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German Pages 199 Year 1982
WOLFGANG W A L D S T E I N
Dae M e n e c h e n r e c h t z u m L e b e n
Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 423
Recht
Das Menschenrecht zum Leben Beiträge zu Fragen des Schutzes menschlichen Lebens
Von
Wolfgang Waldstein
DUNCKER
&
HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 342805176 0
Itaque , quod Apollo Pythius oraculum edidit, Spartani nulla re alia nisi avaritia esse perituram, id videtur non solum Lacedaemoniis, sed etiam omnibus opulentis populis praedixisse (Cie. off. 2, 77). Dem Andenken aller, denen das Leben aus Furcht vor Unbequemlichkeit oder Minderung der „Lebensqualität" (des Wohlstandes) genommen wurde.
Vorwort M i t der Herausgabe der i n diesem Sammelband vereinigten fünf Beiträge zu Problemen des Schutzes menschlichen Lebens bin ich wiederholten Anregungen oder Bitten von Freunden gefolgt. Allerdings hat sich die Realisierung des Planes als sehr schwierig erwiesen. I n den zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Anlässen verfaßten Beiträgen habe ich den gleichen Fragenkomplex zwar unter verschiedenen Gesichtspunkten, aber doch immer wieder behandelt. Dies machte es naturgemäß notwendig, immer wieder auf Elemente früherer Beiträge zurückzugreifen. Während die sich daraus ergebenden Wiederholungen i n den einzelnen an ganz verschiedenen Stellen publizierten Beiträgen nicht stören, werden sie untragbar, wenn sie i n einem Sammelband zusammenkommen. Weil aber Elemente früherer Beiträge in spätere häufig so aufgenommen wurden, daß sie aus dem Aufbau der Argumentation nicht einfach herausgelöst werden konnten, ließen sich auch die Wiederholungen nicht einfach ausschalten. Es wäre sonst der Aufbau der jeweiligen Argumentation auseinandergefallen. Ich habe das Problem teilweise m i t Verweisungen zu lösen versucht, aber eine restlos befriedigende Lösung ließ sich oft nicht finden. Aus den fünf nicht einheitlichen Beiträgen ließ sich kein einheitliches Buch in dem Sinne machen, wie es bei einer systematischen Darstellung aller Probleme „aus einem Guß" erwartet werden dürfte, die i n den einzelnen Beiträgen behandelt oder auch nur berührt wurden. Weil aber die einzelnen Beiträge jeweils Teilaspekten einer überaus komplexen Problematik gelten, ergänzen sie sich gerade deswegen. Daher ergeben sie zusammen doch, wie ich hoffe, ein B i l d von der außerordentlichen Tragweite der gesetzgeberischen Maßnahmen auf dem Gebiete des Schutzes menschlichen Lebens. I n dem jeweiligen Rahmen der einzelnen Beiträge war es bereits nicht möglich, das einschlägige Schrifttum vollständig zu verarbeiten. I n diesem Band konnte seither erschienenes Schrifttum nur ausnahmsweise ergänzt werden. Das behandelte Schrifttum, i n dem wieder zahlreiche weitere Hinweise enthalten sind, und die Quellen habe ich jedoch durch ein Abkürzungsverzeichnis und durch Register leichter zugänglich zu machen versucht. Der Antrag der Salzburger Landesregierung vom 15. März 1974 „auf Aufhebung des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 des Strafgesetzbuches, B G B l Nr. 60/1974, wegen Verfassungswidrigkeit", die zu
8
Vorwort
diesem Antrag von der österreichischen Bundesregierung erstattete „Äußerung" vom 21. Mai 1974 sowie die Stellungnahme der Salzburger Landesregierung „zur Äußerung der Bundesregierung" vom 9. September 1974 sind i n den Anhängen A—C als Dokumentation abgedruckt. Für die Herausgabe der hier neuerlich vorgelegten Beiträge in diesem kleinen Sammelband bin ich dem Verlag Duncker & Humblot zu besonderem Dank verpflichtet. Vielleicht vermag diese Neuvorlage manche Zusammenhänge klarer i n das Bewußtsein zu heben, vor allem die Tatsache, daß menschliches Leben ein unteilbarer Wert ist und daß seinem Schutz i n jeder Gesellschaft eine fundamentale Bedeutung zukommt. Salzburg, i m Dezember 1981 Wolfgang Waldstein
Inhaltsverzeichnis
Einleitung I . Die Rechtsstellung ungeborener Kinder im römischen Recht I I . Rechtserkenntnis und Rechtsprechung. Bemerkungen zum Erkenntnis des V f G H über die Fristenlösung
17 20
26
1. Z u r Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre
28
2. Die für den Schutz des ungeborenen Lebens maßgeblichen Normen
36
3. Das Erkenntnis des V f G H zur Fristenlösung
48
4. Ist die Fristenlösung verfassungsmäßig?
58
I I I . Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein begonnenes Leben
67
I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I
75
1. Das Recht auf Leben als allgemeines Grundrecht
76
a) Die naturrechtliche Begründung des Grundrechtes auf Leben
77
b) Das Problem der Todesstrafe u n d die Tötung unschuldiger Menschen
80
c) Der Zusammenhang zwischen Abtreibung und Euthanasie
83
d) Selbstsucht u n d Leidenschaften als Ursachen für die M i ß achtung des Grundrechtes auf Leben
85
2. Das Lebensrecht der Ungeborenen
89
a) Das Lebensrecht der Ungeborenen i n der geschichtlichen E r fahrung
89
b) Das Lebensrecht besteht v o m Augenblick der Empfängnis an
92
c) Der Staat vermag keine Ermächtigung zur Tötung zu geben
95
d) Der Hippokratische E i d
96
10
nsverzeichnis 3. Z u m Recht des „lebensunwerten Lebens" und zum Problem der Euthanasie 9*9 a) Dekret des Heiligen Offiziums v o m 2. Dezember 1940
99
b) Die Grenze zwischen der ärztlichen Hilfe f ü r Leidende und Sterbende u n d der direkten Tötung 101 4. Zusammenfassung
107
V. Die Verantwortung des Politikers und Grenzen staatlicher Legitimität 111 1. Die Verantwortung des Politikers i n der geschichtlichen Erfahrung 114 2. K r i t e r i e n f ü r die Feststellung der Grenzen staatlicher L e g i t i m i t ä t 121 3. Ergebnis
127
Anhang A. A n t r a g der Salzburger Landesregierung v o m 15. März 1974
131
B. Äußerung der Bundesregierung vom 21. M a i 1974
150
C. Stellungnahme der Salzburger Landesregierung zur Äußerung der Bundesregierung v o m 9. September 1974 164 Quellenregister
175
Personen- und Sachregister
180
Abkürzungsverzeichnis AAS ABGB Adamovich, Verfassungsrecht ANRW
Aristot. E N — pol. ARSP Ärztegesetz A r z t und Christ Aug. civ. — nupt. et concup. Beginning of H u m a n Life BGBl BGH BR BVfG BVG Bydlinski, GedGschn
—, Menschenrechte
Cels. Cie. fin.
Acta Apostolicae Sedis, Vatikan, zitiert m i t Band, Jahr und Seitenzahl Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch von 1811 (Österreich) m i t späteren Änderungen L u d w i g Adamovich, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts, 8. A u f l . 1971 Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Geschichte und K u l t u r Roms i m Spiegel der neueren Forschung, hrsg. von Hildegard Temporini, seit 1972, teilweise m i t Wolfgang Haase Aristoteles, Ethica Nicomachea —, Politica Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Das österreichische Ärztegesetz m i t Kommentar nach dem Stand v o m 1. Jänner 1976, hrsg. von K a r l C. F. Strobl A r z t und Christ, Vierteljahresschrift für medizinisch-ethische Grundsatzfragen Aurelius Augustinus, De civitate dei —, De nuptiis et concupiscentia, CSEL 42 (1902) 207 ff. The Position of Modern Science on the Beginning of H u m a n Life, Scientists for Life, Inc., Sun Life, Thaxton, Virginia, USA, 2. Aufl. 1976 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof (Bundesrepublik Deutschland) Bundesrat Bundesverfassungsgericht der B R D i n Karlsruhe Bundes-Verfassungsgesetz v o m 1. Okober 1920 m i t späteren Änderungen, Österreich Franz Bydlinski, Gesetzeslücke, §7 A B G B und die „Reine Rechtslehre", Gedenkschrift Franz Gschnitzer, hrsg. von Christoph Faistenberger und Heinrich Mayrhofer, Veröffentlichungen der Universität Innsbruck, 1969 —, Der Schutz des Ungeborenen i n zivilrechtlicher Sicht, i n : Volle Menschenrechte f ü r das ungeborene K i n d , Die Wissenschaft und das u n geborene K i n d , hrsg. von Herta Pammer und R u dolf Weiler, 1980 P. Iuventius Celsus (filius), römischer Jurist der hochklassischen Periode, 1./2. Jahrhundert n. Chr. M. Tullius Cicero, De finibus bonorum et malorum m i t Angabe des Buches u n d des §
12 — leg. — off. — rep. CSEL D Diod. Dölger
DVB1 EN Erk. Ermacora, Handbuch
Eser, Suizid EuGRZ FamRZ Fikentscher, Methoden FL FS Broda FS Eckert FS Geiger
FS Kelsen FS Klecatsky
FS Messner
Abkürzungsverzeichnis —, De legibus m i t Angabe des Buches und des § —, De officiis m i t Angabe des Buches u n d des § —, De republica m i t Angabe des Buches u n d des § Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, Akad. der Wiss. Wien, m i t Angabe des Bandes u n d der Seitenzahl Digesta Iustiniani, Corpus iuris civilis I, edd. Theodor M o m m s e n / P a u l K r ü g e r Diodor aus A g y r i o n (Sizilien), Universalgeschichte bis zur Eroberung Britanniens (54 v. Chr.), m i t Angabe des Buches, des Kapitels und des § F. J. Dölger, Das Lebensrecht des ungeborenen Kindes und die Fruchtabtreibung i n der Bewertung der heidnischen u n d christlichen Antike, i n : F. J. Dölger, A n t i k e und Christentum, K u l t u r und religionsgeschichtliche Studien 4 (1934, Neudr. 1975) 1—61 Deutsches Verwaltungsblatt Ethica Nicomachea des Aristoteles Erkenntnis (des österreichischen Verfassungsgerichtshofes) Felix Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten u n d der Menschenrechte, E i n Kommentar zu den österreichischen Grundrechtsbestimmungen, 1963 A l b i n Eser (Hrsg.), Suizid u n d Euthanasie als h u m a n · u n d sozialwissenschaftliches Problem, M e dizin und Recht 1, 1976 Europäische Grundrechte-Zeitschrift, Strasbourg, seit 1974 Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Wolfgang Fikentscher, Methoden des Rechts i n vergleichender Darstellung, fünf Bände, I und I I 1975, I I I 1976, I V u n d V 1977 Fristenlösung Festschrift f ü r Christian Broda, hrsg. von M. Neider, 1976 Kirche und Staat, Fritz Eckert zum 65. Geburtstag, hrsg. von Herbert Schambeck, 1976 Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, Festschrift f ü r W i l l i Geiger zum 65. Geburtstag, hrsg. von Gerhard Leibholz, Hans Joachim F a l ler, Paul M i k a t , Hans Reis, 1974 Festschrift f ü r Hans Kelsen zum 90. Geburtstag, hrsg. von A d o l f J. M e r k l t , René Marcie, A l f r e d Verdross, Robert Walter, 1971 A u f dem Wege zur Menschenwürde u n d Gerechtigkeit, Festschrift f ü r Hans R. Klecatsky, dargeboten zum 60. Lebensjahr von L u d w i g Adamovich und Peter Pernthaler, i n zwei Teilbänden, 1980 Ordnung i m sozialen Wandel, Festschrift für Johannes Messner zum 85. Geburtstag, hrsg. von A l f r e d Klose, Herbert Schambeck, Rudolf Weiler, Valentin Zsifkovits, 1976
Abkürzungsverzeichnis FS Verdross (1960)
FS Verdross (1980)
Gai. inst. Gaudium et spes
GedGschn
GG GP Gruchmann Henkel, Rechtsphilosophie h.L. JB1 Justiz i m D r i t t e n Reich Kägi, Medizin und Ideologie Käser, RPR I Kelsen, Reine Rechtslehre Klang-Kommentar
Klecatsky, Bundesverfassungsrecht KPzABGB Larenz, Methodenlehre
13
Völkerrecht und rechtliches Weltbild, Festschrift für A l f r e d Verdross, hrsg. von F. A . Frhr. v. d. Heydte, I. Seidl-Hohenveldern, St. Verosta, K . Zemanek, 1960 lus humanitatis, Festschrift zum 90. Geburtstag von A l f r e d Verdross, hrsg. von Herbert Miehsler, Erhard Mock, Bruno Simma, l i m a r Tammelo, 1980 Gai institutiones, ed. M. David, Leiden 1964 Das Zweite Vatikanische Konzil, Pastoralkonstit u t i o n über die Kirche i n der Welt von heute, zitiert nach den Anfangsworten des lateinischen Textes: Gaudium et spes. Gedenkschrift für Franz Gschnitzer, hrsg. von Christoph Faistenberger und Heinrich M a y r h o fen Veröffentlichungen der Universität Innsbruck, 1969 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v o m 23. M a i 1949 Gesetzgebungsperiode des N R Lothar Gruchmann, Euthanasie u n d Justiz i m D r i t t e n Reich, Vierteljahreshef te für Zeitgeschichte 20 (1972), 235—279 Heinrich Henkel, Einführung i n die Rechtsphilosophie, 2. A u f l . 1977 herrschende Lehre Juristische Blätter Justiz i m D r i t t e n Reich, Eine Dokumentation, hrsg. von Ilse Staff, 2. Ausgabe Fischer Taschenbuch 1978 (1. Ausgabe Fischer Bücherei 1964) Werner Kägi, Das Recht auf Leben, die A b t r e i bung und die Verantwortung der medizinischen Berufe, i n : Medizin und Ideologie 168—185 M a x Käser, Das römische Privatrecht, Erster A b schnitt, I m Rahmen des Handbuchs der A l t e r tumswissenschaft, 2. Aufl. 1971 Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, M i t einem A n hang: Das Problem der Gerechtigkeit, 2. Aufl. 1960, Unveränderter Nachdruck 1967 Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Dr. Heinrich K l a n g und Dr. Franz Gschnitzer, I. Band, 1. Halbband, 2. A u f l . 1964 Hans R. Klecatsky, Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 2. Aufl. 1973, 3. Aufl. 1982 (im Druck) Kundmachungs-Patent zum A B G B v o m 1. J u n i 1811 K a r l Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. 1979
14 LH Link, Herrschaftsordnung Medizin und Ideologie
Menschenrechte Messner, Naturrecht Mod. MRK Muson. NJW NR OGH ÖJZ Ott, Rechtspositivismus Pap. Paul. Plat, polit. Polyb. hist. Sagmeister Schambeck, Bundesverfassungsgesetz SN
sz sz (bei Entscheidungen des OGH) Tac. ann.
Abkürzungsverzeichnis Landeshauptmann (Österreich) Christoph L i n k , Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, Grenzen der Staatsgewalt i n der älteren deutschen Staatslehre, 1979 Medizin u n d Ideologie, Vorträge v o m Weltkongress der Weltärztevereinigung für die Achtung vor dem menschlichen Leben i n Bern (3./4. September 1977), 1980 Volle Menschenrechte für das ungeborene K i n d , hrsg. von Herta Pammer u n d Rudolf Weiler, 1980 Johannes Messner, Das Naturrecht, Handbuch der Gesellschaftsethik, Staatsethik und Wirtschaftsethik, 5. A u f l . 1966 Herennius Modestinus, römischer Jurist des 3. Jahrhunderts n. Chr. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechts-Konvention) C. Musonius Ruf us, Stoiker des 1. Jahrhunderts n. Chr. i n Rom, Ausg. der Fragmente von Otto Hense, 1905 Neue Juristische Wochenschrift Nationalrat (Österreich) Oberster Gerichtshof (Oberste Instanz i n Z i v i l und Strafrechtssachen i n Österreich) österreichische Juristen-Zeitung Walter Ott, Der Rechtspositivismus, Kritische Würdigung auf der Grundlage eines juristischen Pragmatismus, 1976 Papinian, römischer Jurist u m die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert n. Chr. bis 212 Iulius Paulus, römischer Jurist der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Piaton, Politikos (Staatsmann) Polybios, Römische Geschichte Raimund Sagmeister, Fristenlösung, w i e k a m es dazu? 1981 Das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz und seine Entwicklung, hrsg. von Herbert Schambeck, 1980 Salzburger Nachrichten, Freie Tageszeitung für die österreichischen Bundesländer Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische A b t e i l u n g Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes i n Zivilsachen (Sammlung Z i v i l sachen) Cornelius Tacitus, Annales (ab excessu d i v i A u gusti)
Abkürzungsverzeichnis Tert. apol. Ulp. Utz/Groner
VfGH VfSlg VwGH VwSlgNF ZRP
15
Q. S. F. Tertullianus, Apologeticum m i t Angabe des Kapitels und des § Domitius Ulpianus, römischer Jurist zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. A u f b a u und Entfaltung des gesellschaftlichen L e bens, Soziale Summe Pius X I I . , hrsg. von A r t h u r F r i d o l i n Utz Ο. P. und Joseph-Fulko Groner O. P., drei Bände, 1954—1961. Die Texte werden nach den durch alle drei Bände fortlaufend gezählten N u m m e r n zitiert. Bei dem ersten Z i t a t eines T e x tes w i r d auch jeweils die Fundstelle i n den A A S angegeben Verfassungsgerichtshof (Österreich) Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes Verwaltungsgerichtshof (Österreich) Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes — Neue Folge Zeitschrift für Rechtspolitik
(Einige Abkürzungen moderner Gesetze noch i m Quellenregister.)
Einleitung I m Z u g e der V o r b e r e i t u n g e n z u r E i n f ü h r u n g eines n e u e n Strafgesetzbuches i n Ö s t e r r e i c h setzten B e s t r e b u n g e n ein, b e i dieser G e l e g e n h e i t d e n Schutz menschlichen L e b e n s f ü r die ersten d r e i M o n a t e d e r S c h w a n gerschaft f a l l e n z u lassen ( F r i s t e n l ö s u n g ) 1 . D i e s c h w e r w i e g e n d e n r e c h t l i c h e n K o n s e q u e n z e n e i n e r solchen M a ß n a h m e , die a n d i e G r u n d l a g e n e i n e r Rechtsgemeinschaft r ü h r e n u n d diese w e i t g e h e n d i n F r a g e s t e l len, h a b e n m i c h zunächst d a z u v e r a n l a ß t , d i e R e c h t s s t e l l u n g u n g e b o r e n e r K i n d e r n ä h e r z u u n t e r s u c h e n 2 . A m 29. N o v e m b e r 1973 h a t d e r N R d a n n w i r k l i c h m i t 93 gegen 88 S t i m m e n — a l l e n g e w i c h t i g e n r e c h t l i c h e n B e d e n k e n z u m T r o t z — d i e F r i s t e n l ö s u n g beschlossen. I c h habe d a m a l s gleich z u zeigen versucht, daß d i e F r i s t e n l ö s u n g e i n e n V e r f a s s u n g s b r u c h d a r s t e l l t 3 . A u s diesen V o r a r b e i t e n s i n d s o d a n n b i s 1981 j e n e f ü n f B e i t r ä g e h e r v o r g e g a n g e n , die i m f o l g e n d e n e t w a s ü b e r a r b e i t e t w i e d e r g e g e b e n sind.
1 Z u r gesamten E n t w i c k l u n g eingehend JR. Sagmeister, Fristenlösung, w i e k a m es dazu? (1981), bes. 47 ff. U n m i t t e l b a r auslösendes Moment w a r der auf dem 21. Bundesparteitag der SPÖ 1972 i n Villach angenommene „ A n t r a g des Bundesfrauenkomitees", der unter anderem folgende Formulierung enthielt: „Die derzeit inhumanen Strafbestimmungen gegen die Schwangerschaftsunterbrechung sind i m Zuge der Gesamterneuerung des österreichischen Strafrechts so zu gestalten, daß unbeschadet der i n der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Indikationenlösung der Konfliktsituation der Frau durch Gewährung eigener Entscheidungsfreiheit innerhalb eines medizinisch vertretbaren Zeitraumes vollends Rechnung getragen w i r d " ; Protokoll des Parteitages 252; Hervorh. von mir. Der A n t r a g wurde von über 550 stimmberechtigten Delegierten bei n u r „zehn Gegenstimmen" (Protokoll 204) angenommen. Nach der Stellungnahme des „Genossen Wiche", die der A b s t i m mung vorausging, dürften die Gegenstimmen wenigstens teilweise daher rühren, daß der „ A n t r a g der Frauenkonferenz, sosehr er zu loben ist, . . . zu wenig k o n k r e t " w a r (Protokoll 204). Außerordentlich aufschlußreidi sind auch die Ausführungen von Dr. Ch. Broda zum Problem der Schwangerschaftsunterbrechung (Protokoll 71 ff.). Dem Parteitag lagen noch 15 weitere Anträge betreffend eine Abänderung des damaligen § 144 des Strafgesetzes vor, die jedoch nach Annahme des Antrages des Bundesfrauenkomitees „ d e m K l u b der sozialistischen Abgeordneten m i t dem A u f t r a g zugewiesen" w u r den, „sie i m Sinne des angenommenen Antrages der Bundesfrauenkonferenz zu prüfen" (Protokoll 204). 2 Den Anfang bildete ein Vortrag i m Rahmen des A u d i t o r i u m Academicum der Salzburger Volkshochschule i m März 1973, der i n „Entscheidung" 39 (1973/11) 6—12 veröffentlicht wurde. 3 „ D i e Furche" v o m 15. Dezember 1973, S. 13.
2 Waldstein
18
Einleitung
I m ersten dieser Beiträge „ Z u r Rechtsstellung ungeborener Kinder" für die FS Eckert 4 hatte ich zunächst die „Rechtsstellung ungeborener Kinder i m römischen Recht" etwas näher untersucht. Dies erwies sich als notwendig, weil ich hatte feiststellen müssen, daß der nasciturus-Satz, der auch in den § 22 ABGB eingegangen ist, i n Unkenntnis des historischen Befundes oder auch trotz Kenntnis wider besseres Wissen verschiedentlich allein auf Vermögensrechte des noch ungeborenen K i n des bezogen wurde. Die daran anknüpfende Untersuchung der „Rechtsstellung ungeborener Kinder i m modernen Recht" habe ich i n einer eingehenderen Auseinandersetzung m i t dem Erkenntnis des V f G H über die Fristenlösung i n einem Beitrag für die JB1 nochmals aufgegriffen und teilweise zu vertiefen versucht. Es erschien m i r daher zur Vermeidung von Wiederholungen zweckmäßig, aus dem Beitrag zur FS Eckert nur den historischen Teil aufzunehmen, für die modernrechtliche Lage jedoch den aus den JB1. Manche Ausführungen, die i m modernrechtlichen Teil des Beitrages zur FS Eckert enthalten sind und i n den Beitrag für die JB1 nicht aufgenommen wurden, habe ich i n Anmerkungen zu diesem Beitrag aufgenommen. Zuletzt habe ich i n einem Vortrag bei einem Internationalen pädiatrischen Symposion über „Die Gefährdung des Kindes heute" i m März 1981 in Innsbruck „Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein begonnenes Leben" nach der geltenden Rechtslage nochmals kurz darzustellen versucht. Allgemeinen Fragen des Rechtes auf Leben gilt der Beitrag „Das Recht auf Leben bei Pius X I I . " zum Gedächtnisband für Pius X I I . Schließlich habe ich auch noch den m i t den Problemen des Lebensrechtes verbundenen Aspekt der Verantwortung des Politikers und der Grenzen staatlicher Legitimität i n einem Beitrag zur FS für Altlandeshauptmann Hans Lechner eingehender zu behandeln versucht. Nachdem der österreichische NR die Fristenlösung beschlossen hatte, stellte die Salzburger Landesregierung am 15. März 1974 den Antrag „auf Aufhebung des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 des Strafgesetzbuches" 1974 „wegen Verfassungswidrigkeit" 5 . Während das deutsche BVfG 1975 die Fristenlösung i n der Bundesrepublik für verfassungswidrig erklärte, hat der österreichische V f G H m i t seinem Erkenntnis vom 11. Oktober 1974 dem „Antrag der Salzburger Landesregierung, § 97 Abs. 1 Ζ. 1 . . . ( . . . StGB) wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben, . . . keine Folge gegeben" 6 . Dies ist vielfach so verstanden worden, als wäre die von der 4
Dort 477—513. Der A n t r a g der Salzburger Landesregierung ist i n seinen wesentlichen Teilen abgedruckt i n EuGRZ 1 (1974) 57 ff., ganz wiedergegeben unten A n h a n g A. 6 Das U r t e i l des B V f G ist abgedruckt i n N J W 28 (1975) 573 ff. u n d i n EuGRZ 2 (1975) 126 ff. Das Erkenntnis des V f G H ist teilweise abgedruckt i n EuGRZ 2 (1975) 74 ff. u n d i n VfSlg 7400, dazu unten A n m . 42. 5
Einleitung
Salzburger Landesregierung angefochtene Bestimmung des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 des StGB 1974 tatsächlich nicht verfassungswidrig. So hat etwa Richard Novak i n seinem kritischen Kommentar zu diesem Erkenntnis vorweg zugestanden, die „Verfassungsmäßigkeit der sog. ,Fristenlösung' ist damit bestätigt worden" 7 . Christian Broda hat nach dem Bekanntwerden der entgegengesetzten Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts festgestellt, „daß das westdeutsche Grundgesetz andere Voraussetzungen als die österreichische Verfassung biete" 8 . Damit sind grundsätzliche Fragen aufgeworfen, die noch vieler Untersuchungen und Überlegungen i m einzelnen bedürfen. Sie betreffen die Grundlagen der Rechtsordnung schlechthin, ihren Sinn, die Methoden zur Ermittlung dessen, was jeweils einer gegebenen Rechtsordnung entspricht oder nicht entspricht, vor allem aber die Stellung der menschlichen Person i n der Rechtsordnung überhaupt. Des weiteren geht es um den Sinn einer staatlichen Gemeinschaft, um die Aufgaben des Staates ganz allgemein und schließlich um den Sinn einer Verfassungsgerichtsbarkeit. Alle diese Fragen sind nicht nur solche einer jeweils gegebenen positiven Rechtslage. Sie sind aber deswegen für eine konkrete Entscheidung eines Höchstgerichtes i n einer Frage von so weittragender Bedeutung wie die Frage des Schutzes menschlichen Lebens nicht irrelevant. Sie sind zudem rationaler Erwägung zugänglich und nicht nur Fragen einer weltanschaulichen Position. Es stehen zu ihrer Beantwortung nicht nur rechtstheoretische, rechtsphilosophische und einfach rechtswissenschaftliche Instrumentarien zur Verfügung, sondern auch rechtshistorische Erfahrungen, die ganz verschiedene Kulturkreise umfassen. Es konnten i n den folgenden Beiträgen freilich jeweils nur einige Teilfragen der komplexen Problematik behandelt werden. Für die Beantwortung der Frage, ob die „Fristenlösung" i m Hinblick auf die Rechtsstellung ungeborener Kinder tatsächlich „verfassungsmäßig" ist, trägt der historische Befund wichtige Gesichtspunkte bei. Daher ist hier zunächst eine kurze Darstellung der Rechtsstellung ungeborener Kinder i n jener Rechtsordnung wiedergegeben, auf welcher unsere geltende Rechtsordnung weithin aufbaut, nämlich i m römischen Recht.
7 EuGRZ 2 (1975) 197; so auch fast durchwegs die Pressekommentare, vgl. etwa die SN v o m 15. Februar 1975, S. 12: „Fristenlösung nicht gleichheitswidrig". 8 S N v o m 26. Februar 1975, S. 2. Vgl. dagegen D. G r i m m , JB1 98 (1976) 74, dazu unten bei A n m . 45. Z u den verschiedenen höchstgerichtlichen Entscheidungen allgemein auch H. Reis, Juristenzeitung 36 (1981) 738 m i t weiteren Hinweisen.
τ
I . Die Rechtsstellung ungeborener Kinder im römischen Recht 9 Der hochklassische Jurist Julian stellt fest: „Die i m Mutterschoß sind, werden fast i m ganzen Bereich der Rechtsordnung als existierende Personen angesehen" 10 . Er belegt die Aussage sodann m i t einer Reihe von Beispielen, die alle personenrechtliche Fragen betreffen 1 1 . Der ebenfalls hochklassische Jurist Gaius sagt: „Weil man aber i n zahlreichen anderen Fällen diejenigen, die erst nach dem Tode des Erblassers geboren werden, als bereits geboren ansieht, so w i r d das auch i n der Hinsicht anerkannt, daß man noch nicht Geborenen nicht minder als Geborenen i m Testament einen Vormund bestellen k a n n " 1 2 . Für die Rechtsfähigkeit ist i m römischen Recht der status (Freiheit, Bürgerrecht, Stellung i m Familienverband) maßgeblich. Es ist nun besonders bemerkenswert, daß sich der status der i n gültiger Ehe gezeugten K i n der nach dem status des Vaters i m Zeitpunkt der Empfängnis richtet 1 3 . Wenn das K i n d nicht i n gültiger Ehe gezeugt wurde, richtete sich der status des Kindes nach dem der Mutter i m Zeitpunkt der Geburt, jedoch m i t der bemerkenswerten Maßgabe, daß der status der Freiheit, der erst die Rechtsfähigkeit gewährt, dem K i n d auch dann erhalten bleibt, wenn die Mutter i h n zwar zu irgendeinem Zeitpunkt der Schwangerschaft gehabt hat, aber i m Zeitpunkt der Geburt selbst nicht mehr hat 1 4 . Die rechtliche Existenz des Kindes wurde weiter dadurch berücksichtigt, daß für das noch nicht geborene K i n d ein curator bestellt werden β FS Eckert 478—484. Die Fortsetzung dieses Beitrages FS Eckert 484—513 entfällt hier, w e i l die Fragen i m nächsten Beitrag (II) teüweise eingehender behandelt sind. Der Anfang des Beitrages wurde m i t der Einleitung verbunden. 10 D 1, 5, 26: Qui in utero sunt, in toto paene iure civili intelleguntur in rerum natura esse; v g l auch den weiteren T e x t dort. 11 Darunter findet sich auch der Fall, daß eine schwangere F r a u von Feinden gefangen w i r d . Dadurch w i r d sie Sklavin. Demnach würde auch das von i h r geborene K i n d Sklave. Doch behandelt die Rechtsordnung das auf diese Weise i n Sklaverei geratene K i n d genauso w i e jede i n Kriegsgefangenschaft geratene Person. Wenn das K i n d aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, t r i t t es i n seine volle Rechtsstellung so ein, als wäre es nie — bzw. als wäre seine M u t t e r nie — i n Kriegsgefangenschaft geraten. 12 Gai. inst. 1, 147. 18 Gai. inst. 1, 89. 14 Marcian D l , 5, 5, 3; vgl. auch Gai. inst. 1, 91.
I. Die Rechtsstellung ungeborener K i n d e r i m römischen Recht
21
konnte, der die Rechte des Kindes wahrzunehmen hatte 1 5 . Er hatte es ebenso zu tun, wie der curator nicht handlungsfähiger oder beschränkt handlungsfähiger geborener Personen, so etwa der Geisteskranken, der Verschwender oder Abwesender, deren Rechte wahrzunehmen hatte 1 6 . I n allen bisher behandelten Fragen geht es nur um die personenrechtliche Stellung des ungeborenen Kindes, nicht jedoch u m vermögensrechtliche Vorwirkungen der zu erwartenden Geburt. Eine dem spätklassischen Juristen Paulus zugeschriebene Regel faßt sodann die Rechtsstellung des nasciturus etwa folgendermaßen zusammen: „Wer i m Mutterleibe ist, w i r d so behandelt, als wäre er bereits geboren, soweit es sich um die Rechtsvorteile des ungeborenen Kindes selbst handelt, auch wenn dies einem Dritten, bevor das K i n d geboren wird, nichts n ü t z t " 1 7 . Die gesamte Entwicklung dieser Regel macht klar, daß sie sich nicht nur auf vermögensrechtliche Vorwirkungen der zu erwartenden Geburt bezogen haben kann, obwohl neben der personenrechtlichen Stellung des ungeborenen Kindes auch die vermögensrechtlichen Rechtsvorteile eine große Rolle spielen. A u f diese bezieht sich auch der einschränkende Zusatz, daß ein Dritter aus dem Rechtserwerb eines Ungeborenen keine Rechte ableiten kann, bevor die Rechte des nasciturus m i t der Lebendgeburt aktuell werden. Aber die vermögensrechtlichen Rechtsvorteile des nasciturus setzen selbstverständlich seine personenrechtliche — wenn auch noch beschränkte — Rechtsfähigkeit voraus. Dem ungeborenen K i n d wurde i n der Tat eine beschränkte Rechtsfähigkeit zuerkannt. Damit hat man der Tatsache weitgehend Rechnung getragen, daß es sich bereits u m eine neue Person handelt, die m i t der Geburt volles Rechtssubjekt w i r d 1 8 . Man kann also für das römische Recht keinesfalls sagen, das ungeborene K i n d sei rechtlich „Vor der Geburt . . . bloßer Teil des Mutterleibes" 1 9 gewesen, über den die Mutter hätte frei verfügen können. 15
Mod. D 26, 5, 20 pr. Z u alledem vgl. Käser, RPR I 369 ff. 17 D 1, 5, 7. 18 I m römischen Recht ist die Rechtsfähigkeit freilich auch m i t der Geburt noch nicht immer v o l l gegeben. Gewaltunterworfene Freie bleiben ζ. B. v e r mögensunfähig, bis sie gewaltfrei werden. Z u r Beseitigung allfälliger U n klarheiten muß hinzugefügt werden, daß die Rechtsfähigkeit natürlich nicht m i t der Handlungsfähigkeit verwechselt werden darf, die sich nach A l t e r u n d Geisteszustand richtet u n d die Fähigkeit kennzeichnet, durch eigenes Handeln Rechtswirkungen auszulösen. Der nasciturus e r w i r b t Rechte ohne sein Zutun, f ü r i h n handeln k a n n n u r sein curator. 19 Dagegen bemerkt Käser, R P R I 272 A n m . 17: „ V o r der Geburt ist der partus bloßer T e i l des Mutterleibes". Die Quellentexte, auf die sich Käser bei dieser Aussage stützt, machen aber deutlich, daß dies n u r i n einem ganz bestimmten eng begrenzten Sinne gemeint war. Der eine Text steht i m Digestentitel über die Untersuchung, ob eine F r a u schwanger ist, u n d über die Bewachung der Leibesfrucht. Der Ausgangsfall w a r der, daß ein M a n n 16
I. Die Rechtsstellung ungeborener K i n d e r i m römischen Recht Dieser Tatsache e n t s p r i c h t es, daß d i e A b t r e i b u n g des u n g e b o r e n e n K i n d e s i n R o m „ i m m e r . . . als arge U n s i t t l i c h k e i t " angesehen w o r d e n i s t 2 0 . W e n n m a n w e i ß , w e l c h e B e d e u t u n g die S i t t e i m römischen Staat v o r a l l e m i n f r ü h e r Z e i t h a t t e 2 1 , d a n n k a n n es n i c h t v e r w u n d e r n , daß die strafrechtliche V e r f o l g u n g solcher V e r f e h l u n g e n d u r c h eine lange P e r i o d e o f f e n s i c h t l i c h e n t b e h r l i c h schien. D e r z u n e h m e n d e f a l l seit d e m A u s g a n g der R e p u b l i k scheint erst die
Sittenver-
Notwendigkeit
eines s t r a f r e c h t l i c h e n Schutzes h e r v o r g e r u f e n z u haben, d e r i n d e r k a i serlichen G e r i c h t s b a r k e i t
entwickelt w u r d e 2 2 . Die Abtreibung
wurde
seither i n A n l e h n u n g a n die Gesetze ü b e r die G i f t m i s c h e r e i m i t V e r mögensstrafe u n d V e r b a n n u n g , b e i t ö d l i c h e m A u s g a n g f ü r
die
Frau
k a p i t a l b e s t r a f t 2 3 . D e r strafrechtliche Schutz ist eine K o n s e q u e n z der R e c h t s s t e l l u n g des u n g e b o r e n e n K i n d e s . W e n n m a n das u n g e b o r e n e K i n d , s o w e i t es u m seine Rechte geht, als bereits geboren ansieht, d a n n k a n n die R e c h t s o r d n u n g auch n i c h t u m h i n , es entsprechend z u schütseiner geschiedenen Frau, die behauptete, nicht schwanger zu sein, einen Wächter der Leibesfrucht beigeben wollte. Die befragten Kaiser haben entschieden, daß i n einem solchen Falle drei anerkannte, i n ihrer K u n s t u n d Vertrauenswürdigkeit erprobte Hebammen die F r a u untersuchen sollen. Wenn sie mehrheitlich zu der Überzeugung kommen, daß die F r a u schwanger ist, dann soll m a n der F r a u nahelegen, daß sie einen H ü t e r der Leibesfrucht zuläßt. Wenn sie aber mehrheitlich erklären, daß die F r a u nicht schwanger ist, liegt kein G r u n d zur Bewachung vor. Daraus zieht der Jurist den Schluß, daß die senatusconsulta über die Anerkennung der Vaterschaft dann keine A n w e n d u n g finden, wenn die F r a u bestreitet, schwanger zu sein. Der Jurist fügt hinzu: „ U n d m i t Recht, denn bis zur Geburt ist die Leibesfrucht mulieris portio vel viscerum" (Ulp. D25, 4, 1, 1), also Angelegenheit der Frau, die nicht gegen ihren W i l l e n zur Anzeige der Vaterschaft genötigt ist. Das besagt aber nichts darüber, daß die Rechte des Kindes selbst nicht berücksichtigt würden, u n d also das K i n d auch i n dem Sinne als T e i l des Mutterleibes anzusehen wäre, daß i h m keine selbständige rechtliche Stellung zukäme. Der zweite Text (Pap. D 35, 2, 9, 1) betrifft den partus ancillae u n d besagt, daß ein noch nicht geborenes K i n d einer S k l a v i n kein Sklave ist. Er ist daher bei der Berechnung des Wertes der Erbschaft nicht zu berücksichtigen. Vgl. auch unten bei A n m . 195 zur Auffassung v. Zeillers. 20 Th. Mommsen, Römisches Strafrecht (1899, Neudr. 1961) 636. Vgl. jetzt vor allem die umfassende Untersuchung von E. Nardi , Procurato aborto nel mondo greco romano (1971) u n d Aborto e omicidio nella civiltà classica, A N R W I I 1 3 (1980) 366—385. M i t Auswertung vor allem nichtjuristischer Texte sehr aufschlußreich auch Dölger 1—61, dazu noch unten bei den A n m . 271—278. 21 Vgl. etwa Pap. D28, 7, 15: . . . : nam quae facta laedunt pietatem existimationem verecundiam nostram et, ut generaliter dixerim, contra bonos mores fiunt, nec facere nos posse credendum est. Was also gegen die guten Sitten verstößt, muß als etwas angesehen werden, was nicht getan werden kann, also unmöglich ist. F. Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissenschaft (1961; Neudruck 1975) 298, verdächtigt diesen Text als „Reminiszenz aus der Rhetorenschule", aber er w i r d i h m damit gewiß nicht gerecht. 22 Mommsen, Römisches Strafrecht 637. 28 Mommsen, Römisches Strafrecht 637. Vgl. auch zu Dölger unten bei den A n m . 271 ff.
I. Die
echtsstellung ungeborener K i n d e r i m römischen Recht
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zen, besonders dann, wenn die Achtung vor diesem Rechtssubjekt i m Zuge eines zunehmenden Sittenverfalles i n eine entsprechend zunehmende Mißachtung umschlägt. Dies entspricht der Schutzpflicht des Staates gegenüber den Mitgliedern der staatlichen Gesellschaft, sofern der Staat sich als eine rechtlich geordnete Gemeinschaft begreift 2 4 . Dazu kommt, daß ebenfalls bereits i m römischen Recht das Bewußtsein von Rechten entwickelt war, die sich der staatlichen Verfügung entziehen. So sagt etwa Gai. inst. 1, 158 i m Zusammenhang m i t dem Recht der Verwandtschaft, daß die staatliche Ordnung — wenn man die Worte civilis ratio als Gegenstück etwa zur naturalis ratio i n diesem Sinne verstehen darf 2 5 — nur staatliches Recht (civiltà iura) aufheben oder beseitigen kann, nicht hingegen natürliches (naturalia iuraf*\ Diese natürlichen Rechte unterliegen auch keiner Veränderung durch den Willen eines Volkes 2 7 . Noch weniger unterliegen diese Rechte einer Veränderung durch ein beschworenes „gesundes Volksempfinden" 2 8 , das in Wahrheit von den Absichten der Machthaber und von einer zielbewußten Manipulation erzeugt wurde 2 9 . Auch gibt es kein „natürliches Rechtsbewußtsein des Volkes", das gerade i n der Mißachtung dieser natürlichen Rechte bestehen könnte 3 0 . Es ist schon sehr früh erkannt 24 Vgl. insb. etwa D. Lang-Hinrichsen, Z u r Frage der Verfassungsmäßigkeit der „Fristenlösung" beim Schwangerschaftsabbruch, FamRZ 21 (1974) 500 ff.; dazu die Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, N J W 28 (1975) 575 ff. = EuGRZ 2 (1975) 140 ff.; ferner R. Spaemann, ZRP 7 (1974) 52 f., auch dort 114 ff.: Haben Ungeborene ein Recht auf Leben? Rep l i k auf Giselher Rüpke; Th. Piffl-Percevié, Heimlicher Staatsstreich gegen Österreich, „Die Presse" v. 12./13. Jänner 1974, S. 5; H. Schambeck, „Die Furche" v. 7. A p r i l 1973, S. 1; diesen Gesichtspunkt hat auch die Salzburger Landesregierung i n ihrem A n t r a g m i t Recht hervorgehoben, vgl. EuGRZ 1 (1974) insb. 61 f., i n der Wiedergabe ist der Beginn der Ausführungen des Antrages von S. 22 ff. leider entfallen. Der Text ist vollständig wiedergegeben unten i m Anhang A . Z u m allgemeinen Problem noch i m m e r sehr a k t u e l l R. Guardini, Das Recht des werdenden Menschenlebens (1949, Neudruck 1973). Vgl. auch Grimm, JB1 98 (1976) insb. 76 ff., zum „Funktionswandel der Grundrechte". Allgem. auch unten V 2 . 25 Ratio bedeutet i n den Quellen zweifellos auch Ordnung, vgl. etwa Cie. rep. 3, 33. 26 ... civilis ratio civilia quaedam (od. quidem) iura corrumpere potest , naturalia vero non potest 27 Vgl. Cie. rep. 3, 33; leg. 1, 42 ff.; auch Waldstein, A N R W I I 15 (1976) 78 ff. m i t L i t . A u f diese Rechte stützt sich auch die E r k l ä r u n g der Kongregation für die Glaubenslehre über den Schwangerschaftsabbruch v o m 17. N o vember 1974 Ζ 8 ff., insb. 14 (abgedruckt i n : Worte der österreichischen B i schöfe zum Schutz des menschlichen Lebens [1974] 97 ff.); dazu auch unten bei A n m . 270. 28 Vgl. etwa Justiz i m D r i t t e n Reich 89 (1. A u f l . 95). 29 Dazu H. Jäger, Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, Studien zur nationalsozialistischen G e w a l t k r i m i n a l i t ä t (1967) insb. 163 ff. (über „Das U n rechtsbewußtsein totalitärer Täter"). 80 Vgl. die Regierungserklärung v o m 5. November 1975, Sten. Prot, des NR, X I V GP, 21.
I. Die Rechtsstellung ungeborener K i n d e r i m römischen Recht
worden, daß ein Volksbewußtsein, das sich über die grundlegenden Rechte des Menschen hinwegsetzt, in Wahrheit nichts m i t einem „natürlichen Rechtsbewußtsein" zu t u n hat. Vielmehr führt ein solches Volksbewußtsein zu jener Entartung der Demokratie, die als οχλοκρατί α (Ochlokratie, Willkürherrschaft der Masse) bezeichnet wurde 3 1 . I n diesem Sinne ist auch A r t . 1 B V G zu verstehen. Auch wenn der Wortlaut des Art. 1 BVG: „Österreich ist eine demokratische Republik. I h r Recht geht vom Volke aus", so verstanden werden könnte und w o h l von den Schöpfern der Verfassung zunächst auch so gemeint gewesen sein mag, daß dem Volk seinerseits keine vorgegebenen rechtlichen Schranken gesetzt sind, so stößt eine solche Auslegung heute auf zwei Hindernisse. Erstens gerät sie i n Widerspruch m i t positivrechtlichen Bestimmungen, die ausdrücklich auf „natürliche Rechtsgrundsätze" oder dergl. verweisen 32 . Zweitens aber, und das ist noch viel entscheidender, stößt sie an die durch internationale Instanzen bekräftigten Menschenrechte, wie die MRK, die ihrerseits Bestandteil des österreichischen innerstaatlichen Verfassungsrechts ist 3 3 . Was nun die Rechtsstellung ungeborener Kinder betrifft, so hat die gemeinrechtliche Jurisprudenz aus dem von Paul D 1, 5, 7 formulierten nasciturus-Satz den noch heute geltenden Grundsatz entwickelt, daß derjenige, dessen Geburt erwartet wird, als bereits geboren gilt, soweit es u m seine Rechtsvorteile geht 3 4 . Damit ist die Rechtsstellung des ungeborenen Kindes von der römischen Antike bis an die Schwelle der Gegenwart i m wesentlichen gleich gewesen. Sie ist sogar über die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft Bestandteil jener europäischen Rechtskultur geblieben, die unter ganz verschiedenen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen die wesentlichen Grundwerte einer denkbaren Rechtsordnung selbstverständlich beachtet hat. Der Nationalsozialismus mußte die Abweichungen von einem an diesen Grundwerten orientierten Rechtsbewußtsein i m Geheimen vollziehen, w e i l sie so sehr dem wahren Rechtsgewissen 35 ins Gesicht schlugen, daß 81 Vgl. etwa Polyb. hist. 6, 4, 2 ff., insb. 4 f., Text u n t e n bei A n m . 351. Vgl. auch zu den Ausführungen von Cie. leg. 1, 42 ff. unten die A n m . 64 u n d 95 sowie bei den A n m . 265—267. Spaemann, Z R P 7 (1974) 52, bemerkt treffend: „ W o Minderheiten rechtlos gemacht werden, kann auch die Mehrheit nicht legitimieren". Dazu noch ausführlicher unten V 2 bei A n m . 363 f. 82 Vgl. Bydlinski, GedGschn 111 ff.; K . Wolff , K l a n g - K o m m e n t a r I , 106 f., versucht eine von seinen Voraussetzungen aus notwendige, aber dem W o r t l a u t u n d S i n n der N o r m nicht entsprechende Umdeutung des Begriffes „ n a türliche Rechtsgrundsätze". Vgl. dazu auch unten A n m . 95 u n d die dort angeführte A b h a n d l u n g von Th. Mayer-Maly. 83 Gemäß A r t . I I des B V G v. 4. März 1964, B G B l Nr. 59, dazu Klecatsky, Bundesverfassungsrecht 712 f. 84 Nasciturus pro iam nato habetur, quotiens de commodis eius quaeritur; vgl. H. Kreller, Römisches Recht I I , Grundlagen des gemeinen Rechts (1950) 90.
I. Die Rechtsstellung ungeborener K i n d e r i m römischen Recht
25
man sie mit „gesundem Volksempfinden" nicht mehr begründen konnte 3 6 . Für die Beurteilung der Implikationen, die sich aus der rechtlichen Stellung Ungeborener für das römische und das nachfolgende gemeine Recht ergeben, sind auch die rechtlichen Auslegungsgrundsätze maßgeblich, die bereits von der römischen Rechtswissenschaft entwickelt wurden und seither zum rechtswissenschaftlichen Instrumentarium jeder entwickelten Rechtskultur gehören. Von diesen Auslegungsgrundsätzen seien hier nur einige erwähnt, so etwa der Grundsatz, daß es dem Sinn der Rechtsordnung widerspricht, ohne Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Rechtsordnung unter Berücksichtigung bloß einer Teilnorm einen Fall zu entscheiden 37 , oder daß es sich u m eine Umgehung des Gesetzes handelt, wenn man sich zwar an den Wortlaut hält, aber die Absicht des Gesetzes, seinen Zweck nicht beachtet 38 , und schließlich etwa der Grundsatz, daß ein Gesetz, das zum Wohl der Menschen erlassen ist, nicht durch eine härtere Auslegung gegen deren Wohl zur Strenge oder Grausamkeit gewendet werden darf 3 9 . Dazu kommen alle spezifisch juristischen Verfahren zur Ermittlung einer konkreten Rechtslage, wie die Schlußfolgerung aus Normen, insbesondere auch die Analogie, das argumentum e contrario, die argumenta a maiori ad m i nus, a minori ad maius und viele andere 40 . A l l das muß i m Auge behalten werden, wenn man an die Ermittlung der Rechtsstellung Ungeborener i m modernen Recht gehen w i l l .
85 Vgl. dazu etwa F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit 2 (1967) 610 ff. 88 Dazu überaus aufschlußreich die Darstellung von Gruchmann 237 ff., zur „Schwangerschaftsunterbrechung" 239 ff. 37 Cels. D 1, 3, 24: Incivile est nisi tota lege perspecta una aliqua particula eius proposita iudicare vel respondere. 88 Paul. D l , 3, 29: Contra legem facit, qui id facit quod lex prohibet, in fraudem vero , qui salvis verbis legis sententiam eius circumvenit; ähnlich Ulp. D 1, 3, 30. Vgl. dazu auch unten bei A n m . 55. 89 Mod. D 1, 3, 25; auch Cels. D 1, 3, 18 u n d 19, w o für den F a l l der M e h r deutigkeit jene Auslegung als die vorzuziehende bezeichnet w i r d , die nicht zu einem fehlerhaften, d . h . m i t dem Sinn der Rechtsordnung unverträglichen Ergebnis führt, besonders, w e n n auch der W i l l e des Gesetzes i n diese Richtung weist. Vgl. dagegen etwa K. Ringhofer, FS Kelsen (1971) 205 (unten bei A n m . 60). 40 Dazu allgemein Waldstein, Konsequenz als Argument der klassischen Juristen, SZ 92 (1975) 26 ff.
I L Rechteerkenntnis und Rechtsprechung Bemerkungen z u m Erkenntnis des V f G H über die Fristenlösung 4 1 D e r V f G H i s t i n s e i n e m E r k e n n t n i s ü b e r die F r i s t e n l ö s u n g
davon
ausgegangen, daß „ d i e v o n der S a l z b u r g e r L a n d e s r e g i e r u n g gegen die V e r f a s s u n g s m ä ß i g k e i t des § 97 A b s . 1 Ζ . 1 S t G B d a r g e l e g t e n B e d e n k e n nicht zutreffen" 42. A l s das deutsche B V f G i n seiner E n t s c h e i d u n g v o m 25. 2.1975 die F r i s t e n l ö s u n g f ü r die B R D als v e r f a s s u n g s w i d r i g e r k l ä r t e , versuchte, w i e schon b e m e r k t 4 3 , Christian Broda dies d a m i t z u e r k l ä r e n , „ d a ß das westdeutsche Grundgesetz andere V o r a u s s e t z u n g e n als die österr. V e r fassung b i e t e " 4 4 . D e m g e g e n ü b e r h a t jedoch Grimm
festgestellt:
„Der entgegengesetzte Ausgang der Verfassungsprozesse über die Fristenlösung i n Österreich und Deutschland hat seinen G r u n d letztlich nicht i n unterschiedlichen Verfassungslagen oder Gerichtskompetenzen, sondern i n entgegengesetzten Grundrechtstheorien, hinter denen wiederum divergente Auffassungen von F u n k t i o n und Methode richterlicher Rechtsanwendung stehen" 4 5 . 41 Erschienen i n : JB1 98 (1976) 505—512 und 574—584; hier abgedruckt m i t freundlicher Genehmigung des Springer-Verlages Wien. I m folgenden w e r den teilweise Ausführungen aus dem Reitrag f ü r die FS Eckert (oben I) i n Anmerkungen aufgenommen u n d einige Ergänzungen eingefügt. Die Z i t i e r weise ist an die Beiträge aus Werken des herausgebenden Verlages angepaßt. 42 VfSlg 7400, 238. Die schriftliche Ausfertigung des Erk. 11.10.1974, die Anfang Februar 1975 herauskam, ist nicht vollständig abgedruckt. Die i m folgenden zitierten Aussagen werden jeweils m i t der Z a h l des Erk. und m i t Beifügung der Seitenzahl des Bd. 39 (1975) der VfSlg bezeichnet. Der A n trag der Salzburger Landesregierung ist teilweise abgedruckt i n EuGRZ 1 (1974) 57 ff. U m i h n vollständig zu dokumentieren, ist er unten als Anhang A abgedruckt, als Anhang Β ist die „Äußerung" der Bundesregierung w i e dergegeben, soweit sie i n EuGRZ veröffentlicht wurde, u n d schließlich als Anhang C die Stellungnahme der Salzburger Landesregierung „zur Äußerung der Bundesregierung". Vgl. auch oben bei den A n m . 7 und 8 zu der Meinung, daß m i t dem Erk. die „Verfassungsmäßigkeit der sog. »Fristenlösung' . . . bestätigt worden" sei. 43 Oben bei A n m . 8. 44 So SN v o m 26. 2.1975, S. 2. 45 JB1 98 (1976) 74. Z u m allgemeinen Problem jetzt grundlegend Schambeck, Möglichkeiten u n d Grenzen der Verfassungsinterpretation i n Österreich, JB1 102 (1980) 225—236 m i t zahlreichen Hinweisen; auch H. Schäffer,
I I . Rechtserkenntnis und Rechtsprechung
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Nun hat noch Rosenzweig darzutun vesucht, daß die — von Grimm und anderen zurecht kritisierte 4 6 — Grundrechtstheorie des V f G H die i n Wahrheit allein zutreffende wäre. Bei richtiger Würdigung seiner Aufgabe als „Verfassungsgericht", das sich nicht gesetzgeberische Kompetenzen anmaßen dürfte, hätte daher auch das deutsche BVfG zum selben Ergebnis kommen müssen wie der V f G H 4 7 . Alle diese Ausführungen setzen voraus, daß zwischen Rechtserkenntnis und Rechtsprechung ein Zusammenhang besteht. I n unserem Falle hätte der V f G H i n seinem „Erkenntnis" darüber zu entscheiden gehabt, ob die angefochtene Bestimmung des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 m i t dem geltenden Verfassungsrecht i m Einklang oder nicht i m Einklang steht. Eine solche Entscheidung setzt aber offenbar die Erkenntnis des Inhalts der für sie maßgeblichen Normen voraus. Für die Beurteilung des Erk. des V f G H zur Fristenlösung ist nun zu beachten, daß die gerade i m Bereich des öffentlichen Rechts sehr maßgebliche Interpretationslehre der Reinen Rechtslehre die Beziehung zwischen Rechtserkenntnis und Rechtsprechung ganz anders sieht. Kelsen formuliert das hier maßgebliche Problem unter der kennzeichnend alternativen Fragestellung: „Die Interpretation als Erkenntnis- oder Willensakt", folgendermaßen: „Die der traditionellen Interpretationstheorie zugrunde liegende Vorstellung, daß die von der anzuwendenden Rechtenorm nicht geleistete Bestimmung des zu setzenden Rechtsaktes durch irgendeine Art Erkenntnis des schon vorhandenen Rechts gewonnen werden könne, ist eine widerspruchsvolle, weil gegen die Voraussetzungen der MöglichDie Interpretation, i n : Schambeck, Bundes-Verfassungsgesetz 57—81; ferner H.-U. Ever s y Zur Stellung der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit i m Gefüge der Staatsfunktionen, DVB1 1980, 779—787, u n d K . Korinek, Die V e r fassungsgerichtsbarkeit i m Gefüge der Staatsfunktionen, Veröff. der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer H. 39 (1981) 7—52, beide ebenfalls m i t zahlreichen Hinweisen. 46 JB1 98 (1976) 74 ff.; ferner P. Pernthaler f JB1 97 (1975) 316 ff.; Schambeck, Die Grundrechte i m demokratischen Verfassungsstaat, FS Messner 480 ff.; H. Spanner, Lebendiges Verfassungsrecht, JB1 99 (1977) insb. 21—24, u n d Die Bedeutung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für das Zivilrecht, JB1 100 (1978) 281 und 286—288; Groiss/Schantl/Welan, Der v e r fassungsrechtliche Schutz des menschlichen Lebens, ÖJZ 33 (1978) 1—14; K . Vogel (Gesamtredaktion), Grundrechtsverständnis u n d Normenkontrolle, Eine Vergleichung der Rechtslage i n Österreich und Deutschland, K o l l o q u i u m zum 70. Geburtstag von H. Spanner, Forschungen aus Staat u n d Recht 49 (1979), dort vor allem die Diskussionsbeiträge von Spanner 51 f., Adamovich 54 ff., Pernthaler 79 ff. u n d Korinek 87 ff.; ferner Evers (Anm. 45) 783. Z u rückhaltend fragend R. Novak , EuGRZ 2 (1975) 198 ff.; auch m i t weiterer Übersicht Reis, Juristenzeitung 36 (1981) 738. Z u m historischen H i n t e r g r u n d oben I. 47 Drei Verfassungsgerichte zur Fristenlösung, FS Broda insb. 244 ff. Rosenzweig spricht das nicht so offen aus, aber seine Darlegungen haben offensichtlich den Zweck, diesen Eindruck zu erwecken. Das w i r d auch durch seine Ausführungen 262 ff. verdeutlicht.
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I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
keit einer Interpretation verstoßende Selbsttäuschung. Die Frage, welche der i m Rahmen des anzuwendenden Rechts gegebenen Möglichkeiten die »richtige' ist, ist — voraussetzungsgemäß — überhaupt keine Frage der auf das positive Recht gerichteten Erkenntnis, ist kein rechtstheoretisches, sondern ein rechtspolitisches Problem" 4 8 . W i l l man die Frage beantworten, ob der V f G H wirklich die Verfassungsmäßigkeit der Fristenlösung bestätigt hat, ist i m Hinblick auf die Konsequenzen dieser Auffassung zunächst 1. eine kurze Auseinandersetzung m i t der Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre unerläßlich, 2. ist dann der Inhalt jener Normen zu prüfen, die für die Entscheidung des V f G H maßgeblich gewesen wären. A u f diesem Hintergrund soll 3. das Erk. des V f G H zur Fristenlösung selbst kritisch gewürdigt werden. Schließlich soll 4. versucht werden, die Fragen zu beantworten, ob die Fristenlösung wirklich verfassungsmäßig ist und welchem Grundrechtsverständnis, dem des deutschen B V f G oder dem des österreichischen VfGH, heute der Vorzug gebührt.
1. Zur Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre Eine eingehende Analyse der Interpretations- und der Lückentheorie der Reinen Rechtslehre ist i n diesem Rahmen weder möglich noch vorgesehen. Für das, worauf es hier ankommt, kann ich mich zudem auf bereits vorliegende Untersuchungen stützen. Es sollen hier nur die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeiten kurz zusammengefaßt werden. Zur eigentlichen Interpretationstheorie ist jedoch auch die Auffassung Kelsens zu beachten, daß die gelegentlich auch vom Gesetzgeber, wie etwa i m § 7 ABGB, angenommene Voraussetzung, nach welcher das Gesetz Lücken enthalten könne, i n Wahrheit „eine Fiktion" sei. Diese bestehe „darin, daß ein auf einem subjektiven, moralisch-politischen Werturteil beruhender Mangel einer bestimmten Rechtsnorm innerhalb einer Rechtsordnung als logische Unmöglichkeit ihrer Anwendung dargestellt w i r d " . Wollte ein Gesetzgeber diesen Sachverhalt „ i n einer theoretisch richtigen Weise, das heißt ohne jede Fiktion formulieren, müßte er bestimmen: wenn die Anwendung der geltenden Rechtsordnung nach den moralisch-politischen Anschauungen des Gerichts in dem ihm vorliegenden Fall unbefriedigend ist, kann das Gericht den Fall nach seinem Ermessen entscheiden" 4*. 48
Reine Rechtslehre 350 (Hervorh. von mir). Reine Rechtslehre 253 (Hervorh. von mir). Nach seiner Auffassung k a n n es keine Lücken geben, „da eine Rechtsordnung i m m e r anwendbar ist und auch angewendet w i r d , w e n n das Gericht die Klage aus dem Grunde abweisen muß, w e i l die Rechtsordnung keine generelle N o r m enthält, die dem Beklagten die von dem Kläger behauptete Pflicht auferlegt". Bydlinski, Ged49
1. Z u r Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre
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A u s d e n k r i t i s c h e n W ü r d i g u n g e n d e r I n t e r p r e t a t i o n s t h e o r i e der R e i n e n Rechtslehre ist zunächst die v o n Larenz hervorzuheben. E r r ä u m t zunächst ein, a n Kelsens A u f f a s s u n g sei r i c h t i g , „ d a ß das r i c h t e r l i c h e U r t e i l i m m e r auch e i n W i l l e n s a k t i s t " 5 0 . Dies w i r d g e w i ß n i e m a n d bestreiten. D i e F r a g e ist n u r , w i e w e i t g e h e n d dieser W i l l e n s a k t a u f e i n e r v o r a u s g e h e n d e n E r k e n n t n i s des vorgegebenen Rechts z u b e r u h e n h a t . F e r n e r i s t z u fragen, ob die Rechtswissenschaft b e i diesem E r k e n n t n i s v o r g a n g H i l f e l e i s t e n k a n n , i n d e m sie d e m R i c h t e r aufzeigt, w a s i n e i n e m b e s t i m m t e n F a l l e der R e c h t s o r d n u n g e n t s p r i c h t u n d w a s n i c h t . Z u Kelsens B e u r t e i l u n g dieser iSeite des P r o b l e m s sagt Larenz: „ W e n n aber Kelsen, u m jede A r t v o n W e r t u r t e i l e n v o n i h r f e r n z u h a l t e n , die Rechtswissenschaft f ü r u n f ä h i g e r k l ä r t , d u r c h , I n t e r p r e t a t i o n ' e i n e r N o r m ,richtige' U r t e i l e z u g e w i n n e n , d a n n , ,schüttet e r das K i n d m i t d e m B a d e aus' " . Kelsens A u f f a s s u n g „ b e s c h r ä n k t d i e A u f g a b e der j u r i stischen I n t e r p r e t a t i o n a u f d i e bloße W o r t a u s l e g u n g , das A u f z e i g e n der d e m W o r t s i n n nach m ö g l i c h e n B e d e u t u n g e n , u n t e r denen d e r A n w e n d e r der N o r m d a n n eine z u w ä h l e n h a t " . Larenz b e m e r k t sodann: „ E i n e solche B e s c h r ä n k u n g d e r A u s l e g u n g w i d e r s p r i c h t a l l e m w a s die Rechtswissenschaft a l l e n t h a l b e n u n d j e d e r z e i t t u t " 5 1 .
Gschn 105, hat bei seiner kritischen Auseinandersetzung m i t der Interpretations· u n d Lückentheorie der Reinen Rechtslehre unter anderem treffend bemerkt: „ V o n diesem Standpunkt aus lassen sich praktische Rechtsfragen durchaus beurteilen, freilich häufig m i t erschreckenden Ergebnissen. Er entspricht einem archaischen Zustand der Rechtswissenschaft". Das läßt sich auch rechtshistorisch einwandfrei belegen. Dieser Standpunkt liegt tatsächlich etwa dem „interpretativen Formalismus" der archaischen römischen Rechtswissenschaft zugrunde; vgl. n u r Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissenschaft (1961) 34 ff. Weder die Entwicklung der römischen noch die der modernen Rechtskultur wären m i t einem solchen methodischen Instrumentarium möglich gewesen. Gerade dessen U b e r w i n d u n g brachte den Fortschritt der Rechtswissenschaft. Allgemein zu den Problemen i n zwischen P. Schiffauer, Wortbedeutung u n d Rechtserkenntnis, entwickelt an Hand einer Studie zum Verhältnis von verfassungskonformer Auslegung und Analogie (1979); auch M.Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, e n t w i k kelt am Problem der Verfassungsinterpretation, B e r l i n (21976). 50 Methodenlehre 86 (Hervorh. von mir). 51 Methodenlehre 86. Larenz fügt dort hinzu: „ M a n k a n n sich schwerlich eine Jurisprudenz vorstellen, die ihre Aufgabe i n solcher Weise einengen ließe. Kelsens Interpretationslehre hat denn auch wenig Zustimmung gefunden". I m anschließenden K a p i t e l (89 ff.) behandelt Larenz „Die A b w e n dung v o m Positivismus i n der Rechtsphilosophie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts". Er k o m m t am Ende diese Kapitels (127) zu folgendem Ergebnis: „Nach alledem scheint eine Rückkehr zur . . . »normologisch 4 (formalpositivistisch) orientierten Methodenlehre als ausgeschlossen, solange nicht die wesentlichsten Erkenntnisse der neueren Rechtsphilosophie wieder preisgegeben werden". E r weist i n diesem Zusammenhang besonders auf die „ E i n f ü h r u n g i n die Rechtsphilosophie" von Henkel hin, deren 2. A u f lage 1977 erschienen ist (Rechtsphilosophie). Allgemein dazu auch Waldstein, FS Verdross (1980) insb. 310 ff.
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Für die hier interessierende Fragestellung hat jedoch vor allem Bydlinski die entscheidenden Konsequenzen der Interpretations- und Lückentheorie der Reinen Rechtslehre aufgezeigt 52 . Nach seiner logisch zwingenden Analyse, „kann die wissenschaftliche Auslegung i m Sinne der ,Reinen Rechtslehre 4 für jeden einzelnen Rechtssatz nur noch aussagen, daß entweder dieser oder statt dessen das gelte, was der subjektiv-politischen Anschauung des jeweiligen Richters entspreche". Das führt weiter mindestens „für den Geltungsbereich des § 7 A B G B und ähnlicher Vorschriften, also u.a. für die österreichische Privatrechtsordnung" zu dem Gesamtergebnis, „daß der Richter jeden Rechtsfall entweder nach seinen subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen entscheiden darf, oder nach dem Gesetz, wobei i h m die Wahl selbst freisteht. Daraus folgt zugleich, daß wissenschaftliche Aussagen über die objektive Geltung auch nur einer einzigen Rechtsnorm i n diesem Bereich nicht gemacht werden können" 5 3 . Die Weigerung des Rechtspositivismus, die umfassende gesetzliche Delegation etwa des § 7 ABGB zu beachten, führt Bydlinski m i t Recht darauf zurück, daß sich sonst „zu deutlich zeigen" würde, „wie ausgeschlossen und gleichzeitig wie gesetzwidrig es ist, allein das »positive Recht4 i m Verständnis der f e i nen Rechtslehre' zum Gegenstand der Rechtswissenschaft zu erklären" 5 4 . Er weist darauf hin, daß der Gesetzestext, „sobald man die Frage nach dem Sinn und Zweck der Norm abschneidet, nahezu beliebig manipulierbar i s t " 5 5 .
" GedGschn 101 ff. M GedGschn 110. Bydlinski geht 110 f. auch auf den Wandel der Auffassung Kelsens von der 1. zur 2. Auflage der Reinen Rechtslehre ein. Ringhofer, FS Kelsen (1971) 200 ff. bestreitet freüich einen solchen Wandel. Es ist hier nicht der Ort, auf dieses Problem einzugehen, doch ließe sich Bydlinskis Auffassung sehr w o h l ausführlicher begründen. Daß Ringhofer sie nicht verstehen kann, spricht nicht gegen sie. 54 GedGschn 112; vgl. dazu auch Mayer-Maly, Die natürlichen Rechtsgrundsätze als Teil des geltenden österreichischen Rechts (unten A n m . 95). 55 GedGschn 116. I m Zusammenhang lautet Bydlinskis Feststellung (115 f.): „Wer den Gesetzestext — der, sobald man die Frage nach dem Sinn und Zweck der N o r m abschneidet, nahezu beliebig manipulierbar ist —, den Ruf nach dem Gesetzgeber u n d die Gefühlsjurisprudenz häufig nicht einmal bewußt gemachter ,Billigkeitserwägungen' u n d sonst nichts kennt u n d z w i schen diesen Größen h i n u n d her pendelt — und dies ist leider häufig das praktische Resultat der Methodologie der »Reinen Rechtslehre' — betreibt nicht etwa »echte' Wissenschaft, sondern Jurisprudenz nach vorwissenschaftlicher A r t . " 105 kündigt er bereits an, es soll der Nachweis geführt w e r den, „daß man von diesem theoretischen Ausgangspunkt keine der Fragen beantworten kann, die stets an die Rechtswissenschaft gestellt w u r d e n — nicht einmal die längst beantworteten — " ; vgl. auch 103 f. N. Wimmer, M a t e r i a l s Verfassungsverständnis (1971) 12, A n m . 18, sagt ausdrücklich, daß das, was Bydlinski insb. 104 feststellt, „auch für die Verfassungsinterpretation" gilt.
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Abschließend stellt Bydlinski
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fest:
„Wer sich wissenschaftliche A r b e i t am Recht zum Ziel setzt, gleichgültig ob i n der Praxis oder i n der Theorie, den f ü h r t kein Weg an der »traditionellen Rechtswissenschaft 4 samt ihren Schwierigkeiten, Zweifeln u n d Problemen vorbei: Die Alternative ist, auf eine rationale Behandlung von Rechtsfragen ganz zu verzichten u n d einfach das »zuständige Organ' nach seinem Willensentschluß zu befragen" 5 6 .
Das bedeutet aber i m Ergebnis, daß „man bei der Unmöglichkeit endet, auch nur die Geltung einer einzigen objektiv, und das heißt doch wohl auch für das entscheidende Organ, verbindlichen Norm auszusagen" 57 . Bydlinski bemerkt daher treffend weiter: „Es beruht gewiß 56 GedGschn 116. Dieses Ergebnis kann Ringhof er, FS Kelsen 209 f., nicht m i t der Behauptung entkräften, „daß die Reine Rechtslehre i m m e r n u r Rechtsfragen rational behandelt, niemals etwas anderes getan und dabei Einsichten gewonnen hat, deren sich durchaus auch die t r a d i t i o n e l l e Rechtswissenschaft' bedient". Vgl. dagegen etwa n u r Larenz, Methodenlehre 74 ff., zur Interpretationstheorie Kelsens allgemein 84 ff. Niemand w i r d bestreiten, daß die Reine Rechtslehre nicht auch wichtige Einsichten gewonnen hat. Wenn man aber schon von „Einsichten" spricht und deren Möglichkeit nicht w i l l k ü r l i c h einschränken w i l l , dann k a n n man sich auch jenen Einsichten und Folgerungen nicht verschließen, die sich aus der Analyse gewisser Prämissen der Reinen Rechtslehre ergeben. Darüber hinaus stehen aber auch noch a l l jene Einsichten zur Verfügung, die i m Laufe des rechtswissenschaftlichen Bemühens von über 2000 Jahren gewonnen wurden. Z u r Einsicht und zu ihrer Bedeutung f ü r das Erkennen allgemein etwa Ch. Westermann, Argumentationen u n d Begründungen i n der E t h i k u n d Rechtslehre, B e r l i n 1977, insb. 22 ff. u n d 63 ff.; auch Mayer-Maly, Rechtswissenschaft (21981) 57 f.; J. Seifert, Erkenntnis objektiver Wahrheit, auf den dort A n m . 15 hingewiesen w i r d , inzwischen 2. Auflage (1976). Die Frage danach, welche Fortschritte etwa seit der römischen Rechtswissenschaft i n grundlegenden Fragen erzielt wurden, läßt sich auch nicht m i t dem bloßen Zeitablauf beantworten. Es k a n n f ü r denjenigen, der die Geschichte der Rechtswissenschaft — wie auch anderer Wissenschaften, vor allem der Philosophie — kennt, keinen Zweifel daran geben, daß die Preisgabe von bereits früher gewonnenen Einsichten nicht notwendig einen Fortschritt bedeuten muß, n u r w e i l sie später erfolgt. Ja, es k a n n keinen Zweifel daran geben, daß insbesondere der Positivismus, der seit dem vorigen Jahrhundert auf die Rechtswissenschaft einen beherrschenden Einfluß gewann, ganz gewiß nicht n u r Fortschritte gebracht hat. Er hat vielmehr die Rechtswissenschaft weit hinter das zurückgeführt, was bereits i n der römischen Rechtswissenschaft entwickelt war. Vgl. auch die unten i n A n m . 62 wiedergegebenen Bemerkungen von Larenz; dagegen F. Horak, Z u r rechtstheoretischen Problematik der juristischen Begründung von Entscheidungen, i n : Sprung/König (Hrsg.), Die Entscheidungsbegründung (1974) 1 ff. 57 GedGschn 115. A u f diesem Hintergrund stellt sich die von Klecatsky bereits 1965 pointiert gestellte Frage: „ H a t Österreich eine Verfassung", JB187 (1965) 1544 ff., i n einem noch weiteren und fundamentaleren Sinne. Vgl. auch Schambeck, Der Verfassungsbegriff und seine Entwicklung, FS Kelsen 211 ff.; L. Adamovich, Z u r Lage des österreichischen Bundesverfassungsrechts, JB1 97 (1975) 629 ff., und Klecatsky, Bundes-Verfassungsgesetz u n d Bundesverfassungsrecht, i n : Schambeck, Bundes Verfassungsgesetz 83—110, der dort 109 die Frage von 1965 so u m f o r m u l i e r t : „ W i r d Österreich eine Verfassung haben?" Vgl. dazu auch dort 110 die Hinweise auf neue Symptome der „ V e r fassungsdämmerung" .
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nicht auf ,Mißverständnissen', wenn die Jurisprudenz i m allgemeinen die Prämissen nicht akzeptiert, aus denen solche Ergebnisse folgen" 5 8 . Ringhof er hat sich m i t diesen Ausführungen Bydlinskis auseinandergesetzt und darzutun versucht, daß sie dennoch auf einem „Mißverständnis des K r i t i k e r s " 5 9 beruhen. Ja noch mehr, sie beruhten — darauf laufen Ringhofers Ausführungen hinaus — auf einem Mißverstehen des Wesens des Rechts und der Interpretation überhaupt. Eine zentrale Rolle spielt dabei die von Kelsen vorausgesetzte „Mehrdeutigkeit der Entscheidungsgrundlage", also der Norm. Nur ein für die Beurteilung der Ausführungen Bydlinskis besonders wichtiger Absatz soll hier kurz betrachtet werden. Bei der Analyse dessen, worum es bei der Interpretation geht, sagt Ringhof er i m Sinne Kelsens: „Daß die N o r m mehrere Deutungen ermöglicht, daß sie mehrere Möglichkeiten der Lösung des Rechtsfalles anbietet, heißt n u n aber gar nichts anderes, als daß alle diese mehreren Lösungen i n der N o r m enthalten, i h r gemäß u n d also rechtmäßig sind. Die Vorstellung, man könne durch Interpretation eine einzige, nämlich die schlechthin rechtmäßige Lösung finden, beruht daher auf einem Denkfehler, sie verkennt die primäre Voraussetzung jeglicher Interpretation, denn sie widerspricht der Annahme: daß die N o r m m e h r deutig ist, mehrere Lösungen erlaubt. Unter eben dieser Annahme k a n n jene von den mehreren möglichen, w e i l der N o r m entsprechenden und also rechtmäßigen Deutungen, die der Entscheidung des Rechtsfalles zugrunde gelegt werden soll, nicht erkannt, sondern n u r bestimmt werden. U n d das bedeutet nicht mehr Erkenntnis bereits vorgegebenen, sondern Setzung neuen Rechts; die Rechtsordnung w i r d dadurch komplettiert, es w i r d normiert, was i m Gesetz selbst noch nicht geregelt w a r : der konkrete Rechtsfall. Das aber, so meint die Reine Rechtslehre, fällt i n die Kompetenz des Richters u n d nicht i n jene der Wissenschaft, es ist Normschöpfung u n d somit mehr als wissenschaftlich geleistet werden k a n n " 6 0 .
Zunächst stellt sich die Frage, inwieferne „die Norm mehrere Deutungen ermöglicht". Ist es tatsächlich „die primäre Voraussetzung jeglicher Interpretation, . . . daß die Norm mehrdeutig ist, mehrere Lösungen erlaubt"? Gibt es tatsächlich keine eindeutigen Normen und wäre die Ermittlung des eindeutigen Sinnes einer Norm nicht auch Auslegung? 6 1 I n welchem Sinne ist etwa A r t . 5 StGG mehrdeutig? Wenn man von einer Mehrdeutigkeit ausgehen wollte, stellt sich sofort die weitere Frage, wie groß der Spielraum der „mehreren Lösungen" ist, die alle der Norm „gemäß und also rechtmäßig" sein sollen. Würde das i n Anwendung auf Art. 5 StGG etwa bedeuten können, daß eine „Ent58
GedGschn 115. FS Kelsen 200. 80 FS Kelsen 205. 61 Dazu Mayer-Maly, Auslegen und Verstehen, JB191 (1969) 415 ff., und K. Leiminger, Die Problematik der Reinen Rechtslehre (1967) 92 ff. 59
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eignung gegen den Willen des Eigentümers" auch i n anderen Fällen und auf andere A r t eintreten kann, als dies vom Gesetz vorgesehen ist? Oder kann etwa bei der für das Fristenlösungserkenntnis des V f G H maßgeblichen Frage nach dem Lebensrecht Ungeborener, ungeachtet des Ergebnisses, zu dem eine wissenschaftliche Bemühung u m den Inhalt der Normen bei Beachtung aller für die Interpretation maßgeblichen Kriterien gelangen könnte, die A n t w o r t i n gleicher Weise „rechtmäßig" ja und nein lauten? Kann also m i t anderen Worten die „Normschöpfung" des Gerichts, ohne den Rahmen der Normgemäßheit zu verlassen, sich immer ebensogut für einen zu gewährenden Rechtsschutz wie auch gegen ihn entscheiden? Was ist damit impliziert, wenn Ringhofer sagt, daß der „Entscheidung des Rechtsfalles" „nicht mehr Erkenntnis bereits vorgegebenen, sondern Setzung neuen Rechts" zugrunde liegt? Es ist doch ganz klar, daß die Ausführungen Ringhofers, wenn man sie i m ganzen betrachtet und ihre Konsequenzen durchdenkt, jene Bydlinskis nicht widerlegen, sondern i n Wahrheit bestätigen. Dies scheint Ringhof er jedoch selbst nicht zu bemerken. Dabei zeigt sich, daß die durch die Methodologie der Reinen Rechtslehre bedingte Verengung des Gesichtskreises 62 i h m offenbar den Zugang dazu überhaupt nicht gestattet, worum es Bydlinski geht. Das liegt außerhalb des Horizonts der Reinen Rechtslehre. Daher geht Ringhof er auch i n der Anmerkung zu dem oben wiedergegebenen Text ganz unbefangen davon aus, daß die positivrechtliche Verweisung etwa des § 7 ABGB auf natürliche Rechtsgrundsätze über „deren Existenz und Feststellbarkeit" 6 3 nichts besage. Das, was diese Delegation vermittle, sei „ein erkennbarer Geltungsgrund, nicht aber: ein erkennbarer Inhalt". Und er sagt dann weiter: „ A u c h nach dem Maßstab der positivrechtlich existenten ,Gerechtigkeitsnorm' k a n n daher eine Lösung des konkreten Falles nicht gefunden, n u r geschaffen werden. Wie sie i m einzelnen ausfällt, bestimmt sich also wieder n u r nach den »subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen' des Rechtserzeugungsorgans. M i t Recht sagt daher Kelsen, Reine Rechtslehre 2, S. 253: , T r i t t an Stelle der moralisch-politischen Anschauung des Gesetzgebers die des Richters, dankt der Gesetzgeber zugunsten des Richters ab' " e 4 . 62 Vgl. dazu vor allem Larenz, Methodenlehre 126, der dort nachweist, daß die von i h m dort „dargestellte rechtsphilosophische Bewegung" f ü r „die j u ristische Methodenlehre" den „bedeutenden Ertrag erbracht" hat, „daß der positivistische Wissenschaftsbegriii . . . für eine ganze Gruppe von Wissenschaften . . . nicht ausreicht. Der tiefere G r u n d dafür . . . ist darin zu sehen, daß auch der positivistische Wirklichkeitsbegriîî zu eng ist". Vgl. auch die wichtigen Aussagen über die Existenz des positiven Rechtes Methodenlehre 127, sowie die oben A n m . 10 wiedergegebene Feststellung; ferner P. Böhm, JB1 97 (1975) 4. Allgemein jetzt Ott, Rechtspositivismus, w e n n auch m i t teilweise unzureichenden M i t t e l n und unzutreffenden Verallgemeinerungen, als könnte i m Bereich der Rechtsphilosophie nichts Wahres erkannt und ausgesagt werden. 88 Bydlinski, GedGsch 112; dazu noch unten bei u n d i n A n m . 95.
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Nach dieser Auffassung wären es i n der Tat letztlich die „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen" des Gerichts, die entscheiden würden. Die Schlußfolgerung Bydlinskis ist daher nicht zu vermeiden, daß man damit „bei der Unmöglichkeit endet, auch nur die Geltung einer einzigen objektiv, und das heißt doch wohl auch für das entscheidende Organ, verbindlichen Norm auszusagen" 05 . Wenn die Rechtswissenschaft die Aufgabe hat, zu ermitteln, was der „vorgegebenen", das heißt der geltenden Rechtsordnung entspricht, dann darf sie gewiß Prämissen nicht akzeptieren, „aus denen solche Ergebnisse folgen" 6 6 . Inzwischen hat sich besonders Böhm m i t den Thesen Ringhofers auseinandergesetzt. Auch er kommt zu dem Ergebnis, daß Bydlinskis Folgerungen richtig sind 6 7 . Böhm weist vor allem m i t Recht darauf hin, daß die Behauptung Ringhofers, wonach „die der Entscheidung des Rechtsfalles zugrunde" zu legende Deutung einer Norm „nicht erkannt, sondern nur bestimmt werden" 6 8 könne, „auf einem verengten Verständnis des Begriffes ,Erkenntnis 4 beruht", „das für die Jurisprudenz als hermeneutisch verfahrende Geisteswissenschaft nicht zureicht" 6 9 . Rosenzweig hat nun in seinem Bestreben, das VfGH-Erk. zur Fristenlösung zu rechtfertigen, obwohl er i n dieser Sache ebenso entschieden hat wie Ringhof er, in der Begründung einen zu Ringhof ers Auffassung gerade entgegengesetzten Standpunkt bezogen. Der Gerichtshof habe sich an den Wortlaut der Verfassung zu halten und sei nicht befugt, „ i m Kleide von Rechtsentscheidungen an die Stelle einer vom Volk 84 FS Kelsen 205 A n m . 17 (der Text der A n m . ist auf S. 209 f.). Ringhof er geht, von seinen Voraussetzungen aus folgerichtig, m i t keinem Wort darauf ein, daß der diesen Aussagen zugrundeliegende Wertrelativismus seit der A n t i k e (vgl. etwa n u r Piatons Gorgias) mehrfach als unhaltbar erwiesen worden ist. Es wurde freilich auch der Relativismus i m m e r wieder so vertreten, als wäre er noch nie widerlegt worden. Vgl. besonders die hochaktuelle Auseinandersetzung Ciceros m i t dem Relativismus i m Bereich der Gerechtigkeitsproblematik leg. 1, 42 ff. I n leg. 1, 44 f. sagt er: „ W e n n das Gesetz Recht aus Unrecht machen könnte, könnte es dann nicht auch Gutes aus Schlechtem (Bösem) machen?" Der weitere Text ist unten bei Anm. 266 w i e dergegeben. Vgl. auch die Hinweise i n Anm. 95. 85 Oben bei A n m . 57. 88 Oben bei A n m . 58. 87 JB1 97 (1975) 1 ff., „ Z u r Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre i m Verständnis Ringhofers" 2 ff. 88 Oben bei A n m . 60. 89 JB1 97 (1975) 4. Böhm bemerkt dort weiter, daß dieses Verständnis des Begriffes „Erkenntnis" „ — seiner positivistischen H e r k u n f t ungeachtet — heute w o h l nicht einmal mehr i m Bereich der Naturwissenschaft vertretbar" ist. Vgl. dazu auch die oben A n m . 62 wiedergegebene Aussage von Larenz. Ferner Schäffer, Verfassungsinterpretation i n Österreich (1971), 10 ff., Wimmer (Anm. 55) 10 ff., allgemein bereits Leiminger (Anm. 61) u n d jetzt W. Schild, Die Reinen Rechtslehren (1975).
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oder der Volksvertretung getroffenen politischen Willensentscheidung eine i h m richtiger erscheinende politische Willensentscheidung zu setzen" 7 0 . Die ganze Argumentation geht aber ins Leere, wenn es nicht möglich ist, festzustellen, was nun wirklich der i m Gesetz ausgedrückten Willensentscheidung des Volkes oder der Volksvertretung entspricht. Wenn man aber diese Frage stellt, dann kann wieder das von Rosenzweig hervorgehobene „judicial self-restraint" 7 1 kein Ideal sein, wenn es um Gewährung oder Verweigerung von Rechtsschutz geht. Der Hinweis, der V f G H habe es „vermieden, Fragen der Rechtspolitik als Rechtsfragen zu behandeln" 7 2 , läßt vollkommen offen, was als Frage der Rechtspolitik und was als Rechtsfrage anzusehen sei. Aus dem Gesichtswinkel der Reinen Rechtslehre ist alles, was ihren Rahmen überschreitet, Rechtspolitik. Somit würden die Interpretationsmethoden, wie sie bereits von der klassischen römischen Rechtswissenschaft entwickelt wurden und seither zum Grundbestand einer jeden Rechtswissenschaft gehören, weitgehend der Rechtspolitik zuzuordnen sein. Es wäre dann wieder das Ergebnis nicht zu vermeiden, auf das Bydlinski hingewiesen hat, daß nämlich der Gesetzestext, „sobald man die Frage nach dem Sinn und Zweck der Norm abschneidet, nahezu beliebig manipulierbar ist"73. Es ließe sich nun an Hand zahlreicher Beispiele zeigen, daß die anzuwendenden Normen keineswegs so mehrdeutig sind, wie dies Ringhof er annimmt 7 4 . Freilich ist auch zuzugeben, daß der Norminhalt keineswegs immer eindeutig ist. Was immer nun der Fall sei, so hat doch die Rechtswissenschaft seit der Antike ihre Aufgabe darin gesehen, zu erkennen, was dem „bereits vorgegebenen" Recht, seinem Sinn und Zweck entspricht. Die Erkenntnis des objektiven Norminhaltes sollte dann auch den Richterspruch determinieren. Nur dann kann er „RechtSprechung" sein. Wo es an positivem Recht fehlte, hat sich die Rechtswissenschaft seit jeher darum bemüht, zu erkennen, was dann „ m i t Hinsicht auf die sorgfältig gesammelten und reiflich erwogenen Umstände . . . den natürlichen Rechtsgrundsätzen" gemäß ist, wie es das ABGB i m § 7 ausdrückt. Diese Erkenntnisse dienen dann auch dem Gericht als Entscheidungsgrundlage. Wie zahlreiche, rational erfaßbare und keineswegs auf die „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen" des entscheidenden Organs reduzierbare Kriterien hier i n Be70
FS Broda 265. FS Broda 264 f. 72 FS Broda 264. 73 Oben bei A n m . 55. 74 Dies w i r d auch aus den Ausführungen von Mayer-Maly, JB1 91 (1969) 415 ff., besonders deutlich, der davon ausgeht, daß auch eindeutige Normen „durch Interpretation zu verstehen" sind (416). Dies ließe sich leicht an H a n d zahlreicher Beispiele illustrieren. 71
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tracht kommen, hat bereits die römische Rechtswissenschaft i n überaus eindrucksvoller Weise klargemacht 7 5 . Eine „Normschöpfung" des Richters kann nach diesem Verständnis nur i m Sinne der Individualisierung von tatsächlich vorgegebenen Normen auf den konkreten Fall i n Betracht kommen. Andernfalls kann man der Konsequenz nicht entgehen, daß letztlich überhaupt nur die „subjektiven, moralisch-politischen A n schauungen" „des Richters" ausschlaggebend sind. Seit jeher wurde die Rechtsprechung als Ausfluß der Rechtserkenntnis angesehen. Bereits die römischen Juristen haben ihre Rechtsgutachten erteüt, u m dem entscheidenden Richter eine Entscheidungshilfe zu geben, u m i h m zu sagen, was i m gegebenen Fall Rechtens ist. Sie haben dabei ihre A u f gabe auch besonders darin gesehen, m i t dem Wortlaut einer Norm zwar vereinbare, dem Sinne der Norm aber widersprechende Lösungen als rechtswidrig aufzuzeigen und unter mehreren möglichen Auslegungen jene herauszuarbeiten, die nicht fehlerhaft ist 7 6 . A u f den Ergebnissen dieser Wissenschaft ist auch unsere Rechtskultur aufgebaut 77 .
2. Die für den Schutz des ungeborenen Lebens maßgeblichen Normen Die Rechtslage, die sich aus den für den Schutz des ungeborenen Lebens maßgeblichen Normen ergibt, ist bereits mehrfach und eingehend untersucht worden 7 8 . Auf alle diese Untersuchungen, einschließ75 Vgl. dazu etwa n u r Waldstein, A N R W I I 15 (1976) 3 ff. m i t weiterer L i t . Vgl. auch R. Walter, österr. Bundesverfassungsrecht (1972) 86 ff., über „ B e deutung u n d I n h a l t der Auslegungsregeln des A B G B f ü r die Interpretation des Verfassungsrechts"; ferner Mayer-Maly, JB1 91 (1969) 415: „In Wahrheit ist es stets geboten, alle Instrumente zu mobilisieren, die das Verstehen fördern können". Allgemein Schäffer (Anm. 69) 57 ff. u n d 188 ff., auch Wimmer (Anm. 515) 22 ff. A u f Einzelheiten ihrer Ausführungen k a n n hier nicht eingegangen werden. Sie machen aber i m ganzen deutlich, wie vielfältige K r i t e r i e n rationaler Interpretation i n Frage kommen und zu beachten sind. 76 Dazu oben A n m . 39. 77 Diese Feststellung k a n n hier natürlich nicht näher ausgeführt werden, sie dürfte aber auch von niemand, der die Entwicklung unserer Rechtskultur kennt, bestritten werden. 78 Besonders eingehend K. Marschall, JB1 94 (1972) 500 ff. und 555 f. (Zusammenfassung u n d Ausblick). Z u der bei Marschall angeg. L i t . vgl. noch das grundlegende Werk von Wolf/Naujoks, Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit des Menschen (1955). Jetzt Schambeck, FS Messner 480 ff. m i t v i e l L i t . ; ferner Lang-Hinrichsen, Z u r Frage der Verfassungsmäßigkeit der „Fristenlösung" beim Schwangerschaftsabbruch, FamRZ 21 (1974) 500 ff.; dazu die Gründe der Entscheidung des BVfG, N J W 28 (1975) 575 ff. = EuGRZ 1975, 140 ff.; Spaemann, ZRP 7 (1974) .52 f., auch dort 114 ff.: Haben Ungeborene ein Recht auf Leben? Replik auf Rüpke; E. Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, Festvortrag des 50. Deutschen Juristentages (1974) G 22 f.; auch Guardini, Das Recht des werdenden Menschenlebens (oben A n m . 24).
2. F ü r den Schutz ungeborenen Lebens maßgebliche Normen
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lieh der i m Antrag der Salzburger Landesregierung dargelegten Gesichtspunkte, kann ich mich hier bereits stützen. I n diesem Rahmen genügt es, die wesentlichen Gesichtspunkte nochmals zusammenzufassen und dort oder da zu ergänzen. Für die Beurteilung der Rechtslage hinsichtlich des Schutzes der ungeborenen Kinder ist zunächst § 22 ABGB maßgeblich, der lautet: „Selbst ungeborene K i n d e r haben von dem Zeitpunkte ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. Insoweit es u m ihre und nicht u m die Rechte eines D r i t t e n zu t u n ist, werden sie als Geborene angesehen; ein totgeborenes K i n d aber w i r d i n Rücksicht auf die i h m f ü r den Lebensfall vorbehaltenen Rechte so betrachtet, als wäre es nie empfangen worden".
Marschall hat sich bereits 1972 i n verdienstvoller Weise m i t den Folgerungen befaßt, die sich aus dieser Bestimmung i n Verbindung m i t anderen Bestimmungen des A B G B ergeben 79 . Er hat auch das einschlägige Schrifttum weitgehend berücksichtigt. Er kommt bei seiner sorgfältigen Analyse, die hier nicht i m einzelnen nachgezeichnet zu werden braucht, zu dem überzeugenden Ergebnis, daß die „Zuerkennung der Rechtspersönlichkeit an die Leibesfrucht i n Österreich i n i r gendeiner Form . . . als h. L. angesehen werden" kann 8 0 . Hervorzuheben ist, daß Wolff zu § 22 ABGB i m Hinblick auf dessen Wortlaut erklärt: „Der Schutz der Gesetze erschöpft sich daher nicht i n der Wahrung der Vermögensrechte der Leibesfrucht. Jede Verletzung oder die Vernichtung ihres Lebens ist rechtswidrig" 8 1 .
Die Salzburger Landesregierung hat i n ihrer Stellungnahme zur Äußerung der Bundesregierung 82 m i t Recht darauf hingewiesen, daß eine andere Auslegung zu „untragbaren Konsequenzen" führen würde und dies an Hand eines Beispieles erläutert, i n dem angenommen wird, daß ein „Ehemann ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung" während der ersten drei Schwangerschaftsmonate seiner Frau stirbt. Unstreitig wäre das K i n d i n dieser Zeit bereits erbrechtlich berechtigt und geschützt. Damit würde es auch den grundrechtlichen Schutz des Eigentums genießen. Die Annahme nun, daß das ungeborene K i n d zwar 79
Vgl. vorige A n m . JB1 94 (1972) 501. 81 I n K l a n g - K o m m e n t a r I 155. Demgegenüber behauptet die Bundesregierung i n ihrer Äußerung zum A n t r a g der Sbg. Landesregierung, EuGRZ 1 (1974) 64 (vgl. unten Anhang Β unter I V Β Abs. 2) ganz unbefangen, daß „ f ü r die Leibesfrucht offensichtlich (Hervorh. von mir) n u r das Recht auf Unverletztlichkeit des Eigentums und damit mehr oder weniger zusammenhängende Rechte i n Betracht kommen". Wenn etwas „offensichtlich" ist, dann ist es das Gegenteil von dem, was die Bundesregierung behauptet. Hier w i e fast überall offenbart sich die W i l l k ü r l i c h k e i t der Behauptung. 82 V o m 9. 9.1974, Text unten A n h a n g C. 80
II.
echtserkenntnis u n d Rechtsprechung
i n seinem Vermögensrecht geschützt, i n seinem Lebensrecht dagegen nicht geschützt ist, führt dazu, daß die Witwe sich der erbrechtlichen Beteiligung des Kindes innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate problemlos entledigen kann, indem sie dieses straflos töten läßt und damit den Nachlaß für sich allein hat 8 3 . Daß eine Rechtsordnung zwar Vermögensrechte einer Person schützen soll, die für ihre Geltendmachung vorausgesetzte Existenz hingegen nicht, wäre i n der Tat absurd. Eine Auslegung, die zu einem solchen Ergebnis führt, könnte vor keiner der seit jeher anerkannten Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft bestehen. Darüberhinaus zeigen die Bestimmungen des § 22 ABGB, besonders auch in Verbindung m i t § 274 ABGB, wonach für „Ungeborene . . . ein Sachwalter" bestellt wird, der „dafür zu sorgen" hat, „daß die Rechte des noch ungeborenen Kindes erhalten werden", eine völlige Kontinuität seit dem römischen Recht 84 . Wenn gemäß § 22 A B G B die ungeborenen Kinder, insoweit es u m ihre Rechte zu t u n ist, als Geborene angesehen werden, so kann nicht zweifelhaft sein, daß ihnen auch die Persönlichkeitsrechte gemäß §§ 16—21 zustehen 85 . Daher hat auch das ungeborene Kind, insoweit es als geboren angesehen wird, „angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als Person zu betrachten" (§ 16 ABGB). Der § 16 beginnt m i t den Worten „Jeder Mensch". Bei der Erörterung der Frage, was m i t dem „Recht jedes Menschen auf das Leben" gemäß A r t . 2 Abs. 1 M R K gemeint sei, geht die Bundesregierung i n ihrer Äußerung zum Antrag der Salzburger Landesregierung davon aus, daß i m § 22 A B G B das Wort „Mensch" nicht vorkomme 8 6 . Daraus w i r d abgeleitet, daß Regelungen, welche die Qualität „Mensch" voraussetzen, auf den Ungeborenen nicht anwendbar seien. Dies kann nur als klassisches Beispiel einer Argumentation in fraudem legis 87 angesehen werden. Man klammert sich an den Wortlaut, u m den Sinn umgehen zu können. Wenn das ungeborene Kind, soweit es um seine Rechte geht, als bereits geboren angesehen wird, so kann doch nicht bezweifelt werden, daß i h m insoweit auch die dem geborenen K i n d nicht abstreitbare Qualität Mensch zukommt, auch wenn der § 22 das Wort Mensch nicht verwendet 8 8 . 88 S. 10 der Stellungnahme v o m 9. 9.1974 (die ursprünglichen" Seitenzahlen sind i m Text i n K l a m m e r n beigefügt). 84 Dazu oben bei den A n m . 15 f. und 34 ff. Der § 274 A B G B hat sogar die „Neuordnung des Kindschaftsrechtes" von 1977 unverändert überstanden. 85 So auch Marschdll , JB1 94 (1972) 500 f. 88 EuGRZ 1 (1974) 67, Anhang Β unter V Β I I 1. 87 Vgl. Paul. D 1, 3, 29: Contra legem facit, qui id facit quod lex prohibet, in fraudem vero, qui salvis verbis legis sententiam eius circumvenit, d. h., unter Wahrung des Wortlautes w i r d der Sinn (die Absicht) des Gesetzes umgangen; dazu Käser, RPR 1250.
2. Für den Schutz ungeborenen Lebens maßgebliche
N o r m e n 3 9
Marschall geht nun davon aus, daß die i m ABGB verankerten Lebensrechte auf „einfachgesetzlicher Ebene" stehen 89 . Rein formell ist das sicher richtig. Diese Bestimmungen sind i m Art. 149 B V G nicht angeführt, der bestimmt, welche Gesetze als Verfassungsgesetze zu gelten haben. A u f der anderen Seite hat es den formellen Verfassungsbegriff i m heutigen Sinne zur Zeit der Entstehung des ABGB nicht gegeben. Damals repräsentierten diese Bestimmungen des A B G B zweifellos Grundrechte, die später nicht vollständig i n das StGG von 1867 aufgenommen wurden. Daher meint Ermacora sicher mit Recht, daß etwa dem § 16 ABGB „Grundrechtscharakter" zukommt, wie überhaupt „das ABGB i n seinen fundamentalen Bestimmungen den Charakter eines Grundrechtskataloges h a t " 9 0 . Für den § 365 weist Ermacora darauf hin, daß er nicht nur „bis zum Wirksamwerden des StGG quasi grundrechtlichen Charakter gehabt hatte", sondern auch „nach der herrschenden Lehre des Privatrechts i m Präpositiven seinen Grund h a t " 9 1 . Der § 16 verweist m i t den angeborenen Rechten ausdrücklich auf eine präpositive Ordnung. Damit knüpft er an die naturalia iura an, die bereits i m römischen Recht erkannt wurden 9 2 . Auch wenn es sich hier formell um einfaches Gesetz handelt, so ist dessen Inhalt doch solcher A r t , daß nicht einmal der Verfassungsgesetzgeber es wirksam außer K r a f t setzen könnte, weil es sich schlechterdings der Disposition des Gesetzgebers entzieht. Ein Gesetzgeber könnte nur die Durchsetzbarkeit dieses Rechtes für seinen Machtbereich ausschließen, wie dies vor allem unter dem Nationalsozialismus geschehen ist und heute besonders i n den kommunistischen Staaten geschieht. Es hat aber zu allen Zeiten das Bewußtsein geherrscht, daß kein Gesetzgeber diese Rechte als solche aufheben kann. Die Tatsache, daß es sich formell u m einfaches Gesetz handelt, besagt also nicht, daß dessen Inhalt dem einfachen Gesetz88 So i m wesentlichen auch Marschall, JB1 94 (1972) 500 ff.; seine berechtigten Einwände gegen Pisko (502) gelten auch gegen das, was Wolff, K l a n g Kommentar I 155 f., gegen das „ M e r k m a l »Mensch4 " vorbringt. Vgl. auch die eingehende Untersuchung von Reis, Die Rechtsprechung des US-Supreme Court zum Schwangerschaftsabbruch und die deutsche Rechtstradition, FS Geiger, 118 ff.; vgl. auch Guardini (Anm. 24) 12 ff. A u f die Ausführungen Rosenzweigs, FS Broda 233 ff. und 238 ff., k a n n hier nicht näher eingegangen werden. Sie verkennen den grundsätzlichen Unterschied zwischen einer Freigabe w i l l k ü r l i c h e r Tötung und allfälliger Straffreiheit bei Vorliegen von Indikationen. Ähnlich, w e n n auch m i t Einschränkungen, Broda, dazu unten A n m . 172 und 186. 89 JB1 94 (1972) 500. 90 Handbuch 39, vgl. auch 143. 91 Handbuch 143. 92 Vgl. Waldstein, A N R W I I 15 (1976) 78 ff.; dazu auch die Hinweise unten A n m . 95 u n d meinen Beitrag Naturrecht bei den klassischen römischen J u risten i n : Das Naturrechtsdenken heute u n d morgen, Gedächtnis-Symposium f ü r René Marcie, Oktober 1981 i n Salzburg, i m Druck, ersch. voraussichtl. 1982.
40
I I . Rechtserkenntnis und Rechtsprechung
geber zur Disposition steht. Damit handelt es sich hier aber materiell u m Grundrechte. Marschall weist denn auch m i t Recht auf die Feststellung Schrammeis hin, „daß eine . . . einfachgesetzliche Einschränkung der ,angeborenen Rechte' i m Sinne des § 16 ABGB die Privatrechtsordnung als solche i n Frage stellen k a n n " 9 3 . Es ergibt sich also, daß der i m § 22 A B G B für „ungeborene Kinder" vorgesehene „Anspruch auf den Schutz der Gesetze" zweifellos auch einen Anspruch auf Schutz des Lebens umfaßt. Obwohl er formell auf „einfachgesetzlicher Ebene" steht, hat er materiell grundrechtlichen Charakter. I m Hinblick auf seine Beziehung zu den angeborenen, das heißt von der staatlichen Gewährung unabhängigen und vorgegebenen Rechten, entzieht sich dieser Anspruch als solcher überhaupt einer gesetzgeberischen Einschränkung. Ein Gesetzgeber kann sich lediglich über ihn hinwegsetzen. Dann ist aber seine Setzung nicht i n Übereinstimmung m i t den natürlichen Rechten. Daß es solche natürliche Rechte tatsächlich gibt, ist, wie etwa i n den §§ 7, 16 und 17 ABGB, auch positivrechtlich anerkannt. Sogar Kelsen anerkennt, daß damit Normen, die nicht vom positiven Recht selbst ausgehen, „ . . . zu positiv-rechtlichen Normen umgestaltet" werden 9 4 . Bydlinski bemerkt nun treffend, daß die „gesetzliche Verweisung" auf solche Normen und die von Kelsen anerkannte Möglichkeit ihrer Einbeziehung i n das positive Recht „offenbar deren Existenz und Feststellbarkeit voraussetzt" 95 . I m übrigen kann 93
JB1 94 (1972) 501. Reine Rechtslehre 351. 95 GedGschn 112. Ringhof er, FS Kelsen 209 Anm. 17, versucht, w i e schon oben bei A n m . 64 dargelegt, diese Bedenken dadurch auszuräumen, daß er erklärt, was die Delegation den außerpositiven Normen vermittle, sei n u r „ e i n erkennbarer Geltungsgrund, nicht aber: ein erkennbarer Inhalt". Vgl. die weiteren Ausführungen Ringhof ers zu dieser Frage oben bei A n m . 64. I n diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung des österreichischen O G H v o m 7. Oktober 1974, SZ 47 (1974) 104, S. 460, besonders bemerkenswert, i n deren erstem Leitsatz festgestellt w i r d : „Das Gesetz anerkennt sittliche G r u n d sätze (»allgemeine Grundsätze der Gerechtigkeit': Abs. 1 KPzABGB), die so allgemein anerkannt sind, daß es zu ihrer A n w e n d u n g keiner besonderen Gesetzesbestimmungen bedarf; sie durchbrechen selbst die geschriebene N o r m " . I m zu entscheidenden F a l l ging es u m die Verjährungsbestimmungen. Die allgemeine Bedeutung dieser Aussage ist ohne Zweifel weitreichend. Der O G H hat diese Auffassung bereits 1975 durch zwei weitere Entscheidungen, SZ 48 (1975) 67, S. 333, u n d 79, S. 428, bekräftigt u n d i n der letztgenannten Entscheidung an der angegebenen Stelle von einer „ n u n bereits gefestigten Rechtsprechung des O G H aus der jüngeren Zeit" gesprochen, die den „natürlichen Rechtsgrundsatz" anerkennt, „daß niemand durch A r g l i s t Rechtsvorteile erlangen soll"; dazu Mayer-Maly, Die natürlichen Rechtsgrundsätze als T e i l des geltenden österreichischen Rechts, w i r d erscheinen i n : Naturrechtsdenken für heute und morgen (oben A n m . 92); auch Waldstein, i n : Objektivierung des Rechtsdenkens, Gedächtnisschrift für l i m a r Tammelo, i m Druck, ersch. voraussichtl. 1982. Bereits Cicero u n d viele andere haben k l a r die Konsequenz erkannt, die sich ergibt, wenn etwa der Maßstab der Gerechtigkeit nicht ein objektiver, von N a t u r gegebener ist: Dann gibt es schlechterdings keine Gerechtigkeit. Vgl. dazu Cie. leg. 1, 42, wo Cicero auch 94
2. Für den Schutz ungeborenen Lebens maßgebliche
N o r m e n 4 1
h i e r i n die D i s k u s s i o n u m e i n v o r p o s i t i v e s , n a t ü r l i c h e s Recht n i c h t i m e i n z e l n e n eingegangen w e r d e n . Es g e n ü g t die F e s t s t e l l u n g , daß f ü r d e n h i e r entscheidenden B e r e i c h das p o s i t i v e Recht selbst solche Rechte v o r a u s s e t z t 9 6 . W e n n d e r Gesetzgeber d a r a n geht, diese Rechte z u m i ß achten, m a c h t er sich z w a n g s l ä u f i g d a r a n , die R e c h t s o r d n u n g i n
die
O r d n u n g einer „großen Räuberbande" zu v e r w a n d e l n 9 7 . N u n e r h e b t sich die w e i t e r e Frage, ob d e m u n g e b o r e n e n K i n d auch e i n f o r m e l l verfassungsrechtlicher Schutz seines Lebens u n d seiner E x i s t e n z zusteht. Das S t G G v o n 1867 h a t e i n e n Schutz des L e b e n s n i c h t e i n m a l f ü r den bereits G e b o r e n e n a u s d r ü c k l i c h vorgesehen. Adamovich bem e r k t jedoch z u t r e f f e n d , „ d e r A r t . 8 S t G G , d e r die F r e i h e i t d e r Person g e w ä h r l e i s t e t , setzt aber das Recht a u f L e b e n als das w e i t e r g e h e n d e Recht o f f e n b a r s t i l l s c h w e i g e n d v o r a u s " 9 8 . D e r Schluß a m i n o r i a d m a i u s betont, daß dann, w e n n etwa die utilitas (Nützlichkeit) der Maßstab ist, an dem alles zu messen sei, jeder, der es für sich als nützlich betrachtet und dazu auch i n der Lage ist, die Gesetze mißachten u n d zunichte machen w i r d . Wenn die natürlichen Rechtsgrundsätze keinen erkennbaren I n h a l t haben, dann kann das Gesetz ihnen auch keinen Geltungsgrund verleihen. Wie soll etwas gelten können, das keinen erkennbaren I n h a l t hat? Das Gesetz hätte sich daher nach der Auffassung Ringhof er s offenbar nicht auf natürliche Rechtsgrundsätze beziehen dürfen — das wäre demnach ein I r r t u m des Gesetzgebers, der etwas Unmögliches angeordnet hätte —, sondern es hätte gleich sagen sollen: „so ist der Rechtsfall nach den subjektiven, moralischpolitischen Anschauungen des Gerichts zu entscheiden". Das hat aber nun freilich — und zum Glück — das Gesetz nicht gesagt. Es ist ganz klar, daß für die „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen", die letztlich an keine objektive N o r m gebunden sind, dasselbe gilt, was Cicero von der utilitas sagt. Vgl. auch die weiteren Belege A n m . 64, 97 u n d 266. 96 Z u r Frage nach Existenz und Erkennbarkeit außerpositiver Normen Waldstein, Dimensionen des Rechts, Gedächtnisschrift für René Marcie (1974) 389 ff., u n d A N R W I I 15 (1976) 4 ff., 25 ff. u n d 78 ff. m i t Lit., dazu auch der i n A n m . 92 genannte Beitrag. 97 M i t dem Problem setzt sich auch Kelsen, Reine Rechtslehre 46 und insb. 50 auseinander, wo er auch den berühmten Ausspruch von Aug. civ. 4, 4 anf ü h r t : Remota itaque iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia? Quia et latrocinia quid sunt nisi parva regna? Aus seiner Position zieht Kelsen aber die Konsequenz, daß „Gerechtigkeit kein das Recht von anderen Zwangsordnungen unterscheidendes M e r k m a l sein" könne. Gegen diese Auffassung ist inzwischen v i e l vorgebracht worden, vgl. etwa n u r E. Boderiheimer, Treatise on Justice (1967); Henkel, Rechtsphilosophie 301 ff.; auch Waldstein, A N R W I I 15 (1976) 89 ff. und FS Verdross (1980) 285 ff. Besonders k l a r ist das Problem auch bei Cie. leg. 1, 42 ff. behandelt. I n leg. 1, 43 sagt er i m Z u sammenhang m i t der Erörterung des Maßstabes der Gerechtigkeit treffend: „ W e n n das Recht (oder die Grundlagen des Rechts) durch Volksbeschlüsse, durch Dekrete der Fürsten oder durch Richterentscheidungen geschaffen würde, dann würde es Recht sein können, zu rauben, Ehebruch zu begehen und Testamente zu fälschen, w e n n dies n u r durch Gesetzesbeschlüsse der Völker gutgeheißen würde", dazu noch unten bei A n m . 339. Besonders a k tuell und lesenswert sind auch seine weiteren Ausführungen i n den folgenden §§44 ff. Vgl. auch A n m . 95; ferner Spaemann, ZRP (1974) 152 (unten bei A n m . 184), und Ott, Rechtspositivismus 31 f. Z u Fikentschers Auffassung von „unentziehbaren", „unabstimmbaren" und „unaufgebbaren" Rechten vgl. u n ten A n m . 328; allgemein dazu auch Waldstein, FS Verdross (1980) 285—320.
42
I I . Rechtserkenntnis und Rechtsprechung
f ü h r t b e i a l l e n a u s d r ü c k l i c h n o r m i e r t e n G r u n d r e c h t e n z u m selben E r g e b n i s " . So k a n n Pernthaler
m i t Recht feststellen:
„ I n Wahrheit ist der österr. Verfassungsgesetzgeber schon i m Jahre 1867 und daher auch 1945 und 1964 davon ausgegangen, daß der verfassungsrechtliche Schutz des Lebens als ursprünglichste Aufgabe der staatlichen Rechtsordnung überhaupt i n Österreich längst gewährleistet ist und allen speziellen G r u n d - und Freiheitsrechten des Menschen vorausliegt" 1 0 0 . D i e A n n a h m e , daß z w a r e t w a das E i g e n t u m g r u n d r e c h t l i c h geschützt sein sollte, n i c h t aber das L e b e n , welches ü b e r h a u p t erst dazu b e f ä h i g t , E i g e n t u m z u haben, w ä r e i n solchem M a ß e absurd, daß sie der österreichischen G r u n d r e c h t s o r d n u n g schlechterdings n i c h t u n t e r s t e l l t w e r d e n k a n n . W e n n aber d e m n a c h der Geborene e i n e n m i t e i n e m G r u n d r e c h t e k a t a l o g vorausgesetzten g r u n d r e c h t l i c h e n Schutz des L e b e n s genießt, so k a n n es n i c h t z w e i f e l h a f t sein, daß dieser Schutz d e m u n g e b o r e n e n K i n d e , i n s o w e i t es h i n s i c h t l i c h seiner Rechte als g e b o r e n angesehen w i r d , ebenfalls z u k o m m t 1 0 1 . D i e B e s t i m m u n g ü b e r d e n „ A n s p r u c h a u f d e n Schutz d e r Gesetze" i m § 22 A B G B schafft sogar eine noch e i n d e u t i g e r e Rechtslage als i n d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d , w o d i e herrschende L e h r e u n d das B V f G g l e i c h w o h l die F r a g e b e j a h t haben, daß der Grundrechtsschutz gemäß A r t . 2 I I Satz 1 G G sich auch a u f d e n nasciturus bezieht102. F ü r die B e u r t e i l u n g d e r R e c h t s s t e l l u n g u n g e b o r e n e r K i n d e r i s t noch die F r a g e v o n B e d e u t u n g , ob die G r u n d r e c h t e i m a l l g e m e i n e n u n d das G r u n d r e c h t a u f L e b e n i m besonderen d e n S t a a t n i c h t n u r d a r a n h i n 98 Verfassungsrecht 521 f.; dazu Marschall, JB1 92 (1974) 504, und Grimm, JB1 98 (1976) 74 f. 99 Es kann keine Rede davon sein, daß „die üblichen Interpretationsmittel", zu denen auch der Größenschluß gehört, „ v ö l l i g wertlos sind", w i e Kelsen, Reine Rechtslehre 350, behauptet. Vgl. dazu auch Bydlinski, GedGschn 107 A n m . 12, bezogen auf „Analogieschluß u n d argumentum e contrario". 100 JB1 97 (1975) 317. Die Salzburger Landesregierung ist daher i n ihrem A n t r a g m i t vollem Recht von dieser Rechtslage ausgegangen, vgl. unten A n h a n g A, S. 3 (die ursprüngliche Seitenzahl ist i m Text i n K l a m m e r n angegeben); dazu Grimm, JB1 98 (1976) 74 f., und Friesenhahn (oben Anm. 78) G 22, der, freilich i m Hinblick auf A r t . 2 Abs. 2 Satz 1 i n Verbindung m i t A r t . 1 Abs. 1 GG erklärt, daß „der Schutz des Lebens schlechthin zu einer Verpflichtung aller staatlichen Gewalt" w i r d . Dasselbe k a n n jedoch i m H i n blick auf die Grundrechte auch für Österreich gesagt werden, besonders w e n n man A r t . 2 M R K berücksichtigt. Allgemein W. Leisner, Das Lebensrecht, i n : Leisner/Goerlich, Das Recht auf Leben, Untersuchungen zu A r t . 2 Satz 2 GG für die Bundesrepublik Deutschland, Hannover (1976) 5 ff. Z u den Äußerungen des Vizepräsidenten des B V f G W. Zeidler i n seinem Festvortrag zur Eröffnung des 53. Deutschen Juristentages 1980 vgl. Reis, Juristenzeitung 36 (1981) 738. 101
Dazu insb. Marschall, JB1 94 (1972) 508 ff. m i t weiterer L i t . Ausführlich dazu Lang-Hinrichsen, FamRZ 21 (1974) 497 ff. m i t L i t . ; ferner die Gründe des BVfG, N J W 28 (1975) 574 ff.; jetzt insb. Schambeck, FS Messner 481 m i t L i t . i n A n m . 186; ferner Reis, FS Geiger 118 ff. 102
2. F ü r den Schutz ungeborenen Lebens maßgebliche Normen
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dern, selbst in diese Rechte einzugreifen, sondern ihn auch dazu verpflichten, den Einzelnen vor Eingriffen in diese Rechte durch seine Rechtsgenossen zu schützen. Diese Frage w i r d gewöhnlich als Problem der „ D r i t t w i r k u n g " der Grundrechte behandelt. Pernthaler hat jedoch bereits m i t Recht darauf hingewiesen, daß der Staat selbst bei der Erlassung von Gesetzen, also bei den als Gesetzgebung zu begreifenden „Akten der Staatsgewalt", an die Grundrechte gebunden ist. Die Prüfung von Gesetzen . . . am Grundrechtskatalog ist begrifflich kein Problem der ,Drittwirkung', sondern setzt eine inhaltliche Konkretisierung der in Betracht kommenden Grundrechtsansprüche auf den Tatbestand des zu prüfenden Gesetzes voraus" 1 0 3 . Daß der Staat nicht befugt ist, i n seiner Gesetzgebung die Materien des Z i v i l - und Strafrechts so zu regeln, als gäbe es die Grundrechte nicht, kann als h. L. angesehen werden 1 0 4 . I n einer grundlegenden Analyse zum Thema „Die Grund- und Menschenrechte i n Relation zur strafrichterlichen G e w a l t " 1 0 5 hat Nowakowski eingehend begründet, daß es „eine verfassungsrechtlich fundierte Strafpflicht des Staates i m Interesse verfassungsrechtlich gewährleisteter Grundwerte" gibt, „die — i n der Staatsrichtung gesehen — Grund- oder Menschenrechte s i n d " 1 0 6 . Schambeck weist unter Berufung auf Maunz/Dürig/Herzog i m Zusammenhang m i t dem Grundrecht des nasciturus auf Leben darauf hin, „daß dieses Grundrecht den Staat doppelt verpflichtet: ,Er muß sich eigener Eingriffe i n das ungeborene Leben enthalten (Achtungspflicht) und er muß Angriffe auf das ungeborene Leben, die von Privaten ausgehen, abwehren (Schutzpflicht)' " 1 0 7 . Es kann i n der Tat nicht zweifelhaft sein, daß der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Determination seiner Gesetzgebungsakte zu beachten und den Grundrechten Rechnung zu tragen hat. Die staatliche Ordnung würde i n ihren Grundlagen i n Frage gestellt, wollte man annehmen, es stehe dem Staat vom grundrechtlichen Standpunkt aus frei, den strafrechtlichen Schutz für die durch die Grundrechte geschützten 103 JB1 97 (1975) 316. Vgl. dazu auch die Gründe des BVfG, N J W 28 (1975) 578 = EuGRZ 2 (1975) 143: „Das Verfassungsgebot, das sich entwickelnde Leben zu schützen, richtet sich zwar i n erster L i n i e an den Gesetzgeber. Dem B V f G obliegt jedoch die Aufgabe, i n Ausübung der i h m v o m Grundgesetz zugewiesenen F u n k t i o n festzustellen, ob der Gesetzgeber dieses Gebot erf ü l l t hat." Dazu auch allgemein Fikentscher, Methoden I V 618: „Die Theorie von der (zumindest grundsätzlichen) Staatsgerichtetheit der Grundrechte ist aber i m gedanklichen w i e i m historischen Ansatz falsch." Dort weitere Begründung, deren Einzelheiten hier nicht zu diskutieren sind. Nichts von alledem findet sich i m Erk. des V f G H . Vgl. ferner unten A n m . 136 zu den Auslegungsregeln der Amerikanischen Menschenrechtskonvention. 104 L i t . bei Pernthaler, JB1 97 (1975) 317; ferner Novak , EuGRZ 2 (1975) 198; Grimm, JB1 98 (1976) 77 f. und Schambeck, FS Messner 481 ff. 105 ÖJZ 20 (1965) 281 ff., also zehn Jahre vor dem Erk. des V f G H . 100 ÖJZ 20 (1965) 282; vgl. auch die weiteren Ausführungen 282 ff. 107 p s Messner 481, weitere Hinweise dort.
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I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
Rechtsgüter aufzuheben. Nowakowski begründet diese Schutzpflicht des Staates besonders auch für den Art. 2 Abs. 1 MRK, wobei er darauf hinweist, daß „schon Art. 63 des Vertrages von St. Germain" Österreich verpflichtete, „allen Einwohnern ohne Unterschied der Geburt, der Staatsangehörigkeit, der Rasse oder der Religion ,vollen und ganzen Schutz von Leben und Freiheit zu gewähren' " 1 0 8 . Selbst wenn man das bejaht — und der österreichische Gesetzgeber hat ja auch das ungeborene K i n d an sich unter Straf schütz gestellt —, bleibt noch die Frage zu erörtern, ob dieser Schutz uneingeschränkt zu gelten hat, oder ob man eine schutzwürdige Phase menschlichen Lebens von einer noch nicht oder einer nicht mehr schutzwürdigen unterscheiden kann. Bei den ungeborenen Kindern geht es nur u m die Frage der allenfalls noch nicht gegebenen Schutzwürdigkeit, die dann ein Absehen vom Strafschutz rechtfertigen würde. Daß hinsichtlich der Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens eine solche Grenze nicht gezogen werden kann, ist bereits mehrfach und m i t überzeugenden Argumenten klargestellt worden 1 0 9 . Lang-Hinrichsen hat darüber hinaus nachgewiesen, daß die Dreimonatsfrist bei der Fristenlösung i n Wahrheit nicht durch eine Veränderung i m zu schützenden Rechtsgut „menschliches Leben" begründet ist. Sie beruht vielmehr „letztlich darauf, daß der Abbruch später gefährlicher ist als früher. Dies ist aber ein Moment, das nicht am Schutz des nasc., sondern allein an der Gesundheit der Mutter orientiert i s t " 1 1 0 . Es geht weiter darum, „der Frau eine volle Dispositionsfreiheit über das Leben des nasc. i n der ersten Zeit einzuräumen, also der Idee der insoweit schrankenlosen Autonomie der Frau 108 ÖJZ 20 (1965) 282. Dagegen hat die Bundesregierung i n ihrer Äußerung behauptet, auch „ A r t . 2 M R K verpflichtet die Staaten lediglich dazu, das Recht auf Leben gegenüber Eingriffen staatlicher Organe zu schützen", EuGRZ 1 (1974) 65; vgl. unten Anhang Β unter V B I . Damit w ü r d e auch die M R K keinen Schutz gegen Euthanasie bieten können; vgl. unten nach A n m . 132. io» v g l . v o r allem Lang-Hinrichsen, FamRZ 21 (1974) 506 ff. m i t L i t . ; Spaemann, ZRP 7 (1974) 50 f.; so auch die Gründe des BVfG, N J W 28 (1975) 675 f. = EuGRZ 2 (1975) 140. Vgl. auch E. Blechschmidt, Mensch von Anfang an, Medizin und Ideologie 114 ff.; dort 120 ff. auch G. H. Graber, Menschliches Seelenleben von der Zeugung an; ferner A. Faller, Der Beginn des menschlichen Lebens u n d seiner I n d i v i d u a l i t ä t , A r z t und Christ 27 (1981) 73 ff., sow i e die weiteren Beiträge dort 76—91 und 98—112, besonders jene von E. Coreth, dort 76—80, Schambeck, dort 98—103, und J. Lejeune, dort 104—112; dazu auch die Hinweise unten A n m . 143, 253 und 285. 110 FamRZ 21 (1974) 508. Lang-Hinrichsen sagt dort weiter: „ w ü r d e man diesen Gedanken auf den Schutz des nasc. beziehen, so käme man zu dem abwegigen Ergebnis, daß die Tötung i n den ersten Stadien zugelassen wird, w e i l sich i n dieser Zeit leichter töten läßt". Genau das ist aber der Tenor des Antrages des „Bundesfrauenkomitees" der SPÖ gewesen (oben A n m . 1, v g l auch unten nach A n m . 204). Es würde sich aber dann auch die noch w e i tere Konsequenz ergeben, daß man dazu kommen müßte, die Tötung des geborenen Kindes zuzulassen, w e i l dies noch leichter u n d f ü r die M u t t e r noch ungefährlicher wäre; dazu unten bei A n m . 146.
2. F ü r den Schutz ungeborenen Lebens maßgebliche
N o r m e n 4 5
Raum zu geben, . . L a n g - H i n r i c h s e n schließt diese Ausführungen m i t dem Satz: „Es ist aber verfassungswidrig, das Leben von der freien Entscheidung eines anderen abhängig zu machen" 1 1 1 . Dasselbe gilt ohne Zweifel auch für die österreichische Verfassungslage. Ja, man kann wohl ganz allgemein und unabhängig von einer konkreten Verfassungslage sagen, daß ein Staat, der es i n das freie Ermessen von Rechtsgenossen stellt, das Leben anderer zu vernichten, aufhört, Rechtsstaat zu sein 1 1 2 . Bereits i m Zusammenhang m i t der Diskussion um die Fas111 FamRZ 21 (1974) 508. Vgl. auch die von Lang-Hinrichsen dort 506 aus der Begründung des damals unter der F ü h r u n g des SPD-Ministers Jahn stehenden Bundesjustizminister!ums zum seinerzeitigen Regierungsentwurf wiedergegebenen Aussagen, die hier wiederholt zu werden verdienen: „Die m i t der Reform des § 218 verbundene Problematik ist besonders ernst, w e i l m i t jedem ßchwangerschaftsabbruch ungeborenes menschliches Leben getötet w i r d . Menschliches Leben ist auch vor der Geburt ein schutzwürdiges u n d schutzbedürftiges Rechtsgut. Es steht unter dem Schutz der Verfassung. Das Grundgesetz hat i n den A r t i k e l n 1 und 2 Abs. I I S. 1 eine Wertentscheidung für das Leben getroffen. Bei der Reform der Abtreibungsvorschriften handelt es sich demnach nicht u m die Beseitigung von Straftatbeständen, die kein sozialschädliches Verhalten zum Gegenstand haben. Vielmehr muß eine an der Grundrechtsordnung orientierte Strafrechtsreform die Vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch so ausgestalten, daß der Schutz des w e r denden Lebens nach Lage der Dinge am ehesten gewährleistet ist". Die w e i tere E r k l ä r u n g lautet: „Die Fristenlösung w ü r d e dazu führen, daß das allgemeine Bewußtsein von der Schutzwürdigkeit des ungeborenen Lebens w ä h rend der ersten drei Schwangerschaftsmonate schwindet. Sie würde der Ansicht Vorschub leisten, daß der Schwangerschaftsabbruch, jedenfalls i m F r ü h stadium der Schwangerschaft, ebenso dem freien Verfügungsrecht der Schwangeren unterliegt wie die Verhütung der Schwangerschaft. Eine solche Auffassung ist mit der Wertordnung der Verfassung unvereinbar" (Hervorh. von mir). Vgl. dazu auch W. Kägi, Das Recht auf Leben, die A b t r e i bung und die Verantwortung der medizinischen Berufe, Medizin und Ideologie bes. 172 ff. Demgegenüber zeigen die unfaßlich zynischen Äußerungen von F. Heer i n einem I n t e r v i e w f ü r die Arbeiter-Zeitung (AZ v o m 6. März 1973, S. 3) den ganzen A b g r u n d auf, der zwischen der v o m rechtsstaatlichen Ernst geprägten Position des Bundesjustizministeriums einerseits und den Befürwortern der Fristenlösung andererseits klafft. Heer sagt dort, es werde „ i n Österreich heute m i t Killerphrasen gearbeitet: Der ,Mord an unschuldigen Kindern 4 w i r d i n gräßlichen Plakaten so dargestellt, w i e wenn eben jetzt die österreichische Regierung die Abtreibung erfunden hätte". Heer scheint nicht zu bedenken, daß zwischen der bisher tatsächlich gegebenen Situation, i n der Abtreibungen vielfach vorkommen, u n d der Legalisierung der Tötung gewiß ein Unterschied besteht. Wenn heute jemand für eine A b änderung des § 75 StGB eintreten würde i n dem Sinne, daß Euthanasie — auch ohne Verlangen des Betroffenen — möglich wäre, könnte man ebensowenig sagen, er habe den M o r d erfunden, w o h l aber, daß er für die Legalisierung des Mordes eintritt. Deswegen hat auch Minister Broda i n der Diskussion des Volksbegehrens „ z u m Schutz des menschlichen Lebens" i m NR sich gegen die Feststellung des Abg. Dr. W. Hauser gewandt, daß die F r i stenlösung „ i m K l a r t e x t die Straf freigäbe der Tötung menschlichen Lebens i n den ersten drei Monaten der Schwangerschaft" bedeutet und sie als etwas anderes darzustellen versucht (dazu noch unten A n m . 186). Z u m Zusammenhang m i t weiteren Freigaben der Tötung menschlichen Lebens (Euthanasie) vgl. unten Anm. 114 sowie bei den A n m . 149—152 und 255; zu den Versuchen, die Tatsache zu verschleiern, daß es bei der Abtreibung i n der Tat u m die Tötung menschlichen Lebens geht, bes. auch unten bei A n m . 285.
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I I . Rechtserkenntnis und Rechtsprechung
s u n g des A r t . 2 G G w u r d e „ a u f d i e G r e u e l t a t e n des n a t i o n a l s o z i a l i s t i schen R e g i m e s "
h i n g e w i e s e n u n d eine Fassung vorgeschlagen,
„die
ä r z t l i c h e E i n g r i f f e v e r b i e t e t , die n i c h t der H e i l u n g d i e n e n " , w o b e i ausd r ü c k l i c h auch a n die A b t r e i b u n g gedacht w u r d e 1 1 3 . Was m a n f ü r die N S - Z e i t v e r u r t e i l t h a t , w i r d d a d u r c h n i c h t besser, daß es n u n v o n e i n e r demokratisch gewählten Mehrheit gebilligt w i r d 1 1 4 . Angesichts des b i s h e r e r h o b e n e n Befundes ist es f ü r die Rechtsstell u n g der u n g e b o r e n e n K i n d e r n i c h t m e h r entscheidend, ob A r t . 2 A b s . 1 M R K auch f ü r diese g i l t . D i e u m f a n g r e i c h e D i s k u s s i o n dieser F r a g e k a n n h i e r n i c h t v o r g e f ü h r t w e r d e n . I n d e r Sachfrage l i e g t das P r o b l e m ganz ä h n l i c h w i e b e i A r t . 2 A b s . 2 Satz 1 G G . D i e F r a g e w i r d i n der L i t . ü b e r w i e g e n d b e j a h t 1 1 5 . Gegen das s o r g f ä l t i g e r m i t t e l t e Ergebnis, zu 112 Pernthaler, JB1 97 (1975) 318, sagt daher sicher m i t Recht: „Eine völlige rechtliche Schutzlosstellung gerade der schutzbedürftigsten Form des menschlichen Lebens k a n n . . . der österr. Grundrechtsordnung nicht unterstellt werden". Z u m allgemeinen Problem vor allem Piffl-Perèevié, „Die Presse" v o m 12./13.1.1974, S. 5, auch schon SN 17.11.1973, S. 3, u n d Spaemann, ZRP 7 (1974) 52 f. 113 Vgl. Reis, FS Geiger 119 ff. Der G r u n d dafür, daß schließlich eine E r wähnung des keimenden Lebens unterblieb, lag nicht darin, daß man es nicht einbezogen wissen wollte, sondern vielmehr darin, daß nach der Meinung der Mehrheit „das keimende Leben i n das Recht auf Leben und körperliche Sicherheit einbezogen ist" (FS Geiger 120, auch 121; Hervorh. von mir). Diesen Umstand e r w ä h n t Rosenzweig, FS Broda 247, begreiflicherweise nicht, w e i l bereits dieser Umstand für siòh die Unrichtigkeit seiner Behauptungen deutlich werden läßt. 114 Übrigens w u r d e i n den Beratungen des Parlamentarischen Rates i m Ausschuß für Grundsatzfragen (Sitzung v o m 11.1.1949) auch der Zusammenhang m i t der Euthanasie gesehen, vgl. Reis, FS Geiger 119; ferner Spaemann, ZRP 7 (1974) 50: „Daß der Schritt zur Euthanasie von hier aus kein prinzipieller mehr ist, k a n n nicht bestritten werden. Die Analogie wurde zeitweise als demagogisch bezeichnet, aber nichts Sachliches gegen sie eingewendet." Z u der ganzen Problematik sehr aufschlußreich Gruchmann 235 ff. 115 L i t . bei Schambeck, FS Messner 481 A n m . 186. Vgl. aber auch H. Stolzlechner, Der Schutz des P r i v a t - und Familienlebens (Art. 8 M R K ) i m Licht der Rechtsprechung des V f G H und der Straßburger Instanzen, ÖJZ 35 (1980) 128, wo aus dem vorgeführten Material die Tendenz deutlich w i r d , das Problem i n die Privatsphäre zu verdrängen. Das w i r d auch aus den Sondervoten zum Bericht der Europäischen Kommission f ü r Menschenrechte v o m 12. J u l i 1977 deutlich, m i t dem eine Verletzung des A r t . 8 M R K durch das U r t e i l des B V f G verneint wurde, das die Fristenlösung i n der Bundesrepublik Deutschland für verfassungswidrig e r k l ä r t hatte. Demgemäß w u r d e auch die K o n ventionswidrigkeit der daraufhin i n der Bundesrepublik eingeführten I n d i kationenregelung verneint. Das Ministerkomitee hat i n der auf diesen Bericht gestützten Entschließung festgestellt, „daß nicht jede Regelung des A b bruchs unerwünschter Schwangerschaften einen E i n g r i f f i n das Recht der M u t t e r auf Achtung ihres Privatlebens darstelle, da A r t . 8 Abs. 1 nicht dahin ausgelegt werden könne, daß die Schwangerschaft u n d i h r Abbruch grundsätzlich n u r das Privatleben der M u t t e r beträfen" (EuGRZ 5, 1978, 186, vgl. dort 186 f. auch die A n m e r k u n g des Bearbeiters, T e x t des Berichtes dort 199 f.). Z u diesem Bericht der Kommission haben der Kommissionspräsident J. E. S. Fawcett und das Kommissionsmitglied T. Opsahl j e ein Sondervotum
2. F ü r den Schutz ungeborenen Lebens maßgebliche
N o r m e n 4 7
d e m Marschall g e l a n g t , „ d a ß sich der Schutz des A r t . 2 M R K i m m e r d a n n auch a u f die L e i b e s f r u c h t erstreckt, w e n n u n d i n s o w e i t dieser d u r c h die einfache Gesetzgebung Rechtspersönlichkeit ( T e i l r e c h t s p e r sönlichkeit) e i n g e r ä u m t w i r d " 1 1 6 , s i n d überzeugende A r g u m e n t e n i c h t v o r g e b r a c h t w o r d e n . M a n w i r d also f ü r Ö s t e r r e i c h angesichts d e r o h n e dies bereits e i n s c h r ä n k e n d e n A u s l e g u n g , die Marschall vornimmt, im H i n b l i c k a u f § 22 A B G B die F r a g e j e d e n f a l l s b e j a h e n d ü r f e n , daß A r t . 2 A b s . 1 M R K auch f ü r „ u n g e b o r e n e K i n d e r " g i l t , s o w e i t „sie als Geborene angesehen" w e r d e n u n d i h n e n e i n „ A n s p r u c h a u f d e n Schutz der Gesetze" z u e r k a n n t w i r d . E i n e gesetzliche Regelung, d i e i h n e n diesen A n s p r u c h a u f d e n Schutz d e r Gesetze auch n u r f ü r e i n e n b e s t i m m t e n Z e i t r a u m e n t z i e h t u n d sie d e r w i l l k ü r l i c h e n T ö t u n g d u r c h die „Rechtsgenossen" p r e i s g i b t , ist ohne Z w e i f e l auch i n Ö s t e r r e i c h verfassungswidrig117. abgegeben, dem letzteren haben sich noch zwei weitere Kommissionsmitglieder angeschlossen. Vor allem das Sondervotum des Präsidenten Fawcett läuft darauf hinaus, daß die Entscheidung über die A b t r e i b u n g eine allein nach A r t . 8 M R K zu beurteilende Angelegenheit des „Privatlebens" der M u t t e r sei, w o m i t jede rechtliche Einschränkung konventionswidrig wäre. Z u r Frage der Anwendbarkeit des A r t . 2 M R K auf das Recht des Ungeborenen bemerkt er: „Ich k a n n nur sagen, daß ich einem ungeborenen K i n d , das noch nicht allein lebensfähig ist, keine Rechte u n d Freiheiten nach der K o n vention zuerkennen k a n n " (EuGRZ 5, 1978, 201 f.). Vgl. dazu auch Reis, Die Europäische Kommission für Menschenrechte zur rechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs, Juristenzeitung 36 (1981) 738 ff.; ferner unten Anm. 134 zur Amerikanischen Menschenrechtskonvention, deren A r t . 4 den Schutz des menschlichen Lebens ausdrücklich „ i m allgemeinen vom Augenblick der Empfängnis an" gelten läßt (EuGRZ 7, 1980, 435). 116 JB1 94 (1972) 508; Schambeck, Die Furche v o m 7.4.1973, S. 1, t r i t t dieser Auffassung bei. Ermacora, Handbuch 207, bemerkt, die Bestimmungen der M R K „stellen prinzipiell das Leben unter Schutz (Art. 2 Konv.)". Weitere L i t . bei Marschall, JB1 94 (1972) '508 ff. 117 Vgl. zu der i n der vorigen A n m . angeg. L i t . besonders Pernthaler, JB197 (1975) 318 (Text A n m . 112); auch Schambeck, Die Verfassungswidrigkeit der Fristenlösung steht außer Frage, i n : „Die W e l t " vom 1.2.1975, S. V, und: Keine Ermächtigung des Arztes zur Abtreibung, SN 9. 3.1974, S. 4. Nach der Genfer Deklaration (1948) hat der A r z t unter anderem zu geloben: „ . . . , ich werde die höchste Achtung vor dem menschlichen Leben bewahren, von Beginn der Empfängnis an; auch unter Drohungen werde ich meine medizinischen Kenntnisse nicht i m Gegensatz zu den Gesetzen der Menschlichkeit anwenden" (abgedruckt i n : Ärztegesetz i m Anhang 9 zu §7, 216 f.). Ohne Zweifel konnte nicht durch eine einfachgesetzliche Maßnahme der i n t e r nationale Kodex über „Medizinische E t h i k " , zu dem auch die Genfer Deklaration gehört, außer K r a f t gesetzt werden. Es k a n n daher n u r als A k t der Mißachtung dieser ärztlichen E t h i k angesehen werden, wenn Bundeskanzler B. Kreisky i n einem Schreiben v o m 28. 6.1974 an den Präsidenten der ö s t e r reichischen Ärztekammer das Festhalten an der durch internationale Beschlüsse normierten „Medizinischen E t h i k " für „gesetzwidrig" erklärt und verlangt, daß die „Entscheidung des Gesetzgebers . . . respektiert" werde. Hier w i r d einmal mehr deutlich, welche Folgen es hat, wenn man den Boden rechtsstaatlicher L e g i t i m i t ä t verläßt (dazu auch unten bei den A n m . 184 und 319 sowie allgemein unten V.: Die Verantwortung des Politikers und die Grenzen staatlicher Legitimität. Noch alle Tyrannen haben verlangt, daß
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I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
3. Das Erkenntnis des VfGH zur Fristenlösung Auf dem Hintergrund dieser Rechtslage ist nun das Erk. des V f G H zur Fristenlösung kritisch zu würdigen. Zunächst ist festzustellen, daß der Spruch des V f G H nichts anderes als die Abweisung des Antrages der Salzburger Landesregierung enthält. Er hat folgenden Wortlaut: „Dem Antrag der Salzburger Landesregierung, § 97 Abs. 1 Ζ. 1 des Bundesgesetzes vom 23.1.1974, BGBl Nr. 60, über die m i t gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch — StGB) wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben, w i r d keine Folge gegeben" 118 . Lediglich diesem Spruch kommt Rechtskraft z u 1 1 9 . Der Grund für das abweisende Erkenntnis liegt freilich i n der Auffassung des V f G H — d. h. der Mehrheit seiner Mitglieder —, daß „die von der Salzburger Landesregierung gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB dargelegten Bedenken nicht zutreffen" 1 2 0 . Nun erhebt sich die Frage, ob diese Auffassung des V f G H tatsächlich m i t dem geltenden Verfassungsrecht i m Einklang steht. Wenn die Mehrdeutigkeit der Normen wirklich, wie Ringhofer und die Reine Rechtslehre annehmen, dazu führt, daß es nicht „eine einzige, nämlich die schlechthin rechtmäßige Lösung" gibt und ein offenbar unbestimmter Spielraum der Mehrdeutigkeit wohl stets die Entscheidung für oder gegen einen Rechtsschutz ebenso „rechtmäßig" erscheinen l ä ß t 1 2 1 , dann erübrigt sich auch die Frage danach, ob ein Erkenntnis der Verfassung entspricht oder nicht. Das „Erkenntnis" ist ja dann i n Wahrheit nicht auf Erkenntnis des Rechts, sondern auf Bestimmung dessen gerichtet, was der V f G H für Recht hält. Bei seiner „Normschöpfung" geben letztlich die „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen" des Gerichts den Ausschlag 122 . Wenn es also keine Kriterien dafür gibt zu erkennen, welche Auslegung dem Sinn der Norm, dem Zweck der Rechtsordnung überhaupt und nach allen Auslegungsregeln dem objektiven Norminhalt eher entspricht als eine andere, wenn alle Auslegungen gleich „rechtmäßig" sind, dann gibt es i n der Tat keinen objektiven Norminhalt. Dann gibt es für die Entscheidung des V f G H nur die eine Ausman ihre Gesetze respektiert. Eine Besprechung des Erk. V f G H 16.12.1975, m i t welchem die Bestimmungen des § 6 Abs. 3 und des letzten Satzes i m §59a KrankenanstaltenG 1957 i n der Fassung von 1974 „nicht als verfassungswidrig aufgehoben" werden, ist i n diesem Rahmen nicht möglich. 118 VfSlg 7400, 221. 119 Z u r Rechtskraft der Erk. des V f G H vgl. VfSlg 5872, dazu Klecatsky, Bundesverfassungsrecht 477 (unter Z. 56). Demnach könnten Bedenken, die von der Salzburger Landesregierung noch nicht geltend gemacht wurden, zu einer neuerlichen Anfechtung des Gesetzes führen. 120 VfSlg 7400, 238. 121 Vgl. oben bei Anm. 60. 122 Z u alledem oben bei A n m . 60 ff.
3. Das Erkenntnis des V f G H zur Fristenlösung
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kunft, daß dieses Gericht eben durch die Verfassung zur Entscheidung solcher Fragen berufen ist. Darin allein könnte dann eine allfällige Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung gegründet sein. Daraus ergäbe sich schließlich, daß unsere Verfassung i n Wahrheit aus Willensentscheidungen des V f G H bestünde. Nun hat aber der V f G H i n seiner Begründung, so dürftig sie auch sein mag, dennoch offensichtlich nicht sagen wollen, er habe zwischen verschiedenen, ebenso möglichen und ebenso „rechtmäßigen" Auslegungen gewählt, oder gar nach den „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen" der Mehrheit seiner Mitglieder entschieden. Sonst hätte er ja nicht sagen können, die Bedenken der Salzburger Landesregierung „gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB" träfen nicht zu. Der V f G H hätte dann nur sagen können, er trete der Rechtsauffassung der Salzburger Landesregierung nicht bei, weil er eine andere teile. Durch eine detaillierte Analyse ließe sich zeigen, daß der V f G H tatsächlich die Interpretationslehre der Reinen Rechtslehre weitgehend seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, aber nur soweit es ihm zweckmäßig erschien. Nach außen hat er jedoch offensichtlich den Eindruck erwecken wollen, daß seine Interpretation der einschlägigen Normen „die schlechthin rechtmäßige" sei und allein m i t unserer Verfassung i n Einklang stünde. Daher sind nun seine Entscheidungsgründe i m einzelnen daraufhin zu überprüfen, ob sie diesem Anspruch auch w i r k l i c h genügen. Das aber kann sehr w o h l nach den anerkannten Methoden der Rechtswissenschaft „erkannt" werden 1 2 3 . Eine auf alle Einzelheiten eingehende Würdigung der Entscheidung würde ein Buch ergeben. Es können hier nur einige Grundthesen des V f G H etwas näher geprüft werden, die gleichzeitig die rechtlichen Prämissen der Entscheidung darstellen. Es sei vorweg bemerkt, daß diese Grundthesen allesamt i m wesentlichen der von der Bundesregierung i n ihrer Äußerung zum Antrag der Salzburger Landesregierung vertretenen Auffassung entsprechen 124 . Die erste Grundthese lautet, „daß der Grundrechtskatalog des Staatsgrundgesetzes . . . — aus der Entstehungszeit erklärlich — von der klassischen liberalen Vorstellung getragen ist, dem Einzelnen Schutz gegen123 Dazu oben bei A n m . 60. Es ist freilich i m m e r unbestritten gewesen, daß durch die Mehrdeutigkeit ein Entscheidungsspielraum bleiben kann. Er ist aber erstens nie so groß, daß die Entscheidung beliebig ausfallen könnte, und er läßt sich darüber hinaus durch sehr zahlreiche Methoden sinnvoll so begrenzen, daß i n jedem Falle eine m i t dem Sinn der Rechtsordnung u n d m i t den natürlichen Rechtsgrundsätzen i m Einklang stehende Entscheidung möglich ist, die, w i e Cels. D l , 3, 19 es ausdrückt, vitio caret , d. h. nicht fehlerhaft ist; dazu auch Lang-Hinrichsen oben A n m . 110. 124 T e x t der Äußerung abgedruckt i n EuGRZ 1 (1974) 63 ff. u n d unten A n hang B.
4 Waldstein
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I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
über Akten der Staatsgewalt zu gewähren" 1 2 5 . Pernthaler hat bereits darauf hingewiesen, daß der V f G H diese pauschale Behauptung „vergeblich aus der österr. Literatur zu begründen versucht" 1 2 6 . Insbesondere die bereits oben 1 2 7 erwähnte, eingehend begründete und für die Entscheidung gerade dieser Frage maßgebliche Untersuchung von Nowakowski und andere der Auffassung des V f G H entgegenstehende Darlegungen „werden überhaupt nicht e r w ä h n t " 1 2 8 , offenbar, w e i l sie den „moralisch-politischen Anschauungen" der Mehrheit des V f G H nicht entsprechen. Ungeachtet aller entgegenstehenden Bedenken faßt der V f G H seine Anschauung zu diesem Problem i n folgende Sätze zusammen: „ I m Hinblick auf den I n h a l t des von der Salzburger Landesregierung als verfassungswidrig angefochtenen § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB k a n n es dahin gestellt bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Bestand eines nicht ausdrücklich normierten G r u n d - u n d Freiheitsrechtes auf Leben i m Wege der Auslegung aus i m S t G G ausdrücklich normierten Rechten abgeleitet werden kann. E i n solches Recht auf Leben könnte nach der dem System des StGG entsprechenden Schutzrichtung der d a r i n enthaltenen Rechte n u r den I n h a l t haben, den Einzelnen vor einem E i n g r i f f i n sein Leben seitens des Staates zu schützen. Bei den Bestimmungen der §§ 96 und 97 StGB geht es jedoch nicht u m einen staatlichen Eingriff i n das Leben, sondern darum, daß ein nach § 96 strafbarer Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 97 nicht strafbar i s t . . ." 1 2 9 . „ I s t aber dem ,nicht auf völkerrechtliche Verträge gegründetem Verfassungsrecht 4 ein Recht auf L e ben, das gegen Eingriffe v o n nichtstaatlicher Seite schützt, fremd, dann erübrigt es sich, auf die Ausführungen der Salzburger Landesregierung einzugehen, ob ein solches Recht auch dem Ungeborenen zusteht. Denn da das Recht nicht besteht, geht die Frage nach dem Berechtigten ins Leere" 1 3 0 .
Der V f G H hält es also für die gegenständliche Entscheidung für irrelevant, ob man aus dem Grundrechtskatalog ein Recht auf Leben erschließen kann. I m Hinblick auf die dem StGG entsprechende „Schutzrichtung" könnte auch ein solches Recht nur „den Einzelnen vor Eingriffen i n sein Leben seitens des Staates schützen". Nun erhebt sich doch w o h l die naheliegende Frage, ob es nicht ein Eingriff des Staates i n das Leben des Einzelnen ist, wenn er durch einen A k t der Staatsgewalt, hier durch einen A k t der Gesetzgebung, den Einzelnen i n seinem Lebensrecht schutzlos stellt, das heißt, i h n der willkürlichen Tötung durch „Rechtsgenossen" preisgibt. Ist der einfache Gesetzgeber zu einer inhaltlichen „Konkretisierung der in Betracht kommenden Grundrechts125 120 127 128 129 130
VfSlg 7400, 224. JB1 97 (1975) 317. Bei A n m . 105 f. Pernthaler, JB1 97 (1975) 317. VfSlg 7400, 224 f. VfSlg 7400, 225.
3. Das Erkenntnis des V f G H zur Fristenlösung
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ansprüche" 1 3 1 nach der Auffassung des V f G H nicht verpflichtet? Besteht also „eine verfassungsrechtlich fundierte Strafpflicht des Staates i m Interesse verfassungsrechtlich gewährleisteter Grundwerte", die Nowakowski eingehend begründet h a t 1 3 2 , i n Wahrheit nicht? Die Bejahung dieser Frage führt zu der Konsequenz, daß die gesamte Strafrechtsordnung — soweit es nicht um Amtsvergehen geht — beseitigt werden könnte, ohne daß nach der Auffassung des V f G H dadurch Grundrechte tangiert würden. Daß damit jedes Grundrecht auf dem Wege der einfachen Gesetzgebung gegenstandslos gemacht werden kann, braucht wohl nicht näher begründet zu werden. Wenn etwa der Staat durch einen A k t der Gesetzgebung den strafrechtlichen Schutz für das Eigentum entzöge und es damit dem freien Zugriff der „Rechtsgenossen" aussetzte, müßte nach der „Schutzrichtung" des Grundrechtes ebenfalls argumentiert werden können, daß ein grundrechtswidriger Eingriff des Staates nicht vorliegt, solange er sich nur eigener, direkter Eingriffe durch seine Organe enthält, wobei der V f G H hier sogar noch den Gesetzesvorbehalt des A r t . 5 StGG zur formellen Begründung seiner Auffassung anführen könnte. Nach dem Argumentationsstil der Entscheidungsgründe i m vorliegenden Falle müßte man das durchaus für möglich halten. Ganz klar ist es, daß auf der Grundlage dieser These des V f G H gegen ein Gesetz, welches die Tötung „lebensunwerten Lebens", etwa alter und kranker Menschen, oder von Krüppeln oder nach sonstigen Merkmalen festgelegten Menschengruppen, durch Ärzte, Angehörige oder sonst am Tod anderer Menschen interessierter „Rechtsgenossen" freigäbe, verfassungsrechtliche Bedenken nicht erhoben werden könnten. Vorsorglich hat der VfGH, wie sich zeigen wird, auch aus dem Gleichheitssatz ableitbare Bedenken gegen solche Vorgänge gleich als nicht zutreffend erklärt. Derartige Konsequenzen, die sich aus den Entscheidungsgründen des V f G H zwingend ergeben, machen aber wohl zugleich für jedermann einsichtig, daß die Prämissen, von denen der V f G H ausgeht, nicht nur unserer geltenden Verfassungslage nicht entsprechen können, sondern vor allem m i t den Grundwerten unserer Verfassung und m i t dem Sinn einer rechtsstaatlichen Ordnung schlechthin unvereinbar sind. Es braucht nur ein Parteitag zu beschließen, daß die Kosten für die Erhaltung „lebensunwerten Lebens" das Wohlergehen der arbeitenden und genußfähigen Bürger i n einem zu hohen Maße belasten, und schon kann das Parlament, wenn die betreffende Partei die einfache Mehrheit hat, den Weg zur Beseitigung dieses Kostenfaktors ebnen, wie es jetzt den Weg zur Beseitigung unerwünschter „Soziallasten" durch die Schutzlosstellung menschlichen Lebens geebnet hat. 131 132
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Pernthaler, JB1 97 (1975) 316. Bei Anm. 105 f.
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I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung D i e z w e i t e These, d i e h i e r z u b e t r a c h t e n ist, g e h t d a v o n aus, „ d a ß
sich A r t . 2 M R K n i c h t a u f das k e i m e n d e L e b e n e r s t r e c k t " 1 3 3 . D i e F r a g e ist i n d e r L i t . tatsächlich u m s t r i t t e n , doch g i b t es g e n ü g e n d e r n s t z u n e h m e n d e S t i m m e n , w e l c h e die F r a g e d a h i n b e a n t w o r t e n ,
daß
der
Schutz des A r t . 2 A b s . 1 M R K sich sehr w o h l auch a u f das k e i m e n d e Leben erstreckt 134. Der V f G H meint nun, die von i h m gewählte Ausl e g u n g des A r t . 2 M R K ergäbe sich aus e i n e r „ B e t r a c h t u n g des gesamt e n T e x t e s des A r t . 2 " 1 3 5 . I n W a h r h e i t l i e g t d e r A u s l e g u n g o f f e n b a r d i e M a x i m e z u g r u n d e : „ I m Z w e i f e l gegen e i n e n Schutz d e r M R K " . Diese M a x i m e l ä ß t sich i m e i n z e l n e n aus d e n A u s f ü h r u n g e n des V f G H b e l e g e n 1 3 6 . Daß diese M a x i m e i n d e r A n w e n d u n g a u f d i e Menschenrechte die M ö g l i c h k e i t e i n e r b e l i e b i g e n M a n i p u l a t i o n i h r e s I n h a l t s
eröffnet,
l i e g t a u f d e r H a n d . W a n n l ä ß t sich schon n i c h t , w e n n m a n n u r w i l l , e i n Z w e i f e l gegen die A n w e n d b a r k e i t e i n e r S c h u t z n o r m a u f e i n e n b e s t i m m 133 v
f s l g
7400, 229.
184
Vgl. A n m . 116. Die Salzburger Landesregierung hat sich m i t Recht auf diese Meinungen gestützt, vgl. EuGRZ 1 (1974) 59 ff., unten Anhang A, S. 8 ff. des Antrages (die ursprünglichen Seitenzahlen sind i m T e x t i n K l a m m e r n angegeben). Dies ist inzwischen durch die Amerikanische Menschenrechtskonvention v o m 18. J u l i 1978 i n i h r e m A r t . 4 ausdrücklich normiert worden, dessen Abs. 1 lautet: „Jederman hat das Recht auf Achtung seines Lebens. Dieses Recht w i r d gesetzlich geschützt u n d g i l t i m allgemeinen v o m Augenblick der Empfängnis an. Niemand darf w i l l k ü r l i c h getötet werden". Dem Textzusammenhang nach bezieht sich das „Niemand" eindeutig auch auf die ungeborenen K i n d e r „ v o m Augenblick der Empfängnis an" (EuGRZ 7, 1980, 4315; vgl. dort 442 ff. auch den Beitrag von J. A. Frowein, der dort 442 A n m . 1 darauf hinweist, daß bis zum 30. J u n i 1980 folgende Staaten die Konvention ratifiziert hatten u n d somit durch sie gebunden sind: Bolivien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, E l Salvador, Grenada, Guatemala, Haiti, Honduras, Jamaika, Kolumbien, Nicaragua, Panama, Peru, Venezuela). I n den USA ist ein Gesetzesantrag dem Kongreß zugeleitet worden, der einen ähnlichen Schutz des Lebens vorsieht (Human L i f e Bill). Daneben w u r d e ein A n t r a g auf eine Verfassungsergänzung eingebracht (Hatch Amendment), m i t dem festgestellt werden soll: „ A r i g h t to abortion is not secured by this Constitution." Demnach sollten der Kongreß u n d die einzelnen Staaten ein konkurrierendes Recht haben, Abtreibungen einzuschränken u n d zu verbieten. Dieser A n t r a g wurde bereits Anfang März 1982 vom Kongreßausschuß angenommen, w o h l w e i l er es den Staaten überläßt, entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, während m i t der H u m a n L i f e B i l l einfach festgestellt werden sollte, daß für den verfassungsrechtlichen Schutz des Lebens „each h u m a n life exists from conception". 135
VfSlg 7400, 229. I n diese Richtung deutet auch die bei der A n w e n d u n g auf Menschenrechte höchst problematische Auffassung, daß bei „der Auslegung v ö l k e r rechtlicher Verträge" „ i m Zweifel das gemeinsame M i n i m u m " zugrunde zu legen sei, VfSlg 7400, 229. Demgegenüber hat die Amerikanische Menschenrechtskonvention (oben A n m . 134) i m A r t . 29 besondere Auslegungsregeln normiert, die unter anderem bestimmen: „ K e i n e Bestimmung dieser K o n vention darf d a h i n ausgelegt werden, daß sie: a) einem Staat, einer Gruppe oder einer Person gestattet, den Genuß oder die Ausübung der i n der Konvention anerkannten Rechte u n d Freiheiten zu unterdrücken oder sie stärker als darin vorgesehen zu beschränken; . . . " (EuGRZ 7, 1980, 438). 186
3. Das Erkenntnis des V f G H zur Fristenlösung
53
ten Fall vorbringen? Diese Maxime liegt auch der Argumentation zugrunde, m i t welcher der V f G H der Auffassung von Marschall zu begegnen versucht, „daß sich der Schutz des A r t . 2 M R K immer dann auch auf die Leibesfrucht erstreckt, wenn und insoweit dieser durch die einfache Gesetzgebung Rechtspersönlichkeit (Teilrechtspersönlichkeit) eingeräumt w i r d " 1 3 7 . Zunächst führt der V f G H sicher zutreffend aus, daß der „Personenbegriff des A r t . 2 M R K . . . von dem Personenbegriff der nationalen Rechtsordnungen" unabhängig ist. Und er erklärt weiter: „Das Recht auf Leben steht einem nach A r t . 2 M R K Berechtigten auch dann zu, w e n n i h m nach der nationalen Rechtsordnung eines Vertragspartners die Rechtspersönlichkeit nicht oder n u r zum T e i l zukäme. Andernfalls könnte der i n der M R K verankerte Schutz des Rechtes auf Leben von jedem V e r tragspartner dadurch u n w i r k s a m gemacht werden, daß er einem nach A r t . 2 M R K Berechtigten die Rechtspersönlichkeit entzieht" 1 3 8 .
Dieser Feststellung liegt die ebenfalls zutreffende Auffassung zugrunde, daß der staatliche Gesetzgeber durch den Entzug der Qualität der Rechtspersönlichkeit den Kreis der Berechtigten nicht einseitig einschränken kann. Sie vermag aber den Umkehrschluß nicht zu tragen, den der V f G H daran knüpft, wonach der Schutz des A r t . 2 M R K auch dann nicht auf ungeborene Kinder anzuwenden ist, wenn die staatliche Rechtsordnung diese hinsichtlich ihrer Rechte den Geborenen gleichstellt. Dieser Umkehrschluß ist dann umsoweniger gerechtfertigt, wenn das Gewicht der i n der L i t . vorgebrachten Argumente mehr der Auffassung zuneigt, daß A r t . 2 Abs. 1 M R K den noch nicht geborenen Menschen ebenfalls schützt. Außerdem wäre noch näher zu prüfen, welche Implikationen sich daraus ergeben, daß der Art. 2 M R K zum Bestandteil des innerstaatlichen Verfassungsrechts geworden ist. Die Interpretation einer solchen Norm hat dann gewiß auf das Gesamtgefüge der staatlichen Rechtsordnung Bedacht zu nehmen. Dasselbe ist auch zu der Auslegung des A r t . 63 Abs. 1 des Staatsvertrages von St. Germain zu sagen. Auch hier meint der VfGH, es bestehe „kein Grund zu der A n nahme, daß sich der Begriff der Einwohner — anders als nach seinem Wortsinne — hier nicht nur auf bereits geborene Menschen beziehen sollte" 1 3 9 . Die Tatsache, daß § 22 ABGB die noch Ungeborenen hinsichtlich ihrer Rechte als bereits Geborene ansehen läßt, ist für den V f G H „kein Grund". Die dritte grundlegende These betrifft die Anwendung des Gleichheitssatzes auf den Schutz des ungeborenen Lebens. Man muß die Ausführungen des V f G H ganz lesen, u m ihre Tragweite ermessen zu können. Hier sei nur der entscheidende Teil wiedergegeben: 137 138 139
Bei A n m . 116. VfSlg 7400, 228 f. VfSlg 7400, 231.
54
I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
„ D i e Schwangerschaft besteht darin, daß sich i m Mutterleib menschliches Leben entwickelt. F ü r die Beurteilung der getroffenen Regelung des Schwangerschaftsabbruches unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes ist es nicht maßgebend, daß während der ganzen Dauer der Schwangerschaft sowohl das Leben der M u t t e r als auch das werdende menschliche Leben gleichbleibendes Leben darstellen, sondern es ist die naturgegebene biologische Einheit der ,Frucht i m Mutterleib' danach zu beurteilen, ob sie w ä h rend der Dauer der Schwangerschaft ein Gleiches bildet. Da das werdende menschliche Leben i m Zustand der ,Frucht i m M u t t e r leib 4 eine E n t w i c k l u n g durchmacht, die von der eines Lebens außerhalb des Mutterleibes unter natürlichen Bedingungen unfähigen befruchteten Eizelle bis zu dem außerhalb des Mutterleibes lebensfähigen Menschen reicht, sind diese verschiedenen Entwicklungsphasen der biologischen Einheit ,Frucht i m Mutterleib 4 nicht notwendig ein Gleiches i m Sinne des verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitssatzes. F ü r den einfachen Gesetzgeber ist daher die Möglichkeit gegeben, i n strafrechtlicher Hinsicht den Schwangerschaftsabbruch je nach dem Stadium der E n t w i c k l u n g der Frucht i m Mutterleib verschieden zu behandeln, ohne gegen das Gleichheitsgebot zu verstoßen 4 4 1 4 0 .
Der V f G H bezieht sich sodann ausdrücklich auf die Äußerung der Bundesregierung, wonach eine „unterschiedslose Behandlung des Schwangerschaftsabbruches innerhalb der ganzen Dauer der Schwangerschaft . . . vom Tatobjekt her Ungleiches gleich behandeln" w ü r d e 1 4 1 . M i t dieser Frage hat sich, wie schon bemerkt 1 4 3 , Lang-Hinrichsen für die i n dieser Hinsicht vollkommen entsprechende deutschrechtliche Lage besonders eingehend auseinandergesetzt. Was das Schutzobjekt „menschliches Leben" betrifft, so verläuft dessen Entwicklung „von Anfang an kontinuierlich ohne Zäsuren". Wie Lang-Hinrichsen als Ergebnis seiner Untersuchung feststellen kann, „ergibt sich, daß der nasc. . . . bis zum Ende der Zwölfwochenfrist bereits weitgehend ausgebildet ist und sich i n keiner Weise qualitativ von dem nasc. i n der späteren Zeit unterscheidet" 1 4 3 . Vom Schutzobjekt her läßt sich also unter keinem Gesichtspunkt eine Ungleichbehandlung vor und nach Ablauf der Dreimonatefrist rechtfertigen und mit dem Gleichheitssatz i n Einklang bringen. Dazu kommt jedoch, daß die „Dreimonatefrist" i n Wahrheit eine Fiktion ist. § 163 ÀBGB geht von einem Unsicherheitsspielraum für die Zeit der Empfängnis von 122 Tagen aus. Auch die neuesten medizinischen Erkenntnisse machen deutlich, daß sich der Zeitpunkt der Empfängnis i n aller Regel m i t keiner Methode so bestimmen läßt, 140
VfSlg 7400, 234. VfSlg 7400, 234. 142 Bei A n m . 109. 14S FamRZ 21 (1974) 506 f.; vgl. auch die weiteren Hinweise oben A n m . 109 u n d u n t e n bei den Anm. 253—255; ferner H. Berger, Die Heimlosigkeit des Menschen, Inaugurationsrede 1973, Veröff. der U n i v . Innsbruck 83, Innsbrucker Universitätsreden V I I I , 5—8. 141
3. Das Erkenntnis des V f G H zur Fristenlösung
55
daß nicht ein sehr erheblicher Unsicherheitsspielraum offen bliebe. Nach klinischen Erfahrungen kann dieser Unsicherheitsspielraum unter Umständen bis zu einer Addition der Dreimonatefrist des StGB mit den 122 Tagen des ABGB führen 1 4 4 . Die Entscheidung über straffreies oder strafbares Töten an eine derart unbestimmbare Fristengrenze zu knüpfen, zeigt i n der Tat, daß den Entscheidungskriterien nicht die ohnedies nicht begründbare Ungleichheit des Schutzobjektes zugrunde liegt. Worum es wirklich geht, w i r d vielmehr aus der Bezugnahme auf den Bericht des Justizausschusses deutlich, wonach „aus gesundheitspolitischen Überlegungen getrachtet werden müsse, die medizinische Gefahr, die m i t dem Schwangerschaftsabbruch verbunden sei, möglichst gering zu halten. Es sei i n der medizinischen Literatur weitgehend unbestritten, daß die Gefährlichkeit des Eingriffes, sowohl hinsichtlich der Komplikationen als auch der Spätfolgen, nach dem dritten Monat der Schwangerschaft erheblich zunehme" 1 4 5 . Wenn man aber dieses gesundheitspolitische Argument als entscheidend ansieht, dann muß doch gesagt werden, daß es gesundheitspolitisch ohne Zweifel noch viel besser wäre, die Frau das K i n d erst gebären zu lassen, und ihr dann eine Dreimonatefrist zur Überlegung einzuräumen, ob sie das K i n d töten oder es behalten wolle, denn die medizinische Literatur ist sich darin einig, daß eine normale Geburt in aller Regel für die Frau weitaus unschädlicher ist als jede Abtreibung 1 4 6 . Obwohl es medizinisch bekannt ist, daß auch bei einer durch einen Arzt durchgeführten Abtreibung i n einem sehr hohen Prozentsatz gesundheitliche Dauerschäden entstehen 147 , w i r d diese Tatsache offenbar auch i n den sogenannten „Beratungen" verschwiegen 148 . Wollte man zynisch sein, ließe sich noch 144 Das ist auf dem internationalen Kongreß der W o r l d Federation of Doctors who Respect H u m a n L i f e v o m 19.—22. 2.1976 i n Innsbruck erneut k l a r gestellt worden. Die Europäische Ärzteaktion hatte auch bereits an die A b geordneten des Deutschen Bundestages einen offenen Brief gerichtet, i n w e l chem die „Täuschung m i t den sogenannten Fristen" behandelt w i r d . Er liegt m i r i n einem undatierten Sonderdruck aus „Deutsche Tagespost", Würzburg, vor. 145 VfSlg 7400, 235. Das bestätigt vollkommen, was Lang-Hinrichsen, FamRZ 21 (1974) 508, sagt (oben bei A n m . 110); vgl. auch A n m . 1. 148 Auch das ist auf dem i n A n m . 144 genannten Kongreß neuerlich k l a r gestellt worden, dessen Referate leider noch nicht gedruckt vorliegen. A u f einem ähnlichen Weltkongreß i n Bern 1977 sind die Aspekte nicht i n gleicher Weise behandelt worden; vgl. aber i m m e r h i n etwa von den dort gehaltenen Referaten White, The A b o r t i o n Situation i n Great Britain, Medizin u n d Ideologie 43 ff. 147 Vgl. etwa J. C. u n d Β. H. Willke, Handbook on A b o r t i o n 1 9 (1980), Deutsche Ubersetzung von H. Berger, Abtreibung — die fragwürdige Entscheidung, Herausgeber A k t i o n Leben Vorarlberg (1982) 103 ff. u n d 116 ff. Dort ist internationales Vergleichsmaterial zusammengestellt, soweit es zugänglich war. Daraus geht die Vielfältigkeit möglicher Dauerschäden deutlich hervor. 148 Vgl. etwa n u r den Erfahrungsbericht i n „Ehe und Familie" 10/4 ( A p r i l 1976) 1 ff.
I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
anführen, daß bei der viel ungefährlicheren Tötung nach der Geburt sich auch die Frist, zum Unterschied von der „Fristenlösung", i n k r i m i nalpolitisch befriedigender Weise exakt feststellen ließe. Was aber nun den Gleichheitssatz betrifft, so würde sich nach der Auffassung des V f G H auch gegen eine solche Lösung kein Bedenken ergeben können, denn ganz unstreitig ist ein neugeborenes Kind, das vollkommen von der Pflege der Umgebung abhängt und ohne diese nicht lebensfähig ist, ebenso wie der Ungeborene ein der Entwicklung unterliegendes Wesen und „verschiedenen Entwicklungsphasen" unterworfen. Wenn man einmal die Einheit des Schutzobjektes „menschliches Leben" preisgegeben hat, muß man es i n den verschiedenen Entwicklungsphasen ebensowenig wie den Ungeborenen als „notwendig ein Gleiches i m Sinne des verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitssatzes" betrachten. Novak hat i n seiner Besprechung des VfGH-Erk. bereits festgestellt: „ A u c h das geborene Leben vollzieht sich i n E n t w i c k l u n g und Rückentw i c k l u n g zu A l t e r , K r a n k h e i t u n d Siechtum. F ü h r t nicht, stets unter den Prämissen, die der V f G H setzt, von der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruches ein gerader Weg zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Euthanasie?"
Man muß ohne Zweifel sagen, daß diese Konsequenz unausweichlich ist, wenn man die Ausführungen des V f G H zum Gleichheitssatz annimmt. Wie soll denn noch ein unheilbar krankes, vielleicht von Geburt an geistig zurückgebliebenes oder verkrüppeltes K i n d m i t einem normalen und gesunden K i n d als „ein Gleiches i m Sinne des verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitssatzes" angesehen werden können, wenn die Gleichheit „nicht i n der Gleichheit dessen, was l e b t " 1 4 9 , besteht, das heißt i n der Gleichheit des menschlichen Lebens 1 5 0 . Nichts würde hindern, auch hier i m Sinne der Äußerung der Bundesregierung zu behaupten, es werde „vom Tatobjekt her Ungleiches gleich" behandelt, wenn man die Tötung eines die Familie unter Umständen außerordentlich belastenden Krüppels ebenso bestraft wie einfachen Kindesmord. Wenn aber die Konsequenzen aus einer Prämisse offensichtlich unhaltbar sind, dann kann nach den Regeln der Logik auch die Prämisse nicht richtig sein 1 5 1 . Der Weg zur Euthanasie ist aber nach der Auffassung des V f G H noch zusätzlich durch die „Schutzrichtung" der Grundrechte abgesichert 152 . 149
Vgl. Novak , EuGRZ 2 (1975) 199. «ο v g l . vor allem Lang-Hinrichsen, FamRZ 21 (1974) 506 ff.
151 Vgl. etwa allgem, A. Menne, E i n f ü h r u n g i n die L o g i k 2 (1973) 10; ausdrücklich Cie. fin. 4, 54 f., dazu Waldstein, SZ 92 (1975) 38; von anderer Grundlage ausgehend auch Ott, Rechtspositivismus 31. Z u den genannten Konsequenzen auch Groiss/SchantlfWelan, ÖJZ 33 (1978) 14.
3. Das Erkenntnis des V f G H zur Fristenlösung
57
Es ist leicht abzusehen, daß die für die Entscheidung verantwortlichen Mitglieder des V f G H sich gegen die Unterstellung verwahren würden, sie hätten m i t dieser Entscheidung den Weg zur Euthanasie öffnen wollen. Ich w i l l es ohneweiteres annehmen, daß sie das nicht wollten. Aber es ist schlimm genug, daß sie die Folgerungen i n Kauf genommen haben, die sich aus den angenommenen Prämissen zwingend ergeben. Daran w i r d übrigens deutlich, daß die angenommenen Prämissen auch für die i n Frage stehende Entscheidung keine wirkliche Grundlage abgeben konnten. Insgesamt muß gesagt werden, daß die Entscheidungsgründe nicht den Eindruck erwecken, als wäre es dem V f G H tatsächlich um eine Klärung der Frage gegangen, ob die Freigabe der Vernichtung menschlichen Lebens nach Maßgabe eines völlig willkürlichen Entschlusses anderer Menschen m i t unserer Verfassung vereinbar ist oder nicht. Die Art, wie bei einer Entscheidung über das Leben von kommenden Generationen argumentiert wird, legt vielmehr den Schluß nahe, daß hier i n der Tat eine nach den „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen" der Mehrheit des Gerichtshofes bereits unabhängig von der Rechtsfrage feststehende Entscheidung für den juristischen Laien und die breite Öffentlichkeit notdürftig i m Nachhinein m i t j u r i stischen Argumenten bekleidet wurde, die aber allesamt, soweit sie zu Ungunsten des Grundrechtsschutzes ausfallen, einer näheren Nachprüfung nicht standhalten. Die Entscheidungsgründe erwecken tatsächlich den Eindruck, daß der V f G H hier, wie Pernthaler es ausgedrückt hat, „ i n die Funktion eines zusätzlichen verfassungsrechtlichen Legitimationsorganes der einfachen Parlamentsmehrheit" geraten i s t 1 5 3 . Dieser Befund w i r d auch durch die Ausführungen Rosenzweigs bestätigt. Bei seiner Betrachtung des Verhältnisses von „Verfassungsgericht und Gesetzgeber" läßt er offenbar jene „politische Willensentscheidung" für den V f G H maßgeblich sein, die von der aus dem „Kampf u m ihre Programme" siegreich hervorgegangenen Partei getragen ist. Und er sagt weiter: „Diese F o r m der Demokratie darf nicht dadurch bedeutungslos gemacht werden, daß sich die Wähler sagen, daß letzten Endes die Entscheidung nicht von ihnen, sondern v o m Verfassungsgericht getroffen w i r d " 1 5 4 .
152 Z u r „Schutzrichtung" der Grundrechte oben bei den A n m . 125—132; zu A r t . 2 M R K A n m . 108. Gleichzeitig setzt w e l t w e i t eine „Bewegung f ü r die Legalisierung der Euthanasie" ein, der sich nach der Meinung von Ν. N. Kittrie, Das Recht auf Leben und das Recht auf Sterben, i n : Eser, Suizid 386 f., n u r die „Traditionalisten, die Orthodox-Religiösen und einige F r e i denker" entgegenstellen und darauf bestehen, „daß das Leben Vorrang hat u n d absolut unantastbar ist". Vgl. dazu auch noch unten A n m . 255 und 315. 153 JB1 97 (1975), 317. 154 FS Broda 265.
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I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
Die von der verfassungsgebenden Mehrheit getragenen Grundwerte unserer Verfassung werden damit i m Namen der Demokratie der einfachen Mehrheit der „Wähler" zur Disposition gestellt. Damit gibt aber, wie Pernthaler es formuliert, der V f G H „ i n Wahrheit einer bestimmten politischen Wertung den Vorzug vor den verfassungsrechtlich gebotenen, aber nicht angewendeten Rechtswertungen" 1 5 5 . Pernthaler fügt an diese Beobachtung die treffende Feststellung: „das ist ein Vorgang, den man zurecht als ,Verfassungsverdrängung' bezeichnet hat und der auf kaltem Wege die normativ objektivierende Funktion des Verfassungsrechts außer Kraft setzt" 1 5 6 .
4. Ist die Fristenlösung verfassungsmäßig? Bereits diese kurze Untersuchung hat gezeigt, daß die Fristenlösung nicht verfassungsmäßig sein k a n n 1 5 7 . Der V f G H kann daher auch nicht ihre „Verfassungsmäßigkeit . . . bestätigt" haben 1 5 8 . Wie sich gezeigt hat, konnte er es schon i m Hinblick auf die Folgen der Interpretationslehre der Reinen Rechtslehre nicht. Wenn man die Rechtserkenntnis von der Rechtsprechung so löst, wie dies tatsächlich geschieht, können Akte der Rechtsprechung letztlich nur die „subjektiven, moralischpolitischen Anschauungen" des Gerichts zum Ausdruck bringen. Wie aber auch das damals prominente Mitglied des V f G H Rosenzweig dankenswerter Weise klargestellt hat — und er darf hier als unverdächtiger Zeuge gelten —, war für die Mehrheit des V f G H nicht der verfassungsgebende Konsens des österreichischen Volkes, sondern die politische Willensentscheidung der „Wähler" maßgeblich. Dabei kann es sich nur um die Wähler der derzeitigen einfachen Parlamentsmehrheit handeln. Rosenzweig betont ausdrücklich, daß die Wähler, hätte der V f G H nach anderen Kriterien entschieden, sich sonst hätten sagen müssen, „daß letzten Endes die Entscheidung nicht von ihnen, sondern vom Verfassungsgericht getroffen w i r d " 1 5 9 . Damit ist aber klargestellt, 155 JB1 97 (1975) 317. Vgl. dazu allgem. auch F. O. Kopp, FS Klecatsky I 500 ff. m i t weiteren Hinweisen. 156 JB1 97 (1975) 317. Über die „(bewußte oder unbewußte) Verdrängung der m i t Reformen verbundenen Verfassungsproblematik" selbst Klecatsky, JB1 96 (1974) 220 ff. 157 Viele Fragen konnten hier gar nicht behandelt werden, wie etwa die Frage, ob — auch i m Hinblick auf die Genfer Deklaration (oben A n m . 117) — eine einfachgesetzliche Ermächtigung des Arztes zur Tötung w i r k s a m sein kann. Z u r Ermächtigung deutscher Ärzte durch Hitler vgl. Gruchmann 239 f. Vgl. auch unten I V 2 c (Der Staat vermag keine Ermächtigung zur Tötung zu geben). 158 Oben bei A n m . 7. 159 FS Broda 265.
4. Ist die Fristenlösung verfassungsmäßig?
59
daß der VfGH, statt die politische Willensentscheidung der einfachen Parlamentsmehrheit — und ihrer Wähler — am Maßstab der Verfassung zu überprüfen, sich eben dieser Willensentscheidung angeschlossen hat. Er hat damit K r a f t seiner höchstgerichtlichen Stellung den Verfassungsschutz für das ungeborene Leben zugunsten einer Wählerentscheidung außer Kraft gesetzt. Wie Rosenzweig weiter sagt, werden vom V f G H die „rechts- und wirtschaftspolitischen Wertungen des Gesetzgebers respektiert" 1 6 0 , also die der einfachen Parlamentsmehrheit. Dagegen hält er es für abwegig, „aus den Normen der Verfassung eine Wertordnung" abzuleiten 1 6 1 . A n die Stelle der Wertordnung der Verfassung treten also die Wertungen des einfachen Gesetzgebers. Der V f G H „erachtet sich nur für befugt einzuschreiten, wenn ein Exzeß vorliegt" 1 6 2 . Was aber so ein „Exzeß" sein könnte, bestimmt sich wohl wieder nach den „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen" der einfachen Mehrheit der Mitglieder des VfGH. Dies alles macht klar, daß man die Vorstellung aufgeben muß, es gäbe i n Österreich noch einen wirksamen Schutz verfassungsrechtlich verankerter Grundwerte unserer Gesellschaftsordnung gegenüber den gesellschaftsverändernden Bestrebungen der einfachen Parlamentsmehrheit. Wozu i m Parlament die Zweidrittelmehrheit erforderlich, aber nicht erreichbar ist, das w i r d i m V f G H m i t einfacher Mehrheit verfassungsrechtlich legitimiert. Damit ist der Weg offen für grundlegende Gesellschaftsveränderungen ohne den für die Veränderung der Grundwerte unserer Verfassung erforderlichen Konsens. Dabei w i r d formell der Schein der Verfassungsmäßigkeit gewahrt, weil das für „die Prüfung von Normen am Maßstab übergeordneter N o r m e n " 1 6 3 160 p s Broda 265. Dabei bleiben freilich solche „Wertungen des Gesetzgebers" unberücksichtigt, die den Zielen der einfachen Parlamentsmehrheit nicht entsprechen, w i e etwa die des § 22 A B G B . Daß sich daraus eine A n t i nomie der Wertungen ergibt, stört den V f G H offenbar nicht. Z u diesem „Wertungswiderspruch" auch noch unten I I I bei den A n m . 202—217. iei F s Broda 264. I n Wahrheit geht es aber gar nicht u m das Ableiten einer Wertordnung „aus den Normen der Verfassung", sondern u m die Feststellung, welche Wertungen der Verfassungsgesetzgeber vorgenommen hat. Während Rosenzweig es für möglich und für l e g i t i m hält, daß der V f G H die „rechts- und wirtschaftspolitischen Wertungen des Gesetzgebers respektiert", scheint er das Respektieren der Wertungen des Verfassungsgesetzgebers als „Rechtsmystizismus" (FS Broda 265 f.) anzusehen. Diese ganze Argumentation macht deutlich, daß es auch hier i n Wahrheit nicht d a r u m geht, zu erkennen, was w i r k l i c h der Verfassung entspricht, sondern darum, die „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen" m i t plausibel wirkenden A r gumenten zu bekleiden. 162
Rosenzweig, FS Broda 265. Vgl. Adamovich, Verfassungsrecht 439 m i t L i t . ; weitere L i t . bei Klecatsky, Bundesverfassungsrecht 437 f.; vgl. insb. a u d i Klecatsky, Brauchen w i r heute noch eine sonderverwaltungsgerichtliche Verfassungsgerichtsbarkeit? ÖJZ 28 (1975), 113 ff., u n d die i n der folgenden A n m . gegebenen H i n weise. 163
I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
zuständige Gericht den Widerspruch zu jenen Grundwerten unserer Verfassung nicht feststellt. Die großartige Konzeption der Verfassungsgerichtsbarkeit führt dazu, daß man diese Realität nicht für möglich hält. Daher glaubt man immer noch weitgehend daran, es bestehe in diesem Bereich die durch ein unabhängiges Gericht gewährleistete Normenkontrolle, die einen effektiven Schutz vor Übergriffen einer einfachen Parlamentsmehrheit bieten würde. U m so wichtiger und verdienstvoller ist es, daß gerade Rosenzweig klargestellt hat, wonach sich der V f G H wirklich richtet. Er bestätigt damit, was schon früher erklärt worden ist, daß nämlich „der Verfassungsgerichtshof als politisches Instrument der Regierungspartei" fungiert 1 6 4 . Somit kann jener Teil der österreichischen Bevölkerung, welcher das Grundrechts- und Verfassungsverständnis der Regierungspartei nicht teilt, hinsichtlich der von ihm bejahten Grundwerte unserer Gesellschaftsordnung m i t einem Rechtsschutz gegenüber Eingriffen des einfachen Gesetzgebers nicht rechnen. Was das i n den Konsequenzen bedeutet, braucht hier nicht näher ausgeführt zu werden. Wie bereits bemerkt, hat Grimm festgestellt, daß die Verschiedenheit der Erkenntnisse des deutschen B V f G und des österreichischen V f G H „letztlich nicht i n unterschiedlichen Verfassungslagen oder Gerichtskompetenzen" ihren Grund hat, „sondern i n entgegengesetzten Grundrechtstheorien" 1 6 5 . Das bestätigt i m Grund auch Rosenzweig m i t seinen Ausführungen 1 6 6 . Es bleibt somit die Frage zu beantworten, welcher Grundrechtstheorie der Vorzug gebührt. Es ist klar, daß diese Frage einer sehr sorgfältigen Untersuchung bedürfte, wollte man sie — soweit dies überhaupt möglich wäre — erschöpfend beantworten. Ich kann mich jedoch auch hier bereits auf zahlreiche Untersuchungen stützen, wie etwa auf die von Friesenhahn 1* 7, Lang-Hinrichsen 168, Pernthaler 1™, 170 m Grimm und zuletzt Schambeck . Sie stimmen jedenfalls alle darin 184 „ D i e Presse" 13./14.12.1975, S. 1: „SP-Pläne m i t dem Verfassungsgericht". Jedenfalls w i r d nicht zu bestreiten sein, daß die „subjektiven, moralisch-politischen Anschauungen" (vgl. Ringhof er, bei A n m . 64) der Mehrheit des V f G H m i t denen der Regierungspartei übereinstimmen. Klecatsky, Der Rechtsstaat zwischen heute und morgen (1967) 299, hat bereits darauf hingewiesen, daß der V f G H „bisweilen die Verfassungsmäßigkeit verfassungsw i d r i g e r Staatsakte" bestätigte u n d „ d a m i t das Verfassungssystem" sprengte. Von besonderer Bedeutung sind i n diesem Zusammenhang die Ausführungen Klecatskys „Über die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit", FS Geiger 925 ff. 165 JB1 98 (1976) 74. lee Darauf läuft jedenfalls seine kritische Würdigung der Entscheidung des BVfG, FS Broda 244 ff., hinaus. 167 168 169
(oben A n m . 78) G 1 ff., insb. G 22 f. FamRZ 21 (1974) 500 ff. JB1 97 (1975) 316 ff. Vgl. auch Novak, EuGRZ 2 (1975) 198 ff.
4. Ist die Fristenlösung verfassungsmäßig?
61
überein, daß sich das Grundrechtsverständnis seit dem 19. Jh. entwickelt hat. Grimm bemerkt nun zum Vergleich der jeweiligen Grundrechtstheorien: „Während sich . . . das deutsche Gericht u m eine zeitgemäß fortentwickelte Grundrechtstheorie bemüht, erklärt das österr., an das Verständnis der Entstehungszeit gebunden zu sein" 1 7 2 . Man muß aber hinzufügen, daß es auch dieses noch unterbietet. Zur Entstehungszeit war jedenfalls der Schutz des Lebens außer Zweifel gestellt. Darüber hinaus dürfte es damals ebenso außer Zweifel gestanden sein, daß die materiell grundrechtlichen Bestimmungen des ABGB, wie etwa die der §§ 16 und 22, nicht dadurch gegenstandslos gemacht werden dürfen, daß es freigestellt wird, die Grundrechtsträger nach Maßgabe einer Frist „ohne Rechtfertigungsgründe" 173 willkürlich zu töten. Pernthaler stellt daher sehr m i t Recht fest: „Es muß dem vorliegenden Erk. des V f G H angelastet werden, hier — abgesehen von der konkreten Beurteilung der Fristenlösung — statt eines klaren Wortes zugunsten des Verfassungsschutzes des Lebens i n Österreich eine Reihe geradezu unfaßbarer u n d vom Entscheidungsthema her garnicht erforderlicher Pauschalurteile gegen den Verfassungsschutz des Lebens und der Grundrechtssphäre überhaupt geäußert zu haben. Auch i n der Bedachtnahme auf die Konsequenzen derart undifferenzierter negativer Entscheidungsformeln für die Rechtsentwicklung einer Gesellschaft liegt die V e r antwortung richterlicher Rechtsfindung und Begründung" 1 7 4 .
Demgegenüber hat Rosenzweig nicht glaubhaft machen können, daß gerade einem solchen Grundrechtsverständnis heute der Vorzug gebührt. Man braucht nur die beiden Erkenntnisse und ihre Begründungen aufmerksam nacheinander zu lesen, u m zu wissen, welches der beiden Grundrechtsverständnisse den heutigen Anforderungen an eine staatliche Rechtsgemeinschaft entspricht und welches nicht. Für die gegenwärtige Parlamentsmehrheit ist i n der Regierungserklärung vom 5.11.1975 festgestellt worden, daß „die Sozialdemokratie ihre Ziele in Übereinstimmung m i t dem natürlichen Rechtsbewußtsein des Volkes zu erreichen trachtet" 1 7 5 . Kann nun die „völlige rechtliche 170
JB1 98 (1976) 76 ff. FS Messner 445 ff., insb. 480 ff. 172 JB1 98 (1976) 78. 173 Friesenhahn (oben A n m . 78) G 23 weist besonders auf den Umstand hin, daß i m Rahmen der Fristenlösung „ohne Rechtfertigungsgründe getötet werden darf". Diesen Umstand verkennt Rosenzweig, FS Broda 236 u n d 239, ebenso w i e Broda selbst, auch w e n n er i m m e r h i n eine „sehr wesentliche Differenz" zwischen der Fristenlösung u n d der Indikationenlösung anerkennt, dazu unten A n m . 186. Vgl. aber auch die Hinweise oben A n m . 111 u n d unten A n m . 285. Es ist i n der Tat k a u m denkbar, daß Broda oder Rosenzweig den Unterschied w i r k l i c h verkennen, vielmehr w i r d man ihre Äußerungen n u r als Ausdruck jener „semantic gymnastics" verstehen können, auf die unten A n m . 285 hingewiesen ist. 174 JB1 97 (1975) 318. 171
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I I . Rechtserkenntnis und Rechtsprechung
Schutzlosstellung gerade der schutzbedürftigsten Form menschlichen Lebens" 1 7 6 „dem natürlichen Rechtsbewußtsein des Volkes" entsprechen? 177 Ein „natürliches Rechtsbewußtsein" setzt wesensgemäß eine Verbundenheit m i t dem natürlichen Recht voraus. Nun ist zu allen Zeiten erkannt worden, daß dieses natürliche Recht keinen Veränderungen durch den Willen eines Volkes unterliegt 1 7 8 . Wenn sich ein Volk 175
Regierungserklärung v o m 5.11.1975, Sten.Prot. des NR 14. GP, 21. Pernthaler, JB1 97 (1975) 318. 177 Die Auseinandersetzung u m die Rechtsstellung der ungeborenen K i n d e r hat ohne Zweifel zu einem Wendepunkt i n unserer rechtsstaatlichen Ordnung geführt. Die v ö l l i g einseitige Berücksichtigung der Interessenlage von Menschen, denen entstehendes menschliches Leben eine unerwünschte Last ist, und eine „völlige rechtliche Schutzlosstellung gerade der schutzbedürftigsten Form des menschlichen Lebens" (vgl. bei Anm. 176) entsprechen zweifellos einer richtigen Einschätzung der i n einer panem et circenses-Mentalität begründeten Popularität solcher Maßnahmen. Sie trägt damit einem Schwund der Achtung vor den Rechten anderer, dem Wunsch nach uneingeschränkten Konsum dessen, was das Leben zu bieten hat u n d gewiß auch noch anderen Faktoren Rechnung, die echten Konfliktslagen entstammen können, aber auf ein „natürliches Rechtsbewußtsein des Volkes" kann sie sich dabei nicht berufen. Ohne Verbundenheit m i t den natürlichen Rechten (dazu gleich) und den Grundwerten der Rechtsordnung w i r d i n Wahrheit das Fehlen eines Rechtsbewußtseins als Rechtsbewußtsein deklariert (vgl. oben bei den A n m . 28 ff., allgemein auch unten V.). Es ist ohne Zweifel erschreckend, daß heute auf dem Wege demokratischer Willensbildung u n d m i t B i l l i g u n g des f ü r den Schutz der Verfassungsrechte zuständigen Höchstgerichts bereits das als Recht erklärt werden kann, was i m Rechtsbewußtsein der Welt zur Zeit der NS-Herrschaft noch als menschenunwürdiges Unrecht erkannt w u r d e (vgl. Gruchmann, oben bei A n m . 35 f., dazu noch gleich). Zweifellos ist heute das Rechtsbewußtsein i m allgemeinen stark zurückgebildet. Die öffentliche M e i nung geht angesichts der Häufung von Greueln i n der Welt selbst über solche Vorgänge, die sie an sich aufschrecken müßten, ohne größere Aufregung hinweg. Als eines der wichtigsten Beispiele sei hier n u r die sogenannte Rundfunkreform genannt, m i t welcher das, was m i t dem R u n d f u n k - V o l k s begehren seinerzeit erreicht worden war, wieder zunichte gemacht wurde. Viele andere Beispiele ließen sich anführen; vgl. dazu auch den oben A n m . 156 zitierten Beitrag von Klecatsky. Die Erfahrung hat gelehrt, daß selbst über grauenhafteste Dinge, w i e die Niederschlagung des ungarischen A u f standes, die Vorgänge u m die Berliner Mauer, den Einmarsch russischer Truppen i n der CSSR oder n u n die analogen, wenn auch getarnteren V o r gänge i n Polen, sich die öffentliche Meinung n u r kurze Zeit aufregte. Bald hat man sich an die Zustände gewöhnt und es w i r d k a u m mehr darüber gesprochen. Wer sollte sich also schon lange aufregen, w e n n die aus vielen politischen Gründen zweckmäßig erscheinende Freigabe der Vernichtung menschlichen Lebens auch v o m V f G H gedeckt wird? M a n hat sich w e i t h i n daran gewöhnt. U n d die das Rechtsbewußtsein bildende K r a f t des Strafgesetzes w i r d allmählich den Rest der Hemmungen vor der Tötung menschlichen Lebens abbauen, so daß eines Tages die Euthanasie, w i e die E n t w i c k l u n g i n den USA bereits deutlich zeigt (dazu unten A n m . 255) i n irgendeiner F o r m problemlos über die Bühne der österreichischen Rechtserzeugung gehen w i r d können, w e n n die Entwicklung so w i e bisher weitergeht. Es muß aber betont werden, daß es i n Österreich i m m e r h i n eine nicht geringe Z a h l von Bürgern gibt — u n d ich darf mich zu diesen zählen —, die einem Staat, der die Schutzlosstellung menschlichen Lebens normiert, die Qualität eines Rechtsstaates nicht mehr zuerkennen können. 176
4. Ist die Fristenlösung verfassungsmäßig?
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ü b e r die g r u n d l e g e n d e n Rechte des Menschen h i n w e g z u s e t z e n b e g i n n t , h a t das i n W a h r h e i t m i t „ n a t ü r l i c h e m R e c h t s b e w u ß t s e i n " nichts z u t u n . Es ist v i e l m e h r dessen V e r f a l l 1 7 9 . Schon sehr f r ü h i s t e r k a n n t w o r d e n , daß e i n solcher V e r f a l l des Rechtsbewußtseins z u j e n e r E n t a r t u n g d e r D e m o k r a t i e f ü h r t , die als Ochlokratie bezeichnet w u r d e u n d i n W a h r h e i t eine Form der Diktatur darstellt 180. Es m u ß l e i d e r festgestellt w e r d e n , daß die V o r g ä n g e u m d i e F r i s t e n l ö s u n g e i n e n solchen V e r f a l l des Rechtsbewußtseins offenbaren. Was i m R e c h t s b e w u ß t s e i n der W e l t z u r Z e i t der N S - H e r r s c h a f t noch als m e n s c h e n u n w ü r d i g e s U n r e c h t e r k a n n t w u r d e 1 8 1 , k a n n h e u t e a u f d e m Wege d e m o k r a t i s c h e r W i l l e n s b i l d u n g u n d m i t B i l l i g u n g des f ü r d e n Schutz des Verfassungsrechts z u s t ä n d i g e n Höchstgerichts als Recht e r k l ä r t w e r d e n . Broda h a t v o r J a h r e n i n e i n e m a n d e r e n F a l l e i n e m österreichischen Höchstgericht, d e m V w G H , „ S t a a t s s t r e i c h t h e o r i e " v o r g e w o r f e n , u n d „Anklage" gegen dessen R i c h t e r erhoben, w e i l dieses G e r i c h t damals, gegen d e n W i l l e n d e r j e t z i g e n P a r l a m e n t s m e h r h e i t e r k l ä r t e : „ E s steht i m Rechtsstaat k e i n Mensch ü b e r d e m Recht u n d k e i n e r a u ß e r h a l b des R e c h t e s " 1 8 2 u n d daraus die K o n s e q u e n z e n zog. Seit d e m F r i s t e n l ö s u n g s 178 Vgl. etwa nur Cie. rep. 3, 33; leg. 1, 42 ff.; zum „gesunden Volksempfinden", Justiz i m D r i t t e n Reich 89 ff. und 161 ff.; über den Vorrang natürlicher Normen H. Weinkauff, Der Naturrechtsgedanke i n der Rechtsprechung des BGH, i n : Naturrecht oder Rechtspositivismus? Wege der Forschung 16 (1962) insb. 559 ff., und Gruchmann 241 f.; zum allgemeinen Problem Messner, Naturrecht 255 ff., u n d Verdross, Statisches und dynamisches Naturrecht (1971). A u f die Probleme kann hier nicht i m einzelnen eingegangen werden. 179 Vgl. vor allem Spaemann, ZRP 7 (1974) 49 f., der darauf hinweist, daß neben gewissen positiven Tendenzen „aber gleichzeitig die Neigung zur B r u t a l i t ä t gegenüber allem, was sich individuellen Ansprüchen i n den Weg stellt", gewachsen ist. M a n kann sagen, daß w e i t h i n eine panem et circensesMentalität herrscht. 180 Vgl. etwa Polyb. hist. 6, 4, 2 ff., insb. 4 f., dazu noch unten bei A n m . 351 f. 181 Vgl. die Hinweise i n den A n m . 157 und 177 f. 182 Erk. des V w G H 24.5.1963 V w S l g N F 6035 (1963) 506. Dieses Erk. hat damals wahrhaftig „die W u t der Macht" — vgl. Klecatsky, JB1 87 (1965) 544 — hervorgerufen. M a n muß die Ausführungen Brodas auf dem damaligen Parteitag der SPÖ, abgedruckt i n F O R U M X/115—116 (Juli/August 1963) 341, u n d i m NR, Sten.Prot. des NR, 10. GP, 18. Sitzung am 5.6.1963, 908, wieder nachlesen, u m ermessen zu können, was es bedeutet, w e n n der V f G H den W i l l e n eben dieser Macht legitimiert. Die Ausführungen stellen i n der Tat „ i n vielerlei Hinsicht ein wahres Lehrstück" (FORUM X 339) dafür dar, was Broda unter „Rettung der Legalität" versteht. A u f dem Parteitag sagte er (FORUM X 341): „Und nun erhebe ich die Anklage gegen die Richter des Verwaltungsgerichtshofes (stürmischer Beifall), daß sie sich über dieses entscheidende Argument" (daß nämlich der Verfassungsgesetzgeber i n den Jahren 1925 u n d 1928 die F u n k t i o n des Hauptausschusses des Nationalrates i m Zusammenhang m i t § 2 des Habsburgergesetzes bestätigt habe) „hinweggesetzt haben, ohne es auch nur zu berühren — aus Unkenntnis oder aus böser Absicht! (Zwischenruf: Aus böser Absicht!)". I n F O R U M X 339 findet sich der Hinweis, daß die Ausführungen i m „gänzlich unverändert belasse-
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I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
e r k e n n t n i s steht n u n i n Ö s t e r r e i c h eine d e r Z a h l nach u n ü b e r s e h b a r e G r u p p e v o n menschlichen Wesen aus k e i n e m a n d e r e n G r u n d e als w e g e n ihres A l t e r s „ a u ß e r h a l b des Rechtes". H i e r k a n n m a n n u n sicherlich v o n e i n e m „ S t a a t s s t r e i c h gegen Ö s t e r r e i c h " s p r e c h e n 1 8 3 . Spaemann h a t t r e f f e n d b e m e r k t : „ W o M i n d e r h e i t e n rechtlos gemacht w e r d e n , k a n n auch die M e h r h e i t n i c h t l e g i t i m i e r e n " . A u f die V e r h ä l t n i s s e d e r B R D bezogen sagt er w e i t e r : „ D i e F r i s t e n l ö s u n g w ü r d e erstmals seit 1949 i n d e n A u g e n v i e l e r B ü r g e r . . . die Legitimität des Staates in ihren Grundlagen a n t a s t e n " 1 8 4 . Dasselbe g i l t ohne Z w e i f e l auch f ü r Österreich, n u r m i t d e m U n t e r s c h i e d , daß sie h i e r W i r k l i c h k e i t g e w o r d e n ist. D i e Z e i t , i n d e r m a n sich als B ü r g e r eines Rechtsstaates w i s s e n d u r f t e , i n d e m gewisse G r u n d w e r t e der V e r f a s s u n g u n a n g e f o c h t e n gelten, ist d a m i t v o r b e i . A u c h das V o l k s b e g e h r e n z u m Schutz des menschlichen Lebens w i r d , sosehr es auch als „ e i n e w a h r h a f t b e d e u t e n d e d e m o k r a t i s c h e I n i t i a t i v e " angesehen w e r d e n k a n n 1 8 5 , b e i d e m bestehenden M e h r h e i t s v e r h ä l t n i s a n diesem Z u s t a n d a l l e r V o r a u s s i c h t nach nichts ä n d e r n k ö n n e n 1 8 6 . Es w i r d d a h e r noch sehr v i e l e r A n s t r e n g u n g e n b e d ü r f e n , nen Wortlaut gemäß Protokoll" abgedruckt sind. Damals hatte freilich die Nichtentscheidung der Bundesregierung, also ihre Säumigkeit, bereits dazu geführt, daß der Hauptausschuß des NR nicht befaßt worden war. Der V f G H hatte sich damals ebenfalls f ü r die Verweigerung des Rechtsschutzes dadurch entschieden, daß er sich für unzuständig erklärte. Demgegenüber hat der V w G H seiner verfassungsmäßigen Verpflichtung entsprochen, bei „Verletzung der Entscheidungspflicht" einer Verwaltungsbehörde, damals der Bundesregierung, Rechtsschutz zu gewähren (vgl. A r t . 130 BVG). Sein wohlbegründetes Erkenntnis k a n n auch heute noch vor den Anforderungen unserer Verfassung u n d der Rechtsstaatlichkeit überhaupt bestehen. Dennoch erklärte Broda damals vor dem Parlament: „ I c h warne . . . davor, daß . . . von Juristen, auch i m Richtertalar, eine Staatsstreichtheorie vertreten u n d versucht w i r d , sie juristisch zu unterbauen. . . . ich warne davor, daß dieses Parlament u n d dieser Gesetzgeber das, was i h m hier ein Gericht serviert, h i n n i m m t , daß er es widerspruchslos h i n n i m m t , ohne Maßnahmen zu ergreifen", Sten.Prot. des NR, 10. GP908; wiedergegeben bei G.E.Kafka, Der F a l l Dr. Otto Habsburg, Archiv des öffentl. Rechts (1963) 451. Der „Staatsstreich" des V w G H bestand damals darin, daß er das Recht über die politische Opportunität, über den politischen W i l l e n der Machthaber stellte und die diesem W i l l e n entsprechende Rechtlosstellung von Menschen als m i t unserer Rechtsordnung unvereinbar erklärte. Der V w G H hat damals den bei dieser A n m . i m Text angeführten rechtsstaatlichen Grundsatz ausgesprochen. Vgl. dazu auch J. Klaus, FS K l e catsky I 420 f. 183 So Piffl-Perëevià, „Die Presse" v o m 12./13.1.1974, S. 5. Er sagt dort weiter, daß die „ Z w e i t e R e p u b l i k . . . m i t der Freigabe der Tötung ungeborenen Lebens" endet. Ich k a n n m i r nicht vorstellen, daß ein Österreicher, der diese Ausführungen w i r k l i c h unvoreingenommen liest, noch die Meinung vertreten könnte, daß die Fristenlösung w i r k l i c h rechtens sei. Sie hat m i t Recht i n der Tat genau so wenig zu t u n w i e die Besetzung eines fremden Territoriums m i t bewaffneter Macht. Sie entspricht allein einem politischen Willen, der auch die Macht hat, sich durchzusetzen. 184 ZRP 7 (1974) 52; vgl. auch unten A n m . 319 sowie V 2 bei A n m . 350 ff. 185 So die SWA-Studienarbeit „ V o m Volksbegehren zum Schutz des menschlichen Lebens" (Nov. 1975) 30.
4. Ist die Fristenlösung verfassungsmäßig? 186
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Die inzwischen erfolgte Behandlung des Volksbegehrens i m Nationalrat am 11. M a i 1977 hat diese 1976 veröffentlichte Vermutung leider bestätigt. Das Volksbegehren wurde, entsprechend dem A n t r a g des Ausschusses, m i t 103 gegen 75 Stimmen abgelehnt, Sten.Prot. des NR, 14. GP, 55. Sitzung — 11. M a i 1977, 5304. Sehr aufschlußreich und lesenswert ist allerdings der dort 5224 ff. wiedergegebene Bericht des Ausschusses u n d die anschließende Debatte. Besonders hervorzuheben sind die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Hauser (5235—5241), der einleitend (5235) darauf hinwies, daß „die sogenannte F r i s t e n l ö s u n g . . . — das heißt i m K l a r t e x t : die Straf freigäbe der Tötung menschlichen Lebens i n den ersten drei Monaten der Schwangerschaft — „ m i t der knappen Mehrheit von 93 Mandaten" der Sozialistischen Partei beschlossen wurde. I n der weiteren Diskussion wandte sich dann der Bundesminister f ü r Justiz Dr. Broda, ganz anders als sein ehemaliger bundesdeutscher Amtskollege, SPD-Minister Jahn (oben A n m . 111), besonders gegen die Feststellung Hausers, daß es sich bei der Fristenlösung u m „die Straffreigabe der Tötung menschlichen Lebens" handelt. Seine A u s f ü h r u n gen sind so aufschlußreich, daß hier einige seiner Aussagen wiedergegeben werden sollen. Zunächst erklärte Broda, der „Riß, den . . . der Ö V P - M i n d e r heitsbericht der Diskussion zugrunde legt", bestehe „nicht. Ich bestreite diesen Riß". Dann sagt er weiter: „Der H e r r Abgeordnete Dr. Hauser hat am Beginn seiner Rede eine Äußerung gemacht, die ich nicht u n w i d e r sprochen lassen möchte. Er hat wörtlich — ich w a r so erschüttert, daß ich m i r das Protokoll kommen ließ; ich zitiere jetzt —", und dann zitierte er die oben wiedergegebene Feststellung. Nach einigen weiteren Erklärungen wiederholt er sie nochmals u n d sagt dann weiter: „ H e r r Dr. Hauser! Ich bedauere dieses Wort. Das ist nicht die Sprache der Toleranz, u n d dieses Wort richtet sich gegen Sie u n d alle Anhänger der Indikationenlösung genauso. (Zustimmung bei der SPÖ. — Abg. Dr. Hauser: Das ist ein großer Unterschied!) Uns trennen nicht — ich muß Ihnen das nochmals sagen — die Auffassung, daß es überhaupt keine Ausnahmen von der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruches geben soll, sondern eben n u r — was genug ist; ich sage das ausdrücklich: das ist schon eine sehr wesentliche Differenz — die Voraussetzungen u n d die Grundlagen f ü r diese Ausnahmen. H e r r Abgeordneter Dr. Hauser! Ich hätte gewünscht, daß Sie dieses W o r t nicht i n unsere Diskussion heute hier als einziger i n dieser F o r m eingeführt hätten. M i t solchen Formulierungen verbreitern Sie den Riß. W i r wollen i h n kleiner machen. Das ist der Unterschied. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)" (Sten. Prot. 5298 f.). A m Ende gibt also Broda selbst den Riß zu, dessen Existenz er am Anfang bestreitet. Was er aber über „die Sprache der Toleranz" sagt, k a n n w i r k l i c h n u r als ein Sophismus i m unten bei A n m . 331 angeführten Sinne verstanden werden; vgl. auch bei A n m . 365. Z u den „semantic g y m nastics" bei der Bestreitung der Tatsache, daß es sich bei der Abtreibung u m die Tötung menschlichen Lebens handelt, unten Anm. 285. Intolerant ist es also, Tötung als Tötung zu bezeichnen, das Töten selbst aber ist demnach tolerant! Besonders aber das Tötenlassen! Dagegen hat Hauser i m Sinne Piatons als Staatsmann gehandelt, auch w e n n er als einziger gesagt haben sollte, w o r u m es w i r k l i c h geht (vgl. bei Anm. 331). Das Volksbegehren selbst ist aber, trotz verschiedener Probleme, auf die nicht näher eingegangen werden k a n n u n d auf die auch Broda anspielt, i n seiner Hauptrichtung i n der Tat „eine wahrhaft bedeutende demokratische I n i t i a t i v e " (oben bei A n m . 185). Zumindest w i r d es dokumentarischen Wert haben u n d eines Tages, w e n n das Rechtsbewußtsein vielleicht wieder stärker w i r d , zeigen, daß eine doch sehr große Z a h l von Bürgern sich a k t i v für den Schutz des menschlichen Lebens eingesetzt hat, als dies keineswegs populär war. Eine Dokumentation über die Argumente, die gegen das Volksbegehren vorgebracht w u r den, u n d vor allem über die Aktionen, die zu seiner Behinderung u n t e r nommen wurden, könnte leicht deutlich machen, w i e wenig es hier u m ein natürliches Rechtsbewußtsein des Volkes" u n d u m eine Verbundenheit m i t den Grundwerten unserer Rechtsordnung ging. Vgl. auch unten Anm. 189. 5 Waldstein
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I I . Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung
u m die G r u n d l a g e n e i n e r l e g i t i m e n S t a a t s o r d n u n g w i e d e r h e r z u s t e l l e n , e i n e r S t a a t s o r d n u n g , i n der k e i n M e n s c h „ a u ß e r h a l b des Rechtes" steht, aber auch k e i n e r „ ü b e r d e m R e c h t " . E i n e d e r w e s e n t l i c h e n
Voraus-
setzungen d a f ü r w i r d ohne Z w e i f e l eine echte R e f o r m der Verfassungsg e r i c h t s b a r k e i t s e i n 1 8 7 . Diese m ü ß t e auch d a z u f ü h r e n , daß d e r nicht n u r
„ d e n Gesetzestext"
zur
Grundlage
seiner
VfGH
Rechtsprechung
m a c h t — „ d e r , s o b a l d m a n die F r a g e nach d e m S i n n u n d Z w e c k der N o r m abschneidet, n a h e z u b e l i e b i g m a n i p u l i e r b a r i s t " — 1 8 8 , u n d schon gar n i c h t die „ s u b j e k t i v e n , m o r a l i s c h - p o l i t i s c h e n A n s c h a u u n g e n "
der
g e g e n w ä r t i g e n M e h r h e i t seiner M i t g l i e d e r , s o n d e r n eine echte Rechtserkenntnis189.
187
Dazu Klecatsky, FS Geiger 925 ff. Bydlinsky, GedGschn 116 (Text i n A n m . 55). 189 Wenn m a n alle Erscheinungen i m Zusammenhang m i t der Fristenlösung — u n d anderen Rechtsfragen — betrachtet, denkt m a n u n w i l l k ü r l i c h an ein W o r t Ciceros, das dieser römische Staatsmann und Philosoph vor mehr als 2000 Jahren schrieb und das dennoch auch heute von unverminderter A k t u a l i t ä t ist: „ U n t e r allen Formen der Ungerechtigkeit gibt es keine größere als die derjenigen, die gerade dann, w e n n sie sich am meisten (am Recht) verfehlen, den Schein erwecken, als rechtschaffene Männer gehandelt zu haben", Cie. off. 1, 41: Totius autem iniustitae nulla capitalior quam eorum, qui tum, cum maxime fallunt, id agunt, ut viri boni esse videantur. F ü r die Haltung, die sich vielfach m i t der Ablehnung des Volksbegehrens zum Schutz des menschlichen Lebens verband u n d die m i t dem bereits oben A n m . 179 erwähnten Wachsen der „Neigung zur B r u t a l i t ä t gegenüber allem, was sich individuellen Ansprüchen i n den Weg stellt", zusammenhängt, sind etwa folgende Begebenheiten symptomatisch: Einem jungen Mann, der i n Wien f ü r das Volksbegehren warb, wurde von aufgebrachten Passanten zugerufen: „ I h r gehört alle an die Wand gestellt". Andere haben auf den Hinweis, daß dann auch die Euthanasie nicht mehr aufzuhalten sein würde, geantwortet, das sei auch gar nicht nötig, denn es wäre ohnehin v i e l besser, die enormen M i t t e l f ü r die Erhaltung lebensunwerten Lebens anderen Zwecken zuwenden zu können, w i e etwa dem Straßenbau. Nicht wenige haben das Volksbegehren freilich aus ganz anderen Gründen abgelehnt, nämlich, w e i l sie auch die Indikationenlösung als m i t dem Schutz des menschlichen Lebens f ü r unvereinbar hielten. D a r i n steckt zweifellos ein echtes Problem, auf das auch Broda m i t Recht hingewiesen hat (oben A n m . 186). Ohne dieses Problem wären w o h l noch v i e l mehr Unterschriften f ü r den Schutz des menschlichen Lebens abgegeben worden. Vgl. allgem. auch Schambeck. Das Recht zum Leben — das Recht zum Sterben, „Die Furche" v o m 6. Dez. 1975, S. 3, der dort u . a . feststellt: „ Z u den Paradoxa unserer Zeit zählt leider die bedauernswerte Tatsache, daß das Streben des einzelnen, sowie von Staat und Gesellschaft, nach Verbesserung der Lebensbedingungen zunimmt, die Achtung vor dem Leben selbst aber abnimmt." 188
I I I . Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein begonnenes Leben 1 9 0 Für das Recht des ungeborenen Kindes auf sein begonnenes Leben sind i m Bereich der österreichischen Rechtsordnung seit dem Wegfall des strafrechtlichen Schutzes während der ersten drei Lebensmonate vor allem die Bestimmungen des § 22 ABGB maßgeblich 191 . Nur auf diese Bestimmungen und einige ihrer Implikationen kann ich i m folgenden etwas näher eingehen. Den verfassungsrechtlichen Schutz und den der Europäischen Menschenrechtskonvention dagegen, der nach objektivem Norminhalt, trotz der gegenteiligen Entscheidung des VfGH, darüber hinaus gegeben i s t 1 9 2 , muß ich hier ausklammern. Die Bestimmungen des § 22 A B G B gehen i n ihrem wesentlichen Inhalt bekanntlich auf das antike römische Recht zurück. Dieses ist die Grundlage der meisten europäischen (und zahlreicher außereuropäischer) Rechtsordnungen 193 . Sie räumen den ungeborenen Kindern bereits eine gewisse Rechtsfähigkeit ein, indem sie, insoweit „es u m ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu t u n ist, . . . als Geborene angesehen" werden. Für den Beginn dieser — wie man sagt — beschränkten Rechtsfähigkeit ist bereits i m römischen Recht ebenso wie i m A B G B völlig unbestritten die Zeit der Empfängnis maßgeblich. Es gibt keinerlei Hinweise in den Quellen, daß auch nur die Frage eines allfälligen späteren Zeitpunktes für den Beginn dieses Schutzes der Rechtsordnung gestellt worden wäre. 190 Erschienen i n : A r z t und Christ 27 (1981) 92—97; hier abgedruckt m i t freundlicher Genehmigung des Oberösterreichischen Landesverlages. Der B e i trag enthält den Text des Vortrages, den ich am 16. März 1981 auf dem Internationalen pädiatrischen Symposion über „Die Gefährdung des Kindes heute" gehalten habe. Die Redezeit von zwanzig M i n u t e n machte es unmöglich, auf Einzelheiten näher einzugehen und die nötigen Differenzierungen zu berücksichtigen. Der Text ist hier i m Hinblick auf die vorausgehenden Beiträge i n diesem Band etwas gekürzt wiedergegeben. 191 Text oben I I 2 bei A n m . 79. Die Bestimmungen stehen i m ersten T e i l des A B G B , der „ V o n dem Personenrecht" handelt, und zwar unter den Bestimmungen betreffend die „Personenrechte der M i n d e r j ä h r i g e n u n d der sonst i n ihrer Handlungsfähigkeit Beeinträchtigten" (§§21 bis 23 ABGB), w o m i t klargestellt w i r d , daß die gesetzliche Differenzierung sich auf die Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit bezieht und nicht auf die der Rechtsfähigkeit. 192 Dazu eingehend m i t zahlreichen Hinweisen oben I I 2 u n d 4. 193 Dazu oben I bei den Anm. 10—19.
5*
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I I I . Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein Leben D a h e r k o n n t e Franz
w i e Bydlinski
von
Zeiller,
„der Hauptredaktor
des A B G B " ,
b e m e r k t 1 9 4 , i n seinem K o m m e n t a r z u m § 22 A B G B fest-
stellen: „Die Gesetzgeber älterer und neuerer Zeiten verdienen die dankbarste Verehrung, daß sie ihre rechtliche Vorsorge auch über die noch ungebornen, aber doch schon empfangenen K i n d e r verbreiten, ohne sich u m die von den Naturforschern u n d Rechts-Philosophen geführten, . . . Streitigkeiten, w a n n das empfangene Wesen zu dem . . . rechtsfähigen Wesen gehöre, zu bekümmern"195. L a n g e b e v o r so e t w a s w i e die „ F r i s t e n l ö s u n g " ü b e r h a u p t f ü r d e n k b a r g e h a l t e n w u r d e , h a t t e der d a m a l i g e V i z e p r ä s i d e n t des V f G H , Karl Wolff , i m K l a n g - K o m m e n t a r z u m A B G B i m H i n b l i c k a u f die Fassung des § 22 festgestellt: „ D e r Schutz erschöpft sich . . . n i c h t i n d e r W a h r u n g d e r Vermögensrechte d e r L e i b e s f r u c h t . Jede V e r l e t z u n g oder V e r n i c h t u n g i h r e s L e b e n s ist r e c h t s w i d r i g " 1 9 6 . Das e r g i b t sich u n z w e i f e l h a f t b e r e i t s aus § 22 A B G B , u n d es w i r d auch d u r c h d e n rechtshistorischen B e f u n d bestätigt. Es w ä r e i n d e r T a t w e d e r m i t d e m S i n n d e r R e c h t s o r d n u n g noch m i t allen anerkannten Auslegungsgrundsätzen vereinbar, w o l l t e m a n ann e h m e n , d i e R e c h t s o r d n u n g schütze z w a r die V e r m ö g e n s r e c h t e e i n e r Person, n i c h t aber i h r L e b e n u n d i h r e k ö r p e r l i c h e U n v e r s e h r t h e i t 1 9 7 . T r o t z d e m i s t v o n d e n B e f ü r w o r t e r n d e r „ F r i s t e n l ö s u n g " die r e c h t l i c h u n h a l t b a r e A u f f a s s u n g v e r t r e t e n w o r d e n , d i e B e s t i m m u n g e n des § 22 A B G B bezögen sich n u r a u f d e n a l l f ä l l i g e n u n d noch d a z u u n t e r d e m V o r b e h a l t der Lebendgeburt stehenden E r w e r b v o n Vermögensrechten198. 194
Menschenrechte 90. Commentar über das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch I (1811) 121. I n einer A n m . zu dieser Aussage bemerkt v. Zeiller jedoch, daß „die älteren Römischen Rechtsgelehrten den Embryo n u r als einen T h e i l der m ü t t e r lichen Eingeweide ansahen". Als Beleg f ü h r t er D47, 11, 4 an. Dort w i r d jedoch das Gegenteil gesagt, nämlich, daß die Kaiser Severus u n d A n t o ninus (193 bis 211 n. Chr.) bestimmt haben, daß eine Frau, die absichtlich abgetrieben hat, m i t zeitlicher Verbannung zu bestrafen ist, w e i l es als u n gebührlich erscheinen kann, daß sie ihren Ehemann ungestraft u m die K i n der betrügt. A u f diese Aussage läßt sich die von v. Zeiller vertretene M e i nung gewiß nicht stützen. Dagegen scheint etwa Ulp. D 25, 4, 1, 1 zunächst eine solche Auffassung zu stützen. Der Zusammenhang macht jedoch deutlich, daß es u m ein anderes Problem geht. Dazu oben A n m . 19. iee y g i K l a n g - K o m m e n t a r 1155 (Hervorh. von mir), dazu oben bei A n m . 81. Die weiteren Ausführungen dort können jedoch nicht als zutreffend angesehen werden. 195
197
Dazu eingehend Bydlinski, Menschenrechte 91 f. Vgl. auch die Stellungnahme der Salzburger Landesregierung v o m 9.9.1974 zur Äußerung der Bundesregierung S. 10, dazu bereits oben bei den A n m . 82 f., T e x t unten Anhang C (die ursprünglichen Seitenzahlen sind i m Text i n K l a m m e r n angegeben).
I I I . Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein Leben
Was i m Rechtsbewußtsein der Welt noch bis vor kurzem als menschenunwürdiges Unrecht erkannt wurde (oben bei Anm. 181), das ist inzwischen bei uns i n einer noch viel weitergehenden Form, als selbst Hitler i n seinen Geheimerlässen anzuordnen wagte 1 9 9 , durch § 97 Abs. 1 Ζ. 1 des Strafgesetzbuches von 1974 Wirklichkeit geworden. Dem ungeborenen K i n d wurde durch diese Bestimmung für die ersten drei Monate ab der Empfängnis — eine in Wahrheit nicht genau abgrenzbare Z e i t 2 0 0 — der strafrechtliche Schutz seines Lebens ganz allgemein entzogen 201 . Dadurch wurde sein Recht auf Leben der faktisch freien Disposition der Mutter oder sonstiger am Tod des Kindes interessierter Personen anheimgestellt. Die ungeborenen Kinder wurden damit, i m Widerspruch zu dem i m § 22 ABGB verbrieften „Anspruch auf den Schutz der Gesetze", der beliebigen „Vernichtung ihres Lebens" preisgegeben. § 97 des neuen Strafgesetzes hat dadurch i m Verhältnis zum § 22 ABGB — und darüber hinaus auch i m Verhältnis zu unserer Grundrechtsordnung und zu den Grundlagen eines Rechtsstaates ganz allgemein — nach „ganz überwiegende(r) Auffassung" 2 0 2 , die auch ich teile, jedenfalls einen deutlichen „Wertungswiderspruch" 2 0 3 herbeigeführt. Es ließe sich dartun, daß damit auch ein wirklicher „Normenkonflikt" entstanden i s t 2 0 4 . 198
Dazu Bydlinski, Menschenrechte 91 f. I m Sinne der Einschränkung auf Vermögensrechte etwa Ministerialrat Dr. H. Ent, Verhandlungen des 6. ö s t e r reichischen Juristentages i n Innsbruck (1976) 11, 4. T e i l (1977) 54 f.; dazu auch Waldstein, ebendort 80; ferner unten A n m . 203. 190 Z u m Zusammenhang zwischen Euthanasie u n d Schwangerschaftsunterbrechung vgl. die Hinweise oben A n m . 114 u n d bei den A n m . 149 ff. sowie unten A n m . 201 ; ausführlich unten I V 1 c. 200 Dazu oben bei A n m . 144. 201 Der Reichsärzteführer Dr. Wagner, „hatte auf dem Parteitag . . . (1934) von H i t l e r die Genehmigung e r w i r k t , daß zur Verhütung erbkranken Nachwuchses außer der Sterüisation, . . . , auch die Schwangerschaftsunterbrechung angewandt werden konnte. Wagner richtete am 13. September 1934 ein v e r trauliches Rundschreiben an alle Gauamtsleiter des Amtes f ü r Volksgesundheit . . . " , so Gruchmann 239. Es hat also nicht Hitler selbst die Schreiben abgefaßt, sondern Dr. Wagner m i t Hitlers Billigung. Aber i m m e r h i n waren diese Maßnahmen auf die eugenische I n d i k a t i o n beschränkt. U n d selbst dagegen w u r d e n v o m Reichsinnenministerium „schwere rechtliche Bedenken" geäußert, die Hitler jedoch ablehnte (Gruchmann 239 f.). Die sachlichen Parallelen v o m SPÖ-Parteitag i n Villach (vgl. oben A n m . 1) bis zur Beschlußfassung über die „Fristenlösung" i m Nationalrat am 29. November 1973 u n d zu ihrer Fassung sind verblüffend, auch i n der A r t , wie über rechtliche Bedenken hinweggegangen wurde. 202 Vgl. Bydlinski, Menschenrechte 90. 203 Bydlinski, Menschenrechte 90. Vgl. auch Mayer-Maly, Verhandlungen des 6. österr. Juristentages (1976) I I , 4. T e i l (1977) 6; ferner dort 50 auch Bydlinski. 204 Z u m Problem der Normenkonflikte allgemein H. Kelsen, Recht u n d Logik, F O R U M X I I (1965) 421 bis 425 u n d 495 bis 500; abgedruckt i n : Die
70
I I I . Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein Leben
Der verehrte Jubilar, zu dessen Ehren dieses Symposion stattfindet, hat daher m i t vollem Recht bemerkt, daß die „Ungleichheit i n der Auffassung zwischen Zivilrecht und Strafrecht . . . eine juristische Ungereimtheit" ist. Und er fügt hinzu: „eine juristische Ungereimtheit, die die Vertreter der Rechtslehre uns zu erklären noch schuldig geblieben s i n d " 2 0 5 . Es ist wohl heute der gegebene Anlaß, eine solche Erklärung zu versuchen, zumal die von Heribert Berger m i t Recht gerügte „Ungereimtheit" an sich nicht schwer zu erklären ist. Vorweg möchte ich jedoch feststellen, daß diese „Ungereimtheit" nicht von „der Rechtslehre" stammt. Freilich kann auch nicht übersehen werden, daß jene seit dem vorigen Jahrhundert einsetzende Richtung der Rechtswissenschaft, die den inhaltlich nicht gebundenen Willen des staatlichen Gesetzgebers zur alleinigen Quelle des Rechtes erklärt hat und die i n Österreich noch stark nachwirkt, das ist der Rechtspositivismus i n seinen verschiedenen Formen, das Entstehen einer solchen „Ungereimtheit" theoretisch sehr begünstigte. Die „Ungereimtheit" selbst aber ist durch einen Gesetzgebungsakt entstanden. Dieser Gesetzgebungsakt wieder ist Ausdruck des politischen Willens der gegenwärtigen Nationalratsmehrheit. Dieser politische Wille war nun schlicht und einfach darauf gerichtet, den Frauen einen Weg zu eröffnen, auf dem sie sich innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft eines unerwünschten Kindes entledigen können. A u f bestehende Rechte wurde dabei keine Rücksicht genommen. Aber auch die seit der Antike erkannten und anerkannten Grundlagen einer staatlichen Ordnung überhaupt wurden außer Betracht gelassen. Daraus erklärt sich die entstandene Lage, die freilich noch viel mehr ist als „Ungereimtheit". Sie tastet in Wahrheit die Grundlagen unserer Rechtsstaatlichkeit an. Deswegen wurde m i t allen möglichen M i t t e l n versucht, ihr den Schein des Rechtes zu geben. Über die Verantwortung des Gesetzgebers i n diesem Zusammenhang w i r d gleich noch Herbert Schambeck sprechen 206 . Er hatte diese Verantwortung bereits in seiner großen Rede gegen die Fristenlösung i m Bundesrat am 6. Dezember 1973 klargestellt 2 0 7 . Ich möchte nur darauf hinweisen, daß immer dann, wenn der politische Wille eines Gesetzgebers bei der Verwirklichung seiner Ziele grundlegende Rechte zu mißachten beginnt, es mehr und mehr zu Normenkonflikten kommen muß, solange überhaupt noch Elemente einer rechtsstaatlichen Ordnung Wiener rechtstheoretische Schule, hrsg. von H. Klecatsky, R. Marcie und H. Schambeck I I (1968) 1469 bis 1497. 205 Menschenrechte 26. 206 Die Ausführungen Schambecks sind abgedruckt i n : A r z t und Christ 27 (1981) 98—103. 207 Sten. Prot, der 326. Sitzung des BR 9812—9821.
I I I . Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein Leben
vorhanden sind, i n der diese grundlegenden Rechte verwirklicht werden. Der Mensch hat aber nicht nur jene Rechte, die ihm der jeweilige Staat zuerkennt. Daher bleiben Normenkonflikte selbst dann bestehen, wenn der Staat die gesamte Rechtsordnung unter Mißachtung der vorgegebenen Rechte des Menschen ändern sollte. Das A B G B sagt i m § 16: „Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte". Insofern nun die ungeborenen Kinder gemäß § 22 ABGB als bereits „Geborene angesehen" werden, gilt das auch für sie. I m § 17 werden die angeborenen Rechte zu den „natürlichen Rechten" gezählt. Bereits i n der Antike ist, besonders scharf von Cicero, gesehen worden, daß kein Volk die Macht hat, auch nicht durch Mehrheitsbeschluß 208 , diese natürlichen Rechte aufzuheben. Gleichzeitig ist erkannt worden, daß jede der legitimen Verfassungsformen (Monarchie, Aristokratie oder Demokratie) gerade dann i n die ihr entsprechende Entartung (Tyrannis, Oligarchie oder Ochlokratie) umschlägt, wenn diese Rechte mißachtet werden 2 0 9 . Gleichwohl ist die Geschichte der Menschheit bis herauf i n unsere Gegenwart durch unzählige Mißachtungen der natürlichen Rechte überschattet. Sophokles hat in seiner Antigone eine solche Mißachtung i m gesetzgeberischen Willen Kreons besonders dramatisch gestaltet, „der nicht geboten hatte, töten zu lassen, sondern (,bloß' könnte man hinzufügen) verbot, einen Getöteten zu begraben" 2 1 0 . Und der König verlangt selbstverständlich die Respektierung seines Willens. Antigone aber hält ihm unter anderem vor: „ A u c h nicht so mächtig achtet' ich, was d u befahlst, / Daß d i r der Götter ungeschriebenes ewiges / Gesetz sich beugen müßte, der du sterblich bist. / Denn heute nicht u n d gestern erst, nein alle Zeit / Lebt dies, u n d niemand w u r d e kund, seit w a n n es i s t " 2 1 1 .
Und sie ging lieber i n den Tod, als dieses Recht wegen des königlichen Gebots zu mißachten. Minister a. D. Dr. Theodor Piffl-Perceviä hat nun den gesetzgeberischen Willen i m Zusammenhang m i t der 200 Cie. leg. 1, 43 f., u n d rep. 3, 33. Dazu unten bei den A n m . 337—341 m i t weiteren Hinweisen. 209 Vgl. Polyb. hist. 6, 3, 9 — 6, 4, 5. Dazu unten bei A n m . 351. 210 So Piffl-Perëeviâ , Zuspruch und Widerspruch (1977) 33. 211 Sophokles, Antigone Verse 451 bis 455; vgl. auch den weiteren T e x t ab Vers 444 bis 507. F ü r die Sache macht es keinen Unterschied, daß der von Sophokles gestaltete Vorgang nicht historisch ist; vgl. F. Stoessl, Der K l e i n e Pauly V (1975) 274. Entscheidend ist vielmehr, daß bereits Sophokles (497 bis 406/5 v. Chr.) das Problem so k l a r erkannt u n d i n der Tragödie so dramatisch gestaltet hat. Der T e x t ist zit. nach der Ubersetzung von J. J. Christian Danner, Goldmann 390 (1956). H.-U. Evers, Der Richter u n d das unsittliche Gesetz (1956) 1, hat die Verse 444 bis 468 gewissermaßen als M o t t o seiner U n t e r suchung an die Spitze der A b h a n d l u n g gestellt.
72
I I I . Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein Leben
„Fristenlösung" m i t Recht m i t jenem Kreons parallelisiert 2 1 2 . Diese Parallelisierung w i r d noch durch ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers Kreisky an den Präsidenten der österreichischen Ärztekammer auffallend unterstrichen. Bekanntlich hatte die österreichische Ärztekammer i m Hinblick auf die verbindlichen Normen der ärztlichen Ethik die Vornahme medizinisch nicht indizierter Abtreibungen „als ethisch nicht vertretbar" abgelehnt und erklärt, daß ein Arzt, der sie dennoch vornimmt sich „geistig und moralisch disqualifiziert, . . . , und daß das Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches daran nichts ändern w i r d " . Der Herr Bundeskanzler hat nun seinerseits dieses Festhalten an der durch internationale Beschlüsse normierten „Medizinischen Ethik" für „gesetzwidrig" erklärt und verlangt, daß die „Entscheidung des Gesetzgebers . . . respektiert" werde 2 1 3 . Wie bereits deutlich wurde, ist aber die medizinisch nicht indizierte Abtreibung keineswegs bloß „ethisch nicht vertretbar". I m Hinblick auf § 22 ABGB, der nach wie vor gilt, ist sie auch weiterhin gesetzwidrig, auch wenn ihre Strafbarkeit für eine bestimmte Zeit weggefallen ist. Dieser Wegfall der Strafbarkeit w i r d sicher zutreffend als ein bloßer „Strafausschließungsgrund" verstanden, nicht jedoch als ein „Rechtfertigungsgrund" 2 1 4 . Das heißt, die Abtreibung i m Rahmen der „Fristenlösung" ist lediglich nicht strafbar. Sie ist damit jedoch nicht rechtmäßig geworden. Bydlinski bemerkt m i t Recht: „Es ist ganz unstreitig, daß die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nach der gesamten Rechtsordnung und nicht etwa bloß nach Strafrechtsvorschriften zu beurteilen i s t " 2 1 5 . Es ist also i n Wahrheit nicht so, daß der Beschluß der Ärztekammer einfach „gesetzwidrig" war. Vielmehr mutet der Bundeskanzler den Ärzten nicht nur die Mißachtung der „Medizinischen Ethik" zu, sondern i m Hinblick auf § 22 A B G B gerade ein gesetzwidriges Verhalten. Aus dieser Gesetzwidrigkeit ergeben sich übrigens nicht unbedeutende Konsequenzen. Unter anderem ergibt sich daraus die Konsequenz, daß ein i m Rahmen der „Fristenlösung" auf Abtreibung gerichteter Vertrag m i t einem Arzt gemäß § 879 ABGB als ein gesetzwidriger Vertrag nichtig ist. Eine allfällige Klage, m i t der ein Honoraranspruch aus einem solchen Vertrag geltend gemacht würde, müßte aus diesem Grunde abgewiesen werden 2 1 6 . Freilich hat die Nationalratsmehrheit m i t § 97 Abs. 3 StGB weiter bestimmt, es dürfe niemand „wegen der Durch212
Zuspruch u n d Widerspruch 32 ff. Dazu bereits oben A n m . 117 und unten bei den A n m . 289 und 297. 214 Bydlinski, Menschenrechte 94. Vgl. dazu besonders auch Kägi, Medizin u n d Ideologie 183 f. Der ganze Beitrag dort 168 ff. ist sehr beachtlich. 215 Menschenrechte 94. 216 Vgl. Bydlinski, Menschenrechte 95. 213
I I I . Das
echt des ungeborenen Kindes auf sein Leben
führung eines straflosen Schwangerschaftsabbruchs . . . oder wegen der Weigerung, einen solchen . . . durchzuführen . . . , i n welcher A r t immer benachteiligt werden" 2 1 7 . Damit w i r d versucht, über die Aufhebung der Strafbarkeit hinaus auch alle sonstigen Rechtswidrigkeitsfolgen auf eine höchst problematische A r t zu beseitigen. Ich glaube aber nicht, daß m i t einem solchen Verbot von Nachteilen für die Durchführung der Abtreibung die objektiven Rechtswidrigkeitsfolgen gemäß § 22 ABGB beseitigt werden konnten. Zusammenfassend ist zu sagen: Das ungeborene K i n d hat auch jetzt noch vom Zeitpunkt seiner „Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze". Dieser Anspruch ist jedoch praktisch schwer durchzusetzen, obwohl er zweifellos de iure auch durch unsere Grundrechtsordnung geschützt ist. Nach überwiegender Meinung steht das ungeborene K i n d auch unter dem Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention, die bei uns auch als innerstaatliches Verfassungsrecht g i l t 2 1 8 . M i t allen diesen Rechten steht die Aufhebung des strafrechtlichen Schutzes für die ersten 3 Monate i m offenen Widerspruch. Aber selbst wenn unser Gesetzgeber nun daran ginge, alle einschlägigen Bestimmungen aufzuheben, die seinem politischen Willen noch entgegenstehen, bliebe dieser Anspruch immer noch i n den „natürlichen Rechten" begründet. Kein Gesetzgeber der Welt hat die Macht, daran etwas zu ändern. Solange aber ein Gesetzgeber diesem Anspruch widersprechende Normen aufrechthält und selbst, wie bei uns, der Verfassungsgerichtshof — anders als etwa das deutsche Bundesverfassungsgericht 219 — den Widerspruch dieser Normen zu unserer Grundrechtsordnung nicht feststellt, hängt es vom rechtlichen Gewissen aller ab, daß den Ungeborenen wenigstens der noch bestehende Schutz der Gesetze nicht vorenthalten wird. Dieses rechtliche Gewissen aufzurütteln, ist zweifellos eine eminent wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft. I m Hinblick auf die Probleme, die i n zahlreichen Staaten bereits über die Abtrei217 Die ausgelassenen Teile beziehen sich auf die „ M i t w i r k u n g daran". Die betreffenden Bestimmungen sind faktisch so ausgelegt worden, als wäre lediglich die Benachteiligung „wegen der Durchführung eines straflosen Schwangerschaftsabbruchs" v o m Gesetz verboten, während man die Weiger u n g u. a. m i t der Neufassung des Krankenanstaltengesetzes von 1974 durch den neuen Abs. 3 des §6 sogar gesetzlich zu verhindern suchte, obwohl gleichzeitig darauf hingewiesen w i r d , daß die „Anstaltsordnung" auch die „Weigerung" nicht „ m i t nachteiligen Folgen verbinden" darf. H i e r zeigt sich nochmals, w i e die Nationalratsmehrheit ihren W i l l e n m i t dem M i t t e l des Gesetzes auch unbekümmert u m die von i h r selbst vorher erlassenen Gesetze durchzusetzen versucht. 218 L i t . bei Schambeck, FS Messner 481 A n m . 186. Dazu auch oben bei den Anm. 115—117 u n d 133—139. 219 Dazu oben bei den A n m . 43—47.
74
I I I . Das Recht des ungeborenen Kindes auf sein Leben
b u n g hinaus i n der Euthanasiediskussion deutlich w e r d e n u n d ein V o r dringen der
Bedrohung
des Lebensrechtes
auch i n
diesem
Bereich
e r k e n n e n l a s s e n 2 2 0 , w i r d die Z u k u n f t u n s e r e r R e c h t s s t a a t l i c h k e i t w e s e n t l i c h d a v o n abhängen, w i e w e i t es noch g e l i n g t , das rechtliche G e w i s s e n w i e d e r z u w e c k e n 2 2 1 . N u r w e n n das i n w e i t e r e m M a ß e g e l i n g t als b i s her, w i r d auch b e i uns w i e d e r v o l l z u r G e l t u n g k o m m e n u n d f ü r die Z u k u n f t gesichert w e r d e n k ö n n e n , w a s der V w G H i n e i n e m a n d e r e n b e r ü h m t e n F a l l als K e n n z e i c h e n des Rechtsstaates f o r m u l i e r t h a t : „ E s s t e h t i m Rechtsstaat k e i n Mensch ü b e r d e m Recht u n d k e i n e r a u ß e r h a l b des R e c h t e s " 2 2 2 , u n d i c h d a r f h i n z u f ü g e n , auch n i c h t das u n g e borene K i n d .
220 Dazu Schambeck, FS Messner 489 ff. m i t weiteren Hinweisen; auch u n ten bei den A n m . 255 und 320. 221 Vgl. auch die Erkl. der Kongr. für die Glaubenslehre v o m 5. '5.1980 zur Euthanasie, A A S 72 (1980) 542—552, deutsch i n : L'Osservatore Romano, W o chenausgabe i n deutscher Sprache v o m 11. J u l i 1980, S. 12 f., i n der an „ein waches Bewußtsein von den Rechten der menschlichen Person" appelliert w i r d . Freilich k a n n das „rechtliche Gewissen" nicht losgelöst von der allgemeinen Gewissensbildung entwickelt werden. Aber die v o m Gesetz u n d vielen anderen Faktoren geförderte Vorstellung, daß dann, wenn etwas nicht strafbar ist, es auch rechtmäßig sei, birgt jedenfalls die Gefahr einer w e i t gehenden Abstumpfung des Gewissens i n sich, die zu einer fortschreitenden Zerstörung des Rechtsbewußtseins ganz allgemein führen muß. I n diesem Zusammenhang w i r d besonders deutlich, wie gravierend die Prämissen sind, die der V f G H bei seinem Fristenlösungserkenntnis annehmen mußte, u m zu seiner Entscheidung kommen zu können? dazu oben bei den Anm. 140—152, zum „Bewußtsein v o n der Schutzwürdigkeit des ungeborenen Lebens" oben A n m . 111. 222
Dazu oben bei und i n der A n m . 182.
I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I . 2 2 3 Pius XII. hat das Recht auf Leben als „eines der Grundgesetze" bezeichnet, „ohne die ein sicheres menschliches Zusammenleben unmöglich i s t " 2 2 4 . Seine zahlreichen Äußerungen zu den damit zusammenhängenden Fragen wurden besonders durch die Erfahrungen der Greuel der nationalsozialistischen Herrschaft und der kommunistischen Regime veranlaßt. Aber auch die heute stärker i n den Vordergrund tretenden Tendenzen der „Selbstsucht" und „der zügellosen Leidenschaften" 2 2 5 m i t der wachsenden „Neigung zur Brutalität gegenüber allem, was sich individuellen Ansprüchen i n den Weg s t e l l t " 2 2 6 , haben die wache Sorge Pius 9 XII. veranlaßt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf die fundamentale Bedeutung des Rechtes auf Leben hinzuweisen. Bei allen seinen Feststellungen hat er aus dem Schatz der allgemeinen Erkenntnis der Wahrheit und der ständigen Lehre der Kirche geschöpft. Er konnte sich besonders auf die Lehraussagen seiner unmittelbaren Vorgänger stützen. Der Erfahrungshintergrund, m i t dem er selbst konfrontiert war, hat ihn jedoch befähigt, gewisse Zusammenhänge noch klarer herauszuarbeiten, als dies vorher möglich gewesen war. Dies geschah in aller Regel bei der Behandlung spezieller Sachprobleme, auf welche die allgemeinen Grundsätze Anwendung fanden und bei dieser Gelegen223 Erschienen i n : Pius X I I . zum Gedächtnis, hrsg. von H. Schambeck (1977) 525—562. 224 Utz/Groner Nr. 1054. Die hier zitierte Stelle stammt aus einer Ansprache an die Mitglieder des Verbandes katholischer Hebammen Italiens über „Fragen der Ehemoral" v o m 29. Oktober 1951, A A S 43 (1951) 835—854; Utz/ Groner Nr. 1045—1102. Vgl. etwa auch Johannes Paul II.: „Ohne Menschenrechte keine Freiheit und kein Frieden", Ansprache vor der Vollversamml u n g der Vereinten Nationen i n New Y o r k am 2. Oktober 1979, i n : K . W o j t y l a , Johannes Paul II., Von der Königswürde des Menschen (1979) 311 ff. E n g l i scher Originaltext der Ansprache i n A A S 71 (1979) 1148 ff. (Z. 8 ff.). Vgl. auch den Hinweis unten A n m . 279. 225 I n einer Ansprache an die Vereinigung der kinderreichen Familien Italiens v o m 20. Januar 1958 über: „Die kinderreiche Familie i n der K r i t i k der modernen Zivilisation", A A S 50 (1958) 90—96, Utz/Groner Nr. 4762—4772, spricht Pius XII. von „Geiz u n d Selbstsucht", Utz/Groner 4769; i n einer an das „Centro Italiano d i studi per la Riconciliazione Internazionale" v o m 13. Oktober 1955 über „Koexistenz und Zusammenleben der Völker i n der Wahrheit und i n der Liebe", A A S 47 (1955) 764—775, Utz/Groner Nr. 6275— 6299, spricht er davon, daß „das Wollen der Menschen" dem Einfluß auch „der blinden Instinkte u n d der zügellosen Leidenschaften" unterliegen kann, Utz/Groner Nr. 6285. 228 Spaemann, ZRP 7 (1974) 49, dazu auch oben A n m . 179.
76
I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
heit selbst klargestellt wurden. Daher finden sich grundlegende Aussagen in einer Fülle verschiedener Ansprachen zu den verschiedensten Anlässen verstreut. Eine erschöpfende Würdigung aller dieser Aussagen wäre i m vorliegenden Rahmen unmöglich. Nicht einmal eine vollständige Dokumentation aller einschlägigen Erklärungen kann hier angestrebt werden. Ein Großteil des Materials ist durch die überaus verdienstvolle Sammlung von U tz! Gr oner zwar zugänglich gemacht, aber durch das Register nicht vollständig erschlossen. Diese Sammlung ermöglicht es jedoch, einige Grundlinien der Lehre Pius' XII. herauszuheben, die auch für die heutige Situation richtungsweisend sind. I n diesem Sinne möchte ich i m folgenden zunächst 1. das Recht auf Leben als allgemeines Grundrecht darstellen, 2. die Lehre zum Lebensrecht der Ungeborenen umreißen und 3. die wichtigsten Aussagen zum Recht des „lebensunwerten Lebens" und zum Problem der „Euthanasie" würdigen. Schließlich w i l l ich 4. versuchen, die i n der Lehre Pius' XII. hervortretenden Grundlinien kurz zusammenzufassen.
1. Das Recht auf Leben als allgemeines Grundrecht Der eingangs zitierte Satz steht i m Zusammenhang einer Darlegung des ursprünglichen und unverletzlichen Lebensrechtes eines jeden Menschen. Pius XII. sagt dort: „Schuldloses Menschenleben ist unantastbar, und jeder direkte E i n g r i f f i n dasselbe ist Verletzung eines der Grundgesetze, ohne die ein sicheres menschliches Zusammenleben unmöglich i s t " 2 2 7 .
Er bezieht sich unmittelbar vorher auf ein Dekret des Heiligen Offiziums vom 2. Dezember 1940 228 , das er selbst genehmigt hatte und i n dem eine Verletzung dieses Grundgesetzes als turi naturali ac divino positivo entgegengesetzt erklärt wird. Inzwischen ist das Grundrecht auf Leben zunächst durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen am 10.12.1948, A r t . 3, als ein Menschenrecht proklamiert worden. Die Europäische Menschenrechtskonvention hat dieses Grundrecht sodann i n ihrem A r t . 2 i m Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages positiviert. Vor allem bei der Auslegung dieser Bestimmung liegt es nahe, das Grundrecht auf Leben nach dem wahren oder mutmaßlichen Willen der Hohen Vertragschließenden Teile allein zu beurteilen, m i t dem Ergebnis, daß dieses Recht dort als nicht be227 TJtz/Groner Nr. 1054. Vgl. dazu auch unten A n m . 315 die Ausführungen von Bischof Graf von Galen. 228 A A S 32 (1940) 553 f., Text unten I I I 1.
1. Das Recht auf Leben als allgemeines Grundrecht
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stehend anzusehen wäre, wo es die an der Konvention beteiligten Staaten nicht anerkennen. Damit könnte sich der Inhalt dieses Grundrechtes mit dem Wandel von Auffassungen i n den beteiligten Staaten ändern. Gerade i n dieser Hinsicht ist es nun sehr wichtig, daß Pius XII. die von jeder staatlichen Zustimmung oder Positivierung unabhängige naturrechtliche Begründung des Grundrechtes auf Leben betont hat. Ferner hat er — abgesehen von den Problemen des eigentlichen Kriegsrechtes, auf die hier nicht eingegangen werden kann — das Problem der Todesstrafe von der Tötung unschuldigen Lebens streng auseinandergehalten. Sodann geht aus seinen Ausführungen der enge Zusammenhang zwischen Abtreibung und Euthanasie klar hervor. Und schließlich macht er deutlich, daß es i n aller Regel Selbstsucht und Zügellosigkeit sind, die auch zur Mißachtung des Lebensrechtes anderer führen. Diese verschiedenen Aspekte sollen nun etwas näher beleuchtet werden. a) Die naturrechtliche Begründung des Grundrechtes auf Leben
Allgemein w i r d die naturrechtliche Begründung völkerrechtlicher Normen besonders i n einer Ansprache an das „Centro Italiano di studi per la Riconciliazione Internazionale" 2 2 9 betont. Anknüpfend an eine frühere Ansprache 2 3 0 sagt Pius XII. zunächst, die früheren Darlegungen zusammenfassend : „ W i r hoben vor allem hervor, daß die geltenden Normen nicht ohne w e i teres aus dem W i l l e n der Völker abgeleitet werden können, w e i l ihre E i n i gung auf eine Forderung und einen A n t r i e b der Natur selbst zurückzuführen ist, w e i l folglich die Grundelemente f ü r die Regelung einer solchen Einigung den Charakter einer sittlichen Notwendigkeit annahmen, ihren Ursprung also i n der Natur selbst haben. W i r gaben zudem einige dieser Forderungen i m besonderen an: Das Recht auf Dasein, das Recht auf den Gebrauch der Güter der Erde zur Erhaltung des Lebens, . . .' < 2 3 1 .
Es ist hier nicht auf die weiteren Ausführungen zum Naturrecht selbst einzugehen. Sie sind Gegenstand einer gesonderten Darstellung i n diesem Band 2 3 2 . Wichtig ist i n diesem Zusammenhang nur die Betonung der Tatsache, daß die wesentlichen Grundrechte vor jeder Positivierung durch den Willen von Staaten als Bestandteil des Naturrechts ihre Anerkennung i n der einen oder anderen Form fordern. Ferner sagt er i n dieser Ansprache unter anderem: 229
Utz/Groner Nr. 6275—6299. A n den Verband der katholischen Juristen Italiens v o m 6. Dezember 1953 über „ D i e religiöse Toleranz i n einer Staatengemeinschaft", A A S 45 (1953) 794—802, Utz/Groner y insb. Nr. 3966. 281 Utz/Groner Nr. 6287. 232 D a m i t ist verwiesen auf den Beitrag von H. F. Köck, Das Naturrecht und die Menschenrechte bei Pius X I I . , Pius X I I . zum Gedächtnis 471—510. 280
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
„ M i t einem Worte, das Naturgesetz 2 3 3 ist die feste, gemeinsame Grundlage jeden Rechts u n d jeder Pflicht, die allgemeine, für jegliche Verständigung notwendige Sprache; es ist jenes oberste Berufungsgericht, das die Menschheit i m m e r ersehnt hat, u m den vorkommenden Zwisten ein Ende zu setzen" 2 8 4 . D i r e k t a u f das Lebensrecht bezogen s i n d i n diesem Z u s a m m e n h a n g w i c h t i g e Aussagen ü b e r G r u n d p r i n z i p i e n d e r ä r z t l i c h e n M o r a l i n e i n e r A n s p r a c h e a n die T e i l n e h m e r d e r sechzehnten S i t z u n g des i n t e r n a t i o nalen Dokumentationsbüros für Militärmedizin 235. Ausgehend von dem G r u n d p r i n z i p : „ z u h e l f e n u n d z u h e i l e n , u n d n i c h t z u schädigen u n d z u t ö t e n " 2 3 6 , sagt P i u s XII.
unter anderem:
„Ginge es u m Grundsätze, die allein v o m menschlichen W i l l e n bestimmt wären, so hätte ihre Verpflichtung keine größere K r a f t als die Menschen; sie könnten heute angebracht u n d morgen überholt sein; ein L a n d könnte sie annehmen, ein anderes ablehnen. Ganz anders verhält es sich, wenn die A u t o r i t ä t des Schöpfers m i t i m Spiel ist. U n d die Grundprinzipien der ärztlichen M o r a l sind ein T e i l des göttlichen Gesetzes" 287 . Pius XII. s p r i c h t h i e r z w a r n u r v o m „ g ö t t l i c h e n Gesetz", doch w i r d aus z a h l r e i c h e n a n d e r e n A u s s a g e n d e u t l i c h , daß, w o es u m das L e b e n s recht geht, d a r ü b e r h i n a u s d i e ebenfalls j e d e r V e r ä n d e r u n g entzogenen N a t u r r e c h t s n o r m e n m a ß g e b l i c h sind. I n e i n e r A n s p r a c h e a n die T e i l n e h m e r d e r X I . V o l l v e r s a m m l u n g d e r „ P a x R o m a n a " 2 3 8 sagt Pius
XII.:
„ . . . , . . . die gesunde V e r n u n f t reicht aus, u m die Rechtsgrundlagen der Menschen festzulegen sowie den unverletzlichen Charakter der Person, die Würde der Familie, die Vorrechte und Grenzen des Staates zu erkennen" 2 3 9 . I n V e r b i n d u n g m i t d e n eben a n g e f ü h r t e n A u s s a g e n i s t i n diesem Z u s a m m e n h a n g auch eine Aussage i n e i n e r Radioansprache a n d i e T e i l 283 Der italienische Originaltext, A A S 47 (1955) 769, hat „ l a legge naturale", der deutsche Ausdruck „Naturgesetz" ist stärker auf die kausalen N a t u r gesetze festgelegt, aber hier ist zweifellos das Naturgesetz i m Sinne der naturrechtlichen N o r m gemeint. Das geht auch aus dem weiteren Zusammenhang hervor. 234
Utz/Groner Nr. 6284. Uber „ M o r a l und Recht i n der M i l i t ä r m e d i z i n " v o m 19. Oktober 1953, A A S 45 (1953) 744—754; Utz/Groner Nr. 2350—2389. 236 Utz/Groner Nr. 2360. 287 Utz/Groner Nr. 2370. 238 Über „Die Aufgabe des katholischen Akademikers i n der Weltgemeinschaft" v o m 25. A p r i l 1957, A A S 49 (1957) 296—300; Utz/Groner Nr. 505(5—5065. 235
239 Utz/Groner Nr. 5062. Vgl. allgemein auch A. Verdross, Die Würde des Menschen und i h r völkerrechtlicher Schutz, Schriftenreihe Niederösterr. Jur. Ges., Heft 3, 1975.
1. Das Recht auf Leben als allgemeines Grundrecht
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nehmer des VII. Internationalen Kongresses katholischer Ä r z t e 2 4 0 besonders wichtig: „Ohne i n lange theoretische Betrachtungen abzuschweifen, möchten W i r Ihnen das wiederholen u n d bestätigen, was W i r schon häufig erklärt haben und was unsere Vorgänger einzuprägen niemals unterlassen haben: das Recht auf das Leben, das Recht auf die Integrität des Körpers und des Lebens, das Recht auf die hierzu erforderliche Sorge, das Recht auf Schutz gegen Gefahren, die diese bedrohen, empfängt der einzelne Mensch u n m i t t e l bar von seinem Schöpfer, nicht von einem anderen Menschen noch von G r u p pen von Menschen, nicht v o m Staat noch von einer Gruppe von Staaten, noch von irgend einer politischen M a c h t " 2 4 1 .
Auch seine weiteren Ausführungen i n dieser Ansprache sind sehr wichtig für die Aufdeckung und Zurückweisung irriger Auffassungen über das Verhältnis des Einzelmenschen zur Gemeinschaft. Hier geht es aber vor allem u m die Betonung der Ursprünglichkeit des Lebensrechtes. Wenn Pius XII. hier sagt, daß der einzelne Mensch dieses Recht „unmittelbar von seinem Schöpfer" empfängt, so ist auch hier ohne Zweifel die naturrechtliche Verankerung dieses Rechtes mitgemeint. I n der Sicht des Glaubens empfängt der Mensch alles von seinem Schöpfer. Dies besagt jedoch weder i n der Absicht Pius' XII. noch an sich etwas darüber, daß die i n Frage stehenden Werte, Güter oder Rechte i n ihrem eigenen Bestand von der Annahme des Glaubens an Gott abhingen 2 4 2 . Vielmehr reicht, wie Pius XII. i n dem oben wiedergegebenen Satz ausspricht, i n der Tat „die gesunde Vernunft" aus, u m diese Rechte auch dann zu erfassen, wenn man den Glauben an Gott nicht annehmen wollte oder könnte. Sie sind denn auch zu allen Zeiten völlig unabhängig vom Glauben von Menschen verschiedenster K u l t u r kreise erfaßt worden. I m Zusammenhang mit der Frage, ob „die Völker und die Einzelnen m i t Sicherheit wahrnehmen" können, „welche Richtung sie ihrem Handeln in Übereinstimmung m i t dem von der Natur aufgestellten Plan geben sollen" 2 4 3 , sagt Pius XII.: 240 Über „Der A r z t und das Recht" vom 11. September 1956, A A S 48 (1956) 677—686; Utz/Groner Nr. 5377—5394. 241 Utz/Groner Nr. 5379; vgl. auch 1054 und die Ausführungen i n der Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses der „ F r o n t der Familie" u n d des Verbandes der kinderreichen Familien v o m 26. November 1951 über „Fragen der Ehemoral", A A S 43 (1951) 855—860, Utz/Groner Nr. 1153, dazu unten A n m . 256, ferner die Ansprache über „Rechtliche u n d sittliche Fragen der Wiederbelebung" v o m 24. November 1957, A A S 49 (1957) 1027—1033, Utz/ Groner Nr. 6547, wo i m Zusammenhang m i t der V e r m u t u n g des Todes gesagt w i r d , daß man sich i m allgemeinen „an die Präsumption der Fortdauer des Lebens halten" w i r d , „ w e i l es sich u m ein Grundrecht handelt, das der Mensch v o m Schöpfer erhalten hat und von dem m i t Sicherheit nachgewiesen werden muß, daß es verlorengegangen ist". 242 Dazu Waldstein, A N R W I I 15 (1976) 23 ff. ; vgl. auch unten bei Anm. 292. 248 Utz/Groner Nr. 6295. Pius XII. sagt dort ausdrücklich: „ m a n muß sich
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
„Dazu ist es sehr nützlich, aus den Urkunden und Texten der Gesetzgebung die Gedanken der verflossenen Jahrhunderte, ja, W i r müssen sagen, Jahrtausende kennen zu lernen. Sie zeigen, daß die Erfordernisse des Z u sammenlebens der Völker i n den Grundlinien i m m e r dieselben gewesen sind, w e ü die menschliche N a t u r i m wesentlichen i m m e r die gleiche bleibt. Sie bezeugen ferner, daß sich i m m e r dieselben A k t e der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit wiederholen, i m privaten wie i m öffentlichen Leben, i m inneren Leben der Nationen w i e i n den zwischenstaatlichen Beziehungen" 2 4 4 . A u c h die g e g e n w ä r t i g e E r f a h r u n g b e s t ä t i g t die R i c h t i g k e i t dieser Aussage. N u r d r e i ß i g J a h r e nach d e n G r e u e l n der n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n H e r r s c h a f t geschehen dieselben D i n g e , die d a m a l s v o n n a h e z u a l l e n S t a a t e n d e r W e l t v e r u r t e i l t w u r d e n , i n fast a l l e n j e n e n Staaten, die sie d a m a l s v e r u r t e i l t haben. Ganze M e n s c h e n g r u p p e n w e r d e n sogar u n t e r d e m V o r w a n d d e m o k r a t i s c h e r M e h r h e i t des f ü r die E r h a l t u n g des Lebens n o t w e n d i g e n Schutzes b e r a u b t , psychischer u n d physischer T e r r o r w i r d i m N a m e n des Rechtes ausgeübt, u n d s e l b s t v e r s t ä n d l i c h v e r l a n g t e auch e i n Idi Amin, daß seine A k t e als r e c h t m ä ß i g a n e r k a n n t werden. b) Das Problem der Todesstrafe und die Tötung unschuldiger Menschen I n e i n e r A n s p r a c h e ü b e r „ d i e n a t u r r e c h t l i c h e n G r e n z e n der ä r z t l i c h e n Forschungs- u n d B e h a n d l u n g s m e t h o d e n " 2 4 5 sagt Pius XII., ausg e h e n d v o n d e r F e s t s t e l l u n g , daß die ö f f e n t l i c h e G e w a l t „ k e i n e r l e i V e r f ü g u n g s r e c h t " ü b e r die I n t e g r i t ä t der menschlichen P e r s o n h a t u n d d a h e r „ e i n solches auch k e i n e m Forscher oder A r z t e r t e i l e n " k a n n 2 4 6 : „Selbst i m F a l l der Hinrichtung eines zum Tod verurteilten Verbrechers verfügt der Staat nicht über das Lebensrecht eines Einzelmenschen. Es ist der öffentlichen A u t o r i t ä t i n diesem Falle vorbehalten, den Verurteilten zur bei dieser Aufgabe vor bloßen Annahmen und Vermutungen hüten. Die großen Richtlinien sind durch die klare Kenntnis und die Betrachtung der N a t u r des Menschen, der N a t u r der Dinge sowie der sich daraus ergebenden Beziehungen u n d Erfordernisse gegeben" (Hervorh. von mir). Vgl. zum allgemeinen Problem besonders Schambeck, der Begriff der „ N a t u r der Sache" (1964). Weitere L i t . bei Henkel, Rechtsphilosophie 371. 244 Utz/Groner Nr. 6286. I n einer Ansprache an Kongreßmitglieder der USA-Regierung v o m 4. Dezember 1949 über „Christentum und Menschenrechte", Utz/Groner Nr. 362, sagt Pius XII. unter anderem, daß „die ersten Apostel der werdenden Kirche Christi durch kaiserliche Tyrannen gehetzt u n d gemartert wurden, w e i l sie lehrten, daß ^Lie_ unsterbliche Seele des Menschen, erschaffen nach dem Bilde ihres Schöpfers, i h m eine angeborene Würde und Rechte verleihe, die keine irdische Macht erlaubterweise antasten darf". 245 A n die Teilnehmer des Ersten Internationalen Kongresses f ü r Histopathologic des Nervensystems v o m 14. September 1952, A A S 44 (1952) 779— 789. Utz/Groner Nr. 2252—2286. 246 Utz/Groner Nr. 2279.
1. Das
echt auf Leben als allgemeines Grundrecht
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Sühne seines Verbrechens des Lebensgutes zu berauben, nachdem er sein Lebensrecht bereits durch das Verbrechen v e r w i r k t h a t " 2 4 7 . H i e r f o l g t Pius XII. der seit d e r A n t i k e v e r t r e t e n e n A u f f a s s u n g , daß der Mensch d u r c h die M i ß a c h t u n g u n d V e r l e t z u n g der Hechte a n d e r e r sein eigenes Recht v e r l i e r e n k a n n u n d d a m i t auch d e n Schutz der R e c h t s o r d n u n g v e r w i r k t . W e n n auch n i c h t a u f die Todesstrafe selbst bezogen, so doch a u f d e m selben G r u n d g e d a n k e n b e r u h e n d , sieht auch die M R K i m A r t . 2 A b s . 2 l i t . a — c F ä l l e v o r , i n d e n e n d i e T ö t u n g eines Menschen n i c h t als V e r l e t z u n g des A r t . 2 b e t r a c h t e t w i r d . Es h a n d e l t sich d u r c h w e g s u m F ä l l e , i n d e n e n d e r B e t r o f f e n e d u r c h sein eigenes H a n d e l n sich a u ß e r h a l b des Rechtes gestellt u n d d a m i t d e n Schutz der R e c h t s o r d n u n g f ü r sich selbst — auch f ü r sein L e b e n — v e r w i r k t h a t 2 4 8 . Es ist h i e r n u n n i c h t d e r O r t , die P r o b l e m e der Todesstrafe selbst z u d i s k u t i e r e n . Tatsache ist jedoch, daß d u r c h d i e ganze Geschichte der M e n s c h h e i t u n d i n w o h l a l l e n K u l t u r k r e i s e n gesehen u n d a n e r k a n n t w u r d e , daß e i n Mensch d u r c h V e r b r e c h e n sein Recht a u f L e b e n v e r w i r k e n k a n n . G l e i c h z e i t i g w u r d e aber i n der Regel gesehen, daß die T ö t u n g eines u n s c h u l d i g e n Menschen z u d e n v e r a b s c h e u u n g s w ü r d i g s t e n V e r b r e c h e n g e h ö r t 2 4 9 . W ä h r e n d sich also f ü r die Todesstrafe i m m e r h i n r e c h t f e r t i g e n d e G r ü n d e a n f ü h r e n lassen, k ö n n e n f ü r die T ö t u n g u n s c h u l d i g e r Menschen rechtliche G r ü n d e sicher n i c h t g e l t e n d gemacht w e r d e n . Solange sich e i n Mensch keines t o d e s w ü r d i g e n Verbrechens 247
Utz/Groner Nr. 2280. I m Abs. 2 des A r t . 2 heißt es: „Die Tötung w i r d nicht als Verletzung dieses A r t i k e l s betrachtet, w e n n sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) u m die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) u m eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) u m i m Rahmen der Gesetze einen A u f r u h r oder Aufstand zu unterdrücken." I n allen diesen Fällen w i r d rechtswidriges Verhalten des Betroffenen vorausgesetzt. I m Sinne der M R K k a n n diese Rechtswidrigkeit auf der einen Seite u n d die Gesetzmäßigkeit des Einschreitens auf der anderen Seite sich nicht allein nach formalen K r i t e r i e n der Gesetzmäßigkeit richten. Sonst müßten auch die Erschießungen an der Berliner Mauer als M R K - k o n f o r m angesehen werden. I n allen diesen Fällen w i r d auf der einen Seite ein Wesensbestand des Grundrechtes vorausgesetzt, und auf der anderen Seite ein Einschreiten, das nach objektiven K r i t e r i e n der rechtlichen Ordnung gerechtfertigt ist. 248
249 Besonders i n der Entwicklung des römischen Strafrechts hat das Problem der Tötung eines unverurteilten Bürgers eine große Rolle gespielt. Vgl. dazu etwa W. Kunkel, Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens i n vorsullanischer Zeit (1962) 87 f.; dazu etwa 12 Tafeln 9, 6: Interfici enim indemnatum quemcunque hominem etiam XII tabularum decreta vetuerunt; u n d Aug. civ. 1, 19: Vos appello, leges iudicesque Romani. Nempe post perpetrata facinora nec quemquam scelestum indemnatum inpune voluistis occidi. Si ergo ad vestrum iudicium quisquam deferret hoc crimen vobisque probaretur non solum indemnatam, verum etiam castam et innocentem, interfectam esse mulierem, nonne eum, qui id fecisset, severitate congrua plecteretis?
6 Waldstein
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I V . Das
echt auf Leben bei Pius X I I .
schuldig macht, ist sein Leben unantastbar. Pius XII. vollem Recht:
sagt daher mit
„ D a r u m gibt es keinen Menschen, keine menschliche Autorität, keine Wissenschaft, keine medizinische, eugenische, soziale, wirtschaftliche oder e t h i sche ,Indikation 4 , die einen Rechtstitel darstellen oder geben könnte zu einer direkten, überlegten Verfügung über schuldloses Menschenleben, das heißt eine Verfügung, die auf Vernichtung abzielt, sei sie Selbstzweck, sei sie M i t t e l für einen anderen Zweck, der an sich vielleicht nicht unerlaubt ist. So ist zum Beispiel die Rettung des Lebens der M u t t e r ein sehr edles Ziel; aber die direkte Tötung des Kindes als M i t t e l zu diesem Ziel ist nicht erlaubt. Die direkte Zerstörung des sogenannten ,lebensunwerten Lebens', ob geboren oder noch nicht geboren, w i e sie vor einigen Jahren i n größtem Ausmaß geübt wurde, läßt sich i n keiner Weise rechtfertigen. Als d a r u m diese Praxis begann, hat die Kirche i n aller F o r m als dem natürlichen und positiv göttlichen Recht entgegen u n d darum als unerlaubt erklärt, selbst w e n n es auf Anordnung der öffentlichen A u t o r i t ä t geschieht, diejenigen zu töten, die zwar schuldlos, aber wegen physischer oder psychischer Mängel f ü r die Nat i o n keinen Nutzen, sondern vielmehr eine Belastung darstellen 2 5 0 . Schuldloses Menschenleben ist unantastbar, und jeder direkte E i n g r i f f i n dasselbe ist Verletzung eines der Grundgesetze, ohne die ein sicheres menschliches Zusammenleben unmöglich i s t " 2 5 1 .
Auf dem Hintergrund dieser Feststellungen stellt sich eine gegenwärtige Entwicklungstendenz als ein verhängnisvoller Irrweg dar: A u f der einen Seite w i r d es nämlich als ein Fortschritt der Menschlichkeit gepriesen, daß man nun endlich dazu gekommen ist, nicht einmal durch schwerste Verbrechen i n höchstem Maße schuldig gewordene Menschen des „Lebensgutes" zu berauben. Deshalb wurde die Todesstrafe weitgehend abgeschafft. A u f der anderen Seite betrachtet man es i n zahlreichen Staaten, die sich demokratisch nennen, als geradezu selbstverständlich, daß es den Menschen zusteht, vollkommen unschuldiges Leben ihrem eigenen Wohlergehen und ihrer eigenen Bequemlichkeit zu opfern. Was noch vor dreißig Jahren als Verbrechen verurteilt wurde, kann heute durch Mehrheitsentscheidungen von Parlamenten demokratischer Staaten ermöglicht werden, und man glaubt allen Ernstes, daß solche Gesetzgebungsakte aus dem Verbrechen rechtmäßige oder doch nicht strafbare Akte machen können. I n Wahrheit entspricht es dem Wesen menschlicher Grundrechte — und das zeigt auch die Erfahrung der Geschichte —, daß durch solche Vorgangsweisen an ihrem Bestand nichts geändert werden kann. Vielmehr begeben sich Staaten, die diese Grundrechte selbst durch Gesetzgebungsakte zu mißachten beginnen, auf einen Weg, auf dem sie aufhören, Rechtsstaaten zu sein 2 5 2 . 250 251 252
Vgl. auch unten 3 a. Utz/Groner Nr. 1054. Dazu oben bei den A n m . 27—31 u n d 179 f.; allgemein dazu unten V.
1. Das Recht auf Leben als allgemeines Grundrecht
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c) Der Zusammenhang zwischen Abtreibung und Euthanasie B e r e i t s aus d e m z u l e t z t z i t i e r t e n A b s a t z g e h t der enge Z u s a m m e n h a n g zwischen A b t r e i b u n g u n d E u t h a n a s i e h e r v o r . D i e m o d e r n e E m b r y o l o g i e h a t m i t e i n e r K l a r h e i t , die k e i n e n R a u m f ü r Z w e i f e l l ä ß t , festgestellt, daß das menschliche L e b e n v o n seinem B e g i n n b e i der E m p f ä n g n i s bis z u seinem E n d e m i t d e m Tode eine E i n h e i t b i l d e t 2 5 3 . W e n n m a n den Schutz f ü r unschuldiges menschliches L e b e n a n e i n e m P u n k t — aus w e l c h e n G r ü n d e n i m m e r — f a l l e n l ä ß t , h a t m a n die Unantastbarkeit menschlichen Lebens grundsätzlich preisgegeben. Es b l e i b t d a n n n u r m e h r eine F r a g e d e r Z w e c k m ä ß i g k e i t , a n w e l c h e n a n d e r e n P u n k t e n m a n diesen Schutz ebenfalls e n t z i e h t oder n i c h t e n t z i e h t 2 5 4 . D a h e r i s t es eine n o t w e n d i g e logische F o l g e des Entzuges des Rechtsschutzes f ü r U n g e b o r e n e , daß n u n aus ganz ä h n l i c h e n Z w e c k m ä ß i g k e i t s g r ü n d e n i n v i e l e n S t a a t e n b e r e i t s die M ö g l i c h k e i t der E u t h a nasie ins A u g e gefaßt, p r o p a g i e r t u n d sogar bereits i n Gesetzesanträgen vorgesehen w i r d 2 5 5 . A u c h h i e r w i r d also, w a s noch v o r d r e i ß i g J a h r e n 253 Vgl. oben bei den A n m . 10—36 und 78—117; auch: The Position of Modern Science on the Beginning of H u m a n Life, i n : Beginning of H u m a n Life, w o i n kurzer F o r m m i t Belegen die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefaßt werden; ferner Schambeck, FS Messner insb. 485, u n d neuerdings L'Osservatore Romano, Wochenausgabe i n deutscher Sprache v o m 27. M a i 1977, S. 9. Vgl. dazu auch oben bei und i n A n m . 143 sowie unten 2 b. 254 Daher mußte auch der V f G H i n seiner Begründung des Fristenlösungserkenntnisses Prämissen annehmen, aus denen dies notwendig folgt, vgl. dazu oben bei den A n m . 149—152. 255 K. Whitehead , Respectable K i l l i n g , The New A b o r t i o n Imperative (1972) 47 f., mußte schon damals darauf hinweisen, daß i n einzelnen Teilstaaten der USA die Euthanasie bereits für Schwerkranke gesetzlich zugelassen wurde. Whitehead berichtet weiter von einem Gesetzesantrag i m Staate Florida (USA), der die Euthanasie auch für den F a l l vorsieht, daß der K r a n k e sie nicht wünscht. Wenn drei Ärzte zu der Uberzeugung kommen, daß das Leben eines Menschen sinnlos (meaningless) geworden ist, dann sollte diese Entscheidung m i t Zustimmung eines Richters „vollstreckt" werden dürfen. Derselbe Arzt, Dr. W. W. Sackett, der diesen Gesetzesvorschlag eingebracht hatte, erhielt von 3000 Delegierten einer vom Weißen Haus über das Problem des Alterns veranstalteten Konferenz i m November 1971 Applaus, als er erklärte, „ t h e medical profession should ,make the death process more comfortable and dignified'", Whitehead 48. A u f dem H i n t e r g r u n d seines Gesetzes an träges ist der I n h a l t dieser Formel leicht zu erraten. Nach einem m i r i m Manuskript zugänglich gemachten Bericht von M. Taylor v o m 28. Januar 1977 waren i m Jahre 1976 bereits i n 21 Staaten der USA „Death w i t h D i g n i t y or Right to Die bills" eingebracht. V o n diesen Gesetzesanträgen wurde jedoch n u r das „Death w i t h Dignity"-Gesetz des Staates California angenommen, das m i t dem 1. Januar 1977 i n K r a f t getreten ist. Es w i r d allgemein als ein erster kleiner Schritt i n Richtung einer umfassenderen Regelung angesehen, die w o h l i m Endergebnis etwa so aussehen dürfte, w i e der A n t r a g für den Staat Florida es vorsieht. F ü r die Situation i n Europa äußerst aufschlußreich ist Eser, Suizid. I n diesem 432 Seiten umfassenden Band sind Beiträge eines Symposiums vereinigt, das 1975 an der Universität Bielefeld stattfand und an dem „ r u n d 35 Forscher aus allen human- u n d sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die von der Suizid- u n d EuthanasieProblematik berührt werden, aus dem I n - und Ausland" teilgenommen
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
v o n n a h e z u a l l e n z i v i l i s i e r t e n S t a a t e n als v e r a b s c h e u u n g s w ü r d i g e s V e r brechen angesehen w u r d e , n u n m e h r i n e b e n denselben S t a a t e n i n den B e r e i c h m ö g l i c h e r M a ß n a h m e n i m Z u g e des „ F o r t s c h r i t t s d e r Menschl i c h k e i t " einbezogen. G e g e n ü b e r diesen V e r f a l l s e r s c h e i n u n g e n b l e i b e n j e n e G r u n d s ä t z e i m m e r g ü l t i g , die Pius XII. besonders i n d e n f o l g e n d e n W o r t e n ausgedrückt hat: „Das schuldlose menschliche Leben, ganz gleich i n welchem Zustand es sich befindet, ist vom ersten Augenblick seiner Existenz an jedem direkten Angriff entzogen. Dies ist ein Grundrecht der menschlichen Persönlichkeit und nach christlicher Lebensauffassung von allgemeiner Gültigkeit, ebenso gültig für das Leben, das noch verborgen i m Mutterschoß ruht, wie f ü r das schon zur Welt gekommene Leben; ebenso gültig gegen die direkte A b t r e i b u n g w i e gegen die direkte Tötung des Kindes vor, während und nach der G e b u r t " 2 5 6 . Pius XII. b e t o n t h i e r die christliche Lebensauffassung, w e i l er sich i n der b e t r e f f e n d e n A n s p r a c h e a n w o h l g r o ß t e i l s k a t h o l i s c h e oder j e d e n f a l l s c h r i s t l i c h e Z u h ö r e r w e n d e t . Das k a n n aber, w i e schon o b e n (1) d a r g e t a n w u r d e , n i c h t bedeuten, daß dieses G r u n d r e c h t selbst a u f der haben (dort 1). Tendenziell k a n n m a n die Ergebnisse als „Lockerungsübungen" am Grundsatz des Schutzes menschlichen Lebens bezeichnen, m i t denen ein Bewußtseinswandel i n Richtung jener neuen E t h i k herbeigeführt werden soll, die das Töten nicht mehr grundsätzlich ablehnt (dazu unten A n m . 285). Kennzeichnend f ü r die Situation ist der Antrag, „eine Entschließung zu § 216 des deutschen S t G B zu fassen, wonach dem § 216 ein dritter Absatz hinzugefügt werden solle", f ü r den folgender Wortlaut vorgesehen w u r d e : „ I s t die i n Abs. I oder I I genannte Tat n u r aus M i t l e i d m i t den qualvollen Schmerzen eines unheilbar K r a n k e n begangen worden, so k a n n von Strafe abgesehen werden." Es w i r d dann bemerkt: „ Z w a r stimmten die Teilnehmer zum Teil m i t dem i n diesem Vorschlag ausgedrückten Gedanken überein, man hielt jedoch nach eingehender Diskussion (Weis, Kautzky, Eser, Häring, Τ wy cross, Kaiisch, v. Lutterotti, Bringewat, Wallace) den Z e i t p u n k t für eine solche Entschließung noch für verfrüht" (dort 422, zweite Hervorh. von mir). Vgl. ferner Fritsche/Goulon/Eser/Braun/Riquet, Das Recht auf einen menschenwürdigen Tod? L e malade — le médicin — la mort, Rechtsstaat i n der Bewährung Bd. 3 (Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission, Vorträge und Diskussionsbeiträge der deutsch-französischen Juristenkonferenz am 27./28. November 1976 i n Straßburg, 1977). 256 utz/Groner Nr. 1112 f., Hervorh. von m i r , vgl. auch oben A n m . 241. Pius XII. verkennt nicht die Notwendigkeit einer Differenzierung nach Altersstufen f ü r verschiedene Rechtsfolgen u n d sagt weiter: „ W i e begründet auch die Unterscheidung zwischen diesen verschiedenen Entwicklungsstufen des geborenen oder noch nicht geborenen Lebens sein mag i m profanen wie kirchlichen Recht u n d für gewisse bürgerliche und strafrechtliche Folgen, — nach dem Sittengesetz handelt es sich i n a l l diesen Fällen u m ein schweres u n d unerlaubtes A t t e n t a t auf das unverletzliche menschliche Leben." Die v o r h i n genannte Differenzierung k a n n also niemals das Lebensrecht an sich i n Frage stellen, sondern n u r sekundäre Folgen der Entwicklungsstufe betreffen, so etwa das Eintreten gewisser rechtlicher Wirkungen oder auch Differenzierungen i n der Höhe der Strafe bei Abtreibung u n d Kindesmord oder dergl.
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christlichen Lebensauffassung beruht und daher nach einer anderen Lebensauffassung unbeachtet bleiben dürfte. Daher sagt Pius XII. i n einer anderen Ansprache kategorisch: „Das ärztliche Recht k a n n darum niemals gestatten, daß der A r z t oder der Patient die direkte Euthanasie zur Anwendung bringen, u n d zwar darf der A r z t diese weder bei sich selber noch bei anderen anwenden. Das gilt auch für die direkte Tötung der Leibesfrucht sowie f ü r diejenigen ärztlichen Handlungen, die i m Widerspruch stehen zu den deutlich offenbarten g ö t t l i chen Gesetzen. I n dieser ganzen Materie k o m m t dem ärztlichen Recht k e i nerlei A u t o r i t ä t zu, und der A r z t ist nicht verpflichtet, i h m zu gehorchen. Ganz i m Gegenteil muß er sich darüber hinwegsetzen" 2 5 7 .
Auch hier w i r d der Zusammenhang zwischen Euthanasie und Abtreibung deutlich. Es geht in beiden Fällen um den einen Schutz des menschlichen Lebens. Die diesbezüglichen Normen des natürlichen und des göttlichen Rechts kann „keine menschliche Autorität" außer K r a f t setzen, wie Pius XII. i n dem oben (2) zitierten Text besonders klar betont hat. Sie kann diese Rechte nur faktisch mißachten. Normen auch des ärztlichen Rechts können an dieser Tatsache nicht vorbei. Wenn sie mit den grundlegenden Normen des Naturrechts oder des göttlichen Rechts i n Widerspruch geraten, können sie keine Verbindlichkeit i n Anspruch nehmen 2 5 8 . d) Selbstsucht und Leidenschaften als Ursachen für die Mißachtung des Grundrechtes auf Leben
I n Übereinstimmung m i t der gesamten Erfahrung der Menschheit und m i t der ganzen Lehre der Kirche seit Anbeginn betont Pius XII. mehrfach, daß die Ursachen der Mißachtung des Lebensrechtes anderer — ebenso wie vieler anderer Verirrungen — vor allem i n der Selbstsucht und i n zügellosen Leidenschaften liegen. I n der schon mehrfach zitierten Ansprache über „Koexistenz und Zusammenleben der Völker i n der Wahrheit und i n der L i e b e " 2 5 9 findet sich i m Zusammenhang m i t den Darlegungen über das Naturrecht als „Grundlage jeden Rechts und jeder Pflicht" die folgende Feststellung: „Das Zusammenleben, nicht weniger als die private Lebensführung des Einzelnen, regelt sich also nicht automatisch von selbst, etwa so w i e das von der Triebkraft des Instinkts bestimmte Gesellschaftsleben der Bienen, es w i r d vielmehr letztlich durch das bewußte Wollen der V ö l k e r selbst bestimmt oder, besser gesagt, durch das Wollen der Menschen, die das V o l k ausmachen. N u n k a n n aber dieses Wollen dem Einfluß von zwei verschie257 Utz/Groner Nr. 5389; v g l auch 5384 (Text unten bei 3 a). 258 v g i # dazu auch unten 2 c u n d d zum Brief von Bundeskanzler Kreisky an den Präsidenten der österreichischen Ärztekammer. 259
Utz/Groner
Nr. 6275/6299.
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denen und entgegengesetzen K r ä f t e n unterliegen, dem der V e r n u n f t und des ruhigen Urteils und dem der blinden Instinkte u n d der zügellosen L e i denschaften" 2 6 0 .
Der Hinweis auf die Vernunft ist zweifellos i m Zusammenhang zu sehen m i t der bereits oben (1) wiedergegebenen Feststellung, daß „die gesunde Vernunft" ausreicht, „ u m die Rechtsgrundlagen der Menschen festzulegen", natürlich auch, um sie vorher zu erkennen. Die zügellosen Leidenschaften aber trüben den Blick für das, was der Mensch an sich zu erkennen fähig wäre (dazu soll gleich noch eine repräsentative Aussage aus der vorchristlichen Antike als Beispiel für die allgemeine Menschheitserfahrung angeführt werden). Der menschliche Geist, der von den Leidenschaften beherrscht wird, w i r d aber nicht nur unfähig, das Richtige zu erkennen. Er entwickelt darüber hinaus auch die Vorwände, die das, was er gerade tut, als das Richtige erscheinen lassen sollen. Das hat Pius XII. i m Zusammenhang m i t dem Überbevölkerungsproblem m i t folgenden Worten besonders klargestellt: „Die Überbevölkerung ist daher kein stichhaltiger G r u n d für die Verbreit u n g von unerlaubten P r a k t i k e n der Geburtenkontrolle, sondern vielmehr ein Vorwand, u m Geiz und Selbstsucht zu rechtfertigen, sei es jener Nationen, die i n der Expansion der anderen eine Gefahr f ü r die eigene politische Hegemonie u n d ein Absinken des Lebensstandards fürchten, sei es der E i n zelpersonen, vor allem der m i t Glücksgütern am meisten versorgten, die einen möglichst großen Genuß der irdischen Güter dem R u h m und Verdienst, neues Leben zu wecken, vorziehen. So k o m m t man dazu, die klaren Gesetze des Schöpfers m i t dem V o r w a n d zu brechen, man müsse die eingebildeten I r r t ü m e r seiner Vorsehung korrigieren" 2 6 1 .
I m weiteren Text führt er dann aus, was wirklich zu tun wäre, um der Not in der Welt zu steuern. Die von den Päpsten unermüdlich dargelegten Heilmittel gegen die wahren Übel i n der Welt sind jedoch kaum ernstlich angewandt worden. Statt dessen hat der menschliche Geist geglaubt, selbst bessere Wege finden zu können. Bereits Pius XI. mußte i n seiner Enzyklika „Casti connubii", i n der er die Grundlagen einer dem Naturrecht und dem göttlichen Willen entsprechenden Ehe dargelegt hat, zusammenfassend feststellen: „Zugleich haben w i r m i t Schmerz wahrnehmen müssen, wie der liebevolle P l a n der göttlichen Güte von menschlichen Leidenschaften, I r r t ü m e r n und Lastern gegenwärtig allenthalben vereitelt und m i t Füßen getreten w i r d " 2 6 2 .
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Utz/Groner Nr. 6285. Utz/Groner Nr. 4769. 262 Abgedruckt i n : Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII. t Deutsche Ausgabe des französischen Originals besorgt von A. Rohrbasser (1953), Nr. 1724 i n der durchgehenden Zählung. 261
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Er weist darauf hin, daß alle diese Dinge i m Namen des Fortschritts der Wissenschaft und der Freiheit um sich greifen und „als die höchsten Errungenschaften des modernen Geistes angepriesen" werden 2 6 3 . Was würde er erst gesagt haben, wenn ihm die heutige Situation bereits bekannt gewesen wäre! Die Tendenzen, die zu dieser Situation geführt haben, sind jedoch damals ebenso klar gewesen, wie sie es i m Laufe der Menschheitsgeschichte an sich immer waren. Man glaubt heute nur weitgehend, man könnte die Dinge durch bloße Umbenennung in ihrem Wesen ändern und damit aus Laster Tugend und aus I r r t u m Wahrheit machen. Wollte man sich heute die Mühe nehmen, die diesbezüglichen Aussagen der Päpste bis zum heutigen Tag wirklich gewissenhaft zu erwägen und dann gemäß der Lehre der Kirche zu handeln, würde man gleichzeitig klar erkennen, welche Bewandtnis es m i t vielen Dingen hat, die heute als Fortschritt angepriesen werden. Die Aussagen der Päpste entsprechen aber nicht nur der durch die Lehre der Kirche begründeten Überzeugung des Oberhauptes einer Religionsgemeinschaft, um die sich niemand zu kümmern brauchte, der dieser Religionsgemeinschaft nicht angehört. Vielmehr sind sie Ausdruck der einen Wahrheit, die, soweit sie nicht unmittelbar auf der Offenbarung beruht, als natürliche Wahrheit an sich jedermann zugänglich ist. Sie ist daher auch bereits i n der vorchristlichen Antike klarer erkannt worden als vielfach heute. So hat etwa der griechische Dichter Hesiod bereits u m 700 v. Chr. m i t seiner dichterischen Intuition erkannt, daß der Untergang des Menschengeschlechtes eintreten wird, „wenn der Verfall der Sitte vollständig und die Zeit der schamlosen Gewalttäter gekommen ist", wie H. Schwabl die Ausführungen Hesiods zusammenfaßt 264 . Besonders eindrucksvoll zeigt jedoch Cicero den Zusammenhang zwischen der Selbstsucht und den Leidenschaften — er spricht von der auf diesen Fehlhaltungen beruhenden Genußsucht (voluptas) — einerseits und dem nicht genügenden Erkennen dessen andererseits, was von Natur aus gut ist. I n seinem Werk über die Gesetze behandelt er unter anderem den Unterschied zwischen gerechten (guten) und ungerechten (schlechten) 263 Heilslehre der Kirche 1684; vgl. auch insb. 1705, w o Pius XI. i m Z u sammenhang m i t dem „Gottesgebot: Du sollst nicht ehebrechen!", folgendes sagt: „ K e i n e menschlichen Gepflogenheiten, keine verkehrten Beispiele, keine A r t angeblichen menschlichen Fortschrittes können jemals die Verpflichtung dieses Gottesgebotes entkräften. Denn gleichwie ein u n d der selbe Jesus Christus gestern, heute und in alle Ewigkeit, so bleibt auch Christi Lehre immer die gleiche, kein Jota von ihr wird vergehen, bis alles geschieht" (Hervorh. i m Original). Dasselbe gilt natürlich auch hinsichtlich des Lebensrechtes, w i e auch Papst Paul VI. erklärt hat. Vgl. etwa n u r seine i n der E r k l ä r u n g der Kongregation f ü r die Glaubenslehre über den Schwangerschaftsabbruch i n Nr. 7 bei A n m . 18 wiedergegebene Feststellung (unten 2 a bei A n m . 279). 264 Der Kleine Pauly, L e x i k o n der A n t i k e I I (1967) 1115, Hesiod, Erga 174— 201.
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
Gesetzen u n d die F r a g e nach d e r E x i s t e n z u n d E r k e n n b a r k e i t
objek-
t i v e r , i n der N a t u r selbst gelegener K r i t e r i e n f ü r i h r e U n t e r s c h e i d u n g 2 6 5 . I n diesem Z u s a m m e n h a n g sagt er zunächst: „ W e n n das Gesetz aus Unrecht Recht machen könnte, könnte es dann nicht auch aus Schlechtem Gutes machen? I n Wahrheit können w i r jedoch ein gutes Gesetz von einem schlechten nach keiner anderen N o r m als jener der N a t u r unterscheiden. A b e r nicht n u r Recht u n d Unrecht werden auf G r u n d der N a t u r unterschieden, sondern überhaupt alles sittlich Gute und Schlechte. Denn da ein allgemeines Erkenntnisvermögen uns die Dinge bekannt macht u n d i n unseren Seelen den G r u n d zu ihrer Erkenntnis gelegt hat, w i r d das sittlich Gute der Tugend zugeordnet, dem Laster das Schlechte. Nur ein Unsinniger kann annehmen, daß diese (Unterscheidungen) Auffassungssache seien und nicht in der Natur begründet" 2™. N u n ist es aber u n b e s t r e i t b a r , daß i m L a u f e d e r Menschheitsgeschichte w i e auch i n der G e g e n w a r t ü b e r diese D i n g e tatsächlich sehr verschiedene A u f f a s s u n g e n v e r t r e t e n w u r d e n u n d noch v e r t r e t e n w e r den. Es i s t d a h e r i n höchstem M a ß e b e m e r k e n s w e r t , daß b e r e i t s Cicero die auch h e u t e m a ß g e b l i c h e n u n d v o n d e n P ä p s t e n aufgezeigten G r ü n d e f ü r diese Auffassungsunterschiede i n a l l e r K l a r h e i t aufzeigt. N a c h w e i t e r e n ü b e r a u s w i c h t i g e n A u s f ü h r u n g e n ü b e r die O b j e k t i v i t ä t d e r K r i t e r i e n f ü r diese U n t e r s c h e i d u n g e n , d i e j e d e n R e l a t i v i s m u s w i d e r l e g e n , sagt Cicero: „ A b e r es v e r w i r r t uns die Verschiedenheit der Auffassungen und die U n einigkeit der Menschen, und w e i l dasselbe bei Sinneswahrnehmungen nicht eintritt, glauben w i r , daß diese von N a t u r aus gewiß seien, während w i r das, was den einen so und anderen wieder anders und selbst den selben M e n schen nicht immer gleich erscheint, als u n w i r k l i c h (eingebildet, fingiert) bezeichnen. I n Wahrheit verhält sich die Sache jedoch gänzlich anders. Denn unsere Sinne werden nicht von einem Elternteil, von der Amme, v o m L e h rer, Dichter oder Schauspieler verdreht u n d nicht von der Zustimmung der Menge verleitet. Dagegen richten sich alle möglichen hinterlistigen Nachstellungen gegen die Seelen, sei es von jenen, die ich soeben aufgezählt habe, die sie, solange sie noch zart u n d ungeformt sind, i n Besitz nehmen, anstekken (vergiften) u n d umstimmen w i e sie wollen, oder aber von jener Nachäfferin des Guten, die, tief m i t jedem der Sinne verschlungen, lauert, die Genußsucht, die jedoch die M u t t e r aller Übel ist. V e r f ü h r t durch ihre Schmeicheleien (Verlockungen), vermögen w i r nicht genügend zu erkennen, was von N a t u r aus gut ist, w e i l das nicht dieselbe Annehmlichkeit (Lust) v e r m i t t e l t u n d nicht denselben Reiz ausübt" (wie das, was die Genußsucht unserer Begierlichkeit v o r Augen stellt) 2 6 7 . 265
Cie. leg. 1, 42 ff. Cie. leg. 1, 44 f., Hervorh. von mir. Bei Cicero lautet der letzte Satz: ea autem in opinione existimare, non i n natura posita dementis est. 267 Cie. leg. 1, 47; der letzte Satzteil lautet i m Original: vel ab ea, quae penitus in omni sensu implicata insidet, imitatrix boni, voluptas, malorum autem mater omnium; cuius blanditiis corrupti, quae natura bona sunt, quia dulcedine hac et scabie carent, non cernunt satis. Z u m allgemeinen erkennt266
2. Das Lebensrecht der Ungeborenen
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Diese Aussage ist geradezu ein Schlüssel für das Verständnis nahezu aller Verirrungen i m Laufe der Menschheitsgeschichte und von unglaublicher Aktualität für unsere Zeit 1 * 68 .
2. Das Lebensrecht der Ungeborenen Bei den bisherigen Darlegungen sind bereits mehrfach Feststellungen Pius' XII. zum Lebensrecht der Ungeborenen angeführt worden. Nun sind seine Aussagen dazu unter dem speziellen Gesichtspunkt noch etwas eingehender zu würdigen. Dabei sollen i m einzelnen behandelt werden seine Bezugnahme auf die geschichtliche Erfahrung, seine Feststellungen darüber, von welchem Augenblick an dieses Lebensrecht zusteht und darüber, daß der Staat keine Ermächtigung zur Tötung zu geben vermag. Schließlich ist auch noch die Bezugnahme auf den Hippokratischen Eid hervorzuheben. a) Das Lebensrecht der Ungeborenen in der geschichtlichen Erfahrung
Die Bedeutung der geschichtlichen Erfahrung für die Erfassung der Grundrechte hat Pius XII. besonders in der bereits mehrfach zitierten Ansprache über „Koexistenz und Zusammenleben der Völker i n der Wahrheit und i n der Liebe"* 5 9 hervorgehoben. Die Kenntnis der geschichtlichen Erfahrung und vor allem der beständigen Lehre der Kirche und ihrer Väter liegt natürlich seinen Einzelaussagen zum Lebensrecht der Ungeborenen auch dort zugrunde, wo sie nicht explizit hervorgehoben wird. Damals waren auch die Einzelheiten der geschichtlichen Erfahrung weniger umstritten als heute, da man sie vielfach zur Untermauerung des eigenen Standpunkts zu verfälschen trachtet. Daher ist es besonders verdienstvoll gewesen, daß die „Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre über den Schwang er schaf tsabbruch" vom 18. November 1974 eine Auswahl aus den zahlreichen Aussagen i n der kirchlichen Überlieferung seit der frühesten Zeit bis i n die Gegenwart dokumentiert h a t 2 7 0 . nistheoretischen Problem D. v. Hildebrand, Sittlichkeit und ethische W e r t erkenntnis, Wiss. Buchges. Darmstadt 1969, 127—266; vorausgehend: Die Idee der sittlichen Handlung. 268 Cicero berichtet übrigens i n off. 2, 77, daß ein Orakel des Apollo Pythius geweissagt habe, Sparta werde durch nichts anderes als durch die avaritia (Habsucht, Geiz) untergehen, und Cicero fügt hinzu, daß dies nicht n u r den Spartanern vorausgesagt zu sein scheint, sondern allen wohlhabenden Völkern. 269 Utz/Groner Nr. 6286. 270 Vgl. dort die Nrn. 5—7; der T e x t der E r k l ä r u n g ist abgedruckt i n : Worte der österreichischen Bischöfe zum Schutz menschlichen Lebens, hrsg. von der
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
I n diesem Zusammenhang darf jedoch noch darauf hingewiesen werden, daß Franz Joseph Dölger bereits 1934 eine eingehende Studie über „Das Lebensrecht des ungeborenen Kindes und die Fruchtabtreibung i n der Bewertung der heidnischen und christlichen A n t i k e " 2 7 1 vorgelegt hat, i n welcher eine Fülle überaus eindrucksvoller Zeugnisse ausgewertet ist. Auch wenn man nicht m i t jeder Deutung der von i h m behandelten Texte übereinkommen könnte, so sprechen doch viele dieser Zeugnisse so sehr für sich, daß sie keinen Raum für Zweifel i m Wesentlichen lassen. A m wenigsten geglückt scheint m i r Dölgers Deutung einiger Aussagen des römischen Rechts. Weil aber gerade die besonders wichtig wären, muß hier bemerkt werden, daß er eine ganze Reihe anderer Aussagen, die das B i l d wesentlich modifizieren, leider unberücksichtigt gelassen hat. Bei Berücksichtigung auch jener Texte, die von der Rechtsstellung ungeborener Kinder handeln, bekommen jedoch auch die von Dölger herangezogenen Aussagen einen anderen Stellenwert272. Von den von Dölger aus der nichtjuristischen Literatur angeführten Texten verdient einer von dem Stoiker Musonius Ruf us (1. Jh. n. Chr.) hervorgehoben zu werden, der über frühe Gesetze gegen die Fruchtabtreibung folgendes sagt: „Die Gesetzgeber aber, denen gerade die Aufgabe obliegt, zu suchen und zu beobachten, was f ü r den Staat gut ist und was schlecht, was dem Gemeinw o h l nützt u n d was schadet, haben diese nicht alle es als sehr ersprießlich für die Staaten angesehen, daß die Häuser der Bürger sich mehren, als besonders schädlich aber, w e n n sie sich mindern? . . . Denn sie verboten einerseits den Frauen die Abtreibung (...) und belegten die Ungehorsamen mit Strafe, andererseits verboten sie ihnen, sich zur Unfruchtbarkeit herzurichten und die Schwangerschaft zu verhindern; . . ," 2 7 8 .
Ferner verweist Dölger auf den Bericht des Diodor von Sizilien (1. Jh. v. Chr., seine Universalgeschichte reicht bis 54 v. Chr.), i n dem er unter die „besonders beachtenswerten Gesetze der Ägypter" auch jenes zählt, das bestimmte: „Schwangere Frauen, die zum Tode verurteilt waren, durften nicht eher hingerichtet werden, als bis sie geboren hatten". Diodor berichtet dann weiter: österreichischen Bischofskonferenz (1974) 97 ff. und i n der Sammlung: Nachkonziliare Dokumentation, Bd. 48 (1975), m i t dem lateinischen Originaltext. 271 Dölger 1—61. 272 Vgl. dazu oben I. Eine überaus verdienstvolle und umfangreiche Studie des Problems hat seither E. Nardi , Procurato aborto nel mondo greco romano (1971), vorgelegt. Obgleich Nardi w o h l alle zugänglichen Texte zum Problem der Abtreibung zusammengetragen hat, ließ auch er einige u n berücksichtigt, die allgemein die Rechtsstellung ungeborener K i n d e r betreffen. Vgl. inzwischen auch Nardi , Aborto e omicidio nella civiltà classica, A N R W I I 13 (1980) 366—385. 278 Dölger 14; Hervorh. i m Original; Muson. Fragm. 15a, Ausg. O.Hense S. 77.
2. Das Lebensrecht der Ungeborenen
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„Diese Satzung haben auch viele unter den Hellenen angenommen i n der Erwägung: es sei Unrecht, daß das unschuldige Wesen die gleiche Strafe erleiden solle w i e die schuldige (Mutter); und daß für ein Vergehen von zweien die Sühne verlangt werde; da ferner das Vergehen nach böser Absicht v o l l bracht sei, so sei es Unrecht, daß das Wesen, das überhaupt noch k e i n Bewußtsein habe, der gleichen Strafe verfalle; und die Hauptsache von allem: w e n n n u r den schwangeren (Müttern) persönlich die Schuld beizumessen ist, so dürfe auf keinen F a l l das K i n d (mit-)getötet werden, das doch dem Vater u n d der M u t t e r gemeinsam sei. Wie man diejenigen als schlechte Richter kennzeichnen müsse, die einen des Mordes Schuldigen freisprechen, so müsse man ebenso die als schlechte Richter bezeichnen, die einen ganz Unschuldigen t ö t e n " 2 7 4 . A u s diesem T e x t g e h t ganz k l a r h e r v o r , daß die T ö t u n g eines U n g e b o r e n e n als die T ö t u n g eines u n s c h u l d i g e n Menschen angesehen w u r d e . D e r Schluß a u f die h e u t i g e n Gesetzgeber, die z w a r d e n S c h u l d i g e n u n d V e r b r e c h e r n u m d e r M e n s c h l i c h k e i t w i l l e n m ö g l i c h s t w e i t g e h e n d e Schon u n g angedeihen lassen — w o g e g e n i m P r i n z i p nichts e i n g e w a n d t w e r d e n soll — , aber g l e i c h z e i t i g die unmenschliche T ö t u n g U n s c h u l d i g e r freigeben, l i e g t nach d e n A u s f ü h r u n g e n Diodors a u f der H a n d . Ü b e r a u s e i n d r u c k s v o l l e T e x t e b r i n g t Dölger sodann aus „ d e n g r i e c h i schen c h r i s t l i c h e n S c h r i f t s t e l l e r n d e r ersten z w e i J a h r h u n d e r t e " b e i 2 7 5 , ebenso aus den lateinischen. E i n e d e r b e r ü h m t e n Aussagen Tertullians ist auch i n die g e n a n n t e „ E r k l ä r u n g der Kongregation für die Glaubenslehre über den Schwangerschaftsabbruch"™ aufgenommen worden. Z u d e n d o r t g e n a n n t e n T e x t e n möchte ich h i e r aus der g r o ß e n F ü l l e v o n k l a r e n Aussagen d e r K i r c h e n v ä t e r n u r noch e i n e n v o m h l . Augustinus h i n z u f ü g e n , d e n auch Pius XI. i n seiner E n z y k l i k a „ C a s t i connubii" anf ü h r t 2 7 7 u n d der d e n Z u s a m m e n h a n g v o n L e i d e n s c h a f t u n d M i ß a c h t u n g der Rechte besonders d e u t l i c h w e r d e n l ä ß t : 274
Dölger 15; Diod. 1,77,9. Dölger 23 ff. 276 Vgl. oben A n m . 270; i n Nr. 6 ist der T e x t aus Tert. apol. 9, 8 zitiert, der i m Zusammenhang m i t heidnischen P r a k t i k e n steht, die vorher geschildert werden, und dann lautet: „ W i r hingegen dürfen, nachdem uns ein f ü r allem a l das Töten eines Menschen verboten ist, selbst den Embryo i m M u t t e r leibe, solange noch das B l u t sich für den neuen Menschen absondert, nicht zerstören. E i n vorweggenommener M o r d ist es, wenn man eine Geburt verhindert; es fällt nicht ins Gewicht, ob man einem Menschen nach der Geburt das Leben raubt oder es bereits während der Geburt vernichtet. Ein Mensch ist auch schon, was erst ein Mensch werden soll — auch jede Frucht ist schon i n ihrem Samen enthalten". Übers, von C. Becker (21961). Tert. steht damit den Erkenntnissen der modernsten Embryologie (vgl. die Hinweise gleich unten 2 b) näher als jene heutigen Theoretiker, die m i t den unten i n A n m . 285 so bezeichneten „semantic gymnastics" (vgl. auch bereits oben A n m . 173 und die Hinweise dort) die Tötung der Ungeborenen als etwas anderes denn als Tötung darzustellen versuchen. Z u m Tertulliantext auch Dölger 34 f. und Nardi (oben A n m . 272) insb. 390 ff. m i t weiterer L i t . 275
277
Heilslehre der Kirche (oben A n m . 262) Nr. 1698.
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
„ Z u w e i l e n geht die leidenschaftliche Grausamkeit oder die grausame L e i denschaft so weit, daß sie sich Gifte gegen die Empfängnis verschafft, und w e n n sie nichts d a m i t erreicht, die bereits empfangene Frucht auf irgendeine A r t i m Mutterleib vernichtet u n d abtreibt, m i t der Absicht, daß das K i n d eher untergehe als lebe, oder w e n n es bereits i m Mutterschoße lebte, eher getötet werde als es zur Geburt komme. . . ." 2 7 8 . D i e Aussagen a l l e r Päpste s i n d a u f d e m H i n t e r g r u n d dieser ganzen L e h r e seit d e n ersten J a h r h u n d e r t e n d e r K i r c h e , a b e r auch a u f
dem
H i n t e r g r u n d d e r n a t ü r l i c h e n E r f a h r u n g z u sehen, die aus d e n T e x t e n v o n nichtchristlichen Papst Paul
VI.
Schriftstellern
hervorgeht.
Daher
konnte
auch
sagen, daß die L e h r e d e r K i r c h e ü b e r die A b t r e i b u n g
„sich nicht geändert hat u n d unveränderlich i s t " 2 7 9 . b) Das Lebensrecht besteht vom Augenblick der Empfängnis an I n d e m b e r e i t s oben (1 c) w i e d e r g e g e b e n e n T e x t b e t o n t Pius XII. ausd r ü c k l i c h , daß das „schuldlose menschliche L e b e n , ganz gleich i n w e l chem Z u s t a n d es sich b e f i n d e t , . . . v o m ersten A u g e n b l i c k seiner E x i stenz a n j e d e m d i r e k t e n A n g r i f f e n t z o g e n " i s t 2 8 0 . W e n n f r ü h e r e A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n ü b e r das P r o b l e m der „ B e s e e l u n g " auch gewisse U n k l a r h e i t e n a u f k o m m e n lassen k ö n n t e n , so s i n d diese d u r c h die m o derne E m b r y o l o g i e , w i e schon b e m e r k t (oben b e i A n m . 109, 143 u n d 253) u n d d u r c h die B i o l o g i e j e d e n f a l l s v ö l l i g a u s g e r ä u m t . A l l e Versuche, diesen S a c h v e r h a l t zu verschleiern, müssen angesichts d e r e r h o b e n e n B e f u n d e s c h e i t e r n 2 8 1 . W e n n Pius XII. v o m u n g e b o r e n e n L e b e n spricht, 278 Dölger 59; Aug. nupt. et concup. 1, 15 (17) CSEL 42, 230 Z. 4—11; es ist hier die von i h m gebotene Übersetzung wiedergegeben. 279 A A S Θ4 (1972) 777. Papst Paul VI. bezieht sich dort ausdrücklich auf die Aussagen Pius' XII. i n der Ansprache v o m 29. Oktober 1951 (oben A n m . 224 sowie 1 b u n d A n m . 251), u n d auf Gaudium et spes 51. Vgl. auch Johannes Paul II. besonders i n seiner Ansprache auf der „Capitol M a l l " i n Washington am 7.10.1979, A A S 71 (1979) 1270 ff., i n der er (1271, Z. 3) feierlich erklärte: „ I do not hesitate to proclaim before you and before the w o r l d that all human life — from the moment of conception and through all subsequent stages — is sacred, . . . " . Vgl. auch die weiteren Aussagen dort. 280 Utz/Groner Nr. 1112. 281 Vgl. etwa n u r die bereits oben A n m . 109, 143 und 253 angegebenen A b handlungen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat i n seinem Erkenntnis über die Fristenlösung festgestellt: „Leben i m Sinne der geschichtlichen Existenz eines menschlichen Individuums besteht nach gesicherter biologischphysiologischer Erkenntnis jedenfalls v o m 14. Tage nach der Empfängnis (Nidation, Individuation) an" (NJW 28, 1975, 574). M i t „jedenfalls" schließt das Bundesverfassungsgericht nicht aus, daß es auch bereits ab dem Zeitp u n k t der Empfängnis besteht, n i m m t aber an, daß dies f ü r den Zeitpunkt ab der Nidation als v ö l l i g gesichert anzusehen ist. Das B V f G verweist dabei auf die Ausführungen „ v o n Hinrichsen vor dem Sonderausschuß f ü r die Strafrechtsreform, 6. Wahlp., 74. Sitzung, Sten.Ber. S. 2142 ff.". Dieses Problem k a n n hier nicht i m einzelnen erörtert werden. Es sei n u r darauf hingewiesen, daß auf dem bereits oben A n m . 144 genannten internationalen Ärztekongreß auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse der Embryologie der
2. Das Lebensrecht der Ungeborenen
93
i s t daher i m m e r d a v o n auszugehen, daß es sich u m das menschliche L e b e n ab d e m Z e i t p u n k t der E m p f ä n g n i s h a n d e l t . Das w i r d auch v o m Zweiten Vatikanischen K o n z i l ausdrücklich betont: „Das Leben muß v o n d e r E m p f ä n g n i s a n m i t äußerster S o r g f a l t g e h ü t e t w e r d e n ; Abtreibung
u n d der K i n d e s m o r d
sind verabscheuungswürdige
die Ver-
b r e c h e n " 2 8 2 . U n t e r d e n Q u e l l e n f ü r d e n b e t r e f f e n d e n A b s a t z der K o n z i l s k o n s t i t u t i o n w i r d auch die bereits m e h r f a c h z i t i e r t e 2 8 3 Pius 9 XII.
Ansprache
a n die H e b a m m e n v o m 29. O k t . 1951 a n g e f ü h r t .
Es ist auch i n diesem Z u s a m m e n h a n g a u f die bereits m e h r f a c h z i t i e r t e B e s t i m m u n g des i m m e r noch g e l t e n d e n § 22 A B G B h i n z u w e i s e n : „Selbst ungeborene K i n d e r haben von dem Zeitpunkte an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze" 284 .
ihrer
Empfängnis
Sogar B e f ü r w o r t e r d e r A b t r e i b u n g müssen, w e n n sie e h r l i c h sind, zugeben, daß menschliches L e b e n tatsächlich m i t d e r E m p f ä n g n i s b e g i n n t . So ist i n d e r die A b t r e i b u n g b e f ü r w o r t e n d e n Z e i t s c h r i f t C a l i fornia Medicine etwa bemerkt worden: Beginn des individuellen menschlichen Lebens m i t dem Z e i t p u n k t der Empfängnis als v ö l l i g gesichert angesehen wurde (vgl. auch die Hinweise oben A n m . 109). Gegenüber allen diesen eindeutigen Feststellungen, die durch unzählige weitere ergänzt werden könnten, entsprechen etwa die Darlegungen von H. T. Engelhardt, The Ontology of Abortion, Ethics ( A p r i l 1974, USA) 217 ff., eben jenen „ v e r y considerable semantic gymnastics", von denen i n dem unten bei A n m . 285 wiedergegebenen T e x t die Rede ist. Dazu kritisch J.F.Crosby , The Review of Politics 38 (1976; Univ. of Notre Dame Press) 239 ff. Leider ist auch E. Melichar, Das Erkenntnis des österr. Verfassungsgerichtshofes über die sog. „Fristenlösung", i n : C o n v i v i u m utriusque iuris, Alexander Dordett zum 60. Geburtstag (1976) 101, von solchen und ähnlichen Argumentationen davon abgehalten worden, die schlichte u n d an sich gesicherte Tatsache anzuerkennen, ab welchem Zeitpunkt menschliches Leben beginnt. Seine dort getroffene Feststellung: „ M a n darf nicht erwarten, daß Probleme, die bisher weder die Naturwissenschaft noch die Theologie eindeutig zu lösen vermochten und wahrscheinlich auch nie werden lösen können, nämlich den Moment zu fixieren, i n dem aus dem befruchteten E i der Vollmensch w i r d — oder i n der Sprache der alten Theologie ausgedrückt: die Beseelung erfolgt, vom Juristen gelöst werden können", ist angesichts der eindeutigen Aussagen der Naturwissenschaften n u r i m Sinne der „ v e r y considerable semantic gymnastics" zu verstehen, (vgl. dag. auch v. Zeillers Feststellung oben bei A n m . 195). Wenn man aber i n diesem Zusammenhang schon den Ausdruck „Vollmensch" einführt, stellt sich sofort die Frage: i n welchem Sinne? Ist zum Beispiel ein geistig Geschädigter, von dem man nach menschlicher Voraussicht annehmen muß, daß er nie „Vollmensch" i m Sinne eines normalen Menschen werden kann, damit bereits aus dem Schutzbereich ausgeschlossen? Was ist unter Vollmensch überhaupt zu verstehen? Etwa erst ein Mensch, der alle seine Gaben v o l l entfaltet hat und noch fähig ist, sie zu gebrauchen? Hier w i r d abermals deutlich, daß die Aufgabe des Prinzips der Unantastbarkeit menschlichen Lebens sofort gleitende Grenzen zur Folge hat (vgl. auch oben bei den A n m . 149—152). 282 Gaudium et spes 51; zitiert nach der Ubersetzung des Textes i n der oben i n Anm. 270 angeführten Erklärung der Glaubenskongregation. 283 Vgl. oben A n m . 224; ferner 1 b u n d A n m . 251. 284 Vgl. dazu oben bei den A n m . 80 f. und 195 ff., Hervorh. von mir.
94
I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
„ W e i l die alte E t h i k noch nicht v ö l l i g ersetzt worden ist, w a r es notwendig, die Idee der Abtreibung von jener des Tötens zu trennen, die noch immer sozial als verabscheuungswürdig erscheint. Das Ergebnis ist eine merkwürdige Umgehung (curious avoidance) der wissenschaftlichen Tatsache, die jederm a n n tatsächlich kennt, daß das menschliche Leben m i t der Empfängnis beginnt, und, ob n u n i n t r a - oder extrauterin, bis zum Tode kontinuierlich verläuft" 285. Es w i r d d o r t w e i t e r b e m e r k t , daß die „ v e r y considerable s e m a n t i c g y m n a s t i c s " , die n o t w e n d i g sind, u m die A b t r e i b u n g als e t w a s anderes d e n n als die V e r n i c h t u n g menschlichen Lebens z u e r k l ä r e n , l ä c h e r l i c h w ä r e n , w e n n sie n i c h t u n t e r A s p e k t e n v o r g e b r a c h t w ü r d e n , die nach d e r M e i n u n g des Verfassers „ s o c i a l l y i m p e c c a b l e " seien. M a n gebe z u verstehen, daß diese schizophrene A r t v o n L i s t (subterfuge) n o t w e n d i g sei, w e i l die a l t e E t h i k d e r E h r f u r c h t v o r j e d e m menschlichen L e b e n , die e i n e n G r u n d p f e i l e r der w e s t l i c h e n M e d i z i n d a r g e s t e l l t habe, noch n i c h t v e r w o r f e n w u r d e , w ä h r e n d m a n b e r e i t s i m B e g r i f f e sei, eine neue E t h i k a n z u n e h m e n . Robert M . Byrn bezeichnet diese neue E t h i k m i t Recht als die „ h o m i c i d a l h i g h m a g i c of t h e q u a l i t y - o f - l i f e e t h i c " 2 8 6 . Diese E t h i k s o l l u n s „la dolce vita" geben, auch w e n n dieses L e b e n uns t ö t e t , oder doch j e d e n f a l l s d i e j e n i g e n u n t e r uns t ö t e t , die so u n b e q u e m a b h ä n g i g u n d l ä s t i g sind, daß sie e i n e m „ g u t e n " L e b e n i m Wege s t e h e n 2 8 7 . H i e r w i r d die sich u n t e r a l l e n m ö g l i c h e n V o r w ä n d e n t a r n e n d e 285 Beginning of H u m a n Life 13; i m Zusammenhang lautet der T e x t : „The reverence of each and every human life has been a keystone of western medicine, and is the ethic which has caused physicians to t r y to preserve, protect, repair, prolong, and enhance every h u m a n life. Since the old ethic has not yet been fully displaced , i t has been necessary to separate the idea of abortion from the idea of k i l l i n g which continues to be socially abhorrent. The result has been a curious avoidance of the scientific fact , which everyone really knows, that human life begins at conception, and is continuous, whether intra- or extrauterine, until death. The very considerable semantic gymnastics which are required to rationalize abortion as anything b u t t a k i n g a human life w o u l d be ludicrous i f they were not often put forth under socially impeccable auspices. I t is suggested that this schizophrenic sort of subterfuge is necessary because, while a new ethic is being accepted, the old one has not yet been rejected " (Hervorh. von mir). Der A u t o r ist offenbar der Meinung, daß diese L i s t i n dem Augenblick nicht mehr nötig sein w i r d , i n dem die „neue E t h i k " , welcher das menschliche Leben keinen unantastbaren Wert mehr bedeutet, endgültig die alte v e r drängt haben wird. Dann w i r d man ruhig sagen können, daß man tötet. Vgl. dazu auch ob. A n m . 186. Besonders deutlich w i r d die gleiche Tendenz aus dem Beitrag von Kittrie, i n : Eser, Suizid 385 ff., dazu auch unten A n m . 315; ferner P. Sporken, Suizid 271 ff.; auch Eser selbst, Suizid 2 f. und i n : Das Recht auf einen menschenwürdigen Tod? (oben Anm. 255) 24 ff. A u s Esers Ausführungen dort 25 w i r d deutlich, daß die i n Suizid enthaltenen Beiträge, die für die „ H e i l i g k e i t des Lebens" eintreten, dazu dienen müssen, die „Rückständigkeit" dieser Position zu demonstrieren oder jedenfalls eher A l i b i Charakter haben. 28e America (1973) 511. 287 America (1973) 511. Byrn sagt dort, daß die amerikanische „ j u r i s p r u dence" m i t der Entscheidung des US Supreme Court i n der Sache Roe ν.
2. Das Lebensrecht der Ungeborenen
95
Selbstsucht, v o n der oben b e r e i t s die Hede w a r (1 d) u n d die i n W a h r h e i t die T r i e b f e d e r dieser a n g e b l i c h n e u e n E t h i k ist, w i e d e r d e u t l i c h . U m dieser „ E t h i k " w i l l e n v e r s u c h t m a n m i t a l l e n m ö g l i c h e n K u n s t g r i f f e n schizophrener G e d a n k e n a k r o b a t i k d e n einfachen S a c h v e r h a l t z u v e r s c h l e i e r n u n d zu u m g e h e n , daß n ä m l i c h menschliches L e b e n , oder v i e l m e h r das L e b e n eines i n d i v i d u e l l e n Menschen, e i n e r menschlichen Person, m i t der E m p f ä n g n i s b e g i n n t u n d daß d a h e r auch der A n s p r u c h a u f d e n Schutz des Lebens v o n eben diesem Z e i t p u n k t e a n besteht.
c) Der Staat vermag keine Ermächtigung zur Tötung zu geben I n der bereits g e n a n n t e n A n s p r a c h e ü b e r „ M o r a l u n d Recht i n der M i l i t ä r m e d i z i n " (oben 1 a) sagt Pius
XII.:
„ M i t Rücksicht auf das Interesse der Allgemeinheit hat die öffentliche A u t o r i t ä t i m allgemeinen kein direktes Recht, über die Existenz und die I n tegrität der Organe unschuldiger Untertanen zu verfügen. — Die Frage der Körperstrafen und der Todesstrafen wollen w i r hier nicht untersuchen, w e i l w i r v o m Arzt, nicht v o m Henker sprechen. — Da der Staat kein solches d i rektes Verfügungsrecht besitzt, k a n n er es also auch nicht, aus welchem G r u n d und für welchen Zweck auch immer es sei, dem A r z t übertragen. Die politische Gemeinschaft ist kein physisches Wesen w i e der körperliche Organismus, sondern ein Ganzes, das n u r eine Einheit des Zwecks u n d des H a n delns besitzt: der Mensch ist nicht für den Staat da, sondern der Staat für den Menschen. Handelt es sich u m vernunftlose Wesen, u m Pflanzen oder Tiere, dann kann der Mensch frei über ihre Existenz und i h r Leben bestimmen (was nicht die Verpflichtung aufhebt, die er vor Gott u n d seiner eigenen Würde besitzt, grundlose B r u t a l i t ä t und Grausamkeit zu vermeiden), doch nicht über das von anderen Menschen oder Untergebenen" 2 8 8 . Wade i n die menschenmörderische „high-magic" einer „ q u a l i t y - o f - l i f e - e t h i c " untergetaucht ist. U n d er sagt dann weiter: „ T h e magician knows best. He is going to give us la dolce vita even if it kills us, or at any rate, kills those of us who are so inconveniently dependent and burdensome as to stand i n the w a y of the good life." I n der Tat hat diese Entscheidung einen Bewußtseinswandel von so weittragender A r t herbeigeführt, daß, jedenfalls i m Staate Texas, bereits an Krankenhäusern „sensitivity-trainings" für K r a n kenschwestern durchgeführt werden, die bei Abtreibungen v o m 6. bis zum 9. Monat Schwierigkeiten haben, die meist v o l l entwickelten u n d lebensfähigen Säuglinge zu töten. Sie sollen an das Töten gewöhnt werden. Die Entwicklung der neuen Ethik, von welcher i n der A n m . 285 die Rede war, w i r d m i t aller Konsequenz vorangetrieben. I n ähnlicher Weise, aber offensichtlich zustimmend, berichtet Kittrie, i n : Eser, Suizid 387, über eine „sehr gedankenreiche Untersuchung über ,Man's Control Over B i r t h and Death", die 1970 i n den USA erschienen ist. Er sagt, der Bericht hebe „ m i t Nachdruck hervor, es sei unwahrscheinlich, daß die höchste mögliche Lebensqualität f ü r I n d i v i d u u m , Familie und Gemeinschaft erreicht w i r d , w e n n Familien u n d eine überbevölkerte Welt m i t ,geistig oder körperlich behinderten oder unerwünschten K i n d e r n ' belastet werden. Entsprechend bestehen die Autoren darauf, daß n u r Wunschkindern das Leben geschenkt w e r den soll, u n d ziehen den Schluß, daß die Abtreibung ,der Geburt eines unerwünschten Kindes vorzuziehen ist 4 ". Anschließend entwickelt er Vorschläge für „Entscheidungsmechanismen für Leben und Tod", dazu unten A n m . 315.
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
Selbst wenn also i n einem Staat der strafrechtliche Schutz des ungeborenen Lebens teilweise oder ganz aufgehoben wird, wäre damit weder ein Arzt noch sonst jemand ermächtigt oder berechtigt, unschuldiges menschliches Leben zu vernichten. Der Arzt bleibt auch nach einer solchen Aufhebung des strafrechtlichen Schutzes an alle sonstigen Normen, die das menschliche Leben schützen, weiterhin gebunden, einschließlich der Normen der ärztlichen Ethik. Daran vermag auch das bereits wiederholt zitierte Schreiben von Bundeskanzler Kreisky an den Präsidenten der österreichischen Ärztekammer nichts zu ändern 2 8 9 . Auch wenn die Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft nicht mehr strafbar ist, so bleibt sie dennoch weiterhin rechtswidrig 2 9 0 . d) Der Hippokratische Eid
I n einer Ansprache über „Die schmerzlose Geburt i m sittlich-religiösen U r t e i l " 2 9 1 hat Pius XII. ausdrücklich festgestellt, worauf schon mehrmals hingewiesen wurde: daß nämlich die Wahrheit oder Unrichtigkeit einer Aussage von der weltanschaulichen Überzeugung dessen, der sie macht, völlig unabhängig ist. Diese Feststellung Pius 9 XII. ist von so allgemeiner Bedeutung, daß sie hier zunächst wiedergegeben werden soll: „ D i e Weltanschauung eines Forschers u n d Gelehrten ist an sich kein Beweis f ü r die Wahrheit u n d den Wert dessen, was er entdeckt und klargestellt hat. Der Lehrsatz des Pythagoras oder (um bei der Medizin zu bleiben) die Beobachtungen des Hippokrates, die m a n als richtig anerkannt hat, die E n t deckungen eines Pasteur, die Vererbungsgesetze Mendels verdanken die Wahrheit ihres Inhaltes keineswegs den moralischen u n d religiösen Ansichten ihrer Urheber. Sie sind weder »heidnisch', w e i l Pythagoras u n d Hippokrates Heiden waren, noch »christlich 4 , w e i l Pasteur u n d Mendel Christen waren. Diese wissenschaftlichen Errungenschaften sind wahr, w e i l u n d i n dem Maße, w i e sie der objektiven W i r k l i c h k e i t entsprechen" 2 9 2 .
A u f dem Hintergrund dieser Ausführungen ist auch der Hippokratische Eid zu sehen, der ohne Zweifel m i t den Erkenntnissen des Hippokrates i n engem Zusammenhang steht. Er enthält unter anderem folgende Erklärungen: 288 Utz/Groner Nr. 2363 (Hervorh. von m i r ) ; vgl. auch Nr. 2279 (oben bei den A n m . 245 u n d 246). Dazu speziell auch Schambeck, Keine Ermächtigung des Arztes zur Abtreibung, S N v o m 9. 3.1974, S. 4 (Auszug aus einem V o r trag vor dem Vorarlberger Familienverband). 189 Vgl. oben A n m . 117 u n d bei A n m . 213 ff. 290 Dazu oben bei den A n m . 214—217, auch gleich unten 2 d. 291 Ansprache an Ärzte, hauptsächlich Gynäkologen, v o m 8. Januar 1956, A A S 48 (1956) 82—93; Utz/Groner Nr. 5468—5491. 292 Utz/Groner Nr. 5485.
2. Das Lebensrecht der Ungeborenen „Meine Anordnungen w i l l ich geben nach meinem Können u n d Wissen zum Nutzen der Leidenden, Verderben und Schaden aber ihnen wehren. Auch werde ich tödliches Gift niemandem geben, mag er selbst darum b i t ten, u n d auch keinen Rat dieser A r t erteilen. Auch werde ich nie einem Weibe ein M i t t e l zur Vernichtung der Leibesfrucht reichen" 2 9 3 . Z a h l r e i c h e Aussagen Pius' XII. stehen i n v o l l k o m m e n e r Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t d e n z i t i e r t e n I n h a l t e n des H i p p o k r a t i s c h e n Eides, so e t w a , w e n n er sagt, daß f ü r „ d i e T ä t i g k e i t des g e w i s s e n h a f t e n A r z t e s . . . das G r u n d p r i n z i p , ,zu h e l f e n u n d z u h e i l e n , u n d n i c h t z u schädigen u n d z u t ö t e n ' , s e l b s t v e r s t ä n d l i c h i s t " 2 9 4 . D a h e r ist es v e r s t ä n d l i c h , daß Pius XII. i n seiner A n s p r a c h e a n die T e i l n e h m e r des 8. I n t e r n a t i o n a l e n Ä r z t e kongresses i n R o m auch sein großes Interesse a n d e n B e r a t u n g e n ü b e r die A n n a h m e e i n e r n e u e n F o r m u l i e r u n g des Eides des H i p p o k r a t e s (Genfer E i d ) b e k u n d e t h a t 2 9 5 . Dieser „ G e n f e r E i d " oder die „ G e n f e r D e k l a r a t i o n " , w i e sie o f f i z i e l l g e n a n n t w i r d , e n t h ä l t u n t e r d e n D i n g e n , die d e r A r z t v o n „ d e m Z e i t p u n k t an, d a " e r „ a l s M i t g l i e d des ä r z t l i c h e n Berufes zugelassen" ist, f e i e r l i c h gelobt, f o l g e n d e n Satz: „ich werde die höchste Achtung vor dem menschlichen Leben bewahren, von Beginn der Empfängnis an; auch unter Drohungen werde ich meine medizinischen Kenntnisse nicht i m Gegensatz zu den Gesetzen der Menschlichkeit anwenden. Ich leiste diese Versprechen feierlich, aus freiem W i l l e n u n d auf meine Ehre"296.
203 Ärztegesetz 213, Übers, aus dem Griechischen von E. Lesky. 294
Utz/Groner Nr. 2360 (vgl. oben bei A n m . 236); dazu auch Nr. 5387. Ansprache über „Richtlinien der ärztlichen M o r a l " v o m 30. September 1954, A A S 46 (1954) 587—598; Utz/Groner Nr. 5361 (ganze Ansprache 5361— 5376). I n einer Ansprache v o m 19. September 1954 an die Teilnehmer des 14. internationalen Kongresses f ü r Geschichte der Medizin, erschienen i m L'Osservatore Romano v o m 19.9.1954 und abgedruckt i n der Sammlung: Grundfragen der ärztlichen Ethik, hrsg. v o m St. L u k a s - I n s t i t u t f ü r ärztliche Anthropologie, Münster/Westf. (Verlag Wort u n d Werk, Köln) hat Pius XII. Hippokrates ausführlicher gewürdigt und gesagt: „Die Schriften von H i p pokrates sind ohne jeden Zweifel edelster Ausdruck eines beruflichen Gewissens, das besonders die Achtung vor dem Leben u n d die Aufopferung für die K r a n k e n gebietet und persönliche Faktoren berücksichtigt: Selbstbeherrschung, Würde, Zurückhaltung. Er wußte die sittlichen Normen aufzuweisen u n d sie i n ein genügend umfassendes und harmonisches L e h r system einzufügen, wodurch er der Zivilisation ein Geschenk machte, das großartiger ist als das derjenigen, die Weltreiche eroberten" (in der Sammlung 17. Rede, S. 6). Damit macht Pius XII. deutlich, wie sehr die wahren G r u n d sätze der natürlichen E t h i k Bestandteil der einen Wahrheit sind, die auch die christliche E t h i k beherrscht. 295
296 Ärztegesetz 216 f., der wiedergegebene Text 117, Hervorh. von mir. Vgl. dazu besonders Kägi, Medizin und Ideologie 180 ff. m i t Hinweisen auf weitere Gelöbnisse u n d Festlegungen.
7 Waldstein
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
Alle Grundsätze, die Pius XII. für das Verhalten des Arztes dargelegt hat, stehen i n voller Übereinstimmung auch m i t diesem Inhalt des ärztlichen Gelöbnisses. Daß dieser Inhalt heute in manchen Ländern, wie besonders i n den USA, kaum mehr beachtet und Gesichtspunkten vordergründiger Opportunität oder auch bloß des Gelderwerbs geopfert wird, kann gewiß nicht als Fortschritt i n der Entwicklung ärztlicher Ethik angesehen werden. Es ist daher u m so höher anzurechnen, daß die österreichische Ärztekammer die Vornahme medizinisch nicht indizierter Abtreibungen „als ethisch nicht vertretbar ablehnt" und erklärt, daß ein Arzt, der sie vornimmt, sich „geistig und moralisch disqualifiziert, gleichsam aus dem Stand ausschließt, und daß das Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches daran nichts ändern w i r d " 2 9 7 . Gegen diese Erklärung der österreichischen Ärztekammer hat sich Bundeskanzler Kreisky mit dem bereits oben bei Anm. 213 zitierten Brief gewandt. I n seiner A n t w o r t auf dieses Schreiben hat der Präsident der österreichischen Ärztekammer, Prim. Dr. R. Piaty, jene Gründe dargelegt, die bereits die Formulierungen des Hippokratischen Eides bestimmt haben und seit jeher für die ärztliche Ethik maßgeblich waren. Die Mißachtung dieser Grundlagen erweist sich, wenn man jene Gründe erwägt und alles, was auch die historische Erfahrung und — auf sie gestützt — Pius XII. lehren, als eine von jenen Verfallserscheinungen, die heute i n allen Lebensbereichen, besonders auch i n der staatlichen Rechtssetzung deutlich werden. Es ist begreiflich, daß die für solche Verfallserscheinungen Verantwortlichen das, was sofort als eine Verfallserscheinung deutlich wird, wenn man es an objektiven Maßstäben mißt, gerne als Fortschritt ausgeben möchten. Es kann ihnen daher nichts unerwünschter sein als die Konfrontation m i t objektiven Maßstäben. Dementsprechend gereizt reagieren sie gegen solche Konfrontation. Daß es auch i n Österreich schon seit langem viele „Ärzte" gegeben hat, die sich an die Grundlagen der ärztlichen Ethik nicht gehalten haben und denen ein Gelöbnisbruch offenbar nichts bedeutet, wie es noch viel mehr Christen gibt, die ihren Verpflichtungen aus dem Glauben nicht gerecht werden, ist weder für die einen noch für die anderen ein Ruhmesblatt. Man sollte aber deswegen nicht versuchen, das, was ohne weiteres als ethisch verwerflich erkannt werden kann, zur Norm zu erheben, nur w e i l viele Menschen i n allen Berufen und Lebenslagen ihren ethischen Verpflichtungen nicht entsprechen. Gerade hier kann 297 Zitiert aus dem Brief des Bundeskanzlers Kreisky v o m 28. J u n i 1974 an den Präsidenten der österreichischen Ärztekammer, Prim. Dr. R. Piaty, der von der Ärztekammer durch eine Aussendung veröffentlicht wurde. I n der ebenfalls veröffentlichten A n t w o r t des Präsidenten an Bundeskanzler Kreisky v o m 22. August 1974 hat der Präsident der Ärztekammer die von Bundeskanzler Kreisky angegriffenen Feststellungen bestätigt u n d ausführlich begründet.
3. Recht des „lebensunwerten Lebens" u n d Euthanasie
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auch die Besinnung auf die oben (1 d am Ende) wiedergegebenen Ausführungen Ciceros sehr nützlich sein. 3. Zum Recht des „lebensunwerten Lebens" und zum Problem der Euthanasie Der Zusammenhang zwischen Abtreibung und Euthanasie, der i m Hinblick auf die Einheit des Lebensrechtes besteht, wurde bereits oben (1 c) behandelt. Aus der Einheit des Lebensrechtes folgt, daß die Aussagen über das Lebensrecht der Ungeborenen ebenso für jenes der Geborenen und umgekehrt gelten. Dennoch gibt es i m Zusammenhang m i t der sogenannten „Euthanasie" spezielle Probleme, zu denen Pius XII. auch eigens Stellung genommen hat. Hier kommt natürlich ebenfalls eine umfassende Erörterung der vielschichtigen Probleme nicht i n Betracht 2 9 8 . Es soll i m wesentlichen nur auf zwei Aspekte etwas näher eingegangen werden, und zwar erstens auf das Dekret des Heiligen Offiziums vom 2. Dezember 1940 und auf die sich darauf beziehenden Aussagen Pius* XII. sowie zweitens auf seine Aussagen betreffend die Grenze zwischen ärztlicher Hilfe für Leidende und Sterbende einerseits und direkter Herbeiführung des Todes andererseits. a) Dekret des Heiligen Offiziums vom 2. Dezember 1940
Dem Heiligen Offizium war damals i m Hinblick auf die unter der NS-Herrschaft einsetzende Vernichtung „lebensunwerten Lebens" 2 9 9 die Frage vorgelegt worden, ob es erlaubt sei, i m Auftrag der öffentlichen Gewalt jene direkt zu töten, die, obwohl sie kein todeswürdiges Verbrechen begangen haben, dennoch wegen psychischer oder physischer Defekte dem Staate nicht mehr nützen können, sondern diesen vielmehr belasten, und von denen man glaubt, daß sie seiner Lebenskraft und Stärke i m Wege stehen 3 0 0 . Die Antwort, die von Pius XII. approbiert worden war, ist kurz und bündig: „Negative, cum sit turi naturali ac divino positivo contrarium". 298 Dazu insb. Schambeck, FS Messner 489 ff. m i t zahlreichen Hinweisen auf weitere L i t . dort i n den A n m . 204—209. Inzwischen noch G. Virt, Sterben auf Verlangen?, Theologisch-praktische Quartalschrift 125 (1977) 129 ff., m i t weiterer L i t . und einem Versuch einer systematischen Ordnung der Probleme. 29β Y g i dazu vor allem die überaus aufschlußreiche Darstellung von Gruchmann 235 ff. 300 A A S 32 (1940) 553: I m Originaltext lautet die Frage: „Num licitum sit, ex mandato auctoritatis publicae, directe occidere eos qui, quamvis nullum crimen morte dignum commiserint, tarnen ob defectus psychicos vel physicos nationi prodesse iam non valent, eamque potius gravare eiusque vigori ac robori obstare censentur ".
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
A u f diese Entscheidung bezieht sich Pius XII. ausdrücklich i n der bereits mehrfach zitierten Ansprache an die Mitglieder des Verbandes katholischer Hebammen Italiens 3 0 1 . I m Zusammenhang m i t den Beratungen des 8. Internationalen Ärztekongresses i n Rom erwähnt Pius XII. i m Anschluß an den „Genfer Eid" auch die „offizielle Verurteilung der Euthanasie" 5 0 2 . Die Unzulässigkeit der Anwendung der „Euthanasie" betont er auch i n dem bereits oben (1 c, bei Anm. 257) angeführten Text aus seiner Ansprache zum Thema „Der Arzt und das Recht". A n einer anderen Stelle derselben Ansprache sagt er, daß an den Arzt zuweilen „aus übrigens begreiflichen medizinischen Gründen das Ansinnen" gestellt wird, „die Euthanasie anzuwenden.. . " 3 0 3 . Dazu sagt Pius XII. dann weiter: „Der A r z t steht hier vor der Pflicht, die Gebote der ärztlichen M o r a l zu achten, einer kategorischen Pflicht f ü r den christlichen A r z t i n allen Fällen, i n denen die moralische N o r m bedingungslos, einwandfrei deutlich und sicher ist. Wer so die Gesetze der M o r a l achtet, fügt bestimmt weder den I n teressen der Wissenschaft noch denen des Patienten oder der Gemeinschaft oder des ,bonum commune' (Anm. der Herausgeber: Gemeinwohl) irgendwelchen Schaden zu. I n besonders gelagerten Fällen w i r d der A r z t die E n t scheidung nicht nach seinem subjektiven Geschmack u n d rein w i l l k ü r l i c h treffen und sich noch v i e l weniger unmoralischen Wünschen und B i t t e n beugen oder diesen nachgeben, sondern seinem von objektiven Normen erleuchteten Gewissen folgen und an Gott denken, dem er dereinst Rechenschaft geben muß. Dank einer derartigen objektiven Orientierung seines Gewissens w i r d der christliche A r z t vermeiden, der verurteilten F o r m der Situationsethik zu verfallen" 8 0 4 .
Auch hier ist zunächst zu sagen, daß nach allen bereits angeführten und noch zahlreichen anderen Aussagen Pius' XII. zu den Normen der Moral auch jene des Naturrechts hinzukommen, auch wenn er sie hier nicht ausdrücklich erwähnt. Diese, wie auch die allgemeinen Normen der ärztlichen Ethik, gelten unabhängig davon, ob der Arzt selbst christlich ist oder nicht. Nur ist der christliche Arzt, an den sich Pius XII. hier wendet, auch aus seiner christlichen Verpflichtung heraus besonders aufgerufen, diese Normen zu beachten. Hier gelten also die i m zitierten Dekret des Heiligen Offiziums und i n allen eindeutigen Aussagen Pius* XII. und der anderen Päpste enthaltenen Richtlinien. Dennoch anerkennt Pius XII. die Existenz von „besonders gelagerten Fällen". Hier w i r d der Arzt „seinem von objektiven Normen erleuchte301 Utz/Groner Nr. 1054; vgl. den oben wiedergegebenen Text ab dem 3. Satz: „Die direkte Zerstörung . . . " bis zu Anm. 250. 302 Utz/Groner Nr. 5361; vgl. oben bei A n m . 295 u n d 296. 303 Utz/Groner Nr. 5384. 304 Utz/Groner Nr. 5384.
3. Recht des „lebensunwerten Lebens" u n d Euthanasie
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ten Gewissen folgen" müssen, u m die richtige Entscheidung treffen zu können. Bei diesen Normen handelt es sich zunächst um die klaren Normen der Moral, die einerseits seit jeher i n der ärztlichen Ethik ihren Niederschlag gefunden haben, andererseits auch vom Lehramt der Kirche immer klargestellt wurden. Ferner geht es aber auch, wie schon bemerkt, um die Normen des Naturrechts und um die allgemeinen Menschenrechte. Schließlich auch um jene staatlichen Normen, die für den Arzt erlassen wurden, um das „Ziel seines Berufes: ,helfen und heilen, aber nicht schaden oder gar töten' ", sicherzustellen. Es ist nun bemerkenswert, was Pius XII. i n diesem Zusammenhang über die Grenzen gesetzlicher Einzelregelungen sagt: „Offensichtlich ist es unvernünftig und unmöglich, alles, was dem Arzte dienlich sein kann, sowie alle Anforderungen, die man an i h n zu stellen v e r mag, n u n auf gesetzlichem Wege zu bestimmen u n d zu regeln" 3 0 5 .
Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß bereits i m Altertum eine „übergroße Anzahl von Gesetzen" „als Zeichen des Niedergangs eines Staates gewertet wurde". Er zitiert dazu das berühmte Wort des Tacitus, das später i n abgewandelter Form bei Thomas Morus in seiner Utopia wiederkehrt 3 0 6 , wonach „es bei der größten Verderbnis des Staates die meisten Gesetze" gebe 3 0 7 . Aber gerade w e i l es unmöglich ist, alles i m einzelnen zu regeln, zugleich aber die grundlegenden Kriterien für eine richtige Entscheidung i m Einzelfall unter dem Vorwand eines völligen Wandels i n der Medizin zunehmend als nicht mehr anwendbar, oder doch zumindest nicht mehr ausreichend bezeichnet werden, kommt den i n dieser Hinsicht klärenden Aussagen Pius 9 XII. besondere Aktualität zu. b) Die Grenze zwischen der ärztlichen Hilfe für Leidende und Sterbende und der direkten Tötung
Besonders wichtig für diese Grenzziehung ist die Ansprache Pius 9 XII. an die Teilnehmer des I X . Nationalkongresses der Italienischen Gesellschaft für Anästhesiologie 308 . Es können hier nicht alle Aussagen dieser Ansprache wiedergegeben werden, obwohl sie alle beachtet werden müßten. Doch muß um des Verständnisses und um der nötigen Diffe305
Utz/Groner Nr. 5387; Hervorh. von mir. Vgl. dazu die richtungweisende Untersuchung von Th. Mayer-Maly, Rechtserkenntnis und Gesetzesflut (1969) 11 ff. 307 Tac. ann 3, 27: corruptissima re publica plurimae leges ; der deutsche Text zitiert nach der Phaidon-Ausgabe (London, o. J.), welche auf die Übertragung von W. Boetticher i n einer überarbeiteten Fassung von 1864 zurückgeht (vgl. das Nachwort des Phaidon-Verlages, S. 802). 308 Über: „ D r e i religiöse u n d moralische Fragen bezüglich der Anästhesie" v o m 24. Februar 1957, A A S 49 (1957^ 129—147; Utz/Groner Nr. 5506—5537. 308
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
renzierungen willen ein größerer Abschnitt ganz angeführt werden, aus dem die Grenzziehung besonders deutlich w i r d : „Zunächst ist jede F o r m von direkter Euthanasie, d. h. die Verabreichung v o n Narkotika, um den Tod herbeizuführen oder zu beschleunigen, verboten, w e i l man sich dann anmaßt, direkt über das Leben zu verfügen 3 0 9 . Es ist eines der Grundprinzipien der natürlichen und der christlichen Moral, daß der Mensch nicht H e r r und Besitzer, sondern nur Nutznießer seines Leibes u n d seines Daseins ist. M a n maßt sich i m m e r dann ein direktes Verfügungsrecht an, wenn m a n die A b k ü r z u n g des Lebens als Zweck oder M i t t e l w i l l . Unter den Bedingungen, die Sie (gemeint: die Teilnehmer des Kongresses) i m Auge haben, handelt es sich aber allein darum, dem Patienten unerträgliche Schmerzen zu ersparen, ζ. B. bei nicht operierbarem Krebs oder unheilbaren Krankheiten. Wenn zwischen der Narkose und der Verkürzung des Lebens kein u n m i t telbarer Kausalzusammenhang besteht, der auf dem Willen der Interessierten beruht oder i n der N a t u r der Sache liegt (was der F a l l wäre, w e n n die Unterdrückung des Schmerzes n u r durch die Verkürzung des Lebens b e w i r k t werden könnte) u n d w e n n vielmehr die Verwendung von Narkotika an sich zweierlei verschiedene Folgen nach sich zieht, einerseits die Erleichterung des Schmerzes u n d andererseits die Verkürzung des Lebens, so ist sie erlaubt. M a n muß allerdings auch noch zusehen, ob zwischen diesen beiden W i r k u n g e n ein vernünftiges Verhältnis besteht und ob die Vorteile der einen die Nachteile der anderen aufwiegen. Es ist auch wichtig, sich vorher noch zu fragen, ob der gegenwärtige Stand der Wissenschaft es nicht erlaubt, dasselbe Ergebnis m i t anderen M i t t e l n zu erreichen, und dann bei der V e r w e n dung der Betäubungsmittel die praktisch notwendigen Höchstgrenzen nicht zu überschreiten. 309 I n diesem Zusammenhang verdient ein höchst bemerkenswertes Schreiben des deutschen Amtsrichters Dr. L. Kreyssig hervorgehoben zu werden, welches er als Vormundschaftsrichter i n Brandenburg/Havel am 8. J u l i 1940 an den deutschen Reichs justizminister wegen der offenbar werdenden A n wendung der Euthanasie bei Geisteskranken richtete, abgedruckt i n : Justiz i m D r i t t e n Reich 112 ff. Es k a n n leider n u r der hier entscheidende Teil wiedergegeben werden, der gerade m i t der zitierten Aussage Pius 9 XII. i m Zusammenhang steht. Kreyssig w i r f t zuerst die Frage nach dem Sinn des Lebens Geisteskranker auf und sagt dann: „Sein Sinn ist weder i m Blick auf das Einzelwesen noch i n dessen Bezogenheit auf die völkische Gemeinschaft zu begreifen. W a h r u n d weiterhelfend ist nur, was Gott uns darüber sagt. Es ist darum eine ungeheuerliche Empörung u n d Anmaßung des M e n schen, Leben beenden zu dürfen, w e i l er m i t seiner beschränkten V e r n u n f t es nicht oder nicht mehr als sinnvoll begreift. Ebenso w i e das Vorhandensein solchen hinfälligen Lebens ist es eine von Gott gegebene Tatsache, daß es allewege genug Menschen gegeben hat, die fähig waren, solches Leben zu lieben u n d zu betreuen, w i e rechte Liebe ihre Größe u n d den Abglanz ihrer göttlichen H e r k u n f t gerade dort hat, w o sie nicht nach Sinn u n d W e r t fragt. Es ist vermessen, zu beurteilen oder sich darüber hinwegzusetzen, was w o h l ,lebensunwertes Leben' f ü r die ewige Bestimmung der Menschen bedeutet, die damit nach den Ordnungen Gottes als Eltern oder Angehörige oder Ärzte oder Berufspfleger verbunden sind" (dort 113). W e i l Amtsrichter Kreyssig auf dieses Schreiben keine A n t w o r t erhielt, „erstattete er Anzeige wegen Mordes gegen den f ü r die Tötung von Geisteskranken V e r a n t w o r t lichen". Wie die Herausgeberin der Dokumentation I. Staff berichtet, erfolgte auch darauf nichts. A b e r der Amtsrichter selbst wurde auch nicht verhaftet (dort 115).
3. Recht des „lebensunwerten Lebens" u n d Euthanasie
103
(5536) K u r z zusammengefaßt fragen Sie uns: ,Ist die Ausschaltung des Schmerzes und des Bewußtseins durch N a r k o t i k a (wenn die medizinische I n d i k a t i o n sie verlangt) von Seiten der Religion u n d M o r a l dem A r z t und dem Patienten erlaubt (auch beim Herannahen des Todes und w e n n sich v o r hersehen läßt, daß die A n w e n d u n g der Narkotika das Leben verkürzen wird)?' M a n muß darauf antworten: ,Wenn es keine anderen M i t t e l gibt und unter bestimmten Umständen nicht die E r f ü l l u n g anderer religiöser oder moralischer Pflichten verhindert w i r d : ja 4 " 3 1 0 . Es i s t ganz k l a r , daß es a u f d e n Z w e c k d e r M a ß n a h m e W i r d d i r e k t die T ö t u n g beabsichtigt,
ankommt.
k a n n sie d u r c h nichts gerechtfer-
t i g t w e r d e n . I n e i n e r späteren A n s p r a c h e b e z i e h t sich Pius
XII.
noch-
m a l s a u f die eben a n g e f ü h r t e u n d b e k r ä f t i g t d o r t das h i e r Gesagte, i n d e m er d e n Willen,
„ d e n T o d h e r b e i z u f ü h r e n " , als das entscheidende
u n d unterscheidende M e r k m a l h e r v o r h e b t 3 1 1 . Es i s t n u n sehr bezeichnend f ü r die V e r w i r r u n g u n s e r e r Z e i t , daß m a n dieses einfache u n d k l a r e U n t e r s c h e i d u n g s m e r k m a l v i e l f a c h n i c h t m e h r einzusehen v e r m a g . Besonders w i r d a r g u m e n t i e r t , daß e t w a auch das A b s c h a l t e n e i n e r A t e m m a s c h i n e oder eines sonstigen Gerätes, das u n m i t t e l b a r d e n T o d eines b e w u ß t l o s e n u n d sonst n i c h t m e h r lebensf ä h i g e n P a t i e n t e n z u r F o l g e habe, k e i n e n U n t e r s c h i e d m e h r gegenüber der V e r a b r e i c h u n g e i n e r t ö d l i c h e n I n j e k t i o n m ö g l i c h mache. I n b e i d e n F ä l l e n v e r f ü g e der A r z t ü b e r das L e b e n . U n d i n b e i d e n F ä l l e n gehe es d a r u m , ob eine solche F o r m eines v e g e t i e r e n d e n L e b e n s noch e r h a l t e n s w e r t sei. D a b e i m ü ß t e n auch die d u r c h die E n t w i c k l u n g der M e d i z i n i m m e r größer w e r d e n d e n K o s t e n eines K r a n k e n b e t t e s u n d die d u r c h die B e s e t z u n g eines solchen B e t t e s oder g a r d u r c h d i e I n a n s p r u c h n a h m e a u ß e r o r d e n t l i c h t e u r e r Geräte f ü r die Gesellschaft e n t s t e h e n d e n B e 810
Utz/Groner Nr. 5535 f. U n t e r die hier i n Frage kommenden religiösen u n d moralischen Pflichten werden i n 5533 gezählt: „wichtige Angelegenheiten zu regeln, sein Testament zu machen, zu beichten". A u f das v o n Pius XII. i n 5530 ff. erörterte Problem einer moralischen Verpflichtung „den Schmerz anzunehmen u n d seine Linderung auszuschlagen", von der er sagt, daß sie „weder aus der N a t u r der Sache noch aus der Offenbarung" hervorgeht, k a n n hier nicht näher eingegangen werden. I n 5536 sagt er abschließend: „ W i e W i r schon erklärt haben, verpflichtet das Ideal des christlichen Heldentums nicht, zum mindesten nicht allgemein, zur Verweigerung einer i m übrigen gerechtfertigten Narkose, selbst nicht beim Herannahen des Todes. Alles hängt von den konkreten Umständen ab. Der vollkommenere und heldenhaftere Entschluß k a n n ebensowohl auf Seiten der Annahme w i e auf Seiten der Verweigerung liegen". 311 Ansprache an die Teilnehmer der 1. Tagung des „Collegium Internationale Neuro-Psycho-Pharmacologicum" v o m 9. September 1958 über „ D i e psychopharmakologische Therapeutik i m Lichte der christlichen M o r a l " , A A S 50 (1958) 687—696; Utz/Groner Nr. 5427—5445, die zitierte Stelle 5442; dazu auch Schambeck, FS Messner 490 A n m . 205; ferner Virt (oben A n m . 298) 131. Virt sagt dort unter Bezugnahme auf die zitierte Aussage Pius 9 XII.: „Das Problem der Schmerzbekämpfung, aus der sich als unvermeidliche Folge ein rasches Eintreten des Todes ergeben kann, dürfte seit den eindeutigen Aussagen Pius 9 XII. keine Schwierigkeiten mehr machen."
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
lastungen berücksichtigt werden. Außerdem w i r d etwa i n den
USA
schon seit l a n g e m die V o r s t e l l u n g p r o p a g i e r t , daß m a n das S t e r b e n „angenehmer u n d w ü r d e v o l l e r " machen solle312. Ähnliche Ideen w e r d e n auch b e i uns v e r b r e i t e t . G e g e n ü b e r a l l e n diesen V e r s c h l e i e r u n g e n , die, m ö g e n sie aus U n k e n n t n i s oder z i e l b e w u ß t e r A b s i c h t erfolgen, h a t Pius XII. v ö l l i g k l a r gestellt, w o r a u f es a n k o m m t . E r h a t dies besonders i n e i n e r A n s p r a c h e ü b e r „ R e c h t l i c h e u n d s i t t l i c h e F r a g e n d e r W i e d e r b e l e b u n g " 3 1 3 getan. I n e i n e m d e r w i c h t i g s t e n A b s c h n i t t e dieser A n s p r a c h e sagt er u n t e r anderem: „ D i e Rechte und Pflichten der Angehörigen hängen gewöhnlich von dem anzunehmenden W i l l e n des bewußtlosen K r a n k e n ab, w e n n er großjährig und ,sui iuris' ist. Was die eigene u n d unabhängige Pflicht der Angehörigen betrifft, so sind sie gewöhnlich n u r zur A n w e n d u n g der üblichen M i t t e l verpflichtet. Wenn es sich daher zeigt, daß der Versuch der Wiederbelebung i n Wirklichkeit f ü r die Angehörigen eine derartige Belastung darstellt, daß man i h n ihnen nicht m i t gutem Gewissen zumuten kann, so können sie rechtmäßigerweise darauf bestehen, daß der A r z t seine Versuche abbricht. Der A r z t k a n n ihnen also erlaubterweise Folge leisten. I n diesem F a l l liegt keinerlei direkte Verfügung über das Leben des Patienten noch auch Euthanasie vor, die niemals erlaubt wäre. Selbst wenn die Unterbrechung des Wiederbelebungsversuchs den Stillstand des Blutkreislaufs nach sich zieht, so ist sie doch i m m e r n u r indirekte Ursache des Aufhörens des Lebens. I n diesem F a l l muß man also den Grundsatz des doppelten Effekts u n d den des ,voluntar i u m i n causa' anwenden. (5550) D a m i t haben w i r auch i m wesentlichen schon auf die zweite Frage geantwortet: ,Kann der A r z t den Atmungsapparat entfernen, bevor der endgültige Stillstand des Kreislaufs eingetreten ist? K a n n er es wenigstens, wenn der Patient bereits die Letzte Ölung empfangen hat?' (5551) A u f den ersten T e i l dieser Frage muß man bejahend antworten, wie w i r bereits auseinandergesetzt haben. Wenn die Letzte Ölung noch nicht gespendet worden ist, versuche man die A t m u n g noch so lang i m Gang zu h a l ten, bis dies geschehen i s t " 3 1 4 . A u c h h i e r ist es ganz k l a r , w o r a u f es a n k o m m t : z u r A n w e n d u n g a u ß e r o r d e n t l i c h e r M i t t e l , u m das L e b e n eines (hoffnungslosen) P a t i e n t e n k ü n s t l i c h z u e r h a l t e n oder d i e W i e d e r b e l e b u n g z u versuchen, b e s t e h t g e w ö h n l i c h k e i n e V e r p f l i c h t u n g . W e n n d i e Erfolgsaussichten nach m e n s c h l i c h e m Ermessen i n k e i n e m V e r h ä l t n i s z u m A u f w a n d stehen 312 Vgl. Whitehead , Respectable K i l l i n g (oben A n m . 255) 48. Der T e x t ist i n A n m . 255 wiedergegeben. 313 A n eine Gruppe von Ärzten gehalten am 24. November 1957, A A S 49 (1957) 1027—1033; Utz/Groner Nr. 5538—5554. 314 Utz/Groner Nr. 5549 ff. Hervoh. von m i r ; den vorausgehenden Text von 5548 hat bereits Schambeck, FS Messner 490 A n m . 205, herangezogen. A u f die Frage der Gültigkeit der Letzten Ölung ist hier nicht einzugehen.
3. Recht des „lebensunwerten Lebens" u n d Euthanasie
105
und dieser Aufwand zudem unzumutbar wird, besteht keine Verpflichtung zur Fortsetzung des Einsatzes außerordentlicher Mittel, ohne deren Einsatz der Patient bereits gestorben wäre und demgemäß nach menschlicher Voraussicht stirbt, wenn i h r Einsatz unterlassen wird. Beim Abstellen des „Atmungsapparats" ist der Wille des Arztes i n diesem Falle nicht auf die Tötung des Patienten gerichtet, sondern vielmehr auf die Einstellung eines sinnlos gewordenen und daher unzumutbaren Aufwandes, ohne dessen Einsatz der Patient voraussichtlich natürlicherweise sterben wird. Dies ist jedoch keineswegs gewiß. Es sind Fälle vorgekommen, i n denen nach dem Abstellen der für lebensnotwendig gehaltenen Geräte die spontanen Funktionen beim Patienten wieder eingesetzt haben. I n diesen Fällen kann also nur m i t einer mehr oder minder großen Wahrscheinlichkeit gerechnet werden, daß der Tod eintritt. Ganz anders verhält es sich bei der direkten Herbeiführung des Todes durch eine Injektion oder sonst ein Mittel, das den Tod bewirkt. Hier richtet sich die Absicht auf den Tod des Patienten, nicht jedoch auf das Einstellen sinnlos erscheinender Maßnahmen zur weiteren Lebenserhaltung. Ein solches Handeln schließt eben i n spezifischer Weise die Verfügung über menschliches Leben ein, die auf keinen Fall gerechtfertigt ist. Wenn aber der Tod natürlicherweise eintritt, sobald der Einsatz außergewöhnlicher Maßnahmen aufhört, ist der Mensch eines natürlichen Todes gestorben, und nicht getötet worden. Auch hier kommt es wieder auf die Absicht, den Willen an. Ist der Wille auf direkte Tötung gerichtet, liegt unerlaubte Euthanasie vor, sonst eben nicht. Das müßte eigentlich so klar auf der Hand liegend sein, daß darüber keine Zweifel möglich sein sollten. Die Frage nun, wann der Einsatz außergewöhnlicher Mittel nicht mehr gerechtfertigt und nicht mehr zumutbar erscheinen muß, kann nur ein gewissenhafter Arzt i m Sinne der von Pius XII. dargelegten Grundsätze nach seiner eigenen sorgfältigen Erwägung aller Umstände selbst entscheiden. Die Voraussetzung dafür, daß man hierin dem Arzt vertrauen kann, ist jedoch, daß der Unterschied klar ist und kein Zweifel daran besteht, daß eine direkte Tötung m i t der Absicht, den natürlicherweise auch ohne den Einsatz besonderer Mittel zur Lebenserhaltung noch nicht eintretenden Tod herbeizuführen, auf keinen Fall i n Frage kommen kann. Sonst würde genau das eintreten, was seinerzeit der Bischof von Münster, Graf von Galen, dazu gesagt h a t 3 1 6 . Die Reak315 w. Püschel, Der Niedergang des Rechts i m D r i t t e n Reich (1947) 95 f. Der dort wiedergegebene T e i l der Predigt des Bischofs von Münster v o m 3. August 1941 lautet: „ W e n n man den Grundsatz aufstellt u n d anwendet, daß m a n den ,unproduktiven' Menschen töten darf, dann wehe den I n v a liden, die i m Produktionsprozeß ihre Kräfte, ihre gesunden Knochen ein-
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
gesetzt, geopfert und eingebüßt haben. Wenn man den u n p r o d u k t i v e n ' Menschen gewaltsam beseitigen darf, dann wehe unseren Soldaten, die als Schwerkriegsverletzte, als Invaliden und K r ü p p e l zurückkehren. Wenn einm a l zugegeben w i r d , daß Menschen das Recht haben, ,unproduktive' M i t menschen zu töten, und w e n n es auch jetzt arme wehrlose Geisteskranke t r i f f t , dann ist grundsätzlich der M o r d . . . an uns allen, w e n n w i r alt, altersschwach u n d damit u n p r o d u k t i v werden, freigegeben. . . . Irgendeine K o m mission k a n n i h n auf die Liste der »Unproduktiven' setzen, die nach ihrem U r t e i l ,lebensunwert' geworden sind. U n d keine Polizei w i r d i h n schützen. U n d kein Gericht w i r d seine Ermordung ahnden oder den Mörder der verdienten Strafe übergeben. Wer k a n n da noch Vertrauen zu einem A r z t haben? Vielleicht erklärt der A r z t i h n als »unproduktiv' u n d erhält die A n weisung, i h n zu töten". Faktisch dasselbe ist m i t dem oben A n m . 255 angeführten A n t r a g i m Staate Florida (USA) angestrebt worden, n u r daß man nicht von „ u n p r o d u k t i v " spricht, sondern davon, daß das Leben eines M e n schen „had become ,meaningless' ". Dabei haben drei Ärzte — nach welchen Kriterien? — allein darüber zu entscheiden, w a n n dieses „meaningless" v o r liegt. Ihre Entscheidung soll von einem Richter gegengezeichnet werden. Die Vorgänge i m Zusammenhang m i t der Abtreibung lassen jedoch n u r zu deutlich werden, was das i n der Praxis bedeuten kann. Die Gegenzeichnung w i r d ohne Zweifel bei entsprechender Propaganda zur bloßen Formalität, so wie jetzt i n den USA jede A b t r e i b u n g als begründet angesehen w i r d , wenn sie von einem A r z t vorgenommen wurde. Vgl. zum „sensitivity t r a i n i n g " für Krankenschwestern i n USA oben A n m . 287, das i n Wahrheit nichts anderes ist, als eine Gewöhnung an das Töten u n d eine Abstumpfung, also das gerade Gegenteil von allem was man unter „sensitivity t r a i n i n g " verstehen könnte. A u f diese Weise könnten auch w o h l die Hemmungen gegen das Beenden von „sinnlosem Menschenleben" durch aktives Töten rasch abgebaut werden. Das konsequente Beschreiten dieses Weges müßte dazu führen, daß i m Namen des Fortschrittes der H u m a n i t ä t solchem Leben die Vernichtung i n ungleich größerem Ausmaß droht, als unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. Ähnliche Entwicklungen lassen sich i n allen Staaten erwarten, i n denen m i t der Freigabe der Abtreibung der unbedingte Schutz des menschlichen Lebens i m Prinzip fallengelassen wurde. Besonders deutlich w i r d das aus den Beiträgen i n : Eser, Suizid. Dort 390 schlägt Kittrie „die Schaffung von v ö l l i g neuen Körperschaften zur Entscheidungsfindung" vor, die „ ä h n lich w i e Geschworenengerichte . . . über Leben u n d Tod" zu entscheiden hätten. Er sieht das als einen Weg „zur Wiederbelebung demokratischer Entscheidungsfindung" an, der „dazu helfen könnte, die neuen gesellschaftlichen Verantwortungsbereiche zu verteilen, die uns die moderne Wissenschaft aufzwingt: die Verantwortung dafür, daß w i r den ,lieben Gott' spielen". „Demokratische" Körperschaften sollen also anstelle Gottes über Leben u n d Tod anderer entscheiden, u n d das fordere „die moderne Wissenschaft". Diese Überlegungen demonstrieren i n geradezu klassischer Weise jene E n t w i c k lung, die E. Voegelin, Die neue Wissenschaft der Politik, Eine Einführung (1959; Sonderausgabe der Stifterbibliothek 1977 m i t abweichender Seitenzählung; englische Originalausgabe 1952), i n den K a p i t e l n I V („Der Gnostizismus — das Wesen der Modernität") u n d V („Die gnostische Revolut i o n — der F a l l des Puritanismus") i n einer genialen u n d durchdringenden Analyse klargestellt hat. Das I V . Kapitel, das die Entwicklung der verschiedenen Totalitarismen der Neuzeit aus der Gnosis deutlich werden läßt u n d gerade jetzt i m Zusammenhang m i t der E n t w i c k l u n g auch jener Mentalität, die sich i n den Darlegungen Kittries manifestiert, seine außerordentliche A k t u a l i t ä t beweist, schließt m i t dem Satz: „Der Totalitarismus als existentielle Herrschaft gnostischer A k t i v i s t e n ist die Endform der progressiven Zivilisation" (185 der deutschen Erstausgabe, 191 der Ausgabe der Stifterbibliothek). M a n k a n n n u r sagen: Gott bewahre uns v o r der „modernen" gnostischen „Wissenschaft", die „den ,lieben Gott' spielen" zu können oder zu müssen glaubt! Vgl. dazu auch oben A n m . 309 und unten A n m . 328.
4. Zusammenfassung
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tion der damaligen Machthaber auf die Ausführungen des Bischofs von Münster war „die Wut der Macht" 3 1 6 . Wie Wilhelm Püschel berichtet, schlug der zuständige Abteilungsleiter i m Propagandaministerium damals vor, „den Bischof öffentlich durch Erhängen hinrichten zu lassen" 3 1 7 . Es kam nicht dazu, weil die Erregung der Bevölkerung zu groß war, und Pius XII. hat den mutigen Bischof gleich nach dem Ende des Krieges zum Kardinal ernannt. Damit hat Pius XII. zweifellos auch den kompromißlosen Einsatz für das Lebensrecht des Menschen — und zwar unter Einsatz des eigenen Lebens — besonders anerkennen und würdigen wollen. 4. Zusammenfassung Versucht man die Lehre Pius 9 XII. über das Recht auf Leben zusammenzufassen, so geht aus allen seinen diesbezüglichen Aussagen zunächst klar hervor, daß es sich u m ein fundamentales Recht handelt, das von Natur aus besteht und zudem durch positives göttliches Recht bekräftigt ist. Daher ist es in seinem Bestand von keiner menschlichen Autorität abhängig. Vielmehr besteht für jede internationale oder nationale Autorität eine Verpflichtung, es zu schützen. Daher gibt es auch keine menschliche Autorität, die dieses Recht als solches antasten und einen „Rechtstitel . . . geben könnte zu einer direkten, überlegten Verfügung über schuldloses Menschenleben, . . . , die auf Vernichtung abzielt" (1 b). Die menschliche Vernunft reicht an sich dazu aus, dieses Recht zu erkennen (1 a), wenn die Erkenntnisfähigkeit nicht durch Selbstsucht und Leidenschaften getrübt ist (1 d). Dieses „schuldlose menschliche Leben, . . . , ist vom ersten Augenblick seiner Existenz an jedem direkten Angriff entzogen" (1 c). Weil das Leben eines Menschen von der Empfängnis bis zum Tode eine kontinuierliche Einheit bildet, gibt es auch nur einen Schutz des menschlichen Lebens, aus dem keine Phase ausgenommen werden kann, ohne daß damit das Lebensrecht als solches angetastet würde (vgl. auch 1 b, 2 b und d). Daher ist die Abtreibung i n jeder Form ebenso unerlaubt wie die Euthanasie, und kein Staat vermag sie zu rechtlich erlaubten Akten zu machen. Vielmehr begibt sich ein Staat, der durch seine Gesetze solche Dinge ermöglicht, i n Gegensatz zum Naturrecht und zum positiven göttlichen Gesetz. Solche Gesetze heben aber für niemanden die aus dem Naturrecht, dem göttlichen Gesetz und den allgemeinen Normen der Moral erwachsenden Verpflichtungen auf. Daher haben solche Gesetze auch keinen Anspruch auf Befolgung. I m Gegenteil, man „muß . . . sich darüber hinwegsetzen" (1 c bei Anm. 257). 316 317
Vgl. oben A n m . 182. Der Niedergang (Anm. 315) 95.
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
Hinsichtlich der Euthanasie hat Pius XII. die wichtige Unterscheidung getroffen, daß darunter nur die absichtliche Tötung zu verstehen ist, „die niemals erlaubt wäre". Dagegen fällt das Einstellen des Einsatzes außerordentlicher M i t t e l zur künstlichen Erhaltung des Lebens eines Menschen, bei dem ohne diesen Einsatz außerordentlicher Mittel der Tod wahrscheinlich bereits eingetreten wäre und deswegen auch wahrscheinlich eintreten wird, wenn der Einsatz außerordentlicher M i t t e l zur Lebenserhaltung (Atemgeräte und sonstige apparative Einrichtungen) eingestellt wird, nicht unter diesen Begriff der Euthanasie. I n diesem Falle w i r d nicht der Tod des Patienten angestrebt, sondern lediglich der weitere Einsatz außerordentlicher Mittel zur Lebenserhaltung als nicht mehr sinnvoll und zumutbar angesehen. Auch wenn der Tod als Folge einer solchen Maßnahme eintritt, „liegt keinerlei Euthanasie vor" (3 b). Die Grundsätze für den Schutz des ungeborenen Lebens, die Pius XII. i n Übereinstimmung mit der gesamten Lehre der Kirche entwickelt hat, sind vom Zweiten Vatikanischen Konzil ausdrücklich bekräftigt und dann durch die „Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre über den Schwangerschaftsabbruch" vom 18. November 1974, die von Papst Paul VI. bestätigt wurde, neuerlich ausgeführt worden. Über die auch jetzt geltende Lehre der Kirche können in diesem Punkt keinerlei Zweifel bestehen. Zum Problem der Euthanasie hat Pius XII. ebenfalls die sich aus der Lehre der Kirche ergebenden Grundsätze klargestellt. Das Konzil hat dazu jedoch, soweit ich sehe, nicht besonders stellunggenommen. Lediglich i m Zusammenhang m i t dem allgemeinen Problem der „Achtung vor der menschlichen Person" hat es festgestellt: „Was ferner zum Leben selbst i n Gegensatz steht, w i e jede A r t Mord, V ö l kermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord; was i m m e r die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, w i e Verstümmelung, körperliche oder seelische Folter u n d der Versuch, psychischen Zwang auszuüben; was i m m e r die menschliche Würde a n g r e i f t , . . : all dies u n d andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; sie sind eine Zersetzung der menschlichen K u l t u r , entwürdigen w e i t mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden" 3 1 8 .
I n dieser Aussage w i r d zunächst die Euthanasie zu jenen Taten gezählt, die offenbar eine Verletzung des Rechtes auf Leben darstellen. Darüber hinaus w i r d jedoch auch aus diesem Text deutlich, daß ein Staat, der den Schutz des Lebensrechtes i n einem der genannten Be318 Gaudium et spes 27 (Hervorh. von mir). I m Index terminologicus der Ausgabe i m L e x i k o n f ü r Theologie u n d Kirche, Das Zweite Vatikanische K o n z i l I I I (1968) 738, ist diese Stelle als die einzige unter „Euthanasia" angegeben. Auch sonst konnte ich keinen Hinweis auf eine andere finden.
4. Zusammenfassung
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reiche, insbesondere auch i m Bereiche der Abtreibung und der Euthanasie, entzieht und damit den Weg zu jenen Taten eröffnet, die „an sich schon eine Schande" sind und „eine Zersetzung der menschlichen K u l t u r " , aus kirchlicher Sicht — und nicht nur aus dieser — ganz gewiß nicht mehr als ein „Rechtsstaat" i m vollen Sinne bezeichnet werden kann, auch wenn Teile seiner Rechtsordnung noch den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit genügen. M i t der Verletzung der Verpflichtung zum Schutz des grundlegendsten Menschenrechtes, des Rechtes auf Leben, begibt sich ein Staat ohne Zweifel auf den Weg zum Verlust seiner Legitimität. Robert Spaemann hat, wie bereits oben bemerkt, i m Bezug auf den Schutz der Ungeborenen treffend festgestellt: „Wo Minderheiten rechtlos gemacht werden, kann auch die Mehrheit nicht legitimieren "31θ. Das stimmt auch mit den diesbezüglichen Aussagen Pius* XII. überein. I m Hinblick auf die Probleme, die i n den meisten Staaten heute über die Abtreibung hinaus auch hinsichtlich der Euthanasie bereits deutlich werden und ein Vordringen der Mißachtung des Lebensrechtes auch i n diesem Bereich erkennen lassen, erscheint es als sehr dringlich, die diesbezügliche Lehre der Kirche — ähnlich wie bei der Abtreibung — klar in Erinnerung zu rufen. Es bleibt daher zu hoffen, daß eine derartige Erklärung seitens der Kongregation für die Glaubenslehre bald erfolgt 3 2 0 . I n einer Zeit i n welcher die Achtung vor dem menschlichen Leben dort, wo es unbequem wird, allgemein schwindet, und überhaupt das Bewußtsein von unantastbaren Rechten ständig abnimmt, müssen ohne Zweifel alle Kräfte mobilisiert werden, um einer fortschreitenden „Zersetzung der menschlichen K u l t u r " entgegenwirken zu können. Nur dadurch kann „ein sicheres menschliches 319 ZRP 7 (1974) 52 (Hervorh. von mir). Er sagt dort i n der Forts, des bereits oben bei A n m . 184 zitierten Textes weiter: „ M i t der Freigabe der Fristenlösung würde erstmals seit 1949 der Fundamentalkonsens, auf dem unsere Republik beruht, angetastet. Der ehemalige österreichische U n t e r richtsminister Piffl-Peröevic schrieb anläßlich der dortigen Freigabe der A b treibung: ,Eine Staatsgewalt, die sich von dieser Pflicht lossagt u n d geradezu das Gegenteil zuläßt, begeht einen Staatsstreich. Sie pervertiert den Staat. . . Diese Äußerung", die Spaemann ganz zitiert u n d die auch ganz gelesen weden sollte, „ist so hart, daß sie geeignet ist, auf der Gegenseite Empörung und Verhärtung hervorzurufen. Ich w i l l ihre Berechtigung hier nicht diskutieren. Es genügt die hier sichtbar werdende Tatsache, daß zahlreiche loyale Demokraten, die es gewohnt sind, Mehrheitsentscheidungen auch dann zu respektieren, w e n n sie sie für falsch halten, i n diesem Falle an die Grenze ihrer Loyalität stoßen. M i t der Fristenlösung würde f ü r sie unser Staat aufhören, ein Rechtsstaat zu sein." Es erhebt sich allerdings die Frage, ob er n u r „ f ü r sie" aufhört, ein Rechtsstaat zu sein, oder ob nicht vielmehr damit i n der Tat jene Grenze überschritten ist, die objektiv den Rechtsstaat von seinem Gegenteil, der entarteten Staatsform, der Tyrannis, Oligarchie oder Ochlokratie, trennt. Dazu noch ausführlicher unten V 2. 320 Sie ist inzwischen am 5.5.1980 erfolgt als Declaratio de euthanasia, A A S 72 (1980) 542—552, deutsch i n : L'Osservatore Romano, Wochenausgabe i n deutscher Sprache v o m 11. J u l i 1980, S. 12 f.
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I V . Das Recht auf Leben bei Pius X I I .
Zusammenleben" erhalten oder überall dort wiederhergestellt werden, wo seine Grundlagen bereits verlassen wurden. Nur so werden sich auch die Hoffnungen auf ein menschenwürdiges Leben in der Zukunft erfüllen können.
V. Die Verantwortung des Politikers und Grenzen staatlicher Legitimität 3 2 1 Der Zusammenhang zwischen der Verantwortung des Politikers und der Legitimität einer staatlichen Ordnung ist bereits i n der Antike klar gesehen worden. Hängt es doch weitgehend von jenen ab, die an der Spitze eines Staates stehen, i n welcher Weise das staatliche Leben geordnet wird, ob es eine gerechte Ordnung ist, die auf das Gemeinwohl abzielt, oder ob es eine irgendwie von Einzel- oder Gruppenegoismen oder von W i l l k ü r geprägte Herrschaftsform ist, die eine Perversion einer echten Staatsform darstellt. So sagt etwa Aristoteles in seiner Politik nach einer eingehenden Erörterung der einschlägigen Fragen: „ D a m i t ist also deutlich geworden, daß alle Staatsordnungen, bei denen man auf das Gemeinwohl schaut, am Maßstab der absoluten Gerechtigkeit (κατά τό απλώς δί καιον) gemessen, richtige Staatsordnungen sind; u n d daß alle diejenigen, bei denen m a n einzig auf den Nutzen der Regierenden schaut, verfehlt u n d alles »Abweichungen' (Entartungen, παρεκβάσεις) von den richtigen Staatsordnungen s i n d " 3 2 2 .
A u f der Grundlage dieser Gedanken, die bereits von Piaton entwickelt worden waren, hat auch der griechische Historiker Polybios (um 200 bis 120 v. Chr.) seine Theorie über den zyklischen Ablauf von Verfassungsformen entwickelt. Er stellt den drei legitimen Verfassungsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie deren Entartungen: Tyrannis, Oligarchie und Ochlokratie gegenüber und zeigt, daß i n allen Fällen die unterscheidenden Merkmale in der Anerkennung oder Nichtanerkennung objektiver Grundlagen legitimer Herrschaft liegen. I n besonders klarer Weise hat der römische Staatsmann und Philosoph Cicero herausgearbeitet, daß die Gerechtigkeit, die nach der von Natur aus gegebenen Ordnung menschlichen Zusammenlebens zu be321 Erschienen i n : Stimmen zur Zeit, FS für Hans Lechner, Univ.-Verlag A. Pustet Salzburg (1978) 241—256; hier abgedruckt m i t freundlicher Genehmigung des Verlages. Vgl. auch Schambeck, Die Verantwortung des Gesetzgebers u n d der Schutz des ungeborenen Lebens, A r z t u n d Christ 27 (1981) 98—103. Z u r L e g i t i m i t ä t allgemein H. Hofmann, L e g i t i m i t ä t u n d Rechtsgeltung (1977); umfassend Link, Herrschaftsordnung; beide m i t zahlreichen weiteren Hinweisen. 322 Aristot. pol. 3, 6; 1279a 17—20; Übers, von W. Siegfried (1967).
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V. Politiker ver antwortung u n d Grenzen staatlicher Legitimität
messen ist, auch der Maßstab für legitime Ausübung staatlicher Herrschaft ist. I n seinem Werk über die Gesetze sagt er unter anderem: „ I n der Tat, es ist das Dümmste, anzunehmen, daß alles gerecht ist, was sich i n den Gewohnheiten oder Gesetzen der Völker niedergelegt findet. Oder w ü r d e n etwa auch Gesetze (gerecht sein), die von Tyrannen stammen? Wenn etwa jene dreißig (Tyrannen) i n A t h e n Gesetze hätten einführen wollen, oder wenn sogar alle Athener an den Gesetzen der Tyrannen Gefallen gefunden hätten, könnte m a n solche Gesetze deswegen als gerecht ansehen?" 3 2 3
I n den weiteren Ausführungen legt Cicero dar, warum das nicht möglich ist. Dabei macht er deutlich, daß sowohl Herrscher als auch das Volk an Normen gebunden sind, die sich ihrer Disposition schlechterdings entziehen. Sie können diese Normen nicht mißachten, ohne in Ungerechtigkeit zu fallen. I m Sinne der oben angeführten Feststellung des Aristoteles betont er besonders, daß dann, wenn die Nützlichkeit zum obersten politischen Prinzip erhoben wird, jedermann, sobald er nur kann, jede Norm mißachten und zunichte machen wird, wenn er es für sich als nützlich erachtet. Damit würde aber jede Gerechtigkeit beseitigt 3 * 4 . Cicero zeigt dann und begründet es ausführlich, daß die Grundlagen des Rechts und einer gerechten staatlichen Ordnung von der Natur festgelegt sind. Er zeigt ferner, daß der Mensch an sich die Fähigkeit hat, sie zu erkennen, vorausgesetzt, daß er diese Fähigkeit nicht durch verführerische Einflüsse verschiedenster A r t verderben läßt, so vor allem dadurch, daß er sich durch die Zustimmung der Menge verleiten läßt oder durch die voluptas (Genußsucht), deren Schmeicheleien den Menschen verderben und ihn so unfähig machen, zu erkennen, was von Natur aus gut i s t 3 2 5 . I m Falle einer (tyrannischen) Diktatur oder auch der Herrschaft einer Gruppe i m Sinne der Oligarchie fällt es auch heute noch gewöhnlich nicht schwer, die Grenzen legitimer Herrschaft zu erkennen. Ganz anders w i r d jedoch die Lage, wenn faktisch dieselben Dinge, die i m Falle einer Diktatur oder Oligarchie mühelos als Verbrechen erkannt und 323 Cie. leg. 1, 42. Auch seine vorausgehenden Ausführungen i n leg. 1, 40 f. sind sehr beachtenswert. 324 Cie. leg. 1, 42. Vgl. dazu auch Bydlinski, Menschenrechte 95 f., der dort m i t Recht feststellt: „Selbst der dogmatischeste Ideologe sollte der Versuchung nicht nachgeben, n u r gewisse Gesetze, die i h m aus irgendwelchen Gründen passen, z. B. § 97 StGB, anzuerkennen u n d andere gleichrangige Gesetze derselben Rechtsordnung, z. B. § 22 A B G B , schlicht zu ignorieren. Er provoziert damit nur, daß andere m i t den von i h m bevorzugten Gesetzen i n gleicher Weise verfahren. Das wäre das Ende einer verbindlichen Rechtsordnung." Vgl. auch gleich unten A n m . 328. 325 Cie. leg. 1, 44—47, die Texte sind oben bei den A n m . 266 und 267 übersetzt wiedergegeben.
V. Politiker ver antwortung u n d Grenzen staatlicher L e g i t i m i t ä t g e b r a n d m a r k t w e r d e n , d u r c h M e h r h e i t s b e s c h l u ß eines V o l k e s oder seiner g e w ä h l t e n V e r t r e t e r i n e i n e m S t a a t e e i n g e f ü h r t w e r d e n , d e r sich d e m o k r a t i s c h n e n n t . Es h e r r s c h t h e u t e w e i t h i n d i e M e i n u n g , daß es f ü r d e n W i l l e n e i n e r M e h r h e i t k e i n e r l e i o b j e k t i v e S c h r a n k e n geben k ö n n e . S o b a l d die M e h r h e i t e t w a s w o l l e , sei dies schon a l l e i n deswegen l e g i t i m . Diese V o r s t e l l u n g e n s i n d b e r e i t s s o w e i t v o r g e d r u n g e n , daß f a k tisch n i c h t e i n m a l eine p o s i t i v e V e r f a s s u n g s n o r m e i n e r solchen M e h r h e i t m e h r S c h r a n k e n setzen k a n n . D a h e r scheidet n a c h d e r A u f f a s s u n g v o n Wilhelm Rosenzweig 326 i n solchen F ä l l e n auch d e r eigens d a f ü r geschaffene V f G H als K o n t r o l l i n s t a n z aus. D e n n nach seiner M e i n u n g d ü r f e d e r V f G H n i c h t versuchen, „ d e r bessere Gesetzgeber z u s e i n " 3 2 7 . Rosenzweig sagt d a n n w e i t e r : „Dies g i l t besonders f ü r Staaten m i t einer parlamentarischen Demokratie, deren Verfassung f ü r einen Pluralismus der Weltanschauungen und rechtspolitischen Auffassungen geschaffen ist, für Staaten, i n denen es eine M e h r heit von Parteien gibt, die bei Wahlen einen politischen K a m p f u m ihre Programme führen. Diese Form der Demokratie darf nicht dadurch bedeutungslos gemacht werden, daß sich die Wähler sagen, daß letzten Endes die Entscheidung nicht von ihnen, sondern vom Verfassungsgericht getroffen wird"328. D a m i t w i r d d e r W ä h l e r w i l l e auch als d i e f ü r d e n V f G H maßgebliche I n s t a n z e r k l ä r t , die d e m n a c h auch ü b e r d e r V e r f a s s u n g steht. D e r f ü r Verfassungsgesetze n ö t i g e b r e i t e r e Konsens e i n e r Z w e i d r i t t e l m e h r h e i t w i r d a u f diese Weise gegenstandslos. W e n n aber die einfache M e h r h e i t d e r W ä h l e r s c h l e c h t h i n das e n t scheidende K r i t e r i u m d a f ü r w i r d , w a s z u geschehen h a t , d a n n k a n n es 826 Rechtsanwalt Dr. Rosenzweig w a r damals eines der maßgeblichsten Mitglieder des V f G H . 327 FS Broda 265; dazu bereits oben bei den A n m . 159—162. 328 F s Broda 265; Hervorh. von mir. Vgl. dagegen Fikentscher, Methoden I V 608, wo er m i t Recht f ü r den demokratischen Staat „mehrheitlich zu entscheidende Wertungen und unentziehbare, fraglos gestellte Werte" einander gegenüberstellt (Hervorh. von mir). Auch Fikentscher s weitere Darlegungen 608 ff. sind f ü r die „unantastbaren Bereiche" (61i5) menschlicher Grundrechte sehr beachtenswert; 615 A n m . 598 bemerkt er treffend: „ U n r i c h t i g u n d gefährlich ist das Vertrauen i n eine Mehrheit, sie werde von sich aus auf i m manente' Weise oder sonstwie die Grenzen der Grundrechte w i e von selbst achten, oder sie sei sogar H e r r i n über Ob und Wie der Grundrechte"; 625 spricht er von „dem, was abstimmbar und dem, was unabstimmbar, also Grundrecht ist", 678 von „der durch Grundwerte und Grundrechte ,νοη außen' l i m i t i e r t e n Demokratie". Es wäre n u n zweifellos gerade die Aufgabe des V f G H gewesen, den Bestand dieser unantastbaren Grundrechte i n dem Moment zu sichern, i n dem sich die Mehrheit über sie hinwegsetzt. Vgl. auch oben A n m . 97; ferner Hof mann (oben A n m . 321) 87 ff.; auch Schambeck, Die Demokratie, i n : Schambeck, Bundes-Verfassungsgesetz 149—252, bes. 248 ff. („Möglichkeiten u n d Grenzen der Demokratie"); Loebenstein, Der Rechtsstaat, ebendort 253—289; und KorineklGutknecht, Der Grundrechtsschutz, ebendort 291—324, bes. 305 ff.
8 Waldstein
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auch für einen Politiker, der „erfolgreich" sein w i l l , nur darauf ankommen, den Wünschen dieser Mehrheit zu entsprechen, was immer diese Wünsche sein mögen. Eine Verantwortung des Politikers könnte dann nur in dem Sinne i n Frage kommen, daß er seinen Wählern gegenüber für die Erfüllung dessen verantwortlich wäre, was er ihnen vor der Wahl, um ihre Stimme zu erhalten, versprochen hat. Unter solchen Voraussetzungen könnte eine übergreifende Verantwortung für die Verwirklichung eines nach objektiven Kriterien zu bemessenden Gemeinwohles unmittelbar gar nicht i n Frage kommen. Nur wenn die Mehrheit selbst die Beachtung solcher Grundlagen wünschte, würde sie indirekt bewirkt. Und wenn der Wille der einfachen Mehrheit dazu ausreicht, die Legitimität staatlicher Akte zu begründen, dann kann es außer dieser Mehrheit keine Grenzen staatlicher Legitimität geben. Was immer eine Mehrheit wollte, wäre dann legitim. A u f dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrung der Menschheit zeigt sich jedoch, daß solche Vorstellungen weder neu sind noch dadurch richtiger werden, daß sie, nachdem sie schon oft i m Laufe der Geschichte widerlegt und ad absurdum geführt wurden, nun wiederkehren. Daher ist es notwendig, sich wieder darauf zu besinnen, worin 1. die wahre Verantwortung des Politikers seit jeher gesehen wurde, und 2. welche Kriterien für die Feststellung der Grenzen staatlicher Legitimität erkennbar sind. 1. Die Verantwortung des Politikers in der geschichtlichen Erfahrung Es kann hier natürlich nicht darum gehen, eine Gesamtdarstellung der Entwicklung der Frage der politischen Verantwortung zu bieten. Es können nur einige Elemente hervorgehoben werden, die von den größten Geistern der Menschheitsgeschichte herausgearbeitet wurden. Eine besonders eindrucksvolle Untersuchung des Problems hat Piaton i n seiner Schrift „Der Staatsmann" vorgelegt. Seinen Darlegungen kommt auch heute noch große Aktualität zu. Er vergleicht dort die Aufgabe des Staatsmannes m i t jener des Steuermannes und des Arztes. Beide müssen über Einsicht und wahre Erkenntnis verfügen, u m ihre Aufgaben richtig erfüllen zu können, die Steuermänner darüber, wie sie das Schiff sicher durch alle Gefahren steuern, die Ärzte darüber, wie sie den Menschen die Gesundheit wiedergeben können. Piaton sagt dann: „Notwendig ist also auch unter den Staatsverfassungen, w i e es scheint, diejenige die richtige vor allen andern u n d einzige Staatsverfassung, i n welcher man bei den Regierenden wahrhafte u n d nicht n u r eingebildete Erkenntnis findet" 829.
1. Politikerverantwortung i n der geschichtlichen Erfahrung
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Die erste Verantwortung des Politikers ist also die, daß er über wahre Erkenntnis verfügen muß, die i h n dazu befähigt, das Staatswesen richtig zu leiten. Was aber i n diesem Sinne „richtig" ist, ergibt sich aus den objektiven Voraussetzungen und Zusammenhängen menschlichen Zusammenlebens, die der wahren Erkenntnis ebenso zugänglich sind wie die für die Kunst des Steuermannes oder des Arztes maßgeblichen Voraussetzungen. A n Hand von Beispielen möglichen Fehlverhaltens der Steuermänner und der Ärzte zeigt Piaton die A b surdität eines analogen Fehlverhaltens des Staatsmannes auf. Er weist darauf hin, daß viele Staaten „wegen des Steuermannes und der Schiffsleute Schlechtigkeit" „wie leck gewordene Schiffe" untergegangen sind und noch untergehen werden 3 3 0 . Durch die wahre Erkenntnis — und durch die m i t ihr gegebene Fähigkeit, Verantwortung zu tragen — unterscheidet sich der wahre Staatsmann von denjenigen, die an der Spitze entarteter Staatswesen stehen. Von diesen sagt er, „daß sie nicht Staatsmänner sind, sondern Parteimänner und nur große Gaukelbilder regieren, selbst auch solche seiend, und die als die größten Nachahmer und Tausendkünstler (Gaukler) auch die größten Sophisten unter den Sophisten werden" 3 3 1 . Wie schon aus der oben zitierten Aussage des Aristoteles hervorgeht, kommt es bei der Verantwortung des Politikers darauf an, daß er auf das „Gemeinwohl" schaut. Was nun das wahre „Gemeinwohl" betrifft, so w i r d es heute kaum möglich sein, einen Konsens darüber herzustellen, w o r i n es zu bestehen hätte. Es sind jedoch seit der Antike zahlreiche Kriterien dafür herausgearbeitet worden, w o r i n objektive Voraussetzungen für ein wahres „Gemeinwohl" liegen 3 3 2 . Bei ideologischer 329 Plat, polit. 293c; Übers. F. Schleiermacher, Buchges. (1970). 330 V g l i p i a t poiit. 302a. 331
Piaton, Werke V I , Wiss.
Plat, polit. 303c. Vgl. etwa Mayer-Maly, Gemeinwohl und Naturrecht bei Cicero, FS Verdross (1960) 195 ff.; weitere L i t . bei R. Herzog, Gemeinwohl, i n : Historisches Wörterbuch der Philosophie I I I (1974) 251; 253; 256 und 258. Die Ausführungen von Herzog selbst bedürften allerdings kritischer Uberprüfung. Es k a n n keine Rede davon sein, daß es sich, w i e Herzog glauben machen w i l l , u m „ e i n unlösbares Problem" (257) handelt. Unlösbar w i r d es n u r für den, der m i t falschen Voraussetzungen an seine Lösung geht. Es darf hier an eine Feststellung des Aristoteles erinnert werden, i n der er sagt: „Der logisch geschulte Hörer w i r d n u r insoweit Genauigkeit auf d e m einzelnen Gebiet verlangen, als es die N a t u r des Gegenstandes zuläßt" ( E N I , 1; 1094b 23—25) und: „Doch w o l l e n w i r uns auch der früher ausgesprochenen W a r nung erinnern und Genauigkeit nicht i n gleicher Weise bei allen Gegenständen erstreben, sondern i n jedem F a l l n u r so, w i e der gegebene Stoff es gestattet und bis an die Grenze hin, die dem Gang der wissenschaftlichen Untersuchung gemäß ist" ( E N I , 7; 1098a 26—29). Z u den möglichen und dem Gegenstand angemessenen Ergebnissen vgl. etwa J. Messner, Das Gemein332
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V. Politiker ver antwortung u n d Grenzen staatlicher L e g i t i m i t ä t
Unvoreingenommenheit ließen sich diese auch heute noch rational erfassen. Jedenfalls ist der Politiker für das Wohl des ganzen Staates und aller seiner Bürger verantwortlich. Der wahre Staatsmann darf also nicht nur den „Nutzen der Regierenden" oder den seiner Partei i m Auge haben. Dadurch würde er als „Parteimann" den Staat i n eine Form der Entartung führen. Wenn die Verantwortung nur gegenüber den Wählern bestünde, dann läge die bereits von Piaton und Aristoteles aufgezeigte Gefahr nahe, demagogisch dem Volke zu schmeicheln, nur um seine Gunst zu erhalten, und dabei alle objektiven Voraussetzungen einer gerechten Staatsordnung außer acht zu lassen. So berichtet etwa Aristoteles über die Entwicklung nach der Einführung des Volksgerichtes durch Solon: „Nachdem dieses (das Volksgericht) nämlich an die Macht gelangt war, begann man dem Volke w i e einem Tyrannen zu schmeicheln und wandelte die Verfassung (Schritt für Schritt) i n die heute bestehende Demokratie u m " 3 3 8 .
I n diesem Zusammenhang ist die seit jeher gemachte Menschheitserfahrung wichtig, daß der Wille einer Mehrheit nur dann zum wahren Wohle des Staates und aller seiner Bürger beitragen kann, wenn die einzelnen Mitglieder des Volkes sich selbst ihrer Verantwortung bewußt sind und die gerechte Gesinnung haben 3 3 4 . Aristoteles sagt dazu: „ W i e nämlich der Mensch i n seiner Vollendung das beste der Lebewesen ist, so ist er losgetrennt von Gesetz und Recht das schlimmste von allen. Denn das Ärgste ist die ungerechte Gesinnung, die über Waffen verfügt. . . . Daher ist er (der Mensch) ohne Tugend das ruchloseste u n d wildeste Wesen und i n bezug auf geschlechtliche Dinge u n d die Eßgier das schlimmste. — Die Tugend der Gerechtigkeit ist nämlich etwas, das ganz wesentlich zum Staate gehört; denn das Recht ist die i n der staatlichen Gemeinschaft geltende Ordnung; es bedeutet j a die Entscheidung darüber, was gerecht (und was ungerecht) i s t " 8 8 6 .
Aus den bereits oben angeführten Aussagen Ciceros und aus vielen anderen geht klar hervor, daß man unter Gerechtigkeit nicht einfach die Übereinstimmung m i t einem Gesetz verstanden hat, das etwa vom Volk oder von sonst einem Gesetzgeber erlassen wurde, sondern vielmehr die Übereinstimmung m i t dem bereits von Natur aus vorgegebewohl, Idee, Wirklichkeit, Aufgaben, 2. A u f l . 1968, u n d ders., Naturrecht 189 ff.; ferner A. Verdross, Der klassische Begriff des „ b o n u m commune" u n d seine Entfaltung zum „bonum commune humanitatis", österr. Z. öffentl. Recht u n d Völkerrecht 28 (1977) 143—162, m i t weiteren Literaturhinweisen. 338 Aristot. pol. 2, 12; 1274a 5—7. 334 Vgl. zur Auffassung Hesiods, daß der Untergang des Menschengeschlechtes bevorsteht, „ w e n n der V e r f a l l der Sitte vollständig u n d die Zeit der schamlosen Gewalttäter gekommen ist", w i e H. Schwabl, Der Kleine Pauly 2 (1967) 1115, sie resümiert, oben bei A n m . 264. 885 Aristot. pol. 1, 2; 1253a 31—38.
1. Politikerverantwortung i n der geschichtlichen Erfahrung
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n e n Recht, dessen I n h a l t n i c h t d e r D i s p o s i t i o n d e r Menschen u n t e r l i e g t . So sagt e t w a Cicero
i n seiner S c h r i f t „ Ü b e r d e n S t a a t " :
„Das wahre Gesetz ist die richtige, m i t der N a t u r i n E i n k l a n g stehende Ordnung, die über alle ausgebreitet i s t " 3 3 6 . „Dieses Gesetz duldet keinerlei Einschränkung, keinerlei Aufhebung, es ist unantastbar. K e i n Senat, kein V o l k vermag uns davon loszulösen, . . . , es ist i n Rom das gleiche w i e i n Athen, es ist kein anderes heute, kein anderes morgen, f ü r alle Völker und alle Zeiten w i r d es ewig, unveränderlich bestehen. . . ." 3 3 7 . I n seinem W e r k ü b e r die Gesetze sagt Cicero ferner, daß j e d e r , d e r dieses Gesetz n i c h t k e n n t , u n g e r e c h t ist, g l e i c h g ü l t i g , ob dieses Gesetz s c h r i f t l i c h aufgezeichnet i s t oder n i c h t 3 3 8 . U m es noch d e u t l i c h e r z u machen, daß es b e i d e m w a h r e n Gesetz n i c h t a u f d e n W i l l e n des V o l k e s oder der H e r r s c h e r a n k o m m e n k a n n , sagt er f e r n e r : „ W e n n das Recht durch Volksbeschlüsse, Erlasse der Fürsten oder E n t scheidungen von Richtern begründet würde, d a n n wäre es Recht zu rauben, Recht, Ehebruch zu begehen, Recht, falsche Testamente zu unterschieben, w e n n das durch Abstimmungen oder Verordnungen der Menge gutgeheißen würde"339. D i e L i s t e dessen, w a s d a n n alles Recht w e r d e n k ö n n t e , ließe sich nach der h e u t i g e n E r f a h r u n g noch u m v i e l e B e i s p i e l e v e r m e h r e n . Cicero sagt w e i t e r , daß m a n e i n gutes Gesetz v o n e i n e m schlechten d u r c h nichts anderes als die N o r m der N a t u r u n t e r s c h e i d e n k a n n 3 4 0 . U n d e r f ü g t d a n n bei, daß n u r e i n U n s i n n i g e r a n n e h m e n k ö n n t e , daß dies alles n u r Auffassungssache sei u n d n i c h t i n d e r N a t u r g r u n d gelegt341. I n der V e r a n t w o r t u n g des P o l i t i k e r s l i e g t es also auch, sich K l a r h e i t ü b e r die N o r m e n z u verschaffen, die erst eine gerechte O r d n u n g m ö g 338 Die übliche Übersetzung von recta ratio m i t „die gesunde V e r n u n f t " (vgl. etwa die Übersetzung von K. Atzert, Goldmanns Gelbe Taschenbücher 458, 89) ist sicher nicht ganz zutreffend; dazu Waldstein, Vorpositive O r d nungselemente i m römischen Recht (1966) 15. 337 Cie. rep. 3, 33; der weitere Text ist der i n der vorig. A n m . genannten Übers, von Atzert entnommen. Vgl. zum Problem allgemein A. Verdross, Statisches und dynamisches Naturrecht (1971); auch Waldstein, A N R W I I 15 (1976) 3 ff., zum Problem des Naturrechts insb. 78 ff. m i t L i t . (dort A n m . 278); dazu auch R. Spaemann, Die A k t u a l i t ä t des Naturrechts, i n : Z u r K r i t i k der politischen Utopie (1977) 183—198; Link, Herrschaftsordnung 19 ff., insb. 33 ff., 193 ff., 203 ff. u n d 232 ff., sowie die Beiträge i n : Das Naturrechtsdenken heute und morgen (oben A n m . 92). 338 Cie. leg. 1, 42. 339 Cie. leg. 1, 43; dazu bereits oben Anm. 97. 340 Cie. leg. 1, 44. 341 Cie. leg. 1, 45; i n 1, 47 weist Cicero darauf hin, daß die Verschiedenheit der Auffassungen u n d der Widerspruch der Menschen uns gänzlich v e r w i r r e ; vgl. den Text oben bei A n m . 267; dazu auch Waldstein, A N R W I I 15 (1976) 92 f.
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V. Politiker ver antwortung u n d Grenzen staatlicher Legitimität
lieh machen. Denn das Bemühen um eine gerechte Ordnung ist es ja gerade, was den Staatsmann von dem „Parteimann" unterscheidet. Man könnte nun einwenden, die Feststellungen antiker Autoren seien doch für die komplexe moderne Situation völlig überholt. Inzwischen hätten etwa Machiavelli , Rousseau, Karl Marx, Lenin und Mao Tsetung ganz andere Prinzipien entwickelt. Diese ließen die früheren geradezu lächerlich und naiv erscheinen. Freilich hat die praktische Anwendung dieser Prinzipien auch klargestellt, daß sie keinen Fortschritt der Menschlichkeit bedeuten. Vielmehr haben sie Katastrophen über die Menschheit gebracht, die alles Frühere i n den Schatten stellen. I n einer Demokratie steht nun der Staatsmann, der sich an objektive Normen der Gerechtigkeit halten w i l l , vor einem Dilemma. Vielfach laufen die Wünsche und Forderungen der Menge nicht darauf hinaus, diese Normen verwirklicht zu sehen. Zumindest dann nicht, wenn diese Normen mit den vielfach egoistischen Zielen nicht übereinstimmen. Das hat Alexander Solschenizyn i m „Archipel Gulag" i n erschütternder Weise aufgezeigt. Er zeigt vor allem auch, wohin das schließlich führen kann. Und er knüpft an seine Beobachtungen die warnende Feststellung: „ W i r haben alles weitere einfach verdient"'* 42. Die von i h m aufgezeigten Zusammenhänge decken sich i m Prinzip vollkommen m i t den bereits i n der Antike gewonnenen Erkenntnissen. Egoistische Kräfte sind aber auch — und gerade — i n der Demokratie wirksam und drohen sie zu zerstören. Wenn nun die egoistischen Interessen überhand zu nehmen beginnen, steht der Staatsmann vor der Wahl, seiner Verantwortung oder dem Wunsch der Mehrheit den Vorrang zu geben, der auf etwas hinausläuft, was er nicht mehr verantworten kann. Gibt er der Verantwortung den Vorrang, muß er damit rechnen, die Mehrheit zu verlieren, die er aber andererseits braucht, um eine gerechte Ordnung aufbauen und erhalten zu können. Gibt er dem Wunsch der Mehrheit nach, vielleicht zunächst noch m i t dem Gedanken, er werde dann, wenn er an der Macht bleibt, immerhin dafür sorgen können, daß es nicht zu schlimm ausgeht, so muß er dennoch etwas tun, was er i m Grunde nicht mehr verantworten kann. Es spricht nun für die staatsmännische Größe des m i t diesem Band geehrten Altlandeshauptmannes DDr. Hans Lechner, daß er i n solchen Konfliktsituationen entschlossen war, das Recht und die Gerechtigkeit auch dann nicht zu verraten, wenn es i h n die Mehrheit kosten sollte. M i t einem tiefen Glauben an das Gute i m Menschen verbindet er doch den realistischen Blick dafür, den auch alle großen Denker hatten und der aus den oben wiedergegebenen Worten des Aristoteles über den Menschen, der ohne Tugend ist, hervorgeht, daß es Situationen geben 342
Der Archipel Gulag I (1973) 25 i n der A n m .
1. Politikerverantwortung i n der geschichtlichen Erfahrung
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kann, i n denen die Menschen i n ihrer Mehrheit etwas wählen, was ein Staatsmann nicht mehr verantworten kann. Diesen Punkt sah L H Lechner i n klarer Weise bei der Fristenlösung gegeben. Als die Fristenlösung dann allen sachlichen und rechtlichen Bedenken zum Trotz von der gegenwärtigen Parlamentsmehrheit durchgedrückt wurde, empfand er tiefen Schmerz über das Faktum, daß nun erstmals i n Österreich die Grenze der Rechtsstaatlichkeit überschritten wurde. Eine unabsehbare Gruppe von Menschen wurde i m Interesse anderer Menschen des Rechtsschutzes für ihr Leben beraubt, auf den sie nach ausdrücklicher Gesetzesbestimmung — die nach wie vor gilt — einen Anspruch hat (§ 22 A B G B ) 3 4 3 . Er sah sofort, daß eine solche Maßnahme tiefgehende Folgen für das ganze Staatswesen haben muß. Daher ließ er durch Experten des Verfassungsrechts prüfen, ob eine Handhabe zur Anfechtung der Fristenlösung wegen Verfassungswidrigkeit gegeben sei. Die Beratungen ergaben, daß zwar die Fristenlösung sicher verfassungswidrig ist, aber nicht damit gerechnet werden kann, daß der V f G H eine solche Verfassungswidrigkeit feststellen würde. Der Anfechtung dürfte daher nach aller Voraussicht der Erfolg versagt bleiben. Eine erfolglose Anfechtung müßte aber für den L H eine Niederlage als Politiker bedeuten. L H Lechner hat solche Überlegungen jedoch nicht gelten lassen. Wo es um so fundamentale Rechte wie das Lebensrecht geht, muß für diese Rechte m i t allen verfügbaren Mitteln gekämpft werden, auch wenn keine Aussicht auf Erfolg bestünde. Solche Rechte ohne den möglichen Kampf preiszugeben, würde ein historisches Versagen bedeuten. I n diesem Zusammenhang ist auch darauf hingewiesen worden, daß man heute dankbar auf jene Beispiele mutiger deutscher Richter und Juristen hinweist, die sich i n der NS-Zeit durch die Aussichtslosigkeit ihres Kampfes gegen das Unrecht nicht davon abhalten ließen, entschieden für das Recht einzutreten. Heute würde man nur wünschen, es hätte damals mehr solche Richter gegeben wie etwa den Amtsrichter Dr. Lothar Kreyssig, der am 8. J u l i 1940 an den Reichsjustizminister ein überaus mutiges Schreiben richtete, i n welchem er sich gegen die Euthanasie an Geisteskranken wandte. Dieses Schreiben ist auch heute noch überaus lesenswert 3 4 4 . I n einem Interview m i t der Zeitung „Präsent" vom 20. Dezember 1973 hat L H Lechner zunächst die verfassungsrechtlichen, gesellschaftspolitischen und volksmedizinischen Gründe dargelegt, die ihn zur Anfechtung der Fristenlösung vor dem V f G H nötigen. Dann hat er jedoch folgendes hinzugefügt: „Nicht zuletzt aber ist es unmöglich, die persönliche Verantwortung als Staatsbürger von der gegebenen Verantwortung des Politikers zu trennen. 343
Vgl. dazu oben I I 2 bei den A n m . 79—94, auch I I I bei den A n m . 191 ff., und I V 2 b. 344 Das Schreiben ist oben A n m . 309 teilweise wiedergegeben.
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V. Politiker ver antwortung und Grenzen staatlicher L e g i t i m i t ä t
W e i l ich persönlich v o m krassen Unrecht der Fristenlösung gegen das ungeborene Leben überzeugt bin, habe ich die Absicht, der Landesregierung v o r zuschlagen, verfassungsrechtlich zustehende Rechte hinsichtlich der Gesetzesanfechtung anzuwenden. Meines Erachtens w u r d e n m i t der genannten Regelung moralische u n d ideologische Grenzen überschritten" 8 4 5 .
Die Anfechtung erfolgte. Sie wurde ausführlich und schlüssig begründet. Das Erkenntnis des V f G H fiel jedoch wie erwartet aus. Warum es so ausfallen mußte, w i r d auch durch die bereits oben zitierten Ausführungen von Wilhelm Rosenzweig deutlich 3 4 6 . Als die Entscheidung des V f G H bekannt wurde, hat L H Lechner gewagt, sie als „Fehlentscheidung" zu bezeichnen. Der Sache nach ist sie das auch ohne Zweifel 3 4 7 . Das ist inzwischen auch durch das Erkenntnis des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 eindrucksvoll klargestellt worden, m i t welchem für die Bundesrepublik die Verfassungswidrigkeit der Fristenlösung festgestellt wurde. Die i n jenem Erkenntnis angegebenen Gründe gelten i m wesentlichen alle auch für die Rechtslage in Österreich 348 . Dennoch hat der damalige Landeshauptmann-Stellvertreter Steinocher zu Lechners zurückhaltender K r i t i k geglaubt feststellen zu müssen: „Es sei i n höchstem Maß unverantwortlich, den Verfassungsgerichtshof auf solch leichtfertige Weise i n Zweifel zu ziehen. . . . M i t seiner Vorgangsweise rüttle der Landeshauptmann an einer der Grundsäulen des Rechtsstaates" 349 . Hier t r i t t eine bezeichnende Umkehrung der Sachlage ein, aus welcher die Folgenschwere der Fristenlösung und des Fristenlösungserkenntnisses noch deutlicher wird. Was i n der Tat an die Grundlagen des Rechtsstaates rührt, das ist der Entzug des Rechtsschutzes für eine ganze Gruppe völlig unschuldiger menschlicher Wesen. Eine Entscheidung zu kritisieren, die diesen Entzug des Rechtsschutzes dennoch als nicht verfassungswidrig bezeichnet, entspricht daher i n höchstem Maß staatsmännischer Verantwortung. I n der K r i t i k von LandeshauptmannStellvertreter Steinocher an der K r i t i k von L H Lechner w i r d jedoch genau das deutlich, was sich überall abspielt, wo die materiellen Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit verlassen werden: man greift zu Formal845
„Präsent" v o m 20. Dez. 1973, S. 6. 34β FS Broda 265, dazu oben bei den A n m . 159—162 und 328. 847 Z u r K r i t i k am Erk. des V f G H vgl. die Hinweise oben A n m . 46 u n d ausführlich oben I I 3 u n d 4 m i t weiteren Hinweisen. 848 Dazu vor allem Grimm, JB1 98 (1976) 74 ff. 849 „Salzburger Tagblatt" v o m 17. Oktober 1974 unter der Überschrift „Landeshauptmann rüttelt am Rechtsstaat, Lechner-Erklärung zum Verfassungsgerichtshof heftig k r i t i s i e r t " . Vgl. dag. oben A n m . 182 zur „Anklage" Brodas „gegen die Richter des Verwaltungsgerichtshofes" wegen einer rechtlich richtigen, aber mißliebigen Entscheidung, die auch heute noch v o r der rechtlichen Prüfung bestehen kann.
2. K r i t e r i e n für die Grenzen staatlicher Legitimität
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argumenten. Und so kann man das Unrecht noch i m Namen der Rechtsstaatlichkeit verteidigen (dazu noch näher unten 2). Damit ist aber bereits die Frage nach den Kriterien für die Feststellung der Grenzen staatlicher Legitimität berührt, die nun kurz zu prüfen sein wird.
2. Kriterien für die Feststellung der Grenzen staatlicher Legitimität Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Ausübung politischer Gewalt und damit eine bestimmte Staatsform als legitim oder nicht legitim anzusehen ist, hat zu allen Zeiten eine naturgemäß große Rolle gespielt. Berührt doch die jeweilige Ordnung des Staates die menschliche Existenz fundamental. Besonders i m Zusammenhang m i t dem „Recht des Widerstandes" sind daher auch die Kriterien für die Feststellung der Grenzen staatlicher Legitimität herausgearbeitet worden 3 5 0 . Auch hier können wieder nur einige Grundlinien aufgezeigt werden. Dabei ist es ganz unmöglich, den vielfältigen Differenzierungen verfassungsrechtlicher Ausgestaltungen i m einzelnen nachzugehen. Für die klassischen Grundtypen von Staatsformen sind jedoch, wie schon angedeutet, die entscheidenden Kriterien besonders bei Piaton und Aristoteles deutlicher herausgearbeitet worden. Polybios hat diese Ergebnisse vielleicht am besten zusammengefaßt. Daher soll hier der entscheidende Teil aus seinen Darlegungen wiedergegeben werden. Polybios geht davon aus, daß i n den meisten systematischen Darstellungen der Staatslehre drei Verfassungsformen angenommen werden: Königtum, Aristokratie und Demokratie. Er stellt fest, daß diese Einteilung nicht zutreffend und jedenfalls nicht ausreichend ist und sagt dann weiter: „ D e n n w i r haben schon monarchische u n d tyrannische Staatsformen erlebt, die eine Ä h n l i c h k e i t m i t dem K ö n i g t u m zu haben scheinen, sich aber w e i t von i h m unterscheiden. Die Alleinherrscher bezeichnen sich nämlich alle nach Möglichkeit als Könige oder geben sich als solche aus. Ebenso gibt es nicht wenige Oligarchien, die eine Ähnlichkeit m i t Aristokratien zu haben scheinen, aber h i m m e l w e i t davon entfernt sind. Dasselbe g i l t von der Demokratie. (4) . . . Nicht jede Alleinherrschaft darf ohne weiteres K ö n i g t u m heißen, sondern n u r die, welche von den Untertanen als solche anerkannt w i r d und die das Regiment m i t Einsicht, nicht m i t Gewalt u n d Terror führt. Noch darf jede Oligarchie als Aristokratie gelten, sondern n u r die, welche von 350 Vgl. dazu etwa Messner, Naturrecht 796 ff.; allgem. auch Waldstein, Wissenschaftliche Erkenntnis und präpositives Recht, Bemerkungen zu Ota Weinberger „Das Widerstandsrecht als rechtsmethodologisches Problem", i n : Dimensionen des Rechts, Gedächtnisschrift f ü r René Marcie (1974) 389—408; Hofmann (oben A n m . 321); u n d Link, Herrschaftsordnung, zum „Recht zum Widerstand" dort 193 ff.
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V. Politiker ver antwortung und Grenzen staatlicher L e g i t i m i t ä t
einem ausgewählten Kreis der gerechtesten und weisesten Männer gelenkt w i r d . Ebenso auch nicht als Demokratie ein Staat, i n dem eine beliebige Masse H e r r ist, zu tun, was i h r beliebt. Wo m a n jedoch nach Vätersitte die Götter fürchtet, Vater und M u t t e r ehrt, vor einem Ä l t e r e n Respekt hat, den Gesetzen gehorcht, w e n n sich i n einer solchen Staatsordnung durchsetzt, was der Mehrheit richtig scheint, dort ist die Bezeichnung Demokratie am P l a t ze" 8 5 1 .
Polybios stellt dann die Umstände dar, die von der legitimen Verfassungsform zu ihrer Entartung führen, das Königtum zur Tyrannis, die Aristokratie zur Oligarchie und schließlich die Demokratie zur Ochlokratie. Dazu sagt er: „Der Übermut und die Zügellosigkeit des Volkes wiederum f ü h r t m i t der Zeit zur Ochlokratie" 8 5 2 .
Für „Übermut" und „Zügellosigkeit" stehen i m griechischen Text ύβρις und, m i t ύβρις eng zusammenhängend, παρανομί α. Diese Begriffe haben eine viel grundlegendere Bedeutung, als m i t den Übersetzungen „Übermut" und „Zügellosigkeit" zum Ausdruck kommt. Hybris drückt, wie etwa v. Geisau erläutert, übergroßes „Sicherheitsund Glücksgefühl, übermütiges Vertrauen auf eigene Kraft, Überschreitung der dem Menschen gesetzten Grenzen, Verachtung und Lästerung der Götter" aus 3 5 3 . Ferner bedeutet das Wort allgemein „Frevelmut", „Hochmut", auch die „Gewalttätigkeit", „Brutalität". M i t einem Wort, es ist das Gegenteil einer auf Gerechtigkeit bedachten Haltung. Die Paranomia wiederum bezeichnet die „Gesetzwidrigkeit", den „Frevel", oder auch einfach den „Hang zum gesetzwidrigen Handeln", eine Haltung also, die das Gegenteil einer Verbundenheit m i t dem Recht bedeutet. Dabei ist das Recht selbstverständlich nicht als das nach W i l l k ü r gesetzte positive Recht zu verstehen, sondern als jenes Recht, das m i t dem natürlichen Recht i m Einklang steht 3 5 4 .
851 Polyb. hist. 6, 3, 9—6, 4, 5; Übers, von H.Drexler (1961); Hervorh. von mir. Polybios schrieb seine Geschichte des römischen Aufstieges w o h l von der M i t t e des 2. Jahrhunderts bis zu seinem Tode u m 120 v. Chr. Die i n seinem Werk enthaltenen staatsrechtlichen Ideen haben maßgeblich zur Entstehung der römischen Prinzipatsverfassung, aber auch etwa zur E n t stehung der Verfassung der USA beigetragen, vgl. dazu Th. Chaimowicz über Edmund Burke, i n : „Die Presse" v o m 4./5. M a i 1974, S . I I I ; vgl. auch Cie. leg. 1, 42 ff. 852 Polyb. hist. 6, 4,10. 858 Der Kleine Pauly 2 (1967) 1257; Hervorh. von mir. 854 Vgl. dazu etwa n u r Verdross, Die aristotelische Naturrechtslehre, ARSP 56 (1970) 527 ff.; Verdross bezeichnet dort (533) die Auffassung von Kelsen m i t Recht „als unhaltbar", der meint, „daß das ,physei dikaion' nichts anderes als jener T e i l der positiven Rechtsordnungen sei, der ihnen gemeinsam i s t " ; dazu auch Waldstein, FS Verdross (1980) insb. 310 ff.
2. K r i t e r i e n für die Grenzen staatlicher Legitimität
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A l l e i n diese beiden Kriterien, Hybris und Paranomia, ermöglichen auch i n der heute so verwirrend komplex erscheinenden Situation und bei allem „Bewußtseinswandel" eine ziemlich klare Grenzziehung. Wie Spaemann treffend diagnostiziert hat, sind i n der Gegenwart „die A n sprüche der Menschen auf individuelle Befriedigung" gewachsen. „Das ,Ende der Bescheidenheit' wurde proklamiert." Damit „ist die Sensibilität für Ungerechtigkeiten i n der Verteilung von Lebenschancen, von Lasten und Entschädigungen" gewachsen. Neben anderen Merkmalen stellt er dann vor allem fest: „Gewachsen ist aber gleichzeitig die Neigung zur B r u t a l i t ä t gegenüber allem, was sich individuellen Ansprüchen i n den Weg s t e l l t " 3 5 5 .
I m Zusammenhang mit der Fristenlösung w i r d vielfach m i t Notlagen argumentiert. Die Wirklichkeit zeigt einen ganz anderen Befund, den ebenfalls bereits Aristoteles erheben konnte und der i h n zu folgender Feststellung geführt hat: „Ferner werden die größten Ungerechtigkeiten jeweils begangen, w e i l die Begierden ins Übermaß gewachsen sind, u n d nicht deswegen, w e i l man sich in einer Notlage befindet" 8 5 ·.
Sowohl der von Spaemann als auch der von Aristoteles angegebene Grund für Unrecht entspricht genau einem der Hauptelemente der Hybris. Wenn man die Veränderungen i n fundamentalen Fragen des Hechts durchgeht, die i n den letzten Jahren vor sich gegangen sind, dann kann niemand übersehen, daß nicht wenige einerseits dem bereits von Aristoteles als Kennzeichen für eine verfehlte Regierungsform genannten „Nutzen der Regierenden" 3 5 7 dienen sollen oder Ausdruck der Hybris sind. Auch i n dieser Hinsicht ist die Fristenlösung ein Markstein, der die Verhältnisse klarstellt. Hier hat die „Neigung zu Brutalität gegenüber allem, was sich individuellen Ansprüchen i n den Weg stellt", dazu geführt, daß sogar das fundamentalste Recht eines Menschen, das Recht auf Leben und auf den Schutz dieses Lebens, für die Ungeborenen preisgegeben wurde. Dies geschieht i n einem Zeitpunkt, in dem die moderne Embryologie und Biologie m i t einer Klarheit, die keinen Raum für Zweifel läßt, dargetan haben, daß menschliches Leben von der Empfängnis bis zum Tode i n einem kontinuierlichen Prozeß verläuft, der keine schutzwürdige Phase von einer nicht schutzwürdigen zu unterscheiden erlaubt 3 5 8 . Gerade diese Unterscheidung w i r d aber nun als „Fortschritt der Menschlichkeit" angepriesen, weil sie es er355 356 357 358
ZRP 7 (1974) 49; dazu bereits oben Anm. 179. Aristot. pol. 2, 7; 1267a 12—14. Vgl. oben bei A n m . 322. Vgl. die Hinweise oben A n m . 109, 143 und 253, auch bei u n d i n Anm. 285.
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V. Politiker ver antwortung und Grenzen staatlicher Legitimität
laubt, menschliches Leben, das unerwünscht ist und voraussichtlich oder wirklich eine Belastung darstellt 3 5 9 , aus dem Wege zu räumen, das heißt zu töten. Bereits Aristoteles hat die Frage erörtert, unter welchen Voraussetzungen es für den Staat „von Nutzen sei, die überlieferten Gesetze abzuändern, falls ein anderslautendes Gesetz besser wäre" und er weist darauf hin, daß es nicht leicht fällt, festzustellen, ob die Änderung nicht eher schädlich ist. Er sagt dann weiter: „Es liegt nämlich i m Bereich der Möglichkeit, daß gewisse Leute die A b schaffung von Gesetzen oder gar die Aufhebung der Staatsverfassung als angebliche Wohltat für alle beantragen" 3 6 0 .
I m Falle der Fristenlösung liegt es nun auf der Hand, daß die von vielen zunächst als Wohltat angesehene Aufhebung des Rechtsschutzes für die Ungeborenen Folgen haben kann und i n vieler Hinsicht sicher haben wird, die sie nicht mehr als Wohltat empfinden werden. Es ist denn auch die zwangsläufige Folge der grundsätzlichen Preisgabe der Unantastbarkeit menschlichen Lebens, daß i n einer Reihe von Staaten, besonders den USA, auch jenes menschliche Leben, das nach dem Urteil anderer „sinnlos" geworden ist, insbesondere das unheilbarer Kranker, der Tötung preisgegeben werden soll 3 6 1 . Auch i n Österreich hat das Erkenntnis des V f G H über die Fristenlösung ohne Zweifel bereits den Weg zur Euthanasie geebnet 3 6 2 . Es kann keinen Zweifel daran geben, daß damit i n unserem Staate eine „Überschreitung der dem Menschen gesetzten Grenzen" an einem fundamentalen Punkt stattgefunden hat. Und es kann ebenso keinen Zweifel daran geben, daß unser Staat damit auf den Weg von der Demokratie zur Ochlokratie geraten ist. I m Zusammenhang m i t den bereits oben zitierten Aussagen hat Spaemann zu den Legitimitätsvoraussetzungen treffend erklärt: „Die L e g i t i m i t ä t des neuzeitlichen Staates gründet i n erster L i n i e auf seiner Schutzfunktion für das Leben. Dieser Schutz resultiert nicht aus einem Mehrheitsbeschluß, sondern ist die Voraussetzung dafür, daß der M i n d e r heit die Unterwerfung unter den Mehrheitsbeschluß zugemutet w i r d " 3 6 3 .
Er weist sodann auf die Ausführungen von Piffl-Percevic zu diesem Problem hin, die darauf hinauslaufen, daß m i t der Fristenlösung „unser Staat aufhören" würde, „ein Rechtsstaat zu sein" 3 6 4 . Diese Beurteilung 359
Vgl. oben bei A n m . 286 f. Aristot. pol. 2, 8; 1268b 30 f. 361 Dazu oben A n m . 255. 362 Vgl. oben bei den A n m . 149—152. 363 ZRP 7 (1974) 52; dazu oben Anm. 31, 184 u n d 319; vgl. auch die Hinweise Anm. 328. Allgemein auch Kopp, FS Klecatsky 498 ff. 360
2. K r i t e r i e n f ü r die Grenzen staatlicher Legitimität
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des Sachverhalts ist ohne Zweifel keine Übertreibung. Gemessen an den bereits in der Antike für die Legitimität entwickelten Kriterien ist es tatsächlich so, auch wenn selbstverständlich versucht wird, diesen Befund abzustreiten. A u f diesem Hintergrund gewinnt nun die bereits oben erwähnte Feststellung erst i h r wahres Gewicht, wenn über L H Lechner gesagt wurde, m i t seiner K r i t i k an jenem Vf GH-Erkenntnis, das einen solchen Zustand als verfassungskonform bezeichnet, „rüttle der Landeshauptmann an einer der Grundsäulen des Rechtsstaates". Während i n Wahrheit m i t der Fristenlösung nicht nur eine Grundsäule des Rechtsstaates, sondern die Rechtsstaatlichkeit überhaupt verlassen wurde, w i l l man jene Einrichtungen, die nur unter der Voraussetzung der grundsätzlichen Wahrung der Rechtsstaatlichkeit sinnvoll sind, dazu benützen, den wahren Sachverhalt zu verschleiern. Damit kommt jenes weitere K r i t e r i u m hinzu, das Piaton für die Unterscheidung von „Staatsmännern" und „Parteimännern" angeführt hat und das bereits oben wiedergegeben wurde, daß man nämlich, sobald man die Grundlagen wahrer Staatlichkeit verläßt, zu Sophismen Zuflucht nimmt, statt „die volle Wahrheit" darzulegen, wie dies etwa Aristoteles fordert 3 6 5 . Das Gesagte läßt sich auch an Hand eines markanten Gegenbeispieles erhärten. Hier, wo die K r i t i k an einem höchstgerichtlichen Erkenntnis aus begründeter Sorge u m die Rechtsstaatlichkeit erfolgte und sachlich ohne Zweifel gerechtfertigt war, w i r d sie als Rütteln „an einer der Grundsäulen des Rechtsstaates" bezeichnet. Als aber ein anderes österreichisches Höchstgericht i m Jahre 1963 eine Entscheidung fällte, um die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, da hat sich i n der SPÖ ein Sturm erhoben, weil diese Entscheidung gegen ihren Willen ausgefallen war. 364 Bereits vor der verhängnisvollen Entscheidung des NR v o m 29. November 1973 hatte Piffl-Peröevic i n den SN v o m 17. November 1973 festgestellt: „...? eine demokratische Staatsführung entspricht n u r dann der Menschenwürde, wenn sie den einzigen Rechtfertigungsgrund einer Machtausübung beachtet: die Pflicht, entstandenes Leben zu schützen und zu fördern. — Eine Staatsgewalt, die sich von dieser Pflicht lossagt u n d geradezu Gegenteiliges zuläßt, begeht einen Staatsstreich. Sie pervertiert den Staat. Das heißt: sie verkehrt den U r - und einzigen Rechtfertigungsgrund des Staates i n ein schmähliches Gegenteil. Was i n den Händen solcher Machthaber ü b r i g bleibt, ist nicht mehr gerechtfertigter Staat, sondern eine, einen Staat nachahmende, der Urrechtfertigung eines Staates entbehrende Zwangsorganisation. Augustinus nennt eine solche, sich als Staat ohne Rechtfertigungsgrund gebärdende Machterscheinung eine große Räuberei." Vgl. Aug. civ. 4, 4: Remota itaque iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia? (Wenn man die Gerechtigkeit entfernt, was sind Reiche dann anderes als große Räuberbanden?"). Die Ausführungen von Piffl-Percevic entsprechen vollkommen den seit der A n t i k e entwickelten Einsichten. Auch Augustinus verwendet i n seiner Aussage n u r eine längst erkannte und entwickelte Wahrheit. Vgl. auch oben bei A n m . 212, und i n dem dort angeg. Zuspruch und Widerspruch (1977) auch 266 ff.; ferner Kägi, Medizin und Ideologie 175 ff., der i m Zusammenhang m i t der Fristenlösung sagt: „Es geht u m die Fundamente freier menschlicher Gemeinschaft". 365 Aristot. pol. 3, 8; 1279b 11—1)5; u n d oben bei Anm. 331.
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V. Politiker ver antwortung u n d Grenzen staatlicher L e g i t i m i t ä t
M a n h a t m i t u n w a h r e n B e h a u p t u n g e n v o n z w e i sich w i d e r s p r e c h e n d e n E n t s c h e i d u n g e n z w e i e r Höchstgerichte g e s p r o c h e n 3 6 6 , u n d so die B e v ö l k e r u n g i n die I r r e z u f ü h r e n versucht. Daß d a m i t n i c h t „ d i e v o l l e W a h r h e i t " dargelegt, s o n d e r n S o p h i s t i k p r a k t i z i e r t w u r d e , i s t f ü r j e d e n k l a r , d e r d e n w a h r e n S a c h v e r h a l t k e n n t . D a m i t w i r d aber d e u t l i c h , daß bereits d a m a l s i m P r i n z i p der Rechtsschutz d o r t n i c h t a n e r k a n n t w e r d e n sollte, w o er d e n Interessen der P a r t e i n i c h t entsprach. B e r e i t s d a m a l s w u r d e also j e n e Tendenz d e u t l i c h , d i e v o n d e n G r u n d l a g e n d e r Rechtsstaatlichkeit w e g f ü h r t . Z u diesen G r u n d l a g e n g e h ö r t es eben, daß „ k e i n Mensch ü b e r d e m Recht u n d k e i n e r a u ß e r h a l b des Rechtes" steht. L H Lechner h a t t e d a h e r i n seiner A n t w o r t L a n d e s h a u p t m a n n - S t e l l v e r t r e t e r Steinocher sehr m i t Recht a u f diese V o r g ä n g e des Jahres 1963 hingewiesen. A u f dem H i n t e r g r u n d der damaligen w ü t e n d e n u n d u n q u a l i f i z i e r t e n K r i t i k a n e i n e r der Sache nach v ö l l i g r i c h t i g e n u n d d e n P r i n z i p i e n der R e c h t s s t a a t l i c h k e i t entsprechenden E n t s c h e i d u n g eines österreichischen Höchstgerichtes, des V e r w a l t u n g s g e r i c h t s h o f e s , w i r d auch d e u t l i c h , w i e z u r ü c k h a l t e n d u n d v o n staatsmännischer V e r a n t w o r t u n g g e t r a g e n die K r i t i k v o n L H Lechner a m F r i s t e n l ö s u n g s e r k e n n t 9ββ D e r V f G H hatte damals die Beschwerde von Dr. Habsburg wegen Unzuständigkeit „zurückgewiesen". Zurückgewiesen heißt i n der Rechtssprache, daß ein Gericht gar nicht i n die Behandlung der Sache eintritt, w e i l es sich entweder f ü r unzuständig erachtet oder sonst ein Formmangel v o r liegt, der einem Eingehen auf die Sache selbst i m Wege steht. Daß der V f G H damals auch i n der Sache gerne abweisend entschieden hätte, ändert nichts an der rechtlichen Qualität seiner Unzuständigkeitserklärung. Dagegen hatte sich der ebenfalls angerufene V w G H f ü r zuständig erachtet u n d i n der Sache entschieden. Dem Juristen i s t der Sachverhalt vollkommen klar. Dennoch w u r d e damals auf riesigen Plakaten der Bevölkerung vorgemacht, der V f G H habe Dr. Habsburg „zurückgewiesen" i n dem Sinne, als hätte er seine Beschwerde „abgewiesen", das heißt aber, i n der Sache ablehnend entschieden, während der V w G H , ungeachtet dieser negativen Entscheidung des V f G H , i n der Sache positiv entschieden hätte. A u f diese Gaukelei, die m i t der juristischen Unkenntnis der Bevölkerung gerechnet hat, baute m a n die These von den sich widersprechenden Entscheidungen zweier Höchstgerichte auf. E i n wahrhaft beschämendes Schauspiel, das aber damals bereits erkennen ließ, w i e es u m den Rechtsstaat stehen w i r d , w e n n die für diese V o r gänge verantwortliche Partei einmal an der Macht ist. Vgl. dazu die oben A n m . 182 wiedergegebenen Äußerungen des damaligen Justizministers Broda, der seit 1970 wieder i m A m t ist. Wenn m a n die seinerzeitigen Ausführungen heute wieder nachliest, so w i r d sofort klar, daß hier i n der T a t ein hervorragendes Beispiel f ü r die von Piaton (oben bei A n m . 331) gemeinte Sophistik vorliegt, auf die i m Text gleich hingewiesen werden w i r d . Unter dem Schein, Legalität u n d Recht zu verteidigen, sollte i n Wahrheit das der Partei nicht genehme Recht u n w i r k s a m gemacht u n d damals den Angehörigen einer unerwünschten Familie der Rechtsschutz entzogen werden. Dank der E n t scheidung eines unabhängigen Gerichtes, welches i n der Tat die Rechtsstaatlichkeit wahrte, gelang dieser Vorstoß damals nicht. Inzwischen ist es aber gelungen, eine unabsehbare Z a h l unerwünschter K i n d e r des Rechtsschutzes zu berauben und sie der v ö l l i g i n das Belieben von „Rechtsgenossen" gestellten Tötung preiszugeben. Z u m w i r k l i c h e n Problem der „Divergenzen i n der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts — . . . " Novak , FS Klecatsky I I 655—675.
3. Ergebnis
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nis des V f G H war. Daß sie dennoch als „ i n höchstem Maß unverantwortlich" und „leichtfertig" bezeichnet werden konnte, liegt eben i n der Linie der Sophistik von „Parteimännern", wie sie Piaton dargelegt hat. Auch von dieser Seite w i r d also leider der Befund erhärtet, daß sich unser Staat auf dem Wege von einer wahren Demokratie zu ihrer Entartung befindet.
3. Ergebnis Wenn ich das Ergebnis dieser kurzen Überlegungen zusammenzufassen versuche, so läßt sich zunächst sagen, daß die bereits i n der Antike entwickelten Kriterien für die echte Verantwortung des Politikers ebenso wie die für die Grenzen staatlicher Legitimität auch heute noch unverminderte Gültigkeit haben. M i t ihrer Hilfe kann auch heute i n den so undurchdringlich und komplex scheinenden Situationen erkannt werden, wann ein Politiker als „Staatsmann" und wann als „Parteimann" handelt und wann ein Staat anfängt, von seiner legitimen Form in seine Entartung hinüberzuwechseln. Ferner darf aber gesagt werden, daß der verehrte Jubilar, Altlandeshauptmann Hans Lechner, i m Sinne dieser Kriterien seine Verantwortung als Politiker i m besten Sinne wahrgenommen hat. Aus dieser Verantwortung hat er auch gegen die Entartung des Staates an jener entscheidenden Stelle, an der es tatsächlich um die Wahrung der Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit geht, m i t den i h m zur Verfügung stehenden Mitteln gekämpft. Daß ihm dabei der Erfolg versagt blieb, tut seiner Größe keinen Abbruch. I m Gegenteil. Er hat umsomehr staatsmännisches Verantwortungsbewußtsein gezeigt, als er den Kampf um das Recht aufnahm, obwohl er den zunächst zu erwartenden Mißerfolg seiner Schritte voraussah. Diese unbeugsame Rechtlichkeit w i r d i h m ohne Zweifel als ein historisches Verdienst erhalten bleiben. Der Mißerfolg aber hat nur den wahren Ernst der Lage deutlich werden lassen. Er müßte eigentlich alle, denen wahre Rechtsstaatlichkeit noch etwas bedeutet, aus einer gewissen Lethargie aufschrecken. Es w i r d schon nicht geringer A n strengungen bedürfen, um überhaupt nur das Bewußtsein davon wachzurufen, was eigentlich geschehen ist. Der von Seiten der Regierungspartei ausgehenden Einladung, „sich doch mit der neuen Lage abzufinden", hat Piffl-P ere evie mit Entschiedenheit geantwortet: „ M i t einer Verfassungsrechtslage, die es bereits einer Minimehrheit möglich machen soll, Tötungserlaubnisse zu erteilen, werde ich mich nie abfinden. . . . Die Wahrung menschlichen Lebens ist ein Absolutum, das durch keine Heerschen oder Krippschen Überlegungen relativierbar ist" 3 6 *. Mögen immer mehr Menschen i n Österreich dazu erwachen, sich
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V. Politiker ver antwortung und Grenzen staatlicher L e g i t i m i t ä t
mit diesem Unrecht nicht abzufinden und nicht dem Sog der Gewöhnung anheimfallen. Sonst bestünde kaum eine Hoffnung, daß Österreich jemals wieder i m vollen Sinne Rechtsstaat werden könnte, i n dem kein Mensch „außerhalb des Rechtes" steht, aber auch keiner „über dem Recht". Dann müßten w i r wohl eines Tages sagen: „ W i r haben alles weitere einfach verdient". Und zweifellos w i r d es vieler Anstrengungen bedürfen, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Die Erfolgsaussichten sind vielleicht zunächst gering. Jedenfalls muß vor allem wieder ein wahres Rechtsbewußtsein geweckt werden. Das Beispiel der Persönlichkeit v o n Hans Lechner
ist aber sicher geeignet, f ü r solche A n -
strengungen ein nachhaltiger Aufruf zu sein.
887 Vgl. den bereits i n A n m . 183 angeführten Aufsatz i n „ D i e Presse". PifflPerëevié sagt dort auch: „ D i e Ungeheuerlichkeit der aus Kreisen der Regierungspartei zu hörenden Forderung nach Bezahlung der Tötungen aus Krankenkassen- oder Steuermitteln, also der Forderung nach Z w a n g gegen jedermann, an den Tötungen m i t seinen Kassenbeiträgen oder Steuerleistungen mitzuwirken, w i r d hoffentlich bald u n d deutlich den Protest nicht zuletzt auch jener aufbranden lassen, die zum T e i l nicht m i t Unrecht den V o r w u r f erhoben haben, durch Schweigen und mangelnden aktiven Widerstand hätten w i r uns an den — durch ein Gesetzblatt gedeckten — Tötungen i n Gaskammern, Lagern und Sanatorien mitschuldig gemacht". Der ganze Aufsatz von Piffl-Perëevié ist überaus lesenswert u n d sollte i n der T a t von möglichst allen gelesen werden.
Anhang
ANHANG A
Antrag der Salzburger Landesregierung vom 15. März 1974 368 [ A M T DER S A L Z B U R G E R L A N D E S R E G I E R U N G ZI.: 55/16-LAD/Leg-1974 Salzburg, am 15. März 1974 A n den Verfassungsgerichtshof I., Judenplatz 1010 W i e n 10-fach
Antrag der Salzburger Landesregierung gemäß A r t . 140 Abs. 1 B - V G u n d § 62 VerfGG auf Aufhebung des §97 Abs. 1 Ζ. 1 des Strafgesetzbuches, B G B l . Nr. 60/1974, wegen Verfassungswidrigkeit.] (2) A u f G r u n d des Beschlusses v o m l l . F e b e r l 9 7 4 stellt die Salzburger Landesregierung gemäß A r t . 140 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes i n der Fassung von 1929 u n d §62 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 den
Antrag § 97 Abs. 1 Ζ. 1 des Bundesgesetzes v o m 23. Jänner 1974, BGBl. Nr. 60, über die m i t gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch — StGB) wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben. [Nach dieser Bestimmung ist der Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar, w e n n er innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher Beratung von einem Arzt vorgenommen wird.]
Begründung [I. Anfechtbarkeit des Gesetzes vor seinem Inkrafttreten Das Strafgesetzbuch t r i t t nach Maßgabe seines §322 m i t 1. Jänner 1975 i n Kraft. 368
U m die ursprünglichen Seitenzahlen des Antrages erkennbar zu machen, sind sie jeweils dort, wo der T e x t einer neuen Originalseite beginnt, i n K l a m m e r n angegeben. Die i n der Wiedergabe des Antrages i n EuGRZ 1 (1974) 57 ff. ausgelassenen Teile sind durch eckige K l a m m e r n gekennzeichnet. 9*
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Anhang A
Nach den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes Slg. 6460/1971 u n d 4049/1961 gehört ein Gesetz v o m Zeitpunkt seiner Kundmachung an dem Bestand der Rechtsordnung an u n d ist ab diesem Zeitpunkt der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof auf seine Verfassungsmäßigkeit zugänglich (vgl. auch R. Walter, österreichisches Bundesverfassungsrecht, S. 322 f.). Die gegenständliche Anfechtung einer Bestimmung des Strafgesetzbuches ist daher zulässig.] I I . Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmung A. Verletzung 1. Verletzung völkerrechtliche
des Grund-
und Freiheitsrechtes
auf
Leben
des Grund- und Freiheitsrechtes auf Leben nach nicht Verträge gegründetem Verfassungsrecht:
auf
Weder das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 i n der Fassung (3) von 1929 noch die nach seinem A r t . 149 Abs. 1 als Verfassungsgesetze geltenden Gesetze, und zwar das Staatsgrundgesetz v o m 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die i m Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder (StGG), das Gesetz v o m 27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 87, zum Schutze der persönlichen Freiheit, das Gesetz v o m 27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 88, zum Schutze des Hausrechtes und der Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl. Nr. 3, enthalten als verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht ausdrücklich das Recht auf Leben. Die ausdrücklich normierten G r u n d - u n d Freiheitsrechte setzen aber dieses Recht voraus (vgl. L. Adamovich, Handbuch des österreichischen V e r fassungsrechtes e , S. 521 f.). Dieses Recht ist daher als G r u n d - und Freiheitsrecht gegeben u n d genießt Verfassungsrang. Ergibt sich dieses Grundrecht n u r aus dem der Freiheit der Person, i m Zusammenhang m i t dem es Adamovich anführt, so teilt es m i t diesem den Geltungsinhalt als nicht n u r Staatsbürgern gewährtes Grundrecht daher als Menschenrecht. Wohnt dieses Recht auch anderen G r u n d - u n d Freiheitsrechten aus dem Grunde inne, w e i l ohne seine Vorgegebenheit u n d Gewährleistung jegliches G r u n d - u n d Freiheitsrecht beliebig behoben werden könnte, k a n n sein Geltungsinhalt auch keinesfalls ein engerer sein. Steht das G r u n d - u n d Freiheitsrecht auf Leben auch dem Noch-Ungeborenen zu? Der Grundrechtsgesetzgeber fand als Träger von Rechten, denen er grundrechtlichen Rang verlieh, auch den Noch-Ungeborenen vor. Es ist keine Regelung erkennbar, daß dieser z.B. als Eigentümer, welche Rechtsstellung i h m zukommen kann, i m Hinblick auf den Grundrechtsschutz der Unverletzlichkeit des Eigentums anders gestellt wäre, als der Geborene. Der G r u n d rechtskatalog schließt keinen Rechtsträger v o m Genuß der Grundrechte v ö l l i g aus. Ist der Noch-Ungeborene ein Mensch, so kommen i h m i n gleicher Weise w i e dem Geborenen die G r u n d - u n d Freiheitsrechte zu, soweit sie nach der besonderen Lage, i n der er sich befindet, für i h n i n Betracht kommen. Als Menschen behandelt fanden die (4) aufgezählten Grundrechtsquellen zum Z e i t p u n k t ihres Inkrafttretens den Noch-Ungeborenen i n der Rechtsordnung vor. I m zivilrechtlichen Bereich w a r der Ungeborene durch die Bestimmung des §22 A B G B als Mensch anerkannt u n d i n seinen Rechten geschützt. I m strafrechtlichen Bereich w a r i m 16. Hauptstück des Strafgesetzes, welches
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der Salzburger Landesregierung
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Hauptstück zwischen dem von Mord, Tötung auf Verlangen, Selbstmord u n d Totschlag handelnden 15. Hauptstück und dem über die Kindesweglegung handelnden 17. Haupt stück, eingefügt ist, die Abtreibung der Leibesfrucht behandelt; dies also i m Rahmen von Hauptstücken des Strafgesetzes, welche das Leben des Menschen betreffen. Reichte diese Rechtslage nicht aus, u m den Noch-Ungeborenen als Mensch zu qualifizieren, so doch jedenfalls dazu, i h n als Rechtsträger, als Person, zu qualifizieren. Der Noch-Ungeborene ist rechtsfähig und durch seinen K u r a t o r gemäß § 274 A B G B handlungsfähig. Seine Rechtsnatur ist der einer juristischen Person ähnlich. M i t Marschall, Grundsatzfragen der Schwangerschaftsunterbrechung i m Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Leben, JB1. 1972, S. 496 ff. u n d 548 ff., w i r d die Auffassung geteilt, daß eine Zuerkennung der Rechtspersönlichkeit an die Leibesfrucht i n Österreich als herrschende, faktisch so gut w i e einhellige Lehre vertreten w i r d (vgl. S. 501 und insbesondere die dort wiedergegebenen Lehrmeinungen). Auch die J u d i k a t u r des Verfassungsgerichtshofes ergibt, daß die Zuerkennung auch n u r eines einzigen Rechtes durch die Rechtsordnung das Subjekt dieses Rechtes zum Rechtsträger macht (vgl. V f G H Slg. 3685/1960 u n d 3193/ 1957). Ob dieser Träger unausweichlich als juristische Person anzusehen ist, wenn er von der physischen verschieden ist, ist eine terminologische Frage, gerade der Noch-Ungeborene, auf welchen die angeführten Erkenntnisse Bedacht zu nehmen keinen Anlaß hatten, weist neben seiner Fähigkeit, Träger von Rechten u n d Pflichten zu sein, auch das wesentliche M e r k m a l der physischen Person, nämlich das Leben auf, sodaß er als physische Person oder als ein Rechtsträger sui generis zwischen dieser u n d der juristischen Person betrachtet werden kann. (5) Der Unterschied, der sich für die Rechtsträgerschaft des Noch-Ungeborenen daraus ergibt, ob er als Mensch betrachtet w i r d oder als eine Person, auf welche die für die juristische Person entwickelten u n d gesicherten Grundsätze zur A n w e n d u n g zu kommen haben, ist f ü r die Beantwortung der Frage nach seiner Grundrechtsträgerschaft nicht von entscheidender Bedeutung: A l s Mensch verstanden kommen, w i e bereits oben gesagt, dem Noch-Ungeborenen jedenfalls die G r u n d - u n d Freiheitsrechte zu, wenn auch manche von ihnen faktisch nicht A n w e n d u n g finden können. A l s sonstige Rechtspersönlichkeit verstanden, g i l t f ü r den Noch-Ungeborenen der Maßstab, nach dem beurteilt w i r d , welche G r u n d - u n d Freiheitsrechte einer juristischen Person zukommen, sinngemäß. Dieser Maßstab lautet allgemein gefaßt: Eine von der natürlichen Person verschiedene Person besitzt jene Grund- und Freiheitsrechte, die von dieser Person ihrem Wesen nach besessen werden können. Was immer f ü r ein Ergebnis erzielt w i r d , w e n n an diesem Maßstab gemessen w i r d , ob somit eine juristische Person daher auch einen grundrechtlichen Schutz ihres Bestandes findet, die Frage jedenfalls, ob von der Person des Noch-Ungeborenen nach ihrem Wesen das G r u n d - u n d Freiheitsrecht auf Leben besessen werden kann, ist zweifelsfrei zu bejahen: I h m ist dieses G r u n d - u n d Freiheitsrecht deshalb gewährleistet, w e i l es f ü r i h n als lebendes Wesen i n Betracht kommt. Es steht dem Noch-Ungeborenen also, ob man i h n n u n auf G r u n d der Gesamtaussage der Rechtsordnung als Mensch versteht oder als einen v o m Menschen verschiedenen Träger von Rechten u n d Pflichten das G r u n d - u n d Freiheitsrecht auf Leben zu.
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Anhang A
Verlangt n u n das G r u n d - und Freiheitsrecht auf Leben vom Gesetzgeber, daß er eine solche Rechtsordnung aufrechterhält, die das Leben nicht nur v o r w i l l k ü r l i c h e m staatlichen Zugriff sondern auch vor solchem von anderer Seite schützt? Die Frage, ob auch eine wirksame Verpflichtung zur Herstell u n g einer solchen Rechtsordnung besteht, ob also entsprechende Gesetze zu schaffen sind, k a n n außer Betracht bleiben, da i m (6) Zeitpunkt der Festlegung der G r u n d - u n d Freiheitsrechte ein solches Schutzsystem bestand u n d auch das StGB i m §96 das noch-ungeborene Leben schützt. Das StGB enthält n u r i m § 97 Abs. 1 Ζ. 1 eine generelle u n d den Entzug des Lebens der W i l l k ü r D r i t t e r überlassende Durchbrechung dieses Schutzes. Die Frage stellt sich daher f ü r den Gegenstand ausschließlich de lege lata: Ist m i t diesem Grundrecht der Bestand einer Rechtsvorschrift vereinbar, die den ansonsten gewährleisteten Schutz f ü r einen bestimmten Personenkreis aufhebt? Bedeutsam erscheint hiefür die Entwicklung des G r u n d - u n d Freiheitsrechtes auf Gleichheit. Der I n h a l t dieses Rechtes w u r d e vorerst d a h i n verstanden, daß es sich hiebei u m einen Rechtssatz handelt, der sich ausschließlich an die Gesetzesvollziehung wandte. Seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 1451/1932 aber w i r d der Gleichheitssatz i n der J u d i k a t u r u n d i n der Lehre als ein sowohl an die Vollziehung als auch an die Gesetzgebung gerichtetes allgemeines W i l l k ü r v e r b o t verstanden. Der Gesetzgeber ist durch diesen Grundrechtssatz gehalten, unsachliche Differenzierungen zu unterlassen. Jeder Gesetzgebungsakt k a n n an diesem Grundrechtssatz gemessen werden (vgl. L. Adamovich, S. 105, F. Ermacora, S. 41 ff. u n d die dort zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes). Weiters beinhaltet der solcherart n u n auch an den Gesetzgeber gerichtete Grundrechtssatz nicht n u r die Unzulässigkeit gesetzlicher Regelungen, die die i m Genüsse dieses Grundrechtes Stehenden gegenüber der Ausübung der staatlichen Gewalt unsachlich ungleich stellen, sondern auch, daß i n Bereichen, i n denen ein staatlicher Eingriff nicht i n Frage kommt, das Gesetz keine unsachliche Differenzierung treffen darf. Dieses neue Verständnis des Grundrechtes der Gleichheit ist nach der J u d i k a t u r nicht etwa durch das besondere Schicksal bedingt, welches dieses Grundrecht i n späteren A k t e n der Verfassungsrechtssetzung erfuhr u n d ist daher auch f ü r andere G r u n d - und Freiheitsrechte zur Ausmessung ihres Inhaltes i n Anspruch zu nehmen, ob diese n u n i n der späteren Folge Neugestaltungen erfuhren oder nicht. (7) Projiziert auf das G r u n d - u n d Freiheitsrecht auf Leben bedeutet dies, daß der einfache Gesetzgeber keine Vorschriften erlassen darf, die das Recht auf Leben nicht respektieren, u n d zwar nicht n u r keine Vorschriften, die der staatlichen Vollziehungsgewalt einen w i l l k ü r l i c h e n Eingriff i n dieses Recht ermöglichen, sondern auch keine Vorschriften, die anderen Personen Befugnisse zu solchen Eingriffen i n das Leben einräumen. Folgerichtig hat der Bundesgesetzgeber dadurch, daß er die zwangsweise Blutabnahme nach § 5 Abs. 6 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, auf Verfassungsstufe geregelt hat, auch hinsichtlich des Grundrechtes auf körperliche I n t e g r i t ä t (vgl. den Bericht des Handelsausschusses über die Regierungsvorlage betreffend die StVO 1960, N r . 240 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, I X . GP.) die B i n d u n g des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht. Es ist hier anzumerken, daß hiedurch der Bundesgesetzgeber zu einer Verfassungsbestimmung auch das Recht auf
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Leben anerkannt hat u n d daß er i n diesen Gesetzesmaterialien die Feststellung t r i f f t , daß Eingriffe i n diesen Grundrechtsbereich einfachgesetzlich nicht ermöglicht werden dürfen, wobei zur Beurteilung der Frage des Vorliegens eines Eingriffes der Stand der Rechtsordnung i m Z e i t p u n k t des erstmaligen Inkrafttretens des B - V G am 10. November 1920 als maßgebend anerkannt wurde. Es ist also zusammenfassend festzustellen, daß nach der gegebenen n u r innerstaatlichen Verfassungsrechtslage das Recht auf Leben ein G r u n d - u n d Freiheitsrecht ist, daß es ein Menschenrecht ist, u n d daß i n seiner Achtung der Gesetzgeber verpflichtet ist, sich solcher Regelungen zu enthalten, die dieses Recht dem w i l l k ü r l i c h e n staatlichen oder sonstigen Z u g r i f f aussetzen. Weiters, daß dieses Recht dem Noch-Ungeborenen zusteht, dies sowohl für den (behaupteten) Fall, daß er ein Mensch i m Rechtssdnne ist, dies aber auch für den Fall, daß er als eine andere Rechtspersönlichkeit angesehen w i r d . I m letzteren F a l l steht dieses Recht auf Leben dem Noch-Ungeborenen als Rechtsträger zu, w e i l es dessen Wesen nach für i h n i n Betracht kommt. (8) Es ist daher § 97 Abs. 1 Ζ. 1 S t G B verfassungswidrig, w e i l er als einfachgesetzliche Regelung den w i l l k ü r l i c h e n Entzug des Lebens eines Menschen oder eines i h m hinsichtlich der Trägerschaft des Rechtes auf Leben rechtlich Gleichgestellten allgemein zuläßt. 2. Verletzung des Grund- und Freiheitsrechtes auf Leben nach verfassungsrechtlichen Bestimmungen, denen völkerrechtliche Verträge zugrunde liegen: a) Artikel
2 der Europäischen
Menschenrechtskonvention:
Das Recht auf Leben ist weiters nach A r t . 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) i m Verfassungsrang (vgl. das Bundesverfassungsgesetz v o m 4. März 1964, BGBl. Nr. 59, m i t d e m Bestimmungen des BundesVerfassungsgesetzes i n der Fassung von 1929 über Staatsverträge abgeändert u n d ergänzt werden) gewährleistet. Diese N o r m enthält einen den Gesetzgeber unmittelbar bindenden Verfassungsbefehl, [dessen Einhaltung der V e r fassungsgerichtshof i m Verfahren nach A r t . 140 Bundes-Verfassungsgesetz zu prüfen hat (vergleiche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 5100/ 1965). Achtet der einfache Gesetzgeber dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nicht, so (9) ist das Gesetz verfassungswidrig (Rosenzweig, Die Entwicklung der Grundrechte i n Österreich, i n : Verhandlungen des 2. österr. Juristentages 1964, Band I I / 2 , S. 35; Ermacora, Die Grundrechte i n Österreich, i n : Bettermann/Neumann/Nipperdey, die Grundrechte, B a n d 1/1, S. 138; Moser, Die Europäische Menschenrechtskonvention u n d das bürgerliche Recht, S. 53 f.). N u n bestimmt A r t . 2 M R K i n der amtlichen Übersetzung i n die deutsche Sprache folgendes: „(1)
Das Recht jedes Menschen auf das Leben w i r d gesetzlich geschützt. A b gesehen von der Vollstreckung eines Todesurteiles, das von einem Gericht i m Falle eines durch Gesetz m i t der Todesstrafe bedrohten V e r brechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung w i r d nicht als Verletzung dieses A r t i k e l s betrachtet, w e n n sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) u m die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) u m eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das E n t kommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
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Anhang A c) u m i m Rahmen der Gesetze einen A u f r u h r oder Aufstand zu unterdrücken."
Der hier i n erster L i n i e i n Betracht kommende 1. Satz des Abs. 1 des A r t . 2 lautet i n den gemäß der Schlußklausel der M R K i n gleicher Weise authentischen englischen u n d französischen Texten w i e folgt: „Everyone's r i g h t to life shall be protected by l a w " , bzw. „ L e droit de toute personne à la v i e est protégé par la loi". Die wörtliche Übersetzung dieses Satzes aus der englischen Sprache müßte richtig lauten: „Das Recht eines jeden auf Leben soll gesetzlich geschützt werden" oder „ist gesetzlich zu schützen." Die wörtliche Übersetzung aus der französischen Sprache lautet richtig: „Das Recht (10) jeder Person auf Leben ist durch Gesetz geschützt" oder „ w i r d durch Gesetz geschützt".] Während der englische Text die Verpflichtung der Vertragsstaaten, das Leben durch Gesetz zu schützen, direkt zum Ausdruck bringt, entspricht der französische Text i n seiner etwas zurückhaltenden Formulierung eher den Gepflogenheiten, wie sie bei der Abfassung internationaler Übereinkommen häufig anzutreffen sind. Die Verpflichtung der Vertragsstaaten als der „Hohen Vertragschließenden Teile" w i r d nicht i n so direkter Formulierung zum Ausdruck gebracht. Doch ändert dies inhaltlich nichts an der Verpflicht u n g der Vertragsstaaten, den ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen die i m Abschnitt I der M R K niedergelegten Rechte u n d Freiheiten zu gewähren, zu denen auch das Recht auf Leben nach A r t . 2 zählt. Dies ergibt sich schon aus A r t . 1 M R K , der eine solche ausdrückliche Zusicherung enthält. Daraus folgt, daß alle Vertragsstaaten, m i t h i n auch die Republik Österreich, verpflichtet sind, das Recht auf Leben der ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen gesetzlich zu schützen. Schon aus den bisher angestellten Erwägungen ergibt sich, daß die Lehre Guradzes, der erste Satz des A r t . 2 M R K müsse aus systematischen Gründen so verstanden werden, daß er n u r Schutz gegen den Staat nicht aber daneben auch das Schutzgebot an den Staat enthalte, unrichtig sein muß. Dies zeigen auch die später angestellten Erwägungen zur Entstehungsgeschichte u n d zur Befassung der Europäischen Menschenrechtskommission m i t der gegenständlichen Frage. Hiezu sei noch bemerkt, daß Österreich der einzige Mitgliedstaat des Europarates ist, i n welchem die M R K Verfassungsrang besitzt. Diese Schutzverpflichtung ist demnach i n Österreich durch Verfassungsgesetz angeordnet. Die Grundrechte, welche die M R K gewährleistet, werden i m einzelnen i n den A r t . 2 bis 12 angeführt. Dazu kommen noch verschiedene i n Zusatzprotokollen enthaltene Rechte. Die Reihenfolge der Hechte i n der M R K ist keine willkürliche, sondern läßt die verschiedene Bedeutung der einzelnen G r u n d rechte erkennen. (11) A n die Spitze stellt die M R K das Recht der Person auf Leben, welches das höchste Achtungsgut darstellt u n d i n der Würde des Menschen seine innere Begründung findet (Schorn, Die Europäische Konvent i o n zum Schutz der Menschenrechte u n d Grundfreiheiten, S. 71, A n m . 1). Den gleichen Gedanken bringt der Bundesgerichtshof der B R D i n der E n t scheidung BGHSt. 16, 149 m i t den Worten zum Ausdruck: „Der Schutz des Lebens ist die wichtigste Aufgabe der Rechtsgemeinschaft." V o n dieser grundsätzlichen Auffassung muß m a n ausgehen, u m die überragende Bedeutung des Rechtes auf Leben i n seinem vollen Umfang zu erfassen (Moser, a.a.O., S. 134). Es ist kein Zufall, daß die M R K das Recht auf Leben an erster Stelle anführt. Schon die B i l l of Rights von V i r g i n i a v o m 12. J u n i 1776 kannte ein
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Recht auf Leben, welches als erstes der grundlegenden Rechte genannt w i r d . I n ihrem A r t . 1 heißt es: „ A l l e Menschen sind von N a t u r gleichermaßen frei und unabhängig u n d besitzen gewisse angeborene Rechte, deren sie ihre Nachkommenschaft bei der Begründung einer politischen Gemeinschaft durch keinerlei Abmachungen berauben oder zwingen können, sich ihrer zu begeben; nämlich das Recht auf Leben u n d Freiheit u n d dazu die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben u n d zu behalten u n d Glück und Sicherheit zu erstreben und zu erlangen." Dieser Gedanke w u r d e dann i m A r t . 3 der A l l g e meinen E r k l ä r u n g der Vereinten Nationen über die Menschenrechte v o m 10. Dezember 1948 wieder aufgegriffen. Aus dem I n h a l t dieser E r k l ä r u n g sei hier auch A r t . 25 Abs. 2 angeführt der lautet: „ M u t t e r und K i n d haben A n spruch auf besondere H i l f e u n d Unterstützung. A l l e Kinder, eheliche u n d uneheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz." A r t . 2 Abs. 1 M R K schützt das „Leben" des Menschen. Unter dem Begriff „Leben" ist die biologisch-physische Existenz zu verstehen. Es handelt sich u m einen rein natürlichen Begriff, der einfach das Lebendigsein bezeichnet, also die i m Gegensatz zum „Nochnichtleben" oder zum „ T o d " stehende k ö r perliche Daseinsform des Menschen (Maunz/Dürig/Herzog, a.a.O., A r t . 2, Abs. 2, Randnr. 9; Schorn, a.a.O., S. 74, Anm. 6; Moser, a.a.O., S. 132). Dieses Leben ist also durch den Staat zu schützen. Die A r t , (12) i n welcher Weise er den Schutz gewährt, ist Sache der Gesetzgebung. Der gesetzliche Schutz muß aber so beschaffen sein, daß jede Verletzung des Lebens auf die wirksamste Weise verhindert w i r d . Eine notwendige und unersetzliche F o r m des Schutzes bildet das Strafgesetz. Es ist daher i n erster L i n i e an den Schutz des Menschen durch Strafrechtsnormen gedacht (Schorn, a.a.O., S. 73, A n m . 4). Weder das Zivilrecht noch das Verwaltungsrecht vermögen auch n u r annähernd i n gleich wirksamer Weise, wenn überhaupt, einen umfassenden Schutz i n dieser Hinsicht zu bieten. Demnach ist es Aufgabe des Strafgesetzes, durch seine Normen dem menschlichen Leben Schutz angedeihen zu lassen. Es ergibt sich n u n die Frage, i n welchem Stadium des Lebens der staatliche Schutz anzusetzen hat. Umfaßt das Recht auf Leben auch das Leben des Noch-Ungeborenen. I n der einschlägigen L i t e r a t u r w u r d e diese Frage vielfach erörtert, wobei sich die Darlegungen teils auf die M R K teils auf das Bonner Grundgesetz (GG) beziehen, welches i n seinem A r t . 2 Abs. 2 gleichfalls das Recht eines jeden auf Leben schützt. Dieser A r t i k e l lautet: „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben u n d körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. I n diese Rechte darf n u r auf G r u n d eines Gesetzes eingegriffen werden." Da sowohl die M R K als auch das GG von demselben historischen H i n t e r g r u n d ausgehen, sind die Argumente, welche zu beiden Bestimmungen vorgebracht werden, i n gleicher Weise auf die Auslegung sowohl der M R K als auch des GG anwendbar. Die Entstehungsgeschichte des Art. 2 MRK selbst gibt keine Auskunft. Der ganze A r t i k e l geht nämlich überhaupt nicht von einer einheitlichen Wurzel aus, w i e schon der äußere Eindruck beweist. A r t . 2 M R K ist auf A r t . 3 der Allgemeinen E r k l ä r u n g der Menschenrechte der Vereinten Nationen v o m 10.12.1948 zurückzuführen, welcher bestimmt, daß jeder das Recht auf Leben, Freiheit u n d Sicherheit der Person hat. Die Redaktoren der Menschenrechtsdeklaration hatten beabsichtigt, das Recht auf Leben nicht n u r gegen E i n griffe seitens der öffentlichen Gewalt, sondern auch gegen solche von p r i vater Seite her zu schützen. Daher sollten nach dem Vorschlag (13) des Redaktionsausschusses der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen
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alle Eingriffe t a x a t i v aufgezählt werden, i n denen die Tötung durch P r i v a t personen nicht als rechtswidrig anzusehen ist. Demgegenüber w o l l t e n die Vertreter mehrerer Staaten den Schutz des Lebens n u r als einen solchen gegen hoheitliche Eingriffe aufgefaßt wissen. Anläßlich der Beratungen wurde n u n auf die Arbeiten der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen zurückgegriffen u n d A r t . 2 aus zwei voneinander verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt, dem Eingangssatz, welcher wörtlich dem ursprünglichen E n t w u r f der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen entspricht, u n d dem allgemeine Bedeutung, also auch gegenüber Privatpersonen zukommt u n d der folgenden Bestimmung, welche den Vorschlag der V e r treter der genannten Staatengruppe enthält. A u f diese Weise w u r d e n zwei zueinander nicht passende Teile i n einem A r t i k e l vereinigt. Gleichzeitig wurde der übrige I n h a l t des A r t . 3 der Allgemeinen E r k l ä r u n g der Menschenrechte abgespalten und von der M R K i n einen eigenen A r t . 5 aufgenommen. Z u beachten ist, daß A r t . 2 Abs. 2 M R K i n lit. a) den Schutz gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung von privater Seite her einschließt (Partsch, Die Rechte u n d Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention, S. 111; Moser, a.a.O., S. 131 f.). Dies ist für das Kollisionsproblem von Bedeutung. Soweit A r t . 2 Abs. 2 GG i n Betracht kommt, gibt auch hier die Entstehungsgeschichte keinen Aufschluß. Anläßlich der Beratung ergaben sich zu der Frage der A n w e n d u n g dieses Artikels auf den Schutz der Leibesfrucht voneinander divergierende Ansichten, sodaß die bloß wörtliche Interpretation des A r t . 2 GG i n der einen oder anderen Richtung versagt. Die Europäische Menschenrechtskommission hat sich zu der gegenständlichen Frage noch nicht k l a r ausgesprochen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte w u r d e m i t der Frage überhaupt noch nicht befaßt. Z w e i einschlägige Fälle wurden bisher zwar vor die Kommission gebracht. I n dem einen F a l l hatte ein nor- (14) wegischer Beschwerdeführer die Verletzung des A r t . 2 der M R K durch das norwegische Gesetz v o m 12.10.1960 behauptet, w e i l dieses eine amtliche Genehmigung der Schwangerschaftsunterbrechung durch den Amtsarzt vorsieht. Die Beschwerde wurde aber als nicht zulässig zurückgewiesen, w e i l der Beschwerdeführer durch das Gesetz nicht betroffen w a r u n d i h m daher die Beschwerdelegitimation fehlte (Entsch. v o m 29.5. 1961, B. Nr. 867/60). I m anderen F a l l hatte ein dänischer Ehemann dagegen Beschwerde geführt, daß an seiner Ehefrau eine Sterilisation auf freiwilliger Grundlage vorgenommen worden war. Die F r a u hatte dem Eingriff, der sich ärztlicherseits als notwendig erwies, zugestimmt. Auch hier wies die K o m mission die Beschwerde des Ehemannes als unzulässig zurück, da er selbst von dem E i n g r i f f nicht betroffen sei. Allerdings sprach die Kommission aus, ein derartiger ärztlicher E i n g r i f f könne unter bestimmten Umständen eine Verletzung des A r t . 2 der M R K darstellen (Entsch. v o m 4.10.1962, B. Nr. 1287/ 62). Weitere einschlägige Fälle, die der Kommission unterbreitet wurden, sind nicht bekannt. Überblickt man die Literatur, so läßt sich feststellen, daß die überwiegende Z a h l der Autoren den Schutz des Lebens der Person sei es nach A r t . 2 der M R K , sei es nach A r t . 2 Abs. 2 des G G schon der Leibesfrucht angedeihen läßt. Soweit die österreichische L i t e r a t u r diese Frage i m Hinblick auf die M R K behandelt, ist sie einhellig der Auffassung, daß A r t . 2 M R K auch das Leben des Noch-Ungeborenen i n seinen Schutzbereich einbezieht. Es ergibt sich i m wesentlichen folgende Übersicht:
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Nach Wernicke, Bonner Kommentar, A r t . 2, S. 3 f., ist der Schutz des keimenden Lebens nach A r t . 2 GG verfassungsrechtlich nicht gewährleistet, sondern bleibt der einfachen Gesetzgebung vorbehalten. Wernicke geht dabei einerseits von der Entstehungsgeschichte des A r t . 2 aus, welche undeutlich bleibt u n d vermeint andererseits, daß dem nasciturus das „Da-sein, das Leben" fehlt. Hamann, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949, S. 85, beruft sich auf § 1 BGB, wonach dem (15) Ungeborenen die Hechtsfähigkeit fehlt. Guradze, Der Stand der Menschenrechte i m Völkerrecht, S. 191, Fußnoten 279 u n d 280 sowie Die Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, S. 47, lehnt den Schutz des Ungeborenen durch A r t . 2 der M R K ab. Er begründet seine Ansicht m i t der von i h m abgelehnten D r i t t w i r k u n g der G r u n d rechte. Den Ausspruch der Menschenrechtskommission i n der oben zitierten Entscheidung, wonach die Sterilisation der Frau unter bestimmten Voraussetzungen eine Verletzung des A r t . 2 M R K darstellen könnte, bezeichnet er als unverständlich. Kern, Schutz des Lebens, der Freiheit und des Heims, i n : N e u m a n n / N i p perdey/Scheuner, Die Grundrechte, I I . Band, S. 59, läßt ebenso wie Vasak, La Convention Européenne des Droits de l'Homme, S. 17, die Frage offen. Demgegenüber treten die übrigen Autoren, sei es i m Hinblick auf das GG, sei es i m Hinblick auf die M R K , für die Einbeziehung des keimenden Lebens i n die staatliche Schutzpflicht ein. Nach Maunz/Dürig/Herzog A r t . 2 Abs. I I , Randnr. 21, und A r t . 1 Abs. I, Randnr. 24, k o m m t dem nasciturus Menschenwürde zu. Demnach beginnt das Leben des Menschen m i t der Zeugung. I m Augenblick der Zeugung entsteht der neue Wesens- u n d Persönlichkeitskern, der sich hinfort nicht mehr ändert. I n i h m ist also wesentlich u n d wesenhaft der gesamte Wesensbestand dieses Menschen beschlossen. Er treibt zur E n t faltung dessen, was keimhaft i n i h m liegt u n d bewirkt, daß der Mensch, mag er wachsen oder vergehen, stets er selber bleibt. Das v o m Staat geduldete oder gar legalisierte Töten des Kindes i m Mutterleib wäre bereits nach A r t . 1 GG Verfassungsunrecht. Das Argument Wernickes, daß dem nasciturus das „Da-sein, das Leben" fehle, erscheint daher medizinisch unhaltbar (Herztöne, Kindsbewegungen usw.). Gegenüber Hamann w i r d eingewendet, daß die Argumentation m i t der fehlenden Rechtsfähigkeit eine K a p i t u l a t i o n des Verfassungsrechts vor einem B G B - B e g r i f f und v i e l schlüssiger die umgekehrte Folgerung v o m Verfassungsbegriff der Grundrechts- (16) fähigkeit auf den Begriff der Rechtsfähigkeit i m Sinne des B G B wäre. Gleichzeitig w i r d auf den Satz des Preussischen Allgemeinen Landrechts (I, 1, 10) verwiesen: „Die allgemeinen Rechte der Menschen gebühren auch den noch ungeborenen K i n d e r n schon von der Zeit ihrer Empfängnis." Was sollte aber w o h l ein allgemeineres Recht der Menschheit sein, als das Recht auf Leben überhaupt? Nach M a n g o l d t / K l e i n , Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Bd. I, S. 186, u m faßt das Recht auf Leben auch das keimende, noch ungeborene Leben v o m Augenblick der Empfängnis an. Maunz, Staatsrecht, 12. Aufl., S. 87, erklärt i n Bezug auf A r t . 2 GG: „Die Entscheidung über das Leben (in jeder Form, auch über das ungeborene) ist danach dem Staat entzogen."
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Nipperdey, Die Würde des Menschen, i n : Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, I I . Bd., S. 3, erklärt i m Hinblick auf A r t . 1 GG: „ D i e Würde hat jeder, der Menschenantlitz trägt. Daher handelt es sich u m ein allgemeines Menschenrecht. Die Würde k o m m t aber n u r dem lebenden Menschen zu, einschließlich des Nasciturus." Schorn, a.a.O., S. 74 f., A n m . 8 f., befaßt sich m i t dem Schutz des keimenden Lebens und den verschiedenen A r t e n der I n d i k a t i o n sehr eingehend. Danach umfaßt das Recht auf Leben auch das keimende, noch ungeborene Leben v o m Augenblick der Empfängnis an. Diesen Standpunkt begründet er m i t der Zielrichtung des A r t . 2, Abs. 1, Satz 1 M R K , der jedes menschliche Lebewesen, auch den K e i m der sich entwickelnden Persönlichkeit schützen w i l l . Aus der österreichischen L i t e r a t u r ergibt sich folgender Überblick: Moser, a.a.O., S. 133, verweist darauf, daß es grundsätzlich dem Sinn der Konvention entspricht, den Schutz des menschlichen Lebens schon i n einem möglichst frühzeitigen Stadium einsetzen zu lassen. Es ist dies also der Zeitp u n k t der Empfängnis oder der Nidation. U m das Leben w i r k s a m sichern zu können, muß der Schutz schon möglichst frühzeitig einsetzen, daher schon i n dem Zeitpunkt, i n dem es seinen Anfang genommen hat. (17) Marschall erklärt unter Hinweis auf die allein authentischen englischen und französischen u n d zur Auslegung des geltenden deutschen heranzuziehenden Texte der M R K , daß sich der Schutz des A r t . 2 immer dann auf die Leibesfrucht erstreckt, wenn und insoweit dieser durch die einfache Gesetzgebung Rechtspersönlichkeit (Teilrechtspersönlichkeit) eingeräumt w i r d . Denn A r t . 2 schützt das Leben von jedermann oder jeder Person. I n der geltenden österreichischen Rechtsordnung ist also die Leibesfrucht i m Rahmen ihrer Rechtsfähigkeit geschützt. Schambeck, Das Leben ist ein Grundrecht, i n : Die Furche vom 7. A p r i l 1973, legt den A r t . 2 M R K dahin aus, daß der Schutz des menschlichen Lebens m i t dem Augenblick der Empfängnis zu beginnen hat. Deshalb e r k l ä r t er die Fristenlösung für verfassungswidrig. [ Z u den Darlegungen von Hamann sei noch folgendes bemerkt. Seine A r g u mentation k a n n n u r v o m B G B aus verstanden werden. Sie läßt sich auf den österreichischen Rechtsbereich nicht übertragen. Denn § 1 B G B bestimmt ausdrücklich, daß die Rechtsfähigkeit des Menschen m i t der Vollendung der Geburt beginnt. N u r gewisse Sondervorschriften führen praktisch zu ihrer beschränkten Rechtsfähigkeit (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 22. Aufl., § 1, A n m . 3). Nach österreichischem bürgerlichem Recht ist die Regelung wie bereits v o r h i n dargestellt gerade umgekehrt. Denn das A B G B enthält keine Bestimmung, welche die Rechtsfähigkeit grundsätzlich erst m i t der Geburt eintreten läßt. Ganz i m Gegensatz dazu erklärt § 22 A B G B ausdrücklich, daß ungeborene K i n d e r v o m Zeitpunkt ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze haben. Z u r Geltendmachung der Rechte Ungeborener sieht ferner § 274 A B G B einen Sachwalter für eine bereits vorhandene L e i besfrucht vor, der dafür zu sorgen hat, „daß die Rechte des noch ungeborenen Kindes erhalten werden". Darüber hinaus schützen noch zusätzliche Vorschriften nicht m i r die bereits gezeugten, aber noch ungeborenen Kinder, sondern sogar künftige Generationen. Beispiele aus dem Bereich des öffentlichen Rechtes sind das (18) Strahlenschutzgesetz, das Jugendwohlfahrtsgesetz, BGBl. Nr. 99/1954, welches i m § 1 die Landesgesetzgebung verpflichtet, „die körperliche E n t w i c k l u n g des Kindes von der Empfängnis an" zu
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sichern u n d aus dem Bereich des Privatrechts das Hofdekret v o m 12. 5.1845, welches zum Schutz der vermögensrechtlichen Ansprüche der Ungeborenen die Vertretung durch Posterioritätskuratoren vorsieht. Trotz der einschränkenden Bestimmung des § 1 B G B gewährt auch die deutsche zivilrechtliche Lehre u n d Rechtsprechung dem nasciturus Rechtsschutz, vor allem i m Hinblick auf Schäden, die i h m vor der Geburt zugefügt werden. Eine Ubersicht über die einschlägige L i t e r a t u r findet sich bei Moser, a.a.O., S. 128, Fußnote 489. Nach Wolf besteht zwischen dem Ungeborenen u n d dem Neugeborenen kein wesenhafter Unterschied. Auch Deynet, Laufs, Stoll, Heldrich, Schmidt u n d Enneccerus/Nipperdey billigen dem nasciturus, der nach der Zeugung verletzt w i r d , durchwegs selbständige Schadenersatzansprüche zu. Würde daher ein Ungeborener durch einen Eingriff bloß verletzt und nicht getötet werden, so hätte er Schadenersatzansprüche gegen den Schädiger. Soweit die Rechtsprechung i n Betracht kommt, sei vor allem auf die bekannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes B G H Z E 8, 243 verwiesen.] Guradze begründet seine ablehnende H a l t u n g m i t der Behauptung, daß den Grundrechten der M R K keine D r i t t w i r k u n g zukomme; daher treffe auch die schwangere Frau nach der M R K keine Verpflichtung gegenüber ihrem ungeborenen K i n d . Diese Auffassung ist aus einem doppelten G r u n d verfehlt. Erstens ist seine Ansicht, daß den Rechten der Konvention grundsätzlich die D r i t t w i r k u n g fehlt, angesichts der Untersuchungen zu den gleichartig beschaffenen Grundrechten des GG überholt. Die einzige offene Streitfrage bezüglich der Grundrechte des GG ist die, ob sie u n m i t t e l b a r oder mittelbar auf den Privatrechtsverkehr w i r k e n (s. Moser, a.a.O., S. 77 f.). Dieses Problem interessiert hier aber nicht. Denn zweitens handelt es sich (19) i m vorliegenden F a l l gar nicht u m das Drittwirkungsproblem, sondern darum, ob den Staat eine Schutzpflicht gegenüber dem Ungeborenen t r i f f t , er also gestatten darf, daß Ungeborene w i l l k ü r l i c h von ihrer M u t t e r getötet werden. M i t den Privatrechtsbeziehungen zwischen M u t t e r und K i n d — dem D r i t t wirkungsproblem — hat dies nichts zu tun. I n der Diskussion w u r d e noch die weitere Frage aufgeworfen, ob ein Ungeborener den Schutz der Konvention genießen könne, w e i l er nach seiner Tötung nicht i n der Lage sei, eine Individualbeschwerde bei der Kommission einzubringen. Hier handelt es sich n u r u m ein Scheinproblem. Denn auch ein Erwachsener, der entgegen den Bestimmungen des A r t . 2 M R K den Tod erleidet, ist nicht imstande, eine Beschwerde zu erheben. Trotzdem stellt seine Tötung einen Verstoß gegen die M R K dar. I m übrigen bildet die Individualbeschwerde keinen essentiellen Bestandteil der Konvention, da es dem Ermessen der Vertragsstaaten überlassen bleibt, ob sie eine solche zulassen wollen oder nicht. Aus dem angeblichen allgemeinen Prinzip: „ I m Zweifel f ü r die Freiheit" wurde ferner zugunsten der M u t t e r die volle Entscheidungsfreiheit über das Leben ihres Kindes i n den ersten Monaten seines Daseins abgeleitet. Diese Ansicht verkennt aber völlig, daß die Rechte eines jeden ihre Grenzen i n den Rechten der anderen finden. Daher k a n n die Freiheit des einzelnen niemals die Freiheit des Tötens eines anderen menschlichen Wesens i n sich schließen. Schon A r t i k e l I V der französischen E r k l ä r u n g der Rechte des Menschen u n d des Bürgers v o m August 1789 besagt: „ D i e Freiheit besteht darin, alles t u n zu können, was anderen nicht schadet." Eine Freiheit zum
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w i l l k ü r l i c h e n Töten eines anderen menschlichen Geschöpfs k a n n es i n einem Rechtsstaat nicht geben. Von besonderer Bedeutung ist, daß der Schutz des Lebens der NochUngeborenen i m Zeitpunkt der Konvention i n den Vertragsstaaten n u r durch Indikationsvorschriften, nirgends aber durch eine Fristsetzung eingeschränkt war. Geht die M R K auch w e i t über den I n h a l t hinaus, ein grundrechtsfeststellendes u n d konservierendes Vertragswerk zu sein — hier ist n u r auf die (20) Präambel hinzuweisen, die außer der Wahrung auch die Entwicklung der Menschenrechte u n d Grundfreiheiten als Begründung für das Vertragsw e r k ausweist — u n d w ü r d e es auch, da j a eine E n t w i c k l u n g dieser Rechte Z i e l der Konvention ist, nichts verschlagen, wenn zum Zeitpunkt des V e r tragsabschlusses der geforderte Rechtszustand i n dem einen oder anderen P u n k t und i n dem einen oder anderen Vertragsstaat noch nicht gegeben gewesen wäre, so muß gerade i m damals bereits vorhandenen Gemeinsamen ein taugliches Instrument für die Bestimmung des jedenfalls gegebenen I n haltes des Vertrags Werkes erblickt werden. U n d dieses Gemeinsame w a r zum G r u n d - u n d Freiheitsrecht des Lebens, eben, daß ein Entzug des menschlichen Lebens nur deshalb, w e i l es eine bestimmte Altersgrenze noch nicht überschritten hatte, den Vertragsstaaten fremd und daher ausgeschlossen war. Daß unter den Begriffen des A r t . 2 „everyone", „toute personne", „jeder Mensch" nach dem i n der Präambel angerufenen gleichen Geist von dem die Vertragsstaaten beseelt sind u n d gemeinsamen Erbe an geistigen Gütern, politischen Überlieferungen, Achtung der Freiheit u n d Vorherrschaft des Gesetzes auch der Noch-Ungeborene als Geschützter verstanden war, weist diese Übereinstimmung i n der Rechtslage der Vertragsstaaten nach. Nicht n u r diesem Geist der Europäischen Menschenrechtskonvention sondern m i t h i n deren festgelegtem I n h a l t widerspricht die neue Regelung des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB. Schließlich gibt der Entwurf der Amerikanischen Menschenrechtskonvention v o m 22. November 1969, welcher von einer Reihe m i t t e l - u n d südamerikanischer Staaten unterzeichnet wurde, einen deutlichen Hinweis für die Auslegung. Dieser E n t w u r f hat die M R K zum Vorbild, w i e sich sowohl aus dem materiell-rechtlichen als auch aus den verfahrensrechtlichen Bestimmungen deutlich erkennen läßt (Moser, a.a.O., S. 18). I n ihrem A r t . 4 nennt sie unter den Grundrechten das Recht auf Leben. A r t . 4 Abs. 1 erklärt nun, daß das Recht auf Leben durch das Gesetz zu schützen ist, und, i m allgemeinen, v o m Augenblick der Empfängnis an (Moser, a.a.O., S. 133, Fußnote 501). Die Einschränkung durch die Worte „ i m allgemeinen" weisen deutlich auf die Zulässigkeit gewisser Ausnahmen, wie sie sich aus den I n d i k a tionen ergeben, hin. Grundsätzlich g i l t die Schutzpflicht. (21) b) Art. 63 Abs. 1 des Staatsvertrages
von St. Germain:
W i r d diese grundrechtliche Bestimmung n u r als besonderes Gleichheitsrecht verstanden, wie dies bei Marschall, JB1. 1972, S. 506, der F a l l ist, so gelten hiefür die Ausführungen zum Teil I I Β dieses Antrages. Der Verwaltungsgerichtshof hat i n seinem Erkenntnis Slg. N F 5577A A r t . 63 auf physische Personen abgestellt erachtet. Eine Aussage, ob hierunter auch der Noch-Ungeborene zu verstehen ist, enthält dieses Erkenntnis mangels Relevanz dieser Feststellung für den entschiedenen F a l l nicht. V o m Zweck dieses Teils des Staatsvertrages aber, also v o m Schutz der Minderheiten her gesehen, gewährt A r t . 63 Abs. 1 n u r dann einen Schutz
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für den Bestand der Minderheiten, wenn er unter dem Ausdruck „allen E i n wohnern Österreichs" auch die Noch-Ungeborenen versteht. Dieser Grundrechtssatz geht vermöge seiner generellen Aussage über den Minderheitenschutz hinaus u n d gewährleistet das Recht auf Leben eben a l len Einwohnern Österreichs u n d nicht n u r Angehörigen einer auf G r u n d welcher Merkmale i m m e r gebildeten Minderheit. Die hier gewährleisteten G r u n d - u n d Freiheitsrechte erschöpfen sich daher nicht darin, ein besonderer Gleichheitssatz zu sein, sondern sind als selbständige G r u n d - und Freiheitsrechte allen Einwohnern Österreichs gewährleistet. D a m i t v e r w i r k lichen sie aber gleichzeitig den Zweck, Minderheiten zu schützen, als Teil ihres Wirkungsbereiches. Wenn n u n von diesem primären Bereich des M i n derheitenschutzes her nur dann ein ausreichender Schutz durch sie gegeben ist, wenn sie auch die Noch-Ungeborenen der Minderheit i n ihrem Leben schützen — der Ausdruck „allen Einwohnern Österreichs" läßt eine solche Auslegung w i e oben dargestellt zu — so beschränkt sich der so ermittelte I n h a l t dieses Ausdruckes wiederum nicht auf den zu dieser Inhaltsbestimm u n g führenden Teilbereich der Wirksamkeit, sondern erfaßt die gesamte Wirksamkeit dieser Grundrechtsbestimmung. (22) Es hat damit der Noch-Ungeborene den Schutz seines Lebens i m V e r fassungsrang auch i n dieser Rechtsquelle gefunden. c) Es ist daher zusammenfassend festzustellen, daß der nach A r t . 2 Abs. 1, erster Satz, M R K u n d der nach A r t . 63 Abs. 1 des Staatsvertrages von St. Germain i m Verfassungsrang gewährleistete Schutz des Lebens als G r u n d u n d Freiheitsrecht i m Umfange eines Menschenrechtes gilt, daß dieses Recht i m Verfassungsrang steht und daß es nach dem überwiegenden Teil der Rechtslehre auch dem Noch-Ungeborenen zusteht. § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB, der dem Noch-Ungeborenen dieses Recht bis zur Vollendung des dritten L e bensmonates dadurch n i m m t , daß er i n Abweichung von der geltenden Rechtslage den Schutz vor Tötung behebt, erscheint somit auch nach dieser völkerrechtlich begründeten Verfassungsrechtslage als verfassungswidrig. B. Verletzung [1. Verletzung demokratischen
des Grundrechtes
des Grundrechtes Prinzips:
auf Gleichheit
auf Gleichheit
vor dem Gesetz
als wesentlicher
Teil des
Z u m Verstoß des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitssatz sollen i n diesem P u n k t bekanntgewordene Überlegungen nachstehend zur Vollständigkeit wiedergegeben sein: Das Gleichheitsprinzip bildet eine der tragenden Säulen des demokratischen Staatswesens überhaupt. Ohne Gleichheitsgrundsatz k a n n es keinen demokratischen Staat geben. Dies folgt aus A r t . 1 B - V G , wonach Österreich eine demokratische Republik ist u n d i h r Recht v o m V o l k ausgeht. Er würde sich daher ohne weitere ausdrückliche Festlegung bereits aus A r t . 1 B - V G ergeben. Wenn er aber dennoch i n einer Anzahl von Bestimmungen eigens angeführt wurde, so geschah dies i m Interesse der K l a r h e i t u n d Rechtssicherheit. I n der österreichischen Rechtsordnung findet sich n u n eine Reihe von verfassungsrechtlichen Vorschriften vor, i n denen der Gleichheitsgrundsatz in verschiedenen Spielarten ausdrücklich ausgesprochen ist. H i e r ist zunächst A r t . 7 B - V G (23) zu nennen, wonach alle Bundesbürger vor dem Gesetz gleich sind. Des weiteren zählt hieher A r t . 2 des Staatsgrundgesetzes über
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die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG), der die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz ausspricht. A r t . 63 des Staatsvertrages von St. Germain verpflichtet Österreich, allen seinen Einwohnern ohne U n t e r schied den vollen u n d ganzen Schutz von Leben u n d Freiheit zu gewähren. Ebenso spricht A r t . 14 M R K ein Diskriminierungsverbot i m Hinblick auf die i n der Konvention niedergelegten Rechte u n d Freiheiten aus, wobei dieses auch i n weiterer Folge für die i n den Zusatzprotokollen zur M R K enthaltenen Rechte u n d Freiheiten gilt. I m Rang eines einfachen Gesetzes w i r d der Gleichheitsgrundsatz i n A r t . 6 des Staatsvertrages von Wien unter Bezugnahme auf die Menschenrechte festgelegt. Die nach den A r t . 7 B - V G u n d A r t . 2 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger n u r für Bundesbzw. Staatsbürger geltende Gleichbehandlung w u r d e durch A r t . 63 u n d 66 f. des Staats Vertrages von St. Germain u n d A r t . 14 M R K (im Verfassungsrang) sowie A r t . 6 des Staatsvertrages von Wien (im einfach-gesetzlichen Rang) auf alle Einwohner Österreichs bzw. der österreichischen Staatshoheit unterliegenden Menschen hinsichtlich bestimmter elementarer Rechtsbereiche ausgedehnt. Daß sich der Gleichheitsgrundsatz aus dem Begriff eines demokratischen Staatswesens ableitet, wurde i n der L i t e r a t u r bisher i m Zusammenhang m i t der M R K dargelegt. Es sei auf Pahr, Das 4. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention, JB1.1964, S. 192, hingewiesen, welcher die Gleichheit vor dem Gesetz als das tragende Element des demokratischen Staatswesens ansieht. Moser, a.a.O., S. 67 f., erklärt den Gleichheitsgrundsatz als eines der wesentlichen Elemente einer demokratischen Ordnung. Der i n der M R K ständig wiederkehrende Begriff der „demokratischen Gesellschaft" geht über den Begriff des demokratischen Staates insoferne hinaus, als die demokratische Gesellschaft auch Bereiche einschließt, welche nicht zum staatlichen Hoheitsbereich gehören. Soweit es sich u m den Gleichheitsgrundsatz handelt, so bezieht er sich auf jenen Bereich der demokratischen Gesellschaft, der der Hoheitssphäre (24) zuzurechnen ist. Was folgt aus diesem Grundsatz der Gleichbehandlung i m vorliegenden Fall? Er besagt ein doppeltes:] Es darf kein menschliches Wesen ohne sachlichen G r u n d vor dem Gesetz schlechter als das andere gestellt werden. Folgende Beispiele seien i m H i n blick auf das i n Rede stehende Problem angeführt. E i n einfaches Gesetz der Republik Österreich würde etwa gestatten, daß ungeborene K i n d e r von Zigeunern u n d Slowenen straflos getötet werden dürfen; das Gesetz würde sogar anordnen, daß ungeborene K i n d e r dieser ethnischen Minderheitsgruppen getötet werden müssen. Oder ein einfaches Gesetz wie der § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB gestattet, daß ungeborene K i n d e r bis zu einem bestimmten A l t e r getötet werden dürfen, nach diesem Z e i t p u n k t aber die Tötung Ungeborener strafbar ist. I n allen diesen Fällen fehlt es an einem sachlichen G r u n d für die Differenzierung. I m ersteren Falle w ü r d e der Umstand, daß es sich u m einer Minderheitengruppe zugehörige Ungeborene handelt, kein hinreichender G r u n d dafür sein, die i m Werden befindlichen menschlichen Wesen schlechter als die Ungeborenen der Bevölkerungsmehrheit zu stellen. Die ungeborenen K i n d e r der ethnischen Minderheiten w ü r d e n als Sachen, die ungeborenen K i n d e r der Bevölkerungsmehrheit als Rechtssubjekte (Personen) behandelt werden. Ebenso besteht ebenso wenig ein sachlicher G r u n d dafür, werdendes menschliches Leben von einem bestimmten Lebensmonat angefangen rechtlich besser als vorher zu stellen. Es mag durchaus zutref-
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fen, daß der M u t t e r des werdenden Kindes die Trennung von i h r e m K i n d i n einem früheren Stadium leichter als i n einem späteren S t a d i u m fällt u n d vom medizinischen Standpunkt aus gesehen, auch f ü r sie ungefährlicher ist. Eine solche Betrachtungsweise w ü r d e aber übersehen, daß v o m Standpunkt des Kindes aus kein sachlicher G r u n d für seine willkürliche Tötung i n i r gendeinem Stadium seines Lebens besteht. Ansonsten w ü r d e auch hier das ungeborene K i n d bis zu einem bestimmten A l t e r seines Lebens als Sache, ab diesem Zeitpunkt aber als Person gelten. Gerade v o m Standpunkt des Gleichheitsgrundsatzes aus darf eine Leibesfrucht i m A l t e r bis zu 3 Monaten rechtlich nicht anders u n d keinesfalls schlechter als eine Leibesfrucht i n einem höheren A l t e r gestellt werden. E i n (25) sachlicher G r u n d f ü r eine D i f ferenzierung i m Sinne einer Qualifizierung als Sache einerseits u n d als Person andererseits ist nicht gegeben. Es bedeutet diaher eine strafrechtliche Ungleichbehandlung der Ungeborenen je nach ihrem Lebensalter einen Verstoß gegen das verfassungsmäßige Gleichheitsgebot. Der verfassungsmäßige Gleichheitsgrundsatz w i r d aber durch die Fristenregelung auch noch i n anderer Hinsicht verletzt. Unter diesem weiteren Gesichtspunkt ist der Gleichheitsgrundsatz i n Verbindung m i t A r t . 8 M R K zu sehen. Nach A r t . 8 M R K hat jedermann Anspruch auf Achtung seines F a m i lienlebens. N u n verstößt § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB gegen den Begriff eines Familienlebens, w i e er A r t . 8 M R K zugrunde liegt. Den Angehörigen beider Geschlechter muß die Möglichkeit gegeben werden, i m Rahmen einer Fam i l i e Nachkommenschaft zu erlangen. Würde n u n der Ehefrau das Recht eingeräumt werden, ein von i h r e m Ehemann gezeugtes K i n d , ohne i h n auch n u r i m geringsten befragen zu müssen, töten zu lassen, so w ü r d e der Ehem a n n u m die Möglichkeit gebracht werden, zu ehelicher Nachkommenschaft zu gelangen. Die Ehefrau hätte es i n der Hand, ihrem Ehegatten einseitig nach ihrem Ermessen seine Nachkommenschaft vorzuenthalten oder sie i h m zu bewilligen. Gewiß liegt ein Unterschied der Geschlechter i n der n a t u r gegebenen Tatsache, daß die Last der Schwangerschaft von der F r a u zu tragen ist. A n diesen durch die N a t u r vorgegebenen Unterschied k a n n aber nicht die v ö l l i g n a t u r w i d r i g e Folgerung geknüpft werden, das K i n d beider Eltern der willkürlichen Tötung durch einen Elternteil allein sogar ohne A n h ö r u n g des anderen Elternteils auszusetzen. Dadurch w ü r d e n beide Geschlechter i n der Ehe v ö l l i g ungleich gestellt werden. Gleichzeitig würde der Anspruch des Ehemannes auf Achtung des Familienlebens durch eine einseitige Maßnahme seiner Ehefrau vernichtet werden. A l l e legislativen Bestrebungen, die Gleichheit der beiden Geschlechter i n der Ehe auch dort herzustellen, wo sie bisher noch nicht vorhanden ist, werden auf diese Weise i n einem ganz entscheidenden P u n k t zerstört, indem der Ehemann i n einer so wesentlichen Frage seiner Rechte beraubt u n d gegenüber seiner Ehefrau benachteiligt w i r d . (26) [ 3 β 9 2. Verletzung des Grundrechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz nach nicht auf völkerrechtliche Verträge gegründetem Verfassungsrecht: A r t . 2 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger stellt alle Staatsbürger, A r t . 7 B - V G alle Bundesbürger vor dem Gesetz gleich. Diese grundrechtlichen Bestimmungen schließen die Ungleichbehandlung von Staatsbürgern u n d Fremden nicht aus. Der Kompetenztatbestand des se» D e r gesamte noch folgende T e x t ist i n EuGRZ 1 (1974) nicht wiedergegeben (vgl. oben A n m . 368). 10 Waldstein
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A r t . 10 Abs. 1 Ζ. 6 B - V G beinhaltet i n dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 27/1969 eingefügten Tatbestandsteil „ m i t Ausschluß von Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen" einen ausdrücklichen Hinweis auf eine solche Ungleichbehandlung. Wenn der Verfassung nach die Bedingungen des Rechtserwerbes u n d -besitzes u n d der Pflichten f ü r Rechtsträger nach der Inländereigenschaft des Subjektes unterschiedliche sind — dies g i l t insbesondere auch f ü r die nicht als Menschenrechte gewährleisteten Grundrechte selbst — so muß für jeden Rechtsträger die Feststellung getroffen werden können, ob er als i n l ä n d i scher Rechtsträger anzusehen ist oder nicht. Rechtsträger, die weder als i n ländische noch als nichtinländische zu qualifizieren sind, k a n n es nicht geben. Diese Notwendigkeit hat bei der juristischen Person i n Rechtsprechung u n d Lehre zur Ausprägung von Merkmalen geführt, die deren Qualifikat i o n als inländische juristische Person oder als nichtinländische ermöglichen (vgl. Ermacora, S. 52 u n d die dort angeführte Judikatur). A u s jüngerer Zeit enthalten die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 5513/1967, welches feststellt, daß sich nach der herrschenden Lehre die Staatsangehörigkeit juristischer Personen nach ihrem Sitz richtet, und Β 176/73 — 1 4 Ausführungen zu dieser Frage. Ob n u n der Noch-Ungeborene ein Mensch ist oder ein von diesem verschiedener Rechtsträger, auch bezüglich seiner Person ist diie Feststellung zu treffen, ob er ein inländischer Rechtsträger ist oder nicht, ob auf seinen Rechtserwerb u n d -besitz u n d seine Pflichten die für den Staatsangehörigen geltenden V o r - (27) Schriften anzuwenden sind oder die für den Nichtstaatsangehörigen. Es erscheint f ü r die Prüfung des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 S t G B auf seine Verfassungsmäßigkeit h i n nicht erforderlich, den Rechtssatz zu finden, nach w e l chem die Zurechnung eines Noch-Ungeborenen hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit zu erfolgen hat. Es genügt die Feststellung, daß eine solche Zurechnungsvorschrift keinesfalls darin bestehen kann, daß jeglicher NochUngeborene als Nichtinländer zu gelten hat, Rechte also n u r unter den für Ausländer geltenden Bedingungen erwerben u n d besitzen u n d nur w i e dieser verpflichtet sein kann. Diese Feststellung genügt, da m i t i h r ausgesagt ist, daß es inländische Noch-Ungeborene jedenfalls auch gibt (Der allfällige Mangel eines eine solche Zurechnungsvorschrift enthaltenden Rechtssatzes ist nicht imstande, den Geltungsbereich des Gleichheitssatzes zu beschränken. Die Lücke wäre durch die Vollziehung i m Wege der Analogie oder Interpretation zu schließen. Für das gegenständliche Prüfungsverfahren ist das aber, w i e gesagt, nur i m Ansatz erforderlich). Wie zum T e i l A 1 dargestellt, ist der Noch-Ungeborene (behaupteterweise) Mensch oder andernfalls ein v o m Menschen verschiedener Rechtsträger. Ist er Mensch u n d ist er auf die dargestellte Weise als Inländer zu qualifizieren, so ist er Subjekt des Grundrechtes auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz als Staatsbürger bzw. Bundesbürger i m Sinne der eingangs angeführten Verfassungsbestimmungen. Ist er hingegen ein v o m Menschen v e r schiedener Rechtsträger, so g i l t f ü r i h n das gleiche, was f ü r die juristische Person gilt, nämlich, daß wie f ü r diese so auch f ü r i h n jene G r u n d - u n d Fredheitsrechte gelten, die nach dem Wesen der Person i n Betracht kommen. Ebenso w i e bei der juristischen Person k o m m t für den Noch-Ungeborenen aber — sofern er inländischer Rechtsträger ist — das Grundrecht auf Gleich-
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heit vor dem Gesetz i n Betracht. Hinsichtlich der juristischen Person ist es einhellige J u d i k a t u r u n d Lehre, daß sie als inländische juristische Person i m Genüsse des Grundrechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz steht. Hinsichtlich des Noch-Ungeborenen k a n n nichts anderes gelten. (28) Es ist also zusammenfassend festzustellen, daß bezüglich jedes Rechtsträgers eine Qualifikation, ob er inländischer oder nichtinländischer Rechtsträger ist, zu treffen ist, u n d daß diese Qualifikation f ü r die Noch-Ungeborenen keinesfalls dahingehend getroffen werden kann, daß ihnen ausnahmslos die Inländereigenschaft aberkannt w i r d . Weiters, daß der Gleichheitssatz zumindest so w i e er für inländische juristische Personen ihrem Wesen nach i n Betracht k o m m t und daher f ü r sie gilt, auch für den inländischen Rechtsträger „Noch-Ungeborener" dessen Wesen nach i n Betracht k o m m t u n d gilt. Es ist daher § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB verfassungswidrig, w e i l er als einfachgesetzliche Regelung den Noch-Ungeborenen bis zum Lebensalter von v o l l endeten drei Monaten unsachlich schlechter stellt, indem er i h n des Schutzes des § 96 StGB entkleidet.
I I I . Entwicklung des individuellen menschlichen Lebens Geht es darum, die Bedeutung des Wortes Mensch i n einem rechtlichen Zusammenhang zu erfassen u n d ist sie nicht nach der Rechtsordnung i n eindeutiger Weise bestimmt u n d daher einer Sinnerfüllung i m Wege der A u s legung zugänglich, so k a n n es nicht bedeutungslos sein, welche Aussage biologisch zu diesem Begriff zu treffen ist. Geht es u m die Frage des Beginnes der menschlichen Existenz, w i r d bei der Auslegung i n gleicher Weise die wissenschaftliche Aussage grundlegende Bedeutung haben. Dies umso mehr, wenn der Zusammenhang, i n dem die Wortbedeutung für die Rechtsordnung ermittelt werden muß, die Entscheidung ist, ab w a n n der Mensch Träger so fundamentaler Rechte w i e des Rechtes auf Leben u n d des Rechtes auf Gleichheit ist. Gerade zur Frage, ab w a n n die individuelle menschliche E x i stenz beginnt, vermag die wissenschaftliche Aussage eine A n t w o r t zu bieten. (29) Die Rechtswissenschaft handelt sachlich, w e n n sie die wissenschaftlich angebotene Aussage, über den Zeitpunkt, ab dem der „Sachverhalt Mensch" gegeben ist, übernimmt. Diese Aussage lautet n u n dahin, daß der Mensch i n seiner Einzigartigkeit i m Augenblick der Verschmelzung von männlicher u n d weiblicher Samenzelle festgelegt ist, u n d daß nach der hiebei festgelegten genetischen I n f o r mation eine schnelle u n d kontinuierliche E n t w i c k l u n g des Lebens vor sich geht. Diese E n t w i c k l u n g kennt als organische keine Sprünge; vor allem k o m m t der Geburt des Menschen f ü r seine Identität keine Bedeutung zu. Diese stellt eine zweifelsohne einschneidende Änderung seiner Lebensbedingungen dar, aber wiederum auch nichts anderes als eine Änderung seiner Umweltbedingungen. So ist also das, was nach der Geburt Mensch ist, auch vor der Geburt Mensch gewesen. Die Einmaligkeit u n d Einzigartigkeit des einheitlichen und geschlossenen Entwicklungsprozesses ab dieser Zellvereinigung n i m m t erst m i t dem Tod des Individuums i h r Ende. Wenn es u m so fundamentale Rechte w i e das Recht auf Leben geht, u n d wenn die Geburt für die I n d i v i d u a l i t ä t des Lebens keine Bedeutung besitzt, so ist i h r i m Zweifel auch nicht für ein solches Recht die rechtsbegründende W i r k u n g zuzuerkennen. F ü r diese einzig adaequat erscheint der Augenblick 10*
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der Zellvereinigung, der i m biologischen Sinn den Menschen entstehen läßt u n d die nachstehend dargestellt kontinuierliche E n t w i c k l u n g nach der N i d a t i o n auslöst. Dieser Zeitpunkt ist fixierbar, wie i m m e r die Last der Schwangerschaft auch durch medizinisch-technische H i l f e n der M u t t e r teilweise oder i n ferner Z u k u n f t möglicherweise weiter abgenommen werden kann. Daran, w i e kontinuierlich die menschliche E n t w i c k l u n g verläuft, soll folgende kurze Darstellung erinnern. M i t der Zellvereinigung entsteht ein neues Lebewesen. Die Befruchtung erfolgt i m Körper der M u t t e r und aus dem zuerst einzelligen K e i m gehen nach fortgesetzten Teilungen alle Zellen des Organismus hervor (Boenig/Bertolini, Leitfaden der Entwicklungsgeschichte des Menschen, 9. Aufl., 1967, S. 3). Die E n t w i c k l u n g der befruchteten Eizelle geht derart schnell vor sich, (30) daß der K e i m schon bis zum Ende des 2. Monats nicht als ein wenig gegliedertes Etwas, sondern als Mensch zu erkennen ist (Ferner, Entwicklungsgeschichte des Menschen, 8. Aufl. 1964, S. 80). Der Gehirnschädel überwiegt bei weitem noch den Gesichtsschädel, die S t i r n ist gewölbt u n d vorspringend, die Augen sind seitlich gerichtet, Nase, Lippe u n d Unterkiefer sind gebildet, w e n n auch der Unterkiefer noch beträchtlich zurücksteht. Der Hals ist i m Sinne eines tiefen Einschnittes zwischen K o p f und Rumpf angedeutet, das Ohr sitzt entsprechend seiner Entwicklung aus der ersten Kiemenfurche i m Gebiet des Halses u n d wandert langsam i n kranialer Richtung. Die Gliedmaßen, die sich inzwischen aus dem R u m p f herausgeschoben haben, weisen bereits alle Abschnitte, Oberarm, Ellbogen, Unterarm, Hand u n d Finger, bzw. die unteren Extremitäten entsprechende Abschnitte auf. I m d r i t t e n Monat zeigt der K e i m l i n g ein beträchtliches Wachstum. Die Augen rücken gegen die Nasenwurzel u n d stellen sich frontal parallel. Die jetzt erfolgende Verklebung der Augenlider bleibt bis zum 7. Monat bestehen. Der Schwanz ist vollständig zurückgebildet, die Afteröffnung bricht durch. Nach Starck, Embryologie, 2. Aufl. 1965, S. 242, ist beim K i n d i m A l t e r von 60 Tagen die Körperform bereits fertig. A m Ende des 3. Mondmonats hat das K i n d schon eine Größe von 9 cm u n d besitzt Augenbrauen. Interessant ist i n diesem Zusammenhang, daß der Verfasser bei der Darstellung der äußeren Körperformen menschlicher Embryonen jeweils v o m „Homo" spricht, Aber nicht n u r die äußere Körperform ist i n 60 Tagen bereits fertig. Auch die Entwicklung der inneren Organe geht außerordentlich rasch vor sich. Nach Boenig/Bertolini, a.a.O., erfolgt die A u f t e i l u n g des gemeinsamen V o r hofteiles ( A t r i u m commune) beim Herzen i n einen rechten u n d l i n k e n Vorhof bereits i n der 3. Keimlingswoche (S. 274). Das Herz des Keimlings beginnt i n der 3. Woche zu schlagen (S. 278). M i t der E n t w i c k l u n g des Herzens entsteht gleichzeitig ein Blutgefäßsystem, das sich aus Venen, A r t e r i e n u n d K a p i l l a r e n zusammensetzt. Es ist bereits i n der 3. Keimlingswoche so gegliedert (S. 279). Die Anlage der M i l z entsteht am Ende des 1. Keimlingsmonats (S. 289). Die Geschlechts- (31) unterschiede sind makroskopisch von der M i t t e des 2. Keimlingsmonats an festzustellen (S. 299). Die Entwicklung der Schilddrüse setzt i n der 3. Keimlingswoche ein (S. 160), die Anlage der Milchdrüse t r i t t i n der 5. Keimlingswoche auf (S. 247). Der A u f b a u von Knochengewebe beginnt i m 2. Keimlingsmonat (S. 250). Diese Beispiele ließen sich noch beliebig fortsetzen. Tatsache ist jedenfalls, daß die Organogenese, die erste Zeit der kindlichen Entwicklung, n u r 12 Wochen dauert u n d sich i m Laufe dieses Zeitraumes die Organe des Kindes bereits ausgebildet haben (Martius, Hebammen-
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Lehrbuch, 2. Aufl. 1971, S. 184 f.). Das K i n d besitzt allerdings noch nicht die Lebenskraft, u m den schützenden Mutterleib zu verlassen. Der früheste Zeitpunkt dazu ist das Ende des 7. Mondmonats, von welchem Zeitpunkt an es extrauterin lebensfähig w i r d (Starck, a.a.O., S. 242). K i n d und damit Mensch ist es aber v o m Anbeginn seiner Entwicklung an. I n einer Denkschrift an mehrere Mitglieder der Bundesregierung und sämtliche Abgeordnete des Nationalrates haben die Vorstände der 4 österreichischen Universitäts-Frauenkliniken und der 5. i n Salzburg geplanten einen allgemeinen Hinweis auf die biologischen u n d embryologischen T a t sachen gegeben u n d erklärt, daß ein Schwangerschaftsabbruch innerhalb der Dreimonatsfrist eine Vernichtung menschlichen Lebens bedeutet. Sie haben ferner darauf verwiesen, daß auch ein legaler Schwangerschaftsabbruch i n dieser Zeit i n keiner Weise harmlos ist. Die Ausführungen dieses Abschnittes ließen sich noch beliebig erweitern. Doch reicht w o h l die gegebene Darstellung aus, u m darzutun, daß dort, wo i n einem rechtlichen Zusammenhang das Wort Mensch von Bedeutung u n d i n seinem I n h a l t von der Rechtsordnung nicht bereits eindeutig bestimmt ist, dieser Begriff i n Übereinstimmung m i t der Entstehungsgeschichte des individuellen Menschen n u r m i t dem I n h a l t erfüllt werden kann, daß hierunter auch das noch-ungeborene menschliche Leben zu (32) verstehen ist. I V . Zusammenfassung Die Salzburger Landesregierung h ä l t aus den angeführten Gründen zusammenfassend den § 97 Abs. 1 Ζ. 1 StGB, der von der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruches eine generelle u n d der freien Bestimmung D r i t ter überlassene Ausnahme vorsieht, f ü r eine i n mehrfacher Hinsicht verfassungswidrige Bestimmung. Sie sieht sich daher zur Wahrung des Lebens u n d der Rechte der Noch-Ungeborenen verpflichtet, die Prüfung u n d die Aufhebung dieser Gesetzesstelle gemäß A r t . 140 B - V G u n d § 62 VerfGG zu beantragen. F ü r die Landesregierung: Der Landeshauptmann: gez. Dr. L e c h η e r e. h.]
ANHANG Β
Äußerung der Bundesregierung vom 21. Mai 1974 370
A. (...) 3. Das Verhältnis der Schwangeren zu ihrer Leibesfrucht ist einzigartig. Das Ei, aus dem sich durch die Befruchtung die Leibesfrucht entwickelt, ist unzweifelhaft ein T e i l des Körpers der (späteren) Schwangeren. Es verbleibt auch i n diesem Körper, u n d die Leibesfrucht hat jedenfalls i n dem f ü r die F L ( = Fristenlösung) i n Betracht kommenden Zeitraum lediglich a m Leben eben dieses Körpers teil. Erst sehr v i e l später ist sie auch außerhalb u n d unabhängig v o m Körper der Schwangeren ohne Zuhilfenahme besonderer ärztlicher u n d technischer Vorkehrungen lebensfähig, u n d auch unter Zuhilfenahme solcher Vorkehrungen ist die Lebensfähigkeit zumindest nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft erst i n einem Zeitpunkt möglich, der nach dem f ü r die F L i n Betracht kommenden Zeitraum liegt. Das zuletzt bezogene einzigartige Verhältnis zwischen der Schwangeren u n d ihrer Leibesfrucht läßt es unter Berücksichtigung der zuvor gegebenen Hinweise auf die strafrechtliche Bewertung des Lebens der Leibesfrucht i m allgemeinen u n d auf die m i t einer Schwangerschaft f ü r die F r a u verbundenen Beeinträchtigungen geboten oder jedenfalls als zulässig erscheinen, den K o n flikt zwischen dem Interesse am Schutz der Leibesfrucht u n d dem Interesse an der A b w e n d u n g dieser Beeinträchtigungen von der i n sie nicht e i n w i l l i genden Schwangeren innerhalb noch zu erörternder Grenzen zugunsten der Schwangeren zu entscheiden. Das bisher geltende Hecht hat eine solche Entscheidung n u r f ü r den F a l l gebilligt, daß es f ü r die Schwangere u m die Abwendung einer zu befürchtenden besonders nachhaltigen Beeinträchtigung i n gesundheitlicher Hinsicht geht. Eine derart ausschließliche Berücksichtigung gesundheitlicher I n t e r essen erscheint jedoch auf G r u n d der heute überwiegend anerkannten gesellschaftlichen Wertvorstellungen nicht mehr ausreichend. Vielmehr sind auch die m i t den zuvor erwähnten Beeinträchtigungen verbundenen Beeinträchtigungen der Lebensqualität i n Betracht zu ziehen. H i n z u kommt, daß die offenkundig mangelnde Effektivität der bisherigen Strafnorm die Gefahr der Ungleichheit vor dem Gesetz u n d der gleichheitswidrigen Behandlung durch das Gesetz bewirkte. (...) 870 Die Äußerung erfolgte entsprechend der Aufforderung durch den V f G H . Der T e x t ist hier so wiedergegeben, w i e er i n EuGRZ 1 (1974) 63—70 m i t Kürzungen abgedruckt ist. Es wären zwar auch manche der ausgelassenen Passagen interessant u n d aufschlußreich, aber n u r die abgedruckten sind m i r veröffentlicht zugänglich.
Äußerung der Bundesregierung
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B. Z u den zeitlichen u n d sonstigen Voraussetzungen der Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs auf G r u n d der Fristenlösung ist noch folgendes zu bemerken: 1. Die unterschiedliche strafrechtliche Beurteilung des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft einerseits u n d nach A b l a u f dieser Frist andererseits trägt der E n t wicklung Rechnung, die die Leibesfrucht während der Schwangerschaft durchmacht. Das menschliche Leben entwickelt sich aus der befruchteten E i zelle, d. h. einer nicht einmal millimetergroßen Substanz von optisch einfacher Struktur, über verschiedene Stadien, die von dem vertrauten B i l d des geborenen Menschen nicht n u r größenordnungsmäßig, sondern auch i m Aussehen w e i t entfernt sind, bis zu Formen, die i n der Größenordnung u n d dem Aussehen bereits dem Neugeborenen gleichkommen. Eine unterschiedslose Behandlung des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der ganzen Dauer der Schwangerschaft w ü r d e v o m Tatobjekt her Ungleiches gleich behandeln. Ebenso w i e das Leben des geborenen Menschen höher gewertet w i r d als das der noch ungeborenen Leibesfrucht, k a n n auch der Wert der noch ungeborenen Leibesfrucht nicht i n jedem Entwicklungsstadium gleich hoch angesetzt werden. 2. Zweck der F L ist die Entscheidung eines zu unterstellenden Konflikts zwischen den Interessen der Schwangeren u n d dem Interesse a m Schutz der Leibesfrucht zugunsten der Schwangeren. U m diesen Zweck zu erreichen, muß die i n dieser Lösung bestimmte Frist so bemessen werden, daß darin folgende Zeiträume angemessene Berücksichtigung finden: Die Zeit bis zum Erkennen des Vorliegens einer Schwangerschaft; die Zeit innerhalb derer sich die Schwangere ihre Entscheidung überlegen kann; schließlich die Zeit, innerhalb derer i m F a l l einer Entscheidung der Schwangeren f ü r den A b bruch die Durchführung des Abbruchs m i t einem A r z t vereinbart u n d der Abbruch selbst vorgenommen werden kann. Rechnet m a n f ü r jeden dieser drei Zeiträume eine angemessene Dauer, so ergibt sich daraus die v o m Gesetz gewählte Dreimonatefrist. Diese Bemessung trägt ersichtlich sachlichen Notwendigkeiten Rechnung. Zugleich w i r d deutlich, daß die ganze Regelung den Schutz der Leibesfrucht zeitlich n u r i n einem Ausmaß zurückstellt, das zu einer Berücksichtigung möglicher K o n f l i k t l a g e n der Schwangeren unerläßlich ist. 3. I n dem Zeitpunkt, den die F L als Zäsur wählt, also am Ende des d r i t t e n Schwangerschaftsmonats, ist die Entwicklung der Leibesfrucht v o m Stadium der extrauterinen Lebensfähigkeit noch w e i t entfernt. Wäre die Leibesfrucht bereits außerhalb des Mutterleibes lebensfähig, so könnte der Umstand, daß sie sich noch innerhalb des Mutterleibes befindet, nicht so gewichtig veranschlagt werden, daß der Abbruch der Entscheidung der Schwangeren überlassen würde, während die Tötung außerhalb des Mutterleibes als Tötung eines Kindes bei der Geburt m i t strenger Strafe bedroht w i r d . Gegenüber der F L scheidet eine solche Überlegung von vornherein aus. ΠΙ. Die F L erklärt bestimmte Handlungen f ü r straffrei. Sie stellt sich m i t h i n als eine Bestimmung dar, durch die der B u n d von seiner Zuständigkeit zur
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Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechtswesens (Art. 10 Abs. 1 Ζ 6 B - V G ) Gebrauch gemacht hat. U m die Verfassungswidrigkeit einer solchen Bestimmung i n der von dem vorliegenden A n t r a g intendierten Richtung darzutun, wäre es erforderlich, eine bundesverfassungsgesetzliche Bestimmung aufzuzeigen, die entweder auch u n d gerade diese nunmehr für straffrei erk l ä r t e n Handlungen ausdrücklich unter Strafe stellt oder eine Verpflichtung enthält, auch u n d gerade diese nunmehr f ü r straffrei erklärten Handlungen unter Strafe zu stellen. Solche Bestimmungen sind dem österreichischen Bundesverfassungsrecht i n anderem Zusammenhang nicht fremd. Als Beispiel f ü r die erste Gruppe wäre etwa § 6 des Gesetzes RGBl. Nr. 87/1862 anzuführen, als Beispiel f ü r die zweite Gruppe A r t . 9 Z. 3 des Staatsvertrags BGBl. Nr. 152/1955. I m vorliegenden F a l l besteht keine derartige Bestimmung; auch der vorliegende Gesetzesprüfungsantrag vermag keine diesbezügliche Behauptung aufzustellen. IV. Z u I I A 1 der Begründung des Antrags A. Der A n t r a g behauptet, die F L widerspreche einem von bestehenden Staatsverträgen unabhängigen bundesverfassungsgesetzlichen G r u n d - u n d F r e i heitsrecht auf Leben. Dieses Recht sei zwar i n dem i n Betracht kommenden Normenbestand nicht ausdrücklich enthalten. Es werde aber i n den ausdrücklich normierten G r u n d - u n d Freiheitsrechten vorausgesetzt, w e i l ohne seine Vorgegebenheit u n d Gewährleistung jegliches G r u n d - und Freiheitsrecht beliebig behoben werden könnte. Auch habe dieses Recht der Bundesgesetzgeber dadurch anerkannt, daß er die zwangsweise Blutabnahme nach § 5 Abs. 6 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, durch eine V e r fassungsbestimmung geregelt habe. Das i n Rede stehende Recht sei auch auf die Leibesfrucht zu beziehen, sei es, w e i l sie durch §22 A B G B als Mensch anerkannt ist, sei es, w e i l sie als Rechtsträger u n d damit zumindest juristische Person alle G r u n d - u n d F r e i heitsrechte besitze, die von i h r ihrem Wesen nach besessen werden können. Durch das G r u n d - u n d Freiheitsrecht auf Gleichheit sei der Gesetzgeber gehalten, unsachliche Differenzierungen zu unterlassen. Beziehe m a n n u n dieses Recht auf das Recht auf Leben, so ergebe sich daraus, daß der einfache Gesetzgeber keine Vorschriften erlassen dürfe, die das Recht auf Leben nicht respektieren, u. zw. nicht n u r keine Vorschriften, die der staatlichen Vollziehungsgewalt keinen w i l l k ü r l i c h e n Eingriff i n dieses Recht ermöglichen, sondern auch keine Vorschriften, die anderen Personen Befugnisse zu solchen Eingriffen einräumen. B. Entgegen der A n n a h m e des Antrages gehört ein v o n bestehenden Staatsverträgen unabhängiges allgemeines G r u n d - u n d Freiheitsrecht auf Leben nicht dem bundesverfassamgsgesetzlichen Rechtsbestand an. Die A b l e i t u n g eines solchen Rechtes aus der Überlegung, daß andernfalls jegliches G r u n d - u n d Freiheitsrecht beliebig behoben werden könnte, ist offensichtlich nicht zwingend. V o r allem aber trägt diese Argumentation
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gerade dort nicht, wo sie nach den Intentionen des vorliegenden Antrags zum Tragen kommen sollte, nämlich bei der Begründung eines die Leibesfrucht schützenden Rechtes auf Leben. Dies, da doch von den von bestehenden Staatsverträgen unabhängigen bundesverfassungsgesetzlichen G r u n d - u n d F r e i heitsrechten, denen das Recht auf Leben angenommenerweise vorgegeben sein soll, für die Leibesfrucht offensichtlich n u r das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums u n d damit mehr oder weniger zusammenhängende Rechte i n Betracht kommen. Diese Rechte aber sind insoweit (vgl. insbesondere A r t . 5 StGG) n u r unter einem Gesetzesvorbehalt gewährleistet, können daher unmöglich ein vorbehaltloses Grundrecht zur Voraussetzung haben. A l l dies g i l t sinngemäß auch f ü r den Hinweis des Antrags auf § 5 Abs. 6 StVO. Der Bericht des Handelsausschusses (240 Big. NR I X . GP S. 3 f.) bem e r k t allerdings, daß die Vereinbarkeit der zwangsweisen Abnahme von B l u t zum Zweck der Alkoholprobe m i t der geltenden Verfassungsrechtsordnung „schon deshalb" fraglich sei, „ w e i l sie einen zwangsweisen Eingriff i n die körperliche Integrität darstellt, der i n der österreichischen Rechtsordnung nach dem Stand der Gesetzgebung i m Z e i t p u n k t des erstmaligen I n krafttretens des Bundesverfassungsgesetzes am 10. November 1920 nicht v o r gesehen w a r " . . . . Der Bericht enthält sich aber i n diesem Zusammenhang j e des Hinweises auf ausdrückliche bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen, die dazumal i n Umschreibung eines gedachten Grundrechts auf Freiheit von zwangsweisen staatlichen Eingriffen i n die körperliche Integrität einer diesbezüglichen einfachgesetzlichen Regelung entgegengestanden sein sollten. Davon abgesehen, findet sich bemerkenswerterweise auch k e i n Hinweis auf A r t . 2 M R K . Vielmehr erschöpfen sich die einschlägigen Ausführungen des Berichts i n dem zuvor wiedergegebenen Satz und schließen sich u n m i t telbar daran sehr viel eingehendere Ausführungen, i n denen die Vereinbarkeit des Eingriffs m i t dem Grundsatz des Anklageprozesses (Art. 90 Abs. 2 B - V G ) i n Zweifel gezogen u n d also die Notwendigkeit einer Verfassungsbestimmung auch daher begründet w i r d . Schließlich ist darauf zu verweisen, daß aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber sich entschließt, einen Gesetzesbeschluß als Verfassungsbestimmung zu kennzeichnen, keineswegs der Schluß gezogen werden kann, daß der Gesetzesbeschluß ohne diese K e n n zeichnung inhaltlich verfassungswidrig sein muß. Auch alle weitergehenden Schlüsse f ü r die Regelung anderer Gesetzesmaterien sind nicht gerechtfertigt. I m übrigen vermag sich der A n t r a g i n seiner Argumentation n u r auf Adamovich, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechtes 6, S. 521 f., zu berufen, der das Recht auf Leben aus A r t . 8 StGG, der das Recht auf Freiheit garantiert, herleitet. Selbst w e n n diese Überlegung zutreffen sollte, könnte es sich bei einem aus A r t . 8 StGG abgeleiteten Grundrecht jedenfalls nicht u m ein solches Recht handeln, daß (sie!) die staatliche Gesetzgebung zu einer bestimmten Gestaltung der Rechtsordnung i n bezug auf das Verhalten der Rechtsgenossen untereinander verpflichtet; vielmehr k ö n n te sich ein solches Grundrecht n u r i m S i n n einer Beschränkung hoheitlicher Eingriffe i n das betreffende Rechtsgut auswirken. I m übrigen sei i n diesem Zusammenhang bemerkt, daß das w o h l umfassendste W e r k über den Grundrechtsschutz i n Österreich, Ermacora's H a n d buch der Grundfreiheiten und Menschenrechte, ein Grundrecht auf Leben nicht kennt. (Vgl. aber dort 207!) Soweit der A n t r a g sich zur Stützung seiner Behauptung, die F L w i d e r spreche einem angenommenen von bestehenden Staatsverträgen unabhängi-
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gen Grund- u n d Freiheitsrecht auf Leben, auf das G r u n d - u n d Freiheitsrecht auf Gleichheit beruft, ist i h m entgegenzuhalten, daß die Straffreistell u n g der durch die F L erfaßten Handlungen i m Verhältnis zu den unter Strafe gestellten Schwangerschaftsabbrüchen eine sachlich begründete D i f ferenzierung darstellt. Z u r Erhärtung dieser Auffassung w i r d auf die diesbezüglichen Ausführungen unter P u n k t 2 hingewiesen. V. Z u I I A 2 a der Begründung des Antrags A. Der A n t r a g behauptet, die F L widerspreche dem durch A r t . 2 M R K gewährleisteten Recht auf Leben. Diese Bestimmung umschreibe eine V e r pflichtung der Vertragsstaaten, das Recht auf Leben der ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen gesetzlich zu schützen. Der Schutz müsse so beschaffen sein, daß jede Verletzung des Lebens auf die wirksamste Weise verhindert werde. Eine notwendige u n d unersetzliche F o r m des Schutzes bilde das Strafgesetz. Darüber, ob der staatliche Schutz bereits gegenüber der Leibesfrucht einzusetzen habe, gebe zwar die Entstehungsgeschichte der Bestimmung keinen Aufschluß. Ebenso habe sich die Europäische Menschenrechtskommission darüber bisher nicht k l a r ausgesprochen. I n der L i t e r a t u r werde überwiegend der Standpunkt vertreten, daß sich der Schutz auch auf die Leibesfrucht erstrecke. Schließlich sei „ i m Zeitpunkt der Konvent i o n " der Schutz des Lebens der menschlichen Leibesfrucht i n den Vertragsstaaten n u r durch Indikationsvorschriften, nirgends aber durch eine Fristsetzung eingeschränkt gewesen. B. Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten: I. A r t . 2 M R K verpflichtet die Staaten lediglich dazu, d>as Recht auf Leben gegenüber Eingriffen staatlicher Organe zu schützen. F ü r diese Auslegung sprechen folgende Überlegungen: 1. A r t . 2 M R K stellt sich seiner textlichen Gestaltung nach als eine E i n heit dar. Z u r Auslegung der Bestimmung des Abs. 1 erster Satz über den gesetzlichen Schutz des Rechtes jedes Menschen auf das Leben sind daher die Bestimmungen des Abs. 1 zweiter Satz u n d des Abs. 2 heranzuziehen. Abs. 1 zweiter Satz stellt ein Tötungsverbot auf, das sich nach dem W o r t laut des verbindlichen englischen und französischen Textes eindeutig nur auf Tötungen durch staatliche Organe beziehen k a n n (Partsch, Die Rechte u n d Freiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention, i n : Bettermann ! Neumann/Nipper dey, Die Grundrechte 1/1 — 1966 — S. 337). V o n dem i m Abs. 2 genannten Eingriffen können die Fälle der Buchstaben b u n d c n u r bei Eingriffen durch staatliche Organe vorkommen (Partsch, a.a.O). Überzeugend erscheinen i n diesem Zusammenhang die Gedankengänge von Bockelmann, Menschenrechtskonvention u n d Notwehrrecht, i n : Festschrift für K a r l Engisch (1969) S. 463.
(...) 2. A r t . 13 M R K erweckt zwar i n seiner deutschen Fassung den Eindruck, als ob eine Auslegung, die A r t . 2 lediglich auf die Tätigkeit staatlicher Or-
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gane bezieht, zu eng wäre. Dies deshalb, w e i l nach dieser Fassung der V e r letzte das Beschwerderecht haben soll, „selbst w e n n die Verletzung von Personen begangen worden ist, die i n amtlicher Eigenschaft gehandelt haben". Der verbindliche englische u n d französische Text zeigt jedoch, daß die V e r tragsstaaten durch A r t . 13 M R K lediglich daran gehindert werden, die i n den vorangegangenen A r t i k e l n aufgestellten Verbote gegen Eingriffe i n Menschenrechte und Grundfreiheiten dadurch wirkungslos zu machen, daß sie die staatlichen Organe, die diesen Verboten zuwiderhandeln, der gerichtlichen Verfolgung entziehen. Vgl. i n diesem Sinn auch Buergenthal, V e r gleich der Rechtssprechung der nationalen Gerichte m i t der Rechtssprechung der Konventionsorgane, i n Menschenrechte i m Staatsrecht u n d i m V ö l k e r recht, Karlsruhe 1967, S. 178. A r t . 13 M R K liefert somit keine Widerlegung, sondern eine Bestätigung der These, daß die Konvention n u r das Verhältnis zwischen der staatlichen Gewalt und dem Einzelnen betrifft, nicht aber das Verhalten der Rechtsgenossen untereinander (Bockelmann a.a.O. S. 466). 3. Der i n Rede stehende Standpunkt ist von der Bundesregierung und dem Bundestagsausschuß f ü r Auswärtige Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland bereits bei der Erlassung des die M R K betreffenden Gesetzes vom 7. August 1952, BGBl. I I S. 685 und 953, vertreten worden (Drucksache Nr. 3338 des Bundestags I. Wahlperiode, bezogen i m Gutachten des Bundesministeriums für Justiz der BRD, Anhang Nr. 26 zu den Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 2. Band — 1958 — S. 81). Z u dem gleichen Ergebnis k o m m t Guradze. Die Europäische Menschenrechtskonvention, B e r l i n und F r a n k f u r t a. M. 1968, S. 22. Auch der schweizerische Bundesrat hat i n seinem Bericht an die Bundesversammlung vom 9. Dezember 1968 über die Europäische Menschenrechtskonvention diesen Standpunkt vertreten (vgl. BB1. 1968 I I 1057, S. 26). A n diesem Standpunkt w i r d i n der aus jüngster Zeit stammenden Botschaft des schweizerischen Bundesrates an die Bundesversammlung v o m 4. März 1974 nicht gerührt. 4. Die Entstehungsgeschichte zeigt, daß der Sachverständigenausschuß des Ministerkomitees des Europarates bei der Abfassung des A r t . 2 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 M R K auf die Arbeiten i n der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen zurückgegriffen hat. I n dieser Kommission aber h a t ten sich die Vertreter jener Staaten durchgesetzt, die dafür eingetreten waren, die Garantie des Rechts auf das Leben auf einen Schutz gegen hoheitliche Eingriffe zu beschränken; zu diesen Staaten zählten u. a. das V e r einigte Königreich u n d Frankreich (Partsch a.a.O. S. 335). Abs. 1 erster Satz M R K sollte zunächst dem übrigen I n h a l t des A r t . 2 als eigener Absatz vorangestellt werden. Erst der Unterausschuß des Ministerrates hat i h n m i t dem nunmehrigen zweiten Satz zu einem einzigen Absatz zusammengezogen (Partsch a.a.O. S. 335 f.). Diese Zusammenziehung läßt darauf schließen, daß dem nunmehrigen ersten Satz des Abs. 1 keine Bedeutung zukommen sollte, die über die des zweiten Satzes u n d des Abs. 2 hinausgeht, daher insbesondere auch nicht die Bedeutung einer Verpflichtung der Vertragsstaaten zum Schutz des Lebens gegen andere als hoheitliche Eingriffe. 5. Wäre die Auffassung richtig, daß auf G r u n d des A r t . 2 M R K die Staaten auch zum Schutz des Rechtes auf Leben gegenüber von Eingriffen durch Rechtsgenossen i n dem dort festgelegten Umfang verpflichtet sind, dann wären die i n praktisch allen Staaten der M R K geltenden Regelungen über
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die Notwehr m i t der M R K unvereinbar. Lediglich M a l t a hat sich durch einen Vorbehalt zu A r t . 2 M R K gegen eine solche Auslegung abgesichert. Der Wortlaut des A r t . 2 Abs. 2 M R K sieht i n seiner l i t . a die Möglichkeit einer Notwehr durch Tötung des Angreifers nämlich n u r i m Falle von A n griffen auf die körperliche Integrität einer Person vor, nicht aber auch so wie § 2 des Strafgesetzes 1852, § 3 des Strafgesetzbuches v o m 23. Jänner 1974 u n d die Strafgesetze fast aller Staaten der Welt auch i m Falle ungerechtfertigter Angriffe auf die Freiheit oder das Vermögen. Eine solche Auffassung wäre unzulässig. Die M R K ist, w i e i m letzten Absatz ihrer Präambel k l a r u n d deutlich zum Ausdruck gebracht w i r d , ein Produkt des gemeinsamen Erbes der europäischen Staaten. Es ist daher m i t Recht davon auszugehen, daß die M R K keine revolutionären Neuregelungen oder Umwälzungen bringen w o l l te. Sie wollte lediglich die den europäischen Rechtsordnungen immanenten Freiheiten u n d Grundrechte bekräftigen u n d als Mindeststandard einer demokratischen Rechtsordnung einer internationalen K o n t r o l l e unterstellen. Es darf diesbezüglich insbesondere auf Scheuner, die Grundrechte der M R K , i n der Festschrift für H. Jahrreis, K ö l n 1964, Seite 355 ff. u n d auf die sehr treffende Bemerkung Golsong's während des zweiten internationalen K o l loquiums über die M R K verwiesen werden, wonach „die Konvention nicht darauf angelegt ist, an die Stelle hergebrachter Rechtsgrundsätze etwas v ö l l i g Neues zu setzen" (vgl. Menschenrechte i m Staatsrecht u n d i m V ö l k e r recht, Karlsruhe 1967, Seite 239). Der Zweck eines völkerrechtlichen V e r trages hat aber f ü r seine Auslegung entscheidende Bedeutung (vgl. Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, K ö l n 1963, Seite 93). E i n völkerrechtlicher Vertrag ist, soweit dies sein W o r t l a u t zuläßt, stets so auszulegen, daß der damit verfolgte Zweck erreicht w i r d . Die Auslegung der M R K w i r d sich daher stets auch an den i n den M i t gliedsstaaten geltenden Rechtsordnungen orientieren müssen. Es darf diesbezüglich auf Khol, Das Sachurteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, v o m 23. J u l i 1968, i n den belgischen Sprachenfällen, i n der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht, Band 30 (1970), Seite 279 ff. u n d die dort zitierte L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung, insbesondere auch der Europäischen Menschenrechtskommission u n d des Europäischen Gerichtshofes f ü r Menschenrechte verwiesen werden. Eine Auslegung der M R K , die grundlegende Rechtssituationen w i e die Notwehr i n praktisch allen Mitgliedsstaaten der M R K i n Frage stellen würde, ist daher unzulässig. I n diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß die strafrechtliche Behandlung des Schwangerschaftsabbruchs sowohl zur Zeit der E n t stehung der M R K als auch zur Zeit ihrer Ratifikation i n allen Vertragsstaaten ein wichtiges u n d umstrittenes Problem bildete, wobei die E n t w i c k l u n g i n der Richtung einer i m m e r weitergehenden Lockerung der Strafbestimmungen ging (vgl. Fleisch, Die Regelung des Abtreibungsproblems i n den Strafgesetzen der Gegenwart, ÖJZ 1955 S. 584). Bei der Ausarbeitung der Konvention ist gerade dieses Problem offenbar überhaupt nicht erörtert worden. U m so weniger k a n n angenommen werden, die Vertragsstaaten hätten sich i n diesem P u n k t irgendwelche Beschränkungen auferlegen w o l len (Guradze, Die Europäische Menschenrechtskonvention — 1968 — S. 47). Entgegen der diesbezüglichen Behauptung i n der Begründung des Antrags t r i f f t es nicht zu, daß „ i m Zeitpunkt der Konvention" der Schutz des L e -
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bens der menschlichen Leibesfrucht n u r durch Indikationsvorschriften eingeschränkt gewesen sei. Vielmehr hatte bereits damals das dänische Schwangerschaftsgesetz v o m 18. M a i 1937, Nr. 163, die Schwangere f ü r straflos erklärt, w e n n der Abbruch von einem approbierten A r z t vorgenommen worden ist; dies auch dann, wenn die Schwangere wußte, daß k e i n gesetzlich anerkannter Grund zur Abtreibung vorlag (Fleisch a.a.O. S. 587). Was Österreich betrifft, so hatte sich i n dem der Ratifikation vorangehenden Jahr 1957 ein M i t g l i e d der Strafrechtskommission, nämlich R A Dr. Skrein, dafür ausgesprochen, die Bestimmungen über den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzentwurf zu streichen; er w a r bei der A b s t i m mung über seinen diesbezüglichen A n t r a g v o m Abg. z. NR Mark unterstützt worden (Prot. S. 466 ff., 564 f., 573 f.). Auch i m Zuge des Ratifikationsverfahrens ist von keiner Seite geltend gemacht worden, daß A r t . 2 M R K Österreich zu einer bestimmten Gestaltung der strafrechtlichen Behandlung des Schwangerschaftsabbruchs zwinge. Daß A r t . 2 M R K nicht i m Sinn eines Verbotes der F L verstanden werden darf, zeigt schließlich auch die A r t u n d Weise, i n der andere Vertragsstaaten seit der Ratifikation von ihrem rechtspolitischen Ermessen zur Gestaltung des strafrechtlichen Lebensschutzes Gebrauch gemacht haben. So hat bekanntlich Dänemark, das die Konvention a m 13. A p r i l 1953 ratifiziert hat, m i t 1. Oktober 1973 sein Straf recht i m Sinn einer F L geändert; ebenso sieht i n Schweden, das die K o n v e n t i o n am 4. Februar 1952 ratifiziert hat, eine Regierungsvorlage vom 8. März 1974 eine F L vor. Besondere Beachtung verdient, daß i n der Schweiz, die eine Ratifikation der M R K unmittelbar vorbereitet, u n d daß i n Frankreich, das die M R K vor wenigen Tagen ratifiziert hat, Bestrebungen i m Gange sind, den Schwangerschaftsabbruch wesentlich zu erleichtern (vgl. den Hinweis i n dem v o m Europarat herausgegebenen B u l l e t i n sur les échanges d'information entre les Etats membres sur leurs activités législatives, 1972, S. 107, sowie die i n der französischen Nationalversammlung am 12. A p r i l u n d 11. M a i 1973 eingebrach ten Gesetzes vorlagen). Auch auf die diesbezügliche jüngste E n t w i c k l u n g i n der B R D darf hingewiesen werden (vgl. das B u l l e t i n des Presse- u n d Informationsamtes der B R D v o m 30. A p r i l 1974). I I . Auch unter der Annahme, daß A r t . 2 M R K die Staaten verpflichtete, das Recht auf Leben gegenüber Eingriffen der Rechtsgenossenen untereinander zu schützen, würde die F L einer solchen Verpflichtung nicht w i d e r sprechen, w e i l die i n Rede stehende Verpflichtung nicht auf den Schutz der Leibesfrucht zu beziehen wäre. 1. A r t . 2 Abs. 1 erster Satz M R K spricht v o m Recht jedes „Menschen" auf das Leben. Unter einem Menschen w i r d aber sowohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als auch nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers i m allgemeinen nicht auch die menschliche Leibesfrucht verstanden. Auch i m §22 A B G B , der von der Rechtsstellung der „ungeborenen K i n der" handelt, k o m m t das W o r t „Mensch" nicht vor. Die einleitenden Worte dieser Gesetzesstelle: „Selbst ungeborene K i n d e r . . . " zeigen, daß sich die Verleihung einer der menschlichen Person ähnlichen, beschränkten Rechtsfähigkeit an die menschliche Leibesfrucht ungeachtet der i m § 16 A B G B vorgenommenen E r k l ä r u n g jedes Menschen zur Person nicht von selbst v e r steht. Wolff i n K l a n g 2 1/1 S. 155 kommentiert denn auch diese Vorschrift
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zutreffend dahin, daß der Gezeugte aufhöre, Leibesfrucht zu sein, sobald er beginne, Mensch zu sein. Auch aus dem verbindlichen englischen u n d französischen Text des A r t . 2 Abs. 1 erster Satz M R K ergibt sich, daß die Konvention n u r die (fertige) menschliche Person u n d nicht auch die Leibesfrucht schützt (Gutachten des Bundesminiisteriums f ü r Justiz der B R D S. 82). I I I . Auch unter der Annahme, daß A r t . 2 M R K die Staaten verpflichte, das Recht auf Leben gegenüber Eingriffen der Rechtsgenossen untereinander auch i n bezug auf die Leibesfrucht zu schützen, würde die F L einer solchen Verpflichtung nicht widersprechen, w e i l die i n Rede stehende Verpflichtung lediglich eine solche grundsätzlicher A r t u n d ihre E r f ü l l u n g i m einzelnen daher weitgehend dem rechtspolitischen Ermessen der Vertragstaaten überlassen bliebe. F ü r diese Auslegung sprechen folgende Überlegungen: 1. A r t . 2 Abs. 1 erster Satz M R K enthält seinem W o r t l a u t nach lediglich einen allgemeinen Grundsatz, der gebietet, das Recht auf das Leben zu schützen. Irgendwelche Angaben darüber, w i e dies i m einzelnen zu geschehen hat, fehlen (Partsch a.a.O. S. 334). Was man aus dieser Bestimmung herleiten kann, ist allenfalls eine Verpflichtung der Staaten, Gesetze zu erlassen, u m d e n Einzelnen davor zu schützen, daß sein Leben durch andere Rechtsgenossen gefährdet w i r d . Nicht aber k a n n diese Bestimmung so verstanden werden, als ob sie die staatliche Strafrechtsgesetzgebung dazu verpflichtet hätte, die Grenzen der Strafbarkeit durch die Gestaltung der T a t bestände, Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs-, Entschuldigungs- und Strafausschließungsgründe enger oder weiter zu ziehen (vgl. Partsch a.a.O. S. 336 f.). Besonders erwähnenswert erscheint i n diesem Zusammenhang auch der Umstand, daß i n der Bundesrepublik Deutschland i m Zuge der Diskussion u m eine Reform des Abtreibungsverbotes unter Hinweis auf die dem A r t . 2 Abs. 1 M R K fast wörtlich entsprechende Bestimmung des A r t . 2 Abs. 2 des Bonner Grundgesetzes über den Schutz des Lebens überwiegend die A u f fassung vertreten w i r d , daß nach der zitierten Bestimmung des Grundgesetzes keine Verpflichtung des Staates besteht, das ungeborene Leben speziell m i t den M i t t e l n des Strafrechtes zu schützen. Roman Herzog (Der Verfassungsauftrag zum Schutz des ungeborenen L e bens, i n Juristische Rundschau 1969, S. 444 f.) erklärt es f ü r einen verfassungsrechtlichen Kurzschluß aus der staatlichen Pflicht zum Schutz des menschlichen Lebens v o m Augenblick der Zellvereinigung schließen zu w o l len, daß der Staat dieser Pflicht überhaupt oder auch n u r vorrangig durch strafrechtliche Normen nachkommen müsse. Nach der Ansicht von Hans Heinz Heldmann (Plädoyer f ü r die Abschaffung des § 218 i n ZRP 1971, S. 209) fehlen die Voraussetzungen einer Pönalisierung des Schwangerschaftsabbruches. Gerd Roellecke (Grundrecht u n d Abtreibungsverbot, i n Jürgen Baumann, Das Abtreibungsverbot des §218, Sammlung Luchterhand Nr. 62, B e r l i n 1971, S. 42) verneint ebenfalls eine Pflicht des Gesetzgebers, Schwangerschaftsabbrüche strafrechtlich zu ahnden, selbst w e n n die Leibesfrucht grundsätzlich geschützt u n d der Schwangerschaftsabbruch grundrechtswidrig wäre. Der demokratische Staat sei v e r pflichtet, die Menschenwürde, Ehe und Familie und einiges mehr zu schützen. Ob er diese Pflicht m i t den M i t t e l n des Strafrechtes oder auf andere
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Weise erfülle, sei eine Frage der politischen Zweckmäßigkeit u n d keine V e r fassungsfrage. Hans Joachim Rudolphi (Straftaten gegen das werdende Leben, i n Zeitschrift f ü r die gesamte Strafrechtswissenschaft, Band 83, 1971, S. 114 f.) betont, daß der Einsatz von Strafdrohungen n u r das letzte M i t t e l sein müsse, u m sozialschädliches Verhalten zu verhindern. Der moderne Staat habe n ä m lich vielfältige Möglichkeiten, seine Schutzaufgabe ohne Zwangsgewalt zu verwirklichen. Insbesondere müßten die vom Gesetzgeber erlassenen Strafdrohungen sich als angemessenes M i t t e l zur Verbrechensbekämpfung erweisen. Daraus folge, daß die zu erlassende Strafdrohung geeignet sein müsse, zukünftige Rechtsgüter Verletzungen zu verhindern. Die Ablehnung einer Verpflichtung des Staates, das ungeborene Leben strafrechtlich zu schützen, findet sich auch bei Hans Werner Lay (Zum Begriff der Leibesfrucht, i n § 218 StGB, i n JZ 1970, S. 465) u n d bei Hans Lüttger (Der Beginn des Lebens u n d das Straf recht, i n JR 1969, S. 448). Jürgen Baumann (Noch einmal zur ethischen Indikation, i n FamRZ 1963, S. 226) weist i m übrigen darauf hin, daß es selbst wenn das Grundgesetz möglichst umfangreichen strafrechtlichen Lebensschutz gebieten sollte, dem Strafgesetzgeber überlassen bleibe, zu bedenken, w i e dieser Schutz am w i r k samsten erzielt werden könnte; nicht immer sei die härteste Strafandrohung oder der weiteste u n d weitestgehende Tatbestand der beste Schutz. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (Stellungnahme des Zentralkomitees der deutschen K a t h o l i k e n zur geplanten Änderung des § 218 StGB i n FamRZ 1973, S. 190) hat die Auffassung bekräftigt, daß „das werdende Leben eines w e i t umfassenderen Schutzes bedarf als i h n das Strafrecht allein gewähren kann". 2. Die Entstehungsgeschichte zeigt, daß die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen ursprünglich beabsichtigt hatte, das Recht auf Leben nicht n u r gegen Eingriffe öffentlicher Organe zu schützen, sondern auch gegen Eingriffe der Rechtsgenossen untereinander. Dementsprechend hatte der Redaktionsausschuß vorgeschlagen, i m Zusammenhang m i t einem solchen Recht auch alle insoweit denkbaren zulässigen Eingriffe aufzuzählen (Partsch a.a.O. S. 334 f.). Wie bereits oben unter I 4 erwähnt, sind diese beiden V o r schläge jedoch nicht weiter verfolgt worden. Es k a n n n u n unmöglich angenommen werden, daß dieselben Staaten, die sich dafür eingesetzt haben, das Tötungsverbot auf Eingriffe hoheitlicher Organe zu beschränken, sich durch A r t . 2 Abs. 1 erster Satz M R K eine diesbezügliche uneingeschränkte V e r pflichtung auferlegen wollten, d. h. unter anderem eine Verpflichtung, die nicht einmal die v o m Redaktionsausschuß der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vorgeschlagenen Einschränkungen enthalten hätte. Vielmehr könnte diese beabsichtigte Verpflichtung lediglich eine solche ganz allgemeiner A r t gewesen sein. Daß i h r auch durch eine Gesetzgebung entsprochen w i r d , i n der der Schutz der Leibesfrucht i n dem durch die §§ 96 bis 98 StGB gegebenen Umfang gewährleistet w i r d , liegt auf der Hand.
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Anhang VI. Z u I I A 2b der Begründung des Antrages A.
Der A n t r a g behauptet, die F L widerspreche einer i n A r t . 63 Abs. 1 des Staatsvertrages von Saint Germain ( = StV) i n Verbindung m i t A r t . 149 Abs. 1 B - V G als einer bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmung angenommenen Verpflichtung zur Gewährung des vollen u n d ganzen Schutzes von Leben. B. Dieser Behauptung ist folgendes entgegenzuhalten: 1. A r t . 63 Abs. 1 StV ist zunächst nicht i m Sinn einer Verpflichtung zum Schutz des Lebens, sondern i m Sinn einer Verpflichtung zur Gleichbehandl u n g aller Einwohner i n bezug auf einen solchen Schutz zu verstehen, n ä m lich ziur Gleichbehandlung „ohne Unterschied der Geburt, Staatsangehörigkeit, Sprache, Rasse u n d Religion". Da i m Rahmen der F L keinem dieser Umstände rechtliche Bedeutung zugesprochen w i r d , k a n n ein Verstoß der F L gegen A r t . 63 Abs. 1 StV insoweit nicht i n Betracht gezogen werden. 2. Soweit A r t . 63 Abs. 1 StV eine Verpflichtung zum Schutz des Lebens enthält, besteht diese Verpflichtung n u r i n bezug auf bereits geborene Menschen. F ü r diese Auslegung sprechen folgende Überlegungen: a) Die Verpflichtung des A r t . 63 Abs. 1 StV besteht i n bezug auf alle „ E i n wohner" Österreichs. Z u den Einwohnern eines Landes werden nach dem allgemeinen ebenso w i e nach dem wissenschaftlichen, insbesondere statistischen Sprachgebrauch n u r bereits geborene Menschen gezählt. b) I n den A r t . 63 ff. StV werden die „Einwohner Österreichs" u n d die „österreichischen Staatsangehörigen" gegenübergestellt. Hinsichtlich der österreichischen Staatsangehörigkeit bestimmt A r t . 65, daß sie grundsätzlich durch die Geburt auf österreichischem Staatsgebiet erworben w i r d , soweit die Person nicht vermöge ihrer Geburt eine andere Staatsangehörigkeit geltend machen kann. Die Eigenschaft, Staatsangehöriger zu sein, k a n n danach erst einem bereits geborenen Menschen zukommen. Diese Vorstellung erhärtet die Annahme, daß der StV auch m i t dem weiteren Begriff der „Einwohner" nur bereits geborene Menschen erfassen sollte. 3. Auch unter der Annahme, daß A r t . 63 Abs. 1 StV Österreich auch zu einem Schutz des Lebens der Leibesfrucht verpflichtete, würde die F L einer solchen Verpflichtung nicht widersprechen. Die Verpflichtung „vollen u n d ganzen Schutz auf Leben" zu gewähren, k a n n i n einem dem „Schutz der Minderheiten" (Überschrift vor den A r t . 62 ff. StV) dienenden Staatsvertragsteil sinnvollerweise n u r folgendermaßen gedeutet werden: Österreich dürfte keiner seiner Einwohnerinnen wegen ihrer Staatsangehörigkeit usw. einen Schwangerschaftsabbruch aufzwingen oder i h r Leben9bedingungen auf zwingen, die die Leibesfrucht schädigen; ebenso dürfte Österreich nicht dulden, daß derartiges durch andere Personen geschieht (vgl. hiezu insbesondere die Strafbestimmungen gegen Völkermord, § 321 StGB). Nicht aber k a n n aus der i n Rede stehenden Bestimmung eine
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Verpflichtung abgeleitet werden, die Leibesfrucht gegenüber der Schwangeren selbst zu schützen; jedenfalls nicht i n einem weiteren Umfang, als dies durch die §§ 96 bis 98 StGB ohnehin geschieht. VII. Z u I I Β der Begründung des Antrages (Gleichheit) A. Der A n t r a g behauptet, die F L widerspreche dem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz, w i e es bundesverfassungsgesetzlich m i t t e l b a r i m demokratischen Prinzip (Art. 1 B - V G ) u n d unmittelbar i n A r t . 7 B - V G , A r t . 2 StGG, A r t . 63 u n d 66 f. des Staatsvertrages von Saint Germain sowie A r t . 14 M R K geschützt ist. Der Widerspruch sei dadurch gegeben, daß die Leibesfrucht bis zum Ende des dritten Schwangerschaftsmonats rechtlich schlechter gestellt werde als ab diesem Zeitpunkt, ohne daß ein sachlicher G r u n d f ü r eine solche Differenzierung gegeben sei. B. Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten: 1. E i n Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz besteht bundesverfassungsgesetzlich n u r i n bezug auf bereits geborene Menschen. F ü r diese Auffassung sprechen folgende Überlegungen: a) Soweit die das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz normierenden bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmungen auf die Gleichheit aller Staatsbürger abstellen (so ausdrücklich A r t . 7 B - V G , A r t . 2 StGG), ist darauf hinzuweisen, daß das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht n u r eine Staatsbürgerschaft bereits geborener Menschen kennt (vgl. insbesondere die §§ 6 u n d 7 S t b G 1965, BGBl. Nr. 250). b) Hinsichtlich A r t . 63 Abs. 1 StV ist auf die Ausführungen unter P u n k t 6 I I hinzuweisen. 2. Auch unter der Annahme, daß ein Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz bundesverfassungsgesetzlich auch i n bezug auf die menschliche L e i besfrucht bestünde, w ü r d e die F L diesem Grundrecht nicht widersprechen. Dies deshalb, w e i l die durch die F L geschaffene Differenzierung keine w i l l kürliche, sondern eine sachlich gerechtfertigte ist. Hiezu w i r d auf die Ausführungen unter P u n k t 2 hingewiesen. vin. Z u I I Β der Begründung des Antrages (Familienleben) A. Der A n t r a g behauptet, die F L widerspreche dem Grundrecht auf Achtung des Familienlebens, w i e es i m A r t . 8 M R K bundesverfassungsgesetzlich geschützt sei. Der Widerspruch sei dadurch gegeben, daß die F L den Abbruch der Schwangerschaft einer Ehefrau ohne den W i l l e n des Ehemannes zulasse. 11 Waldsteih
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Hiedurch werde der Ehemann u m die Möglichkeit gebracht, zu ehelicher Nachkommenschaft zu gelangen; er werde auch gegenüber der Ehefrau v ö l l i g gleichgestellt (sie! I m A n t r a g heißt es jedoch: „ v ö l l i g ungleich gestellt", S. 25). B. Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten: Wie Abs. 2 des A r t . 8 M R K zeigt, soll dieser A r t i k e l ausschließlich vor E i n griffen des Staates schützen (Guradze a.a.O. S. 22, 118). Nicht dagegen w e r den dadurch die Vertragsstaaten verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch deshalb unter Strafe zu stellen, w e i l er von einer schwangeren Ehefrau gegen den W i l l e n des Ehemannes herbeigeführt w i r d . I m übrigen handelt es sich auch hier u m einen F a l l der Interessenabwägung zwischen dem Recht der M u t t e r auf eigene Entscheidung (in ihrer Konfliktsituation) u n d dem Interesse des Mannes an der Nachkommenschaft. IX. Abschließend möchte die Bundesregierung noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen, der i n dem vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag nicht entsprechend berücksichtigt worden ist. Wie bereits oben unter I I A herausgestellt, ist das Verhältnis der Schwangeren zu ihrer Leibesfrucht einzigartig. I m Hinblick auf dieses einzigartige Verhältnis müssen die Rechte der Leibesfrucht stets i n Relation zu den Rechten der Schwangeren gesehen werden. N i m m t m a n m i t dem vorliegenden A n t r a g für die Rechte der Leibesfrucht Verfassungsrang i n Anspruch, so darf man nicht übersehen, daß auch der Schwangeren selbst Rechte zukommen, deren Verfassungsrang unbestritten ist. M a n müßte sich also i n diesem F a l l m i t dem Problem der Interdependenz von Grundrechten auseinandersetzen. Der Gesetzesprüfungsantrag geht davon aus, daß die Leibesfrucht ein verfassungsgesetzlich geschütztes Recht auf Leben i n Anspruch nehmen kann. Unbestrittenermaßen kann aber auch die Schwangere ein solches Recht auf Leben i n Anspruch nehmen, wobei dieses Recht nach der Auffassung der Europäischen Menschenrechtskommission ganz allgemein das Recht auf k ö r perliche Integrität i n sich schließt. Daneben k o m m t der Schwangeren aber auch insbesondere das Recht auf eine der Menschenwürde entsprechende Behandlung zu (Art. 3 M R K ) , ferner das Recht auf P r i v a t - u n d Familienleben (Art. 8 M R K ) , u m n u r die i n diesem Zusammenhang bedeutendsten G r u n d rechte zu erwähnen. Selbst w e n n der Leibesfrucht ein verfassungsgesetzlich geschütztes Recht auf Leben i n dem durch den A n t r a g behaupteten Sinn zukäme, könnte ein solches Recht dort, w o seine Durchsetzung m i t einer Beeinträchtigung von verfassungsgesetzlich geschützten Rechten der Schwangeren verbunden wäre, n u r eine beschränkte Wirksamkeit entfalten. Eine andere Auffassung wäre n u r vertretbar, wenn man dem hier an erster Stelle genannten Grundrecht einen unbedingten Vorrang gegenüber allen anderen Grundrechten einräumen wollte. Dagegen spricht jedoch schon der Umstand, daß gerade hinsichtlich dieses Rechtes bereits i m A r t . 2 M R K selbst ausdrückliche Beschränkungen vorgesehen sind, während etwa das Recht auf menschenwürdige Be-
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handlung ohne eine solche Beschränkung gewährleistet erscheint. Daraus, daß das Recht auf Leben i n der M R K an erster Stelle genannt w i r d , k a n n dagegen i n diesem Zusammenhang nichts gewonnen werden. I n anderen nicht minder bedeutenden Grundrechtskodices, w i e etwa i n der Allgemeinen E r k l ä r u n g der Menschenrechte von 1948, i m U N - P a k t über die politischen und bürgerlichen Rechte und der Amerikanischen Menschenrechtskonvention ist die Reihenfolge der Grundrechte eine andere. I n der Menschenrechtsdeklaration der französischen Nationalversammlung v o m 26. August 1786 sow i e dem Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867 fehlt überhaupt jede Bezugnahme auf ein Recht auf daé Leben. A l l diese Überlegungen zeigen, daß es dem Gesetzgeber nicht v e r w e h r t sein kann, ein Recht auf Leben der Leibesfrucht gegenüber denjenigen Rechten der Schwangeren abzuwägen, die durch das hier an erster Stelle genannte Recht beeinträchtigt werden können. Von Bedeutung erscheint i n diesem Zusammenhang insbesondere das durch A r t . 3 M R K uneingeschränkt geschützte Recht der Schwangeren auf eine menschenwürdige Behandlung, das durch eine i m Wege der Strafgesetzgebung erzwungene Verpflichtung zu einer ungewollten Mutterschaft jedenfalls i n Frage gestellt w ü r d e (vgl. hiezu auch Heldmann a.a.O. S. 208 ff.). Ähnliches g i l t f ü r -das durch A r t . 8 M R K wenngleich n u r eingeschränkt gewährleistete Recht der Schwangeren auf Privatleben. Selbst bei Anerkennung eines verfassungsgesetzlich geschützten Rechtes der Leibesfrucht auf das Leben hätte daher angesichts der ein solches Recht begrenzenden und ihrerseits jedenfalls nicht minder geschützten Rechte der Schwangeren der Bundesgesetzgeber bei der auf sachliche Überlegungen gegründeten Entscheidung zugunsten der m i t dem vorliegenden A n t r a g angefochtenen Bestimmung die i h m durch die Verfassung gezogenen Grenzen nicht überschritten. A. A u f G r u n d der vorliegenden Überlegungen stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, daß § 97 Abs. 1 Ζ. 1 des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974, nicht verfassungswidrig ist.
(...)"
ANHANG C
Stellungnahme der Salzburger Landesregierung zur Äußerung der Bundesregierung vom 9. September 1974 371 A M T DER SALZBURGER L A N D E S R E G I E R U N G Salzburg, am 9. Sept. 1974 Zahl:
55/21 -LAD/Leg-1974
Bezug: Dg.Zl. G 8/74 A n den Verfassungsgerichtshof I., Judenplatz 1010 W i e n 3-fach
Stellungnahme
zur Äußerung der Bundesregierung v o m 21. M a i 1974, GZ. 52.787-2d/74, dg. ZI. G 8/74-5. (2) Z u einzelnen Punkten der m i t d e m dg. Schreiben v o m 22. M a i 1974, G 8/74-6, übersandten Äußerung der Bundesregierung v o m 21. M a i 1974, GZ 52.787-2d/74, beehrt sich die Salzburger Landesregierung i n Ergänzung zu i h r e m A n t r a g v o m 15. März 1974, ZI. 55/16-LAD/Leg-1974, folgende Stellungnahme zu erstatten: Zu II der Äußerung
der Bundesregierung
(Äußerung):
Die Feststellung der Äußerung daß die Strafrechtsordnung dem noch u n geborenen menschlichen Leben geringeres Interesse entgegenbringt, als dem geborenen, mag zutreffen, obgleich die dafür zum Beweis ausgeführte U n t e r schiedlichkeit der Sanktionen — für die Frage der Rechtswidrigkeit ist diese Unterschiedlichkeit überhaupt bedeutungslos — keinesfalls bloß i n der Bew e r t u n g des geschützten Rechtsgutes ihren G r u n d haben muß sondern zum Beispiel aus einer besonderen Berücksichtigung der Täterseite resultieren k a n n (vgl. die unterschiedlichen Strafsätze f ü r Mord, Kindesmord u n d Tötung auf Verlangen, §§ 136, 139 u n d 139 a StG.) u n d obgleich die ebenfalls so angeführte Sanktionslosigkeit der unabsichtlichen Tötung der Leibesfrucht i n Beweisschwierigkeiten begründet sein kann. Wesentlich erscheint j a am gew ä h r t e n strafrechtlichen Schutz nicht der Grad des Interesses, den der Gesetzgeber darin zum Ausdruck gebracht hat, sondern daß das noch ungeborene menschliche Leben als selbständiges Rechtsgut i n der gleichen A r t 371
Die Stellungnahme ist meines Wissens bisher nirgends abgedruckt worden. Die ursprünglichen Seitenzahlen des Originals sind jeweils dort, wo der T e x t einer neuen Originalseite beginnt, i n K l a m m e r n beigefügt.
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wie geborenes geschützt ist, dies auch u n d insbesondere gegenüber der Schwangeren selbst, was es ausschließt, ein Verfügungsrecht derselben über die Leibesfrucht etwa als Teil ihres Körpers annehmen zu können. Z u jedem Zeitpunkt zu dem i m gegenständlichen A n t r a g bezogene verfassungsgesetzlich gewährleistete G r u n d - u n d Freiheitsrechte geschaffen wurden, fand der Verfassungsgesetzgeber (3) das menschliche Leben auch i n jenem frühen Entwicklungsstadium strafrechtlich geschützt, dem die angefochtene Gesetzesregelung n u n diesen Schutz entziehen w i l l . Daß Bereiche menschlichen Lebens außerhalb dieses Schutzes gestellt werden könnten, erschien so ausgeschlossen, daß hiefür eine ausdrückliche Vorsorge als v ö l l i g überflüssig anzusehen gewesen wäre. Gerade i n strafrechtlichen Bestimmungen k o m m t aber weiters zum A u s druck, daß die Frage der selbständigen Lebensfähigkeit des noch Ungeborenen hinsichtlich seiner Person u n d des i h r gewährleisteten Schutzes keine Bedeutung besitzt. Das Vorliegen einer individuellen menschlichen Person k a n n nach dieser übrigens auch i m Zivilrecht gleich geregelten Rechtslage einfach-gesetzlich keinesfalls von der extrauterinen Lebensfähigkeit abhängig gemacht werden, noch k a n n die Lebensfähigkeit (ebenso w i e etwa der nach welchen Gesichtspunkten immer bestimmte Lebenswert) zur Verfassungsmäßigkeit der A b t r e i b u n g (bzw. Tötung) menschlichen Lebens führen. Eine Ungleichbehandlung aus solchen Gründen erscheint somit verfassungsrechtlich unzulässig. Auch der Geborene ist ja unabhängig von seiner Lebensfähigkeit, jedenfalls des gleichen Schutzes teilhaftig. Die embryonale E n t w i c k l u n g i n medizinischer Sicht unterstreicht diese Feststellung, indem sie bereits i n der befruchteten Eizelle die gesamte genetische u n d die I n d i v i d u a l i t ä t des gezeugten Menschen bestimmende I n f o r mation nachweist u n d eine Aussage dahingehend, daß die vorgezeichnete E n t w i c k l u n g i n Sprüngen vor sich gehe, Handhabe also zu unterschiedlicher Beurteilung hinsichtlich des Menschseins dieses Lebens gebe, ausschließt. Zeugung u n d Tod bilden den Anfangs- und den Endzeitpunkt einer biologisch geschlossenen Einheit, deren Wesen sich i m m e r gleich bleibt. Daher behan(4) d e l t die Fristenlösung (FL) Gleiches v ö l l i g ungleich, w e i l sie ein bestimmtes Stadium dieser i n sich geschlossenen Einheit außerhalb des gesetzlichen Schutzes stellt, demnach menschliches Leben durch das Strafrecht n u r zum T e i l schützt u n d i h m zum Teil den Schutz entzieht. Konfliktsituationen zwischen den Interessen der Schwangeren und der Leibesfrucht können bestehen u n d entsprechend jenen ersterer zu lösen sein. Der hier straffrei gestellte Schwangerschaftsabbruch bewertet aber jegliches Interesse j a sogar einen M u t w i l l e n einer Schwangeren höher als das Existenzinteresse des Noch-Ungeborenen, höher also als das Lebensinteresse des U n geborenen etwa auch Interessen die n u r i n Bequemlichkeit oder finanziellen Vorteilsdenken begründet sind. Eine so maßlose Überbewertung der einseitigen W i l l k ü r hat nach ha. Auffassung keine verfassungsmäßige Deckung. Zu III
der
Äußerung:
Der Schutz des menschlichen Lebens bildet die Grundlage jeder geordneten staatlichen Gemeinschaft. Eine Rechtsordnung, die den Schutz des menschlichen Lebens nicht zum M i t t e l p u n k t aller rechtlichen Überlegungen macht, verdient den Namen Rechtsordnung nicht. N u r unter diesem Gesichtspunkt allein läßt sich die K r i t i k an jenen politischen Systemen rechtfertigen, die das menschliche Leben teilweise außerhalb des Rechtsschutzes stellen. Ob
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menschliches Leben i n der einen oder anderen Weise schutzlos gestellt w i r d , ist n u r eine Frage der Abgrenzung. Das Prinzip, daß jedes menschliche Leben durch den Staat zu schützen ist, bleibt durchbrochen. W i r d der Grundsatz, daß es k e i n lebensunwertes Leben gibt, nicht striktest befolgt, so läßt sich jeder weiteren Ausnahme kein prinzipieller Widerstand mehr entgegensetzen. Aus diesem Grunde erklärt die i m A n t r a g der gefertigten Landesregierung zitierte Entscheidung (5) des Deutschen Bundesgerichtshofes (BGHStE 16, 149), daß der Schutz des menschlichen Lebens das oberste Gebot der Rechtsgemeinschaft ist. Diese umfassende Schutzpflicht ergibt sich aus dem Begriff der demokratischen Republik nach A r t . 1 B - V G . A l l e anderen gesetzlichen Regelungen, seien sie verfassungsrechtlicher oder einfachgesetzlicher Natur, haben gegenüber dieser höchsten staatlichen Verpflicht u n g n u r sekundäre Bedeutung; denn sie setzen den Bestand u n d den Schutz des menschlichen Lebens voraus. Da es ohne menschliche Wesen keine Rechtsordnung geben kann, baut der Begriff der Rechtsordnung auf der Existenz u n d dem Schutz des menschlichen Lebens auf. Das Recht auf Leben liegt allen anderen i n einer demokratischen Republik geltenden Bestimmungen zugrunde. Was selbstverständlich ist, bedarf daher keiner ausdrücklichen Anführung. Die Fristenlösung welche die willkürliche Tötung menschlichen Lebens auch außerhalb jeder Konfliktsituation erlaubt, ist daher m i t den Grundsätzen eines demokratischen Staatswesens unvereinbar u n d verstößt damit gegen A r t . 1 B - V G . Die Entwicklung der G r u n d - u n d Freiheitsrechte hat hinsichtlich aller solchen Rechte einen Stand erreicht, der sie längst nicht mehr n u r dahingehend verstehen läßt, daß sie sich a n die Vollziehung wenden, sondern i n ihnen auch Postulate an den Gesetzgeber erkennt (vgl. Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten u n d Menschenrechte, Kap. I § 3 Z. 3 l i t . a u n d die dort zitierte Judikatur). Der hoheitliche E i n g r i f f den ein einfaches Gesetz ohne verfassungsgesetzliche Deckung i n ein Grundrecht v o r n i m m t , ist also an der Verfassung ebenso meßbar u n d ist ebenso korrigierbar w i e der hoheitliche E i n g r i f f durch die vollziehende Verwaltung. Die Äußerung der Bundesregierung geht n u n dahin, daß keine bundesverfassiungsgesetzliche Bestimmung aufgezeigt werden könne, (6) die die i n der angefochtenen Gesetzesbestimmung f ü r straffrei erklärten Handlungen ausdrücklich u n t e r Strafe stelle oder eine Verpflichtung enthalte auch und gerade diese nunmehr f ü r straffrei erklärten Handlungen u n t e r Strafe zu stellen. Hiegegen muß eingewendet werden, daß das obrigkeitliche Verhalten, welches i n den Grundrechtsbestand eingreift, nicht n u r i n einem Handeln sondern auch i n einem Unterlassen bestehen kann. Hinsichtlich des Rechts auf Leben k a n n nicht n u r i n der gesetzlichen Ermächtigung zur d e m Staatszweck dienenden Tötung oder deren A u s f ü h r u n g ein Grundrechtseingriff erblickt werden, sondern auch i n der Unterlassung, dem menschlichen Leben als grundrechtlich geschütztem Gut, den zu seiner Bewahrung erforderlichen Schutz zu gewährleisten, was j a i n den Fällen für die die n u n eben fehlende Schutzbestimmung i h r e Aufgabe erfüllen würde zu dem gleichen Ergebnis führt, w i e eine unmittelbare Tötungshandlung des Staates. Staatszweck der i n der angefochtenen Regelung seinen Ausdruck gefunden hat, ist, daß zwar nicht durch obrigkeitliche Vollziehung sondern durch Ermächtigte menschliches Leben unter bestimmten Voraussetzungen vernichtet w i r d . Es ist m i t h i n von der Rechtsordnung zu ihrer Verfassungsmäßigkeit zum Beispiel i n Ansehung des G r u n d - u n d Freiheitsrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums nicht n u r zu fordern, daß keine Bestimmungen bestehen, die einen
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nach dem Grundrechtssatz unzulässigen Eingriff i n das Eigentumsrecht ermöglichen, sondern auch, daß die Rechtsordnung das Rechtsinstitut des Eigentums gewährleistet. Es ist ebenso i n Ansehung des G r u n d - u n d Freiheitsrechtes der persönlichen Freiheit die Aufrechterhaltung einer solchen Rechtsordnimg zu ihrer Verfassungsmäßigkeit zu fordern, die die persönliche Freiheit enthält u n d es ist zum G r u n d - u n d Freiheitsrecht auf Leben zu fordern, daß es die Rechtsordnung nicht unterläßt, wirksame Schutzbestimmungen auf zu weisen, die den w i l l k ü r l i c h e n Entzug dieses Rechtsgutes verhindern. I n der angefochtenen Bestimmung (7) soll aber n u n die Rechtsordnung eine solche Schutzlücke aufweisen u n d das menschliche Leben einer bestimmten Altersgruppe dem ins Belieben eines fremden Willens gelegten Zugriff ausgeliefert werden. Damit, daß hier einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gut durch eine obrigkeitliche Maßnahme, nämlich durch Gesetz, der zu seinem Bestand unabdingbar, vorausgesetzte Schutz nicht gewährt (im V e r hältnis zur bestehenden Rechtslage sogar entzogen) w i r d , verstößt die Gesetzesnorm gegen dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht. Eine gleiche Beurteilung hätte etwa gegenüber solchen Vorschriften Platz zu greifen, die nicht das menschliche Leben einer bestimmten Altersstufe sondern anderer Spezifikation, etwa einer bestimmten Minderheitsangehörigkeit dem Zugriff der Mehrheitsangehörigen oder sonstigem privatem Zugriff auslieferten. Der verfassungswidrige hoheitliche Eingriff besteht i n dem Entzug des zum Rechtsbestand erforderlichen Schutzes sowohl auf der Ebene des Gesetzes w i e i n dessen Ausführung i m Bereich der Vollziehung. Soll so dargetan sein, daß eine Schutzbeseitigung bzw. Nichtgewährung des strafrechtlichen Schutzes eben auch jenes staatliche Verhalten darstellt, das i n die Grundrechtssphäre des Grundrechtsträgers eingreift, so ist darüber hinaus festzustellen, daß die G r u n d - u n d Freiheitsrechte aber heute nicht n u r i m Verhältnis Staat zu Grundrechtsträger Grenzen f ü r das Verhalten des Staates ziehen, sondern, daß sie der Rechtsordnung zugrundeliegend auch an den Einzelnen adressiert sind. Einen wirksamen Schutz des Lebens zu bieten sind i n unserer Rechtsordnung n u r strafrechtliche Bestimmungen geeignet. Es muß daher der A u f fassung entgegengetreten werden, daß die Schaffung u n d Geltung eines Strafrechtes i n seinen wesentlichen Teilen verfassungsrechtlich nicht erforderlich sei. Es ist vielmehr wenigstens soweit verfassungsrechtlich erforderlich, als es dies zur Wahrung der G r u n d - u n d Freiheitsrechte ist; schon daher ist (8) i n diesen Bereichen die Aufhebung nicht d e m Belieben des Gesetzgebers überlassen. Wie sehr notwendig einschlägige strafrechtliche Vorschriften aber sind, beweist am besten gerade der vorzufindende strafrechtliche Normenbestand. Bedeutungslosigkeit der Grundrechte zeitigte es, entfiele ihre strafrechtliche Relevanz. Sogar der i n der Äußerung (S. 14) wiedergegebene Auszug aus dem Beitrag Bockelmann, Menschenrechtskonvention u n d Notwehrrecht, i n der Festschrift f ü r K a r l Engisch stellt als V o r aussetzung für die Europäische Menschenrechtskonvention heraus, daß die Strafbarkeit von M o r d u n d Totschlag i n den Mitgliedsstaaten seit J a h r h u n derten selbstverständlich war. U n d w i e diese Konvention auf dieser übereinstimmenden Rechtslage aufbaut u n d ohne sie ihre Bedeutung einbüßt, so auch der Gesamtbestand der grund- u n d freiheitsrechtlichen Normen. I m übrigen sei zur genannten Meinung Bockelmann schon hier festgehalten, daß anderer Auffassung sind z. B. Maunz/Dürig, 62 zu A r t . 1 GG, Baumann, A l l g . Teil 4 S. 288, Scupin i n Festschrift f. Rudolf Laun, 1953, S. 173 ff., S. 189 f.
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Zu IV der Äußerung w i r d die Auffassung aufrecht erhalten, daß das Recht auf Leben, auf Existenz als Rechtsträger den expressis verbis aufgezählten G r u n d - und Freiheitsrechte als deren Voraussetzung innewohnt. Eine a l l fällige n u r bedingte, unter Gesetzesvorbehalt stehende Gewährleistung des Rechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums folgert nicht die Bedingtheit des eine Voraussetzung f ü r dieses G r u n d - u n d Freiheitsrecht darstellenden Rechtes auf Leben. I m übrigen wurde i m A n t r a g bereits dargestellt, daß für den Noch-Ungeborenen außer diesem Recht auf Leben aus dem grundu n d freiheitsrechtlichen Rechtsbestand nicht n u r das Recht der Unverletzlichkeit des Eigentums i n Betracht kommt, sondern dank der Rechtsträgerschaft des Noch-Ungeborenen auch das Gleichheitsrecht, damit ein seinen (9) T r ä gern unbedingt und vorbehaltslos gewährleistetes Grund- u n d Freiheitsrecht. Zu V der
Äußerung:
A r t i k e l 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention stellt sich seiner textlichen Gestaltung nach schon rein äußerlich nicht als eine Einheit dar. Die Äußerung beruft sich zwar auf Partsch, Die Rechte u n d Freiheit der europäischen Menschenrechtskonvention, zitiert aber die maßgebliche Stelle unrichtig. Bei Partsch heißt es wörtlich auf Seite 100: „Es f ä l l t auf, daß der Anfangsatz (Abs. 1 Satz 1) sich i m S t i l u n d i n der Formulierung von den dann folgenden sehr präzise und detailliert gefaßten Regelungen des Abs. 1 Satz 2 u n d des Abs. 2 deutlich unterscheidet . . . Der Anfangsatz enthält einen a l l gemeinen Grundsatz u n d gebietet, das Recht auf das Leben gesetzlich zu schützen, ohne selbst i m einzelnen anzugeben, w i e dies zu geschehen hat, während anschließend eine ins einzelne gehende Regelung für ein Teilgebiet folgt. Der ganze A r t i k e l w i r k t nicht w i e aus einem Guß. Dieser Eindruck w i r d durch die Entstehungsgeschichte bestätigt . . . " Partsch erklärt also genau das Gegenteil dessen, was i n der Äußerung behauptet w i r d . Die Konvention w i l l gewiß keine revolutionären Neuerungen oder U m wälzungen. Sie ist aber als Reaktion auf die Mißachtung der Menschenwürde durch kurz vorangegangene totalitäre Systeme zu verstehen u n d wollte die i m Laufe einer langen Entwicklung i m europäischen K u l t u r k r e i s entstandenen demokratischen Rechte u n d Freiheiten zusammenfassen. Das gemeinsame europäische K u l t u r e r b e sollte hier seinen Niederschlag finden. Z u diesen elementaren Rechten u n d Freiheiten gehörte auch die Sicherung des menschlichen Lebens. Da n u n bei den für die Abfassung der M R K maßgeblich i n Betracht kommenden Staaten auch die Leibesfrucht zu den seit jeher geschützten Rechtsgütern gehörte, entspricht eine Auslegung, welche den A r t . 2 M R K auch auf die Leibes- (10) frucht bezieht, am ehesten dem Sinn dieses Artikels. Das gilt insbesondere für Österreich. Wie die Bundesregierung selbst erk l ä r t , w i r d sich die Auslegung der M R K stets auch an den i n den M i t g l i e d staaten geltenden Rechtsordnungen orientieren müssen. Gerade i n dieser Hinsicht ist der i m A n t r a g der gefertigten Landesregierung zitierte A r t i k e l von Marschall bemerkenswert, der unter Verwendung dieses Gedankens zu dem sehr einleuchtenden Schluß kommt, daß die österreichische Rechtsordnung seit jeher die Leibesfrucht unter staatlichen Schutz gestellt hat. Wenn m a n also die M R K nicht losgelöst von der österreichischen Rechtsordnung interpretieren w i l l , so w i r d m a n den A r t . 2 M R K n u r i m Sinne der Einbeziehung der Leibesfrucht i n den Schutzbereich dieses A r t i k e l s verstehen können. V ö l l i g unverständlich wäre es auch, den nasciturus i n Vermögens-
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rechtlicher Hinsicht i n jeder n u r möglichen Weise zu schützen, (insb. durch die §§ 22, 217 und 274 A B G B und das H D v o m 12. M a i 1845, JGS. NF. 888), i h n aber hinsichtlich seiner physischen Existenz während einer bestimmten Entwicklungsperiode völlig schutzlos zu lassen u n d einer w i l l k ü r l i c h e n Tötung auszuliefern. Eine Interpretation des A r t . 2 M R K i m Sinne der österreichischen Rechtsordnung muß daher zu einer Ablehnung der angefochtenen Strafrechtsbestimmung führen. Z u welch untragbaren Konsequenzen die F L i n erbrechtlicher Hinsicht führen kann, mag n u r folgendes Beispiel zeigen: Während der ersten drei Monate der Schwangerschaft einer F r a u stirbt i h r Ehemann ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung. U m nicht m i t dem K i n d den Nachlaß teilen zu müssen u n d sich das gesamte Vermögen des Ehemannes zuzuwenden, tötet die Frau i h r K i n d während der 3-Monatfrist. I n Österreich liegt das Problem des Schwangerschaftsabbruchs aber auch deshalb anders als i n den anderen Mitgliedstaaten des Europarates, da Österreich der einzige Mitgliedsstaat ist, i n dem die M R K Verfassungsrang genießt. Wenn andere (11) Staaten w i e Dänemark i n ihrer Gesetzgebung den Schwangerschaftsabbruch straffrei stellen, so verstoßen sie bei der Ubergehung der M R K nicht gegen ein Verfassungsgesetz. Es liegt lediglich ein Bruch des Völkerrechts vor. I n Österreich aber verletzt die F L auch i n der M R K eine Verfassungsnorm. Die Sonderstellung, welche Dänemark einnimmt, findet überdies i n den Protokollen anläßlich der Beratungen des A r t . 2 M R K überhaupt keinen Niederschlag. Daß zwei Mitglieder der österreichischen Strafrechtskommission dafür eintreten, die Bestimmungen über den Schwangerschaftsabbruch überhaupt zu streichen, ist ohne jede Bedeutung, da alle übrigen Kommissionsmitglieder dagegen stimmten. Die überwältigende Mehrheit w a r m i t diesem Vorschlag nicht einverstanden. Die E n t w i c k l u n g des Strafrechts i n Dänemark u n d Schweden nach dem Zeitpunkt, i n welchem die Konvention geschaffen wurde, ist deshalb hier nicht zu untersuchen, w e i l es allein darauf ankommt, w i e die Konvention i m Zeitpunkt ihrer Entstehung auszulegen ist. Nach der v o m V f G H i n ständiger Rechtsprechung angewandten „Versteinerungstheorie" ist f ü r die Auslegung allein der Zeitpunkt maßgeblich, i n dem die Verfassungsnorm entstanden ist. I m übrigen muß nochmals darauf hingewiesen werden, daß weder i n Schweden noch i n Dänemark die M R K Verfassungsrang besitzt und daher bei weitem nicht dieselbe Bedeutung wie i n Österreich hat. Die Bemerkung der Äußerung, daß A r t . 2 M R K v o m Recht eines jeden „Menschen" auf Leben spricht, ist insoweit ungenau, als nach der Schlußklausel der M R K der englische u n d französische Text allein maßgeblich sind. Keiner dieser beiden Texte gebraucht das Wort „Mensch" (man, homme). Der englische Text spricht von „everyone", der französische von „toute personne". N u n kann gerade dann, w e n n man die M R K unter Heranziehung österreichischer Rechtsbegriffe auslegt, w i e es die Äußerung selbst verlangt, nicht i n Abrede gestellt werden, daß die Leibesfrucht bereits (12) Rechtsfähigkeit besitzt, u n d zwar v o m Zeitpunkt der Empfängnis angefangen (§ 22 ABGB). Daß das gezeugte K i n d , solange es den Mutterleib nicht verlassen hat, auch Leibesfrucht genannt w i r d , ändert nichts an der K o n t i n u i t ä t der individuellen menschlichen Existenz.
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A r t . 2 Abs. 1 M R K trägt den Staaten auf, das Leben jeder Person zu schützen. Daß dies ein A u f t r a g an die Staaten ist, ergibt sich wie i m A n t r a g der gefertigten Landesregierung bereits dargelegt wurde, sowohl aus dem englischen als auch aus dem französischen Text. Die deutsche Übersetzung ist i n dieser Hinsicht ungenau. Es handelt sich dabei u m eine umfassende rechtliche Verpflichtung, welche nur durch die wenigen taxativ aufgezählten Fälle des Abs. 2 durchbrochen w i r d . Diese Ausnahmefälle des Abs. 2 entsprechen aber der herkömmlichen Kulturauffassung der europäischen L ä n der. A l l e diese Ausnahmen unterscheiden sich von der F L i n einem ganz grundlegenden Punkt. Es handelt sich nämlich durchwegs u m Fälle, die den klassischen Schuldausschließungs- bzw. Rechtfertigungsgründen entsprechen u n d i n denen jegliche W i l l k ü r ausgeschlossen ist, sodaß sie i n jeder Hinsicht m i t den Grundprinzipien eines demokratischen Staatswesens vereinbar sind. Das Gebot des A r t . 2 Abs. 1 M R K ist — von den klassischen Ausnahmen des Abs. 2 abgesehen — demnach ein universelles. Wenn Abs. 1 dem Staat aufträgt, das Recht von jedermann (jeder Person) auf Leben zu schützen, so besagt dies, daß der Staat eben nach allen Richtungen h i n für den Schutz vorzusorgen hat, also auch i n dem Sinn, daß es gegen Angriffe von nichtstaatlicher Seite zu schützen ist. Der Staat muß daher auch Gesetze erlassen, welche die einzelnen Rechtspersonen davor schützen, daß i h r Leben durch andere Rechtsgenossen gefährdet oder gar vernichtet w i r d . Daß A r t . 2 M R K auch auf das Verhältnis des einzelnen zu seinen Rechtsgenossen Bezug hat, wurde schon dargestellt. Gegen w e n sollte denn die V e r - (13) teidigung einer Person gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung i n erster L i n i e möglich sein, wenn nicht gegenüber einem anderen Rechtsgenossen? V o m Erfordernis der Rechtsverteidigung her ist an eine solche gegenüber staatlichen Organen gewiß nicht i n erster L i n i e zu denken. Selbst wenn man die Regelung des Abs. 2 a aber n u r als solche des N o t w e h r - u n d Nothilferechtes staatlicher Organe verstände, würde dies noch nichts an der Allgemeingültigkeit der Aussage des ersten Satzes i n Abs. 1 ändern. A r t . 2 M R K d a r f aber auch nicht isoliert betrachtet werden. Die Darlegungen der Äußerung übersehen nämlich völlig, daß es eine ganze Reihe von Grundrechtsbestimmungen i n der M R K gibt, welche sehr k l a r auf die Beziehungen der Rechtsgenossen untereinander abgestimmt sind. A r t . 8, 9, 10 u n d 11 M R K sowie A r t . 2 des Protokolls Nr. 4, BGBl. Nr. 434/69, lassen i n ihren jeweiligen Abs. 2 Beschränkungen der Freiheitsrechte zugunsten anderer Personen zu. Abgesehen von den Einschränkungen, die i m Interesse des Staates getroffen werden dürfen, z. B. i m Interesse der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung u. a., erklären diese Bestimmungen, daß auch Beschränkungen i m Interesse der Rechte u n d Freiheiten anderer, i n einem F a l l sogar i m Interesse des guten Rufes anderer zulässig sind. Das heißt doch nichts anderes, als daß die Rechtsstellung der einzelnen Rechtsgenossen gegeneinander abzugrenzen u n d abzuwägen ist, so w i e nach A r t . 2 Abs. 2 lit. a M R K die Notwehrsituation auf das Verhältnis zwischen 2 P r i v a t personen untereinander abgestellt ist. Der Äußerung k a n n daher nicht beigepflichtet werden, w e n n sie behauptet, daß die M R K auf die Beziehungen zwischen den einzelnen Rechtsgenossen untereinander nicht anwendbar ist, sondern n u r das Verhältnis zwischen den Einzelnen u n d dem Staat i m Auge hat. Nicht n u r eine große A n z a h l von Autoren ist sich darüber einig, daß die Grundrechte der Konvention auch f ü r das Verhältnis der einzelnen Privatpersonen untereinander (14) gelten, auch die Europäische Menschen-
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rechtskommission hat i n zahllosen Entscheidungen die Rechtstellung von Privatpersonen untereinander nach den Konventionsnormen beurteilt. Das t r i f f t ζ. B. f ü r das Verhältnis zwischen Eltern u n d Kindern, Vormündern u n d Kindern, Verpächtern und Pächtern zu. I m einzelnen sei zu der Frage, ob die Konvention auch auf das Verhältnis der einzelnen Rechtsgenossen untereinander anzuwenden ist, w i e bereits i m A n t r a g der gefertigten Landesregierung auf Moser, Die Europäische Menschenrechtskonvention und das bürgerliche Recht, S. 71 f. verwiesen, wo der Bedeutungswandel der grundrechtlichen Schutzfunktion unter A n f ü h r u n g zahlreicher L i t e r a t u r dargelegt w i r d . A u f S. 78 u n d 79 erfolgt i n Fußnote 329 eine Aufzählung jener Autoren, welche die Anwendbarkeit der materiell-rechtlichen Konventionsnormen auf das Verhältnis der Privatpersonen untereinander bejahen. I n Fußnote 330 sind jene Autoren genannt, welche n u r für eine Bindung der Staaten eintreten. Allerdings überwiegt die erste Gruppe von Autoren zahlenmäßig. Auch die Beratende Versammlung des Europarates hat, w i e dort ausgeführt w i r d , die Notwendigkeit erkannt, materiell-rechtlichen Normen der M R K eine allseitige W i r k u n g auch gegenüber Privaten zuzuerkennen. Es sei aber noch auf K a p i t e l X I . dieses Buches verwiesen, das die Frage der G r u n d rechtsträger u n d Grundrechtsverpflichteten nach der M R K behandelt, insbesondere auf S. 106. Z u r Entscheidungspraxis der Europäischen Menschenrechtskommission sei auf Fußnote 621 Bezug genommen, welche eine Reihe von Entscheidungen der Kommission zu den Elternrechten zitiert. Dazu kommen die i n den Fußnoten 642, 643, 644, 645, 646, 647 u n d 648 angeführten Entscheidungen, welche das Verhältnis zwischen den Eltern u n d ihren K i n dern betreffen. Die Fußnote 755 verweist auf eine Entscheidung über die Auslegung eines Pachtvertrages, also über eine rein zivilrechtliche Angelegenheit. (15) Erwähnenswert ist i n diesem Zusammenhang noch die Stellungnahme der deutschen Rechtsprechung u n d L i t e r a t u r zum D r i t t w i r k u n g s p r o b l e m nach dem Bonner Grundgesetz. Nach Lehre u n d Rechtsprechung ist es i n der Bundesrepublik Deutschland unbestritten, daß die Grundrechte auch für die Rechtsverhältnisse zwischen den Rechtsgenossen untereinander gelten. N u r das Ausmaß ist umstritten. Teils w i r d die sog. unmittelbare, teils die sog. mittelbare D r i t t w i r k u n g befürwortet. Aber auch Vertreter der sog. m i t t e l baren D r i t t w i r k u n g anerkennen auch die immittelbare D r i t t w i r k u n g eines Grundrechtes, welches Einschränkungen zugunsten anderer Privatpersonen zuläßt. Es handelt sich u m A r t . 5 des Grundgesetzes, der von der Meinungsfreiheit handelt. A r t . 5 gestattet Einschränkungen dieses Grundrechts unter anderem zugunsten des Rechtes der persönlichen Ehre, also eines Rechtes einer Privatperson (s. hiezu Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz 3 , A r t . 5, Rn. 29, 240 u n d 275, sowie Moser, a.a.O., Fußnote 326). Da n u n die zitierten A r t . 8, 9, 10 und 11 M R K , sowie A r t . 2 des 4. Zusatzprotokolls ebenso w i e A r t . 2 M R K die Einschränkungen der dort genannten Grundrechte i m I n teresse privater Personen zulassen, ist damit klargestellt, daß alle diese Bestimmungen auch auf das Verhältnis zwischen den Rechtsgenossen u n t e r einander A n w e n d u n g zu finden haben. Wenn die Äußerung der B R schließlich behauptet, daß einer allgemeinen Verpflichtung der M R K zum Schutz des menschlichen Lebens durch die Bestimmungen der §§ 96 bis 98 entsprochen sei, so ist dies unrichtig. Denn gerade während der ersten drei Monate seines Lebens w i r d das menschliche Leben vogelfrei gestellt. Gerade i n dieser willkürlichen Freigabe der Tötung menschlichen Lebens liegt der grundlegende Widerspruch auch zum A r t . 2 M R K .
Anhang
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Gewiß bleibt es jedem Staat überlassen, w i e er den Schutz des Einzelnen gestaltet. Doch k a n n dabei i n erster L i n i e n u r das Strafrecht i n Frage kommen. Wenn zu den strafrechtlichen (16) Verbotsnormen noch weitere Maßnahmen hinzukommen, w i e dies das Zentralkommitee der Deutschen K a t h o l i k e n laut der Äußerung gefordert hat, so ist dies äußerst wünschenswert. Aber alle anderen Maßnahmen bleiben ein Stückwerk, wenn auf den strafrechtlichen Schutz verzichtet w i r d , w e i l n u r er wie schon früher ausgeführt die der Sachlage angemessene Sicherung gewähren kann. Zu VI der
Äußerung:
Die Auffassung der Bundesregierung, daß n u r Minderheitsangehörige Subjekte der i n diesem Staats vertrag gewährleisteten G r u n d - und Freiheitsrechte sein könnten entspricht nicht der generellen Formulierung des V e r tragstextes, die i m Ergebnis den Minderheitenschutz auch gewährleistet, indem sie allen Einwohnern Österreichs und gerade nicht etwa n u r M i n d e r heitsangehörigen Rechte garantiert. Der Vollständigkeitkeit halber sei nochmals angeführt, daß u m den beabsichtigten Schutz i n vollem Umfang zu gewährleisten, auch der noch ungeborene Minderheitsangehörige Schutzobjekt u n d daß daher unter dem Ausdruck „Einwohner" auch dieser gemeint sein muß. Wäre der Noch-Ungeborene nicht geschützt wiese der Vertrag hier eine Lücke i n dem durch i h n gewährleisteten Schutzsystem auf. Wie auch die Ausführungen der Äußerung aber zeigen, ist eine Auslegung des Begriffes „Einwohner" zu seiner A b grenzung dahingehend, ob er auch die Noch-Ungeborenen erfaßt, notwendig. Auslegungsergebnis k a n n aber nur das sein, was dem Vertragszweck möglichst weitgehend entspricht. Zu VII der
Äußerung:
Die vorliegende Äußerung geht nicht darauf ein, daß neben physischen Personen (Staatsbürgern) auch inländische juristische Personen das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz genießen. Auch juristische Personen besitzen eine Staatsangehörigkeit (17) (vgl. VfSlg. 5513/1967 u n d Β 176/73). Jeder von der Rechtsordnung anerkannte Träger von Rechten u n d Pflichten außer dem Menschen ist eine juristische Person (vgl. VfSlg. 3193/1957, 3685/1960). Der Noch-Ungeborene ist nach der Rechtsordnung jedenfalls Träger von Rechten u n d Pflichten. Der Noch-Ungeborene ist somit als Mensch oder zumindest als juristische Person Staatsangehöriger oder nicht und i m ersten F a l l Subjekt des Gleichheitsrechtes. Eine Differenzierung zwischen dem Noch-Ungeborenen bis zum vollendeten dritten Lebensmonat u n d dem älteren mag i n bestimmten Bereichen durchaus zulässig sein, i m Hinblick auf die Zulässigkeit der V e r nichtung seines Lebens erscheint der bloße Altersunterschied ebensowenig ausreichend, wie er bei der Zulassung der Tötung geborenen Lebens ausreichend wäre. U n d wiederum besteht zwischen dem Noch-Ungeborenen u n d dem Geborenen k e i n solcher Unterschied (vgl. die Ausführungen, zur K o n tinuierlichkeit der Entwicklung des menschlichen Lebens, die die Geburt n u r als Änderung äußerer Lebens Verhältnisse erscheinen läßt), daß es sachlich gerechtfertigt erscheinen könnte, die Erhaltung des Lebens der einen Gruppe der W i l l k ü r D r i t t e r anheimzustellen, der anderen Gruppe aber ausreichend zu schützen.
Stellungnahme der Salzburger Landesregierung Zu VIII
der
173
Äußerung:
Dem i m Verfassungsrang gewährleisteten Recht auf Achtung des Familienlebens widerspricht die F L nicht schon dadurch, daß überhaupt die Entscheidung des Interessenkonfliktes zwischen den Interessen des Noch-Ungeborenen u n d der Schwangeren zugunsten Letzterer u n d damit zur Existenzvernichtung des Noch-Ungeborenen führen kann, sondern erst dadurch daß jegliches Interesse der M u t t e r hiezu ermächtigt, gleich welchen I n h a l t immer es hat. U n d damit daß jegliches Interesse u n d nicht n u r Interessen solchen Gewichts, w i e sie zum Beispiel bei der medizinischen I n d i k a t i o n Berücksichtigung finden, schon zur (18) A b t r e i b u n g legitimiert, erscheint die Fristenlösung auch als Eingriff i n den Anspruch auf Achtung des Familienlebens i n Ansehung des dieses Rechtes gleich teilhaften Ehegatten. Daß der Ehemann durch eine solche Willkürentscheidung seiner Ehefrau i n seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt w i r d , ergibt sich obendrein aus A r t . 12 M R K . Nach A r t . 12 M R K haben m i t Erreichung des heiratsfähigen Alters Männer u n d Frauen gemäß den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen u n d eine Familie zu gründen. Es hat also ebenso w i e die F r a u auch der M a n n das Recht, nicht n u r eine Ehe zu schließen, sondern auch eine Familie zu gründen. U m das Recht auf F a m i liengründung w i r d aber der Ehemann gebracht, w e n n es i n die W i l l k ü r seiner Frau gestellt w i r d , seine Nachkommenschaft zur W e l t zu bringen oder nicht. Die F L n i m m t dem M a n n dieses Recht. Es w i r d daher zusätzlich zu den bereits i m A n t r a g der gefertigten Landesregierung bezogenen v e r fassungsrechtlichen Bestimmungen noch geltend gemacht, daß die F L auch den A r t . 12 M R K verletzt. Zu IX der
Äußerung:
Das Recht auf menschenwürdige Behandlung steht nicht n u r der schwangeren Frau, sondern auch dem K i n d zu. Es ist menschenunwürdig, w e n n der Staat eine w i l l k ü r l i c h e Tötung menschlichen Lebens zuläßt. Gerade aber das t u t die FL. Entgegen der i n der Äußerung vertretenen Ansicht läßt sich auch der französischen E r k l ä r u n g der Rechte des Menschen u n d des Bürgers von 1789 ein Recht auf Leben entnehmen. Sie nennt vier natürliche u n d unverlierbare Menschenrechte: das Recht auf Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung. Die Grundrechte auf Freiheit u n d Sicherheit schließen zwangsläufig auch das Recht auf Leben ein. Die B i l l of Rights of Virginia von 1776 f ü h r t ein Recht auf Leben sogar ausdrücklich an u n d bezieht dieses ebenso w i e andere Rechte auch auf die Nach- (19) kommenschaft. Diese Rechte erstrecken sich nach dem klaren Wortlaut des A r t . 1 sowohl auf die bereits geborenen Menschen als auch auf ihre Nachkommenschaft. Daß das Recht auf Leben i n der Entwicklung der Menschenrechte eine tragende Rolle spielt, geht aus der geschichtlichen Entstehung des Menschenrechtsbegriffes hervor (siehe hiezu die zusammenfassende Darstellung bei Oestreich, Die Idee der Menschenrechte u n d bei Moser, a.a.O. S. 1 f.). Dies gilt sowohl f ü r die philosophisch^religiösen Begriffsbildungen als auch für den jeweiligen Niederschlag dieser Ideen i m positiven Recht. Schon Calvin u n d Donellus nennen als erstes der natürlichen Rechte das Recht auf Leben. Locke f ü h r t unter den Aufgaben der Gemeinschaft den Schutz des Lebens an erster Stelle an. Hobbes kennt überhaupt n u r ein einziges natürliches Recht, das Recht auf Leben (Moser, a.a.O. S. 11, Fußnote 54). Aber auch dort, wo das Recht auf Leben nicht ausdrücklich erwähnt w i r d , findet es i n den
174
Anhang
immer wiederkehrenden Begriffen des Rechtes auf Freiheit u n d auf Sicherheit seinen Niederschlag. Gerade aus dieser geschichtlichen Betrachtungsweise erklärt sich die Richtigkeit der Auffassimg von Adamovich, daß der Schutz der Freiheit nach A r t . 8 StGG auch den Schutz des Lebens einschließt. Z u m richtigen Verständnis der G r u n d - u n d Freiheitsrechte k a n n man n u r dann gelangen, w e n n man sie i m Rahmen ihrer geschichtlichen Entstehung betrachtet u n d i n erster L i n i e ihre naturrechtlichen Elemente berücksichtigt. So hat sich auch der demokratische Rechtsstaat n u r auf der naturrechtlichen Grundlage entwickeln können. Die Auslegung der maßgeblichen einschlägigen Verfassungsnormen ist daher n u r dann richtig, w e n n der Zusammenhang m i t der historischen E n t w i c k l u n g betrachtet w i r d , aus der heraus sie entstanden sind. (20) Das Recht auf Leben ist ein unteilbares. Es k a n n kein menschliches Leben geben, das durch die Rechtsordnung geschützt w i r d , und kein solches, das w i l l k ü r l i c h vernichtet werden darf. Daher widerspricht die F L den i m A n t r a g der gefertigten Landesregierung bezogenen Verfassungsnormen. Es w i r d sohin der A n t r a g auf Aufhebung des § 97 Abs. 1 Ζ. 1 des Strafgesetzbuches wiederholt u n d dieser A n t r a g zusätzlich auf eine Verletzung des A r t . 12 M R K (Recht auf Familiengründung) gestützt. F ü r die Landesregierung: Dr. E d e l m a y e r
e.h.
(Landesamtsdirektor)
Beilagen
in
Fotokopie:
1. Gutachten der Vorstände der vier österreichischen Universitäts-Frauenk l i n i k e n sowie der fünften, geplanten; 2. Univ.-Prof. Dr. A l f r e d Kratochwil, Wien: „Was weiß die moderne Medizin über das vorgeburtliche Menschenleben?"; 3. Univ.-Prof. D r . Franz Büchner: „Embryonale E n t w i c k l u n g u n d Menschwerdung" i n Internationale katholische Zeitschrift, Communio-Verlag, Heft 5/72.
Quellenregister Die Fundstellen sind m i t Seitenzahlen angegeben. Wichtigere Fundstellen sind durch Kursivdruck hervorgehoben. A u f Anmerkungen w i r d durch ein der Seitenzahl beigefügtes „ A . " m i t anschließender Anmerkungsziffer v e r wiesen. Wenn ein Z i t a t sowohl i m T e x t als auch i n einer A n m e r k u n g v o r kommt, w i r d die Anmerkungsziffer nicht gesondert angegeben. I . Antike Quellen Aristoteles (Aristot.) E N 1, 1; 1094 b 23—25 1, 7; 1098 a 26—29
115 A . 332 115 A. 332
pol. 1, 2, 2, 2, 3, 3,
116 123 124 116 111 125
2; 1253 a 31—38 7; 1267 a 12—14 8; 1268 b 30 f. 12; 1274 a 5—7 6; 1279 a 17—20 8; 1279 b 11—15
Augustinus (Aug.) nupt. et concup. 1, 15 (17)
92
civ. 1, 19 4, 4
81 A. 249 41 A . 97, 125 A . 364
Cicero (Cie.) f i n 4, 54 f.
56 A . 151
leg. 1, 40 f. 1, 42 1, 42 ff.
112 A . 323 40 f. A . 95, 112, 117 23 A . 27, 24 A . 31, 34 A . 64, 41 A. 97, 63 A. 178, 88 A . 265, 122 A. 351 41 A . 97, 117 71 A . 208 117 A. 340 34 A. 64, 88 41 A. 97 112 A. 325, 117 117 88, 117 A . 341 66 A . 189 5, 89 A . 268
1, 43 1, 43 f. 1,44 1, 44 f. 1, 44 ff. 1, 44—47 1, 45 1, 47 off. 1, 41 2, 77 rep.3, 33 Digesten Justinians (D) 1, 3, 18 1, 3, 19
23 A. 27, 63 A . 178, 71 A . 208, 117 25 A. 39 25 A . 39, 49 A . 123
Quellenregister
176 1, 3, 24 1, 3, 25 1, 3, 29 1, 3, 30 1, 5, 5, 3 1, 5, 7 1, 5, 26 25, 4, 1, 1 26, 5, 20 pr. 28, 7, 15 35, 2, 9, 1 47, 11, 4
25 Α. 37 25 Α. 39 25 Α. 38, 38 Α. 87 25 Α. 38 20 Α. 14 21 Α. 17, 24 20 Α. 10 22 Α. 19, 68 Α. 195 20 f. 22 Α. 21 22 Α. 19 68 Α. 195
Diodor (Diod.) 1, 77, 9
91
Gaius (Gai.) inst. 1, 1, 1, 1,
89 91 147 158
20 Α. 13 20 Α. 14 20 Α. 12 23
Hesiod Erga 174—201
87 Α. 264
Musonius Rufus (Muson.) Fragm. 15 a, Ausg. Hense
90 A. 273
Platon (Plat.) polit. 293 c 302 a 303 c
114 f. 115 115
Polybios (Polyb.) hist. 6, 3, 9—6, 4, 5 6, 4, 2 ff. 6, 4, 10
71 A. 209, 121 f . 24 A. 31, 63 A . 180, 122 122
Sophokles Antigone 451—455
71
Tacitus (Tac.) ann. 3, 27
101
Tertullian (Tert.) apol. 9, 8
91 A. 276
Zwölftafelgesetz 9, 6
81 A . 249 I I . Moderne Rechtsquellen
ABGB §7 § 16
28, 30, 33, 35, 40 38 f., 40, 61, 71, 157
Quellenregister §§ 16—21 §17 § 21—23 §22 §163 §217 §274 §365 §879
177 38 40, 71 67 A . 191 18, 37 f., 40, 42, 47, 53, 59 A . 160, 61, 67 ff., 112, A. 324, 119, 132, 140, 152, 157, 169 54 169 38, 133, 140, 169 39 72
Allgemeine E r k l ä r u n g der Menschenrechte (UN) Art. 3 A r t . 25 Abs. 2
76, 137 f. 137
Allgemeines Landrecht (Preussisches) I, 1, 10
139
Amerikanische Menschenrechtskonven tion Art. 4 A r t . 29
47 A. 115, 52 A. 134, 142 52 A . 136
BGB §1
139 ff.
B i l l of Rights (Virginia) Art. 1
137, 173
Bundes-Verfassungsgesetz (BVG, Österreich) Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.
1 7 10 Abs. 1 Z. 6 90 Abs. 2 130 140 140 Abs. 1
24, 143, 161, 166 143 f., 145, 161 146, 152 153 64 A . 182 135, 149 131
B V G v. 4. März 1964 Art. I I
24 A . 33
Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit (1862)
§6
152
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Art. Art. Art. Art.
1 1 Abs. 1 2 2 Abs. 2
12 Waldstein
45 A . 111, 139 f., 167 42 A . 100 46 137 ff., 158
Quellenregister
178 A r t . 2 Abs. 2 Satz 1 Art. 5
42, 45 A . 111 171
Habsburgergesetz
§2
63 A. 182
Jugendwohlfahrtsgesetz (Österreich) 140 KPzABGB Abs. 1
40 A. 95
Krankenanstalten-Gesetz (Österreich, 1957, i n der Fassung von 1974) § 6 Abs. 3 §59 a
48 A. 117, 73 A. 217 48 A. 117
MRK Art. 1 Art. 2 Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.
2 Abs. 1 2 Abs. 2 l i t . a—c 2—12 3 5 8 9 10 11 12 13 14
136 42 A. 100, 44 A . 108, 47 A. 115 f., 52/., 76, 135 ff., 153 ff., 162, 168 ff. 38, 44, 46 f., 53, 143, 170 81 136 162 f. 138 46 A. 115, 145, 161 ff., 1701 170 f. 170 f. 170 f. 173 f. 154 f. 144, 161
4. Zusatzprotokoll zur M R K Art. 2
170 f.
Staatsbürgerschaftsgesetz (Österreich) §§6 f.
161
Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG, Österreich) Art. 2 Art. 5 Art. 8
143 f., 145, 161 32, 153 41, 153, 174
Staatsvertrag von St. Germain A r t . 62 ff. A r t . 63 A r t . 63 Abs. 1
160 f. 44, 161 53, 142 ff., 160
Quellenregister A r t . 65 A r t . 66 f.
160 144, 161
Staatsvertrag von Wien Art. 6 A r t . 9 Z. 3
144 152
Strafgesetz 1852 (StG, Österreich) §2 § 136 § 139 § 139 a § 144
156 164 164 164 17 Α. 1
Strafgesetzbuch (StGB, Bundesrepublik Deutschland) § 216 §218
84 A . 255 45 A . 111, 1 5 8 1
Strafgesetzbuch (StGB 1974, Österreich) §3 §75 §96 § 96 ff. §§96—98 § 97 § 97 Abs. 1 Ζ. 1
156 45 A . 111 50, 134, 147, 159 161 159, 161, 171 112 A. 324 18 f., 26 f., 48 ff., 69, 131, 134 f., 142 ff., 163, 174 72 159 160 131
§ 97 Abs. 3 § 98 § 321 § 322 Straßenverkehrsordnung (StVO, Österreich) §5 Abs. 6 Verfassungsgerichtshofgesetz Österreich) §62
134, 1521 (VerfGG, 131, 149
Personen- und Sachregister Die Fundstellen 9ind m i t Seitenzahlen angegeben. Wichtigere Fundstellen sind durch Kursivdruck hervorgehoben. A u f Anmerkungen w i r d durch ein der Seitenzahl beigefügtes „ A . " m i t anschließender Anmerkungsziffer verwiesen. Wenn ein Stichwort sowohl i m T e x t als auch i n einer A n m e r k u n g vorkommt, w i r d die Anmerkungsziffer nicht gesondert angegeben. Stichwörter, die Quellen betreffen, auch i m Quellenregister. Abbruch der Schwangerschaft betrifft nicht n u r Privatleben der M u t t e r 46 A. 115 s. a. Abtreibung, Fruchtabtreibung, Schwangerschaftsabbruch, Schwangerschaftsunterbrechung, Tötung des Ungeborenen, Vernicht u n g der Leibesfrucht A b d a n k u n g des Gesetzgebers zugunsten des Richters 33 A b k ü r z u n g des Lebens 102 f. Abschalten lebenerhaltender Geräte 103 Absicht des Gesetzes 25 — Tod herbeizuführen 103 ff. absichtliche Tötung 108 Abstimmungen der Menge 117 Abtreibung 52 A. 134, 55, 65 A . 186, 84, 90, 92, 106 A . 315, 107 ff. — ab dem 6. Monat 95 A . 287 — der Geburt eines unerwünschten Kindes vorzuziehen 95 A . 287 — ethisch nicht vertretbar 72 — gesetzwidrig 72 — Idee der . . . von jener des Tötens zu trennen 94 — i n Rom 22 — Lehre der Kirche unveränderlich 92 — medizinisch nicht indizierte 98 — rechtswidrig 72, 96 — u n d Euthanasie 83, 99 s. a. Abbruch der Schwangerschaft, Fruchtabtreibung, Schwangerschaftsabbruch, Schwangerschaftsunterbrechung, Tötung des Ungeborenen, Vernichtung der Leibesfrucht Abtreibungsverbot, Bundesrepublik 158 Achtung des Familienlebens 173 — vor dem Leben 66 A. 189 — vor dem menschlichen Leben 97
von der Empfängnis an 47 A. 117 — vor der menschlichen Person 108 Achtungspflicht des Staates gegenüber Grundrechten 43 Adamovich, L. 27 A. 46, 31 A. 57, 41, 59 A. 163, 132, 134, 153, 174 Alleinherrscher 121 A l t e r 64 — als Grenze f ü r Tötung 144 Altersgrenze, Entzug des menschlichen Lebens an . . . geknüpft 142 Altersgruppe aus Schutz des Lebens ausgenommen 167 Altersunterschied als K r i t e r i u m f ü r Zulässigkeit der Tötung 172 Amerikanische Menschenrechtskonvention 43 A . 103, 52 A. 136, 142 A m i n , I. 80 Analogie 25, 146 Analogieschluß 42 A . 99 Anfechtung der Fristenlösung 120 angeborene Rechte 40, 71 Angehörige (Familie), Belastung der 56,104 Anklage gegen Richter des V e r w a l tungsgerichtshofes 120 A. 349 Anspruch auf den Schutz der Gesetze 37, 40, 73 — auf Rechtsschutz 119 Ansprüche der Menschen 123 Anstaltsordnung (Krankenanstalten) 73 A . 217 Antigone 71 A n t i n o m i e der Wertungen 59 A. 160 Antoninus Caracalla 68 A . 195 A n t r a g der Salzburger Landesregier u n g v o m 15. März 1974 18, 23 A. 24, 26 A. 42, 37 f., 42 A . 100, 48 ff., 131 ff., 152 ff., 164, 174 Apollo Pythius 89 A. 268 archaischer Zustand der Rechtswissenschaft 29 A . 49
Personen- und Sachregister Arglist 40 A . 95 argumentum a maiori ad minus 25 — a m i n o r i ad malus 25, 41 f. — e contrario 25, 42 A. 99 Aristokratie 71, 111, 121 f. Aristoteles l l l f . , 115 f., 118, 121, 123 ff. A r z t 114 f. — Ermächtigung zur Tötung 58 A . 157 — Gelöbnis 98 — keine Ermächtigung zur A b t r e i bung 47 A. 117 — nicht ermächtigt zu töten 96 — staatliche Normen f ü r den 101 — unmöglich, alles für i h n gesetzlich zu regeln 101 — Verfügung über das Leben 103 — Vertrauen zum 105 f. Ärztekammer, österreichische 47 A. 117, 72, 96, 98 ärztliche E t h i k 72, 96, 98, 100 f. — M o r a l 78, 100 Atemgeräte 108 Atemmaschine, Abschalten der 103 Athener 112 A t m u n g 104 Atmungsapparat 104 f. Atzert, K . 117 A. 336 f. Aufwand, unzumutbarer 105 Augustinus 91, 125 A. 364 Auslegung 48 — Beschränkung auf Wortinterpretiation 29 — diie nicht fehlerhaft ist 36 — völkerrechtlicher Verträge 156 — wissenschaftliche 30 s. a. Interpretation Auslegungsgrundsätze, anerkannte 68 — der römischen Rechtswissenschaft 25 Auslegungsmethoden 38 Auslegungsregeln 48 — der Amerikanischen Menschenrechtskonvention 52 A . 136 Autonomie der Frau 44 f. Baumann, J. 158 f., 167 behinderte K i n d e r 95 A . 287 Belastung der Angehörigen (Familie) 56, 104 — für die Nation 82 — menschliches Leben als 124 Bequemlichkeit 82, 165 Beratung der Schwangeren 55 Berger, H. 54 A. 143, 55 A. 147, 70 Bernhardt, R. 156 Bertolini, R. 148 Beseelung 92, 93 A. 281 Betäubungsmittel 102
181
Bettermann, K . A. 135, 154 Bewachung der Leibesfrucht 21 A. 19 bewußtloser Kranker, W i l l e des 104 Bewußtsein, Ausschaltung durch N a r k o t i k a 103 Bewußtseinswandel 123 B i l l of Rights Virginia 136 f., 173 Biologie 92, 123 Bischöfe, österreichische, Worte der . . . zum Schutz des menschlichen Lebens 23 A . 27, 89 A. 270 Blechschmidt, E. 44 A. 109 Blutabnahme, zwangsweise 134, 152 f. Bockelmann, P. 154 f., 167 Bodenheimer, E. 41 A . 97 Boenig, H. 148 Boettâcher, W. 101 A. 307 Böhm, P. 33 A. 62, 34 bonum commune 100, 116 A. 332 s. a. Gemeinwohl Braun, P. 84 A. 255 Bringewat, P. 84 A . 255 Broda, Ch. 17 A. 1, 19, 26, 39 Α. 88, 45 A. I l l , 61 Α. 173, 63, 64 Α. 182, 65 Α . 186, 120 Α. 349, 126 Α. 366 B r u t a l i t ä t 122 — grundlose 95 — Neigung zur 63 Α. 179, 66 Α . 189, 75, 122 Büchner, F. 174 Buergenthal, T. 155 Bundesgerichtshof 136, 141 Bundesrat 70 Bundesregierung 64 A . 182 — Äußerung der 37 f., 44 A. 108, 49, 54, 56, 68 A. 197, 150 ff., 164 ff. Bundesverfassungsgericht (Karlsruhe) 18, 23 A . 24, 26 f., 36 A . 78, 42 ff., 46 A . 115, 60, 120 Burke, E. 122 A . 351 Bydlinski, F. 24 A. 32, 28 A . 49, 30 ff., 40, 42 A . 99, 66 A . 188, 68 f., 72, 112 A. 324 Byrn, R. M. 94 California 83 A. 255 Calvin 173 Caracalla, Antoninus 68 Α . 195 Casti connubii 86, 91 Celsus 25 A . 37 u n d 39, 49 A. 123 Chaimowicz, Th. 122 A. 351 christliche M o r a l 102 Cicero 23 A . 27, 34 A. 64, 40 A. 95, 66 A. 189, 71, 87 ff., 99, 111 f., 116 f. civilis ratio 23 Coretti, E. 44 Α . 109 Crosby, J. F. 93 Α. 281 curator 21 — f ü r das ungeborene K i n d 20
182
Personen- und Sachregister
Dänemark, Fristenlösung 157 — Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch 169 Danner, J. J. C. 71 A . 211 Death w i t h D i g n i t y bills 83 Α. 255 demagogisch 116 Demokratie 57/., 71, 111, 118, 121 f., 124, 127 — athenische 116 — durch Grundrechte l i m i t i e r t e 113 A. 328 — Entartung der 63, 127 — parlamentarische 113 demokratische Gesellschaft 144 — Ordnung 144 — Rechte u n d Freiheiten 168 — Rechtsordnung 156 — Republik 166 — Staaten 82, 113 — Staatsführung 125 A. 364 demokratischer Rechtsstaat, n a t u r rechtliche Grundlage 174 — Staat 143 f., 158 demokratisches Prinzip der Gleichheit 143, 161 — Staatswesen 166, 170 Deynet, Κ . A . 141 Differenzierungen, unsachliche 134 D i k t a t u r 63, 112 Diodor von Sizilien 90 f. Diskriminierungsverbot 144 Dispositionsfreiheit über das Leben des nasciturus 44 Dölger, F. J 22 A. 20 f., 90 f., 92 A. 278 Donelluis 173 Dreimonatsfrist bei Fristenlösung 44, 54 ff. — entspricht sachlichen Notwendigkeiten 151 — Ungleichbehandlung vor und nach A b l a u f der 54 f. Drexler, H. 122 A. 351 D r i t t w i r k u n g der Grundrechte 43, 139, 141 — mittelbare 171 — unmittelbare 171 D r i t t w i r k u n g s p r o b l e m nach GG 171 Drohungen gegen den A r z t 47 A. 117, 97 Dürig, G. 43, 137, 139, 167, 171 Eckert, F. 18, 20 A . 9 Edelmayer, A . 174 Egoismen, Einzel-, Gruppen- 111 egoistische Interessen, Kräfte, Ziele 118 Ehe 86 Ehefrau, einseitiges Recht das K i n d töten zu lassen 145 — Willkürentscheidung 173
Ehemann 68 A. 195, 169, 173 — W i l l e des 161 f. Eigentum 51, 173 — Leibesfrucht hat ein Recht auf Unverletzlichkeit des 153 — Unverletzlichkeit des 132, 166 Ungeborener 168 Eigentümer 132 eindeutige Normen 32 — durch Interpretation zu verstehen 35 A. 74 einfache Mehrheit 114 Eingriffe des Staates 162 — i n das Leben 134 f. hoheitliche 155 — i n Grundrechte von nichtstaatLicher Seite 50 — w i l l k ü r l i c h e i n dias Recht auf Leben 152 Einheit des Lebens von der Empfängnis bis zum Tode 107 — des Schutzobjektes menschlichen Lebens 56 Einsicht 114 f., 121 Einsichten 31 A. 56 Einwohner 53 — n u r bereits geborene Menschen 160 — Österreichs 143 f. auch Ungeborene 172 Embryo als Teil der mütterlichen Eingeweide 68 A. 195 — Töten des, ein vorweggenommener M o r d 91 A. 276 Embryologie 91 A. 276, 92, 123 — moderne 83 Empfängnis 37, 67, 69, 73, 83, 97, 107 — Achtung vor dem menschlichen Leben von der . . . an 47 A. 117 — Beginn der menschlichen Existenz 147 des individuellen menschlichen Lebens 93 A . 281 — Gifte gegen 92 — Lebensrecht v o m Zeitpunkt der 92 ff., 139 ff. — menschliches Leben beginnt m i t der 94 f. verläuft von der . . . bis zum Tode kontinuierlich 123 — Schutz des Lebens v o m Augenblick der . . . an 47 A. 115, 52 A . 134, 142 — Unsicherheitsspielraum bei dem Zeitpunkt der 54 f. — Z e i t p u n k t der f ü r status maßgeblich . . . 20 Engelhardt, Η . T. 93 A. 281 Enneccerus, L. 141
Personen- u n d Sachregister Ent, H. 69 A. 198 Entartung der Demokratie 24, 63 — des Staates 116, 127 — legitimer Verfassungsformen 71 — von Staatsordnungen 111 Entscheidung der Wähler 113 — des Rechtsfalles ist Setzung neuen Rechts 33 — über das Leben dem Staat entzogen 139 Entscheidungsfindung, demokratische .. . über Leben u n d Tod 106 A. 315 Entscheidungsfreiheit 17 Α . 1 Entscheidungsgrunidlage f ü r das Gericht 35 Entscheidungshilfe für den Richter, Rechtsgutachten 36 Entwicklung 56 — der Leibesfrucht 54, 151 — des Men-schen ab der Empfängnis kontinuierlich 147 ff. Entzug des Lebens nach Altergrenze 142 — w i l l k ü r l i c h e r 135 Entzug des Rechtsschutzes 120, 167 erbkranker Nachwuchs 6Θ A . 201 Erhaltung des Lebens, künstliche 108 Erkennbarkeit außerposdtiver N o r men 41 A. 96 — der Normen der N a t u r 88 Erkennen der Rechtsgrundlagen 86 — des Lebensrechtes 107 — was von der Natur aus gut ist 87 Erkenntnis der Wahrheit 75 — des objektiven Norminhaltes 35 — des Rechts 27, 48 Aufgabe der Rechtswissenschaft 35 Setzung neuen Rechts 32 — des vorgegebenen Rechts 33 — verengtes Verständnis des Begriffes 34 — von Normen 27 — wahre 114 f. Erkenntnisfähigkeit 107 Erkenntnisvermögen, allgemeines 88 E r k l ä r u n g der Kongregation für die Glaubenslehre über den Schwangerschaftsabbruch 23 A. 27, 87 A. 263, 89, 91, 108 — über die Euthanasie 74 A. 221, 109 A. 320 Ermacora, F. 39, 47 A. 116, 134 f., 153, 166 Ermächtigung des Arztes zur Tötung 58 A . 157 — zur Tötung 166 Staat vermag keine zu geben 95 f. Ermessen des Gerichts 28
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— freies . . . von Rechtsgenossen, das Leben anderer zu vernichten 45 Eser, A. 57 A . 152, 83 f., A. 255, 94 A. 285 Ethik, ärztliche 98, 100 f. — alte, machte es nötig, die Idee der Abtreibung von jener des Tötens zu trennen 94 — der Ehrfurcht vor menschlichem Leben noch nicht verworfen 94 — natürliche 97 A . 295 — neue 94 f. eugenische I n d i k a t i o n 69 A. 201 Europäische Ärzteaktion 55 A. 144 — Menschenrechtskonvention 67, 73 s. a. Quellenregister Euthanasie 44 A. 108, 45 A. 111, 46 A . 114, 56 62 A. 117, 66 A. 189, 74, 99 //., 107 ff., 124 — an Geisteskranken 102 A. 309, 119 — aus Zweckmäßigkeitsgründen 83 — Declaratio de euthanasia 109 Α. 320 Gesetzesanträge betreffend 83 — k a n n nicht gestattet werden 85 — und Abtreibung, Zusammenhang zwischen 83 — verfassungsrechtliche Rechtfertigung der 56 Euthanasiediskussion 74 Evers, H.-U. 27 A. 45 f., 71 A. 211 Existenz als Rechtsträger für alle Grundrechte vorausgesetzt 168 — außerpositiver Normen 41 A. 96 Existenzvernichtung des Ungeborenen 173 Exzeß 59 Faller, A. 44 A. 109 Familienleben 145 — Achtung des 161, 173 Fawcett, J. E. S. 46 A. 115 Fehlentscheidung des V f G H i m F r i stenlösungserkenntnis 120 Fikentscher, W. 41 A . 97, 43 A . 103, 113 A . 328 Fleisch, H. 156 f. Florida 83 A. 255 Folter 108 Formalargumente 120 Fortschritt 87, 98 — der Menschlichkeit 82, 84, 118, 123 Fortschritte seit der römischen Rechtswissenschaft 31 A. 56 Frau, Autonomie der 44 f. fraus legi facta 38 Freigabe der Vernichtung menschlichen Lebens 57 Freiheit 173 f. — der Person 41, 132
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Personen- und Sachregister
— des Tötens 141 f. — i m Zweifel f ü r die 141 — persönliche 132 Freiheiten, demokratische 168 Friesenhahn, E. 36 A . 78, 42 A. 100, 61 A . 173 Fristenlösung 17, 19, 23 A. 24, 26, 28, 34, 44 f., 48, 56, 61, 63 ff., 66 A . 189, 68 ff., 72, 92 A . 281, 119 f., 123 ff., 150 ff., 165 f. — Anfechtung wegen Verfassungsw i d r i g k e i t 119 — Dänemark 157 — Differenzierung keine w i l l k ü r l i c h e 161 — erlaubt w i l l k ü r l i c h e Tötung 166 — Konsequenzen der 169 — Schweden 157 — Straffreigabe der Tötung menschlichen Lebens 65 A. 186 — Straffreistellung durch 154 — Ungleichbehandlung bei 165 — Unrecht der 120 — verfassungswidrig 46 A. 115, 47 A. 117, 58, 120, 131 ff., 135, 140, 174 — Zweck der 151 Fristenlösungserkenntnis des V f G H 33 f., 48 ff., 63 f., 83 A . 254, 126 f. Fristenregelung 145 Fritsche, P. 84 A . 255 Frowein, J. A. 52 A . 134 Frucht i m Mutterleib, Entwicklung der 54 Fundamente freier menschlicher Gemeinschaft 125 A. 364 Gaius 20, 23 v. Galen, C. A . 76 A. 227, 105 f. Gaskammern 128 A . 367 Gaudium et spes 92 f. A. 279 und 282, 108 A . 318 Geborene 37, 42, 53, 132 — Schutz des Lebens 41 — ungeborene K i n d e r als . . . angesehen 20, 38, 67 Geburt, unschädlicher als jede A b treibung 55 Geburtenkontrolle, unerlaubte, P r a k t i k e n der 86 v. Geisau, H. 122 Geisteskranke 106 A.315 — Euthanasie bei 102 A. 309 — Sinn des Lebens 102 A. 309 — Tötung 102 A. 309 Geisteswissenschaft 34 Geiz 89 A. 268 Gelderwerb 98 Geltung von Rechtsnormen 30 f., 34 Gemeinschaft, menschliche 125 A . 364 Gemeinwohl 100, 111, 114 ff.
— K r i t e r i e n für 115 — unlösbares Problem 115 A . 332 Genauigkeit, soweit es die N a t u r des Gegenstandes zuläßt 115 A . 332 Genfer Deklaration 47 A. 117, 58 A. 157, 97 f. Genfer Eid 97 f., 100 Genußsucht 87 f., 112 gerecht, nicht alles i n Gewohnheiten und Gesetzen der Völker 112 gerechte Gesinnung 116 — Ordnung 111, 117 f. gerechteste Männer 122 Gerechtigkeit Ulf., 118, 122, 125 A. 364 — absolute 111 — A k t e der 80 — allgemeine Grundsätze der 40 A . 95 — objektiver Maßstab der 40 A. 95 — Tugend der 116 — Ubereinstimmung m i t Naturrecht 116 f. Gericht, Entscheidungsgrundlage für das 35 — unabhängiges 126 A. 366 Geschworenengerichte, ähnlich wie 106 A.315 Gesellschaftsveränderungen 59 Gesetz 116 — das wahre 117 — der Götter, ungeschriebenes 71 — gutes 117 — politische Willensentscheidung der Volksvertretung 35 — unantastbares 117 Gesetze 122 — Abschaffung von 124 — Änderung der 124 — der Völker 112 — gegen Fruchtabtreibung 90 — Schutz der 73 Gesetzesanfechtung 120 Gesetzesflut 101 Gesetzestext, nahezu beliebig m a n i pulierbar 30, 35 Gesetzgeber 64 A . 182, 73 — älterer und neuerer Zeiten 68 — dankt zugunsten des Richters ab 33 — einfacher 60 — I r r t u m des 41 A. 95 — und V f G H 27, 34, 57, 113 — W ü l e des 70 Gesetzgebung verflossener Jahrtausende 80 Gesetzgebungsakt 70 Gesetzgebungsakte können aus V e r brechen nicht rechtmäßige A k t e machen 82
Personen- u n d Sachregister gesetzwidriger Vertrag 72 Gesetzwidrigkeit (Paranomia) 122 Gesinnung, gerechte 116 — ungerechte 116 gesundes Volksempfinden 23, 25, 63 A. 178 Gesundheit der M u t t e r 44 Gewalt 121 Gewalttäter, schamlose 87, 116 A. 334 Gewalttätigkeit 122 Gewissen des Arztes 100 f. — rechtliches 73 f. Gewohnheiten der Völker 112 Gewöhnung an das Töten 106 A. 315 Gift, tödliches 97 Gleichheit 152, 154 — der Geschlechter i n der Ehe 145 — des menschlichen Lebens 56 — Grundrecht auf 143 ff. n u r i n bezug auf bereits geborene Menschen 161 — vor dem Gesetz 143 ff., 161 Gleichheitsgrundsatz 143 ff. Gleichheitsrecht 134 — Ungeborener 168, 172 Gleichheitssatz 51, 53 ff. — besonderer 143 Gnosis 106 Α. 315 Goerlich, Η . 42 Α. 100 Golsong, Η . 156 Gorgias 34 Α. 64 Gott spielen 106 Α. 315 Goulon, M. 84 Α. 255 Graber, G. H. 44 Α. 109 Grausamkeit, leidenschaftliche 92 Grenzen, dem Menschen gesetzte 122, 124 — legitimer Herrschaft 112 — moralische 120 — staatlicher Legitimität 121 ff., 127 Grimm, D. 19, 23 A. 24, 26 f., 42 A. 98 und 100, 43 A. 104, 60 f., 120 A. 348 Groiss, W. 27 A. 46, 56 A. 151 Groner, J. F. 75 A. 224—314 passim, 76 Größenschluß „ v ö l l i g wertlos'* 42 A. 99 s. a. argumenta a maiori ad minus und a m i n o r i ad maius Gruchmann, L. 25 A. 36, 46 A. 114, 58 A. 157, 62 A. 177, 63 A. 178, 69 A. 201, 99 A. 299 Grundgesetz (GG) 19, 26 s. a. Quellenregister Grundgesetze f ü r sicheres menschliches Zusammenleben 75 f., 82 Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit 126 f. — legitimer Herrschaft 111
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Grundrecht auf Leben 42 f., 50 f., 76 ff., 79 A. 241, 153 f. — i n der österreichischen Verfassung nicht vorhanden 152 — kein Vorrang des 162 f. — naturrechtliche Begründung 77 Grundrechte 39, 51 — Bindung der Gesetzgebung an 43 — gelten auch für das Verhältnis von Privatpersonen untereinander 170 f. — Grenzen der 113 A. 328 — Inter dependenz 162 f. — Staatsgerichtetheit 154 f., 167 — unabstimmbare 113 A . 328 — unantastbare 113 A. 328 Grundrechtsansprüche, inhaltliche Konkretisierung i n der Gesetzgebung 43 Grundrechtscharakter der fundamentalen Bestimmung des A B G B 39 Grundrechtsordnung 42, 73 Grundrechtsschutz 57 Grundrechtstheorie des V f G H 27, 60 f. Grundrechtstheorien 61 — entgegengesetzte 26, 60 Grundrechtsträger 61 — der M R K 171 Grundrechtsverpflichtete der M R K 171 Grundrechtsverständnis 61 — des B V f G 28 — des V f G H 28 Grundund Freiheitsrecht auf Gleichheit 134 — auf Leben 132 G r u n d - und Freiheitsrechte 165 — naturrechtliche Elemente der 174 — richtiges Verständnis der 174 — setzen Recht auf Leben voraus 152 Grundwerte 24 — der Rechtsordnung, Verbundenheit m i t den 65 A. 186 — der Verfassung 58, 64 — Schutz verfassungsrechtlich v e r ankerter 59 Guardini, R. 23 A. 24, 36 A. 78, 39 A. 88 Gunst des Volkes 116 Guradze, H. 136, 139, 141, 155 f., 156, 162 Gutknecht, B. 113 A. 328 Habsburg, O. 64 A. 182, 126 A. 366 Habsucht 89 A.268 Hamann, A. 139 f. Handlungsfähigkeit 21 A. 18, 67 A. 191 Häring, B. 84 A. 255 Hatch Amendment 52 A. 134 Hauser, W. 45 A. 111, 65 A . 186
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Personen- und Sachregister — Voraussetzung der Möglichkeit einer 27 f., 32 Interpretationslehre der Reinen Rechtslehre 27, 49, 58 Interpretationsmethoden der klassischen römischen Rechtswissenschaft 35 Interpretationsmittel, übliche, „ v ö l l i g wertlos" 42 A . 99 Interpretationstheorie der Reinen Rechtslehre 28 ff. Interpretativer Formalismus 29 A. 49 I n v a l i d e n 105 f. A.315 I r r t u m 87 — des Gesetzgebers 41 A. 95 ius divinum positivum 76, 99 — naturale 76, 99
Hausrecht 132 Heer, F. 45 A. 111 heilen 78 Heldmann, H. H. 158, 163 Heldrich, A . 141 Hemmungen gegen das Töten 106 A.315 Henkel, H. 29 A. 51, 41 A. 97, 80 A. 243 Hense, O. 90 A. 273 Herrschaft, Grenzen legitimer 112 Herzog, R. 43, 115 A. 332, 137, 139, 158, 171 Herztöne 139 Hesiod 87, 116 A. 334 v. Hildebrand, D. 89 A. 267 Hinrichtung Schwangerer vor Geburt verboten 90 Hippokrates 96 f. Hitler, A. 58 A. 157, 69 Hobbes, Th. 173 Höchstgerichte, widersprechende E n t scheidungen 126 A. 366 Hofmann, H. I l l A.321, 113 A. 328, 121 A . 350 Honoraranspruch aus Abtreibungsvertrag 72 Horak, F. 31 A . 56 H u m a n Life B i l l 52 A. 134 Hybris 122 f.
Jäger, H. 23 A. 29 Jahn, G. 45 A. 111, 65 A. 186 Johannes Paul I I . 75 A. 224, 92 A . 279 j u d i c i a l self-restraint 35 Jugendwohlfahrtsgesetz 140 J u l i a n 20 Jurisprudenz als hermeneutisch verfahrende Geisteswissenschaft 34 juristische Person, Leibesfrucht (Ungeborener) 133, 146 f., 152 juristische Personen 172
Ideologie 112 A . 324 Indikation, eugenische 69 A. 201 — medizinische 173 Indikationen 140, 142 — Straffreiheit bei Vorliegen von 39 A. 88 Indikationenlösung 17 A. 1, 65 A. 186, 66 A. 189 Indikationsvorschriften 142, 154, 157 Individualbeschwerde nach Tötung nicht möglich 141 I n d i v i d u a l i t ä t des gezeugten M e n schen 165 — des Lebens 147 in fraudem legis, Argumentation 38 I n j e k t i o n 105 — tödliche 103 I n s t i n k t 85 Integrität, körperliche 134 Interesse der Mutter, jegliches 173 Interessen der Schwangeren 165 — egoistische 118 Interessenabwägung zwischen Recht der M u t t e r und Interesse des Mannes an Nachkommenschaft 162 Interessenkonflikt bei Schwangerschaft 150 f., 165, 173 Interpretation 29, 32 f. — rationale 36 A. 75
Kafka, G. E. 64 A. 182 Kägi, W. 45 A. 111, 72 A. 214, 97 A. 296, 125 A . 364 Kaiisch, R. 84 A. 255 K a m p f u m das Recht 127 Käser, M. 21 A. 16 u n d 19, 38 A. 87 Kautzky, R. 84 A. 255 Keimendes Leben 52 — Schutz des 139 ff. Khol, A . 156 Kelsen, H. 27 ff., 32 f., 40 ff. A. 97 und 99, 69 A. 204, 122 A. 354 Kern, E. 139 K i n d i m Mutterleib, Töten des 139 — neugeborenes 56 — unerwünschtes 70 Kinder, unerwünschte 126 A. 366 — ungeborene 62 A. 177 Kindesmord 56, 164 Kirche, Lehre der 75 K i t t r i e , Ν. N. 57 A. 152, 94 f. A. 285 u n d 287, 106 A . 315 Klaus, J. 64 A . 182 Klecatsky, H. R. 24 A. 33, 31 A. 57, 48 A. 119, 58 ff. A. 156 und 163 f., 62 f. A. 177 u n d 182, 66 A. 187, 70 A . 204 Klein, F. 139 Köck, H. F. 77 A. 232 Kommissionen zur Freigabe der Tötung 106 A.315
Personen- u n d Sachregister Kommunistische Regime, Greuel 75 — Staaten 39 Konfliktsituation der Frau (Mutter) 17 A. 1, 162 — zwischen Interessen der Schwangeren und der Leibesfrucht 165 f. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über den Schwangerschaftsabbruch 23 A. 27, 87 A. 263, 89, 91 — E r k l ä r u n g über die Euthanasie 74 A. 221, 109 A. 320 K ö n i g t u m 121 f. Kontrollinstanz, V f G H als 113 Konsens, breiterer 113 — über Gemeinwohl 115 Konventionsnormen, Anwendbarkeit auf das Verhältnis der Privatpersonen untereinander 171 Kopp, F. O. 58 A. 155, 124 A. 363 Korinek, K . 27 A. 45 f., 113 A. 328 Körperliche Integrität 134 Kosten eines Krankenbettes 103 Kranke, unheilbare 124 Krankenbett, Kosten 103 Krankenkasse, Tötung auf Kosten der 128 A. 367 Kranker, bewußtloser, Wille des 104 Kratochwil, A. 174 Krebs 102 Kreisky, B. 47 A. 117, 72, 85 A. 258, 96, 98 Kreller, H. 24 A. 34 Kreon 71 f. Kreyssig, L. 102 A.309, 119 Kriele, M. 29 A. 49 K r i t e r i e n staatlicher Legitimität 121 ff125, 127 K r ü p p e l 56 K u l t u r , menschliche, Zersetzung der 108 f. K u n k e l , W. 81 A. 249 Landesregierung, Salzburger 18 f., 23 A. 24, 26, 37 f., 42 A. 100, 48 ff., 68 A . 197, 120, 131—149, 164—174 Lang-Hinrichsen, D. 23 A. 24, 36 A. 78, 42 A. 102, 44 f., 49 A . 123, 54 ff., A. 145 u n d 150 Larenz, K . 29, 31 A . 56, 33 f. A. 62 und 69 Last der Schwangerschaft 148 — unerwünschte 62 A . 177 Laster 87 f. Laufs, A . 141 Lay, H . W . 159 Leben, A b k ü r z u n g 102 f. — absolut unantastbar 57 A. 152 — Achtung vor dem menschlichen 97
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— des Menschen beginnt m i t der Zeugung 139 — des Unschuldigen unantastbar 82 — direkte Verfügung über das 102 f. — Eingriffe i n das 134 f. hoheitliche 138 von privater Seite 137 f. — Einheit des Schutzes 107 — Entscheidung über das . . . dem Staat entzogen 139 — Freigabe der Vernichtung 57 — Gegensatz zum 108 — Grundrecht auf 42 f., 50 f., 76 ff., 79 A. 241, 153 f. i n der österreichischen Verfassung nicht vorhanden 152 — G r u n d - und Freiheitsrecht auf 50 /,. 132 ff., 152 — I n d i v i d u a l i t ä t 147 — keimendes 52 Schutz des 139 ff. — Körperschaften zur demokratischen Entscheidungsfindung über . . . u n d Tod 106 A. 315 — lebensunwertes 51, 66 A. 189, 99 ff., 166 — menschliches 124, 127 auch vor der Geburt ein schutzwürdiges und schutzbedürftiges Rechtsgut 45 A. 111 verläuft kontinuierlich von der Empfängnis bis zum Tode 94, 123 — natürliches Recht auf 173 — Recht auf 69, 75 ff., 123, 173 des ungeborenen Kindes 67 ff. erstes der natürlichen Rechte 173 Schutz des 79 unbedingt 168 unteilbar 174 vom Augenblick der Empfängnis 139 f. — Rechtsschutz für das 119 — schuldloses, jedem direkten A n g r i f f entzogen 84 — Schutz des 41, 44, 61, 80, 123, 165 erste Aufgabe der Gemeinschaft 173 v o m Augenblick der Empfängnis an 142 wichtigste Aufgabe der Rechtsgemeinschaft 136 — Schutzfunktion für das 124 — Schutzlosstellung 46 A. 112, 51 — Schutzobjekt 54 Einheit des 56 — Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens nicht nach Phasen verschieden 44
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Personen- und Sachregister
— Sinn des . . . Geisteskranker 102 A. 309 — sinnloses 83 A. 255, 106 A. 315, 124 — soll gesetzlich geschützt werden 136 — strafrechtlicher Schutz des 165 ff. — Unantastbarkeit 124 — unerwünschtes 123 — ungeborenes 45 A . 111, 120 Freigabe der Tötung 64 A. 183 Verfassungsschutz für das 59 — Verfassungsschutz 61 — Verkürzung des 102 f. — Verletzung des 137 — Vernichtung menschlichen beim Schwangerschaftsabbruch 149 — Verpflichtung zum Schutz 136 f. — Volksbegehren zum Schutze des 64 f. — von der Empfängnis bis zum Tode kontinuierliche Einheit 83, 107 — Vorrang 57 A . 152 — W i l l k ü r bei Entzug des 134 — w i l l k ü r l i c h e Eingriffe i n das Recht auf 152 Lebensfähigkeit 151 — extrauterine 165 Lebensgut 81 Lebensqualität 95 A. 287, 150 Lebensrecht 78, 107, 119 — Bedrohung des 74 — Einheit des 99 — Erkennen des 107 — Grundrecht der menschlichen Persönlichkeit 84 — Mißachtung des 109 — Ungeborener 33, 89 ff., 99 — ursprünglich und unverletzlich 76 — v e r w i r k t 81 Lebensstandard, Absinken des 86 lebensunwertes Leben 51, 66 A. 189, 82, 99 ff106 A . 315, 166 Lechner, H. 18, 118 ff., 125 ff., 149 Legalität 63 A. 182, 126 A. 366 Legitimationsorgan 57 legitime Herrschaft, Grenzen 112 — Grundlagen 111 Legitimität der staatlichen Ordnung 111 — des (neuzeitlichen) Staates 64, 124 — Genzen staatlicher 121 ff., 127 — K r i t e r i e n der 121 ff., 125 — staatlicher A k t e 114 — Verlust der 109 Legitimitätsvoraussetzungen 124 Leibesfrucht 53, 138, 168 — Bewachung der . . . 21 A. 19 — hat n u r Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums 153
— i m A l t e r bis zu drei Monaten 145 — M i t t e l zur Vernichtung der 97 — nicht als Teil des Körpers der Schwangeren anzusehen 165 — nicht Mensch 157 f. — physische Person 133 — Recht auf das Leben 153, 163 — Rechte der 152 — Rechtsfähigkeit 169 — Rechtspersönlichkeit der 37, 133, 140 — Rechtswidrigkeit der Verletzung oder Vernichtung 37 — Schutz der 154, 156 f. — Tötung der, unabsichtliche 164 — Verhältnis der Schwangeren zur 150, 162 — Verletzung der 68 — Vermögensrechte der 37 f., 68, 153 — Vernichtung ihres Lebens rechtsw i d r i g 68 — Wert der nach Entwicklungsstad i u m verschieden 151 s. a. nasciturus, ungeborenes K i n d Leidenschaft, grausame 92 Leidenschaften 75 — zügellose 75, 85 ff. Leiminger, K . 32 A . 61, 34 A. 69 Leisner, W. 42 A. 100 Lejeune, J. 44 A. 109 L e n i n 118 Lesky, E. 97 A. 293 L i n k , Ch. I l l Α. 321, 117 Α. 337, 121 Α. 350 Locke, J. 173 Loebenstein, E. 113, Α. 328 Lückentheorie der Reinen Rechtslehre 28, 30 Lüttger, H. 159 v. Lutterotti, M. 84 A. 255 Machiavelli, 118 Macht 64 A. 183 Machtausübung, Rechtfertigungsgrund der 125 A. 364 v. Mangoldt, H. 139 Mao Tsetung 118 Marcian 20 A. 14 Marcie, R. 70 A. 204 Mark, K . 157 Marschall, K . 36 A. 78, 37 ff., 42 A. 98 u n d 101, 47 A. 116, 53, 133, 140, 142, 168 Martius, G. 148 M a r x , K . 118 Maunz, Th. 43, 137, 139, 167, 171 Mayer-Maly, Th. 24 A . 32, 30 A. 54, 31 A. 56, 32 A. 61, 35 f. A . 74 f., 40 A. 95, 69 A . 203, 101 A. 306, 115 A . 332
Personen- und Sachregister medizinische E t h i k 47 A. 117, 72 Mehrdeutigkeit der Normen 32, 48, 49 A . 123 — Voraussetzung jeglicher Interpretation 32 Mehrheit 64, 118, 119 — demokratische 80, 122 — einfache 58 — k a n n nicht legitimieren, wo M i n derheiten rechtlos gemacht w e r den 109 — und Verfassungsnorm 113 — Vertrauen i n eine 113 — W i l l e einer 113, 116 der einfachen 114 — Wunsch der 114, 118 Mehrheitsbeschluß 71, 113 — Schutz des Lebens resultiert nicht aus einem 124 Mehrheitsentscheidungen von Parlamenten 82 Melichar, E. 93 A. 281 Mendel, G. J. 96 Menge, Verordnungen der 117 — Wünsche der 118 — Zustimmung der 112 Menne, A. 56 A . 151 Mensch 38, 39 A. 88 — Beginn der Existenz m i t der E m p fängnis 147 ff. — das Gute i m 118 — fundamentalstes Recht des 123 — i m Rechtssinne, Ungeborener 135 — i n Vollendung 116 — kein . . . außerhalb des Rechtes 63,
126, 128
— kontinuierliche Entwicklung ab der Empfängnis 54, 147 ff. — Leibesfrucht nicht 157 f. — losgetrennt von Gesetz und Recht 116 — ohne Tugend 116 — Recht eines jeden 169 — ungeborener 132 f. — Würde des 136 Menschen, unproduktive 105 A. 315 Menschenleben, schuldloses 76 Menschenrecht auf Leben 132 ff. Menschenrechte 24, 75 A . 224, 101 — Allgemeine E r k l ä r u n g über die . . . der Vereinten Nationen 137 — natürliche 173 — und Grundfreiheiten, Entwicklung der 142 Menschenwürde 125 A . 364 — der . . . entsprechende Behandl u n g 162 — Mißachtung der 168 — Schutz der 158 f.
189
menschenwürdige Behandlung, Recht auf . . . steht auch dem K i n d zu 173 menschliche N a t u r 80 Menschlichkeit 97 — Fortschritt der 82, 84, 118, 123 — Gesetze der 47 A . 117 Messner, J. 63 A. 178, 115 A. 332, 121 A . 350 Methode richterlicher Rechtsanwendung 26 Methoden der Interpretation 19 — der Rechtswissenschaft 49 Methodologie der Reinen Rechtslehre 30 A. 55, 33 Minderheit 124, 167 — rechtlos gemacht 64, 109 Minderheitenschutz 142 f., 172 Minderheitsgruppen 144 M i n i m u m , gemeinsames 52 A. 134 Ministerkomitee des Europarates 46 A. 115 Mißachtung der Menschenwürde 168 — der Rechte anderer 81 — des Lebensrechtes 109 des nasciturus 23 — natürlicher Rechte 71 Mitleid, Tötung aus 84 A . 255 Modernität, Wesen der 106 A. 315 Modestinus 21 A. 15, 25 A . 39 Mommsen, Th. 22 A. 20 u n d 22 f. Monarchie, 71, 111 Moral, ärztliche 100 f. — christliche 102 — natürliche 102 — Normen der 107 moralisch-politische Anschauungen 30, 33 ff., 41 A. 95, 49 f., 57, 59 f., A. 164, 66 — des Gerichts 28, 48, 58 — des Richters 36 M o r d 45 A . 111, 108, 164 — an allen freigegeben 106 A. 315 — an Geisteskranken 102 A. 309 — Strafbarkeit 167 Morus, Th. 101 Moser, B. 135—138, 140, 144, 171, 173 Musonius Rufus 90 M u t t e r 44, 69 — Abtreibung für . . . früher ungefährlicher 145 — Privatleben der 46 A . 115 — Recht der . . . auf eigene Entscheidung 162 Mutterleib, Frucht i m 54 — Lebensfähigkeit außerhalb des 54 — ungeborenes K i n d nicht T e i l des 21 Nachkommenschaft, 145, 173 — eheliche 162
190
Personen- und Sachregister
Nachlaß, Teilung m i t dem K i n d durch Tötung zu verhindern 169 Nardi, E. 22 Α. 20, 90 Α. 272, 91 Α. 276 Narkose (Narkotika) 102 f. nasciturus 18, 21, 42, 54, 139 f. Satz 24 — Schadenersatzansprüche des 141 — Schutz des 44, 168 f. vor Schäden 141 Nationalrat (Österreich) 18, 65 A. 186 Nationalratsmehrheit 70, 72 Nationalsozialismus (NS-Herrschaft, NS-Zeit) 24, 39, 46, 62 A. 177, 63, 99, 106 A. 315, 119 — Greuel des 75, 80 natürliche E t h i k 97 A . 295 — Menschenrechte 173 — M o r a l 102 — Rechte 40, 71, 73, 173 Existenz der 40 Feststellbarkeit 40 — Rechtsgrundsätze 24, 33, 35, 40 A . 95, 49 A . 123 — Wahrheit 87 natürlicher Tod 105 natürliches Recht 41, 62, 82, 85, 122 — auf Leben 173 natürliches Rechtsbewußtsein 24, 63 — des Volkes 61 f., 65 A. 186 Natur der Sache 102, 103 A . 310 — des Gegenstandes 115 A. 332 — menschliche 80 — m i t der . . . i n Einklang stehende Ordnung 117 — N o r m der 117 Erkennbarkeit 88 — Ordnung 111 f. — von . . . aus gut 112 naturalia iura 39 naturalis ratio 23 Naturgesetz 78 Naturrecht 23, 77 85 f., 100 f., 116 f., 117 A . 337 s. a. ius naturale, naturalia iura, natürliche Rechte — bei den klassischen römischen J u risten 39 A . 92 — Gegensatz zum 107 naturrechtliche Elemente der G r u n d u n d Freiheitsrechte 174 — Grundlage des demokratischen Rechtsstaates 174 — N o r m 78 A . 233 Naturwissenschaft 34 A. 69 Naujoks, H. 36 A. 78 Neumann, F. L. 135, 139 f., 154 Nidation 92 A . 281, 140 Nipperdey, H. C. 135, 139 f., 141, 154 N o r m der Natur 117 Erkennbarkeit 88
— Mehrdeutigkeit der 32, 48 — naturrechtliche 78 A. 233 — Sinn der 36, 48, 66 u n d Zweck 66 — und tatsächliches Verhalten 98 — Wortlaut einer 36 Normen 118 — der ärztlichen E t h i k 72 — der M o r a l 100 f., 107 — eindeutige 32 durch Interpretation zu v e r stehen 35 A. 74 — Prüfung am Maßstab übergeordneter Normen 59 f. — staatliche für den A r z t 101 — vorgegebene 112 — zum Schutz menschlichen Lebens 96 Normenkonflikte 69 ff. Normenkontrolle 60 Norminhalt, objektiver 48 Normschöpfung des Gerichts 33, 48 — durch Richter 32, 36 Not i n der Welt 86 Notlage 123 Notwehr 156, 170 Notwendigkeit, sittliche 77 Novak, R. 19, 27 A . 46, 43 A. 104, 56, 60 A . 169, 126 A. 366 Nowakowski, F. 43 f., 50 f. Nützlichkeit 41 A. 95, 112 Nutzen der Partei 116 — der Regierenden 111, 116, 123 Oberster Gerichtshof (Österreich) 40 A. 95 Ochlokratie 24, 63, 71, 109 A. 319, 111, 124 Oestreich, G. 173 Oligarchie 71, 109 A. 319, l l l f . , 1211 Opsahl, T. 46 A . 115 Ordnung, demokratische 144 — der staatlichen Gemeinschaft 116 — gerechte 111, 1171 — m i t der Natur i n Einklang stehende 117 — staatliche 111 — von Natur 111 f. Ott, W. 33 A. 62, 41 A. 97, 56 A. 151 Pahr, W. 144 Palandt, O. 140 panem et circenses — Mentalität 62 A. 177, 63 A. 179 Papinian 22 A . 19 und 21 Paranomia 1221 Parlament 64 A. 182 Parlamentarischer Rat, Beratungen (1949) 46 A. 114 Parlamentsmehrheit 61, 63, 119
Personen- u n d Sachregister — einfache 57 f., 60 Partei, Interessen der 126 — Nutzen der 116 Parteimann 116, 118 Parteimänner 115, 125, 127 Parteitag der SPÖ 1963 63 A. 182 — i n Villach 1972 17 A . 1, 69 A . 201 Partsch, K . J . 138, 154 f., 158 f., 168 Pasteur, L. 96 Paul V I . 87 A . 263, 92, 108 Paulus, römischer Jurist, 21, 24 f., 38 A. 87 Pernthaler, P. 27 A. 46, 42 f., 46 f., A. 112 u n d 117, 50, 51 A . 131, 57 f., 61 f. Person, Achtung vor der 108 — Freiheit der 41, 132 — juristische 146, 172 Leibesfrucht als 152 Ungeborener 133 — nasciturus 21 — physische, Leibesfrucht 133 — Unantastbarkeit der 108 — Ungeborener 132 — unverletzlicher Charakter der 78 Personen, existierende 20 — physische 142, 172 Personenbegriff des A r t . 2 M R K 53 Personenrecht 67 A . 191 personenrechtliche Stellung des u n geborenen Kindes 21 Persönlichkeitsrechte 38 Perversion einer Staatsform 111 Philosophie 31 A. 56 physische Person, Leibesfrucht 133 physische Personen 142, 172 Piaty, R. 98 Piffl-Percevic, Th., 23 Α. 24, 46 Α. 112, 64 Α. 183, 71 f., 109 Α. 319, 124 f., 127 f. Pisko, Ο. 39 Α. 88 Pius X I . 87 Α. 263, 86, 91 Pius X I I . 18, 75—110 passim Platon 34 Α. 64, 65 Α. 186, 111, 114 ff., 121, 125 ff. Pluralismus 113 Politikerverantwortung 117, 127 Politische Willensentscheidung 57 f. politischer W i l l e 70, 73 Polybios 111, 121 f. positiv göttliches Recht 82 positives Recht 30, 41, 122 — Existenz 33 A. 62 — u n d Menschenrechte 173 Positivismus 29 A. 51, 31 A . 56 Positivistischer Wirklichkeitsbegriff 33 A. 62 — Wissenschaftsbegriff 33 A . 62 Präpositiver Grund privatrechtlicher Normen 39
191
Präsumption der Fortdauer des L e bens 79 A . 241 Prinzipatsverfassung, römische 122 A. 351 Privatleben (-Sphäre) 46 A . 115 Privatpersonen, Grundrechtsnormen auch f ü r das Verhältnis von . . . untereinander maßgeblich 171 — Tötung durch 138 progressive Zivilisation 106 A. 315 Prüfung von Normen am Maßstab übergeordneter Normen 59 f. Püschel, W. 107 Pythagoras 96 quality-of-live-ethic 94 f., 95 A. 287 ratio 23 A. 25 — civilis 23 — naturalis 23 Räuberbanden, große 41, 125 A. 364 Recht 116, 118, 126 A . 366 — auf Leben 50 f., 69, 75 ff., 123, 173 erstes der natürlichen Rechte 173 nicht v o m Staat 79 unbedingt 166 unteilbar 174 v o m Augenblick der Empfängnis 139 ff. von N a t u r aus 107 — auf menschenwürdige Behandlung steht auch dem K i n d zu 173 — auf Schutz des Lebens 79 — auf Sicherheit 174 — durch Volksbeschlüsse 117 — fundamentale Fragen des 123 — fundamentalstes 123 — K a m p f u m das 127 — natürliches 41, 62, 82, 122 auf Leben 173 — positives 30, 122 und Menschenrechte 173 — Verbundenheit m i t dem 122 Rechte, angeborene 40, 71 — der Leibesfrucht stets i n Relation zu Rechten der Schwangeren 162 f. — grundlegende 70, 119 — Mißachtung 81 — natürliche 40, 71, 73, 173 — u n d Freiheiten, demokratische 168 — Verletzung der 81 — vorgegebene 71 Rechtfertigungsgrund 72 — der Machtausübung 125 A. 364 Rechtfertigungsgründe 61, 170 rechtliches Gewissen 73 f. Rechtlosstellung von Menschen 64 A. 182
192
Personen- und Sachregister
Rechtsbewußtsein 24, 65 A. 186, 128 — der Welt 69 — natürliches 23 f., 63 des Volkes 61 f., 65 A . 186 — Zerstörung des 74 A. 221 Rechtserkenntnis 36, 58, 66 Rechtsfähigkeit (status) 20 f. — der Leibesfrucht 140, 169 — ungeborener K i n d e r 67 Rechtsfall durch Gesetz selbst noch nicht geregelt 32 — Entscheidung des . . . Setzung neuen Rechts 33 — N o r m bietet „mehrere Möglichkeiten der Lösung" des 32 — u n d N o r m 34 Rechtsfindung, richterliche 61 Rechtsfragen (gegen Rechtspolitik) 35 Rechtsgemeinschaft 61 — Schutz des menschlichen Lebens oberstes Gebot der 166 wichtigste Aufgabe der 136 Rechtsgenossen, Grundrechtsnormen gelten auch f ü r das Verhältnis von . . . untereinander 171 Rechtsgewissen 24 Rechtsgrundlagen der Menschen 78 Rechtsgrundsätze, natürliche 24, 33, 35, 40 A. 95, 49 A . 123 Rechtsgut, geschütztes 164 — „menschliches Leben" 44 Rechtsgutachten 36 Rechtsmystizismus 59 A. 161 Rechtsordnung, demokratische 156 — Ende einer verbindlichen 112 A. 324 — geltende 34 — Zweck der 48 Rechtspersönlichkeit (Teilrechtspersönlichkeit) 53, 135 — der Leibesfrucht 37, 133, 140 Rechtsphilosophie 29 A . 51, 33 A. 62 Rechtspolitik 35 Rechtspositivismus 30, 70 Rechtsprechung 35 f., 58 Rechtsschutz 126 — Anspruch auf 119 — Aufhebung des . . . für Ungeborene 124 — Entzug des 120 — für das Leben 119 — f ü r Ungeborene, Entzug des 83 — gegenüber Eingriffen des einfachen Gesetzgebers 60 — Gewährung 35 — Verweigerung 35, 64 A. 182 Rechtsstaat 45, 62 A . 177, 63 f., 109, 120, 124 f., 126 A. 366 — demokratischer, naturrechtliche Grundlage 174
— Kennzeichen des 74 — kein willkürliches Töten i m . . . 142 Rechtsstaaten 82 Rechtsstaatlichkeit 74, 109, 119 f., 125, 128 — Grundlagen der 70, 126 f. — Unrecht i m Namen der 121 Rechtsstellung ungeborener K i n d e r i m römischen Recht 20—25, 90 Rechtsträger 1461, 152 — Existenz als . . . für Grundrechte vorausgesetzt 168 — Ungeborener als 1321 Rechtstitel zu direkter Verfügung über schuldloses Menschenleben kann von keiner menschlichen A u t o r i t ä t gegeben werden 82 rechtswidrige Lösungen, die m i t Wortlaut der Normen vereinbar 36 Rechtswidrigkeit der Abtreibung 72 Rechtswidrigkeitsfolgen 73 Rechtswissenschaft, archaischer Z u stand der 34 — Aufgabe der 34 — Methoden der 49 — römische 31 A. 56, 35 f. — traditionelle 31 Reform der Verfassungsgerichtsbarkeit 66 Reformen, Verfassungsproblematik der 58 A . 156 Regierende 114 — Nutzen der 111, 116, 123 Regierungserklärung vom 5. 11. 1975 (Österreich) 61 f. Regierungspartei 60 Reis, H. 19, 39 A. 88, 42 A. 100 und 102, 46 A . 113, 47 A. 115 Relativismus 34 A. 64, 88 Richter als Gesetzgeber 33 — Rechtsgutachten Entscheidungshilfe für den 36 richterliche Normschöpfung bei E n t scheidungen des Rechtsfalles 32 Richterspruch 35 Right to Die bills 83 Α. 255 Ringhofer, Κ . 25 Α. 39, 30 Α. 53, 31 Α. 56, 32 ff., 40 Α. 95, 48, 60 Α. 164 Riquet, Μ . 84 Α. 255 Roe versus Wade 94 Α. 287 Roellecke, G. 158 Rohrbasser, Α. 86 Α. 262 römische Rechtswissenschaft 35 f. römisches Recht 20 ff., 67 Rosenzweig, W. 27, 341, 39 A. 88, 46 A . 113, 57—61, 113, 120, 135 Rousseau 118 Rudolph! H. J. 159
Personen- u n d Sachregister Rundfunk-Volksbegehren 62 A. 177 Rüpke, G. 23 A. 24, 36 A. 78 sachlicher G r u n d für Ungleichbehandlung 144 Sackett, W. W. 83 A. 255 Sagmeister, R. 17 Α. 1 Salzburger Landesregierung 18 f., 23 A. 24, 26, 37 /., 42 A . 100, 48 f., 68 A. 197, 131—149, 164—174 Schadenersatzansprüche des nasciturus 141 Schäffer, H. 26 A. 45, 34 A. 69, 36 A . 75, Schambeck, H. 23 A. 24, 26 f. A. 45 f., 31 A. 57, 36 A . 78, 42ff„ 46 f. A. 115—117, 66 A . 189, 70, 73 f. A. 218 u n d 220, 75 A. 223, 80 A. 243, 83 A. 253, 96 A. 288, 99 A. 298, 103 f. A. 311 und 314, 111 A. 321, 113 A . 328, 140 Schantl, G. 27 A. 46, 56 A. 151 Scheuner, U. 139 f., 156 Schiffauer, P. 29 A. 49 Schild, W. 34 A. 69 Schleiermacher, F. 115 A. 329 Schluß a m i n o r i ad maius 25, 41 f. Schmerzbekämpfung 103 Α. 311 Schmerzen, unerträgliche 102 f. Schmidt, E. 141 Schorn, H. 136 f., 140 Schrammel, W. 40 Schranken, objektive f ü r Mehrheit 113 Schuldausschließungsgründe 170 Schulz, F. 22 A. 21, 29 A. 49 Schutz der Gesetze, Anspruch auf 40, 73 — der Minderheiten 142 f. — der Rechtsordnung v e r w i r k t 81 — der ungeborenen K i n d e r 37 — des Lebens 41, 44, 61, 80, 123, 165 Entzug des 167 erste Aufgabe der Gemeinschaft 173 strafrechtlicher 67, 137, 172 verfassungsrechtlicher 42, 67 Verpflichtung aller staatlichen Gewalt 42 A . 100 Verpflichtung zum . . . n u r gegen hoheitliche Eingriffe 155 Verwaltungsrechtlicher 137 v o m Augenblick der Empfängnis an 142 vor Angriffen von nichtstaatlicher Seite 170 wichtigste Aufgabe der Rechtsgemeinschaft 136 zivilrechtlicher 137 — des Lebensrechtes 108 f. — des nasciturus 44 13 Waldstein
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— des ungeborenen Lebens 36 keine Verpflichtung zum strafrechtlichen Schutz 158 — für unschuldiges menschliches L e ben unteilbar 83 — gesetzlicher des Lebens 136 f. — menschlichen Lebens 23 A. 27, 65 A. 186, 85, 96 keine Phase ausnehmbar 107 oberstes Gebot der Rechtsgemeinschaft 166 strafrechtlicher 165 ff. v o m Augenblick der Empfängnis an 47 A . 115 — strafrechtlicher 73 der Grundrechte 43 der Leibesfrucht 164 des nasciturus 22 ungeborenen Lebens 96 — verfassungsrechtlich verankerter Grundwerte 59 — vor Tötung 143 Schutzfunktion für das Leben 124 Schutzgebot an den Staat 136 Schutzlosstellung 62 — der schutzbedürftigsten F o r m menschlichen Lebens 46 A. 112, 51 Schutzobjekt menschlichen Lebens 54, 56 Schutzpflicht des Staates 23, 44, 139, 141 — bei Grundrechten 43 Schutzrichtung der Grundrechte 50 f., 56 f. schutzwürdige Phase menschlichen Lebens 123 Schutzwürdigkeit des ungeborenen Lebens, Bewußtsein von der 45 A . 111, 74 A. 221 — menschlichen Lebens nicht nach Phasen verschieden 44 Schwabl, H. 87, 116 A. 334 Schwangerschaft 54 — Last der 145, 148 Schwangerschaftsabbruch 45 A. 111, 54, 158, 162, 169 s. a. Abbruch der Schwangerschaft, A b t r e i b u n g usw. — Ausnahme von der Strafbarkeit 65 A. 186 — darf nicht aufgezwungen werden 160 — medizinische Gefahr 55 — strafloser 73 — Straflosigkeit 151 — strafrechtliche Behandlung 156 — verfassungsrechtliche Rechtfertigung des 56 — Vernichtung menschlichen Lebens 149
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Personen- u n d Sachregister
Schwangerschaftsgesetz, dänisches 157 Schwangerschaftsunterbrechung 25 A. 36, 69 A. 201, 138 Schweden, Entwicklung des Strafrechts i n 169 — Fristenlösung i n 157 Scupin, H. U. 167 Seifert, J. 31 A . 56 Selbstmord, f r e i w i l l i g e r 108 Selbstsucht 75, 85 ff., 95 self-restraint, j u d i c i a l 35 semantic gymnastics 61 Α. 173, 65 Α. 186, 93 Α. 281, 94 f. sensitivity-training 95 Α. 287, 106 Α. 315 Septimius Serverus 68 Α. 195 Sicherheit, Recht auf 174 Siegfried, W. I l l A.322 Sinn der N o r m 36, 48, 66 — der Rechtsordnung 49 A. 123, 68 — des Lebens Geisteskranker 102 A . 309 — des Rechts 35 Sinneswahrnehmungen 88 sinnloses Leben 83 A. 255, 106 A . 315, 124 Sitte 22 Sittenverfall 22 f., 87, 116 A. 334 sittliche Grundsätze 40 A. 95 — Notwendigkeit 77 Situationsethik 100 Skrein, F. 157 Solon 116 Solschenizyn, A . 118 Sophismen 65 A. 186, 125 Sophisten 115 Sophistik 126 f. Sophokles 71 Sozialdemokratie 61 Soziallasten, unerwünschte 51 Spaemann, R. 23 f. A. 24 u n d 31, 36 A . 78, 41 A. 97, 44 A. 109, 46 A. 112 u n d 114, 63 f., 75 A. 226, 109, 117 A. 337, 123 f. Spanner, H. 27 A . 46 Sparta 89 A. 268 spezielle G r u n d - u n d Freiheitsrechte setzen Schutz des Lebens voraus 42 Sporken, P. 94 A. 285 Staat, demokratischer 1431, 158 — Eingriffe des 162 — Grenzen des 78 — Legitimität des neuzeitlichen 124 — Schutzgebot an den 136 — Tötungshandlung des 166 Staaten, demokratische 82 Staatsangehöriger, Ungeborener 172 Staatsangehörigkeit 160
— juristischer Personen 146 — Ungeborener 146 Staatsbürger 132, 144 — Ungleichbehandlung von . . . und Fremden 145 f. Staatsbürgerschaft bereits geborener Menschen 161 Staatsformen, Grundtypen von 121 — monarchische 121 — tyrannische 121 Staatsführung, demokratische 125 A. 364 Staatsgerichtetheit der Grundrechte 43 A . 103, 49 ff., 154 f., 167 — nicht n u r 1701 Staatsgewalt 125 A . 364 Staatsgrundgesetz (StGG) 1867 (Österreich) 39, 41, 49, 132 Staatsmann 65 A . 186, 114 f., 1181, 127 — Verantwortung 118 Staatsmänner 125 Staatsordnung 122 — objektive, Voraussetzungen einer gerechten 116 Staatsordnungen 111 Staatsstreich 64, 125 A . 364 Staatsverfassung, richtige 114 Staatsverfassungen, Aufhebung der 124 Staatswesen, demokratisches 170 Staff, I. 102 Α. 309 Starck, Ch. 148 status 20 Steinocher, Κ . 120, 126 Stellungnahme der Salzburger L a n desregierung zur Äußerung der Bundesregierung 37 f., 68 A. 197, 164 ff. Sterben angenehmer machen 104 Sterilisation 69 A. 201, 138 Steuermann 1141 Stoessl, F. 71 A.211 Stoll, H. 141 Stolzlechner, H. 46 A . 115 Strafausschließungsgrund 72 Strafdrohungen n u r das letzte M i t t e l 159 Straf freigäbe der Tötung 45 A . 111, 65 A . 186 Straffreistellung durch die Fristenlösung 154 Strafgesetz, Rechtsbewußtsein b i l dende K r a f t des 62 A. 177 Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches 73, 151 — Dänemark 157 Strafpflicht des Staates i m Interesse verfassungsrechtlich gewährleisteter Grundwerte 43, 51
Personen- und Sachregister Strafrecht als M i t t e l des Schutzes 158 ff. — wichtigster Schutz 172 strafrechtlicher Schutz der G r u n d rechte 43 — der Leibesfrucht 164 — des Lebens 137, 172 — des nasciturus 22 — d e s Ungeborenen 96, 132 ff. Straf schütz, Verpflichtung zum 152 ff. Strahlenschutzgesetz 140 subjektive moralisch-politische A n schauungen 30, 33 ff., 41 A. 95, 49, 57, 59 f., 66 Suizid-Problematik 83 A . 255 Tacitus 101 Täterseite 164 Taylor, M. 83 A. 255 Teilrechtspersönlichkeit der Leibesfrucht 140 Terror 80, 121 T e r t u l l i a n 91 Tod, absichtliche Herbeiführung 104 — des Kindes 69 — direkte Herbeiführung 105 — Körperschaften zur demokratischen Entscheidungsfindung über Leben und Tod 106 A . 315 — menschliches Leben verläuft k o n tinuierlich von der Empfängnis bis zum 123 — natürlicher 105 — W i l l e den . . . herbeizuführen 103 f. Todesstrafe 77, 80 ff. Todesvermutung 79 A. 241 Toleranz, Sprache der 65 A. 186 totalitäre Herrschaft, Verbrechen unter 23 A. 29 Totalitarismen 106 A.315 töten (Töten) 61, 78, 97, 101, 124 — abgetriebener Säuglinge 95 A. 287 — des Kindes i m Mutterleib 139 — des ungeborenen Kindes 92 — eines Menschen 91 A. 276 — Gewöhnung an das 106 A . 315 — Hemmungen gegen das 106 A . 315 — i m A u f t r a g der öffentlichen Gew a l t 99 — notwendig, Idee der Abtreibung von jener des Tötens zu trennen 94 — straffreies 55, 144 — ungeborenen menschlichen Lebens 45 A . 111 — unproduktiver Menschen 106 A.315 — willkürliches 142 Totschlag, Strafbarkeit 167 Tötung 62 A . 177, 124, 126 A. 366 13*
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absichtliche 103, 108 auf Verlangen 164 aus M i t l e i d 84 A. 255 Bezahlung durch Krankenkasse 128 A. 367 — der Leibesfrucht 85 unabsichtliche 164 — des Kindes 84 als M i t t e l zur Rettung der M u t ter 82 — direkte 105 — durch Privatpersonen 138 — eines Kindes bei Geburt 151 — eines Unschuldigen 77, 81, 91 — Entscheidung über . . . durch K o m missionen 106 A . 315 — erlaubte 81 — Ermächtigung zur 58 A. 157, 166 — Freigabe der w i l l k ü r l i c h e n 39 A . 88, 171 — geborenen Lebens 172 — keine Ermächtigung zur . . . durch Staat möglich 95 — lebensunwerten Lebens 51 s. a. Euthanasie — Legalisierung der 45 A . 111 — nach der Geburt ungefährlicher 56 — Schutz vor 143 — Straf freigäbe der 45 A . 111, 65 A. 186 — Ungeborener 64 A. 183, 91, 144 — unschuldiger Menschen 80 ff. — von Geisteskranken 102 A. 309 — w i l l k ü r l i c h e 145, 169 menschenunwürdig 173 Tötungserlaubnisse durch M i n i m e h r heit 127 Tötungshandlung des Staates 166 traditionelle Rechtswissenschaft 31 Tugend 87 f., 118 — der Gerechtigkeit 116 — Menschen ohne 116 Twycross, R. G. 84 A . 255 Tyrann, V o l k wie ein 116 Tyrannen 80 A. 244 — Gesetze von 112 Tyrannis 71, 109 A. 319, 111, 122 tyrannische Staatsformen 121 Überbevölkerung 86 Übergriffe einer einfachen Parlamentsmehrheit 60 Ubermut des Volkes 122 Überschreitung der dem Menschen gesetzten Grenzen 122, 124 U l p i a n 22 A. 19, 25 A . 38, 68 A. 195 Umgehung des Gesetzes 25 unabstimmbare Grundrechte 113 A. 328 unantastbare Grundrechte 113 A . 328
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Personen- und Sachregister
unantastbares Gesetz 117 Unantastbarkeit der Person 108 — menschlichen Lebens 83, 93 A. 281, 124 unerwünschtes K i n d 70, 95 A. 287, 126 A . 366 — menschliches Leben 124 Unfruchtbarkeit, gewollte 90 Ungeborene (nicht Geborene, ungeborene Kinder, Ungeborener) 20 ff., 24, 52 A. 134, 53, 56, 62 A . 177, 67 ff., 123, 132 ff. — als Geborene angesehen 38, 67 — als Person 133, 145 — als Rechtsträger 132 f. — auch Einwohner 172 — Aufhebung des Rechtsschutzes für 124 — erbrechtliche Stellung 37 f., 169 — Grundrechtsträgerschaft 133 — i m Allgemeinen Landrecht 139 — Individualbeschwerde nach Tötung nicht möglich 141 — ist Mensch 146 — juristische Person 146 f. — Lebensinteresse des 165 — Mensch i m Rechtssinne 133, 135 — Minderheitenschutz 143 — Recht auf Leben 33, 50 ff., 67 ff., 89 ff., 99, 168 — Rechte nach der Konvention 47 A. 115 — Rechtserwerb 146 — Rechtssubjekte 144 — Sachwalter für 38 — Schutz der 37, 109 — Schutz des Lebens 42 — Staatsangehörigkeit 146, 172 — strafrechtlicher Schutz 44, 96, 132 ff. — Tötung 144 — verfassungsrechtlicher Schutz 41, 59 — von M R K geschützt 138 ff. s. a. keimendes Leben, K i n d i m Mutterleib, Leibesfrucht, nasciturus ungeborenes (menschliches) Leben 45 A . 111, 120 Ungleichbehandlung bei Fristenlösung 165 — strafrechtliche, der Ungeborenen nach A l t e r 145 ungerechte Gesinnung 116 Ungerechtigkeit 66 A. 189, 112 — A k t e der 80 Ungerechtigkeiten, Sensibilität für 123 unheilbar K r a n k e 124 unproduktive Menschen 105 A. 315
Unrecht 108, 119, 128 — der Fristenlösung 120 — i m Namen der Rechtsstaatlichkeit 121 — menschenunwürdiges 62 A. 177, 63, 69 unsachliche Differenzierungen 134 Unsittlichkeit der Abtreibung 22 Unverletzlichkeit des Eigentums 132, 166 — der Ungeborenen 168 unzumutbarer A u f w a n d zur Lebensverlängerung 104 f. Unzuständigkeit eines Gerichts 126 A. 366 U r t e i l — Willensakt 29 Urteile, richtige 29 USA 52 A. 134, 124 — Verfassung der 122 A. 351 utilitas 41 A. 95 Utz, F. 75 ff. A. 224—314 passim, 76 Vasak, K . 139 Verantwortung der Mitglieder des Volkes 116 — des Politikers 111 ff., 119 f., 127 — des Staatsmannes 118 — n u r gegenüber Wählern 116 — persönliche 119 — politische 114 ff. — staatsmännische 120, 126 — übergreifende 114 Verantwortungsbewußtsein, staatsmännisches 127 Verbrechen 112 Verdrängung der m i t Reformen verbundenen Verfassungsproblematik 58 A. 156 Verdross, A. 63 A. 178, 78 A. 239, 116 f. A. 332 u n d 337, 122 A. 354 Verengung des Gesichtskreises 33 Verfall der Sitte 87, 116 A. 334 Verfallserscheinungen 98 Verfassung der U S A 122 A. 351 — Willensentscheidungen des V f G H 49 Verfassungsbefehl 135 Verfassungsbegriff, formeller 39 „Verfassungsdämmerung" 31 A. 57 Verfassungsformen, Entartungen 111 — legitime 71, 111 — zyklischer A b l a u f 111 Verfassungsgerichtshof (VfGH) 18, 26—67 passim, 113, 119 f., 125, 126 A. 366, 131 ff. passim Verfassungsgericht und Gesetzgeber 57 Verfassungsgerichtsbarkeit, Konzept i o n der 60
Personen- u n d Sachregister Verfassungsgesetz 113 Verfassungsnorm u n d Mehrheit 113 Verfassungsrecht 119 Verfassungsschutz des Lebens 61 — für das ungeborene Leben 59 Verfassungsverdrängung 58 Verfassungswidrigkeit 119 — der Fristenlösung 47 A. 117, 58 ff., 120, 131 ff., 135 Verfügungsrecht der Schwangeren über die Leibesfrucht 165 Verkürzung des Lebens 102 f. Verletzung der Rechte anderer 81 — des Lebens 137 — des Rechtes auf Leben 108 Vermögensrechte der Leibesfrucht 37 f., 68 f. vermögensrechtliche Stellung des nasciturus 21 Vermutung der Fortdauer des Lebens 79 A. 241 — des Todes 79 A . 241 Vernichtung der Leibesfrucht 97 Vernunft 86, 107 — beschränkte 102 A. 309 — durch die . . . einleuchtende Rechte 71 — gesunde 78 f. Verordnungen der Menge 117 Verpflichtung der Vertragsstaaten zum Schutz des Lebens (MRK) 136 f. — zum Schutz des Lebens 44, 107, 139, 154, 160, 170 nicht i n bezug auf Ungeborene 158 n u r gegen hoheitliche Eingriffe 155 n u r i n bezug auf geborene Menschen 160 — zum Schutz des Rechtes auf Leben 109 — zum Schutz des Ungeborenen 134, 137 — zum Strafschutz 43 f., 152 ff. des Ungeborenen besteht nicht 158 — zur Gleichbehandlung 160 Verschiedenheit der Auffassungen 88 Verstehen der Normen 36 A. 75 Versteinerungstheorie 169 Verstümmelung 108 Vertrag, gesetzwidriger 72 Vertrauen i n eine Mehrheit 113 — zum Arzt 105 f. Verwaltungsgerichtshof 120 A. 349, 126 — Anklage gegen Richter des 63 A . 182, 120 A. 349
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Verweigerung des Rechtsschutzes 64 A. 182 V e r w i r k u n g des Schutzes der Rechtsordnung 81 Villach, Bundesparteitag der SPÖ, 1972 17 A. 1, 69 A. 201 Virginia B i l l of Rights 136 f., 173 V i r t , G. 99 A . 298, 103 A.311 Voegelin, E. 106 A.315 Vogel, K . 27 A . 46 V o l k als T y r a n n 116 — Gunst des 116 — Übermut des 122 — Verantwortung der einzelnen M i t glieder 116 — vermag v o m Naturrecht nicht loszulösen 117 — W i l l e des 62, 117 — Zügellosigkeit des 122 Völkermord 108, 160 Volksbegehren, Rundfunk 62 A . 177 — zum Schutz des menschlichen L e bens 45 A. 111, 64 f., 66 A. 189 Volksbeschlüsse, Recht durch 117 Volksempfinden, gesundes 23, 25, 63 A. 178 Volksgericht, A t h e n 116 Volksvertretung 35 Vollmensch 93 A. 281 Voraussetzungen, objektive einer gerechten Staatsordnung 116 Vorbehalt der Lebendgeburt 68 vorpositives Recht 41 Wähler 57 f., 114 — einfache Mehrheit der 58 — Entscheidung der 113 Wählerentscheidung 59 Wählerwille 113 Wagner, Reichsärzteführer 69 A. 201 Wahlen 113 Wahrheit (Wahres) 33 A. 62, 87, 125 — der Erkenntnis unabhängig von Weltanschauung des Forschers 96 — Erkenntnis der 75 — natürliche 87 — volle 126 Waldstein, W. 23 A . 27, 25 A. 40, 29 A. 51, 36 A . 75, 39 ff. A. 92 und 95 ff., 56 A. 151, 69 A. 198, 79 A. 242, 117 A . 336 f. u n d 341, 121 f. A . 350 u n d 354 Wallace, S. E. 84 Α. 255 Walter, R. 36 Α. 75, 132 Weinkauf f, H. 63 Α. 178 Weis, Κ . 84 Α. 255 Welan, M. 27 Α. 46, 56 Α. 151 Wernicke, Κ . G. 139 Wert der Leibesfrucht je nach E n t wicklungsstadium 151
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Personen- und Sachregister
Werte, unentziehbare 113 A. 328 Wertrelativismus 34 A. 64 Wertungen des Verfassungsgesetzgebers 59 A . 161 Wertungswiderspruch 59 A. 160, 69 Westermann, Ch. 31 Α. 56 White, M. 55 Α. 146 Whitehead, Κ . 83, 104 Α. 312 Wiche, R. 17 Α. 1 widersprechende Entscheidungen zweier Höchstgerichte 126 A. 366 Wieacker, F. 25 A. 35 Widerstand gegen Unterdrückung 173 Widerstandsrecht 121 Wiederbelebung 104 Wille, den Tod herbeizuführen 103 f. — der (einfachen) Mehrheit 113, 114 — des Arztes nicht auf Tötung gerichtet 105 — des bewußtlosen K r a n k e n 104 — des Ehemannes 161 f. — des Gesetzes 25 A. 39 — des staatlichen Gesetzgebers 70 f. — des Volkes 62, 117 — einer Mehrheit 116 — einer Partei 125 — menschlicher 78 — politischer 64 A. 182 f., 70, 73 Willensentscheidung der Wähler 58 — politische 57 ff. der Volksvertretung 35 des Gerichtshofes 34 f. Willensentscheidungen des V f G H 49 Willensentschluß des zuständigen Organs 31 Willke, J. C. u n d Β . H. 55 A . 147 W i l l k ü r 111 — ausgeschlossen 170 — bei Entzug des Lebens 134 f. — einseitige, verfassungswidrig 165 — u n d Recht 122 Willkürentscheidung der Ehefrau 173 w i l l k ü r l i c h e Tötung 142, 145, 169, 172 — Freigabe der 171 — menschenunwürdig 173 W i l l k ü r v e r b o t 134 Wimmer, N. 30 A. 55, 34 A. 69, 36 A. 75 Wirklichkeit, objektive 96
Wirklichkeitsbegriff, positivistischer 33 A. 62 Wissenschaft, moderne 106 A. 315 Wissenschaftsbegriff, positivistischer 33 A . 62 W o h l aller Bürger 116 — des (ganzen) Staates 116 Wohlergehen 82 Wolf, E. 36 A. 78, 141 Wolff, Κ . 24 Α. 32, 37, 39 Α. 88, 68, 157 Wollen der Menschen 85 W o r l d Federation of Doctors who Respect H u m a n Life 55 A. 144 Wortauslegung 29 s. a. Auslegung, Interpretation Wortlaut der Verfassung 34 — und Sinn der N o r m 36 Wunsch der Mehrheit 118 Wünsche der Menge 118 Würde des Menschen 95, 108, 136, 140 — angeborene 80 A. 244 Zeidler, W. 42 A. 100 Zeiller, F. v. 22 A. 19, 68, 93 A. 281 Zellvereinigung 148 Zeugung, Leben des Menschen beginnt m i t 139 — und Tod, biologische Existenz zwischen 165 Ziele, egoistische 118 Zivilisation, progressive 106 A. 315 Zügellosigkeit des Volkes 122 Zusammenleben, menschliches 110 — Ordnung des 111 Zusatzprotokolle zur M R K 136, 144 Zustimmung der Menge 112 Zwang, psychischer 108 Zwangsorganisation 125 A. 364 Zweck der N o r m 30 A. 55, 66 — der Rechtsordnung 48 — des Gesetzes 25 — des Rechts 35 — eines völkerrechtlichen Vertrages 156 Zweckmäßigkeit, Frage der . . . bei Schutz des Lebens 83 — politische 159 Zweidrittelmehrheit 59, 113