Erdgeschichte [4., vollständig neu bearb. Aufl. Reprint 2020] 9783112326725, 9783112326718


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German Pages 307 [313] Year 1990

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Erdgeschichte [4., vollständig neu bearb. Aufl. Reprint 2020]
 9783112326725, 9783112326718

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Klaus Schmidt

Erdgeschichte Vierte, vollständig neu bearbeitete Auflage von

Roland Walter

w DE

G

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1990

S A M M L U N G G Ö S C H E N 2616

Universitätsprofessor Dr. Roland Walter Lehrstuhl für Geologie und Paläontologie Direktor des Geologischen Instituts der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Wüllnerstraße 2 5100 Aachen Dr. Klaus Schmidt (verstorben 1983) ehem. o. Professor am Geologischen Institut der Universität München

Dieses Buch enthält 96 Abbildungen und 18 Tafeln.

CIP-Kurztitelaufnähme

der Deutschen

Bibliothek

Schmidt, Klaus: Erdgeschichte / von Klaus Schmidt. - 4., vollst. neu bearb. Aufl. / von Roland Walter. - Berlin ; New York de Gruyter, 1990 (Sammlung Göschen ; 2616) ISBN 3-11-012403-3 NE: Walter, Roland [Bearb.]; G T ©

Copyright 1990 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin

Vorwort zur 4. Auflage Über die Entstehungsgeschichte der Erde und des organischen Lebens liegen heute so viele Daten vor, daß es kaum möglich ist, auch nur die Leitlinien der anorganischen und organischen Prozesse, die den heutigen Erdzustand bedingen, zu erfassen und darzustellen. Die Autoren für Lehrbücher der Erdgeschichte oder der Historischen Geologie stehen daher insbesondere vor der Schwierigkeit, aus der Vielfalt Wichtiges auszuwählen, um dem Leser eine Vorstellung vom Ganzen zu vermitteln. Dabei wird die erforderliche Auswahl natürlich auch von den Interessen der Autoren und ihrer Sicht bestimmt, und unter Umständen wird manches Thema stärker hervorgehoben, als es dem historischen Zusammenhang zukommt. Der Göschenband Erdgeschichte wurde konzipiert von Klaus Schmidt, ehem. Ordentlicher Professor für Geologie an der Universität München. Das Buch sollte dem am Verständnis der Entwicklung der Erde und des Lebens interessierten Leser die Möglichkeit bieten, das Wesentliche in Kürze zu erfassen und sich auf ein Studium weiterführender Literatur nach eigener Wahl vorbereiten. Bei der Vorbereitung dieser 4. Auflage der Erdgeschichte wurde dieses Konzept beibehalten. Die knapp gefaßte Einführung nennt die Methoden der geologischen Zeitbestimmung und der Rekonstruktion erdgeschichtlicher Zustandsbilder. Die Darstellung der verschiedenen Perioden der Erdgeschichte und der Entwicklung des Lebens auf der Erde nimmt den Hauptteil ein. In den letzten Kapiteln werden aktuelle Fragen und ungelöste Probleme der Erdgeschichte angeschnitten. Im einzelnen wurde der Text der 3. Auflage jedoch in vielen Teilen umgestaltet und ergänzt und die meisten Abbildungen und Tabellen wurden durch neuere Darstellungen ersetzt. Anregungen und Vorschläge dazu verdanke ich den

4

Vorwort

Professoren Flajs, Käsig, Spaeth und Vangerow vom Geologischen Institut der R W T H Aachen. Die Ergebnisse der erdgeschichtlichen Forschung führen uns die Sonderstellung der Erde im Planetensystem der Sonne nachdrücklich vor Augen. Eine vertiefte Kenntnis der Zusammenhänge zwischen organischen und anorganischen Prozessen auf der Erde kann wesentlich dazu beitragen, die Stellung des Menschen in einer natürlichen Umwelt unter einem neuen erweiterten Blickwinkel zu sehen und aktuelle ökologische Probleme sachbezogener zu beurteilen. Möge diese Erdgeschichte dazu beitragen. Aachen, Februar 1990

R. Walter

Inhalt 1 2 3 4 5

Aufgaben und Ziele der Erdgeschichte Erdgeschichtliche Dokumente Erdgeschichtliche Zeitbestimmung Erdgeschichtliche Zustandsbilder Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

9 10 14 22 25

5.1 Die vorgeologische Ära ( 4 , 6 - 4 , 0 Mrd. J.)

25

5.2 Das Präkambrium ( 4 , 0 - 0 , 5 9 Mrd. J.) 5.2.1 Altpräkambrium (Archaikum) ( 4 , 0 - 2 , 5 Mrd. J.) 5.2.2 Mittelpräkambrium (Altproterozoikum) ( 2 , 5 - 1 , 8 Mrd. J.) 5.2.3 Jungpräkambrium (Mittel- und Jungproterozoikum) ( 1 , 8 - 0 , 5 9 Mrd. J.) 5.2.4 Die präkambrische Lebewelt

28

5.3 Das Paläozoikum ( 5 9 0 - 2 4 8 Mio. J.) 5.3.1 Kambrium ( 5 9 0 - 5 0 5 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.3.2 Ordovizium ( 5 0 5 - 4 3 8 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.3.3 Silurium ( 4 3 8 - 4 0 8 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.3.4 Die kaledonische Gebirgsbildung 5.3.5 Devon (395 - 3 4 5 Mio. J.) Überblick

31 35 40 44 47 47 47 49 52 58 58 61 64 68 68 72 75 78 81 81

6

Inhalt

Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.3.6 Karbon ( 3 6 0 - 2 8 6 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.3.7 Perm ( 2 8 6 - 2 4 8 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.3.8 Die variszische Gebirgsbildung

82 88 96 96 102 107 115 116 118 123 131

5.4 Das Mesozoikum ( 2 4 8 - 6 0 Mio. J.) 5.4.1 Trias ( 2 4 8 - 2 1 3 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.4.2 Jura ( 2 1 3 - 1 4 4 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.4.3 Kreide ( 1 4 4 - 6 5 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie

138 138 138 139 144 153 153 161 164 173 173 175 184

5.5 Das Känozoikum (Beginn vor 65 Mio. J.) 5.5.1 Tertiär ( 6 5 - 2 Mio. J.) Überblick Pflanzen- und Tierwelt Paläogeographie 5.5.2 Die alpidische Gebirgsbildung 5.5.3 Quartär (Beginn vor 2 Mio. J.) Überblick Lebewelt Das Erdbild des Quartärs

192 192 192 195 202 209 216 216 219 223

6 Probleme der Erdgeschichte 6.1 Die Lithosphäre

231 231

Inhalt

6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

7

Die Die Die Die Der

Hydrosphäre Atmosphäre Sedimenthülle Entwicklung des Lebens Mensch als geologischer Faktor

Verzeichnis weiterführender Literatur Sachverzeichnis Fossilnamen-Verzeichnis

240 241 245 249 256 259 263 293

1 Aufgaben und Ziele der Erdgeschichte Innerhalb der Geowissenschaften 1 strebt die erdgeschichtliche Forschung nach einer Gesamtschau des Werdeganges unseres Planeten. Ihr Ziel ist es, die Prozesse und Kausalketten zu ergründen, die zum gegenwärtigen Zustand der Erde führten und ihn auch in Zukunft bestimmen und verändern werden. Dabei haben die Betrachtungsweisen des Erdgeschichtlers und des Historikers manches gemeinsam. Beide suchen die geborgenen Dokumente zu entziffern, bewerten ihren Informationsinhalt und bilden daraus ein Datenmosaik, in dem sich das Zustandsbild einer Epoche um so deutlicher abzeichnet, je näher diese der Gegenwart steht. Für beide Wissenschaften ergibt sich gleichermaßen das Problem, Überlieferungslücken zu überbrücken, gleichgültig, ob geschichtliche Ereignisse und Gestalten spurenlos in der Vergangenheit versanken oder hinterlassene Dokumente zerstört wurden. Erdgeschichte ist vorrangig Geschichte der Lithosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre. Ihr Blickfeld weitet sich laufend, je mehr es gelingt, in die Tiefen der Ozeane und in das Erdinnere oder zu benachbarten Himmelskörpern vorzudringen. Erdgeschichtliche Dokumente sind die Gesteine der Erdkruste und die in ihnen enthaltenen Reste vergangenen Lebens, die Fossilien. Sie lassen sich nach den Regeln der Gesteinsfolge (Lithostratigraphie) und der Lebensfolge (Biostratigraphie) zeitlich einstufen. Mit Hilfe tektonischer und paläogeographischer Methoden lassen sich gleichaltrige Gesteine oder Fossilien in ihren ursprünglichen räumlichen Zusammenhang stellen. So ergeben sich erdge1

Geologie, Paläontologie, Mineralogie, Petrologie, Geochemie, Boden-

kunde, Geophysik, Geographie, Ozeanographie, Meteorologie u.a.

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2 Erdgeschichtliche D o k u m e n t e

schichtliche Zustandsbilder von der Verteilung von Land und M e e r (Paläogeographie), den Klimaten der Vorzeit (Paläoklimatologie), von früheren Pflanzen- oder Tiergesellschaften (Paläobiologie) und deren Lebensbedingungen (Palökologie), sowie von den Strukturen der Lithosphäre (Geotektonik) und ihrem Verhalten (Geodynamik). In der Folge mehr oder weniger veränderter Erdbilder und Lebensformen erschließen sich die Grundzüge und kausalen Z u s a m menhänge in der Entwicklung der Erde und des irdischen Lebens. W i r begreifen die Gegenwart als erdgeschichtlichen M o m e n t und uns selbst als Teil eines komplexen Systems kosmischer, planetarer und biologischer Komponenten. Aus der Geschichte unseres Planeten erwächst uns eine tiefere Einsicht in entwicklungsgeschichtliche Zusammenhänge und die Möglichkeit, unsere Umwelt planend zu erschließen, sinnvoll zu nutzen und ihre Lebensquellen zu schützen.

2 Erdgeschichtliche Dokumente Der Stoffbestand und das Gefüge der Gesteine, ihre Verbreitung und ihre Lagerungsverhältnisse sind wichtige erdgeschichtliche Parameter. Sie kennzeichnen ehemalige Bildungsräume, Zonen der Gesteinsdeformation und Bereiche der Gesteinszerstörung. Sie geben unter anderem Hinweise auf Verschiebungen von Küstenlinien, auf Klimaänderungen, auf Bewegungen der Erdkruste und auf damit verbundene magmatische Ereignisse. Es gibt Sedimentgesteine, magmatische Gesteine und metamorphe Gesteine. In den Sedimentgesteinen spiegeln sich vor allem die geologischen Vorgänge auf der Erdoberfläche wider. M a g m a t i sche und metamorphe Gesteine liefern wichtige Informationen über stoffliche und physikalische Bedingungen auch in größeren Tiefen.

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2 Erdgeschichtliche D o k u m e n t e

schichtliche Zustandsbilder von der Verteilung von Land und M e e r (Paläogeographie), den Klimaten der Vorzeit (Paläoklimatologie), von früheren Pflanzen- oder Tiergesellschaften (Paläobiologie) und deren Lebensbedingungen (Palökologie), sowie von den Strukturen der Lithosphäre (Geotektonik) und ihrem Verhalten (Geodynamik). In der Folge mehr oder weniger veränderter Erdbilder und Lebensformen erschließen sich die Grundzüge und kausalen Z u s a m menhänge in der Entwicklung der Erde und des irdischen Lebens. W i r begreifen die Gegenwart als erdgeschichtlichen M o m e n t und uns selbst als Teil eines komplexen Systems kosmischer, planetarer und biologischer Komponenten. Aus der Geschichte unseres Planeten erwächst uns eine tiefere Einsicht in entwicklungsgeschichtliche Zusammenhänge und die Möglichkeit, unsere Umwelt planend zu erschließen, sinnvoll zu nutzen und ihre Lebensquellen zu schützen.

2 Erdgeschichtliche Dokumente Der Stoffbestand und das Gefüge der Gesteine, ihre Verbreitung und ihre Lagerungsverhältnisse sind wichtige erdgeschichtliche Parameter. Sie kennzeichnen ehemalige Bildungsräume, Zonen der Gesteinsdeformation und Bereiche der Gesteinszerstörung. Sie geben unter anderem Hinweise auf Verschiebungen von Küstenlinien, auf Klimaänderungen, auf Bewegungen der Erdkruste und auf damit verbundene magmatische Ereignisse. Es gibt Sedimentgesteine, magmatische Gesteine und metamorphe Gesteine. In den Sedimentgesteinen spiegeln sich vor allem die geologischen Vorgänge auf der Erdoberfläche wider. M a g m a t i sche und metamorphe Gesteine liefern wichtige Informationen über stoffliche und physikalische Bedingungen auch in größeren Tiefen.

2 Erdgeschichtliche Dokumente

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Unter den Sedimentgesteinen unterscheidet man klastische, chemische und organogene Bildungen. Klastische Sedimentgesteine (Trümmergesteine) sind aus den Bruchstücken älterer Gesteine zusammengesetzt (Brekzien, Konglomerate, Quarzsandsteine, Arkosen, Grauwacken, Siltsteine, Tonsteine usw.). Die Korngröße und Kornform klastischer Sedimente kann Auskunft über die Transportart und die Weite des Sedimenttransports geben. Ihre stoffliche Zusammensetzung (Gesteinsbruchstücke oder Einzelminerale) liefert Informationen über den Gesteinsbestand des Liefergebiets und über Klimaeinflüsse auf die Verwitterung. Die Sedimentgefüge klastischer Sedimente (Sortierung, Schrägschichtung, Strömungsmarken und Kornregelung) lassen Schlüsse auf die Art und die Richtung der Strömung der transportierenden Medien (Wasser, Eis, Wind) zu. Chemische Sedimentgesteine (Evaporite) sind Ausfällungen von in Wasser gelösten Stoffen (Kalke, Dolomite, Gips, Anhydrit, Steinsalz, Kalisalz, Eisenoxide usw.). Sie geben unter anderem Auskunft über die Lösungsfracht ehemaliger Gewässer, seien es Flüsse, Seen oder Meeresteile, und über die Bilanz von Niederschlag und Verdunstung (Klima) am Ort ihrer Bildung. Organogene Sedimentgesteine (Biolithe) sind wesentlich aus tierischen und pflanzlichen Hart- und Weichteilen aufgebaut (Korallenkalk, Foraminiferenkalk, Algenkalk, Radiolarit, Kieselgur, Torf, Braunkohle, Steinkohle, Ölschiefer usw.). Die in ihnen enthaltenen Pflanzen- und Tiergruppen dienen der Kennzeichnung ehemaliger Lebensräume. Die magmatischen Gesteine entstehen durch Erstarrung hochtemperierter silikatischer Gesteinsschmelzen, die dem oberen Erdmantel oder der Erdkruste entstammen. Ihre Gefüge zeigen, ob sie in der Tiefe erstarrten (Tiefengesteine, Plutonite) oder als Laven die Oberfläche erreichten (vulkanische Gesteine, Vulkanite). Die chemische Zusammensetzung der magmatischen Gesteine wird unter anderem davon bestimmt, ob sich die Schmelzen im oberen Erdmantel oder in der Erdkruste bildeten, ob sie in Subduktionssystemen oder in ozeanischen Rücken bzw. kontinentalen Riftzonen entstanden. Sie vermögen somit wichtige Auskünfte über

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2 Erdgeschichtliche D o k u m e n t e

grundlegende Veränderungen der Struktur der Erdkruste zu geben. Metamorphe Gesteine entstehen dann, wenn Sedimente oder magmatische Gesteine, z.B. beim Absinken in die Tiefe, durch Temperatur- und/oder Druckerhöhung Umformungen und Umkristallisationen erleiden. Der ursprüngliche Mineralbestand und die Gefüge werden dabei mehr oder weniger verändert. Steigert sich die Metamorphose bis zur partiellen oder vollständigen Aufschmelzung (Anatexis), bilden sich Migmatite (Mischgesteine) oder palingene Schmelzen. Anhand petrologischer Experimente lassen sich aus der Mineralgesellschaft metamorpher Gesteine die ehemaligen Druck- und Temperaturbedingungen abschätzen und Vorstellungen z. B. darüber gewinnen, in welcher Tiefe die metamorphen Gesteine gebildet werden. Das Zusammenwirken aller bei der Gesteinsbildung wirksamen physikalischen, chemischen, geographischen und biologischen Faktoren bedingt die Fazies (lat. facies = Aussehen, Beschaffenheit) eines Gesteins. Bei den Sedimenten läßt sich im Großen die kontinentale Fazies von der marinen Fazies unterscheiden. Unter spezielleren Gesichtspunkten lassen sich diese weiter untergliedern in fluviatile (Fluß-), limnische (See-) und glaziale (Gletscher-) Fazies bzw. in litorale (Küsten-) und pelagische (landferne) oder neritische (Flachsee-) und bathyale bzw. abyssale (Tiefsee-) Fazies. Magmatische Gesteine gehören je nach ihrem Erstarrungsort zu vulkanischen, subvulkanischen oder plutonischen Fazies. Bei metamorphen Gesteinen bezeichnet eine Mineralfazies (z.B. die Grünschiefer-, Amphibolit- oder Granulitfazies) bestimmte Druck- und Temperaturbedingungen, unter denen die Metamorphose verlief. Fossilien sind Tier- und Pflanzenreste vergangener Lebensgemeinschaften. Obgleich manche Schichtfolgen eine Fülle fossiler Reste enthalten, wird auch in ihnen immer nur ein schmaler Aus-

2 Erdgeschichtliche Dokumente

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schnitt der ehemaligen Lebewelt überliefert. Die Häufigkeit von Fossilien in einem Gestein hängt außer von den Lebensbedingungen auch von den Einbettungsumständen, zum Beispiel der Beschaffenheit des Meeresbodens und der Wasserbewegung ab. In der Regel bleiben nur Hartteile (Schalen, Skelette, Zähne), Abdrücke (z. B. von Pflanzen) oder Lebensspuren (Trittsiegel, Kriechspuren, Wühl- und Freßbauten) erhalten. Ihr Erhaltungsgrad wird wesentlich von den Prozessen bei der Verfestigung der Sedimente (Diagenese) bestimmt. Ausgehend von den Lebensgewohnheiten heutiger Pflanzen- und Tiergruppen sind Analogieschlüsse auf die Umweltbedingungen vergangener Lebensgemeinschaften möglich. Als Faziesfossilien dienen fossile Reste dann zur ökologischen Kennzeichnung ihrer ehemaligen Lebensräume. Rein marine Organismen sind z.B. Radiolarien, Brachiopoden, Bryozoen, Cephalopoden und kalkabscheidende Rotalgen. Die euhalinen Meeresbereiche (40-30%o Salzgehalt) beherbergen die größte Lebensfülle. Gewässer mit höherem oder niedrigerem Salzgehalt enthalten artenarme, aber oft individuenreiche Faunen. Die Tiere sind hier meist kleinwüchsiger, ihre Schalen leichter und weniger verziert. Unterschiede bestehen auch zwischen den Faunen warmer und kalter Meere. Die polaren Meere beherbergen zwar eine reiche Lebewelt, die Anzahl der Arten, das Gewicht und der Aragonitgehalt der Kalkgehäuse ist aber geringer als in den Meeren niederer Breiten. Höhere Wassertemperaturen erleichtern die Bildung von Kalkgehäusen. Riffkorallen und Kalkalgen sind fast ganz auf tropische Gewässer beschränkt. Mit Hilfe von Bestimmungen des 18 16 0/ 0-Verhältnisses an fossilen Aragonitschalen lassen sich heute die ehemaligen Wassertemperaturen genauer bestimmen. Marine Organismen mit gedrungenem Wuchs und schweren, versteiften Gehäusen waren in Bereichen starker Wasserbewegungen, etwa in der Brandungszone, beheimatet. Zartere, verzweigte Skelette zeugen dagegen vom Leben in ruhigerem Wasser. Aussagen über ursprüngliche Wassertiefen aufgrund von fossilen Resten oder Spurenfossilien sind oft mit großen Unsicherheiten behaftet.

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3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

Der Einbettungsraum fossiler Reste entspricht nicht immer ihrem ursprünglichen Lebensraum. Manche marine Fossillagerstätten entstanden sogar in ausgesprochen lebensfeindlichen Ablagerungsräumen, in denen die abgesunkenen Reste planktonisch lebender oder schwimmender Organismen unzerstört blieben. Gelegentlich werden auch Landtiere und Pflanzen in randliche Meeresteile verschwemmt, während marine Faunen mit der salzhaltigen Unterströmung in Flußläufen weit landeinwärts gelangen können. Außerdem kann das Plankton tiefer Meeresteile durch Auftriebswasser in flache Randmeere verfrachtet werden. Den Schlüssel zum Verständnis der in den Gesteinen und ihrem Fossilinhalt gespeicherten Informationen bietet die Kenntnis gegenwärtig ablaufender geologischer Prozesse auf physikalischer, chemischer und biologischer Grundlage. Obwohl dieses aktualistische Prinzip den grundlegenden Ansatz zur Erklärung erdgeschichtlicher Daten bietet, bedarf es für die einzelnen Erdepochen doch einer abgestuften Modifizierung. Bei seiner Anwendung ist beispielsweise zu berücksichtigen, daß die Uratmosphäre der Erde eine gänzlich andere Zusammensetzung als die heutige Atmosphäre hatte, daß vor der Entstehung der Landpflanzen die Urwüste alle Klimazonen der Erde einnahm oder daß die gegenwärtigen geologischen Prozesse noch vom Eiszeitalter des Quartärs, vor allem aber durch den Eingriff des Menschen beeinflußt werden, also einen erdgeschichtlichen Sonderfall darstellen.

3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung Die unsere Vorstellungskraft weit übersteigenden Zeiträume der Erdgeschichte von Jahrmillionen und Jahrmilliarden sind nur meßbar, wenn die erdgestaltenden Vorgänge in heute zugänglichen Gesteinen ihren Niederschlag fanden. Bei der Sedimentation legt sich eine Sedimentschicht über die an-

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3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

Der Einbettungsraum fossiler Reste entspricht nicht immer ihrem ursprünglichen Lebensraum. Manche marine Fossillagerstätten entstanden sogar in ausgesprochen lebensfeindlichen Ablagerungsräumen, in denen die abgesunkenen Reste planktonisch lebender oder schwimmender Organismen unzerstört blieben. Gelegentlich werden auch Landtiere und Pflanzen in randliche Meeresteile verschwemmt, während marine Faunen mit der salzhaltigen Unterströmung in Flußläufen weit landeinwärts gelangen können. Außerdem kann das Plankton tiefer Meeresteile durch Auftriebswasser in flache Randmeere verfrachtet werden. Den Schlüssel zum Verständnis der in den Gesteinen und ihrem Fossilinhalt gespeicherten Informationen bietet die Kenntnis gegenwärtig ablaufender geologischer Prozesse auf physikalischer, chemischer und biologischer Grundlage. Obwohl dieses aktualistische Prinzip den grundlegenden Ansatz zur Erklärung erdgeschichtlicher Daten bietet, bedarf es für die einzelnen Erdepochen doch einer abgestuften Modifizierung. Bei seiner Anwendung ist beispielsweise zu berücksichtigen, daß die Uratmosphäre der Erde eine gänzlich andere Zusammensetzung als die heutige Atmosphäre hatte, daß vor der Entstehung der Landpflanzen die Urwüste alle Klimazonen der Erde einnahm oder daß die gegenwärtigen geologischen Prozesse noch vom Eiszeitalter des Quartärs, vor allem aber durch den Eingriff des Menschen beeinflußt werden, also einen erdgeschichtlichen Sonderfall darstellen.

3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung Die unsere Vorstellungskraft weit übersteigenden Zeiträume der Erdgeschichte von Jahrmillionen und Jahrmilliarden sind nur meßbar, wenn die erdgestaltenden Vorgänge in heute zugänglichen Gesteinen ihren Niederschlag fanden. Bei der Sedimentation legt sich eine Sedimentschicht über die an-

3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

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G a m m a Widerstand

0

i—

5 0

1 i

HgRaAqu/t

250 Om

1

Abbildung 1. Schichtparallelisierung in Braunkohlebohrungen mit Hilfe physikalischer Methoden (nach RÜLKE 1956). Die Widerstandswerte geben nach Berücksichtigung anderer Einflüsse Auskunft über die Leitfähigkeit der Gesteine. Daraus lassen sich Porosität (Sand, T o n , Kalk) und Porenfüllung ( ö l , Wasser, Gas) einer Schicht abschätzen. Die G a m m a strahlung stammt überwiegend aus dem Zerfall des Isotops

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K , das vor

allem in Tonmineralien angereichert ist. Die Strahlung weist daher in Tonen und Mergeln hohe, in Sanden mittlere und in Kohlen geringe Werte auf.

dere, so daß die jeweils jüngere die ältere überdeckt. Dieses „stratigraphische Grundgesetz" (E. S T E N O , 1 6 6 9 ) ermöglicht eine relative zeitliche Gliederung sedimentärer Schichtfolgen. Besitzen einzelne Schichten besondere Merkmale (Färbung, Mineralbestand, Gefüge, Fossilinhalt), so lassen sie sich von Gesteinsaufschluß zu Gesteinsaufschluß verfolgen und gestatten so die Korrelierung von Sedimentgesteinen über weitere Entfernung. Für Schichtvergleiche können auch chemische und physikalische Gesteinseigenschaften herangezogen werden. Sie sind vor allem bei der Parallelisierung von Bohrprofilen unentbehrlich (Abb. 1).

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3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

E E 3 Ton I'.v-'il-'-] Sand

[T-!-T3

11 l 11 Kalk

Mn-fl toniger Sand

Mergel

Abbildung 2. Schichtparallelisierung mit Hilfe von Leitfossilien. N u r der Fossilinhalt erlaubt bei wechselnder Gesteinsausbildung die zeitliche Gleichstellung der Schichten (nach VANGEROW).

Diese lithostratigraphische Methode dient immer nur einer relativen Altersbestimmung. Sie muß berücksichtigen, daß zu unterschiedlichen Zeiten durchaus gleichartige Gesteine entstanden sein können, wie auch zur gleichen Zeit verschiedenartige Sedimente gebildet werden konnten. Lithostratigraphische Gliederungen sind immer nur regional begrenzt anwendbar. Großregionale oder globale Gleichsetzungen sind denkbar, wenn Parameter der sogenannten Ereignisstratigraphie herangezogen werden, zum Beispiel allgemeine Klima- und Meeresspiegelschwankungen oder katastrophenähnliche globale Ereignisse wie Vergiftungen des Weltmeeres, Einschläge von Riesenmeteoriten oder ähnliches. Die biostratigraphische Methode der Zeitbestimmung wurde von dem englischen Ingenieur W. SMITH (1817) begründet. Sie basiert auf der einsinnig verlaufenden, irreversiblen Entwicklung der

3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

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Organismen, also auf einem historischen Prozeß mit zeitspezifischen Einzelschritten. Als Zeitmarken eignen sich vor allem Tierund Pflanzengruppen mit raschem Artenwandel, weiter Verbreitung von erhaltungsfähigen Skelett- und Gewebeteilen (Leitfossilien) (Abb. 2). Wichtig ist ferner eine möglichst weitgehende Faziesunabhängigkeit dieser Fossilien. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, lassen sich auch Formen, deren systematische Stellung noch unklar ist, z. B. Conodonten, als Leitfossilien verwenden. Hohen Leitwert haben auch Mikrofossilien (Foraminiferen, Ostracoden, Sporen, Pollen, Nannoplankton). Sie sind in den Gesteinen oft massenhaft erhalten und können daher aus relativ kleinen Proben (Bohrkerne) in großer Zahl gewonnen werden. Die Biostratigraphie bietet gute Möglichkeiten der Gliederung des Phanerozoikums und der regionalen und überregionalen Korrelation seiner Einzelabschnitte (Abb. 3). Die folgenden Einheiten werden in der erdgeschichtlichen Gliederung in absteigender Rangfolge verwendet: Zeiteinheiten (Geochronologisches Gliederungsprinzip) Äon Ära Periode Epoche Alter Chron (Zeit) Einheiten für die in der Zeit gebildeten Gesteine (Stratigraphisches Gliederungsprinzip) Äonothem Ärathem System Serie (Abteilung) Stufe Zone Die untere Grenze des biostratigraphischen Auflösungsvermögens (Zone) ist durch die Entwicklungsgeschwindigkeit der zur Gliede-

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3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

Abbildung 3. Hauptgruppen der Leitfossilien in ihrer biostratigraphischen Verbreitung (nach HOHL 1981).

rung herangezogenen Fossilgruppe gegeben. Sie liegt entweder bei der Lebensdauer einer Art oder bei der Zeitspanne vom ersten Auftreten einer Art bis zum Einsetzen einer neuen Art. Zeitauflösungen bis hinunter auf 100000 Jahre lassen sich auf diese Weise erreichen. Wie die Lithostratigraphie muß sich auch die Biostratigraphie auf die Feststellung relativer Altersbestimmungen beschränken.

3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

19

Tabelle 1. Daten geochronologisch wichtiger Isotope Mutter-

Zerfall

isotop 238 235 232 87

U U

7a, 4 ß ~

Th

6a, 4/?~

Rb

*°K 14

C

8a,

6ß~

ß-

K-Einfang ß-

Tochter-

Halbwertzeit

isotop

(Jahre)

2 0 6 Pb 207pb 208

Pb

Methode

4,50 x 10»

U"'-Pb206-Methode

7,14 x 10«

U 2 3 5 -Pb 2 0 7 -Methode

1,39 x IO

Th 2 3 2 -Pb 2 0 8 -Methode

10

Sr

4,72 x IO10

Rb-Sr-Methode

*°Ar 14 N

1,31 x 10'

K-Ar-Methode

5,73 x 10 3

C 1 4 -Methode

B7

Erdgeschichtliche Zeitbestimmungen mit geologischen Mitteln sind auch möglich, wenn sich in den Gesteinen der jahreszeitliche Witterungswechsel abbildete, wie in den quartären Bändertonen mit sandigen Sommer- und tonigen Winterlagen (Warven). Anhand der Warvenzählung konnte G. DE GEER (1912) zeigen, daß seit dem Ende der Weichseleiszeit etwa 10000 Jahre vergangen sind. Rhythmische Schichtung oder Anwachsstreifen, z. B. bei Korallen, sind keine Seltenheit. Oft ist es jedoch schwer, sie mit Sicherheit einem bestimmten Zeitintervall (Tag, Jahr) zuzuordnen. In quartären Ablagerungen ist gelegentlich auch die Dendrochronologie (Zählung der Jahresringe von Baumstämmen) anzuwenden. Die Möglichkeit paläomagnetischer Zeitbestimmung beruht auf der Tatsache, daß die natürliche remanente Magnetisierung von Gesteinen Auskunft geben kann über die Polarität des Magnetfeldes vergangener Zeiträume und daß deren Veränderung auf der ganzen Erde synchron verlief. Die paläomagnetische Datierung wurde bisher mit Erfolg vor allem zur Altersbestimmung von Basalten und Lößprofilen des Quartärs und für das Tertiär angewandt. Die moderne Geochronologie stützt sich im wesentlichen auf radiometrische Altersbestimmungen. Diese Methode beruht auf dem radioaktiven Zerfall instabiler Elemente in nicht-radioaktive

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3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

Abbildung 4. Anwendung radiometrischer Altersbestimmungen. Das Abkühlungsalter A des Granits (Rb-Sr-Methode an Muskowit) ergibt zugleich ein Mindestalter für die Faltung der Schichtfolge a. Das Abkühlungsalter B des Porphyrs (K-Ar-Methode an Biotit) entspricht etwa dem Alter der Schichtfolge c. Für die glaukonitführenden Sedimente e könnten Glaukonitbestimmungen (K-Ar-Methode) das Alter C der Sedimentation bzw. der Diagenese liefern.

stabile Elemente (Tab. 1). Der Übergang erfolgt unmittelbar oder über Zwischenstufen fortlaufend und nach zeitlichen Gesetzmäßigkeiten (Halbwertszeit). Datiert werden in der Regel geologische Ereignisse, beispielsweise Kristallisationsalter, Abkühlungsalter, Metamorphosealter, Hebungsalter, Sedimentalter, Bildungsalter organischer Stoffe, Alter von Grundwässern usw. in der Größenordnung 4 x 10' bis 1 x 10 3 Jahren. Verwendung finden verschiedene radioaktive Ausgangsisotope (Abb. 4). Zerfallsprozesse mit langen Halbwertszeiten sind naturgemäß für die Bestimmung geringer Alter ungeeignet, da sich zur Zeit der Messung noch keine ausreichende Konzentration von Tochterisotopen gebildet hat. Übergänge mit kurzen Halbwertszeiten versagen bei sehr alten Gesteinen, da dann das Ausgangsisotop weitgehend verschwunden ist. Das gilt besonders für die U 2 3 4 -U 2 3 8 Methode, die Th 2 3 0 - Methode und die C 1 4 -Methode. Letztere wird vor allem für die Zeitbestimmung im Quartär verwendet.

3 Erdgeschichtliche Zeitbestimmung

Zeitangaben in Millionen Jahren (M.J.)

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22

4 Erdgeschichtliche Zustandsbilder

Die radiometrischen Altersbestimmungen liefern absolute Alterswerte. Ihre Gültigkeit und Genauigkeit ist von verschiedenen Voraussetzungen abhängig, u. a. von der genauen Kenntnis der Halbwertszeit der analysierten Isotope und vor allem von den geologischen Randbedingungen. Das gemessene Alter kann zum Beispiel vom tatsächlichen Gesteins- und Mineralalter abweichen, wenn nach Beginn der Speicherung radiogener Zerfallsprodukte etwa durch Wärmeeinwirkung eine erneute Homogenisierung der Isotopenverhältnisse im Gestein eintrat. Dann wird nicht selten das Alter dieses thermischen Ereignisses registriert oder es ergeben sich Mischalter. Auf dem Fundament lithostratigraphischer und biostratigraphischer Befunde und geochronologischer Daten entstand die erdgeschichtliche Zeittafel (Tab. 2). Während für die jüngeren, durch Fossilien belegten Abschnitte der Erdgeschichte (Phanerozoikum) eine biostratigraphisch gesicherte Gliederung besteht, die mit radiometrischen Alterszahlen geeicht werden kann, fehlt für die langen Zeiträume des Präkambriums noch immer eine allgemein gültige Einteilung. Die radiometrischen Daten zeigen im Präkambrium lediglich magmatische Ereignisse, Metamorphosen oder Granitisationen an. Mit zunehmendem Gesteinsalter verlieren sie an geologischer Aussagekraft.

4 Erdgeschichtliche Zustandsbilder Der heutige Zustand der Erdoberfläche wird in geographischen Karten dargestellt. Zustandsbilder vergangener Erdepochen werden in paläogeographischen Karten gezeichnet. Die Rekonstruktion beginnt mit dem Entwurf von Fazieskarten. In ihnen sind Bereiche verschiedener Gesteinsentwicklung abgegrenzt und die Mächtigkeiten durch Isolinien hervorgehoben. Gegebenenfalls sind auch die Richtungen des Sedimenttransports eingetragen. Mit Hilfe der Fazieskarten wird versucht, die ursprüngliche Verteilung von Land und Meer, Zonen unterschiedli-

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4 Erdgeschichtliche Zustandsbilder

Die radiometrischen Altersbestimmungen liefern absolute Alterswerte. Ihre Gültigkeit und Genauigkeit ist von verschiedenen Voraussetzungen abhängig, u. a. von der genauen Kenntnis der Halbwertszeit der analysierten Isotope und vor allem von den geologischen Randbedingungen. Das gemessene Alter kann zum Beispiel vom tatsächlichen Gesteins- und Mineralalter abweichen, wenn nach Beginn der Speicherung radiogener Zerfallsprodukte etwa durch Wärmeeinwirkung eine erneute Homogenisierung der Isotopenverhältnisse im Gestein eintrat. Dann wird nicht selten das Alter dieses thermischen Ereignisses registriert oder es ergeben sich Mischalter. Auf dem Fundament lithostratigraphischer und biostratigraphischer Befunde und geochronologischer Daten entstand die erdgeschichtliche Zeittafel (Tab. 2). Während für die jüngeren, durch Fossilien belegten Abschnitte der Erdgeschichte (Phanerozoikum) eine biostratigraphisch gesicherte Gliederung besteht, die mit radiometrischen Alterszahlen geeicht werden kann, fehlt für die langen Zeiträume des Präkambriums noch immer eine allgemein gültige Einteilung. Die radiometrischen Daten zeigen im Präkambrium lediglich magmatische Ereignisse, Metamorphosen oder Granitisationen an. Mit zunehmendem Gesteinsalter verlieren sie an geologischer Aussagekraft.

4 Erdgeschichtliche Zustandsbilder Der heutige Zustand der Erdoberfläche wird in geographischen Karten dargestellt. Zustandsbilder vergangener Erdepochen werden in paläogeographischen Karten gezeichnet. Die Rekonstruktion beginnt mit dem Entwurf von Fazieskarten. In ihnen sind Bereiche verschiedener Gesteinsentwicklung abgegrenzt und die Mächtigkeiten durch Isolinien hervorgehoben. Gegebenenfalls sind auch die Richtungen des Sedimenttransports eingetragen. Mit Hilfe der Fazieskarten wird versucht, die ursprüngliche Verteilung von Land und Meer, Zonen unterschiedli-

4 Erdgeschichtliche Zustandsbilder

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eher Meerestiefe und die Umrisse der Festländer darzustellen (z. B. Abb. 29). Da der ehemalige Küstenverlauf nur selten durch Kliffe oder Strandlinien zu belegen ist, muß er oft indirekt aus Mächtigkeitskurven ermittelt werden. Paläogeographische Karten können ferner durch paläoklimatische und paläobiologische Angaben über Vereisungszentren, Klimazonen und Floren- und Faunenprovinzen ergänzt werden. Für Gebiete, in denen die Gesteine seit ihrer Entstehung in ihrer Position verblieben, ist bei hinreichender Datenzahl die Rekonstruktion erdgeschichtlicher Zustandsbilder relativ einfach. Anders verhält es sich jedoch in Gebieten, in denen die Gesteine durch Bruchbildung, Faltung, Überschiebungen oder Deckentransporte deformiert oder kilometerweit verfrachtet wurden. Sollen hier die ehemalige Ausdehnung einer Sedimentfolge, die Abmessungen eines Ablagerungsraumes oder der Transportweg eines Sediments ermittelt werden, muß zunächst die tektonische Deformation konstruktiv rückgeformt werden. Dies geschieht in palinspastischen Karten. Ein besonderes paläogeographisches Problem ist die Rekonstruktion der Form und der Lage ehemaliger Kontinentalschollen und Ozeane. Paläogeographische Überlegungen, z. B. die Rekonstruktion der Wanderwege landbewohnender Tiergruppen und die Ergebnisse der paläomagnetischen Forschung bei der Ermittlung der Paläo-Pollagen verschiedener Räume (Polwanderungskurven), lassen keinen Zweifel daran, daß die kontinentalen Krustenschollen im Laufe der Erdgeschichte erheblich verdriftet und relativ zueinander verschoben wurden. Zwangsläufig änderten sich damit auch die Umrisse und die Größe der ehemaligen ozeanischen Becken. Geologische Profile, wie sie Steinbruchswände oder Gebirgsquerschnitte bieten, sind Diagramme, aus denen die Gesteinsveränderungen in der Zeit und damit auch die paläogeographischen Zustandsänderungen abgelesen werden können. Werden beispielsweise terrestrische Sedimente von Meeresablagerungen überdeckt, dann verlagerte sich die Küstenlinie landeinwärts

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(Transgression). Liegen Landablagerungen über marinen Sedimenten, so wurden überflutete Gebiete vom Meer freigegeben (Regression). Oft ist allerdings schwer zu entscheiden, ob diese Veränderungen auf Schwankungen des Meeresspiegels oder auf Bewegungen der Erdkruste beruhten. Paläogeographische Zustandsänderungen an der Erdoberfläche sind häufig die Folge innerirdischer Strukturveränderungen. Weitspannige und anhaltende, epirogene Hebungen und Senkungen ausgedehnter Kontinentalschollen führten zu säkularen Transgressionen und Regressionen der Schelfmeere. Es entstanden durch Erosion bloßgelegte kristalline Schilde und mit flachliegenden, gut sortierten sandigen, kalkigen und tonigen Sedimenten bedeckte Tafeln. Kontinentale Großschollen verdünnten sich bzw. öffneten sich zu Ozeanen oder Teilozeanen durch Zerbrechen (rifting) und Auseinanderdriften (sea floor spreading). Die entstehenden vulkanisch aktiven Tiefseebereiche nahmen als Geosynklinalen über viele Jahrmillionen pelagische Tone und Kieselschiefer oder in Kontinentalrandnähe mächtige terrigene Sedimentfolgen auf. So spiegeln die sedimentären und vulkanischen Bildungen der Erdepochen den jeweiligen tektonischen Zustand der Erdkruste wider. Aufeinanderfolgende paläogeographische Karten enthalten daher auch geotektonische Informationen. Während die epirogenen Bewegungen die Lage der Gesteinsverbände im Einzelnen nur wenig veränderten, riefen episodische Orogenesen (Gebirgsbildungen) einschneidende Struktur- und Gesteinsumwandlungen (Faltung, Metamorphose, Anatexis) hervor. Im Rahmen von krustalen Subduktions- und Kollisionsprozessen entstanden kontinentumspannende Falten- und Deckengebirge, in die magmatische Schmelzen einströmten. Die tektonische Aktivität solcher Faltenzonen spiegelt sich außer in den neu entstehenden Gebirgsstrukturen auch in der Sedimentation ihrer rasch einsinkenden Randtröge wider (Flysch). Molasseablagerungen in den Außen- und Innengebieten bereits aufgestiegener Gebirge kennzeichnen deren orogene Spätphase.

5.1 Die vorgeologische Ära ( 4 , 6 - 4 , 0 Mrd. J.)

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Die orogenen Vorgänge bilden sich in Winkeldiskordanzen ab. Die tektonisch verstellten und herausgehobenen Gesteinsserien wurden teilweise erodiert und bei erneuter Überflutung von jüngeren Sedimenten wieder bedeckt. Der Zeitraum, in dem sich die Faltung vollzog, liegt dann zwischen dem Alter der jüngsten noch deformierten Schicht und dem Alter der neu eindeckenden Ablagerungen. In den kristallinen Gebieten der Erde liegen heute metamorphe Gesteine zutage, deren Mineralfazies und Gefüge für eine Entstehung unter den Druck- und Temperaturbedingungen größerer Krustentiefe sprechen. Stellenweise sind sogar Zonen aus dem Grenzbereich Kruste/Erdmantel erschlossen. Durch radiometrische Altersbestimmungen der Bildungs- und Umprägungsalter dieser Gesteine und ihrer Minerale (Druck-Temperatur-ZeitPfade) kann es gelingen, die petrogenetischen Prozesse in der Erdkruste gedanklich mit den paläogeographischen und tektonischen Ereignissen an der Erdoberfläche zu verknüpfen. Auf diese Weise lassen sich Modelle für den Ablauf epirogener Bewegungen und orogener Krustenbildungsprozesse ableiten.

5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte 5.1 Die vorgeologische Ära (4,6-4,0 Mrd. J.) Die Hypothesen über die Entstehung unseres Planetensystems stützen sich auf astronomische und astrophysikalische Analogieschlüsse. Modellrechnungen für die Akkretion und chemische Differentiation abkühlender Solarnebel können mit direkten Beobachtungen an Mondgesteinen, an Meteoriten und Asteroiden kombiniert werden. H e u t e w i r d b e s o n d e r s d e r v o n KANT ( 1 7 5 5 ) u n d LAPLACE ( 1 7 9 6 )

entwickelten Nebulartheorie, wenn auch abgewandelt, der Vorzug gegeben. Vieles spricht dafür, daß die Erde vor etwa 4,6 Mrd. J . durch die Zusammenballung kosmischen Materials entstand. Durch Um-

5.1 Die vorgeologische Ära ( 4 , 6 - 4 , 0 Mrd. J.)

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Die orogenen Vorgänge bilden sich in Winkeldiskordanzen ab. Die tektonisch verstellten und herausgehobenen Gesteinsserien wurden teilweise erodiert und bei erneuter Überflutung von jüngeren Sedimenten wieder bedeckt. Der Zeitraum, in dem sich die Faltung vollzog, liegt dann zwischen dem Alter der jüngsten noch deformierten Schicht und dem Alter der neu eindeckenden Ablagerungen. In den kristallinen Gebieten der Erde liegen heute metamorphe Gesteine zutage, deren Mineralfazies und Gefüge für eine Entstehung unter den Druck- und Temperaturbedingungen größerer Krustentiefe sprechen. Stellenweise sind sogar Zonen aus dem Grenzbereich Kruste/Erdmantel erschlossen. Durch radiometrische Altersbestimmungen der Bildungs- und Umprägungsalter dieser Gesteine und ihrer Minerale (Druck-Temperatur-ZeitPfade) kann es gelingen, die petrogenetischen Prozesse in der Erdkruste gedanklich mit den paläogeographischen und tektonischen Ereignissen an der Erdoberfläche zu verknüpfen. Auf diese Weise lassen sich Modelle für den Ablauf epirogener Bewegungen und orogener Krustenbildungsprozesse ableiten.

5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte 5.1 Die vorgeologische Ära (4,6-4,0 Mrd. J.) Die Hypothesen über die Entstehung unseres Planetensystems stützen sich auf astronomische und astrophysikalische Analogieschlüsse. Modellrechnungen für die Akkretion und chemische Differentiation abkühlender Solarnebel können mit direkten Beobachtungen an Mondgesteinen, an Meteoriten und Asteroiden kombiniert werden. H e u t e w i r d b e s o n d e r s d e r v o n KANT ( 1 7 5 5 ) u n d LAPLACE ( 1 7 9 6 )

entwickelten Nebulartheorie, wenn auch abgewandelt, der Vorzug gegeben. Vieles spricht dafür, daß die Erde vor etwa 4,6 Mrd. J . durch die Zusammenballung kosmischen Materials entstand. Durch Um-

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte solare Urmaterie

kosmischer Staub

'

oberer Erdmantel

Xunterer/ Erdmantel

Abbildung 5. Das inhomogene Akkretionsmodell beschreibt die frühe Entwicklung der Erde als mehrstufigen Prozeß (aus G E R M A N N et al. 1988).

Wandlung von Gravitations- in Wärmeenergie und durch den wärmeerzeugenden radioaktiven Zerfall unbeständiger Elemente entwickelten sich so hohe Innentemperaturen, daß Aufschmelzungen weiter Bereiche und Konvektionsströmungen schließlich zur Stoffsonderung von schwererem metallischem Eisen im Inneren und leichteren Elementen im Mantel der Urerde führten (Abb. 5). Im Laufe der Zeit lagerten sich kosmischer Staub und auftreffende Meteoriten (Durchmesser 10 bis 100 km) darauf ab und bildeten den oberen Erdmantel. Aus ihm sonderte sich später die Erdkruste ab. Die Vorstellungen vom heutigen Aufbau der Erde hängen eng mit diesen kosmologischen Überlegungen zusammen. Geophysikalische Tiefensondierungen haben ergeben, daß der Erdkern (Radius 3470 km) von einem etwa 2850 km mächtigen Erdmantel umhüllt wird, über dem die relativ dünne (4—60 km) Erdkruste, die Hydrosphäre und die Atmosphäre folgen. Die Erdkruste und oberste Teil des Erdmantels (bis 100—200 km Tiefe) werden als Lithosphäre zusammengefaßt. Über den genaueren Aufbau des Erdmantels und des Erdkerns bestehen vorerst nur Vermutungen. Ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften sind dagegen heute hinreichend bekannt. Wenig bekannt ist auch über die Temperaturen und die Wärmeentwicklung in der frühen Erde. Wahrscheinlich wies diese in ihrer Frühgeschichte höhere Manteltemperaturen und einen höhe-

5.1 Die vorgeologische Ära ( 4 , 6 - 4 , 0 M r d . J . )

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ren endogenen Wärmefluß auf als heute. Sie besaß entsprechend eine geringere Dichte, eine größere Oberfläche und eine höhere Umdrehungsgeschwindigkeit. Erdkruste, Hydrosphäre und Atmosphäre sind als Differentiationsprodukte der tieferen Erdschalen aufzufassen. Die Entstehung einer festen Erdkruste liegt zwischen 5 und 4 Mrd. Jahre zurück. Beobachtungen zur Morphologie der Mondoberfläche lassen für die Entstehungsphase der Erdkruste einen starken Meteoriteneinfall annehmen. Spaltenbildung und Abtauchbewegungen sich neu bildender Krustenteile infolge Mantelkonvektion sowie ein intensiver Vulkanismus führten ebenfalls zu ihrer ständigen Umgestaltung. Die ältesten irdischen Gesteine sind etwa 3,8 Mrd. Jahre alt und entstammen einer bereits mehrphasig umgeschmolzenen und umgeformten Erdkruste. „There is no vestige o f t h e b e g i n n i n g " (HUTTON).

Auch die Überlegungen zur Zusammensetzung der sich aus der Primärentgasung der frühen Erde entwickelnden Atmosphäre sind stark hypothetisch. Sie dürfte den Entgasungsprodukten heutiger Vulkane geähnelt haben. Vermutlich bestand sie in der Hauptsache aus Wasserdampf, Kohlendioxid und Stickstoff. In Spuren waren auch Gase wie Schwefelwasserstoff (H 2 S), Chlorwasserstoff (HCl), Fluorwasserstoff (HF), Wasserstoff (H 2 ), Kohlenmonoxid (CO), Methan ( C H J , Ammoniak (NH 3 ) und geringe Mengen an Edelgasen (vor allem Argon) vorhanden. Unterhalb der kritischen Temperatur des Wassers (374 °C) konnte die Kondensation des Wasserdampfes zur Hydrosphäre einsetzen. Die Senken der Vulkanlandschaften der frühen Erdoberfläche wurden danach weithin von Urozeanen überflutet. Die heißen, durch Aufnahme des C 0 2 der Atmosphäre säurereichen Niederschläge führten zu einer raschen chemischen Verwitterung der Oberflächengesteine. Die Entstehung des Lebens liegt im Dunkel der vorgeologischen Ära. Fossile Lebensformen sind nur dann zu erkennen, wenn wenigstens einfache Zellstrukturen erhalten sind. Findet man aber solche, dann hatte die organische Entwicklung längst den Grenzbereich zwischen Belebtem und Unbelebtem überschritten.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

Die sauerstofffreie, reduzierende Uratmosphäre bildete im Zusammenwirken mit der Urhydrosphäre und energiereicher kosmischer Strahlung die Voraussetzung für die Synthese komplizierter organischer Verbindungen (Proteine, Nucleinsäuren u.a.). Von ihnen führte ein langer Weg über verwickelte Ausleseprozesse und zahlreiche präbiontische Entwicklungsstufen zu den ersten einzelligen Lebewesen. Die frühen Lebensformen deckten ihren Energiebedarf zunächst aus den gelösten organischen Substanzen der Urmeere. Die Fähigkeit zur physiologisch wirksameren Photosynthese war vermutlich vor 2,8 Mrd. Jahren erreicht. Durch anorganische und zunehmend auch organische Sauerstoffproduktion und die damit verbundene Abschirmung der kurzwelligen Raumstrahlung entstanden schließlich die Voraussetzungen für die Entwicklung höher organisierter Lebensformen.

5.2 Das Präkambrium (4,0-0,59 Mrd. J.) Die Kernzonen der Kontinente werden heute von ausgedehnten präkambrischen Plattformen gebildet, deren kristalline Gesteine entweder in gewölbten Schilden zutage treten oder von mehr oder weniger mächtigen Schichtfolgen jüngerer Tafeln verdeckt sind (Abb. 6). In ihren hochmetamorphen Gesteinen und riesigen Granitarealen sind 86 % der Erdgeschichte überliefert. Über dem präkambrischen Kristallin können auch nur wenig veränderte präkambrische Tafelsedimente liegen, die in fossilführende Ablagerungen des Kambriums überleiten. Lange waren die präkambrischen Gesteinskomplexe nur lithostratigraphisch und magmentektonisch zu gliedern. Vereinzelt gut erhaltene Konglomerate, Sandsteine, Schiefer und Vulkanite rechtfertigen aber eine aktualistische Behandlung und regten zu in jüngeren Formationen erprobten zyklischen Gliederungen an. Eine interkontinentale Parallelisierung einzelner Entwicklungsabschnitte gelang jedoch nicht. Erst die Anwendung radiometrischer Altersbestimmungen brachte eine entscheidende Wende. Mit ihrer Hilfe konnten Perioden

5.2 Das Präkambrium (4,0-0,59 Mrd. J.)

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Abbildung 6. Die heutige Lage präkambrischer Plattformen (Schilde und Tafeln).

magmatischer und tektonischer Aktivität, Metamorphosen und Erzbildungen datiert werden. Heutige regionale Zeitskalen für das Präkambrium basieren auf der Gliederung nach tektonischen Zyklen (Tab. 3). Gebiete mit gleichzeitiger Strukturprägung werden zu tektonisch-chronologischen Provinzen zusammengefaßt. Eine statistische Auswertung radiometrischer Gesteins- und Mineralalter ergab für alle Kontinente einen ähnlichen Entwicklungsgang. Doch folgen die tektonischen und magmatischen Zyklen regional oft auch rascher aufeinander als den statistisch erkennbaren Großintervallen entspricht. Solange nicht abgeschätzt werden kann, welche überregionale Bedeutung den einzelnen Ereignissen zukommt, ist noch keine allgemeingültige Zeittafel des Präkambriums aufzustellen. Gebräuchlich sind die Gliederungen in Alt-, Mittel- und Jungpräkambrium bzw. in Archaikum und Proterozoikum.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

5.2 Das Präkambrium ( 4 , 0 - 0 , 5 9 Mrd. J.)

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5.2.1 Altpräkambrium (Archaikum) ( 4 , 0 - 2 , 5 Mrd. J.) Die vorgeologische Ära endete mit der Bildung einer ersten überwiegend simatischen festen Erdkruste, die allerdings eine fortschreitende Bruchbildung erlebte und von granitischen Schmelzen und basaltischen Laven durchströmt wurde. Diese Flut anorogener Granite ist ein Charakterzug des Archaikums. Sie entstand im wesentlichen durch Fraktionierungsvorgänge im oberen Mantel und bildete zusammen mit den entstehenden Sedimenten die ersten Protokontinente. Vor 4,0 bis 2,5 Mrd. Jahren war die Erde etwa zu einem Drittel mit kontinentaler Kruste bedeckt. Die Kontinente bildeten vermutlich kleinere und zahlreichere Schollen als heute. Der wesentlich höhe-

Abbildung 7. Aufbau der präkambrischen Plattformen der Nordkontinente (verändert nach HOHL 1981).

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

re Wärmestrom hatte eine erhöhte Mantelkonvektion und eine verstärkte Krustenmobilität zur Folge. Es wird daher auch von der „Permobilen Ä r a " der Erdgeschichte gesprochen. Man kann auch nicht ausschließen, daß die Konvektion im Erdmantel bereits Mechanismen auslöste, die zur Neubildung ozeanischer Kruste durch sea-floor-spreading und zur Versenkung erkalteter Krustensegmente durch Subduktion führten. Die Bildung von Granuliten spricht dafür, daß kontinentale Kruste von mehr als 25 km Dicke existierte. Die spätere vielfache Umwandlung und tiefgreifende strukturelle Veränderung der Erdkruste hat verhindert, daß Zeugnisse der frühen archaischen Entwicklung in größerem Umfang überliefert wurden. Obwohl angenommen wird, daß Gesteine mit einem AI-

Abbildung 8. Aufbau der präkambrischen Plattformen der Südkontinente (verändert nach HOHL 1981).

5.2 Das Präkambrium ( 4 , 0 - 0 , 5 9 Mrd. J.)

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ter von etwa 3,5 Mrd. Jahren an zahlreichen Stellen der Erde vorhanden sind, wurden zuverlässige geochronologische Informationen bisher nur in wenigen Gebieten gewonnen. Beispiele finden sich in Südwestgrönland (Isua-Metasedimente, 3,8 Mrd. J.; Amitsoq-Gneise, 3,7 Mrd. J.), Labrador (3,6 Mrd. J.), Nordnorwegen (3,5 Mrd. J.), Rhodesien (3,5 Mrd. J.) und an anderen Orten. Gesteine des jüngeren Archaikums (zwischen 3,0 und 2,5 Mrd. J.) sind dagegen in allen alten Schilden weit verbreitet (Abb. 7, 8). Die Bildung klastischer, chemischer und auch organogener Sedimente während des Archaikums spricht dafür, daß sich bereits im Altpräkambrium nahezu aktualistische Bedingungen einstellten. Grauwackenartige Sedimente herrschten aber vor. Sie scheinen sich bereits von sialischen Liefergebieten herzuleiten. Mächtige karbonatische Ablagerungen, wie sie aus jüngeren Systemen bekannt sind, fehlen. Die Verwitterung und der Sedimenttransport vollzogen sich unter Einwirkung der noch sauerstoffarmen, reduzierenden Atmosphäre. Ein besonderes Kennzeichen der altpräkambrischen (archaischen) Kontinentalkerne sind die Grünsteinzonen (greenstone belts). Sie bilden gewöhnlich steil gestellte enge Faltenzüge zwischen ausgedehnten domartig aufgewölbten Granitmassiven und granitischen Gneisblöcken. Ihre meist schwächer metamorphen Gesteinsserien werden von mächtigen Sedimentfolgen und Vulkanitserien aufgebaut. Die vulkanischen Gesteine dominieren gewöhnlich. Sie haben hauptsächlich peridotitische und basaltische Zusammensetzung. Charakteristische Gesteine sind Komatiite (MgO-reiche Basalte). Viele Grünsteinzonen enthalten vor allem in ihren jüngeren Teilen auch saure Laven dazitischer und rhyolithischer Zusammensetzung. Als Sedimente treten chemische Ablagerungen wie Kieselschiefer und Jaspilite auf. Dazu kommen in nach oben zunehmendem Umfang Schiefer und Grauwacken sowie andere klastische Sedimente (Quarzite, Arkosen, Konglomerate). Schrägschichtung, Rippelmarken, gradierte Schichtung und Strömungsmarken zeugen von wechselnden Ablagerungsbedingungen in aquatischen Becken.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

Da die Vulkanite der Grünsteinzonen in der Hauptsache mafische bis ultramafische Zusammensetzung haben, können sie sich - jedenfalls teilweise - auf ozeanischer Kruste gebildet haben. Zum Teil werden die heutigen Grünsteingürtel deshalb als Reste der basaltischen Urkruste gedeutet, die intraozeanischen Subduktionsprozessen unterlag. Andere sind jünger und mit sauren Schmelzen vergesellschaftet. In solchen Fällen wird auch das Zerbrechen älterer kontinentaler Kruste zu grabenartigen Becken und deren anschließender Zusammenschub diskutiert. Die bekanntesten Grünsteinsynklinorien des Archaikums liegen in der Superior-Provinz des Kanadischen Schildes (Serien des Coutchiching und Keewatin), im Kalahari-Kraton Südafrikas (Swaziland-System), in Westaustralien (Pilwara- und Yilgarn-System), im Indischen Subkontinent (Dharwar-Komplex) sowie im nördlichen Baltischen Schild auf der Kola-Halbinsel (Polmos-Serie). Viele Goldlagerstätten der Erde sind an die Grünsteinzonen gebunden, deren basische Gesteine neben Co, Cu, Zn und Sb große Mengen Ni enthalten. Neben den Grünsteingürteln gibt es eine große Zahl von Gebieten, in denen die archaische Kruste überwiegend aus hochmetamorphen Gneisen granitischer Zusammensetzung besteht. Auch ausgedehnte archaische Granulitkomplexe gehören zu ihrem Gesteinsbestand. Zum Teil sind die Gneise sicher aus Plutonen hervorgegangen. Teilweise können sie aber auch durch hochgradige Metamorphose aus entsprechend zusammengesetzten grauwakkenartigen Sedimenten entstanden sein. Die Frage nach der Entstehung und dem primären Alter dieser ausgedehnten Gneiskomplexe des Altpräkambriums, vor allem ihrer plutonischen Varietäten, ist bis heute noch nicht befriedigend geklärt. Es könnte sich um direkt aus primitiver Mantelschmelze entstandene „juvenile" Gesteine handeln. Möglicherweise sind sie aber auch wenigstens in Teilen aus der Aufschmelzung und Remobilisierung älterer Krustenteile hervorgegangen. Nach heutiger Vorstellung stellen die hochgradig metamorphen Gneis-Granulit-Gebiete Segmente der durch Erosion freigelegten

5.2 Das Präkambrium (4,0-0,59 Mrd. J.)

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tieferen kontinentalen Kruste dar. Die Grünsteinzonen und ihre granitischen Rahmengesteine könnten dann die zwischen solchen Hebungsgebieten erhaltene archaische Oberkruste repräsentieren. Einem Maximum magmatischer und tektonisch-metamorpher Aktivität am Ende des Archaikums zwischen 2,7 bis 2,5 Mrd. Jahren entsprechen auf der Nordhalbkugel die saamidische Tektogenese im nördlichen Teil des Baltischen Schildes, sowie die Kenoran-Tektogenese in der Superior- und Slave-Provinz des Kanadischen Schildes. Auf der Südhalbkugel haben verschiedene tektonische und metamorphe Ereignisse in Südamerikas (Brasilianischer Schild), Afrikas (Kalahari-Kraton, Südrand des Kongo-Beckens, Ostafrika, Mauretanien usw.), Vorderindiens und Westaustraliens (im Westen und Süden des Yilgarn-Blocks) dieses Alter. Vor 2,7 bis 2,5 Mrd. Jahren ist die Entstehung der ersten kontinentalen Krustenabschnitte offenbar weitgehend abgeschlossen gewesen. Diese Periode war eine der bedeutendsten Episoden in der Geschichte der Erdkruste und hat ihre Spuren in allen Kontinenten hinterlassen (Abb. 7, 8). Die archaischen Kontinentalkerne (Kratone) aus Graniten, Gneisen, Migmatiten und eingeschalteten Grünsteinzonen sind in den späteren 2,5 Mrd. Jahren tektonisch und thermisch nahezu unberührt geblieben. Sie wurden lediglich von periodischen Hebungen und Senkungen erfaßt, die oft von einem Spaltenvulkanismus begleitet waren. 5.2.2 Mittelpräkambrium (Altproterozoikum) (2,5-1,8 Mrd. J.) Die Verbreitungsgebiete des Mittelpräkambriums (Altproterozoikums) heben sich deutlicher ab und sind heute klarer einzugrenzen als die altpräkambrischen Kontinentalkerne. Gesteine mit Altern zwischen 2,5 bis 1,8 Mrd. Jahren sind in allen Kontinenten verbreitet (Abb. 7, 8). Im Proterozoikum waren die archaischen Kratone von Mobilzonen umgeben, die sich heute durch hochgradige Metamorphose

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

und eine komplexe Geschichte auszeichnen. In ihnen ist das Neben- und Nacheinander von Sedimentation, Vulkanismus, Faltung und Metamorphose sowie magmatischen Intrusionen deutlich zu erkennen. Die Mobilzonen nahmen mächtige (bis über 10000 m) klastische Sedimentfolgen aus archaischen Liefergebieten sowie Vulkanite auf. Unter den vulkanischen Gesteinen sind Basalte, Andesite, Trachyte und Rhyolite sowie eine Vielfalt tuffitischer Gesteine zu finden. Auch die plutonischen Gesteine des Altproterozoikums besitzen eine größere Variationsbreite und lassen eine Unterscheidung von syn- und postkinematischen Intrusionen zu. Der Verlauf der proterozoischen Orogenesen kann nur bruchstückhaft rekonstruiert werden und ist nicht ohne weiteres mit den jungen Gebirgsbildungen nach plattentektonischem Muster zu vergleichen. Vorgänge von mehr lokalem Ausmaß sind einzelne thermische Ereignisse. So wird die Bildung noritischer Schmelzen (Sudbury, Bushveld) mit Impact-Ereignissen in Zusammenhang gebracht. Sie sprechen dafür, daß immer noch große Meteorite auf die Erdoberfläche trafen. Neben den Mobilzonen existierten ausgedehnte epikontinentale Ablagerungsräume (Schelfe) mit archaischem Fundament. Auf ihnen entstanden neben Grauwacken und Kieselschiefern Quarzite, Kalke und Dolomite sowie eisenreiche Sedimente. Im Baltischen Schild gehören die Gesteinskomplexe der Marealbiden (Belomoriden), der Kareliden und der Svekofenniden ins Altproterozoikum (Abb. 9). Im Gebiet der Svekofenniden Mittelschwedens und SüdwestFinnlands bestanden weit hinziehende geosynklinale Tröge. Ihre Sedimente (Tampere-Schiefer) und Vulkanite (Leptit-HälleflintSerie) sind heute verschieden stark metamorphisiert und mit verschieden alten Graniten durchsetzt (Uppsala-Granit, StockholmGranit, Rapakivi-Granit). Weiter im Nordosten folgt die Svekokarelidische Zone, deren Metasedimente eine Schelfmeerentwicklung widerspiegeln. Eine bun-

5.2 Das Präkambrium (4,0-0,59 Mrd. J.)

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Abbildung 9. Mittelpräkambrische Strukturelemente in Osteuropa (nach SALOP 1983). Die altpräkambrischen Kratone werden in der Regel von kristallinen Tiefenbrüchen begrenzt. Zwischen ihnen zeichnen sich nach Ubertageaufschlüssen, Bohrungen und geophysikalischen Befunden eugeosynklinale und miogeosynklinale Mobilzonen ab. 1. Kratone (Plattformen und Zwischenmassive), 2. eugeosynklinale Zonen, 3. miogeosynklinale Gebiete.

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te Folge von Schiefern, Quarziten, Konglomeraten, Arkosen und Dolomiten liegt diskordant auf einem älteren Basiskristallin. Bemerkenswert sind fossile Algenkohlen (Schungite) und sedimentäre Hämatit-Magnetit-Erze. Im Ukrainischen Schild setzt sich die mittelpräkambrische Kriwoj-Rog-Gruppe in ihren mittleren Teilen aus basischen Vulkaniten und reichen Hämatit-Magnetit-Erzen zusammen. Letztere lassen sich im Untergrund der Russischen Tafel weit nach Norden verfolgen (Magnetische Anomalie von Kursk). Die Gesteine sind in nordsüd-streichende Falten gelegt (Saksaganiden) und lassen sich mit den Kareliden des Baltischen Schildes in Verbindung bringen (Abb. 9). Im Kanadischen Schild entstand im Verlauf des Altproterozoikums in der Lake Superior-Provinz die Huron-Geosynklinale. In seinem unteren Teil enthält das Huron Gold- und Uran-führende Quarzite und Konglomerate (Blind River). An das mittlere und obere Huron sind die reichen sedimentären Eisenerzlagerstätten des Lake Superior-Gebietes gebunden. Das Huron wurde während der Penokean-Orogenese (um 2 Mrd. J.) gefaltet. Auch hier entstanden später im Verlauf einer anorogenen magmatischen Phase (1,5 Mrd. J.) u.a. Rapakivi-Granite. In Mittel- und Ostasien sind metamorphe altproterozoische Sedimentserien von der Sibirischen Plattform (unter anderem Anabar-Massiv, Aldan-Schild) und von der Chinesischen Tafel, (hier auch mit sedimentären Eisenerzen) bekannt. Mit Ende des Altproterozoikums (1,8 bis 1,7 Mrd. J.) war die Bildung der Chinesischen Plattform abgeschlossen. Im Anschluß daran fand die Bildung von anorogenen Anorthositen und Rapakivi-Graniten (1,6 bis 1,4 M r . J.) statt. Im Guayana-Schild und Zentralbrasilianischen Schild Südamerikas fand am Ende des Altproterozoikums als abschließende Faltung die Transamazonas-Tektogenese statt. Im Brasilianischen Küstenkristallin enthält die ebenfalls zwischen Mittel- und Jungpräkambrium gefaltete Minas-Supergruppe in ihrem mittleren Teil (Itabira-Gruppe) eines der größten Eisenerzvorkommen der Erde. Die gleiche Gruppe umfaßt reiche sedimentäre Manganerze.

5.2 Das Präkambrium (4,0-0,59 Mrd. J.)

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In Südafrika haben die mächtigen Sedimente des WitwatersrandBeckens mit Gold- und Uran-führenden Quarzkonglomeraten mittelpräkambrisches Alter. Das überlagernde Ventersdorp-System enthält bis 2000 m basaltische und saure Laven. Es kennzeichnet das Ende der Orogenese im Witwatersrand-Becken. Darüber folgt diskordant das epizonale Transvaalsystem (9000 m) mit Dolomiten, gebänderten Eisenerzen und Tilliten. Mit ihm steht der mächtige Bushveld-Pluton (1,9 M r d . J.) in Kontakt. In Westafrika (Liberia) zeichnen sich magmatische Ereignisse (2,1 bis 1,8 M r d . J.) ab, die mit solchen im Guayana-Schild Südamerikas parallelisiert werden können. In Ostafrika wurden im mittleren Präkambrium die Limpopo-Zone (2 M r d . J.) und die Ubendian-Zone (1,8 bis 1,5 M r d . J.) gefaltet. Im östlichen Vorderindien gehören die metamorphen Sedimentserien des Iron Ore-Gürtels mit reichen Hämatitquarziten ( 6 0 - 6 6 % Fe) zum mittleren Präkambrium. In Australien ergeben sich für Gneise und Granite des KimberleyGebietes Alter von 1,9 bis 1,8 M r d . Jahre. Mittelpräkambrische Metamorphose-Ereignisse (1,8 bis 1,5 M r d . J.) sind auch aus der Antarktis bekannt. Ein besonderes Merkmal des Mittelpräkambriums ist die weltweite Verbreitung mächtiger Eisenerzlager. Der für die Bildung von Hämatit und Magnetit erforderliche Sauerstoff muß in den Meeren bereits zur Verfügung gestanden haben, als die Atmosphäre noch reduzierenden Charakter hatte. Die letzte und mengenmäßig bedeutendste Phase der Erzbildung lag zwischen 2,2 bis 1,9 M r d . Jahren. Etwa zur gleichen Zeit erscheinen die ersten oxidierten terrestrischen Rotgesteine. Das frühe Proterozoikum ist auch die Zeit der ersten größeren Verbreitung stromatolithischer Kalke. Bitumenhaltige Gesteine zeugen für eine rege Produktion von Biomasse in den Meeren. Abgesehen von einigen Tilliten, wie z. B. in der Gowganda-Serie des Hurons (Lake Superior-Vereisung, 1,95 M r d . J.) gibt es im mittleren Präkambrium noch keine Hinweise auf Klimadifferenzierungen.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

5.2.3 Jungpräkambrium (Mittel- und Jungproterozoikum) (1,8 bis 0,59 Mrd. J.) Im Jungpräkambrium fand die Konsolidierung der alten Plattformen ihren Abschluß. Vertikale Krustenbewegungen brachten weite Bereiche hochmetamorpher Gesteine an die Oberfläche (Anteklisen), während zugleich weitspannige Becken (Syneklisen) einsanken und von z. T. mächtigen Tafelsedimenten bedeckt wurden. Die Krustenverbiegungen wurden von einem Spaltenvulkanismus und differenzierten Intrusionen begleitet. Umgeben waren die Kontinentalschollen von mobilen Randsenken und -trögen, die sich mit überwiegend klastischen Geosynklinalablagerungen füllten und mit vulkanischen Inselbögen durchsetzt waren. Infolge der thermisch-mechanischen Aktivität des Erdmantels bildeten sich auch intrakontinentale Orogenzonen. O b bereits eine vollständige Zerlegung kontinentaler Plattformen durch Riftbildung und Kontinentaldrift erfolgte, ist nicht sicher zu sagen. Infolge der weiten vegetationslosen Kontinentalflächen erhöhte sich im Jungpräkambrium der Anteil gut sortierter Sedimente (Quarzite, Tonschiefer) deutlich. Die auf allen Kontinenten vorhandenen Rotsedimente (z. B. das Jotnium im Baltischen Schild) sprechen für den Anstieg des Sauerstoffgehaltes in der Atmosphäre. Gleichzeitig scheint sich der C 0 2 - G e h a l t durch die Bindung an carbonatische Sedimente stark vermindert zu haben. Der Wasserinhalt und der Salzgehalt der Ozeane entsprach etwa dem der heutigen Meere. Im Südwestteil des Baltischen Schildes gehören die überwiegend aus Graniten bestehenden Gotiden (1,6 bis 1,4 Mrd. J.) und die metamorphen vulkano-sedimentären Serien des Dalslandiums (1,1 bis 0,9 Mrd. J.) und der Telemark-Serie zum Jungpräkambrium. Gleichzeitig lagerten sich in Becken und Gräben des bereits bestehenden Kontinentalkerns des Baltischen Schildes Rotsedimente des Jotniums ab (Abb. 10). Diese Serien bilden heute jedoch keine örtliche oder zeitliche Einheit.

5.2 Das Präkambrium (4,0-0,59 Mrd. J.)

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Abbildung 10. Jungpräkambrische Strukturelemente der Osteuropäischen Plattform (nach SALOP 1983). Neben den Aulakogenen in der Plattform sind bereits ausgeprägte Randsenken vorhanden. 1. Plattform, 2. jungpräkambrisch reaktivierte Plattform, 3. Senken und Aulakogene im Plattformbereich, 4. Randsenken, 5. Rapakivi-Granite.

Jüngste (eokambrische) Sedimente sind die Arkosesandsteine des Sparagmits in den Randsenken der kaledonischen Geosynklinale im Westen des Baltischen Schildes. Auch auf der Russischen Tafel sanken während des oberen Proterozoikums (Riphäikum) flache Becken und schmale tiefe Furchen

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

(Aulakogene) ein (Abb. 10). Sie nahmen zum Teil mächtige (bis mehrere 1000 m) kontinentale und flachmarine Tafelsedimente auf (Sandsteine, Tonsteine, Stromatolithenkalke). Das Wendium als jüngste Einheit enthält u. a. Tillite und fluvioglaziale Bildungen. In Richtung auf den Ural gehen die riphäischen Tafelsedimente in eine zum Teil 15000 m mächtige geosynklinale Fazies über. In Mitteleuropa ist eine zusammenhängende präkambrische Kristallinbasis heute nicht erhalten. Reste einer solchen finden sich aber u. a. in der Bretagne (Pentevrien, 2,0 Mrd. J.) und eventuell in der Böhmischen Masse (Moldanubikum). Darüber liegen jeweils mächtige assyntisch gefaltete Sedimente und Vulkanite des Jungproterozoikums (Brioverien). Ähnliche Gesteine (Grauwacken, Phyllite, Kieselschiefer, Konglomerate und spilitische Laven) finden sich auch mehr oder weniger metamorph in den Sudeten, in der Lausitz, im Erzgebirge, in Thüringen, im Schwarzwald, in den Vogesen, im französischen Zentralmassiv und in Spanien (Iberische Meseta). Vergleichbar mit dem Jotnium Skandinaviens liegen auch über den Basisgneisen Nordwestschottlands 6000 m mächtige Rotsedimente des jungproterozoischen Torridonian. In Asien sind in den Präkambrium-Aufbrüchen der Sibirischen Tafel mehrfach einige 1000 m mächtige klastisch-kalkige Serien des Jungproterozoikums erschlossen. Auch auf der Chinesischen Tafel bildeten sich örtlich mächtige, heute nichtmetamorphe Klastika und Carbonate (Sinium). In Nordamerika wird das Kristallin des Huron im postorogenen Keweenawan-Trog von bis 15 000 m mächtigen Rotsedimenten und Laven überlagert. Im Lake Superior-Gebiet sind mit basischen Laven die reichen Kupfererze Michigans verknüpft. Im Süden der Nordamerikanischen Plattform wird ein gesteigerter anorogener Plutonismus registriert (Elsonian-Ereignis). Zwischen 1,1 und 0,9 Mrd. Jahren wurde der Südostrand des Kanadischen Schildes von der Grenville-Orogenese betroffen. Die Tektogenese erfaßte jedoch Gesteine sehr verschiedenen Alters. Von etwa 0,85 Mrd. Jahren an säumten miogeosynklinale Mobilzonen die alte Plattform. Am Ostrand entstand der Appalachen-

5.2 Das Präkambrium (4,0-0,59 Mrd. J.)

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Trog, im Westen sank der Kordilleren-Trog ein. Die klastische Ocoee-Serie der Südappalachen ist mehr als 10000 m mächtig. Die Belt-Serie (13000 m) des Kordilleren-Trogs besteht im Inneren des Beckens aus Konglomeraten, Sandsteinen und Tonschiefern. Zum Plattformrand geht sie in eine Kalkfazies mit Aigenkalken und ersten Schalenfossilien über. Auch auf den Südkontinenten, einschließlich der Antarktis, hinterließen jungpräkambrische Gebirgsbildungen und Metamorphosen ihre Spuren. Hier bietet sich das Bild eines altpräkambrischen Schollenmosaiks, das durch bis in das Kambrium anhaltende Orogenesen jüngerer Mobilzonen zu einem Großkontinent verschmolz. Tafelsedimente sind weit verbreitet. An der Wende Prozerozoikum/Kambrium waren die Leitlinien für die weitere tektonische Geschichte der Erdkruste festgelegt. Es existierten ausgedehnte kristalline Plattformen und ein System geosynklinaler Senkungszonen, das teils am Ende des Proterozoikums, teils erst im Paläozoikum gefaltet wurde. Auswirkungen der cadomischen (assyntischen, baikalischen) Faltung am Ende des Proterozoikums sind in Europa (Normandie, Böhmen, Timan), Afrika (Mauretanien, Nigeria, Südwestafrika, Mozambique) und Asien (Ural, Jenessei- und Baikalgebiet) zu erkennen. Auf allen Kontinenten häufen sich in den jungpräkambrischen Schichten die Anzeichen einer deutlichen Klimadifferenzierung. Die weite Verbreitung biogener Kalke setzt warme Meere voraus. Auf allen Kontinenten finden sich aber auch die Zeugen kalten Klimas und ausgedehnter Vereisungsgebiete (0,72—0,59 Mrd. J.). In Europa lagen vermutlich die Europäische Plattform und Teile im Norden Großbritanniens unter Inlandeisbedeckung. Marine Glazialablagerungen sind u. a. in Schottland, Nordirland und in der Sparagmit-Zone Skandinaviens erhalten. Auch aus der Normandie und aus Böhmen kennt man tillitähnliche Gesteine. Die Kälteperioden erreichten offenbar an der Wende Proterozoikum/Kambrium einen Höhepunkt.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

5.2.4 Die Präkambrische Lebewelt Spuren organischen Lebens sind in den archäischen Gesteinen noch selten. Einen direkten Hinweis liefern die gebänderten Eisenerze, deren Sauerstoffgehalt auf die Lebenstätigkeit sauerstoffproduzierender photoautotropher Organismen zurückgeführt werden kann. Darüber hinaus sprechen in archaischen Sedimenten enthaltene Aminosäuren, Kohlenwasserstoffe, Fettsäuren, Porphyrine und andere organische Verbindungen, sowie das 1 3 C/ 1 2 C-Verhältnis in biogenen Kohlenstoffbildungen für eine biologische Aktivität vor

Fungi (Pilzsporen?): 1. Polycellaria bonnerensis PFLUG, X 900, Belt-Serie, Kanada. Algae: 2. Filamentella plurima PFLUG, X 900, Belt-Serie, Kanada. Stromatolithen (Algenkalk): 3 . Collenia symmetrica F E N T . SC F E N T . , verkl., Belt-Serie, N-Amerika, 4. Conopbyton gargatticus KOR., 1 :4,5, Unter-Riphäikum, Ural, Sibirien, 5. Kussiella kussiensis (MASL.), 1 : 4,5, Unter-Riphäikum, Ural, Sibirien, 6. Tungussia nodosa SEMIKH., 1 :4,5, Mittel-Riphäikum, Sibirien, 7. Baicalia baicalica KRYL., 1 : 7 , Mittel-Riphäikum, Ural, Sibirien, Australien, 8. Insería tjomusi KRYL., 1 : 7, OberRiphäikum, Sibirien, 9. Gymnosolen ramsayi STEINM., 1 : 7, Ober-Riphäikum, Ural, Spitzbergen, Australien, 10. Minjaria uralica K R Y L . , 1 : 7 , Wendium, Sibirien, Spitzbergen, Australien, 11. Boxonia grumulosa KOM., 1 : 7, Wendium, Sibirien, Spitzbergen, Australien, 12. Jurusania sibirica (YAK.), 1 : 7, Wendium, Sibirien. Annelida: 13. Spriggina floundersi GLAESSN., 1 : 1, Australien (Ediacara), 14. Dickinsonia minima S P R I G G , Australien (Ediacara). Coelenterata (Octocorallia): 15. Rangea longa G L A E S S N . & W A D E , 1 : 4,5 (rekonstr.), Australien (Edicara); (Scyphozoa?): 16. Mawsonites spriggi G L A E S S N . 8C WADE, A u s t r a l i e n

(Ediacara).

Brachiopoda: 17. Lingulella montana F E N T . & F E N T . , 1 :1,7, Belt-Serie, Nordamerika. Unbekannte systematische Stellung: 18. Tribrachidium heraldicum GLAESSN., 1 : 1,5, Australien (Ediacara). Falls nicht anders angegeben, sind die Fossilien, auch die der folgenden Tafeln, auf ca. 1 : 2 verkleinert.

5.2 Das Präkambrium (4,0-0,59 Mrd. J.)

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

etwa 3 , 3 - 3 Mrd. Jahren. Zu dieser Zeit existierten vermutlich bereits anaerobe mikroskopische Prokaryoten (zellkernlose Organismen) und vielleicht auch bakterienähnliche autotrophe Organismen. Daneben sind verschiedene mikrofossilartige Objekte bekannt, die teils sphäroidische, teils fadenförmige oder coccoidale Formen, aber noch keine komplexen Strukturen aufweisen (FigTree-Serie). Das Auftreten zahlreicher, verschiedenartiger und morphologisch komplexer Mikroorganismen in Ablagerungen des früheren Proterozoikums bezeugt eine lange vorbiologische und biologische Entwicklung im Archaikum. Das gilt auch für die Stromatolithe, biogene Sedimentstrukturen, die durch die Lebenstätigkeit von Cyanobakterien (alte Bezeichnung: Blaugrünalgen) entstanden und auch aus der jüngeren Erdgeschichte bekannt sind. Die bisher ältesten Vorkommen stammen aus 3,4 bis 3,5 Mrd. Jahre alten Gesteinen der WarrawoonaGruppe in West-Australien. Die anthrazitischen Kohlen der Michigamme-Schiefer ( 2 , 5 - 1 , 7 Mrd. J.) Nordamerikas entstammen einer Algenvegetation. In der Gunflint-Formation (2 Mrd. J.) des Huron wurden Zysten von Blau- und Grünalgen sowie Pilz- und Flagellaten-Reste entdeckt. Da organische Weichkörper kaum erhaltungsfähig sind, ist das erste Auftreten der Vielzeller noch unsicher. Sie beanspruchen für ihren Stoffwechsel einen erhöhten Sauerstoffgehalt der Luft. Die ältesten bekannten Vorkommen liegen in etwa 0,7 Mrd. Jahre alten Gesteinen. Es finden sich Formen, die Quallen und anderen modernen Hohltieren oder weichhäutigen Gliederfüßern und Ringelwürmern ähneln. Auch heute unbekannte Formen wurden entdeckt, die phylogenetischen Seitenzweigen angehörten und noch im Präkambrium ausstarben. Solche Metazoen sind aus Nordamerika, Australien (Ediacara), Afrika, England und Nordsibirien bekannt (Abb. 11). Hornschalige Brachiopoden (Lingulella montana) wurden in der Belt-Serie gefunden und sind neuerdings auch aus Gesteinen (0,72 Mrd. J.) der kanadischen Insel Viktoria bekanntgeworden.

5.3 Das Paläozoikum ( 5 9 0 - 2 4 8 Mio. J.)

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Präkambrische Leitfossilien gibt es bisher nicht. Stromatolithe eignen sich aber anscheinend zur Korrelation jungpräkambrischer Schichtfolgen. Auch Algenstrukturen (Onkolithe, Cathagraphia) sind vielleicht dafür verwendbar. Im Jungpräkambrium wird auch mit Hilfe von Sporomorphen und Palynomorphen eine stratigraphische Parallelisierung versucht.

5.3 Das Paläozoikum ( 5 9 0 - 2 4 8 Mio. J.) 5.3.1 Kambrium ( 5 9 0 - 5 0 5 Mio. J.) Der Name des Systems stammt von A. SEDGWICK (1835); „Cambria" ist die römische Bezeichnung für Nord-Wales. Überblick Im Kambrium unterschied sich die Gliederung und Verteilung der Kontinente grundlegend vom heutigen Erdbild. Die heutigen Südkontinente bildeten eine mehr oder weniger zusammenhängende Landmasse (Gondwana-Land) während Nordamerika, Nordosteuropa und Mittel- und Ostasien durch breite ozeanische Zonen getrennte Kontinentkerne darstellten (vgl. Abb. 12). Nordamerika wurde durch einen Protoatlantik (Iapetus) von Europa getrennt. Zwischen Nordosteuropa und Afrika bestand eine Prototethys (Törnquist-Ozean). Eine mit Beginn des Kambriums überall auf der Erde einsetzende Transgression erreichte vermutlich im mittleren Kambrium ihren Höhepunkt. Die im Jungproterozoikum aufgestiegenen Landgebiete gerieten wieder weithin unter Meeresbedeckung. Danach ist das Oberkambrium durch einen weltweiten Meeresrückzug gekennzeichnet, wenn auch in einzelnen Gebieten (Kanadischer Schild, Arktis) die Transgressionen weitergingen oder erneut einsetzten. Die den Transgressionen und Regressionen zugrunde liegenden weitspannigen Hebungen und Senkungen (Undationen) erfaßten vor allen Dingen die Kontinente Nordamerikas, Nordosteuropas und Zentral- und Ostasiens.

5.3 Das Paläozoikum ( 5 9 0 - 2 4 8 Mio. J.)

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Insgesamt gesehen kam es im Kambrium zu keinen regional bedeutsamen Gebirgsbildungen. In den cadomisch deformierten Teilen Mitteleuropas (Armorikanisches Massiv, Böhmische Masse) reichte der granitische Magmatismus bis in das Kambrium hinein. Die in Mittel- und Westeuropa bekannten sardischen Bewegungen im Oberkambrium bzw. an der Wende Kambrium/Ordovizium erlangten nirgends paläogeographisch bedeutsame Ausmaße. Außerhalb Europas lassen sich orogene Bewegungen u. a. in den Appalachen, in Kasachstan, im Salair, Sajan und Baikalbogen sowie in Südaustralien nachweisen. Die zunächst klastischen und kalkarmen Sedimente des Unterkambriums lassen vermuten, daß nach der eokambrischen Vereisung weithin gemäßigtes humides Klima herrschte. Die weitverbreiteten Archaeocyathiden-Kalke des Unterkambriums (Kalifornien, Labrador, Sibirien, Spanien, Marokko, Australien, Antarktis) sprechen aber für eine allgemeine Erwärmung. Höhere Temperaturen und aride Verhältnisse führten auch zur Bildung salinarer Ablagerungen (Nordwestkanada, Sibirien, Persien, Australien), die - erstmals in der Erdgeschichte - in weiter Verbreitung überliefert sind.

Pflanzen- und Tierwelt In den Schichten des Kambriums tritt uns erstmals eine reiche fossile Lebewelt entgegen. Darunter sind alle wichtigen Tiergruppen, wenn auch mit einfachen Bauformen, bis auf die Wirbeltiere vertreten. Den Hauptanteil der ausschließlich marinen Fauna bildeten die Trilobiten ( 6 0 % ) und die Brachiopoden (30%). Das Kambrium ist daher das erste System, in dem eine biostratigraphische Gliederung durchzuführen ist. Hinweise auf terrestrisches Leben fehlen noch. Eine noch unbekannte systematische Position haben die Acritarchen, Nannofossilien, deren weite geographische Verbreitung und hohe Evolutionsrate jedoch eine gute biostratigraphische Anwendung ermöglicht.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

Abbildung 13. Fossilien des Kambriums.

5.3 Das Paläozoikum (590- 248 Mio. J.)

Die kalkabscheidenden Cyanophyceen (Cryptozoon) tige Gesteinsbildner.

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waren wich-

Es traten Protozoen (Foraminiferen, Radiolarien), Kiesel- und Kalkschwämme auf. Als Riffbildner erschienen die den Schwämmen nahe stehenden Archaeocyathiden. Sie blieben im wesentlichen auf das Unterkambrium beschränkt und starben noch im Kambrium aus. Medusenartige Scyphozoen (Medusites) findet man als Abdrücke in Sandsteinen. Der gleichen Tierklasse gehörten vermutlich auch zartwandige Chitinhohlkegel (Conularia) an. Anscheinend waren auch schon die ersten tabulaten Korallen vorhanden. Die Brachiopoden bildeten schloßlose (Inarticulata) hornschalige Formen (Lingulella), aber auch schloßtragende (Articulata) kalkschalige Formen (Orusia). Die Kalkschaler wurden im Oberkambrium häufiger und erlangten im Ordovizium die Vorherrschaft. Trilobita: 1. Fallotaspis tazemmourtensis HUPE, Unterkambrium, 2. Olenellus thompsoni (HALL) 1 : 3,5, Unterkambrium, 3. Paradoxides bohemicus BARR., 1 : 4,5. Mittelkambrium; 4. Olenus truncatus BRÜNNICH, Oberkambrium; 5. Agnostus pisiformis LINNÉ, X 1,5, Oberkambrium. Protarthropoda: 6. Aysheaia pedunculata WALCOTT (rekonstr.), Mittelkambrium. Malacostraca: 7. Hymenocaris vermicauda SALT., Oberkambrium. Archaeocyatha: 8. Thalamocyathus trachealis (TAYLOR), Unter-/Mittelkambrium; 9. Syringocnema favus TAYLOR, Unter-/Mittelkambrium. Cephalopoda (?): 10. Volborthella tenuis FR. SCHMIDT, Unterkambrium. Gastropoda: 11. Scenella discinoides FR. SCHMIDT, Unterkambrium. Pteropoda (?): 12. Hyolithes parens BARR., Mittelkambrium. Lamellibranchiata: 13. Lamellodonta simplex VOGEL, Mittelkambrium. Brachiopoda: 14. Lingulella davisi M'COY, Oberkambrium, 15. Orusia lenticularis (WAHLENBG.), X 2, Oberkambrium. Pelmatozoa (Carpoidea): 16. Trocbocystites bohemicus BARR., Mittelkambrium. Hydrozoa (Medusae inc. sed.): 17. Spantangopsis costata TORELL, Unterkambrium.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

Die Lebensspuren von Grabwürmern (Skolithos, Diplocraterion) sind in Sandsteinen weit verbreitet. Während Muscheln noch kaum zu finden sind, bildeten die Gastropoden bereits eine formenreiche Gruppe. Neben den Napfschnecken (Scenella) waren planspiral gewundene Gehäuse und im Oberkambrium auch trochospirale (Pleurotomaria) vorhanden. Die nur wenige Millimeter lange Volborthella aus dem Unterkambrium gehört offenbar nicht zu den Stammformen der Cephalopoden. Sichere Nautiloideen waren die Plectronoceratiden (Plectronoceras) des Oberkambriums mit schwach gekrümmten Gehäusen. Die Protoarthropoden (Aysheaia) nahmen phylogenetisch eine Stellung zwischen den Anneliden und den Arthropoden ein. Die Arthropoden stellten mit den Trilobiten die größten Lebensformen (Paradoxides harlani 45 cm). Zwei Drittel der TribolitenFamilien starben am Ende des Kambriums wieder aus. Es lebten bereits echte Cheliceraten (Aglaspis) und Crustaceen (Hymenocarts). Von den Echinodermen erlangten gestielte Forc e n (Trochocystites) Bedeutung. Im Mittelkambrium waren auch bereits die ersten Graptolithina vorhanden. Vom Oberkambrium an wurden auch die Conodonten häufiger. Die wichtigsten Leitfossilien des Kambriums sind die Trilobiten (Abb. 13). Die Entwicklung dieser hoch differenzierten Lebewelt muß weit in das Präkambrium zurückreichen. Ihre Überlieferung wurde erst durch die im Kambrium einsetzende Bildung von Phosphat- und Kalkschalen möglich. Vielleicht bildet die Abnahme des C 0 2 Gehaltes (Ansteigen des pH-Wertes) im Meerwasser eine der Ursachen für die Produktion organischer Hartteile. Paläogeographie Im Norden Europas wurde der Baltische Schild während des Kambriums von Süden von einem Flachmeer überflutet. Charakteristische Ablagerungen dieses baltischen Meeres sind am Anfang des

5.3 Das Paläozoikum (590-248 Mio. J.) Tabelle 4. Gliederung des Kambriums

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

Legende: j V.Yo

>j

Konglomerate

V."'.| Gips

Sandstein

p;.V|

Turbidite/Flysch

Kohle

b=-3| Ton

Störungen

Mergelkalk

' '

Salz

: Kalk

*

v-"

Überschiebungsund Deckenbahnen

1 Dolomit

i i

Festland, festländ. Sedimente

Abbildung 14. Paläogeographie in Mittel- und Nordwesteuropa im Unterkambrium. Die Legende gilt auch für die folgenden paläogeographischen Karten dieses Gebietes.

5.3 Das Paläozoikum ( 5 9 0 - 2 4 8 Mio. J.)

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Kambriums geringmächtige Sandsteine. Längs der schwedischen Küste enthalten sie mannigfaltige Spuren kriechender und grabender Bodenbewohner. Im Osten sind die noch plastischen „Blauen T o n e " von Leningrad mit Hyolithen und Trilobiten ein charakteristisches Schichtglied des Unterkambriums. Das Meer des Mittel- und Oberkambriums reichte nicht so weit nach Osten. In seinem nur mangelhaft durchlüfteten Becken entstanden bitumen- und schwefelkiesreiche Schlicke, die heute als Alaunschiefer uind Stinkkalke vorliegen. Ein Bodenleben konnte sich in diesem lebensfeindlichen Milieu (euxinische Fazies) nicht entfalten. Vor dem Nordwestrand des Baltischen Schildes hatte sich bereits in einem riphäischen Randtrog die Kaledonische Geosynklinale abgezeichnet. Deren Nordwestrand ist in den alten Gneisgebieten der Hebriden erhalten. Das kaledonische Becken, das während des Kambriums und Ordoviziums vermutlich die Dimensionen eines Ozeans (Iapetus) hatte, zog sich von England über Norwegen, Ostgrönland und Spitzbergen nach Norden und vereinigte sich hier mit dem Franklin-Trog. Nach Südwesten bestand vermutlich eine Verbindung zu den kambrischen Trögen in den nördlichen Appalachen (St. Lawrence Trog, Acadischer Trog). Bezüglich der Gesteins- und Faunenentwicklung entlang dem Südost- und Nordwestrand der Kaledonischen Geosynklinale bestanden im Kambrium große Unterschiede. In Wales erreichten Ablagerungen des Anglo-Walisischen Randbeckens über 5000 m Mächtigkeit. Zum Beckenrand hin werden sie geringmächtiger und lückenhafter. In Nordwest-Schottland sind geringmächtige Sandsteine und der bis in das Ordovizium reichende Durness-Kalk Schelfsedimente vor dem Nordwestufer des kaledonischen Bekkens. Im Schottischen Teilbecken (Grampian-Geosynklinale) wurden in der gleichen Zeit über 8000 m Sedimente der Dalradian-Gruppe abgelagert. In Mitteleuropa sind mächtige überwiegend sandig-tonige Trogablagerungen des Kambriums vor allem aus dem Brabanter Massiv und den Ardennen, aus dem Polnischen Mittelgebirge sowie aus Thüringen-Sachsen und den Westsudeten bekannt.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

In der Lausitz und im Boberkatzbachgebirge enthält das Unterkambrium Archaeocyathiden-Kalke und -Dolomite. Im Erzgebirge und Fichtelgebirge liegen sie als Marmor vor. Das höhere Kambrium besteht aus mächtigen Sandsteinen und Schieierfolgen und örtlich Diabasergüssen. Auf das gefaltete Proterozoikum Böhmens übergreifende unterkambrische Konglomerate haben noch Molassecharakter. Bei Prag (Barrandiun) finden sich die ersten Trilobiten erst in den mittelkambrischen Schiefern von Jince. Im Oberkambrium erfolgten Eruptionen rhyolithischer und keratophyrischer Laven. Auch im Westen und Südwesten Europas ist das Unterkambrium im Armorikanischen Massiv und im ganzen Mittelmeergebiet (Montagne Noir, Sardinien, Spanien, Portugal, Marokko) durch mächtige Archaeocyatiden- und Stromatolithen-Kalke vertreten. Sie überlagern cadomisch (assyntisch) gefaltete Basisserien und werden oft von Schiefern mit mittelkambrischen Trilobiten überdeckt. Im Armorikanischen Massiv und in Zentral- und Südspanien sowie auf Sardinien scheint das Oberkambrium wenigstens teilweise zu fehlen. Während große Teile der Osteuropäischen Plattform im Kambrium über dem Meeresspiegel lagen, sind in Zentral- und Ostasien die Sibirische und die Chinesische Plattform (Sibiria, Sinia) mit kalkigen Tafelsedimenten bedeckt. Südöstliche Teile der Sibirischen Plattform enthalten aber auch bunte kontinentale Sandsteine mit Gips- und Steinsalzlagern. Das Archaeocyatiden-führende Unterkambrium wird konkordant vom Präkambrium (Yudoma-Stufe) unterlagert. Wie die Osteuropäische Plattform so waren auch die Sibirische und die stärker gegliederte Chinesische Plattform allseits von mehr oder weniger breiten geosynklinalen Sedimentationsräumen umgeben. Die Nordamerikanische Plattform (Laurentia) war schon im ausgehenden Präkambrium von Randtrögen umgeben. In ihnen hielt auch während des Kambriums die Absenkung an. Vollständige Schichtfolgen des Kambriums sind im KordillerenTrog und im Appalachen-Trog zu finden. Das Unterkambrium (Georgian) umfaßt basale Sandsteine und Quarzite und darüber

5.3 Das Paläozoikum ( 5 9 0 - 2 4 8 Mio. J.)

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Kalke und Dolomite. Das Mittelkambrium (Albertan) und Oberkambrium (Croixan) besteht überwiegend aus Kalken und Schiefern. In den Burgess-Schiefern des Kordillerentrogs blieben durch günstige Überlieferungsbedingungen hauchzarte Abdrücke von Anneliden, Onychophoren (Aysheaia) und trilobitenähnlichen Gliedertieren bis in Einzelheiten der Weichteile erhalten. Erst gegen Ende des Mittelkambriums griff das Meer aus den Randtrögen auf die zentralen Teile der Nordamerikanischen Plattform über. Zu seinen Ablagerungen gehören zu Beginn Sandsteine und dann zunehmend Flachwasserkalke und -dolomite. Die Transgression erreichte ihren Höhepunkt aber erst im unteren Ordovizium. Die Südkontinente bildeten seit dem Präkambrium einen zusammenhängenden Block (Gondwana), von dem nur randliche Teile im Kambrium unter Meeresbedeckung lagen. In der nördlichen Sahara, auf der Arabischen Halbinsel, im Zentraliran und in Westpakistan ist Unterkambrium mit roten klastischen und dolomitisch-kalkigen Sedimenten vertreten. Im Iran und in Pakistan (Saltrange) kommen salinare Bildungen wie Anhydrit, Gips und Steinsalz hinzu. Auch weite Teile Australiens lagen unter dem Meeresspiegel. In seinen Flachmeeren bildeten sich weitverbreitet ArchaeocyatidenKalke und Schiefer. Besonders vollständig und mächtig ist das Kambrium hier im Flinders- und Amadeus-Becken entwickelt. In der Adelaide-Geosynklinale im Südosten geht die über 5000 m mächtige Kambriumfolge konkordant aus dem Präkambrium hervor. Im Mittelkambrium schließt sie infolge beginnender Auffaltung mit roten kontinentalen Schichten ab. Weitere Tröge, zum Teil mit mächtigen Folgen basischer Vulkanite, lassen sich für Tasmanien und den Norden Australiens rekonstruieren. Auch in der West- und Ostantarktis finden sich unter- und mittelkambrische Geosynklinalserien mit an vielen Orten auch Archaeocyatiden-Kalken. Auch hier kam es bereits ab dem mittleren Kambrium zu Faltungsvorgängen (Ross-Orogenese). In Südamerika kennt man Sandsteine und Schiefer des mittleren und oberen Kambriums aus den östlichen Anden in Kolumbien, Bolivien und Nordwest-Argentinien.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

5.3.2 Ordovizium ( 5 0 5 - 4 3 8 M i o . J.) Die Bezeichnung dieses Systems wurde von CH. LAPWORTH (1879) eingeführt. „Ordovizer", keltischer Stamm in Wales/England.

Überblick Nach den bisher vorliegenden paläomagnetischen Daten bildeten die heutigen Südkontinente auch im Ordovizium einen geschlossenen Gondwanablock. Ihm standen weiterhin mehr oder weniger isoliert die Kontinentalkerne Nordamerikas, Europas und Mittelund Ostasiens gegenüber. Zwischen Nordamerika und Europa kann sich der altpaläozoische Uratlantik (Iapetus) verengt haben (Abb. 15). Von Gondwana abgelöste Teilschollen Zentral- und Westeuropas (Armorika) können sich im Verlauf des Ordoviziums der Osteuropäischen Plattform bereits angenähert oder angegliedert haben. Im frühen Ordovizium sanken weit Teile des nordamerikanischen Kontinents und der Osteuropäischen Plattform sowie auch die Ränder des Gondwanablocks unter den Meeresspiegel. Nach wiederholten Regressionen und Transgressionen erreichte das Weltmeer im Caradoc seine größte Ausdehnung. Die takonische Faltung und eventuell eine weltweite Vereisung an der Wende zum Silur führten zu weitflächigem Meeresrückzug. In den geosynklinalen Trögen setzten im Ordovizium lebhafte Krustenbewegungen ein. Sie bewirkten, wie die Mannigfaltigkeit der Gesteinsfazies zeigt, eine stärkere morphologische Gliederung der Senkungszonen und die Bildung vulkanischer Inselbögen. Dem Vulkanismus folgten später granitische Intrusionen. Das Ordovizium scheint eine Zeit ausgeprägter Klimadifferenzierung gewesen zu sein. Der Äquator querte Nordamerika und Sibirien. Warmtemperierte Meere lagen im Bereich der kaledonischen Z o n e Nordamerikas und Nordwesteuropas. Der Südpol lag in Nordwestafrika. Von hier sind die Spuren einer ausgedehnten Inlandvereisung bekannt, die eine Fläche von etwa 8 M i o . k m 2 einnahm. Die Tafelberg-(Pakhuis-)Vereisung Südafrikas könnte einer Gebirgsvergletscherung entsprechen. Auch für den Nord-

5.3 Das Paläozoikum (590-248 Mio. J.)

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Abbildung 15. Paläogeographie und Sedimentfazies zwischen Nordamerika, Skandinavien und Mitteleuropa während des unteren Ordoviziums (nach C O C K S 8c F O R T E Y 1982).

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

Abbildung 16. Fossilien des Ordoviziums. Trilobita: 1. Asaphus expansus WAHLENBG., Llanvirn. 2. lllaenus davisi SALTER, Llandeilo, 3. Onnia ornata (STERNBG.), Caradoc. Cephalopoda: 4. Cameroceras vertebrale (EICHW.), Llanvirn, 5. Lituites lituus MONTFORT, 1:4,5. Llandeilo.

5.3 Das Paläozoikum (590-248 Mio. J.)

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osten Südamerikas kann nivales Klima angenommen werden. Im Hinblick auf die afrikanische Inlandvereisung sind für das höhere Ordovizium eustatisch bedingte Meeresspiegelschwankungen nicht auszuschließen. Pflanzen- und

Tierwelt

Wie im Kambrium bestand die Flora noch immer allein aus Thallophyten. Die Kalkalgen entfalteten sich. Aus zusammengeschwemmten Resten skelettloser Grünalgen (Gloeocapsomorpha) bildeten sich in Estland Brandschiefer (Kukkersit). Die vom Ordovizium an bekannten Chitinozoa sind marine Einzeller. Die ordovizischen Ablagerungen enthalten eine weit größere Zahl fossiler Tiergattungen als die des Kambriums (Abb. 16). Die großen Stämme der Tierwelt entfalteten sich weiter. Unter den Foraminiferen traten das erste Mal einfache Fusulinina auf. Die Archaeocyathiden waren verschwunden. Dafür entfalteten sich nun die Kieselschwämme (Astylospongia). Die Anthozoa erscheinen in mittelordovizischen Schichten in weiter Verbreitung und zwar in Gestalt der tabulaten (Lichenaria) und der rugosen Korallen (Favistella). Die Tabulaten waren Koloniebildner, von den Rugosen finden sich auch häufig Einzelkelche. Bei den Brachiopoden überflügelten die kalkschaligen Articulaten die Hornschaler (Obolus). Unter den teils mit Armgerüsten ausgestatteten Formen waren vor allem Orthida (Orthis), Pentamerida

Gastropoda: 6. Raphistoma qualteriata SCHLOTH., Llanvirn. Brachiopoda: 7. Obolus apollinis EICHW., Tremadoc, 8. Strophomena alternata CONR., Caradoc, 9. Orthis calligramma DALM., Llandeilo. Echinodermata: 10. Echinosphaerites aurantium His., Llandeilo. Porifera: 11. Astylospongia praemorsa (GOLDF.), Ashgill. Graptolithina (alle ca. 1 : 1) : 12. Dictyonema flabelliforme (EICHW.), Tremadoc, 13. Phyllograptus typus HALL, Arenig, 14. Didymograptus murchisoni (BECK), Llanvirn, 15. Dicellograptus morrisi HOPK., Caradoc.

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5 Die Ären und Perioden der Erdgeschichte

(Porambonites) und die Strophomenida (Strophomena) Es entwickelten sich auch die Bryozoen.

wichtig.

Die Gastropoden erschienen im Ordovizium in einer wesentlich größeren Artenzahl. Auch die Muscheln wurden häufiger. Die Cephalopoden durchliefen zu Beginn des Ordoviziums eine rasche Entwicklung. Die Nautiloideen mit mannigfaltigen Gehäuseformen erreichten Längen bis zu 4,5 m (Endoceras). Erstmals wurden auch eingerollte Gehäuse (Lituites) gebildet. Wichtige Gruppen waren die Endoceraten, Actinoceraten und Orthoceraten. Nach dem Aussterben vieler Trilobiten-Gattungen am Ende des Kambriums erschienen im Ordovizium neue Gattungen mit großen Kopf- und Schwanzschilden (Asaphiden, Illaeniden). Außerdem lebten spezialisierte Formen wie die Trinucleiden mit ihren siebartig durchbrochenen Kopfschilden (Onnia). In der Gruppe der Cheliceraten entwickelten sich die Eurypteriden und Xiphosuren. In ordovizischen Gesteinen spielen auch bereits Ostracoden (Beyrichia, Leperditiä) eine Rolle. Bei den Echinodermen erreichten die gestielten Formen (Echinosphaerites) ihre Blüte. Die neu entstandenen Blastoideen lassen eine fünfstrahlige Symmetrie erkennen. Als neue Formenkreise traten die Crinoiden, die Seeigel (Echinoidea), die Seesterne (Asteroidea) und die Schlangensterne (Ophiuroidea) auf. Aus den unterordovizischen Dendroideen (Dictyonema) gingen die vielleicht den heutigen Enteropneusten nahestehenden Graptoloideen hervor. Ihre fossil erhaltenen chitinösen Stützskelette (Rhabdosome) sind infolge des raschen Artenwechsels ausgezeichnete Leitfossilien und kennzeichnen in der Schieferfazies des Ordoviziums 1 5 Biozonen (ELLES 8C W O O D ) . E S entstanden zunächst einzeilige zwei bis vielästige (Phyllograptus, Didymograptus, Dicellograptus), später auch zweizeilige unverzweigte Rhabdosome (Diplograptus). In ordovizischen Schichten Nordamerikas fanden sich als erste sichere Wirbeltiere kieferlose Agnathen (Astraspis).

5.3 Das Paläozoikum ( 5 9 0 - 2 4 8 Mio. J.)

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Die wichtigsten Leitfossilien des Ordoviziums sind in der Schieferfazies die Graptolithen, in der sandig-kalkigen Fazies vor allem Trilobiten und Brachiopoden. Chitinozoen und die zu dem Hystrichosphaerideen gehörenden Acritarchen lassen sich auch in schwach metamorphen Gesteinen noch als biologische Zeitmarken verwenden. Paläogeographie Nach der Regression am Ende des Kambriums wurde der Westteil der Osteuropäischen Plattform zu Beginn des Ordoviziums erneut überflutet und blieb bis zum Ende des Silurs unter Meeresbedekkung (Abb. 17). Über geringmächtigen Sandsteinen und Graptolithenschiefern lagerten sich Orthocerenkalke als Sedimente eines Flachmeeres ab. Die zahlreichen Diskontinuitätsflächen der Sedimente sprechen für häufige Meeresspiegelschwankungen. Nach Westen hin nahm die Meerestiefe merklich zu. Die Schichtfolgen werden vollständiger und mächtiger und bestehen in Schonen vorwiegend aus dunklen Graptolithenschiefern. Im Oslogebiet wechsellagern Schiefer und Kalke mit Brachiopoden und Trilobiten. Nordwestlich der Osteuropäischen Plattform setzte sich während des Ordoviziums die mobile Entwicklung der Britisch-Skandinavischen Kaledonischen Geosynklinale (Iapetus) fort. In ihren südöstlichen Randtrögen lassen sich in England eine landferne Graptolithenschiefer-Fazies und eine ufernahe sandig-kalkige Fazies mit Trilobiten und Brachiopoden unterscheiden. Episodisch eintretende Bodenbewegungen wurden von einem submarinen Vulkanismus begleitet, der im Arenig/Llandeilo seinen Höhepunkt erreichte und vor allem basaltisch-andesitische Laven förderte. An der Wende Ordovizium/Silur steigerte sich die tektonische Aktivität hier zu örtlichen Heraushebungen. Auf dem alten Festlandsockel Nordwestschottlands entstanden zu Beginn des Ordoviziums noch weiterhin geringmächtige Schelfablagerungen (Durness-Kalk). Beckenwärts setzen sich die klastischen Serien der Dalradian-Gruppe bis in das untere Ordovizium fort. Im Arenig begann in Schottland wie auch in den norwegischen Kaledoniden die frühkaledonische Faltung und Metamorphose.

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