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German Pages 132 Year 2013
Der autor Caner Köseoglu studierte Arabistik und Orientalistik. Er unterrichtet Orientalistik an der Ruhr-Universität Bochum. Mehrjährige Forschungsaufenthalte in Marokko, Syrien, Ägypten und Jemen.
C aner K ö s e o g l u Köseoglu Entstehung und Zerfall
Das Buch Nach dem Ende des Mittelalters entstand im nördlichen Teil des indischen Subkontinents ein indo-muslimisches Reich, das sich später über weite Teile des Landes ausdehnte. Der Islam zeigte sich durch die Macht der neuen Herrscher sowohl von seiner orthodoxen, als auch von seiner synkretistischen Seite. Dieses Buch veranschaulicht in gebotener Kürze dreieinhalb Jahrhunderte islamische Geschichte in Indien bis zur Spaltung von Pakistan. Wer waren diese invadierenden Muslime? Wie groß war der Widerstand gegen die neuen Machthaber? Wurde die autochthone Bevölkerung zwangsislamisiert? Auf diese und mehr Fragen geht der Autor in diesem Buch ein.
Das Mogulreich
Entstehung und Zerfall
Das Mogulreich
Caner Köseoglu Das Mogulreich Entstehung und Zerfall
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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1.1 Einführung in das Thema .................................................................... 1 1.2 Sprache, Transkription und Literaturangabe .................................... 4
2. Bevor der erste Mogul kam 2.1 Ethnische Gruppen .............................................................................. 6 2.2 Die Anfänge der islamischen Kolonisierung ..................................... 8 2.3 Muslimische Gemeinschaften ............................................................. 12
3. Zahiruddin Babur (1483-1530) und Nasiruddin Humayun (1508-56) 3.1 Von Zentralasien nach Indien ............................................................. 18 3.2 Ein Reich entsteht ................................................................................. 29 3.3 Anstrengungen zur Konsolidierung des Reiches ............................. 35
4. Dschalaluddin Akbar (1542-1605) ...............................................42 4.1 Die Geburt des mansabdar - Systems ............................................... 46 4.2 Erschaffung einer neuen Religion ..................................................... 52 4.3 Reichskultur ......................................................................................... 58
5. Religiöse Gegebenheit 5.1 Nichtislamische Religionen Hindus .................................................................................................. 62 Dschains ............................................................................................... 64 Parsen ................................................................................................... 65 Juden ..................................................................................................... 66 Sikhs ...................................................................................................... 67 Christen ................................................................................................ 68
5.2 Islamische Gruppierungen Mahdawis ......................................................................................... 70 Rauschanis........................................................................................ 72 Nuqtawis .......................................................................................... 73 Schiiten ............................................................................................. 74 Sufis ................................................................................................... 75
6. Nuruddin Dschahangir (1569-1627) und Schah Dschahan (1628-57) 6.1 Thronkämpfe ....................................................................................... 78 6.2 Handel mit Westeuropa...................................................................... 88
7. Erste Anzeichen des Zerfalls 7.1 Machübernahme Aurangzeb Alamgirs (1618-1707) ........................ 92 7.2 Drakonische Neuordnung der Verhältnisse ..................................... 95 7.3 Aufstände und Aurangzebs Untergang ............................................ 97
8. Das Mogulreich zerbröckelt 8.1 Macht und Ohnmacht ........................................................................ 100 8.2 Der Indische Aufstand ....................................................................... 104
9. Schlussbetrachtung........................................................................111
Anhang Anmerkungen ................................................................................................ 115 Literaturhinweise ........................................................................................... 118
1. Einleitung 1.1 Einführung in das Thema Im 16. Jahrhundert entstand im nördlichen Teil des indischen Subkontinents das indo-islamische Reich der Moguln, dessen Grundstein der legendäre Babur gelegt hatte. Die Europäer nannten es demzufolge Mogulreich, da dessen Herrscher offenbar mongolische Vorfahren hatten. Die Herrscher, so genannte Padischahs, verwendeten diesen Begriff allerdings niemals, sondern bezeichneten sich selbst als GurkaniDynastie. Ursprünglich stammt das persianisierte Wort „Gurkan“ aus dem mongolischen „kürägän“, was so viel heißt wie Schwiegersohn. Dies ist eine Anspielung auf die Heirat Timurs (gest. 1405) - des Stammvaters der muslimischen Machthaber in Indien - der sich diesen Titel nach der Heirat mit einer mit Dschingis Khan (Mongolenführer, gest. 1227) verwandten Prinzessin gab.1 Babur wurde 1482 in Fergana geboren, wo sein Vater Gouverneur war, und stammte in der fünften Generation von Timur ab. Diese Tatsache war es unter anderem, die einem Machthaber seine Legitimität verlieh, da nur jemand, der sich auf seine timuridischen Wurzeln beziehen konnte, auch Herrscher sein durfte. Wie es dazu kam, dass ein derartig großes islamisches Reich wie das der Moguln entstehen konnte und sich ein ebenso großartiger Verwaltungs- und Militärapparat in ihrem Herrschaftsbereich installieren konnte, soll anhand des vorliegenden Buches in der hier gebotenen Kürze dargestellt werden. Dabei macht es Sinn, die Lage Indiens und die seiner benachbarten Gebiete vor der Eroberung durch den ersten Mogul sichtbar zu machen, damit wir erkennen können, in was für eine Welt der erste Padischah kam. Hierbei werden im zweiten Kapitel die verschiedenen ethnischen Gruppen, sowie die Entstehung muslimischer Gesellschaften vor der Zeit der Moguln vorgestellt. Im nachfolgenden Kapitel wird die Zeit des ersten Mogulherrschers Babur und 1
die seines Sohnes Humayun im Einzelnen beschrieben, wobei auch einiges über die Herrscher selbst - in späteren Kapiteln ebenfalls über die nachfolgenden Herrscher - in Erfahrung gebracht werden soll. Mit Babur wurde das Mogulreich ins Leben gerufen und die von ihm eroberten Gebiete standen durchaus nicht immer unter seiner absoluten Kontrolle. Er selbst hat nur vier Jahre lang in Indien gelebt, bevor er starb. Sein Sohn und Nachfolger Humayun hat das Reich wenig geprägt und nach anfänglich turbulenten Herrschaftsjahren musste er in der Nachfolgezeit noch einige Anstrengungen unternehmen, um Stabilität in diesen Gebieten zu gewährleisten. Unter Akbar (gest. 1605), dem dritten Padischah, erlebte das Reich seine Hochblüte. Mehr Bücher als jedem anderen Mogulherrscher sind Akbar gewidmet, der für viele der größte Padischah war und gelegentlich mit dem Kaiser Aschoka2 verglichen wird. Deswegen nimmt er in Kapitel 4 eine besondere Rolle ein. Er formte ein Militär- und Verwaltungssystem, das sogenannte mansabdar – System, das noch lange Bestand haben sollte. Außerdem versuchte er, teils erfolgreich, eine neue Religion zu erschaffen, die alle ihm bekannten Religionen vereinen sollte, genannt tawhid-i ilahi oder auch din-i ilahi. Um ein Bild von der religiösen Lage zu bekommen, werden in Kapitel 5 die verschiedenen nichtislamischen Religionen und innerislamischen Gruppen dargestellt, die für spätere Entwicklungen von Bedeutung sein werden. Und überhaupt spielt die Religion in mittelalterlicher Zeit eine große Rolle, weswegen sie einer genaueren Darstellung bedarf. Akbars Thronfolger, sein Sohn Dschahangir, folgte im Großen und Ganzen der Linie seines Vaters, auch was die Religiosität anbelangte, dennoch nicht mit der gleichen Entschlossenheit. Er war der erste Herrscher, dessen Mutter nicht aus einer türkischen oder persischen Familie stammte; er war der Sohn einer Radschputenprinzessin. Dschahangir heiratete Mihr an-Nisa, die zu seiner Lieblingsfrau aufstieg und aus dieser Ehe entstammte ihr gemeinsamer Sohn Schah Dschahan, der wiederum Jahre später Mumtaz Mahal ehelichte, die 2
1631 bei der Geburt ihres vierzehnten Kindes starb. Um seine ihr gegenüber grenzenlose Liebe und Verehrung zum Ausdruck zu bringen, ließ er ein mächtiges Mausoleum errichten, den Tadsch Mahal (neuere Forschungen zweifeln allerdings an diesem Beweggrund). Zwar blühten der Handel und die Wirtschaft, sowie Kunst und Kultur im 16. und 17. Jahrhundert, doch unter Dschahangir und Schah Dschahan kam es immer wieder zu Unruhen im Reich. Nach und nach waren die Marathen, Briten, Radschputen u.a. zu ernst zu nehmenden politischen Gegnern des Reiches geworden und als Aurangzeb, Schah Dschahans Sohn und Thronfolger, die Macht an sich riss, machten sich erste Anzeichen eines Zerfalls des Reiches bemerkbar. Hier stellt sich die Frage nach dem Grund des Zerfalls des Reiches. Aurangzebs Herrschaft war rigoros und unerbittlich. In ihm war die Grundhaltung seiner Vorgänger nicht mehr zu erkennen und er fing an, die Taten und Errungenschaften vorhergegangener Herrscher in Frage zu stellen. Man kann gemeinhin feststellen, dass Aurangzebs Vorgänger versucht haben, das Reich mit gegenseitiger Toleranz und Gleichberechtigung, vor allem in religiöser Hinsicht, zu verwalten und aufrechtzuerhalten, während Aurangzeb selber als strenggläubiger Muslim jegliche Symbiose religiöser Art ablehnte. So nahmen die Meutereien unter seiner Herrschaft drastisch zu. Das Reich der indischen Moguln erreichte de facto unter Padischah Aurangzeb seine größte Ausdehnung. Allgemein wird mit seinem Tod der Beginn des Zerfalls und somit der Untergang des Reiches datiert. Sein nachfolgender Regent Bahadur Schah Alam schaffte es nicht, die verschiedenen politischen Fraktionen am herrscherlichen Hof und im Reich zu kontrollieren. Das Erstarken einzelner nichtmuslimischer Kräfte und die zunehmende Autonomie einzelner Provinzen innerhalb des Reiches unter dominanten Notabeln am Mogulhof werden in der bestehenden Forschungsliteratur gemeinhin als Anzeichen und Gründe eines Niedergangs des Mogulreiches gedeutet. Es ergibt sich an dieser Stelle die Frage, ob diese Entwicklungen als einziger Grund für den Niedergang des Reiches zu 3
verstehen sind, oder ob sich noch alternative Interpretationsmöglichkeiten bieten. Das Mogulreich hat glanzvolle Kunst und Miniaturmalerei sowie Poesie und Literatur hervorgebracht, welche für das vorliegende Buch jedoch keine wesentliche Rolle spielen, daher werden sie auch nicht im Detail behandelt. Desweiteren gab es während der ungefähr dreihundertjährigen Geschichte des Mogulreiches mehr als nur die oben erwähnten Mogulherrscher, die jedoch keinen bedeutenden Platz in der Geschichte der Machthaber Indiens eingenommen haben, daher werden diese auch nur vereinzelt erwähnt. Die in diesem Buch verwendete Literatur beruht u.v.a. auf neueren Forschungen, die weiter im Fluss sind. Infolgedessen kann man keine vollkommenen und abschließenden Antworten auf die Frage geben, wie das Mogulreich zur einer Hochkultur aufblühen konnte und warum es wieder zerfiel. Daher versteht sich das Buch - wenn auch nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit - als Erschließung der, und Ergänzung zur vorhandenen Forschung auf diesem Gebiet, die abgesehen von den wenigen Publikationen in den letzten Jahren ihren Höhepunkt bereits in den 1990ern erreicht zu haben scheint.
1.2 Sprache, Transkription und Literaturangabe Die Geschichte und Vorgeschichte des Mogulreiches umfasst geographisch betrachtet weite Teile Asiens, in denen verschiedene Volksstämme mit verschiedenen Sprachen und Dialekten aufeinandertrafen und sich vermischten. Insbesondere unter den Moguln blühte die Literatur und Sprachen wie Chagatay-Türkisch (Chagatay war der zweite Sohn Dschingis Khans), Sindhi, Panjabi, Pashto, Kaschmiri, Hindi, Bradsch, Purabi, Arabisch, Turki, Sanskrit-Hindi, Urdu und Persisch 4
fanden ihren Platz in der Historiographie, in volkstümlichen SufiVersen, Prosa, Poesie etc. Daher ist es angebracht, eine einheitliche Umschrift für eine bessere Lesbarkeit zu verwenden. Auf die wissenschaftliche Transkription (wie etwa die der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft) wurde hier verzichtet. Die englische Umschrift von Namen, Termini und Wörtern oben genannter Sprachen wurde eingedeutscht. Im Deutschen nicht oder anders gebräuchliche Laute sind: th dsch kh ch r z gh q w
stimmloses englisches th (thing) stimmhaftes italienisches g (giorno) stimmloses deutsches ch (Fach) stimmloses englisches ch (chance) gerolltes r stimmhaftes deutsches s (Riese) gutturales r tiefes k englisches w (water)
So heißt es nicht Jahangir, wie üblicherweise in der englischen Literatur verwendet, sondern Dschahangir, um ein Beispiel zu nennen. Wörter, die im Deutschen vertraut sind, werden in der üblichen Form belassen (z. B. Koran statt Qur’an). Vokallängungen wurden - mit Ausnahme bei der Literaturangabe - nicht berücksichtigt (z.B. Dschahangir statt Dschahāngīr). Erwähnt sei hier desweiteren, dass, um den Lesefluss nicht zu sehr zu unterbrechen, Endnoten anstelle von Fußnoten verwendet wurden, die für das Verständnis der Thematik allerdings nicht notwendigerweise beachtet werden müssen. Bei der Quellenangabe wurde ausschließlich die Kurzform gewählt. Die vollständigen Angaben finden sich im Literaturverzeichnis. 5
2. Bevor der erste Mogul kam 2.1 Ethnische Gruppen Welche ethnischen Gruppen existierten nun bereits, bevor der erste Mogul kam? Zum einen gab es dort die sogenannten Radschputen, deren Herkunft bis heute umstritten ist. Anzunehmen ist, dass verschiedene Stämme mit den Hunnen3 zusammen nach Indien gekommen waren, die sich unter dem Oberbegriff „Radschputen“ vereinigten. Mit den bereits heimischen tribalen Gruppen vermischten sie sich in Radschasthan und Gudscharat, die ebenfalls wenig hinduisiert waren. Der Überlieferung zufolge soll im Jahre 747 eine große Feuerzeremonie stattgefunden haben, dank der die Radschputenklane - rituell gereinigt – in der hinduistischen Kriegerkaste, der Kschatriyas, anerkannt worden seien. Es scheint einen Zusammenhang für ihren später erfolgten Aufstieg in Radschasthan mit dem Ausbau der künstlichen Bewässerungsanlagen und der Erweiterung der Landwirtschaft zu geben. Über diese Zeit ist nicht viel bekannt. Sicher ist, dass im 16. Jahrhundert viele Oberhäupter indogener Gruppen den Titel „Radschput“ angenommen hatten. Unter den Radschputen zu jener Zeit hat man sich einen sehr heterogenen Verbund von Kleinfürstentümern vorzustellen. Eine Hauptfigur der Radschputen war Rana Sanga (reg. 1509-1528), der sich an den Grenzen Radschasthans und Malwas von Khitawr aus in Mevar ein kleines Gebiet unter seine Herrschaft einverleiben konnte. Eine weitere, für den Verlauf der Geschichte des islamischen Indiens bedeutende ethnische Gruppe, die bereits vorhanden war, bevor der erste Mogul auf sie traf, war die der Afghanen, die unter den Lodis zu Tausenden nach Indien gekommen waren. Die Lodis ihrerseits waren ursprünglich ein afghanisch-indischer Stamm, der mit den Ghilzay4 verwandt ist. Die meisten dieser nach Indien migrierten Afghanen waren in Kleingruppen zusammengeblieben und stets bereit, auf Befehl 6
ihres Oberhauptes zusammen mit Ihren Frauen, Kindern, Zelten und Tieren loszuziehen, um sich einem vielversprechenden, erfolgreichen Heerführer anzuschließen. Die Haltung vieler afghanischer Gruppen gegenüber den Lodis war ambivalent, selbst wenn diese zu Sultanen wurden. Lediglich im Kampf gegen Lokalfürsten waren die Lodis bestenfalls ihre Partner. Zur Folge hatte dies, dass sich die Lodis mehr um die Beilegung der Auseinandersetzungen innerhalb der Stämme kümmern mussten, als sie sich der Ausweitung ihres Machtbereiches widmen konnten. Der Stammesführer Bahlul Lodi (reg. 1451-1489) hatte gute Führungsqualitäten, da er es schaffte, die afghanischen Notabeln einzubinden. Auch gelang es seinem Sohn und Nachfolger auf dem Sultansthron Sikandar Lodi (reg. 1489-1517) seine Autorität gegenüber den afghanischen Führern - deren Oberhaupt er ja nominell war - zu konsolidieren. Ganz anders sein Nachfolger Ibrahim Lodi: Er verfolgte eine Politik der totalen Unterwerfung gegenüber dem Herrscher und zwang seine afghanischen Kriegsherren zur Gefolgschaft. Dies hatte zur Folge, dass sich viele Notabeln für unabhängig erklärten oder sich anderen Herrschern anschlossen, also aus den Reihen der Lodis ausscherten. Der erste Mogul traf also auf eine Reihe von lose miteinander verbundenen Gruppen, die man vage als „Radschputen“ und „Afghanen“ bezeichnen kann. Hierbei bestanden sowohl komplexe tribale Allianzen als auch familiäre Verbindungen und häufig sogar militärische Zweckbündnisse. Es gehörte somit zu den politischen Hauptaufgaben eines Herrschers, diese auf dem Markt frei verfügbaren Gruppen für sich zu gewinnen, wobei die Bezahlung dieser ausschlaggebend war.5 Zu den „Radschputen“ und „Afghanen“ kamen im Norden des indischen Subkontinents zudem noch die Muslime hinzu. Wie diese dorthin gelangten, stellt das nachfolgende Kapitel dar.
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2.2 Die Anfänge der islamischen Kolonisierung Muhammad, der Prophet des Islams, verließ im Jahre 622 seine Heimatstadt Mekka, wo er zwölf Jahre lang seine Landsleute zum Glauben an den einen Gott, Schöpfer und Richter der Welt aufrief. Yathrib hieß seine neue Heimat, in die er kam und die bald „Stadt des Propheten“ (arabisch: medinat an-nabi) bzw. Medina genannt wurde. Im Jahre 630 gelang es ihm, seine Heimatstadt zurückzuerobern und diesmal reinigte er die Riten der Pilgerfahrt zu dem alten Heiligtum, der Kaaba, von paganen Zusätzen. Die Pilgerfahrt wurde Bestandteil eines Kanons von fünf religiösen Geboten, den sogenannten „Pfeilern des Islams“. Weitere Pfeiler des Islams sind das Glaubensbekenntnis „Es gibt keine Gottheit außer Gott, und Muhammad ist der Gesandte Gottes“, das fünfmalige tägliche rituelle Gebet, das Fasten während des Monats Ramadan und die Abgabe der „Armensteuer“. Muhammad starb zwei Jahre nach der Eroberung Mekkas in Medina und unter seinen ersten vier Nachfolgern, den „rechtgeleiteten Kalifen“, weitete sich das islamische Reich über den Irak, Syrien, Palästina, Ägypten bis nach Nordafrika aus, wobei Iran ebenfalls erobert wurde.6 Es bildeten sich verschiedene religiöse Richtungen im Islam. Zu Beginn sollen es an die hundert gewesen sein, von denen heute fünf zu den bedeutendsten gehören. Eine davon ist die Schi’at Ali, „die Partei Alis“, die in den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen nach der Ermordung des dritten der rechtgeleiteten Kalifen, Uthman, im Jahre 656 entstand. Ali, ein Cousin, Schwiegersohn und enger Gefährte Muhammads wurde sein Nachfolger, der allerdings nicht ganz unschuldig an der Ermordung Uthmans war gewesen sein soll. Nach längeren heftigen, auch militärischen Kämpfen um die Übernahme der Führung der islamischen Gemeinde, wurde Ali selbst von einem (womöglich übergelaufenen) Anhänger (Kharidschit) der Gegenpartei im 8
Jahre 661 ermordet. In der Folge verbreiten sich unterschiedliche Glaubensauslegungen, die bis heute von den Hauptströmungen des Islams abweichen. Die Schia nahm in späteren Jahrhunderten verschiedene Formen an – von den Zaiditen und Ismailis („Siebenerschiiten“) bis zu den heute noch in Iran herrschenden „Zwölferschiiten“, die die bedeutendste und zahlenmäßig größte Form der Schia bilden. Nach ihrer Auffassung herrsche der zwölfte Imam im Verborgenen, d.h., dass er von der Reichweite seiner Anhänger verschwunden sei und alles Unrecht beenden wird. Jegliche politische Herrschaft gilt eigentlich während seiner Abwesenheit als illegitim, selbst wenn der Herrscher Schiit ist.7 Unter der Dynastie der Omayyaden, die den „rechtgeleiteten Kalifen“ folgte, dehnte sich das Imperium weiter aus und mit der Machtübernahme der abbasidischen Kalifen von Bagdad (750-1258) beginnt die eigentliche Hochblüte des frühen Islam. Die Mystik, der Sufismus, entfaltete sich und fand ihren schönsten Ausdruck in der Dichtung. Die Wissenschaften wurden entwickelt und die Theologie verfeinerte ihre Methoden. Die vier orthodoxen Rechtsschulen der Sunniten (=Anhänger der prophetischen Tradition, sunna, und der Gemeinschaft) formten sich, von denen zwei, die Abu Hanifas und die Schafi’s, auch in Indien Fuß fassten. Eine südindische Legende besagt, dass ein König des Landes beobachtet hätte, wie sich der Mond zur Zeit des Propheten Muhammad gespalten hat. Bei näheren Erforschungen für die Ursache dieses Wunders habe er in Erfahrung bringen können, dass es vom Propheten Muhammad vollbracht worden sei (übrigens ein Ereignis, das auch im Koran erwähnt wird). Diese Legende, die in verschiedenen Varianten erzählt wird, lässt darauf deuten, dass es in frühislamischer Zeit an der Südwest-Küste Indiens muslimische Siedlungen (meist von Kaufleuten) gegeben haben dürfte. Obwohl es bereits seit Jahrhunderten Handelsbeziehungen mit den arabischen Gebieten gab und sich aus den ersten Handelsniederlassungen an der Konkan- und MalabarKüste später eine eigenständige muslimische Bevölkerung entwickelte, 9
die manche „indischen“ Bräuche beibehielt, kann als eigentlicher Beginn der islamischen Periode das Jahr 711 angesetzt werden, in dem der junge Muhammad ibn al-Qasim mit einer arabischen Gefolgschaft an die Indusmündung kam, um einige muslimische Frauen und Männer zu befreien, die - angeblich - verschleppt worden waren. Abschließend kann hier wohl nicht ausgesagt werden, ob jener Vorfall die Beweggründe für das Interesse am Industal gewesen waren, oder ob nicht ein Auftrag des ummaiyadischen Statthalters von Basra, jene Region zu unterwerfen, ausschlaggebend war. Schon zur Zeit des zweiten Kalifen Omar (634-644) hatten sich Vorhuten der Muslime bis ins untere Industal (Makran) begeben; doch als sie zurückkamen und dem Kalifen Bericht erstatteten, hieß es kurz und knapp: Wasser nur spärlich, Räuber gefährlich; ein kleines Heer wird verschwinden, ein großes kein Futter finden, und der Kalif fragte verwundert, ob dies ein sachlicher Bericht sei oder eine Reimprosa. Auf jeden Fall schaffte es Muhammad ibn al-Qasim, den südlichen Teil des Industales unter seine Herrschaft zu bringen. Die buddhistischen Einwohner mögen ihm dabei den Weg von der Südküste – nahe dem heutigen Karachi – bis nach Multan am Südrande des Fünfstromlandes geebnet haben, da sie sowieso eine große Aversion gegenüber der vor kurzem an die Macht gekommene Hindu-Dynastie hegten. Außerdem war seine Politik akzeptabel; alle Gebetsstätten sollen den gebührenden Anhängern der jeweiligen Religion gehören. Zudem gab er den Buddhisten und Hindus den Status von dhimmis, „Schutzbefohlenen“, der eigentlich (gemäß dem Koran) nur den Buchbesitzern, also den Christen und Juden gegeben wurde. Doch als muslimische Minderheit in einem riesigen Land wie Indien war sich Muhammad - wie auch die späteren Regenten in Delhi - dessen bewusst, dass die Einführung von sozialen Veränderungen in Maßen bleiben würde. Die Brahmanen wurden sogar von der dschizya (Tribut, Kopfsteuer) be10
freit. Vom kulturellen Leben jener ersten Jahrhunderte ist wenig bekannt. Um 900 ließ sich um Multan eine Gruppe von schiitischen Karmathen nieder, die Ismail, dem siebenten Imam, folgten. Doch vielmehr als die Schiiten waren es die Mystiker, die - zu Bruderschaften vereinigt - bei der Verbreitung des Islams in Indien eine große Rolle spielten. Eine weitere Welle der Islamisierung brachte Mahmud, der turkstämmige, streng sunnitische Herrscher von Ghazna im heutigen Afghanistan. Sein Reich erstreckte sich über den größten Teil der östlichen islamischen Welt. Seine Heere drangen bis nach Kathiawar (Halbinsel im Westen Indiens) vor und sein Vergehen, den großen Tempel von Somnath zu zerstören und mit reichlicher Beute zurückzukehren, brachte ihm den Ruf eines brutalen Tyrannen bei den Hindus ein, und den des wahren Monotheisten, der die Götzenbilder zerstörte, bei den Muslimen. Im Jahre 1017 machte Mahmud das eroberte Lahore zur Hauptstadt seiner nordindischen Provinz, wo sich bald ein lebhaftes kulturelles Leben entwickelte. Hadschwiri war der erste führende Mystiker, der das theoretische Werk über islamische Mystik in persischer Sprache nach Nordindien brachte. Er selber kam aus dem Volke Data Gandsch Baksch.8 Mu’inuddin Chischti aus Sistan war der erste wichtige Sufi-Meister in vielerlei Hinsicht, der damals nach Indien kam. Er war – wie die meisten Frommen seiner Generation – bei Abu Hafs Omar as-Suhrawardi in Bagdad in der Mystik ausgebildet worden. Dieser später entstandene Chischti-Orden (Chischtiyya), dessen besonderer Zug die Pflege von Poesie und Musik ist, blieb auf den indischen Subkontinent beschränkt und sollte in der Mogulzeit eine besondere Rolle spielen. Von den bereits erwähnten Gelehrten Abu Hafs aus Bagdad ging fast zeitgleich eine weitere Traditionskette in Indien einher, die Suhrawardiyya, die im Gegensatz zur Chischtiyya großen Wert auf Etikette und Ordnung legte. Sie hatte bereits großen Einfluss im Nahen Osten und wurde um 1200 in Indien eingeführt, und zwar in Bengalen und Multan.9 11
Nach und nach festigte sich in Indien die islamische Kultur mit ihren verschiedenen Facetten, die in ihrer Eigendynamik neue muslimische Gemeinschaften hervorbrachte und bereits Vorhandene beeinflusste. Dieser zum Teil eigenständige Prozess der Islamisierung ist wohl auch mit der Tatsache verbunden, dass bewusste, aktive Konversionen erfolgt sind. Nachstehend soll diese Gegebenheit genauer untersucht werden.
2.3 Muslimische Gemeinschaften Der Sufismus ist mit seinen mystischen Traditionen und Riten eine der wichtigsten islamischen Glaubensrichtungen auf dem indischen Subkontinent, der immer wieder als Eckpfeiler bei der Entstehung muslimischer Gemeinschaften angesehen wird. Wie Indien jedoch über die Jahrhunderte islamisiert worden ist, konnte bislang nicht überzeugend dargelegt werden. Es gibt verschiedene Theorien, die versuchen, diesen Islamisierungsprozess zu begründen. Eine Theorie ist die beabsichtigte Unterwerfung der Muslime derjenigen, die in „Heiligen Kriegen“ geschlagen worden waren. Mit Gewalt ist dann die Konversion erzwungen worden. Die Vertreter dieser Theorie sind der Meinung, dass eine Gesellschaft ihre religiöse Identität ändert, weil sie mit Gewalt dazu gezwungen wird. Wie sich dieser Prozess allerdings in der Praxis vollzogen haben soll, wird nicht näher erläutert. Ein einschneidendes Argument gegen das Szenario der gewaltsamen Konversion ist jedoch, dass in den Gebieten, in denen die meisten Hindus zum Islam übertraten, mit den Regionen übereinstimmen müsste, in denen die islamische Herrschaft am längsten währte. Das Gegenteil war der Fall: Die Gebiete mit der höchsten Konversionsrate – der westliche Punjab und das östliche Bengalen liegen am Rande bzw. außerhalb des Delhi-Sultanates. Die Zahl der 12
Konversionen in den Zentralregionen hingegen - d.h. den nördlichen Ebenen um den Ganges - ist indessen viel kleiner gewesen. Die zweite Theorie besagt, dass die Bekehrung nicht aus Überzeugung erfolgte, sondern aus rein pragmatischen Gründen. Man erhoffte sich entweder bessere Aufstiegschancen oder eine Besserung der eigenen wirtschaftlichen Lage. Desweiteren empfand man das eigene Gesellschaftssystem als einschränkend. Sicherlich sind immer wieder vereinzelt Personen zum Islam konvertiert, um Steuervorteile zu genießen oder um bessere Karrierechancen zu bekommen, doch hier von einer Massenbewegung zu sprechen, wäre recht übertrieben. Eine wichtige Gruppe von Konvertiten waren sicherlich diejenigen Personen, die für Muslime arbeiteten und im Laufe der Jahre die Religion ihrer Dienstherren annahmen. Später brauchte die muslimische Aristokratie die Unterstützung dieser Männer auf sämtlichen Ebenen der Verwaltung. Zum Teil lässt sich mit dieser These die Islamisierung im Kernland erklären, aber auch hier bleibt die Frage unbeantwortet, wie es zu Massenübertritten zum Islam in den Randzonen kam. Eine weitere Theorie ist die „Befreiungstheorie“: Viele Hindus hätten das Kastensystem als diskriminierend und starr empfunden, infolgedessen sie massenhaft zum Islam konvertiert seien, um somit der brahmanischen Unterdrückung zu entkommen. Doch auch diese These ist sehr fragwürdig, zumal das Kastensystem in Bengalen und im Punjab nicht verbreitet war. Ferner besteht die Theorie, dass die ansässige Bevölkerung die neue Religion des Islams aufgrund sufischer Überzeugungsaktivitäten annahm. Allerdings bestehen unterschiedliche Interpretationen von der Rolle des Sufismus bei der Bekehrung.10 Richard Eaton geht davon aus, dass die ersten Mystiker der Gegend, die er als „frontier region“ (Grenz- bzw. Frontregion) bezeichnet, „warrior sufis“ bzw. „warrior adventurers“ gewesen seien, die sich mit entsprechenden Gruppierungen in Anatolien im 14. und in Iran im 15. Jahrhundert vergleichen 13
ließen.11 Plausibler scheint die These von Carl Ernst zu sein, der am Beispiel des Sufismus in Khuldabad in der Nähe von Dawlatabad darlegt, wie sich das Bild der Chischtis (siehe oben) in den Quellen im Laufe der Zeit wandelt. Die Chischtis, die teils einem urbanen Milieu entstammten, teils aber auch als asketische Lehrer wirkten, hatten zwar im Prinzip nichts gegen das Soldatentum einzuwenden, dennoch kann man den zeitgenössischen Quellen keinerlei Militanz oder gar missionarische Anstrengungen entnehmen.12 Festgehalten werden soll jedoch an dieser Stelle, dass es trotz der nicht vorhandenen aktiven Mission eine - wenn auch nur relativ geringe - Ausstrahlung auf die umliegenden hinduistischen Gruppen gegeben hat. Wenn in späteren Hofchroniken oder Hagiographien die Sufis als militante Kraft betont wurden, dann hat dies zum einen den Grund, dass im Laufe der Zeit Militärführer und Nichtsufis zu Heiligen proklamiert wurden und somit deren militärische Unternehmungen Bestandteil ihrer Heiligkeit wurden. Andererseits zeichnete der imperiale Diskurs gerade des Mogulreiches das Bild der Sufis als Verkünder ihrer Herrschaft. Um die eigenen Eroberungen zu legitimieren, wollte man die Aura der sufischen Heiligkeit nutzen. Die Rolle der Sufis entsprach der der Agenten imperialer Expansion.13 Eine Quelle für Neubekehrungen sind die Mischehen zwischen Muslimen und indischen Frauen, wobei die Kinder muslimische Erziehung genießen, zumal nach dem traditionellen islamischen Recht, der Scharia, ein Muslim eine Frau aus den Reihen der „Schriftbesitzer“ ehelichen kann. Doch auch hier findet sich keine Spur solch massenhafter Mischehen. Gemäß einer neueren Theorie schob sich der Islam mit der Erweiterung des landwirtschaftlichen Nutzgebietes vor, indem er die auf niederster Kulturstufe stehenden Stämme der neukultivierten Gebiete gewann. Da die islamische Kultur jedoch eine weitgehend urbane Kultur ist und die Bewohner ländlicher Gebiete wenig von der Präsenz neuer Herrscher in den Städten spürten, kann sich auch diese
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These nicht halten, denn es steht außer Zweifel, dass die Zentren islamischer Macht in den Städten lagen.14 Der Übertritt von einer Religion in eine andere, wie in die des Islams, ist ein sehr schwieriges Thema, insbesondere wenn man das Augenmerk auf die Randgebiete islamischer Herrschaftsbereiche richtet. Nun soll an dieser Stelle ein weiterer Gedanke zur Erschließung dieser Thematik ausgeführt werden: So kam es an den Randzonen des islamischen Reiches oftmals zu synkretistischen Vermischungen und es gab in vielen Gegenden niemals eine klare Trennung hinduistischer und muslimischer mentaler und religiöser Räume. Zur Veranschaulichung soll hier ein Beispiel angeführt werden: In Bengalen vollzog sich eine langsame, aber fortwährende Verschmelzung muslimischer und hinduistischer Vorstellungen, die dazu führte, dass gerade in ländlichen Gebieten kleine Moscheen und muslimische Heiligtümer gebaut wurden. Anfangs wurden allerdings islamische Symbolfiguren in der lokalen bengalischen Kosmologie neben regionalen Gottheiten akzeptiert, woraufhin sich diese Träger der Göttlichkeit vermischten, so dass etwa unter der muslimischen Gottesvorstellung allah und der hinduistischen Allgöttlichkeit niranjan ein und dasselbe zu verstehen ist. Letztlich überwogen die muslimischen Vorstellungen die regionalen Konzepte, ohne diese jedoch zu ersetzen, vielmehr entstand etwas Neues, Eigenständiges, unter dem Banner des Islams. Eine Sammlung bengalischer muslimischer Handschriften aus jener Zeit verdeutlicht das Werden einer solchen synkretistischen bengalischen Vorstellungswelt. Dieses muslimische Schrifttum zeigt den subtilen Versuch seiner Verfasser, über islamische Traditionen in Begriffen zu berichten, die für die Gläubigen Bengalens von Bedeutung sind. Desweiteren kann man den Schriften entnehmen, dass man Charaktere der muslimischen Traditionen im historisch-mythischen Bereich enger an das kulturelle Milieu Bengalens integrierte, indem in den puranischen Traditionen Parallelen für die muslimischen Geschichten gesucht wurden. Hierbei mag das deutlichste Beispiel sein, dass Anstrengun15
gen unternommen worden sind, den Propheten (Muhammad) selbst mit vergleichbaren Symbolfiguren hinduistischer Tradition in Bezug zu bringen. Ein weiteres Feld, auf dem Anstrengungen seitens der Autoren unternommen wurden, um eine Kongruenz zwischen islamischen und regionalen Traditionen zu suggerieren, ist die Mystik. Einerseits wird hier eine Verbindung zwischen der klassischislamischen Variante des bedeutenden und einflussreichen Mystikers Ibn Arabi (1165-1240) und andererseits den lokalen Formulierungen, Symbolen und Techniken aus der yoga-tantrischen Tradition hergestellt. Das Grundprinzip ist die Vorstellung eines nur etappenweise zu bewältigenden mystischen Pfads zu Gott, der unter der Obhut eines kompetenten und inspirierten Meisters beschritten wird. Darüber hinaus hat dieser Synkretismus beider Traditionen eine eigenständige Literaturgattung hervorgebracht; poetische Kompositionen in Mittel-Bengalisch in Form des pada-Stils (kurze Gesänge visnuitischer Herkunft), der tief in der Region verwurzelt ist. Zusätzlich zu diesen recht anspruchsvollen Werken gibt es eine Volksliteratur, die ohne große theoretische Kenntnisse islamische Vorstellungen rechtfertigt und mit regionalen Gegebenheiten zu verbinden versucht. Dass das bengalische Volk regionale, hinduistische Gottheiten in solche Heilige umwandelte und diese über übernatürliche, segenbringende und heilende Kräfte verfügenden Personen auf diese Art und Weise zu zentralen Figuren bei der Islamisierung Bengalens machte, ist oft zu beobachten, zumal im Mittelpunkt dieses Schrifttums Leben und Taten imaginärer oder wirklicher Heiliger (pir), also der populärsten Objekte alltäglicher Verehrung, stehen. Die gewöhnliche Sichtweise, den Islamisierungsprozess auf lokaler Ebene mit dem Maß des klassischen Islams zu messen, wird einem sehr kreativen und komplexen Vorgang der kulturellen Interaktion zwischen einer von außen kommenden Religion und einer indigenen Kultur nicht gerecht. Für das bengalische Volk war die Kultur der arabisch-persischen Eindringlinge nicht überzeugend und so mussten 16
muslimische Autoren für die Vermittlung ihrer Vorstellungen eine Sprache, in zweifacher Hinsicht, zu Kommunikationszwecken entwickeln. Einerseits sahen sie sich gezwungen, sich lokale Idiome anzueignen, andererseits sahen sie sich mit der Aufgabe konfrontiert, islamische Konzepte mit bengalischen Traditionen zu verbinden. Die damit entstandene Volksliteratur und insbesondere die Bereitschaft einer großen Zahl von Bengalis, sich mit dem anfänglich fremden Glauben zu identifizieren, zeigt, dass sie Erfolg hatten. Zu betonen sei hier allerdings, dass es nicht überall eine synkretistische, friedliche muslimisch-hinduistische Kultur gegeben hat. Die Teilnahme etwa von Hindus an muslimischen religiösen Aktivitäten schloss nicht aus, dass es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen in der gleichen Region kommen konnte.15 Wir haben nun gesehen, wie sich muslimische Gemeinschaften gebildet haben könnten. Das nachfolgende Kapitel soll die imperialistischen Bestrebungen der muslimischen Eindringlinge und den Weg, den sie dabei zurückgelegt haben, näher darlegen.
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3. Zahiruddin Babur (1483-1530) und Nasiruddin Humayun (1508-1556) 3.1 Von Zentralasien nach Indien Mehr als zweieinhalb Jahrhunderte waren vergangen, seit Dschingis Khan (gest. 1227) mit seinen Mongolen im Jahre 1221 aus den ostasiatischen Weiten heraus in die Länder des Syr-Darja und des Amu-Darja - des Jaxartes und des Oxus der Antike - eingebrochen war und das muslimische Choresm-Reich zerschlagen hatte, das sich vom Pamir bis zum Kaspischen Meer erstreckte. Vierzig Jahre später hatte ein Enkel Dschingis Khans namens Hulagu alle Gebiete westlich des Oxus bis dicht an das Mittelmeer unter seine Kontrolle gebracht; und es war nur die Macht der ägyptischen Mamluken16 und der Beginn von Interessensgegensätzen unter Dschingis-Khans Nachkommen, die ihn davon abhielten, seine Eroberungszüge fortzuführen. In dem Drang gehemmt, ihren Machtbereich noch weiter auszudehnen, mussten die Mongolen ein neues Problem, nämlich das bereits annektierte Land im Zustand der Unterwerfung zu halten, lösen. Sie teilten das Land in Provinzen und Distrikte ein, die von verschiedenen Statthaltern, Kommandanten und Emiren regiert wurden. In jedem Gebiet wurden den Mongolenhorden Weideplätze zugewiesen, damit sie ihr Nomadenleben weiterführen konnten und immer zur Stelle waren, wenn ein Aufstand niedergeschlagen werden sollte. In den nachfolgenden Generationen traten immer mehr von Hulagus Nachkommen und von mongolischen Adligen zum Islam über und, wie es so oft in der Geschichte Vorderasiens geschah, gewann die alte persische Zivilisation immer mehr Einfluss auf die Nomadenherrscher. Sie begannen sich mit Gelehrten und Dichtern zu umgeben und Wissenschaft und Kunst zu fördern; und da sie sich nicht mehr durch Eroberungskriege auszeichnen konnten, begannen sie, zum Ruhme ihrer Herrschaft Paläste und Städte zu errichten. Jedoch erklärten sich 18
die mittlerweile so zahlreichen Emire und Vasallen verschiedener Provinzen innerhalb des mongolischen Reiches weitgehend für unabhängig und gewannen auf diese Art die wirkliche Macht, bis es so weit kam, dass sich einer von ihnen stark genug fühlte, irgendeinen Nachkommen Dschingis Khans zum Khan, also zum Herrscher auszurufen – denn nur ein „Dschingiside“ durfte den Herrschertitel tragen. In seinem Namen begann er dann, seine Nachbarn zu bekriegen, um ihre Gebiete in seine Gewalt zu nehmen. Innerhalb eines jeden Machtbereiches befehdeten sich die Anführer der einzelnen Stämme oder verschworen sich gegen ihren Emir. Dies hatte zur Folge, dass nach weniger als einem Jahrhundert das von Hulagu begründete Reich zerfiel. Turkestan, das arm an Städten und reich an Steppen ist, verwandelte sich bald völlig in ein Nomadenland und das stark bevölkerte und handelskräftige Transoxanien, also das Landgebiet des AmuDarja und des Syr-Darja, war mit seinen vielen Städten schon immer ein Raubziel für die Nomaden aus dem Osten gewesen.17 Am 22. September 1398 erreichte - wieder einmal - ein mongolisches Heer das Ufer des Indusstromes, der ersten natürlichen Grenze, die Indien nach den Gebirgspässen Afghanistans schützt. Nachdem es zwei Tage später eine schwimmende Brücke aus Booten fertiggestellt hatte, zog es gen Osten weiter. Diese Nachricht hätte unter normalen Umständen in Delhi keine besondere Beunruhigung ausgelöst, zumal schon seit beinahe zwei Jahrhunderten alle paar Jahre mongolische Räuberhorden in das Fünfstromland – Pandschab – eindrangen. Sie waren ein ständig wiederkehrendes Ärgernis, doch bei entscheidenden Schlachten wurden diese immer wieder besiegt. Wenn diese als Feinde kamen, dann betrachtete man sie als abscheuliche, aber letzten Endes als minderwertige Wilde. Ein vorübergehend in die Gefangenschaft dieser mongolischen Räuber geratener Dichter namens Amir Khusrau, dessen Vater einer türkischen Familie entstammte, die Jahrzehnte zuvor 19
vor den Mongolen nach Indien flüchteten, kehrte mit der Kunde zurück, dass ihre raue Haut nur für Schuhleder geeignet schien und ihre Körper mit Läusen übersät sei, gleich Sesam, der auf kümmerlichem Ackerboden wächst. Unter normalen Umständen also hätten sich die Machthaber Delhis keine allzu großen Sorgen gemacht. Die Umstände waren jedoch 1398 bei weitem nicht normal. Einerseits stand nicht so recht eindeutig fest, wer Herrscher über Delhi war. Seit dem Tod von Schah Firus zehn Jahre zuvor war das Reich durch rivalisierende Thronaspiranten zerrüttet und nun gab es zwei Marionettenkönige, die ihrerseits von noch einflussreicheren Adligen bevormundet wurden. Andererseits stand die neueste mongolische Streitmacht unter der Führung keines Geringeren als Timur (gest. 1405), eines Häuptlings des turkmenischen Barlas-Stammes, dessen Hinken ihm den Namen Timur-i Leng oder Timur der Lahme eingebracht hatte; eine Verballhornung dieses Spitznamens machte ihn im ganzen Westen unter dem Namen Tamerlan bekannt. Fünf Jahre zuvor hatte er Bagdad eingenommen und drei Jahre war es her, dass seine Horden Russland bis zweihundert Meilen vor Moskau verwüsteten. Indien hatte sich seit 1221 nicht in solch einer Gefahr befunden, als Dschingis Khan persönlich dieselbe Gegend am Indusstrom erreichte. Jedoch machte Dschingis Khan aufgrund der bereits angedeuteten Umstände dort Halt. Timur jedoch zog ohne Unterbrechung weiter nach Süden und Osten und hielt nur inne, um unterwegs Städte auszuplündern. Einige konnten sich mittels Lösegeld eine vorläufige Verschonung erkaufen, aber in aller Regel war irgendeine Meinungsverschiedenheit Grund genug, um ein allgemeines Massaker, „als Strafe für frühere Verbrechen“, anzurichten. Er konnte sich ohnehin kein „gutes Benehmen“ leisten, da die Gefolgschaft seiner Soldaten – wohlgemerkt in einer mittelalterlichen Streitmacht davon abhing, ob er ihnen reichlich Gelegenheit zur Plünderung gab, zumal diese weit entfernt von ihrer Heimat waren. Nach zahlreich angerichteten Blutbädern erreichte Timur Anfang Dezember die Umge20
bung von Delhi. In der Hauptstadt herrschte nun der Aristokrat Mallu Khan, der einen der beiden Marionettenkönige, Schah Mahmud, gefangengenommen hatte und in dessen Namen regierte. Am 12. Dezember wurde ein von Timur selbst geführter Spähtrupp von Mallu Khan angegriffen. Die Folge des Angriffs, den man ohne Mühe niederschlug, war ein Gemetzel, bei dem 50 000 Inder ihr Leben ließen. Timur befahl jedem seiner Gefolgsleute, ihre erwachsenen männlichen Gefangenen umzubringen. Noch zur selben Stunde war der Befehl ausgeführt, wobei sogar ein alter Priester, „der es noch nie über sich gebracht hatte, auch nur ein einziges Schaf zu töten“, gezwungen wurde, mit Hand anzulegen. Nach einer großen Schlacht um die Stadt Delhi, in der Timurs Soldaten Schah Mahmuds und Mallu Khans Elefanten, Pferden und Fußsoldaten gegenüberstanden, ging Timur als Sieger hervor und zog bald in die Stadt als neuer Gebieter ein. Die gefangenen Elefanten wurden ihm vorgeführt und bald darauf ordnete Timur an, dass sich seine Geistlichen in die große Moschee begeben sollen, um dort in seinem Namen die Khutba, die Freitagmittagpredigt, zu halten, während sich seine Schatzbeamten daran machten, das Lösegeld einzutreiben. Die Chroniken sind sich darüber uneins, wie sich die Lage aus diesen geordneten Anfängen so verschlechtern konnte, dass die Stadt in Flammen stand und Plünderungen einfacher Soldaten ausgesetzt war, die nicht davor zurückschreckten, so wird berichtet, sogar ärmeren Frauen ihr Gold und ihr Geschmeide wegzunehmen. Diese Ereignisse brachten Timur indessen nicht davon ab, weiter zu feiern. Seine Taktik war es, unter den Gefangenen die Handwerker und die berühmten Steinmetze herauszusuchen, die ihre Fähigkeiten in Kunst und Architektur gebrauchen sollten, um seine Hauptstadt Samarkand in Transoxanien zu verschönern. Nachdem Timur weitere 10 Tage in der Nähe von Delhi residierte, kehrte er mit einer bis dahin noch nicht gekannten Beute heim. Timur und seine Gefolgschaft hinterließen innerhalb kürzester Zeit ein Leichenfeld, das in der Geschichte Indiens ohne Beispiel war. 21
Infolge der Zerstörungen seiner Truppen brachen Hungersnöte aus und aufgrund der zurückgelassenen Leichen verbreitete sich die Pest. Es hieß, dass sich in Delhi zwei Monate lang kein Leben regte, nicht einmal ein Vogel. Die verschleppten Handwerker und Steinmetze wurden in eine Gemeinschaft in Samarkand eingegliedert, die bereits Architekten, Kalligraphen und Maler aus Persien umfasste. Timurs Abzug aus Delhi im Jahre 1399 bedeutete, dass die Stadt, wohl zu ihrem Glück, ein Jahrhundert lang nichts mehr von seiner Familie sah. Doch als sie wieder zurückkehrte, kam sie, um zu bleiben. Allerdings hatte sich, um es mit den Worten Gascoigne zu beschreiben, der Charakter der Familie gewandelt. Abgesehen von der Fähigkeit, in Schlachten als Sieger hervorzugehen, war die einzige Eigenschaft, die sie offenbar von ihrem furchteinflößenden Vorfahren geerbt hatte, seine Vorliebe für Gelehrte und sein leidenschaftlicher Hang, die Hauptstadt zu verschönern. Ihre Art und Weise zu herrschen war weniger von Sklaverei geprägt, als durch das Verlangen, schöpferisch zu wirken. Dadurch gewann sie in ihrer Existenz eine nahezu alles überragende Bedeutung. Wo er den Drang dazu hatte, der Welt Furcht einzuflößen, schienen sie sie eher beeindrucken zu wollen.18 Inzwischen hatte ein gewisser Umar Schaykh Mirza (gest. 1494) ein Reich in Fergana am Syr-Darya - einer kleinen aber fruchtbaren Provinz östlich von Samarkand - aufgebaut. Er konnte seinen Herrschaftsanspruch gut begründen, da immerhin in vierter Generation eine direkte Verwandtschaft mit Timur bestand, nämlich über dessen dritten Sohn Dschalal ad-Din Miranschah Mirza (gest. 1408), und seine Frau Qutlug Nigar Khanum war eine direkte Nachfahrin von Dschingis Khan. Am 14. Februar 1483 wurde dem Paar ein Sohn geboren, der den Namen Muhammad Zahiruddin, „Verteidiger, Rückhalt des Glaubens“ erhielt. Der Glaube war allerdings im Osten der „islamischen Welt“ und der „zivilisierten Welt“ eine durchaus eigene Sache. Zwar hatten auch an Fürst Umars Hof religiöse Gelehrte, Mullahs, die Oberhand, doch der Koran galt weniger als religiöses Pflichtübungs22
buch denn als Orakel: Schlug man ihn mit geschlossenen Augen auf, konnte man aus dem Zufall unweigerlich die Zukunft lesen. Auch die gläubige Seele stieg nicht direkt zu Allah auf, sondern wurde nach alter Steppentradition ein Falke. Auf jeden Fall hieß es, dass dieser Name für die Mongolen schwer auszusprechen gewesen sei und so nannte man ihn kurz Babur (aus dem persischen babr), den Tiger. Unter diesem Namen fand der Nachkomme sowohl Dschinigis Khans als auch Timurs seinen Platz in der Geschichte. Eines Tages stieg Umar Shaykh hoch auf die äußere Palastmauer der felsigen Festung von Akschi, auf der er - als leidenschaftlicher Taubenliebhaber - ein Taubenhaus aufgebaut hatte. Doch zerbröckelte die Felswand unter seinen Füßen, so dass „Umar Schaykh Mirza zusammen mit seinen Tauben und dem Taubenschlag in den Abgrund stürzte und seine Seele sich in einen Gerfalken verwandelte“.19 Der mittlerweile elfjährige Babur wurde zum Herrscher erklärt und die Emire verstärkten die Verteidigungswerke, da für gewöhnlich dem Fall einer Stadt, Raub und Mord folgten. Babur selber haben wir ein Buch zu verdanken, in dem er seine Erinnerungen über Jahrzehnte hinweg niederschrieb. Es ist in ChagatayTürkisch verfasst und es hat ungefähr hundert Jahre gedauert, bis es nach der ersten englischen Übersetzung endlich ins Deutsche übertragen wurde. Äußerst ungewöhnlich ist es, dass überhaupt ein islamischer Herrscher sein Leben selbst erzählt und noch ungewöhnlicher ist es - so wird es überliefert - dass es seine Absicht war, wahrheitsgetreu aus den Erinnerungen heraus zu berichten. So schreibt Babur selbst von sich, „halte ich streng darauf, in allem die Wahrheit zu sagen und über jede Tat so zu berichten, wie sie geschah. In diesem Sinne habe ich notwendigerweise sowohl von den guten als auch den schlechten Taten meiner Väter und Brüder gesprochen und von den Stärken und Schwächen berichtet, ob von Angehörigen meiner Familie oder von Fremden“.20 Erwähnt sei hier also, dass sein Babur-nama, „das Buch 23
der Ereignisse des Babur“, für geschichtliche Forschungen als ein authentisches Schriftwerk dient. Babur sah nun, dass er lediglich einer unter vielen Kleinfürsten in einem Konglomerat von Provinzen war, die von seinen Onkeln oder Vettern unterschiedlicher Verwandtschaftsgrade regiert wurden. Alle diese Fürsten ließ man von Timur abstammen. Die Grenzen standen nicht so recht fest und wurden eher durch das Gesetz des Stärkeren bestimmt. Schnell kam aus Samarkand sein Onkel Ahmad Mirza, um Fergana in sein Reich heimzuholen. Doch die Offiziere seines Vaters entschieden, dem Jungen das Land zu erhalten – ein Kind als Herr war ja schon immer eine bequeme Angelegenheit. Doch bevor Ahmad Mirza noch die Festungsmauern erreichte, erkrankte er und musste umkehren und starb bald darauf. Ahmads ältester Sohn wurde in Samarkand sein Nachfolger, der ihn allerdings mit einem Schein-Friedensschluss, indem er ihm mit einer großen Gesandtschaft Geschenke zukommen ließ, täuschen wollte. Noch in der gleichen Nacht unternahmen die Gäste einen Überfall auf die Festung Baburs, doch in der Dunkelheit erschlugen sich die Feinde hauptsächlich einander. Ahmads trickreicher Sohn machte sich indessen in Samarkand unbeliebt und wurde höchstwahrscheinlich erschlagen, woraufhin sein ehemaliger Sultan neuer Wesir wurde. Dessen Platz auf dem Thron wurde ca. 100 Tage lang von dem nun vierzehnjährigen Babur eingenommen, als dieser wegen eines Kleingeplänkels im Westen eines Tages ausreiten musste. Babur nutzte die Gelegenheit und belagerte die Festung. Als nun der Wesir am Abend wieder zurückkam, blieben ihm alle Tore verschlossen. Babur erließ Steuernachlässe, um sich im Volk beliebt zu machen, doch dies hatte zur Folge, dass die „Staatskasse“ leer wurde und er seine Soldaten nicht mehr bezahlen konnte, die sich daraufhin reihenweise davonmachten. Hinzu kam, dass in Fergana der Usbekenführer Schaybani Khan (gest. 1511) dabei war, Baburs Heimat seinem Reich einzuverleiben. Diese doppelte Bedrängnis führte dazu, dass Babur 24
seine Vormachtstellung nicht mehr halten konnte. Er verlor Samarkand und Fergana und es blieb ihm die winzige Festung Khuschand im unfruchtbarsten Gebiet zwischen Fergana und Samarkand. Seine Gefolgschaft belief sich auf zwei-, dreihundert Mann. In seinem Bestreben, seinen Machtbereich zu erweitern, ritt Babur täglich mit seinen an der Zahl dürftigen Getreuen ungefähr vierzig bis fünfzig Meilen in irgendeine Richtung, um einzelne Festungen zu stürmen und zu belagern. Dies verlief im Großen und Ganzen erfolgreich, dennoch bezahlten einige seiner Begleiter mit ihrem Leben. Babur hatte nun seinem Halbbruder einige Festungen abnehmen können und zusätzlich zu dieser Eroberung verbuchte er noch moralische Erfolge; einzelne Mitglieder seiner Familie zogen zu ihm, darunter seine Mutter und Großmutter und einige Hofdamen. Bald heiratete der sechzehnjährige Babur die fünfzehnjährige Tochter seines Onkels Aischa Sultan Begum. Mittlerweile drängten Familie und Offiziere zu einem Kompromiss zwischen den Brüdern, da Babur ihnen inzwischen sehr viel Land weggenommen hatte. Samarkand war derweil unter der Kontrolle Schaybani Khans. Die Brüder einigten sich darauf, Fergana gemeinsam zu regieren und Samarkand zu erobern. In einer Nachtaktion zog Babur in die Festung von Samarkand ein und wurde gefeiert, zumal die meisten Leute unter der nachlässigen Regentschaft Schaybanis, der sein Lager außerhalb der Stadt aufgebaut hatte, sehr unzufrieden waren. Schaybani erfuhr erst viel zu spät von der Belagerung und sein Versuch, mit 140 Mann die Stadt wieder unter seine Kontrolle zu bringen, misslang vorerst. Einige Zeit später kam Schaybani wieder zurück, diesmal mit einer richtigen Armee. Babur blieb nichts anderes übrig, als ihm den Herrscherplatz zurückzugeben. So wurden die Timuriden aus Timurs Kernland ein für alle Mal vertrieben. Babur litt Hunger und zog verirrt durch die Gegend. Die nächsten drei Jahre reichten Baburs Kräfte nur noch für Viehräuberei. Zwei,- bis dreihundert Mann zogen jedoch weiterhin mit ihm, Abenteurer, die sich von 25
dem klugen Jungen noch viel erhofften. Er verließ das Land seiner Väter für immer und suchte im persischen Khorassan Exil. Ein angereister Verwandter berichtete, dass in Kabul gerade ein Thron frei geworden war, auf dem vor kurzem ein Kind, ein Timuride, geherrscht hatte und der von einem Nomadenhäuptling aus Qandahar im Handstreich übernommen worden sei. Er habe dazu nicht mehr Männer benötigt, als Babur für Samarkand gebraucht hatte. Baburs „timuridischer Gerechtigkeitssinn“ empörte sich gegen derlei und er beschloss kurzerhand, Kabul einem rechtmäßigen Eigentümer zuzuführen, nämlich ihm selbst. Sein guter Ruf, der ihm schließlich auch in seinen schlechtesten Zeiten gefolgt war, zahlte sich aus und innerhalb weniger Tage verzehnfachte sich seine Streitmacht. Da sich für Babur eine Chance zeigte, schien Krieg auf seiner Seite lohnend zu sein, wohl wert, sich selbst einzubringen und so liefen ganze Truppenteile ihren sonstigen Herren davon und schlossen sich ihm an. Babur war beim Volk nur beliebt, weil es unter seinem Kommando nie zu Plünderungen oder Räubereien kam, wobei er einige Mühe hatte, diese Ordnung unter seinen neuen Verbündeten zu halten. Diese konnten sich an die für sie neue Disziplinierung erst gewöhnen, als Babur einigen der Wildesten und Unfügsamsten den Kopf abschlagen und ein Dutzend anderer totprügeln ließ. Im Oktober 1504 besetzte Babur ohne den geringsten Widerstand Kabul. In der Zitadelle auf dem Zwei-Adler-Berg gerade oberhalb des Bazars zog Babur ein. Er merkte, dass er Herrscher einer wirklichen Weltstadt geworden war: Kabul war die wichtigste Handelsstation auf dem Landweg nach Indien. Gehandelt wurden Sklaven, Zucker, Baumwolle, Gewürze und die Luxusgüter Persiens, Indiens und Chinas, wobei mindestens zehn Sprachen auf dem Markt kursierten. In Andidschan, der größten Stadt seines Geburtslandes Fergana, sprach jeder Turki. In Kabul entdeckte er Arabisch und Persisch vom Westen her, Hindu vom Osten, Turki und Mongolisch vom Norden und einige verschiedene lokale Sprachen. Obwohl Alkohol nach der gängigsten Meinung für gläubige Muslime 26
verboten ist, trank Babur gern und überreichlich. Schließlich ist Alkohol ein arabisches Wort und bedeutet „das Edelste“. Allerdings wurde der Wein nicht aus Trauben gewonnen – die Turki gelten zu Recht als Erfinder des Apfelweins, den sie Cidar21 nannten. Von ihnen lernten die Kreuzfahrer diese geistvolle Verwendung von Fallobst und daran erinnert das englische Wort Cider ebenso wie das Französische Cidre. Babur erfuhr erst in Kabul, dass man Wein auch aus Trauben herstellen kann. Er war sogar so begeistert vom Wein, dass er folgenden Vers an die Mauer seiner Zitadelle einmeißeln ließ: „Trink Wein in Kabuls Zitadelle, und rastlos lass kreisen den Becher, Denn Kabul ist Berg und ist Meer, ist Stadt und Ebene zugleich“.22 Und er verstärkte den Weingenuss durch Hinzufügungen von Opium und Hanfgebräu. Babur galt als wahrer Literat und entwickelte sogar eine eigene Schriftart, die khatt-i baburi23. Doch seine wahre Leidenschaft galt dem Gartenbau. Er ließ acht Gärten in der Umgebung von Kabul anlegen. Für eine ausgezeichnete Hofhaltung, wie Babur es sich wünschte, reichte jedoch weder dies noch das Steueraufkommen von Kabul. Die Stadt war zwar reich, doch begnügte er sich mit weniger als einem Viertel und damit konnte er keine Armee durch einen langen Frieden versorgen.24 Die in der Umgebung von Kabul lebenden afghanischen Stämme erwiesen sich zwar nicht immer als loyal, aber solange Babur erfolgreich war, hatten sie keine Probleme damit, ihn als Befehlshaber anzuerkennen. So schaffte es Babur, seine Herrschaft zu festigen und auszuweiten. Im Jahr 1505 bat ihn sein Onkel Sultan Husayn Mirza Bayqara, der in Herat residierte, um Hilfe gegen die Usbeken. Da Babur der einzige timuridische Herrscher in dieser Zeit war, kam er seiner Bitte nach. Doch bevor Babur die Stadt erreichte, starb sein Oheim. Dennoch blieb 27
er eine Zeitlang in der Stadt. Hier lernte Babur die urbane timuridische Hofkultur kennen. Er kam vor allem mit den literarischen Werken des weithin berühmten türkischen Dichters Mir Ali Scher Vava’i (gest. 1501), in dessen ehemaliges Haus er sich einquartierte, in Kontakt. Als Babur 1506 nach Kabul zurückkehrte, fiel Herat in die Hände der Usbeken. Inzwischen gelang es Babur, Qandahar zu erobern, doch dessen ungeachtet zog er sich in die Berge zurück, als ihm zu Ohren kam, dass Schaybani Khan - der ihn einst aus Samarkand vertrieben hatte mit einem großen Heer näher rückte. Doch Babur hatte Glück: Schaybani Khan geriet 1510 in einen Kampf mit dem in Iran herrschenden schiitischen Safawidenführer Schah Ismail25 (gest. 1524), bei dem sein Heer vernichtend geschlagen und er selbst getötet wurde. Diese Gelegenheit ließ sich Babur nicht nehmen; er besetzte die ehemalige Timuridenhauptstadt Samarkand. Doch der Preis war hoch, denn er musste nun Schah Ismail als Oberherren anerkennen, sich zur Schia bekennen und die für alle Soldaten des Schahs obligatorische turkmenische Uniform tragen. Darüber hinaus sollte er die Khutba in dessen Namen halten und seine eigenen Münzen prägen. Babur sah sich gezwungen, Samarkand wieder zu verlassen, denn seine Gefolgsleute wollten diese Bedingungen nicht akzeptieren. Also blieb ihm vorerst nichts anderes übrig, als sich um den Ausbau seiner Macht in Kabul zu kümmern. Außerdem war er sehr mit der Erziehung seiner Söhne beschäftigt, die er von verschiedenen Frauen bekam. Maham schenkte ihm Humayun, der 1508 das Licht der Welt erblickte. Kamran (geb. 1509) und Askari (geb. 1516) entstammten aus seiner Ehe mit Gulrukh. Irgendwann zwischen 1508 und 1519 scheint Babur innerlich eine Neuorientierung seiner expansionistischen Ziele vorgenommen zu haben. Aus dieser langen Zeitspanne sind keine Memoiren vorhanden.26 Es sollte künftig nicht mehr gen Samarkand und Mittelasien gehen, sondern nach Osten, Richtung Indien. Im Jahr 1519 unternahm er daher vier kurze Feldzüge in die Region und währenddessen bekam er einen weiteren Sohn von seiner Frau Dildar. Er nannte ihn Hindal, 28
„nimm Indien!“, wohl als gutes Omen für seine Feldzüge nach Indien. 27
3.2 Ein Reich entsteht Die ersten Unternehmungen u.a. nach Badschaur, Pandschab, Bhera, bei denen Babur jeden Siegeszug gefeiert und all seine Gefährten großzügig belohnt hatte, brachten ihm eine beträchtliche Beute ein. In der Freude über die Leichtigkeit, mit der es ihm gelang, die Länder unter seine Kontrolle zu bringen, nutzte Babur jeden Streifzug und jede passende Gelegenheit zu Trinkgelagen oder zu Opium- und Haschisch-Zusammenkünften. Waren sie in der Nähe eines Flusses, so fand die Festlichkeit auf einem Boot oder einem Floß statt. Sie tranken sich in einen Rausch und wenn sie zurück zum Lager mussten, „fielen sie manchmal auf der einen und manchmal auf der andern Seite vom Pferd herunter“. Um das Vergnügen darüber hinaus zu genießen, erlegte er mit seinen Freunden einen Tiger oder ein Rhinozeros. Als die Regenzeit kam, so beschreibt Babur, glich der Fluss zwischen Bhera und den Hügeln, auf denen sie lagerten, in der Breite einem See. Nun war es also höchste Zeit, den Weg wieder nach Hause, nach Kabul, einzuschlagen. Also ritten Babur und seine Gefolgschaft mit einer beträchtlichen Beute zurück, doch noch wichtiger war es, dass er in Erfahrung bringen konnte, dass das zu dieser Zeit in Nordindien herrschende Sultanat des afghanischen Lodi-Stammes innerlich zerrissen und damit kein wirklich ernstzunehmender Gegner war. Das Königreich von Delhi war in Wirklichkeit ein Konglomerat von beinahe unabhängigen Fürstentümern, Provinzen und Lehen, ein jedes unter der erblichen Herrschaft eines Afghanenhäuptlings, der in seinem Gebiet uneingeschränkte Macht genoss. Jeder von ihnen bekam die Unter29
stützung des Afghanenstammes, dem er angehörte. Auf diese Weise bestand ständige Rivalität zwischen den Männern und den Stämmen. Die jeweiligen Häuptlinge fürchteten, dass die Monarchie zu viel Macht gewinnen und despotisch werden könnte, oder dass die Anhänger der Lodi-Dynastie, die in Delhi herrschte und an deren Spitze Ibahim Lodi stand, zu stark werden würden. Nach sorgfältiger Vorbereitung zog Babur im November 1525 mit der größten je mitgeführten Armee los in Richtung Hindustan (nördliche Ebenen Indiens). Kabul überließ er nominell seinem mittlerweile sechzehnjährigen Sohn Kamran. Auf dem Weg nach Hindustan sollte Humayun mit den Truppen von Badachschan, das er verwaltete, zu ihm stoßen. Aber er kam und kam nicht, und Babur schickte ihm daraufhin einen strengen Tadel. Als Humayun endlich eintraf und auch die Truppen von Ghazna kamen, nahmen die vereinten Truppen ihren Marsch auf. Nachdem man die Festung von Lahore eingenommen hatte, zog man weiter in den Norden des indischen Subkontinents. Einige weitere Bergfestungen wurden erobert und verschiedene AfghanenEmire schlossen sich mit ihren Truppen Babur an, und jetzt bahnte er sich den Weg Richtung Delhi gegen den Sultan Ibrahim Lodi. Währenddessen sandte er Spähtrupps in alle Richtungen aus. Nachdem die Nachricht kam, dass eine feindliche Armee von der Seite her käme, sandte er eine ausgewählte Einheit unter der Führung Humayuns gegen sie. Das war Humayuns erstes Gefecht unter seiner Leitung und er zeichnete sich aus, indem er den Feind zerstreute und an die hundert Gefangene und sieben oder acht Elefanten einbrachte. Er erhielt ein Ehrengewand und bekam andere Geschenke, wobei die Gefangenen auf Befehl Baburs von Luntengewehr-Männern erschossen wurden, um ein Exempel zu statuieren. Ein Sieg reihte sich an den anderen. Jetzt näherten sich die beiden Hauptarmeen langsam und mit gebotener Vorsicht einander. Während Sultan Ibrahim jedes Mal drei bis vier Meilen vorrückte und zwei bis drei Tage an jedem Halteplatz blieb, ließ Babur seine Truppen in Schlachtordnung marschieren und jedes 30
Mal wurde das Lager schlachtbereit errichtet, um eventuellen Überraschungsangriffen vorzubeugen. Babur schickte eines Nachts vier- bis fünftausend Mann aus, um die Stellung seines Feindes zu attackieren. Doch sie versagten und kehrten zurück. Aufgrund dieses ersten Erfolges fühlte sich Sultan Ibrahim ermutigt, am nächsten Tag in Schlachtordnung das Heer von Babur anzugreifen. Doch Baburs Kriegstaktik war so ausgeklügelt, dass seine Truppen dem Angriff standhielten und die Schlacht für sich entschieden. Tausende fielen den Kanonen und Luntengewehren Baburs zum Opfer, unter ihnen Sultan Ibrahim. Diese Schlacht von Panipat, die am 20. April 1526 stattfand, entschied das Schicksal von Hindustan. Noch am selben Tag entsandte Babur Truppenteile nach Delhi und Agra, um die Städte zu besetzen und die Schatzkammern zu sichern. Drei Tage später zog er selber in Delhi ein und am 27. April wurde die Khutba in seinem Namen gelesen. Wenige Tage später erreichte er Agra, wo er bereits zuvor Humayun mit einer Truppe hingeschickt hatte, um die Zitadelle zu belagern. Viele sahen in dieser Invasion ein vorübergehendes Missgeschick, eine Überrumpelung, die genauso schnell vorübergehen würde, wie sie gekommen ist. Doch gegen alle Erwartungen setzte sich die neue Macht in Agra und Delhi fest und die Afghanenhäuptlinge begannen sofort damit, ihre Festungswerke zu stärken und sich zum Widerstand vorzubereiten. Besonders die Emire im Osten, die sich schon gegen Sultan Ibrahim zusammengeschlossen hatten, bildeten nun eine engere Konföderation. Sie wählten den Sultan Muhammad von Bihar als ihren Herrscher und sammelten Truppen. Die Khane der zentraler liegenden Gebiete wählten einen anderen Verwandten Sultan Ibrahims als Kandidaten für den Thron von Delhi. Doch vorerst musste Babur mit Schwierigkeiten aus den eigenen Reihen fertig werden, denn seine Gefährten waren in dem - so empfanden sie es - fremden, seltsamen und unfreundlichen Land, in das sie eingedrungen waren, äußerst unzufrieden und wollten so schnell wie möglich zurück nach Kabul. Nun waren Baburs Führungsqualitäten gefragt. Er hielt eine tiefgreifende, 31
emotionale Rede, in der er zum Ausdruck brachte, wie schwierig der Weg bis jetzt gewesen sei und das dieser Weg Opfer gefordert habe und es keinen Grund gebe, jetzt aufzuhören und zurück nach Kabul zu gehen. Trotzdem habe derjenige, der nicht bleiben möchte, seine Erlaubnis zu gehen. Die Männer fühlten sich beschämt und das Gerede über die Heimkehr hörte auf. Sie blieben bei ihrem Padischah. Lediglich ein ihm sein ganzes Leben lang ergebener Gefährte namens Hodscha Kilan beschloss, den Heimweg anzutreten und er bekam eine kleine Gefolgschaft, die ihn nach Kabul begleitete. Da Kabul nun mit einer kleinen zurückgelassenen Garnison keine wirkliche Regierung hatte, würde Hodscha Kilan - der Gouverneur von Ghazna war - der beste Beschützer Kabuls sein. Inzwischen begann Babur, der selbst auch sehr unzufrieden mit der Landschaft Indiens war, mit zivilisatorischen Annehmlichkeiten und Verschönerungen und an jedem geeigneten Platz errichtete er entsprechende Gärten. In jedem Garten züchtete er Rosen und Narzissen in regulären Reihen und Beeten und seine Höflinge mussten seinem Beispiel folgen und ihre Residenzen in der gleichen Weise anlegen. Desweiteren ließ er eine Audienzhalle errichten und später traditionelle Bäder und Privaträume. Allein 600 Steinmetze sollen in dieser Zeit beschäftigt worden sein. Babur musste jedoch den neu gewonnenen Herrschaftsraum erst einmal sichern und wendete sich nun den eingeborenen indischen Kriegern zu, den Radschputen, die eine Kriegerkaste bildeten und als komplizierte, feudale Hierarchie von Prinzen sowie Rittern organisiert in ihren Schlössern und Gebirgsfestungen regierten und sich oft bekriegten. Sie waren stolz auf ihre Waffen, blickten verächtlich auf das Volk und die Händler und hielten pflichtgemäß an ihren chevaleresken Tugenden. Sie widersetzten sich erfolgreich den Anstrengungen voriger muslimischer Herrscher, sie zu unterwerfen. Ihr Hauptradscha (Radscha ist ein indischer Fürstentitel), Rana Sanga, hatte Babur zum Kampf gegen Sultan Ibrahim ermutigt, in der Hoffnung, dass sich die beiden Gegner gegenseitig erschöpfen und dass er selber imstande 32
sein würde, Hindustan vom dem Muslimjoch zu befreien. Als sich Babur jedoch als sein neuer Nachbar installiert hatte, musste er Vorkehrungen treffen: er beschloss die Grenzen von Radschputana (heute Radschastan) zu sichern, indem er sich die Befestigungen und Städte an den Zugängen nach Agra in seinen Besitz nahm. Zudem rief er alle Radschputenprinzen dazu auf, sich seinem Vormarsch anzuschließen. Im Gegenzug rief Babur seinen Sohn Humayun aus dem Osten zurück. Es war Mitte Februar, als er von Agra aus dem vorstoßenden Feind entgegenmarschierte. Während er einen geeigneten Platz suchte, um dort sein Lager aufzubauen, kamen die vorangeschickten Truppen mit der Kunde zurück, dass die Radschputen tapfer und wagemutig seien und schnell verbreite sich Verzagtheit und Zweifel im Lager. Nun musste Babur - wieder einmal - seine Eigenschaft als überzeugender Anführer unter Beweis stellen: er hatte seine ausgiebigen Trinkgelage oft damit begründet, dass er den Alkohol mit 40 Jahren aufgeben werde. Mittlerweile war er dreiundvierzig Jahre alt und schließlich „brach … [er] zu dem Heiligen Krieg [gegen die Ungläubigen] auf“,28 und eine feierliche Abschwörung der sündigen Gewohnheit musste den notwendigen Eindruck auf die Truppen machen. Er ließ alle Gold- und Silbergefäße und Becher und anderes Zubehör in Stücke schlagen und befahl, die Gold- und Silberscherben unter den Derwischen und Bettelmönchen zu verteilen. Der Reueakt des Padischahs verleitete viele andere dazu, ebenfalls das Gelübde der Enthaltsamkeit abzulegen. Dann sandte er Boten mit dem Auftrag aus, überall im Reich die Kunde zu verbreiten, dass von Muslimen keine Kopfsteuer mehr erhoben wird. Seine Bemühungen trugen Frucht. Babur arrangierte und befestigte sein Lager, das nur sechzehn Meilen von Agra entfernt war, nach derselben Schlachtordnung wie vor der Schlacht gegen Sultan Ibrahim. Die Schlacht begann am 17. März 1527 in Khanawah und dauerte den ganzen Tag. Nachdem die Attacken der Radschputen zu Beginn unvermindert andauerten, mussten sie schließlich kapitulieren und Rana Sanga wurde bei der Schlacht ver33
wundet und starb ein Jahr später an den Folgen seiner Verletzungen. Die Radschputen zogen sich in die Zitadelle zurück. Während Babur sie einige Zeit später auch dort aufspürte, kam die Nachricht, dass Sultan Mahmud, ein Bruder des verstorbenen Sultan Ibrahim von Delhi, von Bihar aus mit all seinen Afghanentruppen im Anmarsch sei. Erst beim Zusammenfließen der Ghaghara mit dem Ganges, wo das Königreich Bengalen begann, stieß Babur auf ein Heer der bengalischen Armee. Es deckte die zurückziehenden Afghanentruppen, doch Babur griff auch sie an und zwang den Schah von Bengalen, ihn als Oberherrn anzuerkennen. Zudem musste Babur sich auch noch um das weiterhin von ihm gehaltene Kabul kümmern, das immer Gefahr lief, von usbekischen Gruppen besetzt oder geplündert zu werden. Nun war es Winter und Babur zog es vor, ihn in Lahore zu verbringen. Erst beim Frühlingsbeginn verließ er wieder die Stadt. Dann verbrachte er zwei Monate auf der Jagd nahe Delhi und kehrte nach Agra, das er nach der Schlacht bei Khanawah einnahm, zurück. Doch um der Hitze zu entweichen, ging er von dort aus weiter nach Dholpur, wo er Gärten und Teiche angelegt hatte. Sobald er dort angekommen war, bekundete ihn ein Bote aus Delhi, dass Humayun gefährlich erkrankt dorthin gebracht worden sei. Sofort ließ Babur Humayun nach Agra bringen, der aufgrund des hohen Fiebers nur noch halb bei Bewusstsein war.29 In einer sonderbaren Geschichte, die allerdings ein halbes Jahrhundert später geschrieben wurde, wird beschrieben, dass Babur, der seinen Sohn so sehr liebte, die Krankheit seines Sohnes auf sich nahm und ihn dadurch rettete. Zwar wurde Humayun auch gesund, und Babur erkrankte an einer Darmstörung, die sich mit der Zeit veschlimmerte. Doch der Tatsache - die in verschiedenen zeitgenössischen Berichten zu finden ist - dass zwischen der Heilung Humayuns und der Erkrankung Baburs Monate vergangen sein müssten, wird dadurch noch mehr Authentizität verliehen, dass Babur in Delhi im Sterbebett lag und nicht im weiter südlich gelegenen Agra. In seinem achtundvier34
zigsten Lebensjahr starb Babur am 26. Dezember 1530. Als Begründer des Mogulreiches konnte Babur lediglich vier Jahre lang (1526-1530) in Indien triumphieren, ehe er hinschied. Das Herrschaftsgebiet wurde unter den Söhnen aufgeteilt. Zum Nachfolger Baburs wurde sein Lieblingssohn Humayun ernannt. Was die Nachfolgerschaft und die Herrschaftsverteilung angeht, so sind sich die Quellen uneins; es wird sowohl geschildert, dass Babur noch kurz vor seinem Tod, den er kommen sah, alles in die Wege geleitet hätte, als auch, dass nach seinem Tod aus Angst vor einem Putsch eine zügige Nachfolgerschaft bestimmt wurde. Auf jeden Fall erhielt Humayuns Halbbruder Kamran (gest. 1557) Lahore, den Pandschab und Kabul als Pfründe (dschagir, er war also dschagirdar, Vasall sozusagen), Hindal (gest. 1551) bekam Mevat und Askari (gest. 1558) Sanbhal. Jeder Einzelne von Humayuns Brüdern war verständlicherweise sehr verärgert über die Tatsache, dass nicht er selbst zum Thronfolger gekürt worden ist.
3.3 Anstrengungen zur Konsolidierung des Reiches Humayun war - so kann man sagen - kein Held wie sein Vater. Er interessierte sich weitgehend für die mystisch-magische Welt, in die er immer wieder tiefsinnig versank: in seinem Leben spielte die Astrologie eine wesentliche Rolle. Alles war nach Sternkonstellation geordnet; Tagewählerei war für ihn selbstverständlich – nur an diesem oder jenem Tag durften bestimmte Klassen von Untertanen in seine Nähe kommen. Auf diese Weise ordnete er auch seinen Hof nach seiner Thronbesteigung neu und seine Anordnungen machten aus dem Verwaltungssystem ein genau ausgeklügeltes astrologisches Spiel. Den vier Elementen entsprechend wurden die Staatsämter in vier Abtei35
lungen gegliedert. Die Abteilung „Erde“ kümmerte sich um die landwirtschaftlichen und architektonischen Belange, das „Wasser“ hatte die Aufsicht über die Kanäle und den Weinkeller, das „Feuer“ kümmerte sich um die militärischen Angelegenheiten. Soweit bestand zumindest eine symbolische Beziehung. Doch die „Luft“ konnte er nicht so feinsinnig einer Abteilung zuordnen, so war diese ziemlich ungeordnet. Er wies sie für Belange wie die der Garderobe, der Küche, der Stallungen und die erforderliche Kontrolle über die Maulesel und Kamele zu. Was seine Frömmigkeit anbelangte, so ging sie sogar so weit, dass er den Namen Gottes nur im Zustand ritueller Reinheit aussprach, selbst wenn er nur Teil eines menschlichen Eigennamens war – so wurde aus Abdul Karim (Diener des Gnädigen) kurzum Abdul, und der Gottesname Karim wurde ausgelassen. Zwei Biographen zum einen seine Halbschwester Gulbadan und zum anderen sein für sein Wohl verantwortlicher Wasserträger Dschawhar, der ihm immer zur Seite stand - beschreiben Humayun als einen unkämpferischen, aber sehr gütigen Herrscher. Bei seiner Krönung im Dezember 1530 teilte Humayun 12.000 Ehrenkleider aus, von denen 2000 Obergewänder aus Goldbrokat mit vergoldeten Knöpfen waren, und auch sonst veranstaltete er große Festlichkeiten.30 Humayuns Herrschaft war von Anfang an sehr unsicher. Noch musste er das von seinem Vater nominell unter Kontrolle gebrachte Bengalen erobern und Bahadur Schah, der von den Lodis unabhängige afghanische Herrscher von Gudscharat und Malwa, verhielt sich feindlich. Desweiteren hatte nach Osten hin ein weiterer Afghane, Scher Khan Sur von der Suri-Dynastie, seine Macht ausgedehnt. Auf seine Brüder war auch kein Verlass. Kamran riss teils mit Gewalt, teils mit List die Herrschaft über den Pandschab an sich (hier ein Hinweis, dass Babur ihm die Herrschaft über den Pandschab vor seinem Tod nicht übergeben haben könnte). Trotzdem gelang es ihm erst einmal, Muhammad Lodi aus Dschaunpur zu vertreiben, womit die Lodi-Dynastie endete. Auch Bahadur Schah wurde geschlagen und Mandu, die Hauptstadt 36
von Malwa, wurde besetzt. Die Festung von Khampanir wurde im Sturm genommen, womit Gudscharat dem Padischah untertan wurde. Zu Humayuns gefährlichstem Feind entwickelte sich jedoch Scher Khan Sur. Anfängliche Erfolge gegen ihn aufgrund der destruktiven Folgen dessen Opiumkonsums nutzte der Padischah nicht genügend aus. Darüber hinaus zettelte sein Bruder Mirza Hindal einen Aufstand in Agra an und rief sich selbst zum Padischah aus. Zwar wurde er von seinem älteren Bruder Kamran schleunigst in die Schranken gewiesen, doch auch er weigerte sich, Humayun gegen Scher Khan Sur zu unterstützen. Dem nun von allen Seiten bedrängten Padischah blieb nichts anderes übrig, als Friedensverhandlungen mit Scher Schah zu knüpfen, die dazu führten sollten, ihm Bengalen und Bihar zu überlassen. Trotzdem griff die afghanische Armee Humayuns Heer an und tötete seine besten Soldaten. Humayun konnte sich retten und nach Agra fliehen, wo er eine neue Armee aufstellte. Der sich bereits zum Herrscher ausgerufene Scher Khan schlug Humayun nochmals am 17. Mai 1540 bei Kanaudsch östlich von Agra. Seine Bestimmung zum Mogulherrscher war somit in Frage gestellt. Nun zog er von 1540-1545 im Exil umher. Er ging zunächst nach Sindh, um dort von seinem Stammesgenossen und früheren Lehnsmann Schah Husayn Ardschun, dem Herrscher von Tataz, Beistand zu erlangen, der ihm jedoch verwehrt blieb. Dieser wollte sicherlich nicht die Geduld Scher Schahs auf die Probe stellen. Auf seinen Wanderungen durch Sindh lernte Humayun während eines Festes Hamida Banu Begum, die Tochter des Lehrers seines Bruders Hindal, kennen, die er kurz darauf heiratete. Nach weiteren unglücklichen Abenteuern flüchtete Humayun - vom Fürsten von Dschodpur verfolgt - mit seinen Begleitern nach Amarkot, einer radschputischen Wüstenburg, wo er sich - Schutz und Obdach findend - von seinen Strapazen erholen konnte. Doch der dortige Radscha hatte nicht mehr genügend Mittel, die wachsende Anhängerschaft des Expadischahs zu ernähren und so schlug er ihm vor, einen gemeinsamen Feldzug gegen Schah Hussein Ardschun zu starten, um ihm sei37
nen kleinen Besitz zu entreißen. Während des Feldzuges bekam Humayun die Nachricht, dass ihm Hamida Banu in Amarkot am 15. Oktober 1542 einen Sohn geboren habe. Humayun war überglücklich und dankte dem Himmel für die Geburt des Thronerben. Er gab ihm die Namen Abul Fath Dschalaluddin Muhammad Akbar und ließ eine große Feier veranstalten. Der Feldzug gegen Ardschun war für Humayun jedoch alles andere als ein Erfolg, und er verdankte es nur der Ankunft Bairam Begs (Bairam Khan), eines neuen Waffengefährten des Padischahs, dass mit Ardschun Frieden geschlossen werden konnte und dieser sogar Mittel für einen Marsch nach Kandahar bewilligte, wo Humayun seine Brüder aufsuchen und sich ihnen anschließen wollte. Doch auch das gelang nicht. Er sah sich vielmehr der Verfolgung durch Askari ausgesetzt und musste wieder fliehen. „Warum sollte ich mich mit meinen treulosen Brüdern um die wertlosen Städte Kabul und Kandahar streiten“, soll er sich dabei eingestanden haben. Humayun zog also weiter mit seinen zwei Frauen, von denen eine Akbars Mutter war, und seiner vierzigköpfigen Gefolgschaft, wobei er den kleinen Akbar im Lager zurückließ, da er ihn von den Beschwerlichkeiten einer Flucht ins Ungewisse verschonen wollte. Bald nach dem Aufbruch erschien Askari im Lager und war zwar einerseits verärgert, dass Humayun entkommen konnte, doch freute er sich über die Erbeutung seines kleinen Neffen, den er alsbald in Kandahar seiner Gemahlin zur Pflege übergab. Nun wandte sich Humayun nach Sistan und als er an der Ostgrenze Persiens angelangt war, sandte er durch seinen Freund Bairam Beg ein Schreiben an den Schah Tahmasp, der in Kaswin, im nordwestlichen Persien, residierte, und bat ihn um seine Gastfreundschaft. Mit Genugtuung schickte Schah Tahmasp dem bedauernswerten Padischah von Delhi ein Geleit entgegen, das ihn nach Kaswin, in die Safawidenresidenz brachte, wo er mit königlichen Ehren empfangen wurde. Doch bald machten sich die religiösen Gegensätze störend bemerkbar. Schah Tahmasp, der als Schiite seine Herkunft von Ali ableitete, forderte von 38
dem sunnitischen Padischah den Übertritt zur Schia und Humayun sah sich gezwungen, ein entsprechendes Dokument zu unterschreiben. Im Jahr 1544 schlug ihm Schah Tahmasp vor, nach Afghanistan zurückzukehren und dort mit Hilfe persischer Truppen Kandahar zu erobern. Daraufhin reiste Humayun nach Sistan zurück und fand dort zu seiner angenehmen Überraschung 14.000 Reiter anstatt der versprochenen 12.000. Askari, der Kandahar verteidigte, blieb nichts anderes übrig, als sich im September 1545 zu ergeben. Der erbeutete Schatz wurde an ihren Souverän geschickt und die Perser besetzten die Festung, die sich vor der Stadt befand. Einige Zeit später überraschte Humayun sogar die Perser und besetzte Kandahar selbst, wodurch er sich einen festen Stützpunkt für seine künftigen Unternehmungen sicherte. Kamran verließ seine Hauptstadt und ging nach Indien, da er von seinen meisten Anhängern verlassen wurde und in einer offenen Feldschlacht geschlagen worden war. Humayun konnte daher am 15. November 1545 ohne Widerstand in Kabul einziehen, wo er seinen kleinen Sohn Akbar und dessen ältere Halbschwester, die von Kandahar nach Kabul geschickt worden waren, wieder begrüßen konnte. Auch Humayuns Frau Hamida traf bald aus Kandahar ein und so war die Familie des Padischahs wieder vereint. Sofort setzte Humayun einen Termin für die eines jeden Muslim vorgeschriebene Beschneidung Akbars fest, die unter großen Feierlichkeiten im März 1546 stattfand. Um den Knaben vor bösen Auswirkungen der Zauberei und astrologischer Spekulationen zu schützen, änderte man das - nur wenigen bekannte - Geburtsdatum von Donnerstag, dem 14. Schaaban (8. islamischer Monat), auf Sonntag, den 5. Radschab (7. islamischer Monat). Der Sonntag war astrologisch gesehen dem Donnerstag vorzuziehen. Akbars Geburtstag wurde daher vom 23. November auf den 15. Oktober 1542 zurückverlegt. Diese Verschiebung des Geburtsdatums machte auch eine Namensänderung nötig und von Badruddin (Vollmond des Glaubens) wurde Dschalaluddin (Glanz des Glaubens). Die Geschichte kennt ihn daher als Dschalaluddin Muhammad Akbar. 39
Während der nächsten zwei Jahre geriet der Prinz mit der Stadt Kabul noch weitere zweimal in die Gewalt Kamrans, blieb jedoch vor jedem Missgeschick bewahrt. Nur während der zweiten Einnahme Kabuls durch die Truppen Humayuns setzte ihn Kamran auf den Festungswällen den feindlichen Geschossen aus, um Humayun von der Beschießung der Stadt abzuhalten. Im Jahre 1550 entriss Humayun Kabul aus den Händen der feindlichen Brüder zum dritten Mal und blieb von nun an in der Hauptstadt. Er schickte seinen Bruder Askari auf die Pilgerfahrt nach Mekka, auf der er 1558 starb. Kamran überfiel am 31. Oktober 1551 nochmals die Stadt Kabul, doch musste er nach dem missglückten Angriff fliehen. In dieser Schlacht wurde Humayuns jüngster Bruder Hindal getötet und der Padischah setzte Akbar, der ebenfalls am Gefecht teilgenommen hatte, um ihn für die ausgestandene Gefahr zu entschädigen, zum Erben Hindals ein. Desweiteren verlobte er den nun neunjährigen Knaben mit der Tochter des gefallenen Onkels Rukaydscha und gab ihm Ghazna als Lehen, das zuvor Hindal zustand. Als Strafe für den nächtlichen Angriff wurde Kamran geblendet und ebenfalls nach Mekka geschickt, wo er 1557 starb. Nun war der Padischah von den Aufständen seiner Brüder gesichert. Seit Humayun im Jahre 1543 Indien verlassen hatte, bestanden praktisch keinerlei Beziehungen dorthin. Dem Herrscher von Delhi, Scher Schah (Khan) Sur, vor dem Humayun einst flüchten musste, folgten vier weitere Herrscher, von denen sich der vierte, Sikandar Khan, mit zwei Verwandten und Lehensmännern im Streit befand und aus Delhi verdrängt wurde. Mit seinem zwölfjährigen Akbar brach Humayun im Jahre 1554 von Kabul auf, vereinigte sich mit Bairam Khan, überschritt den Indus und stieß geradewegs ohne jeglichen Widerstand durch das Pandschab. Alsbald zog er in Lahore ein, bevor Sikandar ihn erreichen konnte. Wenig später standen sich Humayun und Sikandar bei Sirhind gegenüber. Obwohl Sikandar Khans Heer wesentlich größer war als das Humayuns, besiegte ihn Humayun dank der Kriegstaktik Bairam Khans am 22. Juni 1555. Sikandar konnte entkommen, doch der Sieg 40
bedeutete, dass Delhi nun Humayun schutzlos ausgeliefert war und er am 23. Juli 1555 nach fünfzehn Jahren wieder als Padischah von Hindustan den Thron bestieg. Um die Stadt vor Aufständen und Unruhen zu bewahren, wurde unter der Vormundschaft Bairam Khans, der nach dem Sieg den Beinamen Khan-Khanan (Herr der Herren) erhielt, Akbar zum Statthalter von Pandschab ernannt. Die übrigen Provinzen wurden an die einzelnen Fürsten verteilt. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm. Am 24. Januar 1556 saß Humayun auf dem Dach seiner Bibliothek und unterhielt sich mit einigen Pilgern, die zuvor aus Mekka zurückgekommen waren. Als er wieder hinuntersteigen wollte, ertönte die Stimme des Muezzins, des Gebetsrufers, und er setzte sich auf die Stufen, um das Glaubensbekenntnis zu sprechen. Als er wieder aufstand, verfing sich sein Fuß in seinem Gewand und er stürzte hinunter.31 Nachdem er für einige Zeit bewusstlos auf dem Boden lag, kam er wieder zu sich, doch hatte er sich offenbar derartige innere Verletzungen zugezogen, dass er drei Tage später „[…] im Alter von beinahe fünfzig Jahren nach einem vielbewegten, wenn auch nicht allzu langen, an Wechseln und Erfahrungen reichen Leben“ 32 starb. Trotz seiner Fehler darf man Humayun als Herrscher nicht ungewürdigt lassen. Es wird ihm nachgesagt, dass er seine Gefangenen, entgegen den Gepflogenheiten seiner Vorgänger, nicht foltern ließ oder anderen Grausamkeiten aussetzte. Er war dem Opium nicht abgeneigt, doch zeigte er, mag man den Chronisten glauben, stets Tapferkeit auf dem Schlachtfeld. Oft wird ihm auch aufgrund seiner angeblichen Güte und Milde die Eigenschaft des „vollkommenen Menschen“ (insan-i kamil) zugeschrieben. Durch große Tatkraft gelang es ihm letzten Endes, sein Ziel, das indische Reich, wie er es von seinem Vater geerbt hatte, seinem Sohn Akbar zu hinterlassen.
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4. Dschalaluddin Akbar (1542-1605) Akbar erreichte die Nachricht von dem Sturz seines Vaters im Pandschab, wo er zusammen mit seinem Vormund Bairam Khan auf einem Feldzug gegen Sikandar Schah war, der zwar ein Jahr zuvor bei Sirhind besiegt, aber nicht vernichtend geschlagen worden war. Am 14. Februar 1556 wurde Akbar in einem Garten bei Kalanaur als Kaiser inthronisiert und noch im gleichen Jahr stand er vor einer ernsthaften Bedrohung. Die Fähigkeiten eines Hindus namens Hemu, der seine Karriere auf den Straßen von Rewari begann, erregten - nachdem er die Position eines Waagemeisters auf dem Markt erlangt hatte - die Aufmerksamkeit der Afghanen. Er trat in ihre Dienste, bis er der Erste Minister Adil Schahs, eines Fürsten, der nach dem Tod Humajuns die Macht an sich reißen wollte, wurde. Für seine afghanischen Herren gewann er 22 Schlachten hintereinander und, wie es nicht anders zu erwarten war, verleiteten diese Erfolge ihn dazu, sich auf eigene Füße stellen zu wollen. Im Oktober 1556 rückte er mit großer Streitmacht nach Delhi vor und seine 300 Elefanten versetzten das Mogulheer unter Tardi Beg Khan in Panik. Hemu zog daraufhin in Delhi ein und erklärte sich mit dem hinduistischen Titel Radscha Vikramaditya zum Herrscher. Viele der Adligen aus dem Pandschab flüchteten mit ihren Heeren nach Kabul, um sich dort in Sicherheit zu bringen. Doch Bairam Khan und Akbar nahmen die gefährliche Herausforderung an, gegen die überlegenen Eindringlinge vorzugehen. Bairam Khan ließ Tardi Beg Khan hinrichten, den er zuvor als Feigling beschimpft hatte. Am 5. November 1556 stießen die Moguln bei Panipat auf Hemus Truppen, auf demselben Schlachtfeld, auf dem sich Babur vor 30 Jahren durch den Sieg den Weg nach Delhi geebnet hatte. Dies war kein Zufall. Heere, die sich bekriegen wollten, suchten das jeweils nächstgelegene Gelände, von dem man erfahrungsgemäß wusste, dass von dort aus geographische Vorteile gezogen werden konnten. Die Schlacht verlief zu Ungunsten der Moguln, doch ein Pfeil traf den An42
führer Hemu ins Auge, der daraufhin allerdings nur ohnmächtig wurde. Jede Schlacht in dieser Zeit, in der der Anführer getötet wurde, bedeutete das Ende des Kampfes und der Anblick Hemus genügte, dass sich seine Truppen zurückzogen. Hemu wurde Akbar und Bairam vorgeführt und dann enthauptet. Sein Kopf wurde nach Kabul gebracht und sein Rumpf nach Delhi, um dort an einem Galgen öffentlich zur Schau gestellt zu werden. Mit den Köpfen der Soldaten, die gefangengenommen werden konnten, wurde eine Siegessäule getreu dem Brauch Dschingis Khans und Timurs errichtet. Der Zuwachs der Machtmittel durch die gefangenen Elefanten machte Akbar Delhi vorerst sicher. Akbar und Bairam machten sich auf den Weg nach Pandschab, um die Verfolgung Sikandar Schahs fortzusetzen, den sie in der Festung von Mankot belagerten. Von dort aus unternahm Akbar einen Tagesritt, um seine Mutter Hamida und den Rest der Familie zu treffen. Sikandar ergab sich bald gegen die Zusicherung, sein Leben zu schonen und ihm Landbesitz zu gewähren. Er starb friedlich zwei Jahre später und im selben Jahr, 1557, wurde auch Adil Schah getötet.33 Nun waren die vorerst gefährlichsten drei Feinde, die seinen Thron gefährdeten, Hemu, Sikandar und Adil Schah, aus dem Weg geräumt. Alsbald sollte die allererste Schulstunde in Akbars Leben beginnen, doch wollte es mit seinem Unterricht nicht so recht klappen. Mit seinem ersten Hauslehrer - den er wahrscheinlich dafür bestochen hat ging er zum Taubenabrichten, anstatt zu lernen. Das offenkundige und nunmehr allbekannte Ergebnis war, dass Akbar als einziger in einer königlichen Familie, die Gelehrsamkeit und Kultur hochschätzte, „ummi“, also Analphabet (oder analphabetisch) blieb. Akbar hatte zwei Hofchronisten: zum einen war es Abul Fazl Allami (gest. 1602), der gleichzeitig sein engster Berater war. Er stellte zum einen die Akbar-Zeit, das Akbar-nama, sehr präzise und ausführlich dar. Das Akbar-nama war auf fünf Bände konzipiert. Vier davon hat er für Akbars 43
Leben vorgesehen. Der fünfte Band des Akbar-nama wird, wenngleich Teil des Gesamtwerks als A’in-i Akbari („Konstitution Akbars“) bezeichnet und ist seinerseits in fünf Bücher unterteilt. Seinem zweiten und weitaus kritischeren Chronisten am Mogulhof Abd al-Qadir Bada’uni (gest. 1615) verdanken wir sein Muntakhab at-tawarih („Erlesenes aus der Geschichte“), welches allerdings erst nach dem Tode Akbars veröffentlicht wurde.34 Um Akbars Analphabetismus als Tatsache hinzunehmen, beschreibt Abul Fazl ihn als göttlich inspirierten Herrscher, der das ’ilm laduni (Sure 18,65), das „Wissen direkt von Gott“ besitzt, was folgenden Hintergrund hat: Das Wort „ummi“ wurde im Koran (Sure 7, Vers 157) auf Muhammad angewendet und ist bald von den Muslimen als „analphabetisch“ verstanden worden; denn der Prophet durfte ja nicht durch intellektuelles Wissen dazu verleitet werden, das ihm zuteilwerdende inspiratorische Wissen mit eigenen Gedanken zu vermischen. So wurde „ummi“ in der Tradition der islamischen Mystik zum Kennwort für den inspirierten Mystiker, und viele Sufis sind von ihren Anhängern als „ummi“ bezeichnet worden, obwohl sie Dutzende von gelehrten Werken in Arabisch, Persisch und anderen Sprachen verfasst hatten. Man sollte das Wort also in diesem Sinne verstehen. Trotzdem ließ er sich gern abends vorlesen und hatte ein erstaunliches Gedächtnis für Gedichte und Daten. Dass er selbst einige persische Verse im klassischen Stil dichtete, schloss ja nicht aus, dass er des Lesens und Schreibens unkundig war.35 Der mittlerweile siebzehnjährige Akbar beschloss, die Regierungsgeschäfte immer mehr in eigene Hand zu nehmen, was sogar so weit ging, dass er Bairam Khan, seinen jahrelangen Vormund, entließ und auf die mogulkaiserliche Art verbannte: er schickte ihn nach Mekka. Bairam Khan wurde jedoch aus Blutrache in Patan, der Hauptstadt Gudscharats, nicht weit vom Pilgerhafen Cambay, von einem Afghanen ermordet, dessen Vater fünf Jahre zuvor in einer Schlacht gegen Bairams Streitkräfte umgekommen war. Akbars Halbbruder Adham Khan trat in die Fußstapfen Bairam Khans und wurde bald nach Sa44
rangpur gesandt, um dort einen Aufstand niederzuschlagen. Dies gelang ihm auch, doch ließ er die Gefangenen hinrichten und wollte einige der Frauen für sich beanspruchen. Als Akbar über diese Taten unterrichtet wurde, eilte er überhastet dahin und nach einigen Tagen der Ungewissheit verzieh er ihm. Doch Adham Khan wollte keine Ruhe geben. Akbar ernannte den aus Kabul herbeigerufenen Atkah Khan zum Ersten Minister, der eines Tages dabei war, in einer für die Öffentlichkeit zugänglichen Halle Staatsgeschäfte abzuwickeln. Adham drang plötzlich in die Halle ein und gab seinen Leuten den Befehl, den Ersten Minister zu erdolchen. Auf einmal wurden die Türen von Innen geschlossen und Akbar stand vor Adham, der völlig überrascht wurde. Nachdem Akbar ihn mit der Faust ins Gesicht schlug, warf er Adham Khan von der Brüstung. Der Sturz tötete Adham nicht, also wurde sein regungsloser Körper noch einmal hochgetragen, um ihn diesmal in den endgültigen Tod zu stürzen. Der neunzehnjährige Herrscher, der jetzt sein eigener Herr war, schuf bereits um diese Zeit die Fundamente seiner neuen Politik der religiösen Toleranz, die einer der bedeutendsten Aspekte seiner Regentschaft war. Es wäre falsch zu behaupten, dass es zu vorangegangener Zeit keine Symbiose zwischen Muslimen und Hindus gegeben hat; die Bigotterie hatte damals wie unter der Mogulzeit gezeitenähnlich ab- und zugenommen. Akbar aber ging in seinen Versuchen, sämtliche größere religiöse Gruppen innerhalb des Herrschaftsbereiches zu vertreten, zweifellos über alle anderen größeren Herrscher weit hinaus (siehe Kapitel 4.2). Obgleich frühere muslimische Führer Hindufrauen geheiratet hatten, war es Akbars besonderer Zug, die Ausübung der hinduistischen Riten innerhalb der Mauern des königlichen Harems zu dulden. Während seiner Regierungszeit wurden mehr Hindus als je zuvor als Beamte eingesetzt: die Herrschaft der Mogulherren war aufgrund dessen so stabil wie nie zuvor, da alle Beteiligten des Militärund Verwaltungssystems gerecht und ausreichend für ihre Dienste entlohnt wurden. Ein Charakteristikum der ersten Herrschaftsjahre 45
Akbars sind die häufigen Feldzüge. Nach Osten: Khunar (1562), Bihar (1574), Bengalen (1576). Nach Süden: Malwa (1561), Khitor (1568), Rathanbor (1569). Nach Westen: Guscharat (1572), Surat (1573). Weitere militärische Unternehmungen wurden nach Kaschmir (1586/87), Sind (1591/92), Orissa (1592/93) und in Teile des Dekkans (zwischen 1596 und 1601) durchgeführt.36 Diese erfolgreichen Feldzüge sind sicherlich das Ergebnis eines hervorragend durchkonstruierten Systems; das sogenannte mansabdar-System, das im nachfolgenden Punkt näher erläutert wird.
4.1 Die Geburt des mansabdar - Systems Das Zentrum des Mogulreiches bildete der Herrscher, in dessen Hand die Fäden der Verwaltung zusammenliefen. Er selbst sah sich - gemäß der islamischen Tradition - als Kalif, als „Führer der Gläubigen“, was zugleich bedeutete, dass auch er nur einer der Gläubigen war und somit in allen seinen Handlungen dem islamischen Recht, der Scharia, unterlag. Keine wichtigere administrative Entscheidung konnte ohne die Bewilligung des Herrschers getroffen werden, auch wenn es kleine und unwichtige Angelegenheiten waren, so wurden sie ihm vorgelegt. Sämtliche im Verwaltungsapparat tätige „Beamte“ waren de facto nur ihm persönlich untergeordnet. Sein Tagesablauf war minutiös vorgeschrieben, wobei die meiste Zeit die Regierungsgeschäfte in Anspruch nahmen. Ein Herrscher konnte nicht alles alleine bestimmen, geschweige denn kontrollieren und somit schuf Akbar sich einen – der Provinzverwaltung übergeordneten – zentralen Verwaltungsapparat von „Ministern“, die ihm unmittelbar zur Verfügung standen. An der Spitze dieser zentralen Administration war der Erste Minister, der wakil. Er war die rechte Hand des Herrschers und beriet ihn in allen Belangen, die mit dem Reich und dem Haushalt zusammenhingen. Ihm 46
unterstand der Finanzminister, der wazir-i mamalik oder diwan-i kull. Diese Position in dem System gewährte ihm die oberste Kontrolle der herrscherlichen Schatzkammer und der Rechnungsführung des Reiches, wobei ihm drei Helfer zur Seite standen, über die er keine absolute Amtsgewalt hatte, sondern denen er nur vorstand, um ihre gemeinsame Arbeit zu koordinieren: Der diwan-i khalisa war für die Kontrolle der direkt in den Reichsschatz fließenden Einnahmen zuständig. Der diwan-i tan kümmerte sich um die Auszahlung der Gehälter, sei es in bar oder in Form eines genau taxierten Anteils an den Steuereinnahmen eines bestimmten Landstücks. Als Rechnungsprüfer des Reiches war schließlich der mustawfi zuständig. Der mir-saman, der vorwiegend für die Verwaltung des Hofes zuständig war, war ebenso dem Finanzminister unterstellt; mit dem diwan-i buyutat gemeinsam sorgte er für den reibungslosen Ablauf der damit zusammenhängenden finanziellen Angelegenheiten. Einer der bedeutendsten Untergebenen des Ersten Ministers wurde mir-bakhschis genannt; ihm waren drei Mitarbeiter, die bakhschis zugeteilt, die das ordnungsgemäße Funktionieren des weiter unten ausführlicher geschilderten Verwaltungssystems überwachten. Was die religiösen Belange des Reiches angeht, so gab es den damit beauftragten sadr as-sudur, der gleichzeitig die Rolle des obersten Richters, qadi al-qudat, hatte und dem Herrscher unmittelbar unterstand. Die Scharia diente dabei als Grundlage der Justiz. Man zählte die Nichtmuslime, in diesem Fall die Hindus, zu den bereits erwähnten dhimmis, zu Schutzbefohlenen, wenn diese die dschizya, den Tribut oder die Kopfsteuer, verrichteten (siehe oben). Akbars Gerechtigkeitssinn jedoch verleitete ihn dazu, diese Form der Abgabe abzuschaffen. Nach alter Tradition hatte fast jedes Dorf seinen eigenen Gerichtshof, pandschayat, der sich aus Einwohnern des Dorfes zusammensetzte und insbesondere nach althergebrachten Rechtsgewohnheiten entschied.
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Außerdem standen dem Herrscher eine Anzahl von Schreibern und Kopisten zur Verfügung, die für das Auf- bzw. Abschreiben der Anordnungen, Dekrete, Erlasse usw. zuständig waren. Ein letzter wichtiger „Beamter“ des Padischahs war eine Art Polizeiminister, der sogenannte kotwal, der für Ordnung und Sicherheit in den Städten, sowie korrekte Abwicklung von Geschäften auf den Märkten, Sorge trug. Das Mogulreich war in Provinzen (suba) unterteilt. Jede Provinz setzte sich aus kleineren Verwaltungseinheiten zusammen, den sarkas, die ihrerseits wieder in parganas bzw. mahalls zerfielen. Für den allgemeinen Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten war der Statthalter einer Provinz (sipasalar), bisweilen auch nizam-i suba oder subadar, zuständig. Ihm oblag neben der weltlichen Rechtsprechung auch die Führung von Truppeneinheiten. Die Leitung der nächstfolgenden Verwaltungsebene (sarka) wurde von einem fawdschdar übernommen, dessen Aufgabe die Aufrechterhaltung des Friedens in seinem Gebiet war. Von äußerster Wichtigkeit war die unterste Verwaltungsebene der parganas. Der Pflege, Verwaltung, Besteuerung und den fairen Abgabeleistungen für den Schutz der Bauern kam eine besondere Bedeutung zu, zumal das Mogulreich in erster Linie ein Agrarland war. Im Grunde jedoch übernahm Akbar das vorgefundene Verwaltungsgefüge des Delhi-Sultanates und der Lodi-Dynastie. Ein amil genannter „Beamter“ trat in der Regierungszeit Akbars als uneingeschränktes Haupt der Verwaltung auf lokaler Ebene auf.37 Die Quintessenz des mogulzeitlichen Verwaltungssystems war das mansabdar-System, wobei viele Grundelemente dieser zentralen Institution auf vormogulzeitliche Einrichtungen und Traditionen zurückgehen. Das Wort mansab heißt wörtlich Ort oder Stelle, in die etwas hingestellt wird. Gemeint ist aber ein Amt oder eine Position, die jemand innerhalb eines administrativen Netzes innehat. Ein mansab war also eine Ordnungsstufe bzw. ein Rang, der die Stellung des Inhabers 48
innerhalb des Mogulreiches festlegte. Dieser Rang war unmittelbar an militärische Obliegenheiten geknüpft. Jeder mansabdar stand in persönlicher Verbindung mit dem Herrscher. Wenn wir Abul Fazl Glauben schenken wollen, dann hatte Akbar 66 solcher Ränge geschaffen, von denen allerdings nur die Hälfte besetzt war und die andere aus zahlenmäßigen Gründen bestand. Jedes offizielle Amt war mit einem mansab verbunden, nicht umgekehrt aber jeder mansab mit einem offiziellen Amt. Vielen mansabdaren oblagen ausschließlich militärische Aufgaben. Dieses Prinzip ist jedoch in der Praxis nicht immer konsequent eingehalten worden. Die unteren Ämter hatten oft keineswegs das Privileg, mit einem mansab ausgezeichnet zu werden. Bis 1596 gab die im Zusammenhang mit dem mansab genannte Zahl den Rang und die Besoldungsstufe des mansabdars und die von diesem in Krisenzeiten geforderten Kavalleristen an. In der Folgezeit unterschied man bei einem mansab zwischen einer individuellen Entlohnung des Ranginhabers und dem von diesem zu stellenden Kontingent an Reitern zuzüglich der damit anfallenden Kosten. Da die berittenen Truppen, die die „Beamten“ aufbringen mussten, dem Herrscher jederzeit zur Verfügung stehen sollten, hatte das mansabdar-System folglich einen militärischen Zweck. Der wesentliche Teil des Mogulheeres bestand aus diesen Einheiten, zu denen noch die Soldaten der Lokalfürsten (zamindare) hinzukamen. Die Meinungen über den tatsächlichen Umfang dieses Kontingentes - nominell gab es zu jedem Rang eine präzise festgelegte Zahl - gehen auseinander. Diese Einheiten wurden ständig geprüft und im Falle von Missständen, die entdeckt wurden, konnte der mansabdar in seinem Rang herabgestuft werden. Da es innerhalb des Systems keine feste Hierarchie gab, war jeder mansabdar theoretisch nur dem Herrscher unterstellt. Die Kontrollmöglichkeiten waren natürlich umso schlechter, je weiter entfernt die Provinzen lagen. So erhielten die Marathen38 als Tributärfürsten normalerweise ohne weitere Prüfung mansabs. Der Padischah hatte allerdings über die mansabdare die volle Verfügungsgewalt. Nur ihm 49
oblag es, sie zu versetzen oder zu befördern. Eine präzise Schilderung des mansabdar-Systems liefert der Chronist Bada’uni: Es wurde (von Akbar) angeordnet, dass jedem Emir (mansabdar) zu Anfang ein Rang von 20 verliehen wird. Er musste (dafür) zusammen mit seinen Gefolgsleuten immer, wenn es erforderlich war, bereitstehen. Wenn er die 20 Pferde – den (neuen) Regularien entsprechend – zur Stelle, an der man die Tiere mit den Brandzeichen kennzeichnet, gebracht hat, konnte er anschließend in den 100er Rang befördert werden. Diese mussten in Übereinstimmung mit dem neuen mansab eine bestimmte Zahl von Elefanten, Pferden und Kamelen aufbringen. Kamen sie damit zur Musterung, so konnte der mansabdar seinen Fähigkeiten und seinen persönlichen Umständen gemäß einen 1000er, 2000er oder sogar einen 5000er Rang erhalten. Einen höheren Rang als 5000 gibt es nicht. Wenn sie es aber nicht schafften, bei der Musterung die geforderten Tiere zu stellen, wurden sie in ihrem Rang herabgestuft.39 Als Entlohnung für ihre Arbeit erhielten mansabdare entweder bare Münzen oder ihnen wurde ein Land (dschagir) vergeben. Die mansabdare waren allerdings nicht Eigentümer dieser Ländereien, sondern bekamen lediglich das Recht, die dafür erhobenen Steuern einzunehmen. Ein kleiner Teil dieser Erträge aus dem vergebenen Land (suyurghal), wurden frommen oder gelehrten Personen als Förderung oder Pension vergeben. Da ein dschagir nur zu fiskalischen Zwecken vergeben wurde, sollte ein mansabdar seine Einkünfte also allein aus dem dschagir beziehen; er hatte sonst keinerlei Rechte über dieses Land. Der Zustand des Landes wurde ständig begutachtet und dementsprechend wurden Berichte an die zentralen Diwane geschickt. Die Rekrutierung der mansabdare geschah mehr oder weniger nach freiem Gutdünken des Herrschers. Als allgemeine Kriterien für die Ernennung zum mansabdar galten z. B. die besondere Berücksichtigung 50
der Söhne der höheren mansabdare, die Aufnahme von Lokalfürsten in das mansabdar-System, sowie die Rekrutierung des eigenen Verwaltungsstabs aus der höheren Beamtenschaft anderer Patrimonialfürsten. Außerdem wurde die ethnische Herkunft mitberücksichtigt.40 Innerhalb des Reiches gab es auch Gruppen, die sich dem direkten Zugriff des Verwaltungsapparates der Moguln entzogen. Die Moguln hatten allein schon wegen der mangelnden Kommunikationsmöglichkeiten und ungeheuren Größe des zu kontrollierenden Gebietes kein Interesse an einer vollkommenen administrativen Durchdringung des ganzen Herrschaftsgebietes bzw. an der vollständigen Eingliederung aller in dieses System. So kooperierte man mit Patrimonialfürsten, die die Oberhoheit der Moguln anerkannten und sich ihnen freiwillig unterwarfen. Auf diese Weise blieb ein großer Teil des Mogulreiches de facto unter der Kontrolle der alten (oft hinduistischen) Fürsten, die in der Regel in diesen Gebieten die gleiche Gewalt ausübten wie früher. Was den Verwaltungsstab und die „Beamten“ anbelangt, so hatte der Herrscher verschiedene Möglichkeiten, diese zu kontrollieren: Da der jeweilige mansabdar ziemlich abhängig war vom Herrscher, konnte er jederzeit herabgestuft werden. Auch die Versetzung von mansabdaren wurde in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Somit wurde zum einen gewährleistet, dass durch längere Zeit bestehende Beziehungen zwischen einem Pronvinzgouverneur und einem lokalen Machthaber kein Gunstverhältnis entsteht und schon gar kein Gedanke an ein Bündnis, das dem Herrscherhof Konkurrenz oder gar den Thron streitig machen konnte. Desweiteren musste bei einigen Anlässen – etwa nach einer Versetzung oder einer Rangerhebung/herabsetzung – jeder mansabdar persönlich am Hof vorsprechen. Der mir bakhschi war Wächter über den Ablauf des mansabdar- Systems. Zu diesen kamen die waqi’a-nawis, die Berichterstatter.41 Zu diesem äußerst komplexen und funktionsfähigem Verwaltungs- und Militärapparat vermochte Akbar eine Religion zu erschaffen, die allen im 51
Mogulreich Lebenden zugutekommen sollte, denn das Gesamtsystem wäre solider, wenn zum geregelten Ablauf auch noch die innere Zufriedenheit der Menschen garantiert werden würde.
4.2 Erschaffung einer neuen Religion Der bereits weiter oben erwähnte Gelehrte und Chronist Abul Fazl wurde im Jahre 1575 in den Kreis der Höflinge aufgenommen. Rasch entwickelte er sich zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten um Akbar. Als ideologischer Vordenker schuf er, unter tatkräftiger Beteiligung seines Vaters Schaykh Mubarak und seines Bruders Fayzi, ein Herrschaftskonzept, das sämtliche Konfessionen und Ethnien des Reiches unter der Führung Akbars zu integrieren suchte. Akbar und Abul Fazl dachten zu keinem Zeitpunkt an eine Reformierung der islamischen Religion. Sie wollten eine gemeinsame Glaubenslehre schaffen, mit der alle im Reich lebenden Menschen leben konnten. Dafür mussten sie erst einmal alle Nachteile und Unzulänglichkeiten des Islams aufzeigen und beseitigen.42 Der nächste Schritt war dann, die Lehre auszuarbeiten, am besten so, dass die multiethnischen und multikonfessionellen Gruppen im Lande damit leben konnten. Dieser neue, aus vorhanden Elementen verschiedener Religionen entstandener Glaube wurde tawhid-i ilahi („göttliche Einheit“) oder din-i ilahi („göttlicher Glaube“), genannt. Er hatte vor allem den Zweck, sämtliche Konfessionen im Reich zu vereinen, natürlich unter der Schirmherrschaft des Herrschers Akbar. Gewiss verschaffte sich der Herrscher durch solch ein Vorhaben nicht nur ohnehin schon vorhandene politische, sondern auch religiöse Autorität. Schließlich muss solch eine Umwälzung religiösen Etablissements notwendigerweise göttlich inspiriert sein. Somit ist der Padischah also selbst befugt, verbindliche Regelungen über das göttliche Recht vorzunehmen.43 52
Diesem Vorhaben gingen seit 1570 regelmäßige Konvente voraus. Dabei kamen ausgewählte Personen zu regelmäßigen Diskussionen über religiöse Angelegenheiten zusammen. Waren es anfangs noch wenige, gelehrte Personen aus dem islamischen Glaubenskreis, kamen später Vertreter anderer Religionen hinzu.44 Was die Vertretung der Muslime angeht, so waren die ranghöchsten Gelehrten Mullah Abdallah Sultanpuri und Schaykh Abd an-Nabi die leitenden Figuren dieser religiösen Debatten. Mullah Abdallah Sultanpuri war oberster Religionsgelehrter (schaykh ul-islam), Schaykh Abd an-Nabi, der dem Chischtiyya-Orden angehörte, war seit 1555 oberster Richter (sadr assudur).45 Auf der Glaubensebene schien sich in Akbar einiges zu bewegen. Mit den Konventen zusammen ging eine zunehmende Pietät einher: er unternahm zahlreiche Pilgerfahrten, meditierte und sammelte nächtens seine Gedanken zu einem Gebet. Bei den Diskussionen im sogenannten ibadat-khana, dem Haus der Verehrung (Gottes) – eigentlich ein Debattierhaus - gab es eine bestimmte Sitzordnung. Die Sufis saßen im Norden, die Gelehrten im Süden, die Emire im Osten und im Westen die Prophetennachkommen, denen im Islam besonders viel Ehre zuteilwird.46 Wahrscheinlich saßen diese im Westen, weil vom Indischen Subkontinent aus Mekka im Westen liegt. Seit 1578 nahmen an den Sitzungen nicht mehr ausschließlich Muslime teil. Allerdings gab es schon vorher Treffen zwischen Akbar und Vertretern anderer Glaubensrichtungen wie den Dschains und Hindus. Ihm ging es offenbar um den Vergleich seines Glaubens mit den anderen (siehe Punkt 5.1.1 und 5.1.2). Nun lud er sie offiziell in das Haus der Verehrung, zusammen mit Parsen, also indischen Zoroastriern, Christen und sogar Atheisten, um vergleichende Diskussionen anzuregen. Was für ein Verhältnis hatte nun Akbar zu den einzelnen Gruppierungen? Akbar und sein Verhältnis zur Chischtiyya. Die Chishtiyya war der erste bedeutende Orden, der sich in Indien etablieren konnte. In Indien ge53
hörten die Gräber der bedeutendsten Heiligen dieses Ordens zu den Orten, die seitens der Muslime am häufigsten besucht wurden. Es sind Nizam ad-Din Awliya in Delhi, Mu’inuddin in Adschmer und Baba Farid Schakargandsch (gest. 1269) in Adschodhan. Man glaubte sogar, dass eine bestimmte Anzahl von Wallfahrten die Pilgerfahrt nach Mekka ersetze. Vor diesem Hintergrund hat wohl Humayun sein Grab in der Nähe des Mausoleums von Nizam ad-Din Awliya errichten lassen. Akbar selbst reiste des Öfteren nach Adschmer. Er pflegte eine besondere Nähe zu dem Chischti-Schaykh Salim und begab sich viele Male nach Adschmer. Der Padischah legte das Gelübde ab, zu Fuß nach Adschmer zu pilgern, wenn ihm ein Sohn, folglich Thronfolger, geboren würde. Der Shaykh hätte dies angeblich vorausgesagt. Am 31.08.1569 bekam der Mogulherrscher einen Sohn und löste sein Versprechen sofort ein. 1570 wallfahrte er zu Fuß zum Grab Mu’inuddins. Seinem Sohn gab er ebenfalls den Namen Salim. Noch im selben Jahr bekam er einen weiteren Sohn, den er Murad nannte.47 Akbars Verhältnis zu den Christen. Die Portugiesen dominierten den Indischen Ozean zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Akbar war ein geschäftliches Verhältnis mit diesen eingegangen. Er war allerdings auch von deren guten Willen abhängig, um für die Pilger eine sichere Durchreise nach Mekka zu ermöglichen. Die Portugiesen ließen sich im 16. Jahrhundert auf Goa, in Diu und Cochin nieder. Christliche Missionare versuchten, das Christentum in Indien zu verbreiten. Die Franziskaner spielten hierbei eine große Rolle. Dann allerdings, gegen 1650, kam diese Rolle den Mitgliedern der Jesuiten zu, deren Orden 1534 durch Ignatius von Loyola gegründet wurde. Der erste Kontakt zwischen Akbar und den Christen kam wohl dann zustande, als Surat im Jahr 1573 belagert wurde. Akbar entsandte im Sommer 1575 Handwerker nach Goa und gab ihnen den Auftrag, europäische Instrumente und Geräte mitzubringen, die ihm von Nutzen sein könnten. Es wird berichtet, dass sie zwei Jahre später mit einer Orgel im Gepäck von der Insel zurückkehrten.48 54
Im Jahr 1579 veranlasste Akbar, dass Priester zum Herrscherhof kamen. Es waren die drei Missionare Rudolf Acquaviva, Antonio Monserrate und Francis Henriques, die den weiten Weg dorthin machten. Akbar bat diese zuvor in einem Brief, die wichtigsten Werke ihres Glaubens mitzubringen.49 Sie kamen also in das „Haus der Verehrung“ und es wurde über die üblichen Themen islamisch-christlicher Kontroversen debattiert. Dazu gehörten Themen wie dem Kreuztod Christi, die Trinitätslehre, der Koran als Wort Gottes etc.50 Akbar hatte wohl kein großes Interesse am Christentum, so dass die Jesuiten einige Jahre später – ohne den Herrscher bekehrt zu haben – wieder nach Goa gingen. Ganze acht Jahre hat es gedauert, bis zwei weitere Missionarstätigkeiten folgten. Die zweite Unternehmung wurden von Pater Christoval de Vega, der Laienbruder Estevan Ribeiro und Duarte Leitão durchgeführt. Die dritte Unternehmung, bei der es nun um die Konversion der Bevölkerung ging und nicht mehr um die des Herrschers, wurde durchgeführt von Jerome Xavier, Pater Pinheiro und Bruder Benedict de Goes. Diese kamen 1595 nach Lahore. Sie erkannten wohl die günstige Gelegenheit, da ein Erlass Akbars, niemanden daran zu hindern, der eine Kirche oder eine Synagoge bauen möchte (oder andere Gotteshäuser), den Missionaren den notwendigen Antrieb gab. Also wurde 1597 in Lahore die erste Kirche (seit der Ankunft der Portugiesen) gebaut, 1599 die zweite in Agra. Allerdings durften die Christen aufgrund des fehlenden Interesses des Herrschers am Christentum nicht mehr an den Diskussionen teilnehmen.51 Akbars Verhältnis zum Hinduismus. Was den Hinduismus angeht, so zeigte Akbar hier mehr Interesse. Dieses Interesse, so kann man mit großer Wahr-scheinlichkeit annehmen, bestand nicht nur in Sachen Religion. Wenn er sich mit den spirituellen Führern der Hindus traf, ging es ihm auch um ihr Wohlwollen: schließlich sollten sie ihn nach wie vor als Herrscher anerkennen und bei Expansionsbestrebungen gegebenenfalls auf seiner Seite stehen. Das Vorhandensein religiöser Unterschiede, die es ohne Zweifel zwischen dem Hinduismus und 55
dem Islam gibt, wurde versucht dadurch zu erklären, dass man sagte, dass beide Seiten bisher keine Anstrengungen unternommen hätten, die Religion des jeweils anderen zu verstehen.52 Dem kommt Abul Fazl so entgegen, dass er ein ganzes Kapitel dem Hinduismus widmet, den er dort ausführlichst beschreibt.53 Desweiteren beauftragte Akbar den Gelehrten Bada’uni, die wichtigsten Hinduwerke aus dem Sanskrit ins Persische zu übersetzen. Unter anderem übersetzte dieser daraufhin zwei Nationalepen, das Ramayana und das Mahabharata. Hindufeste wurden nun zu offiziellen Festen erklärt. Akbars Verhältnis zum Zoroastrismus. Akbars Verhältnis zu den Zoroastriern (auch Parsen genannt) war hervorragend und er unterhielt gute Kontakte. Es ist bekannt, dass er Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft finanziell begünstigte, was wohl auch damit zu tun haben dürfte, dass er viel von ihrem Glauben hielt. Seine Begeisterung ging im Jahre 1580 so weit, dass er sich bei einer öffentlichen Zeremonie zum ersten Mal vor der Sonne und dem Feuer zu Boden warf. Daraufhin folgte ein regelmäßiges, abendliches Feuerritual, dem eine morgendliche Sonnverehrung voranging.54 Akbar besaß nun eine besondere heilige Aura. Diese Besonderheit ist eben auf seine besondere Verbindung mit der Sonne zurückzuführen. Ob die ihm untergebenen Menschen in ihm nun eine wirklich spirituelle Persönlichkeit sahen, ist heute nicht eindeutig zu beantworten. Sicher spielte seine noch größere politische Macht eine wesentliche Rolle dabei. Es soll wohl auch Leute um ihn gegeben haben, die ihn mit „Gott“ angesprochen haben. Diese hätte er nur ignoriert, womöglich, weil er sich doch eher als einen spirituellen Führer hin zu Gott sah.55 Auch nawruz (Neujahr) wurde zum offiziellen Neujahrsfest erhoben. Man fing an, die altpersischen Feste zu zelebrieren. Dazu gehörten tschahar schanbeh suri (Feuerfest vor nawruz) und schabe yalda (Nacht der Geburt oder Yalda-Nacht). Akbar ging so weit, dass er die Rezita56
tion der 99 koranischen Gottesnamen verdrängte und durch die sanskritischen Bezeichnungen ersetzte. Auch die muslimischen hidschri Monatsnamen mussten der neuen Zeitrechnung, der „tarikh-ilahi“ (mächtige, göttliche Ära) weichen.56 Wollte man der neu entwickelten Religion beitreten, so musste dies offiziell geschehen. Warum der Zulauf groß war, dieser Religion beizutreten, lässt sich wohl auch mit der Tatsache beschreiben, dass das islamische Jahrtausend 1592 endete und sich Endzeitstimmung in der Bevölkerung breitmachte. Sowohl nach schiitischer, als auch sunnitischer Vorstellung erwartete man den Mahdi, der am Ende der Zeit aus der Entrückung als von Gott geschickter Messias (i. w. Sinne) zurückkehren wird, um das Unrecht auf der Welt zu beseitigen. Zwar finden sich keine entsprechenden Passagen im Koran, doch fanden solche angeblichen Prophetenaussprüche ihren Platz in sunnitischen Hadithen (Sammlungen prophetischer Aussprüche) und ist Bestandteil schiitischer Konfession.57 Mit den einschneidenden Veränderungen mit Blick auf den Islam, die Akbar selbst eingeleitet hatte, war die Funktion der Religionsgelehrten quasi obsolet geworden. Dies wollte Akbar nun auch schriftlich festhalten. Er ließ 1579 jene Religionsgelehrte zu sich an den Hof kommen, um ein Protokoll (mahzar)58 zu unterschreiben, in der sie dem Padischah nicht nur weltliches, sondern auch als religiöses Oberhaupt anerkannten.59 Es mussten immer mehr Religionsgelehrte und Sufis an den Herrscher herantreten, um das Dokument zu unterschreiben. Hätten sie es nicht getan, liefen sie Gefahr, steuerfreie Ländereien und andere Begünstigungen nicht mehr zu erhalten, die sie im Dienste des Herrschers bekamen.60 Allerdings muss man an dieser Stelle doch darauf hinweisen, dass es eine generelle Missinterpretation des mazhar gibt. Das Dokument ist kein Edikt dafür, dass der Herrscher unfehlbar ist. Oft wird in diesem Zusammenhang von einem Unfehlbarkeitsdekret gesprochen. Aller57
dings war dies kein despotischer Zug des Herrschers, absolute Macht zu erhalten. Es ging vielmehr darum – wenn auch sehr schwerwiegend - dass er das letzte Wort behält, wenn sich die religiösen Autoritäten auf eine bestimmte Angelegenheit nicht einigen konnten, und nicht die Mullahs.61 Demnach wollte er also die unantastbaren Mullahs davon abhalten, lediglich ihren Willen bei einer bestimmten religiösen Fragstellung durchzusetzen. Die Geschichtsschreiber erwähnen hier oft, dass er es für das Gemeinwohl (sulhi kull) getan hätte. Zwar ist diese Deutung plausibel, da er ja gemeinhin absolute Macht besaß, doch eine endgültige Antwort muss hier vorerst ausbleiben.
4.3 Reichskultur Menschen verschiedener Abstammungen - Araber, Perser, Türken, Tadschiken, Kurden, Iraner, Tscherkessen, verschiedene indische Gruppen u.s.w. - hatten eine Bleibe am Herrscherhof gefunden. Solche, die die Feder (ahl-i qalam) und Solche, die das Schwert (ahl-i sayf) führten, sowohl Grundbesitzer aus den Steppen und Bergen als auch Beamte, die das Privileg hatten, mit einem mansab ausgezeichnet worden zu sein, waren integraler Bestandteil des Herrscherhofes. Schnell hatten sie die immer noch dominierende persische Sprache erlernt, manche so gut, dass sie großartige historische, poetische oder literarische Werke in diesem Idiom verfassten. Zwar trugen sie literarisch gesehen sehr viel zur Hofkultur bei, doch zum engeren Kreis des Herrschers gehörten vor allen Dinge die etwa hundert Großemire. Die meisten waren gut ausgebildet, was sie in die Lage versetzte, die Hofkultur – mit allem, was dazu gehört – voranzutreiben und neue Dinge zu erschaffen. Bis zur Herrschaft Akbars waren diese Großemire weitgehend Muslime, die ursprünglich aus Zentralasien bzw. Persien stammen. 58
Im Kindesalter kam für gewöhnlich ein Großemir in eine Koranschule. Dort lernte er den Koran auswendig. Später kam er in eine islamische Hochschule (madrasa), wo er bei bekannten Gelehrten die klassischen Rechtswerke und die theologischen Schriften studierte. Grundlegende Kenntnisse in der arabischen Grammatik (nahw), Lexik (lugha) und Syntax (tarkib) waren eine Notwendigkeit. Außerdem wurde Wissen auf den Gebieten der Koranexegese (tafsir), der Überlieferungswissenschaften (hadith, pl. ahadith), mit Philosophie (falsafa) und der Logik (mantiq) vermittelt. Die stark religiös geprägte Ausbildung wurde mit Akbar um weitere Fächer wie Ethik, Mathematik, Landwirtschaft, Geschichte und Geometrie, erweitert. Neben der geistigen Weiterbildung wurden die Emire auch in Kriegskünsten, und mussten wissen, wie man eine Waffe richtig gebraucht. Von Abul Fazl erfahren wir, dass sich der Bestand der herrscherlichen Bibliothek auf ca. 24 000 Bände belief, die in verschiedene Bereiche aufgeteilt waren. Einige Bücher befanden sich innerhalb, andere außerhalb der Palasträume. Jede Abteilung der Bibliothek ist noch einmal je nach dem Wert der Bücher und der Wertschätzung der Wissenschaften unterteilt. Prosawerke, poetische Arbeiten, Bücher in Hindi, Persisch, Griechisch, Kaschmiri oder Arabisch wurden gesondert voneinander aufbewahrt.62 Ein weiteres Charakteristikum der höfischen Kultur ist die Architektur, insbesondere unter Akbar. Er hatte in diesem Bereich deutliche Spuren hinterlassen. Was die Bautätigkeit angeht, so erhielt die mogulzeitliche Archietektur ihren besonderen Charakter in der Zeit Akbars. Der Stil entwickelte sich weg von dem der Vormogulzeit, sprich Timuridenzeit. Dank der zahlreichen Künstler und Handwerker, die aus den neuen Provinzen des Reiches an den Mogulhof kamen, wurde ein Stil entwickelt, der eine Mischung aus indischen, zentralasiatischen und iranischen Elementen darstellt. Die Verwendung des roten Sandsteins ist das auffälligste. Das erste bedeutende Bauwerk, das Akbar errichten ließ, war die Grabanlage seines in den Tod gestürzten Vaters Humayun. Später kamen Festungen in Allahabad, Lahore und 59
Adschmer dazu. Diese demonstrieren eine besonders präsente Macht im Reich. Eine permanente Residenz oder sogar eine Hauptstadt gab es während der Regentschaft Akbars nicht. Sein vollständiger Hof zog von einem Ort zum anderen, ohne irgendwo länger als nötig zu verweilen.63 Zuletzt soll hier noch die Malerei am Mogulhof erwähnt sein: Als weltliche höfische Kunst, die höchsten Ansprüchen genügen musste, war die mogulzeitliche Malschule thematisch außerordentlich vielseitig. Die Mogulmalerei hatte nicht nur die Funktion eines Chronisten, der die bedeutendsten Geschehnisse am Hofe berichtet, zu erfüllen, sondern erwies sich zugleich gegenüber einheimisch-indischen kulturellen Traditionen in sowohl inhaltlicher als auch formaler Hinsicht aufgeschlossen. Einer der ersten großen Aufträge an die aus verschiedenen Landesteilen kommenden Künstler war, das vierzehnbändige Romanwerk „Dastan- i Amir Hamza“ (oder Hamza-nama), das die Heldentaten eines Onkels des Propheten Muhammad schildert, zu illustrieren. Das Werk hatte ca. 1400 großformatige Miniaturen, von denen heute ca. 130 Blätter erhalten sind (Wien, London usw.). Sie wurden während der Herrschaft Akbars ausgeführt und wahrscheinlich vor 1579 vollendet. Wie auf dem Gebiet der Architektur, so führte auch hier die Zusammenarbeit zahlreicher Künstler, die den verschiedensten Traditionen verhaftet waren, im Laufe dieses Schaffensprozesses zu einer einmaligen Kultursynthese mit hoher schöpferischer Leistung.64 Wir haben also gesehen, wie Akbar dank seiner ausgezeichneten Führereigenschaften und seinem Sinn für kulturelle und vor allem religiöse Offenheit ein auf den Prinzipien der Ästhetik basierendes Reich geschaffen hat, in dem derart verschiedene Ethnien zueinander fanden und - zumindest unter der Regentschaft Akbars - umgänglich zusammenleben konnten. Nichtsdestotrotz kann man die religiösen Entwicklungen in Mogul-Indien nicht ohne weiteres verstehen, wenn man die 60
religiöse Gegebenheit der vorangegangenen Jahrhunderte nicht im Blick hat. Nachfolgendes Kapitel soll einen kleinen Überblick geben.
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5. Religiöse Gegebenheit 5.1 Nichtislamische Religionen Hindus. Die religiösen Spannungen, die im Mogulreich aufkamen, waren in erster Linie durch einen Konflikt von Anhängern der beiden größten im Land vereinten Religionen verursacht, die durch höchst unterschiedliche, zuweilen sogar gegensätzliche religiöse Wertvorstellungen gekennzeichnet waren: den Muslimen und den Hindus. Dabei ist der Name „Hindu“ ein aus dem Persischen übernommener Begriff, der zunächst lediglich die Bewohner der Indusregion bezeichnete. Die Muslime, die sich seit dem achten Jahrhundert auf dem Subkontinent ansiedelten, fühlten sich selbst jedoch, obgleich nun ebenfalls Bewohner des Indusgebietes, nicht als „Hindus“, sondern verwendeten diesen Namen ausschließlich für Nichtmuslime. Auf diese Weise erhielt „Hindu“ eine konfessionelle Bedeutung, die die Europäer im 19. Jahrhundert übernahmen und daraus die Religionsbezeichnung „Hinduismus“ schufen, die heute nach dem Christentum und dem Islam die drittgrößte Religion der Erde bildet.65 Genau genommen handelt es sich beim Hinduismus um einen Komplex religiöser Vorstellungen und Praktiken, die allerdings gemeinsame Wurzeln haben. Die Ursprünge des Hinduismus liegen in der im zweiten Jahrtausend v. Chr. nach Indien gelangten vedischen Religion, die ihren Namen von der Bezeichnung ihrer heiligen Schriften ableitet, nämlich den vier Veden (skr. Veda = Wissen). Träger des Vedismus waren halbnomadische Stämme, die nach und nach in das Industal eindrangen und die ansässige Bevölkerung schließlich unterwarfen. Ihre Siege führten sie auf die Macht ihrer Götter zurück und hielten deshalb das Wissen um diese und die zu ihrer Anrufung notwendigen Riten geheim. Aus dieser religiösen Abgrenzung bildete sich eine Ständeordnung heraus (Brahmanen = Priester; Kschatriyas = Krieger; 62
Vaisyas = Bauern; Sudras = Diener und Tagelöhner; letztere sind vom religiösen Wissen völlig ausgeschlossen), die ebenso wie die Veden auch im heutigen Hinduismus noch Gültigkeit besitzt. Im Laufe der Jahrhunderte entfalteten die Priester ein zunehmend ritualisiertes Opfertum und eine magische Weltanschauung, so dass die Spätzeit des Vedismus aufgrund der religiösen Monopolstellung der Brahmanen auch als Brahmanismus bezeichnet wird. Die Kritik am brahmanischen Opferwesen brachte im sechsten Jahrhundert v. Chr. zwei Bewegungen hervor, die Alternativen für den Ausweg aus dem ewigen Kreislauf der Geburten boten: den Mönchorden des Buddha und den des Mahavira. Doch auch der Brahmanismus entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte weiter: während die Pflichterfüllung des Einzelnen in der Gesellschaft und die Suche nach erlösendem Wissen bestehen blieben, war es in erster Linie die bedingungslose, liebende Hingabe (skr. bhakti) an Krischna, den Sohn des Vasudeva, die nun eine emotionale Beziehung zwischen Mensch und Gott schuf. Als eine Inkarnation des Göttlichen kam Krischna zu den Menschen hinab, um die Welt zu retten. Zugleich galt er als der auf den Urwassern ruhende Schöpfergott Narayana und wurde als solcher mit dem Urgott Puruscha und dem vedischen Gott Vischnu identifiziert. Die zahlreichen indischen Götter nahm der Krischna-Glauben zwar in sein theologisches System auf, wies ihnen jedoch als unerlöste Wesen, die von sich aus keine Macht haben, nur untergeordnete Plätze zu. Es lassen sich verschiedene Formen der Vasudeva-KrischnaVerehrung ausmachen, die sich etwa aus dem fünften Jahrhundert n. Chr. vereinigten und in dieser Form als Vischnuismus bezeichnet werden können. Diese Bündelung sowie die Integration des BrahmaKultes und der Sonnenverehrung des Surya hatten zur Folge, dass der Vischnuismus zur dominierenden Kraft in Indien wurde. Mit der Rolle Vischnus als Weltbeschützer kam es außerdem zu einer konzeptionel63
len Annäherung von König und Gott, wobei der König als irdischer Stellvertreter des Gottes Vischnu auftrat. Die Aufnahme des epischen Helden Rama als eine der Inkarnationen (avatara) Vischnus, deren Anzahl sich im sechsten Jahrhundert n. Chr. bei zehn einpendelte, spiegelt eben diese parallele Betrachtungsweise von Königtum und göttlicher Herrschaft wieder.66 Ein besonders bedeutender Aspekt an der mystischen bhaktiFrömmigkeit war, dass die Gottesliebe als Heilsweg auch den unteren Kasten offenstand. Dabei wurde die menschliche Seele als weibliche Geliebte Krischnas konzipiert, die in der Dichtung den Namen Radha erhielt. Die Liebe von Radha und Krischna ist ein beliebtes Thema der nordindischen, vom bhakti geprägten Musik, und die KrischnaVerehrer gehörten in der Tat zu den bedeutendsten Musikern des Subkontinents. Akbars vielgerühmter Sänger Miyan Tan Sen war einer der wenigen Schüler des berühmten Svami Haridasa (1480-1575), der zurückgezogen in Vrindavana, dem heiligsten Ort des KrischnaKultes, lebte und dort viele Hymnen zum Lob des Gottes komponierte. Die Musik stellte eine der wichtigsten Ebenen dar, auf der es zu einem Austausch zwischen Hindus und Muslimen, insbesondere denen des Chischti-Ordens, kam.67 Dschains. Nach wie vor sind die Dschains eine verhältnismäßig kleine religiöse Gruppe in Gudscharat (heute etwa vier Millionen Anhänger in ganz Indien). Sie sind etwa im 6. Jahrhundert vor Christus entstanden und berufen sich unter anderem auf den zu dieser Zeit lebenden spirituellen Führer Mahavira (der führende Held). Ihre Ethik besteht aus folgenden Aspekten: Ablassen von Töten und Verletzen von Lebewesen; Verzicht auf nicht wahrheitsgemäße Aussagen; nicht stehlen; Vermeidung von promiskuitiven bzw. unkeuschen Beziehungen; nur über lebensnotwendige Besitzgüter verfügen und vor allem fasten. Diese doch sehr asketischen Praktiken erinnern sehr an die Verbundenheit dieser Gruppe mit dem Buddhismus. Sie waren strenge Vegetarier. Mundbinden, die getragen wurden und werden, haben den 64
Zweck, nicht einmal aus Versehen ein Kleininsekt zu verschlucken. Dass die Dschains Vegetarier waren, schätzte Akbar. Eine Gruppe von – so berichtet man – 67 shwetambaras lief durch die Straßen von Fathphur Sikri, bei Agra. Diese „Weißgekleideten“ gelten unter den Dschains als die Gemäßigteren. Die Muslime lehnten jedoch die digambaras, die „Luftgekleideten“, die ebenfalls zu der Gruppe der Dschains gehören, kategorisch ab, liefen diese doch nackt durch die Straßen. Nacktheit in der Öffentlichkeit ist nach der Sharia verboten. Einige Dschain-Gelehrte verfassten Sanskrit-Werke und wurden von Akbar belohnt, weil auch ihm zu Ehren Sanskrit-Verse verfasst wurden. Ein Dschain namens Hiravidschaya soll dem Herrscher Akbar die Philosophie des Dschainismus derart nahegelegt haben, dass er dafür mit dem Titel dschagat guru „Lehrer der Welt“, geehrt wurde. Dadurch, dass die Ethik der Dschains die Ausübung vieler Berufe des Mittelalters unmöglich machte, waren sie von jeher Händler. Trotz Akbars guter Gesinnung gegenüber den Dschains wurden diese aus den Gebieten der Moguln vertrieben. Ein rebellierender Dschain - allerdings erst nach Akbars Regentschaft - der die Absetzung des Herrschers laut einer Prophezeiung anpries, mag dafür der Auslöser gewesen sein.68 Parsen. Die muslimischen Eroberungen von der Anfangsphase des Aufkommens des Islams gingen ebenfalls einher mit der Annexion der Ländereien Persiens. Eine Anzahl von Zoroastriern (wie bereits oben erwähnt, also auch Parsen genannt) ließ sich in Indien nieder. Surat, Gudscharat, Bombay waren ihre bevorzugten Siedlungsgebiete. Eine kleine Gruppe befindet sich ebenfalls in Karachi. Die Stadt gelangte später zu einer gewissen Bedeutung aufgrund ihres Handelshafens. Die Zoroastrier schätzten Akbar. Von Spannungen ist bisher nichts bekannt. Akbars Beziehung zu den Parsen wurde bereits oben näher geschildert. Die Sympathie scheint also auf Gegenseitigkeit beruht zu haben und soweit man sieht, gab es keine Spannungen oder Zusam65
menstöße zwischen Moguln und Parsen.69 Ein Parse, dessen Name unbekannt ist, schrieb zur Zeit Akbars ein Buch, das die religiösen Verhältnisse Südasiens darstellt. Das Buch ist zwischen 1645 und 1658 entstanden. Es trägt den Titel Dabestan-e Madaheb (Die Schule der religiösen Doktrinen). Die Debatten in Akbars ibadat-khana sollen in diesem Werk am zuverlässigsten aufgezeichnet worden sein.70 Juden. Verließen die Parsen nach der muslimischen Eroberung ihre Ländereien, so taten es die ersten Juden bereits Jahrhunderte vorher. Auch sie kamen (vom mittleren Osten) über die leicht zugängliche Westküste nach Malabar bzw. Gudscharat. Nach der Unabhängigkeit Indiens zählte die jüdische Bevölkerung etwa 25 000 Mitglieder. Nach der Entstehung des Staates Israel wanderten die meisten unter ihnen aus. Heute sollen noch etwa 5000 Juden in Manipur und Mizuram, Mumbai, Kolkata, Delhi und Ahmadabad leben. Die ersten Juden, die nach Indien kamen, die auch Cochin-, oder Malabar Juden genannt werden, taten dies womöglich vorrangig aus Handelsgründen. Es bestand reger Handel zwischen Salomos Reich (10. Jh. vor Chr.) und der Malabarküste. Eine genaue Datierung, wann Juden in bedeutenden Massen nach Indien kamen, ist nicht möglich. Die überwiegende Mehrheit der Historiker geht jedoch davon aus, dass die meisten Juden erst im frühen Mittelalter aus dem Jemen und dem Irak einwanderten.71 Eine in der Geschichte des Mogulreiches herausragende Person wird im Zusammenhang mit dem Judentum in Indien oft erwähnt. Es handelt sich um den Mystiker, Poeten und Heiligen Muhammad Said, der unter dem Namen Sarmad Kaschani bekannt ist. Er war jüdischer Abstammung und kam aus einer Kaufmannsfamilie. Oft wird berichtet, dass er sich lustig über die damals herrschenden Religionen gemacht hätte. Manche sagen, dass er aus dem Ju-dentum ausgetreten war und den Hinduismus angenommen hatte, andere behaupten gleiches, jedoch mit der Konvertierung zum Islam. Fakt ist, dass er bei Mullah Sadra (gest. 1640) studiert hatte. Eines Tages hätte er sich in ein Hindu66
Mädchen verliebt. Seine Liebe sei so stark gewesen, dass er sich entschloss, sein Leben von Grund auf umzukrempeln. Als Wanderprediger sei er dann nackt durch die Straßen gelaufen. Es wird berichtet, dass er durch den Mogulherrscher Awrangzeb hingerichtet wurde, weil er häretische Verse über den Islam verfasst hätte.72 Sikhs. In Indien gab es seit jeher Bestrebungen, religiöse Vorstellungen miteinander zu kombinieren. Diese Bestrebungen sind allerdings nicht so zu verstehen, dass sie friedenstiftend angelegt sind, so dass es etwa Mitglieder verschiedener Religionen durch religiöse Einigung einen Bund schließen. Vielmehr ging es um die Vervollkommnung der eigenen religiösen Vorstellung. Denn durch synkretistische Bestrebungen wird etwas Neues geschaffen und existiert neben dem bereits Vorhandenen. Der Mystiker Kabir (gest. 1518), der in einer muslimischen Weberfamilie aufgezogen wurde, lässt in seiner Dichtung Bidschak (eigentl. Dokument heiliger Texte) verschiedene islamische und hinduistische Ideen verschmelzen. Gleichzeitig jedoch lehnte er es ab, nach dem Koran oder den Veden zu leben. Das Kastensystem lehnte er ab. Er selbst bezeichnete sich weder als Hindu, noch als Muslim. Bis heute wird er jedoch von Vertretern beider Religionsgruppen verehrt, einschließlich derer, die sich die Anhänger des Satguru Kabir Panth (die den Pfad Kabirs Folgenden) nennen. Aus ähnlichen Bestrebungen entwickelte sich die Religion der Sikhs, deren Gründer Guru Nanak (gest. 1537) ist. Der wiederum stammt aus einer Hindu-Familie und gehörte der Händlerkaste an. Auch er erklärte, weder Hindu, noch Muslim zu sein. Sikh nennen sich seine Anhänger, was erst einmal nichts weiter als „Schüler“ bedeutet. Der „Adi Granth Sahib“, der von dem fünften Guru Ardschan Dev zusammengestellt wurde, stellte eine Sammlung von religiösen und poetischen Texten dar. Für die Sikhs hat diese Sammlung der „Adi Granth Sahib“ ähnliche Bedeutung wie der Koran für die Muslime, auch wenn beide Bücher einen unterschiedlichen Hintergrund besitzen. 67
Die Sikhs haben sich allerdings auch wie andere religiöse Gemeinschaften, militarisiert. Verschiedene Sikh-Führer wurden hingerichtet, auch Guru Ardschan. Die Sikhs beherrschten später den Pandschab, wo ihre Bewegung den Ausgang genommen hatte.73 Christen. Der indischen Tradition nach war der Apostel Thomas derjenige, der durch seine Ankunft in Kodungallur/Kerala die Weichen für die Ver-breitung der Christenheit in Indien stellte. Es wird berichtet, dass er Kerala und Tamil Nadu christianisiert hat. Wie auch im frühen Römischen Reich, waren wohl die ersten Konvertiten Juden. Viele dieser Juden sprachen womöglich noch Aramäisch, wie der „Heilige Thomas“, der ebenfalls gebürtiger Jude war.74 Ein Werk, das ins 3. Jh. datiert wird - geschrieben in Syrisch, einem Dialekt des Aramäischen - das unter dem Titel „Thomasakten“ bzw. als „Apostelgeschichte des Thomas“ bei uns bekannt ist, enthält mehrere Erzählungen über die Aktivitäten des Thomas in Indien. Die Erforschung der historischen Plausibilität dieser Geschichten ist noch nicht beendet. Jedoch sind diese Geschichten zumindest richtungsweisend. Denn tatsächlich entwickelte sich eine Gemeinschaft, die sich die Thomas-Christen (oder syrische Christen) nannte. Später gewann die katholische Ordensgemeinschaft „Gesellschaft Jesu“ (Societas Jesu) an Bedeutung. Sie wurde im Jahr 1534 von dem Spanier Ignatius von Loyola gegründet und von Papst Paul III. 1540 bestätigt. Zwar wurde die Bezeichnung Jesuiten zunächst spöttisch verwendet, jedoch übernahmen ihre Vertreter bald selbst diese Bezeichnung. Das Leitmotiv der Jesuiten lautet Omnia ad majorem Dei gloriam (Alles zum höheren Ruhme Gottes). Ihr Anliegen ist es, durch Predigt den Glauben zu verbreiten und alle Erfordernisse der Kirche zu erfüllen. Von Beginn an sah der Orden sein Hauptaufgabengebiet in der Erziehung, wobei er zum Studium der Theologie als auch der weltlichen Disziplinen beigetragen hat. 68
Ursprünglich war es wohl Loyolas Ziel, mit der Gründung einer Ordensgemeinschaft eine Pilgerreise nach Palästina durchzuführen und die Muslime zu bekehren. Der Krieg mit den Osmanen verhinderte dieses Vorhaben und der Orden wurde dem Papst direkt untergeordnet. Dieser bestätigte den Orden sowie das Gesuch, Missionsreisen in seinem Auftrag übernehmen zu dürfen. Daraufhin wurde Loyola zum ersten General des Ordens gewählt. Der Orden entwickelte sich rasch, und seine Mitglieder übernahmen führende Positionen in der Gegenreformation. Sie gründeten Schulen und Kollegien in ganz Europa, wo sie 150 Jahre lang im Unterrichtswesen führend waren. In der Zeit der Gegenreformation hatte die Ausbildung der Jesuiten primär das Ziel, sich gegenüber dem Protestantismus durchzusetzen. Im Bereich der Missionierung hatte sich der Orden ebenfalls einen Namen gemacht. So gründete der oben erwähnte Franz Xaver Missionen in Indien und Japan, und der Orden breitete sich bis ins Innere Chinas und an die Küste Afrikas aus.75 Weiter oben haben wir gesehen, wie es zu einem ersten Kontakt zwischen dem Mogulherrscher Akbar und den Christen kam, nachdem sich die Portugiesen auf Goa niedergelassen hatten (siehe Punkt 4.2). So soll hier auf dieses Thema nicht mehr weiter eingegangen werden.
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5.2 Innerislamische Gruppierungen Mahdawis. Ein Mahdi war im arabischen Raum im 7. Jh. noch ein Titel, den ein frommer und aufrichtiger Herrscher trug. Als dieser Begriff bei den Schiiten auftritt, hat er noch nicht die eschatologische Konnotation, die er später annehmen sollte. Mahdi, arab. für den Rechtgeleiteten, ist also zunächst lediglich der von Gott bestimmte rechtmäßige Imam-Kalif.76 Später bekam das Wort mahdi die Bedeutung von einem endzeitlichen Heilsbringer, der also am Ende der Zeit erscheinen wird, um die Erde mit Gerechtigkeit zu füllen. In dieser Bedeutung macht es teils das Schiitentum aus, insbesondere die Zwölferschia (s.u.). Oft wird das Wort mahdi auch mit „Messias“ übersetzt. Dies könnte im übertragenen Sinn vielleicht durchgehen, allerdings gibt es ein arabisches Wort für Messias (al-masih), das auch im Koran geschrieben steht, jedoch für Jesus verwendet wird. Die Bedeutung Jesu für das Christentum und die Bedeutung mahdi für den Islam sollten hier allerdings nicht vermischt werden. Auch wenn es ein schiitisches Motiv ist, wurde dieser Gedanke auch von anderen Frommen aufgenommen. In Zeiten politischer Krisen erschienen immer wieder mahdis, die mal von der Gemeinschaft akzeptiert, mal nicht akzeptiert wurden. Genannt seien hier Ibn Tumart (Marokko), Abdallah al-Mahdi (Khuzistan/Persien), Ibn Muarik al-Mawati (Nordafrika), Sayyid Ali Muhammad (Begründer des Babismus, Persien), Muhammad Ahmad (Sudan). Religiöse Führer mit eschatologischem Charakter finden sich auch in Indien. Der Begründer der Mahdawiyya Hazrath Syed Muhammad Jaunpuri erklärte sich zum Imam-Mahdi. Für seine Anhänger war er nach dem Propheten Muhammad die bedeutendste Figur im Islam. Jaunpuri, benannt nach seiner Geburtsstadt Jaunpur, hat weder eine neue Religion erschaffen, noch nahm er für sich in Anspruch, ein Pro70
phet zu sein. Jedoch proklamierte er, der mahdi und von Allah berufene Kalif zu sein. Besonders ist hier, dass er dies in Mekka – während seiner Pilgerreise (1494) – tat. Dort kümmerte das offenbar nicht viele. Erst als er wieder nach Indien kam, und gleiches in Ahmadabad und Badli tat, wurde er derart angegriffen, dass er fliehen musste. Er lehrte den Koran und folgte streng der Sunna, also den Bräuchen und Praktiken des islamischen Propheten Muhammad. Dadurch gewann er viele Anhänger. Am wichtigsten war für ihn der dhikr, das Gottgedenken. Die Jünger trafen sich täglich in Strohhäusern, sogenannten da’iras, anstatt in Moscheen. Wahrscheinlich war dies ein Ausdruck ihres Lebens als Asketen, deren Eigenheit das Leben in (freiwilliger) Armut war. Doch auch hier scheint ihr Ansporn folgender Prophetenausspruch gewesen zu sein: „Meine Armut ist mein Stolz“ (faqri fakhri). Seine Anhänger schrieben ihm Heilkräfte zu: Tote soll er zum Leben erweckt haben, Kranke geheilt. Die Mahdawis wurden immer wieder verfolgt. 1511-26 in Gudscharat, während der Regentschaft Muzaffars II. Viele wurden ermordet. Der spätere Mogulherrscher Awrangzeb ging ebenfalls gegen sie vor, als er 1645 Gouverneur von Ahmadabad wurde. Als Konsequenz dieser Verfolgungen übten viele die sogenannte taqiyya, aus: eine im Islam erlaubte Verheimlichung des eigenen Glaubens bzw. Missachtung der rituellen Pflichten, um bei Gefahr Leib und Besitz zu schützen. Auch diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass die Zahl der Mahdawis heute nicht bekannt ist. Kleine Gruppen befinden sich in Gudscharat, Bombay, im Dekkan, in Uttar Pradesh und im Sind, wo sie als Zikris bekannt sind. Hier kann man anmerken, dass einer der frühesten Dichter in einer Regionalsprache, nämlich in Purabi, Malik Muhammad Dscha’isi war, der als Schüler eines der führenden Mahdawi seiner Zeit, nämlich Burhanaddins von Kalpi (gest. 1562-3), gilt. Der erste religiöse Dichter
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in Sind, Qadi Qadan von Sehwan (gest. 1551) soll, wie einige Quellen behaupten, ebenfalls Mahdawi gewesen sein.77 Rauschanis. Die Rauschanis sind eine mystische bzw. gnostische Sekte im Islam. Sie entstand unter den Afghanen. Gründer Bayezid Ansari (gest. ca. 1573) nannte sich selbst den „von Gott erleuchteten Meister“ (pir-i rauschan), wohingegen ihn seine orthodoxen Feinde den „Meister der Finsternis“ (pir-i tariki) und seine Anhänger „Verehrer der Finsternis“ (tarikiyan) nannten. Es wird berichtet, dass Bayezids Sekte extrem pantheistisch gewesen sein soll. Er soll ungefähr gesagt haben – wohl mit Blick auf die, welche ihm schlechtes gegönnt haben: „Wenn ich bete, so bin ich Polytheist, tue ich es nicht, dann bin ich ein Ungläubiger“. Er stellte acht Stufen (maqam) auf, die nacheinander bestiegen werden müssen, um der Religion gerecht zu werden: scharia (Weg Gottes, der durch die Beachtung dessen Gesetzes begangen wird), tariqa (Pfad, der aus der Scharia kommt), haqiqa (das wahre Wissen, das aus dem Einswerden mit Gott durch seiner Gedenken hervorgeht), marifa (intuitives oder spirituelles Wissen, dass erst durch lange ekstatische Erfahrung erlangt wird), qurba (Nähe zu Gott), wusla (Verbindung zu Gott), wahda (Vereinigung mit Gott), sukun (Schweigen, Enthaltsamkeit). Diese Begriffe erinnern doch sehr stark an das Vokabular der Sufis. Diese Begriffe, die aus seinem hal-name stammen, werden dort näher erläutert. Da die Anziehungskraft der Rauschaniyya sehr groß war und sie sich gegen Akbar gewandt hatten, schickte Akbar seinen General Radscha Man Singh mit einer Truppe an das nordwestliche Grenzgebiet. Bayezid verstarb 1575. Wie bereits oben erwähnt, übernahmen seine Söhne die Aktivitäten Bayezids, doch wurde das Gebiet erst gegen 1600 von den Moguln erobert. Bayezid hinterließ einige Werke und er trug wesentlich dazu bei, dass Paschtu, seine Muttersprache, als Literatursprache etabliert wurde.78
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Nuqtawis. Die Nuqtawiyya ist eine islamische Sekte, die ein Ableger der Hurufiyya-Sekte ist. Die Hurufiyya selbst ist eine gnostischkabbalistische Bewegung, die im Iran gegen Ende des 14. Jahrhunderts von Fadl Allah aus Astarabad gegründet wurde. Die Bezeichnung Nuqtawiyya geht womöglich zurück auf die Annahme, dass die Erde den Ausgangspunkt (nuqta) aller Dinge darstellt. Auch der Mensch sei also aus einem Punkt dieser Erde entstanden. Besonders diese Vorstellung hat auch in der din-i ilahi des Akbar einen Platz gefunden. Es gibt aber auch die unwahrscheinlichere Version für die Herkunftsbezeichnung, nämlich die, dass sich bis zu vier Punkte als geheime Abkürzungen in den Schriften der Nuqtawis immer wieder finden. Die Nuqtawiyya wird gemäß ihrem Begründer Mahmud Pasikhani (gest. 1427/8) auch Mahmudiyya genannt. Pasikhani folgte Fadl Allah bis er – so wird erzählt – auf Grund seiner Arroganz aus der Sekte ausgeschlossen wurde. Daraufhin soll er den Beinamen „der Verstoßene“ bekommen haben. Auch er habe sich zum Mahdi erklärt. Mahmud verfasste 16 Werke, von denen keins vollständig erhalten ist. Zwar enthalten viele seiner Schriften – ganz im Stile der Hurufiyya – nicht auf Anhieb verständliche Abkürzungen und Zeichen, doch im Großen und Ganzen sind sie zugänglich. Bemerkenswert ist die Vorstellung vom Tod bzw. der Seelenwanderung. Der Körper zersetzt sich demnach nicht nach dem Tode, sondern wird als ganze Masse von der Erde aufgesogen, um später als eine Pflanze oder Festkörper (z. B. Stein) in Erscheinung zu treten. Möglicherweise, um dann von Tier oder Mensch konsumiert zu werden. Die Existenzstufe bei der Wiederintegrierung in den Kreislauf des Lebens hängt vom Grad der Tugendhaftigkeit des Vorbesitzers ab. Pasikhani soll angeblich nie verheiratet gewesen sein und seine Bewegung empfiehlt das Zölibat. Zentral für die Doktrin der Nuqtawis war ebenso das Zyklusprinzip. Sie scheinen hiermit den Ismailiten nahe zu stehen. Das ganze Leben auf der Welt dauert 64000 Jahre. Diese wer73
den in vier Perioden eingeteilt, in denen verschiedene Völker die Oberhand haben. Nach der Arabischen Epoche, die nun zu Ende ist, komme die persische Ära. Dieser Umstand gibt der Bewegung einen religiös-nationalistischen Charakter. Unter Schah Tahmasp wurden die Nuqtawis verfolgt. Unter ihnen war der Poet Hayati, der zwei Jahre im Gefängnis in Shiraz saß und später nach Indien ging.79 Akbar war den Nuqtawis gegenüber nicht feindlich gesinnt. Scharif-i Amuli, der als „Erneuerer des Jahrhunderts“ bei seinen Anhängern gilt, erhielt sogar ein sehr hohes mansab am Hofe Akbars.80 Schiiten. Es gibt verschiedene schiitische Gruppierungen. Die Ismailiten, benannt nach dem ältesten Sohn (Ismail b. Dschafar) des Imam Dschafar as-Sadiq (gest. 765), machten ihren Einfluss bereits im 10. Jahrhundert in Multan geltend. Schließlich gründeten sie das Reich der Fatimiden. Sie wurden von Mahmud aus Ghazna gestürzt, was jedoch die Ismailiten nicht davor abschreckte, ihre Missionarstätigkeit am Sindh, im Pandschab und in Gudscharat fortzuführen. Aus Multan wurden sie bis 1175 unter der Führung von Schihab ad-Din ganz verjagt. Erbittert und verärgert schlossen die Ismailiten ein Bündnis mit den Kokaren und ermordeten Schihab ad-Din im Jahr 1206. Das Sultanat von Delhi war quasi in der Pflicht, eine anti-ismailitische Politik zu betreiben. Diese Verfolgungspolitik, die auch von Mogulherrschern betrieben wurde, führte zum Märtyrertum Qazi Nurullah Schuschtaris und dem Mirza Muhammad Kamil Dehlavis. Qazi Nurullah hatte zwar noch ein hohes Amt am Hofe Akbars bekleidet, doch führte die spätere orthodoxe Herrschaft am Mogulhof zu seiner Exekution im Jahr 1610/11. Mirza Muhammad wurde aufgrund eines Werkes, das er als Antwort auf ein sunnitisches Werk verfasste, vergiftet. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde durch ein offizielles Gericht Aga Khan, der aus dem Iran kam und sich in Bombay niederließ, als legitimer Führer der Ismailis anerkannt.81 74
Die Zwölferschiiten, auch Imamiten genannt, begannen in Indien erst an Bedeutung zu gewinnen, als Schah Ismail I. 1501 mit der Eroberung von Tabriz in Persien die Schia zur Staatsreligion machte. Viele konvertierten zum schiitischen Islam, besonders die Herrscher von Bidschapur und Golkonda sind hier hervorzuheben. Dem überwiegend sunnitisch ausgerichteten Norden waren diese Entwicklungen gewiss ein Dorn im Auge.82 Doch im Allgemeinen konnte sich die Schia-Kultur weitgehend etablieren und schiitische Dichter und Gelehrte fanden hier ihren Platz. Von den wichtigen schiitischen Werken, die in Indien verfasst wurden, seien hier ihqaq al-haqq wa ibtal al-batil und die Madschalis al-muminun von Schuschtari, und imad al-islam sowie al-schihab al-thakib von Sayyid Dildar Ali erwähnt. Sufis: Bereits kurz nach 900 kam der später berühmt gewordene persische Sufi Mansur al-Halladsch, knapp zwei Jahrhunderte nach der ersten islamischen Expedition nach Indien. Er kam aus Bagdad dorthin. Noch heute wird er in den Volksliedern der Sufis auf dem indischen Subkontinent geehrt. Er fand, so sagt man, den Märtyrertod, weil er Gott so sehr liebte. Al-Halladsch glaubte daran – und tat dies auch einem breiten Publikum kund – dass er sich in die Gegenwart Gottes begeben und sogar mit Gott eins werden könnte. Während einem seiner spirituellen Trancezustände soll er gesagt haben, dass er „die Wahrheit“ ist. „Die Wahrheit“ ist allerdings einer der 99 Namen Allahs und so wurden sehr schnell Stimmen darüber laut, dass er Gotteslästerung betrieb. Von al-Halladsch wird sogar gesagt, dass er sein Haus als imaginäre Kaaba (das zentrale Heiligtum im Islam) umrundet haben soll. Nach mehrjähriger Haft wurde er 922 in Bagdad hingerichtet. Er blieb als der Liebende in Erinnerung, der von den orthodoxen und herzlosen Mullahs getötet worden ist. Eine zweite Eroberungswelle der Ghaznawiden kurz nach 1000 brachte dem Subkontinent Gelehrte wie Biruni, der die Hindu-Philosophie 75
untersuchte. Theologen und Dichter folgten. Lahore wurde das erste Zentrum persisch beeinflusster Kultur, in der auch der Sufi Hadschwiri (auch unter dem Namen Dschullabi bekannt) einen Platz fand (siehe 2.2). Der Sufismus gewann allerdings erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts an wirklicher Bedeutung. Sufi-Orden begannen, sich zu etablieren. Es kamen viele Gottesfreunde (awliya), die aktiv an der Theologie des Sufismus arbeiteten oder diese einfach nur auslebten. Hier ist Ibn Arabis Einfluss besonders erwähnenswert. Obwohl er wahrscheinlich nie auf dem indischen Subkontinent war, hatten seine Konzepte doch sehr großen Einfluss auf die Sufis genommen, die vor allem an seine Lehre von der „Einheit des Seins“ festhielten und diese zum Teil auch erweiterten. Zwar ist Ibn Arabi nicht Urheber dieser Lehre, doch gilt er als ihr Vervollständiger, weshalb man ihm wohl auch den Beinamen „Schaikh al-Akbar“ (der größte Meister) gab. Allerdings ist es um die Deutung dieses Konzeptes nicht einfach bestellt, da sich sowohl seine Zeitgenossen (einschl. der Sufis), als auch heutige Gelehrte nicht darüber einig sind, was genau er meinte. Das Deutungsspektrum reicht von existenziellem Monismus bis hin zum Panentheismus. Einige Zitate Ibn Arabis, die Schimmel in diesem Kontext sehr gewählt hervorbringt, zeigt das Problem jeglicher Deutungsversuche: „Durch Sich selbst sieht Er Sich selbst… Niemand sieht Ihn außer ihm, kein gesandter Prophet, kein vervollkommneter Heiliger, kein nahegebrachter Engel kennt Ihn. Sein Prophet ist Er; Er hat sich selbst mit Sich selbst zu Sich selbst gesandt.“ 83 Anhand dieser Zitate ist verständlich, dass es gezwungenermaßen zu zwiespältigen Deutungsversuchen kommen muss. Gleichzeitig kann dies allerdings ein Antrieb für Sufis sein, wie er im Endeffekt auf dem Subkontinent auch wurde, diese Lehren nach eigenem Verständnis zu deuten, zu leben, weiterzuentwickeln und später auch weiterzugeben. Und nicht immer waren diese Konzepte nur für muslimische Sufis gültig, auch Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften konnten für diese Lehren sensibilisiert werden. 76
Festzuhalten ist hier, dass der Sufismus den Islam auf dem indischen Subkontinent so sehr durchdrang, dass noch heute zu Ehren bedeutender Sufi-Meister Feste veranstaltet werden. In den folgenden Kapiteln sollen nun die späteren Mogulherrscher und das weitere Schicksal des Mogulreiches dargestellt werden.
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6. Nuruddin Dschahangir (1569-1627) und Schah Dschahan (1627-1657) 6.1 Thronkämpfe Das Mogulheer unterstand vom Jahre 1593 an dem Oberbefehl Prinz Murads im Dekkan. Akbars drei Söhne waren mittlerweile im Erwachsenenalter: Salim war 24, Murad 23 und Danidschal 22 Jahre. Trotz dieses Alters hatten sie bereits seit einiger Zeit wichtige Positionen in der Heerführung und in der Regierung besetzt. Murad hatte eine starke Trunksucht und starb bereits am 12. Mai 1599 in einem fortgeschrittenen Stadium von Delirium tremens. Das Verhältnis zwischen Salim und Akbar war schlecht, da Salim sehr eigensinnig war und Entscheidungen seines Vaters nicht respektierte. So bekam Salim einst den Befehl, den Harem nach Kaschmir – wo die Reise mit seinem Vater hinging – zu bringen. Doch anstatt ihn dorthin zu befördern, entschloss er sich, alleine zu kommen. Auch Akbars gute Beziehung zu Abul Fazl hatte er sehr beneidet. Salim betrachtete Abul Fazl als einen unzuverlässigen und niederträchtigen Mann. Ferner hatte er die Sorge, dass Akbars Entscheidungen stark von ihm beeinflusst werden. Aus diesem Grund fasste Salim den Beschluss, Abul Fazl auf dem Weg nach Delhi ermorden zu lassen. In seiner Autobiographie gibt es dies sogar zu. Eigentlich war eine harte Strafe seitens Akbar zu erwarten, der sehr gekrängt über diesen hinterhältigen Mord war. Doch die älteren Damen der Familie erwirkten eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn. Hinzu kam auch noch, dass Danidschal dieselbe Entwicklung wie Murad nahm und es war abzusehen, dass Danidschals Alkoholismus Akbar bald mit nur einem Sohn bzw. Thronfolger zurücklassen würde. So blieb Akbar nichts anderes übrig, als seinem Sohn zu verzeihen. Die Versöhnung fand im April 1603 statt und ein Jahr später starb Danidschal – wie erwartet - im Dekkan an Trunksucht. Akbar 78
hatte bis zuletzt versucht, ihm vom Trinken abzuhalten und befahl sogar seinen Leuten, ihm keinen Alkohol zu besorgen. All dies half offenbar nicht. Während dessen begann Salims Verhalten – entgegen Akbars Willen – in Allahabad wieder stark an Rebellion zu grenzen, woraufhin ihn Akbar 10 Tage einsperren ließ. Er soll sogar lediglich auf Verlangen der Hofdamen wieder freigelassen worden sein. Offenbar brachte diese Haft keine großen Veränderungen. Salims Verhalten hatte sogar zur Folge, dass die Öffentlichkeit seinen Sohn Khusrau – den Ältesten seiner Söhne - als Thronfolger herbeiwünschte. So wollte es offensichtlich auch Akbar, denn er arrangierte einen Wettkampf zwischen den stärksten Elefanten Salims und Khusraus. Der Thronfolger sollte derjenige werden, dessen Elefant im Kampf auch siegte. Das Ergebnis allerdings war für Akbar und Khusraus Anhänger nicht zufriedenstellend und der Thronfolger wurde nicht bestimmt. An Ort und Stelle brachen sogar Unruhen aus, wobei Khusraus Gegner und Anhänger aufeinander losgingen. Akbar schaffte es, die Gemüter zu beruhigen. Einen Monat nach diesem Wettkampf starb Akbar am 15. Oktober 1605 an Dysenterie. Womöglich hatte er zuvor auch innere Blutungen erlitten. Während Akbar in seinen letzten Tagen mit seiner Krankheit rang, kam eine Diskussion über seine Nachfolge auf. Wie bereits vorher erwähnt, bevorzugte Akbar klar seinen Enkel, jedoch bis zu seinem Tod taktierte er klug und gab Salim den Thron, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Enttäuschungen innerhalb der Familie hatten Akbars letzte Tage getrübt. Er betete dafür, dass er Söhne bekam und tatsächlich wurden ihm drei potenzielle Thronfolger geboren. Er hatte erreicht, was vor ihm kein Mogulherrscher erreicht hatte. Umso schmerzhafter muss es für Akbar gewesen sein nun zu sehen, dass seine Errungenschaften womöglich umsonst waren. Keiner seiner Söhne – entweder aufgrund 79
von Tod oder im Falle Salims, aufgrund von Ungehorsam – war fähig, als sein Nachfolger den Thron zu besteigen. Nun hatte er aber Salim gezwungenermaßen zu seinem einzigen Nachfolger ernannt, treuen Offizieren legte er seine Pläne offen. Seine versöhnliche Grundhaltung, die sich bereits in seiner Religionspolitik widerspiegelte, machte sich auch hier bemerkbar. Er wollte vor allem seine Gegner zu starken Verbündeten machen. Akbar hatte es geschafft, aus einem kleinen Stützpunkt im Nordwesten des indischen Subkontinentes ganz Nordindien unter seine Herrschaft zu bringen. Dies war also die Ausgangslage für Salim am 24. Oktober 1605, als er nach einer Woche der Trauer um seinen Vater den Thron in Agra bestieg. Er nannte sich alsbald Dschahangir (Eroberer der Welt). Dschahangir war sehr experimentierfreudig und beobachtete gerne Tiere in ihrer Lebensweise. Für die Wissenschaft hatte er eine besondere Vorliebe und er unterhielt sich mit ausgewählten Personen gerne über siamesische Zwillinge oder Albinovarianten bei Tieren. Er gilt als ein kenntnisreicher Kunstliebhaber. In seinen Memoiren hielt er seine Beobachtungen von Flora und Fauna fest. Auch seine Treffen mit Sufis und Jogis dokumentierte er. Dschahangir respektierte im Großen und Ganzen die herrschenden Bräuche und Sitten. Dies umfasste sowohl religiöse Gewohnheiten als auch Einladungen religiöser Gruppen an seinen Hof. Über seine tatsächliche Einstellung zur Religion ist wenig bekannt, doch hatte er wohl starkes Interesse am Islam. Nach außen gab er das Bild eines einfachen, muslimischen Herrschers. Dazu gehörte wohl auch das Verbot gewaltsamer Konversionen und, angeblich, die Überzeugungstätigkeiten zur freiwilligen Konversion zum Islam. Der neue Padischah heiratete im Jahre 1611 Mihr an-Nisa, die Tochter Ghiyath Beg Itimad ad-Dawlas (gest. 1622). Als 20. (und letzte) Frau wurde sie, die von nun an Nur Dschahan hieß (das Licht der Welt, wohl eine Anspielung auf den Wert, den sie in den Augen des „Welteroberers“ hat), zur Lieblingsfrau Dschahangirs. Sie gewann gewisse politische Macht. Durch diesen neuen Einfluss verschaffte sie 80
sowohl ihrem Vater, als auch ihrem Bruder Asaf Khan (gest. 1641) hohe Ämter am Mogulhof. Interessant ist, dass sie zuvor mit einem Soldaten verheiratet war. Ihnen wurde ein Kind geboren. Aus nicht bekannten Gründen starb ihr erster Mann. Abgesehen von den politischen Aktivitäten war Nur Dschahan an der Konstruktion von Mogulbauten beteiligt. Im Jahr 1618 gab sie im Pandschab den Bau einer – später nach ihr benannten – Karawanserei (Sarai Nurmahal) in Auftrag. Anschließend plante sie das Grabmal ihrer Eltern in Agra. Auch an der Planung des Dschahangir-Mausoleums war sie beteiligt. Im Jahr 1612 heiratete Dschahangirs Sohn Khurram die Tochter Asaf Khans Arjumand Banu Begum (später Mumtaz Mahall). Dschahangir machte Asaf Khan zum Gouverneuer von Lahore und zu seinem Wesir (etwa Erster Minister) und auch Khurram wurde ins politische Leben gerufen. In Mewar rebellierte der lokale Hindu Machthaber Rana Amra Singh (gest. 1620). Parwiz (gest. 1626), der zweite Sohn Dschahangirs, wurde dorthin beordert, um dem ein Ende zu bereiten. Da er noch keine große Erfahrung hatte, mit solchen Angelegenheiten umzugehen, wurde der Hof im Jahre 1613 nach Adschmer verlegt, um den Feldzug Parwiz gegen den Abtrünnigen besser leiten zu können. Die Entscheidung war offensichtlich keine falsche, da Parwiz es nicht schaffte, Amra Singh zu bezwingen. Also entschloss sich Dschahangir persönlich mit Khurram nach Mewar zu marschieren. Diesmal waren sie erfolgreich. Nach insgesamt drei Feldzügen initiierte Rana Amra Singh Verhandlungen mit Dschahangir und erkannte seine Oberherrschaft an. Amra Singh war es von nun an verboten, am Mogulhof anwesend zu sein. Seinem Sohn Sing Karan galt diese Beschränkung nicht und wahrscheinlich wurde er lediglich als Garant für künftige, eventuell aufflammende Unruhen an den Mogulhof gebunden. Er erhielt allerdings einen 5000er mansab, um sicherlich auch zu zeigen, wie gutmütig der 81
Herrscher doch trotz des Ungehorsams seines Vaters war. Trotzdem war doch hiermit ein Exempel statuiert und andere Regionen gingen dem Beispiel nach, nicht gegen die Mogulherrscher zu rebellieren. Die Radschputenherrscher von Kangra, Kischtwar, Navanagar und Kutsch (Westindien) akzeptierten die Herrschaft des Mogulherrschers. 1612 und 1617 wurden die beiden – mal unter afghanischer, mal unter türkischer Herrschaft stehenden – Gebiete Ostbengalen und Orissa unterworfen. Dschahangir blieb bis Ende 1616 in Adschmer.84 Es gab heftige Streitigkeiten um die Thronfolge, als wieder einmal die Nachricht kam, dass der Herrscher Dschahangir erkrankt sei. Dies habe wohl gereicht, dass Khurram seinen ältesten Bruder Khusrau ermorden ließ. Ein Hindernis weniger im Kampf um die Thronfolge, mag er sich vielleicht dabei gedacht haben. Vom Dekkan aus versuchte Khurram, der sich als rechtmäßigen Machthaber sah, die Macht an sich zu reißen. General Mahabat Khan, der einer afghanischen Familie entstammt und seit 1585 im Dienste des Mogulherrschers war, schlug den Aufstand nieder. Mahabat Khans Erfolg war allerdings in Hofkreisen nicht so gern gesehen. Man war besorgt, dass das Ansehen des Generals und sein Einfluss wuchsen. Vor allem sah Nur Dschahan diese Entwicklung mit Argwohn. Also entschied sie, Mahabat Khan zum Gouverneur vom weit entfernten Bengalen zu machen, um ihn von Lahore, dem Zentrum des Mogulreiches, fernzuhalten. Später warf sie ihm vor, sein Amt missbraucht zu haben und beorderte ihn nach Lahore, um vor dem herrscherlichen Hof verurteilt zu werden. Infolgedessen beschloss Mahabat Khan sich zur Wehr zu setzen. 1626 führte er eine Armee von loyalen Radschputen nach Pandschab. Jeder Radschpute sollte bis zum letzten Blutstropfen kämpfen. Deswegen ließ er auch die Familien der Soldaten kommen, die im schlimmsten Falle selbst kämpfen sollten. In der Zwischenzeit war Dschahangir auf dem Weg nach Kabul. Er schlug am Fluss Dschelam sein Lage auf. Genau da wurde er von Mahabats Armee angegriffen, besiegt und gefangengenommen. Mahabat 82
ernannte sich daraufhin von Kabul aus zum Herrscher über das Mogulreich. Nur Dschahan gelang es mit einiger List, ihren Mann zu befreien. Daraufhin wurden die Truppen Mahabats unter der Führung Dschahan Lodis (gest. 1631) angegriffen und vernichtend geschlagen. Mahabats Soldaten wurden auf dem Markt als Sklaven verkauft, deren Angehörige in den Wäldern Gorakhpurs angesiedelt. Mahabats Herrschaft währte ca. 100 Tage. Mahabat selbst konnte in den Dekkan fliehen. Dort konnte Khurram ihn davon überzeugen, sich Dschahangir zu stellen. Allerdings starb Dschahangir am 28. Oktober 1627. Somit kam er unbestraft davon. Khurram, der sehr stark vom Wesir Asaf Khan unterstützt wurde, wurde Nachfolger und neuer Herrscher über das Mogulreich. Er bekam bereits 1617 den Ehrennamen Schah Dschahan (Herrscher der Welt) und wurde in den Chroniken von nun an auch mit diesem Ehrennamen erwähnt. Diesen Namen erhielt er offenbar als Verdienst für seine von Dschahangir ihm auferlegten Verhandlungen mit den Lodis, die er erfolgreich führte und ihm letztlich die Südgrenzen des Mogulreiches somit sicherten.85 Schah Dschahans Mutter war die Radschputenfrau Taj Bibi Bilqis Makani Begum, bekannt als Prinzessin Manmati. Bereits in jungen Jahren führte er einen Feldzug im Jahr 1614 nach Mewar. Ab 1616 war er für einige Jahre Statthalter auf dem Dekkan. Schah Dschahan ließ alle seine männlichen Verwandten ermorden. Zu gut wusste er, wie mühselig es ist, Thronkämpfe auszufechten. Diesen Unannehmlichkeiten wollte er vorab entgegenwirken. Schah Dschahan hatte also keine Befürchtungen mehr, dass seine Herrschaft über das mittlerweile so mächtige Mogulreich – zumindest innerhalb der Familie - strittig gemacht wird. 1629 wurde Khan Dschahan Lodi vom Dekkan zum Mogulhof gerufen, weil er den Auftrag, Balaghat wieder dem Mogulreich einzuverleiben, nicht erfüllte. Allerdings artete seine Rückreise in einer 83
Rebellion aus und er floh zurück auf den Dekkan nach Ahmadnagar zu dem dortigen Herrscher aus der Nizam-Schah-Dynastie. Schah Dschahan entsandte einige Truppen dorthin. Im Dezember gleichen Jahres besiegte er Dschahan Lodi und brachte ihn nach Norden, wo er ihn dann übereilt im Januar 1631 töten ließ.86 Da sich auf dem Dekkan eine Seuche ausbreitete, ließ er zunächst davon ab, diesen zu erobern. Im Juni 1631 verstarb seine Frau Mumtaz Mahal bei der Geburt ihres 14. Kindes. Der älteste Sohn, Dara Schukoh war 1615 geboren und der dritte Sohn Aurangzeb am 23. 0ktober 1618. Es hieß, dass Schah Dschahan so betrübt über den Tod seiner Frau war, die er stark in die Staatsgeschäfte einbezog, dass er zwei Jahre lang das Leben eines Tieftrauernden geführt und jedwedes Wohlleben und jegliche Eitelkeit, das Ausgehen in prächtigen Gewändern, reichliches Essen oder Musik, abgelehnt habe. Es zeigte sich bald, dass Mumtaz Mahal das mildernde Element an seiner Seite gewesen war, denn die Entscheidungen des Padischahs wurden härter, unberechenbarer, die Anwendungen von Gewalt skrupelloser. Die Erste Dame des Reiches wurde Dschahan Ara („die Freude der Welt“), die älteste Tochter Schah Dschahans. Von nun an unternahm er keine Feldzüge mehr persönlich. Im Juni 1631 erließ Schah Dschahan den Befehl, für seine verstorbene Frau ein Mausoleum über ihr Grab am Ufer des Yamuna (Yumna) zu errichten. Nachdem 20 000 Arbeiter an dem Mausoleum bauten, das er später Tadsch Mahal nannte - eine umgangssprachliche Abkürzung Mumtaz Mahals - wurde die Anlage 1643 fertig gestellt. Einige erklärende Worte zum Tadsch Mahal sind an dieser Stelle angebracht. Die „Krone der Paläste“, wie dieses Mausoleum übersetzt heißt, wird von vielen als die hervorragendste Architektur angesehen, die das Mogulreich hervorgebracht hat. Unter den Muslimen gilt sie als Kronjuwel der islamischen Kunst und Meisterstück des Weltkulturerbes. Architektonisch sei sie eine Mischung aus Elementen des islamischen, persischen, osmanischen und indischen Stils. Und tatsächlich werden dem Kenner orientalischer Kunst jene Eigenheiten 84
sofort ins Auge fallen. Als Hauptarchitekt gilt – wenn auch nicht gesichert – der aus dem afghanischen Badakhschan stammende Ustad Ahmad Lahauri. Der Grund für die Erbauung des Mausoleums scheint ein Streitpunkt in der Forschung zu sein. Gehen einige davon aus, dass der Tadsch Mahal ein Ausdruck von Liebe ist, so beteuern andere, dass es ein Machtwerk darstellt, um die Größe des Herrschers und seines Hofes vor aller Augen darzubieten. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Es scheint aus dem Blickfeld geraten zu sein, dass es sich um ein Mausoleum, ein Grab der Frau Schah Dschahans handelt. Das Motiv liegt also primär auf dieser Tatsache. Es würde sich lediglich die Frage stellen, ob Schah Dschahan die Erbauung eines anderen monumentalen Werks dieser Größenordnung angestrebt hätte, wenn seine Frau nicht frühzeitig gestorben wäre. Indizien hierfür gibt es nicht. Dann sieht man sich durchaus mit der Frage konfrontiert, ob das Mausoleum als Denkmal denn nicht ein wenig zu mächtig ist. Liest man die Zeilen, die Schah Dschahans bzgl. des Tadsch Mahals formulierte, so erkennt man, dass es ihm doch um mehr ging: Möge der Sünder hier Zuflucht finden, wie jemand, dem verziehen wurde, soll er frei sein von seinen Sünden. Soll der Sünder seinen Weg zu diesem prächtigen Haus finden, all seine vergangenen Sünden werden reingewaschen. Der Anblick dieses Bauwerks lässt einen ergreifenden Kummer aufkommen, wobei die Sonne und der Mond Tränen aus ihren Augen vergießen. In dieser Welt wurde dieses Gebäude errichtet, um Gottes Ruhm hoch zu halten.87 Diesen Versen kann man entnehmen, dass es ihm doch um mehr ging, als nur um eine Gedenkstätte für seine Frau. Er ordnet sich in einen 85
höheren religiösen Rang, wenn nicht sogar in den eines Heiligen, der in der Lage ist, Menschen von ihren Sünden zu befreien; schließlich ist er der Erbauer dieses Mausoleums. Europäische Reisende, die auf den indischen Subkontinent kamen, haben ihrerseits eine Version der Geschichte des Tadsch Mahals an den Tag gelegt. Hierauf sei nicht näher eingegangen. Wir können hier festhalten, dass es Schah Dschahan wohl tatsächlich um eine Gedenkstätte für seine Frau ging, die Mächtigkeit des errichteten Gebäudes jedoch auch - wenn nicht, vor allem - als Ausdruck seiner Herrschaft anzusehen ist.88 Mit Schah Dschahan wurden nun auch anderen, sonst vernachlässigten Gebieten Beachtung geschenkt. Baglana, das kleine RadschputenKönigreich, befand sich auf dem Haupthandelsweg zwischen Surat, Daulatabad und Golkonda. Bis 1637 zahlte das Königreich Tribut an verschiedene muslimische Herrscher und war sonst nicht weiterhin beachtet worden. Nun wurde das Territorium 1637 unter die Herrschaft Schah Dschahans gebracht. Kontrolliert wurde es von einem Faudschar, einem Verwaltungsbeamten der zweiten Ebene, der üblicherweise einen sarkar genannten Bezirk kontrollierte. Doch auch Gebiete, die unabhängig waren, nahm Schah Dschahan ins Visier. Wichtig ist hier, den Dekkan zu nennen. Die sogenannten Dekkan-Sultanate waren fünf spätmittelalterliche Königreiche in SüdWest-Indien. Zu ihnen gehörte Bidschapur, Golkonda, Ahmadnagar, Bidar und Berar. Sie liegen auf dem Dekkan-Plateau, zwischen dem Krischna-Fluss und dem Vindhyagebirge. Nach dem Zusammenbruch des Brahmani-Sultanates, das das erste muslimische Sultanat in Südindien war, erklärten sich 1490 Ahmadnagar, Bidschapur und Berar für unabhängig; Golkonda später im Jahr 1518 und schließlich Bidar 1528. Diese Sultanate tributpflichtig zu machen bzw. zu unterwerfen war ein großer Erfolg für Dschahangir. Damit wurde das Mogulreich erheblich vergrößert. 86
Als er jedoch auch um 1650 Transoxanien erobern wollte, wurde allmählich deutlich, dass die Macht des Mogulreiches auch ihre Grenzen hatte. Denn nennenswerte Erfolge wurden hier nicht mehr erzielt. Wichtige Feldzüge während der Regierungszeit Schah Dschahans wurden bald den beiden Prinzen Aurangzeb und Dara überlassen. Außerdem kam es mal wieder zu Debatten über religiöse Grundsätze. Dara Schukoh strebte weiterhin die von Akbar begonnene Synthese der Religionen an, wobei Aurangzeb sich eher dem puritanischen Islam widmete. Dara Schukoh interessierte die Philosophie genauso wie der Sufismus. Er verfasste ein Buch mit dem Titel Madschma‘ al-bahrayn („Die Vermischung beider Meere“, gemeint sind der Hinduismus und der Islam), in dem er Werke und Biografien verschiedener heiliger Personen darstellt. Er bezieht sich hier auf die islamische Mystik und die vedischen Verse und versucht dabei nicht nur eine Synthese beider Religionen herbeizuführen, sondern er bringt zum Ausdruck – wie der Titel schon verrät – dass beide Religionen eigentlich ein und dieselbe Religion darstellen, lediglich verschiedene Namen tragen. Diese synkretistischen Neigungen waren in Aurangzebs Person nicht zu finden, im Gegenteil: Er galt als überaus frommer Muslim, der es sehr ernst mit den religiösen Bräuchen nahm. Der Wein- und Opiumgenuss bei Hofe störte ihn ungemein. Bereits in seiner Kindheit lernte er große Teile des Korans und der Hadithe auswendig und konnte aus diesen zitieren. Neben Arabisch und Persisch lernte er ChagatayTürkisch. Gerne umgab er sich also in diesen Jahren, in denen er nun auch Soldat war, mit Religionsgelehrten, die ihm gleichgesinnt waren. Aurangzeb hatte kein gutes Verhältnis zu seinem Vater. Dies mag damit zusammenhängen, dass er gegenüber seinem Bruder vernachlässigt wurde. Als Aurangzeb 1636 Vizekönig über den Dekkan wird, soll unter anderem Dara Schukoh der Grund dafür gewesen sein, dass er bereits 1644 unehrenhaft entlassen wurde.
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Im Jahr 1657 kam es zum Bruderkampf zwischen den Söhnen Dschahangirs. Allesamt, Aurangzeb, Dara Schukoh, Muhammad Schudscha und Kam Bakhsch, rangen um den Thron, als sich die Nachricht verbreitete, dass Schah Dschahan an Tenesmus vesicae erkrankt sei. Der eigentliche Kampf um die Herrschaft wurde allerdings zwischen Dara Schukoh und Aurangzeb ausgefochten. Schah Dschahan machte klar, dass er sich den Erfolg Dara Schukohs herbeisehnte. Doch setzte sich in diesem Bruderkampf Aurangzeb schließlich durch. Um seinen Vater zu strafen – wohl vor allem wegen seiner Parteinahme für Dara Schukoh – ließ er ihn in Agra einkerkern. Erst acht Jahre später starb Schah Dschahan 1666. Im Jahre 1659 ließ er schließlich auch seinen Bruder Dara Schukoh hinrichten. Muhammad Schudscha floh nach Arakan, wo er wahrscheinlich von lokalen Fürsten umgebracht wurde.89 Von Kam Bakhsch ging zunächst keine Gefahr aus. Aurangzeb war nun der neue Herrscher, der mit Gewalt den Thron bestiegen hatte. Bevor Aurangzebs Regierungszeit näher geschildert wird, soll an dieser Stelle der Handel jener Zeit mit Europa dargestellt werden, da er für den späteren Verlauf der Geschichte von elementarer Bedeutung ist.
6.2 Der Handel mit Westeuropa Der rege Kontakt zwischen dem westlichen Europa und dem Mogulreich begann im 17. Jahrhundert. Die Portugiesen, Engländer und später Holländer gehörten zu den Ländern, die als erste mit dem Mogulreich im Kontakt standen. Zu Handelsbeziehungen kam es aufgrund bestimmter Gegebenheiten, die hier näher erläutert werden sollen. Das Mogulreich war durch seine Herrscher sehr daran interessiert, die Bräuche, Religion und Kultur der auf ihrem Herrschaftsgebiet le88
benden Menschen zu studieren, um u.a. dadurch die Gunst der Bevölkerung zu gewinnen. Außerdem konnten zu verabschiedende Gesetze und Verordnungen eingehender bedacht werden. Desweiteren stand das Mogulreich im Kontakt mit den beiden anderen islamischen Reichen, den Safawiden und den Osmanen. Durch die ersten christlichen Missionare (genauer: portugiesische Jesuiten), die Akbar ja – wie oben beschrieben – auch zu Hofe bat, wurde nun für Portugal die Möglichkeit geschaffen, mit indischen Gütern zu handeln. Gegen Ende seiner Herrschaft begannen nun auch die Briten und Holländer, mit indischen Gütern Handel zu treiben. Die Handelsaktivitäten wurden allerdings erst mit Dschahangir intensiviert. Die Engländer, die über die Britische Ostindien-Kompanie (British East Indien Company, EIC) den Handel betrieben, und die Holländer, die ihre Niederländische Ostindien-Kompanie besaßen (Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC), hatten zunächst das Monopol über den Handel auf dem indischen Ozean. Beide Kompanien (eigentlich einflussreiche Kaufleute) hatten einen Freibrief von ihren Staatsführungen bekommen, den alleinigen Handel in der Region zu betreiben. Handelsniederlassungen wurden errichtet, die zu Festungen ausgebaut wurden. Später erhielten beide die Zivilgerichtsbarkeit, die Militärgewalt und das Recht, mit den „Ungläubigen“ in Indien Krieg zu führen oder Frieden zu schließen (dazu unten mehr). Auch die Franzosen hatten nun ihre Ostindienkompanie (Compagnie des Indes Orientales). Weitere, später von den Engländern zurückgedrängte Ostindien-Kompanien gründeten die Dänen und Schweden. Die Konkurrenz unter den europäischen Mächten um den Indienhandel war also sehr groß. Besonders der Merkantilismus des JeanBaptiste Colbert, der forderte, dass der nationale Export größer sein muss, als der Import, verschärfte den Wettbewerb noch mehr. Colbert versuchte einen Weg zu finden, die Holländer zu zurückzudrängen. Die portugiesische Seemacht war mit der Gründung der britischen 89
und holländischen Kompanien ohnehin schon gebrochen. Immer wieder kam es zwischen der EIC und der VOC zu Zusammenstößen im indischen Ozean. Die EIC versuchte nun, eine diplomatische Lösung zu finden. 1615 veranlasste James I., Dschahangir aufzusuchen und ihm ein Geschäft anzubieten. Schließlich beherrschte er zu diesem Zeitpunkt 70 % des indischen Subkontinents. Man erreichte ein Handelsabkommen, nach dem der EIC Sonderrechte verliehen werden sollten. Sie durften sich in Surat und anderen Gegenden niederlassen und Kontore gründen. Im Gegenzug erhielt Dschahangir Luxusgüter und andere Waren aus Europa. In einem Schreiben an James I. versichert Dschahangir, dass die Engländer sich die Freiheit nehmen können, dort zu wohnen, wo immer es ihnen auch gefällt und dass die Portugiesen diese Ruhe nicht stören sollen. Ein Privileg, das es ein zweites Mal nicht gab. Die Kompanie profitierte sehr stark von dieser königlichen Patronage, obwohl sich der Mogulherrscher im Großen und Ganzen nicht in die Zwistigkeiten der europäischen Akteure einmischte. 1647 besaß die East Indian Company bereits 23 Faktoreien in Surat, Madras, Bombay und Kalkutta.90 Der ökonomische Aufschwung der Händler der Kompanie erlaubte es ihnen, nach Britannien zurückzukehren, Grundbesitz zu erwerben und vor allem politischen Einfluss zu gewinnen. Im Parlament konnte die EIC eine Lobby installieren. Dieser Lobby und den mit Ihrer Hilfe ausgehandelten Abkommen hat die EIC letztendendes zu verdanken, dass sie Befugnisse bekamen, die üblicherweise einem Staat vorbehalten sind (s.o.). Dazu gehörten Krieg erklären, Frieden schließen, Bündnisse eingehen, Zivil- und Strafgerichtsbarkeit in den niedergelassenen Gebieten ausüben. Im folgenden Kapitel werden die Ausmaße dieser Befugnisse deutlich werden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass das Hauptgeschäft der EIC der Handel mit Salpeter (Hauptsächlich für Schießpulver gebraucht), Wolle, Seide, Indigo (ein tiefblauer Farbstoff), Salz, Tee und Opium war. Opium wurde aus Bengalen bezogen, konnte aber nicht überall ver90
kauft werden. Vor allem China versprach einen enormen Absatzmarkt, doch war der Handel mit Opium zunächst illegal. Die EIC fand jedoch einen Weg, über Mittler, trotzdem nach China zu exportieren. Die negative Handelsbilanz konnte somit ausgeglichen werden. Nach dem Ersten Opiumkrieg (1840-42) erreichten die Briten eine „legale“ Einfuhr von Opium. 1880 (wenn auch nicht mehr über die EIC) sollen die Opiumeinfuhren nach China 6500 Tonnen betragen haben (1673 waren es noch 700 Tonnen).91 Doch wenden wir uns wieder dem politischen Geschehen im Mogulreich zu.
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7. Erste Anzeichen des Zerfalls 7.1 Machtübernahme Aurangzeb Alamgirs (1618-1707) Aurangzeb war sich wohl dessen bewusst, dass sich seine erste Inthronisierung von anderen unterschied. Sie geschah in Eile und schien einseitig durchgeführt worden zu sein. Erst ein Jahr später, als sich niemand mehr als direkten Konkurrenten darbot, nahm er sich die Zeit für eine prunkvolle Zeremonie. Hindus wurden diesmal hiervon ausgeschlossen. Den Zeitpunkt hatten Astrologen bestimmt – eine sicherlich nicht gewöhnliche Entscheidung, denn Aurangzeb galt als jemand, der den Regeln des Korans große Bedeutung zukommen ließ und in diesem spielt jene Wissenschaft keine Rolle. Der Padischah wartete hinter den Kulissen des Spektakels, bis der Hofoberastrologe von einer voluminösen französischen Taschenuhr die „glückverheißende Sekunde“ abgelesen hatte, und dieses Zeremoniell hat sich seit dem für die immer seltener werdenden Krönungen in Asien eingebürgert. Pünktlich setzte sich Aurangzeb auf den Pfauenthron und verkündete, sein Name sei von nun an Alamgir. Dann paradierten 60 000 Soldaten, 12 000 Elefanten, 40 000 Mann Kavallerie und 12 000 Kanonen an ihrem Padischah vorbei, nicht mehr, als sonst bei derlei Anlässen üblich war. Ein Anzeichen dafür, dass die strahlende Pracht der Moguln bereits etwas nachgelassen hatte, ist die kleine Tatsache, dass der neue Name des Padischahs sich nicht recht einbürgern wollte. Früher wurden die verliehenen Namen der Moguln immer selbstverständlich hingenommen, doch nun verwendeten ihn nicht einmal mehr die eigenen Hofgeschichtsschreiber durchgehend. Auch der englische Dichter und Dramatiker John Dryden nannte sein bluttriefendes Schauerdrama über den Padischah nur „Aurang-Zebe“.92 Allerdings blieb Asien für Europa nahezu bis ins 19. Jahrhundert „Mogulistan“, und „chambres indiennes“ sowie „robes mogoliennes“.93 92
Aurangzeb versuchte von Schahdschahanabad aus, die Expansion des Reiches in kostspieligen Feldzügen voranzutreiben. In Bengalen etwa, wo die Autorität der Zentrale nie richtig anerkannt worden war, konnte der herrscherliche Heerführer Mir Dschumla zu Beginn der 1660er Jahre zwar unter großen Verlusten Kusch Bihar und Assam erobern, doch verlor die Mogulherrschaft diese Gegenden wieder vier Jahre später. Es kam neben diesen erfolglosen militärischen Unternehmungen zu zahlreichen lokalen Aufständen: Im Nordosten erhoben sich afghanische Stämme (Pathanen, Yusufzais, Afriden) gegen die dort stationierten Mogultruppen. Der Frieden konnte dort erst um 1685 wiederhergestellt werden, als sich der Mogulherrscher persönlich in die Region begab. Ungefähr um dieselbe Zeit starb in Merwar der Maharadscha Dschaswant Singh, dessen Tod im Jahre 1678 einen regelrechten Radschputenkrieg auslöste. Auch in diesem Fall begab sich Aurangzeb persönlich dorthin und ließ wieder Ordnung und Ruhe einkehren. Sein Sohn (!) Akbar nutzte die schwierige politische Lage, um sich von ihm loszureißen, sich für unabhängig zu erklären und sich den aufständischen Marathen anzuschließen. Daraufhin schloss Aurangzeb Frieden mit Rana Radsch Singh, einem der wichtigsten Protagonisten in Merwar. Indigene Völker setzten den Kampf erfolgreich fort, und im Jahre 1707 konnte Adschit, der Sohn des Maharadschas Dschaswant, in Dschodhpur (bei Radschasthan) als Sieger einmarschieren. Um 1680 schien es für Aurangzeb geboten, das Augenmerk gegen die beiden noch verbliebenen Sultanate auf dem Dekkan, Ahmadnagar und Bidschapur, zu lenken. Als weitere Gegner in dieser Region kamen noch die Marathen hinzu, denen sich sein Sohn angeschlossen hatte.94 Die hinduistischen Marathen stammten aus dem Nordwesten des Dekkans. Viele marathische Soldaten und Steuereintreiber standen in den Diensten der Sultanate von Ahmadnagar und Bidschapur. Die eher rurale marathische Gesellschaft dominierten lokale Notabeln, die über eigene Truppen verfügten und Steuern eintrieben. Im Kampf ge93
gen die Mogultruppen seit den 1620er Jahren fungierten sie in den Einheiten der Sultanate als Heerführer. Einem dieser Notabeln namens Schivadschi gelang es 1646 und 1556, in Bidschapur ein unabhängiges Fürstentum zu etablieren. Zu großem Ruhm verhalf Schivadschi die Ermordung des Bidschapurer Generals Afdal Khan. Dieser war unter den marathischen Gruppierungen überaus verhasst, da er die heiligen Schreine von Tuldschapur und Pandharpur geschändet hatte. Nach diesem Prestigeerfolg schlossen sich die meisten Marathen Schivadschi an. Spätestens nach seinen Erfolgen gegen die Mogultruppen in Puna (1663) und Surat (1664) war Schivadschi zu einer ernstzunehmenden antimuslimischen Größe auf dem Dekkan geworden. Aurangzeb schickte zuerst seinen Onkel Schayista Khan mit einem Heer gegen Schivadschi, doch endete dieser Feldzug in einem Fiasko. Der nächste eingesetzte Feldherr, Dschay Singh, hatte mehr Erfolg. Ihm gelang es, im Jahre 1666, Schivadschi zu einem Friedensschluss zu zwingen. Die Marathen mussten daraufhin 23 ihrer 37 Festungen an die Moguln ausliefern. Ihnen wurde immerhin die Erlaubnis erteilt, ein Viertel der Steuereinnahmen von Bidschapur einzuziehen. Allerdings nutzten die Marathen diese Begünstigung dazu, so viele Steuern wie nur möglich aus jeder Region herauszupressen, die sie eroberten. Dies wiederum führte dazu, dass aus den Gegenden, die die Moguln schließlich annektierten, nicht mehr viel rauszuholen war.95 Ab 1699 unternahmen die Marathen erneut Angriffe gegen die Moguln, nachdem Schivadschi sich mit einem von Aurangzeb unterbreiteten Angebot, mit einem 5000er Rang ins mansabdar-System aufgenommen zu werden, nicht zufrieden gab. Sie plünderten unter anderem im Jahre 1670 die Hafenstadt Surat. 1674 ernannte sich Schivadschi ganz offiziell zum König (chatrapati), doch starb er sechs Jahre später. Sein Sohn und Nachfolger Schambadschi (gest. 1689) konnte für einige Zeit auf dem Dekkan ungehindert herrschen, da Aurangzebs Kräfte durch den Kampf gegen die Afghanen im Norden des Reiches gebunden waren.96 94
Unter Aurangzeb verblasste die Rückbesinnung auf Zentralasien. Die muslimischen Herrscher hatten sich offensichtlich zu dieser Zeit so sehr auf dem indischen Subkontinent etablieren können, dass Bezüge dieser Art nicht mehr notwendig waren. Wenn man den zeitgenössischen Chronisten Glauben schenken möchte, so war Aurangzeb ein äußerst frommer Mensch, der eine Islamisierung der Gesellschaft durchführen wollte. Er wollte die Scharia zur Grundlage des Mogulreiches machen, in dem er sich danach sehnte, als ein nach islamischen Prinzipien handelnder Herrscher zum Wohle der Bevölkerung zu regieren. Dementsprechend handelte er und veröffentlichte neue Erlasse und Verordnungen, dank derer – so war seine Absicht – die muslimischen Gemeinden auf den rechten Pfad der Tugend zurückgeführt und jegliches Verschmelzen hinduistischer und islamischer Glaubensvorstellung verhindert werden sollte. Jedoch verliefen die Ereignisse aus Aurangzebs Perspektive nicht wunschgemäß. Die Karten wurden zwar neu gemischt, allerdings hatte dies eher negative Folgen, als dass es dem weiteren Fortbestehen des Mogulreiches geholfen hätte. Auf diese Änderungen sei im folgenden Kapitel näher eingegangen.
7.2 Drakonische Neuordnung der Verhältnisse Aurangzeb folgte – wie sich Historiker einig zu sein scheinen – als konservativer Muslim keinem seiner Vorgänger, die sich eher mit liberaleren Ansichten hervortaten, insbesondere, was die Religion anging. Zwar hatte sich bereits Schah Dschahan vom „Liberalismus“ Akbars entfernt, jedoch eher informeller Art, als auf die, den Hinduismus zu unterdrücken. Aurangzeb ging weiter in der Neuordnung der gesell95
schaftlichen Regeln. Es gibt gut erhaltene Belege für seinen Willen, die Scharia (das religiöse Gesetz des Islams) gemäß der hanafitischen Rechtsschule im Reich zu etablieren. Durch die Arbeit von hunderten von Rechtsgelehrten sind die Fatawa-e Alamgiri (in der Türkei, Ägypten und Syrien auch unter Fatawa-i Hindiya bekannt) entstanden. Angeblich sollen von insgesamt 500 Rechtsgelehrten 300 aus dem indischen Subkontinent, 100 aus dem Irak und ebenso viele aus dem Hidschaz (westlicher Teil der arabischen Halbinsel) stammen. Das Rechtskompendium umfasst 30 Bände (in heutigen Editionen meist in 6-10 Bänden zusammengefasst). Auf jeden Fall dienten diese kodifizierten Rechtsgutachten als primäre Quelle für die Einführung des islamischen Rechts und als eine Art Katechismus und Doktrin für Muslime. Einige grundlegende Änderungen wurden von Aurangzeb vorgenommen. Die Fortführung der Hofchroniken wurde unterbunden. Nach und nach verbot er den Genuss von Alkohol, das Glückspiel, die Kastration, Sklaverei, Musik, den Nautch (von Frauen aufgeführter Tanz zum Vergnügen der Männer), und das Rauschgift. Desweiteren trat der Mogulherrscher nicht mehr als der Mäzen auf, der er für gewöhnlich war. Er stellte die Unterstützung der Künstler, Bildhauer und Maler ein und rechtfertige dies mit dem Bilderverbot im Islam. Auch wenn im Koran keine entsprechenden Verse zu finden sind, so rechtfertigt man dies im Allgemeinen mit einigen hadithen. Zwar verbot er nicht ausdrücklich diese Künste, doch unternahm er auch nichts, um diese zu erhalten. Aurangzeb ließ - wenn auch gemessen an der Gesamtzahl relativ wenige - Hindutempel zerstören. Einige Zerstörungen waren allerdings auch das Ergebnis von Kriegseinwirkungen und Zweckentfremdung. Die von Akbar aufgehobene Kopfsteuer für Nicht-Muslime (dschizya) führte er wieder ein. Hindus wurden ihrer staatlichen Ämter enthoben (wenn auch nur von den Maßgebenden). Allerdings waren die Radschputen so mächtig, dass er sie nach wie vor davon freistellte.
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Immer wieder wurden Hindu-Pilgerfeste verboten, die von Akbar aufgehobene Wallfahrtssteuer wieder eingeführt. Aber auch andere religiöse, nicht-muslimische Bevölkerungsgruppen wurden durch die neuen Verordnungen benachteiligt. So wurde zum Beispiel das Nawruz ebenfalls verboten. Von der religiösen Intoleranz Aurangzebs zeugt auch die Anordnung, den Sufi Sarmad Kaschani und den 9. Sikh Guru Tegh Bahadur zu exekutieren. Das öffentliche Leben geriet also unter die Kontrolle des Herrschers. Um die islamischen Vorschriften in den Straßen zu respektieren, führte er eigens das Amt des Sittenwächters ein, genannt muhtasib. Er hatte die Aufgabe, Verstöße zu verfolgen. Hierzu gehörte auch die Ergreifung sofortiger Maßnahmen bei der Aufspürung unmännlicher Bekleidung (bei einem zu langen und eleganten Mantel wurde zum Beispiel der untere Teil abgeschnitten). Zuletzt sei hier angemerkt, dass er das allmorgendliche Erscheinen des Mogulherrschers auf der Dscharoka-Plattform von nun an unterließ – es ähnele einer Menschenanbetung, die im Islam strengstens untersagt ist.97
7.3 Aufstände und Aurangzebs Untergang Wenden wir uns erneut dem politischen Geschehen zu. Ob nun durch die einschneidenden Veränderungen, die Aurangzeb herbeiführte, oder aufgrund der generellen Ablehnung der Mogulherrschaft: die Rebellionen gegen den Mogulherrscher nahmen in der Regierungszeit Aurangzebs zu. Gegen 1700 richteten die Marathen schwere Schäden in den Mogulprovinzen vom Dekkan bis Bengalen an. Hinzu kamen Sezessionsbestrebungen aufgrund von Unzufriedenheit mit der Mogulherrschaft größtenteils seitens der Radschputen und Sikhs, aber 97
auch der Jats. Diese Bestrebungen wurden durch die Schwächung der Mogulverwaltung und des Wirtschaftssystems verstärkt. 1669 revoltierten die Jatbauern aus Bharatpur in und um Mathura und gründeten den Staat Bharatpur. Sie schürten eine starke Revolte um die Hauptstadt des Mogulreiches. 1672 übernahm die Satnami-Sekte unter der Führung von Bhirban die Verwaltung von Narnaul (nahe Delhi). Die Revolte wurde von Aurangzeb niedergeschlagen, wobei es sehr wenige Überlebende gegeben haben soll. Ein Jahr zuvor wurde die große Schlacht von Saraighat in den östlichen Regionen des Mogulreiches gegen das Ahom Königreich geschlagen. Das Mogulheer unter der Führung von Dschumla II. und Schaista Khan wurde zwar geschlagen, doch ein Teil Assams wurde zurückerobert.98 Bereits zu Beginn der Regentschaft Aurangzebs gab es Aufstände von Seiten der Sikhs. Auch die Paschtunen waren in Aufstände verwickelt. Unter der Führung des Dichters und Kämpfers Khuschal Khan Khattak, der Kontakt zu anderen Paschtu-Stämmen aufnahm, begann die Revolte 1672. Auslöser für diesen sei – mehreren Berichten zufolge – die Belästigung von Frauen seitens der Soldaten, die dem Mogulgouverneur Amir Khan unterstanden. Die daraufhin folgende Tötung des (der betroffenen) Soldaten löste eine generelle Aufheizung der Gemüter aus. Eine systematische Revolte begann. Aurangzeb forderte die Ältesten des Safi-Stammes auf, die Mörder auszuhändigen. Dieser Forderung kamen sie nicht nach. Ganz im Gegenteil; verschiedene Paschtu-Stämme (Afridi, Mohmand, Shinwari, Khattak) rückten zusammen und schützten die Betroffenen. Um seine Autorität geltend zu machen, führte Amir Khan eine große Armee (hier eine Zahl zu nennen, ist fast unmöglich, da sie von Quelle zu Quelle sehr voneinander abweicht) durch den Khaiberpass (zwischen dem heutigen Pakistan und Afghanistan). Nachdem Paschtunen sie umzingelt hatten, wurde sie in die Flucht geschlagen. Auch hier ist nicht genau nachweisbar, ob die Mehrheit der Soldaten nur in die Flucht geschlagen, oder getötet worden sind. Afghanische Quellen berichtet von 40000 gefallenen Sol98
daten des Mogulheeres, wobei vier (unter ihnen Amir Khan selbst) geflüchtet sein sollen. Gesichert ist, dass die Moguln geschlagen wurden und sich die Revolte ausbreitete, wobei nun die Moguln nahezu ihre ganze Autorität gegenüber den Paschtunen verloren. 1674, als sich die Lage zunehmend verschlechterte bzw. die Lage sich massiv gegen Aurangzeb veränderte, schlug Aurangzeb sein Lager bei Attock auf, um sich persönlich der „Abtrünnigen“ anzunehmen. Ihm gelang es, die Rebellion größtenteils niederzuschlagen, so dass vorerst keine Gefahr mehr von den Paschtunen ausging. 1689 gehörte fast der ganze Süden des indischen Subkontinents zum Mogulreich. Nach der Eroberung von Golkonda war Aurangzeb der mächtigste aller vorangegangenen Mogulherrscher. Jedoch muss man hier ebenfalls dazu sagen, dass der Höhenpunkt des Mogulreiches zeitgleich mit ist mit seinem langsamen Zerfall.
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8. Das Mogulreich zerbröckelt 8.1 Macht und Ohnmacht Die Siege der Moguln auch im Süden dehnte das Mogulreich derart aus, dass nun innerhalb seiner Grenzen 100-150 Millionen Menschen lebten. Das entsprechende Vorgehen Aurangzebs gegen die Gebiete, in denen sich Rebellionen auftaten, konnte von seiten der Aufständischen weiterhin als Grund dafür verwendet werden, auf die Notwendigkeit und Wichtigkeit ihrer Rebellion aufmerksam zu machen. Aurangzebs lange Abwesenheit von Hindustan führte zu Autoritätseinbußen im Norden des Reiches. Damit ging einher, dass sich die Korruption vermehrte. Es kam sogar vor, dass mogulische Karawanen auf ihrem Weg nach Süden angegriffen wurden. In Sikandra wurde Akbars Grab geraubt. Gold und Silber wurden entwendet. Im Alter von 87 Jahren (1705) erlitt Aurangzeb eine schwere Krankheit. Er zog sich weitestgehend in den Norden zurück. Im Jahr 1706 erreichte er Ahmednagar, wo er ein Jahr blieb und schließlich im März 1707 starb. Das Problem für die weitere Zukunft des Mogulreiches war, dass Aurangzeb es stets vermieden hatte, den Menschen in seinem Regierungskreis größere Machtbefugnisse zu erteilen, da er nicht wirklich jemandem traute. Dies könnte mitunter ein Grund dafür gewesen sein, wie tragisch sich der weitere Verlauf des Mogulreiches gestaltete. Von nun an wechselten die Herrscher in viel kürzeren Abständen. Nach Auranzebs Tod tobte erneut ein erbitterter Kampf um den Thron. Sein Sohn Bahadur Schah konnte sich in diesem Machtkampf behaupten. Bahadur Schah war 1643 in Burhanpur geboren. Sein eigentlicher Name ist Qutub ad-Din Muhammad Muazzam. Bahadur bedeutet „tapfer“ bzw. „Held“. Er schien ein freundlicheres Verhältnis zu den rivalisierenden Gruppen gehabt zu haben. Während sein Vater auch mit eiserner Hand regierte, versuchte er die Wogen der Konfrontation mit Marathen, Sikhs und Radschputen zu glätten. 100
Edikte, die Aurangzeb erlassen hatte, wurden zum Teil gelockert. Während seiner Regentschaft wurden keine Tempel beschädigt oder zerstört. Im Großen und Ganzen schaffte es Bahadur Schah, die Einheit im Reich zu bewahren, allerdings währte seine Herrschaft nicht lange. 1712 starb er in Lahore nach nur fünf Jahren der Herrschaft. Dschahandar Schah, Sohn Bahadur Schahs, regierte ganze 350 Tage. Zuvor hatten er und sein Bruder Azimuschan sich zum neuen Herrscher ausrufen lassen. Es kam zum Bruderkampf, bei dem sich Dschahandar Schah behauptete, wobei Azimuschan am Ravi Fluss getötet wurde. Bevor Dschahandar Schah Herrscher wurde, fuhr er mit dem Schiff eine Zeitlang in den indischen Ozean. Er war ein sehr erfolgreicher Händler und bekam das Amt des Subedar von Sindh, ein nicht allzu privilegiertes Amt für einen Mann adeliger Herkunft, dessen militärischer Rang doch niedriger war als der eines britischen Offiziers. Sein Lebensstil war verhältnismäßig frivol. Belebt hielt er seinen Hof durch Tanz und Unterhaltung. Seine Herrschaft wurde nie richtig anerkannt, auch wenn er versuchte, seiner Autorität durch Geschenke an den osmanischen Sultan Ahmet III. Gewicht zu verleihen. Letztlich wurde er von seinem Neffen und zweiten Sohn Azimuschans, Farrukhsiyar, am 10. Januar 1713 geschlagen. Er floh nach Delhi, wo er gefangen genommen und schließlich Farrukhsiyar übergeben wurde. Nachdem er eingesperrt wurde, ließ ihn Farrukhsiyar strangulieren. Abul Muzaffar Muinuddin Muhammad Schah Farrukhsiyar, oder einfach nur Farrukhsiyar, regierte von 1713 bis 1719. Angeblich soll er fälschlicherweise Dschafar Zattalli, einen Hofdichter, aufgrund eines Gedichtes getötet haben, das ihn angeblich indirekt kritisierte. Zwei Generäle, die Sayyid-Brüder, gewannen während der Regentschaft Farrukhsiyars besonderen Einfluss. Sayyid Hassan Ali Khan Barha, der Großwesir des Mogulreiches war, und Syed Hussain Ali 101
Khan Barha. Dass die Sayyid-Brüder überhaupt an Macht gewannen, ist wohl der Tatsache zu verdanken, dass Aurangzeb starb und sie sich bei einer bevorstehenden Schlacht (von Dschadschau oder Dschadschowan) besonders hervortaten und dafür vonseiten des Prinzen Muhammad Muazzam Schah Alam mit der Erhebung ihrer Ämter belohnt wurde. Hassan wurde vorgeworfen, die alleinige Herrschaft über das Reich angestrebt zu haben, wobei dem Herrscher selbst lediglich eine Repräsentationsrolle zukommen sollte. Nach einer Hofintrige ließen die Sayyid-Brüder Farrukhsiyar gefangen nehmen und qualvoll töten. Es wird berichtet, dass dieser daran festhielt, seine herrscherliche Unabhängigkeit zu wahren. Sie setzten daraufhin Rafi ud-Dardschat auf den Thron, wobei sie wohl auch hier die Fäden über das politische Geschehen in der Hand halten wollten. Diesmal kam die Konkurrenz aus dem Roten Fort in Agra. Am 18. Mai 1719 ernannte sich dort sein Onkel Nekusiyar zum Herrscher, der allerdings seitens der SayyidBrüder gefangengenommen werden konnte. Rafi ud-Dardschat selbst starb nur knapp über drei Monate nach seiner Inthronisierung (womöglich an Lungenkrebs). Vor seinem Tod soll er den Wunsch geäußert haben, seinen älteren Bruder Rafi ud-Daula als seinen Nachfolger zu ernennen. Dieser wurde nun auch seitens der Sayyid-Brüder auf den Herrscherthron gehoben. Nach 105 Tagen der Regentschaft dankte auch dieser ab, der auch als Schah Dschahan II. bekannt wurde. Bis zur endgültigen Machtübernahme durch die Briten folgten weitere Mogulherrscher, die sich im rasanten Wechsel zwischen Macht und Ohnmacht befanden. Namentlich waren diese Muhammad Ibrahim, Muhammad Schah, Ahmad Schah Bahadur, Alamgir II., Schah Dschahan III., Schah Alam II., Akbar Schah II. und Bahadur Schah II. Viele von Ihnen waren nur sehr kurze Zeit im Amt (wenn auch Schah Alam II. mit fast 47 Jahren überragt). Allein auf Grund der kurzen Regentschaft ist es vielen nicht gelungen, in das angeschlagene Reich wieder Ordnung zu bringen. Intrigen, Selbsternennung zum Herrscher und 102
andere Machenschaften auf der Führungsebene machten es zudem schwer, überhaupt Recht und Ordnung im Herrschaftsbereich walten zu lassen. Auf die letzten beiden Herrscher sei hier eingegangen, da sie für die Illustration der historischen Geschehnisse besonders wichtig sind. Mirza Abkar (oder auch Akbar Schah Saani) regierte von 1806 bis 1837. Er war der zweite Sohn von Schah Alam II. und Vater von Bahadur Schah (Zafar) II. Aufgrund der bis dahin wachsenden britischen Kontrolle verfügte Akbar Schah II. nur noch über wenig reale Macht (zur wachsenden, britischen Macht siehe Kapitel 6.2). So verfügte er lediglich nominell über das große Mogulreich, doch in Wirklichkeit war seine Macht beschränkt auf das Rote Fort in Delhi. Die kulturelle Landschaft florierte zu seiner Zeit. Seine ablehnende Haltung gegenüber Beamten der East India Company jedoch war den Briten ein Dorn im Auge. 1835 degradierten ihn die Briten vom Mogulherrscher zum „King of Delhi“. Somit waren die Briten nicht mehr nur Statthalter bzw. Stellvertreter des Mogulreiches, die sie von 1803 bis 1835 waren. Wie bereits erwähnt, ist es seit jeher üblich gewesen – als Demonstration der Macht – eigene Münzen zu prägen. Dies taten die Briten dann auch zeitnah: sie ersetzten den persischen Text mit Englischem auf der Münze der Kompanie, auf der nicht mehr der Name des Mogulherrschers stand. Den Provinzgouverneur von Avadh und den Nizam ulMulk (ungef. Reichsadministrator) von Hyderabad ermutigte man, Herrschertitel anzunehmen, um den Einfluss des Mogulherrschers einzudämmen. Der Nizam machte dies nicht, der Provinzgouverneur (Nawab) tat dies allerdings. Um gegen eine derartige Behandlung vorzugehen, sandte Akbar Schah einen Vertreter nach England, um dort Beschwerde einzureichen. Leider half ihm dieser Schritt nicht. 1837 starb der geschwächte Mogulherrscher und hinterließ seinem Sohn und letzten Mogulherrscher Bahadur Schah II. den Thron. Bahadur Schahs Macht103
bereich war, ähnlich wie die seines Vorgängers, um das Rote Fort herum beschränkt. Nach wie vor war die East India Company die einzig wahre politische und militärische Macht im Lande. Ihm wurde es gestattet, in kleinem Maße Steuern einzutreiben, um u.a. eine kleine Streitmacht zu unterhalten. Der wohl bedeutendste Vorfall in der Geschichte des indischen Subkontinents ereignete sich zu seiner Regierungszeit und markiert das Ende der absoluten Monarchie.99 Nachfolgend sollen nun die Umstände analysiert werden, die zu dem Mutiny genannten Ereignis führten, das in seiner Konsequenz die Neuzeit in der indischen Geschichte einläutete.
8.2 Der Indische Aufstand Wie bereits erwähnt, war die British East India Company mittlerweile die führende Macht auf dem in-dischen Subkontinent. Um militärisch überhaupt großflächig Präsenz zeigen zu können, musste sie ebenfalls einheimische Soldaten anwerben, sogenannte Sepoys (pers. Sipahi: Soldat). Das taten allerdings alle erwähnten europäischen Mächte, die zuvor in Indien Fuß fassten. Zunächst wurden diese in den örtlichen Gemeinden bzw. Verwaltungseinheiten (Presidency) von Madras und Bombay rekrutiert, später auch aus anderen Regionen. Ethnisch gesehen waren die Sepoys also eine bunte Mischung, die – neben den offiziellen Sprachen Urdu und Persisch – ihre eigene Muttersprache sprachen. Mehrheitlich waren die Sepoys jedoch Muslime oder Hindus. Zu einem ersten Aufstand im Lande kam es im Juli 1806, der in der Geschichte als Meuterei von Velur bekannt wurde. Gegen Ende des Jahres 1805 erließ die Ostindien-Kompanie eine neue Kleiderordnung. Die Kleidung der Sepoys, die bis dahin weitgehend der indischen Tra104
dition entsprach, durfte nicht mehr getragen werden. Das Tragen von Schmuck war ebenfalls nicht mehr gestattet. Hindus sollten auf die Tilaka (Markierung auf der Stirn, u.a. eine Art Segenszeichen) verzichten. Muslimen wurde angeordnet, den Bart zu rasieren bzw. den Schnurbart zu stutzen. Die Gefahr, dass solche Anordnungen zu jener Zeit zu Problemen führen würden, war bekannt. Schließlich heißt es in einer Warnung der Militärbehörde (military board), dass Änderungen in der Uniform ein sehr sensibles Unterfangen sind und besondere Rücksichtnahme erfordern.100 General Sir John Craddock, der Oberbefehlshaber der Madras Army war, ordnete zudem an, anstatt von Turbanen (im Falle von Sikhs Dastare) runde Hüte mit Kokarden zu tragen. Einige wenige protestierten dagegen. Angeblich sollen ein Hindu und ein Muslim mit 90 Peitschenhieben bestraft, und dann vom Dienst suspendiert worden sein. Weitere an die 20 Sepoys sollen mit 50 Peitschenhieben bestraft worden sein und dann gezwungen, bei der EIC um Gnade zu bitten. Die Sepoys waren zu diesem Zeitpunkt äußerst erzürnt und fühlten sich durch derartiges Vorgehen gedemütigt. Am 10. Juli 1806 kam es dann, dass die Sepoys europäische Wachleute am Fort erschossen und ein weiteres Dutzend eigener Offiziere und Beamte. Unter der Führung von Tipu Sultans Sohn (Tipu Sultan selbst war Herrscher über das Königreich Mysore), behielten sie bis zum Morgengrauen die Kontrolle über das Fort. Ein britischer Soldat konnte fliehen und alarmierte die Garnison in Arcot, einem Vorort von Velur. Im Gegenzug konnten “die britischen Truppen“ die Lage wieder unter Kontrolle bringen. Bei dem Gegenschlag wurden 350 Rebellen getötet und ebenso viele verletzt. Dieses Ereignis stellt den ersten, größeren Wiederstand gegen die EIC dar. Einige Inder glaubten, dass die Briten beabsichtigten, sie zum Christentum zu bekehren. Im 19. Jahrhundert erlaubte die Britische Ostindien-Kompanie vermehrt, christliche Missionen zu tätigen und auch der 105
generelle Ton war – im Gegensatz zu vergangenen Zeiten – vermehrt ein christlich- religiöser. Offiziere sollen einen ziemlich harschen Umgang bei der Konvertierung der Sepoys zum Christentum gepflegt haben. Diesem Benehmen soll allerdings die Kompanie selbst ablehnend gegenüber gestanden haben, wusste sie doch um die Auslösung von potentiellen Krisenherden in religiösen Angelegenheiten. Außerdem waren Einheimische sehr erzürnt über die offizielle Annexionspolitik (Doctrine of Lapse), die es der Kompanie erlaubte, indische Fürstenstaaten zu annektieren, deren Herrscher sich als inkompetent erwiesen oder ohne Thronfolger starben. Dies wurde als ein direkter Angriff auf die Souveränität einzelner Staaten verstanden. In die Praxis wurde diese Politik auch umgesetzt. Demnach wurden Satara (1848), Dschaitpur und Sambalpur (1849), Nagpur und Dschhansi (1854), Tandschore und Arcot (1855) und Awadh (1856) annektiert. Als Konsequenz dieser Politik wurden viele arbeitslos. Feudalherren, Fürstensoldaten und Landarbeiter fühlten sich gedemütigt. In einigen Gebieten wurden Bauern gezwungen, Landwirtschaft für die Selbstversorgung durch kommerzielle Agrarwirtschaft, wie etwa dem Anbau von Indigo, Jute, Kaffee und Tee, zu ersetzen. Dies führte zum Elend der Bauern und der Preis für Lebensmittel stieg. Auch die traditionellen Weber von Bengalen und anderen Gebieten litten unter der Herrschaft der EIC. Die Preise für Importe wurden niedrig gehalten. Der indische Markt wurde überflutet mit Billigware aus Großbritannien. Die einheimische Industrie konnte da nicht mithalten. Während zuvor in Indien luxuriöse Kleidung für England produziert wurde, verhielt es sich nun so, dass in Indien lediglich die Wolle angebaut wurde, um in England produziert, um dann in Indien von Indern verkauft zu werden. Auch die Steuern, die die Einheimischen zu entrichten hatten, waren derart hoch (insbesondere auf dem Land), dass die Unzufriedenheit und der Wut auf die Briten auf allen Ebenen der Gesellschaft spürbar waren. Der generelle Unmut hatte also polykausale Ursachen. 106
Im April des Jahres 1857 kam es in Delhi zu vereinzelten Brandstiftungen an den Bungalows der Offiziere. Innerhalb der Britischen Armee kam es seitens der Sepoys zu Befehlsverweigerungen. Einige wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt. Indische Truppenteile schmiedeten daraufhin Revolten. Ein europäischer Jungoffizier, der diese erste Revolte unterdrücken wollte, wurde von seinen eigenen Soldaten getötet. Menschenmengen griffen auf Bazaren Soldaten an, die außer Dienst waren. Zivilisten wurden ebenfalls von Sepoys getötet, die ihre Arbeitgeber schützen wollten. In Meerut wurde seitens Aufständischer das Gefängnistor geöffnet. Einige Duzend Europäer, unter ihnen Soldaten, Frauen und Kinder, wurden seitens der Sepoys und der Menschenmenge getötet. Bahadur Schah hielt seit Jahren seine erste Rede am Hof, die von aufgeregten Sepoys besucht wurde. Der formale Herrscher war sehr beunruhigt über die Ereignisse im Land, doch wurde er von dieser Menschenmenge ermutigt, seinen Beitrag dazu zu leisten. Schließlich willigte er ein und gab seine Unterstützung für die rebellierenden Sepoys bekannt. Nicht nachzuweisen ist, ob 50 Europäer, die am Herrscherhof gefangen genommen wurden oder sich in der Stadt versteckt hatten, tatsächlich von den Dienern Bahadur Schahs getötet wurden. Die Nachricht von den Ereignissen in Delhi verbreite sich rasch und löste weitere Aufstände unter den Sepoys in verschieden Gebieten aus. Aufgrund fliehender Zivilisten wurden die Rebellen in ihrer Revolte weiter bestärkt. Viele britische Offiziere handelten nervös und nahmen einigen Sepoys ihre Waffen weg, während andere ihren Sepoys vertrauten. Viele Menschen wurden durch Sepoys, aber auch vonseiten „gesetzesloser“ Banden getötet. Auch die Sepoys waren sich nicht einig darüber, wer ihr Führer sein sollte. Während Bahadur Schah nominell wieder Herrscher zu sein schien, wollten die Marathen und die Avadhs jeweils ihre eigenen Herrscher an der Spitze sehen. Sunnitische Muslime ihrerseits erklärten den Chischti Hadschi Imdadullah 107
Muhadschir Makki zu ihrem Amir in Uttar Pradesh. In Shamli kam es dann zu einer Schlacht im Mai 1857 zwischen den Streitkräften Imdadullahs und den Briten. Die Sikhs und Pathanen von Pandschab unterstützten dabei die Briten und verhalfen diesen, Delhi zurückzuerobern. Vor allem die Sikhs waren nicht daran interessiert, dass die Mogulherrschaft wieder das Sagen hat, gab es in der Vergangenheit doch diverse Spannungen (siehe oben). Zum Erstaunen der Briten bekam Bahadur Schah immer mehr Anhänger im Pandschab. Um seine Macht zu demonstrieren, ließ er Münzen in seinem Namen prägen. Seinen Streitkräften war es gelungen, Angriffe der Briten in Haryana und anderen Gebieten zurückzudrängen und diese einzunehmen. Im September konnten die Briten die verlorenen Gebiete wieder einnehmen und Bahadur Schah konnte – nachdem sein Versteck aufflog – gefangen genommen werden. Zwei Söhne und ein Enkel wurden offenbar unmittelbar nach der Gefangennahme erschossen. Vergeltungsmaßnahmen folgten an vielen Orten. Welche Schlacht nun die entscheidende war, ist heute nicht festzustellen. Allerdings stellte die Rückeroberung Delhis sicherlich einen Wendepunkt dar. Genaue Opferzahlen sind nicht bekannt. Es müssen aber Tausende gewesen sein.101 Bahadur Schah wurde der Prozess gemacht und nicht etwa exekutiert, sondern ins Exil nach Yangon (Birma) geschickt, wo er 1862 starb. Dies war nun ein für alle Mal (eben auch nominell) das Ende jahrhundertelanger Mogulherrschaft. In England sah man die Vergeltungsangriffe der britischen Armee als gerechtfertigt an. Die Öffentlichkeit war geschockt von den berichteten Kriegsgräueln an britischen bzw. europäischen Zivilisten und Soldaten. Allerdings gab es auch Berichte, die aufzeigen wollen, dass viele der geschilderten Ereignisse eine Übertreibung der britischen Presse darstelle. Der prominente Karl Marx, der auch für die New York Daily Tribune schrieb, berichtet aus seiner Sicht: 108
„Sogar bei der jetzigen Katastrophe wäre es ein völliger Irrtum, anzunehmen, daß die ganze Grausamkeit auf Seiten der Sepoys läge und die ganze Milch der frommen Denkungsart bei den Engländern flösse.“ […] Ein Beamter der Zivilverwaltung schreibt aus Allahabad: "Wir haben die Macht über Leben und Tod in unseren Händen, und wir versichern euch, daß wir sie schonungslos gebrauchen." Ein anderer aus derselben Stadt: "Nicht ein Tag verstreicht, an dem wir nicht zehn bis fünfzehn von ihnen (friedfertige Einwohner) aufknüpfen." Ein Beamter schreibt begeistert: "Holmes hängt sie zu Dutzenden, er ist ein Mordskerl." Ein anderer schreibt im Hinblick auf das summarische Erhängen einer großen Schar Eingeborener: "Dann ging unser Spaß los." […] Ein Offizier aus Benares, dessen Brief in der „Londoner Times" abgedruckt ist, schreibt: "Die europäischen Truppen wurden zu Teufeln, wenn sie mit den Eingeborenen zusammenstießen." „Von wem stammte zum Beispiel der eingehende Bericht über die in Delhi und Mirat begangenen Greueltaten, der zuerst in der "Times" erschien und dann in der Londoner Presse die Runde machte? Von einem feigherzigen Pfaffen, der in Bangalor, Maisur, lebt, mehr als tausend Meilen Luftlinie vom Tatort entfernt.“102 Es ist heute also äußerst schwierig, auch nur annähernd genau davon zu berichten, was bei der Indischen Rebellion wirklich geschah. Im Juli 1858 wurde ein Friedensabkommen geschlossen und die Rebellion endete endgültig. Zuvor wurden die letzten Rebellen in Gwalior geschlagen. Trotz allem sah die britische Regierung den Hauptgrund für die Rebellion in der schlechten Behandlung der indischen Bevölkerung. Aus diesem Grund wurde die Oberherrschaft der Britischen Ostindien-Kompanie mit dem Government of India Act direkt an die 109
Britische Krone übertragen. Ein Secretary of State for India (Staatssekretär für Indien) mit dem India Office an der Spitze wurde eingerichtet. Dieser und war dem Parlament rechenschaftspflichtig. Ziel war es, Britisch-Indien, wie man die Kolonialherrschaft nun bezeichnete, besser zu regieren.103 Im weiteren Verlauf der Geschichte des indischen Subkontinents kam es zu Vereinigungen und Zusammenschlüssen verschiedener ethnischer Gruppen, die zum Teil auch Parteien gründeten. Hindus, zum Beispiel, gründeten den Indian National Congress, wobei Muslime die All India Muslim League gründeten. Generell ist das politisch begründete Zugehörigkeitsgefühl einer ethnischen Gruppe im Kontext des Nationalismus des 19. bzw. 20. Jahrhunderts zu sehen. Auch auf dem indischen Subkontinent konnten sich die Menschen letzten Endes nicht von diesem Gefühl frei machen. Zwar spielte sich das Zugehörigkeitsgefühl anfangs noch auf regionaler Ebene ab und ein Lokalpatriotismus war beherrschend, doch schien nun von Zeit zu Zeit das eigene politische Interesse im Kontrast zu dem der jeweils anderen Gruppen zu stehen. Konfliktherde entstanden und – solange es noch möglich war – wurden politische Lösungen gesucht, die zwar für die jeweiligen Lager nicht optimal, jedoch zumindest akzeptabel waren. 1947 schien also – auch wenn es Kräfte gab, die dagegen waren – die beste Lösung für alle Beteiligten zu sein, British-India zu teilen. Aus ihm gingen die Staaten Indien, Pakistan und Bangladesch (zu diesem Zeitpunkt noch Ostpakistan) hervor. Mit der Aufteilung Indiens, die nach der Zwei-Nationen-Theorie erfolgte, entließ die britische Regierung Indien in die Unabhängigkeit. Gemäß dieser Theorie wurde Pakistan mehrheitlich muslimisch, Indien hingegen hinduistisch.
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Schlussbetrachtung Es wird heute – auch von vielen Wissenschaftlern – die Meinung vertreten, dass die Christen gewaltsam in Indien eingefallen seien, oder umgekehrt, die Muslime erst durch gewaltsame Kriege auf dem indischen Subkontinent erschienen sind. Verschiedenste Texte und Artikel, die im Internet zu diesem Thema kursieren und allgemein Interessierte informieren sollen, stützen oft leichtfertig diese Versionen der Geschichtsdarbietung. Beide Behauptungen sind allerdings irreführend und man könnte den Eindruck gewinnen – liest man doch in manchen Fällen einen leicht spöttischen Unterton heraus – das dies absichtlich getan wird. Zumindest für die Geschichte des Mogulreiches liegen aber gut erhaltene Dokumente und Relikte vor, die wenig Raum für derartige Schlussfolgerungen lassen. Mit ein wenig Feingefühl für historische Plausibilität und der entsprechend kritischen Annäherung ist es zudem möglich, den historischen Tatsachen sehr nah zu kommen. Es wurde deutlich gemacht, dass es bereits friedliche missionarische Tätigkeiten von Christen zu Beginn des 16. Jahrhunderts gegeben hat. Auch gab es keine islamische Invasion, wie oft suggeriert wird. Es gab seit Jahrhunderten Handelsbeziehungen mit den arabischen Gebieten. Aus den nachfolgenden Han-delsniederlassungen entstand eine eigenständige muslimische Bevölkerung, die einige Bräuche der Einheimischen übernahmen. Dies hatte zur Folge, dass sich der Islam mit lokalen Religionen verschmolz. Heute ist offenkundig, dass die Praxis des Islams in Indien wenig Parallelen aufweist mit der im Jemen oder in Marokko. Es ist also festzuhalten, dass es einen türkischen, afghanischen und mongolischen Einfall gab, der sicherlich nicht religiös motiviert war. Später zum Islam konvertierte Großmoguln regierten das Land in Form einer Grundherrschaft unter islamischem Vorzeichen.
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Dass die Briten überhaupt in Indien Fuß fassen konnten, ist ebenfalls dem Umstand des Handels in der Region zu verdanken und der entgegenkommenden Haltung Dschahangirs, der den Briten viele Sonderrechte einräumte. Also auch hier haben wir es nicht mit einem christlich-motovierten Einfall der Briten zu tun. Es handelte sich mehr um eine merkantilistische Oberherrschaft unter christlicher Fahne. Geht man den Gründen nach, warum das Mogulreich nach solch erfolgreicher Konsolidierung der Macht niederging, so muss man diese an verschiedenen Orten und Zeiten suchen. Es war nicht ausschließlich Aurangzebs Regierungsstil bzw. die Unfähigkeit, die verschiedenen ethnischen Gruppen im Lande zusammenzuhalten. Man muss sich vor Augen halten, dass das Mogulreich auch 150 Jahre nach seinem Tod noch existiert hat. Die Gründe für den Niedergang könnten sein, dass die Herrschaft von einem Autokraten ausging. Es wurde nie ein Gesetz erlassen, das die Thronfolge regelte. Zum größten Teil kam es zu Bruderkämpfen, wobei der Sieger sich zum Herrscher ausrief. An ihm war es dann, dass die verschiedenen lokalen Interessen irgendwie befriedet wurden. Dies hatte zur Folge, dass die Stabilität der Regierung allein durch den Umstand der gewaltsamen Machtergreifung innerhalb der Familie gefährdet war. Intrigen sind ein nicht außer Acht zu lassendes Faktum, die zur Schwächung der Autorität im Herrschaftsbereich beigetragen haben. Verschiedene Lager bildeten sich und der Lokalpatriotismus gewann an Kraft. Daraus folgten immer mehr Spannungen unter den verschiedenen Gruppen, die sich in Gewalt und Auflehnung auch gegen die Zentralmacht entladen konnten. Auch die langsame Unzuverlässigkeit des Militärs, die sich darin zeigte, dass sich einzelne Generäle und Feldherren selbständig machten, sich zum Teil in Regierungsgeschäfte einmischten, gegen das eigene Oberhaupt kämpften und dessen Sturz herbeiführen wollten, musste zwangsweise zu einer Schwächung des Mogulhofes führen. Es war ohnehin ein fast unmögliches Unterfangen, ein derart gewaltiges Reich, das immer mehr ge112
wachsen ist, effizient von einer geschwächten Machtzentrale zu verwalten, insbesondere mit mittelalterlichen Transport- und Kommunikationsmitteln. Auch Aurangzebs Religionspolitik war mitverantwortlich für die Revolten der Radschputen, Sikhs, Dschats und Marathen. Die aufflammenden Konfliktherde und deren Unterdrückung führten zudem zu einer Finanzkrise, die die Staatskasse stark belastete. Letzten Endes kann man Aurangzeb nicht allein für den Niedergang des Mogulreiches verantwortlich machen. Offenbar war er der falsche Mogulherrscher zu einer ungünstigen Zeit, in der es organisierten Widerstand gab, den es zu Zeiten Dschahangirs in dem Maße nicht gegeben hatte. Die Entwicklungen, das Chaos, die Gewalt und die Teilung des Landes, nach der Machtübernahme durch die Briten nahmen ihren Lauf und haben bzgl. des Geschicks des Mogulreiches insofern eine Rolle gespielt, als dass die EIC den Schlussstrich durch die Herrschaft der Moguln zog; denn auch die Mehrheit der Bevölkerung war einen derartigen Patrimonialstaat in der Neuzeit satt.
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Anhang
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Anmerkungen 1
Vgl. hierzu auch Conerman, Das Mogulreich, 2006, S. 7. Auch Aschoka der Große genannt, war Herrscher der altindischen Dynastie der Maurya. Er starb ca. 232 v. Chr. 3 Die Hunnen waren ein Steppenvolk, das aus Verbänden von Nomaden bestand und seinen Ursprung in der Mongolei hat. Während des 4. Jahrhunderts ließen sie sich entlang des Oxus (heute genannt Amu Darja, ein Strom Westturkestans) nieder und bauten ein, womöglich auch mehrere mächtige Reiche auf. 4 Ghilzay (auch Ghalzay) ist ein großer Stamm Pashto sprechender Afghanen, der hauptsächlich zwischen Qandahar und Ghazna angesiedelt ist. Zahlreiche Studien belegen, dass die Ghilzay eine Mischung aus Hephthaliten (Nomadenverband, vielleicht iranischer Prägung) und türkischen Elementen ist. 5 Vgl. Conerman, Das Mogulreich, 2006, S. 17-19. 6 Vgl. Schimmel, Der Islam im indischen Subkontinent, 1983, S. 1-2. 7 Vgl. auch Flores, Die arabische Welt, 2003, S. 231-232. 8 Data Gandsch Baksch war ein iranischer Mystiker, der in einem Vorort Ghaznas namens Hudjwir geboren wurde. Was aus seinem Leben bekannt ist, ist hauptsächlich seinen eigenen Angaben zu entnehmen. Er scheint für eine Weile im Irak gelebt zu haben, wo er reich wurde, sich jedoch später verschuldete. 9 Vgl. Schimmel, Der Islam im indischen Subkontinent, 1983, S. 2-12. 10 Vgl. Conerman, Das Mogulreich, 2006, S. 23-25. 11 Vgl. Eaton, The Rise of Islam and the Bengal Frontier, 1204-1760, 1963. S. 71-2. 12 Vgl. Ernst, C., Eternal Garden, S. 97-107. 13 Vgl. Conerman, Das Mogulreich, 2006, S. 25. 14 Vgl. Schimmel, Der Islam im indischen Subkontinent, 1983, S.20-21. 15 Zum gesamten Abschnitt vgl. Conerman, Das Mogulreich, 2006, S. 25-28. 16 Mamluken (wörtl. „die in Besitz Genommenen“) wurden die ehemaligen Militärsklaven genannt, und zwar aus den Sultans- oder Emirsgarden, die sich durch Tüchtigkeit ausgezeichnet hatten. Die Herrscher in der arabischen Welt bedienten sich seit dem frühen 9. Jahrhundert dieser Sklaven und bildeten so den Kern ihres Heeres. 1250 rissen die Mamluken die Macht an sich und regierten ca. 250 Jahre lang die ägyptisch-syrischen Gebiete einschließlich der arabischen Halbinsel mit ihren heiligen Stätten (vgl. hierzu auch Flores, Die arabische Welt, S. 156). 17 Vgl. Prawdin, Das Reich aus dem Nichts, 1965, S. 11-12. 18 Zum Abschnitt vgl. Gascoigne, Die Großmoguln, 1973, S. 7-9. 19 Babur, Das Babur-nama, 1985, S. 93. 20 Ebd., S. 8. 21 Wohl benannt nach der antiken Stadt Side (in der heutigen Türkei), in der das Auspressen von Äpfeln betrieben wurde. 22 Babur, Das Babur-nama, 1985, S. 347. 23 Beispiele sind unter dieser Internetadresse zu finden: http://std.dkuug.dk/jtc1/sc2/wg2/docs/n4130.pdf 24 Vgl. Behr, Die Moguln, 1979, S. 43-56. 25 Safawiden waren eine persische Dynastie (1502 bis 1794). Im 13. Jahrhundert schuf Schaykh Safi ud-Din von Ardabil den schiitischen Orden der turkmenischen Safawiden. In der Folge gelang es seinen Anhängern, Turkstämme um sich zu sammeln und die Herrschaft vom nordwestlichen Persien aus über das ganze Land auszudehnen. Das Reich der Safawiden grenzte nun an das Osmanische Reich von Osten her. Im Jahr 1501 begründete Schah Ismail die safawidische Dynastie. 26 Der Grund hierfür ist nicht eindeutig, doch wird vermutet, dass er sehr damit beschäftigt war, Ordnung in den von ihm regierten Gebieten zu schaffen. 27 Vgl. Conerman, Das Mogulreich, 2006, S. 11-12. 28 Babur, Das Babur-nama, 1985, S. 756. 29 Zum gesamten Abschnitt vgl. Prawdin, Das Reich aus dem Nichts, 1965, S. 59-86. 30 Vgl. Schimmel, Im Reich der Grossmoguln, 2000, S. 20-1; vgl. hierzu auch Kulke/Rothermund, Geschichte Indiens, S. 256f. 31 Vgl. Diez, Akbar, 1961, S. 26-32. 32 Noer, Kaiser Akbar, 1880-1885. Bd. 1, S. 102. 33 Vgl. Gascoigne, Die Großmoguln, 1973, S. 71-74. 34 Vgl. Franke, Akbar und Ğahāngīr, 2005, S. 16-19. 35 Vgl. Schimmel, Im Reich der Grossmoguln, 2000, S. 27-8. 2
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36
Vgl. Gascoigne, Die Großmoguln, 1973, S. 75-77. Vgl. auch Conermann, Das Mogulreich, 2006, S. 47. Die Marathen waren ursprünglich ein Klanbündnis in der heutigen indischen Provinz Maharashtra, das im Bergland einige Festungen besaß. Ihre Sprache war Marathi, die sich schon im13. Jh. in der Literatur niederschlug. Seit jener Zeit schufen eigene literarische und religiöse Traditionen, repräsentiert von Persönlichkeiten wie Tukaram (17. Jh.), ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter diesen Stämmen. 39 Vgl. Badā’ūnī, ‘Abd ul-Qādir, Muntakhab at-tawārīkh, 1983, Übersetztung: Bd. II, S. 193. 40 Vgl. Streusand, The Formation of the Mughal Empire, 1989, S. 108-122. 41 Vgl. Conermann, Mogulreich, S. 47-54; vgl. Blake, The Patrimonial-Bureaucratic Empire of the Mughals, 1979, S. 77-94; vgl. Hardy, Islamischer Patrimonialismus, 1987, S. 190-216. 42 Vgl. Badā’ūnī, ‘Abd ul-Qādir, Muntakhab at-tawārīkh, 1983, Übersetztung: Bd. II, S. 317. 43 Vgl. ’Allāmī, Abū ’l-Fażl, Akbar-nāma, 1897-1921, Übersetzung: Bd. III, S. 488. 44 Vgl. Badā’ūnī, ‘Abd ul-Qādir, Muntakhab at-tawārīkh, 1983, Übersetztung: Bd. II, S. 203. 45 Vgl. Ibn Hasan, The Central Structure of the Mughal Empire, 1936, S. 255f. 46 Vgl. ’Allāmī, Abū ’l-Fażl, Akbar-nāma, 1897-1921, Übersetzung: Bd. III, S. 158f. 47 Vgl. auch Schimmel, Von Ali bis Zahra, 1990, S. 93. 48 Vgl. Franke, Akbar und Ğahāngīr, 2005, S. 97. 49 Vgl. Maclagan, The Jesuit Missions to the Emperor Akbar, 1896, S. 48. Vgl. auch Du Jarric, Akbar and the Jesuits 1996, S. 18 ff. 50 Vgl. Monserrate, The Commentary of Father Monserrate, 1992, S. 50f. 51 Vgl. Franke, Akbar und Ğahāngīr, 2005, S. 114-128. 52 Vgl. dazu ’Allāmī, Abū ’l-Fażl, Ā’īn-i Akbarī, 1868-1894, Übersetzung: Bd. III (dort Geschichte und Bräuche der Hindus). 53 Vgl. ’Allāmī, Abū ’l-Fażl,, Ā’īn-i Akbarī, 1868-1894, Übersetzung: Bd. III. S. 15ff. 54 Vgl. Badā’ūnī, ‘Abd ul-Qādir, Muntakhab at-tawārīkh, 1983, Übersetzung: Bd. III, S. 268f. 55 Vgl. ’Allāmī, Abū ’l-Fażl, Ā’īn-i Akbarī, 1868-1894, Übersetzung: Bd. I, S. 182. 56 Vgl. Grobbel, Der Dichter Faidi und die Religion Akbars, 2001, S. 49ff. 57 Vgl. Rizvi, Sayyid A., Muslim Revivalist Movements in Northern India in the 16 th and 17th Centuries, 1965. 58 Dokument auf Arabisch und Englisch in: Aneer, Akbar the Great Mogul and…,1973, S. 39-41. 59 Vgl. Badā’ūnī, ‘Abd ul-Qādir, Muntakhab at-tawārīkh, 1898, Übersetztung: Bd. II, S. 280. 60 Vgl. Sharma, The Religious Policy of the Mughals, S. 36. 61 Vgl. ebd., S. 50. 62 Vgl. hierzu http://craigconsidinetcd.wordpress.com/tag/akbar-the-great/ 63 Vgl. Conerman, Das Mogulreich, 2006, S. 67-73. 64 Vgl. Hickmann, Miniaturen, Volks- und Gegenwartskunst Indien, 1955, S. 51-52. 65 Vgl. hierzu auch von Stietenkron, Die Erscheinungsformen des Hinduismus, 1995, S. 143ff. 66 Vgl. Michaels, Der Hinduismus, 1998, S. 304-306. 67 Vgl. Kukertz, Geschichte und Konzepte der indischen Musik, 1995, S. 302f. 68 Vgl. Prasada, Jahangir and the Jains, 1982, S. 37-42. 69 Vgl. Modi, The Parsees at the court of Akbar until 1596/7, 1902-04, S. 69-245. 70 Vgl. Encyclopaedia Iranica, “Dabestan-e Madaheb”, Vol. VI. S. 532-34. 71 Vgl. Zetlaoui, Shalom India – Histoire des communautés juives en Inde. Paris 2000. 72 Vgl. Hashimi, Sarmad, 1933, S. 633-672. 73 Vgl. Grewal, The Sikhs of the Punjab. Cambridge University Press, New Delhi 1994. 74 Myers, “Aramaic”, The Eerdman Bible Dictionary, S. 72. 75 Vgl. Maclagan, The Jesuits and the Great Mughal, 1932. 76 Vgl. Halm, Die Schia, S. 22-3. 77 Vgl. Ansari, Sayyid Muhammad Jawnpuri and his movement, 1963, S. 265-270; Badā’ūnī, Bd. III, S. 73-77, gibt ein sympathisches Bild der Mahdawis. Vgl. auch (Encyclopaedia of Islam II.) EI2, Mahdawis, Bd. V, S. 1230. 78 Vgl. Malik, Sixteenth-century Mahdism. The Rawshaniyya movement…, 1993. Vgl. hierzu auch EI2, Rawshaniyya, Bd. VIII, S. 468. 79 Vgl. EI2, Nuktawiyya, Bd. IIIV, S. 114. 80 Vgl. Siddiqui, Nuqtavi thinkers at the Mughal court, 1927. 81 Vgl. hierzu auch EI2, Hind, Bd. III, S. 404 ff. 82 Vgl. auch Hollister, The Shia of India, 1953, S. 1-3. 37 38
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Vgl. hierzu Schimmel, Mystische Dimensionen des Islams, 1985. Vgl. hierzu auch Encyclopaedia Britannica (India, Submission of Mewar). Vgl. Gascoigne, Die Großmoguln, 1973, S. 116-175. 86 Vgl. Prawdin, Das Reich aus dem Nichts, 1965, S. 200-1. 87 Vgl. Mahajan, Muslim Rule In India. Delhi 1962, S. 200. 88 Vgl. Hierzu auch Begley: The Myth of the Taj Mahal and a New Theory of…, 1979, S. 7-37. 89 Vgl. hierzu auch Schimmel, Im Reich der Grossmoguln, 2000, S. 44-7. 90 Vgl. Raychaudhuri, The Cambridge Economic History of India, 1982. 91 Vgl. hiezu Richards, The New Cambridge History of India, 1993. Vgl. ebenfalls Chaudhuri, The Trading World of Asia and the English East India Company, 1660–1760. Cambridge, 1978. 92 Vgl. Lane-Poole, Rulers of India, 1930. 93 Vgl. Besson, Les Aventuriers français aux Indes (1775-1820), 1955. 94 Vgl. Richards, The New Cambridge History of India, 1993, S. 179-182. 95 Vgl. Pearson, Decline of the Mughal Empire, 1976, S.221-7. 96 Vgl. Acworth, Ballads of the Marathas, 1894. 97 Vgl. Ali, The Mughal Nobility under Aurangzeb, 1997; vgl. auch Metcalf, A concise History of Modern India, 2012. 98 Vgl. auch Majumdar, History of Bengal, 1971. 99 Vgl. ebd., The History and Culture of the Indian People 1951; vgl. ebd. The Delhi Sultanate, 1960; vgl. ebd., The Mughal Empire, 1973. 100 Vgl. zu diesem Thema Mason, An Account of the Indian Army, Its Officers and Men, 1986. 101 Vgl. zu diesem Thema auch Pearson, Decline of the Mughal Empire, 1976, S.225-235; Vgl. auch Anderson, The Indian Uprising of 1857-8: Prisons, Prisoners, and Rebellion. 2007. 102 Zitate sind der Le Monde diplomatique entnommen. Ausgabe 10.08.2007 (Indien 1857: Wie Karl Marx es sah). http://www.monde-diplomatique.de/pm/2007/08/10.mondeText.artikel,a0042.idx,12 103 Vgl. Sharar, The Last Phase of an Oriental Culture, 1975, S. 65-75; vgl. auch Chakravarty, The Indian Mutiny and the British Imagination. 2005 und Brodkin, E.I.: The Struggle for Succession: Rebels and Loyalists in the Indian Mutiny of 1857, 1972, S. 277-290. 84 85
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