gilt im Sinne des § 706 als Hafen. Das englische Wort „harbour" bezeichnet jeden geschützten Ruheplatz, das Wort „port" einen künstlich hergerichteten Hafen (RGZ 89, 277). Nothafen ist ein solcher Hafen, den das Schiff nicht schon im gewöhnlichen Verlauf der Reise aufsuchen muß, sondern den es nur anläuft, um einer im Falle der Fortsetzung der Reise drohenden Gefahr zu entgehen (vgl. LG Bremen HansGZ 1880 Nr. 22; Ulrich-BrüdersHochgräber, a. a. O., S. 82; siehe auch Fricke, HansRGZ 1931 A, 459ff.). Hat das Schiff den Abgangshafen verlassen, so hat die Reise begonnen, und es gibt für dasselbe n u r noch Zwischen- und Bestimmungshäfen (evtl. auch Orderhäfen); vgl. HansOLG HansGZ 1899 S. 148 Nr. 56. Über den Begriff des Zwischenhafens vgl. Schneider, Verkehrsrechtliche Rundschau 1922 S. 454. Sieht es sich in Notfällen gezwungen, in einen nicht beabsichtigten Hafen einzulaufen, so ist dies ein Nothafen, gleichviel, ob derselbe nahe am Abgangs* oder Bestimmungsorte und ob er innerhalb oder außerhalb des Kurses (HansOLG HansGZ 188 Nr. 8) belegen ist. Nothafen kann also zwar nie der Bestimmungs- oder Zwischenhafen, der das augenblickliche Ziel des Schiffes bildet, sein, wohl aber der Abgangs-, Order* oder Zwischenhafen, in welchen das Schiff auf Grund der Gefahr zurückkehrt (HG Hamburg HansGZ 1879, 101; HansOLG a . a . O . und HansGZ 1883 Nr. 64; 1901 Nr. 110; R G Z 14, 35; Mittelstein, HB 347; Frosch, Hansa 1911 S. 361 ff.; Fricke, H a n s R G Z 1931 A, 459; Wüstendörfer, SHR 387; anders Voigt, 718). Vor dem Auslaufen kann der Abgangshafen nie als Nothafen gelten, wohl aber die sichere Reede des Abladehafens, wenn das Schiff zu eigener Sicherheit dorthin gebracht wurde (vgl. L G Hamburg HansGZ 1881 Nr. 72). b) Einlaufen in einen Nothafen bedingt, daß sich das Schiff nicht schon in dem betreffenden Hafen befindet. Außer Betracht bleibt also, sofern nicht die allgemeinen Vorschriften des § 700 H G B einen Havereifall begründen (vgl. Mittelslein, HB 345): aa) Platzwechsel im Gebiet desselben Hafens. Vgl. L G Bremen HansGZ 1880 Nr. 22; HansOLG HansGZ 1902 Nr. 100. Über den Begriff des Verholens s. R G Z 89, 277. Ein bloßer Platzwechsel liegt aber nicht vor, wenn nach dem Auslaufen ein räumlich vom Gebiet des ver1147
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
lassenen Abgangshafens durch Flußläufe getrennter Ankerplatz aufgesucht wird, der verwaltungsrechtlich zum Abgangshafen gehört (LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1881 Nr. 72; 1901 Nr. 110) oder kraft positiver gesetzlicher Vorschrift mit ihm identifiziert wird (§ 480 Abs. 2 HGB). 37
bb) Liegenbleiben im Hafen zur Vermeidung einer im Falle der Fortsetzung der Reise drohenden G e f a h r (OAG Lübeck SeuffA Bd. 6 Nr. 245; HansOLG HansGZ 1883, 135 Nr. 64) oder gar wegen Unmöglichkeit der Weiterreise (Einfrieren: R O H G 23, 347; RGZ 39, 11). Im Spezialfall des § 635 H G B gelten besondere Grundsätze: Bei Verfügungen von hoher Hand sollen auch die Kosten des Liegenbleibens im Abladehafen sowie in einem Zwischenoder Nothafen als Havariegrosse verteilt werden, eine Regelung, die insbesondere auch derjenigen der Niederlande (Art. 699 Nr. 18 WvK), Brasiliens (Art. 764 Nr. 17 HGB), Spaniens (Art. 811 Nr. 10 HGB) und Chiles (Art. 1090 Nr. 7 HGB) entspricht. Doch bestimmt § 635 HGB ausdrücklich, daß die Kosten als große Haverei verteilt werden, auch wenn die Erfordernisse der großen Haverei nicht vorliegen.
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2. Wann ist das Einlaufen in den Nothafen Havereiakt? Es gelten die allgemeinen Voraussetzungen der großen Haverei (gemeinsame Gefahr, außerordentliche Sachlage, die Regelung des § 702 HGB) mit der einzigen Besonderheit, daß nicht, wie nach § 700 (Anm. 3 zu § 700 HGB) gegenwärtige Gefahr gefordert wird, sondern drohende Gefahr genügt (vgl. Fricke, HansRGZ 1931 A, 460f.). Ob solche im Einzelfall vorliegt (Beispiele: Boyens, Bd. 2 S. 504), hat der Kapitän nach verständigem Ermessen zu beurteilen ( R O H G 23, 344ff.; Fricke, a. a. O., Sp. 461). Dies ändert jedoch nichts an dem Erfordernis der Gemeinsamkeit der Gefahr für Schiff und Ladung (HansOLG HansGZ 1914 Nr. 4; Mittelstein, HB 346).
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Große Haverei ist aber keinesfalls gegeben, wenn das Einlaufen in den Hafen nicht um einer drohenden Gefahr willen, sondern auf Grund behördlichen Zwanges (vgl. HansOLG HansGZ 1894 Nr. 90 = SeuffA Bd. 50 Nr. 265) oder völkerrechtlichen Druckes ( H G und O G Bremen HansGZ 1871 Nr. 75 und 114) oder aus allgemeinen nautischen Erwägungen erfolgt (Prot. 2662; H G Hamburg HansGZ 1870 Nr. 304), etwa wegen widriger Winde oder zur Vermeidung geringfügiger Beschädigungen. Über Anlaufen eines Nothafens wegen Kriegsgefahr vgl. Jahrb. f ü r Verkehrswissenschaft 1917, Sonderheft 11 S. 18.
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Besonders wichtige Fälle, in denen das Einlaufen in einen Nothafen erforderlich werden kann, sind: a) Ausbesserung eines Schadens am Schiff, einerlei, ob der zu reparierende Schaden selbst große oder besondere Haverei ist (Prot. 2664). Das Gesetz hebt den Fall hervor, daß der Schaden während der Reise entstanden ist; aber unter die Vorschrift fällt auch die Ausbesserung eines vor der Reise entstandenen, Schiff und Ladung mit gemeinsamer Gefahr bedrohenden Schadens ( H G und OG Hamburg HansGZ 1871 Nr. 260; 1872 Nr. 84). Kann freilich in diesem Falle der Verfrachter nicht den ihm nach § 559 Abs. 2 H G B gegenüber den Ladungsbeteiligten obliegenden Entlastungsbeweis führen (Anm. 16 zu § 702), so greift § 702 Abs. 2 H G B Platz (vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 88).
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b) Eisgefahr. Beispiele: R O H G 13,408; 23, 343; HansOLG und R G HansGZ 1888 Nr. 8, 84; K G Hamburg HansGZ 1900 Nr. 117. In dem vom LG Hamburg HansGZ 1900 Nr. 76 entschiedenen Falle wurde mit Recht das Vorliegen eines Havariegrossefalles verneint, weil es sich um beim Reiseantritt voraussehbare, wenn auch ungewöhnliche Kosten der Schiffahrt handelte, die nach § 621 der Verfrachter zu tragen habe. Das Binnenschiffahrtsrecht kennt lediglich den Eintritt des Winterfrostes als havereibegründenden Anlaß zum Anlaufen des Nothafens (§ 82 Nr. 5).
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c) Kriegsgefahr. 11 S. 18.
43
d) Verbrennungsgefahr, läßt.
44
e) Mangel an Proviant oder Feuerungsmaterial, Schiffsmannschaft (vgl. hierzu Prot. 2664 ff.). 1148
Beispiel: R O H G 8 Nr. 74; Jahrb. für Verkehrswissensch. 1917 Sonderheft falls sich das Feuer ohne Anlaufen eines Nothafens nicht löschen unter Umständen Mangel an der nötigen
Haverei
§ 706
3. Was gehört im Falle des Einlaufens in einen Nothafen zur großen Haverei? Die Aufzäh- 4 5 lung in Abs. 2 ist erschöpfend. a) Die Kosten des Ein- und Auslaufens, also die dadurch verursachten Lotsengelder (vgl. über ihre Einrechnung in die Hafenkosten HansOLG HansGZ 1912, 72; 1875, 74), HafenZoll-, Klarierungsgebühren, evtl. Leichter- und Schlepplöhne, dagegen nicht die Kosten und Verzögerungen der Fahrt zum Nothafen (sog. „Deviationskosten"), denn diese sind vom Gesetz nicht besonders erwähnt (vgl. R O H G 13, 412; HansOLG HansGZ 1883 Nr. 64; 1888 Nr. 8; H a n s R G Z 1932 B 38; RG HansGZ 1888 Nr. 84; SeuffA Bd. 44 Nr. 40; BGH unten), es müßte denn sein, daß diese einen selbständigen Havereifall bilden (RG a. a. O. und HansOLG 1902 Nr. 160), ebensowenig die beim Ein- oder Auslaufen entstehenden Schäden (LG Hamburg HansGZ 1883 Nr. 121. In dem vom H G und OG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 304 entschiedenen Falle stellten sich diese Schäden als selbständiger Havereigrossefall dar). Über das vorübergehende Verlassen eines Nothafens zwecks Einnahme von Ladung (kein neuer Havareigrossefall) vgl. HansOLG HansGZ 1905 Nr. 54. Unter Haverei-grosse fallen auch nicht die Kosten der Überführung eines Schiffes von einem Nothafen zum andern (HansOLG H a n s R G R 1932 B38; anders YAR Regel X a Abs. 2. Vgl. zu § 82 Nr. 5 BSchG BGH MDR 1959 S. 104 und 187 (mit Anm. von Sieg) = BB 1958 S. 1276 = NJW 1959 S. 149 = Hansa 1958 S. 251: Ist das Binnenschiff wegen Eintritt des Winterfrostes gezwungen, einen Zwischenhafen aufzusuchen, so können die durch Eisgang auf der Fahrt zum Zwischenhafen entstandenen Schäden nicht als Große-Havarei-Schäden verteilt werden. Dies gilt auch dann, wenn das noch nicht entladene Schiff von der Löschstelle aus den Zwischenhafen aufsucht. b) Aufenthaltskosten. Von ihnen allen gilt gemeinsam nach Abs. 3, daß sie nur für die Zeit 4 6 der Fortdauer des Grundes in Rechnung kommen, der das Einlaufen in den Nothafen herbeigeführt hat (Prot. 2670ff., 4091 f.; Mittelstein, HB 348; rFricke, HansRGZ 1931 A, Sp. 460). Es kommen deshalb nicht in Rechnung Aufenthaltskosten, die aus anderen als dem Havereigrunde entstehen (Einfrieren des Schiffes im Nothafen: R O H G 23 Nr. 114; R G Z 39 Nr. 4; Anordnungen der Behörde; HansOLG HansGZ 1894 Nr. 90 = SeuffA Bd. 50 Nr. 265; dauernd widrige Winde: Prot. 2671), ferner solche, die nach endgültiger Trennung von Schiff und Ladung entstehen (vgl. auch LG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 263; über die Beitragspflichten der im Nothafen gelöschten Güter zu den später entstandenen Nothafenkosten siehe Anm. 1 zu § 718 HGB) oder, wie der letzte Satz des Abs. 3 hervorhebt, solche, die infolge der Verzögerung der notwendigen Ausbesserung des Schiffes oder bei Wiedereinnahme der Ladung nach der Ausbesserung entstehen (Beispiel: L G Hamburg und HansOLG HansGZ 1881 Nr. 72). Die Frage, innerhalb welchen Zeitraums die notwendige Ausbesserung hätte vorgenommen werden können, unterliegt dem freien Ermessen des Gerichts. Wurden bei Gelegenheit der Ausbesserung (im Dock) Schäden beseitigt, welche mit dem Havereigrunde nicht in Zusammenhang stehen (Reinigung des bewachsenen Schiffsbodens usw.), so ist nur die zur Reparatur des Havereischadens erforderliche Zeit maßgebend. Im einzelnen nennt das Gesetz: aa) Die Aufenthaltskosten des Schiffes, z. B. die Hafengebühren, dagegen nicht die nach 4 7 § 638 H G B verlorene Zeitfracht oder Schäden, die das Schiff im Nothafen treffen (LG Hamburg HansGZ 1883 Nr. 121; anders nur, wenn diese selbst große Haverei sind). Wohl aber gehören zu den Aufenthaltskosten Bewachungskosten, insbesondere, wenn die Mannschaft nicht an Bord bleiben kann. Vgl. Anm. 50 unten; Mittelstein, HB 348; Sieveking, 214. Die Bewachungskosten können auch dem Kapitän zustehen, wenn er allein an Bord bleibt und den Wachdienst tatsächlich versieht; vlg. HansOLG HansGZ 1901 Nr. 55; 1902 Nr. 52, 75; OLG Stettin Recht 1910 Nr. 2110 u. a.; s. Mittelstein, a. a. O.. bb) Die Aufenthaltskosten der Schiffsbesatzung (vgl. Prot. 2667 darüber, daß gegen den An- 4 8 spruch auf Ersatz dieser Aufenthaltskosten in großer Haverei die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung durchgreifen kann). Doch betrifft Ziff. 4 nur den Fall des Einlaufens in einen Nothafen, nicht auch Löhne wegen eines sonstigen Aufenthalts des Schiffes aus Havereigrosse-Gründen, und zwar auch dann nicht, wenn die Besatzung Arbeiten zur Errettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr ausführt. Die normalen Löhne der Besatzung gehören auch nicht zu den sog. stellvertretenden Kosten, OLG Köln Hansa 1964 1149
§ 706
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
S. 799, die Revisionsentscheidung BGH MDR 1965 S. 890 = Hansa 1965 S. 799, die Revisionsentscheidung B G H M D R 1965 S. 890 = Hansa 1965 S. 1934 = ZfBSch 1965 S. 370 (die Entscheidung betrifft das Binnenschiffahrtsrecht). Das Gesetz führt auf : aaa) Heuer. Maßgebend ist nicht die durch den Havereifall versäumte Fahrzeit, sondern nur der tatsächliche Aufenthalt im Nothafen. Die während der Reise zum und vom Nothafen aufgewendeten Heuerbeträge kommen also nicht in Betracht (Prosch, Hansa 1911 S. 361 ff.), auch nicht die Beiträge zur Kranken-, Seeunfalls-, Invaliditäts- und Altersversicherung. So auch Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 14, weil der Schiffsbesatzung nur der Nominalbetrag der Heuer gebühre; die darüber hinausgehenden Verpflichtungen des Reeders, zur Versicherung seiner Angestellten Beiträge zu leisten, sei den Arbeitgebern durch besondere Gesetze auferlegt. Die Beiträge des Reeders könnten deshalb ebensowenig in große Haverei gebracht werden, wie die bei der Krankenversicherung von der Schiffsbesatzung zu zahlenden Beitragsanteile (vgl. auch den Heuerbegriff in § 30 SeemG). Wie hier auch Schlegelberger-Liesecke, § 706 IV 4; anders Prüssmann, § 706 E 4c, weil diese Sozialversicherungsbeiträge auch zugunsten der Arbeitnehmer geleistet werden und materiell einen Teil der Gesamtheuer darstellen. Auch die ratio legis erfordere die Einbeziehung dieser Beiträge. Keinesfalls sei der Begriff der Heuer in Ziff. 4 eng auszulegen. 49
bbb) Kost, soweit sie der Besatzung neben der Heuer gebührt (vgl. aaa und Pappenheim, HB 2 S. 520).
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ccc) Auslagen für die Unterbringung der Schiffsbesatzung am Lande, solange sie — infolge des Havereigrundes — nicht an Bord bleiben kann, und nur soweit sie nicht an Bord bleiben kann, wenn das Gesetz dies auch nicht ausspricht. Befinden sich auf einem Schiff die Mannschaftsräume im Vorschiff und muß das Vorschiff zwecks Reparatur geräumt werden, so kann nicht die ganze Besatzung ausquartiert und der dafür aufgewendete Betrag zur Havereiverteilung zugelassen werden, vielmehr nur der auf die im Vorderschiff untergebrachten Leute entfallende Teil, und auch dieser nur insoweit, als die vorübergehende anderweitige Unterbringung dieser Leute im Schiff nicht möglich oder zumutbar ist.
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cc) Die Aufenthaltskosten der Ladung, falls dieselbe infolge des Havereifalles gelöscht werden muß (vgl. R G Z 14, 34 ff. über die Frage, ob der Kapitän den Zeitpunkt abwarten muß, bis die beschädigten Güter wieder verladungsfähig geworden sind). Erfolgte die Löschung sowohl infolge des Havereigrundes als auch zugleich im einseitigen Interesse der Ladung, z. B. zwecks Bearbeitung oder Ventilation, so sind nur die etwaigen Mehrkosten große Haverei (Anm. 12 zu § 700; H G Hamburg HansGZ 1872, 190 Nr. 152 hält in zweifelhaften Fällen Verteilung der Kosten auf große und besondere Haverei nach billigem Ermessen für angebracht). Im einzelnen kommen in Betracht:
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aaa) Nicht vorbereitende Kosten, z. B. die der Feststellung, ob der Zustand des Schiffes eine Löschung der Ladung erfordert. Denn das Gesetz zählt diese Kosten nicht mit auf. So zutreffend Boyens, Bd. 2 S. 508; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 96; anders Heck, Das Recht der großen Haverei, 1889 S. 301 ; LG Hamburg HansGZ 1881 Nr. 72: Taucherarbeiten; doch kann sich deren Verteilung in großer Haverei nach Nr. 7 rechtfertigen, welche auch in dem genannten Urteil zitiert ist. Sieveking, 214, macht die Entscheidung davon abhängig, ob der festzustellende Schaden selbst große Haverei ist: dann würde die Taucheruntersuchung einen Teil der Reparaturkosten darstellen.
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bbb) Die Kosten des Verbringens der Ladung an und von Bord, insbesondere Löschungs- und Rückladungskosten, Krangelder usw., nach der Praxis auch der Quantitätsverlust infolge des Löschens und Wiedereinladens lose verladener Güter, die sog. Spillage ( R O H G 8, 220; HG Hamburg H a n s G Z 1876 Nr. 60; vgl. HansOLG HansGZ 1884 Nr. 2; LG Hamburg 1889 Nr. 81 ; Brandis, 2, 101 ; dagegen Sieveking, 213). Zweifel können bestehen, ob dasselbe von der Leckage gilt (vgl. HansOLG HansGZ 1884 Nr. 2; Sieveking, 213).
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ccc) Kosten der Aufbewahrung der Ladung am Lande bis zur Wiederanbordbringung. Dahin gehören Lagermiete, Bewachungskosten, Versicherungskosten (vgl. Heck, a. a. O. S. 300). 1150
Haverei
§ 706
ddd) Dagegen nicht die Kosten der Bearbeitung der Ladung; anders nur, wenn dieselben Folgen eines als große Haverei anzusehenden Schadens sind.
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eee) Ebensowenig Schaden, den die Ladung beim Aus- oder Einladen, während der Lage- 5 6 rung oder sonst im Nothafen erleidet (Prot. 2668; R O H G 8 Nr. 53; LG Hamburg HansGZ 1883 Nr. 121; HansOLG HansGZ 1884 Nr. 2; auch H G Hamburg HansGZ 1876 Nr. 60; R O H G 21 Nr. 49). Über Spillage und Leckage siehe oben Anm. 53. Anders Regel XII YAR. dd) Nicht die Aufenthaltskosten der Reisenden, weil das Gesetz sie nicht aufführt (HG und OG Hamburg HansGZ 1876 Nr. 98. Anders nur Heck, a. a. O. S. 302).
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c) (Abs. 4). Kosten der Ausbesserung des Schiffes nur insoweit, als der auszubessernde Scha- 5 8 den selbst große Haverei ist. In Betracht kommt infolgedessen (Anm. 47, 56) regelmäßig nicht ein Schaden, der erst im Nothafen entstanden ist ( W ü s t e n d ö r f e r , SHR 387; Prüssmann, § 706 E 6; vgl. auch Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 102). Anders insbesondere, wenn es sich um einen neuen selbständigen Havereifall handelt. Vgl. auch Anm. 46. Beispiel eines Ausnahmefalles: OG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 304: Schaden durch Aufgrundgeraten infolge Einlaufens im Zustande bewußt ungenügender Ableichterung. — Über die Kosten provisorischer Ausbesserung siehe HansOLG HansGZ 1881 Nr. 72; Heck, a. a. O. S. 214ff.; Ulrich-BrüdersHochgräber, Bd. I S. 104 und für die YAR Rule XIV. d) Die Frage der Vergütungsberechtigung der sog. stellvertretenden Kosten, wenn nämlich 5 9 zum Zwecke der Ersparnis bei der Ausbesserung des Schiffes Weiterschleppen desselben oder Weiterbeförderung der Ladung nach einem anderen Hafen erfolgt, ist umstritten. Sie wird von Wüstendörfer, SHR 282, abgelehnt. In der Tat wird ja auch angenommen, daß in jedem der in § 706 geregelten sieben Fälle nur das zur großen Haverei gehöre, was die betreffende Nummer des Falles als dahingehörig benennt (vgl. Einl. zu § 706). Bejaht worden ist die analoge Vergütungsberechtigung für § 706 vom OLG Karlsruhe HansRZ 1922, 150, für den entsprechenden § 82 BSchG von BGHZ 28, 285 = MDR 1959 S. 104 = BB 1958 S. 1276 = NJW 1959 S. 149 = Hansa 1958 S. 251 = VersR 1958 S. 881 nicht nur für Kosten, sondern auch für Schäden: Läßt der Kapitän sein im Zwischenhafen liegendes Schiff bei fallendem Wasser auf Grund aufsitzen, statt zu leichtern, so sind die Bodenschäden bis zur Höhe der ersparten vergütungsberechtigten Kosten der Leichterung als Havarie-grosse-Folgen anzuerkennen. Dem ist mit Sieg, MDR 1959 S. 186 jedenfalls für die stellvertretenden Kosten beizustimmen. Ebenso Prüssmann, § 706 E 7. Siehe zu den Schäden mit Recht kritisch Sieg, a. a. O.. V. Verteidigung des Schiffes gegen Feinde und Seeräuber. 1. Der Tatbestand bedarf keiner Erläuterung. Der Fall ist ohne große praktische Bedeutung. 6 0 Havereiakt ist die Verteidigung, das Sicheinlassen auf den Kampf; deshalb sind große Haverei nicht bloß die vom Verteidiger, sondern auch die vom Gegner verursachten Schäden. 2. Was gehört im Falle der Verteidigung gegen Feinde und Seeräuber zur groBen Haverei? 61 a) Die bei der Verteidigung dem Schiff oder der Ladung zugefügten Beschädigungen, und zwar gleichviel, ob sie von den Verteidigern oder vom Gegner herrühren (Anm. 60). Beschädigungen auf der Flucht sind nicht große Haverei. b) Der bei der Verteidigung verbrauchte Schießbedarf. Das gilt entsprechend f ü r den Ver- 6 2 brauch oder die Beschädigung anderer Waffen bei der Verteidigung. c) Die Heilungs- und Begräbniskosten, falls eine Person der Schiffsbesatzung bei der Vertei- 6 3 digung verwundet oder getötet wird. Vgl. §§ 41 ff., 75, 78 SeemG. d) Die früher nach den §§ 553 a, 554 HGB, 61, 64 SeemO zu zahlenden Belohnungen. Die 6 4 genannten Bestimmungen des HGB sind durch § 146 SeemG aufgehoben. Das SeemG kennt solche Belohnungen nicht mehr. Vgl. Einl. Abs. 1. VI. Loskauf von Schiff und Ladung im Falle der Anhaltung des Schiffes durch Feinde oder Seeräuber. 1. Der Tatbestand des Falles, der gleichfalls nahezu ohne praktische Bedeutung ist, bedarf 6 5 keiner Erläuterung. Loskauf vom Feinde kommt prinzipiell nur in Frage, wenn Schiff und 1151
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Ladung befreit werden sollen, also unfrei waren, aber auch dann, wenn nur eines von beiden unfrei ist, aber beide einem Feinde in die Hände fallen, der sich an die Pariser Seerechtsdeklaration oder sonstige völkerrechtliche Vereinbarungen nicht kehrt, so daß gemeinsame Gefahr gegeben ist. Über die außer Gebrauch gekommenen sog. Ranzionierungsverträge, durch die sich ein vom Feinde aufgebrachtes Schiff vor der Kondemnation durch Geldopfer löste, s. Boyens, Bd. 2 S. 519. - Über den Begriff der Anhaltung vgl. RG WarnRspr. 1917 Nr. 170. 66
2. Was gehört im Falle des Loskaufs zur großen Haverei? a) Was zum Loskauf gegeben ist, gleichviel ob in bar, in Waren, in Wechseln auf den Reeder usw., nicht dagegen, was vom Feinde oder Seeräuber mit Gewalt genommen ist. b) Die durch Unterhalt und Auslösung der Geiseln entstehenden Kosten. c) Nicht dagegen Aufenthaltskosten. VII. Verluste und Kosten bei Beschaffung der zur Deckung der grofien Haverei während der Reise erforderlichen Gelder. Kosten der Auseinandersetzung unter den Beteiligten. A. Verluste und Kosten bei Beschaffung der zur Deckung der großen Haverei erforderlichen Gelder.
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In Betracht kommen nur die Verluste und Kosten, die zwecks Beschaffung der zur Deckung der großen Haverei während der Reise (also nicht nach Einstellung der Reise im Nothafen: H G Hamburg HansGZ 1869 Nr. 326; vgl. aber Heck, a. a. O. S. 320 ff.) erforderlichen Gelder entstanden sind, und nur soweit diese ausschließlich zur Deckung beschafft sind (s. Anm. 1 zu § 707 HGB; der von dem gerichtlich bestellten tiers consignataire ^Dispache in Genua] verlangte Vorschuß gehört nicht zur großen Haverei, RGZ 89, 46 und dazu Hagens, HansRZ 1917, 10). Die wichtigsten Maßregeln zur Beschaffung der Gelder — über die Auswahl unter mehreren s. §539 H G B - sind:
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1. Aufnahme eines Darlehns auf den Kredit des Reeders durch den Kapitän, wozu dieser nur im Rahmen des § 528 Abs. 1 Satz 1 H G B befugt ist. Der Darlehnsaufnahme steht gleich die Hergabe eines Vorschusses durch den Reeder selbst (HansOLGHansGZ 1884 Nr. 93; R G HansGZ 1885 Nr. 72; vgl. RG HansGZ 1891, 252 ff. Nr. 97) oder auch durch den Kapitän (vgl. Ritter, ArchBürgR Bd. 40 S. 412, insbesondere auch im Hinblick auf die Verzinsung).
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Zur großen Haverei gehört auch die Provision für die Vorschießung des Geldes und die Provision für den vermittelnden Makler. Vgl. für die YAR Regel XX.
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2. Verkauf von Schiffszubehör, Schiffsvorräten, Ladungsteilen (Prot. 3822). Vgl. §§ 527, 538 HGB. Zur großen Haverei gehört der den Eigentümern entstandene Verlust, d. h. die Differenz zwischen dem erzielten Erlöse und dem nach § 711 zu berechnenden Werte. Ist mit Gewinn verkauft, so kommt derselbe der Havereigemeinschaft zugute (Heck, S. 321). Vor der Änderung der Ziff. 7 Abs. 3 durch das SRÄG waren dort Versicherungsprämien für die Versicherung des aufgewendeten Geldes erwähnt. Sie sind durch das SRÄG in Fortfall gekommen, und zwar wegen des Zusammenhangs mit der durch das SRÄG abgeschafften Bodmerei. Doch ist ihre Berücksichtigung auch jetzt nicht ausgeschlossen, da die Aufzählung in Ziff. 7 Abs. 3 nicht abschließend ist (BT-Drucks. VI/2224).
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B. Kosten der Auseinandersetzung unter den Beteiligten. In Betracht kommen die Kosten der Verklarung (Einzelheiten: LG Hamburg HansGZ 1883 Nr. 121 a. E.; L G Hamburg und HansOLG HansGZ 1880 Nr. 39 und 50), der Ermittlung und Abschätzung des Schadens (Taucherkosten: vgl. LG HansGZ 1881 Nr. 72; unter Umständen Dockkosten: HansOLG HansGZ 1900 Nr. 127), Reise- und Depeschenkosten, soweit sie im gemeinsamen Interesse aufgewendet werden (HansOLG HansGZ 1881 Nr. 72), Gebühren (aber nicht die durch gerichtliche Verhandlung über die Bestätigung der Dispache entstehenden Kosten; über private Gebührenordnungen der Dispacheure siehe HansOLG HansGZ 1894 Nr. 90) und Auslagen des Dispacheurs (Näheres bei Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I 1152
§707
Haverei
S. 115), Anwalts- und Gerichtskosten (LG Hamburg 1880 Nr. 39), Entschädigungen für Vertreter der Interessenten (Havariekommissare, Havarieagenten: Heck, a. a. O., S. 320; vgl. LG Hamburg HansGZ 1880 Nr. 39); nicht aber die Kosten eines nur im Interesse des Versicherers hinzugezogenen Experten, da der Kaskoversicherer nicht Havereibeteiligter ist (HansOLG HansRGZ 1940 B 31 ff.). VIII. Sonstige wichtige Fälle großer Haverei, die in § 706 nicht erwähnt sind. 1. Verbrauch von Ladung, Schiffsteilen oder Schiffszubehör als Brennmaterial. Zu vergüten 7 2 in großer Haverei ist der Wert des Verbrauchten, abzüglich des Werts des Brennmaterials, das sonst verbraucht worden wäre. Beruht der Brennstoffmangel auf Verschulden des Reeders oder der Besatzung, so gilt § 702 HGB (vgl. Regel IX YAR, soweit es sich um das Verfeuern von Schiffsinventar oder Schiffsvorräten handelt; für das Verfeuern von Ladung gelten die Regeln A und D - siehe Ulnch-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 123, Bd. II S. 158). Siehe Gerichtshof Edinburg Revue Autran Bd. I S. 640; HG Marseille Revue Autran Bd. 4 S. 78 ff. und Bd. 7 S. 321 ff. 2. Überanstrengung der Maschine. Diesselbe ist nicht dem Prangen gleichzubehandeln, für 7 3 welches die Ausnahmebestimmung des § 707 HGB gilt (anders Sieveking, 218); sie ist vielmehr bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen große Haverei. Siehe Prot. 2658ff.; HansOLG HansGZ 1884 Nr. 53; HansRZ 1920, 36; R G HansGZ 1885 Nr. 72 = SeuffA Bd. 40 Nr. 306. Siehe für die YAR Regel VII, wo die Überanstrengung der Maschine als in großer Haverei vergütungsberechtigt anerkannt ist, bis das Schiff wieder flott ist. 3. Löschung eines auf dem Schiffe entstandenen Feuers: vgl. dazu § 700 HGB Anm. 15. 7 4 Vgl. YAR Regel III. 4. Ausbringen von Ankern. Vgl. § 700 HGB Anm. 12.
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§707 Nicht als groBe Haverei, sondern als besondere Haverei werden angesehen: 1. die Verluste und Kosten, welche, wenn auch während der Reise, aus der infolge einer besonderen Haverei nötig gewordenen Beschaffung von Geld entstehen; 2. die Reklamekosten, auch wenn Schiff und Ladung zusammen und beide mit Erfolg reklamiert werden; 3. die durch Prangen verursachte Beschädigung des Schiffes, seines Zubehörs und der Ladung, selbst wenn, um der Strandung oder Nehmung zu entgehen, geprangt worden ist. Einleitung Einzelne Fälle der besonderen Haverei. § 707 will ebensowenig erschöpfend sein wie § 706; er beabsichtigt vielmehr nur, bezüglich einiger praktisch wichtiger Fälle die Frage zu entscheiden, ob große oder besondere Haverei vorliegt. 1. Verluste und Kosten, hervorgerufen durch infolge besonderer Haverei nötig gewordene 1 Geldbeschaffung. Beispiele: Verlust bei Veräußerung der Ladung gemäß § 535 HGB; Kommission für die Beschaffung von Havariegeldern (vgl. Anm. 69 zu § 706 HGB), Versicherung der Havariegelder. War die Aufbringung des Geldes zum Teil für Zwecke besonderer Haverei, zum Teil für solche großer Haverei erforderlich, so tritt verhältnismäßige Aufteilung ein (RGZ 89, 46). 2. Reklamekosten. Das sind Kosten, die entstehen, um Schiff oder Ladung oder beides nach 2 völkerrechtlicher Anhaltung oder Nehmung wieder frei zu bringen. In Betracht kommen Gerichts*, Anwalts-, Aufenthalts-, Reisekosten usw. Soweit zum erwähnten Zwecke ein Interessent Auslagen für den anderen gemacht hat, kann sich ein Ersatzanspruch wegen Geschäftsführung ohne Auftrag rechtfertigen (Prot. 4092; vgl. Anm. 22, 23 zu § 537 HGB). Die YAR erwähnen die Reklamekosten nicht. Die Frage beantwortet sich für sie nach Regel A. 1153
§ 708 3
2. Teil : Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
3. Durch Prangen verursachte Beschädigungen. Prangen ist übermäßiges Setzen von Segeln, eine unter Umständen sehr gefährliche Maßregel (OSA Bd. 4 S. 650). Über die Gründe, welche dazu geführt haben, durch Prangen entstandene Schäden auch dann nicht als große Haverei zu erachten, wenn alle Voraussetzungen derselben (insbesondere die Gefahr der Strandung oder Nehmung) vorliegen, s. Prot. 2658 ff. Analoge Anwendung der Bestimmung auf die Überanstrengung der Maschine ist nicht zulässig (Anm. 73 zu § 706 HGB). Die Vorschrift betrifft übrigens nur das Prangen als Havereimaßregel, nicht als Havereifolge. In den YAR ist die Bestimmung über das Prangen (früher Regel VI in der damaligen Fassung) durch die Reform Hamburg 1974 aufgehoben worden. §708
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In den Fällen der großen Haverei bleiben bei der Schadensberechnung die Beschädigungen und Verluste auBer Ansatz, welche die nachfolgenden Gegenstände betreffen: 1. nicht unter Deck geladene Güter; diese Vorschrift findet jedoch bei der Küstenschiffahrt insofern keine Anwendung, als Deckladungen durch die Landesgesetze für zulässig erklärt sind (§566); 2. GUter, über die weder ein Konnossement ausgestellt ist, noch das Manifest oder Ladebuch Auskunft gibt; 3. Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Wertpapiere, die dem Kapitän nicht gehörig bezeichnet worden sind. Einleitung Die Fassung des § 708 beruht auf dem Gesetz vom 10. 8. 1937. Sie brachte gegenüber dem früheren Recht keine sachliche Änderung. Der Paragraph führt gewisse Klassen von Gegenständen auf, deren Beschädigung oder Verlust im Havereifälle bei der Schadensberechnung außer Ansatz bleibt. 1. Die im Gesetz aufgezählten, nicht vergütungsberechtigten Gegenstände sind: a) Nicht unter Deck verladene Güter. Nur Güter kommen in Betracht, nicht Schiffsgerätschaften (vgl. Anm. 2 zu § 706 HGB). Über die hauptsächlichen besonderen Beladungsarten — Laden auf Deck, Hängen an die Seiten des Schiffes —, s. Anm. 1 ff. zu § 566 HGB; dazu kommt die Verladung in Boote, die dem Schiff angehängt sind. Die Vorschrift ist nicht nur durch die Schwierigkeit der Feststellung begründet, wie weit Deckladung geworfen ist, sondern auch durch die besondere Gefährlichkeit und Gefährdung derselben, die in Gefahrfällen naturgemäß in erster Linie geworfen wird (Prot. 2699 ; vgl. auch Pappenheim, Bd. 2 S. 325 Note 6). Die Bestimmung gilt auch dann, wenn die besondere Beladungsart frachtrechtlich zulässig (Anm. 2, 3 zu § 566 HGB), insbesondere mit dem Verfrachter vereinbart war. Ob diese Verladungsart dem Frachtvertrage entsprach, ist für § 708 unerheblich. § 708 Nr. 1 gilt dann nicht, wenn die Güter erst anläßlich der Havariegrossegefahr an Deck gelagert worden sind. Mit Recht wird sie weiter von Heck,, und Sieveking, 236, in einschränkender Interpretation nicht auf solche Fälle bezogen, in denen die Schäden in keinerlei Zusammenhang mit der besonderen Lage der Deckgüter stehen. Ebenso Prüssmann, § 708 B 3 b; vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 134. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Vergütungsberechtigung wegfallen soll, wenn Deckladung verbrannt, verkauft, als Lösegeld oder zum Zweck der Ausbesserung verwertet wird. Unerheblich dagegen ist, soweit nicht § 702 HGB eingreift, die Frage, ob der Havereifall durch die Deckladung veranlaßt worden ist. Wird die geworfene Deckladung später geborgen, so ist ihre quantitative Verschlechterung und ihre Entwertung durch die Belastung mit Bergungskosten von dem Eigentümer der Deckladung zu tragen (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 60 = SeuffA Bd. 62 Nr. 94). Die Vorschrift findet keine Anwendung bei der Küstenschiffahrt, soweit Deckladungen durch die Landesgesetze für zulässig erklärt sind. Gegenwärtig bestehen in der Bundesrepublik keine besonderen Vorschriften über die Deckladung in der Küstenschiffahrt. Nach Regel I YAR wird entsprechend dem anglo-amerikanischen Recht der Seewurf von Decksladung nur dann in großer Haverei anerkannt, wenn die Ladung nach anerkanntem Handelsbrauch an Deck befördert wird (vgl. LG Hamburg Hansa 1960 S. 1798). 1154
§ 709
Haverei
b) Güter, über die weder ein Konnossement ausgestellt ist, noch das Manifest oder Ladebuch 5 Auskunft gibt. Die Bestimmung soll verhüten, daß Güter als geworfen bezeichnet werden, die gar nicht verschifft sind (Prot. 2701). Doch findet die Bestimmung keine Anwendung auf die Habe der Schiffsmannschaft und auf Reisegut. In Regel XIX Abs. 1 YAR ist vorgesehen, daß heimlich verladene oder falsch deklarierte Güter nicht vergütungsberechtigt, jedoch im Falle ihrer Rettung beitragspflichtig sind. c) Kostbarkeiten, die dem Kapitän nicht gehörig bezeichnet sind. Eine Verpflichtung zur De- 6 klarierung von Kostbarkeiten besteht ausdrücklich nur noch gemäß § 673 Abs. 2 H G B für das Reisegut. Für das Frachtgut kommt nur noch § 609 H G B in Betracht, nach welchem der Verfrachter von jeder Haftung frei ist, wenn der Befrachter oder der Ablader wissentlich bewirkt haben, daß die Art und der Wert des Gutes im Konnossement falsch angegeben worden sind. Der frühere § 607 HGB, an den § 708 Ziff. 3 anknüpfte, und welcher lautete: „Für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Wertpapiere haftet der Verfrachter nur, wenn diese Beschaffenheit oder der Wert der Güter bei der Abladung der Güter dem Schiffer angegeben worden ist", hat durch das Gesetz vom 10. 8. 1937 einen ganz anderen Inhalt bekommen und sieht eine Deklarierungspflicht für Kostbarkeiten nicht mehr vor. Die Vorschrift des § 708 Ziff. 3 geht von der Annahme aus, daß der Kapitän die Güter, wenn er deren besonderen Wert kennt, nicht so leicht opfern wird, wie gewöhnliches Gut. Ist der Kapitän selbst Eigentümer der Kostbarkeiten, so kann er sie sich nicht selbst gehörtig bezeichnen. Er muß also seinen Schaden nachweisen (vgl. Pereis, ZHR Bd. 57 S. 407). Die Bezeichnung der Sachen an den Kapitän (bzw. eine Buchung des Kapitäns über seine eigenen Kostbarkeiten; vgl. Pereis, a. a. O.) ist übrigens nur für die materiell-rechtliche Beteiligung an dem Verfahren von Belang. Beim Beweise des Schadens sind diese Vorgänge als Indizien nach § 286 ZPO zu würdigen. Besondere Beweiskraft kommt ihnen nicht zu. Nach Regel XIX Abs. 2 YAR sind Güter aller Art, deren Wert zu niedrig deklariert ist, nur nach dem deklarierten Wert vergütungsberechtigt, indessen mit dem wahren Wert beitragspflichtig. 2. Für die zu 1 genannten Gegenstände, ebenso für die infolge ihrer Opferung entgangene 7 Fracht (Boyens, Bd. 2 S. 513, 514) besteht im Falle der großen Haverei keine Vergütungsberechtigung. Dagegen besteht weiter a) ihre Beitragspflicht, soweit sie gerettet sind (§ 723 Abs. 3 HGB); b) die Vergütungsberechtigung für Schäden, die das Schiff oder die übrige Ladung infolge der Aufopferung jener Güter erlitten hat (LG Bremen HansGZ 1901 Nr. 11). §709 (1) Der an dem Schiffe oder dem Zubehöre des Schiffes entstandene, zur grollen Haverei gehörige Schaden ist, wenn die Ausbesserung während der Reise erfolgt, am Orte der Ausbesserung und vor dieser, sonst an dem Orte, wo die Reise endet, durch Sachverständige zu ermitteln und zu schätzen. Die Taxe muB die Veranschlagung der erforderlichen Ausbesserungskosten enthalten. Sie ist, wenn während def Reise ausgebessert wird, für die Schadensberechnung insoweit maßgebend, als nicht die Ausführungskosten unter den Anschlagsummen bleiben. War die Aufnahme einer Taxe nicht ausführbar, so entscheidet der Betrag der auf die erforderlichen Ausbesserungen wirklich verwendeten Kosten. (2) Soweit die Ausbesserung nicht während der Reise geschieht, ist die Abschätzung für die Schadensberechnung ausschließlich maßgebend. Einleitung Vorbemerkung zu §§ 709 — 715. Die Paragraphen beschäftigen sich mit der Ermittlung des zur großen Haverei gehörenden Schadens und der Höhe der dafür zu gewährenden Vergütung, und zwar betreffen §§ 709 u. 710 Schiff und Zubehör, §§ 711 bis 714 die Güter, § 715 die Fracht. § 709 betrifft die Ermittlung des zur großen Haverei gehörigen Schadens an Schiff und Zu- 1 behör. 1155
§ 709
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
1. Vor der Reparatur ist der zur groBen Haverei gehörige Schaden an Schiff und Zubehör durch Sachverständige zu ermitteln und zu schätzen. Unterbleibt dies, wo es ausführbar ist, so geht der Reeder seines Anspruchs auf Vergütung verlustig. Dieser wird nicht in die Dispache aufgenommen (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 54; Brandis, Bd. 2 S. 104; anders Sieveking, 232, welcher dem Reeder gestatten will, nachzuweisen, wie hoch der Sachverständige die Kosten der Reparatur geschätzt haben würde, eine probatio diabolica, die kaum praktisch von Bedeutung werden kann, da der Nachweis stets voraussetzen müßte, daß der Sachverständige den Zustand des Schiffes seinerzeit festgestellt hat). Doch ist die Vorschrift kein zwingendes Recht (ebenso Brandis, a. a. O.). Ihr Zweck ist die Verhütung von Unredlichkeiten und ungerechtfertigt hohen Schadensliquidationen (Prot. 2702). 2 a) Gegenstand der Ermittlung und Schätzung ist der an Schiff oder Zubehör (§ 478 HGB) entstandene, zur großen Haverei gehörige Schaden. Nicht in Betracht kommen also Schäden auf G r u n d von besonderen Havereien, Abnutzung, Seeuntüchtigkeit usw. Die Kosten der Hebung des Schiffes gehören nicht zu den Ausbesserungskosten, wenn auch Voraussetzung der Reparatur die vorangehende Hebung ist ( R G JW 1909 S. 467 Nr. 38 = LZ 1909, 782). Die Taxe m u ß eine möglichst genaue Spezifikation der Havereischäden sowie der zur Reparatur erforderlichen Kosten und Neuanschaffungen enthalten, bei den letzteren auch den Wert der zu ersetzenden alten Stücke angeben. 3 b) Ort der Ermittlung und Schätzung. Dieselbe ist vorzunehmen aa) wenn die Ausbesserung während der Reise erfolgt, am Orte der Ausbesserung; bb) sonst an dem Orte, wo die Reise endet (siehe § 714 HGB). Eine Verpflichtung, die Taxe und die Reparatur in dem wegen des Havereifalls angelaufenen Nothafen vorzunehmen, besteht nicht (Prot. 2703). 4
c) Das Verfahren bestimmt das Gesetz nicht, schreibt auch nicht, wie in § 610 HGB vor, daß nur amtlich bestellte Sachverständige zuzuziehen seien. Ihre Auswahl bleibt also dem pflichtgemäßen Ermessen des Kapitäns überlassen, der nicht verpflichtet ist, die Ortsbehörde anzugehen oder sich mit den Ladungsbeteiligten in Verbindung zu setzen (RG HansGZ 1885, 189; vgl. dazu auch HansOLG HansRZ 1932 B 99 = Kritische Rundschau für Privatversicherungsrecht 1932 S. 28). Doch will HansOLG HansGZ 1900 Nr. 127 = SeuffA Bd. 56 Nr. 197 eine Pflicht des Kapitäns annehmen, die Ladungsinteressenten zu befragen, wenn er bei geringem Havarieschaden eine kostspielige Dockung des Schiffes zwecks Feststellung des Schiffswerts (für die Havereiverteilung) vornehmen will. Ob die Kosten einer solchen Schadensfeststellung in Havereigrosse zu verrechnen sind, ist Frage des Einzelfalls (vgl. HansOLG a. a. O.). Maßgebend ist, ob die Maßregel nach Lage der Sache als notwendig anzusehen ist. Im Ausland kommt es für das Verfahren auf das dort geltende Recht an. Die Taxe ist kein Formalakt, ihre spätere Vervollständigung oder Berichtigung ist also nicht ausgeschlossen (Prot. 2702ff.; RG a. a. O.). 5 d) Schadensberechnung. aa) Die Taxe ist f ü r die Schadensberechnung maßgebend (jedoch ist die Taxe eines Schiedsrichters wegen offenbarer Unbilligkeit anfechtbar: HansOLG HansGZ 1903 Nr. 89; vgl. HansOLG HansRZ 1919, 87 darüber, daß die Taxe nicht ohne weiteres für die Beitragsberechnung nach § 717 in Betracht kommt). aaa) wenn die Ausbesserung während der Reise erfolgt, insoweit, als nicht die Ausführungskosten unter der Anschlagsumme bleiben. Das heißt: zu vergüten sind die wirklich aufgewendeten Kosten mit der Beschränkung, daß der Betrag der Taxe die Grenze nach oben bildet {Brandis, Bd. 2 S. 104; Sieveking, 231), 6
bbb) wenn die Ausbesserung nicht während der Reise erfolgt, unbedingt, gleichviel ob das Schiff wirklich ausgebessert wird oder nicht (Prot. 2702).
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bb) Bei vorläufiger Ausbesserung im Nothafen kommen sowohl deren Kosten (nach Anm. 5) als die durch die definitive Taxe festgestellten (nach Anm. 6) f ü r die Vergütung in Betracht (Boyens, Bd. 2 S. 518; Brandis, Bd. 2 S. 104). Vgl. auch § 710 Anm. 2. Siehe YAR Regel XIV. 8 2. War die Aufnahme einer Taxe nicht ausführbar, so entscheidet der wirklich auf die Ausbesserungen aufgewandte Betrag. Beweispflichtig f ü r die Unmöglichkeit der Taxierung und 1156
§ 710
Haverei
für die Höhe der wirklichen Ausbesserungskosten ist derjenige, welcher sich auf die Bestimmung des § 709 Abs. 1 letzter Satz beruft. 3. Siehe für den zu vergütenden Schaden am Schiff für die YAR Regel XVIII. 9
§710 (1) Der nach Maßgabe des § 709 ermittelte volle Betrag der Ausbesserungskosten bestimmt die zu leistende Vergütung, wenn das Schiff zur Zeit der Beschädigung noch nicht ein volles Jahr zu Wasser war. (2) Dasselbe gilt von der Vergütung für einzelne Teile des Schiffes, namentlich für die Metallhaut, sowie für einzelne Teile des Zubehörs, wenn solche Teile noch nicht ein volles Jahr in Gebrauch waren. (3) In den übrigen Fällen wird von dem vollen Betrage wegen des Unterschieds zwischen alt und neu ein Drittel, bei den Ankerketten ein Sechstel, bei den Ankern jedoch nichts abgezogen. (4) Von dem vollen Betrage kommen ferner in Abzug der volle Erlös oder Wert der noch vorhandenen alten Stücke, welche durch neue ersetzt sind oder zu ersetzen sind. (5) Findet ein solcher Abzug und zugleich der Abzug wegen des Unterschieds zwischen alt und neu statt, so ist zuerst dieser letztere und sodann von dem verbleibenden Betrage der andere Abzug zu machen. Einleitung Vergütung für Schiff und Zubehör. Abzüge von den nach § 709 ermittelten Beträgen. Ersatz des Havereischadens soll nicht zur Bereicherung führen. Die Feststellung, wieweit dies im Einzelfalle geschehen würde, ist aber, soweit überhaupt möglich, schwierig und zeitraubend (vgl. HansOLG HansGZ 1904 Nr. 136). Das Gesetz stellt deshalb gewisse, der Erfahrung heute nicht mehr ganz entsprechende feste Normen auf, die, soweit nicht vertragsmäßige Abänderungen vereinbart sind, allgemeine Geltung haben (Prot. 2707; OAG Lübeck HansGZ 1868 Nr. 240; R O H G 23 Nr. 116; vgl. auch Sieveking, 229; Heck, a . a . O . S. 371; Boyens, Bd. 2 S. 520; Wüstendörfer, SHR 398; Prüssmann, § 710 A). Siehe für die YAR Regel XIII. 1. (Abs. 1 u. 2). War das Schiff zur Zeit der Beschädigung noch nicht ein volles Jahr zu Was- 1 ser, der verlorene oder beschädigte Schiffsteil oder Zubehörgegenstand noch nicht ein volles Jahr in Gebrauch, so wird die Vergütung durch den nach § 709 ermittelten vollen Betrag der Ausbesserungskosten bestimmt. Der diesen beanspruchende Reeder muß beweisen, daß die betreffenden Gegenstände noch nicht ein volles Jahr zu Wasser bzw. in Gebrauch waren. 2. (Abs. 3). In den übrigen Fällen wird — außer bei den Ankem — ein Abzug wegen des Un- 2 terschiedes zwischen alt und neu gemacht, der bei den Ankerketten ein Sechstel, sonst ein Drittel beträgt. Dies gilt auch im Falle der vorläufigen Reparatur (Anm. 7 zu § 709; ebenso Boyens, Bd. 2 S. 521; anders Sieveking, 231; Brandis, Bd. 2 S. 105). Indessen ist die Frage recht zweifelhaft. Es wird der Sachlage vielleicht am meisten gerecht, dem Reeder den Beweis zu verstatten, durch die vorläufige Reparatur sei eine Wertsteigerung nicht eingetreten, insbesondere habe sie bei der definitiven Reparatur nicht zu einer Ersparnis geführt (ebenso Sieveking, S. 231; Prüssmann, § 710 C 3; a. A. Boyens, Bd. II S. 521; Schlegelberger, § 710 Anm. 1; UlrichBrüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 144). Der Wortlaut des Gesetzes zwingt dazu, auch von den Vorbereitungs- und Nebenkosten der Reparatur, wie Schlepplöhnen zur Werft, Dockkosten, Krankosten, Fuhrlöhnen, Kosten des Aufslipnehmens, Auslagen für Material und Arbeit (wozu jede Werftarbeit gehört) usw. den gleichen Abzug zu machen (ebenso HansOLG HansGZ 1904 Nr. 136; ferner SeuffA Bd. 61 Nr. 90; Boyens, Bd. 2 S. 251; Sieveking, 230; anders Heck, a. a. O. S. 371). Unerheblich ist, ob die Dock- oder Slipkosten bereits durch die vorangegangene Besichtigung erforderlich wurden, sofern sie nur gleichzeitig der anschließenden Reparatur gedient haben (HansOLG HansGZ 1904 Nr. 136). 1157
§ 711 3
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
3. (Abs. 4 und 5). Sowohl in den Fällen 1 wie zu 2 kommt in Abzug der Wert der noch vorhandenen alten Stücke, die durch neue ersetzt oder zu ersetzen sind. Konkurriert dieser Abzug mit dem wegen des Unterschieds zwischen alt und neu, so ist erst der letztere und vom verbleibenden Betrage der andere Abzug zu machen. Über die Verschiedenheit des rechnerischen Resultats von dem der umgekehrten Methode, die sich in manchen ausländischen Rechten findet, s. Prot. 4099 ff. §711 (1) Die Vergütung für aufgeopferte Güter wird durch den Marktpreis bestimmt, welchen Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsorte bei dem Beginne der Löschung des Schiffes haben. (2) In Ermangelung eines Marktpreises oder sofern über den Marktpreis oder dessen Anwendung, insbesondere mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der Güter, Zweifel bestehen, wird der Preis durch Sachverständige ermittelt. (3) Von dem Preise kommt in Abzug, was an Fracht, Zöllen und Kosten infolge des Verlustes der Güter erspart wird. (4) Zu den aufgeopferten Gütern gehören auch diejenigen, welche zur Deckung der groBen Haverei verkauft worden sind (§ 706 Nr. 7).
Vergütung für aufgeopferte Güter. Vgl. YAR Regel XVI. 1. Güter im Sinne der Vorschrift sind alle auf dem Schiff beförderten Sachen, mit Ausnahme des Schiffszubehörs (§§ 709, 710 HGB), also auch Bretter für die Garnierung, Kohlen, sonstige Treibstoffvorräte, Maschinenöl usw., die Schiffskasse (so auch Schlegelberger, §711 Anm. ; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 148; a. A. Prüssmann, § 711 B: Güter seien im Sinne des § 711 nur die nach Maßgabe eines Frachtvertrages zu befördernden Gegenstände. Es sei kein Anlaß dafür gegeben, daß die §§ 711 ff. von einem anderen Güterbegriff ausgehen, zumal das Gesetz die rechtliche Gleichbehandlung anderer Gegenstände mit Gütern sonst ausdrücklich anordne. Die ratio legis passe überdies nicht für Schiffsvorräte aller Art). Über die Vergütungsberechtigung der in § 723 Abs. 1 genannten Gegenstände s. § 723 Abs. 2 HGB; Ritter, ArchBürgR Bd. 40 S. 411; LZ 1910, 710. Beim Containertransport sind „Güter" einmal die Container selbst, gleichgültig, ob es sich um reedereieigene Container, ladungseigene Container oder solche von Container-Verleihunternehmen handelt, und sodann der Inhalt der Container. Eigentümer der Container und der Ladung sind jeder für sich beitrags- und vergütungsberechtigt. 2 2. Zu den aufgeopferten Gütern gehören nach Abs. 4 auch die zur Deckung der groBen Haverei verkauften (§ 706 Nr. 7 Abs. 3 HGB); ihnen stehen ferner gleich die im Falle des § 706 Nr. 2 auf dem Leichterfahrzeug zugrunde gegangenen. Ist von dem Erlöse neben der großen Haverei noch besondere Haverei gedeckt worden, so kommt für die Havereiverteilung nur der zur großen Haverei aufgewendete Teilbetrag in Betracht. Für den Restbetrag haftet der Reeder dem Eigentümer der geopferten Ladung mit Schiff und Fracht. Soweit das Schiffsvermögen nicht ausreicht, tritt eine Verteilung des Ausfalls nach den Grundsätzen der großen Haverei ein. 1
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3. Maßgebend für die Vergütung ist der Marktpreis für Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsort beim Beginne der Löschung, also nicht der Marktpreis im Abladehafen oder der Fakturenpreis (Gründe: Prot. 2708 ff., 2717 ff., 4102ff.). Bestimmungsort ist gleich Bestimmungshafen, d. h. dem Bestimmungsort des Seetransports (vgl. Anm. 3 Abs. 2 S. 658 HGB). Sonst wäre die Bezugnahme auf den Zeitpunkt des Löschungsbeginns nicht verständlich. Für den Fall, daß die Reise nicht im Bestimmungsort endet, vgl. § 714 HGB. Da Haverei auch noch beim Löschen eintreten kann, so muß in diesem Ausnahmefall der Zeitpunkt ihres Eintritts zugrunde gelegt werden. Trotz des nicht identischen Wortlauts der Bestimmung des § 711 mit der des § 658 HGB ist auf die Ausführungen in Anm. 2 zu § 658 zu verweisen. Die Bildung eines Marktpreises kann 1158
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dann ausgeschlossen sein, wenn das Geschäft, welches mit der betreffenden Ware am Ort getrieben wird, völlig unbedeutend ist ( H a n s O L G H a n s G Z 1903 Nr. 89). In Ermangelung eines Marktpreises oder bei Zweifeln über ihn oder seine Anwendbarkeit ist der Preis durch Sachverständige festzustellen. Hierbei können Konnossemente und Fakturen Anhaltspunkte bieten (vgl. § 729 Abs. 2 HGB), o h n e ausschlaggebend zu sein (Prot. 4103). M e h r als der Marktpreis wird auch dann nicht vergütet, wenn der Verkauf im Nothafen m e h r ergeben hat (Heck, a. a. O. S. 374). Ist ein Marktpreis nicht oder nur schwer zu ermitteln, so spielt nach Handelsbrauch auch der Fob-Preis zuzüglich 10% imaginären Gewinns eine Rolle, evtl. auch der Versicherungswert ( H a n s O L G H a n s R G Z 1940 B Sp. 37 Nr. 15; Wüstendörfer, SHR 389). Vgl. R G Z 147, 58 darüber, nach welchen Grundsätzen sich der Marktwert einer Ladung bemißt, die zur Verwertung vom Ort der Trennung von Schiff und Ladung nach einem anderen Platz weiterverschifft werden muß. 4. In Abzug kommt a) was an Fracht (§ 617 HGB), Zöllen und Kosten infolge des Verlustes der Güter erspart wird (Anm. 5 zu § 658 HGB), nicht also die Kosten der Seeversicherung (Anm. 6 zu § 658 HGB). Kein Abzug des Gesparten erfolgt jedoch, wenn der Mieter eines Schiffes vergütungsberechtigt ist. D e n n seine Pflicht zur Zahlung des Mietzinses wird durch das Schicksal der Ladung nicht berührt. Vgl. LZ 1910, 710. b) nicht zur großen Haverei gehörige Wertverringerungen und Verluste (§ 713). Andererseits sind zuzuschlagen Zinsen, wenn die Auseinandersetzung der Beteiligten verzögert wird (so auch Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 149; anders Prüssmann, § 711 D 2 : n u r Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung). Definitiv vorausbezahlte Fracht wird nicht abgezogen, da insoweit eine Ersparnis nicht eintritt. Vgl. auch Mittelstem, HB 352. §712 Die Vergütung für Güter, die eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten haben, wird bestimmt durch den Unterschied zwischen dem durch Sachverständige zu ermittelnden Verkaufswerte, welchen die Güter im beschädigten Zustande am Bestimmungsorte bei dem Beginne der Löschung des Schiffes haben, und dem im § 711 bezeichneten Preise nach Abzug der Zölle und Kosten, soweit sie infolge der Beschädigung erspart sind. Vergütung für beschädigte Güter. „Güter" s. Anm. 1 zu § 711. 1. Maßgebend ist die im Text bezeichnete Wertdifferenz. Ist demnach in einem Nothafen beschädigte Ware vorteilhafter verkauft worden, als dies nach Maßgabe des Marktpreises im Bestimmungshafen hätte geschehen können, so k o m m t der Überschuß über den Marktpreis bei der Verteilung der Havereigemeinschaft (nicht dem Ladungsinteressenten) zugute. In Abzug kommen a) ersparte, und zwar nur die infolge der Beschädigung ersparten Zölle und Kosten (Anm. 4 zu § 711). Nicht erwähnt ist die Fracht, weil für beschädigte G ü t e r volle Fracht zu zahlen ist. Sollte ausnahmsweise vertraglich Frachtermäßigung f ü r den Fall der Beschädigung der G ü t e r vereinbart sein (Prot. 4219), so würde in analoger Anwendung des Gesetzes auch diese Ersparnis abzuziehen sein; b) nicht zur großen Haverei gehörige Wertverringerungen und Verluste(§ 713 HGB), z. B. Beschädigungen der Güter, welche für die Havereiverteilung nicht in Frage k o m m e n oder Belastung mit Forderungen. Vgl. A n m . zu § 713 HGB. 2. Ist das beschädigte Gut unterwegs, u m weiterem Verderben vorzubeugen, verkauft worden, so ist der im § 711 bezeichnete Preis abzüglich des Erlöses und der Ersparungen zu vergüten (Boyens, Bd. 2 S. 524). 3. Ist ein Teil der Güter beschädigt, so ist, auch wenn derselbe mit dem Rest frachtrechtlich als einheitliches Frachtgut anzusehen ist, doch n u r dieser Teil u n d nicht etwa die ganze Ladung als beschädigt anzusehen (vgl. H G u n d O G H a m b u r g H a n s G Z 1878 Nr. 104, 177), es 1159
§ 714
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
müßte denn sein, daß die verschiedenen Teile so zusammengehören, daß sie für sich allein als selbständige Sachen nicht anzusehen sind. §713 Die vor, bei oder nach dem Havereifall entstandenen, zur großen Haverei nicht gehörenden Wertsverringerungen und Verluste sind bei der Berechnung der Vergütung (§§ 711, 712) in Abzug zu bringen. Abzüge von der Vergütung auf Grund anderweitiger Wertverringerungen oder Verluste. 1
1. Der Vergütungsberechtigte würde ungerechtfertigt bereichert werden, wenn bei der Schadensberechnung anderweitige Wertverringerungen und Verluste außer Betracht blieben, welche die Güter vor, bei oder nach dem Havereigrossefall betroffen haben (Prot. 2748). Das Gesetz bestimmt daher, daß solche zur großen Haverei nicht gehörenden Wertverringerungen und Verluste bei der Berechnung der Vergütung in Abzug zu bringen sind.
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2. In Betracht kommen Wertverringerungen und Verluste auf Grund von besonderer Haverei, eigenem Verschulden der Interessenten, innerem Verderb, gewöhnlicher Leckage (RGZ 56, 402), gewöhnlichem Bruch usw. Dieselben müssen entstanden sein vor, bei oder nach dem Havereifall. Entstanden vordem Havereifall ist eine Wertverminderung auch dann, wenn die Ursache davon vor dem Havereifall liegt, die Wirkung aber erst nach demselben eingetreten sein würde, wenn nicht der Havereifall dazwischengekommen wäre. Wenn also ein empfindliches Gut vor dem Havereifall so durchnäßt wird, daß seine Verderbnis bis zur Ankunft am Bestimmungsorte unausbleiblich gewesen wäre (vgl. HG Hamburg HansGZ 1876 Nr. 60), wenn ein Tier vor dem Havereifall tödlich verwundet wird, so ist, wenn diese Gegenstände in großer Haverei aufgeopfert werden, eine Vergütung dafür nicht zu leisten, weil ihr Verlust schon vor dem Havereifall entstanden ist (brennende, nicht mehr löschbare Ladung wird in großer Haverei über Bord geworfen). Die Wertverringerung der Güter kann auch darin bestehen, daß sie mit Forderungen belastet worden sind.
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Von einem Verlust, der nach dem Havereifall entstanden ist, kann man aber nur dann reden, wenn er die Güter wirklich betroffen hat (z. B. vor Eintritt der großen Haverei wurden die Güter derart beschädigt, daß sie im weiteren Verlauf der Reise wertlos werden mußten), nicht auch dann, wenn er sie lediglich betroffen haben würde, falls sie nicht in großer Haverei aufgeopfert worden wären. Der Einfluß späterer besonderer Haverei auf den Vergütungsanspruch wird in § 705 H G B geregelt, der insoweit den § 713 einschränkt. §714 Endet die Reise für Schiff und Ladung nicht im Bestimmungshafen, sondern an einem anderen Orte, so tritt dieser letztere, endet sie durch Verlust des Schiffes, so tritt der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist, für die Ermittlung der Vergütung an die Stelle des Bestimmungsortes. Einleitung Modifikation der Schadensberechnung bei Endigung der Reise vor Erreichung des Bestimmungshafens. Siehe Regel XVIYAR. §§ 711 u. 712 H G B betreffen nur den normalen Fall der Reisebeendigung; § 714 trifft über die wichtigsten anormalen Fälle derselben Bestimmungen.
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1. Die Reisegemeinschaft von Schiff und Ladung endet nicht im Bestimmungshafen, sondern an einem anderen Orte, also in einem Zwischen- oder im Nothafen, sei es, daß Schiff oder Ladung dort verkauft werden oder daß die Güter mit anderer Transportgelegenheit nach ihrem Bestimmungsorte geschafft werden (Prot. 2723) oder aus anderen Gründen (Boyens, Bd. 2 S. 526). Dann tritt dieser Hafen für die Ermittlung der Vergütung an die Stelle des Bestimmungsorts. Einerlei ist es, auf welche Weise sich Schiff und Ladung trennen. § 714 kommt mit seiner ersten Alternative also zur Anwendung, wenn das Schiff verkauft wird, aber auch bei 1160
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Weiterbeförderung der Ladung mit einem anderen Schiff. Vgl. dazu Deutsches Seeschiedsgericht H a n s R G Z 1938 B 327 = Sasse, Deutsche Seeversicherung 1923 - 1 9 5 7 , 1958, Nr. 905. Erfolgt eine Rückkehr des Schiffes mit der Ladung in den Abgangshafen, so kommt es auf diesen an. 2. Die Reisegemeinschaft von Schiff und Ladung endet nach Rettung aus der Havariegrossegefahr (§ 703 HGB) auf hoher See
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a) durch Verlust des Schiffes: dann tritt der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist, für die Ermittlung der Vergütung an die Stelle des Bestimmungsortes. Wird sie nach verschiedenen Orten in Sicherheit gebracht, so ist der Durchschnitt der dort maßgebenden Preise zu vergüten (Boyens, Bd. 2 S. 526); b) durch Verlust der Ladung. Für diesen Fall, den das Gesetz nicht erwähnt, kann, sofern 3 überhaupt der Vergütungsanspruch nicht nach §§ 705, 713 H G B in Wegfall gekommen ist, nur der nächste Hafen, den das Schiff anläuft oder in den es in Sicherheit gebracht wird, in Betracht kommen. Geht es vorher zugrunde, so wird schon dadurch der Havereianspruch der Ladung gegenstandslos. 3. Auf die Fälle der zusammengesetzten Reise (Anm. 1 zu § 583 HGB) sind die vorstehenden Sätze entsprechend anzuwenden (vgl. Voigt, 530; Heck, 360 ff.).
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§715 Die Vergütung für entgangene Fracht wird bestimmt durch den Frachtbetrag, welcher für die aufgeopferten Güter zu entrichten gewesen sein würde, wenn sie mit dem Schiffe an dem Orte ihrer Bestimmung oder, wenn dieser von dem Schiffe nicht erreicht wird, an dem Orte angelangt wären, wo die Reise endet. Vergütung für entgangene Fracht. Siehe YAR Regel XV. 1. Ob und wann dem Verfrachter Fracht — volle Fracht oder Distanzfracht - verlorengeht, 1 darüber s. §§ 617, 618, 630 ff. HGB. Über vertragsmäßige Abänderungen der gesetzlichen Dispositivbestimmungen s. Anm. 8 zu §617 HGB. Vergütungsberechtigt ist lediglich der Verfrachter. Wo nicht er, sondern ein Ladungsbeteiligter das Frachtrisiko läuft (Anm. 1 zu § 721 HGB), findet eine besondere Vergütung der Fracht nicht statt: dieselbe liegt darin, daß dem Ladungsbeteiligten der Wert der Güter nach § 711 H G B ohne Abzug der Fracht vergütet wird. Ist der Frachtvertrag nach ausländischem Recht zu beurteilen (vgl. Vorbemerkungen vor 2 § 556 Anm. 28 ff.), so ist nach diesem bei Aufmachung der Dispache die Frage des Frachtentgangs zu entscheiden (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 101; Brandis, Bd. 2 S. 106 Note 1). Die zu vergütende Fracht ist die Bruttofracht, einerlei, ob sie vom Befrachter oder Empfän- 3 ger zu zahlen ist (Heck, a. a. O. S. 379). Endgültig vorausbezahlte Fracht sowie NachnahmeFracht mit der Klausel „Freight payable ship lost or not lost" kommt für die Havereigrossevergütung nicht in Betracht (Sieveking, 239; Wüstendörfer, SHR 389; v. Rosenberg, Mit welcher Fracht haftet der Reeder?, VersR 1963 S. 1008). Vgl. dazu § 721 Anm. 5. Im Falle der Unterverfrachtung (vgl. Anm. 1 zu § 605 HGB) kommt nur die Konnosse- 4 mentsfracht in Frage, gleichviel ob sie höher oder niedriger ist als die Charterfracht (Prot. 2715, 4108ff.; Sieveking, 238; Boyens, Bd. 2 S. 528; Heck, a. a. O. S. 380; Mittelstein, HB 353; Schlegelberger, Anm. zu § 715; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 158; Prüssmann, § 715 B 4 ; anders Brodmann, Anm. 3 zu § 715 und bei Borchardt Bd. 13 S. 329 Note 1). Nach Brandis, Bd. 2 S. 107, nimmt der Erstverfrachter mit der Charterfracht, der Unterverfrachter mit der Konnossementsfracht, soweit diese die Charterfracht übersteigen sollte, an der Havereivergütung teil. 2. Zu vergüten ist der Frachtbetrag, der für die aufgeopferten Güter zu entrichten gewesen wäre, wenn sie mit dem Schiffe an dem Orte ihrer Bestimmung oder, wenn dieser von dem 1161
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§ 716
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Schiffe nicht erreicht wird, an dem Orte angelangt wären, wo die Reise endet. Abzuziehen ist diejenige Fracht, die der Verfrachter durch Verschiffung von Ersatzgütern verdient (Heck, a. a. O. S. 381; Sieveking, 238). Bleibt die Ersatzfracht hinter der für die geopferten Güter vereinbarten Fracht zurück, so ist die Differenz in Havariegrosse zu vergüten. Streitig ist jedoch, ob ein etwaiger Überschuß der Ersatzfracht der Havereigemeinschaft zugute kommt (so Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 158; Plön-Kreutziger, Bd. II S. 158; Prüssmann, §715 B 3) oder dem Reeder als Gewinn zukommt (so Sieveking, S. 238). Der ersteren Ansicht ist zuzustimmen. 6
3. Unter „Fracht" sind nach § 677 auch die Überfahrtsgelder zu verstehen. Teilweiser Verlust derselben tritt z. B. dann ein, wenn das Schiff im Nothafen wegen einer Havareigrossebeschädigung kondemniert wird (vgl. § 670 Abs. 2). Siehe auch Heck, a. a. O. 382; Boyens, Bd. 2 S. 528. §716 Der gesamte Schaden, welcher die große Haverei bildet, wird über das Schiff, die Ladung und die Fracht nach dem Verhältnisse des Wertes des Schiffes und der Ladung und des Betrages der Fracht verteilt. Einleitung Vorbemerkung zu §§ 716 — 724. Diese ordnen die Berechnung der Havariegrossebeiträge. § 716 enthält das allgemeine Prinzip. § 717 setzt den Beitrag des Schiffes nebst Zubehör fest, §§ 718 — 720 den der Ladung, §721 den der Fracht und der Überfahrtsgelder; § 721a regelt die Einbeziehung des Werts von Ersatzansprüchen, § 722 gibt die Möglichkeit von Abzügen auf Grund von Forderungen aus späteren Notfällen, § 723 gibt Modifikationen der Beitragspflicht und § 724 behandelt die Wirkung späterer Verluste und Wertverminderungen.
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§ 716 spricht das allgemeine Prinzip der Verteilung des Havariegrosseschadens aus. Er erläutert den § 700 Abs. 2. 1. Der „Gesamte Schaden", der die große Haverei bildet, d. h. die nach §§ 710 — 715 festzustellenden Verluste und Beschädigungen, zuzüglich der verauslagten Havariegrossekosten, bilden die Passivmasse bei Aufmachung der Dispache.
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Die nach §§ 717 — 724 festzustellenden beitragspflichtigen Werte bilden die Aktivmasse.
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Erstere durch letztere dividiert ergibt den Havereigrosseprozentsatz, also das Verhältnis der Schäden, die am Gesamtwert der beteiligten Interessen entstanden sind, zu diesem Gesamtwert.
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Aufgabe der Dispache ist, den Schaden auf die sämtlichen Interessenten gleichmäßig zu verteilen. Beträgt also der Havereigrosseprozentsatz 30% der gesamten Interessen, so haben die unbeschädigt gebliebenen Werte 30% zu vergüten, die völlig aufgeopferten 70% zu erhalten, die zu 30% Beschädigten nichts zu vergüten und nichts zu erhalten, die zu 20% Beschädigten 10% zu vergüten, die zu 40% Beschädigten 10% zu erhalten. Die Dispache ist also ein von einem Sachkundigen (Dispacheur: § 729 HGB) aufgestellter gutachtenartiger Vorschlag, wie die durch die große Haverei entstandenen Rechtsbeziehungen gemäß den maßgebenden Grundsätzen zu bereinigen seien (RG 147, 58).
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2. Bei obigen Ausführungen sind der Klarheit halber gewisse vom Gesetz festgelegte Ausnahmefälle nicht berücksichtigt. Dieselben bestehen darin, daß a) gewisse Gegenstände nicht vergütungsberechtigt, aber beitragspflichtig (§§ 708, 723 Abs. 3); b) andere Gegenstände nicht beitragspflichtig, aber vergütungsberechtigt sind (§ 723 Abs. 1 und 2 HGB. Über die Beitragsfreiheit der Postsendungen vgl. § 718 HGB Anm. 4); c) Frachtgelder nur mit zwei Drittel ihres Wertes beitragen (§721 HGB).
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3. Eine von der gesetzlichen abweichende Regelung des Havariegrosseschadens ist zulässig im Einverständnis aller Beteiligten. Solches pflegt gewöhnlich schon in den Frachtverträgen oder Konnossementen herbeigeführt zu werden, insbesondere durch Bezugnahme auf die 1162
§ 717
Haverei
York-Antwerp Rutes (vgl. auch ROHG 25 Nr. 1). Ist derartiges aber nur mit einem Teile der Beteiligten vereinbart, ohne daß sich der Rest fügt, so hat die gesetzliche Regelung Platz zu greifen (Boyens, Bd. 2 S. 530 Note 1). Doch hindert das nicht, daß sich nachträglich der hierdurch schlechter Gestellte an dem Gegner insoweit erholen kann, als ihn die Einhaltung der vertragsmäßigen Regelung besser gestellt hätte. §717 (1) Das Schiff nebst Zubehör trägt bei: 1. mit dem Werte, welchen es in dem Zustand am Ende der Reise bei dem Beginne der Löschung hat; 2. mit dem als groBe Haverei in Rechnung kommenden Schaden an Schiff und Zubehör. (2) Von dem in Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Werte ist der noch vorhandene Wert derjenigen Ausbesserungen und Anschaffungen abzuziehen, welche erst nach dem Havereifall erfolgt sind. Beitrag des Schiffes nebst Zubehör. Siehe YAR Regel XVII. Es trägt bei das Schiff, in welchem sich die Ladung zur Zeit des Havereifalls befunden hat 1 (Schaps, LZ 1911, 491). Eine Leichterung nach § 706 Nr. 2 ändert hieran nichts. Doch kann die geleichterte Ladung natürlich außerdem noch in einen Havereifall des Leichters hineingezogen werden (Prot. 2730). Es hat beizutragen: 1. Der Wert, den das Schiff nebst Zubehör am Ende der Reise beim Beginne der Löschung hat. Geht also das Schiff zwischen dem Havereifall und dem Löschungsbeginn ganz verloren, so wird die Beitragspflicht mit seinem Werte ganz aufgehoben (§ 704 HGB). Wird es im Werte verringert, so vermindert sich die Beitragspflicht (§ 724). Eine Abschätzung des Schiffswerts durch Sachverständige ist nicht vorgeschrieben (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 127 = DJZ 1901, 56), und die gemäß §709 erfolgte Taxe ist für §717 nicht maßgebend (HansOLG HansRZ 1919, 87; HansOLG HansRGZ 1932 B 19 = Juristische Rundschau für Privatversicherung 1932 S. 28). Im Gegensatz zu § 709 HGB ist der Beitragswert in § 717 nach allgemeinen Beweisregeln festzustellen (HansOLG HansRZ 1919, 87; vgl. LG Lübeck HansRGZ 1935 B Nr. 98 Sp. 363 wegen des Schiffswertes). Über den Endpunkt der Reise (Normalfall und anormale Fälle) s. Anm. 1 ff. zu § 714 HGB. Abzuziehen ist aber nach Abs. 2 der noch vorhandene Wert (nicht die Kosten: Prot. 4112) der 2 erst nach dem Havereifall erfolgten Ausbesserungen und Anschaffungen: denn dieses Kapital ist der Havariegrossegefahr gar nicht ausgesetzt gewesen (Prot. 2772). Unerheblich ist, ob das Schiff hinsichtlich dieses Schadens vergütungsberechtigt ist. Gleichgültig ist ferner, ob die Ausbesserungen und Anschaffungen Folge von Partikulärschäden oder des Havariegrosseschadens gewesen sind. „Noch vorhanden" ist ihr Wert nicht, soweit er wieder verlorengegangen ist. - Weiterer Abzug: § 722 HGB. Doppelte Abzüge dürfen nicht gemacht werden. Insbesondere ist der Wert von Ausbesserungen und Anschaffungen, welche nach der Haverei erfolgten, dann nicht angängig, wenn diese Maßnahmen zu einem Schiffsgläubigerrecht geführt haben und die zugrunde liegende Forderung bereits vom Wert des Schiffes abgesetzt ist (Sieveking, 252, 248). 2. Der als große Haverei in Rechnung kommende Schaden an Schiff und Zubehör. Würde 3 hiermit nicht beizutragen sein, so würde der Reeder einen ihm nicht gebührenden Vorteil erhalten : das beschädigte Gut würde voll ersetzt werden, ohne am Schaden beteiligt zu sein. Die Beitragspflicht erstreckt sich auf den vollen Havereigrosseschaden, nicht etwa bloß auf die Vergütung abzüglich des Beitrages (Prot. 4234; HansOLG HansGZ 1905, 66 Nr. 31). 3. Nicht beitragspflichtig sind die vom Reeder verauslagten Kosten, die sich ja gar nicht in 4 Gefahr befunden haben. Wegen der Beitragspflicht von Ersatzansprüchen des Reeders gegen Dritte siehe § 721 a HGB. 1163
§ 718 Die Ladung trägt bei:
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB 8
1. mit den am Ende der Reise bei dem Beginne der Löschung noch vorhandenen Gütern oder, wenn die Reise durch den Verlust des Schiffes endet (§ 714), mit den in Sicherheit gebrachten Gütern, soweit in beiden Fällen diese Güter sich zur Zeit des Havereifalls an Bord des Schiffes oder eines Leichterfahrzeugs (§ 706 Nr. 2) befunden haben; 2. mit den aufgeopferten Gütern (§ 711). Beitrag der Ladung. Siehe Regel XVIIYAR. Begriff der Ladung § 535 Anm. 1 HGB. Wegen Containerverschiffung vgl. § 711 Anm. 1. 1
Es sind beitragspflichtig die Güter, welche sich zur Zeit des Havereifalls an Bord des Schiffes oder gemäß § 706 Nr. 2 an Bord eines Leichters befunden haben (Schaps, LZ 1911, 491 ff.), und zwar 1. Die am Ende der Reise beim Löschungsbeginn vorhandenen (vgl. Anm. 1 zu § 717 HGB) bzw. in Sicherheit gebrachten Güter, aber n u r soweit sie zur Zeit des Havereifalls sich befunden haben entweder a) an Bord des Schiffes. Nicht tragen bei Güter, die zur fraglichen Zeit noch nicht an Bord waren oder bereits, sei es definitiv, sei es vorläufig, im Nothafen (Prot. 2730) gelöscht sind. Unerheblich ist es, ob die Güter auf Grund eines Frachtvertrages sich an Bord befinden (RGZ 82, 417 = HansGZ 1913 Nr. 111 = JW 1913 S. 992 Nr. 21; HansOLG HansGZ 1911 Nr. 104 = SeuffA Bd. 66 Nr. 214) und ob die Konnossemente erst nach dem Havereifall gezeichnet wurden (HansOLG HansGZ 1911 Nr. 47). Ladung, die nach dem Havereifall endgültig gelöscht ist, hat zu den nachträglich entstandenen Kosten desselben Havereifalls (Beispiel: Kosten des Auslaufens aus dem Nothafen) beizutragen (Heck, a. a. O. 305; Boyens, Bd. 2 S. 505; Wüstendörfer, SHR 379; Prüssmann, § 718 A 3; vgl. Brodmann, Anm. 1 b zu § 700 HGB; anders HansOLG HansGZ 1888 Nr. 8; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 167; vgl. auch Gütschow, Hansa 1911 S. 271; ohne eigene Stellungnahme Schlegelberger, Anm. 2 zu § 718).
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b) oder an Bord eines Leichterfahrzeugs. Das Zitat des § 706 Nr. 2 HGB zeigt aber deutlich, daß nur der Fall der Leichterung infolge einer Havereigrossegefahr gemeint ist: diese Gefahr ist so lange nicht beseitigt, als die Güter nicht zurückgebracht sind, und jedes wegen einer neuen G e f a h r des Hauptschiffs gebrachte Opfer ist auch im Interesse der auf dem Leichterfahrzeug befindlichen Güter gebracht (Prot. 2731 ff.). Keine Beitragspflicht besteht somit für Güter, die sich vor der Einladung oder nach definitiver Löschung oder auf Grund sonstiger, nicht auf große Haverei zurückzuführender Umstände im Leichterfahrzeug befinden (Brandis, Bd. 2, S. 108 Note 3; vgl. auch Brodmann bei Borchardt Bd. 13, S. 329 Note 4).
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Ob zwischen dem Leichterschiff und den in dasselbe übergeladenen Gütern eine besondere Havereigrossegemeinschaft besteht, ist nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten (Prot. 2730). Abzug im Falle a und b: § 722 HGB.
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2. Postsendungen haben zur großen Haverei nicht beizutragen. Denn ihre sichere und pünktliche Bestellung, welche im öffentlichen Interesse liegt, würde durch ihre Hineinziehung in das Havereigrosseverfahren gefährdet sein. Insbesondere ist die Erhaltung des Havareigrosserechts gemäß § 726 Abs. 2 HGB (Vorbehalt der Belastung bei der Herausgabe an den Empfänger) nicht durchführbar, zumal im internationalen Postverkehr. Die Nachforschung nach dem Wert ist selbst unter Heranziehung des § 729 Abs. 2 HGB nicht durchführbar (RGZ 82, 417 = HansGZ 1913 Nr. 111 = WarnRspr. 1913 Nr. 439 = JW 1913 S. 992 Nr. 21; ebenso HansOLG HansGZ 1913 Nr. 30 = SeuffA Bd. 69 Nr. 88; Görs, Eisenbahn- und verkehrsrechtl. Entsch. und Abhandl. Bd. 29 Heft 3; Schlegelberger, Anm. 4 zu § 718; Ritter, LZ 1911, 89, welcher eine gewohnheitsrechtliche Ausnahme der Postsendungen annimmt; Prüssmann, § 718 C; anders HansOLG HansGZ 1911 Nr. 104 = SeuffA Bd. 66 Nr. 214 = LZ 1911, 563; Sieveking, 28; Eckstein, Große Haverei und Postsendungen, HoldheimsMSchr. 1914 S. 38, mit nicht überzeugenden Gründen). In keinem Falle wäre aber der Empfänger der einzelnen Postsendung passiv legitimiert. Denn der Empfänger im frachtrechtlichen Sinne wäre der Postfiskus, welcher die gesamte Postsendung als Ganzes in Empfang nimmt; vgl. RGZ a. a. O. 1164
§ 719
Haverei
3. Die aufgeopferten Güter (vgl. Anm. 3 zu § 717 HGB). Bezüglich der Wertberechnung ist 5 auf § 711 HGB Bezug genommen. Die aufgeopferten Güter haben auch bei späteren großen Havereien beizutragen, weil auch zu ihrer Deckung die neuen Havereigrosseopfer gebracht sind. 4. Siehe wegen der beitragspflichtigen Ersatzansprüche § 721 a.
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§719 Bei der Ermittlung des Beitrags kommt in Ansatz: 1. für Güter, die unversehrt sind, der Marktpreis oder der durch Sachverständige zu ermittelnde Preis (§ 711), welchen sie am Ende der Reise bei dem Beginn und am Orte der Löschung des Schiffes, oder, wenn die Reise durch Verlust des Schiffes endet (§ 714), zur Zeit und am Orte der Bergung haben, nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Kosten; 2. für Güter, die während der Reise verdorben sind oder eine zur großen Haverei nicht gehörige Beschädigung erlitten haben, der durch Sachverständige zu ermittelnde Verkaufswert (§ 712), welchen die Güter im beschädigten Zustande zu der in Nr. 1 erwähnten Zeit und an dem dort bezeichneten Orte haben, nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Kosten; 3. für Güter, die aufgeopfert worden sind, der Betrag, welcher dafür nach § 711 als große Haverei in Rechnung kommt; 4. für Güter, die eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten haben, der nach Nr. 2 zu ermittelnde Wert, welchen die Güter im beschädigten Zustande haben, und der Wertsunterschied, welcher nach § 712 für die Beschädigung als große Haverei in Rechnung kommt. Einleitung Ermittlung des Beitragswerts der beitragspflichtigen Güter. Der Paragraph enthält Einzelanwendungen der Grundsätze des §718 HGB. Über die rechtliche Bedeutung der Wertangaben von Interessenten s. ROHG 23 Nr. 61. Siehe zur Anwendung des § 719 im Binnenschiffahrtsrecht Martin, HansRGZ 1937 A 8 1 f f . und LG Mannheim HansRGZ 1937 B 55 ff. Es sind zu unterscheiden: 1 1. Unversehrt gebliebene Güter. Wertbestimmung nach §§ 711, 714. Zu bemerken ist, daß bei geborgenen Gütern der Preis nicht zur Zeit des Bergungsbeginns, sondern zur Zeit der Bergung, also der Vollendung der Bergung, in Betracht kommt. In Abzug kommt die ganze Fracht (nicht auch Schiffsmiete; Hamb. SchiedsGer. LZ 1910, 711), gleichviel ob sie endgültig vorausbezahlt ist oder nicht (ebenso Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 173; Boyens, Bd. 2 S. 538; Schlegelberger, Anm. 1 zu §719; Prüssmann, § 719 B; anders Mittelstein, HB 354ff. und HansRZ 1917, 141 ff. für das Binnenschiffahrtsrecht, was für dieses mit Rücksicht auf § 85 Abs. 1 S. 3 BSchG wohl analog haltbar ist, für das Seerecht aber doch bedenklich erscheint). Vgl. auch YAR Regel XVII. Ferner sind abzuziehen Zölle und sonstige Kosten, die bei Untergang der Güter erspart waren, z. B. Löschungs- und Lagerungskosten, Beiträge zu späteren großen Havereien, Bergungskosten — soweit sie nicht selbst zur Havereigrosse liquidiert werden (Boyens, Bd. 2 S. 538; Sieveking, 253). Das gleiche gilt für Steuern, welche den Charakter von Zöllen haben (LG Hamburg LZ 1912, 799). Wenn ein Marktpreis nicht zu ermitteln ist, spielt auch hier wie im Falle des § 711 HGB nach Handelsübung der Cif-Preis zuzüglich 10% Gewinn eine Rolle (HansOLG HansRGZ 1940 B Nr. 15 Sp. 37 f.). Bei der Bewertung von Containern ist vom Alter des Containers und den dadurch bestimmten prozentualen Abschreibungssätzen auszugehen. Siehe auch Loundes und Rudolf, S. 388. 2. Während der Reise verdorbene oder durch einen Nichthavereigrossefall beschädigte Gü- 2 ter. Wertbestimmung nach §§712 HGB (Verkaufswert der Güter in beschädigtem Zustande), 714 HGB. Vgl. oben Nr. 1; Abzüge wie dort. 3. Aufgeopferte Güter: Wertbestimmung und Abzüge nach § 711 HGB. Der Vergütungsberechtigte darf nicht etwa von der zu leistenden Vergütung seinen Beitrag abziehen, also nur 1165
§ 721
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
mit ihrem Nettobetrag beitragen (Prot. 2734, 4223). Endgültig gezahlte Fracht wird nicht abgezogen. Über die Folge, daß sie auf diese Weise (entgegen § 721 HGB) zu ihrem vollen Betrage beiträgt, vgl. Sieveking, 253. Siehe auch YAR Regel XVII. 4. Durch den Havereifall beschädigte Güter: Wertbestimmung und Abzüge wie nach Nr. 2, zuzüglich der aus § 712 HGB ersichtlichen Wertdifferenz. Daß auch hier Fracht, Zölle und sonstige Kosten abzuziehen sind, sagt das Gesetz nicht. Doch will z. B. Sieveking, 253, das annehmen. Die gleiche ratio der Vorschriften zu Nr. 1 u. 2 unterstützt diese Annahme jedenfalls.
§720 Sind Güter geworfen, so haben sie zu der gleichzeitigen oder einer späteren großen Haverei im Falle ihrer Bergung nur beizutragen, wenn der Eigentümer eine Vergütung verlangt Beitragspflicht geworfener und wieder geborgener Güter. 1
1. Bergung vor Auszahlung der Havereigrossevergütungen. Der Eigentümer der Güter, der ja durch den Seewurf sein Eigentum nicht verliert, hat die Wahl, ob er auf Havereigrosseansprüche verzichten will — dann trifft ihn auch keine Beitragspflicht — oder nicht — dann hat er zu der großen Haverei, anläßlich deren seine Güter geworfen sind, und etwaigen späteren (Mittelstein, HB 355) beizutragen. Erklärt er sich nicht, so ist, wie der Wortlaut des Gesetzes ergibt, anzunehmen, daß er keine Vergütung verlangt. Seine Wahl muß sich auf die Gesamtheit der f ü r ihn geretteten Güter beziehen (Prot. 2794; Mittelstein, a. a. O.).
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2. Die Vergütung bemißt sich, falls er sich an dem Havereigrosseverfahren beteiligt, nach den allgemeinen Vorschriften (Abzüge nach §§ 712 ff.). Der ermittelten Wertdifferenz muß jedoch der Bergelohn hinzugerechnet werden (Sieveking, 249 f.). Beitragswert: Wert an dem Ort, wohin die Güter in Sicherheit gebracht worden sind, zuzüglich der Havereigrossevergütung, aber abzüglich der Fracht, Zölle und Unkosten (Sieveking, 250).
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3. Bergung nach Auszahlung der Havereigrossevergütungen. I/i diesem vom Gesetz nicht geregelten Falle ist der Eigentümer der geretteten Güter entweder bereichert um die Havareigrossevergütung oder um den Wert der geretteten Güter. Er muß also nach seiner Wahl eines von beiden der Havereigemeinschaft auszahlen (Prot. 2778). Durch Zurückweisung der Güter oder ihre Überlassung an die Gemeinschaft wird er nicht frei (Boyens, Bd. 2 S. 539).
§721 (1) Die Frachtgelder tragen bei mit zwei Dritteilen: 1. des Bruttobetrags, welcher verdient ist; 2. des Betrags, welcher nach § 715 als groBe Haverei in Rechnung kommt. (2) Überfahrtsgelder tragen bei mit dem Betrage, welcher im Falle des Verlustes des Schiffes eingebüßt wäre (§ 670), nach Abzug der Kosten, die alsdann erspart sein würden. Beitrag der Fracht und der Überfahrtsgelder: Siehe YAR Regel XVII. Schrifttum: 1
v. Rosenberg, Mit welcher Fracht haftet der Reeder?, VersR 1963 S. 1008.
1. Fracht. Nicht in Betracht kommen bloße Aussichten auf Frachtverdienst, ferner Landfracht (vgl. Schaps, LZ 1911, 491 ff.; Schiffsmiete: Hamb. Schiedsgericht LZ 1910, 710; vgl. auch R G HansGZ 1902 Nr. 134). Im Binnenschiffahrtsrecht wird die große Haverei nur von Schiff und Ladung, nicht auch von der Fracht getragen; § 85 BSchG und dazu Mittelstein, HB 353 und LZ 1912, 798. 1. Siehe darüber, wer für die Fracht und die Überfahrtsgelder beitragspflichtig ist, § 725 Abs. 2 u n d die dortige Anm. 3. 1166
Haverei
§ 721
2. Durchkonnossement und beitragspflichtige Fracht Wird eine Ware auf Grund eines 2 Durchkonnossements nacheinander von mehreren Schiffen befördert und tritt ein Fall der großen Haverei auf einem der an dem Transport späterhin (d. h. nach der Übernahme des Gutes aus dem ersten Schiffe) beteiligten Schiffe ein, so fragt es sich, ob die Gesamtfracht zur Haverei beitragspflichtig ist oder nur die Fracht desjenigen Reiseabschnitts, auf welchem die große Haverei eintrat. Fast einhellig wird angenommen, daß nur die Fracht des betreffenden Reiseabschnitts bei- 3 tragspßichtig sei. Vgl. Schaps, LZ 1911, 491; Gütschow, Hansa 1911 S. 251, 271 u. 344; Ritter, ArchBürgR Bd. 36 S. 102ff.; Boyens, ZHR Bd. 75 S. 552; Brodmann, LZ 1911, 498; 1912, 129; Wüstendörfer, SHR 391; Schlegelberger, a.a.O.; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 180; Prüssmann, § 721 B 5; anders HansOLG HansGZ 1911 Nr. 49 = Hansa 1911 S. 179 = Recht 1911 Nr. 1410 = ZVersWes. 1911 S. 295; Schilling, Durchfrachtvertrag und Durchkonnossement beim Stückgüterverkehr, 1914; Plass, Neue Hamb. Börsenhalle vom 4. 4. 1911, nach welchen die Gesamtfracht beizutragen habe. Hiernach ist beitragspflichtig diejenige Fracht, welche das beitragspflichtige Schiff zur Zeit 4 des Havereifalls durch die Beförderung der beitragspflichtigen Güter zu verdienen hatte (Schaps, a. a. O.). Auszuscheiden ist demnach die bereits verdiente und diejenige Fracht, deren künftiger Verdienst erst in Aussicht steht. Ebenso die Landfracht oder die Luftfracht, welche durch einen Land- oder Lufttransport im Verlauf der Durchfrachtreise verdient, oder eine ebensolche Binnenschiffahrtsfracht. Dem Landfrachtrecht und dem Luftrecht ist das Institut der großen Haverei fremd (vgl. für das Luftrecht de Rode-Verschoor, ZHR Bd. 118 S. 131 ff.). Unerheblich ist es endlich, ob das später eintretende Schiff auf Rückerstattung seiner Frachtzahlung an das vorher tätig gewordene Schiff verzichtet hatte (Schaps, a. a. O.). Über den endgültigen Frachtvorschuß vgl. § 617 Anm. 8 und die oben in Anm. 4 Zitierten. Die vielfach übliche Klausel: „Vorausbezahlte Fracht gilt als verdient und wird nicht zurückgezahlt, auch wenn die betreffenden Güter verlorengegangen sind", führt zum Ausschluß dieser Fracht von dem Havariegrosseverfahren (so auch Rosenberg, VersR 1963 S. 1008; anders Brodmann, bei Borchardt Bd. 13 S. 330 Note 2). 3. Bei zusammengesetzten Reisen (vgl. § 583 HGB Anm. 1) kommt nur die Fracht für den 5 Reiseabschnitt in Betracht, auf dem sich die große Haverei ereignet hat (Heck, a. a. O. 396; Boyens, Bd. 2 S. 543; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 180, 1911, 491 ff.; Prüssmann, § 721 B5; Schaps, LZ 1911, 491 ff.; für das englische Recht ist diese Frage streitig, vgl. Schaps, a. a. O. und HansOLG HansGZ 1911 Nr. 49 = Hansa 1911, 179 = Recht 1911 Nr. 1410). Von dem Falle des Durchkonnossements unterscheidet sich die zusammengesetzte Reise dadurch, daß während der verschiedenen Reiseabschnitte zwar das Schiff, nicht aber die Ladung identisch ist, während es beim Durchkonnossement gerade umgekehrt ist (vgl. Schaps, a. a. O.). Soweit ein Teil der Reise in Ballast gefahren wird, ist große Haverei für ihn an sich ausgeschlossen (vgl. oben § 700 HGB Anm. 6). Ist eine Gesamtfracht ausgemacht, so ist sie entsprechend zu repartieren. Ebenso ist die Zeitfracht zu behandeln. Hat sich der Reeder die Befugnis zur Umladung in ein anderes seiner Schiffe vorbehalten 6 und erfolgt diese im gewöhnlichen Verlauf der Reise (ohne Havereifall), so ist keine Distanzfracht verdient; das zweite Schiff hat die Gesamtfracht zu verdienen, und diese nimmt daher auch an einer späteren Havariegrosse teil. Anders im Falle der Umladung auf Grund großer Haverei (vgl. unten Anm. 8). Hat die Reederei den Transport zu einer Einheitsfracht übernommen und läßt sie einen spä- 7 teren Reiseabschnitt durch eine andere Reederei ausführen, so nimmt an einer Havariegrosse des ersten Reiseabschnitts nur die auf diesen entfallende Fracht, an der Havariegrosse des späteren Reiseabschnitts die von dem betreffenden anderen Schiffe verdiente Fracht, also die Fracht dieses Schiffes, zuzüglich der bis dahin noch nicht endgültig verdienten Fracht früherer Reiseabschnitte teil (vgl. Schaps, LZ 1911,491 ff.; anders Leo, Seerecht Nr. 163). 4. Höhe der Frachtbeiträge.
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a) Nur mit zwei Dritteilen tragen die Frachtgelder bei. Der legislative Grund zur Herabset1167
§ 721a
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
zung des Beitrages liegt darin, daß dem Verfrachter im Falle des Untergangs der Güter eine Anzahl von Ausgaben erspart werden würden, die ihm durch das Havariegrosseopfer nicht gerettet werden: deshalb soll er nicht mit der ganzen Bruttofracht beitragen (Prot. 2746) (Fingierte Nettofracht). Dieser Grund kommt nicht in Betracht, wo ein Ladungsbeteiligter das Frachtrisiko läuft oder die Reiseunkosten zu tragen hat {Heck, a. a. O. S. 399 ff.); trotzdem gilt die Vorschrift auch f ü r diese Fälle (Wüstendörfer, SHR 391). 9
b) In der zu a angegebenen Höhe tragen die Frachtgelder bei aa) Mit dem verdienten (d. h. geretteten: s. oben Anm. 1) Bruttobetrage, d. h. der bedungenen bzw. angemessenen Fracht einschließlich Nebengebühren (Kaplaken, Primage: §§621, 543 HGB), abzüglich etwaigen Frachtrabatts oder Adreßkommission (OG Hamburg HansGZ 1879 Nr. 11). Über definitiv vorausbezahlte Fracht vgl. die in Anm. 4 Zitierten.
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Die Fracht kann sein: volle Fracht oder Distanzfracht, letztere nur bis zur Höhe des geretteten Werts der Güter (§ 630 Abs. 2 HGB), niemals Fautfracht (HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 226; Pappenheim, Bd. 3 S. 613, denn sie ist der Seegefahr nicht ausgesetzt). Falls das Schiff nach der Haverei die Ladung einem anderen Schiffe zur Weiterbeförderung gibt, so ist „verdient" die volle Fracht, abzüglich der dem anderen Schiff zu zahlenden Frachtvergütung (OAG Lübeck HansGZ 1869 Nr. 75). Sieveking (258) will außerdem noch ein Drittel derjenigen Fracht abgezogen sehen, welche der Ladungseigner als Distanzfracht dem Reeder hätte zahlen müssen, wenn das Unternehmen im Nothafen sein Ende erreicht hätte. Gegen die oben zitierte Entscheidung des OAG Lübeck wendet Sieveking ein, daß sie auf dem damaligen hamburgischen Recht beruhe, nach welchem der Reeder die Ladung auf eigene Kosten weiterbefördern mußte. Schaps(a. a. O.) bezeichnet die Distanzfracht auch dann als verdient, wenn sich der Verfrachter vorbehalten hatte, im Falle des Verlustes des Schiffes die Güter mit einem anderen seiner Schiffe weiterzubefördern. Dementsprechend läßt er diese Distanzfracht an einem späteren Havereifälle nicht beitragen. Anders Leo, Seerecht Nr. 163.
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Ebenso, sofern nach dem maßgebenden ausländischen Recht ein Distanzfrachtanspruch nicht existiert, dann, wenn der Verfrachter bei vorzeitiger Endigung der Reise die Ladung auf andere Weise nach dem Bestimmungsort schafft ( O G Hamburg HansGZ 1879 Nr. 11). Vgl. auch Schaps, a. a. O.
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bb) Mit dem Betrage, der nach § 715 HGB als Vergütung in Rechnung kommt. Von einer solchen ist, wie in Anm. 1 zu § 715 ausgeführt, nur die Rede, wenn der Verfrachter, nicht auch wenn ein Ladungsbeteiligter das Frachtrisiko läuft.
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c) Abzug: § 722 HGB. II. Überfahrtsgelder. 1. Beitragspflichtig ist wiederum derjenige, für den das Überfahrtsgeld gerettet wird, also entweder der Verfrachter oder der Reisende, je nachdem nach § 670 HGB der erstere oder nach dem Passsagevertrage der letztere das Risiko des das Distanzüberfahrtsgeld übersteigenden Teils des Überfahrtsgeldes trägt. Doch ist die Beitragspflicht des Reisenden kaum praktisch, da Überfahrtsgelder stets vorausbezahlt werden. Außerdem entfällt das Risiko des Reisenden dort, wo der Unternehmer zur Weiterbeförderung verpflichtet ist.
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2. Es trägt n u r bei der das Distanzfahrgeld des § 670 H G B übersteigende Teil des Überfahrtsgeldes, abzüglich der ersparten Kosten (z. B. die im Passagegeld liegende Vergütung f ü r die Kost; Prot. 2774) und evtl. der Wertminderung des § 722 HGB.
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3. Im Falle der Unterverfrachtung (§ 676 HGB) wird gleichfalls (oben Anm. 2) nur von den Überfahrtsgeldern, nicht von der Charterfrächt, beigetragen. § 721a Geht nach dem Havereifall und bis zum Beginn der Löschung am Ende der Reise ein beitragspflichtiger Gegenstand verloren, so trägt an Stelle des Gegenstands ein wegen des Verlustes gegen einen Dritten bestehender Ersatzanspruch mit seinem Wert bei. Geht ein beitrags1168
§ 723
Haverei
Pflichtiger Gegenstand teilweise verloren oder wird er im Wert verringert, so ist bei der Ermittlung des Beitrags dem Wert des Gegenstands der Wert eines Ersatzanspruchs hinzuzurechnen, der wegen des teilweisen Verlustes oder der Wertminderung gegen einen Dritten besteht. Einleitung
§ 721 a ist d u r c h Art. 1 Ziff. 30 S R Ä G eingefügt worden.
1. A u s § 717 Abs. 1, § 718 Abs. 1 und § 724 Abs. 1 H G B ergibt sich f ü r die Havereivertei- 1 lung der G r u n d s a t z , d a ß j e d e W e r t m i n d e r u n g der beitragspflichtigen Gegenstände bis zum Ende der Reise zu berücksichtigen ist. Diesem G r u n d s a t z entspricht das in § 721 a niedergelegte Prinzip, d a ß Ersatzansprüche, die zwischen d e m Havereifall u n d dem Beginn der Löschung a m E n d e der Reise aus e i n e m die W e r t m i n d e r u n g des beitragspflichtigen Gegenstandes h e r b e i f ü h r e n d e n Ereignis entstanden sind, bei d e r Havereiverteilung zu berücksichtigen sind. 2. In Betracht k o m m e n n u r Schadensersatzansprüche, die hinsichtlich der beitragspflichtigen G e g e n s t ä n d e durch rechtswidrige und regelmäßig schuldhafte H a n d l u n g e n Dritter entstanden sind. In Betracht k o m m e n k ö n n e n namentlich Ersatzansprüche aus Kollisionsschäden, aber auch Ersatzansprüche gegen den Kapitän aus § 511 H G B . Ersatzansprüche gegen den eigenen Versicherer fallen nicht unter § 721 a.
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3. Die Bestimmung ordnet n u r eine Beitragspflicht des Ersatzanspruchs an. Die Beitragsberechtigten h a b e n indessen keinen u n m i t t e l b a r e n A n s p r u c h gegen den Schädiger. Sie können lediglich von d e m Geschädigten die Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen.
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4. Abgestellt ist in § 721 a auf den Wert der Ersatzforderung, also auf deren Bonität.
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§722 Wird nach dem Havereifall und vor dem Beginn der Löschung am Ende der Reise die Haftung eines beitragspflichtigen Gegenstands für eine durch einen Notfall entstandene Forderung begründet, so trägt der Gegenstand nur mit seinem Wert nach Abzug dieser Forderung bei. Einleitung Abzüge auf Grund von Forderungen aus späteren Notfällen. Die Bestimmung in der Fassung des Art. 1 Ziff. 31 S R Ä G . 1. Maßgebend für die Beitragspflicht soll grundsätzlich der Wert der Gegenstände vor dem 1 Beginn der Löschung am Ende der Reise sein. Eine W e r t m i n d e r u n g k a n n aber zwischen dem Havereifall u n d d e m Beginn der Löschung eingetreten sein sowohl d u r c h körperliche Beschädigung wie d u r c h Belastung mit dinglichen Rechten (Prot. 4221). Den letzteren Fall trifft die vorliegende Vorschrift. 2. Die Vorschrift bezieht sich nur auf Ansprüche, die 2 a) d u r c h einen späteren Notfall begründet sind, also durch einen solchen nach dem Havereifall, und b) d u r c h ein Schiffsgläubigerrecht oder ein P f a n d r e c h t an der Ladung gesichert sind. Als Schiffsgläubigerrecht k o m m t insbesondere § 754 Abs. 1 Ziff. 4 mit den F o r d e r u n g e n f ü r Bergungs- und Hilfskosten, aber auch aus Fällen späterer großer Haverei in Betracht. Siehe wegen der V e r p f ä n d u n g von Ladungsgütern durch den Kapitän §§ 535 Abs. 3, 538 H G B . 3. A u ß e r Betracht bleiben also sowohl solche dingliche Schulden, die vor dem Havereifall entstanden sind, wie solche, die Folgen des Havereifalles sind.
§723 (1) Zur großen Haverei tragen nicht bei: 1. die Kriegs- und Mundvorräte des Schiffes; 2. die Heuer und die Habe der Schiffsbesatzung; 3. das Reisegut der Reisenden. 1169
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
(2) Sind Sachen dieser Art aufgeopfert oder haben sie eine zur großen Haverei gehörige Beschädigung erlitten, so wird dafür nach Maßgabe der §§ 711 bis 715 Vergütung gewährt; für Kostbarkeiten, Kunstgegenstände, Geld und Wertpapiere wird jedoch nur dann Vergütung gewährt, wenn sie dem Kapitän gehörig bezeichnet worden sind (§ 673 Abs. 2). Sachen, für die eine Vergütung gewährt wird, tragen mit dem Werte oder dem Wertunterschiede bei, welcher als große Haverei in Rechnung kommt. (3) Die im § 708 erwähnten Gegenstände sind beitragspflichtig, soweit sie gerettet sind. Einleitung Die Vorschrift betrifft Gegenstände, deren Beitragspflicht ausgeschlossen oder beschränkt ist. Ihre jetzige Fassung beruht auf dem Gesetz vom 10. 8. 1937 und auf Art. 1 Ziff. 32 SRÄG, durch den Abs. 4, der sich auf die Bodmerei bezog, aufgehoben wurde. 1
1. (Abs. 1). Nicht beitragspflichtig (s. aber Anm. 6) sind a) Kriegs- und Mundvorräte des Schiffes. Zu ersteren sind nicht zu rechnen die zum Schiffszubehör gehörigen Schiffskanonen; zu letzteren gehören außer den Nahrungsmitteln für Besatzung und Passagiere auch Arzneimittel und Viehfutter, dagegen nicht das Feuerungsmaterial; vgl. dazu Schiedsger. LZ 1910, 710. Mundvorräte sind aber beitragspflichtig, wenn sie unter Konnossement befördert werden (Sieveking, 254 f.).
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b) Heuer und Habe der Schiffsbesatzung, erstere weil sie nicht der Seegefahr unterliegt, letztere wegen ihrer verhältnismäßigen Geringwertigkeit. Über die Frage, ob zur Heuer im Sinne des § 723 Nr. 2 auch der Anteil der Besatzung an Fracht oder Gewinn gehört, vgl. Pappenheim, HB 2 S. 489 und 517. Im allgemeinen wird dies zu verneinen sein (arg. § 780 HGB).
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c) Reisegut der Reisenden: Anm. 1 zu § 672 HGB;
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2. (Abs. 2). Die unter 1 a —c aufgeführten Gegenstände sind vergütungsberechtigt nach Maßgabe von §§711—715 HGB, gewisse wertvolle Gegenstände unter ihnen aber nur, wenn sie dem Kapitän gehörig bezeichnet worden sind (§ 673 Abs. 2 HGB).
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Sofern ihnen aber eine Vergütung gewährt ist, sind sie mit dieser Vergütung beitragspflichtig (Mittelstein, HB 356). Hinsichtlich der Heuer vgl. §706 Nr. 4 H G B (Nothafenheuer). Die nach § 723 Beteiligten verlieren ihren Vergütungsanspruch im Falle eigenen Verschuldens. Vgl. § 702 und Pereis, ZHR Bd. 57 S. 405 (Kapitän). Sie sind dann auch nicht beitragspflichtig, jedoch haften sie den Beitragspflichtigen gemäß § 702 HGB für deren Schaden.
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3. (Abs. 3). Beschränkt beitragspflichtig, nämlich soweit sie gerettet sind, sind die in § 708 aufgeführten, nicht vergütungsberechtigten Gegenstände. Wieweit amortisable Wertpapiere als „gerettet" anzusehen sind, darüber s. Heck, a. a. O. S. 393. Vgl. auch Mittelstein, HB 356; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 192.
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4. Für andere Interessen, als die im Gesetz bezeichneten, insbesondere z. B. für bloße Aussichten (etwa des Staates oder der Hafenbehörde des Bestimmungsorts auf Zölle und Hafengebühren, des Maklers auf Courtage, des Schleppereigners auf Schlepplohn, des Reeders auf künftigen Frachtgewinn), gibt es keine gesetzliche Beitragspflicht (Schaps, LZ 1911; Heck, a. a. O. S. 330).
§724 (1) Wenn nach dem Havereifall und bis zum Beginne der Löschung am Ende der Reise ein beitragspflichtiger Gegenstand ganz verlorengeht (§ 704) oder zu einem Teile verlorengeht oder im Werte verringert, insbesondere gemäß § 722 mit einer Forderung belastet wird, so tritt eine verhältnismäßige Erhöhung der von den übrigen Gegenständen zu entrichtenden Beiträge ein, soweit nicht der Verlust oder die Wertverringerung durch eine Schadensersatzforderung (§ 721 a) ausgeglichen wird. (2) Ist der Verlust oder die Wertverringerung erst nach dem Beginn der Löschung erfolgt, so hat dies auf die Verteilung des Schadens, welcher die große Haverei bildet, keinen Einfluß. 1170
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Einleitung Folgen des Unterganges oder der Wertverminderung eines beitragspflichtigen Gegenstandes nach dem Havereifall (vgl. Pappenheim, HB 2 S. 358 f.). Die Bestimmung in der Fassung des Art. 1 Ziff. 33 SRÄG. Die Ergänzung des Abs. 1 war notwendig, um dem Fall Rechnung zu tragen, daß ein nach dem § 721 a zu berücksichtigender Ersatzanspruch an die Stelle eines verlorengegangenen oder im Wert verminderten beitragspflichtigen Gegenstandes tritt. Die Änderung des Abs. 2 war erforderlich, weil nach Einführung der persönlichen Haftung des Beitragspflichtigen Verlust oder Wertminderung des geretteten Gegenstandes nach dem Stichtag der Havereiberechnung nicht mehr von Einfluß auf die Beitragsverpflichtungen der anderen Beitragsschuldner sein können. Der Beitragsberechtigte muß in einem solchen Falle die persönliche Haftung des Beitragsschuldners in Anspruch nehmen. In Betracht kommen völliger oder teilweiser Verlust, Wertverringerungen jeder Art, insbesondere auch dingliche Belastung (§ 722). 1. (Abs. 1). Tritt einer dieser Fälle bis zum Löschungsbeginne am Ende der Reise ein, so 1 wird die Aktivmasse kleiner, daher wächst der Havariegrosseprozentsatz (Anm. I ff. zu § 716 HGB). Es erhöhen sich also die von der Aktivmasse zu leistenden Beiträge. Anders nur, soweit nicht Verlust oder Wertverminderung durch eine Schadensersatzforderung (§ 721 a HGB) ausgeglichen werden. 2. Treten die erwähnten Ereignisse nach dem Löschungsbeginn ein, so ändert dies nichts 2 mehr an der Beitragspflicht der übrigen Beteiligten. Es findet also nicht etwa eine neue Umlage statt. Vorbemerkung zu den §§ 725 bis 726 a Der Wegfall der beschränkt-dinglichen Haftung für Havereibeiträge durch das SRÄG machte eine Vorschrift über die persönliche Beitragspflicht erforderlich. Die dingliche Sicherung dieser Verpflichtung durch ein Schiffsgläubigerrecht ist beibehalten worden, was auch dem Übereinkommen von 1967 über Schiffsgläubigerrechte und Schiffshypotheken entspricht. §725 (1) Zur Zahlung des von dem Schiff zu entrichtenden Beitrags ist der Schiffseigentiimer, zur Zahlung des von der Ladung zu entrichtenden Beitrags ist der Eigentümer der Ladung verpflichtet. Maßgebend ist das Eigentum im Zeitpunkt des Beginns der Löschung am Ende der Reise. (2) Zur Zahlung des von den Fracht- oder Überfahrtsgeldern zu entrichtenden Beitrags ist der Verfrachter verpflichtet. Ist vereinbart, daß die Fracht auch im Falle des Verlustes der Güter zu zahlen ist, so trifft die Verpflichtung zur Zahlung des auf die Fracht für die geretteten GUter entfallenden Beitrags den Eigentümer der Güter; Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. (3) Der nach Abs. 1 oder 2 zur Zahlung des Beitrags Verpflichtete haftet nur bis zur Höhe des Wertes der geretteten Gegenstände, mit denen er beitragspflichtig ist. Maßgebend ist der Wert der Gegenstände bei Beginn der Löschung am Ende der Reise; § 717 Abs. 2, § 719 Nr. 1 und 2, §§ 721,721 a und 722 sind anzuwenden. Einleitung
Die Bestimmung in der Fassung des Art. 1 Nr. 34 SRÄG.
1. Für die an die Stelle der beschränkt-dinglichen Haftung des früheren Rechts getretene 1 persönliche Verpflichtung des Beitragspflichtigen bedarf es einer Festlegung, wen diese für die verschiedenen beitragspflichtigen Gegenstände trifft. 2. Abs. 1 stellt wegen der persönlichen Verpflichtung sowohl für die vom Schiff als auch für 2 die von der Ladung zu entrichtenden Beiträge auf das Eigentum an den beitragspflichtigen Gegenständen beim Beginn der Löschung am Ende der Reise ab. Dieser Zeitpunkt ist auch für die Ermittlung und Bewertung der beitragspflichtigen und vergütungsberechtigten Gegenstände maßgebend. 1171
§ 726
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
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3. Abs. 2 stellt in Satz 1 den Grundsatz auf, daß der Verfrachter als der Gläubiger der geretteten Frachtforderung die von dieser oder Überfahrtsgeldern zu entrichtenden Beiträge zu zahlen hat. Doch gilt das nur für den gesetzlichen Normalfall, in welchem die Fracht durch das Havereiopfer für den Verfrachter gerettet wird, weil dieser das Risiko getragen hat. Ist dies infolge einer abweichenden Vereinbarung, wonach der Befrachter die Fracht unabhängig von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort schuldet, nicht der Fall, so bedarf es der in Satz 2 enthaltenen besonderen Regel, wonach die Verpflichtung zur Zahlung des auf die Fracht für die geretteten Güter entfallenden Beitrags den Eigentümer der Güter trifft.
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Im Falle der Unterverfrachtung ist beitragspflichtig nur derjenige, für den die Konnossementsfracht gerettet ist: die Charterfracht bleibt außer Betracht. Zwar kommt das Havereiopfer beiden Frachten zugute; aber eine doppelte Belastung der Fracht wäre unbillig und dem Geiste des Gesetzes widersprechend, ohne durch dessen Wortlaut gerechtfertigt zu sein. Die Konnossementsfracht ist diejenige, für die die Güter haften, und die unmittelbar durch deren Verlust verlorengeht. Das Rechtsverhältnis zwischen Haupt- und Unterverfrachter liegt völlig abseits von der Havereigemeinschaft. Das ist die in jeder Hinsicht herrschende Meinung; vgl. Heck, a. a. O. S. 359 ff.; Boyens, Bd. 2 S. 541; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 181; Wüstendörfer, SHR 390; Schlegelberger, Anm. 1 zu §721; Prüssmann, §721 B 3 ; HansOLG HansGZ 1891 Nr. 22; RG HansGZ 1891 Nr. 71 = SeuffA Bd. 47 Nr. 221; LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1902 Nr. 19. Zweifelhaft Prot. 4119 ff. Anders Brodmann, Anm. 3 zu § 721, nach welchem die höhere der beiden Frachten beitragspflichtig ist.
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4. Abs. 3 Satz 1 sieht eine Haftungsbeschränkung zugunsten der Beitragspflichtigen auf den Wert der geretteten Gegenstände vor. Das folgt nicht bereits notwendig aus den Bestimmungen über die Berechnung der Havereibeiträge.
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5. Abs. 3 Satz 2 entspricht den Bewertungsvorschriften für die Beitragspflicht der Gegenstände.
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6. Siehe wegen der Verjährung der Beiträge zur großen Haverei § 901 Ziff. 3 und die dort. Anm. 4.
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7. Läßt sich der Kapitän bei Auslieferung der Güter vom Empfänger einen Verpflichtungsschein über die Zahlung der festgestellten oder noch festzustellenden Havareigrossebeiträge (average bond oder Havereirevers) ausstellen, so haftet der Empfänger hieraus im Zweifel ohne Rücksicht darauf, ob er Eigentümer im Zeitpunkt des Beginns der Löschung am Ende der Reise ist. Es liegt aber in der Unterzeichnung des Reverses noch kein Verzicht auf die spätere Anfechtung der Dispache (RG HansGZ 1897 Nr. 14, HansOLG HansRGZ 1935 B 263 ff., OLG Hamburg Hansa 1966 S. 732, Prüssmann, § 726 B 1). Demgegenüber sieht aber das LG Hamburg HansRGZ 1939 B 271 ff. in der Zeichnung des Havariebonds ein Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB. Vgl. auch Ritter, LZ 1911, 569 und ZVersWiss. 1912, 424. Über das englische Recht siehe House of Lords HansRGZ 1936 A 390. Über die Bedeutung des Havariegrosse-Verpflichtungsscheins in der Binnenschiffahrt siehe KG Hansa 1931 S. 1521.
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Muster eines Haverei-Reverses. Haverei-Revers Hierdurch verpflichte—' c h m ' c h ( j e n a u f f ü r m ' c h b e s t j m m t e Ladung, welche in wir uns uns dem . . . schiffe " Kapitän verladen ist, entfallenden Beitrag zur großen Haverei laut der in nach den York-Antwerp Rules von 1974 und dem Rechte aufzumachenden Dispache prompt und unweigerlich zu zahlen. Ort und Datum Unterschrift §726 (1) Wegen der von dem Schiff und der Fracht zu entrichtenden Beiträge haben die Vergütungsberechtigten an dem Schiff die Rechte von Schiffsgläubigern. 1172
§ 726a
Haverei
(2) Auch an den beitragspflichtigen Gütern steht den Vergütungsberechtigten wegen des von den Gütern zu entrichtenden Beitrags ein Pfandrecht zu. Einleitung Die Bestimmung in der Fassung des Art. 1 Ziff. 34 SRÄG. Sie betrifft die Rechte der Vergütungsberechtigten an den beitragspflichtigen Gegenständen. Abs. 1 entspricht § 725 Satz 1 H G B a. F., Abs. 2 § 725 Satz 2 H G B a. F. Wie nach bisherigem Recht sind also auch nach der Neuregelung durch das SRÄG Beitragsforderungen zur großen Haverei durch ein dingliches Recht an den beitragspflichtigen Sachen gesichert. Es handelt sich bei diesem am Schiff um ein Schiffsgläubigerrecht, bei den Gütern um ein gesetzliches Pfandrecht nach den Regeln des BGB. 1. Die Vergütungsberechtigten haben 1 a) wegen der von dem Schiffe oder der Fracht zu entrichtenden Beiträge die Rechte von Schiffsgläubigern. Obwohl nach der Neufassung des Neunten Abschnitts des 4. Buches durch das SRÄG das Schiffsgläubigerrecht nicht mehr die Mithaftung der Fracht begründet, besteht doch wegen der auf die Fracht entfallenden Beitragsverpflichtungen ein Schiffsgläubigerrecht, für das indessen nur das Schiff haftet. Das Gesetz ist insoweit einschränkend auszulegen, als wegen der Beiträge der Fracht Schiffsgläubigerrechte nur insoweit gewährt sein können, als die Fracht im Risiko des Verfrachters steht, also diesem die von der Fracht zu leistenden Havereigrossebeiträge zur Last fallen (Heck, a. a. O. 449 ff.; Pappenheim, HB 2; Prüssmann, § 725 B; vgl. Anm. 1 zu § 721). Über Inhalt, Bedeutung und Geltendmachung der Schiffsgläubigerrechte s. §§ 754 ff. HGB, über das Rangverhältnis § 762 HGB. b) wegen der von Gütern zu entrichtenden Beitrage — und, wie in ausdehnender Auslegung 2 hinzuzufügen, auch wegen der Beiträge von der im Risiko des betreffenden Ladungsbeteiligten stehenden Fracht (Heck, a. a. O. S. 450) — ein Pfandrecht an den einzelnen Gütern. Die Güter haften nicht gesamtschuldnerisch: vielmehr haftet jedes einzelne selbständige Frachtgut nur für die auf dasselbe entfallenden Beiträge. Vgl. Pappenheim, HB 2 S. 358; siehe auch R G Z 82, 417. Über die Rechtslage nach Erlöschen des in § 615 H G B gegebenen Zurückbehaltungsrechts vgl. § 615 H G B Anm. 3 ff. 2. Siehe wegen des Rangverhältnisses der Pfandrechte an den beitragspflichtigen Gütern § 726 a Abs. 1 und 2, wegen ihres Erlöschens § 726 a Abs. 3.
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§ 726 a (1) Pfandrechte an den beitragspflichtigen Gütern nach § 726 Abs. 2 haben den Vorrang vor allen anderen an den Gütern begründeten Pfandrechten, auch wenn diese früher entstanden sind. Sie gehen jedoch Pfandrechten nach § 25 der Strandungsordnung nach. (2) Bestehen an einer Sache mehrere Pfandrechte nach § 726 Abs. 2, so geht das wegen der später entstandenen Forderung dem wegen der früher entstandenen Forderung vor; Pfandrechte wegen gleichzeitig entstandener Forderungen sind gleichberechtigt; § 762 Abs. 3 gilt entsprechend. Das gleiche gilt im Verhältnis von Pfandrechten nach § 726 Abs. 2 zu Pfandrechten nach § 752 Abs. 2. (3) Pfandrechte an den beitragspflichtigen Gütern nach § 726 Abs. 2 erlöschen nach einem Jahr seit der Entstehung des Anspruchs; § 759 Abs. 2 gilt entsprechend." Einleitung
Die Bestimmung ist durch Art. 1 Ziff 34. SRÄG eingefügt worden.
1. Nach Abs. 1 Satz 1 haben die Pfandrechte an den beitragspflichtigen Gütern nach § 726 1 Abs. 2 HGB den Vorrang vor allen anderen an den Gütern begründeten Pfandrechten, insbesondere Landfrachtrechten und dem Verfrachterpfandrecht des § 623 HGB, auch wenn diese früher entstanden sind. Siehe indessen Anm. 2 wegen Abs. 2. Auch haben nach Abs. 1 Satz 2 Pfandrechte wegen der Ansprüche aus Wrackbeseitigung (§ 25 StrandO) stets den Vorrang vor den Pfandrechten wegen der Havereibeiträge. 1173
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2. Nach Abs. 2 soll bei Bestehen mehrerer Pfandrechte an Gütern wegen Havereigeldern oder wenn solche neben Pfandrechten aus Bergung oder Hilfsleistung (§ 752 Abs. 2 HGB) bestehen, das später entstandene Pfandrecht dem früher entstandenen vorgehen. Wegen des Entstehens der Ansprüche ist nach Abs. 2 1, Satz 2. Halbsatz § 762 Abs. 3 H G B entsprechend anzuwenden.
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3. Nach Abs. 3 erlöschen in Nachbildung der Regelung für Schiffsgläubigerrechte in § 759 Abs. 1 H G B Pfandrechte an den beitragspflichtigen Gütern nach § 726 Abs. 2 H G B in einem Jahr seit der Entstehung des Anspruchs, wobei § 759 Abs. 2 H G B entsprechend gilt. Siehe wegen der Einzelheiten diese Bestimmung. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs des Gutes ohne das Pfandrecht nach § 726 Abs. 2 richtet sich nach § 936 BGB (vgl. BT-Drucks. VI/2225 S. 28 f. §727 Die Feststellung und Verteilung der Schäden erfolgt an dem Bestimmungsort und, wenn dieser nicht erreicht wird, in dem Hafen, wo die Reise endet. Einleitung §§ 727 — 729 beschäftigten sich mit der Aufmachung der Dispache. Sie werden ergänzt durch die das formelle Dispacherecht regelnden §§ 145 ff. F G G (Anm. 9 zu § 729). Siehe das Muster einer Dispache bei Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 243. Vgl. Berliner, Kalkulationen bei Aufmachung einer Dispache, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, Bd. 15 S. 354. § 727 bestimmt den Ort der Feststellung und Verteilung der Schäden. Er schafft jedoch nicht eine besondere Zuständigkeit der Gerichte (HansOLG HansGZ 1917 Nr. 57).
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1. Der maßgebende Ort ist a) in erster Linie der Bestimmungsort. Sind mehrere Bestimmungsorte für die Ladung gegeben, so müßte strenggenommen an jedem derselben eine selbständige Auseinandersetzung stattfinden, also für die jeweilig ausgeladenen Güter stets eine besondere Dispache aufgemacht werden (anders App. Senat Mannheim BuschA Bd. 41 S. 243). Aus praktischen Gründen wird man sich aber regelmäßig mit einer Dispache im Endhafen begnügen müssen (ebenso Mittelstein, HB 357; Wüstendörfer, SHR 397; Prüssmann, § 727 B 2). Freilich liegt es alsdann dem Kapitän ob, die erforderlichen Feststellungen und Sicherstellungen (§§ 730, 731 HGB) bezüglich der vorher gelöschten Güter schon vor deren Auslieferung zu veranlassen (Näheres Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 203). Die Frage ist bestritten. Insbesondere wird vielfach der Standpunkt vertreten, daß in jedem Zwischenhafen für die dort gelöschte Ladung je eine Dispache und am Bestimmungsort für Schiff und Restladung eine weitere Dispache aufzumachen ist. Vgl. dazu Sieveking, 260 ff. Jedenfalls ist es dem Kapitän nicht verwehrt, die Dispache an dem Orte aufzumachen, wo er einen Teil der Ladung löscht, und er wird es nicht selten tun, da die Auslieferung beitragspflichtiger Güter auf seine Gefahr geschieht (KG OLG Rechtspr. 42, 196).
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b) in zweiter Linie — d. h. wenn der Bestimmungsort nicht erreicht wird — der Hafen, in dem die Reise endet. Über die einzelnen Fälle siehe Anm. 1 ff. zu § 714 HGB.
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c) Die Vorschrift ist nicht zwingend. So auch HansOLG OLGRechtspr. 44, 182 und HansGZ 1925, 99 = HansRZ 1925, 436. Anders Josef, Deutsche Notar-Zeitschrift 1904 S. 314ff. und Recht 1904 S. 399 und Zeitschrift für die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Gemeindeverwaltung in Württemberg 1927 S. 174, nach welchem nur das Gericht des Bestimmungshafens bzw. des Endes der Reise zuständig ist. Eine Vereinbarung der Beteiligten über den Ort, an dem die Dispache aufgemacht werden soll, soll nur die Rechtsbeziehungen der Beteiligten untereinander regeln, aber nicht als der in § 149 F G G bezeichnete Ort gelten und die Gerichtszuständigkeit nicht ändern. Ist also die Dispacheaufmachung, etwa wegen Fehlens einer zur Dispachierung geeigneten Persönlichkeit, an einem andern als dem nach Anm. 1 oder 2 zu bestimmenden Orte üblich (Prot. 2757; vgl. den allerdings nur versicherungsrechtlich maßgebenden §30 Abs. 3 ADS) oder haben die Beteiligten einen anderen Ort für die Dispachierung vereinbart (Prot. 2758; 1174
§ 728
Haverei
RGHansGZ Nr. 134 = JW 1902 S. 446), etwa auch für ausgehende Reisen einen Hafen des Heimatlandes, so tritt dieser an die Stelle des im § 727 bestimmten. Ebenso Mittelstein, HB 357. 2. An dem maßgebenden Ort (oben zu 1) findet die Feststellung und Verteilung der Schi- 4 den statt, d. h. die Dispachierung und die Auszahlung der Havariegrossebeiträge. Dieser Ort ist also auch Leistungsort im Sinne von § 269 BGB. Eine andere Art der Feststellung als die Dispache ist (soweit nicht die Parteien sich darüber einigen) nicht gegeben (HansOLG HansGZ 1917 Nr. 57). Eine Klage ohne vorangegangene Dispache ist daher abzuweisen (HansOLG HansGZ 1901 Nr. 84). 3. Die Vorbereitung der Dispache erfolgt vielfach durch sog. Havariekommissare oder Ha- 5 varieagenten (LG Hamburg HansGZ 1880 Nr. 39; HansOLG HansGZ 1890 Nr. 5). Das Honorar für dieselben gehört zu den umzulegenden Kosten (Anm. 75 zu § 706 HGB). Doch ist es den Beteiligten unbenommen, diese Arbeiten durch eine Privatperson vornehmen zu lassen. 4. Das Recht des Dispachierungsorts ist maßgebend für das Verfahren der Regulierung und 6 für die Fragen, welche Schäden Havariegrosse sind und wie der Ausgleich zu erfolgen hat; siehe Anm. 21 vor § 700 HGB. §728 (1) Der Kapitän ist verpflichtet, die Aufmachung der Dispache ohne Verzug zu veranlassen. Handelt er dieser Verpflichtung zuwider, so macht er sich jedem Beteiligten verantwortlich. (2) Wird die Aufmachung der Dispache nicht rechtzeitig veranlaBt, so kann jeder Beteiligte die Aufmachung in Antrag bringen und betreiben. Veranlassung der Aufmachung der Dispache. 1. Dispache ist der Verteilungsplan des Havereischadens (vgl. Anm. 1 ff. zu § 716 HGB; 1 RGZ 147, 58). Sie enthält in der Regel folgende Teile (Muster bei Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 243): a) den auf Grund der Verklarung festgestellten Tatbestand der großen Haverei (indessen ist die Verklarung nicht formelle Voraussetzung des Dispache); b) die Aufstellung der Passivmasse; c) die Aufstellung der Aktivmasse; d) die Ausrechnung des Havariegrosseprozentsatzes sowie der einzelnen Vergütungen und Beiträge. 2. (Abs. 1) Verpflichtet, die Aufmachung der Dispache zu veranlassen, und zwar ohne Ver- 2 zug und am richtigen Orte (§ 727 HGB), ist der Kapitän. Auf Erfüllung dieser Verpflichtung können Kapitän und Reeder verklagt werden (HansOLG HansGZ 1887 Nr. 10; die Verjährung richtet sich nach § 901 Ziff. 3 und beträgt ein Jahr). Auch im Falle der Unterverfrachtung ist (neben dem Kapitän) der Reeder passiv legitimiert (RGZ 89, 285 = DJZ 1917 S. 518 = 1917 S. 393, OLG Hamburg Hansa 1970S. 715). Über den vertragsmäßigen Ausschluß der Dispache vgl. RG a. a. O. und Anm. 34 zu § 700. Die Frage, welche Schäden in Havariegrosse zu dispachieren sind, kann nicht in einem besonderen Rechtsstreit, sondern nur im Dispacheverfahren erörtert werden (HansOLG HansGZ 1917 Nr. 57). Vgl. §§ 144, 149ff. FGG. Kommt der Kapitän seiner Verpflichtung nicht nach, so macht er sich jedem Beteiligten ver- 3 antwortlich. Neben ihm haftet der Reeder nach § 485 HGB (vgl. RG und OLG Hamburg a. a. O.). Bei der Erhebung von Schadensersatzansprüchen wird freilich meist § 254 BGB in Frage kommen, da der Beteiligte selbst nach Abs. 2 vorgehen kann. 3. (Abs. 2) Wird die Aufmachung der Dispache nicht rechtzeitig veranlaBt, so kann jeder 4 Beteiligte (vgl. § 702 HGB Anm. 6) das Verfahren in Antrag bringen und betreiben, selbst oder durch Vertreter (Havariekommissare: Anm. 5 zu § 727 HGB, der durch das Konnossement legitimierte Empfänger als Vertreter des wirklichen Ladungsinteressenten: HansOLG HansGZ 1890 Nr. 10). Doch besteht eine Verpflichtung eines Beteiligten hierzu nicht. Insbesondere kann sich der in Anspruch genommene Reeder nicht darauf berufen, daß der Beteilig1175
§729
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
te die Dispache hätte betreiben sollen (HansOLG HansGZ 1901 Nr. 84; Verklarung kann dagegen der Beteiligte nicht beantragen, sondern nur den Kapitän nach Maßgabe des § 522 Abs. 1 Satz 2 HGB dazu veranlassen. Hat nur einer der Beteiligten das Verfahren in Antrag gebracht, so hat er die Befugnis nicht nur f ü r sich, sondern auch für die übrigen ausgeübt (HansOLG HansGZ 1890 Nr. 5), so daß deren eigene Befugnis zwar nicht erlischt, aber bis auf weiteres (vgl. den Fall der Zurückziehung des Antrags) nicht mehr ausgeübt werden kann. Ein „Inantragbringen" der Aufmachung liegt aber doch nicht, wie das HansOLG HansGZ 1901 Nr. 84 annimmt, in der Beauftragung eines Havariekommissars, also eines privaten Beauftragten, sondern erst in der Inanspruchnahme des Dispacheurs, es sei denn, daß die Beteiligten sich über die Zuziehung einer anderen Person geeinigt haben. Zu den Beteiligten gehört nicht der Versicherer (OLG Kiel SchlHolstAnz 1909 S. 117). §729 (1) Im Gebiete dieses Gesetzbuches wird die Dispache durch die ein für allemal bestellten oder in deren Ermangelung durch die vom Gerichte besonders ernannten Personen (Dispacheure) aufgemacht. (2) Jeder Beteiligte ist verpflichtet, die zur Aufmachung der Dispache erforderlichen Urkunden, soweit er sie zu seiner Verfügung hat, namentlich Chartepartien, Konnossemente und Fakturen, dem Dispacheur mitzuteilen. 1
1. (Abs. 1) Im Gebiet des Handelsgesetzbuches ist die Dispache aufzumachen durch:
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a) Ein für allemal bestellte Dispacheure (average adjuster, dispacheur; vgl. Sebba, Dispache in ausländischer Währung, HansRZ 1923, 355; Hartmann, Verkehrs-Rundschau 1924, 369; Lindeck, Verkehrs-Rundschau 1924, 257). Sie ein für allemal zu bestellen ist Aufgabe der Länder. In Hamburg ist für die Bestellung maßgeblich die VO über die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen vom 17. Oktober 1961 (GVB1. S. 327) mit Änderung vom 9. April 1963 (GVB1. S. 42). Siehe auch das auf Grund des § 12 dieser VO ergangene Regulativ für bestellte und vereidigte Dispacheure vom 25. 10. 1964 (Amtl. Anz. S. 1150). In Bremen erfolgt die Bestellung der Dispacheure durch den Senat nach gutachtlicher Anhörung der Handelskammer. Vgl. LG Stettin HansRGZ 1929 B 115 über Umfang der Haftung des Dispacheurs für Verschulden bei Aufmachung der Dispache gegenüber den Beteiligten. Über die Aufgaben des Dispacheurs nach niederländischem Recht siehe Gerichtshof Den Haag Schip en Schade 1959 S. 256 = Hansa 1960 S. 256.
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In dem Prozeß über die Abänderung einer Dispache ist der Dispacheur, welcher die Dispache aufgemacht hat, kein unbefangener Sachverständiger, da er ein Gutachten über die Richtigkeit seines eigenen Gutachtens abgeben müßte (RG SächsArch. 1907 S. 321). Über seine Ablehnung als Sachverständiger vgl. §§ 406, 42 ZPO. Das Gericht kann in dem Prozeß über die Dispache einer der Parteien die Vorlegung einer abgeänderten Dispache aufgeben. Vgl. HansOLG HansRZ 1920, 35 f.
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b) In deren Ermangelung: vom Gericht besonders ernannte Personen. Zuständig ist nach §§ 145, 149 des F G G das Amtsgericht des Orts, an welchem die Verteilung der Schäden zu erfolgen hat. Doch sind die Gerichte nicht, wie Boyens, Bd. 2 S. 561 anzunehmen scheint, zur generellen Bestellung von Dispacheuren befugt; eine „nach § 729 Abs. 1 vom Gericht zu erledigende Angelegenheit" ist lediglich die Ernennung von Dispacheuren für den einzelnen Fall. 5 c) Im Einverständnis sämtlicher Beteiligten andere Privatpersonen. Vgl. dazu R G HansGZ 1902 Nr. 124. Über die Geltung des § 149 F G G in einem solchen Falle vgl. Anhang zu § 729, § 149 Anm. 6
2. Die in Abs. 2 festgelegte Verpflichtung jedes Beteiligten, die zur Aufmachung der Dispache erforderlichen Urkunden, soweit er sie zu seiner Verfügung hat, dem Dispacheur einzureichen, kann gemäß § 151 FGG erzwungen werden. Sie gilt nur bei Aufmachung der Dispache durch einen amtlichen Dispacheur (oben Anm. 2 u. 4; vgl. Prot. 2759). Außer den vom Gesetz aufgeführten Urkunden gehören hierher z. B. auch Versicherungspolicen. Angaben über den Wert der beitragspflichtigen Güter können berichtigt werden (ROHG 23 Nr. 61). Wird Export1176
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wäre geworfen, so ist in die Dispache nicht der Inlandswert, sondern der Exportwert einzustellen; HansOLG HansRZ 1923, 505. Für Postsendungen ist § 729 Abs. 2 wegen des Postgeheimnisses nicht durchführbar (RGZ 82,417 = HansGZ 1913 Nr. 111). Vgl. auch § 718 Anm. 4.
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Die Auskunftspflicht ist untrennbar von der Vergütungsberechtigung oder der Beitragspflicht. Sie kann sich aus §§ 725, 726 Abs. 2 ergeben (HansOLG HansGZ 1911 Nr. 104 = SeuffA Bd. 66 Nr. 214).
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3. Rechtsvergleichende Bemerkungen. 9 a) In Großbritannien und in den USA gibt es keine amtlich bestellten Dispacheure. Diese sind dort private Sachverständige, die Dispachen Privatgutachten. Ihre gerichtliche Bestätigung ist nicht möglich, nur eine Überprüfung im Streitverfahren. b) In Belgien regelt sich die Bestellung der Dispacheure nach Buch II Titel II Art. 163 f. c. com., in Frankreich nach Art. 5 Dekret Nr. 65 vom 18. 1. 1968. Eine gerichtliche Bestätigung der Dispache ist möglich. Ebenso in Spanien (Art. 865 HGB) und in den Niederlanden (vgl. Art. 724, 741 WcK). c) In den skandinavischen Ländern gibt es amtlich bestellte Dispacheure, indessen keine gerichtlich bestätigten Dispache. Die Dispache kann bei dem Gericht des Ortes, an dem der Dispacheur seinen Sitz hat, angefochten werden. Die Entscheidung des Gerichts ist f ü r alle Beteiligten verbindlich (siehe § 216 norweg. Seegesetz). d) Vgl. f ü r die Ostblockstaaten Oesau, Die große Haverei, S. 69 f. In der DDR sind die Dispacheure im Büro der Dispacheure bei der Kammer für Außenhandel der D D R tätig und werden durch deren Präsidenten berufen. In der UdSSR finden sich in den §§ 246 bis 251 des Seegesetzbuches von 1968 Vorschriften über das Dispacheverfahren. Die Aufmachung der Dispache erfolgt durch die von der Allunionskammer in Moskau bestellten Dispacheure. Der Vorsitzende der Kammer hat f ü r die Aufmachung der Dispache Richtlinien herausgegeben. Für Polen siehe Art. 222 § 4 des Seegesetzes von 1961 und die VO des Ministers für Schiffahrt vom 15. 9. 1966, die Bestellung von Dispacheuren und das Dispacheverfahren betreffend. Danach sind für die Aufmachung der Dispache die Dispacheure in den Büros bei der Kammer für Außenhandel zuständig. In der UdSSR können die Beteiligten gegen die Feststellungen des Dispacheurs Einspruch beim Moskauer Stadtgericht erheben (§ 249 Seegesetz von 1968). Eine ähnliche Regelung besteht in Polen (vgl. §§ 13, 18, 19 VO des Ministers der Schiffahrt vom 15. 9. 1966). Anhang zu § 729 Formelles Dispacherecht Dasselbe ist in den §§ 145 ff. des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthalten. Dieselben lauten: § 145 Die Amtsgerichte sind zuständig für die nach § 729 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs vom Gericht zu erledigenden Angelegenheiten. Ist die Führung des Handelsregisters für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen worden, so gehören zur Zuständigkeit dieses Amtsgerichts auch die im Abs. 1 bezeichneten Angelegenheiten, mit Ausnahme derjenigen Geschäfte, welche den Gerichten nach § 729 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs obliegen. § 145 regelt u. a. die Zuständigkeit der Amtsgerichte in sachlicher Hinsicht für die Ernen- 1 nung eines Dispacheurs, wenn es an einem amtlich und generell bestellten Dispacheur fehlt. Vgl. § 729 Abs. 1 HGB. Siehe wegen der örtlichen Zuständigkeit § 149 FFG. §146 Soweit in den im § 145 bezeichneten Angelegenheiten ein Gegner des Antragstellers vorhanden ist, hat ihn das Gericht wenn tunlich zu hören. 1177
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Gegen die Verfügung, durch welche über den Antrag entschieden wird, findet die sofortige Beschwerde statt Eine Anfechtung der Verfügung, durch welche einem nach § 729 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs gestellten Antrage stattgegeben wird, ist ausgeschlossen. § 149 Für die Verrichtungen, welche den Gerichten in Ansehung der nach dem Handelsgesetzbuch oder nach dem Gesetze, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, aufzumachenden Dispache obliegen, ist das Amtsgericht des Ortes zuständig, an welchem die Verteilung der Havereischäden zu erfolgen hat. 1
§ 149 bezieht sich auch auf Dispachen, welche nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen, sondern nach vereinbarten Regeln aufgestellt sind (Mittelstein, HB 359 Note 22; Prüssmann, Anh. § 729 H G B § 149 FF; LG Lübeck HansRGZ 1935 B 359 und OLG Bremen Hansa 1963 S. 1143 = MDR 1964 S. 60 für eine Dispache nach den YAR). R G HansGZ 1902 Nr. 134 nimmt zu dieser Frage nicht Stellung. Wenn es ausführt, daß die durch Privatpersonen aufgemachte Dispache der Dispacheur-Dispache unter Umständen gleichzustellen ist, so bezieht sich das nach dem Zusammenhange nur auf das Verhältnis der Beteiligten zueinander, nicht auch auf die verfahrensrechtliche Frage nach der Anwendbarkeit des § 149. §150 Lehnt der Dispacheur den Auftrag eines Beteiligten zur Aufmachung der Dispache aus dem Grunde ab,weil ein Fall der großen Haverei nicht vorliege, so entscheidet über die Verpflichtung des Dispacheurs auf Antrag des Beteiligten das Gericht. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt.
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1. Siehe über die Beschwerde eines Dispacheurs L G Hamburg Hansa 1960 S. 1798. 2. Die Entscheidung des Gerichts bindet, soweit sie sich bereits über die materiellen Streitfragen unter den Havariegrosseinteressenten ausspricht, den Dispacheur nicht (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 117; siehe auch LG Hamburg HansGZ 1901 Nr. 21).
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3. Auch durch die endgültige Entscheidung, daß der Dispacheur zur Aufmachung der Dispache nicht verpflichtet sei, wird dem Rechte jedes Beteiligten, seine Ansprüche gegen die übrigen im Prozeßwege zu verfolgen, nicht vorgegriffen. Im Laufe eines solchen Rechtsstreits kann immer noch die Aufmachung einer Dispache angeordnet werden. Insbesondere kann das Prozeßgericht auch über die Frage, ob ein Fall der Havereigrosse vorliegt und welche Aufwendungen und Schäden in die Dispache aufzunehmen sind, entscheiden. § 150 F G G greift dem ordentlichen Gericht nicht vor (OLG Hamburg Recht Bd. 4 S. 496). 4 4. Über die sog. „salvo-jure"-Dispache, deren Zulässigkeit nach gegenwärtigem Recht nicht mehr anzuerkennen ist (ebenso Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. I S. 229), siehe HansOLG HansGZ 1881 Nr. 108; OLG Rechtspr 10 Nr. 25f.; HansGZ 1905 Nr. 54. Durch den Zusatz „salvo jure" oder wie in England „for the consideration of the underwriters" bringt der Dispacheur in der Dispache seine Zweifel hinsichtlich des Tatbestandes oder der rechtlichen Voraussetzungen zum Ausdruck und überläßt es den Beteiligten, ob sie die Dispache anerkennen wollen oder nicht. In der oben angeführten Entscheidung des HansOLG HansGZ 1881 Nr. 108, heißt es: „Dieses Wort (d. h. „salvo jure") hat keinen anderen Zweck und keine andere Bedeutung (da j a ohnehin die Dispache den Rechten der Parteien nicht präjudizieren kann), als auszudrücken, daß nach Ansicht des Dispacheurs aus den ihm vorgelegten Belegen der Anspruch des Versicherten nicht oder nicht hinlänglich begründet erscheint." Siehe Ulrich-Brüders-Hochgräber, a. a. O. und Prüssmann, § 150 F G G Anm. B. §151 Auf Antrag des Dispacheurs kann das Gericht einem Beteiligten unter Androhung von Ordnungsstrafen aufgeben, dem Dispacheur die in seinem Besitze befindlichen Schriftstücke, zu deren Mitteilung er gesetzlich verpflichtet ist, auszuhändigen. 1178
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Der Dispacheur braucht nicht bei jedem Antrage dem Gericht die Voraussetzungen der gro- 1 Ben Haverei nachzuweisen (KG OLGRechtspr. 12 Nr. 10). Zu den „Beteiligten" im Sinne der §§ 151 ff. können nur Havereibeteiligte gehören, nicht 2 dagegen Assekuradeure (KG KGJ Bd. 29 A 228; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 1 S. 229 Anm. ; Prüssmann, § 151 F G G Anm.; Boyens, Bd. 2 S. 558; vgl. dazu KG OLGRechtspr. 12 Nr. 10; SchlHolstAnz. 1909 S. 117; EE Bd. 32 S. 300). Vgl. indessen auch Anm. 1 zu § 153 FGG. §152 Der Dispacheur ist verpflichtet, jedem Beteiligten Einsicht in die Dispache zu gewähren und ihm auf Verlangen eine Abschrift gegen Erstattung der Kosten zu erteilen. Das gleiche gilt, wenn die Dispache nach dem Gesetze, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, von dem Schiffer aufgemacht worden ist, für diesen. §153 Jeder Beteiligte ist befugt, bei dem Gericht eine Verhandlung über die von dem Dispacheur aufgemachte Dispache zu beantragen. In dem Antrage sind diejenigen Beteiligten zu bezeichnen, welche zu dem Verfahren zugezogen werden sollen. Wird ein Antrag auf gerichtliche Verhandlung gestellt, so hat das Gericht die Dispache und deren Unterlagen von dem Dispacheur einzuziehen und, wenn nicht offensichtlich die Voraussetzungen der großen Haverei fehlen, den Antragsteller sowie die von ihm bezeichneten Beteiligten zu einem Termine zu laden. Mehrere Anträge können von dem Gerichte zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung verbunden werden. Die Ladung muß den Hinweis darauf enthalten, daß, wenn der Geladene weder in dem Termin erscheine noch vorher Widerspruch gegen die Dispache bei dem Gericht anmelde, sein Einverständnis mit der Dispache angenommen werden würde. In der Ladung ist zu bemerken, daß die Dispache und deren Unterlagen auf der Geschäftsstelle eingesehen werden können. Die Frist zwischen der Ladung und dem Termine muß wenigstens zwei Wochen betragen. Der Versicherer eines Schiffes hat die Befugnis nach Abs. 1 Satz 1 nur dann, wenn ihm, 1 trotzdem er an sich nicht Beteiligter ist, in der Dispache eine Beitragspflicht auferlegt worden ist. Im Sinne des § 153 ist jeder, durch die Dispache direkt und ausdrücklich, wenn auch materiell zu Unrecht Herangezogene, als „Beteiligter" anzusehen (KG KGJ 1915, 115). Doch ist nicht antragsberechtigt ein Nichtbeteiligter der großen Haverei, auf dessen Veranlassung zu Unrecht eine Dispache aufgemacht ist, z. B. ein Berger (BGHZ 29, 223). Eine nachträgliche Abänderung der Dispache durch den Dispacheur selbst ist, soweit es sich 2 nicht um die Berichtigung von Rechenfehlern oder dgl. handelt, unzulässig (HansOLG OLGRechtspr. 6 Nr. 56 a). Fehlen offensichtlich die Voraussetzungen der großen Haverei, so ist der Antrag auf ge- 3 richtliche Verhandlung abzuweisen. Gegen diese Entscheidung findet nach § 157 sofortige Beschwerde statt. Vgl. HansOLG VerkRsch. 1925 S. 436: Die Exterritorialität der finnischen Staatsbahnen hindert ein gerichtliches Dispacheverfahren nach §§ 153 ff. FGG. §154 Erachtet das Gericht eine Vervollständigung der Unterlagen der Dispache für notwendig, so hat es die Beibringung der erforderlichen Belege anzuordnen. Die Vorschriften des § 151 finden entsprechende Anwendung. §155 In dem Termin ist mit den Erschienenen über die Dispache zu verhandeln. Wird ein Widerspruch gegen die Dispache nicht erhoben und ist ein solcher auch vorher 1179
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nicht angemeldet, so hat das Gericht die Dispache gegenüber den an dem Verfahren Beteiligten zu bestätigen. Liegt ein Widerspruch vor, so haben sich die Beteiligten, deren Rechte durch ihn betroffen werden, zu erklären. Wird der Widerspruch als begründet anerkannt oder kommt anderweit eine Einigung zustande, so ist der Dispache demgemäß zu berichtigen. Erledigt sich der Widerspruch nicht, so ist die Dispache insoweit zu bestätigen, als sie durch den Widerspruch nicht berührt wird. Werden durch den Widerspruch die Rechte eines in dem Termine nicht erschienenen Beteiligten betroffen, so wird angenommen, daß dieser den Widerspruch nicht als begründet anerkenne. 1
Nach § 12 FGG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen.
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Ein Beschluß, in dem das Amtsgericht im Dispacheverfahren einen Beteiligten zur Zahlung des Bergelohns an den Berger verurteilt, ist nichtig. Die Nichtigkeit kann im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden. Vgl. BGHZ 29, 223 = MDR 1959 S. 278 = NJW 1959 S. 723 = ZfBsch. 1959 S. 88 = BB 1959 S. 253 = VersR 1959 S. 223 = Hansa 1959 S. 1256. Der Berger als Nichtbeteiligter ist nicht befugt, die Aufstellung der Dispache durch den Dispacheur zu veranlassen oder bei dem Amtsgericht eine Verhandlung über die Dispache zu beantragen. Das Dispachegericht ist nicht zu einer Entscheidung, sondern nur zum Versuch einer Einigung berufen (HansOLG HansRGZ 1931 B Nr. 212).
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Das Bestätigungsverfahren nach §§ 153 ff. FGG umfaßt nur diejenigen Beteiligten, welche nach dem Antrag „zugezogen werden sollen", nicht aber andere, auch wenn sie materiell an der Dispache interessiert sind (HansOZG HansRGZ 1930 B 726).
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Dem Widerspruch gegen die Dispache sind in §§ 155, 156 FGG irgendwelche einschränkende Bestimmungen nicht beigefügt (RGZ 3, 17; 147, 58). Doch kann sich eine solche daraus ergeben, daß die Parteien die Schätzungen, welche die Dispache zur Grundlage ihrer Berechnungen nimmt, nicht oder doch nur unter bestimmten Voraussetzungen angreifen (siehe dazu im einzelnen RGZ 147, 58).
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Über Dispachewiderspruch wegen Höhe des Bergelohns siehe Hansa 1930 S. 1148 und 1187, über einen solchen wegen Umlegung von Bodenschäden bei unfrewilligen Strandungen OLG Hamburg Hansa 1932 S. 275, über einen solchen, wenn verschiedene, nacheinander beauftragte Unternehmer sich der Rettung von Schiff und Ladung angenommen haben, HansOLG Hansa 1941 S. 1067, über einen solchen wegen nicht gehöriger Ausrüstung des Schiffes RG Hansa 1930 S. 1773.
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Soweit nach Verhandlung über einen Widerspruch eine — teilweise - Dispachebestätigung nicht erfolgt ist, können weitere Widersprüche noch nachträglich erhoben werden (HansOLG HansRGZ 1931 B 659 ff.). §156 Soweit ein Widerspruch nicht gemäß § 155 Abs. 3 erledigt wird, hat ihn der Widersprechende durch Erhebung der Klage gegen diejenigen an dem Verfahren Beteiligten, deren Rechte durch den Widerspruch betroffen werden, zu verfolgen. Die das Verteilungsverfahren betreffenden Vorschriften der §§ 878, 879 der Zivilprozeßordnung finden mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß das Gericht einem Beteiligten auf seinen Antrag, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden, die Frist zur Erhebung der Klage verlängern kann und daß an die Stelle der Ausführung des Verteilungsplanes die Bestätigung der Dispache tritt. Ist der Widerspruch durch rechtskräftiges Urteil oder in anderer Weise erledigt, so wird die Dispache bestätigt, nachdem sie erforderlichenfalls von dem Amtsgerichte nach Maßgabe der Erledigung der Einwendungen berichtigt ist.
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Die Kosten des gerichtlichen Bestätigungsverfahrens fallen nicht unter § 706 Nr. 7 HGB (Anm. 71 zu § 706). 1180
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Haverei §157
Gegen die Verfügung, durch welche ein nach § 153 gestellter Antrag auf gerichtliche Verhandlung zurückgewiesen oder über die Bestätigung der Dispache entschieden wird, findet die sofortige Beschwerde statt. Einwendungen gegen die Dispache, welche mittels Widerspruchs geltend zu machen sind, können nicht im Wege der Beschwerde geltend gemacht werden. §158 Die Bestätigung der Dispache ist nur für das gegenseitige Verhältnis der an dem Verfahren Beteiligten wirksam. Aus der rechtskräftig bestätigten Dispache findet die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt. Für Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel sowie für Klagen, durch welche Einwendungen gegen die in der Dispache festgestellten Ansprüche geltend gemacht werden oder die bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als eingetreten angenommene Rechtsnachfolge bestritten wird, ist das Amtsgericht zuständig, welches die Dispache bestätigt hat. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte, so sind die Klagen bei dem zuständigen Landgerichte zu erheben. Betreffs der Zulässigkeit von Klagen nach Abs. 3 gilt, wie Abs. 2 zeigt, § 767 ZPO (anders 1 Boyens, Bd. 2 S. 560 und OLG Rostock MecklZ Bd. 22 S. 8 ff.). (Hier Fortsetzung HGB) §730 Für die von dem Schiffe zu leistenden Beiträge ist den Ladungsbeteiligten Sicherheit zu bestellen, bevor das Schiff den Hafen verlassen darf, in welchem nach § 727 die Feststellung und Verteilung der Schäden zu erfolgen hat. Sicherheitsbestellung für die vom Schiffe zu leistenden Beiträge. 1. Nach §§ 726 Abs. 1, 755 HGB haben die Vergütungsberechtigten wegen der Beiträge des 1 Schiffes und der im Risiko des Verfrachters stehenden Fracht (Anm. 3 zu § 725 HGB) ein gesetzliches Pfandrecht an Schiff und Zubehör. Die Ausübung desselben würde illusorisch oder mindestens erschwert werden, wenn es dem Schiff freistände, den Dispachehafen ohne weiteres zu verlassen. Das Gesetz schreibt deshalb vor, daß für die vom Schiffe zu leistenden Beiträge den Ladungsbeteiligten vor der Weiterfahrt des Schiffes aus dem Dispachehafen Sicherheit zu bestellen ist. Dies gilt, gleichviel, ob die Dispache bereits aufgemacht ist oder nicht. Wie die Sicherheit zu bestellen ist, bestimmen die §§ 232 ff. BGB. Daß es geschieht, dafür hat der Kapitän zu sorgen, und zwar auch ohne daß die Ladungsbeteiligten es verlangen: denn er ist deren gesetzlich Bevollmächtigter (Anm. 8 zu § 535 HGB). Für die Außerachtlassung dieser Pflicht haftet er nach §§ 511, 512 HGB. Die Kosten der Sicherheitsleistung hat der Reeder zu tragen. Ob der Einschuß des Beitragspflichtigen bei großer Haverei als Sicherheitsleistung oder als Teilzahlung anzusehen ist, hängt von den Umständen des Falles ab (RGZ 114, 283 = JW 1927 S. 181). Ein internationaler Brauch, nach dem die Reederei mit dem gestellten Depot zur großen Haverei nach Gutdünken verfahren kann, besteht nicht (RG DJZ 1925, 185 = VerkRdsch. 1925, 101 = RGZ 108, 304 = HansRZ 1924, 746). Erfolgt die Unterlassung der Sicherheitsbestellung auf Veranlassung des über den Sachver- 2 halt unterrichteten Reeders, so haftet dieser nach § 512 Abs. 3 HGB persönlich (Pappenheim, HB 2 S. 382; Mittelstein, HB 326). Bei zusammengesetzten Reisen kann jeder Ladungsteil, für den die Reise endet, im Ausla- 3 dungshafen Sicherheit für seine Vergütungsansprüche beanspruchen, wie er sie auch für seine Beiträge leisten muß (Anm. 1 zu § 727; anders Boyens, Bd. 2 S. 562). 1181
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2. Erfolgt die Sicherheitsleistung nicht, so können die Vergütungsberechtigten gemäß §§ 916 ff. ZPO Arrest in das Schiff ausbringen. Die Bestimmung des § 482 HGB über die Unzulässigkeit der Vollziehung des Arrestes findet auch in dem vorliegenden Fall Anwendung. §731 (1) Der Kapitän darf Güter, auf denen Havereibeiträge haften, vor der Berichtigung oder Sicherstellung der letzteren (§ 615) nicht ausliefern. (2) Das an den beitragspflichtigen Gütern den Vergütungsberechtigten zustehende Pfandrecht wird für diese durch den Verfrachter ausgeübt Die Geltendmachung des Pfandrechts durch den Verfrachter erfolgt nach Maßgabe der Vorschriften, die für das Pfandrecht des Verfrachters wegen der Fracht und der Auslagen gelten.
Einleitung Ausübung des Pfandrechts wegen der von der Ladung zu leistenden Beiträge. Verantwortlichkeit des Kapitäns. Die Bestimmung i. d. F. des Art. 1 Ziff. 35 SRÄG. Die Bestimmung ist durch das SRÄG vereinfacht worden. Nachdem der Eigentümer der Ladung stets persönlich für die von dieser zu entrichtenden Havereibeiträge haftet, bedarf es nicht mehr wie früher einer primären Verbindlichkeit des Kapitäns. Es genügt, daß dieser durch die Auslieferung schadensersatzpflichtig wird, was sich aus §§ 511, 512 HGB ergibt. 1 1. Nach § 725 Abs. 2 HGB haben die Vergütungsberechtigten wegen der Beiträge an den einzelnen GUtern ein gesetzliches Pfandrecht. Dieses würde bedeutungslos sein, wenn die Auslieferung der Güter ohne Berichtigung oder Sicherstellung (§§ 232 ff. BGB) der Beiträge statthaft wäre (maßgebend für den Betrag des zu Hinterlegenden sind die verlangten Beiträge, da ihre endgültige Höhe noch nicht feststeht; vgl. Mittelstein, HB 363); denn mit dem Eigentumserwerb jedes gutgläubigen Dritten würde das Pfandrecht erlöschen. Daher das Zurückbehaltungsrecht des Verfrachters an den Gütern bis zur Zahlung oder Sicherstellung (diese erfolgt auf Kosten der betreffenden Ladungsbeteiligten) der darauf haftenden Beiträge zur großen Haverei (Anm. 1 zu § 615 HGB) und die dasselbe ergänzende Zurückbehaltungspflicht des Kapitäns (Anm. 3 ff. zu § 615 HGB). Über die aus der Versäumung dieser Pflicht ergebenden Rechtsfolgen siehe Anm. 4 ff. zu § 615 HGB. Eine Vermutung, daß der Gläubiger seine volle Befriedigung hätte finden können, ist nicht aufgestellt. Neben der zu § 615 HGB geschilderten Haftung von Kapitän und Reeder, welche regelmäßig eine nur im Wege der Dispache zu gewinnende tatsächliche Begründung voraussetzt (vgl. HansOLG HansGZ 1887 Nr. 107 bleibt die Haftung der Güter (§ 726 Abs. 2 HGB) und des Eigentümers (§§ 725 Abs. 1, 3 HGB) bestehen. Die Hinterlegung erfolgt auf Kosten des Empfängers (Mittelstein, HB S. 363). Siehe über einen Verstoß des Kapitäns gegen die Verpflichtung, die Güter, auf denen Havereibeiträge lasten, vor der Entrichtung oder Sicherstellung dieser Beiträge nicht auszuliefern, OLG Hamburg Hansa 1970 S. 715. 2
Der Kapitän ist nicht nur berechtigt, die Herausgabe der Ware zu verweigern, sondern er darf sie auch beschlagnahmen lassen, um die Zahlung der Havereibeiträge sicherzustellen (RGZ 89, 46). Gewöhnlich jedoch erfolgt die Sicherheitsleistung durch die Garantieübernahme seitens einer Bank, einer Versicherungsgesellschaft oder eines sonstigen solventen Kaufmannes (vgl. HansOLG HansRZ 1926, 16). Eine solche Garantie für Havereibeiträge mit dem Zweck, die Auslieferung der Güter zu erreichen, verpflichtet noch nicht zur Bezahlung von Aufwendungen, auf Grund deren ein Dritter die Güter anläßlich der Haverei zurückbehält, selbst wenn diese Aufwendungen in Havereigrosse gehen (RG LZ 1917, 262). Vgl. über den Havariebond eines Versicherers, in der er sich verpflichtet, die auf die Ladung entfallenden Beiträge zur großen Haverei nach der aufzumachenden Dispache zu leisten „unter Zugrundelegung der Policebedingungen" HansOLG HansRZ 1926, 16: Die Haftung aus diesem Schein erstreckt sich nicht weiter, als dies nach der Police der Fall sein würde. Siehe auch § 725 Anm. 8. Bei Containerverschiffung ist die Sicherheit vom Ladungsbeteiligten zu stellen, wenn über den Container mit Ladung ein Konnossement ausgestellt ist; anders, wenn im Frachtvertrag nur die Güter näher bezeichnet sind und der Container nicht Gegenstand des Frachtvertrages ist, weil er vom Verfrachter oder in dessen Auftrag zur Verfügung gestellt wurde. 1182
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2. Das Pfandrecht an den Gütern, über dessen Tragweite § 726 Abs. 2 H G B bestimmt, wird für die Vergütungsberechtigten durch den Verfrachter ausgeübt. Das heißt:
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a) Ausübung des Pfandrechts schließt in sich dessen gerichtliche Geltendmachung, sowie Empfangnahme der Beiträge und Entgegennahme etwaiger Sicherstellung, nicht dagegen Verzicht auf den Anspruch oder Vergleich über denselben ; b) der Ausübende ist der Verfrachter und in seiner Vertretung der Kapitän (vgl. Prot. 2703; 4 Brandis, Bd. 2 S. 112 leugnet die Vertretungsmacht des Kapitäns, soweit nicht der Reeder gleichzeitig Verfrachter ist; Schlegelberger, Anm. 2 zu § 731 meint, zum mindesten müsse der Kapitän zur Vermeidung seiner Haftung aus §§ 511, 512, 535 H G B als Geschäftsführer ohne Auftrag f ü r den Verfrachter tätig werden können), nach der Auslieferung des Gutes — vorher unter keinen Umständen (Boyens, Bd. 2 S. 563; Pappenheim, HB 2 S. 367; Sieveking, 398; anders Heck, a. a. O. 463) — der Vergütungsberechtigte selbst (Boyens, a. a. O.). Streitig ist, ob nach der Auslieferung des Gutes die Vertretungsmacht des Verfrachters (und 5 Kapitäns) fortbesteht. Dafür Mittelstein, HB 361 ; Boyens, a. a. O.; Prüssmann, § 732 Anm. 2 b; dagegen mit Recht Pappenheim, HB 2 S. 367 f.; Brandis, Bd. 2 S. 112; Sieveking, 399; Schlegelberger, a. a. O.. Über die Frage, wie sich der Kapitän zu verhalten hat, wenn er als Vertreter des einen Ha- 6 vereigrosseinteressenten gegen den anderen, dessen Vertreter er nach dem Gesetz gleichfalls ist, vorgehen muß, s. Anm. 26 (am Ende) zu § 535 HGB. 3. Die Geltendmachung des Pfandrechts durch den Verfrachter, die unter Umständen z. B. 7 um ein Erlöschen des Pfandrechts nach einem Jahr nach § 726 a Abs. 3 H G B zu vermeiden, schon vor der Dispachierung stattfinden m u ß (vgl. R O H G 13, 410), erfolgt nach MaBgabe der Vorschriften, die für das Pfandrecht des Verfrachters wegen der Fracht und der Auslagen gelten (s. die Ausführungen zu § 623 HGB). Hiermit hat aber nicht die Bestimmung des § 623 Abs. 2 über die Dauer des Pfandrechts (30 Tage nach der Ablieferung) übernommen werden sollen. Vielmehr dauert das Havereipfandrecht, vorbehaltlich der Ausführungen in Anm. 3 zu § 726 a H G B über die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, bis zum Erlöschen der einjährigen Frist des § 726 a Abs. 3 HGB fort. Macht der Vergütungsberechtigte selbst das Pfandrecht geltend (oben Anm. 4), so kann er 8 dies nicht auf dem Wege des § 623 tun; vielmehr bedarf es dazu einer Pfandklage (Boyens, Bd. 2 S. 563; Pappenheim, HB 2 S. 368). §732 (1) Hat der Kapitän zur Fortsetzung der Reise, jedoch zum Zwecke einer nicht zur großen Haverei gehörenden Aufwendung, über einen Teil der Ladung durch Veräußerung, Verpfändung oder Verwendung verfügt, so ist der Verlust, den ein Ladungsbeteiligter dadurch erleidet, daß er wegen seines Ersatzanspruchs (§§ 540, 541) keine Befriedigung finden kann, von sämtlichen Ladungsbeteiligten nach den Grundsätzen der großen Haverei zu tragen. (2) Bei der Ermittlung des Verlustes ist im Verhältnis zu den Ladungsbeteiligten in allen Fällen, namentlich auch im Falle des § 541 Abs. 2 Satz 2, die im § 711 bezeichnete Vergütung maßgebend. Mit dem Werte, durch welchen diese Vergütung bestimmt wird, tragen die verkauften Güter auch zu einer etwa eintretenden großen Haverei bei (§ 718). Schrifttum: Kreutziger, Short of Bunkers, VersR 1963 S. 397; ders., Regel E und F YAR 1950, Die Kommandobrücke 1963 S. 151. Einleitung Uneigentliche große Haverei. Der großen Haverei stellt das Gesetz in gewissem Umfange gleich die Fälle des § 635 H G B (siehe die Erläuterungen dazu) und den Fall des § 732. Vgl. dazu auch Pappenheim, HB 2 S. 232; Brandis, Bd. 2 S. 113; Sieveking, 133 ff. § 732 Abs. 1 i. d. F. des Art. 1 Ziff. 36 SRÄG. Die Bestimmung ist an den Wegfall der Bodmerei und an die Änderung der früheren §§ 540, 541 HGB angepaßt worden. Obwohl nach der jetzigen Fassung des § 541 HGB stets 1183
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
eine persönliche Schadensersatzpflicht des Reeders besteht, für welche die Haftung nicht beschränkt werden kann, ist der betroffene Ladungsgläubiger auch jetzt noch berechtigt, die anderen Reisebeteiligten an einem Schaden zu beteiligen, der ihm dadurch entsteht, daß der Anspruch gegen den Reeder nicht durchgesetzt werden kann. 1
1. Die Verfügung über Ladungsteile durch Veräußerung, Verpfändung oder Verwendung im Falle des § 540 HGB wird als ein für Rechnung des Reeders abgeschlossenes Kreditgeschäft angesehen (§ 541 HGB). Der Reeder muß die fraglichen Güter nach Maßgabe von § 658 H G B ersetzen.
2
Der Ausfall wird nach § 732 unter sämtliche Ladungsbeteiligten nach den Grundsätzen der großen Haverei verteilt. Die übrigen Ladungsbeteiligten sind also gleichsam die Garanten des Ersatzanspruchs, aber nur nach Maßgabe der Bestimmungen über die große Haverei, also ohne Solidarhaftung (Prot. 2698). Während aber der Reeder nach § 541 Abs. 2 HGB, falls für veräußerte Güter mehr als der in § 658 HGB bezeichnete Preis erzielt worden ist, den Reinerlös ersetzen muß, kommt im Verhältnis der Ladungsbeteiligten bei der Ermittlung des Verlustes stets nur die in § 711 HGB bezeichnete Vergütung in Betracht (Abs. 2 Satz I).
3
(Abs. 2 Satz 2). Die Vergütung für veräußerte oder verwendete Güter ist in späteren Havariegrossefällen beitragspflichtig. Dies ergibt sich aus dem Prinzip des § 718 Nr. 2 HGB. §733 Die in den Fällen der §§ 635, 732 zu entrichtenden Beiträge und eintretenden Vergütungen stehen in allen rechtlichen Beziehungen den Beiträgen und Vergütungen in den Fällen der großen Haverei gleich.
1
Gleichstellung der Beiträge und Vergütungen in den Fällen der uneigentlichen großen Haverei mit denjenigen in den Fällen der eigentlichen Havariegrosse. Insbesondere haften den Vergütungsberechtigten nicht etwa die übrigen Ladungsbeteiligten solidarisch (Prot. 2698).
2
Eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 733 ergibt sich daraus, daß die Beiträge aus dem Verfahren der §§ 732, 733 HGB kein Schiffsgläubigerrecht nach § 754 Abs. 1 Ziff. 4 gewähren. Vgl. Pappenheim, HB 2 S. 211 Note 2. - Über die Anwendbarkeit des § 733 auf die Kosten, welche durch Anlaufen eines Nothafens wegen Kriegsgefahr entstehen, vgl. Jahrb. für Verkehrswissensch. 1917/18 Sonderheft 11.
Anhang I zum ersten Titel des siebenten Abschnitts York-Antwerp-Rules 1974 I.
Vorbemerkung
Schrifttum: Arnould, On the Law of Marine Insurance and average, 1924; Audouin, Gervais und Lieury, Les règles d'York et d'Anvers 1924, Revue Dor 1924 S. 1 ff., 616ff., 1925 S. 1 ff.; Berlingieri, Le regole di York e di Anversa 1924, 2. Ausgabe 1926; Boizaert und Manzitti, Les règles d'York et d'Anvers 1950 (1951); Buglas, General Average and the York-Antwerp-Rules 1950, American Law and Practice, 1959; Bousquet, Commentaire pratique des règles d'York et d'Anvers et la règle d'Anvers, 1903; v. Brevem, Die Hamburger Konferenz des Comité Maritime International, Hansa 1974 S. 1149; Congdon, General Average Principles and Practise in the United States of America, 2. Aufl. 1923; Dover, General Average and the York-AntwerpRules 1950; Felde, Avarie commune et Règles d'York et d'Anvers 1950 (1957); Govare, Avarie communes, Règles d'York et d'Anvers 1924 (1925); ders., Les règles d'York et d'Anvers, D M F 1950 S. 3 ff.; Heck, Recht der großen Haverei, S. 77ff.; Heuer, Das Verhältnis der York-Antwerpener Regeln zu den Landesrechten, HansRGZ 1928 A 568; Hochgräber, Das Verhältnis der York-Antwerpener Regeln 1924 zu den Landesrechten, ZVersWes., 1928 S. 1093; Kretzler, 1184
York-Antwerp-Rules 1974
Anh I § 733
York-Antwerp-Rules von 1924 (1925); Kreutziger, VersR 1961 S. 776; ders., Short of Bunkers, VersR 1963 S. 397; ders., Regel E u n d F Y A R 1950, Die K o m m a n d o b r ü c k e 1963 S. 151 ; ders., Z u r Regel XII Y A R 1950 VersR 1963 S. 124; ders., W a n n sind nach den Y A R 1950 Explosionsschäden bei e i n e m Schiffsbrand Havariegrosseschäden? VersR 1964 S. 563; Lagemann, York-Antwerp-Rules von 1924 (1925); Lewis, Z H R Bd. 34 S. 491 ; Lowndes und Rudolf, T h e Law of G e n e r a l Average and the York-Antwerp-Rules 10. Aufl. 1975 von Donaldson, Staughton and Wilson (British-Shipping Laws Bd. 7); Lureau, La délimination de la dépense substituée, D M F 1951 S. 3; ders., U n e extension a n o r m a l e de l'avarie c o m m u n e , la clause de non-séparation, D M F 1963 S. 515; ders., De l'influence des fluctuations de change sur le règlement de l'avarie c o m m u n e , D M F 1974 S. 131 ff.; Manca, International Maritime Law, Bd. 3 S. 7 ff.; Mico, Tratado de la averia C o m m i n , Barcelona 1926 S. 350 bis 412; Oesau, Die große Haverei, D D R 1974; Pagniez, Les règles de York et d'Anvers sur les avaries c o m m u n e s dans leur rapports avec les principes de droit français et la jurisprudence, 1909; Paranthou, Des excès de la clause de non-séparation, D M F 1975 S. 707ff.; Pierron, Les frais de déchargement et l'avarie c o m m u n e , 1962; ders., Convention de non-séparation, DMF 1970 S. 195; ders., Avarie c o m m u ne: vers u n e r e f o r m e des régies d'York et d'Anvers 1950, D M F 1971 S. 452; ders., Le compromis d'avarie c o m m u n e , D M F 1976 S. 579; Pierron u n d Parenthou, Les nouvelles Règles d'York et d'Anvers, D M F 1974 S. 325; Pineus, Règles d'York et d'Anvers 1950, Propos de l'interprétation de Règles A —F, X a et X d, D M F 1963 S. 579; ders., La voiture automobile transportée et l'avarie c o m m u n e , D M F 1965 S. 13 ff.; Plön-Kreutziger, Das Recht der großen Haverei, Bd. I, 1965; Rey, Corrélation entre les Règles précédées de lettre et celles numérotées des Règles d'York et d'Anvers. D M F 1965 S. 4 6 7 f f . : ders., La règle „D" d'York et d'Anvers et l'innavigabilité du navire, D M F 1971 S. 387 ff.; Rudolf, T h e York-Antwerp-Rules. Their history and development: with C o m m e n t s on the Rules of 1924 (1926); Rodière, Traité, Evénement de m e r , L'avarie c o m m u n e , S. 283ff.; 1972; Schaub, Les règles d'York et d'Anvers 1924 sur l'avarie c o m m u n e , 1933; Shih, General Average as viewed f r o m the York-Antwerp-Rules, 1950, Chengshi Law Review, Juni 1973, Bd. 8; Schulze-Schmidt, York-Antwerpener Regeln 1924 und Landesrechte, H a n s R G Z 1928 A 711 ; ders., SchiffJ 1926 S. 233 \ Selmer, Arkiv for sjerett, Bd. 2 und Bd. 4; Sieveking, Das Verhältnis der Y o r k - A n t w e r p e n e r Regeln 1924 zu den Landesrechten, H a n s R G Z 1928 A 649 ; Smeesters und Winkelmolen, Bd. 11 Nr. 817 ff. ; Ulrich-BrüdersHochgräber, G r o ß e Haverei, 3. Aufl., Bd. 2, 1930, S. 108 ff.; Warst, Regel I tot en met XII v a n de York-Antwerp-Rules 1924 (1929); Wüstendörfer, S H R 375. Siehe auch die Schrifttumsangaben vor § 700 H G B . 1. Entstehungsgeschichte des YAR. Vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 2 S. 408, S. 108. D i e 1 nationalen Seerechte kennen zwar alle das Institut der großen Haverei. Die in i h m enthaltenen N o r m e n weichen aber im einzelnen nicht u n e r h e b l i c h v o n e i n a n d e r ab. Es k o m m t hinzu, daß zwar vielfach bezüglich des a n z u w e n d e n d e n Rechtes an das Recht des Ortes der amtlichen S c h a d e n s a u f m a c h u n g a n g e k n ü p f t wird, d a ß dies jedoch nicht schlechthin unbestritten ist, d a ß insbesondere teilweise auch d e m Recht der Flagge der Vorzug gegeben wird. Es ist deshalb verständlich, d a ß sich schon im vorigen J a h r h u n d e r t Bestrebungen zeigten, die nationalen Rechte der großen Haverei e i n a n d e r anzugleichen. D e r Entwurf eines internationalen A b k o m m e n s ü b e r die große Haverei war vor dem ersten Weltkriege fertiggestellt. Indessen ist es zu e i n e m derartigen Ü b e r e i n k o m m e n nicht g e k o m m e n . Statt dessen hat sich auf d e m G e biet des Havereirechts der Weg der privatrechtlichen vertraglichen V e r e i n b a r u n g als a u ß e r o r dentlich f r u c h t b a r erwiesen. Bereits im F r ü h j a h r 1860 richtete die National Association for the P r o m o t i o n of Social Science in L o n d o n auf Anregung englischer Seeversicherer a n die interessierten Kreise d e r s e e f a h r e n d e n N a t i o n e n Europas u n d a n die der Vereinigten Staaten von A m e r i k a eine A u f f o r derung, sich in Glasgow zur Beratung ü b e r die Vereinheitlichung des Havariegrosserechts zus a m m e n z u f i n d e n . Das T r e f f e n begann a m 25. 9. 1860. Es w u r d e die Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs beschlossen, die auch erfolgte, o h n e d a ß es gelang, den Weg eines staatlichen Ü b e r e i n k o m m e n s weiter zu beschreiten, namentlich infolge der Einwände von Lloyd's. A u f e i n e m 1864 in York abgehaltenen Kongreß gelang n u r die Aufstellung von elf Regeln, die als G r u n d l a g e einer internationalen Gesetzgebung gedacht waren. M a n sollte sie, bis eine staatli1185
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2. Teil : Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
che Gesetzgebung erfolgte, als vertragliches Recht vereinbaren. Die praktische Bedeutung dieser Vereinbarung war jedoch nur gering. Erst im Jahre 1877 war ein Fortschritt auf dem Antwerpener Kongreß, der den Bemühungen der International Law Association zu verdanken war, zu erzielen. Man ging jetzt bewußt den Weg der Einführung einer internationalen Vereinheitlichung durch vertragliche Vereinbarung. Diese war wenige Jahre später schon auf breiter Grundlage erfolgt. 1890 wurden auf der Liverpooler Tagung der Internationalen Law Association die Regeln in verschiedener Hinsicht abgeändert und ergänzt und haben unter der Bezeichnung „York-Antwerp-Rules, 1890" bis 1924 Geltung gehabt. Den 18 Regeln der YAR 1890 wurde auf dem Antwerpener Kongreß von 1903 eine 19. Regel angefügt, aber nicht offiziell eingegliedert; sie wurde vielmehr besonders als Antwerpener Regel von 1903 bezeichnet. Vornehmlich auf Betreiben der International Law Association erfolgte 1924 auf deren Kongreß in Stockholm eine Neufassung, die „York-Antwerp-Rules, 1924". Die bisher maßgebliche Fassung waren die „York-Antwerp-Rules 1950", die 1949/50 in Amsterdam beschlossen worden sind. Nunmehr gelten die „York-Antwerp-Rules 1974", die auf der Hamburger Tagung des CMI Anfang April 1974 angenommen wurden. Es wurde empfohlen, sie vom 1. Juli 1974 ab anzuwenden. Dem haben folgende Länderdelegationen des CMI zugestimmt: Argentinien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Bundesrepublik Deutschland, Chile, Dänemark, Deutsche Demokratische Republik, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Indien, Irland, Israel, Italien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Mexico, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, die Schweiz, Spanien, USA, UdSSR. 2
2. Allgemeines über den Inhalt der YAR. Die YAR sind private Regeln, die sich als vereinbartes Recht in sehr vielen Konnossementen und Chartepartien finden. Vornehmlich hat in ihnen englisches Recht seinen Niederschlag gefunden. Die YAR schließen in ihrer gegenwärtigen Fassung das sonst anwendbare nationale Recht nicht vollständig aus, sondern nach der vorangestellten „Rule of Interpretation" nur insoweit, als es mit ihnen „inconsistent" ist. Die Regeln gliedern sich in sieben grundlegende Regeln (die sog. Buchstabenregeln A — G) und in 22 Einzelbestimmungen (Regel I — XXII, sog. Ziffernregeln). Die YAR gelten also nur, wenn sie vereinbart sind. Ist in dem Konnossement oder in der Chartepartie zwar gesagt, daß für die Regelung der großen Haverei die YAR zur Anwendung kommen sollen, aber nicht zum Ausdruck gebracht, welche Fassung der YAR gelten soll, so ist im Zweifel die letzte Fassung, also jetzt diejenige von 1974 als maßgeblich anzusehen. Die Ersetzung der nationalen Rechte durch die YAR ist möglich, weil das nationale Recht der großen Haverei überall nachgiebiges Recht ist. II. Text der York-Antwerp-Rules Hamburg 1974 in französischer und englischer Fassung sowie deutscher Ubersetzung Règle
d'Interpretation
Dans le règlement d'avaries communes, les Règles suivantes précédées de lettres et de numéros doivent s'appliquer à l'exclusion de toute loi et pratique incompatibles avec elles. A l'exception de ce qui est prévu par les Règles numérotées, l'avarie commune doit être réglée conformément aux Règles précédées de lettres. Rule of
Interpretation
In the adjustment of general average the following lettered and numbered Rules shall apply to the exclusion of any Law and Practise inconsistent therewith. Except as provided by the numbered Rules, general average shall be adjusted according to the lettered Rules. Übersetzung A uslegungsregel Die Dispachen der großen Haverei sollen nach den folgenden Buchstaben- und Ziffern-Regeln unter Ausschluß jeden mit denselben in Widerspruch stehenden Gesetzes und jeder solchen Übung aufgemacht werden. 1186
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York-Antwerp-Rules 1974
Mit Ausnahme des Inhalts der Ziffernregeln soll große Haverei in Übereinstimmung mit den Buchstabenregeln aufgemacht werden. Einleitung Die Rule of Interpretation ist durch die Neufassung Hamburg 1974 unverändert geblieben. In der Fassung von 1890 verwiesen die YAR in der damaligen Regel XVIII ausdrücklich auf 1 die subsidiäre Geltung der nationalen Rechte. Diese frühere Regel XVIII fehlt seit der Fassung der YAR 1924. An ihrer Stelle wurden den Regeln neben vermehrten Einzelbestimmungen die sogenannten Buchstabenregeln A bis G vorangestellt, aus denen die Ergänzung der Einzelbestimmungen erfolgen sollte, statt aus den nationalen Rechten. Die 1950 eingefügte „Rule of Interpretation", die ihren Ursprung in dem sog. „Makis Agreement" von 1929 hat, das zwischen führenden Reedern und Seeversicherern in Großbritannien geschlossen wurde und durch die Entscheidung Vlassopoulos v. British & Marine Insurance Ltd., 1929, 1 Kings' Bench Division 187, veranlaßt wurde, schließt das nationale Recht und nationale Gebräuche oder auch solche internationaler Art aus, soweit sie mit den YAR in Widerspruch stehen. Das bedeutet also, daß nationales Recht und Gebräuche nicht schlechthin ausgeschlossen sind. Sie können also insbesondere in allgemeinen Rechtsfragen (Gültigkeit und Beständigkeit des Rechtsgeschäfts, Vollmacht und dergleichen) und in Sonderfragen zur Ergänzung von Lücken herangezogen werden. Vgl. auch Anm. 33 zu § 700 HGB; Wüstendörfer, SHR 377; Heuer, HansRGZ 1928 A Sp. 569ff.; Möring, HansRGZ 1930 A 193 ff.; HansOLG HansRGZ 1933 B Nr. 168 Sp. 441. Die York-Antwerp-Rules sind, als von Praktikern geschaffen, mehr nach ihrem Sinn als nach strengen juristischen Auslegungsmethoden auszulegen (Plön-Kreutziger, YAR Auslegungsregel Anm.). Die Auslegungsregel ordnet grundsätzlich den Vorrang der Ziffernregeln vor den Buchsta- 2 benregeln an. Die Ziffernregeln sind aus sich selbst heraus auszulegen. Gewähren sie den Anspruch auf große Haverei, so kommt es nicht darauf an, ob eine solche auch nach den Buchstabenregeln gegeben ist. Die Buchstabenregeln kommen nur zur Anwendung, soweit eine Regelung in den Ziffernregeln fehlt. Doch kann aus ihnen ein Anspruch auf große Haverei nicht hergeleitet werden, wenn die Ziffernregeln die Buchstabenregeln erkennbar ausschließen und eine abschließende Regelung treffen wollen. Règle A. Il y a acte d'avarie commune quand, et seulement quand, intentionnellement et raisonnablement, un sacrifice extraordinaire est fait ou une dépense extraordinaire encourue pour le salut commun, dans le but de préserver d'un péril les propriétés engagées dans une aventure maritime commune. Rule A There is a général average act when and only when any extraordinary sacrifice or expenditure is intentionally and reasonably made or incurred for the common safety for the purpose of preserving from péril the property involved in a common maritime adventure. Ubersetzung Regel A Eine Havariegrossemaßregel liegt nur dann vor, wenn ein außerordentliches Opfer oder eine außerordentliche Aufwendung absichtlich und vernünftigerweise für die gemeinsame Sicherheit zum Zwecke der Errettung des in einem gemeinsamen Seeunternehmen verbundenen Eigentums aus einer Gefahr gemacht wird. Einleitung Regel A ist durch die Neufassung der Regeln Hamburg 1974 unverändert geblieben. 1. Die Regeln A —G (die sog. Buchstabenregeln) sind 1924 in die YAR eingefügt worden. 1 Sie hatten damals den Zweck, den YAR den Charakter einer Kodifikation zu geben, was ins1187
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des H G B
besondere für die Staaten mit einem mangelhaft ausgebildeten Havariegrosse-Recht von Bedeutung ist. Vgl. darüber, daß dieser kodifikatorische Charakter seit 1950 gemildert ist, die Rule of Interpretation und die Anm. 1 zu dieser. Auch schon für die Zeit von 1924 bis 1950 wurde mit Recht angenommen, daß jedenfalls bezüglich allgemeiner Rechtsfragen auf das nationale Recht zurückgegriffen werden müsse. 2
2. Regel A enthält die Begriffsbestimmung für die große Haverei im Sinne der YAR. Vgl. wegen der Anlehnung an das englische Recht sect. 66 Abs. 2 des britischen Marine Insurance Act, 1906. Sämtliche Tatbestandsmerkmale der Regel A müssen vorliegen. Es muß also ein außerordentliches Opfer erbracht sein, und zwar absichtlich oder vernünftigerweise, es m u ß eine gemeinsame Gefahr für alle dem Seeunternehmen ausgesetzten Vermögenswerte vorhanden gewesen sein oder doch gedroht haben, und es muß schließlich die gemeinsame Rettung dieser Vermögenswerte bezweckt gewesen sein. Vgl. Hansa 1927 S. 1742 darüber, ob die YAR 1924 bei Ballastreisen anwendbar waren.
3
3. Anders als nach § 700 Abs. 1 H G B wird in Regel A nicht gefordert, daß das Opfer „von dem Kapitän oder auf dessen Geheiß" vorgenommen wird. Anders als nach deutschem Recht braucht es sich bei der Gefahr auch nicht um eine bereits eingetretene, gegenwärtige zu handeln. Es genügt auch eine nur drohende Gefahr. Ebenso wie im deutschen Recht braucht sie nicht objektiv vorhanden zu sein, sofern nur der Kapitän bei ihrer Annahme vernünftig gehandelt hat (HansOLG Juristische Rundschau für Privatversicherung 1938 S. 155). Anders als nach § 703 HGB, indessen in Übereinstimmung mit dem englischen Recht, ist nicht erforderlich, daß Schiff und Ladung gerettet werden. Vgl. zu der Bestimmung auch LG Hamburg Hansa 1960 S. 1798; OLG Bremen Hansa 1963 S. 1143 = M D R 1964 S. 60; Plön-Kreutziger, Bd. I S. 30ff.; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. II S. 121 ff.; Prüssmann, S. 978; Loundes und Rudolf, S. 257 ff., wo sich auch rechtsvergleichende Bemerkungen finden. Règle B Les sacrifices et dépenses d'avarie commune seront supportés par les divers intérêts appelés à contribuer sur les bases déterminées ci-après. Rule B General average sacrifices and expenses shall be borne by the différent contributing interests on the basis hereinafter provided. Ubersetzung Regel B Havariegrosseopfer und -aufwendungen sollen von den verschiedenen beitragspflichtigen Interessen nach Maßgabe der nachstehenden Vorschriften getragen werden. Einleitung
1
Regel B ist bei der Neufassung Hamburg 1974 unverändert geblieben.
Die Regel enthält das Grundprinzip der großen Haverei. Die Regel spricht davon, daß Havariegrosseopfer und -kosten von den verschiedenen beitragspflichtigen Interessen getragen werden sollen. Damit sind, wie nach den nationalen Rechten, Schiff, Fracht und Ladung gemeint. Règle C Seuls les dommages, pertes ou dépenses qui sont la conséquence directe de l'acte d'avarie commune, seront admis en avarie commune. Les pertes ou dommages subis par le navire ou la cargaison, par suite de retard, soit au cours du voyage, soit postérieurement, tels que le chômage, et toute perte indirecte quelconque telle que la différence de cours, ne seront pas admis en avarie commune. 1188
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York-Antwerp-Rules 1974 RuleC
Only such losses, damages or expenses which are the direct consequence of the General Average Act shall be allowed as general average. Loss or damage sustained by the ship or cargo through delay whether on the voyage or subsequently, such as demurrage, and any indirect loss whatsoever, such as loss of market, shall not be admitted as general average. Übersetzung Regel C Nur solche Verluste, Schäden oder Ausgaben, die die direkte Folge der Havariegrosse-Maßnahmen sind, sollen als große Haverei vergütet werden. Verlust oder Schaden, den Schiff oder Ladung durch Verzögerungen während der Reise oder im Anschluß daran erlitten haben, insbesondere auch Zeitverlust, ferner jeder wie auch immer geartete indirekter Verlust, etwa Marktverlust, sollen nicht in großer Haverei vergütet werden. Einleitung
Regel C ist bei der Neufassung Hamburg 1974 unverändert geblieben.
Als „direkte" Folge der Havereigrosse sind diejenigen Schäden anzusehen, die mit ihr in 1 adäquatem Kausalzusammenhang stehen. Vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 2 S. 127; Prüssmann, S. 978. Doch ist die internationale Rechtseinheitlichkeit nicht voll gesichert, weil vom englischen Standpunkt die hin- und herschwankende Verursachungslehre gilt (vgl. Sommer, Die mittelbaren Schäden in der großen Haverei, S. 24f.; Wüstendörfer, SHR 385). Bei Lowndes und Rudolf heißt es auf S. 264 bezüglich der direkten Folgen: The older cases on causation in general average, both at common law and under the York-Antwerp-Rules, tended to combine a test of forseeability with one of directness". Und auf S. 266 f.: „An authoritative exposition of the Rule is to be found in the judgement of Lord Denning M.R. in Australian Coastal Shipping Commission v. Green (1971) 1 Q.B. 456, 481." Dort heißt es (Zitat nach Lowndes und Rudolf S. 266): „Direct consequences denote those consequences which flow in an unbroken sequence from the act: whereas indirect consequences are those in which the sequence is broken by an intervening or extraneous cause. I realise, that this is not very helpful: because the metaphor of breaking the chain of causation means one thing to one man and another thing to another. But still we have to do the best we can with it." In der gleichen Entscheidung kommt jedoch Lord Denning wieder auf die Vorhersehbarkeit zurück: „If the master, when he does the General Average Act, ought reasonably to have forseen that a subsequent accident of the kind might occur — or even that there was a distinct possibility of it — then the subsequent accident does not break the chain of causation . . . If, however, there is a subsequent incident which was only a remote possibility, it would be diffent". Lowndes und Rudolf fassen (S. 267) ihre Ansicht wie folgt z u s a m m e n : „In the end the correct solution appears to be that a consequense is direct if it flows from the general average act without any intervening or extraneous cause; and that if the master ought reasonably to have forseen such intervening or extraneous cause as a distinct possibility, the result is still a direct consequence of the general average act." Zu Abs. 2: Zur Verzögerung auf der Reise gehört auch der Aufenthalt in einem Nothafen. 2 Vgl. über Schäden aus Nutzungs- und Konjunkturverlust in der französischen Rechtsprechung den Madai-Fall, Revue Dor Sup. 1928 Bd. 6 S. 316 und 1929 Bd. 7 S. 104, und den Pénélope-Fall, Revue Dor Sup. 1929 Bd. 7 S. 214. Règle D Lorsque l'événement qui a donné lieu au sacrifice ou à la dépense aura été la conséquence d'une faute commise par l'une des parties engagées dans l'aventure, il n'y aura pas moins lieu à contribution, mais sans préjudice des recours ou des défenses pouvant concerner cette partie à raison d'une telle faute. 1189
Anh I § 733
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Rule D
Rights to contribution in general average shall not be affected, though the event which gave rise to the sacrifice or expenditure may have been due to the fault of one of the parties to the adventure, but this shall not prejudice any remedies or defences which may be open against or to that party in respect of such fault. Übersetzung Regel D Die Rechte auf Beiträge in großer Haverei bleiben bestehen, auch wenn das Ereignis, das das Opfer oder die Kosten veranlaßte, auf das Verschulden eines der Havereibeteiligten zurückzuführen ist; dies hat aber auf die Ersatzansprüche und Verteidigungsmittel, welche gegenüber diesem Beteiligten oder für ihn aus Anlaß des Verschuldens bestehen, keinen Einfluß. Einleitung Regel D ist bei der Neufassung Hamburg 1974 geringfügig im letzten Satz geändert worden, indem die Worte „or defences", „or to" und „in respect of such" eingefügt worden sind. 1
Anders als § 702 Abs. 1 H G B bestimmt die Regel nicht ausdrücklich, daß das Recht auf Verteilung in großer Haverei auch bestehen bleibt, wenn ein Dritter die Gefahr verschuldet hat. Doch ist das selbstverständlich, denn was für das Verschulden eines Beteiligten gilt, muß erst recht für das eines Dritten gelten. Vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 2 S. 131.
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Vgl. H a n s O L G HansRGZ 1933 B 442 (Grosse Haverei durch verschuldete Seeuntüchtigkeit hervorgerufen) und L G Hamburg HansRG 1939 B 271 (Fehlen eines Ankers). Règle E La preuve qu'une perte ou une dépense doit effectivement être admise en avarie commune incombe à celui qui réclame cette admission. Rule E The onus of proof is upon the party, claiming in general average to show that the loss or expense claimed is properly allowable as general average. Übersetzung Regel E Die Beweispflicht dafür, daß Schäden oder Kosten in großer Haverei in Ansatz gebracht werden können, liegt demjenigen ob, der große Haverei geltend macht. Einleitung Regel E ist bei der Neufassung der Regeln Hamburg 1974 unverändert geblieben. Schrifttum zu Regeln E und F Kreutziger, Die Kommandobrücke 1963 S. 151.
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Regel E entspricht dem allgemeinen Grundsatze des Prozeßrechts, daß der Kläger die klagebegründenden Tatsachen im Bestreitungsfalle beweisen muß. Dadurch, daß der den Anspruch auf Havarie-grosse Erhebende infolge einer, gegen ihn gerichteten Feststellungsklage die Rolle des Beklagten erhält, wird an der Beweislast nicht geändert. Règle F Toute dépense supplémentaire encourue en substitution d'une autre dépense qui aurait été admissible en avarie commune sera, réputée elle-même avarie commune et admise à ce titre, sans égard à l'économie éventuellement réalisée par d'autres intérêts, mais seulement jusqu'à concurrence du montant de la dépense d'avarie commune ainsi évitée. 1190
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York-Antwerp-Rules 1974 Rule F
Any extra expense incurred in place of another expense, which would have been allowable as general average, shall be deemed to be general average and so allowed without regard to the saving if any, to other interests, but only up to the amount of general average expense avoided.
Übersetzung Regel F Jede Extraausgabe, die an Stelle einer anderen Ausgabe gemacht ist, die in großer Haverei vergütungsberechtigt gewesen wäre, soll als große Haverei zu betrachten sein und soll ohne Ansehung etwaiger Ersparnisse, die anderen Interessen entstehen, in großer Haverei vergütet werden, aber nur bis zur Höhe der vermiedenen Ausgaben der großen Haverei. Einleitung
Die Regel ist bei der Neufassung Hamburg 1974 unverändert geblieben.
Vgl. über diese stellvertretenden Kosten (substituted expenses) Anm. 29 zu § 700 HGB und 1 Anm. 59 zu § 706 HGB. Règle G. Le règlement des avaries communes doit être établi, tant pour l'estimation des pertes que pour la contribution, sur la base des valeurs au moment et au lieu où se termine l'aventure. Cette règle est sans influence sur la détermination du lieu où le règlement doit être établi.
Rule G General average shall be adjusted as regards both loss and contribution upon the basis of values at the time and place when and where the adventure ends. This rule shall not affect the determination of the place, at which the average statement is to be made up. Übersetzung Regel G Die Verteilung von Verlusten in großer Haverei und die Feststellung der Beiträge soll auf Grund der Werte zur Zeit und am Orte der Beendigung des Unternehmens erfolgen. Diese Regel berührt nicht die Bestimmung des Ortes, an dem die Dispache aufzumachen ist. Einleitung
Die Regel ist bei der Neufassung Hamburg 1974 unverändert geblieben.
Vgl. zu Regel G §§ 709, 711, 712, 714, 715, 716 HGB. Die YAR treffen keine Bestimmung 1 über den Ort, an dem Dispache aufzumachen ist. Mangels einer Vereinbarung der Parteien kommen deshalb für die Entscheidung dieser Frage die nationalen Rechte in Betracht. Diese sehen übereinstimmend in erster Linie den Bestimmungsort als maßgeblich an. Vgl. auch Handelsgericht Antwerpen Revue Autran Bd. XXV S. 297 und Handelsgericht Le Havre Revue Dor Sup. Bd. 1 S. 216. Vgl. über die Bedeutung der Vereinbarung des Gerichtsstandes für das Dispacheverfahren HansOLG HansRZ 1925, 436.
Règle I Jet de Cargaison Aucun jet de cargaison ne sera admis en avarie commune à moins que cette cargaison n'ait été transportée conformément aux usages reconnus du commerce. 1191
A n h I § 733
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB Rule I Jettison of Cargo
No jettison of cargo shall be made good as general average, unless such cargo is carried in accordance with the recognised custom of the trade. Übersetzung Regel I Seewurf von Ladung Kein Seewurf von Ladung soll als große Haverei vergütet werden, es sei denn, daß die betreffende Ladung in Übereinstimmung mit dem anerkannten Handelsbrauch befördert wird. Einleitung ben.
Die Regel ist bei der Neufassung der YAR Hamburg 1974 unverändert geblie-
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Nach der Regel ist einerlei, ob die Verladung auf oder unter Deck erfolgte. Doch ist immer Voraussetzung dafür, daß Seewurf als vergütungsberechtigt anerkannt wird, daß die Ladung zu der auch Autos, die von Passagieren an Bord gebracht sind, gehören (Lowndes und Rudolf, S. 611), in handelsgebräuchlicher Weise befördert wird, und zwar kommt es dabei auf die Gebräuche des Abladehafens an. Bei einem in der Holzfahrt verwendeten Küstenmotorschiff ist Holzdecklast handelsüblich (LG Hamburg Hansa 1960 S. 1798). Vgl. für das deutsche Recht § 709 Ziff. 1 HGB. Danach bleiben in den Fällen der großen Haverei bei der Schadensberechnung die Beschädigungen und Verluste außer Aussatz, welche nicht unter Deck verladene Güter betreffen, wenn nicht bei der Küstenschiffahrt Deckladungen durch die Landesgesetze für zulässig erklärt sind. Das ist jedoch in der Bundesrepublik nicht geschehen.
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Regel I gilt nur, wenn der Seewurf einen Havareiakt im Sinne der Regel A darstellt. Sie kommt also nicht zur Anwendung, wenn der Seewurf aus anderen Gründen erfolgte.
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Regel I gilt nur für zur Beförderung übernommene Güter, also nicht für Schiffsteile, Schiffszubehör und die Habe der Schiffsbesatzung und der Reisenden, für die es allein bei der Regel A verbleibt. Denn nur bei der Ladung als den zur Beförderung übernommenen Gütern läßt sich feststellen, ob sie in handelsbräuchlicher Weise befördert worden ist. Die Entscheidung, ob das geschehen ist, kann nicht nur in genereller Weise getroffen werden. Auch auf die konkrete Sachlage kommt es an, insbesondere also die Bauart des Schiffes, dessen Fahrtgebiet und die Art der Ladung. Règle II Dommage causé par jet et sacrifice pour le salut commun Sera admis en avarie commune le dommage causé au navire et à la cargaison, ou à l'un d'eux, par un sacrifice ou en conséquence d'un sacrifice fait pour le salut commun, et par l'eau qui pénètre dans la cale par les écoutilles ouvertes ou par toute autre ouverture pratiquée en vue d'opérer un jet pour le salut commun. Rule II Damage by Jettison and Sacrifice for the Common Safety Damage done to a ship and cargo or either of them by or in consequence of a sacrifice made for the common safety and by water which goes down a ships hatches opened or other opening made for the purpose of making a jettison for the common safety, shall be made good as general average. Ubersetzung Regeln Schaden durch Seewurf und zum Zwecke der Errettung aus gemeinsamer Gefahr gebrachte Opfer Schaden, der dem Schiffe oder der Ladung oder beiden zugefügt wird durch ein Opfer oder 1192
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York-Antwerp-Rules 1974
infolge eines Opfers zum Zwecke der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr und durch Wasser, welches durch die Schiffsluken oder andere Öffnungen eindringt, nachdem zum Zwecke eines zur Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr zu machenden Seewurfs die Luken geöffnet oder andere Öffnungen gemacht worden sind, soll als große Haverei vergütet werden. Einleitung
Die Regel ist bei der Neufassung Hamburg 1974 unverändert geblieben.
In der Bestimmung sind diejenigen Havariegrosse-Folgen behandelt, die sich auf die Sub- 1 stanz von Schiff oder Ladung beziehen. Namentlich angesprochen sind auch solche Schäden, die durch eindringendes Seewasser bei Öffnung der Luken oder bei Herstellung von Öffnungen zwecks Seewurfs entstehen. Der Inhalt der Regel, daß derartige Schäden, die in adäquatem Kausalzusammenhang direkte Folgen des Havereigrosse-Opfers sind, vergütungsberechtigt sind, ergibt sich an sich bereits aus der Buchstabenregel C. Mehr als die Regel C besagt auch Regel II nicht. Doch ist nicht erforderlich, daß es sich bei dem kausalen Opfer um ein solches handelt, das vergütungsberechtigt ist. Vgl. HansOLG HansGZ 1901, 29; Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. II S. 141 ; siehe auch AMC 1927, 844 und Revue Dor Bd. 16 S. 317. Règle III Extinction d'incendie à bord Sera admis en avarie commune le dommage causé au navire et à la cargaison, ou à l'un d'eux, par l'eau ou autrement, y compris le dommage causé en submergeant ou en sabordant un navire en feu, en vue d'éteindre un incendie à bord; toutefois, aucune bonification ne sera faite pour dommage causé par la fumée ou la chaleur quelle qu'en soit la cause. Rule III Extinguishing Fire on Shipboard Damage done to a ship and cargo, or either of them, by water or otherwise, including damage by beaching or scuttling a burning ship, in extinguishing a fire on board the ship, shall be made good as général average; except that no compensation shall be made for damage by smoke or heat however caused. Ubersetzung Regel III Löschen eines Feuers an Bord des Schiffes Schaden, welcher dem Schiffe oder der Ladung oder beiden beim Löschen eines Feuers an Bord eines Schiffes durch Wasser oder sonstwie zugefügt wird, einschließlich des Schadens, welcher dadurch entsteht, daß ein brennendes Schiff auf den Strand gesetzt oder angebohrt wird, soll als große Haverei vergütet werden, mit der Ausnahme, daß kein Ersatz für Schaden durch Rauch- oder Hitzeentwicklung, wie auch immer, gewährt werden soll. Die Bestimmung in der Fassung der Neuregelung Hamburg 1974. Die Neuregelung hat die 1 frühere Fassung beseitigt, nach der solche Schäden nicht in großer Haverei vergütet werden sollten, die durch die Löschmaßnahmen an denjenigen Teilen des Schiffes oder der Ladung entstanden waren, die selbst vom Feuer ergriffen waren. Jetzt sind lediglich noch Schäden durch Rauch- und Hitzeentwicklung ausgenommen. Gleichgestellt sind den Löschkosten sonstige Maßnahmen der Feuerbekämpfung (z. B. 2 Strandung, Versenkung, Ladungswurf). Doch muß es sich immer um absichtlich zugefügte Schäden im Sinne von Regel A handeln (OLG Bremen M D R 1964 S. 60 = Hansa 1963 S. 1143 - VersR 1964 S. 674. Siehe auch Kreutziger, VersR 1964 S. 563). Règle IV Coupement de débris La perte ou le dommage éprouvé en coupant des débris ou des parties du navire qui ont été enlevés ou sont effectivement perdus par accident, ne sera pas bonifié en avarie commune. 1193
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB Rule IV Cutting away Wreck
Loss or damage sustained by cutting away wreck or parts of the ship which have been previously carried away or are effectively lost by accident shall not be made good as general average. Ubersetzung Regel IV Kappen von Wrackteilen Verlust oder Schaden, der durch Kappen von Wrackteilen oder Teilen des Schiffes herbeigeführt ist, soll nicht als große Haverei vergütet werden, wenn diese Teile schon vorher weggeschlagen oder tatsächlich durch Zufall verlorengegangen sind. Einleitung 1
Regel IV ist durch die Neufassung 1974 unwesentlich geändert worden.
Vgl. f ü r das deutsche Recht Anm. 3 zu § 706 HGB. Anders als nach Regel IV sind nach deutschem Recht gekappte Schiffstrümmer dann in großer Haverei zu vergütern, wenn ihr Verbleiben Gefahr für Schiff und Ladung in sich schließt und dadurch ein Fall der großen Haverei begründet wird. Regel IV betrifft aber nur das Beseitigen von Trümmern und Überbleibseln, nicht dagegen das Kappen oder Beseitigen von Masten, Rundhölzern oder sonstigen Schiffsgegenständen, die unversehrt sind.
Règle V Echouement volontaire Quand un navire est intentionnellement mis à la côte pour le salut commun, qu'il dût ou non y être drossé, les pertes ou dommages en résultant seront admis en avarie commune. Rule V Voluntary Stranding When a ship is intentionally run on shore for the common safety, whether or not she might have been driven on shore, the consequent loss or damage shall be allowed in general average. Übersetzung Regel V Freiwillige Strandung Wenn ein Schiff absichtlich um der gemeinsamen Sicherheit willen auf den Strand gesetzt wird, so soll der hieraus entstehende Verlust oder Schaden als große Haverei vergütet werden, ohne Rücksicht darauf, ob das Schiff auch sonst auf den Strand getrieben worden wäre oder nicht. 1
Regel V in der Fassung Hamburg 1974. Anders als nach der früheren Fassung soll nun auch die relative freiwillige Strandung in großer Haverei vergütet werden. Vgl. für das deutsche Recht § 706 Abs. 1 Ziff. 3 HGB. Règle VI Rémunération d'assistance Les dépanses encourues à cause d'une assistance par les parties engagées dans l'aventure, soit en vertu d'un contrat soit autrement, seront admises en avarie commune dans la mesure où les opérations d'assistance auront eu pour but de préserver du péril les propriétés engagées dans l'aventure maritime commune. 1194
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York-Antwerp-Rules 1974 Rule VI Salvage Remuneration
Expenditure incurred by the parties to the adventure on account of salvage, whether under contract or otherwise, shall be allowed in general average to the extent that the salvage operations were undertaken for the purpose of preserving from peril the property involved in the common maritime adventure. Übersetzung Regel VI Rettungslohn Ausgaben, die von den Reisebeteiligten für Bergelohn gemacht werden, sei es, daß dieser vereinbart war oder nicht, sollen in der Höhe in großer Haverei vergütet werden, als die Bergungsaktion unternommen wurde, um gemeinsam gefährdetes Eigentum an dem Seeunternehmen vor Gefahr zu bewahren. Die Regel VI ist in Hamburg 1974 in dieser Form eingefügt worden, indem sie besagt, daß 1 grundsätzlich auch Bergelohn in die große Haverei einzubeziehen ist. Die frühere Regel VI, die das Prangen von Segel beinhaltete, war gegenstandslos geworden. Vgl. für das deutsche Recht § 700 HGB Anm. 27. Règle VII Dommage aux machines et aux chaudières Le dommage causé toute machine et chaudière d'un navire échoué dans une position périlleuse par les efforts faits pour le renflouer, sera admis en avarie commune, lorsqu'il sera établi qu'il procède de l'intention réelle de renflouer le navire pour le salut commun au risque d'un tel dommage; mais lorsqu'un navire est à flot, aucune perte ou avarie causée par le fonctionnement de l'appareil de propulsion et des chaudières, ne sera en aucune circonstance admise en avarie commune. Rule VII Damage to Machinery and Boilers Damage caused to any machinery and boilers of a ship which is ashore and in a position of peril, in endeavouring to refloat, shall be allowed in general waverage when shown to have arisen from an actual intention to float the ship for the common safety at the risk of such damage; but where a ship is afloat no loss or damage caused by working the propelling machinery and boilers shall in any circumstances be made good as general average.
Übersetzung Regel VII Schaden an der Maschine und an den Kesseln Schaden, welcher bei Versuchen, ein an Grund geratenes und in gefährdeter Lage befindliches Schiff abzubringen, der Maschinerie und den Kesseln desselben zugefügt wird, soll als große Haverei vergütet werden, wenn der Schaden nachweislich die Folge eines zur Ausführung gebrachten Entschlusses ist, das Schiff zum Zwecke der Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr abzubringen, auf die Gefahr hin, daß ein solcher Schaden entstehe; wenn aber ein Schiff flott ist, so soll ein Verlust oder Schaden, der durch Verwendung der Maschinerie und Kessel verursacht wird, unter welchen Umständen auch immer, nicht als große Haverei vergütet werden. Einleitung Gegenüber der früheren Fassung sind bei der Neufassung Hamburg 1974 insbesondere die Worte „einschließlich des durch Überanstrengung der Maschine entstandenen" in Fortfall gekommen. 1195
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
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Vgl. f ü r das deutsche Recht Anm. 23 ff. und 73 zu § 706 HGB. Nach Regel VII ist zunächst Voraussetzung dafür, daß der Schaden an Maschinen in großer Haverei vergütungsberechtigt ist, daß das Schiff an Grund geraten ist und sich in gefährdeter Lage befindet. Dazu ist nicht erforderlich, daß der Untergang des Schiffes unmittelbar bevorsteht. Doch muß jedenfalls der Untergang zu befürchten sein. Vgl. HansOLG HansGZ 1912, 291. Siehe für Beispiele einer gefährdeten Lage Handelsgericht Dünkirchen Revue Dor Sup. Bd. 6 S. 316, Handelsgericht Antwerpen Revue Autran Bd. XXII S. 668, Handelsgericht Antwerpen Revue Autran Bd. XX S. 102, Handelsgericht Marseille Revue Autran Bd. XIX S. 98 und Bd. XVI S. 69, HansOLG H a n s R G Z 1940 B 31 ff. Siehe Handelsgericht Marseille Revue Autran Bd. XV S. 781 und Bd. XXIV S. 241 als Beispiele für Fälle, in denen eine gefährliche Lage nicht angenommen wurde. Vgl. Gerichtshof Gravenhage Schip en Schade 1959 S. 156 = Hansa 1960 S. 1320, daß Folgeschäden an der überbeanspruchten Maschine bei der Weiterfahrt nicht vergütungsberechtigt sind. Nach der Regel kommt eine Verteilung in großer Haverei auf keinen Fall in Betracht, wenn das Schiff nicht an Grund geraten ist.
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2. Die Regel sieht als vergütungsberechtigt nur vor Schäden an Maschinen und Kesseln. Doch kommen außer der Hauptmaschine auch die Nebenmaschine in Betracht. Nur derartige Schäden betrifft Regel VII, nicht auch sonstige beim Forcieren entstandene Schäden, wie etwa Bodenschäden des Schiffes. Ob derartige sonstige Schäden in großer Haverei vergütungsberechtigt sind, richtet sich nach den Buchstabenregeln.
Règle VIII Dépenses pour alléger un navire échoué et dommage résultant de cette mesure Lorsqu'un navire est échoué et que la cargaison, ainsi que le combustible et les approvisionnements du navire, ou l'un d'eux, sont déchargés dans des circonstances telles que cette mesure constitute un acte d'avarie commune, les dépenses supplémentaires d'allégement, de location des allèges, et le cas échéant, celles de réembarquement ainsi que la perte ou le dommage en résultant, seront admises en avarie commune. Rule VIII Expenses Lightening a Ship when Ashore and Conséquent Damage When a ship is ashore and cargo and ships fuel and stores or any of them are discharged as a general average act, the extra cost of lightening, lightershire and reshipping (if incurred), and the loss or damage sustained thereby shall be admitted as general average. Übersetzung Regel VIII Kosten der Ableichterung eines gestrandeten Schiffes und die aus der Leichterung entstandenen Schäden Wenn ein Schiff an Grund geraten ist und Ladung, Brennmaterial und Vorräte des Schiffes oder einzelne dieser Gegenstände gelöscht werden und die Löschung einen Havariegrosseakt darstellt, so sollen die entstandenen Extrakosten der Leichterung, Leichtermiete und der etwaigen Wiederverladung sowie der dadurch erlittene Verlust oder Schaden als große Haverei vergütet weden.
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Einleitung Die Regel ist bei der Neufassung Hamburg 1974 unverändert geblieben. Die Regel betrifft den Fall der Ableichterung eines gestrandeten Schiffes, einerlei, ob die Strandung absichtlich oder zufällig erfolgt ist. Die Ableichterung muß sich als ein Havariegrosseakt im Sinne der Regel A darstellen. Sind die Voraussetzungen der Regel VIII gegeben, so sollen in großer Haverei vergütet werden die Extrakosten der Leichterung, der Leichtermiete und der etwaigen Rückladung sowie die hierdurch entstandenen Schäden und Verluste. 1196
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Règle IX Objets du navire et approvisionnements brûlés comme combustibles Les objets et approvisionnements du navire, ou l'un d'eux, qu'il aura été nécessaire de brûler comme combustible pour le salut commun en cas de péril, seront admis en avarie commune quand, et seulement quand le navire aura été pourvu d'un ample approvisionnement de combustible. Mais la quantité estimative de combustible qui aurait été consommée, calculée au prix courant au dernier port de départ du navire et à la date de ce départ, sera portée au crédit de l'avarie commune. Rule IX Ship's Materials and Stores Burnt for Fuel Ship's materials and stores or any of them necessarily burnt for fuel for the common safety at a time of peril, shall be admitted as general average when and only when an ample supply of fuel had been provided; but the estimated quantity of fuel, that would have been consumed, calculated at the price current at the ship's last port of departure at the date of her leaving shall be credited to the general average. Übersetzung Regel IX Verbrauch von Schiffsinventar und Vorräten als Brennmaterial Schiffsinventar und Vorräte, bzw. der eine oder andere dieser Gegenstände, welche unvermeidlicherweise zum Zwecke der Errettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr während der Dauer der Gefahr als Brennmaterial haben verbrannt werden müssen, sollen dann, aber auch nur dann, als große Haverei vergütet werden, wenn ein reichlicher Vorrat von Brennmaterial an Bord genommen war; doch soll das Quantum Brennmaterial, welches nach Schätzung verbraucht worden wäre — berechnet nach dem Marktpreis am letzten Abgangsort des Schiffes zur Zeit der Abfahrt — der großen Haverei gutgebracht werden. Einleitung
Die Regel ist bei der Neufassung Hamburg 1974 unverändert geblieben.
1. Nach dieser Regel hat der Reeder einen Vergütungsanspruch für den Verbrauch von 1 Schiffsinventar und Vorräten als Brennmaterial nur dann, wenn das Schiff mit einem reichlichen Vorrat von Brennmaterial ausgerüstet war. Maßgebend für die Bemessung des Vorrats ist der Beginn der Reise, oder bei Einteilung der Reise in mehrere Reiseabschnitte, der Beginn jedes Reiseabschnitts (vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 2 S. 159, Plön-Kreutziger, Bd. I S. 131 ff., Prüssmann, Anm. zu Regel IX Y AR). Diese Bestimmung ist lex specialis gegenüber Regel D und einer etwaigen (und im konkreten Fall zulässigen) Freizeichnung für anfängliche See- und Reisetüchtigkeit. Der Reeder verliert seinen Vergütungsanspruch also stets, wenn das Schiff nicht reichlich mit Brennstoff ausgerüstet war. Das gilt auch dann, wenn der Brennstoff von einem Charterer zu stellen war. Doch kann dann der Reeder regelmäßig von diesem Schadensersatz verlangen (vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, a. a. O.). Vgl. darüber, wann ein reichlicher Brennstoffvorrat vorliegt, z. B. RG HansGZ 1911, 71 und HansOLG HansGZ 1912, 119: er muß nach den Regeln guter Seemannschaft wirklich genügen und auch bei widrigen Winden für die übliche Bedienung der Maschine ausreichen. Doch läßt sich ein allgemeiner Maßstab nicht aufstellen. Es kommt im wesentlichen auf die konkreten Verhältnisse an. Siehe auch Ulrich-Brüders-Hochgräber, a. a. O. 2. Regel IX betrifft nur den Verbrauch von Schiffsinventar und Schiffsvorräten als Brenn- 2 stoff, nicht auch denjenigen von Ladung. Dieser richtet sich ausschließlich nach den Regeln A und D, HansOLG HansRGZ 1933 B 442. Règle X Dépenses au port de refuge, etc. (a) Quand un navire sera entré dans un port ou lieu de refuge ou qu'il sera retourné à son 1197
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port ou lieu de chargement par suite d'accident, de sacrifice ou d'autres circonstances extraordinaires qui auront rendu cette mesure nécessaire pour le salut commun, les dépenses encourues pour entrer dans ce port ou lieu seront admises en avarie commune; et, quand il en sera reparti avec tout ou partie de sa cargaison primitive, les dépenses correspondantes pour quitter ce port ou lieu qui auront été la conséquence de cette entrée ou de ce retour seront de même admises en avarie commune. Quand un navire est dans un port ou lieu de refuge quelconque et qu'il est nécessairement déplacé vers un autre port ou lieu parce que les réparations ne peuvent être effectuées au premier port ou lieu, les dispositions de cette Règle s'appliqueront au deuxième port ou lieu, commes s'il était un port ou lieu de refuge, et le coût du déplacement, y compris les réparations provisoires et le remorquage, sera admis en avarie commune. Les dispositions de la Règle X I s'appliqueront à la prolongation du voyage occasionnée par ce déplacement. (b) Les frais pour manutentionner à bord ou pour décharger la cargaison, le combustible ou les approvisionnements, soit à un port, soit à un lieu de chargement, d'escale ou de refuge, seront admis en avarie commune si la manutention ou le déchargement était nécessaire pour le salut commun bu pour permettre de réparer les avaries au navire causées par sacrifice ou par accident si ces réparations étaient nécessaires pour permettre de continuer le voyage en sécurité, excepté si les avaries au navire sont découvertes dans un port ou lieu de chargement ou d'escale sans qu'aucun accident ou autre circonstance extraordinaire en rapport avec ces avaries ne se soit produit au cours du voyage. Les frais pour manutentionner à bord ou pour décharger la cargaison, le combustible ou les approvisionnements ne seront pas admis en avarie commune s'ils ont été encourus à seule fin de remédier à un désarrimage survenu au cours du voyage, à moins qu'une telle mesure soit nécessaire pour le salut commun. (c) Toutes les fois que les frais de manutention ou de déchargement de la cargaison, du combustible ou des approvisionnements seront admissibles en avarie commune, les frais de leur magasinage, y compris l'assurance si elle a été raisonnablement conclue, de leur rechargement et de leur arrimage seront également admis en avarie commune. Mais si le navire est condamné ou ne continue pas son voyage primitif, les frais de magasinage ne seront admis en avarie commune que jusqu'à la date de condamnation du navire ou de l'abandon du voyage ou bien jusqu'à la date de l'achèvement du déchargement de la cargaison en cas de condamnation du navire ou d'abandon du voyage avant cette date. Rule X Expenses at Port of Refuge etc. (a) When a ship shall have entered a port or place of refuge, or shall have returned to her port or place of loading in consequence of accident, sacrifice or other extraordinary circumstances, which render that necessary for the common safety, the expenses of entering such port or place shall be admitted as general average; and when she shall have sailed thence with her original cargo, or a part of it, the corresponding expenses of leaving such port or place consequent upon such entry or return shall likewise be admitted as general average. When a ship is at any port or place of refuge and is necessarily removed to another port place because repairs cannot be carried out in the first port or place, the provisions of this Rule shall be applied to the second port or place as if it were a port or place of refuge and the cost of such removal including temporary repairs and towage shall be admitted as general average. The provisions of Rule XI shall be applied to the prolongation of the voyage occasioned by such removal. (b) The cost of handling on board or discharging cargo, fuel or stores whether at a port or place of loading, call or refuge, shall be admitted as general average, when the handling or discharge was necessary for the common safety or to enable damage to the ship caused by sacrifice or accident to be repaired, if the repairs were necessary for the safe prosecution of the voyage, except in cases where the damage to the ship is discovered at a port or place of loading 1198
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or call without any accident or other extraordinary circumstance connected with such damage having taken place during the voyage. The cost of handling on board or discharging cargo, fuel or stores shall not be admissible as general average when incurred solely for the purpose of restowage due to shifting during the voyage, unless such restowage is necessary for the common safety. (c) Whenever the cost of handling or discharging cargo, fuel or stores is admissible as general average, the costs of storage, including insurance if reasonably incurred, reloading and stowing of such cargo, fuel or stores shall likewise be admitted as general average. But when the ship is condemned or does not proceed on her original voyage, storage expenses shall be admitted as general average only up to the date of the ship's condemnation or of the abandonment of the voyage or up to the date of completion of discharge of cargo if the condemnation or abandonment takes place before that date. Regel X Kosten in Nothafen usw. a) Hat ein Schiff einen Nothafen oder Notplatz angelaufen oder ist es in seinen Ladehafen oder Ladeplatz zurückgekehrt infolge eines Unfalls, einer Aufopferung oder anderer außergewöhnlicher Umstände, die solches wegen der gemeinsamen Sicherheit notwendig machen, so sollen die Kosten solchen Einlaufens in einen solchen Hafen oder Platz in großer Haverei vergütet werden, und wenn das Schiff von dort mit seiner gleichen Ladung oder einem Teil derselben wieder ausgefahren ist, so sollen die entsprechenden Kosten des Verlassens solchen Hafens oder Platzes, das sich infolge solchen Anlaufens oder solcher Rückkehr ereignete, in gleicher Weise in großer Haverei vergütet werden. Befindet sich ein Schiff in irgendeinem Nothafen oder Notplatz und muß es notwendigerweise nach einem anderen Hafen oder Platz überführt werden, weil Reparaturen in dem ersten Hafen oder Platz nicht ausgeführt werden können, so sollen die Bestimmungen dieser Regel auf den zweiten Hafen oder Platz so angewendet werden, als wenn sie Nothafen oder Notplatz wären und die Kosten einer solchen Überführung einschließlich der vorläufigen Reparaturen und des Schleppens sollen in großer Haverei vergütet werden. Auf die durch die Überführung verursachte Reiseverlängerung sollen die Bestimmungen der Regel XI zur Anwendung kommen. b) Die Kosten des Umstauens an Bord oder Entlöschens von Ladung, Brennstoff oder Ausrüstung, gleichviel, ob sich solches am Ladeplatz, Order- oder Nothafen ereignet, sollen in großer Haverei vergütet werden, falls das Umstauen oder Entlöschen für die gemeinsame Sicherheit oder dafür notwendig war, dem Schiffe durch Aufopferung oder Unfall zugefügten Schaden zu reparieren, wenn die Reparaturen für die sichere Fortsetzung der Reise erforderlich waren; doch sind die Fälle ausgenommen, in denen der Schaden am Schiff im Lade- oder Anlaufhafen oder -platz entdeckt wird, ohne daß während der Reise ein Unfall oder ein anderes ungewöhnliches Ereignis, das mit einem solchen Schaden verbunden ist, eingetreten ist. Die Kosten für das Umstauen an Bord oder für das Löschen von Ladung, Brennstoff oder Ausrüstung sollen nicht in großer Haverei zugelassen weren, wenn es sich nur darum handelt, Ladung, die während der Reise übergegangen ist, wieder zurückzustauen, sofern nicht die Rückstauung für die gemeinsame Sicherheit notwendig ist. c) Wenn immer die Kosten des Umstauens oder Löschens von Ladung, Brennstoff oder Ausrüstung in großer Haverei vergütungsberechtigt sind, sollen auch die Kosten der Lagerung — einschließlich der Kosten für die Versicherung, wenn diese verständigerweise aufgewandt sind — sowie die Kosten der Wiedereinladung und Stauung von solcher Ladung, Brennstoff und Ausrüstung in großer Haverei anerkannt werden. Wird das Schiff aber kondemniert oder setzt es seine ursprüngliche Reise nicht fort, so sollen die Lagerungskosten nur bis zum Zeitpunkt der Kondemnation oder der Aufgabe der Reise in großer Haverei vergütet werden; sofern die Kondemnation oder die Aufgabe der Reise erfolgt, bevor die Entlöschung abgeschlossen ist, sollen die Lagerungskosten bis zum Zeitpunkt der vollständigen Entlöschung in großer Haverei vergütet werden. 1199
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Einleitung Regel X in der Neufassung Hamburg 1974. Der bisherige Absatz d ist in Fortfall gekommen. 1
1. Regel X a betrifft das Anlaufen eines Nothafens, das ebenso wie im deutschen Recht auch nach den YAR stets als Akt der großen Haverei gilt. Siehe auch Regel XI, XII, XIV und XX. Vgl. für das deutsche Recht § 706 Nr. 4 HGB. Die Bestimmungen der YAR gehen über das deutsche Recht teilweise noch hinaus. Wie im deutschen Recht ist einerlei, ob das Anlaufen des Nothafens als Folgemaßnahme einer zur großen Haverei gehörigen Beschädigung oder aus sonstigen G r ü n d e n einer gemeinsamen Gefahr für Schiff oder Ladung erfolgt. Dem Anlaufen eines Nothafens ist durch a) das Aufsuchen eines Zufluchtsortes gleichgestellt, weiter auch die notwendige Überführung von einem Nothafen oder Notplatz nach einem anderen Hafen oder Platz, weil in dem ersten Hafen oder Platz Reparaturen nicht ausgeführt werden können.
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2. Regel X b behandelt die Vergütung von Umstauungskosten und Löschkosten in großer Haverei. Voraussetzung ist, daß sie entweder für die gemeinsame Sicherheit notwendig waren (das entspricht bereits Regel A) oder eine für die sichere Fortsetzung der Reise notwendige Ausbesserung des Schiffes ermöglichen mußten. Einerlei ist es, ob diese Kosten in einem Ablade-, Order- oder Nothafen entstanden sind. Für die Verteilung in großer Haverei können auch Aufenthaltskosten in Betracht kommen, die gelegentlich der Reparatur eines durch Unfall im Abladehafen beschädigten Schiffes entstanden sind, vorausgesetzt nur, daß die Reparatur für die gemeinsame Sicherheit von Schiff und Ladung erforderlich war. Vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 2 S. 165; siehe auch HansOLG HansGZ 1917, 282 und HansRZ 1918, 301; R O H G 25, 138; King's Bench Division vom 20. 7. 1928 Fall: Vlassopoulos v. British & Foreign Marine Insurance Co, Ltd. (1929), King's Bench Division 187.
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3. Regel X c ergänzt Regel X b bezüglich der Aufenthaltskosten von Ladung und Schiffsvorräten. Règle XI Salaires et entretien de l'équipage et autres dépenses pour se rendre au port de refuge, et dans ce port, etc. (a) Les salaires et frais d'entretien du capitaine, des officiers et de l'équipage raisonnablement encourus ainsi que le combustible et les approvisionnements consommés durant la prolongation de voyage occasionnée par l'entrée du navire dans un port de refuge, ou par son retour au port ou lieu de chargement, doivent être admis en avarie commune quand les dépenses pour entrer en ce port ou lieu sont admissibles en avarie commune par application de la Règle X, a). (b) Quand u n navire sera entré ou aura été retenu dans un port ou lieu par suite d'un accident, sacrifice ou autres circonstances extraordinaires qui ont rendu cela nécessaire pour le salut commun, ou pour permettre la réparation des avaries causées au navire par sacrifice ou accident quand la réparation est nécessaire à la poursuite du voyage en sécurité, les salaires et frais d'entretien des capitaine, officiers et équipage raisonnablement encourus pendant la période supplémentaire d'immobilisation en ce port ou lieu jusqu'à ce que le navire soit ou aurait dû être mis en état de poursuivre son voyage, seront admis en avarie commune. Cependant, si des avaries au navire sont découvertes dans un port ou lieu de chargement ou d'escale sans qu'aucun accident ou autre circonstance extraordinaire en rapport avec ces avaries se soit produit au cours du voyage, alors les salaires det frais d'entretien des capitaine, officiers et équipage, ni le combustible et les approvisionnements consommés pendant l'immobilisation supplémentaire pour les besoins de la réparation des avaries ainsi découvertes, ne seront admis en avarie commune même si la réparation est nécessaire à la poursuite du voyage en sécurité. Quand le navire est condamné ou ne poursuit pas son voyage primitif, les salaires et frais d'entretien des capitaine, officiers et équipage et le combustible et les approvisionnements consommés ne seront admis en avarie commune que jusqu'à la date de la condamnation du navire ou de l'abandon du voyage jusqu'à la date d'achèvement du déchargement de la cargaison en cas de condamnation du navire ou d'abandon du voyage avant cette date. 1200
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Le combustible et les approvisionnements consommés pendant la période supplémentaire d'immobilisation seront admis en avarie commune à l'exception du combustible et des approvisionnements consommés en effectuant des réparations non admissibles en avarie commune. Les frais de port encourus durant cette période supplémentaire d'immobilisation seront de même admis en avarie commune, à l'exception des frais qui ne sont encourus qu'à raison de réparations non admissibles en avarie commune. (c) Pour l'application de la présente règle ainsi que des autres règles, les salaires comprennent les paiements faits aux capitaine, officiers et équipage ou à leur profit, que ces paiements soient imposés aux armateurs par la loi ou qu'ils résultent des conditions et clauses des contrats de travail. (d) Quand des heures supplémentaires sont payées aux capitaine, officiers ou équipage pour l'entretien du navire ou pour des réparations dont le coût n'est pas admissible en avarie commune, ces heures supplémentaires ne seront admises en avarie commune que jusqu'à concurrence de la dépense qui a été évitée et qui eût encourue et admise en avarie commune si la dépense de ces heures supplémentaires n'avait pas été exposée.
Rule XI Wages and Maintenance of Crew and other expenses bearing up for and in a Port of Refuge etc. (a) Wages and Maintenance of master, officers and crew reasonably incurred and fuel and stores consumed during the prolongation of the voyage occasioned by a ship entering a port or place of refuge or returning to her port or place of loading shall be admitted as general average when the expenses of entering such port or place are allowable in general average in accordance with Rule X (a). (b) When a ship shall have entered or been detained in any port or place in consequence of accident, sacrifice or other extraordinary circumstances which render that necessary for the common safety, or to enable damage to the ship caused by sacrifice or accident to be repaired, if the repairs were necessary for the safe prosecution of the voyage, the wages and maintenance of the master, officers and crew reasonably incurred during the extra period of detention in such port or place until the ship shall or should have been made ready to proceed upon her voyage, shall be admitted in general average.
Provided that when damage to the ship is discovered at a port or place of loading or call without any accident or other extraordinary circumstance connected with such damage having taken place during the voyage, then the wages and maintenance of master, officers and crew and fuel and stores consumed during the extra detention for repairs to damages so discovered shall not be admissible as general average, even if the repairs are necessary for the safe prosecution of the voyage. When the ship is condemned or does not proceed on her original voyage, wages and maintenance of the master, officers and crew and fuel and stores consumed shall be admitted as general average only up to the date of the ship's condemnation or of the abandonment of the voyage or up to the date of completion of discharge of cargo if the condemnation or abandonment takes place before that date. Fuel and stores consumed during the extra period of detention shall be admitted as general average, except such fuel and stores as are consumed in effecting repairs not allowable in general average.
Port charges incurred during the extra period of dentention shall likewise be admitted as general average except such charges as are incurred solely by reason of repairs not allowable in general average. (c) For the purpose of this and the other Rules wages shall include all payments made to or for the benefit of the master, officers and crew, whether such payments be imposed by law upon the shipowners or be made under the terms or articles of employment. 1201
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(d) When overtime is paid to the master, officers or crew for maintenance of the ship or repairs, the cost of which is not allowable in general average, such overtime shall be allowed in general average only up to the saving in expense which would have been incurred and admitted as general average, had such overtime not been incurred. Übersetzung Regel XI Heuern und Verpflegung der Mannschaft und andere Kosten beim Aufsuchen eines und im Nothafen usw. a) Heuern und Verpflegung des Kapitäns, der Offiziere und Mannschaften, die vernünftigerweise aufgewendet sind, sowie Brennstoff und Ausrüstung, die während der durch das Einlaufen in einen Nothafen oder Notplatz oder durch die Rückkehr in den Abladehafen oder Abladeplatz veranlaßten Verlängerung der Reise entstanden sind, sollen als große Haverei vergütungsberechtigt sein, sofern die Kosten durch Anlaufen eines solchen Hafens oder Platzes in Übereinstimmung mit der Regel X (a) als große Haverei vergütet werden. b) Läuft ein Schiff infolge Unfalls, Aufopferung oder anderer außergewöhnlicher Umstände, die das Einlaufen oder den Aufenthalt wegen der gemeinsamen Sicherheit notwendig machen, oder um durch Aufopferung oder Unfall dem Schiff zugefügten Schaden zu reparieren, wenn die Reparaturen für die gemeinsame Sicherheit notwendig waren, in einen Hafen oder Platz ein oder wird es darin aufgehalten, so sollen die Heuern und Verpflegung des Kapitäns, der Offiziere und der Mannschaft, die während der Extrazeit des Aufenthalts in solchem Hafen oder Platz vernünftigerweise aufgewendet sind, bis das Schiff bereitgemacht sein soll oder sollte, um seine Reise fortsetzen zu können, in großer Haverei vergütet werden. Wenn der Schaden an dem Schiff in einem Lade- oder Orderhafen entdeckt wird und sich als Ursache f ü r einen solchen Schaden kein während der Reise sich ergebender Unfall oder ein anderer ungewöhnlicher Umstand — verbunden mit einem solchen Schaden — ergibt, sollen die Heuern und die Verpflegung des Kapitäns, der Offiziere und der Mannschaft sowie Brennstoff und Vorräte, die während des Extraaufenthalts für die Reparatur des derart entdeckten Schadens benötigt werden, nicht in großer Haverei vergütet werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Reparaturen für die sichere Fortsetzung der Reise notwendig sind. Wenn das Schiff kondemniert wird oder seine ursprüngliche Reise nicht fortsetzt, sollen Heuern und Verpflegung für den Kapitän, die Offiziere und die Mannschaft sowie verbrauchter Treibstoff und Vorräte nur bis zu dem Datum in großer Haverei vergütet werden, an dem das Schiff kondemniert wird oder die Reise aufgibt oder an dem die Entlöschung beendet ist, wenn Kondemnierung oder Reiseaufgabe vor dem Tag der beendeten Löschung liegen. Brennstoff und Ausrüstung, die während der Zeit des Extraaufenthalts verbraucht werden, sollen als große Haverei vergütet werden, jedoch sollen derjenige Brennstoff und diejenige Ausrüstung in großer Haverei keine Berücksichtigung finden, die bei der Ausführung von Reparaturen verbraucht wurden, die in großer Haverei nicht vergütungsberechtigt sind. Hafenkosten, die während der Extrazeit des Aufenthalts entstanden sind, sollen gleichfalls in großer Haverei vergütet werden, jedoch mit der Ausnahme, daß die während der Zeit der Ausführung von in großer Haverei nicht vergütungsberechtigten Reparaturen aufgewendeten Hafenkosten in großer Haverei nicht vergütungsberechtigt sind. c) Im Sinne dieser und der anderen Regeln sollen Heuern alle Zahlungen einschließen, die an den oder zugunsten des Kapitäns, der Offiziere und Mannschaften gemacht werden, ganz gleich, ob solche Zahlungen dem Reeder durch Gesetz auferlegt sind oder auf Grund des Anstellungsvertrages zu machen sind. d) Wenn dem Kapitän, den Offizieren und der Mannschaft Überstunden für Unterhaltung oder Reparatur des Schiffes bezahlt sind und die Reparaturkosten nicht in großer Haverei vergütungsberechtigt sind, so sollen solche Überstunden nur bis zur Höhe der Einsparungen in großer Haverei vergütungsberechtigt sein, die veranlaßt und als große Haverei erlaubt gewesen wären, wenn solche Überstunden nicht gemacht worden wären. 1202
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Einleitung Durch die Neugestaltung der Regeln Hamburg 1974 ist die Regel XI unter b) verändert worden, insbesondere ist dieser Buchstabe im Sinne des Grundsatzes der common safety dahin eingeschränkt worden, daß die Kosten des Aufenthalts für die Schiffsbesatzung im Nothafen nicht zu vergüten sind, falls der Schaden erst im Hafen entdeckt worden ist und ein Zusammenhang mit einem Unfall während der Reise nicht besteht. Die Regel legt in Abs. a) fest, daß Heuern und Verpflegung der Mannschaft und andere Kosten beim Aufsuchen eines Nothafens oder einer solchen, wie in a) genannt, als große Haverei vergütet werden sollen, wenn die Anlaufkosten eines solchen Hafens gemäß Regel X a als große Haverei vergütet werden. Abs. b) gibt Begrenzungen für diesen Grundsatz, die Absätze c) und d) regeln Einzelheiten. Siehe zu Regel XI litt, a) und b) Kreutziger, VersR 1963 S. 397. Règle XII Dommage causé à cargaison en la déchargeant, etc. Le dommage ou la perte subis par la cargaison, le combustible ou les approvisionnements dans les opérations de manutention, déchargement, emmagasinage, rechargement et arrimage seront admis en avarie commune lorsque le coût respectif de ces opérations sera admis en avarie commune et dans ce cas seulement. RuleXII Damage to Cargo in Discharging, etc. Damage to or loss of cargo, fuel or stores caused in the act of handling, discharging, storing, reloading and stowing shall be made good as général average, when and only when the cost of those measures respectively is admitted as général average. Übersetzung Regel XII Schaden an der Ladung beim Löschen usw. Schäden oder Verluste an der Ladung, dem Brennmaterial oder den Vorräten während des Aktes der Handhabung, Entlöschung, Lagerung, Wiedereinladung oder Verstauung sollen dann aber auch nur dann als große Haverei vergütet werden, wenn die Kosten jener Maßregeln als große Haverei vergütet werden. Einleitung
Die Regel ist 1974 unverändert geblieben.
Die Regel betrifft hauptsächlich die Hantierung, Löschung, Lagerung, Wiedereinladung 1 und Stauung im Nothafen. Nur hier werden im allgemeinen derartige Maßnahmen zu treffen sein. In Betracht kommen z. B. Quantitätsverluste (vgl. Handelsgericht Havre Revue Autran Bd. XXVI S. 612 - Getreide - , schwedisches Höchstgericht Revue Autran Bd. XXIII S. 909 — Kohlen). In Betracht kommt nur der Ersatz solcher Schäden, die mit den genannten Vorgängen in adäquatem Kausalzusammenhang stehen (deshalb z. B. nicht Schäden infolge Herabfallens der Güter aus der Krankette, vgl. LG Hamburg HansGZ 1897, 12; anders kann es liegen, wenn die Entlöschung mit ungewöhnlicher Eile erfolgen mußte, z. B. weil das Schiff leck war). Siehe auch Kreutziger, VersR 1963 S. 124. Vgl. Lowndes u. Rudolf, S. 357 und die dortigen Beispiele. Règle XIII Déduction du coût des réparations Les réparations à admettre en avarie commune ne seront pas sujettes à des déductions pour différence du «neuf au vieux» quand du vieux matérial sera, en totalité ou en partie, remplacé par du neuf, à moins que le navire ait plus de quinze ans; en pareil cas la déduction sera de un tiers. Les déductions seront fixées d'après l'âge du navire depuis le 31 décembre de l'année d'achèvement de la construction jusqu'à la date de l'acte d'avarie commune, excepté pour les isolants, canots de sauvetage et similaires, appareils et équipements de communications et de 1203
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navigation, machines et chaudières, pour lesquels les déductions seront fixées d'après l'âge des différentes parties auxquelles elles s'appliquent. Les déductions seront effectuées seulement sur le coût du matériel nouveau ou de ses parties au moment où il sera usiné et prêt à être mis en place dans le navire. Aucune déduction ne sera faite sur les approvisionnements, matières consommables, ancres et chaînes. Les frais de cale sèche, de slip et de déplacement du navire seront admis en entier. Les frais de nettoyage, de peinture ou d'enduit de la coque ne seront pas admis en avarie commune à moins que la coque ait été peinte ou enduite dans les douze mois qui ont précédé la date de l'acte d'avarie commune; en pareil cas ces frais seront admis pour moitié. Rule XIII Deductions from Cost of Repairs Repairs to be allowed in general average shall not be subject to deductions in respect of "new for old" where old material or parts are replaced by new unless the ship is over fifteen years old in which case there shall be a deduction of one third. The deductions shall be regulated by the age of the ship from the 31st December of the year of completion of construction to the date of the general average act, except for insulation, life and similar boats, communications and navigational apparatus and equipment, machinery and boilers for which the deductions shall be regulated by the age of the particular parts to which they apply. The deductions shall be made only from the cost of the new material or parts when finished and ready to be installed in the ship. No deduction shall be made in respect of provisions, stores, anchors and chain cables. Drydock and slipway dues and costs of shifting the ship shall be allowed in full. The costs of cleaning, painting or coating of bottom shall not be allowed in general average unless the bottom has been painted or coated within the twelve months preceding the date of the general average act in which case one half of such costs shall be allowed. Übersetzung Regel XIII Abzüge von den Reparaturkosten In großer Haverei zu vergütende Reparaturen sollen nicht dem Abzüge „altes für neu" unterliegen, wenn altes Material oder Teile eines solchen durch neues ersetzt wird; anders nur, wenn das Schiff über 15 Jahre alt ist; dann soll ein Abzug von einem Drittel erfolgen. Die Abzugsfähigkeit wird bestimmt durch das Alter des Schiffes seit dem 31. Dezember des Jahres, in das das Bauende fällt, bis zum Datum des Havereiaktes, abgesehen von Isolierungen, Rettungs- und ähnlichen Booten, Nachrichten- und Navigationsapparaten und -einrichtungen, Maschinen und Kessel, wo die Abzüge sich nach dem Alter der einzelnen Teile, zu denen sie gehören, richten sollen. Die Abzüge sollen nur von den Kosten des neuen Materials oder Teilen eines solchen gemacht werden, wenn diese fertiggestellt und zum Einbau in das Schiff bereit sind. Keine Abzüge sollen gemacht werden von Ausrüstung, Reserveteilen, Ankern und Ketten. Die Miete des Trockendocks und Slips sowie die Verholkosten des Schiffes sollen voll in großer Haverei vergütet werden. Die Kosten der Säuberung, des Anstreichens oder des Beschichtens des Schiffsbodens sollen nicht in großer Haverei vergütet werden, wenn nicht die Anstreichung oder das Beschichten innerhalb von 12 Monaten vor dem Akt der großen Haverei erfolgt ist, in welchem Falle die Hälfte solcher Kosten vergütet werden soll. 1
Die in Hamburg 1974 neu gefaßte Regel regelt den Abzug „neu für alt". Nach der jetzigen Regelung wird bei bis zu 15 Jahre alten Schiffen ein Abzug nicht mehr gemacht. Bei über 15 Jahre alten Schiffen ist für vergütungsberechtigte Reparaturen ein Abzug „neu für alt" von einem Drittel vorgesehen. Für die Berechnung des Alters kommt es auf einen Zeitraum an, 1204
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der beginnt mit dem 31. Dezember des Jahres, in dem das Schiff fertiggestellt wurde, bis zum Havereiakt. Bei bestimmten Ausrüstungsgegenständen (z. B. Anker und Ankerketten) ist ein Abzug nicht vorzunehmen, während bei anderen das Alter nach der wirklichen Installation berechnet wird. Reinigungskosten und Kosten des Anstreichens des Schiffsbodens sind grundsätzlich nicht zu vergüten. Anders nur, wenn das Anstreichen innerhalb der letzten 12 Monate erfolgt sind. Dann ist eine Vergütung zur Hälfte vorgesehen. Siehe Plön-Kreutziger, Bd. I S. 219 über die Regelung in den „Rules of Practice of Average 2 Adjusters of the United States". Règle XIV Réparations provisoires Lorsque des réparations provisoires sont effectuées à un navire, dans un port de chargement, d'escale ou de refuge, pour le salut commun ou pour des avaries causées par un sacrifice d'avarie commune, le coût de ces réparations sera bonifié en avarie commune. Lorsque des réparations provisoires d'un dommage fortuit sont effectuées afin de permettre l'achèvement du voyage, le coût de ces réparations sera admis en avarie commune, sans égard à l'économie éventuellement réalisée par d'autres intérêts, mais seulement jusqu'à concurrence de l'économie sur les dépenses qui auraient été encourues et admises en avarie commune, si ces réparations n'avaient pas été effectuées en ce lieu. Aucune déduction pour différence du «neuf au vieux» ne sera faite du coût des réparations provisoires admissibles en avarie commune.
Rule XIV Temporary Repairs Where temporary repairs are effected to a ship at a port of loading, call or refuge, for the common safety, or of damage caused by general average sacrifice, the cost of such repairs shall be admitted as general average. Where temporary repairs of accidental damage are effected merely to enable the adventure to be completed, the cost of such repairs shall be admitted as general average without regard to the saving, if any, to other interests, but only up to the saving in expense which would have been incurred and allowed in general average if such repairs had not been effected there. No deductions "new for old" shall be made from the cost of temporary repairs allowable as general average. Übersetzung Regel XIV Vorläufige Reparaturen Werden vorläufige Reparaturen an einem Schiffe in einem Ablade-, Order- oder Nothafen zum Zwecke der gemeinsamen Sicherheit vorgenommen oder werden Schäden, die durch ein Havariegrosseopfer verursacht sind, vorläufig repariert, so sollen die Kosten derartiger Reparaturen in großer Haverei vergütet werden. Wenn aber vorläufige Reparaturen von zufälligen Schäden nur vorgenommen werden, damit das Unternehmen zu Ende geführt werden kann, dann sollen die Kosten derartiger Reparaturen ohne Rücksicht auf die für andere Interessen entstehende Einsparung, wenn solche überhaupt eintritt, in großer Haverei vergütet werden, aber nur bis zum Betrage der ersparten Kosten, die aufgewendet und in großer Haverei vergütet worden wären, wenn derartige daselbst Reparaturen dort nicht vorgenommen worden wären. Von den Kosten der vorläufigen Reparatur eines in großer Haverei zu vergütenden Schadens soll ein Abzug wegen des Unterschiedes zwischen neu und alt nicht gemacht werden. Einleitung dert worden.
Die Bestimmung ist bei der Neufassung der Regeln Hamburg 1974 nicht geän-
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Die beiden ersten Absätze unterscheiden drei Fälle vorläufiger Reparaturen: solche zum Zwecke der Errettung aus gemeinsamer Gefahr, solche zur Beseitigung von Havereigrosseschäden und solche zur Behebung von zufälligen Schäden. In Betracht kommen aber nur Reparaturen in einem, der in Absatz 1 genannten Häfen, nicht also solche auf See, für deren Behandlung die Buchstabenregeln maßgeblich sind. Daß der Fall der Errettung aus gemeinsamer Gefahr ein solcher der großen Haverei ist, bedurfte an sich nach den allgemeinen Regeln gar nicht der Erwähnung. Vorläufige Reparaturen in einem der genannten Häfen können, wenn das Schiff in Sicherheit ist, in Betracht kommen, weil endgültige Reparaturen dort nicht ausgeführt werden können oder doch nur zu einem besonders hohen Preis oder (vgl. Ulrich-Briiders-Hochgräber, Bd. II S. 181) weil, wenn die Ausführung zu einem angemessenen Preis möglich ist, doch die Kosten der Verbringung der Ladung an und von Bord sowie die Lagerkosten zu hoch sind. Bei der vorläufigen Reparatur von Zufallschäden sollen anders als in den beiden zunächst erwähnten Fällen Kosten nur nach dem Grundsatz der stellvertretenden Kosten ersetzt werden. Siehe dazu HansOLG HansRGZ 1940 B 35 ff. Règle XV Perte de fret La perte de fret résultant d'une perte ou d'un domage subi par la cargaison sera admise en avarie commune, tant si elle est causée par u n acte d'avarie commune que si cette perte ou ce dommage est ainsi admis. Devront être déduites du montant du fret brut perdu, les dépenses que le propriétaire de ce fait aurait encourues pour le gagner, mais qu'il n'a pas exposées par suite du sacrifice. Rule XV Loss of Freight Loss of freight arising from damage to or loss of cargo shall be made good as general average, either when caused by a general average act or when the damage to or loss of cargo is so made good. Deductions shall be made from the amount of gross freight loss of the charges which the owner thereof would have incurred to earn such freight, but has, in consequence of the sacrifice, not earned. Übersetzung Regel XV Frachtverlust Frachtverlust, welcher durch Schaden oder Verlust an der Ladung entstanden ist, soll als große Haverei vergütet werden, wenn derselbe entweder durch eine Havariegrossemaßregel verursacht worden ist, oder der Schaden bzw. der Verlust an der Ladung selbst als große Haverei zu vergüten ist. Vom Betrag der verlorenen Bruttofracht sind die Kosten abzusetzen, die der Eigentümer der Fracht, u m dieselbe zu verdienen, aufgewendet haben würde, die er aber infolge des Opfers nicht aufgewendet hat. Einleitung den.
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Die Regel ist bei der Neufassung der YAR Hamburg 1974 nicht geändert wor-
1. Abs. 1 enthält den Grundsatz: Wenn direkt durch den Havereiakt oder in Zusammenhang mit ihm Ladung verlorengeht oder beschädigt wird, so ist auch die dadurch in Mitleidenschaft gezogene Fracht in großer Haverei zu vergüten. Die Frage, wen der Verlust der Fracht trifft und wem sie deshalb zu ersetzen ist, auch ob sie in vollem Umfang oder nur als Distanzfracht zu ersetzen ist, richtet sich nach dem jeweils für die Frachtzahlung maßgebliche Recht. Der Frachtverlust trifft den Verfrachter, wenn Güter aufgeopfert werden (§ 617 HGB). Die Fracht ist ihm deshalb in großer Haverei voll zu ersetzen, falls das Schiff mit den übrigen 1206
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geretteten Gütern den Bestimmungsort erreicht. Sie ist ihm im Verhältnis der zurückgelegten Strecke zur ganzen Reise zu ersetzen, wenn die Gemeinschaft von Schiff und Ladung schon vor dem Reiseziel endet. Vgl. §§ 630, 631 HGB. Bei Beschädigung der Güter durch den oder infolge des Havereiakts erleidet der Verfrachter keinen Frachtverlust, denn für beschädigte Güter ist die Fracht voll zu entrichten. Betroffen ist hier der Ladungsinteressent, der Vergütung dadurch erhält, daß ihm von der Vergütung für die beschädigten Güter nichts für die Fracht abgezogen wird. Der Frachtverlust trifft den Ladungsbeteiligten auch dann, wenn nach dem Frachtvertrag die im voraus bezahlte Fracht endgültig bezahlt sein soll. 2. Hinsichtlich der Vergütung ist von der Bruttofracht auszugehen, abzüglich derjenigen 2 Kosten, die der Vergütungsberechtigte durch das Havereigrosseopfer gespart hat. Im Falle der Unterverfrachtung kommt die Konnossementsfracht in Betracht. Es ist eine Frage des einzelnen Falles, welche Kosten und evtl. in welcher Höhe erspart worden sind. Bei Fortsetzung der Reise mit der übrigen Ladung werden regelmäßig nur die Löschungskosten für die aufgeopferten Güter erspart worden sein, nicht dagegen die sonstigen Betriebskosten f ü r das Schiff ( Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. II S. 184). Auch die Ersatzfracht ist in Abzug zu bringen (vgl. als Beispiel aus der nordamerikanischen Rechtsprechung A M C 1929 S. 107 = Revue Dor Bd. 19 S. 281, aus der belgischen Revue Autran Bd. XVIII S. 377). In dem Fall des § 630 H G B ist die Distanzfracht entsprechend zu kürzen. Règle XVI Valeur à admettre pour la cargaison perdue ou avariée par sacrifice Le montant à admettre en avarie commune pour dommage ou perte de cargaison sacrifiée sera le montant de la perte éprouvée de ce fait en prenant pour base le prix au moment du déchargement vérifié d'après la facture commerciale remise au réceptionnaire ou, à défaut d'une telle facture, d'après la valeur embarquée. Le prix au moment du déchargement inclura le coût de l'assurance et le fret, sauf si ce fret n'est pas au risque de la cargaison. Quand une marchandise ainsi avariée est vendue et que le montant du dommage n'a pas été autrement convenu, la perte à admettre en avarie commune sera la différence entre le produit net de la vente et la valeur nette à l'état sain, telle qu'elle est calculée dans le premier paragraphe de cette Règle. Rule XVI Amount to be made good for Cargo Lost or Damaged by Sacrifice The amount to be made good as general average for damage to or loss of cargo sacrificed shall be the loss which has been sustained thereby based on the value at the time of discharge, ascertained from the commercial invoice rendered to the receiver or if there is no such invoice from the shipped value. The value at the time of discharge shall include the cost of insurance and freight except insofar as such freight is at the risk of interests other than the cargo. When cargo so damaged in sold and the amount of the damage has not been otherwise agreed, the loss to be made good in general average shall be the difference between the net proceeds of sale and the net sound value as computed in the first paragraph of this Rule. Übersetzung Regel XVI Betrag der Vergütung für durch ein Opfer verlorengegangene oder beschädigte Ladung Der als große Haverei für Beschädigung oder Verlust an geopferten Gütern zu vergütende Betrag soll dem Schaden gleichkommen, der sich nach dem Wert der Güter bei der Entlöschung ergibt, und zwar ermittelt nach der dem Empfänger ausgestellten Handelsfaktura und, wenn eine solche nicht vorhanden ist, nach dem Verschiffungswert. Der Wert zur Entlöschungszeit soll die Kosten der Versicherung und der Fracht einschließen, abgesehen von solcher Fracht, die im Risiko anderer Interessen als die Ladung steht. Werden Güter, die auf diese Weise beschädigt worden sind, verkauft und wird die Scha1207
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denshöhe nicht in anderer Weise festgestellt, so soll für die Vergütung in großer Haverei die Differenz zwischen dem Nettoverkaufserlös und dem Nettogesundwert, wie er sich nach dem ersten Absatz dieser Regel errechnet, in Betracht kommen. 1
Die Regel ist in Hamburg 1974 neu gefaßt worden. Die Vergütung für geopferte Ladung richtet sich jetzt nicht mehr — wie bisher — nach dem Marktwert im Bestimmungs- oder sonstigen Zielhafen, sondern nach der Faktura, und wenn eine solche nicht vorhanden ist, nach dem Verschiffungswert. Bei einer Cif-Verschiffung sind, wie bisher, die Kosten für Versicherung und Fracht dabei einbezogen, bei einer Fob-Verschiffung dagegen nur die Versicherungskosten. Abs. 2 legt auch für die Berechnung des Schadens bei Verkauf beschädigter Güter den Unterschied zwischen dem Nettoverkaufserlös und dem Wert der Faktura zugrunde. Règle XVII Valeurs contributives La contribution à l'avarie commune sera établie sur les valeurs nettes réelles des propriétés à la fin du voyage sauf que la valeur de la cargaison sera le prix au moment du déchargement vérifié d'après la facture commerciale remise au réceptionnaire ou, à défaut d'une telle facture, d'après la valeur embarquée. La valeur de la cargaison comprendra le coût de l'assurance et le fret sauf si ce fret n'est pas au risque de la cargaison, et sous déduction des pertes ou avaries subies par la cargaison avant ou pendant le déchargement. La valeur du navire sera estimée sans tenir compte de la plus ou moins value résultant de l'affrètement coque nue ou à temps sous lequel il peut se trouver. A ces valeurs sera ajouté le montant admis en avarie commune des propriétés sacrifiées, s'il n'y est pas déjà compris. Du fret et du prix de passage en risque seront déduits les frais et les gages de l'équipage qui n'auraient pas été encourus pour gagner le fret si le navire et la cargaison s'étaient totalement perdus au moment de l'acte d'avarie commune et qui n'ont pas été admis en avarie commune. De la valeur des propriétés seront également déduits tous les frais supplémentaires y relatifs, postérieurs à l'événement qui donne ouverture à l'avarie commune mais pour autant seulement qu'ils n'auront pas été admis en avarie commune. Quant une cargaison est vendue en cours de voyage, elle contribue sur le produit net de vente augmenté du montant admis en avarie commune. Les bagages des passagers et les effets personnels pour lesquels il n'est pas établi de connaissement ne contribueront pas à l'avarie commune. Rule XVII Contributory Values The contribution to a general average shall be made upon the actual net values of the property at the termination of the adventure except that the value of cargo shall be the value at the time of discharge, ascertained from the commercial invoice rendered to the receiver or if there is no such invoice from the shipped value. The value of the cargo shall include the cost of insurance and freight unless and insofar as such freight is at the risk of interests other than the cargo, deducting therefrom any loss or damage suffered by the cargo prior to or at the time of discharge. The value of the ship shall be assessed without taking into account the beneficial or detrimental effect of any demise or time charterparty to which the ship may be committed. To these values shall be added the amount made good as general average for property sacrificed, if not already included, deduction being made from the freight and passage money at risk of such charges and crew's wages as would not have been incurred in earning the freight had the ship and cargo been totally lost at the date of the general average act and have not been allowed as general average; deduction being also made from the value of the property of all extra charges incurred in respect thereof subsequently to the general average act, except such charges as are allowed in general average. Where cargo is sold short of destination, however, it shall contribute upon the actual net proceeds of sale, with the addition of any amount made good as general average. 1208
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Passenger's luggage and personal effects not shipped under bill of lading shall not contribute in general average. Übersetzung Regel XVII Beitragspflichtige Werte Der Beitrag zur großen Haverei soll von dem wirklichen Nettowert des Eigentums am Ende des Unternehmens berechnet werden, abgesehen davon, daß der Wert der Ladung ihr Wert bei dem Zeitpunkt der Entlöschung sein soll, wie er sich aus der dem Empfänger ausgestellten Handelsfaktura ergibt, oder, wenn eine solche nicht vorhanden ist, der Verschiffungswert. Der Wert der Ladung soll die Kosten für Fracht und Versicherung enthalten, den der Fracht aber nicht, wenn und insoweit sie im Risiko anderer Interessen als die Ladung steht. Hiervon ist jeder Verlust oder jede Beschädigung an der Ladung in Abzug zu bringen, den sie vor oder in der Zeit der Entlöschung erlitten hat. Der Wert des Schiffes soll in Ansatz gebracht werden ohne Rücksicht auf günstige oder ungünstige Auswirkung einer Demise- oder Zeitcharter, die für das Schiff möglicherweise eingegangen ist. Zu diesen Werten soll die Summe hinzugezählt werden, die für die Aufopferung der Gegenstände in großer Haverei vergütet worden ist, wenn sie nicht bereits eingeschlossen war, wobei jedoch von den noch im Risiko stehenden Fracht- und Überfahrtsgeldern diejenigen Kosten und Heuergelder abzuziehen sind, die nicht aufgewendet worden wären, um die Fracht zu verdienen, wenn Schiff und Ladung zur Zeit des Haveriegrosseaktes total verlorengegangen wären, und welche auch nicht als große Haverei, vergütet worden sind; ferner kommen von dem Werte der Gegenstände alle Extrakosten in Abzug, welche auf dieselben nach dem Havereifälle verwendet worden sind, mit Ausnahme solcher Kosten, welche als große Haverei vergütet wurden. Wo Ladung jedoch kurz vor dem Bestimmungsort verkauft wird, soll sie beitragen mit dem tatsächlichen Nettoerlös dieses Verkaufs unter Zurechnung jeder Summe, die in großer Haverei vergütet wurde. Reisegepäck und persönliche Effekten von Reisenden, über welche ein Konnossement nicht ausgestellt ist, sollen nicht zur großen Haverei beitragen. Einleitung Die Bestimmung in der Fassung der YAR Hamburg 1974. Für die Berechnung der Beitragspflicht der Ladung ist jetzt ebenfalls nicht mehr der Marktwert, sondern der Fakturawert oder der Verschiffungswert maßgeblich. 1. Die Regel bestimmt ebensowenig wie Regel B im einzelnen, welche Werte zur großen 1 Haverei beitragspflichtig sind. Positiv ist ihr ausdrücklich lediglich zu entnehmen, daß die Reederfracht und die Überfahrtsgelder beizutragen haben, negativ, daß nicht unter Konnossement (was hier gleichbedeutend ist mit „nicht unter Frachtvertrag") verschifftes Reisegut nicht beitragspflichtig ist. Im übrigen ist nur allgemein die Rede von dem „property at the termination of the adventure". Dieses muß zu dem wirklichen Nettowerte (vgl. dazu auch die bei Möhring, HansRGZ 1930 A 200 zitierte Entscheidung des HansOLG sowie HansOLG HansRGZ 1935 B 361 ff.) in Ansatz gebracht werden. Es ist also gleich Null zu setzen, soweit es einen wirklichen Wert überhaupt nicht mehr hat, etwa als unbrauchbares Wrack oder als völlig verdorbene Ladung. 2. Das Wesen der großen Haverei besteht nach ihrer international überkommenen Gestal- 2 tung darin, daß sie von Schiff, Ladung und Fracht als den Hauptbeteiligten des Seeunternehmens getragen wird. Hiervon ist auch für die Auslegung der Regel XVII auszugehen, soweit sich nicht ausdrücklich aus ihr Besonderheiten ergeben (vgl. Anm. 1). a) Die Regel besagt nichts darüber, wie der Nettowert des Schiffes am Ende des Unterneh- 3 mens zu ermitteln ist. Als Anhaltspunkt könnten der Anschaffungswert, der Versteigerungswert, die Versicherungstaxe (bei der als Anhaltspunkt jedoch besondere Vorsicht geboten ist, weil sie über oder unter dem wirklichen Wert liegen kann) und der durch Sachverständige ermittelte Wert dienen (vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. 2 S. 191 f.; für eine gründliche 1209
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Uberprüfung der Sachverständigenschätzung, darauf, ob auch der wirkliche Wert im Sinne der Regel XVII ermittelt ist, HansOLG HansRGZ 1935 B 362). Die Bedeutung der Wertermittlung durch Sachverständige und die Art, wie diese zu erfolgen hat, entscheidet das nach internationalem Privatrecht zur Anwendung gelangende nationale Recht. In erster Linie komt es für dessen Ermittlung auf eine Parteivereinbarung im Frachtvertrage an. In den Schiffswert sind auch die Zubehörswerte einzubeziehen, die Werte verbrauchbarer Ausrüstungsgegönstände indessen nur insoweit, als sie am Ende der Reise noch vorhanden sind, bei beiden vorausgesetzt, daß sie im Eigentum des Schiffseigentümers stehen (siehe für Bunkerkohlen bei Zeitcharter Lowndes u. Rudolf, S. 388). Die während der Reise verbrauchten Ausrüstungsgegenstände finden ihren havereirechtlichen Niederschlag in dem Beitrag der Fracht, die als Bruttofracht beizutragen hat und in deren Differenzbetrag zwischen Brutto- und Nettofracht sich auch die Kosten für das verbrauchte Ausrüstungsmaterial verkörpern. Von dem Schiffswerte sind diejenigen Kosten abzuziehen, die nach dem Havereigrossefall durch Ausbesserungen entstanden sind, denn diese waren nicht der gemeinsamen Gefahr ausgesetzt und sind nicht durch das Havereigrosse-Opfer gerettet worden. Vgl. Regel XVII Abs. 2 am Ende. Eine Ausnahme wird nur für solche Kosten gemacht, welche als große Haverei vergütet werden. Siehe für das deutsche Recht § 717 HGB, wonach f ü r den Abzug nach dem Havereifall erfolgte Ausbesserungen und Anschaffungen nur in Betracht kommen, wenn ihr Wert noch vorhanden ist. Die Regelung der YAR entspricht dem englischen Recht. - Vgl. wegen des Beitragswertes des Schiffes auch LG Lübeck Hansa 1935 S. 1461. Die Regelung des Abs. 2 Satz 1, wonach beitragspflichtig nicht nur der Nettowert des Schiffes, sondern auch der als große Haverei in Rechnung kommende Schaden ist, entspricht der Regelung der großen Haverei in allen modernen Seerechten. Vgl. für das deutsche Recht § 717 Abs. 1 Ziff. 2 HGB. Doch gilt das selbstverständlich nur, wenn dieser Betrag nicht bereits in dem Nettowert des Schiffes enthalten ist. Die Auswirkungen einer Demise- oder Zeitcharter sollen bei der Berechnung des Schiffswertes nicht berücksichtigt werden (Abs. 1 Satz 3). Siehe dazu Lowndes u. Rudolf, S. 395. Stehen Ausrüstungsgegenstände des Schiffes, z. B. Funkgeräte, nicht im Eigentum des Reeders, sondern sind von diesem gemietet, so kann der Eigentümer nach den YAR nur dann berechtigt oder verpflichtet werden, wenn er der Havereiaufmachung in ihrer Form zugestimmt hat. Da das in der Praxis selten der Fall ist, werden solche gemieteten Ausrüstungsgegenstände in der Praxis dem Schiffswert zugeschlagen. Vgl. Lowndes u. Rudolf, a. a. O. S. 387. Container sind keine dauernden Ausrüstungsgegenstände des Schiffes. Sie tragen als selbständige Gegenstände bei, und zwar unter Anwendung der YAR, wenn deren Anwendung in dem ihrer Beförderung zugrundeliegenden Vertrag vereinbart ist (vgl. Lowndes u. Rudolf, S. 388). 4
b) Als beitragspflichtiger Wert der Ladung kommt regelmäßig ihr Wert bei der Löschung in Betracht, wie er sich aus der dem Empfänger übergebenen Handelsfaktura ergibt, und wenn eine solche nicht vorhanden ist, der Verschiffungswert. Ist ein Verschiffungswert nicht vorhanden oder in seiner Höhe zweifelhaft, so müssen Sachverständige herangezogen werden. Zu diesen Werten soll die Summe hinzugezählt werden, die für die Aufopferung der Güter in großer Haverei vergütet worden ist, wenn sie nicht bereits eingeschlossen war (siehe dazu Lowndes u. Rudolf, S. 396 f.). Der Wert der Ladung soll die Kosten für Fracht und Versicherung enthalten, den der Fracht aber nicht, wenn und insoweit sie im Risiko eines anderen als dem für die Ladung in Betracht kommenden steht. Abzuziehen hiervon ist jeder Verlust oder jede Beschädigung an der Ladung, den sie vor oder in der Zeit der Entlöschung erlitten hat. Abzuziehen sind weiter nach Abs. 2 am Ende die nach dem Havereifall verwendeten Kosten, sofern diese nicht als große Haverei vergütet wurden. Für den Abzug kommen namentlich in Betracht (vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. II S. 194) die Fracht, die im Falle des Verlustes der Güter erspart worden wäre (das ist nicht der Fall, wenn sie endgültig im voraus bezahlt worden ist), Zölle, Löschungs- und Lagerungskosten sowie dergleichen am Bestimmungsort, die im Falle des Verlustes der Güter in der gemeinschaftlichen Gefahr nicht entstanden wären, die Kosten, die nach dem Eintritt der Havariegrosse-Gefahr, aber vor der Ankunft am Bestimmungsort für Bearbeitung der durch eine besondere Haverei beschädigten Güter aufgewendet 1210
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worden sind. In großer Haverei aufgeopferte G ü t e r sind mit ihrem vollen Werte beitragspflichtig, beschädigte mit dem Betrag des Havariegrosse-Schadens plus dem Werte der Güter im beschädigten Zustande. Wenn jedoch Ladung kurz vor dem Bestimmungsort verkauft wird, so soll sie nach Abs. 3 beitragen mit tatsächlichem Nettoerlös dieses Verkaufes unter Zurechnung jeder Summe, die in großer Haverei vergütet wurde. Gewisse Güter sind von der Beitragspflicht ausgenommen. Hierher gehört zunächst die 5 Habe der Schiffsbesatzung. Sie ist keine Ladung. In Betracht kommen ferner gemäß der ausdrücklichen Bestimmung in Regel XVII Abs. 4 Reisegepäck und persönliche Effekten von Reisenden, über welche ein Konnossement nicht ausgestellt ist (anders, wenn das geschehen ist). Eine andere Frage ist die, ob die genannten Gegenstände dann jedenfalls beitragspflichtig sind, wenn sie Havariegrosseopfer und als solches vergütungsberechtigt sind. Die Frage ist für das deutsche Recht durch § 723 Abs. 2 HGB positiv beantwortet, für die YAR jedoch zweifelhaft (eher für Verneinung Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. II S. 195). Postsendungen gehören an sich zur Ladung. Das Reichsgericht (vgl. H a n s G Z 1913, 233) und das H a n s O L G (vgl. H a n s G Z 1913, 69) haben indessen ihre Beitragspflicht verneint, weil sie mit der W a h r u n g des Postgeheimnisses nicht vereinbar wäre (zustimmend Ulrich-BrüdersHochgräber, Bd. II S. 195 mit weiteren Angaben; Ritter, LZ 1911, 89). Ebenso die französische Rechtsprechung (vgl. Handelsgericht Marseille Revue Dor Sup Bd. 4 S. 426) und für Großbritannien Lowndes und Rudolf, a. a. O. S. 389 (unter Bejahung der Vergütungsberechtigung für geopferte Postsendungen). Es m u ß aber mit der Beitragspflicht in sonstigen Ländern gerechnet werden, denn eine einheitliche Auffassung scheint nicht zu bestehen. c) Von der Fracht hat die durch das Havereigrosse-Opfer gerettete Bruttofracht beizutragen, 6 von der dasjenige abzuziehen ist, was im Falle des Untergangs der G ü t e r erspart worden wäre. Eine solche Ersparnis kommt bei der im Risiko des Befrachters stehenden Fracht (wenn er sie nämlich endgültig im voraus bezahlt) nicht in Betracht. Anders liegt es, wenn die Fracht im Risiko des Reeders steht. Nach Regel XVII müssen dann diese Ersparnisse in jedem einzelnen Falle festgelegt werden. Das deutsche Recht sieht in § 721 H G B für den Abzug von der Bruttofracht einen Pauschalbetrag von einem Drittel vor. Diejenige Fracht, die infolge des Havereigrosse-Opfers verlorengegangen und deshalb zu vergüten ist, hat hinsichtlich des vollen Betrags, der als große Haverei in Rechnung kommt, beizutragen. Die Überfahrtsgelder sind in Regel XVII, wie in den meisten nationalen Rechten, der Fracht gleichgestellt. Im Falle der Unterverfrachtung ist mit der Bruttofracht die Unterfracht (Konnossementsfracht) gemeint. Vgl. über die Bedeutung von Beitragspflicht und Vergütungsanspruch der Unterfracht für das Oberfrachtverhältnis Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. II S. 195 (mit weiteren Angaben). d) Vgl. zu Abs. 2 letzter Satz, („déductions being also made . . . of all charges incurred . . . 7 subsequently to the général average act") Lowndes und Rudolf, a. a. O. S. 398 und Green Star Shipping Co. Ltd. v. The London Assurance (1933), 1 King's Bench Division 378, betr. zwei aufeinanderfolgende Havariefälle. Regle XVIII Avaries au navire Le montant à admettre en avarie commune pour dommage ou perte subis par le navire, ses machines et/ou ses apparaux, du fait d'un acte d'avarie commune, sera le suivant: a) en cas de réparation ou de remplacement, le coût réel et raisonnable de la réparation ou du remplacement du dommage ou de la perte sous réserve des déductions à opérer en vertu de la Règle XIII; b) dans le cas contraire, la dépréciation raisonnable résultant d'un tel dommage ou d'une telle perte jusqu'à concurrence du coût estimatif des réparations. Mais lorsqu'il y a perte totale ou que le coût des réparations du dommage dépasserait la valeur du navire une fois réparé, le montant à admettre en avarie commune sera la différence entre la valeur estimative du navire à l'état sain sous déduction du coût estimatif des répara1211
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tions du dommage n'ayant pas le caractère d'avarie commune, et la valeur du navire en son état d'avarie, cette valeur pouvant être déterminée par le produit net de vente, le cas échéant. Rule XVIII Damage to Ship The amount to be allowed as general average for damage or loss to the ship, her machinery a n d / o r gear caused by a general average act shall be as follows: (a) When repaired or replaced, The actual reasonable cost of repairing or replacing such damage or loss, subject to deductions in accordance with Rule XIII ; (b) When not repaired or replaced, The reasonable depreciation arising from such damage or loss, but not exceeding the estimated cost of repairs. But where the ship is an actual total loss or when the cost of repairs of the damage would exceed the value of the ship when repaired, the amount to be allowed as general average shall be the difference between the estimated sound value of the ship after deducting therefrom the estimated cost of repairing damage which is not general average and the value of the ship in her damaged state which may be measured by the net proceeds of sale, if any. Übersetzung Regel XVIII Schaden am Schiff Die Summe, die für Verlust oder Schaden des Schiffes, seiner Maschine oder des Zubehörs, der auf großer Haverei beruht, abgezogen werden kann, berechnet sich wie folgt: a) Wenn eine Reparatur oder ein Ersatz stattgefunden hat: die tatsächlichen vernünftigerweise aufzuwendenden Kosten f ü r Reparatur bzw. Ersatz der Beschädigungen oder des Verlustes, wobei Abzüge wie oben in Regel XIII zu machen sind. b) Wenn eine Reparatur oder ein Ersatz nicht stattgefunden hat: die vernünftige Entwertung, die sich durch solchen Schaden oder Verlust ergibt, jedoch die veranschlagten Reparaturkosten nicht übersteigend. Aber bei wirklichem Totalverlust oder wenn die Reparaturkosten den Wert des Schiffes, falls es repariert würde, übersteigen würden, soll der Betrag, der in großer Haverei zu vergüten ist, die Differenz betragen zwischen dem geschätzten Gesundwert des Schiffes nach Abzug der veranschlagten Reparaturkosten f ü r Schaden, der nicht große Haverei ist, und dem Wert des Schiffes in seinem beschädigten Zustand, der gegebenenfalls nach dem Netto-Verkaufserlös bemessen werden kann. Einleitung Die in Hamburg 1974 neu formulierte Bestimmung ist sachlich im wesentlichen dahin geändert, daß an Stelle des bisher verwendeten Ausdrucks „konstruktiver Totalverlust" der Ausdruck gebraucht worden ist, daß die Reparaturkosten den Wert des reparierten Schiffes übersteigen. 1
Nach der Berechnung der dem Schiff für Havereigrosse-Schäden oder Verlust zustehenden Vergütung sind drei Fälle zu unterscheiden: a) Im Falle der Ausbesserung des Schiffes sind die wirklichen, angemessenen Kosten der Reparatur oder der Erneuerung zu vergüten, soweit sie sich auf den Havariegrosse-Schaden beziehen. Das bedeutet, daß die von der Ausbesserungswerft in Ansatz gebrachten Kosten nur dann maßgeblich sind, wenn sie wirklich angemessen sind. Auch Dockkosten kommen in Betracht. War das Docken nicht nur für die Ausbesserung des Havereigrosse-Schadens, sondern auch für diejenige eines sonstigen Schadens erforderlich, so sind die Dockkosten auf beide Schadensgruppen angemessen zu verteilen. Erfolgte das Eindocken nur wegen des Havereigrosse-Schadens, so sind sie den Kosten hierfür allein zuzurechnen.
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b) Wird das Schiff nicht ausgebessert, so ist ein angemessener Betrag für die eingetretene Wertverringerung zu vergüten, begrenzt nach oben durch die geschätzten Reparaturkosten. 1212
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c) Kann das Schiff nicht ausgebessert werden, weil ein wirklicher Totalverlust vorgelegen 3 hat oder wenn die Reparaturkosten den Wert des reparierten Schiffes übersteigen würden, so ist der geschätzte Gesundwert des Schiffes zu vergüten, abzüglich der geschätzten Reparaturkosten für andere als Havariegrosse-Schäden und eines etwaigen Verkaufserlöses. Diese Berechnungsmethode des Abs. 2 entspricht der englischen Praxis. Règle XIX Marchandises non déclarées ou faussement déclarées La perte ou le dommage causé aux marchandises chargées à l'insu de l'armateur ou de son agent, ou à celles qui ont fait l'objet d'une désignation volontairement fausse ou moment de l'embarquement, ne sera pas admis en avarie commune, mais ces marchandises resteront tenues de contribuer si elles sont sauvées. La perte ou le dommage causé aux marchandises qui ont été faussement déclarées à l'embarquement pour une valeur moindre que leur valeur réelle sera admis sur la base de la valeur déclarée, mais ces marchandises devront contribuer sur leur valeur réelle. Rule XIX Undeclared or Wrongfully declared Cargo Damage or loss caused to goods loaded without the knowledge of the shipowner or his agent or to goods wilfully misdescribed at time of shipment shall not be allowed as general average, but such goods shall remain liable to contribute, if saved. Damage or loss caused to goods which have been wrongfully declared on shipment at a value which is lower than their real value shall be contributed for at the declared value, but such goods shall contribute upon their actual value. Ubersetzung Regel XIX Nicht deklarierte oder falsch deklarierte Ladung Schaden oder Verlust an Gütern, die ohne Kenntnis des Reeders oder seines Agenten verladen worden sind, oder an Gütern, die zur Zeit der Verschiffung absichtlich falsch deklariert worden sind, soll nicht in großer Haverei vergütet werden, jedoch sollen derartige Güter, sofern sie gerettet worden sind, beitragspflichtig sein. Schaden oder Verlust an Gütern, die bei der Verschiffung zu einem Werte falsch deklariert worden sind, der niedriger ist als ihr wirklicher Wert, soll auf Grund des deklarierten Wertes vergütet werden, jedoch sollen die Güter selbst mit ihrem wirklichen Werte beitragen. Einleitung
Die Bestimmung ist 1974 unverändert geblieben.
Es werden in der Regel drei Fälle unterschieden: a) die Güter werden ohne Wissen des Ree- 1 ders oder seines Vertreters verladen, b) Art oder Beschaffenheit der Güter werden absichtlich unrichtig angegeben, c) der Wert der Güter wird zu niedrig angegeben. In den beiden ersten Fällen besteht keine Vergütungsberechtigung; doch haben die Güter im Falle ihrer Rettung beizutragen. Im letzteren Falle sind die Güter mit ihrem wirklichen Wert beitragspflichtig, vergütungsberechtigt aber nur nach dem deklarierten Wert. Règle XX Avances de fonds Une commission de deux pour-cent sur les débours d'avarie commune autres que les salaires et frais d'entretien du capitaine, des officiers et de l'équipage et le combustible et les approvisionnements qui n'ont pas été remplacés durant le voyage, sera admise en avarie commune, mais lorsque les fonds n'auront pas été fournis par l'un des intérêts appelés à contribuer, les frais encourus exposés pour obtenir les fonds nécessaires, au moyen d'un prêt à la grosse ou 1213
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autrement, de même que la perte subie par les propriétaires des marchandises vendues dans ce but seront admis en avarie commune. Les frais d'assurance de l'argent avancé pour payer les dépenses d'avarie commune seront également admis en avarie commune. Rule XX Provision of Funds A commission of 2 per cent on general average disbursements, other than the wages and maintenance of master, officers and crew and fuel and stores not replaced during the voyage, shall be allowed in general average, but when the funds are not provided by any of the contributing interests, the necessary cost of obtaining the funds required by means of a bottomry bond or otherwise, or the loss sustained by owners of goods sold for the purpose, shall be allowed in general average. The cost of insuring money advanced to pay for general average disbursements shall also be allowed in general average. Ubersetzung Regel XX Beschaffung von Geldern Für Havereigelder soll eine Provision von 2 v. H. in großer Haverei vergütet werden, und zwar auf andere als Heuern und Verpflegung des Kapitäns, der Offiziere und Mannschaften sowie Brennstoff und Ausrüstung, die während der Reise nicht ersetzt sind; werden die Gelder jedoch nicht von einem der beitragspflichtigen Interessenten vorgeschossen, so sind die Kosten, die erforderlich sind, um die Gelder, sei es im Wege der Verbodmung, sei es sonstwie, zu beschaffen, bzw. der Verlust, den die Eigentümer von Gütern erleiden, die zu diesem Zwekke verkauft werden, in großer Haverei zu vergüten. Die Kosten der Versicherung von zum Zwecke der Havereigelderzahlung vorgeschossenen Geldern sind gleichfalls in großer Haverei zu vergüten. Einleitung 1
Die Regel ist 1974 nicht verändert worden.
Werden die Gelder von einem beitragspflichtigen Interessenten (in der Praxis wird es sich dabei meistens um den Reeder handeln) vorgeschossen, so soll eine Provision von 2% gegeben werden. Werden die Gelder anderweitig beschafft, insbesondere durch Verbodmung oder durch Verkauf von Ladung oder auch sonstwie, so erfolgt eine Vergütung der Kosten bzw. (bei Verkauf der Ladung) des Verlustes in großer Haverei. In der Praxis der meisten Länder wird in ähnlicher Weise verfahren. In England erhält der f ü r Zwecke der großen Haverei Gelder vorstreckende Reeder für diese allerdings keine Vergütung (vgl. Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. II S. 205). Règle XXI Intérêts sur les pertes admises en avarie commune Un intérêt sera alloué sur les dépenses, sacrifices et bonifications classées en avarie commune, au taux de sept pour-cent par an, jusqu'à la date du règlement d'avarie commune, en tenant compte toutefois des remboursements qui ont été faits dans l'intervalle par ceux qui sont appelés à contribuer ou prélevés sur le fonds des dépôts d'avarie commune. Rule XXI. Interest on Losses made good in General Average Interest shall be allowed on expenditure, sacrifices and allowances charged to general average at the rate of 7 percent per annum, until the date of the general average statement, due allowance being made for any interim reimbursement from the contributory interests or from the general average deposit fund. 1214
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York-Antwerp-Rules 1974 Übersetzung Regel XXI Verzinsung von Verlusten, die in groBer Haverei vergütet werden
Kosten, Opfer und Vergütungen, die zu Lasten der großen Haverei gehen, sind mit 7 v. H. für das Jahr bis zum Datum der Dispache zu verzinsen; dabei ist jede Zwischenzahlung, sei es seitens der beitragspflichtigen Interessenten, sei es seitens des Havariegrosse-Einschußfonds, entsprechend zu berücksichtigen. Einleitung Bei der Revision 1974 ist die Verzinsung des Vergütungsanspruchs auf 7% angehoben worden (bisher 5%). Der Sinn der Regel ist, einen Ausgleich für die vergütungsberechtigten Havereibeteiligten 1 dafür zu gewähren, daß diese über die Vergütungsbeiträge erst nach Beendigung des Dispacheverfahrens verfügen können. Während die Fassung der früheren Regel XXII in erster Linie den gesetzlichen Zinsfuß in dem letzten Bestimmungshafen, wo die Reise endet, für maßgeblich erklärte und erst mangels eines anerkannten gesetzlichen Zinsfußes auf 5% pro Jahr erkannte, ist in der nunmehrigen Regel XXI generali eine Verzinsung von 7% pro Jahr vorgesehen. Mit dem Datum der Dispache endet die Verzinsung. Vgl. über die Bedeutung der Worte „due allowance — fund" Ulrich-Brüders-Hochgräber, Bd. II S. 207. Danach würde es zu unrichtigen Ergebnissen führen, wenn die Zinszahlung von dem Augenblick der Zwischenzahlung an in deren Umfange aufhören würde. Richtiger Ansicht nach müssen die in Havariegrosse kommenden Zinsen stets (sofern nicht von allen Beteiligten Vorauszahlung geleistet ist) voll (d. h. unvermindert) und für die ganze Zeit durchlaufen. Erst bei der Verteilung habe die „due allowance for any interim reimbursement" stattzufinden. So auch Prüssmann, Anm. zu Regel XXI YAR. Siehe zur englischen Praxis bei der Verzinsung Plön-Kreutziger, Bd. I S. 276, zu der in den USA Appellationshof AMC 1966 S. 1064 = Recht der Schiffahrt 70-07-12.
Règle XXII. Traitement des dépots en espèces Lorsque des dépôts en espèces auront été en garantie de la contribution de la cargaison à l'avarie commune, aux frais de sauvetage ou frais spéciaux, ces dépôts devront être versés, sans aucun délai, à u n compte joint spécial aux noms d'un représentant désigné pour l'armateur et d'un représentant désigné pour les déposants dans une banque agréée par eux deux. La somme ainsi déposée augmentée, s'il y a lieu, des intérêts, sera conservée à titre de garantie pour le paiement aux ayants droit en raison de l'avarie commune, des frais de sauvetage ou des frais spéciaux payables par la cargaison et en vue desquels les dépôts ont été effectués. Des paiements en acompte ou des remboursements de dépôts peuvent être faits avec l'autorisation écrite du dispacheur. Ces dépôts, paiements ou remboursements, seront effectués sans préjudice des obligations définitives des parties. Rule XXII. Treatment of Cash Deposits Where cash deposits have been collected in respect of cargo's liability for general average, salvage or special charges such deposits shall be paid without any delay into a special account in the joint names of a representative nominated on behalf of the shipowner and a representative nominated on behalf of the depositors in a bank to be approved by both. The sum so deposited together with accrued interest, if any, shall be held as security for payment to the parties entitled thereto of the general average, salvage or special charges payable by cargo in respect to which the deposits have been collected. Payments on account or refund of deposits may be made if certified to in writing by the average adjuster. Such deposits and payments or refunds shall be without prejudice to the ultimate liability of the parties. 1215
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des H G B Übersetzung Regel XXII Behandlung von Bareinschüssen
Bareinschüsse, die wegen der Haftung der Ladung für große Haverei, Bergungs- oder besondere Kosten erhoben worden sind, sollen unverzüglich auf ein besonderes Konto eingezahlt werden, das auf die gemeinsamen Namen eines für den Reeder und eines für die Einzahler ernannten Vertreters bei einer von beiden Vertretern genehmigten Bank eröffnet worden ist. Dieses Depot soll zusammen mit den etwaigen Zinsen als Sicherheit dienen für an die dazu berechtigten Parteien erfolgende Zahlungen der Havereigrosse-, Bergungs- oder besonderen Kosten, die von der Ladung, hinsichtlich derer die Einschüsse erhoben worden sind, zu zahlen sind. Die Treuhänder sollen berechtigt sein, ä-Konto-Zahlungen bzw. Rückerstattungen von Einschüssen zu leisten, zu denen sie durch den Dispacheur schriftlich ermächtigt sind. Derartige Einschüsse und Zahlungen bzw. Rückerstattungen sollen ohne Präjudiz für die endgültige Beitragspflicht der Parteien sein. ' Einleitung 1
Die Regel ist 1974 unverändert geblieben.
Die Regel behandelt die Frage, wie Bareinschüsse für die von der Ladung geschuldeten Beträge f ü r Havariegrosse, Bergungs- oder besondere Kosten sicherzustellen sind, um die Ladungsbeteiligten davor zu schützen, daß die Gelder in den Händen des vielleicht zahlungsunfähig werdenden Reeders irgendwie in Verlust geraten oder sonstwie doch irgendwie zu seinem eigenen Vorteil benutzt werden. Die Zahlung von Bareinschüssen hat Bedeutung neben der Zeichnung von Haveriebonds oder der Hingabe von Bankgarantien. Die Regel XII (früher XXIII) und das in ihr vorgesehene Verfahren sind keiner besonderen Erläuterung bedürftig. Siehe zu Havariegrosse-Bareinschüssen auch Kreutziger, VersW 1964 S. 372.
Anhang II zum ersten Titel des siebenten Abschnitts Havereirechte des Auslands Großbritannien Schrifttum: Lowndes und Rudolf, The Law of General Average and the York-Antwerp Rules, 10. Aufl. von Donaldson, Staughton und Wilsin, 1975 (British Shipping Laws Bd. 7); Ulrich-Hochgräber-Bruders, Bd. 2 S. 1 ff.; Prüssmann, S. 896f. Carver, S. 723 ff., Scrutton S. 274ff. 1
1. Eine umfassende gesetzliche Regelung des Rechts der großen Haverei gibt es in Großbritannien nicht. Hauptsächliche Quellen des Rechts der großen Haverei sind deshalb Gerichtsentscheidungen und Handelsbräuche. Vereinzelte gesetzliche Bestimmungen finden sich in sonstige Materien betreffenden Gesetzen, so in der Marine Insurance Act, 1906. Das allgemeine Prinzip der großen Haverei hat Richter Lawrence in der Entscheidung Birkley v. Presgarve aus dem Jahre 1801 zum Ausdruck gebracht (vgl. Lowndes u. Rudolf, S. 16): "All loss which arises in consequence of extraordinary sacrifices made, or expenses incurred, for the preservation of the ship and cargo comes within general average, and must be borne proportionaly by all who are interested." Auf diese Entscheidung ist immer wieder zurückgegriffen worden. Doch ist ihre Bedeutung in den Hintergrund getreten, seitdem sich in sect. 66 Abs. 1 —3 Marine Insurance Act, 1906, eine gesetzliche Begriffsbestimmung findet, in der die bisherige Rechtsprechung und Praxis zusammengefaßt wurde. Sie lautet: "(1) A general average loss is a loss caused by or directly consequential on a general average act. It includes a general average expenditure as well as a general average sacrifice. (2) There is a general average act where any extraordinary sacrifice or expenditure is voluntarily and reasonably made or incurred in time of peril for the purpose of preserving the property imperilled in the c o m m o n adventure. 1216
Havereirechte des Auslands
A n h II § 7 3 3
(3) W h e r e there is a general average loss, t h e party on w h o m it falls is entitled, subject to t h e conditions imposed by maritime law, to a rateable contribution f r o m the other parties interested, and such a contribution is called a general average contribution".
Das Recht der großen Haverei ist in Großbritannien, wie in anderen Staaten, nachgiebiges Recht. Doch müssen Abänderungen oder auch die Ausschließung des Haverei-Verfahrens gegenüber allen Beteiligten erfolgen. 2. Im einzelnen gilt folgendes:
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a) Gefahr. Während die Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr nach deutschem Recht nicht ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen braucht, muß im englischen Recht (ebenso in den Vereinigten Staaten von Amerika) die Gefahr tatsächlich bestanden haben. In der Entscheidung Société Nouvelle d'Armement v. Spillers & Bakers (1917), 1 King's Bench Division 865, hatte ein Segelschiff einen Schlepper genommen, um die Geschwindigkeit zu erhöhen und so möglicherweise drohenden Angriffen deutscher Unterseeboote zu entgehen. Das Vorliegen einer großen Haverei wurde abgelehnt. Erst recht ist eine solche nicht gegeben, wenn der Kapitän in einem Irrtum gehandelt hat. Vgl. die Entscheidung Watson v. Firemen's Fund Insurance Co. (1922), 2 King's Bench Division 355. Der Kapitän glaubte, daß in einem Schiffsraum Feuer ausgebrochen sei. Er ließ ihn unter Dampf setzen, wodurch ein Teil der Ladung beschädigt wurde. Die Gefahr muß gegenwärtig sein. Das bedeutet nicht, daß sie bereits ihren Höhepunkt erreicht hat. Aber sie muß doch, ebenso wie im deutschen Recht, bereits eingetreten sein und nicht bloß drohen. Ebenso wie im deutschen Recht m u ß es sich auch um eine gemeinsame G e f a h r f ü r Schiff u n d Ladung handeln. Das beinhaltet auch, daß verschiedene Interessenten v o r h a n d e n sein müssen. Das ist indessen auch dann der Fall, wenn zwar Schiff und Ladung der gleichen Person gehören, aber bei verschiedenen Versicherern versichert sind. D a n n werden etwaige Aufo p f e r u n g e n im Verhältnis zu den Versicherern als große Haverei behandelt. Vgl. sect. 66 Abs. 7 M a r i n e Insurance Act, 1906: " W h e r e ship, freight and cargo, or any two of those interests, a r e owned by t h e s a m e assured, the liability of the insurer in respect of general average losses or contributions is to be determined as if those subjects were owned by different persons".
Während früher das Verschulden der Gefahr durch einen der Beteiligten die große Haverei begrifflich ausschloß, ist das heute nicht mehr der Fall. Hat ein Beteiligter die Gefahr verschuldet, so entfällt für ihn indessen hinsichtlich der Wirkungen der großen Haverei der Vergütungsanspruch. Vgl. die Entscheidung Dreyfus v. Tempus Shipping Co (1931), 1 King's Bench Div. 699. b) Der Havereiakt. Er muß, wie im deutschen Recht, freiwillig geschehen. Anders als im 3 deutschen Recht ist indessen nicht erforderlich, daß das Opfer vom Kapitän oder auf dessen Geheiß vorgenommen wird (vgl. Lowndes u. Rudolf, S. 32 ff.; anders Kreutziger, VersR 1961 S. I I I f.). Das Opfer muß außergewöhnlich und vernünftig sein, es muß im Interesse des ganzen Unternehmens erforderlich sein, und es muß schließlich auch die Absicht bestehen, das Opfer im Interesse des ganzen Unternehmens zu bringen. Wird ein Schiff bei einer auch sonst unvermeidlichen Strandung absichtlich aufgesetzt, so ist das kein Fall der großen Haverei, ebenso nicht, wenn ein Mast, der in seiner Standfestigkeit bereits erschüttert war, gekappt wird. Das Opfer muß auch außerhalb des normalen Schiffsbetriebs während der Reise liegen, so beim Forcieren der Maschine im Strandungsfall. Anders, wenn ein Segelschiff mit Hilfsmaschine nach Verlust der Segel infolge Kollision mit einem Eisberg die Hilfsmaschine für die Fortsetzung der Reise benutzt. Vgl. die Entscheidung Wilson v. Bank of Victoria (1867), 2 Marine Law Cases 449. Die Angemessenheit des Opfers läßt sich nur im einzelnen Fall bestimmen. Das Opfer muß für den Rettungserfolg mit kausal gewesen sein. Doch genügt es, wenn Schiff oder Ladung gerettet werden. Vgl. Anm. 7 zu § 703 HGB; Anm. 3 zu Regel A YAR. Vergütungsberechtigt ist nur dasjenige Opfer, das die unmittelbare Folge des Havereiakts ist, entsprechend der Regel C Abs. 1 YAR. 1217
Anh II § 733 4
2. Teil : Seehandelsrecht - Das 4. Buch des H G B
c) Weitere Einzelheiten Uber das Havereiopfer aa) Seewurf. Seewurf von Ladung oder Schiffsgerätschaften ist dann große Haverei, wenn deren allgemeine Voraussetzungen gegeben sind. Deckladung wird im Falle ihres Seewurfs regelmäßig nicht als große Haverei vergütet, hat aber im Falle ihrer Rettung beizutragen. Ausnahmsweise ist auch für geworfene Deckladung eine Vergütung zu gewähren, wenn die Verladung von Gütern auf Deck einem feststehenden Handelsbrauch entspricht oder wenn alle an dem Unternehmen Beteiligten der Verladung auf Deck zugestimmt haben.
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bb) Feuer. Rettungsmaßregeln zur Löschung eines an Bord des Schiffes ausgebrochenen Feuers sind große Haverei, wenn das Feuer Schiff und Ladung gefährdet, was meistens der Fall sein wird. Schaden, der den vom Feuer bereits ergriffenen Gütern oder Schiffsteilen durch die Rettungsmaßregeln zugefügt wird, ist anders als nach deutscher Auffassung nicht vergütungsberechtigt.
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cc) Verkauf von Ladung. Der Verkauf von Teilen der Ladung, um den Rest der Ladung nach dem Bestimmungsort weiter zu befördern, läßt einen Vergütungsanspruch in großer Haverei der Eigentümer der verkauften Ladungsteile gegen die der nicht verkauften Teile entstehen. 7 d) Die Fracht. Hat der Reeder infolge der Aufopferung von Gütern oder des Schiffes einen Frachtverlust erlitten, so ist ihm der entgangene Betrag abzüglich der ersparten Kosten in großer Haverei zu vergüten. 8 e) Schiff und Zubehör. Im Falle der Ausbesserung des Schiffes sind die Kosten zu vergüten, die infolge der Reparatur oder des Ersatzes der in großer Haverei aufgeopferten bzw. beschädigten Schiffsteile aufgewendet werden. Diese dürfen jedoch nicht höher sein als die am Ort und zur Zeit der Reparatur üblichen Kosten. Für den Fall, daß das Schiff nicht ausgebessert wird, ist die Differenz zwischen dem Wert des Schiffes in unbeschädigtem Zustande und dem Wert des Wracks zu vergüten, sofern nur Havereigrosseschäden in Betracht kommen. Sind dagegen auch sonstige Schäden vorhanden, so ist für die Ermittlung der Havereigrosse-Vergütung vom Wert des Schiffes in unbeschädigtem Zustande der Betrag der für die Ausbesserung des sonstigen Schadens zu veranschlagenden Kosten in Abzug zu bringen. Eine dem § 709 H G B entsprechende Bestimmung, wonach jeder Havereigrosse-Schaden an Schiff und Zubehör vor der Reparatur durch Sachverständige zu ermitteln und abzuschätzen ist, ist dem englischen Recht unbekannt. Der Reeder kann den Schadensnachweis auch auf andere Weise führen. 9
3. Seitens der Association of Average Adjusters, der englischen Vereinigung der Dispacheure, sind Rules of Practice aufgestellt, die in den Annual Reports der Association veröffentlicht werden. Siehe die Fassung von 1974 bei Lowndes u. Rudolf, S. 477 ff. Die Mitglieder der Association sind zur Innehaltung der Rules verpflichtet. Auch sonst ist ihr Ansehen groß. Sie gelten durch die Klausel „average, if any, to be adjusted according to British Custom" als vereinbart. Sonstige Staaten
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1. Belgien. Siehe Art. 144 bis 164 c. com. Schrifttum: H. Voet Genicot, Les avaries communes, les assurances transports, l'abordage, le sauvetage et l'assurances maritimes, 1944. 2. Frankreich. Art. 22 bis 42 des Gesetzes vom 7. 7. 1967 relative aux événements de mer und Art. 3 bis 7 des ergänzenden Dekrets vom 19. 1. 1968. Schrifttum: Rodière, Traité Bd. 4 S. 333 ff. 3. Italien. Art. 447 bis 459, 587 ff. c. nav. 4. Niederlande. Art. 634 bis 663 WvK. 5. Portugal. Art. 634 bis 663 HGB. 6. Spanien. Art. 806 bis 868 HGB. 7. Schweiz. Art. 122 bis 124 Seeschiffahrtsgesetzbuch. 8. Schweden. §§ 211 bis 219 Seegesetzbuch. 1218
Havereirechte des Auslands
Anh II § 733
9. Deutsche Demokratische Republik. Siehe Oesau, Die große Haverei, 1974, S. 18. Die Große Haverei ist in den §§ 125— 127 des Seehandelsschiffahrtsgesetzes geregelt. Nach § 125 Abs. 3 sind die Feststellung und Verteilung der Opfer oder Aufwendungen der Großen Haverei gemäß den YAR vorzunehmen. Nach § 125 Abs. 4 ist auf Rechtsverhältnisse aus der Großen Haverei das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Dispache aufgestellt wird. 10. USA. Schrifttum: Gilmore und Black, S. 220ff.; Felde, General Average and the York- 11 Antwerp-Rules, Tul. Law Review 1953 S. 406; Inter-American High Commission, Marine Insurance and General Average, Comparative American Legislation (U.S. Govt. Printing Office 1927); Buglass, General Average and the York-Antwerp Rules 1950, American Law and Practice, 1959. Das Recht der großen Haverei, das eine gesetzliche Regelung nicht erfahren hat, zeigt im großen und ganzen viele übereinstimmende Züge mit demjenigen Englands. Fast alle Rechtsstreitigkeiten über Fragen der großen Haverei kommen vor die District Courts (Federal Courts), da Ansprüche aus großer Haverei ein lien begründen und die District Courts die ausschließliche Gerichtsbarkeit in Seesachen und Verfahren in rem gegen ein Schiff haben. Die Voraussetzungen der großen Haverei sind in einer Reihe von Gerichtsentscheidungen,, vornehmlich aus dem vorigen Jahrhundert, niedergelegt. Vgl. etwa Barnard gegen Adams (1850) 10 Howard Rep. 270, 307 (US Sup. Ct.), wo Richter Grier sich wie folgt äußert: "In order to constitute a case for general average, three things must concur: 1st. A Common danger; a danger in which ship, cargo, and crew all participate; a danger imminent and apparently 'inevitable', except by voluntarily incurring the loss of a portion of the whole to save the remainder. 2nd. There must be a voluntary jettison, jactus, or casting away, of some portion of the joint concern for the purpose of avoiding this imminent peril, periculi imminentis evitandi causa, or, in other words, a transfer of the peril from the whole to a particular portion of the whole. 3rd. This attempt to avoid the imminent common peril must be successful." Die drohende Gefahr braucht nicht unmittelbar bevorzustehen. Im allgemeinen ist es vielmehr richtiger, wenn der Kapitän frühzeitig eine Maßnahme trifft. Bestand die Gefahr in Wirklichkeit nicht, sondern glaubte der Kapitän nur irrtümlich, daß sie vorhanden sei, so kommt eine Verteilung in großer Haverei nicht in Betracht (Gilmore und Black, S. 230; vgl. auch Lowndes und Rudolf, S. 28 f.). Ebenso wie im englischen — aber anders als nach der herrschenden Ansicht im deutschen Recht — muß also die Gefahr objektiv vorhanden gewesen sein (Buglass, a. a. O. S. 14; Dover, General Average S. 26; Kreutziger, VersR 1961 S. 777). Vgl. dazu The Wordsworth, 88 Federal Reporter 313: Der Kapitän nahm irrtümlich an, die Flutung der Vorpiek beruhe auf einem Loch im Schiff. Er ließ daher den Raum entleeren und das Loch verstopfen. Dann stellte sich heraus, daß der Wassereinbruch auf einem Loch in der Backbord-Ankerklüse beruhte, welches auch ohne die vom Kapitän getroffenen Anordnungen hätte repariert werden können. Das Gericht nahm große Haverei an, da offenbar eine Gefahr vorhanden gewesen sei. In The West-Imboden, 1936 AMC 696, wurde dagegen große Haverei verneint. Der Kapitän glaubte irrtümlich, es sei Feuer in der Ladung ausgebrochen und ließ deshalb Dampf und Wasser in die Schiffsluken einführen, was zur Beschädigung der Ladung führte. In Wirklichkeit war kein Feuer vorhanden. Das Gericht lehnte deshalb die Verrechnung des Ladungsschadens in großer Haverei ab. Siehe zu beiden Entscheidungen auch Kreutziger, VersR 1961 S. 776 f. Siehe auch Navigazione Generale Italiano v. Spencer Kellog & Sons, 1937 AMC 1506. Die Havereigrosse-Maßregel muß regelmäßig von dem Kapitän anbefohlen sein (vgl. etwa Buglass, S. 13), auf jeden Fall muß sie nachträglich von ihnen gebilligt sein. Siehe z. B. The Beatrice, 1924 AMC 914. Im Falle der relativ-freiwilligen Strandung (siehe dazu § 706 HGB Anm. 16) neigt die Rechtsprechung dazu, Verteilung des Schadens in großer Haverei zuzulassen. Vgl. Gilmore und Black, S. 232 f. Vgl. für die YAR die Regelung in deren Regel V. Wie nach der früheren Fassung der Regel III YAR wird Löschschaden an schon vom Feuer ergriffenen Sachen nicht verteilt. Anders das deutsche Recht; vgl. Anm. 15 zu § 700 HGB. 1219
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Wird ein im Hafen brennendes Schiff vom Land aus von der nicht vom Kapitän herbeigerufenen Feuerwehr vornehmlich gelöscht, damit die Gebäude auf dem Kai oder in der Nähe liegende Schiffe nicht vom Feuer ergriffen werden, so kommt eine Verteilung nicht in Betracht. Vgl. The Northern, A M C 1928 S. 606; Gilmore und Black, S. 235. Vgl. wegen Seewurfs die Entscheidung Lange gegen Emery Co., AMC 1927 S. 844, wegen der nicht vergütungsberechtigten Werfung von Deckladung Nicaraguan Long Leaf Pine Lumber Co. gegen Moody, AMC 1954 S. 658 (anders nur, wenn die Deckladung gemäß dem Handelsbrauch an Deck gestaut worden ist). Wegen der im Nothafen entstandenen Ausgaben siehe US gegen Los Angeles Soap Co., AMC 1936 S. 850. Wegen des der Ladung im Nothafen entstandenen Schadens durch Umladung siehe Hills Bros. Co. gegen US, AMC 1930 S. 623. Auch das Havereirecht der Vereinigten Staaten geht von dem Grundsatz aus, daß aufgeopferte Werte desjenigen, der den Havereiakt verschuldet hat, nicht vergütungsberechtigt sind. Das gilt insbesondere für das Schiff, wenn die Havereimaßnahme auf das Verschulden der Schiffsbesatzung zurückzuführen ist. Dieser Grundsatz ist durch die sog. Jason-Clause durchbrochen worden. Vgl. Gilmore und Black, S. 243. Diese in das Konnossement aufgenommene Klausel gestattete dem Verfrachter die Geltendmachung von Vergütungen in großer Haverei auch für den Fall, daß er von Gesetzes wegen oder auf Grund vertraglicher Abmachungen für einen durch das Schiff verursachten Schaden haftbar sei, insbesondere also bezüglich eines Schadens, der auf nautischem Verschulden beruhte. Die Klausel hatte sich insbesondere als Folge des Harter Act herausgebildet. In Anpassung an den US Carriage of Goods by Sea Act, 1936, lautet sie etwa: "In the event of accident, danger, damage, or disaster, before or after commencement of the voyage resulting from any cause whatsoever, whether due to negligence or not, for which, or for the consequence of which, the Carrier is not responsible by statute, contract or otherwise, the goods, shippers, consignees, or owners of the goods shall contribute with the Carrier in general average to the payment of any sacrifices, losses, or expenses of a general average nature that may be made or incurred, and shall be made or incurred, and shall pay salvage and special charges incurred in respect of the goods". Vgl. zu der Klausel auch Hoskyn & Co. v. Silver Line, Ltd., A M C 1943 S. 510. Siehe ferner lsbrandtsen Co. v. Federal Ins. Co., AMC 1952 S. 1945. Nach letzterer Entscheidung ist es gleichgültig, ob das Schiff ursprünglich seetüchtig gewesen ist, wenn zwischen der anfänglichen Seetüchtigkeit und der Ursache der großen Haverei ein Zusammenhang nicht besteht. Die Jason-Klausel wird insbesondere auch als mit sect. 5 Carriage of Goods by Sea Act, 1936, vereinbar angesehen, die besagt: "Nothing in this Act shall be held to prevent the insertion in a bill of lading of any lawful provision regarding general average" (vgl. auch § 663 Abs. 1 HGB). Doch ist zu beachten, daß in den USA Klauseln, die dem Verfrachter eine Havereivergütung zusprechen auch für Fälle, in denen er nach dem US Carriage of Goods by Sea Act, 1936, zwingend haftet, als ungültig angesehen werden. (Vgl. Gilmore und Black, S. 245.) Zu der großen Haverei haben beizutragen das Schiff, die Güter und die Fracht, soweit sie noch nicht endgültig im voraus bezahlt worden ist. Der Beitrag hat zu erfolgen, wenn von diesen Werten etwas freiwillig geopfert wurde, u m die anderen Werte zu retten und die Rettung auch gelungen ist (siehe dazu auch Lowndes und Rudolf, a. a. O. S. 276). Der Beitrag ist so zu bemssen, daß alle ursprünglich vorhandenen Werte, also auch die geopferten, im gleichem Umfange beitragen. Vgl. die Entscheidung Pacific Freighters Co. gegen St. Paul Fire & Marine Ins. Co., A M C 1940 S. 195 (siehe auch Nicaraguan Long Leaf Pine Lumber Co. gegen Moody, AMC 1954 S. 638): "The value of each of the contributing interests is multiplied by a fraction which has as its numerator the sum of the general average expense and has as its denominator the sum of the contributing values". Das Recht der großen Haverei ist dadurch gekennzeichnet, daß die ursprünglichen Tatbestände des Seewurfs von Ladung und der vorsätzlichen Beschädigung von Schiffsteilen im Wege der Analogie ausgedehnt worden sind. So werden Extralöhne an die Mannschaft in einem Nothafen als general average expense angesehen (The Star of Hope, 76 US (9 Wall.) 203, 236(1870)). Die Aufmachung der großen Haverei erfolgt durch einen „General Average Adjuster", der häufig mit einem Versicherungsmakler assoziiert ist. Das vom Adjuster erstellte Adjustment 1220
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hat keine bindende Wirkung, sondern n u r den Charakter eines Gutachtens. Vgl. wegen der Sicherstellung der auf Gütern lastenden Havereibeiträge durch eine Garantie des Versicherers Hoskyn & Co. gegen Silver Line, A M C 1943 S. 510. W e n n die Parteien nichts anderes vereinbart haben, so k o m m t als maßgebliches Recht für die A u f m a c h u n g der großen Haverei dasjenige des Hafens, an dem die Reise endet, in Betracht. Vgl. Gilmore und Black, a. a. O.; T h e Southern Prince, A M C 1942 S. 1247; vgl. Charter Shipping Co. gegen Bowring, Jones & Tidy A M C 1930 S. 1121. Vgl. auch die Entscheidungen Charles Pfizer & Co. gegen 912 Bags of Tartar und 58 Bags of Uva Ursi Leaves, A M C 1941 S. 1338 u n d Compania Trasatlantica gegen Charles Pfizer & Co., A M C 1951 S. 699.
Zweiter Titel Schaden durch ZusammenstoB von Schiffen Vorbemerkung Schrifttum: Argyriadis, Zur Deckung von Haftpflichtrisiken aus Schiffszusammenstoß, VersR 1963 S. 605; Autran, De la compétence en matière d'actions, naissants d'un abordage, Journal du droit international privé, Bd. 32 S. 44 ff. ; Baur, Der prima-facie-Beweis bei Ansprüchen aus Schiffszusammenstößen, in der Festgabe Hanseatischer Juristen f ü r den Anwaltstag, 1929, S. 305ff.; Beitzke, Schiffskollisionen im Ausland, M D R 1959 S. 881 ; ders., Deliktsort und anwendbares Recht beim Schiffszusammenstoß, NJW 1961 S. 1993; ders., Nochmals zum Schiffszusammenstoß, NJW 1962 S. 427; Binder, Zur Auflockerung des Deliktsstatuts, RabelsZ 1958 S. 631 ; Brodmann, Z H R Bd. 59 S. 201 ff.; Çelik, Die Schadenstragung des Reeders beim Zusammenstoß von Schiffen durch gemeinsames Verschulden der Besatzungen im deutschen und türkischen Recht, Diss. F r a n k f u r t 1960; Cholet, Compétence et conflits des lois en matière d'abordage maritime, 1898; Corberand, La prescrition de l'action d'abordage en cas de dommages corporels, D M F 1962 S. 256; Dagnino, El Reglamento de abodages, 1943; Deutsche Denkschrift z u m IÜZ, Drucksache des Reichstags Bd. 280 Nr. 978; Fischer, Der Schiffszusammenstoß im internationalen Privatrecht, Diss. H a m b u r g 1937; Franck, De l'abordage, Etude de la législation et de la jurisprudence belge, 1901 ; Frankenstein, Internationales Privatrecht, Bd. 2 S. 537ff.; Garron, La faute du navire dans le droit de l'abordage, D M F 1964 S. 579ff.; Gilmore and Black, The Law of Admiralty, 1957 S. 395ff.; Govare u n d Warol, La fixication des dommages-intérêts en matière d'abordage en droit français, Festschrift Berlingieri 1964 S. 215 ff.; Graf uni Steinicke, Sorgfaltspflichten und Seemannsbrauch, Die Kommandobrücke 1971 S. 262, 1972 S. 21, 46, 56 und 80 = Schiffahrt International 1972 S. lOff., 81 ff.; Griesebach, H a n s R Z 1918, 343 ff. (mittelbarer Zusammenstoß); Griff in, The American Law of Collision, neue Aufl. 1963; Hackel, Ersatzpflicht des Reeders beim Zusammenstoß von Schiffen, Z H R Bd. 52 S. 171 und Bd. 54 S. 44; Hauer, Gerichtsbarkeit und Rechtsanwendung bei Schiffskollisionen, Seeverkehr 1968 S. 478; Helmers, Eine neue Seestraßenordnung in internationaler Beratung, Zur Reform des Schiffssicherheitsvertrages, Hansa 1971 S. 375 ff.; Hennebicq, L'assistance et l'abordage en loi international, Le Droit maritime Belge 1911 S. 110ff.; Himmelmann, Welches Recht ist beim Zusammenstoß von Schiffen anzuwenden?, Hansa 1958 S. 631; Jebens, Schaden durch Z u s a m m e n s t o ß von Schiffen, BuschA Bd. 6 S. 404ff.; Kreutziger, Zur Schadensabwicklung bei beiderseits verschuldetem Schiffszusammenstoß, VersR 1961 S. 490; ders., Einige Ansprüche bei Schiffszusammenstößen, Die Kommandobrükke 1963 S. 104; Lamprecht, Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen, Z H R Bd. 21 S. 12 ff. ; Lebuhn, Kollision deutscher Schiffe untereinander im Ausland, ein neuer Stil seerechtlicher Diskussion, Hansa 1962 S. 8; Manca, International Maritime Law, Bd. 3 S. 7 ff. ; Marsden, A Treatise on the Law of Collisions at Sea, 11. Aufl. 1961 von McGuffie mit Nachtrag 1973 (British Shipp. Laws Bd. 4); Mittelstein, H a n s R Z 1918 Beiheft 1, 53ff. (Brüsseler Übereinkommen und deutsches Gesetz); ders., HB 364ff.; Nolst Trennité, Schiffszusammenstoß u n d Versiche-
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rung, H a n s R G Z 1939 A 129ff.; Nörr, Die Rechtsprechung des BGH im Schiffahrtsrecht (ohne Seerecht), VersR 1960 S. 870ff.; van Oven, De uniformerende warking van het Brusselsche aanvaringstractaat, Leiden 1938; ders., Die Verteilung der Beweislast in Sachen betr. Zusammenstoß von Schiffen, in „Internationale Fragen des Binnenschiffahrtsrechts" (Heft 89 der Schriftenreihe des Zentral Vereins für deutsche Binnenschiffahrt), 1960; Pichotta, Der primafacie-Beweis im See- und Binnenschiffahrtsrecht, Göttinger Abhandlungen Heft 17, 1933; Piiteus, Limited Liability in collision cases, 1965; Plass, Internationales Kollisionsrecht, Assekuranz-Jahrb. Bd. 26 S. 181 ff.; Prien, Der Zusammenstoß von Schiffen, 1896; Rodière Traité Bd. 4 Evénement de mer, S. 17f.; Roelofsen, Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft bei Seeunfällen, Hansa 1956 S. 1037; Reinbek, HansRGZ 1933 A 350; Scemi, II diritto internazionale privato marittiomo ed aeronautico, 1936 S. 299; Scheurer, Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen, Diss. Leipzig 1913; Schulz, Das maßgebliche Statut der Schiffszusammenstöße nach deutschem und internationalem Privatrecht, Diss. Frankfurt/M 1965; Seibert, Der Untergang der Andrea Doria (Schiffskollision-Schadensproblem), MDR 1968 S. 296; Sienknecht, Das Brüsseler Übereinkommen von 1910 über den Zusammenstoß von Schiffen, sein Verhältnis zum geltenden Recht und seine internationale Bedeutung, Diss. Göttingen 1912; Sundström, Foreign Ships and Foreign Waters, British, American, German and Skandinavian Court Practises in Collision Case, Upsala 1971; Turgeon, De la compétence des tribunaux français en cas d'abordage entre navires étrangers, Revue internationale du droit maritime, Jahrg. 22 S. 245 ff. ; Wittmaack, Internationales Recht bezüglich der Ansprüche der Angehörigen, wenn bei einer Schiffskollision auf hoher See Menschen ums Leben gekommen sind, ZHR Bd. 65 S. 487; Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt, 4. Aufl. 1971 ; ders., Korreferat über die Möglichkeiten einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung im Gebiet des prima-facie-Beweises, in „Internationale Fragen des Binnenschiffahrtsrechts", Heft 89 der Schriftenreihe des Zentralvereins für deutsche Binnenschiffahrt, 1960; ders., Die Verteilung der Beweislast beim Schiffszusammenstoß, VersR 1974 S. 1052; Wriede, Ausgewählte Fragen zum Schadensersatzrecht bei Schiffsunfällen, 1976 (Schriften des Deutschen Vereins f ü r Internationales Seerecht A Heft 24); Wüstendörfer, SHR 400 ff. Über Schubverbände siehe Wassermeyer, Kollisionsprozeß S. 36ff.; ders., VersR 1964 S. 452; Papst, Rechtsfragen der Schubschiffahrt, ZfBSch, Sammlung der Rechtsprechung zum Schiffahrtsrecht und sonstige Veröffentlichungen über Rechtsfragen, 1971 S. 211; ders., ZfBSch 1963 S. 380. 1
I. Die Fassung des Zweiten Titels beruht auf dem Gesetz vom 7. 1. 1913 (RGBl. S. 49), durch das die Grundsätze des Internationalen Übereinkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen vom 23. 9. 1910 (IÜZ) in das deutsche Recht eingeführt wurden, und auf dem SRÄG, durch dessen Art. 1 Ziff. 37 § 737 neu gefaßt wurde. Art. 1 Ziff. 39 SRÄG hob § 739 Abs. 2 auf. Art. 1 Ziff. 38 setzte an die Stelle des bisherigen § 738 die §§ 738 bis 738 c, durch die die verfahrensrechtlichen Regeln des Übereinkommens von 1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen in das HGB eingearbeitet wurden, außerdem wurde § 738 durch § 738 c ersetzt. Siehe über die Kollision mit einem Reaktorschiff Anm. 2 zu Art. I des Brüsseler Reaktorschiff-Übereinkommens.
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II. 1. Zusammenstoß von Schiffen liegt an sich nur vor, wenn mehrere voneinander unabhängige Schiffe mittelbar oder unmittelbar körperlich aneinandergeraten. Die Überschrift dieses Titels entspricht mit Rücksicht auf § 738 c HGB nicht mehr seinem Inhalt, denn dort ist der Fall behandelt, daß ein Zusammenstoß, d. h. ein körperliches Aneinandergeraten, nicht vorliegt. Vgl. dazu § 738 c HGB Anm. 4.
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a) Schiffe müssen miteinander in Berührung kommen. Vgl. über den Schiffsbegriff Vorbemerkung vor § 476 H G B Anm. 1 ff. Es muß sich also handeln um mechanisch angetriebene Schiffe, Segler, Leichter (über den Begriff des Leichters vgl. R G Z 64, 21), Kähne, Schuten (RGZ 51, 334), bewegungsfähige Bagger (HansOLG H a n s G Z 1893 Nr. 105: HansOLG HansGZ 1921, 113 = HansRZ 1921, 348; 1222
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Ob. Prisengericht DJZ 1917, 821), Trajekt- oder Fährschiffe ( R G JW 1909 S. 721), unter U m ständen Fischheger ( H a n s O L G H a n s G Z 1886 Nr. 4) usw. Bohrschiffe und Bohrinseln sind Schiffe. Vgl. auch Vorbem. vor § 476 H G B A n m . 3 und 5. L G Kiel VersR 1969 S. 236 setzt eine in Bewegung befindliche Hubinsel, die mit einem Schiff kollidiert, im Sinne der kollisionsrechtlichen Vorschriften jedenfalls einem Schiff gleich. Zweifelhaft ist die Anwendung der kollisionsrechtlichen Vorschriften, wenn die Bohrinseln auf Arbeitsstation liegen. Doch ist sie auch hier wohl zu bejahen (Rodière, Traité Bd. 4 S. 28, verneint die Anwendbarkeit, wenn die Bohrinsel „verankert" ist). Auch in der Werft liegende oder vorübergehend aufgelegte Schiffe, die zur Zeit der Bewegungsfähigkeit entbehren, k o m m e n in Betracht ( R G JW 1896 S. 705); ferner D a m p f r a m m e n , Schwimmkräne (vgl. Ehlers, H a n s R Z 1927, 441); schwimmende Elevatoren, Baggerprähme ( R G DJZ 1906, 369 = H a n s G Z 1906 Nr. 74; O L G Kiel SchlHolst Anz 1909, 270), Taucherglocken u. a. Bei Hulks, Lagerkähnen k o m m t es darauf an, ob sie auch noch zur Ortsveränderung bestimmt sind. Ist das, wenn auch nur gelegentlich, der Fall, so sind sie als Schiffe anzusprechen. Faltbare Behältnisse, die d e m Transport von Flüssigkeiten dienen, sind Schiffe, denn unwesentlich f ü r den Schiffbegriff ist die Form, Größe (abgesehen von kleinen Booten u n d Gondeln, die nicht als Schiffe gelten), Ausrüstung, Besatzung und nautische Verwendung des Schwimmkörpers, ferner das Vorhandensein eigener Triebkraft, eines festen Decks, Steuers, Stevens oder Kiels. Nicht als Schiffe sind anzusehen eine Schwimmdocksektion ( R G Z 86, 430, R G Hansa 1927 S. 201), ein treibendes Wrack (anders Prüssmann, vor § 734 B 3, wenn es von der Besatzung noch nicht endgültig aufgegeben ist; siehe über ein gesunkenes Schiff als Wrack auch B G H VersR 1974 S. 544; vgl. über die Haftungsfragen bei Auflaufen auf ein Wrack unter besonderer Berücksichtigung der erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen zur Wrackbeseitigung nach der Kollision O L G Hamburg VersR 1972, 188. Das Verschulden, das bei dem Erstunfall z u m Sinken eines Schiffes führt, k a n n auch ursächlich sein für den Schaden, der einem dritten Schiff durch späteres A u f l a u f e n auf das Wrack entsteht.), ein abzuwrackendes, ausrangiertes Schiff am Werftliegeplatz, wohl aber ein wiedergehobener, b e m a n n t e r D a m p f e r im Schlepp ( H a n s O L G H a n s R G Z 1931 B 761 ff.). Nicht in Frage kommen Zusammenstöße mit Uferbauten ( H a n s O L G H a n s G Z 1896 Nr. 109; 1906 Nr. 110; OLGRechtspr. 14, 388; R G Bolze Bd. 13 Nr. 209; R G H a n s G Z 1910 Nr. 66; B G H Z 22, 197 = VersR 1957 S. 38), Brücken, Pieren, Hafenbollwerken ( H a n s O L G DJZ 1905, 464), Pontons (LG Hamburg und H a n s O L G H a n s G Z 1882 Nr. 80), Dückdalben, Flößen, auf Booten ruhenden Badeanstalten ( H G Hamburg H a n s G Z 1878 Nr. 116) usw. Siehe O L G H a m b u r g Hansa 1962 S. 2376 wegen Beschädigung einer privaten Löschbrücke, Hansa 1965 S. 1504 wegen Beschädigung einer Bunkeranlage durch ein losgerissenes Schiff (mangelhafte Vertäuung trotz Sturmwarnung). Siehe O L G Hamburg VkBl. 1973 S. 912 = VersR 1973 S. 912 über Schaden an einem Dalben durch ein Schiff und mitwirkendes Verschulden eines anderen Schiffes. Siehe auch BGH VersR 1967 S. 599 = Hansa 1967 S. 1627. Vgl. O L G Hamburg VersR 1976 S. 752 über Beschädigung einer Container-Brücke durch einen Schwimmkran. Beim Zusammenstoß mit Uferbauten oder schwimmenden Gegenständen, die kein Schiff sind oder deren Schiffscharakter zweifelhaft ist, gilt nur bürgerliches Recht. Doch können die Umstände die entsprechende A n w e n d u n g einzelner Bestimmungen des zweiten Titels auch in diesen Fällen rechtfertigen, z. B. beim Verholen von Schwimmdocks. Vgl. Wüstendörfer, SHR 402. Siehe dazu auch R G Z 86, 430. Über Beschädigung eines Unterwasserkabels durch ein Versorgungsschiff siehe O L G Bremen Hansa 1969 S. 785. Bei einem Zusammenstoß zwischen einem Schiff und einem Wasserflugzeug auf dem Wasser gelten für das Schiff die §§ 823 ff. BGB (also nicht die §§ 734 ff. HGB), f ü r das Wasserflugzeug die § § 3 3 ff. LuftVG. Wohl aber liegt ein Schiffszusammenstoß vor, wenn ein neben dem Schiff liegender Kahn 4 von diesem an die Kaimauer gedrückt wird ( H a n s O L G LZ 1907, 295 = HansGZ, 1907 Nr. 11 ; R G H a n s G Z 1911 Nr. 43). Auch k o m m e n die Vorschriften dieses Titels zur Anwendung, wenn nach einer Kollision zweier Schiffe das eine von ihnen infolge des Zusammenstoßes gegen einen Leitdamm rennt ( H a n s O L G O L G Rechtspr. 14, 389). Doch gilt das dann nur f ü r die Schadensberechnung unter den geschädigten Schiffseigentümern. Vgl. auch Anm. 9. 1223
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
In Vorbem. vor § 476 HGB Anm. 10 ist dargelegt worden, ein Schiffsbauwerk sei jedenfalls im Sinne des SchRG noch kein Schiff im Rechtssinne. Es sei aber nicht ausgeschlossen, gewisse Bestimmungen über das Schiff auf ein vom Stapel gelaufenes Schiffsbauwerk entsprechend zur Anwendung zu bringen. Das muß insbesondere für die §§ 734 ff. gelten. Doch kann das immer nur von dem Zeitpunkt ab gelten, in dem der eigentliche Stapellauf beendet, das Schiff nach diesem frei aufgeschwommen und die aus dem Stapellauf herrührende Ablaufgeschwindigkeit zum Stillstand gekommen ist. So auch Prüssmann, vor § 734 B 2. Weitergehend Schlegelberger, Anm. 1 zu § 734 HGB, der auf den gesamten Stapellauf die entsprechende der §§ 734ff. für gerechtfertigt hält; zweifelhaft die Formulierung bei Wüstendörfer, SHR 401 f.: „vom Zeitpunkt des Stapellaufs an". Der Ablaufvorgang selbst kommt deshalb für die entsprechende Anwendung noch nicht in Betracht, weil bei ihm die technischen Voraussetzungen ganz andere sind als bei einem frei schwimmenden Schiff, insbesondere also auch bei dem frei schwimmenden Schiffsrumpf des Schiffsbauwerks nach dem Ablauf. Versagen also beim Stapellauf die Bremsvorrichtungen oder ist die Auslaufstrecke unrichtig berechnet, so daß ein der Helling gegenüberliegendes Schiff von dem ablaufenden Schiff angerammt wird, so kommen nach der hier vertretenen Ansicht die §§ 734ff. noch nicht zur entsprechenden Anwendung. Damit scheidet insbesondere aber auch die Anwendbarkeit des § 738 c H G B (Verursachung starker Wellenbewegung durch das ablaufende Schiffsbauwerk; anders HansOLG HansGZ: Stapellauf der „Vaterland") auf den eigentlichen Stapellauf aus. Es bleibt also für den eigentlichen Stapellauf bei den bürgerlichrechtlichen Ansprüchen aus den §§ 823 ff. BGB. Vgl. auch Revue de droit international Bd. IX S. 251 und Bd. XXVII S. 727. - Die Frage der Anwendbarkeit der §§ 734 ff. ist somit nicht identisch mit derjenigen, wann ein Schiff im bautechnischen (vgl. HansOLG HansGZ 1919 Nr. 47), versicherungs- (vgl. z.B. RG HansGZ 1917 Nr. 30; HansOLG HansGZ 1916 Nr. 66; 1917 Nr. 141), eigentums- (vgl. HansOLG HansGZ 1919 Nr. 56; RG HansGZ 1919 Nr. 76) und pfandrechtlichem Sinne als fertiggestellt anzusehen ist. Soweit nach dem eigentlichen Ablauf des Schiffsbauwerks eine entsprechende Anwendung der §§ 734 ff. geboten ist, wie etwa beim Verholen des aufgeschwommenen Schiffsbauwerks, müssen auch die §§ 486 bis 487d HGB zur entsprechenden Anwendung kommen, so daß die in ihnen vorgesehenen Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung Anwendung finden. Das vom Stapel gelaufene Schiff dient zwar noch nicht dem Erwerb durch Seefahrt, die Anwendungsmöglichkeit ergibt sich jedoch aus Art. 7 Abs. 1 EGHGB. Nicht nur der Eigentümer des Schiffsbauwerks, sei dies, wie regelmäßig noch die Werft, oder bereits der Besteller, kann danach seine Haftung beschränken, sondern auch die an Bord befindlichen Werftarbeiter, die als Besatzungsangehörige oder sonstige Bedienstete des Schiffseigentümers im Sinne des § 487 Abs. 1 Ziff. 2 H G B anzusehen sind. Siehe auch Vorbemerkung vor § 476 Anm. 10.
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b) Mehrere Schiffe, d. h. im gewöhnlichen Falle zwei, ausnahmsweise mehr als zwei Schiffe (RG HansRZ 1919, 493), also auf Grund des § 738 c auch der Zusammenstoß zweier Schiffe, bei welchem das Verschulden eines dritten Schiffes mitgewirkt hat (Kollision eines Schiffes mit dem Anhang eines Schleppers). Hier stoßen zwar physisch nur zwei Schiffe zusammen, doch wird auch ein drittes Schiff von den rechtlichen Konsequenzen betroffen (vgl. Mittelstem, HansRZ 1918 Beiheft 2; Griesebach, Mittelbarer Zusammenstoß mehrerer Schiffe, HansRZ 1918, 343; R G HansRZ 1919, 495; HansOLG HansGZ 1919 Nr. 62 und §§ 735 HGB Anm. 7ff.; Anh. zu § 735 HGB; § 736 HGB Anm. 36ff.).
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c) Voneinander unabhängige Schiffe: §§ 734 ff. gelten nicht bei Zusammenstößen zwischen Schlepper und Schleppschiff (RG HansGZ 1892 Nr. 3 = Bolze Bd. 13 Nr. 229; 1894 Nr. 75; BGHZ 25, 244 = VersR 1957 S. 308 = NJW 1957 S. 1717), hier gilt vielmehr nur der Schleppvertrag (vgl. Vorbemerkung zu § 556 Anm. 27 ff. über diesen). Siehe Sieveking, 143; Mittelstein, HB 369; Wüstendörfer, SHR 401; Schlegelberger, Anm. 2 zu § 734; Prüssmann, vor § 734 C 3 a ; B G H Z 25, 244). Über den Zusammenstoß eines Schleppzugs mit einem dritten Schiff vgl. jedoch § 736 H G B Anm. 37; Anhang zu § 735 H G B ; § 735 Anm. 7. Stoßen zwei geschleppte Schiffe zusammen, so ist in erster Linie ein zwischen ihnen bestehendes Vertragsverhältnis maßgebend, welches z. B. gesellschaftsähnlicher Natur ist, wenn sie sich zwecks gemeinsamer Annahme des Schleppers zusammengetan haben. Fehlt es an einem Vertragsverhältnis zwi1224
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sehen den Schleppschiffen, so sind die Vorschriften dieses Titels maßgebend, wobei jedoch die Verschuldensfrage unter Berücksichtigung ihrer nautischen Abhängigkeit (vgl. Anh. zu § 735 HGB Anm. 1) zu prüfen ist. Siehe auch § 92 f. BSchG. Soweit jedoch der Schlepper an dem Zusammenstoß der Schleppschiffe indirekt (§ 738 c HGB) beteiligt ist, gilt für das Verhältnis zwischen ihm und den Schleppschiffen wiederum der Schleppvertrag (abweichend Brodmann, bei Borchardt Bd. 13 S. 333 Note 3). Über Schubverbände siehe Wassermeyer, Kollisionsprozeß 36 ff. und VersR 1964 S. 452; ders., Die rechtlichen Probleme der Schubschiffahrt, Europäisches Transportrecht, 1972 S. 1; ders., Die Bedeutung des § 22 W H G für die Binnenschiffahrt, Sammlung der Rechtsprechung zum Schiffahrtsrecht und sonstige Veröffentlichungen über Rechtsfragen, ZfBSch 1973 S. 483 (mit Stellungnahme von Pabst). Pabst, Rechtsfragen der Schubschiffahrt, Sammlung der Rechtsprechung zum Binnenschiffahrtsrecht und sonstige Veröffentlichungen über Rechtsfragen, ZfBSch 1971 S. 211, auch ZfBSch 1963 S. 380. Wird ein drittes Fahrzeug von einem Schubverband angefahren und trifft dessen Besatzung die Schuld an dem Zusammenstoß, so haften für den Schaden die Eigner des Schubschiffes und der Schubleichter gesamtschuldnerisch. Intern ist der Schubverband ein Schiff (so Wassermeyer, Kollisionsprozeß a. a. O., Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt, VersR 1974 S. 991 mit Anm. von Wassermeyer). Nach Pabst haftet der Schubleichtereigentümer nur, wenn ihn ein Verschulden trifft, und das könnte nur vorliegen, wenn der Schubleichter nicht fahrtüchtig oder mangelhaft ausgerüstet ist. Siehe über Schubverbände insbesondere auch Institut du Droit International des Transports, Rouen, Les problèmes juridiques posés par le poussage fluvial, 1971. d) Ob die zusammenstoßenden Schiffe in Bewegung waren oder nicht, ist gleichgültig. Über 8 die Schuldfrage bei Kollision mit einem stilliegenden Schiff siehe unten § 735 H G B Anm. 78 ff. Vgl. auch Anm. zu Art. 2 IÜZ. e) Körperliches Aneinandergeraten gehört zum Zusammenstoß, und zwar ein Aneinander- 9 geraten des schädigenden Schiffes unmittelbar mit dem geschädigten Schiff (nicht auch mit einem dritten Schiff oder einem anderen Gegenstand, der dann seinerseits infolge dieses Zusammenstoßes mit dem geschädigten Schiff kollidiert). Ein Aneinandergeraten liegt auch dann vor, wenn ein an der Seite des einen Schiffes hängender Anker oder ein sonstiger über Bord hängender Gegenstand (Davit, Boot, Ladebaum, gefierte Raa, Fallreep usw.) mit dem anderen Schiffe in Berührung kommt, dadurch den Stoß auffängt und den unmittelbaren Zusammenprall der Schiffskörper verhindert (HansOLG HansGZ 1891 Nr. 94); wenn ein zum Anhang eines Schiffes gehöriger Kahn durch die Zugkraft des Schiffes gegen ein anderes Schiff geschleudert wird (RG JW 1901 S. 332 Nr. 17); wenn die Schraube eines Dampfers gegen ein anderes Fahrzeug schlägt (RG HansGZ 1893 Nr. 43) oder umgekehrt; wenn der Klüverbaum eines Seglers in die Takelage eines anderen gerät (HansOLG HansGZ 1910 Nr. 71). Ein Zusammenstoß liegt auch vor, wenn bei absichtlichem Längsseitgehen eines Zollkreuzers bei einer Segeljacht Schäden an deren Vorsegel entstehen (OLG Kiel, HansRGZ 1935 B 633). Mit Recht hat LG Hamburg HansGZ 1884 Nr. 115 dagegen einen Schiffszusammenstoß in einem Falle verneint, wo der Stoß des einen Schiffes mittels einer Eisscholle auf das andere Schiff übertragen war. Vgl. wegen Bordens eines Zollfahrzeuges auch OLG Hamburg VersR 1957 S. 357.d Auch leichte Beruhrungen (Anschlagen, Schrammen), wie sie im Hafen verkehr häufig vor- 1 0 kommen, sind an sich Kollisionen. Doch müssen Schiffe stark genug gebaut sein, um solche Berührungen auszuhalten (BGH Hansa 1959 S. 1706 = VersR 1959 S. 504 = ZfBsch. 1959 S. 337). Die Schuldhaftigkeit pflegt mit Recht verneint zu werden, da mit dieser Art von Kollisionen stets zu rechnen ist (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 93) und auch die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht zur Vermeidung solcher Berührungen führen kann (kritisch dazu Wassermeyer, S. 66). Dagegen liegt ein körperliches Aneinandergeraten nicht vor, wenn ein Schiff auf den ausge- 1 1 brachten Anker eines anderen stößt (HansOLG HansGZ 1891 Nr. 94; 1892 Nr. 76; anders Wassermeyer, Kollisionsprozeß S. 52), wenn ein Schiff mit seinem Anker unter den Draht des ausgebrachten Ankers eines Saugbaggers gerät (OLG Hamburg VersR 1973 S. 1115), wenn es 1225
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
durch zu rasches Vorbeifahren Dünung erzeugt und dadurch das Vollschlagen und Wegsinken eines anderen Fahrzeugs verursacht (HansOLG HansGZ 1891 Nr. 65; vgl. die Fälle HansGZ 1898 Nr. 8; 1900 Nr. 61); wenn ein Schiff durch falsches Manöver (z. B. durch zu rasches Überholen, wodurch Strömung, Wellenschlag, Sog hervorgerufen wird) oder durch sonstiges Verschulden andere Schiffe in Kollision bringt, ohne selbst mit einem derselben auch nur mittelbar in Berührung zu geraten. Vgl. HG und O G Hamburg HansGZ 1870 Nr. 352; 1871 Nr. 88; R O H G 4 Nr. 21; H G Hamburg HansGZ 1879 Nr. 119; HansOLG HansGZ 1898 Nr. 74 und 1899 Nr. 23. Anders HansOLG HansGZ 1885 Nr. 106, 112; 1905 Nr. 37 a. E ; R G HansGZ 1906 Nr. 5. Keine Schiffskollision liegt ferner vor, wenn ein Schiff gegen die Trosse eines Schleppzuges fährt. Siehe auch Anm. 9 a. E. 12
Alle diese Fälle können aber durch § 738 c HGB in das Kollisionsrecht einbezogen und damit den Vorschriften dieses Titels unterworfen sein. Siehe hierüber die Anm. zu § 738 c und zu Art. 13 IÜZ, ferner Mittelstein, HB 365.
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2. Nur auf außervertragliche Verhältnisse beziehen sich die §§ 734 ff. Gegenüber der eigenen Ladung, den eigenen Passagieren, der eigenen Besatzung bleiben die Vorschriften über die Haftung aus Verträgen unberührt (§ 737 HGB). Unberührt bleibt auch § 485 Satz 2 HGB, wonach der Reeder den eigenen Ladungsbeteiligten nur soweit haftet, wie der Verfrachter ein Verschulden der Schiffsbesatzung zu vertreten hat. Das ist von Bedeutung, weil § 607 Abs. 2 H G B die Haftung des Verfrachters für nautisches Verschulden der Schiffsbesatzung aufhebt und gerade nautisches Verschulden beim Schiffszusammenstoß häufig eine Rolle spielt. Von den außervertraglichen Verhältnissen sind in den §§ 734 ff. nicht geregelt die Verhältnisse gegenüber der Behörde, welche das Fahrwasser frei zu halten hat ( R O H G 25, 230; R G Z 73, 8 = H a n s G Z 1910 Nr. 66).
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Die §§ 734 ff. betreffen die Haftung für Schäden, die dem Schiff, den an Bord befindlichen Personen oder Sachen durch den Zusammenstoß zugefügt sind, allerdings, wie in dem vorhergehenden Absatz dargelegt, nur die außervertragliche Haftung. Die §§ 734ff. bilden lediglich einen Anwendungsfall der allgemeinen Haftungsvorschriften des Seerechts, wie sie in § 485 HGB niedergelegt sind. Unberührt bleiben nach § 737 HGB auch die Vorschriften über die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung des Reeders, wie sie sich für das deutsche Recht in den §§ 486 bis 487 d H G B finden. Neben den §§ 734 ff. gelten ebenso wie neben § 485 HGB die Bestimmungen der §§ 823 ff. BGB (vgl. darüber Anm. 28 zu § 485 HGB), wie überhaupt die allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts, insbesondere auch bezüglich des Umfangs der Schadensersatzpflicht, zur Anwendung kommen, soweit sich in den §§ 734 ff. nicht Sonderbestimmungen finden (RGZ 153, 171; RG Recht 1910 Nr. 1155; JW 1913 S. 862 Nr. 8).
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3. §§ 734ff. kommen zur Anwendung. a) für alle Zusammenstöße von Seeschiffen, gleichviel, ob deren Verwendung zur Seefahrt des Erwerbes wegen erfolgt oder nicht (Art. 7 Abs. 1 EHGB), gleichviel ferner, ob der Zusammenstoß auf hoher See oder in Binnengewässern stattfindet (vgl. auch BGHZ 25, 244 = VersR 1957 S. 708 = NJW 1957 S. 1717). Die §§ 7 3 4 - 7 3 9 gelten also auch bei Zusammenstoß von Kriegsschiffen oder sonstigen hoheitlichen Zwecken dienenden Schiffen untereinander oder mit Handelsschiffen (RGZ 21, 104; 72, 347 = JW 1910 S. 242; 79, 178 = JW 1912 S. 693 = LZ 1913, 454; OLG Kiel H a n s R G Z 1935 B 633 (Zollkreuzer); HansOLG HansGZ 1913 Nr. 47 = Hansa 1913 S. 393 (Kollision eines Schiffes mit einem staatlichen Polizeiboot); HansOLG LZ 1912, 246 = HansGZ 1911 Nr. 137 (Zollbarkasse); vgl. auch OLG Kiel SchlHolstAnz. 1911 S. 181 ff.; OLG Königsberg HansRGZ 1930 B 499; OLG Hamburg VersR 1957 S. 357 (Zollkreuzer); Boyens, Bd. 2 S. 53 und ZHR Bd. 61 S. 623; Pappenheim, HB 2 S. 13 Note 2; BGHZ 3, 321. Über eine Besonderheit der Kollisionsfälle, in denen ein staatliches Schiff beteiligt ist, vgl. Anm. 20 zu § 735 HGB. Hat ein Beamter bei Führung eines staatlichen Schiffes in Ausübung seiner Amtspflicht den Zusammenstoß verursacht, so kann der Staat sich gegenüber dem auf §§ 735, 485 f. HGB, Art. 7 Abs. 1 E G H G B gestützten Schadensersatzanspruch nicht unter Bezugnahme auf § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB darauf berufen, daß der Reeder des Schiffes, mit dem die Kollision erfolgte, vom Kaskoversicherer Ersatz verlangen könnte (BGHZ 3, 321 = NJW 1952 S. 1135). Entsprechendes gilt f ü r die sonstigen Geschädigten dieses Schiffes. An1226
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ders als §§ 734ff. HGB gilt das IÜZ gemäß seinem Art. 11 nicht für Kriegsschiffe und sonstige hoheitlichen Zwecken dienende Schiffe. Vgl. aus der Spezialliteratur über Staatsschiffe Hertz, Die Haftung des Reichs für ein Ver- 1 6 schulden der Besatzung von Kriegsschiffen, GruchotsBeitr. Bd. 55 S. 39; Pappenheim, Die Haftung des Staats aus der Verwendung von Seeschiffen im öffentlichen Dienst nach Art. 7 EGHGB, LZ 1910, 417; ders., Zur Frage der Haftung des Reichs für das Verschulden der Besatzung von Kriegsschiffen, GruchotsBeitr. Bd. 56 S. 19; Sebba, Unterseeboot und Seestraßenrecht, HansRZ 1918, 305, Hansa 1910 S. 549 u. 793, 1914 S. 429; Bruns, Die privatrechtliche Stellung der nicht dem See-Erwerb dienenden Schiffe, Diss. Heidelberg 1910; Sienknecht, a. a. O.; Wehrmann, Die Anwendbarkeit der Bestimmungen des privaten Seerechts über die Haftung des Reeders für Verschulden der Schiffsbesatzung auf Kriegsschiffe und Dienstfahrzeuge der Marineverwaltung, Diss. Kiel 1939; Matsunami, Collision Warship v. Merchant Vessel, 1900. b) bei Zusammenstößen eines Seeschiffes und eines Binnenschiffes (§ 739 HGB; BGHZ 25, 1 7 249 = VersR 1957 S. 708 = NJW 1957 S. 1717). Für die Anwendung des Binnenschiffahrtsgesetzes (vgl. dessen § 92) verbleiben also nur die Zusammenstöße mehrerer Binnenschiffe. Erfolgt der Zusammenstoß zweier Binnenschiffe allerdings auf See, so gelten die §§ 734 — 739, denn es kommt dann richtiger Ansicht nach das sich aus der geographischen Lage der Schiffe ergebende Recht zur Anwendung; so im Ergebnis auch Mittelstein, a. a. O.. Auch die Kollision von Binnenschiffen auf der Außentrave unterliegt deshalb den seerechtlichen Bestimmungen (OLG Hamburg Hansa 1967 S. 442). Die Frage, ob das schuldige Schiff ein Seeschiff oder ein Binnenschiff ist, ist indessen für die Frage des „Wie" der beschränkten Haftung des Reeders oder Schiffseigners von Bedeutung, indem für Seeschiffe nunmehr im deutschen Recht das Summenhaftungssystem gilt (§§ 486 bis 487 d HGB), während für Binnenschiffe noch die Beschränkung der Haftung auf das sog. Schiffsvermögen besteht (vgl. § 4 BSchG). Die §§ 92, 92 a bis 92 f und 118 BSchG haben auf Grund des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. März 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen sowie zur Änderung des Binnenschiffahrtsgesetzes und des Flößereigesetzes vom 30. 8. 1972 (BGBl. II S. 1006) folgende Fassung: §92 (1) Die Schadensersatzpflicht beim Zusammenstoß von Binnenschiffen bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 92 a bis 92 f. (2) Fügt ein Schiff durch Ausführung oder Unterlassung eines Manövers oder durch Nichtbeobachtung einer Verordnung einem anderen Schiff oder den an Bord der Schiffe befindlichen Personen oder Sachen einen Schaden zu, ohne daß ein Zusammenstoß stattfindet, so finden die Vorschriften der §§ 92 a bis 92 f entsprechende Anwendung. (3) Als Schiffe im Sinne dieser Vorschriften sind auch Kleinfahrzeuge anzusehen. Den Schiffen stehen bewegliche Teile von Schiffsbrücken gleich. § 92 a Im Falle eines Zusammenstoßes von Schiffen besteht kein Anspruch auf Ersatz des Schadens, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen durch Zufall oder höhere Gewalt zugefügt worden ist oder dessen Ursachen ungewiß sind. § 92 b Ist der Schaden durch Verschulden der Besatzung eines der Schiffe herbeigeführt, so ist der Eigner dieses Schiffes zum Ersatz des Schadens verpflichtet. 1227
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB § 92 c
(1) Ist der Schaden durch gemeinsames Verschulden der Besatzungen der beteiligten Schiffe herbeigeführt, so sind die Eigner dieser Schiffe zum Ersatz des Schadens, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Sachen zugefügt wird, nach dem Verhältnis der Schwere des auf jeder Seite obwaltenden Verschuldens verpflichtet. Kann nach den Umständen ein solches Verhältnis nicht festgesetzt werden oder erscheint das auf jeder Seite obwaltende Verschulden als gleich schwer, so sind die Schiffseigner zu gleichen Teilen ersatzpflichtig. (2) Für den Schaden, der durch die Tötung oder die Verletzung des Körpers oder der Gesundheit einer an Bord befindlichen Person entstanden ist, haften die Schiffseigner, wenn der Schaden durch gemeinsames Verschulden herbeigeführt ist, dem Verletzten als Gesamtschuldner. Im Verhältnis der Schiffseigner zueinander gelten auch für einen solchen Schaden die Vorschriften des Absatzes 1. §92d Bei der Anwendung der §§ 92 b, 92 c steht das Verschulden eines an Bord tätigen Lotsen dem Verschulden eines Mitglieds der Schiffsbesatzung gleich. §92e Die §§ 92 bis 92 d gelten auch, wenn die beteiligten Schiffe zu demselben Schleppverband gehören. §92f (1) Die §§ 92 bis 92 e gelten auch für die Haftung der Personen der Schiffsbesatzung und der Lotsen. (2) Die Vorschriften über die Beschränkung der Haftung des Schiffseigners, der Besatzungsmitglieder und der Lotsen und über ihre Haftung aus Verträgen bleiben unberührt, § 118 (1) Ersatzansprüche aus dem Zusammenstoß von Schiffen (§§92 bis 92 f) verjähren mit Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis. (2) Ausgleichsansprüche unter mehreren f ü r einen Schaden aus einem Zusammenstoß als Gesamtschuldner haftenden Schiffseignern verjähren mit dem Ablauf eines Jahres. Die Verjährung beginnt mit dem Tage der Zahlung, auf Grund deren die Ausgleichung verlangt wird, oder, wenn vorher eine gerichtliche Entscheidung über die Höhe der gesamtschuldnerischen Haftung rechtskräftig geworden ist, mit dem Tage der Rechtskraft der Entscheidung. Die Verjährung von Ansprüchen, die einem Gesamtschuldner wegen des Ausfalls, den er bei der Ausgleichung durch die Zahlungsunfähigkeit eines anderen Gesamtschuldners erleidet, gegen die übrigen Gesamtschuldner zustehen, beginnt jedoch nicht vor dem Tage, an dem der Berechtigte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit erlangt. Die oben aufgeführten §§ 92 ff. BSchGG ersetzen die auf Grund des früheren § 92 BSchG bis dahin geltende Verweisung auf die seerechtlichen Bestimmungen bei Zusammenstößen von Binnenschiffen untereinander. Doch sind die sachlichen Bestimmungen grundsätzlich gleich. Sie gehen für das Binnenschiffahrtsrecht auf das Übereinkommen von 15. März 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen zurück; vgl. BGBl. 1972 II S. 1006 ff. 18
4. Der Verhütung von Schiffszusammenstößen dient eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen, in denen Verkehrsregelungen für bestimmte Gebiete enthalten sind. Diese Regelungen beruhen zu wichtigen Teilen auf internationaler Vereinbarung. In Betracht kommen die Seestraßenordnung in der bisher seit dem 1. 9. 1965 auf Grund des Schiffssicherheitsvertrages 1960 geltenden Fassung (frühere Fassung vom 5. 2. 1906). Siehe über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Schiffssicherheitsvertrag 1960 BGBl. 1965 II S. 465. Eine neue SeeStrO wurde im Oktober 1972 in London beschlossen, die aus dem Schiffssicherheitsvertrag herausgelöst wurde und am 15. Juli 1977 in 1228
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Kraft treten wird (s. Gesetz v. 26. 6. 1976, BGBl. II S. 1917). Siehe dazu Söhnke u n d Hübschmann, Hansa 1973 S. 539 ff. und Schiffahrt International (Seekiste) 1973 S. 255 ff., Helmers, Eine neue Seestraßenordnung in internationaler Beratung, Zur Reform des Schiffssicherheitsvertrages, Hansa 1971 S. 375; ders., Zur neue Seestraßenordnung, Hansa 1976 S. 363; Roth, Seestraßenordnung tritt 1977 in Kraft — Rechtliche Aspekte des Zustimmungsgesetzes, Hansa 1976 S. 363. Die VO über das Verhalten von Fahrzeugen im Bereich von Verkehrstrennungsgebieten auf der Hohen See vom 17. Juli 1973 (BGBl. I 1973) regelt ein dringendes Problem vorweg (siehe dazu Lampe, Fahrregeln für Verkehrstrennungsgebiete jetzt zwingend, Hansa 1973 S. 1592). Über die Vorgeschichte und Entstehung der SeeStrO siehe Busch, Hansa 1953 S. 1056 ff. und 1747 ff. Als Ergänzung der SeeStrO mit grundsätzlichem Vorrang vor ihr für die mit der See zusammenhängenden Wasserstraßen ist die Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung mit jetzigem D a t u m vom 3. Mai 1971 (BGBl. I 641) mit ihren Anlagen I (Schiffahrtszeichen) und II (Sichtzeichen und Schallsignale der Fahrzeuge) erlassen (Änderungen v. 7. 7. 1972 BGBl. I S. 1169, und v. 26. 5. 1976, BGBl. I S. 1302). Siehe dazu Ehlers, M D R 1971 S. 889). Für die H ä f e n sind regelmäßig besondere H a f e n o r d n u n g e n ergangen, so für H a m b u r g das Hafengesetz vom 21. 12. 1954 (GVOB1. 1954 S. 169) (vgl. dazu Schattschneider, Hansa 1954 S. 199 ff., Ipsen, Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1956, S. 418 ff. ; Scholvien, Hansa 1959 S. 1500 ff. u n d 1642 ff.), für Bremen das Hafengesetz vom 27. 9. 1966 (GBl. S. 131). F ü r die Häfen in Schleswig-Holstein gilt die H a f e n o r d n u n g (Polizeiverordnung) vom 24.4. 1956 (BGBl. II S. 451) mit Änderung vom 10. 9. 1956 (BGBl. II S. 924). Auf die Binnengewässer jenseits des Anwendungsbereichs der Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung k o m m t grundsätzlich die Binnenschiffahrtsstraßen-Ordnung v. 11. 10. 1966 (BGBl. II S. 1334) i. d. F. der VO v. 3. 3. 1971 mit Ä n d e r u n g zur Anwendung, auf dem Rheingebiet die Rheinschiffahrt-Polizeiverordnung mit dem jetzigen Datum v. 5. 8. 1970 (BGBl. II S. 1305 und Anlage zu BGBl. 1970 II Nr. 87), auf der Donau die Donauschiffahrts-Polizeiverordnung v. 18.3. 1970, auf der Mosel die Moselschiffahrts-Polizeiverordnung v. 8.7. 1971 (BGBl. I S. 833). Alle diese Bestimmungen sind d e m vom Unterausschuß Binnenschiffahrt des ECE in Genf ausgearbeiteten Entwurf von 1962 für eine einheitliche europäische Binnenschiffahrtsstraßenordnung (Code européen des voies de navigation intérieure) angepaßt. 5. Internationales Privatrecht. 19 Die sehr zweifelhafte Frage, nach welchem Recht ein Kollisionsfall zwischen Schiffen verschiedener Nationalität zu entscheiden ist, hat durch Art. I IÜZ einen erheblichen Teil ihrer früheren Bedeutung eingebüßt, da innerhalb des Anwendungsbereichs des IÜZ dessen Normen in erster Linie zur Anwendung k o m m e n (siehe dazu auch BGH VersR 1961 S. 77 = Hansa 1961 S. 656, VersR 1962 S. 717 und 753, 1976 S. 681 ; OLG Hamburg VersR 1976 S. 683 Das IÜZ ist im Anhang I zu diesem Titel wiedergegeben. Das I Ü Z findet auf alle Beteiligten Anwendung, wenn sämtliche beteiligten Schiffe Ver- 2 0 tragsstaaten angehören. Doch gilt das nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 IÜZ nicht, wenn alle Beteiligten demselben Staat angehören, wie das mit der Sache befaßte Gericht. Es gilt dann das nationale Recht. Nach § 1 RechtsanwendungsVO v. 7. 12. 1942 (RGBl. 1 S. 706) ist deutsches Recht uneingeschränkt anwendbar, wenn deutsche Schiffe in ausländischen Hoheitsgewässern kollidieren ( B G H Z 34, 222). Auf die Staatsangehörigkeit der Ladungseigentümer kommt es nicht an. Vgl. auch BGH NJW 1959 S. 769. Das IÜZ gilt auch dann, wenn See- und Binnenschiffe von Vertragsstaaten zusammenstoßen, o h n e Rücksicht darauf, in welchen Gewässern der Zusammenstoß stattgefunden hat, also auch auf Flußstrecken (siehe BGH VersR 1973 S. 613 über den Zusammenstoß zwischen einem norwegischen Küstenmotorschiff und einem deutschen Binnenschiff auf dem Rhein, O L G H a m b u r g VersR 1970 S. 419 über den Zusammenstoß zwischen einer Motorbarkasse mit einem holländischen Küstenmotorschiff im Hamburger Hafen). Das IÜZ gilt nicht f ü r Kriegsschiffe u n d Staatsschiffe des ausschließlich öffentlichen Dienstes (Art. II IÜZ). Siehe dazu B G H Z 3, 321 : Zusammenstoß eines deutschen Kriegsschiffes mit einem schwedischen Kauffahrteischiff auf der Reede von Brunsbüttelkoog, B G H VersR 1972 S. 760: Kollision zwischen einem niederländischen Binnenschiff und einem Dienstfahrzeug der deutschen Wasser- und Schiffahrtsdirektion im Bereich der Seewasserstraße Ems. 1229
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
Auch wenn die Schiffe Vertragsstaaten des IÜZ angehören, bleiben hiernach Fälle, in denen die Entscheidung über das anzuwendende Recht aus den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Privatrechts hergeleitet werden muß. Vornehmlich aber ist zu beachten, daß das IÜZ lediglich die Frage regelt, wann bei einem Schiffszusammenstoß zu haften ist, aber nicht das Wie der Haftung, wenn diese nach dem IÜZ zu bejahen ist. Die Frage der Haftungsbeschränkung ist also auch bei Anwendbarkeit des IÜZ nach dem sonst in Betracht kommenden nationalen Recht zu beurteilen. Siehe dazu die Einzelheiten unten Anm. 27.
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Vor allem aber kommen die allgemeinen Grundsätze des internationalen Privatrechts zur Anwendung, wenn eines oder beide Schiffe Staaten angehören, die nicht Mitglied des IÜZ sind. Soweit nicht eine Einigung der Parteien über das anzuwendende Recht vorliegt (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 97; R G Z 40, 197; 44, 154; 58, 367; 73, 388; HansOLG Hamburg VersR 1961 S. 823), welche auch stillschweigend geschehen, insbesondere auch aus dem prozessualen Verhalten der Parteien entnommen werden kann (RG WarnRechtspr. 1911 Nr. 111 ; 1915 Nr. 164 — der Beklagte hatte sich auf deutsches Recht berufen und der Kläger nicht widersprochen; vgl. auch OLG Rostock MecklZ 1909 S. 334), ist die Frage nach dem nach allgemeinen Grundsätzen (wenn also das IÜZ nicht zur Anwendung gelangt oder für die konkrete Frage nicht eingreift) anzuwendenden Recht folgendermaßen zu beantworten (und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Privat- oder Staatsschiffe handelt): 23 a) Das Recht des Tatortes, also deutsches Recht, ist stets anzuwenden, soweit Ersatzansprüche erhoben werden aus in deutschen Gewässern erfolgten Kollisionen, gleichviel ob gegen deutsche oder ausländische Schiffe. Vgl. R O H G 3, 30; R G Z 21, 136: 153, 171 ; RG Recht 1902 Nr. 171 ; R G SeuffA Bd. 84 Nr. 69; OLG Hamburg HansRGZ 1932 B Nr. 192; OGHBrZ 2, 379; 4, 194 = MDR 1950 S. 729 = NJW 1951 S. 27; BGHZ 3, 321 = MDR 1952 S. 160 = NJW 1952 S. 259; BGH Hansa 1957 S. 1867; BGHZ 29, 237 = NJW 1959 S. 769 = Hansa 1959 S. 930 = M D R 1959 S. 371 ; OLG Hamburg Hansa 1956 S. 1050 und 1962 S. 453; OLG Bremen VersR 1973 S. 150; Schiedsgericht Hamburg HansRGZ 1942 B Nr. 127; Wassermeyer, Kollisionsprozeß S. 27; Schiedsgericht Gdynia bei Richter undWeigelt, S. 124. Das gilt selbst dann, wenn die beiden kollidierenden Schiffe derselben fremden Nationalität angehören (RGZ 21, 136) oder ihre Heimatrechte einander ähneln ( O H G B r Z 4 , 194). Deutsche Gewässer sind solche, die in deutscher Territorialhoheit stehen, also auch die Küstengewässer. Auch Schiffskollisionen auf dem Nordostsee-Kanal gehören deshalb hierher. Auch Ansprüche aus einer Fernschädigung im deutschen Hoheitsgebiet unterliegen dem deutschen Recht (HansOLG Hamburg Hansa 1960 S. 1640; BGH M D R 1950 S. 729; Hansa 1956 S. 1050).
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b) Das Recht des Tatorts ist auch anzuwenden bei Ansprüchen gegen ein fremdes Schiff wegen einer in ausländischen Gewässern stattgehabten Kollision. Vgl. BGHZ 29, 237 = Hansa 1959 S. 1867 = MDR 1959 S. 371 und 532 (Anm. von Sieg) = NJW 1959 S. 769 = VersR 1959 S. 267; O L G Köln M D R 1950 S. 729. Für das ausländische Recht wird die gleiche Auffassung vertreten von Rabel, Conflict of Laws, Bd. II 1947 S. 343; Scerni, II diritto internationale privato maritimo ed aeronautico, Padua 1936, S. 301 ff.; Rodière, Traité Bd. IV Evénement de mer S. 114 und die dort angeführte französische und belgische Rechtsprechung; Ripert, Droit Maritime, Bd. III Nr. 2074; Makarov, RabelsZ Bd. 15 S. 61 (für Italien); Appellationsgericht Den Haag, Neederl. Jurisprudenti 1937 Nr. 108; f ü r die USA Binder, RabelsZ Bd. 20 S. 448; f ü r Portugal Art. 674 HGB; für Schweden RabelsZ Bd. 13 S. 834; f ü r Dänemark See- und Handelsgericht Kopenhagen Hansa 1957 S. 2221. Die Ansicht in Großbritannien fordert jedenfalls, daß auch das Recht des Tatorts einen Ersatzanspruch gewährt. Es ist also nur folgerichtig, wenn die deutsche Rechtsprechung (vgl. oben Anm. 23) für Kollisionen in deutschen Gewässern ständig deutsches Recht zur Anwendung bringt, und zwar auch bei Kollisionen, an denen ausländische Schiffe mit oder allein beteiligt sind. Doch haftet ein deutscher Reeder bei einer Kollision mit einem ausländischen Schiff in ausländischen Hoheitsgewässern nach Art. 12 EGBGB nicht weitergehender als nach deutschem Recht, während ihm eine günstigere Regelung des Tatorts zugute kommt (BGHZ 29, 237; OLG Hamburg MDR 1964 S. 421). Die Neigung deutscher Gerichte, auch dann deutsches Recht anzuwenden, wenn die Kollision 1230
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eines deutschen Schiffes in ausländischen Gewässern mit einem ausländischen Schiff erfolgte (siehe R G Z 19, 7), hat sich seit BGHZ 29, 237 gewandelt (siehe dazu auch Sieg, MDR 1959 S. 532). Siehe wegen der früheren Rechtsprechung auch HansOLG HansGZ 1906 Nr. 154; 1913 Nr. 52; H a n s R G Z 1940 B 7; RG JW 1938 S. 1903. Auf Grund der von der deutschen Rechtsprechung noch für gültig angesehenen RechtsanwendungsVO v. 7. 12. 1942 (siehe dazu Anm. 34 zu § 485 HGB) kommt deutsches Recht für alle Fragen mit Ausnahme des örtlichen Verkehrsrechts zur Anwendung, wenn deutsche Schiffe in ausländischen Gewässern kollidieren. Vgl. BGHZ 34, 222 = VersR 1961 S. 267 = Hansa 1961 S. 874 = NJW 1961 S. 731 = JZ 1961 S. 423 mit Anm. von Wengler. Das soll nach BGHZ 34, 227 = NJW 1961 S. 1063 auch gelten für Ansprüche des ausländischen Ladungsgeschädigten bei Kollisionen deutscher Schiffe in fremden Hoheitsgebieten. Siehe auch OLG Hamburg MDR 1964 S. 431; Beitzke, Schiffskollisionen im Ausland, MDR 1959 S. 881 ff. und NJW 1961 S. 1993; Binder, RabelsZ Bd. 20 S. 411 f. und 491 f. Siehe wegen der Höhe der Haftung und der beschränkten Reederhaftung unten Anm. 27. Unbestritten ist, daß für die Beurteilung des nautischen Verhaltens der Schiffsführung die am Orte des Zusammenstoßes geltenden Verkehrsregeln heranzuziehen sind, wie sie dort von den Gerichten und Behörden gehandhabt werden (RG JW 1938 S. 1903; OLG Hamburg HansRGZ 1940 B Nr. 5; BGH VersR 1961 S. 267 = Hansa 1961 S. 874; BGH VersR 1972 S. 551; siehe auch DJ 1943 S. 21 und Wriede, §§ S. 3). c) Das Recht der Flagge ist grundsätzlich anzuwenden, soweit Ansprüche aus einer auf ho- 2 5 her See erfolgten Kollision erhoben werden (Anm. 35 zu § 485 HGB; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 73; R G Z 49, 187; 74, 46; 138, 243; Appellhof Rennes Revue Autran Bd. 3 S. 675 ff.; Kassationshof Paris Revue Autran Bd. 7 S. 242ff.; Kassationshof Turin Revue Autran Bd. 19 S. 478 ff.). Anders Boyens, Bd. 1 S. 71, HansOLG HansGZ 1888 Nr. 116, 1889 Nr. 97; HansOLG HansRGZ 1932 B 168 ff. (im Gegensatz zur erstinstanzlichen Entscheidung, ebenda, Sp. 163 ff.); R G Z 19, 10; Reinbeck, HansRGZ 1933 A 337, welche unbedingt die lex fori anwenden wollen. Doch besteht zu einem solchen Ausweichen nur in besonderen Fällen ein Grund. Vgl. darüber unten Anm. 26. Ohne praktische Schwierigkeit ist die Anwendung des Flaggenrechts, wenn beide Schiffe das gleiche oder zwei identische Heimatrechte haben {Boyens, Bd. I S. 73; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 73; R G Z 49, 187; Gerichtshof Edinburg Revue Autran Bd. 13 S. 678 ff.). Haben die kollidierenden Schiffe verschiedene Heimatrechte und ist nur eines von ihnen schuldig, so soll es nach R G Z 49, 182 und 74, 46 auf das Flaggenrecht des schuldigen Schiffes ankommen (ebenso Prüssmann, vor § 734 D 2). Diese Auffassung führte zu einer verständigen und sicheren Lösung. Nach RGZ 138, 243 (Casablanca-Fall, folgend OLG Hamburg VersR 1975 S. 762; siehe auch Wriede, a. a. O. S. 4) soll indessen die Tat auch bei alleinigem Verschulden nur eines der Schiffe auf jedem der kollidierenden Schiffe begangen sein, weil sich ihr schadensbringender Erfolg auch auf dem anderen Schiffe als einem fremden Rechtsgebiet ausgewirkt habe. In R G Z 138, 243 wird die Meinung vertreten, die rechtliche Beurteilung müsse dann grundsätzlich nach den Rechtssystemen beider Heimatrechte geschehen, indem es genügen soll, daß jedenfalls eines dieser beiden Rechtssysteme den Anspruch als begründet erscheinen lasse. Vgl. die Kritik an dieser Entscheidung in Anm. 35 zu § 485 HGB. Dort ist darauf hingewiesen worden, daß sie zu sehr schwer entwirrbaren Verhältnissen führen kann, wenn die verschiedenen Heimatrechte nicht jedenfalls eine gewisse Ähnlichkeit haben. Sonst muß immer damit gerechnet werden, daß ein Gericht in die lex fori flüchtet. Sind beide Schiffe an der Kollision schuldig und haben sie verschiedene Heimatrechte, so kann die Anwendung des Flaggenrechts auch nur dann zu tragbaren Ergebnissen führen, wenn die Flaggenrechte einander im wesentlichen ähnlich sind. d) Vgl. wegen der Anwendung der lex fori Anm. 36 zu § 485. Danach ist diese nur dann be- 2 6 rechtigt, wenn die gleichzeitige Anwendung mehrerer Flaggenrechte zu Unzuträglichkeiten führen würde. Vgl. auch die Ausführungen in Anm. 25; siehe Boyens, Bd. 1 S. 73; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 73; RGZ 21, 139; 49 Nr. 44; Gerichtshof Edinburg Revue Autran Bd. 13 S. 678; Reinbek, HansRGZ 1933 A 3 3 7 ; gegen die Anwendung der lex fori Prüssmann, vor § 734 E. Solche Unzuträglichkeiten sind nicht zu befürchten, wenn es sich um die gleichzeitige Haftung mehrerer Reeder handelt, deren Schiffe gleiches oder ähnliches Heimatrecht ha1231
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
ben, wohl aber dann, wenn es sich um Schiffe verschiedener Heimatrechte handelt und das Verschulden beider Schiffe in Frage steht. Sind dann die Bestimmungen der in Betracht kommenden Heimatrechte bezüglich des Vorliegens eines Verschuldens oder dessen Rechtsfolgen voneinander abweichend, so würde die Anwendung der beiden verschiedenen Rechte zu praktischen Unzuträglichkeiten und Verwicklungen führen (vgl. RGZ 21, 139; RG JW 1902 S. 635), ja oft unmöglich sein, so daß der Richter geradezu gezwungen wäre, das Recht des Prozeßorts zur Anwendung zu bringen (RGZ 49, 187; 74, 47; siehe auch US Supreme Court ZHR Bd. 66 S. 149). Mit Recht wird aber in RGZ 49, 187 betont, der Rückzug auf die lex fori bilde nur ein durch äußere Gründe an die Hand gegebenes Aushilfsmittel. Vgl. auch HG Antwerpen Revue Autran BGBl. 7 S. 582 ff. und Wriede, a. a. O. S. 4. 27
e) Das gemäß Anm. 24 bis 26 anzuwendende Recht entscheidet einmal über die Haftungsvoraussetzungen, z. B. darüber, ob die schadenstiftende Person zur Schiffsbesatzung gehört oder hinsichtlich der Reederhaftung ihr analog zu behandeln ist (vgl. BGHZ 29, 92; siehe Anm. 34 zu § 485 HGB) und ob sich die schadenstiftende Handlung als Verschulden darstellt (RGZ 37, 181; BGHZ 29, 373; siehe Anm. 34 zu § 485 HGB); anders HansOLG Hamburg MDR 1955 S. 615, wonach ein deutsches Gericht nach deutschem Recht entscheiden soll, ob eine im Ausland begangene Handlung sich als unerlaubte Handlung qualifiziert. Siehe auch OLG Hamburg Hansa 1963 S. 2420: Für die Frage, nach welchen prozessualen Regeln der deutsche Richter das Verschulden bei einer Schiffskollision auf hoher See oder in fremden Hoheitsgewässern festzustellen hat, kommt ausschließlich deutsches Recht in Frage. Das gemäß Anm. 24 bis 26 anzuwendende Recht entscheidet auch über den Haftungsumfang (OGHBrZ 4, 194; BGHZ 29, 237 = NJW 1959 S. 769 = Hansa 1959 S. 930 = MDR 1959 S. 371 = VersR 1959 S. 267; BGH Hansa 1961 S. 2285 = VersR 1962 S. 717, Hansa 1962 S. 2126 = VersR 1962 S. 755, 1976 S. 681; OLG Hamburg Hansa 1964 S. 421 und 1970 S. 419; HoFs Gravenhage v. 24. 6. 1966 = RdSch 60-01-39; Wassermeyer, Kollisionsprozeß S. 27; Seeund Handelsgericht Kopenhagen Hansa 1957 S. 227; Kassationshof Paris Revue Autran Bd. 11 S. 294; Landgericht Amsterdam RabelsZ 1959 S. 309). Führen beide Schiffe die Flagge eines Staates, der Mitglied des Übereinkommens über die Beschränkte Reederhaftung von 1957 ist (siehe Anhang zu §§486—487 d HGB), so gilt dieses. Zu beachten ist, daß nach Art. 12 EGBGB aus einer im Auslande begangenen unerlaubten Handlung gegen einen Deutschen keine weitergehenden Ansprüche erhoben werden können, als nach den deutschen Gesetzen begründet sind. Vgl. auch Anm. 34 zu § 485 HGB, insbesondere auch wegen der Fortgeltung der VO vom 7. 12. 1942 (RGBl. I S. 706), nach welcher deutsches Recht maßgeblich sein soll, wenn ein Deutscher durch eine im Ausland begangene unerlaubte Handlung eines Deutschen geschädigt ist. Die Fortgeltung der VO v. 7. 12. 1942 ist von BGH BGHZ 34, 222 = VersR 1961 S. 267 = Hansa 1961 S. 423 bejaht worden. Nach der norwegischen Praxis beurteilt sich die Beschränkung der Haftung des Reeders nach dem Recht der Flagge. Siehe Oberstes norwegisches Gericht Nordiske Domne i Sj0fartsanliggender 1958 S. 1.
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Da die Ladung für eine natürliche Betrachtung zum Schiffe gehört und insbesondere dessen Schutz und Fürsorge unterliegt (vgl. § 535 HGB), so sind regelmäßig auch die Ansprüche der Ladungsbeteiligten aus dem Zusammenstoß dem gleichen Recht zu unterstellen wie die Ansprüche des Reeders (BGHZ 34, 227= VersR 1961 S. 268 und NJW 1961 S. 1063). Doch ist das nur dann berechtigt, wenn das anzuwendende Recht die lex loci delicti commissi ist, aber nicht, wenn bei Schiffskollisionen in ausländischen Gewässern zwischen Schiffen gleicher Flagge das gemeinsame Heimatrecht für maßgeblich erklärt wird, wie es der Bundesgerichtshof will (vgl. oben Anm. 25). In diesem Sinne auch Beitzke, NJW 1961 S. 1993. Siehe dazu Sieg, MDR 1962 S. 115. §734 Im Falle eines Zusammenstoßes von Schiffen findet, wenn der Zusammenstoß durch Zufall oder höhere Gewalt herbeigeführt ist oder Ungewißheit Uber seine Ursachen besteht, kein Anspruch auf Ersatz des Schadens statt, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen durch den Zusammenstoß zugefügt ist. 1232
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I. § 734 schließt die Schadenshaftung in bestimmten Fällen aus und bildet insofern eine Er- 1 g ä n z u n g zu § 735, der die H a f t u n g f ü r bestimmte Fälle festlegt. Jedoch ergänzen sich diese beiden Vorschriften nicht etwa zu einer Einheit. D e n n § 734 k a n n natürlich nicht alle Fälle aufzählen, in denen die H a f t u n g entfällt (z. B. mangels Widerrechtlichkeit — vgl. § 735 A n m . 7), sondern betrifft lediglich die Frage mangelnden Verschuldens bzw. nicht festgestellten Kausalzusammenhangs. Auch betrifft § 734 n a t u r g e m ä ß nur das Verhältnis der Schiffe untereinander, nicht auch Ersatzansprüche gegenüber Dritten auf G r u n d Vertrages (Versicherung). Vorausgesetzt wird 1. ein Zusammenstoß von Schiffen (s. oben Vorbem. A n m . 9). Jedoch gilt § 734 auch für d e n Fall des § 738c H G B , der ein körperliches Aneinandergeraten nicht voraussetzt;
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2. das Vorliegen einer der drei Alternativen, deren erste beiden materiellrechtlicher N a t u r sind, w ä h r e n d es sich bei der Dritten um eine solche prozessualer Art handelt, nämlich
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a) Zufall. Das Wesen des Zufalls liegt in dem Wirken unberechenbarer, der (entscheiden- 4 den) E i n w i r k u n g der Beteiligten entzogener Kausalitäten ( R G Z 60, 381; RGSt 34, 170). Zufällig ist ein Ereignis, das v o m Handelnden nicht verschuldet ist u n d von ihm auch bei Anwend u n g der allgemein erforderlichen A u f m e r k s a m k e i t nicht vorausgesehen werden konnte. Auch M a ß n a h m e n von Behörden k ö n n e n Zufall sein ( R G D J Z 1918, 62). b) Höhere Gewalt. Diese wird gewöhnlich definiert als ein betriebsfremdes, von außen 5 d u r c h elementare N a t u r k r a f t oder durch H a n d l u n g e n dritter Personen in den Betriebskreis hineingetragenen Ereignis, aber auch dieses n u r d a n n , wenn es außergewöhnlich, also nicht seiner Häufigkeit wegen vom U n t e r n e h m e r mit in Kauf zu n e h m e n ist und auch bei größtmöglicher Vorsicht nicht abgewendet werden kann. Für das Kollisionsrecht ist dagegen die h ö h e r e Gewalt n u r ein Unterfall des Begriffs „Zufall". Die alternative Fassung ist dem I Ü Z e n t n o m m e n . Vgl. z. B. Wüstendörfer, S H R 403. Die Streitfragen über den Begriff der höheren Gewalt im Sinne des Reichshaftpflichtgesetzes und auch des Sachschadenhaftpflichtgesetzes sind also f ü r § 734 o h n e Bedeutung. W e n n es also z. B. zweifelhaft ist, ob die plötzliche O h n macht des Rudergängers höhere Gewalt ist (weil dieser U m s t a n d doch nicht von außen eingreift, sondern i n n e r h a l b des Betriebes) — vgl. R G J W 1917 S. 717 Nr. 13 —, so ist sie jedenfalls ein Zufall u n d schon aus diesem G r u n d e tritt also die Befreiung von der H a f t u n g g e m ä ß § 734 ein. Das Wort „höhere Gewalt in § 734 wäre sonach entbehrlich gewesen. Vgl. auch H a n s a 1928 S. 1080. c) Ungewißheit über die Ursachen des Zusammenstoßes.
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aa) Im Gegensatz zu den Begriffen Zufall und höhere Gewalt, welche das Ereignis in Bezieh u n g zu den davon Betroffenen betrachten (Voraussehbarkeit, Abwendbarkeit s. oben), wird hier das Verhältnis des Richters zu der Frage der konkreten Kausalität berührt, also ein prozessuales Problem. § 734 hat nicht etwa die Ungewißheit der Parteien über die Ursache im Auge, sondern will lediglich den Satz ausdrücken, d a ß d e r Richter die Gewißheit, d. h. die Überzeugung, von der Kausalität haben müsse, u m e i n e m Schadensersatzanspruch stattgeben zu k ö n n e n . Das folgt indes schon aus § 823 BGB, §§ 286, 287 ZPO. § 734 schließt auch nicht etwa die A n w e n d u n g der Sätze über die Beweislast aus (vgl. dazu § 735 A n m . 100). bb) M a n wird a n n e h m e n müssen, d a ß der Richter eine Klage als unsubstantiiert abweisen 8 m u ß , w e n n in ihr behauptet wird, daß die Ursachen der Kollision nicht aujklärbar sind. D e n n solange nicht — wenigstens in großen Zügen — die Ursachen dargelegt sind, ist eine P r ü f u n g der Schuldfrage unmöglich. Die Bedeutung des § 734 besteht d a n n darin, d a ß er die Darlegung einer Kausalreihe z u m K l a g e f u n d a m e n t erfordert (vgl. dazu § 735 A n m . 44 ff.). — Materiellrechtlichen Inhalt k a n n die Vorschrift des § 734 insoweit nicht haben, da ein materielles Recht als solches niemals von der Nachweisbarkeit seiner Voraussetzungen in concreto abhängig gemacht werden kann. cc) U n t e r den Begriff „Ungewißheit über die Ursachen" gehören alle Fälle des non liquet in 9 bezug auf die Kausalität, d. h. die gleich große Wahrscheinlichkeit m e h r e r e r Kausalreihen. Hierbei ist aber zu beachten, daß mindestens eine der Kausalreihen den schuldhaft gesetzten U m s t a n d nicht e n t h a l t e n darf. D e n n schließen alte möglichen u n d in concreto behandelten Kausalreihen diesen U m s t a n d ein, so m u ß der Richter trotz der Ungewißheit über die Ursa1233
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
chen verurteilen (vgl. analog für die Verschuldensfrage RG JW 1909 S. 735 Note 41), weil ja jede Gewißheit zu demselben Resultat führen müßte. Ein non liquet liegt insbesondere dann vor, wenn sich die Aussagen der beiden Besatzungen absolut widersprechen und keinerlei Momente vorliegen, welche die der einen glaubwürdiger erscheinen lassen (RG HansGZ 1900 Nr. 129). Weitere Fälle eines non liquet: R G Hansa 1910 S. 800 und viele Entscheidungen der Seeämter (Hansa 1909 S. 561, 563; 1910 S. 547, 692, 747; 1911 S. 37) und des Oberseeamts (Hansa 1909 S. 863). Ebenso liegt ein non liquet vor, wenn nur eine oder die andere Tatsache (jede für sich) den Schaden herbeigeführt haben kann und keine wahrscheinlicher ist als die andere. Über das Verhältnis des non liquet zum prima-facie Beweise vgl. § 735 Anm. 100. 10
3. Jeder Schadensersatzanspruch aus der Kollision entfällt, und zwar, wie § 734 ausdrücklich hervorhebt, sowohl für Schiffsschäden als für Sach- und Personenschäden. Unberührt bleiben Ansprüche aus Fracht-, Beförderungs-, Heuerverträgen (vgl. oben Vorbem. Anm. 13 und 737 Abs. 1 HGB) gegenüber dem eigenen Schiff. Über den Umfang der in § 734 bezeichneten Schaden vgl. Anm. 121 ff. zu § 735 HGB.
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Ansprüche wegen Schädigung von Personen und Sachen, die sich nicht „an Bord* der kollidierenden Schiffe befinden (z. B. bei der — unverschuldeten — Kollision geht ein Mast über Bord und beschädigt ein vorbeifahrendes Boot und dessen Insassen), werden durch § 734 an sich nicht ausgeschlossen, scheitern jedoch an dem Mangel des Verschuldens. Liegt aber ein Verschulden zeitlich hinter der Kollision (z. B. wenn der Mast unsachgemäß oder ohne Rücksicht auf das vorbeifahrende Boot gekappt wird, um die Schlagseite des verletzten Schiffes zu mindern), so kommt ein Anspruch aus der Kollision gar nicht mehr in Frage.
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II. § 734 hat nur geringe praktische Bedeutung. Schon seine Fassung ergibt, daß er weniger aus einem sachlichen Bedürfnis heraus, als vielmehr zur Erfüllung des IÜZ (Art. 2 Abs. I) in das HGB aufgenommen worden ist. §735 Ist der Zusammenstoß durch Verschulden der Besatzung eines der Schiffe herbeigeführt, so ist der Reeder dieses Schiffes zum Ersätze des Schadens verpflichtet. § 735 beruht auf Art. 3 IÜZ.
1
I. Voraussetzungen der Haftung sind 1. Zusammenstoß mehrerer Schiffe: Vgl. Anm. 9 zur Vorbemerkung vor § 734. Gleichgültig für die Frage der Haftung ist, welches der beiden Schiffe das anrennende und welches das angerannte gewesen ist ( R O H G 3, 39). Wie bereits in Anm. 6 Vorbemerkung vor § 734 hervorgehoben, gelten die Vorschriften dieses Titels auch dann, wenn mehr als zwei Schiffe zusammenstoßen.
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a) Es m u ß sich jedoch um selbständige Schiffe handeln. Bei einem Zusammenstoß zwischen dem Schlepper und dem von ihm geschleppten Schiff ist der zwischen ihnen bestehende Vertrag maßgebend. Man wird dies aber auch für den Fall gelten lassen müssen, daß die Schleppverbindung vorübergehend (etwa wegen Bruchs der Trosse) gelöst wird und der Schlepper nun bei dem Versuch, die Schleppverbindung wiederherzustellen, mit dem anderen Schiff kollidiert. Im übrigen dürfte es Tatfrage sein, wann die Lösung der Schleppverbindung den Vertrag aufhebt, so daß für die folgende Kollision dieser Titel in Kraft tritt. Vgl. dazu § 742 HGB Anm. 22 ff.
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b) Wenn mehr als zwei Schiffe zusammenstoßen und alle schuldlos sind, so gilt § 734, d. h. Ersatzansprüche sind ausgeschlossen. Sind alle Schiffe schuldig, so bestimmt sich die Rechtslage nach § 736. Wie aber, wenn die Schiffe A, B und C zusammenstoßen und die Schuld B und C gemeinsam trifft, während A schuldlos ist? Dieser Fall wird von § 736 nicht getroffen, da er gemeinsames Verschulden der beteiligten Schiffe voraussetzt, also nur das Verhältnis zwischen schuldigen Schiffen regelt. Jedes der schuldigen Schiffe haftet nach § 735 dem ge1234
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schädigten schuldlosen, und zwar kann A sowohl B wie C auf den vollen Schaden in Anspruch nehmen, da diese ihm nach § 840 BGB als Gesamtschuldner haften. Im Innenverhältnis zwischen B und C findet dann der Ausgleich nach Maßgabe des § 736 Abs. 1 statt. Ebenso Mittelstein, HB 379 und Beilageheft 2 zur HansRZ 1918 unter besonderer Berücksichtigung der englischen Judikatur, die offensichtlich den gleichen Standpunkt vertritt; ferner RGZ 96, 164 = HansRZ 1919, 493; HansOLG HansGZ 1919 Nr. 67; BGH VersR 1961 S. 220; Prüssmann, § 735 A c 3. aa) will die Quotenregelung des § 736 Abs. 1 nur analog anwenden). Der Eigentümer des bei einem Schiffszusammenstoß beschädigten schuldlosen Schiffes muß sich auf seinen gegen den Eigner des an dem Unfall schuldigen Schiffes gerichteten Schadensersatzanspruch das unfallursächliche Mitverschulden der Besatzung eines anderen Schiffes, das dem Eigentümer des schuldlosen Schiffes gehört, anrechnen lassen (BGHZ 52, 166 = VersR 1969 S. 730 = NJW 1969 S. 1899 = Hansa 1970 S. 204 für das Binnenschiffahrtsrecht). Vgl. auch § 736 Anm. 41; Anhang zu § 735; Anm. 6 zur Vorbemerkung vor § 734. 2. Schuldhafte Verursachung dieses Zusammenstoßes durch die Besatzung des einen Schif- 4 fes, d. h. durch ein oder mehrere Mitglieder der Besatzung. a) Besatzungsmitglieder: s. § 481 HGB. Es bedarf nicht der Feststellung, welcher Person der Besatzung das Verschulden zur Last fällt, sofern feststeht, daß es irgendeinem Besatzungsmitgliede vorzuwerfen ist ( Wagner, 372; RG HansGZ 1885 Nr. 48; Anm. 10 zu § 485 HGB). Deshalb wird in vielen Entscheidungen einfach das Verschulden des „Schiffes X" festgestellt. Der Begriff der Besatzung (vgl. die Anm. 9 ff. zu § 481 HGB) ist zwar nicht unbedingt daran 5 angeknüpft, daß sich die Person tatsächlich auf dem Schiff befindet. Auch kann analoge Anwendung der Vorschriften über die Schiffsbesatzung auf solche Personen geboten sein, die zwar nur zeitweise für Schiffszwecke tätig sind, aber Arbeiten verrichten, die typische Schiffsdienste sind. So ist analoge Anwendung insbesondere für die Besatzung des Schleppers geboten und von der Judikatur und der Rechtslehre anerkannt, wenn die nautische Leitung des Schleppzugs beim geschleppten Schiff liegt. Vgl. Anhang zu § 735 und Anm. 10 zu § 481 HGB. Analog der Schiffsbesatzung zugerechnet werden kann auch der Wachmann eines selbständigen Schiffsbewachungsunternehmens, der sich auf einem besonderen Wachschiff oder sogar an Land aufhält (HansOLG Hansa 1913 S. 759 = HansGZ 1913 Nr. 104; BGHZ 3, 34; Anm. 14 zu § 481 HGB), ferner die Schiffsbefestiger, und zwar auch dann, wenn sie selbständige Unternehmer sind und ein Zwang zur Annahme des Festmachers besteht (HansOLG HansGZ 1913 Nr. 140 = LZ 1914, 199; HansGZ 1927, 215; OLG Hamburg MDR 1954 S. 44; R G Z 119, 270ff.; Wüstendörfer, SHR 176; Gramm, Seefrachtrecht, Anm. A II zu § 607 HGB; im Kommentar Anm. 16 zu § 481 HGB), auch Leute der Werft, welche im Auftrage der Werft ein Schiff aus dem Dock herausholen oder ein ohne reguläre Besatzung befindliches Schiff nach dem Schwimm- oder Trockendock hin- oder von diesem zurückschaffen (HansOLG HansGZ 1912 Nr. 128 = Hansa 1912 S. 472; Boyens, Bd. 1 S. 158ff.; im Kommentar Anm. 18 zu § 481 HGB; anders Pappenheim, GruchBeitr. Bd. 43 S. 365; Mittelstein, HB 119 Anm. 9; Sieveking, 27, außer für den Fall, daß die Verholung im Nothafen zur Reisefortsetzung erfolgt), die Leute eines selbständigen Stauers, wenn sie z. B. das Abbäumen des Schiffes besorgen und dabei eine Kollision verursacht wird (Anm. 15 zu § 481 H G B mit detaillierten Angaben). Das Verschulden eines an Bord tätigen Seelotsen steht bei der Anwendung der §§ 735, 736 nach § 737 Abs. 2 dem Verschulden eines Mitgliedes der Schiffsbesatzung gleich. Für den Hafenlotsen verbleibt es bei der in Anm. 12 zu § 481 HGB aufgeführten Rechtsprechung, nach welcher er analog der Schiffsbesatzung zu behandeln ist. Nicht zur Besatzung gehören die auf Grund des Gesetzes, betr. Verpflichtung zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute (RGBl. 1902 S. 212) oder nach Maßgabe des § 72 SeemG an Bord befindlichen Seeleute. Ob ein feindlicher Prisenoffizier zur Besatzung gehört, läßt HansOLG HansGZ 1916 Nr. 92 = LZ 1916, 965 dahingestellt. Dem Reeder steht hinsichtlich der Besatzung des Schiffes, soweit er aus §§ 485, 735 in Anspruch genommen wird, der Entlastungsbeweis des § 831 BGB nicht zü (RGZ 85, 372 = JW 1915 S. 21 Nr. 4). Vgl. auch § 485 Anm. 26 ff. 1235
§735 6
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
b) Eine schuldhafte Handlung oder Unterlassung (wenn die Vornahme der Handlung den Schaden verhindert hätte — vgl. R G Z 147, 130 — oder wenn eine Pflicht zum Handeln bestand) eines Besatzungsmitgliedes, und zwar, wie die Fassung des § 737 H G B Abs. 1 H G B (Vorbehalt der Vorschriften über die beschränkte Haftung; § 486 Abs. 2 Ziff. 2 HGB) ergibt, begangen in Ausführung von Dienstverrichtungen einer Besatzungsperson (vgl. Anm. 7 zu § 485 HGB). Ein Fall der Haftung des Reeders liegt also nicht vor, wenn ein Besatzungsmitglied außerhalb dienstlicher Funktionen einen solchen schuldhaften Schaden anrichtet, z. B. der Schiffsarzt den Maschinentelegraphen beschädigt und dadurch die Kollision verursacht. Ebenso Mittelstein, HB 371. Vgl. Einzelheiten in § 485 Anm. 7 f. Eine Haftung für das Verschulden eines Passagiers besteht nicht. Doch macht das in einem solchen Falle mitwirkende Verschulden eines Besatzungsmitgliedes den Reeder in vollem Umfange haftbar. Siehe BGH THB 1970 B Nr. 138: Bei Schwarzfahrten eines im Dienst befindlichen Schiffsmannes ist der Schiffseigner für den Schaden verantwortlich, der dem Eigner des anderen Schiffes durch einen von dem Schiffsmann verschuldeten Zusammenstoß mit diesem Schiff entstanden ist. Der Begriff „in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen" ist weit auszulegen. Unerheblich für die Haftung des Reeders ist der Umstand, ob der Kapitän die schuldhafte Handlung des Besatzungsmitglieds anbefohlen, geduldet, von ihr Kenntnis gehabt hat oder sie verhindern konnte. Denn der Reeder haftet nicht nur f ü r die Handlungen und Unterlassungen des Kapitäns, sondern auch jedes einzelnen Besatzungsmitglieds. Zur schuldhaften
Handlung
gehört:
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aa) Ein objektiver Tatbestand: Rechtswidrigkeit. Dieselbe erfordert, daß das Recht keine Befugnis zu dieser konkreten Schädigung gewährt. Die Beweislast hat der Geschädigte. Die Widerrechtlichkeit wird ausgeschlossen durch Einwilligung des Verletzten, erlaubte Selbsthilfe, Notwehr, Notstand (§ 228 BGB; vgl. dazu auch Boyens, Bd. 1 S. 180; Haekel, ZHR Bd. 52 S. 218 ff.; R G Z 5 Nr. 41; HansOLG HansGZ 1882 Nr. 80) und erlaubte Eigenmacht (vgl. HansOLG und RG HansGZ 1885 Nr. 73). Auch eine nautisch gebotene Handlung kann widerrechtlich sein. Soweit § 228 BGB (Notstand) versagt, kann Ersatzpflicht aus § 904 BGB eintreten (vgl. dazu BGHZ 6, 102; 19, 82; R G Hansa 1915 S. 347; R G HansGZ 1917 Nr. 87). — Auch das Überschreiten einer rechtlich gewährten Befugnis ist widerrechtlich. Eine Unterlassung ist nur dann rechtswidrig, wenn die unterlassene Handlung durch eine Rechtspflicht geboten war. Solche Rechtspflichten sind insbesondere in den in Anm. 18 Vorbemerkung vor § 734 H G B genannten Bestimmungen enthalten. Soweit diese auf die nautische Situation oder die seemännische Praxis Rücksicht zu nehmen gebieten, entstehen Rechtspflichten, deren Verletzung widerrechtlich ist, auch wenn eine Unterlassung vorliegt. Über die Beweisfrage für diese Fälle vgl. unten Anm. 52. Über Fernschädigung durch Verletzung dieser Vorschriften s. 738 c Anm. 12. Auch aus einem vorangegangenen Tun kann sich die Pflicht zum Handeln ergeben. Daß der Verletzte selbst in einem unerlaubten Handeln begriffen war, schließt die Widerrechtlichkeit der Schädigung nicht aus; dieser Gesichtspunkt findet jedoch seine Grenze in § 228 BGB (Notstand), was insbesondere für das Verhalten eines von einer Kollision bedrohten Schiffes von Bedeutung ist (vgl. aber § 228 Satz 2: Schadensersatzpflicht im Falle verschuldeter Gefahr). S. auch Anm. 8.
8
bb) Ein subjektiver Tatbestand: Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit). Vgl. dazu auch Brodmann, Über die Haftung für Fahrlässigkeit, insbesondere über die Haftung des Kapitäns, ArchivPrax. 1906 S. 327; Gütschow, Nautisches Verschulden in der Binnenschiffahrt, EisenbE Bd. 29 S. 11; Sebba, Das Verschulden des stilliegenden Schiffes, Jahrb. für Verkehrswissensch. 1914 S. 432 ff. Die Schuldhaftigkeit wird ausgeschlossen dadurch, daß die verletzende Handlung infolge eines Befehls vorgenommen wird, den der Handelnde kraft Gesetzes (vgl. dazu die §§ 29, 109 SeemG) befolgen mußte, eine Regel, die wegen ihrer Selbstverständlichkeit nicht in das Gesetz aufgenommen wurde (Mot. BGB 2, 730). Das gleiche gilt für den Fall der Nötigung. Diese Fragen sind nicht vornehmlich für die Haftung des Reeders von Bedeutung, denn er haftet 1236
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sowohl f ü r das befehlende als auch für das gehorchende Besatzungsmitglied, sondern vor allem für die Frage, welches Besatzungsmitglied neben dem Reeder persönlich haftet (vgl. A n m . 104). aaa) Vorsatz ist z. B. gegeben, wenn ein vollbesetzter Passagierdampfer ein kleineres Schiff in den G r u n d bohrt, um von diesem nicht gerammt zu werden (vgl. dazu Maletzki, Hansa 1918 S. 103). In solchen Fällen kann die Schadensersatzpflicht unter Umständen aus dem Gesichtspunkt des Notstandes entfallen. Im übrigen spielt der Vorsatz im Kollisionsrecht eine untergeordnete Rolle (vgl. jedoch z. B. den Fall H a n s O L G H a n s G Z 1914 Nr. 14: vorsätzliches A n r e n n e n gegen eingefrorene Schuten, um sie vomEise zu befreien). Über das Verhältnis der verweigerten Nothilfe zur Verschuldensfrage vgl. Anm. zu Art. 8 IÜZ. bbb) Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beobachtet 9 wird (§ 276 BGB). Vorausgesetzt wird jedoch die Vorhersehbarkeit des Erfolges spätestens im Zeitpunkt der Pflichtverletzung, nicht aber auch die Voraussehbarkeit des konkreten ursächlichen Verlaufs und der Schadenshöhe im einzelnen, wenn der Handelnde nur die Entstehung irgendeines Schadens vorausgesehen hat oder hätte voraussehen müssen ( R G Z 69, 344; 136, 10; 148, 165; BGH NJW 1953 S. 542). Auch ist die Voraussehbarkeit nicht erforderlich für den über den ersten Erfolg hinausgehenden weiteren Schaden. Vgl. auch Anm. 24 (Verschulden bei Verstoß gegen ein Schutzgesetz) und Anm. 31 f. Maßgebend ist die von einem ordentlichen Menschen unter konkreten Verhältnissen anzu- 10 wendende Sorgfalt. Die Berücksichtigung verschiedener Menschengruppen (nicht aber auch der Individualität des H a n d e l n d e n ; anders Brodmann, ArchivPrax. Bd. 99 S. 346) ist zulässig ( R G Z 95, 16), so z. B. die abstumpfende Einwirkung einer mit dem Berufe des Handelnden ständig v e r k n ü p f t e n Gefahr, die jedoch nicht mit einer laxen Gewohnheit auf eine Stufe zu stellen ist ( R G WarnRspr. 1910 Nr. 6; B G H Z 8, 141). Vgl. die A u s f ü h r u n g e n und Beispiele in A n m . 3 z u § 511 H G B insbesondere für den Kapitän. Zu berücksichtigen ist auch die allgemeine Rechtspflicht, bei der Teilnahme am Verkehr Rücksicht auf die G e f ä h r d u n g anderer zu n e h m e n und diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die für die Abwendung der Dritten drohenden G e f a h r e n erforderlich sind (BGH VersR 1961 S. 77 unter Bezugnahme auf B G H Z 19, 124 und B G H VersR 1955 S. 380; BGH Hansa 1959 S. 1706 = VersR 1959 S. 504 = ZfBsch. 1959 S. 337). Diese Pflicht tritt neben die Verpflichtungen, die sich aus den f ü r das Handeln im Verkehr im einzelnen ergangenen Vorschriften ergeben ( R G Z 165, 159; B G H VersR 1961 S. 76 = H a n s a 1961 S. 656). Unrichtiges Verhalten in einer, raschen Entschluß und tatkräftigen Handeln erfordernden, 11 außerordentlichen Lage ist nicht ohne weiteres schuldhaft (RG Hansa 1908 S. 836; HansOLG HansGZ 1915 Nr. 42 = Recht 1915 Nr. 459; HansGZ 1905 Nr. 107; BGH VersR 1960 S. 82; 1961 S. 76; 1961 S. 318), denn es muß stets berücksichtigt werden, daß die gefahrvolle Situation ungewöhnliche Anforderungen an die Entschlußkraft und Geistesgegenwart stellt, mit deren Versagen gerechnet werden muß (RG Recht 1911 Nr. 2823). Vgl. auch OLG Hamm VersR 1959 S. 93 = Hansa 1959 S. 679. Ganz besonders gilt dies, wenn der Führer des anderen kollidierenden Schiffes die Kolli- 1 2 sionsgefahr geschaffen hatte, so daß die Überlegungszeit nur kurz war und Bestürzung oder Verwirrung einen sachgemäßen Entschluß verhinderte (vgl. z. B. RGZ 92, 38; JW 1917 S. 461 Nr. 4; HansOLG HansGZ 1915 Nr. 42). Wer bei einer unerwarteten, nicht schuldhaft herbeigeführten Gefahrenlage, die schnelle Entschlüsse erfordert, nicht die richtigen Maßnahmen ergreift, kann entschuldigt sein (BGH VersR 1960 S. 82 = Hansa 1960 S. 227). Dies gilt namentlich für Manöver im letzten Augenblick (BGH VersR 1953 S. 204; 1960 S. 82 und 328; 1961 S. 77 = Hansa 1961 S. 656; 1961 S. 608; OLG Hamm VersR 1959 S. 93 = Hansa 1959 S. 679). Vgl. Helmers, Hansa 1961 S. 2573 und 2663. Siehe HansOLG Hamburg Hansa 1961 S. 2592: Ein verfügbarer Zeitraum von 2 — 3 Minuten schließt die Entschuldigung als Manöver des letzten Augenblicks aus. Siehe OLG Hamburg Hansa 1966 S. 1258 über schuldloses Manöver im letzten Augenblick. Falls die Gefahrenlage durch ein eigenes vorausgegangenes Verschulden herbeigeführt wurde, so ist ein falsches Manöver des letzten Augenblicks kein Ent1237
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
schuldigungsgrund (BGH VersR 1964 S. 505 = Hansa 1964 S. 1702). Siehe über Manöver des letzten Augenblicks auch Weber, Die Spruchpraxis der Seeämter im Jahr 1974, Hansa 1976 S. 1102. Vgl. auch § 736 HGB Anm. 15 ff. und unten Anm. 18. 13
Doch gilt hier, wie überhaupt im Kollisionsrecht, als Norm nicht der Durchschnittsmensch, sondern der Durchschnittsberufsmensch, an welchen höhere Anforderungen zu stellen sind (RG JW 1915 S. 243 Nr. 6). Die Grundlagen der Sorgfaltspflicht des Kapitäns sind: beobachten, schließen und handeln (RGZ 18, 177). Siehe OLG Hamburg VersR 1965 S. 1091 über die Sorgfaltspflichten der beteiligten Schiffsführer, wenn auf der Unterelbe mit dem Ebbstrom hintereinander Schiffe wegen Nebels vor Anker gehen wollen.
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Beim Schiffahrtsbetriebe muß ein gewisses Maß von Gefahr für das Schiff und für Dritte stets übernommen werden. Das liegt in der Natur dieses Betriebes und schließt unter Umständen in concreto eine Fahrlässigkeit auch dort aus, wo die Möglichkeit einer anderen Handlungsweise an sich gegeben war (RG LZ 1909, 61; Hansa 1908 S. 1268; HansOLG HansGZ 1913 Nr. 142), z. B. muß mit leichten Kollisionen im belebten Hafenverkehr, beim Anlegen und Hindurchfahren zwischen Schiffen, gerechnet werden. Mathematische Genauigkeit der Navigation kann nicht verlangt werden (vgl. HansOLG HansGZ 1905 Nr. 93, 23; HansOLG Bremen Hansa 1958 S. 2100).
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Andererseits sind bei der Schiffahrt in offenen Flüssen oder Kanälen und an Anlegestellen die Schiffe gewohnheitsmäßig verpflichtet, aufeinander Rücksicht zu nehmen und — soweit ohne eigenen Schaden möglich — einander beizustehen (HansOLG HansGZ 1918 Nr. 47). Vgl. über die Wartepflicht des in ein Hafenbecken einlaufenden Schleppzuges bei unklarer Lage HansOLG Hamburg VersR 1961 S. 220.
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Die maßgebende Zeit für die Beurteilung des Verhaltens ist die Zeit des schädigenden Handelns. Wenn dieses durch eine später erlassene Verordnung verboten wird, so kann daraus nicht rückwärts auf ein Verschulden zur Zeit des Unfalls geschlossen werden (RG HansGZ 1910 Nr. 70 = Hansa 1910 S. 849). Der beurteilende Richter muß sich hinsichtlich der Anforderungen an die Sorgfalt ganz auf den Standpunkt des tatsächlichen Geschehens stellen und seine Kenntnis des späteren Verlaufs nicht verwerten, um die Anforderungen zu steigern (RG HansGZ 1914 Nr. 28) oder zu mindern. Das Mitverschulden eines Schiffes, dessen Eigner am Prozeß nicht beteiligt ist, muß berücksichtigt werden (BGH VersR 1968 S. 346).
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Im einzelnen lassen sich die denkbaren Fälle einer Fahrlässigkeit nicht aufzählen. Im folgenden ist eine Reihe von Entscheidungen aufgeführt, in denen meistens ein schuldhaftes Verhalten angenommen wurde; Rudergeben bei ungeklärter Sachlage (das Verschwinden der Positionslaterne des Gegners konnte ebenso auf Gieren wie auf einer beabsichtigten Wendung beruhen); R G Z 69, 432; HansGZ 1909 Nr. 95; 1904 Nr. 27; WarnRspr. 1909 Nr. 153. Bei unklarer Lage ist die Geschwindigkeit gegenüber einem vermuteten Mitläufer rechtzeitig und genügend herabzusetzen (BOSA Hansa 1961 S. 1115). Seeuntüchtigkeit (vgl. über den Begriff im einzelnen §§ 513, 559 HGB) des beladenen Schiffes (schlecht getrimmt, offene Luken in der Back): RGZ 70, 94; 85, 129; Hansa 1990 S. 619; Unterlassen der Instandhaltung: HansOLG HansGZ 1906 Nr. 115. Liegenlassen des Kahns an erkennbar ungeeignetem Liegeplatz, schlechtes Anlegen, Unterlassen der Bewachung und Bereitstellung von Hilfskräften für den Fall der Gefahr: RGZ 82, 146. Nichterkennen, daß das eigene Schiff von einem anderen überholt wird. Siehe über Kollision im Nordostsee-Kanal und Verschulden wegen Nichthaltens des vorgeschriebenen Abstandes HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 2326. Mangelnde Orientierung über das Bestehen von Unfallverhütungsvorschriften: RG JW 1915 S. 243 Nr. 6. Übernahme von Anstrengungen, welche zur Erschlaffung und zum Verlust der Nervenkraft führen müssen: RG JW 1915 S. 275 Nr. 3. Nichtbeschaffung eines ordnungsmäßigen geeigneten Ruders, welches zur Navigierung aus1238
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reicht, selbst wenn das vorhandene Ruder von der Behörde nicht beanstandet worden ist: R G JW 1909 S. 432 Nr. 40 = HansGZ 1909 Nr. 126 = WarnRspr. 1909 Nr. 462. Abgabe eines Signals durch ein Kriegsschiff mit der Pfeife statt (wie vorgeschrieben) mit der Sirene: RGZ 72, 347 = JW 1910 S. 242 Nr. 29. Unkenntnis der auf den befahrenen Gewässern herrschenden Verordnungen und Gepflogenheiten: R G JW 1909 S. 432 Nr. 40. Vgl. dazu Mittelstein, HB 372; OSA Bd. 20 S. 755. Eine irreführende Segelanweisung entschuldigt den Führer eines Tourendampfers nicht, wenn er die entgegenstehende lokale Verordnung kennt: OSA Hamburg Hansa 1918 S. 824. Verletzung der Vorschriften über Führung oder Zeigen von Lichtem. Über den Fall, daß Lichter nicht gesetzt wurden, weil die Besatzung mit der Rettung des eigenen Lebens beschäftigt war, vgl. HansOLG HansGZ 1913 Nr. 136. Kollision im Hamburger Hafen, Verschulden der Schiffsleitung eines großen Dampfers, wenn sie bei Niedrigwasser mit dem Strome ohne genügende Schlepperhilfe anzulegen versucht und unzweckmäßige Anlegemanöver vornimmt. Für die Maschinen-Manöver ist der Kapitän verantwortlich, auch wenn ein Hafenlotse an Bord ist. Konkurrierendes Verschulden des angerammten Schiffes, wenn es die vom Gegner abgegebenen Signale überhört und nicht rechtzeitig über Anker aufstoppt: HansOLG HansGZ 1924, 38. Unkenntnis der Wirkungsweise des Ruders und der sonstigen Manövriereigenschaften des Schiffes: RG JW 1915 S. 432 Nr. 40; HansOLG HansGZ 1895 Nr. 29; Hansa 1908 S. 38; der linksdrehenden Schraube: R G WarnRspr. 1909 Nr. 153. Alleinverschulden wegen Versteuerns und Schuldlosigkeit der Kollisionsgegners trotz Erhöhung der Geschwindigkeit (Kollision auf der Unterelbe vor der Störmündung: brit. Court of Appeal i. S. „Marinagra" v. „Aconcagua" Hansa 1959 S. 1904 und House of Lords LL vom 24. 6. 1960 = Hansa 1961 S. 3). Nichtorientiertsein über die Zuverlässigkeit der Kompasse: OSA Bd. 14 S. 43; über Fahrwasser und Seezeichen: HansOLG HansGZ 1986 Nr. 109 (Lotse). Ankern mit zugedeckten Feuern bei Nebel im Trak anderer Schiffe: RGZ 21, 175. Nichtvorhandensein der zur sicheren Navigation erforderlichen Seekarten (vgl. Hansa 1908 S. 1212; 1910 S. 241) und sonstigen Zubehörs, wenngleich nicht verlangt werden kann, daß nur das beste und neueste Material an Bord ist: RG DJZ 1914 S. 629; HansOLG HansGZ 1895 Nr. 29. Unterlassen des Ausweichens gegenüber einem gar nicht oder nur beschränkt manövrierfähigen Schiff: RG WarnRspr. 1912 Nr. 407. Verschulden wegen verspäteten Ausweichens: HansOLG Bremen Hansa 1961 S. 549. Unvorsichtiges Hindurchfahren zwischen Schiffen unter gleichzeitiger Überholung derselben: RG Hansa 1908 S. 836. Nichteinhalten eines ausreichenden Abstandes bei Fahrt zweier Schiffe durch Eismassen: HansOLG HansRZ 1920, 91. Nicht ordnungsmäßige Verankerung des Schiffes (welche auch einem Sturm gewachsen sein muß): R G Hansa 1909 S. 189 = HansGZ 1909 Nr. 49. Nachgeben der Anker ist kein Beweis für unzureichende Sicherung: BGH VersR 1960 S. 1135 = Hansa 1961 S. 654 = MDR 1961 S. 117 = ZfBsch. 1961 S. 23. Bei einer Sichtweite von Vi sm ist es nicht erforderlich, auf einem Ankerlieger das Ankerspill auf der Back besetzt zu halten, um evtl. sofort Kette stecken zu können; der Vorwurf des verspäteten Kettesteckens setzt den Nachweis voraus, daß auf dem Ankerlieger die Kollisionsgefahr so rechtzeitig hätte erkannt werden können und müssen, daß das Stecken der Kette noch Erfolg gehabt hätte: HansOLG Bremen Hansa 1961 S. 242. Über Besetzung des Ankers bei der Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal s. HansOLG Hamburg Hansa 1959 S. 2488. Ungenügende Befestigung des Schiffes oder Auswahl eines ungeeigneten Liegeplatzes: HansOLG HansGZ 1906 Nr. 121; 1915 Nr. 15. Ankern im verbotenen Fahrwasser: R G Hansa 1909 S. 619; HansGZ 1904 Nr. 102 und 1913 Nr. 56; HansOLG HansGZ 1907 Nr. 5. Doch ist das Ankern im Fahrwasser nicht schlechthin verboten, wenn zwingende Gründe vorliegen, insbesondere plötzlich einsetzender Nebel (OLG Hamburg Hansa 1968 S. 705; M D R 1974 S. 675 = VersR 1974 S. 881; BGH VersR 1955 S. 614 = Hansa 1956 S. 321; BOSA Bd. 7 S. 456 = Hansa 1961 S. 1115; BOSA Hansa 1965 1239
§735
2. Teil: Seehandelsrecht -
D a s 4. Buch des H G B
S. 100). Doch wird d a n n der Ankerlieger verpflichtet sein, unverzüglich einen geeigneten Ankerplatz a u f z u s u c h e n , wenn die Umstände dies zulassen (BOSA 9, 451 und 487, B G H VersR 1955 S. 614 = H a n s a 1956 S. 323). Auch trifft den unverschuldet an gefährlicher Stelle liegend e n Ankerlieger die Verpflichtung, alle z u r G e f ä h r d u n g s m i n d e r u n g notwendigen M a ß n a h men zu t r e f f e n , etwa durch Kontrolle der s t r o m r e c h t e n Lage des Schiffes und Abgabe der vorgeschriebenen Signale ( B G H VersR 1961 S. 177 = H a n s a 1961 S. 656) oder d u r c h Klarhalten d e r M a s c h i n e ( B G H VersR 1962 S. 716 = H a n s a 1962 S. 1801). Indessen sind eigene M a ß n a h men des Ankerliegers zur V e r h ü t u n g einer Kollision erst d a n n erforderlich, wenn sich die Kollisionsgefahr eindeutig e r k e n n e n läßt ( B G H VersR 1961 S. 785 = H a n s a 1961 S. 2283, auch O L G B r e m e n Hansa 1961 S. 242: Besetzung des Ankerspills). Ü b e r das Erfordernis des A n k e r w e r f e n s u n d der Besetzung des Ankerspills auf einem u n r u h i g steuernden Schiff im Nord-Ostsee-Kanal s. B G H VersR 1961 S. 317. Ü b e r Verlassen des Ankerplatzes im Fahrwasser nach Beendigung der Notlage s. BOSA H a n s a 1961 S. 1115. Über die Zuverlässigkeit einer D e c k b e l e u c h t u n g bei Ankerliegern s. brit. Admiralty Div. LL v. 4. 5. 1956- Siehe auch u n t e n A n m . 85. Auch w e n n eine Kollisionsgefahr allein vom G e g n e r geschaffen wurde, k a n n sich die Verpflichtung z u m A n k e r w e r f e n aus der allgemeinen Rechtspflicht ergeben, alle nach Lage der Sache u n d nach der Verkehrsanschauung z u m u t b a r e n G e g e n m a ß n a h m e n zu treffen ( B G H VersR 1966 S. 951). Auswahl eines andere Schiffe gefährdenden Ankerplatzes: H a n s O L G H a n s G Z 1908 Nr. 14; u n t e n A n m . 85 ff. Vorankergehen mitten im Fahrwasser, es sei denn, d a ß das Fahrzeug zu einem solchen Stilliegen gezwungen ist ( B G H VersR 1960 S. 897). Doch darf sich ein a n k e r n des Schiff darauf verlassen, d a ß die Verankerung der anderen, an derselben Ankerstelle liegenden Schiffe ausreichend ist. Falsches Ankern im Elbfahrwasser (BGH VersR 1961 S. 77 = H a n s a 1961 S. 656): Beim Ank e r n in der N ä h e des Fahrwassers hat der S c h i f f s f ü h r e r darauf zu achten, d a ß die durchgehend e Schiffahrt so wenig wie möglich behindert oder gefährdet wird. W e n n A n k e r und Ruderlage nicht ausreichen, das Schiff in gehörigem Abstand vom Fahrwasser stromrecht zu halten, k a n n es geboten sein, die stromrechte Schiffslage d u r c h Z u s a m m e n w i r k e n von R u d e r m a n ö v e r u n d zeitweisen M a s c h i n e n m a n ö v e r n h e r b e i z u f ü h r e n und aufrechtzuerhalten. Liegt ein Schiff bei starkem Schiffsverkehr und verhältnismäßiger Enge des Fahrwassers an einer die elbstrom a b w ä r t s gehende Schiffahrt sehr gefährdenden Stelle, so kann sich hieraus f ü r den Schiffsf ü h r e r die Verpflichtung zu zusätzlichen S i c h e r u n g s m a ß n a h m e n ergeben. Zu ihnen gehören, wenn sich im Fahrwasser bei Dunkelheit ein anderes Schiff nähert, das Zeigen noch weiterer Lichter als der vorgeschriebenen und die Abgabe von Schallsignalen — Siehe wegen Gieren eines Ankerliegers auch Admiralty Div. London L L vom 4. 5. 1956. Siehe ü b e r Kollision mit schlecht beleuchtetem Ankerlieger B G H VersR 1966 S. 466 u n d 484, ZfBSch 1966 S. 219. Vgl. B G H Hansa 1967 S. 17 über Verpflichtung zum A n k e r w e r f e n bei Kollisionsgefahr. Siehe B G H VersR 1971 über Erkennbarkeit von Ankerverbotsschildern. Vgl. B G H H a n s a 1969 über Verlust eines A n k e r s infolge einer Kollision, Ursächlichkeit des Verschuldens an der Kollision, Beschädigung eines Schiffes durch A u f l a u f e n auf den Anker. Siehe O L G H a m b u r g H a n s a 1967 S. 19: Ein Schiff, das auf dem Nord-Ostsee-Kanal wegen eines M a s c h i n e n s c h a d e n s vorübergehend hat a n k e r n müssen, darf keine Signale geben, die f ü r die in F a h r t befindlichen Schiffe bestimmt sind (Gefahrensignal, Kurssignal usw.). Unrichtige Beobachtung von Lichtern des Gegners, sofern nicht der I r r t u m durch besondere U m s t ä n d e entschuldigt wird: R G Hansa 1911 S. 369. Die K r ü m m u n g des Fahrwassers ist jedoch ein U m s t a n d , der stets bei Beobachtung der Lichter zu berücksichtigen ist: R G Z 69, 432. Verwendung einer schadhaften oder zu schwachen Kette zum A n k e r n oder Schleppen. U n terlassen der periodischen Untersuchung des Schleppmaterials: H a n s O L G H a n s G Z 1906 N r . 100; 1911 Nr. 116. Unterlassung des Verholens seitens kleinerer Fahrzeuge, wenn sie v o m einem ein- oder ausf a h r e n d e n Schiff d u r c h Warnungspfiff z u m Verholen aufgefordert sind. Sofern das Schiff d a n n o r d n u n g s m ä ß i g manövriert, geht die Verantwortung auf die a n d e r e n Fahrzeuge ü b e r : H a n s O L G H a n s a 1913 S. 555; H a n s G Z 1904 Nr. 44; 1905 Nr. 121; 1907 Nr. 10; 1908 Nr. 67 u. 94. Das Schiff m u ß sich jedoch darüber i n f o r m i e r e n , ob seine A u f f o r d e r u n g z u m Verholen 1240
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befolgt worden ist: HansOLG HansGZ 1904 Nr. 33. Besonderes Ersuchen an den einzelnen Schiffsführer ist nicht erforderlich. Auch Warnungspfiffe sind nicht nötig, wenn das Herannahen des Schiffes von den Kähnen bemerkt werden muß (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 23); ein einkommendes Seeschiff braucht sich nicht besonders zu vergewissern, daß die Einfahrt frei ist (HansOLG HansGZ 1960 Nr. 31). Kreuzen des Bugs durch das ausweichpflichtige Schiff (entgegen Art. 22 SStrO a. F.) ohne zwingenden Grund: RG Recht 1915 Nr. 161. Befolgung einer örtlichen Gewohnheit, die dem Gesetz widerspricht und sich als Unsitte darstellt: Zubilligung des Wegerechts an Tourendampfer im Kieler Hafen: RG LZ 1913, 299. Unterlassene Revision des Schleppgeschirrs: HansOLG HansGZ 1908 Nr. 12; dagegen HansOLG HansGZ 1908 Nr. 7; vgl. auch Mittelstein, HB 372. Mangelnde Orientierung über die Wirkung des Sogs: HansOLG HansGZ 1905 Nr. 37; 1904 Nr. 105. Über Sogwirkung beim Überholen vgl. Hansa 1911 S. 749. Nicht rechtzeitiges Rückwärtsgehen bei Kollisionsgefahr, wenn die Rudervorrichtung (wie dem Kapitän bekannt) nicht zuverlässig funktioniert: HansOLG HansGZ 1913 Nr. 130. Eingehen auf fehlerhafte nautische Intentionen des Gegners, statt ein sicheres Abwehrmanöver vorzunehmen: RG HansGZ 1907 Nr. 91. Auch bei Unzulässigkeit eines Überholmanövers hat der Vorausfahrer auf die nachfolgenden Fahrzeuge gehörige Rücksicht zu nehmen: HansOLG Hamburg Hansa 1956 S. 1756. Durchführen eines signalisierten, außergewöhnlichen (Art. 29 SStrO a. F.), Manövers, wenn der Gegner auf das Manöver nicht eingeht: HansOLG HansGZ 1909 Nr. 118. Benutzung zu langer Trossen beim Schleppen: HansOLG HansGZ 1914 Nr. 40; RG HansGZ 1914 Nr. 104, sofern dadurch die Sicherheit der Navigation verlorengeht. Postieren des Ausgucks im belebten Revier auf der Brücke, statt auf der Back: HansOLG HansGZ 1909 Nr. 149; OLG Hamburg Hansa 1969 S. 2592. Vgl. dazu Admiralty Div. LL vom 21. 1. 1958 = Hansa 1958 S. 1744 = Recht der Schiffahrt 6 0 - 1 9 - 0 1 : Der Ausguck gehört auf das Vorschiff, sofern es das Wetter gestattet, anderenfalls zumindest auf das Peildeck; ein Ausguck auf der Brücke reicht nicht aus, weil er dort durch die sonstigen Vorgänge, insbesondere durch Gespräche abgelenkt würde. Vgl. Admiralty Div. i. S. Admiralty v. Owners of M / S „Camroux 1" LL v. 27. 3. 1958 = (1958) 1 LI. L. R. 378 = Hansa 1959 S. 290; BGH Hansa 1959 S. 1958 = M D R 1959 S. 913 = VersR 1959 S. 608 = ZfBsch 1959 S. 415: Anforderungen an den Ausguck während der Nacht beim Entgegenkommen eines Schleppzugs. Über verschärften Ausguck beim Einlaufen von der stark besetzten Reede in den Hafen s. BOSA Hansa 1961 S. 425, über ordnungsgemäßen Ausguck auf dem Revier HansOLG Hamburg Hansa 1959 S. 2604. Nichtvorhandensein eines besonderen Ausgucks auf Revieren bei Nachtzeit und hoher eigener Geschwindigkeit, noch dazu, wenn bekannt ist, daß auf dem Revier Baggerarbeiten ausgeführt werden (brit. Admiralty Div. LL v. 11. 11. 1955). Siehe über Fehlen des Ausgucks auf der Back wegen Schäden an der Wechselsprechanlage BOSA Hansa 1969 S. 342, über Ausguck nach der Seite auf einem Wegerechtsschiff BOSA Hansa 1967 S. 798, über Verantwortlichkeit des Kapitäns für den gehörigen Ausguck, generelle Übertragung auf den 1. Offizier BOSA S. 1006. Regel 29 SStrO a. F. schreibt kein bestimmtes nautisches Verhalten vor, insbesondere enthält sie keine Vorschriften über den Ausguck. Die Annahme eines Anscheinsbeweises ist nur unter besonderen Umständen begründet (OLG Hamburg VersR 1974 S. 693). Siehe O L G Hamburg VersR 1970 S. 419 und die Revisionsentscheidung BGH VersR 1972 S. 170 zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Fehlen des Ausgucks auf der Back eines durchgehenden Küstenmotorschiffes und der Kollision dieses Schiffes mit einer querenden Barkasse im Bereich des Hamburger Hafens. Wegen schuldhaften Nichthörens von Signalen siehe BGH VersR 1965 S. 513 = Hansa 1965 S. 1985, auch BGH VersR 1967 S. 678. Uberlassen der Navigation an eine Person, welche das für das betreffende Gewässer vorgeschriebene Patent nicht besitzt: HansOLG HansGZ 1901 Nr. 92; oder des Ruders an einen Schiffsjungen beim Passieren eines schwierigen Fahrwassers: OLG Rostock MecklZ 1913 Nr. 61. Schnelles Fahren eines Seedampfers im Hamburger Hafengebiet, auch wenn keine lokale 1241
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2. Teil: Seehandelsrecht - D a s 4. Buch des H G B
Vorschrift es verbietet: SeeA H a m b u r g H a n s G Z 1910 Nr. 124. Über unzulässig hohe Geschwindigkeit b e i m Passieren des Schulauer Hafens siehe H a n s O L G H a m b u r g H a n s a 1960 S. 491. Siehe a u c h H a n s O L G H a m b u r g Hansa 1960 S. 1640. Keine Verpflichtung z u r Einhalt u n g einer Mindestgeschwindigkeit. Besondere Sorgfaltspflicht des „Anker auf gehenden Schiffes" auf den passierenden Schiffsv e r k e h r : BOSA H a n s a 1961 S. 427. Unterlassene Klärung der Gründe von Ruderversagern u n d d a d u r c h bewirkte Kollision (brit. Admiralty Div. i. Sa. „Irvingbrook" v. „Louis Sheid" LL v o m 24. 5. 1958 = H a n s a 1959 S. 292). Ungenügendes oder verspätetes Nachsteuern eines S c h l e p p k a h n s : O L G Rostock MecklZ 1913,285. Beim A u s l a u f e n aus einem Hafenbecken in das H a u p t f a h r w a s s e r m u ß die S c h i f f s f ü h r u n g die Einflüsse berücksichtigen, denen das Schiff nach d e m Passieren der Molen ausgesetzt wird. Die M a s c h i n e n sind so einzusetzen, d a ß deren K r a f t ausreicht, W i n d d r u c k und Ström u n g zu ü b e r w i n d e n ( H a n s O L G Bremen H a n s a 1961 S. 2591). Es bedeutet eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht, wenn eine Segelyacht mit n u r e i n e m M a n n a n Deck zur Nachtzeit den vielbefahrenen Borkum-Zwangsweg in e i n e m recht spitzen Winkel quert ( H a n s O L G H a m b u r g H a n s a 1961 S. 2592). D u r c h f ü h r u n g eines D r e h m a n ö v e r s mit unnötig h o h e r Geschwindigkeit ( B G H VersR 1961 S. 1087 = H a n s a 1961 S. 2680 = M D R 1962 S. 32 = ZfBsch. 1962 S. 28). Siehe zu der Frage, ob im Nebel volle Revierfahrt mäßige Geschwindigkeit sei, Weber, Die Spruchpraxis d e r Seeämter im Jahre 1974, H a n s a 1976 S. 1102 f. Abweichen eines Seeschiffes von der ihm k r a f t seines Tiefgangs zustehenden Fahrwassermitte: H a n s O L G H a n s G Z 1910 Nr. 129. Bei der Beurteilung der Frage der „verminderten Sicht" ist die Ausrüstung eines Schiffes mit Radargerät zu berücksichtigen (BGH VersR 1960 S. 890 = M D R 1960 S. 909; B G H VerkBl. 1961 S. 154 f ü r die Binnenschiffahrt). Über u n z u r e i c h e n d e Wache bei Nebelfahrt vgl. brit. Court of Inquiry LL v. 18. 7. 1956 = Hansa 1957 S. 1183. Bei Nebel u n d dickem Wetter m u ß die F a h r t rechtzeitig zumindest so weit herabgesetzt werden, d a ß bei plötzlichem Sichten eines a n d e r e n Schiffes, das ebenfalls mit mäßiger Geschwindigkeit fährt, genügend Zeit und R a u m verbleibt, i h m gegebenenfalls d u r c h Ruderoder M a s c h i n e n m a n ö v e r auszuweichen ( O L G Bremen VersR 1973 S. 226). Von der Einhalt u n g dieser Verpflichtung befreit auch nicht das Vorhandensein und die Benutzung von Radar, das n u r ein nagivatorisches Hilfsmittel ist ( O L G Bremen a. a. O.). Die seemännische Praxis erfordert, A u s w e i c h m a n ö v e r grundsätzlich nicht v o r z u n e h m e n , eher der im Nahbereich geortete G e g n e r optisch in Sicht gekommen ist. Doch hat die Rechtsprechung diesen G r u n d satz eingeschränkt einmal f ü r den Fall, daß mit Sicherheit a n g e n o m m e n werden k a n n , daß es sich um einen Ankerlieger handelt (BGH H a n s a 1962 S. 1801), z u m anderen hat O L G Bremen VersR 1973 S. 226 die Ansicht vertreten, d a ß in e i n e m engen Fahrwasser eine Kursänder u n g nach Steuerbord d a n n zulässig sei, wenn dadurch das eigene Schiff m e h r an die rechte Fahrwasserseite gebracht werden soll. Siehe auch Wriede, Ausgewählte Fragen zum Schadensersatz bei Schiffsunfällen, S. 6. Bei Nebelfahrten darf der W a c h h a b e n d e nicht das Radargerät bedienen. Es m u ß vielmehr ein zusätzlich auf die Brücke beorderter r a d a r e r f a h r e n e r Nautiker mit der ständigen Bedienung des Gerätes beauftragt werden ( O L G Bremen a. a. O.). Eine feststehende s e e m ä n n i s c h e Praxis fordert, bei Nebel und unsichtigem Wetter, insbesondere auf stark b e f a h r e n e n Gewässern, einen Ausguck auf die Back zu stellen, sofern es das Wetter erlaubt ( O L G B r e m e n a. a. O.). Es stellt ein grobes Verschulden bei der Nebelfahrt dar, o h n e zwingenden G r u n d o h n e gen a u e O r t u n g u n d Beobachtung des Kollisionsgegners auf d e m Radarschirm mit voller Fahrt die Kanalreede von Brunsbüttel zu d u r c h f a h r e n ( O L G H a m b u r g VersR 1972 S. 685). Die F a h r t d u r c h d e n Nord-Ostsee-Kanal m u ß auch bei einem Nebel, der nicht besonders dicht ist, d a n n eingestellt werden, wenn das Schiff nicht mit Radar ausgerüstet ist, der Komp a ß ungenau anzeigt und ein in der Kanalfahrt e r f a h r e n e r Rudergänger nicht a n Bord ist. Der verantwortliche S c h i f f s f ü h r e r oder sein Vertreter darf sich auch nicht n u r f ü r einen Augenblick von der Brücke e n t f e r n e n , wenn wegen der schlechten Sichtverhältnisse und wegen Ge1242
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genverkehrs auf dem Kanal mit einer plötzlich eintretenden Gefahrenlage gerechnet werden muß (OLG Hamburg MDR 1973, 55 = VersR 1973, 542). Siehe über die Pflicht zur Einstellung der Fahrt bei Nebel auf dem Nord-Ostsee-Kanal auch OLG Hamburg Hansa 1967 S. 19. Siehe OLG Hamburg Hansa 1968 S. 705 über Zulässigkeit der Fortsetzung der Fahrt trotz Nebels unter Beratung der Landradarstation. Muß der Schiffsführer damit rechnen, daß dem Gegenkommer seine Absicht, seinen Kurs zu ändern und dessen Kurs zu kreuzen, bekannt ist, muß er dem Gegenkommer bis zur Beendigung des Passiervorgangs „klaren Bug" zeigen, um ihm klarzumachen, daß er erst nach dem Passieren seinen Kurs ändern werde (OLG Hamburg VersR 1976 S. 244). Doch kann ein an sich durch die Umstände nicht gerechtfertigtes Hart-Backbord-Manöver als Manöver des letzten Augenblicks entschuldigt sein, wenn der Gegenkommer, von dem bekannt ist, daß er nach Steuerbord drehen will, keinen „klaren Bug" zeigt und den Eindruck erweckt, das beabsichtigte Drehmanöver noch kurz vor der Begegnung ausführen zu wollen (OLG Hamburg a. a. O.): Auch im Nord-Ostsee-Kanal müssen sich begegnende Schiffe im dichten Nebel gemäß Regel 16 (c) SStrO a. F. vorsichtig manövrieren, bis die Gefahr eines Zusammenstoßes vorüber ist. Die Fahrt muß auf das geringstmögliche Maß reduziert werden, um eben noch die Steuerfähigkeit des Schiffes aufrechtzuerhalten (OLG Hamburg VersR 1976 S. 682). Siehe OLG Hamburg VersR 1974 S. 566: Unter besonderen Umständen kann es erforderlich sein, bereits bei Antritt der Schleppreise auf dem Anhang zusätzlich die Fahrstörungsgelder (Regel 4a, 5 SStrO a. F.) zu setzen, z. B. dann, wenn ein großer unbemannter Anhang in ungünstiger Jahreszeit über See geschleppt wird und mit einem Brechen der Schleppverbindung in voraussehbarem schlechtem Wetter gerechnet wird. Unterlassung der Fahrtminderung zwecks Vergrößerung des Abstandes zu einem vorausfahrenden Schiff, wenn nach Lage der Sache freier Ausblick erforderlich wird: RG HansGZ 1915 Nr. 152 oder sich Sogwirkung bemerkbar macht: SeeA Bremerhaven Hansa 1914 S. 316. Verfrühte Vornahme des Ausweichmanövers: RG WarnRspr. 1909 Nr. 417; HansOLG HansGZ 1913 Nr. 81. Knappe Bemessung des Ausweichmanövers: See- und HG Gericht Kopenhagen Hansa 1908 S. 507; zu reichliches Ruderlegen beim Ausweichen: HansOLG HansGZ 1913 Nr. 81 ; Verzögerung des Ausweichmanövers trotz rechtzeitigen Sichtens des Gegners: OSeeA Hansa 1913 S. 597; 1915 S. 332; über unzulängliches Ausweichen mit Ruder statt mit Rückwärtsmanöver bei Annäherung eines Gegenkommers s. brit. Court of Appeal i. S. „Claycarrier" v. „American Jurist" (1959) 2 LI. L. R. 53. Nichtklären der Lage beim Sichten eines Lichtes von unklarer Bedeutung (BGH VersR 1955 S. 614 = Hansa 1956 S. 223). Bei Beobachtung unklarer Lichter muß der Wachhabende das Glas benützen (BGH VersR 1957 S. 515 = Hansa 1957 S. 1867). Beim Festmachen ist ein über den Schiffskörper hinausragendes Ruderblatt so zu legen, daß ein im engen Fahrwasser passierendes Schiff nicht gefährdet wird (BGH VersR 1959 S. 504 = Hansa 1959 S. 1706 = ZfBsch. 1959 S. 337 = MDR S. 551 und 731 (Anm. von Sieg)). Verschulden wegen unzureichender Vertäuung eines Schwimmdocks und eines längsseits liegenden Dampfers bei stürmischem Wetter: RG H a n s R G Z 1936 B 403. Ablegen und Einbiegen in ein Nebenfahrwasser: HansOLG Hamburg Hansa 1956 S. 1209. Verpflichtung zur Abgabe eines Achtungssignals auch bei Wiederholung eines Ablegemanövers: BOSA Hansa 1957 S. 622. NichtVermeidung einer durch Radarbeobachtung erkannten gefährlichen Annäherung von Schiffen bei unsichtigem Wetter. Auf jeden Fall ist dann vor Erreichen des Nahbereichs die Geschwindigkeit energisch herabzusetzen: OLG Hamburg VersR 1961 S. 822. Siehe dort auch über das Verschulden eines Schiffsführers, der auf Grund falscher Auswertung der Radarbeobachtung auf einer Entfernung von 4 sm ein in den Kurs des Gegenkommers führendes Ausweichmanöver einleitet. Bei Nebelbegegnungen im Nord-Ostsee-Kanal muß jedenfalls dann die Maschine gestoppt werden, wenn vorauszusehen ist, daß das Radarbild durch eine Hochbrücke oder dgl. gestört wird (OLG Hamburg VersR 1975 S. 1042). Siehe BOSA Hansa 1972 S. 1008 über fehlerhafte Radarnavigation beim Queren des Fahr1243
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wassers und Unterlassung des Achtungssignals (Kollision Marinetanker „Westensee" mit M/S „Nanfri" im Emsfahrwasser). Auch Radarschiffe haben im Hafengebiet die geringstmögliche Geschwindigkeit zu halten (OLG Hamburg Hansa 1968 S. 705). Ergibt die Radarbeobachtung, daß mit einer Annäherung mehrerer Schiffe im Nebel zu rechnen ist, so muß in Rechnung gestellt werden, daß eines der Schiffe anders reagiert als erwartet. Die Geschwindigkeit ist herabzusetzen, um notfalls rechtzeitig aufstoppen zu können. Ist das Schiff in einem Gebiet, in dem nach Richtfeuerlinien gefahren wird, bei Nebel durch ein zulässiges Rückwärtsmanöver in eine Schräglage geraten, so muß es schnellmöglichst wieder kursgerecht gelegt werden (OLG Hamburg MDR 1972, S. 426 = VersR 1972 S. 855). Grundsätzlich entspricht es der allgemeinen Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Schiffsführers, ein vorhandenes Radargerät zu benutzen, wenn es nach der Sachlage geboten ist (OLG Hamburg Hansa 1961 S. 2285, VersR 1974 S. 880). Das gilt auch für die Inanspruchnahme der Landradarberatung (vgl. Wriede, Ausgewählte Fragen zum Schadensersatzrecht bei Schiffsunfällen, 1976 S. 5 (Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht A 24). Liegt ein Schiff bei unsichtigem Wetter auf hoher See vor Anker, so muß seine Führung die Verkehrslage grundsätzlich auch mit dem Radargerät beobachten lassen (BGHZ 65, 304 = Hansa 1976 S. 447 - VersR 1976 S. 243 = MDR 1976 S. 381; anders die Vorinstanz OLG Hamburg VersR 1974 S. 880). Über Verschulden durch Abdrängen des Gegenkommers s. BGH Hansa 1960 S. 489 = VersR 1960 S. 172. Über Verschulden wegen verspäteten Ausweichens s. HansOLG Bremen Hansa 1961 S. 549. Besondere Sorgfalt ist in verengtem Fahrwasser erforderlich: HansOLG Hamburg Hansa 1959 S. 2260. Signale haben das unmittelbar bevorstehende Manöver anzukündigen, aber nicht ein solches, das später einmal ausgeführt werden soll: BGH Hansa 1960 S. 1949 = MDR 1960 S. 563 = VersR 1960 S. 535 = ZfBSch 1960 S. 280. Es ist unzulässig, Kurssignale als Passiersignale zu verwenden: BOSA Hansa 1956 S. 490. Vgl. HansOLG Hamburg Hansa 1956 S. 1210 darüber, daß eine Verpflichtung, ein zulässig eingeleitetes Wendemanöver wieder abzubrechen, nicht besteht. Siehe BGH VersR 1957 S. 127 = Hansa 1957 S. 536 darüber, unter welchen Voraussetzungen das Ablegen mit anschließendem Queren des Fahrwassers zulässig ist. Den Anhangschiffer eines Schleppzugs trifft im Hafenverkehr eines Seehafens nicht die Pflicht, darüber zu wachen, daß der Schleppzug auf der richtigen Seite des Fahrwassers bleibt: BGHZ 34, 13. Kollision mit einem marokkanischen Fischkutter vor Cap Safi. Zulässige Geschwindigkeit, ausreichender Ausguck. Keine Ursächlichkeit der Nichtabgabe des Kurssignals (OLG Hamburg Hansa 1963 S. 2419). Für Schiffe, die sich — auf eigenes Risiko — außerhalb des Fahrwassers bewegen, gelten die Ausweichregeln der Seestraßenordnung. Ein Schiff, das sich in der Nähe des Fahrwassers bewegt, hat sich so zu verhalten, daß es für andere Fahrzeuge keinem Zweifel unterliegen kann, ob es dem Fahrwasser folgt oder nicht (BGH VersR 1972 S. 160). Siehe über unzulässiges Halten der falschen Fahrwasserseite bei der Lotsenübernahme BOSA Hansa 1968 S. 638, darüber, daß im Hamburger Hafen nicht immer die richtige Fahrwasserseite eingehalten werden kann, OLG Hamburg VersR 1970S. 419, über ausnahmsweise Zulässigkeit der Benutzung der linken Fahrwasserseite 1968 S. 976. Beim Einlaufen in einen Hafen muß sich der Kapitän auf der Brücke befinden (BOSA Hansa 1968 S. 978). Gegenüber querenden Kleinfahrzeugen gelten im Hamburger Hafen nicht die Ausweichregeln (OLG Hamburg VersR 1970 S. 419). Übungen oder Absprachen zwischen ausländischen Lotsen sind als gegeben hinzunehmen, soweit sie den zuständigen ausländischen Schiffahrtsbehörden bekannt sind und von diesen als zweckmäßig ausdrücklich hingenommen werden oder jedenfalls nicht beanstandet werden (BOSA Hansa 1968 S. 473): 1244
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Ein plötzliches R ü c k w ä r t s m a n ö v e r in der N ä h e einer Kanal- oder Flußböschung ist i m m e r gefährlich ( O L G H a m b u r g VersR 1970 S. 338). Ein regelwidriges Verhalten nach Art. 27 SStrO a. F. hat die A u s n a h m e zu bleiben ( B G H VersR 1971 S. 362 = ZfBSch 1971 S. 242). Siehe ü b e r ein stilliegendes Schiff O L G H a m b u r g H a n s a 1967 S. 797. Ein Schiff, das F a h r t durchs Wasser, aber nicht über G r u n d macht, ist „in F a h r t befindlich". Siehe ü b e r Berücksichtigung der W i n d r i c h t u n g bei der Vertäuung eines Schiffes B G H VersR 1967 S. 599 = H a n s a 1967 S. 1629. In den Weichen des NO-Kanals m u ß grundsätzlich an den auf der rechten Seite liegenden Dalben festgemacht werden (BOSA H a n s a 1968 S. 327). Im B i n n e n h a f e n Brunsbüttelkoog m u ß nach allen Seiten Ausguck gehalten werden (BOSA H a n s a 1968 S. 15). Siehe BOSA H a n sa 1967 S. 1310 u n d 1968 S. 327: Verpflichtung zur Rücksicht auf Schiffe, die in einer Weiche des N O - K a n a l s wieder in F a h r t gehen. Vgl. O L G H a m b u r g VersR 1971 S. 79: Anlegen in einer Weiche des NO-Kanals wegen eines Stoppsignals und W i e d e r a u f n a h m e der Fahrt. Uber W i e d e r a u f n a h m e der Fahrt nach der A n n a h m e eines Lotsen siehe BOSA Hansa 1968 S. 636. Die W i e d e r a u f n a h m e der Fahrt ist unzulässig, wenn h i e r d u r c h eine G e f a h r e n l a g e entsteht ( B G H VersR 1969 S. 611). Siehe ü b e r Besetzung der Brücke im Schärengebiet bei Nacht u n d Nebel BOSA H a n s a 1968 S. 707: D e r Kapitän hat nach der Schwierigkeit der Navigation d a r ü b e r zu entscheiden, o b er sich auf d e r Brücke a u f h ä l t oder nicht. Der Lotse m u ß von der S c h i f f s f ü h r u n g überwacht werden. Ist d u r c h das Verhalten der G r o ß s c h i f f a h r t eine G e f a h r e n l a g e entstanden, so ist sie verpflichtet, bei der Sicherung des Verkehrs auch die K l e i n f a h r z e u g e im Auge zu haben. Ein 6,40 m langes und mit e i n e m 180-PS-Motor ausgerüstetes Sportboot ist als Schiff im Sinne des Binnenschiffahrtsgesetzes anzusehen ( B G H ZfBsch 1974 S a m m l u n g S. 560). Der F ü h r e r eines Sportbootes m u ß bei der nächtlichen F a h r t auf einer Schiffahrtsstraße die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs so bemessen, daß er vor solchen Hindernissen rechtzeitig anhalten oder ausweichen k a n n , mit deren plötzlichem A u f t r e t e n nach allgemeiner E r f a h r u n g zu r e c h n e n ist ( B G H ZfBsch 1974 S a m m l u n g S. 560). Fährt ein Sportboot gegen einen zum Losturnen eines f e s t g e k o m m e n e n Fahrzeugs benutzten Strang, so liegt kein Z u s a m m e n s t o ß von Schiffen vor. Hingegen ist der Fall einer sogen a n n t e n F e r n s c h ä d i g u n g gegeben. ( B G H ZfBSch S a m m l u n g 1974 S. 560). Ein Kapitän, der seiner Aufklärungspflicht über nautische M a n ö v e r infolge m a n g e l h a f t e r Eintragung in die Schiffs- und Maschinentagebücher nicht genügen kann, m u ß ungültige Schlüsse, die hierzu auf den Ablauf einer Kollision gezogen werden, gegen sich gelten lassen. ( B G H VersR 1966 S. 951). Die Tatsache, d a ß ein Schiff beim Befahren einer Seeschiffahrtsstraße zeitweise dem R u d e r nicht gehorcht u n d infolgedessen einen beabsichtigten Kurs nicht einhält, läßt im Falle einer Begegnungskollision nicht o h n e weiteres auf ein Verschulden seiner F ü h r u n g schließen, solange nicht feststeht, d a ß das Schiff seine Fahrwasserseite verlassen hat und in das Fahrwasser des G e g e n k o m m e r s geraten ist (BGH VersR 1966 S. 951). Besteht in e i n e m ausländischen engen Fahrwasser o h n e örtliche Sondervorschrift eine behördlich gebilligte Übung, bei bestimmten S t r ö m u n g e n zu e i n e m Ziel auf der f ü r das Schiff nach Regel 25 SStrO a. F. verbotenen Fahrwasserseite unter deren Benutzung zu fahren, so k a n n die S c h i f f s f ü h r u n g von dem Vorwurf s c h u l d h a f t e n Verstoßes gegen Regel 25 SStrO a. F. entlastet sein ( B G H VersR 1972 S. 551). Ein drehendes Schiff hat keinen Kurs im Sinne der Regeln 19 u n d 21 SStrO a. F., wenn nicht hinreichend e r k e n n b a r ist, wie lange die D r e h u n g fortgesetzt werden u n d welche Fahrtrichtung das Schiff einschlagen wird ( B G H a. a. O.). Siehe B G H VersR 1975 S. 566 = M D R 1975 S. 648 (auch die Vorinstanz O L G H a m b u r g VersR 1974 S. 506): Auch ein geschlepptes Fahrzeug m u ß die Fahrstörungslichter f ü h r e n , wenn es m a n ö v r i e r u n f ä h i g ist, d. h. weder aus eigener K r a f t noch mit Hilfe des oder der schleppenden Fahrzeuge ausweichen kann. Siehe dort auch z u r Frage, wann die Schlepperführung die Fahrtstörungslichter auf einem u n b e m a n n t e n , jedoch manövrierfähigen Fahrzeug aus G r ü n d e n der Vorsicht setzen lassen m u ß . K o m m t es infolge der Querlage eines das enge Fahrwasser sperrenden Fahrzeugs zu e i n e m 1245
§735
2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
Schiffsstau, so müssen neu hinzukommende Schiffe sich jeweils hinten anschließen. Auch muß bei einer Auflösung des Staus das jeweils hintere Fahrzeug warten, bis sein Vordermann die Vorausfahrt aufgenommen hat, sofern seine Führung nicht gewiß sein kann, dieser wolle noch nicht abfahren (BGH VersR 1975 S. 320 = MDR 1975 S. 385). Art. 5 Abs. 2 des Kabelschutzvertrages vom 14. 3. 1884, nach welchem von Kabellegern 1 sm Abstand gehalten werden muß, gilt auch gegenüber Schiffen, die mit Kabeln seismische Messungen durchführen. Die Vorschrift gilt auch gegenüber einem Schiff, das ein Kabel einholt (OLG Hamburg VersR 1976 S. 1081). 18
Schuldhaft ist regelmäßig das Zuwiderhandeln gegen ein auf Schadensverhütung abzielendes Polizeigesetz (s. unten Anm. 24ff.; Mittelstein, HB 372; s. aber auch RGZ 37, 179 und R G Bolze Bd. 4 Nr. 417) und die Vernachlässigung einer von der gewöhnlichen seerechtlichen Praxis oder durch die besonderen Umstände des Falles gebotenen Vorsicht. Entschuldigungsgründe sind weder Eile ( R O H G 4, 123) noch Mangel an Erfahrung, Geschicklichkeit oder Kraft ( R G Z 12, 191). Vgl. auch Anm. 8 ff. Ist durch ein Schutzgesetz ein bestimmtes Handeln zwingend vorgeschrieben, so ist ohne weiteres ein Verschulden anzunehmen (OLG Hamburg Hansa 1963 S. 2421). Nicht schuldhaft zu sein braucht der sog. error in judgment, die irrtümliche Beurteilung der Sachlage bei Vornahme der sachwidrigen schadenstiftenden Handlung, insbesondere im Augenblick drohender Gefahr (BGH VersR 1953 S. 204; 1960 S. 82 und 328; 1961 S. 77 = Hansa 1961 S. 656; 1961 S. 608; OLG Hamm VersR 1959 S. 93 = Hansa 1959 S. 679; R G Bolze Bd. 4 Nr. 422; R G Z 20, 179; 50, 95; WarnRspr. 1908 Nr. 234; Recht 1907 Nr. 2823; 1908 Nr. 2425; HansOLG HansGZ 1899 Nr. 87; HansRGZ 1940 B 10; OSeeA Hansa 1910 S. 419; Appellhof Brüssel Revue Autran Bd. 6 S. 316ff.; Bd. 7 S. 333 ff.; H G Ostende Revue Autran Bd. 10 S. 313ff.; Pereis, ZHR Bd. 57 S. 387; vgl. auch § 485 HGB Anm. 5), z. B. auch die unrichtige Einschätzung des Abstandes mehrerer Lichter von unbekannter Lichtstärke (HansOLG HansGZ 1914 Nr. 8). Jedoch m u ß der Schiffsführer die mehreren vorhandenen Möglichkeiten in Rechnung ziehen (RG JW 1904 S. 486 Nr. 9). Wurde er aber durch unrichtiges oder unterlassenes Signalisieren des anderen Schiffes dazu veranlaßt, die von ihm als möglich erwogene wirkliche Sachlage schließlich nicht als gegeben anzusehen, so ist ihm hieraus ein Vorwurf nicht zu machen (vgl. RG WarnRspr. 1908 Nr. 234). Nicht unbedingt schuldhaft ist auch die Fortsetzung der Fahrt durch ein großes Schiff bei enger Durchfahrt (HansOLG HansGZ 1908 Nr. 72); Unkenntnis individueller Eigenschaften eines fremden Schiffes (linksschlagende Schraube SeeA Stettin Hansa 1912 S. 983); Nichtannahme eines Schleppers (RG Hansa 1910 S. 849). Nur in Ausnahmefällen ist eine Schuld darin zu erblicken, daß der Kurshalter, welcher sich entschließt, bei drohender Kollision mit Abwehrmanövern zu beginnen, den geeigneten Moment verpaßt (HansOLG HansGZ 1910 Nr. 129). Kein Verschulden liegt in der Nichtannahme eines Kanalsteuerers, wenn der Kapitän zuverlässige Rudersleute hat (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 11).
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Ein Verschulden kann auch in der Unterlassung zweckmäßiger Maßnahmen liegen, welche der Kapitän im Hinblick auf voraussehbare Gefahren vornehmen muß, wenn er z. B. das Schiff vorübergehend verläßt (RGZ 82, 146), ohne für Bewachung zu sorgen (HansOLG HansRZ 1920, 45). — Dagegen nicht in der Abweichung von der Reiseroute. Das Schiff braucht nicht nachzuweisen, daß es sich schuldlos am Unfallort befunden hat (RG JW 1912 S. 250 Nr. 21).
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Für Kriegsschiffe (und analog wohl auch für sonstige Staatsschiffe, die im öffentlichen Dienst verwendet werden) gilt noch der besondere Satz, daß ein Verschulden ausgeschlossen ist, wenn sie die Regeln der erforderlichen Vorsicht verletzen, weil andere und höhere Rücksichten des Staates oder des Völkerrechts in Frage stehen (RGZ 78, 178); z. B. ein Torpedoboot, welches wichtige Nachrichten zu überbringen hat, oder ein Geschwader, welches noch rechtzeitig in ein Seegefecht eingreifen soll, fahren im Nebel mit voller Geschwindigkeit. Entsprechendes gilt für eine Polizeibarkasse (HansOLG HansGZ 1913 Nr. 47 = Hansa 1913 S. 393), z. B. bei Verfolgung schwerer Verbrecher. Für bloße Manöver wird der Satz jedoch nicht anerkannt werden dürfen, ebenso nicht für Fahrten in einem Seegebiet, das außerhalb des Einsatzbefehls liegt (BGH Hansa 1956 S. 323 = VersR 1955 S. 614). 1246
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Jedes Schiff darf sich, ohne den Vorwurf einer Schuld zu gewärtigen, darauf verlassen, daß 2 1 der Gegner die Vorschriften des Seestraßenrechts beachtet (RGZ 117, 172; R G H a n s G Z 1909 Nr. 125; H a n s O L G H a n s G Z 1908 Nr. 120 = Hansa 1908 S. 636; B G H VersR 1961 S. 609 und 2284), insbesondere richtig signalisiert. Es m u ß jedoch auch damit gerechnet werden, daß der Gegner außergewöhnliche M a n ö v e r nach Art. 26, 27 und 29 SStrO a. F. v o r n i m m t . Durch den eingangs e r w ä h n t e n G r u n d s a t z wird auch kein Schiff von der Pflicht e n t b u n d e n , voraus oder sonst in der N ä h e befindliche Fahrzeuge, deren Fahrweise f ü r das eigene Verhalten von Bedeutung werden k a n n , zu beobachten ( B G H Hansa 1961 S. 2282). Die B e n u t z u n g der wegen der M i n e n g e f a h r f ü r die Schiffahrt eingerichteten sog. Zwangswege in der Art, d a ß die T o n n e n der Mittellinie in 200 m Abstand an Backbord zu passieren sind, ist nicht d u r c h eine Rechtsvorschrift geboten, aber in der Regel eine d u r c h die seemännische Praxis gebotene Vorsichtsmaßnahme. Ist ein bestimmtes, im einzelnen geregeltes Verhalten durch die seemännische Praxis geboten, wie es z. B. in den vom Deutschen Hydrographischen Institut herausgegebenen „Nachrichten f ü r Seefahrer" näher beschrieben worden ist, so k ö n n e n die G r u n d s ä t z e über den Anscheinsbeweis auch bei einem Verstoß gegen Art. 20 SStrO a. F. ( V o r s i c h t s m a ß n a h m e n der seemännischen Praxis) herangezogen werden ( B G H VerkBl. 1958 S. 704).
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Vgl. z u r Frage des nautischen Verschuldens auch die Erläuterungen zu § 736 A n m . 15 ff., § 511 H G B A n m . 2, § 513 A n m . 3 ff. Über das Verhältnis der verweigerten Nothilfe zur Verschuldensfrage vgl. die A n m . zu Art. 8 1ÜZ. Ein großer Teil der einschlägigen Entscheidungen entzieht sich der Verwertung an dieser Stelle, weil diese Rechtssprüche auf die Besonderheit des Einzelfalls abgestellt sind und eine genaue Wiedergabe desselben sich von selbst verbietet. Es k a n n insoweit n u r allgemein auf die in den Entscheidungen der Seeämter enthaltenen Sprüche verwiesen werden.
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ccc) Verschulden bei Verstoß gegen ein Schutzgesetz braucht sich n u r auf eben diesen Ver- 2 4 stoß zu beziehen, nicht auf die k o n k r e t e Sachlage ( R G JW 1904 S. 408 Nr. 15; 1916 S. 38 Nr. 4; W a r n R s p r . 1909 Nr. 86; 1918 Nr. 106). Der Schuldige kann dann wohl unverschuldete Unkenntnis des Schutzgesetzes geltend machen, nicht aber a u s f ü h r e n , das Gesetz verlange zuviel, nämlich m e h r als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ( R G J W 1910 S. 579 Nr. 12). Nicht erforderlich ist Vorhersehbarkeit des Schadens ( R G Z 66, 251 und 145, 115; B G H 2 5 VersR 1955, 504; unrichtig H a n s O L G H a n s G Z 1912 Nr. 14 a. E.); wohl aber das Bewußtsein, daß ein Schutzgesetz verletzt werde. D a h e r entfällt die Schuldhaftigkeit bei entschuldbarem Irrtum über Bestehen oder Rechtsgültigkeit des Gesetzes ( R G J W 1907 S. 251; R G Z 73, 337; Recht 1913 Nr. 23; vgl. JW 1937 S. 1775; NJW 1953 S. 1426). D a ß die Übertretung nicht schuldhaft war, m u ß grundsätzlich derjenige beweisen, dem sie z u r Last fällt ( R G Recht 1913 Nr. 2414; R G Z 113, 194; 145, 116; B G H BB 1957, 240; VersR 1956 S. 159; 1956 S. 190). Ein Verschulden liegt jedoch in dem bloßen Vergessen eines Polizeigesetzes und in der unge- 2 6 nügenden A u s f ü h r u n g seiner Vorschriften, wenn der Kapitän sich sagen mußte, daß durch die von ihm gewählte Art der Befolgung die G e f a h r , welcher das Schutzgesetz vorbeugen wollte, nicht beseitigt werde ( R G J W 1905 S. 142 Nr. 21). Siehe auch die oben in A n m . 18 angeführte Entscheidung des O L G H a m b u r g Hansa 1963 S. 2421. Schuldhaft handelt auch, wer unter Verletzung der gebotenen Sorgfalt unterläßt, sich über das Bestehen des Schutzgesetzes zu unterrichten ( R G a. a. O. und W a r n R s p r . 1909 Nr. 297; B G H VersR 1956 S. 158; 1956 S. 190; Wüstendörfer, H B 552 A n m . 2. Die unrichtige Auslegung eines Schutzgesetzes ist im Zweifel schuldhaft, z u m a l wenn sie mit d e m klaren Wortlaut des Gesetzes u n v e r e i n b a r ist ( H a n s O L G H a n s G Z 1912 Nr. 93 = H a n s a 1912 S. 515). Die Pflicht zur Befolgung des Schutzgesetzes besteht nicht nur, solange der beabsichtigte Schutz tatsächlich erreicht wird, sondern auch darüber hinaus im Interesse der e r h ö h t e n Sicherheit ( R G JW 1909 S. 135 Nr. 9). Nicht s c h u l d h a f t ist die Abweichung von einem Schutzgesetz bei Vorliegen einer außergewohnlichen Situation, welche das Gesetz nicht im A u g e hatte ( R G J W 1909 S. 313 Nr. 10). Die bloße Annahme des Täters, d a ß sein Verhalten zweckmäßiger sei als das v o m Schutzgesetz vorgeschriebene, deckt ihn jedoch nicht ( R G DJZ Bd. 20 Spruchs. 231). — G e g e n gesetzliche Re1247
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gelungen k a n n kein gegensätzlicher Schiffahrtsbrauch a n e r k a n n t werden ( O L G H a m m VersR 1959 S. 93 = H a n s a 1959 S. 679; vgl. auch BOSA H a n s a 1958 S. 2165). 28
Schutzgesetz ist jede gesetzliche Anordnung, die zum Schutze der Allgemeinheit, insbesondere der Verkehrssicherheit und damit auch des einzelnen erlassen ist ( R G J W 1916 S. 38; B G H VersR 1956 S. 190), also jede diesbezügliche Rechtsnorm (Art. 2 E G B G B ) im Gegensatz zu einer bloßen O r d n u n g s v o r s c h r i f t ( R G Z 74, 92 = J W 1912 S. 636). Der Schutz der Allgemeinheit m u ß z u m m i n d e s t e n s e k u n d ä r bezweckt sein ( R G J W 1904 S. 554). Als Schutzgesetz komm e n vor allem in Betracht die Seestraßenordnung ( R G Z 73, 8; O L G H a m b u r g H a n s a 1963 S. 2421; BOSA Bd. IV S. 441), die Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung und die meisten lokalen S c h i f f a h r t s v e r o r d n u n g e n (vgl. dazu R G WarnRechtspr. 1915 Nr. 53; O L G Stettin Deutsche Schiffahrt 1912 S. 169); die Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft sind keine Schutzgesetze im eigentlichen Sinne ( O L G H a m b u r g H a n s a 1962 S. 840, 1963 S. 2421; R G Z 73, 8; Prüssmann, § 735 E 3 c ) , aber doch e n t s p r e c h e n d zu behandeln ( R G J W 1915 S. 243 Nr. 6; W a r n R s p r . 1909 Nr. 414; 1910 Nr. 13 u. 384; f e r n e r R G Z 95, 238 = J W 1919 S. 509 Nr. 18; H a n s O L G Bremen Hansa 1961 S. 997). Ist die Verletzung eines Schutzgesetzes auch ohne Verschulden möglich, so tritt die H a f t u n g aus § 823 Abs. 2 BGB doch stets nur bei vorliegendem Verschulden ein.
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ddd) I m allgemeinen k a n n das geschädigte Schiff dem a n d e r e n n u r ein solches Verschulden vorwerfen und A n s p r ü c h e daraus herleiten, das sich auf ein Verhalten ihm selbst gegenüber bezieht. Jedoch ist dieser G r u n d s a t z nicht formalistisch auszulegen, vielmehr im R a h m e n der adäquaten Kausalität (s. u.) einer Erweiterung fähig. Vgl. hierüber die interessante Entscheid u n g R G H a n s G Z 1904 Nr. 56. — Ist ein Schiff s c h u l d h a f t auf Sand gelaufen u n d ist dieses A u f l a u f e n adäquat kausal f ü r einen darauffolgenden Z u s a m m e n s t o ß mit e i n e m anderen Schiff, so ist a u c h diese Kollision als schuldhaft h e r b e i g e f ü h r t anzusehen ( R G W a r n R s p r . 1909 Nr. 417). Vgl. a u c h A n m . 33. Vgl. OLG (Rheinschiffahrtsobergericht) Köln ZfBSch 1959 S. 458: W e n n bei H i l f s m a ß n a h m e n zur Sicherung eines d u r c h Unfall beschädigten Schiffes von der Besatzung dieses Schiffes oder fremder Hilfsschiffe Fehler gemacht werden, so wird der ursächliche Z u s a m m e n h a n g der auf diese Fehler z u r ü c k z u f ü h r e n d e n Schäden mit dem ursprünglichen U n f a l l nicht beseitigt. Die Fehler stellen lediglich mitwirkende weitere Ursachen und ein m i t w i r k e n d e s zusätzliches Verschulden dar, das bei der Abwägung der gegenseitigen Schuld der Parteien zu berücksichtigen ist.
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3. Verursachung der Kollision. Die Kollision m u ß durch eine schuldhafte H a n d l u n g herbeigeführt sein. § 735 verlangt d e m n a c h Kausalzusammenhang zwischen Erfolg und schuldhafter Handlung. Der H a n d l u n g steht die Unterlassung gleich (vgl. dazu A n m . 6). Im folgenden ist der Ausdruck „ H a n d l u n g " im Sinne von Verhalten (d. h. H a n d l u n g oder Unterlassung) zu verstehen.
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a) Nicht auf die Kausalität im natürlichen (philosophischen) Sinne, d. h. darauf, o b o h n e das Verhalten der Schaden ü b e r h a u p t eingetreten wäre, wobei j e d e condicio sine qua non der anderen gleichgestellt ist, k o m m t es an — deren mechanische Zugrundelegung würde zu unbilligen, ja u n d e n k b a r e n Resultaten f ü h r e n —, sondern auf die Kausalität im rechtlichen Sinne, welche einen Ausschnitt der ersteren bildet. Die Frage, welches dieser Ausschnitt, dieser rechtlich allein relevante engere Kreis von Verursachung ist, ist f ü r das Zivilrecht einer Klär u n g entgegengeführt w o r d e n d u r c h die Theorie von der adäquaten Kausalität ( B G H Z 2, 138; B G H VersR 1961 S. 222; Nörr, VersR 1960 S. 870f.), welche einen gesetzlichen Ausdruck lediglich in § 252 B G B (entgangener Gewinn) g e f u n d e n hat. W o feststeht, daß ein M o m e n t f ü r den Erfolg kausal im natürlichen Sinne war, da ist zu unterscheiden, ob das M o m e n t generell geeignet erscheint, e i n e n derartigen Erfolg hervorzubringen (adäquate Ursache — adäquate Folge), oder ob dies nicht der Fall ist, ob es also n u r zufälligerweise die Veranlassung des Erfolges geworden ist (inadäquate, zufällige Ursache — inadäquate, zufällige Folge). N u r f ü r die adäquaten, normalen Folgen der zu vertretenden Handlung, nicht für die inadäquaten, zufälligen Folgen derselben, ist zu haften (siehe auch B G H Z 3, 261). Doch k o m m e n nicht n u r die dem Täter zur Zeit der Schadensverursachung e r k e n n b a r e n U m s t ä n d e in Betracht, sondern alles, was zu j e n e r Zeit überhaupt (dem einsichtigen Menschen) erkennbar war (EnneccerusLehmann, Recht d e r Schuldverhältnisse, 15. Bearb. 1959, § 15 III 2 b); Traeger, D e r Kausalbe-
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griff im Straf- u n d Zivilrecht, 1904 S. 159). Abzulehnen ist die Ansicht von Kries, Vierteljahresschr. f. wissensch. Philosophie Bd. 12 S. 180 ff. und Zeitschr. f. Strafrecht Bd. 9 S. 528 ff., wonach es auf die Erkennbarkeit f ü r den Täter zm Zeit der Tat a n k o m m e , und ebenso die von Rümelin, ArchcivPrax Bd. 90 S. 171 ff. vertretene Meinung, bei objektiver Beurteilung seien auch die zur Zeit der Tat überhaupt noch nicht e r k e n n b a r e n , erst später aufgedeckten U m stände als G r u n d l a g e zu benutzen. — Keinesfalls reicht es zur Feststellung des Kausalzusammenhangs, wenn nur angenommen werden kann, daß der Schaden durch eine Handlung „möglicherweise" oder „vielleicht" verursacht worden sei ( B G H Z 2, 138; Nörr, a. a. O.). Nicht ursächlich ist ein Unterlassen, wenn es hinweggedacht werden kann, ohne d a ß der schädliche Erfolg entfiele ( B G H VersR 1956 S. 367). Doch k a n n die Ursächlichkeit des Unterlassens nicht d a d u r c h verneint werden, d a ß die Pflicht zum H a n d e l n auf einen so späten Zeitpunkt verlegt wird, d a ß d a n n der Erfolg nicht verhindert worden wäre, wenn in Wahrheit schon die Pflicht zu f r ü h e r e m , den Schaden v e r h i n d e r n d e m Handeln bestand (BGH VersR 1959, S. 991; Nörr, a . a . O . ) . — Vgl. auch Lindenmeier, Adäquate Ursache und nächste Ursache, Z H R Bd. 113 S. 213. b) Die Unterscheidung von adäquater u n d inadäquater Kausalität hat sich in der Praxis der 3 2 Kollisionsprozesse als besonders f r u c h t b a r erwiesen, weil sich hier besonders o f t die Frage aufwirft, wie weit der Erfolg auf eine ursprüngliche schuldhafte H a n d l u n g oder auf inzidente Ereignisse z u r ü c k z u f ü h r e n ist. Grundsätzlich zu beachten ist, d a ß bei e i n e m Z u s a m m e n w i r ken m e h r e r e r kausaler U m s t ä n d e eine Teilung oder graduelle Abstufung der Kausalität nicht angängig ist (vgl. dazu R G Z 58, 357; JW 1909 S. 416 Nr. 15; Gruchots-Beitr. Bd. 51 S. 990; s. aber auch die a n engl. Recht anklingende Entscheidung des H a n s O L G H a n s R G Z 1930 B 570). Es wäre also unrichtig, a n z u n e h m e n , d a ß eine H a f t u n g d a n n nicht gegeben sei, w e n n der Zus a m m e n s t o ß nicht ausschließlich auf das Verschulden der Besatzung des einen Schiffes, sond e r n zugleich auf andere, sei es auch n u r zufällige U m s t ä n d e z u r ü c k z u f ü h r e n ist ( R G Z 7 Nr. 8). D e n n jeder U m s t a n d , welcher i n n e r h a l b eines Tatbestands zu dem Erfolge mitwirkt, ist kausal, sofern er eine Bedingung des Enderfolgs darstellt ( B G H Z 2, 138). U m adäquat zu sein, m u ß diese Kausalität aber auch die natürliche und regelmäßige Fortentwicklung der Bedingung darstellen ( R G Z 94, 10; B G H Z a. a. O.). Dagegen wird man i n n e r h a l b gewisser G r e n z e n den Satz gelten lassen k ö n n e n , daß m a n die Folgen seines s c h u l d h a f t e n H a n d e l n s auch d a n n zu verantworten habe, wenn dieselben d u r c h das M i t w i r k e n eines an sich kasuellen Umstandes h e r b e i g e f ü h r t sind, sofern der letztere nicht o h n e das erstere diesen Erfolg würde gehabt haben k ö n n e n . Immer aber ist die Haftung für den schädlichen Erfolg nach dem oben Gesagten nur dort 3 3 anzuerkennen, wo derselbe eine adäquate Folge des schuldhaften Handelns ist, d. h. dann, wenn Handlungen der fraglichen Art generell geeignet erscheinen, derartige Erfolge herbeizuführen, die letzteren also nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen. Das ist heute fester Bestandteil der juristischen Doktrin geworden. Vgl. etwa R G Z 104, 143; 133, 127; 152, 401; 155, 41; 169, 91; B G H Z 7, 204. Über Manöver des letzten Augenblicks und adäquaten Kausalzusamm e n h a n g vgl. B G H VRS Bd. 5 S. 191. Vgl. f ü r die Theorie von der adäquaten Verursachung auch die grundlegende Entscheidung 34 R G Z 81, 359: Kausalität ist rechtlich nicht gegeben, w e n n der Schaden n u r u n t e r Mitwirkung eines zweiten Ereignisses zustande g e k o m m e n ist, das mit dem ersten keinen Z u s a m m e n h a n g hat, so daß v o m S t a n d p u n k t eines alle d e m Menschen zu Gebote stehenden E r f a h r u n g e n und Kenntnisse beherrschenden Beurteilers z u r Zeit der die Verantwortung b e g r ü n d e n d e n Handlung „eine derartige schadenstifende Verkettung von U m s t ä n d e n ebenso wahrscheinlich erscheinen mußte, w e n n j e n e H a n d l u n g unterblieb, als wenn sie erfolgte". — Dagegen erfordert Adäquanz nicht subjektive Vorhersehbarkeit oder d a ß der Erfolg objektiv der Regel nach zu erwarten war. — Es genügt, daß die objektive Möglichkeit eines Erfolges von der Art des eingetretenen allgemein e r h ö h t oder begünstigt wird. Es genügt, d a ß die Sachlage f ü r einen sie nach m e n s c h l i c h e m Maßstabe, soweit d e n k b a r , übersehenden Beurteiler infolge der Handlung in Richtung auf den zunächst eintretenden Schaden gefährlicher erscheinen mußte. — Subjjektiver Maßstab ist zu vermeiden, ebenso M a ß s t a b der Regelmäßigkeit. Vielmehr haftet der Schuldner f ü r alle Folgen seines Verhaltens, und die H a f t u n g entfällt, w e n n d e r Schaden gegen den natürlichen Verlauf der Dinge infolge H i n z u t r e t e n s eines Ereignisses eintrat, das 1249
§735
2. Teil: Seehandelsrecht -
Das 4. Buch des H G B
seiner Art n a c h ebensowohl auch o h n e die schädigende H a n d l u n g den Schäden hätte herbeiführen können. 35
36
c) Bei allen Vorzügen hat die Theorie von der adäquaten Kausalität doch den Nachteil, d a ß in der Praxis die A u s e i n a n d e r h a l t u n g der Begriffe Adäquanz, Vorhersehbarkeit und Verschulden große Schwierigkeiten bereitet. O b ihre T r e n n u n g ü b e r h a u p t d u r c h f ü h r b a r ist, erscheint nicht o h n e Zweifel. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Schuldhaftigkeit liegen zeitlich vor der schädigenden Handlung. Die P r ü f u n g der A d ä q u a n z m u ß (wenn auch die Kausalität a n die H a n d l u n g a n k n ü p f t ) stets auf diese, vor der H a n d l u n g liegenden tatsächlichen Elemente (Situation) zurückgreifen. G e m e s s e n an der N o r m der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ergeben sie die Schuldhaftigkeit; gemessen a n dem generell zu erwartenden Verlauf der Dinge die adäquate Kausalität; gemessen an der Urteilsfähigkeit des normalen Menschen die Voraussehbarkeit der H a n d l u n g , welche als neues, bestimmendes M o m e n t in die bestehende Konstellation eingreift u n d zu einer Schädigung führt. Ob diese Schädigung durch die zur Beurteilung stehende Handlungsweise generell begünstigt wurde, ist eine n u r empirisch zu lösende Frage, und wenn die Entscheidung darüber a u c h auf den „mit allen d e m Menschen zu Gebote stehenden E r f a h r u n g e n und Kenntnissen" ausgerüsteten Beurteiler abgestellt wird ( R G Z 81, 359), so liegt darin nichts anderes als die Summier u n g empirisch gewonnener Erkenntnismöglichkeiten, welche des subjektiven C h a r a k t e r s nicht völlig entkleidet werden k ö n n e n . Letzten Endes wird sich die Frage der A d ä q u a n z im konkreten Falle danach entscheiden, ob einem solchen Beurteiler die Verkettung der zu dem Erfolg f ü h r e n d e n U m s t ä n d e gleich wahrscheinlich erscheinen mußte, wenn die fragliche H a n d l u n g erfolgte oder unterblieb ( R G a. a. O.). Die Abwägung dieser, vielfach auf der G r e n z e der W a h r n e h m b a r k e i t liegenden Wahrscheinlichkeiten aber entzieht sich jeder Schematisierung. Die Lehre von d e r adäquaten Kausalität kann d a n a c h nur als ein praktisches Hilfsmittel z u r Ausscheidung derjenigen Kausalitäten dienen, welche das Recht nicht als solche verwerten darf, o h n e den Boden praktischer Lebenserfahrung unter den Füßen zu verlieren. Zur Lehre vom Kausalzusammenhang
sind noch folgende
Bemerkungen
zu
machen:
aa) Kausalzusammenhang zwischen schuldhaftem H a n d e l n und Schaden ist nicht vorhanden, wenn derselbe Erfolg auch unabhängig von ersterem, also auch bei nicht s c h u l d h a f t e m Handeln, eingetreten wäre ( R G 8 Nr. 112; 42, 293; LZ 1914, 466): es handelt sich dann u m culpa sine effectu. H i e r h e r gehört z. B. die unterlassene F ü h r u n g der Ankerlichts, wenn dieses (wegen der F l u ß k r ü m m u n g ) doch nicht rechtzeitig hätte b e m e r k t werden k ö n n e n ( R G H a n s a 1908 S. 1241). Unterlassung des Rudersignals, wenn der G e g n e r das anzuzeigende M a n ö v e r bemerkt hatte ( H a n s O L G H a n s a 1912 S. 1053 = H a n s G Z 1912 Nr. 105); Unterlassung des Manövers „volle Kraft rückwärtswenn dadurch die Kollision doch nicht hätte vermieden werden k ö n n e n ( H a n s O L G H a n s G Z 1912 Nr. 54); Unterlassung des Signals, welches in kein e m Falle die Kollision hätte v e r h i n d e r n k ö n n e n ( H a n s O L G a. a. O.). Siehe weiter B G H Z 20, 275 = NJW 1956 S. 1027 (Verschulden einer Kollision mit einem bereits aus a n d e r e r Ursache u n r e t t b a r s i n k e n d e n Schiff), O L G H a m b u r g Hansa 1963 S. 2419 ( u n v e r m e i d b a r e Kollision auch bei Abgabe der Signale). Es genügt jedoch nicht die Möglichkeit, d a ß der Erfolg unabhängig v o m Verschulden eingetreten wäre. Vielmehr m u ß dieses festgestellt werden ( R G LZ 1914, 466). Vgl. f e r n e r R G H a n s a 1911 S. 369; H a n s O L G H a n s G Z 1911 Nr. 41; 1910 Nr. 92 (der von d e m Reeder auf einem D a m p f e r angestellte Kapitän hatte nur ein Patent zur Führ u n g eines Segelschiffes. Hierin wäre eine culpa sine effectu zu erblicken, wenn der Reeder nachweisen könnte, d a ß der Unfall auch bei A n w e n d u n g der Kenntnisse und der Sorgfalt eines ordentlichen D a m p f e r f ü h r e r s nicht hätte vermieden werden können). Hat ein Schiff das Ankerlicht gesetzt, nachdem der Befehl zum A n k e r n gegeben war, es jedoch unterlassen, das Ankerlicht wieder einzuziehen, n a c h d e m der Befehl zum A n k e r n widerr u f e n war, so liegt culpa sine effectu vor, wenn das Schiff keine oder nur ganz geringe Fahrt machte u n d d a h e r nautisch e i n e m ankernden Schiff gleichzustellen war. 37
bb) Hat a b e r die zu vertretende H a n d l u n g den Schaden verursacht, so ist es gleichgültig, ob das schädigende Resultat vielleicht auch durch andere (hypothetische) Umstände hätte herbei1250
Haverei
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geführt werden können ( R G Z 25, 77; 28, 167; 141, 365; 144, 80; 169, 112; B G H N J W 1958 S. 705 = M D R 1958 S. 333; B G H Hansa 1967 S. 551 = M D R 1967 S. 195 = NJW 1967 S. 551 = VersR 1967 S. 130; Lemhöfer, BB 1967 S. 9; Prüssmann, § 735 C 2). Steht jedoch fest, d a ß das a n g e r a n n t e Schiff mit seiner Ladung in j e d e m Falle untergegangen wäre, also unrettbar verloren war, so fehlt es an dem K a u s a l z u s a m m e n h a n g zwischen der zweiten Kollision und dem Erfolge ( R G HoldheimsMSchr. 1912 S. 156). Die Beweislast f ü r die Unrettbarkeit des ang e r a n n t e n Schiffes wird dem Schädiger aufzuerlegen und an die Beweisführung ein strenger M a ß s t a b zu legen sein. cc) D e r Kausalzusammenhang zwischen der zu vertretenden H a n d l u n g und dem Schaden 3 8 wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß das Dazwischenkommen eines anderen Ereignisses, wäre dasselbe eingetreten, die Wirkung des ersteren verhindert haben würde ( R G Z 26, 313). Ist dieses andere, nicht eingetretene Ereignis eine Sorgfaltsverletzung des Geschädigten, hat also Verschulden des letzteren bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt oder hat er es unterlassen, den Schaden abzuwenden, so gilt § 736 bzw. § 254 BGB (vgl. § 736 A n m . 6 ff.). Die Kausalität selbst aber wird durch ein, selbst grobes Verschulden des Geschädigten nicht in Frage gestellt ( R G Z 29, 120; 50, 95; WarnRspr. 1909 Nr. 278, 414; H a n s O L G H a n s R G Z 1931 B 683; siehe auch B G H Z 3, 46). dd) D e r Kausalzusammenhang zwischen H a n d l u n g und Schaden wird d a d u r c h nicht ausge- 3 9 schlössen, daß eine auf freiem Entschluß beruhende Tätigkeit des Geschädigten dazwischengetreten ist: eine solche k a n n durch die infolge der vertretbaren H a n d l u n g herbeigeführte Situation geradezu geboten gewesen sein ( R G Z 29 Nr. 31; 50, 222; 164, 185). Vgl. auch A n m . 40. ee) Unterbrechung des Kausalzusammenhangs (Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen 4 0 den Ereignissen, vgl. Wriede, Ausgewählte Fragen z u m Schadensersatzrecht bei Schiffsunfällen, S. 10). H i e r m i t wird im allgemeinen der Fall bezeichnet, daß, bevor die W i r k u n g der Tatsache A, die an sich eine f ü r den Erfolg adäquate Ursache darstellen würde, eintritt, eine neue, selbständige Tatsache B sich ereignet, welche den Erfolg, den sonst die Tatsache A bewirkt haben würde, selbst herbeiführt.— Der Ausdruck ist inkorrekt und irreführend: entweder es besteht ein K a u s a l z u s a m m e n h a n g zwischen der Tatsache A und dem Erfolg, oder nicht; ein Drittes ist nicht denkbar. Unterbrochen ist nicht der Kausalzusammenhang, sondern der regelmäßige Kausalverlauf. Trotzdem wird der Begriff „ U n t e r b r e c h u n g des K a u s a l z u s a m m e n hangs" in der J u d i k a t u r ständig verwertet, sofern eine neue Ursachenkette einsetzt. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die Tätigkeit einer Person in derjenigen einer a n d e r e n fortsetzt ( R G JW 1917 S. 461 Nr. 3; R G Z 69, 57); wohl aber, wenn der Kapitän von d e m Sinken seines Schiffes im Fahrwasser der Strompolizeibehörde Anzeige macht, diese es aber unterläßt, die zur Sicherung der Schiffahrt nötigen M a ß n a h m e n v o r z u n e h m e n , so d a ß ein anderes Schiff auf das Wrack fährt ( R G LZ 1910, 303 = H a n s a 1910 S. 169 = H a n s G Z 1910 Nr. 95). Keine Unt e r b r e c h u n g liegt vor, w e n n eine Person, u m sich zu retten, von dem d u r c h Schuld eines Dritten im Sinken befindlichen Schiff ins Wasser springt und dabei ertrinkt (RGBl. f. Rechtsanw e n d u n g 1905 S. 478). Der Schädiger haftet auch f ü r solche freien Willenshandlungen des Geschädigten, zu denen dieser durch die schädigende H a n d l u n g nicht nur veranlaßt, s o n d e r n direkt genötigt wurde. Keine Unterbrechung, wenn zu dem Verschulden ein — nicht a u ß e r h a l b j e d e r B e r e c h n u n g ligendes — zufälliges Ereignis tritt, o h n e welches die Kollision nicht erfolgt wäre ( H a n s O L G H a n s G Z 1913 Nr. 6). W e n n dagegen ein Schlepper das Hinausschleppen eines Schiffes verzögert und dieses Schiff zwölf Tage später in einen O r k a n gerät, so ist die Kausalität d u r c h die in dieser Zeit erfolgten freien Willenshandlungen des Kapitäns unterbrochen ( H a n s O L G H a n s G Z 1911 Nr. 28). Vgl. j e d o c h R G Z H a n s G Z 1912 Nr. 74 a. E. (Reiseverzögerung kann unter U m s t ä n d e n adäquat kausal f ü r einen Unfall sein). Siehe auch R G Z 42, 293; 140, 1; 168, 88, in d e n e n Fälle der u n t e r b r o c h e n e n Kausalität nach der A d ä q u a n z f o r m e l entschieden worden sind, ebenso B G H Z 25, 86 = NJW 1957 S. 1475, O L G H a m b u r g H a n s a 1962 S. 1063 = VersR 1962 S. 949. d) Feststellung des Kausalzusammenhangs im Prozeß. O b ein K a u s a l z u s a m m e n h a n g zwi- 4 1 sehen der vertretbaren H a n d l u n g und d e m Schaden gegeben ist, d a r ü b e r entscheidet nach § 287 Z P O das richterliche Ermessen; R G Z 155, 39; B G H NJW 1951 S. 405; H a n s a 1956 S. 2453 = VersR 1956 S. 693 (die dem A n s p r u c h zugrundeliegenden Tatsachen sind jedoch 1251
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
gemäß § 286 ZPO festzustellen; BGH Hansa 1965 S. 1326 = VersR 1965 S. 280). Jedoch darf der Richter eine sachgemäße Würdigung der Behauptungen und Beweisanträge nicht ablehnen und willkürliche Feststellungen treffen (RG LZ 1917, 861; JW 1912 S. 694 Nr. 22); auch wenn an einen Beweis im konkreten Falle keine großen Anforderungen gestellt werden, so genügt doch niemals die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Kausalität (HansOLG HansGZ 1906 Nr. 17; BGH Hansa 1956 S. 2453 = VersR 1956 S. 693). Sachverständige sind zur Beurteilung der Kausalität nicht berufen, sondern nur zur Schaffung tatsächlicher erfahrungsgemäßer Urteilsgrundlagen, welche zu einer Gerichtsüberzeugung hinsichtlich der Kausalität führen (vgl. HansOLG HansGZ 1914 Nr. 12; bestätigt R G HansGZ Nr. 93). Will das Gericht den Sachverständigen nicht folgen, so muß es seine Ansicht eingehend begründen. Das Revisionsgericht hat nachzuprüfen, ob hierbei die Grenzen des freien Ermessens überschritten sind (BGH VersR 1956 S. 693 = Hansa 1956 S. 2435). - Das Gericht hat seine für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs maßgebenden Erwägungen darzulegen. Die Schlußfolgerungen, die das Gericht auf Grund des festgestellten Tatbestandes gezogen hat, müssen im Rahmen des dem Gericht eingeräumten freien Ermessens logisch begründet sein und dürfen den Denkgesetzen und den Erfahrungsgrundsätzen nicht widersprechen ( B G H Z 6, 62; BGH Hansa 1956 S. 2453 = VersR 1956 S. 693). Zum Nachweis des Kausalzusammenhangs genügt es jedoch, wenn der Kläger einen seit längerer Zeit bestehenden, objektiv für den Schaden kausalen Zustand dargelegt hat (RG JW 1913 S. 923 Nr. 10). 42
Der Richter hat auszusprechen (und zwar unter Angabe von Gründen; RGZ 96, 250), ob er den Kausalzusammenhang für erwiesen, nicht ob er ihn für wahrscheinlich erachtet (RGZ 6 Nr. 1; vgl. auch RG JW 1909 S. 692 Nr. 24). Freilich genügt auch für den Beweis des Kausalzusammenhangs dasjenige Maß von Wahrscheinlichkeit, das im gewöhnlichen Leben als Gewißheit hingenommen wird, ohne daß in Frage zu stellen ist, ob im unerschöpflichen Gebiete der Möglichkeiten Raum für das Gegenteil ist (RGZ 12, 190; vgl. 29, 141; BGHZ 2, 138; BGH Hansa 1956 S. 2453 = VersR 1956 S. 693). Die Tatsache, daß der Richter auf hypothetische Erwägungen angewiesen ist, äußert sich auf dem Gebiet der Beweiswürdigung, ändert jedoch nicht die Beweislast (RGZ 84, 382).
43
Ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit genügt jedoch nur bei Abwesenheit anderer, gleich starker Möglichkeiten (RGZ 95, 249). Auch diese aber hindern die Annahme eines Kausalzusammenhangs nicht, wenn zwar der konkrete Hergang nicht festgestellt ist und theoretisch verschiedene Alternativen offenbleiben, aber sich die negative Feststellung rechtfertigt, daß nach menschlicher Erfahrung mit Rücksicht auf die Sachlage eine Verursachung durch andere Faktoren ausgeschlossen erscheint (RGZ 29, 140) oder diese anderen Faktoren nur als unbestimmte Möglichkeiten in Frage kommen (RG WarnRspr. 1909 Nr. 534). § 287 ZPO soll eben gerade dann Anwendung finden, wenn der Beweis mit den gewöhnlichen Beweismitteln nicht in zweifelsfreier Weise erbracht werden kann (RG JW 1915 S. 1199 Nr. 9). Der Richter darf nicht mehr verlangen, als den Nachweis des äußeren Zusammentreffens von Tatsachen, die nach dem erfahrungsgemäß gewöhnlichen Verlauf einen Schluß auf die Kausalität zulassen. Die Gesamtheit des Prozeßstoffs (ohne Rücksicht auf die Regeln der Beweislast) ist hierbei zu würdigen (RG JW 1915 S. 243 Nr. 6).
44
Wegen mangelnder Darlegung der Kausalität darf ein Ersatzanspruch nicht zurückgewiesen werden, solange das Gericht unter Anwendung aller Erkenntnismittel zu einer auch nur allgemeinen Schätzung gelangen kann (RG JW 1919 S. 382 Nr. 10, vgl. hierzu § 734 Anm. 8). Die Darlegungs- und Beweispflicht des Klägers darf nicht überspannt und der tatsächlich feststehende Sachverhalt nicht auf Grund der Erwägung anderweitiger Möglichkeiten in den Hintergrund gerückt werden (RGZ 95, 103). Gelangt jedoch der Richter trotz Anwendung des § 287 ZPO zu einem non liquet, so tritt hinsichtlich der Kausalität die Beweisfälligkeit mit ihren normalen Wirkungen ein (vgl. z. B. HansOLG HansGZ 1914 Nr. 79 und 12 a. E.); zulässig ist die Entscheidung nach Beweislast aber nur, wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen ist (BGH NJW 51 S. 405).
45
Ist die Schadensersatzpflicht dem Grunde nach rechtskräftig festgestellt worden, so kann die 1252
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Frage des K a u s a l z u s a m m e n h a n g s in d e m V e r f a h r e n ü b e r die H ö h e des A n s p r u c h s nicht m e h r erörtert werden ( H a n s O L G H a n s G Z 1919 Nr. 24). Die A n w e n d u n g des Begriffs der Kausalität unterliegt der N a c h p r ü f u n g d u r c h das Revisionsgericht ( B G H Z 2, 138; B G H VRS 5 S. 191). Über den Kausalitätsnachweis im Falle der Fernschädigung (§ 738 c) vgl. § 738 c A n m . 9 ff. Der Richter m u ß nicht n u r die von den Parteien vorgetragenen, s o n d e r n er darf auch ihm bekannte Tatsachen verwerten, welche von den Parteien nicht geltend gemacht sind ( R G J W 1909 S. 141 Nr. 23; 1912 S. 694 Nr. 22), sofern die Entscheidung d a d u r c h nicht willkürlich wird. O b der Richter sich die zur Bildung der Überzeugung erforderliche S a c h k u n d e beimißt, unterliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen. Bejahendenfalls darf er die V e r n e h m u n g von Sachverständigen, nicht aber auch die von sachverständigen Zeugen a b l e h n e n ( R G Recht 1916 Nr. 174). Vgl. über das Verhältnis der Sachverständigen zu der Überzeugung des Gerichts R G W a r n R s p r . 1913 Nr. 226; R G Z 94, 116. - Siehe aber über die G r e n z e n der richterlichen Freiheit B G H NJW 51 S. 481.
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Dadurch, d a ß die Aussagen der Besatzungen beider Schiffe sich meist diametral entgegenste47 hen — was nicht i m m e r auf mala fides z u r ü c k z u f ü h r e n ist — wird die Entscheidung oft erheblich erschwert. D a ß der Richter ein non liquet aussprechen kann, hat das R G H a n s G Z 1900 Nr. 129 ausdrücklich a n e r k a n n t . Über die Bedeutung der Z u z i e h u n g von Sachverständigen zur Beurteilung der Schuldfrage s. R O H G 5, 155 ff. — Über den Wert der seeamtlichen Untersuchung f ü r die gerichtliche Feststellung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit s. H a n s O L G H a n s G Z 1891 Nr. 25. Die Verklarung wird als Beweismittel n u r mit großer Vorsicht verwertet werden k ö n n e n . Ergibt sie jedoch, d a ß ein Zeuge später eine widersprechende Aussage gemacht hat, so k a n n sie gegen dessen Glaubwürdigkeit ins Gewicht fallen. Die Verwertung von Aussagen, welche die von einer Partei b e n a n n t e n Zeugen in einem anderen Prozeß (Seeamtsverhandlung, Strafverfahren, Zivilprozeß usw.) gemacht haben, im Wege des Urkundenbeweises ist d a n n nicht zulässig, w e n n der Gegner einen Antrag auf Vern e h m u n g der Zeugen stellt ( B G H Z 7, 116). Dem Schiffstagebuch k o m m t n u r im R a h m e n der §§ 286, 287 Z P O Bedeutung zu. Besondere Beweiskraft hat es nicht (vgl. § 13 Nr. 2 E G Z P O , welcher den Art. 488 A H G B aufhob). Das gleiche gilt f ü r das Maschinenjournal und das Ankermanöverbuch. Voraussetzung f ü r Beweisk r a f t ist in allen Fällen die ordnungsmäßige F ü h r u n g des betreffenden Buchs (Bleistiftaufzeichnungen genügen nicht). Vgl. H a n s O L G H a n s R G Z 1937 B 2 7 : Der Kapitän m u ß selbst bloße V e r m u t u n g e n gegen sich gelten lassen, wenn er seiner A u f k l ä r u n g s p f l i c h t über nautische Manöver infolge m a n g e l h a f t e r Eintragungen in die Schiffsbücher nicht genügen kann. e) Die Beweislast im Kollisionsrecht bestimmt sich grundsätzlich nach d e n allgemeinen Re- 4 8 geln, insbesondere hat der Kläger die klagbegründenden Tatsachen (vor allem Verschulden und Kausalität) nachzuweisen (vgl. z . B . R G H a n s R Z 1920, 137; W a r n R s p r . 1909 Nr. 278). Eine vertragsmäßige Regelung der Beweislast ist nicht ausgeschlossen ( H a n s O L G LZ 1909, 794; R G Z 96, 59), f ü r das Kollisionsrecht aber nicht von praktischer Bedeutung. Über die Beweislast f ü r die Zulässigkeit des Überholens beim gleichzeitigen Begegnen s. B G H Hansa 1960 S. 1952 = VersR 1960 S. 594 = ZfBsch 1960 S. 281: D a n n hat der Ü b e r h o l e n d e und nicht der G e g e n f a h r e r zu beweisen, d a ß hinreichender R a u m bedenkenlos v o r h a n d e n war. Ist dieser Nachweis g e f ü h r t , so greift wieder die allgemeine Regel ein, d a ß der Geschädigte das Verschulden des Schädigers zu beweisen hat, wobei u. U. der prima-facie-Beweis zur A n w e n d u n g gelangen kann. Siehe B G H M D R 1975 S. 738 zur Verteilung der Beweislast, wenn das zu überholende F a h r z e u g den Kurs des Überholers kreuzt. Die A n n a h m e , d a ß den Aussagen von Besatzungsmitgliedern unfallbeteiligter Schiffe nur d a n n ein erheblicher Beweiswert beigemessen werden könne, wenn sie d u r c h sonstige Beweise oder Beweiszeichen mittelbar oder unmittelbar bestätigt werden, verstößt gegen den G r u n d s a t z der freien Beweiswürdigung u n d ist deshalb unzulässig ( B G H M D R 1975 S. 39). Gesetzliche Vermutungen, welche eine Ä n d e r u n g der Beweislast h e r b e i f ü h r e n könnten, sind 4 9 dem Kollisionsrecht nicht bekannt (vgl. z. B. R G W a r n R s p r . 1909 Nr. 278). Dagegen spielt die tatsächliche Vermutung eine außerordentlich bedeutsame Rolle, insbesondere in der F o r m des sog. prima-facie-Beweises (vgl. über dessen theoretische G r u n d l a g e Sebba, Der prima-facie-Be1253
§735
2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
weis im Schiffskollisionsrecht, HansRZ 1918, 409). Die tatsächliche Vermutung ist ein Indizienbeweis und gehört damit an sich in das Gebiet der Beweiswürdigung. Da sie jedoch ihre wesentlichste Wirkung auf dem Gebiet der Beweislast äußert, soll sie an dieser Stelle behandelt werden. Siehe auch R G Z 84, 384. 50
aa) Prima-facie-Beweis (vgl. über diesen insbesondere auch Wassermeyer: „Der Prima-facieBeweis und die benachbarten Erscheinungen", 1954, und „Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt", 4. Aufl. 1971) im weiteren Sinne ist die Wahrnahme eines Umstandes auf Grund einer sich äußerlich darbietenden Wahrscheinlichkeit, die den anderen in Betracht kommenden Möglichkeiten mangelt. Er entstammt dem englischen Recht. Der prima-facie-Beweis wird durch eine anderweitige, vertragliche Regelung der Beweislast nicht ausgeschlossen (RG Hansa 1908 S. 85). Es ist jedoch zu betonen, daß grundsätzlich das Verschulden f ü r sich allein eine Vermutung für den Kausalzusammenhang mit dem Schaden nicht begründet (auch umgekehrt nicht; R G Recht 11 Nr. 2823), wenn auch die Umstände des Falles gerade auf Grund der freien richterlichen Beweiswürdigung zum entgegengesetzten Resultat führen können.
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Auf Grund allgemeiner Erfahrungssätze kann sogar ohne weiteres auf eine schuldhafte Ordnungswidrigkeit und deren Kausalität geschlossen und damit von vornherein die Beweislast tatsächlich umgekehrt werden (vgl. z. B. RGZ 69, 432; 95, 68; 160, 155; 169, 97; RG JW 1935 S. 113 und 122; Trib. de comm. Antwerpen Le Droit Maritime Beige 1911 S. 505 und 603).
52
bb) Besondere Typen des prima-facie-Beweises. In einer großen Anzahl von Entscheidungen kommt der Satz zum Ausdruck, es entspreche der Bedeutung eines auf Schadensverhütung abzielenden Polizeigesetzes, daß der Übertreter desselben denjenigen Schaden, welchem das Gesetz vorbeugen will, bis zum Beweise des Gegenteils, als durch die Übertretung verursacht, gelten lassen muß, wenn dieser Schaden nach den Umständen dadurch verursacht sein kann ( R O H G 4, 124; 23 Nr. 65; R G Z 10, 143; 21, 109; 48, 329; 76, 296; LZ 1910, 290, R G Z 97, 13 = HansRGZ 1920 S. 137; HansOLG Hansa 1913 S. 352; 1912 Nr. 14; HansOLG HansRGZ 1932 B 3 (unterlassenes Überholsignal); 1936 B 63 (unterlassenes Abstoppen; 1936 B276; anders nur RG SeuffA Bd. 52 Nr. 18). Über die Anwendbarkeit des obigen Satzes im Falle der Fernschädigung (§ 738 c) vgl. 738 c Anm. 10 ff. Jedoch muß für die Vermutung stets gefordert werden, daß das verletzte Polizeigesetz ein bestimmtes Verhalten vorschreibt und im einzelnen regelt (vgl. R G Z 18, 239; 21, 109). Wo das nicht zutrifft und die verletzte Vorschrift nur eine Blankettanordnung darstellt, die auf die allgemeine Sorgfalt im Verkehr abgestellt ist oder auf die Erfordernisse der Situation und die seemännische Praxis Bezug nimmt (hierher gehört auch die durch eine lokale Verordnung gebotene Vorsicht beim Passieren eines schwierigen Fahrwassers, s. z. B. OLG Rostock MecklZ 1913 Nr. 61), da tritt die normale Beweislast (auch hinsichtlich der Kausalität) ein, da die im Rahmen des § 287 ZPO freie Beweiswürdigung hier keine generellen Wahrscheinlichkeitsmomente ergibt (Anm. 55; vgl. hierzu RG HansGZ 1898, 311 und vor allem R G Z 97, 13 = HansRZ 1920, 137 und die dort angeführte Judikatur, ferner HansOLG HansRGZ 1932 B 67 und 1936 B 278). Vgl. auch Anm. 53 a. E.
53
Ferner gilt der Satz, daß derjenige, dergegen ein Schutzgesetz (vgl. Anm. 24 ff. und 117 ff.; in Betracht kommen vor allem die SStrO und die SeeSchStrO) verstoßen hat, die Vermutung der Schuldhaftigkeit so lange gegen sich gelten lassen muß, bis er seine Nichtschuld dargetan hat ( R O H G 23, 187; HansOLG HansGZ 1910 Nr. 3; RG WarnRspr. 1912 Nr. 21; R G Z 21, 109; HansOLG HansRZ 1920, 322; BGH BB 1957 S. 240; vgl. auch Anm. 62). Der Kausalzusammenhang wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der schädliche Erfolg möglicherweise auch bei Befolgen des Schutzgesetzes eingetreten wäre, sofern das Befolgen entsprechend dem Zweck des Gesetzes eine erhöhte Sicherheit gegen den Schaden geboten hätte (RG JW 1909, 153 Nr. 9).
54
Die Anwendung der Vermutungen unterliegt dem Ermessen des Richters. Wenn RG DJZ 1904, 865 für das Schiffahrtsrecht einen Vermutungszwang annehmen will, so geht das zu weit, findet im Gesetz keine Stütze und wird der Vielgestaltigkeit der Kollisionsfälle nicht gerecht. Die Vermutungen gehören dem materiellen Recht an und unterliegen dem Revisionsangriff (RG Hansa 1910 S. 652; RGZ 69, 434; LZ 1910, 397). 1254
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§735
Beide Vermutungen beruhen darauf, d a ß das Schutzgesetz in seinen Einzelheiten das Verhalten in gefährlichen Situationen so regelt, d a ß Unfälle im allgemeinen vermieden werden (so d a ß das Abweichen v o m Gesetz eine Ursache der Kollision schafft) und daß f e r n e r alle Gesetzbestimmungen so bemessen sind, daß ihre A u s f ü h r b a r k e i t gesichert ist (so daß das Abweichen vom Gesetz eine schuldhafte Verletzung der Sorgfaltspflicht darstellt). In J W 1919 S. 505 Nr. 12 hat auch das R G diesen G e d a n k e n g a n g hervorgehoben u n d sogar die Möglichkeit anerkannt, nicht n u r — bei feststehendem Verstoß — die Kausalität desselben f ü r den Schaden zu v e r m u t e n , sondern auch den Verstoß selbst, sofern das verletzte Schutzgesetz seinem Inhalt nach eine solche A n n a h m e begünstigt. Nach B G H M D R 1954 S. 349 ist jedoch die grundsätzliche Frage des objektiven Verstoßes zunächst eindeutig festzustellen.
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Mitwirkend ist in der J u d i k a t u r vielfach die Erwägung, d a ß wohl der Schiffsführer über die 5 6 Vorgänge und Maßnahmen auf dem eigenen Schiff unterrichtet ist, nicht aber auch der Gegner, so d a ß es unbillig wäre, diesen mit der Substantiierung und dem Beweise von U m s t ä n d e n zu belasten, welche sich auf dem f r e m d e n Schiff zugetragen haben ( R G Z 95, 68; 80, 233 = H a n s G Z 1913 Nr. 17 = JW 1913 S. 98 Nr. 14; siehe aber auch O L G Rostock MecklZ Bd. 22 S. 9). Es soll ferner d u r c h den prima-facie-Beweis verhindert werden, daß der F ü h r e r des schuldigen Schiffes die Sachlage verdunkelt. Seine Exkulpationspflicht zwingt ihn nämlich, den Hergang der Kollision und die von ihm getroffenen Maßregeln a u f z u k l ä r e n ( R G J W 1910 S. 244 Nr. 34; Hansa 1910 S. 526).
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Andererseits aber soll die Frage, welches der beiden Schiffe zur Aufklärung der Kollision 5 8 imstande ist, nicht für die Beweislast ausschlaggebend sein ( H a n s O L G H a n s G Z 1905 Nr. 3; vgl. auch R G Z 84, 385 f.). Sind alle Insassen des einen Schiffes bei dem Unfall e r t r u n k e n , so wird der Reeder dieses Schiffes nicht der ihm obliegenden Behauptungs- und Beweislast ledig ( R G Z 76, 295 = H a n s G Z 1911 Nr. 112 = JW 1911 S. 723 Nr. 32); ebensowenig aber auch der Reeder des a n d e r e n Schiffes, wenn er sich auf mitwirkendes Verschulden des untergegangenen Schiffes beruft (vgl. den analogen Fall R G WarnRspr. 1915 Nr. 212). cc) Die Vereitelung der Beweismöglichkeit durch den Gegner f ü h r t a n sich nicht zu einer Än- 5 9 d e r u n g der Beweislast, da es zur Zeit der Kollision an e i n e m Schuldverhältnis fehlt, in dessen R a h m e n die Verletzung von Treu und G l a u b e n eine Rolle spielen könnte ( R G Z 20, 6 ; 60, 152; 76, 295; vgl. a u c h R G W a r n R s p r . 1911 Nr. 54). Es ist jedoch möglich, daß der Richter auf G r u n d eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens g e m ä ß § 286 Z P O bestimmte Tatsachen als erwiesen ansieht, sofern die Beziehung der Beweisverteilung zu diesen Tatsachen e r k e n n b a r ist ( R G Z 20, 5; 34, 222; 60, 147); die Entscheidung R G W a r n R s p r . 1911 Nr. 54 läßt diese Frage dahingestellt. Keine Vereitelung des Beweises liegt darin, daß eine Partei sich weigert, einen Zeugen von seiner Pflicht zur Verschwiegenheit zu entbinden ( R G W a r n R s p r . 1912 Nr. 130). dd) Der Prima-facie-Beweis ist nicht schon d a n n als erbracht anzusehen, wenn nichts weiter 6 0 erwiesen ist, als d a ß die eingetretene Beschädigung objektiv durch eine von dem beklagten Schiff ausgehende E i n w i r k u n g herbeigeführt worden ist: es bedarf vielmehr auch der Wahrscheinlichkeit, daß die Besatzung desselben eine Schuld treffe ( H a n s O L G H a n s G Z 1898 Nr. 8 = S e u f f A Bd. 53 Nr. 78). Und diese Wahrscheinlichkeit ist vorhanden, wenn sich das schadenstiftende Verhalten des beklagten Schiffes in seiner äußeren Erscheinung als eine freie Handlung und als objektive Widerrechtlichkeit darstellt ( O A G Lübeck H a n s G Z 1871 Nr. 45 = S e u f f A Bd. 25 Nr. 186; H G H a m b u r g H a n s G Z 1874 Nr. 217; R O H G 9 Nr. 50; H a n s O L G H a n s G Z 1890 Nr. 11, 54; 1893 Nr. 12; R G Z 21, 109). Der Beweis negativer Tatsachen k a n n p r i m a facie g e f ü h r t werden durch Widerlegung der Umstände, welche f ü r die positiven Tatsachen sprechen w ü r d e n ( R G JW 1918 S. 814; GruchotsBeitr. Bd. 62 S. 657). Siehe über die Voraussetzungen des Prima-facie-Beweises auch R G Z 130, 367, B G H VersR 1969 S. 148 und 1091 = ZfBSch 1969 S. 503 (Verstoß gegen eine Verbotsbestimmung begründet n u r den Prima-facie-Beweis, aber nicht die Pflicht zur F ü h r u n g des Gegenbeweises), B G H VersR 1971 S. 904 (Prima-facie-Beweis bei einer Kollision mit dem Heck des v o r a u s f a h r e n d e n Schiffes), O L G Bremen H a n s a 1969 S. 785, O L G H a m b u r g VersR 1970 S. 516 = Hansa 1970 1255
§ 735
2. Teil: Seehandelsrecht -
D a s 4. Buch des H G B
S. 956. Siehe Wassermeyer, Kollisionsprozeß S. 118 ff. über die Rechtsprechung der westeuropäischen Staaten z u m Prima-facie-Beweis. Über E n t k r ä f t u n g des Prima-facie-Beweises bei einer Kollision mit Hafenanlagen siehe B G H VersR 1970 S. 35 = Hansa 1970 S. 953. Das A n f a h r e n einer Brücke begründet den Prima-facie-Beweis gegen die Schiffsführung ( O L G H a m b u r g VersR 1970 S. 516 = Hansa 1170 S. 956). Siehe zu Kollision mit Uferanlagen auch R G Z 120, 263; O L G H a m b u r g Hansa 1962 S. 1063 = VersR 1962 S. 949; H a n s a 1964 S. 1167 f.; siehe auch unten A n m . 78. 61
Nicht ausgeschlossen ist, daß nach Widerlegung eines prima-facie-Beweises neue Umstände dargetan werden, durch die ein weiterer prima-facie-Beweis hergestellt wird ( H a n s O L G H a n s G Z 1905 Nr. 59). Diese neue Wahrscheinlichkeitsfolgerung k a n n auch solche Umstände mit verwerten, welche bereits bei dem vorangegangenen prima-facie-Beweise herangezogen worden waren, es sei d e n n , daß der Beweis gerade durch Widerlegung dieser tatsächlichen U m s t ä n d e e n t k r ä f t e t worden war.
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ee) Im einzelnen ist zu b e m e r k e n : Der prima-facie-Beweis bedeutet, d a ß derjenige, gegen den der Verdacht eines Verschuldens besteht, zu seiner Entlastung M o m e n t e beibringen muß, durch die der Verdacht e n t k r ä f t e t wird, mag auch die bloße Möglichkeit seines Verschuldens nicht ausgeschlossen sein ( R G Z 69, 432; B G H Z 6, 169). Vgl. dazu A n m . 94 ff.
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Der Verstoß gegen die allgemeine nautische Vorsicht begründet keinen Anscheinsbeweis eines Verschuldens. E r f o r d e r t aber die seemännische Praxis ein bestimmtes, im einzelnen festgelegtes Verhalten, wie es sonst durch Gesetz oder V O vorgeschrieben wird, so k ö n n e n die G r u n d s ä t z e ü b e r den Anscheinsbeweis auch bei e i n e m Verstoß gegen die seemännische Praxis herangezogen w e r d e n ( B G H VersR 1958 S. 297 = M D R 1958 S. 482 = H a n s a 1958 S. 982).
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Unter U m s t ä n d e n genügt nicht die Feststellung, daß jede einzelne Besatzungsperson nicht schuldhaft gehandelt hat, sondern es ist auch zu erörtern, ob der Unfall etwa durch das unterlassene Zusammenwirken dieser Personen herbeigeführt ist ( R G H a n s G Z 1904 Nr. 102), wobei besonders g e p r ü f t werden muß, o b und inwieweit eine Pflicht und die Möglichkeit zu diesem Z u s a m m e n w i r k e n gegeben war (vgl. Anm. 7). Erfolgt ein Z u s a m m e n s t o ß im Verlaufe eines Überholmanövers, so spricht ein Anscheinsbeweis gegen das ü b e r h o l e n d e Schiff (BGH H a n s a 1957 S. 879; H a n s O L G H a m b u r g Hansa 1958 S. 421).
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Kollidiert ein maschinengetriebenes Schiff mit e i n e m überholten Segler, so liegt prima facie ein s c h u l d h a f t e r Verstoß gegen Art. 20 und 24 SStrO a. F. vor. Die Entlastung k a n n dahin gehen, daß der Segler den Kurs geändert und dem maschinengetriebenen Schiff vor den Bug gefahren ist ( R O H G 4, 121; 23, 188; R G J W 1912 S. 693 Nr. 20 = H a n s a 1912 S. 611). Die nach außen in Erscheinung tretende Regelwidrigkeit, z. B. falsche Ruderlage, Versagen des Ruders, f ü h r t zur Verschuldensvermutung, nicht schon die regelwidrige Bewegung des Schiffes ( A u s d e m r u d e r l a u f e n , Ausscheren). Denn solche U m s t ä n d e k ö n n e n auch o h n e Verschulden stets eintreten u n d sind auch f ü r den Gegner e r k e n n b a r ( R G H a n s G Z 1910 Nr. 49 = JW 1910 S. 244 Nr. 34 — eine unklare, vielfach g e w u n d e n e und nicht überzeugende Entscheidung; Hansa 1908 S. 85); es genügt nicht der Nachweis, daß die R u d e r m a s c h i n e sonst gut funktioniert und der R u d e r s m a n n seine Pflicht getan hat ( R G a. a. O.).
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Es genügt, d a ß der zunächst festgestellte Sachverhalt nach dem regelmäßigen Zusammenhang der Dinge die Folgerung rechtfertigt, d a ß der Unfall durch ein Verschulden verursacht sei ( R G J W 1912 S. 348 Nr. 14). Hierüber wird in den meisten Fällen nur ein Sachverständiger zu urteilen in d e r Lage sein, insoweit es sich um die Feststellung des regelmäßigen Z u s a m m e n hangs handelt.
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Hat ein Schiff sich vom Anker losgerissen und treibt auf ein anderes, so m u ß es sich entlasten (Nachweis der gehörigen Verankerung, welche aber auch einem S t u r m gewachsen sein m u ß ; R G J W 1909 S. 79 Nr. 16 = H a n s G Z 1909 Nr. 49); dagegen braucht das treibende Schiff nicht nachzuweisen, daß es in genügender E n t f e r n u n g von dem a n d e r e n zu A n k e r gegangen war ( R G a . a . O . ; abweichend H a n s O L G H a n s G Z 1908 Nr. 14). Vgl. auch H a n s O L G H a n s R G Z 1928 B 595 und 1935 B 159; 1256
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Wird ein Schiff nach Kollision mit einem anderen durch die Flut auf ein drittes Schiff ge- 6 8 trieben, so muß es sich diesem gegenüber exkulpieren, sofern es nach der ersten Kollision manövrierfähig geblieben und ausreichend Zeit zu vorbeugenden Manövern hatte (HansOLG Deutsche Schiffahrt 1913 S. 188). Erfolgt eine Kollision durch zu schnelles Fahren im Nebel (Art. 16 SStrO a. F.), so muß sich 6 9 das schuldige Schiff entlasten. Es wird vermutet, daß bei geringerer Fahrt doch noch eine Klärung der Sachlage und ein Vermeiden der Kollision möglich gewesen wäre (HansOLG HansGZ 1911 Nr. 77; 1912 Nr. 98). — Bei starker Gegenströmung ist erhebliches Schraubenwasser kein Beweis für hohe Geschwindigkeit (BGH VersR 1956 S. 693 = Hansa 1956 S. 2435). — Über Schuldannahme des ersten Anscheins wegen Einlaufens in den Hafen Emden mit zu großer Geschwindigkeit siehe HansOLG Hamburg Hansa 1959 S. 2606. Siehe HansOLG Hamburg VersR 1961 S. 822 = Hansa 1961 S. 2285: Ein Verstoß gegen Art. 16a SStrO a. F. begründet die Schuldannahme des ersten Anscheins. Werden vorgeschriebene Lichter nicht geführt oder gezeigt, so wird prima facie angenom- 7 0 men, daß ein rechtzeitiges Sichten dieses Schiffes durch den Gegner nicht möglich war (BGH VersR 1961 S. 79). Es wird aber nicht nur die Kausalität vermutet, sondern auch gleichzeitig der Gegner, sofern er weichepflichtig war, exkulpiert (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 11 und Nr. 36); wird dagegen nachgewiesen, daß die Lichterführung in Ordnung war, so gilt nunmehr der prima-facie-Beweis zu Lasten des ausweichpflichtigen Schiffes (HansOLG HansRGZ 1931 B 259). Wenn ein maschinengetriebenes Schiff aus dem Ruder läuft und in die falsche Fahrwasser- 71 Seite gerät, liegt prima facie Verschulden vor (BGH VersR 1961 S. 317 = Hansa 1961 S. 1614; OLG Hamburg HansRGZ 1934 B 519, 1935 B 313; vgl. aber auch OLG Hamburg HansRGZ 1932 B 215; 1928 B Nr. 98). Zur Entlastung braucht es nicht die Gründe des Ausdemruderlaufens aufzuklären, muß jedoch das tadellose Funktionieren der Maschine und die sofortige Vornahme korrigierender Manöver nachweisen. Trat die Fahrtstörung ein, weil das Schiff (ohne zwingenden Grund) in seichtem Wasser fuhr, so muß es nachweisen, daß dieser Umstand entweder nicht kausal oder nicht schuldhaft war (HansOLG 1905 Nr. 59). Vgl. wegen Ausscherens, Ruderversagens, Bruch des Schleppgeschirrs auch OLG Hamburg HansRGZ 1930 B 789; 1939 B 179; R G HansRGZ 1933 B 120. Konnte oder mußte der Ausweichpflichtige den Gegenfahrer und dessen Kurs so rechtzeitig 7 2 erkennen, daß er die Kollision vermeiden konnte, so ist er im Zweifel als schuldig anzusehen (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 11). Ist einwandfrei erwiesen, daß die von dem angerannten Schiff geführten Lichter trotz ordnungsmäßigen Ausgucks nicht gesehen worden sind, so muß angenommen werden, daß sie tatsächlich nicht gesehen werden konnten (HansOLG HansGZ 1912 Nr. 76). Dann trifft das angerannte Schiff die Beweislast dafür, daß es ordnungsmäßige Lichter führte und daß ein Verschulden des anrennenden Schiffes vorlag (HansOLG a. a. O.). Der Umstand allein, daß ein Schiff ausweichpßichtig ist, begründet noch nicht die Vermu- 7 3 tung, daß es an der Kollision schuld ist (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 12; 1895 Nr. 48; HansGZ 1909 Nr. 41; bestätigt RG HansGZ 1910 Nr. 70; R G HansGZ 1898, Nr. 127; HansOLG HansRGZ 1936 B 319); jedoch muß der Weichpflichtige im Streitfalle nachweisen, daß er das vorgeschriebene Rudersignal gegeben hat (RG HansGZ 1904 Nr. 56). Steht ein Verstoß gegen Art. 20 SStrO a. F. fest, dann wird auch die Kausalität des Verstoßes neben der Schuldhaftigkeit vermutet (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 61); ebenso, wenn erwiesen ist, daß der Ausweichpflichtige den Gegenfahrer und dessen Kurs so rechtzeitig erkennen konnte und mußte, daß ihm die Abwendung der Kollision möglich war (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 11); das gleiche gilt, wenn die Kollision herbeigeführt wird durch eine plötzliche unmotivierte Kursänderung des einen Schiffes (HansOLG HansGZ 1891 Nr. 25; 1905 Nr. 59; OLG Rostock MecklZ Bd. 31 S. 284); s. auch oben Anm. 70. Jedes Schiff hat sich auf der Seite des Fahrwasserhalters zu halten, die an seiner Steuerbord- 7 4 seite liegt. Ein Verstoß gegen diese Verkehrsvorschrift liegt erst dann vor, wenn feststeht, daß das Schiff infolge Ausscherens in die falsche Fahrwasserseite geraten ist. Erst dann kann der Prima-facie-Beweis zur Anwendung kommen (BGH VersR 1966 S. 951 = Hansa 1967 S. 97; 1257
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2. Teil: Seehandelsrecht - Das 4. Buch des HGB
BGH VersR 1961 S. 317; O G H Z Bd. 4 S. 203). Vgl. auch OLG Hamburg HansRGZ 1932 B 215 und 1928 B Nr. 98 und 284, daß dem Erfahrungssatz, daß das Halten der falschen Fahrwasserseite prima facie schuldhaft sei, mit einem gewissen Vorbehalt zu begegnen ist, wenn ein Schiff ersichtlich plötzlich und unbeabsichtigt in den Kurs des Gegenkommers gerät. Siehe auch BGHZ 6, 170ff. Siehe OLG Hamburg Hansa 1965 S. 1506 = VersR 1965 S. 1090: Kollision auf dem Nord-Ostsee-Kanal infolge Ausscherens nach Passier-Manöver, Anscheinsbeweis und gescheiterter Entlastungsbeweis. 75
Steht fest, daß ein vorgeschriebenes Licht vom Gegner nicht gesehen worden ist, so wird vermutet, daß es nicht oder nicht ordnungsmäßig gebrannt hat und aus diesem Grunde nicht sichtbar war. War es nach der Sachlage aber möglich, daß die Lichter des Kurshalters wegen ungenügender Sichtweite, Einrichtung oder Anbringung nicht sichtbar waren, so trifft die Beweislast den Kurshalter (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 11).
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Stand der Ausguck auf der Brücke, statt auf der Back, so wird prima facie angenommen, daß dies für die Kollision kausal war (RG Hansa 1911 S. 299; OLG Bremen VersR 1973 S. 26; anders OLG Hamburg VersR 1974 S. 693; vgl. auch Hinsch, Hansa 1973 S. 391 und Wriede, Ausgewählte Fragen zum Schadensersatz bei Schiffsunfällen S. 12). Siehe BGH VersR 1972, 170 zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Fehlen des Ausgucks auf der Back und der Kollision dieses Schiffes mit einer querenden Barkasse im Bereich des Hamburger Hafens. Aus-dem-Ruder-Laufen im Binnenhafen von Brunsbüttelkoog bei der Überholung durch ein anderes Schiff. Beschädigung einer Landanlage. Beweis des ersten Anscheins (BHG Hansa 1970 S. 953). Siehe BGH Hansa 1967 S. 17 über Kollision auf der Weser zwischen dem Überseehafen und dem Industriehafen des Hafens Bremen. Der Anscheinsbeweis gegen ein ausscherendes Schiff kann erst dann eintreten, wenn feststeht, daß ein solches Schiff infolge des Ausscherens in die falsche Fahrwasserseite geraten ist (vgl. BGH VersR 1961 S. 317, O G H Z 4 S. 194, 203). Eine Verpflichtung zum Ankerwerfen konnte sich aus der allgemeinen Rechtspflicht ergeben, alle nach Lage der Sache und der Verkehrsanschauung zumutbaren Gegenmaßnahmen zu treffen, mochte auch der Gegner allein die Voraussetzungen für die Kollision geschaffen haben. Pflicht zur Klarstellung der eigenen Manöver. Das Gericht kann kraft freier Beweiswürdigung aus dem Verhalten einer Partei für diese ungünstige Schlüsse ziehen, wenn sie schuldhaft die Beweisführung der anderen Partei vereitelt oder erschwert. Es genügt ein fahrlässiges Verhalten. Der Grundsatz gilt nicht nur in Vertragsverhältnissen, sondern auch bei unerlaubten Handlungen. Durch die vorgeschriebene Führung von Schiffs- und Maschinentagebüchern soll auch den Zivilgerichten, die sich mit den Vorgängen auf der Reise befassen, Beweismaterial beschafft werden. Stößt ein fahrendes Schiff gegen ein anderes Schiff, das ordnungsgemäß vertäut an geeigneter Stelle gelegen hat, so spricht der Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Schadensverursachung durch den Führer des in Fahrt befindlichen Schiffes. Dieser Anscheinsbeweis kann nicht schon dadurch entkräftet werden, daß — ohne nähere Darlegung der Unmöglichkeit eines rechtzeitigen Stoppens oder Ausweichens — auf den unerwarteten Ausfall der Hilfsrudermaschine hingewiesen wird (KG VersR 1976 S. 463 für das Binnenschiffahrtsrecht). Siehe BGH VersR 1962 S. 752: Queren des für Schiffe größeren Tiefgangs bestimmten Hauptfahrwassers einer Seeschiffahrtstraße vor einem durchgehenden Schiff begründet bei Eintritt einer Kollision den Anscheinsbeweis für ein Verschulden der Führung des aus dem Nebenfahrwasser kommenden Schiffs.
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Aus der objektiven Übertretung eines Polizeigesetzes kann nicht immer mechanisch eine Exkulpationspflicht hergeleitet werden. Vielmehr kann die Gesamtheit der Umstände auch eine abweichende Beurteilung erlauben (s. auch Anm. 95). Insbesondere muß der Anschein zurücktreten im Falle der Nichterkennbarkeit der Sachlage (LG Hamburg HansGZ 1880 Nr. 113; H G und OG HansGZ 1881 Nr. 2; auch RG daselbst Nr. 94; HansOLG HansGZ 1884 Nr. 65; 1905 Nr. 11; R G Z 31, 65; 97, 15; Appelhof Brüssel Revue Autran Bd. 5 S. 263 ff.), besonders dann, wenn die äußeren Umstände dem Handelnden nicht die Möglichkeit gewährten, eine Lage zu erkennen, für die ihm ein bestimmtes Handeln vorgeschrieben war (RGZ 1258
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31, 64; HansGZ 1906 Nr. 118: infolge Nebels konnte der Dampfer nicht erkennen, daß er einen Segler vor sich hatte und daher ausweichen mußte); s. auch oben Anm. 73. Es tritt dann die gewöhnliche Beweislast ein (RG HansGZ 1906 Nr. 118). Ob die Vermutung auch dann wegfällt, wenn ein Verschulden oder eine Ordnungswidrigkeit des Gegners feststeht, läßt sich nicht generell feststellen (zweifelnd: RG HansRZ 1920, 137; bejahend: OG Hamburg HansGZ 1871 Nr. 101; Admir.-Ger. Dublin Revue Autran Bd. 2 S. 726ff.; H G Havre Revue Autran Bd. 6 S. 61 ff.). An sich stellt ein solches Verschulden eines Schiffes den Rückschluß von der Ordnungswidrigkeit des anderen Schiffes auf Verschulden und Kausalität nicht in Frage. Doch kann sehr wohl das Gegenteil eintreten, wenn z. B. das schuldhafte Verhalten des einen Schiffes eine Situation schuf, in der das andere Schiff nicht anders handeln konnte, oder in einen Irrtum über die Sachlage geriet. Die Vermutung dürfte hiernach nur dann entfallen, wenn die Ordnungswidrigkeit auf dem Verschulden oder einer Ordnungswidrigkeit des Gegners beruhte, also ein adäquater Kausalzusammenhang feststellbar ist. Der wichtigste Fall, in welchem die Praxis regelmäßig einen prima-facie-Beweis und damit 7 8 eine Entlastungspflicht für gegeben erachtet, ist der, daß ein stilliegendes Fahrzeug von einem in Bewegung befindlichen angerannt wird. Vgl. Sebba, Das Verschulden des stilliegenden Schiffes bei Kollisionen, Jahrb. für Verkehrswissensch. 1914 S. 432ff.; s. auch R G J W 1909 S. 79 Nr. 16. Nach ständiger Rechtsprechung spricht auch bei Kollisionen mit stilliegenden Anlagen der erste Anschein für ein Verschulden des Schiffsführers (HansOLG Hamburg VkBl. 1956 S. 703 = ZfBsch 1956 S. 453). Doch gilt dies nicht, wenn die Anlage - mit Rücksicht darauf, daß in Fahrt befindliche Schiffe auch bei ordnungsgemäßer Navigierung nicht immer sicher regierbar sind — gerade zum Abfangen von Stößen bestimmt ist, es sei denn, daß der Anprall mit außergewöhnlicher Wucht erfolgte (HansOLG HansRGZ 1929 B 275). Vgl. wegen des Anfahrens von Brücken und Uferanlagen auch RG Recht 1928 S. 1223; R G Z 120, 258 = HansRGZ 1928 B 259; R G JW 1936 S. 1387 (Leuchttonne). aaa) Dem Gesetz ist der Begriff des Stilliegens nicht bekannt. Seine Abgrenzung muß daher 7 9 nach wesentlich praktischen Gesichtspunkten im Hinblick auf Sinn und Zweck der Beweisregelung erfolgen. Für die Begriffsbestimmung des stilliegenden Schiffes für die Frage des prima-facie-Bewei- 8 0 ses kommt es auf die Ermittlung der Wahrscheinlichkeit an, die für die Kausalität und das Verschulden spricht. Schon aus logischen Erwägungen ergibt sich, daß die Passivität des stilliegenden Schiffes im allgemeinen nicht das auslösende oder auch nur ein mitwirkendes Moment der Kausalreihe im juristischen Sinne (vgl. Anm. 30 ff.) sein kann, und daß die Anzahl der dem stilliegenden Schiff offenstehenden Manöver und ihre Wirkung für den Kausalverlauf nur gering sein kann. Daraus ergibt sich wiederum die geringere Wahrscheinlichkeit eines Verschuldens. Denn wo nur geringe Möglichkeiten der Betätigung überhaupt gegeben sind, da ist auch der Umfang der erforderlichen Sorgfalt naturgemäß eng begrenzt. Dazu kommt, daß das stilliegende Schiff sich darauf verlassen darf, daß das fahrende Schiff die ihm im weiteren Umfange zu Gebote stehenden Mittel der Kollisionsverhütung (durch Ruderund Maschinenmanöver) auch tatsächlich zur Anwendung bringen werde, um so mehr, als es auf eine Unterstützung der Manöver durch das stilliegende Schiff nur in geringem Umfange rechnen kann. Man wird hiernach für die Fragen des Beweisrechts als stilliegend ansehen können: das ma- 81 növrierunfähige Schiff (ohne Rücksicht auf den G r u n d der Manövrierunfähigkeit; vgl. aber Anm. 90; Kenntlichmachung der Situation), das am Grunde festsitzende (HG Hamburg HansGZ 1879 Nr. 64), das im Eise festsitzende ( H G Hamburg HansGZ 1876 Nr. 11; 1878 Nr. 146; HansOLG Hamburg Hansa 1955 S. 1732: eine ohne Bemannung in einer gebrochenen Eisrinne treibende Schute ist als stilliegendes Schiff anzusehen); das vertäute und das ankernde Schiff (siehe auch Sebba, a. a. O. und Piechotta, HansRZ 1926, 776), unter Umständen sogar ein langsam, nur den Ebbstrom totfahrendes Schiff (BGH Hansa 1953 S. 307 — dazu kritisch Burchard-Motz, Hansa 1953 S. 1322 - , OLG Rostock MecklZ 1913 Nr. 63; die Frage ist offen gelassen in BGH VersR 1975 S. 320; ablehnend OLG Hamburg in der bei Wriede, Ausgewählte Fragen zum Schadensersatzrecht bei Schiffsunfällen S. 13 Anm. 43 zitierten Entscheidung). Das treibende Schiff gilt indessen nicht schlechthin als stilliegend. Es kann sich 1259
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2. Teil: Seehandelsrecht — Das 4. Buch des HGB
sogar im allgemeinen auf die Vermutungen gegenüber dem anrennenden Schiff nicht berufen, so lange es nicht nachweist, daß es ihm unmöglich war, rechtzeitig eine Situation zu erkennen, durch welche es veranlaßt werden mußte, sich in Fahrt zu setzen. Fehlte ihm aber die Fähigkeit der Infahrtsetzung, so war es manövrierunfähig und die Vermutungen treten in Kraft (vgl. OLG Rostock a. a. O.). 82
bbb) Von einem in Bewegung befindlichen, d. h. fahrenden Schiff muß es angerannt sein. Die Vermutung kommt also nicht zur Anwendung, wenn zwei vertäut liegende Fahrzeuge kollidieren ( H G Hamburg HansGZ 1892 Nr. 65, 205). Ob das in Fahrt befindliche Fahrzeug mit eigener Kraft fährt oder geschleppt wird, ist gleichgültig. Ebenso, ob das Schiff sich von seinem Anker losgerissen hat. Über den Entlastungsbeweis in diesem Falle vgl. HansOLG HansGZ 1911 Nr. 116. Das treibende Schiff gilt als fahrend (siehe aber die Ausnahmen in der obigen Anm.). Dagegen ist das ankernde Schiff stets stilliegend, auch wenn es mit der Strömung um den Anker schwoit (siehe aber auch HansOLG HansRGZ 1937 B 155), BGH VersR 1962 S. 716 = Hansa 1962 S. 1801). Stößt es also hierbei mit einem in der Nähe vertäuten Schiff zusammen, so greift die Vermutung nicht Platz. Evtl. aber wird anzunehmen sein, daß das später angekommene Schiff seinen Liegeplatz schuldhaft ausgewählt hat, indem es auf die Möglichkeit des Schwoiens und die Nähe anderer Schiffe nicht Rücksicht nahm. Das aus der Fahrt in die Ankerlage schwoiende Schiff gilt jedoch noch als fahrend. Kollidiert irgendein Bestandteil eines Schleppzuges mit einem stilliegenden Schiff, so wird vermutet, daß der Führer des Schleppers die Schuld trägt (RG HansGZ 1890 Nr. 105; Bolze 11 Nr. 746; HansOLG HansGZ 1899 Nr. 29).
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ccc) Bei einem Zusammenstoß zwischen einem fahrenden und einem stilliegenden Schiff wird vermutet, daß das erstere schuldhaft gehandelt hat und daß sein Verschulden für die Kollision kausal gewesen ist (RG HansGZ 1913 Nr. 109; 1914 Nr. 60; WarnRspr. 1912 Nr. 407; 1913 Nr. 212; LZ 1913 S. 607 u. 290; 1914, 607; 1915, 1099; HansOLG HansGZ 1905 Nr. 107; 1912 Nr. 83; H a n s R G Z 1935 B 107; 1936 B 391; OLG Hamburg Hansa 1959 S. 2604 und 1961 S. 1868 für § 737c HGB; OLG Bremen Hansa 1961 S. 242). Die Schadensersatzklage des stillliegenden und angerannten Schiffes braucht daher weder über den Kausalverlauf, noch über das Verschulden des Gegners substantiierte Behauptungen aufzustellen. Das klagende Schiff m u ß jedoch behaupten und im Bestreitungsfalle beweisen, daß es stillgelegen habe und daß das beklagte Schiff in Fahrt gewesen sei. Die Vermutung gilt aber nicht allgemein bei einer Kollision zwischen einem Schiff und einem festen Gegenstand (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 115).
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Die Vermutung greift nicht schematisch in allen Fällen Platz, in denen ein stilliegendes Fahrzeug von einem in Bewegung befindlichen angerannt wird: es kommt vielmehr stets darauf an, ob die Umstände des Einzelfalls dieselbe rechtfertigen (LG Hamburg HansGZ 1891 Nr. 29; HansOLG HansGZ 1899 Nr. 86; 1905 Nr. 107; HansOLG HansRGZ 1929 B 232 (Anrennen als Folge einer vorhergehenden Kollision des anrennenden Schiffes mit einem Dritten); HansOLG HansRGZ 1935 B 159 (Losreißen bei Orkan); vgl. auch Zivilgericht Brügge Revue Autran Bd. 18 S. 729 ff.). Dies ist jedoch nicht etwa so zu verstehen, daß derjenige, zugunsten dessen die Vermutung eingreifen soll, nun noch deren Berechtigung in concreto nachzuweisen hat (damit würde der Wert der Beweiserleichterung illusorisch). Vielmehr muß der Satz dahin ausgelegt werden, daß die Vermutung dann nicht eintritt, wenn die Umstände gegen ihre Richtigkeit sprechen. Das aber ist eine Selbstverständlichkeit, die sich aus dem Begriff „prima facie" ohne weiteres ergibt. Die Vermutung greift nicht Platz insbesondere, wenn dem stilliegenden Schiff seinerseits eine Ordnungswidrigkeit zur Last fällt (HG Hamburg Nathans Hamb. G Z 1867 S. 268; R O H G 3, 40), welche mit dem Verschulden oder der Ordnungswidrigkeit des anrennenden Schiffes in adäquatem Kausalzusammenhange steht (vgl. Anm. 79). Immer aber ist zu beachten, daß der Fortfall oder das Nichteintreten der Vermutung zunächst nur für die Beweisfrage, nicht auch ohne weiteres für die Frage von Schuld und Kausalität selbst von Bedeutung ist, da deren Nachweis ja stets auch ohne Zuhilfenahme von Vermutungen freisteht. Vgl. auch Anm. 91 ff.
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Insbesondere entfällt die Vermutung ferner, wenn sich das angerannte, stilliegende Schiff an einen ungeeigneten oder unerlaubten Ort gelegt hat (HG und OG Hamburg HansGZ 1868 1260
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Nr. 12; H G H a m b u r g H a n s G Z 1870 Nr. 295; 1875 Nr. 22; 1877 Nr. 34; H a n s O L G H a n s G Z 1890 Nr. 11; H a n s R G Z 1935 B 107; O L G H a m b u r g Hansa 1959 S. 2604; Hansa 1966 S. 1253 und M D R 1974 S. 675 = VersR 1974 S. 881; R G H a n s G Z 1904 Nr. 102; B G H Hansa 1961 S. 656 = VersR 1961 S. 77 = VersR 1966 S. 466 und 484 (mangelhafte Beleuchtung des Ankerliegers); BGH VersR 1971 S. 904; siehe auch die das Binnenschiffahrtsrecht betreffende Entscheidung des B G H M D R 1960 S. 999; vgl. ferner H a n s O L G H a n s R G Z 1936 B 392; anders z. B. Gericht Haarlem Revue Autran Bd. 2 S. 473). Die Vermutung kommt auch dann nicht in Frage, wenn das fahrende Schiff das Stilliegen der anderen nicht rechtzeitig erkennen und danach Kurs und Geschwindigkeit einrichten konnte (BGH Hansa 1961 S. 1001 = VersR 1960 S. 897 = ZfBsch 1960 S. 340. Siehe auch Anm. 89. Die Vermutung greift auch dann nicht ein, wenn das fahrende Schiff mit dem Ruder des stilliegenden Schiffes kollidiert, das vorschriftswidrigerweise nicht mittschiffs liegt, sondern seitlich zum Fahrwasser ausgedreht ist und so die durchgehende Schiffahrt gefährdet ( H a n s O L G Bremen Hansa 1958 S. 2100). Siehe über die zwingende Notwendigkeit, an nicht erlaubter oder ungeeigneter Stelle vor Anker zu gehen, oben Anm. 17. Aber selbst wenn hiernach die Voraussetzungen des prima-facie-Beweises nicht gegeben 8 6 sind, tritt nicht etwa ein solcher gegen das verkehrshindernd liegende Schiff ein. Vielmehr entfällt nur die Vermutung gegen das fahrende Schiff, und es tritt die normale Beweislast ein, insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob das Schiff schuldhaft verkehrshindernd lag und ob das andere Schiff trotz dieser Lage die Kollision hätte vermeiden können ( H a n s O L G H a n s G Z 1908 Nr. 72; siehe dazu auch H a n s O L G H a m b u r g H a n s R G Z 1935 B 107; 1936 B 391; H a n s O L G Bremen Hansa 1961 S. 242). Mit Recht hebt die Entscheidung H a n s O L G H a n s G Z 1908 Nr. 72 hervor, daß jedes Schiff zuweilen (z. B. beim Verholen) ohne Schuld in eine verkehrshindernde Lage geraten kann. In solchen Fällen aber wird doch verlangt, daß das verholende Schiff gehörige Rücksicht auf die übrige Schiffahrt nimmt. Es m u ß also für den Liegeplatz Ungeeignetheit oder Verbotenheit vorliegen. Ungeeignetheit liegt auch vor, wenn sich das Schiff mit Zustimmung der zuständigen Behörde an einen an sich verbotenen Platz legt, wo es den Verkehr hindert.
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Die Entscheidung darüber, ob die Vermutung Anwendung findet, ergibt sich gewöhnlich 8 8 aus dem Charakter der verletzten Vorschrift. Ist diese nautischer Natur und ihrem Zweck nach auf die Verhütung von Kollisionen abgestellt (Verbot des Ankerns bzw. Anlegens im Fahrwasser, in Leitfeuerlinien, vor Hafen- oder Kanaleinfahrten, an engen Durchfahrten, Brücken oder Dockeinfahrten), so ergibt die Verletzung bereits ein Verschulden in bezug auf mögliche Kollisionen und die generelle Begünstigung ihres Zustandekommens (adäquate Kausalität). Vgl. R G H a n s G Z 1913 Nr. 56, wo nicht aus dem Liegen an verbotener Stelle, sondern zutreffend aus der speziellen nautischen Situation der Kausalzusammenhang hergeleitet wird. Anders, wenn das Ankern oder Liegen verboten ist, weil an dieser Stelle die Wassertiefe 8 9 wechselt, Telegraphenkabel, Rohrleitungen, Dücker verlaufen usw. Dann ist eine Beziehung zu Kollisionsgefahren nicht ersichtlich, und an sich braucht kein Schiff nachzuweisen, daß es sich schuldlos gerade am Kollisionsort befindet. Die Vermutung, daß das fahrende Schiff an der Kollision schuld ist, entfällt ferner, wenn 9 0 das stilliegende Schiff sich als solches nicht nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften kenntlich macht, insbesondere nicht die für seine spezielle nautische Situation (Ankern, Schwoien, Manövrierunfähigkeit, Festsitzen usw.) vorgeschriebenen Lichter führt (HG und OG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 51; RG HansGZ 1904 Nr. 88), oder die vorgeschriebenen Schallsignale nicht abgibt, so daß es infolge Nebels, Dunkelheit oder Schneetreibens nicht als Schiffahrtshindernis erkennbar ist (HansOLG HansGZ 1884 Nr. 78; RG HansGZ 1891 Nr. 112 = Bolze 13 Nr. 230 ; 1900 Nr. 115 ; 1904 Nr. 88 ; Appellhof Rouen Revue Autran Bd. 6 S. 650 ff.). Kann das stilliegende Schiff diesen Nachweis der eigenen Erkennbarkeit nicht führen, so fällt ihm die Beweislast hinsichtlich des kausalen Verschuldens des fahrenden Schiffes zu (RGZ 31 Nr. 13; HansGZ 1904 Nr. 88). Vgl. auch BGH NJW 1952 S. 1137. 1261
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Die Momente, auf Grund deren die Vermutung nicht eintreten soll, hat, sofern sie nicht ohne weiteres klarliegen, der Exkulpationspflichtige zu beweisen ( R G H a n s G Z 1900 Nr. 115). Es ist jedoch zu beachten, daß nicht jedes Verschulden des stilliegenden Schiffes zur Beseitigung der V e r m u t u n g f ü h r t . D e n n es handelt sich hier nicht um eine Kompensation des beiderseitigen Verschuldens, sondern u m die Beseitigung einer zunächst evidenten, gegen das f a h r e n d e Schiff s p r e c h e n d e n Wahrscheinlichkeit (vgl. dazu A n m . 77).
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W o sich d a h e r zwischen dieser Wahrscheinlichkeit u n d dem Verschulden des stilliegenden Schiffes ein Z u s a m m e n h a n g nicht herstellen läßt, weil jenes auf einer anderen, selbständig verlaufenden Linie liegt, da bleibt die prima facie festgestellte Kausalität u n d Schuldhaftigkeit u n b e r ü h r t . Das Verhalten des stilliegenden Schiffes wird nun aber, losgelöst von der beweisrechtlichen Beziehung zu dem des f a h r e n d e n Schiffes, verselbständigt und erhält den C h a r a k ter des konkurrierenden Verschuldens, das g e m ä ß §§ 736 H G B , 254 B G B zu beurteilen ist (vgl. z. B. R G H a n s G Z 1913 Nr. 56; H a n s O L G H a n s G Z 1908 Nr. 72). Beispiel: ein Schiff gerät s c h u l d h a f t ins Treiben und rennt gegen ein verankertes Schiff. Diesem wird der Vorwurf gemacht, d a ß es keine oder nicht genügende A n k e r w a c h e ausgestellt habe, so daß es nicht rechtzeitig die G e f a h r bemerkt und Kette gestreckt hat.
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Dieser Fall ist insbesondere auch d a n n gegeben, wenn das stilliegende Schiff es trotz Erkennens der Kollisionsgefahr schuldhaft unterläßt, die erforderlichen Manöver zur Abwendung oder Milderung der Kollision v o r z u n e h m e n . Über die einzelnen, den verschiedenen Kategorien der stilliegenden Schiffe möglichen Manöver vgl. Sebba, a. a. O. S. 450 ff. Z. B.: A ankert im Strom an erlaubter Stelle. B k o m m t aus einem Seitenhafen, will quer über den Strom fahren und gerät mit A in Kollision. Die Schuld von B steht p r i m a facie fest. A aber hätte die Kollision d a d u r c h vermeiden k ö n n e n , daß es Kette auslaufen und sich s t r o m a b treiben ließ. Vgl. O L G Rostock MecklZ 1913 S. 286: unterlassenes A n k e r w e r f e n des treibenden Kahns, welcher e i n e m stilliegenden Schiff gleichgestellt wird. Dieses Verschulden b e r ü h r t die gegen B bestehenden V e r m u t u n g e n nicht, ist aber nach § 736 zu berücksichtigen. Ebenso t r i f f t den Entlastungspflichtigen d e r Beweis, daß das stilliegende (z. B. anlegende) Schiff das richtige Ausweichmanöver des Entlastungspflichtigen durch ein unberechenbares Verhallen d u r c h k r e u z t hat ( R G W a r n R s p r 1912 Nr. 407).
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gg) D i e Entkräftung des prima-facie-Beweises. Sie k a n n in der Weise erfolgen, d a ß eine oder m e h r e r e seiner Voraussetzungen angegriffen, oder daß die Wahrscheinlichkeitsfolgerung aus diesen Voraussetzungen als unrichtig aufgewiesen wird. aaa) I m ersteren Falle genügt es, d a ß eine Tatsache, welche ein generelles Wahrscheinlichkeitsmoment ( A n m . 55) darstellt, widerlegt wird (besonders wichtig f ü r die typisierten Fälle des prima-facie-Beweises — in den übrigen d ü r f t e kein Unterschied zwischen dem Indizienbeweis und dem prima-facie-Beweis zu machen sein: Verstoß gegen Schutz- oder Polizeigesetz u n d Kollision zwischen stilliegendem und f a h r e n d e m Schiff). Hierher gehört z. B. der Nachweis, d a ß ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz nicht vorlag, sei es aus rechtlichen G r ü n d e n (die b e t r e f f e n d e V e r o r d n u n g ist nichtig, oder erstreckt sich nicht auf die Unfallstelle oder bezieht sich nur auf Schiffe mit größerem Tiefgang, anderer Bauart oder gilt n u r f ü r a u s f a h r e n d e Schiffe usw.), oder aus tatsächlichen Gründen (die Befolgung des Schutzgesetzes ist tatsächlich d u r c h g e f ü h r t worden, oder unterblieb wegen Unmöglichkeiten der A u s f ü h r u n g oder erlaubter A b w e i c h u n g ; vgl. A n m . 27). H i e r h e r gehört auch der Nachweis, daß der Verstoß nicht rechtswidrig w a r (s. oben A n m . 7), sofern die Notlage, in der sich das Schiff befand, unverschuldet war ( H a n s O L G H a n s G Z 1905 Nr. 107), oder daß es sich gar nicht u m ein stilliegendes Schiff auf der einen Seite bzw. ein fahrendes Schiff auf der anderen Seite gehandelt habe (vgl. A n m . 79 ff.).
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bbb) W e i t e r h i n aber k a n n der prima-facie-Beweis e n t k r ä f t e t werden d u r c h einen Angriff gegen die Berechtigung seiner generell-abstrakten Schlußfolgerungen im Hinblick auf die speziell-konkrete Sachlage (vgl. R G Z 69, 434; H a n s O L G H a n s G Z 1902 Nr. 37; 1905 Nr. 195; 1906 Nr. 124; 1908 Nr. 14; O L G Rostock MecklZ 1913 Nr. 61; vgl. B G H Z 2, 1; 6, 169). 1262
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Dieser Entlastungsbeweis gegenüber der prima-facie-Feststellung kann sich nach verschiede- 9 6 nen Richtungen bewegen. Er kann entweder dahin gehen, daß der nach dem äußeren Anschein anzunehmenden Rechtswidrigkeit in Wirklichkeit kein Verschulden zugrunde gelegen habe, oder dahin, daß dieses Verschulden unbeachtlich (sine effectu) gewesen sei ( R O H G 4 Nr. 21; RG HansGZ 1902 Nr. 37; oben Anm. 36), daß es mithin an dem Kausalzusammenhange fehle (Ältere Beispiele für den ersten Fall: HansOLG HansGZ 1894 Anm. 42; RG HansGZ 1898 Nr. 42; 1905 Nr. 115; für den zweiten Fall: R O H G 5, 118). Dies geschieht gewöhnlich durch Darlegung eines Gesamthergangs, dessen Kausalitätsentwicklung das schuldhafte Moment nicht umfaßt. Vgl. Anm. 100. Bei der Frage, welche Anforderungen an den Exkulpationsbeweis zu stellen sind, zeigt sich 9 7 recht eigentlich die Natur des prima-facie-Beweises, insbesondere sein Unterschied gegenüber der gesetzlichen Vermutung. Diese erfordert nach § 292 ZPO den Beweis des Gegenteils, u m außer Kraft zu treten. Demgegenüber genügt es zur Entkräftung des prima-facie-Beweises, wenn vom Gegner eine Tatsache bewiesen wird, aus der die Möglichkeit eines anderen Sachverhalts als der erfahrungsmäßigen folgt (BGHZ 2, 1; 6, 169; BGH Hansa 1961 S. 1614 = VersR 1961 S. 317; RG HansGZ 1913 Nr. 109; 1914 Nr. 60; anders R G Z 69, 432; R G LZ 1915, 1099; HansGZ 1916 Nr. 2, nach denen die Wahrscheinlichkeit eines Kausalablaufs in ernstliche Beachtung gerückt sein mußte). Nicht jede (etwa frei erfundene) Darstellung des Hergangs reicht hierzu aus. Vielmehr muß sie innerlich glaublich, das Geschehene aufzuklären geeignet sein (RG HansGZ 1914 Nr. 60). Es wird also nicht der Nachweis der Schuldlosigkeit, sondern nur die Entkräftung des bestehenden Verdachts verlangt. Vgl. auch Anm. 94 f. Werden die tatsächlichen Elemente des zur Exkulpation dargelegten Sachverhalts bestritten, so sind sie vom Exkulpationspflichtigen nach § 286 ZPO nachzuweisen. Gelingt ihm das, so verbleibt es bei der vollen Beweislast der von Anfang an beweispflichtigen Partei (RGZ 130, 359; 134, 241; BGHZ 2, 1). In der Praxis schwanken die Anforderungen. Teils sind sie leichter, teils schwerer als oben 9 8 angegeben, was auf der Verschiedenartigkeit der die Wahrscheinlichkeit begründenden Momente beruht (vgl. Anm. 55 ff.). So kann es zur Entlastung ausreichen, wenn das Schiff nachweist, daß es ohne sein Verschulden in die Gefahr der späteren Kollision geraten ist (schon dann soll die normale Beweislast wieder eintreten; R G HansGZ 1906 Nr. 124 in Bestätigung von HansOLG HansGZ 1905 Nr. 107); über die Bedeutung der Gefahrschaffung für die Abwägung beiderseitigen Verschuldens vgl. § 736 Anm. 15. Zur Entlastung kann es ferner ausreichen, daß eine andere Erklärung für die Kollision gegeben wird (RG HansGZ 1913 Nr. 109); immerhin muß diese Erklärung in sich schlüssig geeignet sein, die prima-facie-Annahme des Richters zu erschüttern. Eine nur unerhebliche Schwächung der bestehenden Wahrscheinlichkeit reicht hierzu nicht aus (RG HansRGZ 1936 B 503 = JW 1936 S. 1967 fordert eine mindestens ebenso große Möglichkeit eines schuldfreien Kausalverlaufs). Vielfach wird jedoch indirekt ein ausgesprochener Gegenbeweis erfordert, z. B. daß das von seinem Ankerplatz vertriebene Schiff ohne seine Schuld ins Treiben geraten ist; daß das Ruder infolge eines nicht zu vertretenden Umstandes versagt habe (RG LZ 1914, 607 = EisenbE 30 s. 206 = HansGZ 1913 Nr. 109; LZ 1914, 88; 1913, 405); oder die sonstigen Schiffseinrichtungen, auf deren Versagen der Zusammenstoß nach Lage der Sache beruhen kann, gehörig in Ordnung waren (vgl. dazu HansOLG HansGZ 1905 Nr. 59; 1906 Nr. 115; 1911 Nr. 116; Mittelstein, HB 375). Vgl. auch die Einzelfälle in Anm. 62 ff. - Vgl. auch BGH VersR 1961 S. 317 = Hansa 1961 S. 1614. Bei einer Kollision auf der falschen Fahrwasserseite des Gegners kann der Anscheinsbeweis nicht durch den Nachweis entkräftet werden, es seien keine falschen Rudermanöver ausgeführt noch hätten Mängel der Ruder- oder Maschinenanlage vorgelegen, da auch dann noch offen bleibt, ob alle der Sachlage entsprechenden Manöver eingeleitet wurden, die einen Zusammenstoß verhindert hätten. Bei Verstoß gegen ein Schutzgesetz wird der Nachweis verlangt, daß der Schiffsführer alles 9 9 getan hat, um die Ausführung des Gesetzes zu sichern (RG DJZ Spruchs. Bd. 24 S. 289). Vgl. auch BGH VersR 1961 S. 317. Keinesfalls aber soll das prima facie schuldige Schiff,
dem eine äußere Regelwidrigkeit zur 1263
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Last fällt, mit einem non liquet freigelassen werden (RG Hansa 1910 S. 526 = HansGZ 1910 Nr. 49 = WarnRspr. 1910 Nr. 132). Daraus ergibt sich, daß immerhin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des zur Entlastung angeführten Gesamthergangs erforderlich ist (s. Anm. 97). Hier setzt wiederum das freie richterliche Ermessen des § 287 ZPO ein. Der Satz, daß ein non liquet zu Lasten des Exkulpationspflichtigen gehe, steht anscheinend in Widerspruch zu § 734, wonach ein Ersatz des Schadens nicht stattfindet, wenn Ungewißheit über die Ursachen des Zusammenstoßes besteht (vgl. § 734 Anm. 12). Richtig ist, daß diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn das entlastungspflichtige beklagte Schiff den prima-facie-Beweis nicht direkt widerlegt, sondern lediglich einen Sachverhalt darlegt, welcher gleich starke Wahrscheinlichkeitselemente birgt, wie die prima-facie-Annahme. Dieses non liquet führt jedoch nur dazu, daß die normale Beweislast des Klägers wieder in Kraft tritt. Kann er den auf ihn zurückgefallenen Beweis nicht führen, so erfolgt die Abweisung der Klage nicht wegen des non liquet (nach § 734), sondern wegen der später zutage getretenen Beweisfälligkeit. Anders liegen die Dinge, soweit es sich um die Frage handelt, ob das exkulpationspflichtige Schiff diejenigen Tatsachen nachgewiesen hat, welche als Grundlage der dem prima-facie-Beweis entgegengestellten Wahrscheinlichkeit dienen sollen. Diese tatsächlichen Grundlagen müssen voll bewiesen werden, und ein non liquet in bezug auf sie führt zu einem Scheitern der Exkulpation. Daraus ergibt sich der Satz, daß gegenüber der prima-facie-Annahme nicht die Wahrscheinlichmachung einer anderen Kausalreihe, sondern der Nachweis einer mindestens gleich wahrscheinlichen Kausalreihe gefordert werden muß. Die Erleichterung der Exkulpationspflicht (gegenüber einem etwa zu führenden Gegenbeweise) besteht also nicht in Ansehung der tatsächlichen Elemente, sondern in Ansehung des letzten Schlusses von den nachgewiesenen Tatsachen auf das Vorliegen der Kausalität bzw. des Verschuldens. Dieser Schluß braucht nicht zwingender zu sein, als der prima-facie-Schluß. In diesem Sinne ist die Entscheidung des RG (s. den Eingang dieser A n m . ) zu verstehen, welche völlig auf den Nachweis der Exkulpations tatsachen abgestellt ist. 101
hh) Wer Schadensersatz aus einer Schiffskollision verlangt, hat ferner im Bestreitungsfalle die Passivlegitimation des Beklagten nachzuweisen, also den Umstand, daß das schädigende Schiff dem Beklagten gehörte oder er gleich einem Eigentümer haftet (als Ausrüster: § 510 HGB). Ebenso Mittelstein, HB 373.
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4. Durch die Kollision muß ein Schaden entstanden sein. Eine Klage, die einen Schaden nicht behauptet, ist abzuweisen. Denkbar wäre jedoch eine Klage auf Unterlassung, z. B. wenn eine freischwimmende Fähre ständig einen an der Anliegestelle liegenden Kahn streift, ohne jedoch Schaden anzurichten oder eine ständig sich wiederholende Kollisionsgefahr schafft. Vgl. über die näheren Voraussetzungen einer solchen Unterlassungsklage das Schrifttum zu §§ 823 ff. BGB. Über Begriff und Umfang des Schadens s. unten Anm. 121 ff.
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II. Wer haftet? 1. Das schuldige Besatzungsmitglied selbst nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts (OLG Rostock MecklZ 1913 S. 286). Vgl. § 737 Abs. 1 HGB, wonach die Vorschriften, nach denen die zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen verpflichtet sind, für die Folgen ihres Verschuldens aufzukommen, unberührt bleiben. Vgl. § 485 HGB Anm. 5, 6, 14. Mehrere schuldige Besatzungsmitglieder haften nach allgemeinen Grundsätzen. Ebenso tritt Gesamthaftung ein, wenn neben dem Besatzungsmitglied auch der Reeder haftet (vgl. dazu Pereis, Z H R Bd. 57 S. 398).
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2. Der Reeder des schuldigen Schiffes adjektizisch wie nach Maßgabe des § 485 und des § 735. Ebenso der Ausrüster (§ 510 HGB). Vgl. R G Z 78, 307 = JW 1912 S. 544 (für das Binnenschiffahrtsrecht). Über die Konkurrenz der Haftungsgründe aus §485 H G B und §831 BGB vgl. § 485 Anm. 24. Das Verschulden des Reeders ist für die adjektizische Haftung ohne Belang. Er haftet selbst dann, wenn er dem Besatzungsmitgliede die zum Schaden führende Handlung verboten hatte. — Vgl. Anm. 15 Vorbemerkung vor § 754 HGB zu der Frage, ob Haftung eintritt, wenn mehrere Schiffe desselben Reeders kollidieren. 1264
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Der Fiskus ist hinsichtlich eines aufgebrachten feindlichen Schiffes nicht passiv legitimiert, 1 0 5 solange nicht das Eigentum durch Rechtskraft des prisengerichtlichen Urteils auf ihn übergegangen ist (HansOLG LZ 1916, 965). Maßgebend ist stets das Eigentum zur Zeit der Kollision (HansOLG a. a. O.; R G Z 79, 179). Über die Haftung mehrerer schuldiger Schiffe vgl. § 736 Anm. 41 ff. 3. Nicht die Ladungseigentümer: eine Haftung derselben wäre rechtlich nicht zu konstruieren (HansOLG HansGZ 1899 Nr. 67).
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III. Wem wird gehaftet? 107 Nur dem unmittelbar Verletzten (RGZ 97, 87; 82, 189 = HansGZ 1915 Nr. 105; HansGZ 1911 Nr. 119; 1913 Nr. 105; HansOLG HansGZ 1914 Nr. 65; BGHZ 7, 33 f.). Und zwar auch dann, wenn die Haftung auf § 823 Abs. 2 BGB (Verstoß gegen ein Schutzgesetz) beruht (RG Warn Rspr. 1911 Nr. 372; vgl. auch Anm. 116). Dem unmittelbar Verletzten wird aber nicht nur für den unmittelbaren, sondern auch für den mittelbaren Schaden gehaftet. Vgl. hierüber Anm. 121 und § 820 Nr. 7 HGB. Eine Ausnahme zugunsten mittelbar geschädigter Personen enthalten die §§ 844, 845 BGB. Werden mehrere Personen durch dieselbe unerlaubte Handlung geschädigt, so kann jede Ersatz ihres vollen Schadens verlangen. Nur Dritten wird gehaftet. Als solcher kommt nicht in Frage das schuldige Besatzungsmitglied (denn für dessen Verschulden hat der Reeder einzutreten und nur insoweit, als Ansprüche gegen den Schuldigen überhaupt gegeben sind, was bei einer Selbstschädigung natürlich nicht in Frage kommt). Ebensowenig ist der Reeder ein Dritter. Daher kann er keine Ersatzansprüche gegen sich selbst geltend machen, wenn zwei seiner Schiffe miteinander zusammenstoßen (vgl. jedoch Vorbem. vor § 754 Anm. 15 ff.; auch R G Z 45, 55). Dagegen können die nicht schuldigen Besatzungsmitglieder sich an den Reeder halten (RGZ 1 0 8 13, 119; HansOLG HansGZ 1914 Nr. 65). Doch haftet gemäß § 636 Abs. 1 RVO der Reeder den eigenen Besatzungsmitgliedern nur bei Vorsatz. Gemäß § 636 Abs. 2 RVO gilt diese Regelung auch gegenüber den Besatzungen anderer beteiligter Schiffe, wenn diese der See-Unfallversicherung unterliegen. Im einzelnen wird gehaftet: 1. Wegen des Schiffsschadens dem Eigentümer des beschädigten oder verlorenen Schiffes 1 0 9 sowie den sonstigen dinglich Berechtigten, insbesondere Pfandgläubigern (BGB §§ 1227, 1257, 1266 BGB). Freilich darf ein materiell identischer Anspruch nicht mehrmals erhoben werden: hat z. B. der Reeder Ersatz erlangt, so ist damit der Ersatzanspruch des Schiffsgläubigers, für den die Entschädigung an die Stelle des Schiffes getreten ist (§ 756 Abs. 2) erledigt. Kein Entschädigungsanspruch entsteht, wenn die zusammenstoßenden Schiffe demselben Reeder gehören, da niemand sein eigener Schuldner sein kann (RGZ 45, 54; 58, 190; anders beim Anspruch auf Hilfs- oder Bergelohn. Vgl. Anm. 14 ff. vor § 754 HGB, auch Anm. 8 zu § 743 HGB). Der Ausrüster kann den Schaden gleich einem Eigentümer geltend machen, trotzdem er nur ein obligatorisch Berechtigter ist (§510 HGB). Vgl. unten Anm. 110. Keine Haftung besteht gegenüber den am Schiffe obligatorisch Berechtigten, also Charterer, 1 1 0 Mieter, Leiher usw. Vgl. auch HansOLG HansGZ 1914 Nr. 65; LZ 1914, 1058; RGZ 57, Nr. 79; Brandis, Bd. 2 S. 126; Mittelstein, HB 375. Vgl. jedoch unten Anm. 118. Siehe auch OLG Hamburg VersR 1975 S. 761 wegen des Gesichtspunktes der fehlgeschlagenen Aufwendungen. 2. Wegen des Ladungsschadens dem Eigentümer der beschädigten oder verlorenen Ladung 1 1 1 sowie den sonstigen dinglich Berechtigten, nicht aber den obligatorisch Berechtigten (es gilt das zu 1 Gesagte), dem legitimierten Konnossementsinhaber also nur, sofern er dinglich berechtigt ist. Unter Ladung ist nur die Ladung im engeren Sinne, also die bereits übernommene Ladung, 1 1 2 zu verstehen (Anm. 1 zu § 535 HGB). Ersatzberechtigt ist nur, wer Eigentümer der Ladung zur Zeit der Kollision gewesen ist. Der spätere Übergang des Konnossements oder der Versicherungspapiere auf einen Dritten überträgt nicht die Schadensersatzansprüche (RGZ 74, 47). Es bedarf hierzu also einer besonderen Abtretung. 1265
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2. Teil: Seehandelsrecht -
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3. Wegen der sonstigen an Bord befindlichen Sachen (vgl. § 734) den Eigentümern oder den a n den Sachen dinglich Berechtigten, insbesondere also den Mitgliedern der Besatzung wegen ihrer Habe, den Reisenden wegen ihres Gepäcks (vgl. § 672 HGB), dem Lotsen. Aber auch d e m blinden Passagier oder einer Person, welche irgendwelche G ü t e r oder Gegenstände heimlich auf das Schiff gebracht hatte (vgl. § 535 A n m . 1; § 564a H G B ) . D e n n § 734 setzt lediglich voraus, daß sich die beschädigten Sachen a n Bord b e f u n d e n haben, ganz gleich auf welchem Rechtsverhältnis diese räumliche Beziehung beruht. Wegen der gebräuchlichen Freizeichnung hinsichtlich des Passagierguts gelangt man zu dem b e f r e m d l i c h e n Resultat, d a ß zwar der blinde Passagier, nicht aber auch der reguläre Passagier, Ersatz seines Sachschadens von dem eigenen Schiff verlangen könnte. Doch m u ß m a n wohl a n n e h m e n , d a ß seinem Anspruch die exceptio doli entgegensteht. — Maßgebend ist auch hier das Eigentum zur Zeit der Kollision (s. oben A n m . 112).
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Hinsichtlich des Zubehörs ist derjenige z u r G e l t e n d m a c h u n g des Schadens berechtigt, dem das Zubehörstück zur Zeit des Zusammenstoßes gehörte, gewöhnlich also der Reeder, unter U m s t ä n d e n a b e r auch ein Dritter (vgl. § 478 Anm. 4 a. E.). Dem Reeder, welcher nicht Eigent ü m e r war, k a n n ein Ersatzanspruch nur unter denselben Voraussetzungen und im gleichen U m f a n g e zugebilligt werden, wie einem anderen obligatorisch Berechtigten. Vgl. Anm. 110, 119, 120.
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4. Den an Bord befindlichen Personen, welche durch die Kollision Schaden erlitten haben. Auch hier ist es unerheblich, auf G r u n d welchen Rechtsverhältnissen sie sich an Bord befund e n haben. Nach Maßgabe der §§ 844, 845 BGB auch den geschädigten Dritten, insbesondere Angehörigen (vgl. A n m . 170, Mittelstein, H B 375).
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5. Soweit der Z u s a m m e n s t o ß d u r c h Verletzung eines Schutzgesetzes herbeigeführt worden ist, allen denjenigen, zu deren Schutz das Gesetz erlassen war und welche unmittelbar geschädigt sind ( B G H Z 19, 114ff.; R G Z 61, 295; 63, 327; 64, 345; 79, 58; 80, 50; H a n s O L G H a n s G Z 1914 Nr. 65; R G Z 82, 206 = H a n s G Z 1915 Nr. 105: Erstattung der Pension eines durch die Kollision verletzten Staatsbeamten abgelehnt — gegen H a n s O L G H a n s G Z 1913 Nr. 22; s. auch J o . s e / H o l d h e i m s M S c h r . 1914 S. 15 ff.)- Siehe auch oben A n m . 108. Siehe als A u s n a h m e §§ 844 Abs. 2, 845 B G B ; vgl. A n m . 170.
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Die SeeStrO und die SeeSchStrO sind Schutzgesetze zugunsten des Schiffseigentümers des Kapitäns, der M a n n s c h a f t und der Passagiere sowie der Eigentümer der a n Bord befindlichen Sachen ( R G Z 73, 12; H a n s O L G a. a. O.), aber auch zugunsten der Anlieger des Gewässers. D a s gleiche gilt auch f ü r die H a f e n o r d n u n g e n , die B i n n e n s c h i f f s s t r a ß e n o r d n u n g und die Rheinschiffahrt-Polizeiverordnung.
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6. Der Charterer, Mieter oder Entleiher eines Schiffes kann Ersatz seines Schadens nur d a n n verlangen, wenn er den Besitz am Schiff erlangt hat. Denn der Besitz gehört zu den „sonstigen Rechten" im Sinne des § 823 Abs. I BGB. Ferner ist im Falle der Besitzstörung § 858 BGB das Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Vgl. R G Z 59, 326 ff. Doch ist zu beachten, daß regelmäßig n u r der bare-boat-charterer den Besitz a m Schiff erlangt. Auch bei Besitzerlangung aber bleibt zweifelhaft, ob die Kollision als ein einmaliger und keine Wiederholungsgef a h r schaffender Vorfall überhaupt als Besitzstörung anzusehen ist.
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Aber auch w e n n man dies a n n i m m t , so ergibt sich daraus noch nicht das Recht des Charterers oder Mieters, den am Schiff oder an fremden Sachen entstandenen Schaden geltend zu machen. Vielmehr k o m m t nur derjenige Schaden in Betracht, den er selbst d u r c h die Beeinträchtigung seines Besitzrechts erlitten hat, etwa als Folge der Reiseverzögerung oder weil er d u r c h die Kollision genötigt wurde, die G ü t e r im nächsten H a f e n umzuladen, oder sich von einem a n d e r e n H a f e n einen Ersatzdampfer in Ballast hat k o m m e n lassen müssen. Vgl. den Fall H a n s O L G H a n s G Z 1914 Nr. 65, wo allerdings der Ersatzanspruch lediglich aus § 8 2 3 BGB unter Ü b e r g e h u n g der Besitzfrage geprüft und verneint wird (vgl. dazu A n m . 110).
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IV. Was ist zu ersetzen? Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 S. I BGB). Der Er1266
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satzberechtigte kann Naturalrestitution, statt dessen aber nach seiner Wahl den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 S. 2 BGB); im Falle von § 251 Abs. 2 BGB kann der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Naturalrestitution nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Dies ist jedoch nur auf Einwand zu berücksichtigen (HansOLG HansGZ 1912m Nr. 110); an die Stelle des Ersatzes der Reparaturkosten tritt dann die angemessene Entschädigung für den Minderwert des Schiffes (HansOLG a. a. O.). Die Ersatzpflicht des Schädigers gehl aber weiter. Regelmäßig ist in Schiffskollisionsfällen die Herstellung des früheren Zustands, sofern überhaupt möglich, „zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend"; alsdann hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen (§ 251 Abs. 1 BGB). Mit anderen Worten: der Ersatzpflichtige haftet dem Gläubiger nicht nur für den unmittelbaren, sondern auch für den mittelbaren Schaden (vgl. z. B. RGZ 57, 355; 61, 310 = HansGZ 1905 Nr. 135 = DJZ 1905, 112; R G Z 73, 8 = HansGZ 1910 Nr. 66; RG JW 1916 S. 849 Nr. 21 ; RG HansRGZ 1931 B 328 ; HansOLG HansGZ 1905 Nr. 75, 125 ; anders R G JW 1912 S. 637 Nr. 8). Zum mittelbaren Schaden gehören auch diejenigen Beträge, welche der Reeder den Ladungseigentümern zur Deckung ihres Schadens etwa zu zahlen hatte: s. § 820 Nr. 7 HGB (RGZ 61, 310 = DJZ 1905, 1112 = HansGZ 1905 Nr. 135. Vgl. auch Schneider, Mittelbarer Versicherungsschaden HansRZ 1918, 477). Wo aber ist die Grenze dieser Haftung? Soll, wenn das angerannte Schiff im Reparaturhafen von ruchloser Hand in die Luft gesprengt wird, der Reeder des Schiffes, das die Kollision verschuldet hat, auch hierfür aufkommen? Die Frage ist zu verneinen. Nicht für fernliegende, unberechenbare, sondern nur für die adäquaten Folgen seiner Handlung hat der Schuldige zu haften. Das BGB spricht dies für den entgangenen Gewinn in § 252 S. 2 ausdrücklich aus; es gilt dies aber nicht minder für das damnum emergens; z. B. für den Fall, daß der Schaden durch den Rückprall gegen einen anderen Gegenstand — verursacht durch den Zusammenstoß — eintritt (RG Bolze Bd. 19 Nr. 155; vgl. auch HansOLG HansGZ 1908 Nr. 45). Über adäquate Kausalität vgl. oben Anm. 31 ff. Vgl. BGH Hansa 1965 S. 1323 über Anforderungen an den Nachweis der Ursächlichkeit für einen erst nachträglich festgestellten Unterwasserschaden. 1. Der Schadensersatz geht auf Ausgleichung, bei Vermögensschaden auf Herstellung des all- 1 2 1 gemeinen Vermögensstandes des Geschädigten (JW RG 1912 S. 863 Nr. 21); ein gewisses Maß von Gefahr, welches der Schiffahrt eigentümlich ist, muß allerdings auch jeder Dritte in Kauf nehmen (RG Hansa 1908 S. 1268); die Ausgleichung des Schadens erfolgt nach Billigkeit unter Berücksichtigung von Treu und Glauben, welche auch die Handlungsweise des Geschädigten beherrschen sollen (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 27). Der Geschädigte hat nach §§ 242, 254 BGB den Schaden zu mindern, z. B. eine Reparatur zu einer Zeit ausführen zu lassen, in derein Nutzungsverlust für ihn nicht entsteht (HansOLG H;insRG7 1933 B40