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German Pages 452 [456] Year 1906
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Problem des Lebens;
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DAS
PROBLEM DES LEBENS BIOLOGISCHE STUDIEN VON
EDUARD VON HARTMANN'- ^^^4J--o
BAD SACHSA IM HARZ
1906
HERMANN HAACKE VERLAGSBUCHHANDLUNG
H57
Spamersche Buchdruckerei, Leipzig-R.
Vorwort. Dieses Buch schließt sich an die „Weltanschauung der modernen Physik" an. Wie ich dort auf den Ansichten der heutigen theoretischen Physik eine Naturphilosophie des Unorganischen zu errichten versuchte, so hier auf den Ansichten der modernen Bio-
Beide Bücher bilden meiner Naturphilosophie.
logie eine Naturphilosophie des Organischen.
die beiden zusammenhängenden Während aber jener erste Teil
Teile
ziemlich
vollständig
die
philo-
sophisch wichtigen Seiten der unorganischen Natur behandelte, mußte ich in diesem zvi^eiten Teil mich auf ausgewählte Kapitel
beschränken, insbesondere auf solche, die ich
in
meinen früheren
naturphilosophischen Schriften i) noch nicht oder nicht ausführlich genug behandelt hatte, oder die infolge der Fortschritte der Biologie
im letzten Menschenalter eine nochmalige
unter neuen Gesichtspunkten erheischten.
Anderenfalls
Erörterung
würde
ich
den Lesern meiner früheren Werke zu viel Wiederholungen haben zumuten müssen. Ich bitte also diejenigen Leser, die in diesem Buche manches für eine vollständige Naturphilosophie Unentbehrhche vermissen, auf meine früheren Werke, insbesondere auf den
Band der Phil. d. Unb., zurückgreifen zu wollen. Das vorliegende Buch zerfällt in einen historischen und einen systematischen Teil. Der erstere sucht festzustellen, wie die bio3.
logischen Wissenschaften sich im Laufe des letzten halben Jahrhunderts zu dem Probleme des Darwinismus und zur mecha-
Weltanschauung gestellt haben. Durch diese historische Untersuchung wird erst die Bahn frei gemacht zu den zusammenhängenc'en Betrachtungen des zweiten Teils. So lange der Darnistischen
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lehre;
Philosophie des Unbewußten, 11. Auflage in 3 Bänden; KategorienGesammelte Studien und Aufsätze, 3. Aufl., Abschnitt C.
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IV
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winismus die Köpfe beherrschte und durch ihn die Entstehung zweckmäßiger Ergebnisse ohne zwecktätiges Prinzip für erklärt galt, konnte das Problem des Lebens gar nicht ernstlich ins Auge gefaßt werden. Das Leben war vielmehr aus der Natur hinwegdekretiert, indem sein Schein in ein bloßes Produkt aus dem zufälligen Zusammentreffen lebloser Elemente umgewandelt war. Meine früheren naturphilosophischen Bestrebungen waren als außerhalb der wissenschaftUchen Zeitströmung stehend und ihr zuwiderlaufend ohne weiteres gerichtet, weil sie dem letzten Menschenalter unter der Kritik und keiner Diskussion würdig erschienen.
Das hat
mich über
die
sich
bisherige
nun geändert.
Ich
bin
weit entfernt,
Nichtbeachtung von Seiten der Natur-
und notwendige ankämpfenden Schwimmer ist; gegen den Strom Schicksal aller ich betrachte es vielmehr als einen ganz seltenen und ungewöhnlichen Glücksfall, daß es mir noch vergönnt ist, den Umschwung der Zeitströmung zu erleben und mich dessen zu freuen, daß die Mehrzahl der Biologen den Darwinismus heute so beurteilt, wie ich ihn vor zweiunddreißig Jahren beurforscher zu beklagen, weil diese das allgemeine
habe, und daß der so lange als unwissenschaftlich verpönte Vitalismus mehr und mehr fachwissenschaftliche Anhänger
teilt
und
eifrige
Noch
und geschickte Vertreter findet. zwar die herrschende Richtung
ist
schroff antivitalistisch
;
in
der
Biologie
aber die so lange Zeit abgeschnittene Dis-
doch wieder eröffnet. Der Unfehlbarkeitsdünkel der mechanistischen Weltanschauung ist ins Schwanken geraten, eine gewisse Bescheidenheit und skeptische Unsicherheit ist an seine Stelle getreten, und vielen öffnen kussion über das Problem des Lebens
ist
wiederum die Augen vor den Problemen, die man geschlossenen Auges so lange als nicht existierend betrachtet hatte.
sich
Die neuauftretende qualitative Energetik hat mit dazu beigetragen, das Gefühl der Notwendigkeit zu stärken, daß man den bisher für absolut gewiß gehaltenen Standpunkt der mechanistischen Welt-
anschauung einer Revision unterziehen müsse, und auch auf dem Boden der Energetik hat sich ein Gegensatz aufgetan zwischen solchen, die die physiko-chemischen Gesetze für ausreichend zur
Hervorbringung der Lebenserscheinungen ansehen, und solchen, die sie
für
nicht
eigneter sein,
ausreichend hierzu halten.
dem Denken
Nichts dürfte ge-
der Zeitgenossen die Unbefangenheit
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V
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gegenüber den Zeitvorurteilen zurückzugeben, als eine geschichtliche Übersicht über die Wandelungen, die die Denkweise der letzten zwei Menschenalter durchgemacht hat, über die Denkmotive, durch welche die mechanistische Weltanschauung dereinst zum Siege geführt wurde, über die Voraussetzungen, auf die sie sich stützen, und über die Erschütterungen, die diese Denkmotive und Voraussetzungen inzwischen erfahren haben. Jeder Leser, der die unentbehrliche Unbefangenheit des Denkens mitbringt oder durch die Lektüre des ersten historischen Teils wiedererlangt hat, wird die biologischen Studien des zweiten Teils wenigstens nicht unter der Kritik finden, trotzdem jede ver-
dem Problem
Lebens von einer anderen Seite her dem Ergebnis gelangt, daß die physiko-chemischen Kräfte und Gesetze nicht ausreichen, um die Erscheinungen des Lebens hervorzubringen. Jede Studie stützt sich im Sinne der induktiven Methode auf die bisherigen Ersucht,
des
näher zu kommen, und jede zu
gebnisse der biologischen Wissenschaften, jede weist aber auch
über das Gebiet der Naturwissenschaften hinaus
in
dasjenige der
Die letzten Abschnitte suchen einige Andeu-
Naturphilosophie.
tungen darüber zu geben, welche naturphilosophischen Annahmen zur Ergänzung der organischen Naturwissenschaften erforderlich
und wie dieselben mit der Metaphysik und Psychologie Fühlung gewinnen. Die genauere Ausführung dieser Zusammenhänge ist in meinen metaphysischen und psychologischen Werken zu finden („Kategorienlehre'* und „Die moderne Psychologie"), sind,
an geeigneter Stelle verwiesen ist. Die Naturforscher werden binnen kurzem sich an den Ge-
auf die
danken gewöhnen müssen, daß die teleologische Betrachtungsweise die ätiologische zwar in keiner Weise stört oder durchbricht, dafür aber
bloß
nicht
mit ihr gleichberechtigt,
sondern sogar
und daß ein naturphilosophischer Vitalismus das Arbeitsgebiet und die Methoden der exakten Naturwissenschaften weder berührt noch einschränkt, daß sie also auch gar kein fachwissenschaftliches Interesse daran haben können, ihn zu bekämpfen und abzuwehren. Sobald diese Einsicht zur ihr
übergeordnet
ist,
Herrschaft gelangt
Naturwissenschaft
sein
wird,
wird auch
der
Friede
zwischen
und Naturphilosophie wiederhergestellt
sein.
einem halben Jahrhundert gibt es keine andere Naturphilosophie mehr, als eine induktive, die auf den letzten Ergebnissen
Seit
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VI
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der Naturwissenschaften hypothetisch weiterbaut, also diese voraussetzt, ohne sie meistern zu wollen. Von dieser Seite her besteht also schon lange kein Hindernis der freundschaftlichen Ver-
einigung mehr.
Nur
auf Seiten der Naturwissenschaften besteht
ein solches so lange fort, als sie ihren
Standpunkt für den allein
möglichen und alle menschliche Naturerkenntnis erschöpfenden halten und darum der Naturphilosophie jede DaseinsberechtiUnsinn verachten und verspotten. Vielleicht wird das 20. Jahrhundert reif werden, die im 18. Jahrhundert allerdings noch zu frühe kommende, im 19. Jahrhundert aber tatsächlich vollzogene Verbindung zwischen Naturwissenschaft und Naturphilosophie als legitime Ehe anzuerkennen
gung neben ihnen
und
in
bestreiten
und
sie
als
das Zeitbewußtsein aufzunehmen.
Groß-Lichterfelde im März
1906.
Eduard von Hartmann.
Inhalt. A. Historisches. Seite I.
Die Abstammungslehre seit Darwin
1.
Darwin
2.
Moritz
Wagner
1
14.
Die neuere Paläontologie
4
15.
Weismann
5
16.
Haacke Wandelungen in der Auffassung des Korrelationsge-
3.
Haecl