Das Bürgerliche Recht des Deutschen Reichs: Band 1 [2. vollständig umgearbeitete Auflage. Reprint 2020] 9783112364802, 9783112364796


195 9 78MB

German Pages 999 [1038] Year 1904

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Das Bürgerliche Recht des Deutschen Reichs: Band 1 [2. vollständig umgearbeitete Auflage. Reprint 2020]
 9783112364802, 9783112364796

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs. Systematisch dargestellt und durch Beispiele erläutert

von

Dr. Gustav

Müller

Georg

und

Meikel

K. II. Staatsanwalt in München

K. II. Staatsanwalt in München

8. vollständig umgearbeitete Auflage

I. Band.

München 1904 I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Druck von C. Brügel & Sohn, Ansbach.

Vorwort Wie die erste Auflage soll auch die zweite vor allem praktischen Bedürfnissen gerecht werden. Der Grundsatz, ein praktisches Handbuch zu schaffen, ist leitend geblieben. Im Gegensatze zur ersten Auflage wendet sich bas neue Werk ausschließlich an Juristen. Dies bedingte vollständige Umarbeitung. Der Aufbau auf rein juristischer Grundlage hinderte nicht, ein doppeltes Ziel zu verfolgen. Für angehende Juristen: Studenten, Referendare und Rechtspraktikanten sollen die ab­ strakten Normen des bürgerlichen Rechts Gestalt und Leben erhalten. Für den fertigen, in der Praxis stehenden Juristen, der so oft die unvermeidliche Zerreißung der Rechtssätze im Kommentare störend empfindet, soll zur Entscheidung der Rechts­ fälle aus dem System heraus ein Wegweiser dort geschaffen werden, wo der Kommentar ihn im Stiche läßt. Aus diesem Grunde ist eine systematisch-dogmatische Ent­ wicklung der Rechtssätze angestrebt. Dagegen sind doktrinäre Erörterungen von Streitfragen ebenso wie rechtsphilosophische Ausführungen vermieden worden. Wohl aber wurde zu sämt­ lichen, praktisch wichtigen Streitfragen Stellung genommen und neben der gesamten Literatur vor allem die Rechtsprechung des Reichsgerichts sowie der obersten und oberen Gerichte der Bundesstaaten erschöpfend verwertet. Neben der Wiedergabe der im Bürgerlichen Gesetzbuchs enthaltenen Rechtssätze wurde auch das einschlägige sonstige Reichsrecht berücksichtigt. Auf die ergänzenden Landesgesetze in den größeren Bundesstaaten konnte wegen deren Viel­ gestaltigkeit nur verwiesen werden. Möge die zweite Auflage des Werkes die gleiche wohl­ wollende Aufnahme finden, die der ersten Auflage beschieben war! München, im Juli 1904.

Die Verfasser.

AnHattsüöerficht (Das erste und das fünfte Buch, sowie vom zweiten Buch die ersten vierzehn Kapitel sind von Dr. Müller, das übrige ist von G. Meikel bearbeitet.)

I. Wand. Einleitung. § § § § § §

Seite

1. Recht und Rechtsnormen ............................................................... 1 2. Privates und öffentliches Recht......................................................7 3. Sachlicher Geltungsbereich des BürgerlichenGesetzbuches 7 4. Räumlicher Geltungsbereich des Bürgerlichen Gesetzbuches 10 5. Zeitlicher Geltungsbereich des Bürgerlichen Gesetzbuches . 10 6. Deutsches und ausländisches Recht . . . . .11

I. Such.

Die alkgerneirrerr Lehre« des deutsche« Jtechtes. Erster Abschnitt.

Die Inhaber der Rechte. §

7.

Begriff des Rechtssubjekts' und der Rechtsfähigkeit .

.15

1. Kapitel.

Die Menschen. Die menschliche Persönlichkeit im all­ gemeinen. Beginn und Ende der menschlichen Persönlichkeit . . .16 Beweis von Leben und Tod.............................................................18 Verschollenheit und Todeserklärung..........................................18 b) Rechtlich bedeutsame Verschiedenheiten der Menschen Unterschied des Geschlechts............................................... . 26 Unterschied desAlters................................................................ 27 Bolljährigkeitserklärung.............................................................. 29 Unterschied in der menschlichen Gesundheit - 31 Entmündigung................................................................................... 32 Unterschied des Standes • . 33 Unterschied der Ehre......................................................... - 34 Unterschied des religiösen Bekenntnisses.................................... 36 Unterschied der Staatsangehörigkeit.................................. 36 c) Der Wohnsitz........................................................................37 d) Das Namenrecht............................................................ 41 Der Schutz desNamenrechtes ....... 44

a)

§ 8. § 9. § 10. § § §, § § § § § § § § §

11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.

2. Kapitel.

Die juristischen Personen. § 23.

Die juristischen Personen im allgemeinen

.

.

.47

VI § § § § § § § § § § §

Inhaltsübersicht.

24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34.

a) Vereine. Seite Begriff und Arten ........................... .................................................... 50 Erlangung der Rechtsfähigkeit durch einen Verein . 51 Das Register der eingetragenen Vereine .... 56 Sitz und Name des Vereins............................................................. 58 Die Organisation der Vereine.................................................... 59 Haftung des Vereines für Handlungen seiner Vertreter . 67 Die Mitgliedschaft................................................................................ 69 Auflösung der Vereine und Verlust ihrer Rechtsfähigkeit . 71 Die nicht rechtsfähigen Vereine.................................................... 77 b) Die privatrechtlichen Stiftungen ... 80 c) Juristische Personen des öffentlichen Rechts 87

Zweiter Abschnitt.

Die Gegenstände der Rechte, insbesondere die Zachen. § 35. § § § § §

36. 37. 38. 40.

I. Die Gegenstände der Rechte im allgemeinen 88 II. Die Sachen. Begriff und Arten..................................................................................89 Die Bestandteile der Sachen............................................................... 92 Zubehör.................................................................................................... 96 Früchte und Nutzungen . . . . . 100 Lasten einer Sache ................................................................. 101 Dritter Abschnitt.

Die Rechtsgeschäfte. 1. Kapitel.

Begriff, Arten und Form der Rechtsgeschäfte. § § § §

41. 42. 43. 44.

Begriff der Rechtsgeschäfte.............................................................102 Arten der Rechtsgeschäfte............................................................. 103 Die Verträge......................................................................................... 105 Form der Rechtsgeschäfte............................................................. 106

2. Kapitel.

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts. § § § § § § § § §

45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53.

Die Geschäftsfähigkeit . . . . . .111 Willenserklärung und Wille.....................................................120 Freiheit der Willenserklärung........................................... 129 Abgabe empfangsbedürftiger Willenserklärungen . . 133 Unzulässiger Inhalt von Rechtsgeschäften.... 137 Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte........................................... 143 Anfechtbare Rechtsgeschäfte.................................... ......... . 145 Das Zustandekommen von Verträgen..................................148 Auslegung der Rechtsgeschäfte........................................... 156 3. Kapitel.

Die Nebenbestimmungen -ei Rechtsgeschäften. § 54. § 55. § 56.

1. Bedingungen............................................................................ 157 2. Zeitbestimmungen........................................................................160 3. Fristen und Termine........................................................................161 4. Kapitel.

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung. § 57. § 58. § 59.

Stellvertretung................................................................................ 164 Vollmacht......................................................................................... 168 Handlungen für einen Anderen ohne Bertretungsmacht . 174

VII

Inhaltsübersicht.

Seite

§ 60. § 61.

Vornahme von Rechtsgeschäften des Vertreters mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten . 178 Einwilligung und Genehmigung................................................... 180

Vierter Abschnitt.

Die Ausübung der Rechte. § 62.

Einleitende Bemerkungen

.......

184

1. Kapitel.

Selbsthülfe und Selbstverteidigung. § 63. § 64. 8 65.

1. Die Selbsthülfe .186 2. Die Selbstverteidigung. a) Die Notwehr.................................................................................189 b) Der Notstand....................................................................... 190

§ 66.

Die Sicherheitsleistung................................... 192

2. Kapitel.

3. Kapitel.

Verjährung. § 67.

§ § § § §

68. 69. 70. 71. 72.

Allg. Vorschriften über die Verjährung und Wirkung der Berlährung.........................................................................................195 Verjährungsfristen...............................................................................198 Der Beginn der Verjährung .................................................. 202 Hemmung der Verjährung . 204 Aufschub der Berjährungsvollendung......................................... 206 Unterbrechung der Verjährung.................................................. 207

II. Sn».

Möcht der Schuttverhättnisse. Erster Abschnitt.

Die Zchuldverhältnifse im allgemeinen. Einleitung. § 73.

Begriff des Schuldverhältnisses................................................... 213

1. Kapitel.

Begründung der Schuldverhältnisse. § 74. § 75.

Allgemeines................................................................. Verträge über Schuldverhältnisse im allgemeinen .

.

.

217 217

2. Kapitel.

Inhalt der Schuldverhältniffe. A. Gegenstand der Schuldverhältnisse. § 76. § 77. § 78. §79. § 80. § 81. § 82.

Im allgemeinen...............................................................................224 Die Gattungsschuld....................................................... 225 Die wahlweisen Schuldverhältnisse.................................................. 229 Zinsen 233 Schadensersatz........................................................................................ 235 Ersatz von Aufwendungen............................................................ 242 Das Wegnahmerecht..................................................................... 243

VIII

Inhaltsübersicht. Seite

oooooocoocod

83. 84. 85. 86.

Unmöglichkeit derLeistung...........................................................244 Verschulden...................................................................................256 Die Vertragsstrafe................................................................. 258 Die Draufgabe.......................................................................... 263 2. Kapitel.

B. Zeit der Erfüllung der Schuldverhältnisfe. coooooooocoo

87. 88. 89. 90.

COO

91.

Zeit der Erfüllung im allgemeinen....................................... 265 Verzug des Schuldners. — Erfüllungsverzug . . 266 Verzug des Gläubigers. — Annahmeverzug . . . 271 Verzug bei gegenseitigen Verträgen .*.... 275

C. Ort der Erfüllung der Schuldverhältnifse.

.

281

3. Kapitel.

Subjekte der Schuldverhältnisse. 009

92.

coo

93.

000

94.

000000000000

95. 96. 97. 98.

Einleitung...................................................................................284 Mehrheit der Subjekte des Schuldverhält­ nisses. Mehrheit von Schuldnern mit Gesamtverpflichtung und Mehrheit von Gläubigern mit Gesamtberechtigung . 284 Mehrheit von Schuldnern ohne Gesamtverpflichtung und Mehrheit von Gläubigern ohne Gesamtberechtigung . 292 Versprechen der Leistung an einen Dritten .... 294 Übertragung von Forderungen und anderen Rechten . 301 Schuldübernahme,,.......................................................................... 313 Vertragsmäßige Übernahme des Vermögens . . 319 4. Kapitel.

Aushebung der Schuldverhältnisse. 000000000000000000coo

99. 100. 101. 102. 103. 104. 105.

Die Schuldaufhebungsgründe im allgemeinen . 320 Erfüllung und Hingabe an Erfüllungsstatt .... 320 Hinterlegung als Ersatz für Erfüllung . . . . 328 Der Selbsthülfeverkauf des Schuldners .... 335 Die einseitige Aufrechnung........................................................ 338 Erlaß der Schuld.......................................................................... 304 Der durch Vertrag vorbehaltene Rücktritt vom Vertrage . 346

5. Kapitel.

Allgemeine Grundsätze über die Ausübung der Rechte aus Schnldverhältnissen. coooooooo

106. Einfluß der Rechtshängigkeit auf das Schuldverhältnis . 353 107. Das Zurückbehaltungsrecht.........................................................354 108. .Das Recht der Verweigerung einer Leistung bis zur Be­ wirkung einer Gegenleistung bei gegenseitigen Verträgen 357 § 109. Rechnungslegung und Osfenbarungseid .... 360

2. Abschnitt.

Einzelne wichtige Zchuldverhitttnifse. 1. Kapitel.

Kauf und Tausch. § 110.

a) Kauf. Begriff und allgemeine Grundsätze....................................... 362

Inhaltsübersicht

IX

111. 112. 113. 114. 115. 116. 117.

Seite Rechte des Käufers und Verpflichtungen des Verkäufers . 367 Gewährleistung des Verkäufers wegen Mängel der Sache . 373 Übergang der Gefahr auf den Käufer................................ 395 Rechte des Verkäufers und Verpflichtungen des Käufers . 399 Kauf nach und auf Probe...................................................404 Der Wiederkauf ................................................................................ 406 Der Borkauf......................................................................................... 411

§ 118.

b) Kaufartige Geschäfte.................................................... 417

§ 119.

c) Tausch

§ § § § § § §

............................................................................

418

2. Kapitel. Schenkung. § § § § §

120. 121. 122. 123. 124.

Begriff und allgemeine Grundsätze.......................................... 419 Rechte und Verpflichtungen aus der Schenkung . . 423 Rückforderungsrecht des Schenkers.......................................... 428 Widerruf der Schenkung.............................................................430 Schenkung unter einer Auflage . . . . .431 3. Kapitel.

Miete und Pacht. § 125. § 126. § 127. § 128.

§ 129. § 130. § 131.

.§ 132. § 133. § 134.

Begriff und allgemeine Grundsätze.......................................... 434 Form der Miet- und Pachtverträge ..... 437 Verpflichtungen des Vermieters sowie des Verpächters und Rechte des Mieters sowie des Pächters . . . 439 Haftung des Vermieters und Verpächters wegen Mängel der vermieteten oder verpachteten Sache . 444 Verpflichtungen des Mieters sowie des Pächters und Rechte des Vermieters sowie des Verpächters .... 449 Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters und Verpächters 460 Das gesetzliche Pfandrecht des Pächters eines landwirt­ schaftlichen Grundstücks oder eines Grundstücks mit In­ ventar .............................................. 466 Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses, insbesondere durch Kündigung...................................................................... 467 Rechtliche Stellung des Mieters oder Pächters im Falle Veräußerung oder Belastung des Vertragsgegenstandes 477 Überlassung des Gebrauchs gemieteter oder gepachteter Sachen durch Mieter oder Pächter an Dritte, insbesondere Unter­ miete und Unterpacht.............................................................485

4. Kapitel. Leihe.

§ 135. § 136. § 137.

Begriff und allgemeine Gruüdsätze.......................................... 487 Rechte und Verpflichtungen der Vertragsteile bei der Leihe 488 Beendigung der Leihe...................................................................... 490 5. Kapitel. Darlehen.

§ 138., Begriff und allgemeine Grundsätze.......................................... 492 § 139. Der Darlehensvertrag...................................................................... 493 § 140. Die Rechtsverhältnisse aus dem Darlehen .... 494

X

Inhaltsübersicht.

6. Kapitel.

@eite

Dienstvertrag. § 141. 8 142.

§ 143. § 144.

Begriff und allgemeine Grundsätze...........................................496 Die auf dem Dienstvertrag beruhenden Rechte und Ver­ pflichtungen . . . 499 Beendigung des Dienstverhältnisses...........................................507 Dienstverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstände haben......................................................................................... 512 7. Kapitel.

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag. § 145. § 146.

§ § § §

147. 148. 149. 150.

§ 151.

Allgemeines über den Werkvertrag........................................... 513 Die Vertragspflichten des Unternehmers beim Werkver­ träge 515 Die Vertragspflichten des Bestellers beim Werkverträge . 521 Die Tragung der Gefahr beim Werkverträge . . 525 Beendigung des Werkvertrags 527 Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstände haben......................................................................................... 528 Der Werklieferungsvertrag . . . . . 530

8. Kapitel.

Der Mäklervcrtrag. § 152. § 153. § 154.

Allgemeines......................................................................................... 532 Rechtliche Stellung der Vertragsteile beim Mäklervertrag . 534 Beendigung des Mäklervertragsverhältnisses . . . 538

9. Kapitel.

Auslobung und Preisausschreibung. § 155. § 156.

Die Auslobung................................................................................ 539 Die Preisausschreibung............................................................. 542

10. Kapitel.

Der Auftrag. § 157. § 158. § 159.

Allgemeine Grundsätze.......................................................................543 Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Auftragsvertrage 546 Beendigung des Auftragsverhältnisses...........................................549

11. Kapitel.

Geschäftsführung ohne Auftrag. § 160. § 161.

Begriff und allgemeine Grundsätze...........................................552 Ansprüche und Verpflichtungen der Beteiligten . . . 554

12. Kapitel.

Der Verwahrungsvertrag. § § § §

162. 163. 164. 165.

Begriff und allgemeine Grundsätze...........................................557 Die Verpflichtungen des Verwahrers...........................................559 Die Verpflichtungen des Hinterlegers ... . . . 561 Hinterlegung vertretbarer Sachen unter Übergang des Eigen­ tums auf den Verwahrer..........................................................563 13. Kapitel.

§ 166.

Einbringung von Sachen bei Gastwirten

.

564

XI

Inhaltsübersicht. 14. Kapitel.

Die Gesellschaft.

§ § § § § 8 §

167. 168. 169. 170. 171. 172. 173.

Seite

Begriff und allgemeine Grundsätze .... Das Gesellschaftsvermögen............................................... Die Geschäftsführung der Gesellschaft .... Rechte und Pflichten der Gesellschafter .... Auflösung der Gesellschaft . . . Die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens Ausscheiden und Ausschluß eines Gesellschafters .

. . . . . . .

568 571 576 582 584 589 591

.

594

.

601

....

.

603

Begriff und Entstehung............................................... Stellung des Bürgen zum Gläubiger Stellung des Bürgen zum Schuldner Mehrheit von Bürgen............................................... Beendigung der Bürgschaft . . .

. . . . .

608 610 615 617 619

.

621

.

624

.

627

15. Kapitel. Gemeinschaft

§ 174.

....

16. Kapitel.

Leibrente.....................................

§ 175.

17. Kapitel.

Spiel.

8 176.

Wette

18. Kapitel.

Bürgschaft. § § § § §

177. 178. 179. 180. 181.

1. 2. 3. 4. 5.

19. Kapitel. Vergleich .

§ 182.

20. Kapitel.

Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis

8 183.

21. Kapitel.

Die Anweisung

8 184.

....

22. Kapitel. Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

§ § § §

185. 186. 187. 188.

§ 189. § 190.

§ 191.

Begriff und Merkmale......................................... . 632 Die Begründung der Verpflichtung..........................................634 Verhältnis zwischen Aussteller und Inhaber . . . 636 Abhandengekommene und vernichtete Schuldverschreibungen auf den Inhaber ............................................... 638 5. Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine, Erneuerungs­ scheine ....... . . 640 6. Unvollkommene Jnhaberpapiere und qualifizierte Legiti­ mationspapiere ...................................................................... 641 Übergangsvorschriften . . ............................................... 643 1. 2. 3. 4.

23. Kapitel. § 192.

Vorlegung von Sachen

.644

XII

Inhaltsübersicht. 24. Kapitel. UngerechtfertigteBereicherung.

§ 193. § 194.

Seite

1. Voraussetzungen.................................................................... 647 2. Inhalt und Umfang desAnspruchsauf Herausgabe der Bereicherung................................................................................652 25. Kapitel.

Unerlaubte Handlungen. CODCODCOCCOQCOtCOOCOOCOO

195. 196. 197. 198. 199. 200. 201. 202.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einleitung....................................................................................... 657 Haftung für eigene unerlaubte Handlungen . - 658 Haftung für fremde Handlungen........................................ 666 Haftung für den durch Tiere verursachten Schaden . 670 Haftung für den Einsturz von Gebäuden . . 673 Haftung der Beamten........................................................... 675 Mehrheit von Beschädigern..................................................677 Der Anspruch aus Schadensersatz........................................ 680

III. Such.

Sachenrecht. 1. Kapitel. COO

203.

Einleitung....................................................687 2. Kapitel. Der Besitz.

COQGOOCOD Das in ein Aquarium eingepumpte Meerwasser, die in einen Raum eingeschlossene Luft, das aus dem Fluß in ein Wasserbecken geleitete Wasser können aber ebensogut Gegenstand von Rechten sein wie das Wasser in einem See oder einem Teiche; b) insoweit als Sachen durch öffentlichrechtliche Vor­ schriften, insbesondere weil dem Gemeingebrauche gewidmet, dem Privatrechtsverkehre entzogen sind. So können z. B- öffent­ liche Straßen und Plätze Gegenstände des Privatrechts nur ') RG 53 S. 220.

Begriff und Arten der Sachen.

91

soweit sein, als hierdurch nicht ihre öffentliche Bestimmung be­ einträchtigt wird. Auch an Kirchen, dem Gottesdienste gewid­ meten Gegenständen, Kirchenstühlen, Begräbnisplätzen u. bergt können Privatrechte bestehen; c) insoweit als etwa bestehende gesetzliche Veräußerungs­ verbote eine Sache betreffen. Bezweckt jedoch das gesetzliche Veräußerungsverbot nur den Schutz bestimmter Personen, so ist eine gegen das Verbot verstoßende Verfügung über die Sache nur diesen Personen gegenüber unwirksam. Den gesetz­ lichen Veräußerungsverboten stehen in der Wirkung diejenigen Veräußerungsverbote gleich, welche von einem Gerichte oder von einer anderen Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit er­ lassen sind. Vertragsmäßige Veräußerungsverbote beschränken die Verkehrsfähigkeit nicht. Von rechtlicher Bedeutung sind folgende Unterscheidungen der Sachen: * 1. Bewegliche und unbewegliche Sachen. Un-d-we»nch^und bewegliche Sachen sind die Grundstücke und deren wesents-chm. liche Bestandteile. Beweglich sind alle jene Sachen, welche nicht zu den Grundstücken und deren wesentlichen Bestandtellen gehören, sohin in ihrer Lage im Raume verändert werden können, so z. B. mit dem Boden nicht verbundene Gebäude, entwurzelte Pflanzen, Tiere, Bücher u. s. w. 2. V ertretbare und nicht vertretbare S a ch e n. Mietbar« und Vertretbare Sachen sind bewegliche Sachen, welche im Sache». Verkehre ohne Rücksicht auf ihre individuellen Besonderheiten nur nach Zahl, Maß und Gewicht bestimmt werden, so daß jede Sache einer Art durch eine andere Sache derselben Art ersetzt werden kann (§ 91). Vertretbare Sachen sind z. B. das Geld, Getreide, Wolle, Wein, Bücher, Tuch, Pfandbriefe einer Bank und derselben Art, Rerchskassenscheine, Banknoten, Ziegel­ steine u. s. w. Nicht vertretbar hingegen sind Sachen, welche nach individuellen, ihnen besonders anhaftenden und für ihre Wertschätzung bedeutsamen Eigenschaften im Verkehre bestimmt werden, wie z. B. Gemälde, Antiquitäten, Musikinstrumente, Edel­ steine, Tiere u. s. w. Rechtsgeschäftlich können vertretbare Sachen als unvertretbare und umgekehrt nicht vertretbare Sachen als vertretbare behandelt werden. So kann z. B. der Liebhaber einer an sich vertretbaren Sache gerade diese sich beim Kaufe ausbedingen, während es umgekehrt einem Pferdehändler ganz gleichgültig sein kann, wie im einzelnen ein von ihm angekaufter großer Pferdetransport zusammengesetzt ist. 3. Verbrauchbare und nicht verbrauchb are MniSv«Sachen. V erb rauch bare Sachen sind bewegliche Sachen, brauchbare deren bestimmungsgemäßer Gebrauch in ihrem Verbrauche oder aä)aL in der Veräußerung besteht. Getreide, Nahrungs- und Feue­ rungsmittel, Geld, Banknoten, Weine, Schreibmaterialien sind

92

Die Gegenstände der Rechte, insbesondere die Sachen.

beispielsweise verbrauchbare Sachen. Kleider sind ebenfalls verbrauchbare Sachen, denn ihre von der tatsächlichen Verwen­ dung unabhängige Bestimmung ist der Verbrauch. Kraft beson­ derer Gesetzesvorschrift gelten als verbrauchbar auch bewegliche Sachen, die zu einem Warenlager oder einem sonstigen Sach­ inbegriffe gehören, dessen bestimmungsgemäßer Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht, wobei es dann gleichgültig ist, ob diese Sachen an sich auch verbrauchbar sind oder nicht (§ 92). Verbrauchbare Sachen können auch vertretbar sein, so z. B. Geld und Getreide. Dies ist aber ebenso wie umgekehrt nicht immer der Fall. So sind z. B. Fahrräder eines und des­ selben Modells wohl vertretbare, nicht aber verbrauchbare Sachen. Sachen'. 4. Teilbare und unteilbare Sachen. Teilbar sind Sachen, welche ohne Verminderung ihres Wertes und ohne Änderung ihrer Bestimmung in selbständige, der ungeteilten Sache gleichgeartete Teile zerlegt werden können. Grundstücke, Tuchballen, Holzstämme u. s. w. sind z. B- teilbar. Unteil­ bar dagegen sind Sachen, bei denen eine Teilung den Wert der Sache dergestalt, daß die Summe der den Teilen inne­ wohnenden Werte hinter dem SSerte der ungeteilten Sache zurückbleibt, vermindern und das Wesen der ungeteilten Sache vernichten würde. Ein Musikinstrument, ein Schreibtisch, ein Buch u. s. w. sind im Rechtssinne unteilbar. Bruchteile. Unter Bruchteilen versteht man nicht reale Teile einer Sache, sondern quotenmäßige Anteile an Rechten. So liegt z. B. Miteigentum dann vor, wenn das Eigentumsrecht an einer Sache Mehreren nach Bruchteilen zusteht (§ 1008). GattunMachen. 5. G at tun g s sach e n und nach individuellen Merk­ malen bestimmte Sachen, je nachdem die Sachen im Verkehre nur der Gattung nach oder nach ihren Besonderheiten bestimmt werden und in Betracht kommen. So sind z. B. Kartoffel, Kohlen, Ziegelsteine Gattungssachen, nicht dagegen Schmuck­ gegenstände, Rennpferde u. s. w. 6. Haupt- und Nebensachen. Darüber, was als Haupt- und Nebensache anzusehen ist, entscheidet die Auffassung des Verkehrs, soferne nicht der Parteiwille Ausdruck gefunden hat. Insbesondere ist das Zubehör nicht stets als Nebensache zu erachten.

§ 37. Die Bestandteile der Sachen.*) Jede Sache ist aus stofflichen Bestandteilen zusammengesetzt. Begrifflich ist der Bestandteil von der Dauer seiner Ver­ bindung mit der Sache unabhängig. Dies gilt bei beweglichen *) Vergl. BlfRA Bd. 66 S. 185.

Die Bestandteile der Sachen.

93

Sachen durchwegs. Bestandteil ist ein Teil einer Sache, welcher in seiner Zusammensetzung mit anderen Stücken der Sache ein einheitliches Ganze bildet. So ist z. B. der in ein Brauhaus eingemauerte Dampfkessel Bestandteil des Brauhauses, wogegen eine am Boden einer Maschinenhalle nur durch vermauerte Schraubengewinde festgehaltene Maschine diese Eigenschaft nicht hat. *) Kraft ausdrücklicher Gesetzesvorschrift gehören zu den Bestandteilen eines Grundstücks solche Sachen nicht, welche nur zu einem vorübergehenden Zwecke mit Grund und Boden verbunden sind, wie z. B. Jahrmarktbuden, zur Weiterveräußerung bestimmte Bäume einer Baumschule, Baugerüste u. s. w. Ebenso gehören Sachen, welche nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes, so z. B. Badeein­ richtungen nach den besonderen Wünschen eines Mieters, Firmen­ tafeln und Aushängschilde u. s. w. Dagegen gehören z. B. Badewannen und Badeöfen in einem herrschaftlichen Hause zu den Bestandteilen eines solchen Hauses. Dies ist auch der Fall, wenn ein Miethaus von vornherein mit Badeeinrichtungen versehen ist2) Endlich sind ebenfalls laut besonderen Rechts­ satzes Gebäude oder andere Werke, z. B. Wasserleitungen, Brunnenanlagen, Schienenstränge u. s. w., nicht als Bestandteile eines Grundstücks zu erachten, wenn dieselben in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstücke von dem Berechtigten in seinem Interesse mit dem Grundstücke ver­ bunden worden sind. Als solche Rechte, in deren Ausübung Gebäude oder andere Werke mit einem fremden Grundstücke verbunden werden können, kommen nur die dinglichen Rechte, Erbbaurecht, Nießbrauch, Grunddienstbarkeiten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten in Betracht, nicht dagegen auch die persönlichen Nutzungsrechte des Mieters und Pächters. Pächter und Mieter können, da sie nur persönliche Rechte haben, Sach­ verbindungen nur zu vorübergehenden Zwecken für die Dauer ihres Rechtes vornehmen, also durch Verbindung von Sachen mit Sachen oder Grundstücken keine Bestandteile schaffen.3) Wird die Verbindung von Gebäuden oder anderen Werken mit einem fremden Grundstücke von einer Person vorgenommen, welche sich ein dingliches Recht nur zuschreibt, ohne ein ein solches zu haben, so werden diese Gebäude oder Werke rechtlich Bestandteile des Grundstücks (§ 95). und Man unterscheidet wesentliche und nicht wesentlicheswesentliche cht wesentliche Bestandteile. Sind Bestandteile einer Sache derart mit Bestandteile. einander verbunden, daß sie von einander nicht getrennt werden können, ohne daß der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, so sind sie wesentliche Bestand') ROLG 7 S. 349.

’) IW 1901 S. 362.

') ROLG 5 S. 77.

94

Die Gegenstände der Rechte, insbesondere die Sachen.

teile (§ 93). Die Zerstörung oder Wesensänderung kann eine tatsächliche oder wirtschaftliche, eine vollständige oder nur über­ wiegende sein. Uhr und Zifferblatt, Buch und Einband, die Glieder eines lebenden Tieres u. s. w. sind z. B. wesentliche Bestandteile. Ebenso sind z. B. wesentliche Bestandteile die Maschinen einer Fabrik, wenn dieselben ohne Zerstörung der ganzen Anlage nicht fortgenommen werden könnens und das Leitungsnetz eines Elektrizitätswerkes, auch insoweit sich dasselbe über die Grenzen des Grundstücks erstreckt, auf dem die Beleuch­ tungsanlage sich Befinbet.2) Behalten dagegen die Sachbestandteile trotz einer Trennung ihre wirtschaftliche Bedeutung und ihr Wesen bei, so sind sie nicht wesentlich. So sind z. B. Kanonenrohr und Lafette, Fahrrad und Sattel keine wesentlichen Bestandteile. Über Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit der Bestandteile ent­ scheidet die wirtschaftliche Bedeutung der Bestandteile im Verkehre. Dies gilt für bewegliche Sachen ebenso wie für Grund­ stücke. Kraft gesetzlicher Vorschrift gehören aber zu den wesent­ lichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, so insbesondere eingemauerte Gebäude, Wasser- und Rohrleitungen, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden Zusammenhängen, z. B. das stehende Getreide. Entscheidend ist, daß die Ver­ bindung mit dem Boden eine feste ist. Bohnen- und Hopfen­ stangen sowie Weinbergspfähle, durch eingerammte Pfähle mit dem Grundstück verbundene Zäune3) sind keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks, wohl aber Brunnen, Fahnen­ stangen vor Wirtshäusern, Wegkreuze u. s. w. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Dabei ist es völlig gleichgültig, wer den Samen gesät oder die Pflanze eingepflanzt hat. So steht z. B. der Samen, den A irriger Weise auf dem Acker des B säte, ebenso wie die daraus keimenden Früchte im Eigentum des B. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören ferner die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen, so z. B. Türstöcke, Türen und Fenster, Herde, Dachziegel, Blitzableiter, Öfen,4) Klosetts, Badeeinrichtungen (§ 94). Daß die eingefügten Sachen zur Herstellung des Ge­ bäudes notwendig sind, wird nicht erfordert, wohl aber, daß sie hierzu und nicht etwa z. B. bloß zum persönlichen Gebrauch einer bestimmten Person bestimmt sind. Trifft ersteres zu, so hebt eine bloß vorübergehende Trennung wesentlicher Bestandteile vom Gebäude, z. B. die Herausnahme von Türpfosten und Fenstern bei einer Reparatur, deren Eigenschaft als wesentliche Bestandteile nicht auf. Ist ein Teil des Gebäudes mit oder *) BlfRA 63 S. 33. 2) RG 48 S. 267. ‘) Anders ROLG 7 S. 348.

') ROLG 7 S. 348.

Die Bestandteile der Sachen.

95

ohne Verschulden über die Grenze eines Nachbargrundstücks gebaut, so ist der übergebaute Teil stets wesentlicher Bestandteil des Gebäudes. Für den Begriff des wesentlichen Bestand­ teils macht es überhaupt keinen Unterschied, ob seine Ver­ bindung mit der Sache, deren Bestandteil er bildet, in berech­ tigter oder unberechtigter Weise geschehen ist. Daß Bodenteile wie Erde, Lehm, Torf, Marmorsteine u. s. w. wesentliche Be­ standteile des Grundstücks sind, bedarf keiner Ausführung. Das gleiche gilt von Mineralien, soferne nicht bezüglich dieser be­ sondere gesetzliche Vorschriften bestehen (Art. 67 EG).*). Wesentliche Bestandteile einer Sache können mT nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein u^crich>-d«^ (§ 93). Demnach können die wesentlichen Bestandteile einer Wn und nicht Sache nicht im Eigentum eines Anderen als des Eigentümers welS$uen8ee der Sache stehen. Sie können für sich nicht Gegenstand ding­ licher Rechte sein und deshalb weder verpfändet noch belastet werden. So kann z. B. der Pächter eines Landgutes an den Feldfrüchten Eigentum erst nach deren Loslösung von Grund und Boden erwerben und kann der Käufer von Früchten auf dem Halm die Pfändung dieser Früchte auf Grund seines obligatorischen Rechtes zur Aberntung der Früchte nicht hindernd) Verkauft Jemand eine Sache unter Eigentumsvorbehalt und wird ' diese Sache, wie z. B. ein in ein Fabrikgebäude einge­ bauter Motor, durch Verbindung wesentlicher Bestandteil einer dem Käufer gehörigen Sache, so erlischt das vorbehaltene Eigentum des Verkäufers, ohne daß dem Verkäufer ein Recht auf Wegnahme oder Herausgabe oder Schadensersatz erwächst.b) Für Früchte, die vom Boden noch nicht getrennt sind, besteht aber eine Ausnahme. Dieselben können gemäß § 810 CPO, solange nicht ihre Beschlagnahme im Wege der Zwangsvoll­ streckung in das unbewegliche Vermögen erfolgt ist, jedoch nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Zeit der Reife, gepfändet werden. Auch können die wesentlichen Bestandteile einer Sache im Sonderbesitz stehen (§ 865). Der Grundsatz, daß die wesentlichen Bestandteile ein er Sache nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können, gilt auch für den Fall ihrer Lostrennung von den übrigen Sachteilen, so­ ferne nicht hiedurch die Bestandteilseigenschaft aufgehoben wird. Tritt der losgelöste Bestandteil zu einer anderen Sache, so finden die Vorschriften über Verbindung, Vermischung und Ver­ arbeitung Anwendung (§§ 946 ff.). *) Preußen: Berggesetz v. 24. VI. 1865, Art. 37-39 AGzBGB; Bayern: Bergges. t>. 20. VII. 1900; Sachsen: Bergges. v. 16. VI. 1868, § 29 AGzBGB; Württemberg; Ges. v. 7. X. 1874, Art. 207 AGzBGB; Baden: Bergges. v. 22. VI. 1890 u. Ges. v. 16. VIII. 1900. «) ROLG 2 S. 342. ') ROLG 6 S. 215, 216.

96

Rechte als Grundstücks­ bestandteile.

Die Gegenstände der Rechte, insbesondere die Sachen.

Die Regel, daß wesentliche Bestandteile nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein können, schließt die Möglichkeit nicht aus, daß wesentliche Bestandteile den Gegenstand geson­ derter obligatorischer Ansprüche bilden. Dies ist selbst­ verständlich, wenn, wie z. B. bei Vermietung eines Hausteiles, die Befriedigung des persönlichen Anspruchs eine Trennung des wesentlichen Bestandteils von den übrigen Sachteilen nicht voraussetzt. Aber auch dann, wenn zur Erfüllung des An­ spruchs eine solche Trennung notwendig ist, kann ein wesent­ licher Bestandteil Gegenstand besonderer obligatorischer Rechte sein. So können z. B. eingewurzelte Bäume, Früchte auf dem Halm u. s. w. verkauft werden. In der Regel teilen nicht wesentliche Bestandteile das rechtliche Schicksal jener Sache, deren Bestandteile sie sind. An ihnen können aber nicht nur obligatorische, sondern auch dingliche Rechte gesondert bestehen. Sie können demnach Gegenstand eines Sondereigentums oder eines Sonderpfandrechts u. s. w. sein und zwar schon vor ihrer Trennung von der Sache, zu hprpn STpifpn ftp npünrpn Das BGB kennt nicht nur körperliche Gegenstände als Be­ standteile einer Sache. Auch Rechte, aber nur solche, welche mit dem Eigentum an einem Grundstücke verbunden sind, gelten als Bestandteile, nicht jedoch als wesentliche Bestandteile des Grund­ stücks (§ 96). Als solche Rechte kommen in Betracht Grund­ dienstbarkeiten, Rechte auf Reallasten, das dingliche Vorkaufs­ recht, nach Landesrecht mit Grundstücken verbundene Gerech­ tigkeiten oder öffentliche Rechte, z. B. Patronatsrechte. Solange demnach an solchen Rechten keine Sonderrechte bestehen und sie mit dem Eigentume an einem Grundstücke verbunden sind, folgen sie regelmäßig den rechtlichen Schicksalen des Grundstücks.

8 38. Begriff des Zu­ behörs.

Zubehörs)

Zubehör sind bewegliche Sachen, welche, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, 1. dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache dauernd zu dienen bestimmt sind, 2. in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnisse zurHauptsache stehen und 3. auch im Verkehre als Zubehör angesehen werden (§ 97). Demnach wird das Zubehör einer Sache durch selbst­ ständige bewegliche Sachen gebildet, welche von der Sache getrennt werden können, ohne daß hiedurch eine Zer­ störung oder Veränderung der Hauptsache oder des Zubehörs bewirkt wird. ') Vergl. BlfRA Bd. 66 S. 185.

Zubehör.

97

Bestandteile und Zubehör unterscheiden sich darin, daß unterschied Bestandteile Teile einer Sache, Zubehör aber selbständige Sachen fta”bte?unb8u= neben der Hauptsache sind. Das Zubehör wird der Hauptsache b-hör. nicht ihres Bestandes halber, sondern deshalb hinzugefügt, weil die Hauptsache sonst ihrer wirtschaftlichen Bestimmung nur un­ vollkommen entsprechen würde. Grundstücke sind nie Zubehör. Der wirtschaftliche Zweck der Hauptsache, dem zu dienen Voraus,e-ung-n das Zubehör bestimmt ist, muß ebenso dauernd sein wie die eigenes) oft. Bestimmung des Zubehörs, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen. Vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht Zubehöreigenschast. Die Benutzung ist eine vorübergehende, wenn die Benutzung der Sache für die Zwecke einer anderen von vorneherein mit der Absicht ihres späteren Wegfalls erfolgt.1) Dagegen ist es gleichgültig, ob die Sache, welche dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen be­ stimmt ist, dieser Zweckbestimmung unmittelbar oder nur mittelbar zu dienen bestimmt ist.2) Die Zweckbestimmung des Zubehörs muß nicht vom Eigentümer der Hauptsache ausgehen. Auch der Eigentümer des Zubehörs oder Personen, welche wie z. B. Mieter, Pächter und Nießbraucher bezüglich der Haupt­ sache mit deren Eigentümer in einem Rechtsverhältnis stehen, können die Bestimmung treffen, daß die Zubehörsache dem wirt­ schaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen habe. Nur muß diese Zweckbestimmung tatsächlich verwirklicht, d. h. das Zu­ behör in den Dienst der Hauptsache gestellt sein. Ist letzteres der Fall, so hebt auch eine vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache die Zubehöreigenschaft nicht auf. Erst dann, wenn die Trennung als eine dauernde gewollt wird und eine dauernde ist, hört Zubehör auf, dies zu sein. Kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift sind, ohne daß es eines diesbezüglichen Nachweises bedarf, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt: a) bei einem Gebäude, das für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist, insbesondere bei einer Mühle, einer Schmiede, einem Brauhaus, einer Fabrik, einer Apotheke, einem Gasthofe, einem Theater, einer Buchdruckerei u. s. w., die zu dem Betriebe bestimmten Maschinen und sonstigen Gerätschaften.2) Dies gilt auch dann, wenn das betreffende Gebäude nur zu einem Teile für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist.4) Tiere können nicht zu den Gerätschaften gerechnet werden Demgemäß sind z. B. die in einer Brauerei verwendeten Pferde nicht Zubehör des Brauhauses.

') ROLG 7 S. 350. ') RG 47 S. 199, IW 1901 S. 184. 50 S. 243, *) RG 48 S. 209; ROLG 6 S. 213. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. «uff. Bb. I.

') RG

7

98

Die Gegenstände der Rechte, insbesondere der Sachen.

b) bei einem Landgute das zum Wixtschaftsbetriebe be­ stimmte Gerät und Vieh, die landwirtschaftlichen, auf dem Gute gewonnenen Erzeugnisse, soweit dieselben zur Fortführung der Wirtschaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden, sowie der vorhandene auf dem Gute selbst gewonnene natürliche Dünger (§ 98). Künstlicher Dünger kann ebenfalls Zubehör eines Landgutes sein, jedoch nur, wenn außer den übrigen Voraussetzungen der Zubehöreigenschaft auch nachgewiesen ist, daß der Dünger dem wirtschaftlichen Zwecke des Landguts zu dienen bestimmt ist. Zubehörsachen müssen, wenn sie solche sein sollen, in allen Fällen und zwar auch da, wo kraft Gesetzes anzunehmen ist, daß sie dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache dienen, in einem solchen räumlichen Verhältnisse zur Hauptsache stehen, daß sie dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen imstande sind. So wird z. B. Vieh, welches zwar bereits an­ gekauft, aber noch nicht aus das Landgut verbracht und zu dessen Betrieb noch nicht verwendet ist, Zubehör erst mit seiner Verbringung auf das Gut. Dagegen ist zur Begründung der Zubehörschaft nicht erforderlich, daß die Sache an dem für sie bestimmten Orte schon in Verwendung ist. So ist z. B. ein Dampfkessel, der auf dem Fabrikhofe lagert, aber noch nicht eingebaut ist, bereits Zubehör des Fabrikgebäudes?) Es genügt, wenn die als Zubehör bestimmte Sache in ein solches räumliches Verhältnis zur Hauptsache gebracht ist, welches die bestimmungs­ gemäße Verwendung der Sache ermöglicht?) Endlich ist Voraussetzung für die Zubehöreigenschaft einer Sache, daß die­ selbe auch im Verkehr als Zubehör gilt. So werden z. B. in manchen Gegenden die Öfen nicht als Zubehör eines Hauses betrachtet. Ebenso haben Strohmatten oder Gittergeflechte zum Abstreifen der Füße vor den Türen keine Zubehöreigenschaft, weil die Verkehrsauffassung eine solche nicht anerkennt. Über die Zubehöreigenschaft entscheidet nicht die Auffassung Einzelner, sondern die der Allgemeinheit. Demgemäß können weder Einzelne noch Parteien, etwa im Wege Vertrags oder einseitiger, vielleicht letztwilliger Erklärung bestimmen, daß eine Sache, welche nach den vorstehenden Rechtssätzen nicht Zubehör ist, dennoch Zubehör sein soll?) Nach vorstehenden Grundsätzen sind beispielsweise Zubehör Vorfenster, Schlüssel zu den Türen eines Hauses, das Inventar eines Hotels?) die Rebpfähle eines Weinberges, die Hufeisen eines Pferdes, der Gasometer einer Gasleitung, der Schiffs­ anker, das auf den Bauplatz gefahrene Baumaterial?) Bade') RG 51 S. 272. -) ROLG 5 S. 79. *) ROLG 2 S. 499. *) DIZ. 1901 S. 240; anders ROLG 4 S. 21. •) IW 1903 Beil. 14 S. 117.

Zubehör.

99

wannen, Badeöfen, Spültische und Flurampeln eines herr­ schaftlichen Miethauses,*) das Zigarrenspitzetui, der Koffer­ überzug, die Kulissen eines Theaters, Wagenlaternen, der Talon eines Jnhaberpapieres, die in einem Gärtnereianwesen be­ findlichen Topf- und Dekorationspflanzen3) u. s. w. Ferner können z. B. auch die dem Eigentümer eines zum Restau­ rationsbetriebe eingerichteten Grundstücks gehörigen, auf einem hinzugepachteten Seegrundstücke befindlichen, zum Gebrauche der Restaurationsbesucher bestimmten Gondeln Zubehör des Restaurationsgrundstücks und die dem Eigentümer eines Grund­ stücks mit Ziegeleibetrieb gehörigen, auf einem zur Gewinnung von Lehm gepachteten Grundstücke verwendeten Feldbahnen und Maschinen Zubehör des Ziegeleigrundstücks fein.3) Das Gleiche ist der Fall bezüglich der Musikautomaten in Restaurants.3) Einen Rechtssatz des Inhalts, daß das Zubehör das R-chtncheBe. rechtliche Schicksal der Hauptsache teilt, gibt es nicht. Dem- ZuAAreigmnach können Zubehörsachen eine von der Hauptsache verfc^aft schiedene Rechtslage haben, so z. B. in Sondereigentum und Sonderbesitz stehen, Gegenstand eines die Hauptsache nicht er­ fassenden Pfandrechts sein u. s. w. Dagegen hat das BGB eine Reihe von Rechtssätzen aufgestellt, welche eine Erstreckung der Rechtsverhältnisse an der Hauptsache auf das Zubehör vor­ schreiben. So erstreckt sich z. B. die Hypothek auch auf das Zubehör des Grundstücks mit Ausnahme nur jener Zubehör­ stücke, welche nicht in das Eigentum des Grundstückseigen­ tümers gelangt sind (§ 1120). Verpflichtet sich Jemand zur Veräußerung oder Belastung einer Sache, so erstreckt sich die Verpflichtung im Zweifel auch auf das Zubehör (§ 314). Dabei sind im Zweifel jene Sachen als Zubehör zu erachten, welche im Zeitpunkte des Vertragsabschlusses oder der bindenden Ver­ sprechensabgabe Zubehör sind. Auch das Vermächtnis einer Sache erstreckt sich im Zweifel auf das zur Zeit des Erbfalls vor­ handene Zubehör (§ 2164). Bei Veräußerungen von Grund­ stücken ist im Zweifel ebenfalls anzunehmen, daß die Ver­ äußerung sich auf das Zubehör erstrecken solle (§ 926). Der Nießbraucher erlangt mit dem Nießbrauche an einem Grund­ stück den Nießbrauch auch am Zubehör (§ 1031) und das dingliche Vorkaufsrecht an einem Grundstücke ergreift im Zweifel auch das Zubehör (§ 1096) u. s. w. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen umfaßt auch das Zubehör. Die das Zubehör bildenden Gegenstände können nicht gepfändet werden (§ 865 CPO).

*) ROLG 2 S. 340. ’) ROLG 3 S. 234. ') RG 47 S. 197; DIZ 1903 S. 601. *) ROLG. 5 S. 78, anders ROLG 4 S. 204.

100

Die Gegenstände der Rechte, insbesondere der Sachen.

§ 39. Früchte.

Früchte einer Sache.

Früchte eines Rechtes.

Früchte und Nutzungen.

I. Früchte: Man unterscheidet 1. Früchte einer Sache und 2. Früchte eines Rechtes. 1. Früchte einer Sache sind: a) alle organischen Erzeugnisse einer Sache, ohne Rück­ sicht darauf, ob die Sache wirtschaftlich zur Fruchtziehung bestimmt ist oder ob die Gewinnung der Erzeugnisse einer solchen Bestimmung nicht entspricht; b) jede sonstige regelmäßige oder nicht regelmäßige Aus­ beute, jedoch nur, wenn dieselbe aus der Sache ihrer Bestim­ mung gemäß gewonnen wird (§ 99 Abs. 1). Frucht ist die bestimmungsmäßige Ausbeute zwar auch dann, wenn durch deren Gewinnung die zur Gewinnbringung bestimmte Sache vollständig ausgebeutet wird, aber immer nur solange, als die Sache durch die Ausbeute in ihrer Existenz nicht ver­ nichtet wird. So ist z. B. das aus einem Masttiere seiner Be­ stimmung nach gewonnene Fleisch keine Frucht des Masttieres. Früchte einer Sache sind demnach beispielsweise: Obst, Gemüse, Tierjunge, Eier, Getreide, natürlicher Dünger, Holz, auch durch Windbruch umgerissene Bäume, Kohlen, Torf, Mine­ ralien, Fossilien,') Eis, Steine aus einem Steinbruch, Gas u. s. w. Nicht dagegen sind Früchte der elektrische Strom, der in einem Grundstück gefundene Schatz, die Topfpflanze, deren Samen nicht in die Topferde gesät wurde. 2. Früchte eines Rechtes sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt, insbesondere bei einem Rechte auf Gewinnung von Bodenbestandteilen die gewonnenen Bestandteile (§ 99 Abs. 2). Rechtsfrüchte sind z. B. Zinsen einer verzinslichen Forderung, Leistungen, welche auf Grund einer Reallast dem Berechtigten zustehen, Nutzungen, welche Pächter oder Nießbraucher ziehen, die vom Jagdberech­ tigten erlegten Tiere. Ohne Sach- oder Rechtsfrüchte zu sein, sind Früchte auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt (§ 99 Abs. 3). Hierher ge­ hören z. B. Pacht- und Mietzinsen. Sachfrüchte sind, solange sie mit der Muttersache ver­ bunden sind, Bestandteile derselben. Sie stehen im Eigentum des Eigentümers der Muttersache.- Ist Jemand berechtigt, die Früchte einer Sache oder eines Rechtes bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu beziehen, so ge­ bühren ihm, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist. ’) ROLG 6 S. 217.

Früchte und Nutzungen. — Lasten einer Sache.

101

a) die Sachfrüchte, auch wenn er sie als Früchte eines Rechtes zu beziehen hat, insoweit, als sie während der Dauer seiner Berechtigung von der Sache getrennt werden; b) andere Früchte insoweit, als sie während der Dauer seiner Berechtigung fällig werden. Bei Sachfrüchten entscheidet sonach die Tatsache der Trennung von der Muttersache. Schadenstiftende oder unwirt­ schaftliche Trennung kann Ersatzansprüche begründen. Bei anderen Früchten entscheidet der Eintritt der Fälligkeit. Be­ stehen jedoch die Früchte in der Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs oder Fruchtgenusses, in Zinsen, Gewinnanteilen oder anderen regelmäßig wiederkehrenden Erträgen, so gebührt dem Berechtigten ein der Dauer seiner Berechtigung ent­ sprechender Teil. Verkauft z. B. A sein ihm gehöriges und an den B für 6000 Jt> jährlich verpachtetes Landgut an den C ab 1. Oktober des Pachtjahres, so gebühren dem A 4500 Jt, dem C 1500 Jk des Pachtzinses (§ 101). Wer zur Herausgabe von Früchten, sei es nach Gesetz, sei es auf Grund Rechtsgeschäftes verpflichtet ist, kann Ersatz der auf die Fruchtziehung verwendeten Kosten insoweit verlangen, als dieselben einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen und den Wert der Früchte nicht übersteigen (§ 102). Nur für Kosten und Vermögenswerte Aufwendungen kann Ersatz ge­ fordert werden, für selbst aufgewendete Arbeit aber nur inso­ weit, als hierdurch lohnbringende Arbeit versäumt wurde. Ersatz der auf Gewinnung von Früchten verwendeten Kosten kann auch derjenige von mehreren einander folgenden Fruchtbezugs­ berechtigten verlangen, welcher die von ihm gezogenen Früchte, weil ihm nicht gebührend, herausgeben muß. Ü. Nutzungen. Unter Nutzungen versteht man nicht nur die Früchte einer Sache oder eines Rechtes, sondern auch alle anderen Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt (§ 100). So ist z. B. Nutzung der Ge­ brauch einer Wohnung durch Selbstbewohnen, der Gebrauch von Kleidungsstücken, die dem Dienstherrn geleistete Arbeit des Dienstboten u. s. w. Nicht dagegen fallen unter den Begriff der Nutzung der in einem Grundstück gefundene Schatz und die vom Nachbargrundstück eindringenden Wurzeln und herüber­ ragenden Zweige von Bäumen und Sträuchern, die abzusHneiden und zu behalten der Grundstückseigentümer berechtigt ist.

§ 40. Lasten einer Sache. Das. Gegenstück zu den Nutzungen einer Sache sind deren Lasten. Über diese enthält das BGB folgende allgemeine Vorschrift: wer verpflichtet ist, die Lasten einer Sache oder

Nutzungen.

102

Begriff, Arten und Form der Rechtsgeschäfte.

eines Rechtes bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer be­ stimmten Zeit an zu tragen, hat, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, die regelmäßig wiederkehrenden Lasten nach dem Verhältnisse der Dauer seiner Verpflichtung, andere Lasten aber insoweit zu tragen, als sie während der Dauer seiner Verpflichtung zu entrichten sind (§ 103). Für die Verteilung der regelmäßig wiederkehrenden Lasten ist entscheidend die Dauer der Verpflich­ tung, für die Verteilung der anderen Lasten dagegen die Zeit der Fälligkeit. Ob die Lasten im bürgerlichen oder öffentlichen Rechte ihren Grund haben, ist gleichgültig. Zu den regel­ mäßig wiederkehrenden Lasten gehören demnach nicht nur Hypo­ theken- und Grundschuldzinsen, Renten, Reallasten und Feuer­ versicherungsbeiträge, sondern auch Steuern, Kirchenbaulasten, Gemeindeumlagen, Prämien für staatliche Versicherungen u. s. w.

Dritter Abschnitt.

Die Rechtsgeschäfte. 1. Kapitel.

ILegriff, Arten und Jorm der Wechtsgefchäfte.

8 41. Begriff der Rechtsgeschäfte. Rechtsgeschäfte sind Willenserklärung en einer Person zur Regelung ihrer Rechtsverhältnisse. Sie sind gerichtet auf Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, welcher nach der Rechtsordnung deshalb eintritt, weil er ge­ wollt ist. Der auf einen rechtlichen Erfolg der Willenserklärung gerichtete Wille des Handelnden ist das wesentliche Begriffs­ merkmal des Rechtsgeschäftes. Der rechtliche Erfolg kann in Begründung, Aufhebung oder Veränderung von Rechtsverhält­ nissen bestehen. RechtsgeschäftDie rechtsgeschäftliche Willenserklärung ist die KundHttti*unT= gäbe des auf Hervorbringung rechtlicher Wirkungen abzielen­ den Willens. Diese Kundgabe kann in wörtlichen Erklärungen, aber auch durch sonstige Handlungen und durch Unterlassungen erfolgen. Rechtshandlung. Vom Rechtsgeschäft zu unterscheiden ist die Rechts­ handlung. Rechtshandlungen sind Handlungen, an welche die Rechtsordnung Rechtswirkungen anschließt ohne Rücksicht Begriff der Rechtzgeichäste.

102

Begriff, Arten und Form der Rechtsgeschäfte.

eines Rechtes bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer be­ stimmten Zeit an zu tragen, hat, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, die regelmäßig wiederkehrenden Lasten nach dem Verhältnisse der Dauer seiner Verpflichtung, andere Lasten aber insoweit zu tragen, als sie während der Dauer seiner Verpflichtung zu entrichten sind (§ 103). Für die Verteilung der regelmäßig wiederkehrenden Lasten ist entscheidend die Dauer der Verpflich­ tung, für die Verteilung der anderen Lasten dagegen die Zeit der Fälligkeit. Ob die Lasten im bürgerlichen oder öffentlichen Rechte ihren Grund haben, ist gleichgültig. Zu den regel­ mäßig wiederkehrenden Lasten gehören demnach nicht nur Hypo­ theken- und Grundschuldzinsen, Renten, Reallasten und Feuer­ versicherungsbeiträge, sondern auch Steuern, Kirchenbaulasten, Gemeindeumlagen, Prämien für staatliche Versicherungen u. s. w.

Dritter Abschnitt.

Die Rechtsgeschäfte. 1. Kapitel.

ILegriff, Arten und Jorm der Wechtsgefchäfte.

8 41. Begriff der Rechtsgeschäfte. Rechtsgeschäfte sind Willenserklärung en einer Person zur Regelung ihrer Rechtsverhältnisse. Sie sind gerichtet auf Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, welcher nach der Rechtsordnung deshalb eintritt, weil er ge­ wollt ist. Der auf einen rechtlichen Erfolg der Willenserklärung gerichtete Wille des Handelnden ist das wesentliche Begriffs­ merkmal des Rechtsgeschäftes. Der rechtliche Erfolg kann in Begründung, Aufhebung oder Veränderung von Rechtsverhält­ nissen bestehen. RechtsgeschäftDie rechtsgeschäftliche Willenserklärung ist die KundHttti*unT= gäbe des auf Hervorbringung rechtlicher Wirkungen abzielen­ den Willens. Diese Kundgabe kann in wörtlichen Erklärungen, aber auch durch sonstige Handlungen und durch Unterlassungen erfolgen. Rechtshandlung. Vom Rechtsgeschäft zu unterscheiden ist die Rechts­ handlung. Rechtshandlungen sind Handlungen, an welche die Rechtsordnung Rechtswirkungen anschließt ohne Rücksicht Begriff der Rechtzgeichäste.

Arten der Rechtsgeschäfte.

103

darauf, ob solche gewollt sind oder nicht. So sind z. B. un­ erlaubte Handlungen, Verarbeitung, Verbindung und Ver­ mischung von Sachen, der Besitzerwerb, das Auffinden eines Schatzes u. s. w. Rechtshandlungen, ohne Rechtsgeschäfte zu sein. Rechtsgeschäfte dagegen sind z. B. der Ankauf einer Sache, das Testament, jeder Vertrag, Kündigung und Mahnung, Auf­ gabe von Eigentum, Eheschließung, die Auflassung eines Grund­ stücks, die Aneignung herrenloser Sachen, Erteilung von Voll­ macht, Ausstellung von Jnhaberpapieren, Schulderlaß u. s. w. Ein Rechtsgeschäft hat den gewollten rechtlichen Erfolg nur, wenn es denselben nach dem Gesetze haben kann. Die allgemeinen Erfordernisse eines wirksamen Rechts- .®xfort>«ntfle rx-fi a r eines wirksamen geaastes stno: Rechtsgeschästes. 1. das Vorhandensein einet freien, auf einen bestimmten rechtlichen Erfolg gerichteten Willens­ erklärung. Erst der auf irgend eine Weise, sei es aus­ drücklich, sei es stillschweigend durch Handlungen oder Unter­ lassungen, erkennbar in die Außenwelt tretende Wille erhält für das Recht Bedeutung. Solange der Wille ein Vorgang im Innern des Menschen ist, kommt er rechtlich nicht in Be­ tracht. Der Wille muß frei sein. Eine durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmte Willens­ erklärung ist anfechtbar. Der Wille muß auf einen bestimmten rechtlichen Erfolg gerichtet sein. Daß der Erklärende sich aller rechtlichen Folgen des Rechtsgeschäftes außer des unmittelbar gewollten Rechtserfolges bewußt ist, wird nicht erfordert. 2. die Geschäftsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit des Erklärenden zur Abgabe einer wirksamen Willenserklärung. 3. es darf dem Eintritte des gewollten rechtlichenErfolges keine gesetzliche Vorschrift entgeg enst e h e n. Die gesetzlichen Gebote und Verbote müssen beachtet sein. Ist die rechtliche Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes mangels eines dieser Erfordernisse ausgeschlossen, so ist das Rechtsgeschäft unwirksam.

§ 42. Arte» der Rechtsgeschäfte. Man unterscheidet: 1. Einseitige und zweiseitige Rechtsgeschäfte. Einseitige Rechtsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, bei Rechtsgeschäfte, welchen der gewollte rechtliche Erfolg allein durch die Willens­ erklärung desjenigen herbeigeführt wird, welcher den Erfolg will, z. B. Testamente, Ausschlagung einer Erbschaft, Kündi­ gung, Auslobung u. s. w. Zweiseitige Rechtsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, bei welchen der gewollte rechtliche Erfolg durch die in bestimmter Art zusammentreffenden Willens-

104

Begriff, Arten und Form der Rechtsgeschäfte.

erklärungen Mehrerer hervorgebracht wird. Die zweiseitigen Rechtsgeschäfte werden technisch Verträge genannt. Empfangsb-Die einseitigen Rechtsgeschäfte sind entweder nicht-mpsängs-empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürfWillenserk^är- tige Willenserklärungen. Empfangsbedürftige Willensung-n. erklärungen sind solche, welche, um rechtliche Wirkung zu äußern, erfordern, daß sie einer bestimmten Person oder Behörde gegen­ über abgegeben werden. Daß diese Willenserklärungen von demjenigen, an welchen sie gerichtet sind, auch angenommen werden, ist nicht erforderlich. Das BGB bezeichnet die em­ pfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht selten mit dem Ausdrucke: „Rechtsgeschäfte, die einem Andern gegenüber vor­ zunehmen sind." Beispiele von empfangsbedürftigen Willens­ erklärungen sind die Erklärung, daß ein Rechtsgeschäft ange­ fochten werde, die Erklärung des Rücktritts vom Vertrage, der Widerruf einer Schenkung, die Kündigung einer Miete u. s. w. Abstrakte und 2. Abstrakte und kausale Rechtsgeschäfte. Jedes l0UÄäft?t8’ Rechtsgeschäft hat einen bestimmten Zweck, welcher der Grund ist, aus welchem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Der unmittelbare Zweck des Rechtsgeschäftes ist sein Rechtsgrund. Hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes von der Erreich­ ung seines unmittelbaren Zweckes ab, so ist das Rechtsgeschäft ein kausales. Ist dagegen das Rechtsgeschäft wirksam! gleich­ viel, ob sein unmittelbarer Zweck erreicht wird oder nicht, so ist das Rechtsgeschäft ein abstraktes. Abstrakte Rechts­ geschäfte sind z. B. die Auflassung, das Wechselversprechen, das Schuldanerkenntnis, das Schuldversprechen u. s. w. Kausale Rechtsgeschäfte dagegen sind regelmäßig alle ein Schuldver-hältnis begründenden Verträge, wie Kauf-, Miet- und Werk­ verträge, ferner Erbeinsetzungen und Vermächtnisse u. s. w. Von dem Rechtsgrunde zu unterscheiden ist der Beweg­ grund, das Motiv des Rechtsgeschäftes, d. h. der Grund, welcher die Veranlassung dazu ist, den Zweck des Rechtsge­ schäftes zu erstreben. Der Beweggrund ist rechtlich ohne Be­ deutung. Dingliche und Z.Dingliche und obligatorische Rechtsgeschäfte. RechtzgÄch^tc. Dinglich ist ein Rechtsgeschäft ,dann, wenn es .un­ mittelbar auf Begründung, Veränderung, Über­ tragung oder Aufhebung des Rechtes an einer Sache gerichtet ist, so z. B. der Eigentumsübertragungs­ vertrag, die Hypothekbestellung u. bergt Obligatorisch d.agegen ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es Leist­ ungen, insbesondere deren Begründung, Verän­ derung oder Aufhebung zum Gegenstände hat, so z. B. das Versprechen, eine Hypothek bestellen zu wollen, der Darlehensvertrag u. s. w.

Die Verträge.

105

4. Formlose und formbedürftige Rechtsge­ schäfte, je nachdem die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von der Einhaltung bestimmter Formen abhängig ist oder nicht. 5. Entgeltliche und unentgeltliche Rechtsge­ schäfte, je nachdem das Rechtsgeschäft die Zuwendung von Vermögenswerten an einen Anderen ohne oder gegen Empfang eines Gegenwertes bezweckt. 6. Rechtsgeschäfte unter Lebenden und von Rechtsgeschäfte Todeswegen. Rechtsgeschäfte von Todeswegen sind bestimmt, die Rechtsverhältnisse eines Menschen nach seinem Tode zu wo­ regeln. Hierher gehören Testamente, Vermächtnisse, Erbver­ träge und Erbverzichtsverträge. Die Rechtsgeschäfte unter Lebenden dagegen haben die Bestimmung, die Rechtsverhält­ nisse des Erklärenden vor seinem Tode zu ordnen. Besonderer Erörterung bedürfen die Verträge.

§ 43. Die Verträge. Verträge sind die zusammenstimmenden, ausBegriff v-r BerRegelung von Rechtsverhältnissen gerichteten "“fl2 Willenserklärungen zweier oder mehrerer Per­ sonen. Der Vertrag ist ein Mittel, die Rechtsbeziehungen zweier oder mehrerer Personen zu einander zu regeln. So ist z. B. zur Begründung von Schuldverhältnissen sowie zur Änderung des Inhaltes eines bereits bestehenden Schuldver­ hältnisses, soweit nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt, ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich. Der Vertrag setzt die Einigung der Parteien voraus. Jeder Vertragsteil muß dem andern Teile seinen Willen er­ klären und den erklärten Willen des anderen Teiles zustimmend entgegennehmen. Da jeder der Vertragsteile mit dem Abschluß des Ver­ trages einen Zweck verfolgt, so hat jeder Vertragsteil auch ein Interesse an der Wirksamkeit des Vertrages. Dieses In­ teresse kann bestehen daran, daß der Vertrag 1. gültig ist und zur Erfüllung gelangt — posi­ tives Vertr agsinteresse — Erfüllung sinteresse, 2. überhaupt nicht geschlossen worden wäre — negatives Vertragsinteresse. Das positive Vertragsinteresse umfaßt alles, Positives »erwas ein Vertragsteil haben würde, wenn der Vertrag gültig tia88ttt ete,fewäre, geht also auf Herstellung des Zustandes, welcher vor­ handen sein würde, wenn der Vertrag gültig wäre. Das negative Vertragsinteresse umfaßt dagegen alles, was ein Vertragsteil haben würde, wenn ihm die Aussicht auf einen wirksamen Vertrag nicht eröffnet worden wäre, d. h. wenn er auf die Gültigkeit des Vertrags niemals vertraut hätte,

106

Begriff, Arten und Form der Rechtsgeschäfte.

geht also auf Herstellung des Zustandes, welcher vorhanden sein würde, wenn der ungültige Vertragsschluß unterblieben wäre. So gehören z. B. zum negativen Vertragsinteresse die Aufwendungen, welche ein Vertragsteil im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrags gemacht hat, um den Vertrag seiner­ seits zu erfüllen, ferner die Kosten des notariellen Vertrags­ abschlusses u. s. w. Man unterscheidet: Kausale und ab1. kausale und abstrakte Verträge. Abstrakte strakte Vertrage. Verträge sind solche Verträge, welche auch dann wirksam sind, wenn die Vertragsschließenden ihren Vertragszweck nicht er­ reichen, kausale Verträge hingegen solche, deren Wirksamkeit von der Erreichung des Vertragszweckes abhängt. Obligatorische 2. obligatorische und dingliche Verträge. Obliun$etko6^ gatorisch sind diejenigen Verträge, welche Leistungen zum Gegen­ stände haben, sohin auf Begründung Veränderung, oder Auf­ hebung von Leistungen gerichtet sind. Dinglich dagegen sind die Verträge, welche die unmittelbare Begründung, Verände­ rung, Übertragung oder Aufhebung von Rechten an einer Sache zum Inhalte haben. Der dingliche Vertrag ist stets abstrakt. Vorvertrag. Dem Abschlüsse von Verträgen gehen nicht selten soge­ nannte Vorverträge voraus. Der Vorvertrag ist ein obli­ gatorischer Vertrag, dessen Inhalt die Verpflichtung zum Abschlüsse eines Vertrages, des sogenannten Nachvertrages ist. Z. B. A verspricht dem B, demselben sein Grundstück abzu­ kaufen, sobald dasselbe vermessen ist. Die Vorverträge müssen denselben Zweck wie die Nachverträge haben und den gewollten wesentlichen Inhalt des Nachvertrages erkennen taffen.1) Die Vorverträge berechtigen die Parteien dazu, von einander die gegenseitige Mitwirkung zum Abschlüsse des Nachvertrages zu verlangen, und gewähren demnach Anspruch auf Abgabe der zum Nachvertrag erforderlichen Willenserklärungen.

§ 44. Form der Rechtsgeschäfte. Grundsatz der Formfreiheit,

Folgen des F-rmmangels.

Grundsätzlich bedarf ein Rechtsgeschäft, um wirksam zu sein, der Einh altung einer Form bei seiner Vornahme nicht. Es gilt der Grundsatz der Formfreiheit. Nur ausnahmsweise schreibt das BGB die Einhaltung 5eftfmmter gotmen bOr. Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig, soferne nicht im Gesetze Ausnahmen vorgesehen sind (§ 125). Auch Nebenabreden zu einem an eine bestimmte Form gebundenen Rechtsgeschäft, sind, wenn sie *) ROLG 2 S. 179.

Form der Rechtsgeschäfte.

107

ohne Beobachtung dieser Form getroffen worden sind, nichtig?) Das Gleiche gilt von Abänderungen oder Aushebungen form­ bedürftiger Rechtsgeschäfte?) Enthält ein Rechtsgeschäft, z. B. ein Vertrag, mehrere Punkte und ist bezüglich eines Teiles derselben die vorgeschriebene Form gewahrt, bezüglich des anderen Teiles aber nicht, so ist insoweit das Rechtsgeschäft nichtig. Ob die übrigen, durch die Form gedeckten Punkte ein wirk­ sames Rechtsgeschäft bilden, hängt davon ab, ob die Parteien das Rechtsgeschäft, soweit es formgerecht ist, auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen haben würden. Ein etwaiger Vor­ vertrag bedarf, wenn nicht für diesen selbst eine bestimmte Form vorgeschrieben ist, der Form des Hauptvertrages nicht. Die Erfüllung der Verbindlichkeit, welche durch das wegen mangelnder Form nichtige Rechtsgeschäft begründet werden sollte, heilt den Formmangel regelmäßig nicht. Das Geleistete kann vielmehr nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bericherung zurückgefordert werden. Nur Prozeßvergleiche sind auch dann wirksam, wenn sie der für beurkundete Rechtsgeschäft sonst vorgeschriebenen Form nicht entsprechen. So ist z. B. ein Erbverzicht in einem Prozeßvergleiche wirksam, wenn auch nach Landesrecht aus­ schließlich notarielle Beurkundung für Erbverträge vorgeschrieben ist. Dies gilt auch von jenen Vereinbarungen in einem Prozeßvergleiche, welche über den Gegenstand des Rechts­ streites hinausgehen, soferne nur diese Vereinbarungen zur Beilegung des Rechtsstreites bestimmt sind?) Da, wo das Gesetz eine Form nicht zwingend vorschreibt^ können die Beteiligten durch Rechtsgeschäft, insbesondere durch Vertrag, aber auch durch letztwillige Verfügung eine' Form für Rechtsgeschäfte bestimmen, z. B. vereinbaren, daß der Vertrag durch einen Rechtsanwalt zu beurkunden sei. Diese Bestimmung einer Form kann den Zweck haben, daß das Rechtsgeschäft, wenn es ohne Einhaltung der Form vorgenommen wird, nicht wirksam sein soll. Sie kann aber auch den Sinn haben, daß die Beteiligten die Einhaltung der Form lediglich zu Beweiszwecken oder sonst aus einem Grunde wollten, ohne die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts in Ab­ hängigkeit von der Einhaltung der Form zu bringen. Ob das eine oder andere der Fall ist, muß die Auslegung ergeben. Im Zweifel hat der Mangel der durch Rechtsgeschäft be­ stimmten Form gleichfalls Nichtigkeit zur Folge (§ 125)?) Ein im Ausl and vorgenommenes Rechts-Formvor­ geschäft muß im Jnlande regelmäßig als gültig erachtet Wand wt’B” werden, wenn es nach den Gesetzen des Auslandes wirksam nomg™^d®e/|t8' *) ROLG 6 S. 35. 4) ROLG 6 S. 219.

-) ROLG 4 S. 207.

') ROLG 2 S. 214.

108

Formen der Rechtsgeschäfte.

I.

Schriftliche

s°rm’

Begriff, Arten und Form der Rechtsgeschäfte.

ist. Die Form des Rechtsgeschäftes bestimmt sich dabei nach den Gesetzen, welche für das den Gegenstand des Rechtsge­ schäfts bildende Rechtsverhältnis maßgebend sind. Es genügt jedoch die Beobachtung der Gesetze des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Letzterer Rechtssatz findet aber keine Anwendung auf ein Rechtsgeschäft, durch welches ein Recht an einer Sache, insbesondere an einem „Grundstücke begründet oder über ein solches Recht z. B. durch Übertragung Belastung, Aufhebung, Änderung verfügt wird. (Art. 11 EG.) Das BGB kennt hauptsächlich folgende Formen für Rechtsgeschäfte: 1. d i e schriftliche Form, 2. die gerichtliche oder notarielle Beur­ kundung, 3. d i e öffentliche Beglaubigung. 1. Die schriftliche Form. Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muß die Urkunde von dem Aussteller derselben eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels gerichtlich oder notariell be­ glaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Wer den In­ halt der Urkunde schreibt, ist gleichgültig. Jedoch muß der Ur­ kundeninhalt im Augenblicke der Unterzeichnung noch nicht vor­ handen sein. Auch sog. Blankettunterschriften genügen. Denn für die Frage der Formrichtigkeit ist es ohne Belang, ob die Unterschrift dem Texte zeitlich nachfolgt oder vorausgeht. Wer in Blanko eine Urkunde unterzeichnet, erklärt damit, jenen Inhalt der Urkunde zu wollen, welcher derselben später gegeben wird, und kann sich ebenso wie derjenige, der eine Urkunde ungelesen unterzeichnet, nicht darauf berufen, daß er den In­ halt der Urkunde nicht gewollt habe?) Unterschrift und Hand­ zeichen müssen eigenhändig, sohin durch die Hand des Unter­ zeichnenden her^estellt sein und sich an einer solchen Stelle der Urkunde befinden, daß deren Inhalt durch die Ünterschrift gedeckt ist. Der nach der Unterschrift folgende Text der Ur­ kunde ist unwirksam. Stempelung, Druck, Schreibmaschine oder sonstige auf mechanischem Wege hergestellte Überschriften können die eigenhändige Ünterschrift nicht ersetzen. Ebenso ist Unterzeichnung durch einen beauftragten Dritten, der nicht Vertreter im Willen ist, nicht zulässig. So ist z. B. ein Wechsel, den eine Ehefrau mit dem Namen ihres Mannes für diesen in dessen Auftrag oder auf dessen Bitte unterzeichnet, nicht gültig, denn hier fehlt es an der „Eigenhändigkeit" der Unterschrift und liegt nur ein Auftrag zu einer mechanischen Dienstleistung, nicht aber eine Vollmacht oder Stellvertretung vor?) Eine gültige Namensunterschrift ist aber vorhanden, *) ROLG 6 S. 32.

2) ROLG 4 S- 209.

Form der Rechtsgeschäfte.

109

wenn der Aussteller, der in der Urkunde die Willenserklärung in Vertretung eines Anderen abgibt, nur mit dessen Namen unterzeichnet?) Der Stellvertreter, insbesondere der Bevoll­ mächtigte eines Anderen kann für diesen zu dessen Verpflich­ tung und Berechtigung eine rechtsgeschäftliche Erklärung, für welche das Gesetz die schriftliche Form vorschreibt, in der Weise wirksam abgeben, daß er die seine Willenserklärung enthaltende Urkunde zwar eigenhändig, aber nicht mit seinem, sondern ausschließlich mit dem Namen des Vertretenen unter­ zeichnet?) Dies gilt insbesondere für die Ausstellung von Wechseln. Ein die Vertretungsmacht andeutender Zusatz ist nicht erforderlich. Daß die Unterzeichnung mit dem Familien­ namen oder der Firma oder einem Pseudonym erfolgt, ist nicht erforderlich. Die Unterzeichnung mit jedem tatsächlich geführten Namen genügt. Auch braucht der Name nicht leser­ lich zu sein. Handzeichen jeder Art müssen gerichtlich oder notariell beglaubigt werden. Der Gebrauch von Handzeichen ist auch statthaft, wenn der Unterzeichnende des Schreibens kundig und am Schreiben nicht verhindert ist (§ 126 Abs. 1). Bei einem Vertrage muß die Unterzeichnung der beiden oder mehreren Parteien regelmäßig auf derselben Ur­ kunde erfolgen. Briefwechsel genügt für Verträge in der Regel nicht. Werden jedoch über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden ausgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unter zeichnet. Dies braucht nicht gleichzeitig zu geschehen (§ 126 Abs. 2). Die schriftliche Form kann überall da, wo sie vorge­ schrieben ist, durch die gerichtliche oder notarielle Beurkundung ersetzt werden (§ 126 Abs. 3). Die vorstehenden Vorschriften gelten im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte schriftliche Form. Jedoch genügt diesfalls, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, zur Wahrung der Form a) bei allen Rechtsgeschäften eine telegraphische Über­ mittlung der Willenserklärungen und b) bei Verträgen ein bloßer Briefwechsel. Weder das aufgegebene Telegramm noch die Briefe müssen vom Absender unterzeichnet sein. Erforderlich und genügend ist die Tat­ sache, daß die Absendung des Briefes oder Telegrammes mit dem Willen des Erklärenden geschieht und dessen Willen wiedergibt sowie ferner, daß die schriftliche Ausfertigung des Telegrammes beziehungsweise der Brief dem Adressaten zu') DIZ 1900 S. 338; 1901 S. 547; 1902 S. 151. a) RG 50 S. 55; DIZ 1900 S. 338; DIZ 1901 S. 547; ROLG 2 S. 389; ROLG 3 S. 350; 4 S. 209; IW 1902 S. 123; anders ROLG 2 S. 54.

110

2. Gerichtliche und notarielle Beurkundung.

3. Öffentliche Beglaubigung.

Begriff, Arten und Form der Rechtsgeschäfte.

geht. Wird eine dieser Formen, telegraphische Übermittelung oder Briefwechsel gewählt, so kann der Empfänger der Er­ klärung nachträglich, wenn nötig auch im Wege der Klage verlangen, daß die Willenserklärungen so beurkundet werden, wie dies geschehen muß, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist (§ 127). 2. Die gerichtliche und notarielle Beur­ kundung. Hier ist vor allem zu bemerken, daß die Landesgesetze bestimmen können, daß für die Beurkundung von Rechtsge­ schäften, die nach den Vorschriften des BGB gerichtlicher oder notarieller Beurkundung bedürfen, entweder nur die Ge­ richte oder nur die Notare zuständig sind (Art. 141 EG)4) Reichsgesetzlich ist festgesetzt, daß in den Fällen, in denen durch Gesetz gerichtliche oder notarielle Beurkundung eines Ver­ trags vorgeschrieben ist, es genügt, wenn zunächst der An­ trag und sodann die Annahme des Antrags von einem Ge­ richt oder einem Notar beurkundet wird, sofern nicht, wie z. B. beim Ehevertrag die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien vom Gesetz erfordert wird (§ 128). Regelmäßig ist daher gleichzeitige Anwesenheit der Parteien vor Gericht oder dem Notar bei der Beurkundung nicht erforderlich. Ist durch Rechtsgeschäft gerichtliche oder notarielle Beur­ kundung eines Vertrags bestimmt, so müssen beide Parteien gleichzeitig vor Gericht oder Notar bei der Beurkundung an­ wesend sein, sofern nicht etwas Anderes sich ergibt. Bedarf bei Verträgen, wie z. B. bei Schenkungsversprechen, nur die Willenserklärung eines Vertragsteils der Beurkundung, so ist nur diese, nicht auch die Annahme der Erklärung zu beurkunden. Das Gleiche gilt bei einseitigen empfangsbedürftigen Willens­ erklärungen (§ 128). Nachträgliche Einschaltungen in den Text einer gerichtlichen oder notariellen Urkunde bedürfen selbst der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.^) 3 Die öffentliche Beglaubigung. Ist durch Gesetz für eine Erklärung öffentliche Beglaubi­ gung vorgeschrieben, so muß die Erklärung schriftlich abgefaßt und die Ünterschrift von der zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten oder Notar beglaubigt werden. *) Preußen: Gerichte oder Notare nach Art. 31 des Ges. über die freiwillige Gerichtsbarkeit; Bayern: die Notare 167 I AGzBGB, Art. 1 NotG vom 9. VI. 1899; Sachsen: Gerichte oder Notare nach § 37 des Ges. zur Ausführung einiger dem BGB zusammenhängender Reichsges. vom 16. VI. 1900; Württemb erg: nur Notare nach Art. 105 AGzBGB; Baden; teils Notare teils Gerichte § 34, 35 des Reichspolizeiges. vom 17. VI. 1899; Hessen: Gerichte und Notare Art. 1, 2 AGzFG und Art. 10 Notariatsordnung vom 15. III. 1899; Elsaß-Lothringen: nur Notare § 44 AGzFG vom 6. XI. 1899. a) ROLG 2 S. 497.

Die Geschäftsfähigkeit.

111

Nachträgliche Einschaltungen in den Text einer öffentlich be­ glaubigten Urkunde bedürfen selbst der Beglaubigung.*) Die Wirkung der Beglaubigung reicht nicht weiter als jene der Unterschrift. Nachträgliche Zusätze oder hinter der Unter­ schrift stehende sogenannte Postskripta werden durch die Be­ glaubigung der Unterschrift nicht gedeckt.^) Wird die Erklärung von dem Aussteller mittels Handzeichens unterzeichnet, so ist die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung des Handzeichens erforderlich und genügend. In allen Fällen wird die öffent­ liche Beglaubigung der Unterschrift oder des Handzeichens durch die gerichtliche oder notarielle Beurkundung der Erklärung ersetzt (§ 129). Durch die öffentliche Beglaubigung der Unterschrift oder des Handzeichens wird die Urkunde keine öffentliche. Nur der Beglaubigungsvermerk ist öffentliche Urkunde.

2. Kapitel.

Ire Willenserklärung als Anhalt des Rechtsgeschäfts.

§ 45. Die Geschäftsfähigkeit. Wesentliche Voraussetzung für die wirksame Vornahme Begriff der s-. eines Rechtsgeschäfts ist, daß derjenige, welcher das Rechts- wwaweit. geschäft vornimmt, zur wirksamen Vornahme des Rechtsge­ schäfts fähig ist. Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit zur Vornahme wirksamer rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen. Geschäftsunfähigkeit ist die Unfähigkeit einer Person, rechtsgültige Willenserklärungen abzugeben. Der Geschäfts­ unfähige ist jedoch rechtsfähig. Die nachfolgenden Vorschriften über Geschäftsfähigkeit sind zwingenden Rechts. Die Geschäftsfähigkeit einer Person wird nach den Ge­ setzen des Staates beurteilt, dem die Person angehört. Nimmt ein Ausländer im Inland ein Rechtsgeschäft vor, für das er nach dem Rechte seines Staates geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, so gilt er für dieses Rechts­ geschäft insoweit als geschäftsfähig, als er nach den deutschen Gesetzen geschäftsfähig sein würde. Jedoch findet diese Vor­ schrift auf familien- und erbrechtliche Rechtsgeschäfte sowie auf Rechtsgeschäfte, durch die über ein ausländisches Grundstück verfügt wird, keine Anwendung. (Art. 7 EG.) ') ROLG 3 S. 306.

’) EFG. 2 S. 101.

Die Geschäftsfähigkeit.

111

Nachträgliche Einschaltungen in den Text einer öffentlich be­ glaubigten Urkunde bedürfen selbst der Beglaubigung.*) Die Wirkung der Beglaubigung reicht nicht weiter als jene der Unterschrift. Nachträgliche Zusätze oder hinter der Unter­ schrift stehende sogenannte Postskripta werden durch die Be­ glaubigung der Unterschrift nicht gedeckt.^) Wird die Erklärung von dem Aussteller mittels Handzeichens unterzeichnet, so ist die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung des Handzeichens erforderlich und genügend. In allen Fällen wird die öffent­ liche Beglaubigung der Unterschrift oder des Handzeichens durch die gerichtliche oder notarielle Beurkundung der Erklärung ersetzt (§ 129). Durch die öffentliche Beglaubigung der Unterschrift oder des Handzeichens wird die Urkunde keine öffentliche. Nur der Beglaubigungsvermerk ist öffentliche Urkunde.

2. Kapitel.

Ire Willenserklärung als Anhalt des Rechtsgeschäfts.

§ 45. Die Geschäftsfähigkeit. Wesentliche Voraussetzung für die wirksame Vornahme Begriff der s-. eines Rechtsgeschäfts ist, daß derjenige, welcher das Rechts- wwaweit. geschäft vornimmt, zur wirksamen Vornahme des Rechtsge­ schäfts fähig ist. Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit zur Vornahme wirksamer rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen. Geschäftsunfähigkeit ist die Unfähigkeit einer Person, rechtsgültige Willenserklärungen abzugeben. Der Geschäfts­ unfähige ist jedoch rechtsfähig. Die nachfolgenden Vorschriften über Geschäftsfähigkeit sind zwingenden Rechts. Die Geschäftsfähigkeit einer Person wird nach den Ge­ setzen des Staates beurteilt, dem die Person angehört. Nimmt ein Ausländer im Inland ein Rechtsgeschäft vor, für das er nach dem Rechte seines Staates geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, so gilt er für dieses Rechts­ geschäft insoweit als geschäftsfähig, als er nach den deutschen Gesetzen geschäftsfähig sein würde. Jedoch findet diese Vor­ schrift auf familien- und erbrechtliche Rechtsgeschäfte sowie auf Rechtsgeschäfte, durch die über ein ausländisches Grundstück verfügt wird, keine Anwendung. (Art. 7 EG.) ') ROLG 3 S. 306.

’) EFG. 2 S. 101.

112

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

Die Geschäftsfähigkeit kann gänzlich fehlen oder nur in beschränktem Umfange oder nur unter gewissen Bedingungen vorhanden sein. Darnach unterscheidet man Geschäftsunfähigkeit oder beschränkte Geschäftsfähigkeit. Geichästsun1. Geschäftsunfähigsind (§ 104): sähige Personen. ' / ' 1 / a ' /” a . / , x n , o a) Personen, welche nicht das siebente Lebens­ jahr vollendet haben. Die vollständige Geschäftsunfähigkeit eines am 1. Januar 1901 geborenen Menschen endet daher mit dem Ablaufe des 31. Dezember 1908. b) Personen, welche sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krank­ hafter Störung der Geistestätigkeit befinden, so­ fern nicht der Zustand seiner Natur nach ein bloß vorüber­ gehender ist. Der Geisteskranke ist daher geschäftsunfähig, mag er entmündigt sein oder nicht. Jedoch ist ein nicht ent­ mündigter Geisteskranker während lichter Augenblicke geschäfts­ fähig. Vorübergehende Störung der Geistestätigkeit und Geistes­ schwäche begründen keine völlige Geschäftsunfähigkeit. c) Personen, welche wegen Geisteskrankheit entmündigt sind. Solange die Entmündigung wegen Geisteskrankheit besteht, ist der Entmündigte ohne Rück­ sicht darauf, ob er wirklich geisteskrank ist, noch ist oder nicht, geschäftsunfähig. Dies ist er auch während lichter Augenblicke. Wirkungen dcr Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig. Der Geschäftsunfähige kann keine Rechtsgeschäfte wirksam vornehmen. Die Nichtigkeit der Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen muß auch derjenige gegen sich gelten lassen, der die Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden nicht kannte (§ 105 Abs. 1). Dagegen knüpfen sich an solche Handlungen des Geschäftsunfähigen, welche ohne Willenserklärungen zu sein, rechtlich bedeutsam sind, die mit ihnen verbundenen Rechts­ folgen genau so an, wie wenn ein Geschäftsfähiger sie vor­ nehmen würde. So kann z B. auch der Geschäftsunfähige Besitz erwerben. Der Geschäftsunfähige kann ferner Eigentum durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe in eine neue Sache erwerben. Dagegen kann der Geschäfts­ unfähige eine herrenlose bewegliche Sache sich nicht dadurch aneignen, daß er dieselbe in Eigenbesitz nimmt, oder sein Eigen­ tum an einer beweglichen Sache dadurch aufheben, daß er in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt. Auch empfangsbedürftige Willenserklärungen Anderer kann der Geschäftsunfähige nicht wirksam entgegennehmen. Wird eine Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegen­ über abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem ge­ setzlichen Vertreter zugeht (§ 131).

Die Geschäftsfähigkeit.

113

Der Geschäftsunfähige muß einen gesetzlichen Vertreter haben. Dieser hat die Rechtsgeschäfte für den Geschäftsun­ fähigen zu besorgen. Die Willenserklärungen des gesetzlichen Vertreters und die ihm gegenüber abgegebenen Willenserklä­ rungen wirken unmittelbar für und gegen den Geschäftsun­ fähigen. Ohne daß ein Fall der Geschäftsunfähigkeit vorliegt, sind nichtig auch die Willenserklärungen, welche im Zustande der Bewußtlosigkeit oder vorüber­ gehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben werden (105 Abs. 2). Sinnlos Betrunkene, hypnotisierte Personen, Fieberkranke u. s. w. können in diesem Zustande, wennschon sie an sich geschäftsfähig sind, keine wirksamen Rechts­ geschäfte vornehmen. Dagegen können ihnen gegenüber Willens­ erklärungen wirksam abgegeben werden. In der Ge­ 2. In der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind schäftsfähigkeit beschränkte Per­ (§§ 106, 114): sonen. a) Minderjährige, welche das siebente Lebens­ jahr vollendet haben, b) Personen, welche wegen Geistesschwäche, wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht entmündigt sind, c) Volljährige, deren Entmündigung aus irgend welchem Grunde beantragt ist, und welche zur Ab­ wendung einer erheblichen Gefährdung ihrer Person oder ihres Vermögens unter vorläufige Vormundschaft ge­ stellt sind (§ 1906). Die in der Geschäftsfähigkeit beschränktenMun« Personen bedürfen zu allen Willenserklärungen der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters, es etL sei denn, daß sie durch ihre Willenserklärungen lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen. Die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist schon dann erforder­ lich, wenn das Rechtsgeschäft, dessen Bestandteil die Willens­ erklärung ist, irgendwie rechtlich belastend werden kann. Von welchen wirtschaftlichen Folgen die Willenserklärung be­ gleitet ist, kommt nicht in Betracht. Maßgebend ist, ob das Rechtsgeschäft nur rechtliche Vorteile, oder auch rechtliche Nachteile, insbesondere Verpflichtungen zur Folge hat. So bedarf z. B. eine in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkte Person bei Käufen oder anderen gegenseitigen Verträgen stets der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters, auch wenn die Verträge noch so günstig für sie sind, denn sie ist rechtlich zu einer Gegenleistung verpflichtet. Beispiele für Willens­ erklärungen, durch welche lediglich rechtliche Vorteile erlangt werden, sind die Annahme unbelasteter Schenkungen oder Ver­ mächtnisse und die Aneignung herrenloser, beweglicher Sachen, M a Iler-Meikel, Bürger!. Recht. L. Allst. Sb. I.

8

114

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts,

nicht dagegen die Annahme einer Erbschaft. Die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters kann vorher oder gleichzeitig oder nach­ her erfolgen. Dieselbe ist eine einseitige, empfangsbedürftige, an keine Form gebundene und bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes widerrufliche Willenserklärung, welche sowohl dem in der Ge­ schäftsfähigkeit Beschränkten als auch dem anderen Teile gegen­ über erklärt werden kann. Die Einwilligung kann auch still­ schweigend erfolgen. So wird z. B. dann, wenn der Vater feinen Sohn zu Studienzwecken in eine Universitätsstadt mit zu knappen Geldmitteln schickt und der Sohn deshalb trotz aller Sparsamkeit gezwungen ist, zur Bezahlung der Zimmermiete ein Darlehen aufzunehmen, die Einwilligung des Vaters hierzu anzunehmen sein (§ 107). Ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches die in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, ist unwirk­ sam, sofern nicht die in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person durch dieses Rechtsgeschäft lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt (§ 111). Die Nichtigkeit besteht kraft Gesetzes Jedem gegenüber. Das Rechtsgeschäft kann weder durch nach­ trägliche Genehmigung noch durch Bestätigung nach Wegfall des die Geschäftsfähigkeit beschränkenden Grundes wirksam werden. Ob in solcher nachträglicher Genehmigung oder Be­ stätigung eine neuerliche Vornahme des Geschäfts zu erblicken ist, bleibt der Auslegung im einzelnen Falle überlassen. Nimmt der in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte mit Ein­ willigung seines gesetzlichen Vertreters ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft einem Anderen gegenüber vor, so ist dieses Rechtsgeschäft unwirksam, wenn der in seiner Geschäftsfähigkeit Beschränkte die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters nicht in schriftlicher Form vorlegt und der Ändere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unver­ züglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, zurückweist. Nicht er­ forderlich ist, daß der in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte das Vorhandensein der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters behauptet oder sich darauf beruft1) Die Zurückweisung, eine einseitige empfangsbedürftige, an keine Form gebundene Willens­ erklärung, kann dem in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten und dem gesetzlichen Vertreter desselben gegenüber erfolgen. Daß die Vorlage der schriftlichen Einwilligung gleichzeitig mit dem Rechtsgeschäft erfolge, ist nicht erforderlich; es genügt, wenn die Vorlage vor der Zurückweisung erfolgt. Ob der Andere das ihm vorgelegte, die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters enthaltende Schriftstück gelesen hat oder nicht-, ist gleich­ gültig. Das Rechtsgeschäft wird mit der Zurückweisung von *) RG 50 S. 212.

Die Geschäftsfähigkeit.

115

Anfang an unwirksam. Erfolgt keine zulässige Zurückweisung, so bleibt das Rechtsgeschäft wirksam. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der gesetzliche Vertreter den Anderen von seiner Einwilligung selbst auf irgend eine Weise in Kenntnis gesetzt hatte (§ 111). Schließt der in seiner Geschäftsfähigkeit Beschränkte ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters einen V e r t.ra g irgend welcher Art, durch welchen er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters ab. Der Vertrag besteht zwar von Anfang an, ist aber noch nicht wirksam, sondern wird dies erst durch die Genehmigung des ge­ setzlichen Vertreters mit rückwirkender Kraft. Bis zur Er­ teilung oder Verweigerung der Genehmigung sind die Vertrag­ schließenden, nicht aber der gesetzliche Vertreter des in der Ge­ schäftsfähigkeit Beschränkten an den Vertrag gebunden. Der dem Geschäftsbeschränkten gegenüberstehende Vertragsteil ist jedoch bis zur Genehmigung des Vertrags zum Widerrufe berechtigt. Dieser Widerruf ist eine einseitige, empfangsbedürftige, an keine Form gebundene Willenserklärung, welche sowohl dem in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten als auch dessen gesetzlichem Vertreter gegenüber erklärt werden kann. Hat der andere Vertragsteil die Tatsachen, welche die Beschränkung in der Geschäftsfähigkeit bedingen, gekannt, so ist er zum Widerrufe des Vertrags nur berechtigt, wenn der in der Geschäftsfähig­ keit Beschränkte der Wahrheit zuwider die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters behauptet hat. Die Behauptung, der gesetzliche Vertreter habe seine Einwilligung erteilt, braucht nicht ausdrücklich zu erfolgen. Es genügt vielmehr, daß der Geschäftsbeschränkte sich so geberdet, als hätte er die Einwilli­ gung seines gesetzlichen Vertreters. Aber auch dann, wenn der Geschäftsbeschränkte die Einwilligung seines gesetzlichen Ver­ treters fälschlicherweise zu haben behauptet, kann der andere Vertragsteil nicht widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Ein­ willigung bei dem Abschlüsse des Vertrags bekannt war. Durch eine bloß auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis von der Eiuwilligung wird das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen. Mit dem zulässigen Widerrufe wird der Vertrag unwirksam und zwar so, als ob er nie bestanden hätte. Was auf Grund des Vertrags bereits geleistet worden war, kann nach den Grund­ sätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereiche­ rung zurückverlangt werden. Der in seiner Geschäftsfähigkeit Beschränkte, kann von dem einmal geschlossenen Vertrage nicht zurücktreten. Die Entscheidung darüber, ob der Vertrag wirksam werden solle oder nicht, liegt in den Händen des gesetzlichen Vertreters. Verweigert dieser die Genehmigung oder kann der­ selbe die Genehmigung nicht mehr erteilen, so ist der Ver8*

116

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

trag von Anfang an unwirksam. Erteilt der gesetzliche Ver­ treter seine Genehmigung, so ist der Vertrag als von Anfang an wirksam anzusehen und das Widerrufsrecht des andereu Teiles ausgeschlossen. Die Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung kann auch stillschweigend durch schlüssige Hand­ lungen des gesetzlichen Vertreters geschehen. Erteilung wie Verweigerung der Genehmigung können nicht widerrufen wer­ den. Solange die Genehmigung weder erteilt noch verweigert ist, auch nicht feststeht, daß sie nicht mehr erteilt werden kann, ist die Wirksamkeit des Vertrags in Schwebe und zwar ohne Rücksicht darauf, ob und wann der gesetzliche Vertreter von dem Vertragsschlusse Kenntnis erhält. Um diesem un­ gewissen Zustande ein Ende zu bereiten, kann der dem Ge­ schäftsbeschränkten gegenüberstehende Vertragsteil den gesetz­ lichen Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung aus­ fordern. Geschieht dies, so kann die Erklärung des gesetzlichen Vertreters über die Genehmigung von nun ab nur mehr dem anderen Vertragsteile, nicht dem in der Geschäftsfähigkeit Be­ schränkten gegenüber erfolgen. Eine vor der Aufforderung dem Geschäftsbeschränkten gegenüber erklärte Genehmigung oder Ver­ weigerung der Genehmigung wird unwirksam. Nach erfolgter Auf­ forderung kann die Genehmigung nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. Wird der in seiner Geschäftsfähigkeit Beschränkte unbeschränkt geschäftsfähig, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung seines bisherigen gesetzlichen Vertreters. Auch er kann also nach Er­ langung der vollen Geschäftsfähigkeit zur Erklärung über die Genehmigung aufgefordert werden. Stirbt der in seiner Ge­ schäftsfähigkeit Beschränkte, bevor er unbeschränkte Geschäfts­ fähigkeit erlangt oder nach Erlangung derselben den Vertrag genehmigt hat, so steht seinen Erben das Recht zu, den Ver­ trag zu genehmigen oder zu verweigern. Wird der Geschäfts­ fähige völlig geschäftsunfähig, so verbleibt dieses Recht dem gesetzlichen Vertreter (§§ 108, 109). 'der Geschäfts" ' 3. Von diesen Grundsätzen bestehen Ausnahmen: beschränkte selbst a. Sehr häufig ist der Fall, daß der gesetzliche Vertreter geschälte vor- ° oder mit dessen Zustimmung ein Dritter dem in der Geschäfts­ nehmen kann. Fähigkeit Beschränkten Mittel zu freier Verfügung oder zu einem bestimmten Zwecke überläßt. So z. B. wenn ein Vater seinem minderjährigen, die Universität beziehenden Sohne monatlich eine bestimmte Summe gewährt, wenn der Vor­ mund seinem Mündel gestattet, seinen Arbeitsverdienst zu seinem Unterhalte zu verwenden, wenn ein jünger Künstler von einem Kunstfreunde ein Stipendium zur- Ausbildung er­ hält, wenn dem Kinde von seinen Eltern ein Taschengeld ge­ geben wird u. s. w. Ein unter solchen Umständen von dem

Die Geschäftsfähigkeit.

117

in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der in seiner Geschäfts­ fähigkeit Beschränkte, die ihm obliegende ver­ tragsmäßige Leistung mit solchen Mitteln bewirkt, welche ihm zu diesemZwecke oder zur freien Ver­ fügung von dem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind (§ 110). Nur vollständige, nicht auch teil­ weise Erfüllung oder das bloße Leistungsversprechen macht den Vertrag von Anfang an wirksam. Ferner sind nur solche Ver­ träge wirksam, bei welchen der in der Geschäftsfähigkeit Be­ schränkte mit den freigegebenen Mitteln selbst die ihm ob­ liegende Leistung bewirkt, nicht aber solche Verträge, die der in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte mit Gegenständen erfüllt, die er erst mit den freigegebenen Miteln erworben hat.*) Soweit der gesetzliche Vertreter zur Veräußerung jener Gegenstände, welche dem Geschäftsbeschränkten zur freien Verfügung über­ lassen werden, der Genehmigung des Gegenvormunds oder des Vormundschaftsgerichts bedarf, kann er dem in der Ge­ schäftsfähigkeit Beschränkten Mittel zur Vertragserfüllung oder freien Verfügung nur mit Genehmigung des Gegenvormunds oder des Vormundschaftsgerichts überlassen. Eine andere Überlassung wäre unzulässig und könnte die Bewirkung der vertragsmäßigen Leistung den Vertrag nicht wirksam machen, b. Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts den in seiner Geschäftsfähigkeit Beschränkten zum selb­ ständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes, so ist der Geschäftsbeschränkte für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche dieser Ge­ schäftsbetrieb mit sich bringt. Ausgenommen sind nur Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter selbst der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf. Unter „Erwerbsgeschäft" ist jede auf selbständigen Erwerb gerichtete, fortgesetzte Tätig­ keit zu verstehen. Ob dieselbe in Handel, industriellen Unter­ nehmungen, im Betrieb eines Handwerks oder der Landwirt­ schaft oder in der Ausübung eines künstlerischen oder wissen­ schaftlichen Berufes besteht, ist gleichgültig. Der in der Ge­ schäftsfähigkeit Beschränkte muß aber das Erwerbsgeschäft als eigener Unternehmer betreiben. Die Erwerbstätigkeit braucht auch keine dauernde zu sein. Die Ermächtigung zum selbständigen Betriebe eines Erwerbsgeschäftes ist eine form­ lose, dem in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten gegenüber abzugebende Willenserklärung. Dieselbe kann auch stillschwei*) DIZ 1903 S. 451.

118

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

genb, aber auch in diesem Falle nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erteilt werden. Soweit die Ermächti­ gung in zulässiger Weise erteilt ist und soweit es sich nicht um Rechtsgeschäfte handelt, zu denen der Vertreter der Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf, kommt dem Geschäftsbeschränkten für alle, aber auch nur für jene Rechts­ geschäfte, welche der Betrieb des ihm gestatteten Erwerbs­ geschäftes mit sich bringt, volle Geschäftsfähigkeit zu und ver­ liert der gesetzliche Vertreter seine Bertretungsbefugnis. Gleich­ gültig bleibt dabei, ob diese Rechtsgeschäfte einseitig oder zwei­ seitig sind, welchen Inhalt sie haben und ob sie sich auch auf das erstrecken, was der Geschäftsbeschränkte zu seinem Lebens­ unterhalte braucht. Die Ermächtigung zum selbständigen Be­ triebe eines Erwerbsgeschäftes kann von dem gesetzlichen Ver­ treter durch formlose Erklärung gegenüber dem in der Geschäfts­ fähigkeit Beschränkten zurückgenommen, nicht aber auch ein­ geschränkt werden. Hierzu ist die Genehmigung des Vormund­ schaftsgerichts erforderlich. Der Widerruf "einzelner Geschäfte ist nitht statthaft (§ 112). c. Eine Erweiterung der Geschäftsfähigkeit tritt auch dann ein, wenn der gesetzliche Vertreter die in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ermächtigt, in Dienst oder in Arbeit zu treten. Erteilt der gesetzliche Vertreter diese Ermächtigung, so ist die in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person für solche Rechtsge­ schäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dien st-oder Arbeitsverhält­ nisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Ver­ pflichtungen betreffen. Innerhalb dieses Rahmens er­ lischt die Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vertreters und kann nur der sonst in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte wirksam Rechtsgeschäfte vornehmen, z. B. Gegenleistungen entgegen­ nehmen, kündigen, Vergleiche schließen, Vertragsstrafen ver­ einbaren, verzichten, anerkennen, Schulden erlassen u s. w. Ausgenommen sind aber solche Verträge, zu denen der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts bedarf. Auch bekommt der Geschäftsbeschränkte durch die Ermächtigung nicht zugleich ein Verfügungsrecht über das­ jenige, was er für seine Dienste und seine Arbeit von dem anderen Vertragsteile erhält. Die Ermächtigung ist zulässig für Dienstund Arbeitsverhältnisse jeder Art. Insbesondere ist zwischen Diensten höherer und niederer Art nicht zu unterscheiden. Der Lehrlingsvertrag gehört jedoch nicht hierher, wohl aber die Ermäch­ tigung zum Eintritt als Handlungsgehülfe. Die Ermächtigung, in Dienst oder in Arbeit zu treten, ist eine formlose, nur dem in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten gegenüber abzugebende

Die Geschäftsfähigkeit.

119

Willenserklärung. Diese Ermächtigung bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht, kann aber bei jenen Ver­ trägen, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Vor­ mundschaftsgerichts bedarf, durch diese nicht gültig werden. Sie kann von dem gesetzlichen Vertreter jederzeit zurückgenommen und zeitlich oder inhaltlich eingeschränkt werden, ohne daß hierzu die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforder­ lich wäre. Eine solche Einschränkung kann sich auf die Persönlichkeit des Dienstherrn,, auf die Art und Dauer des Dienstes sowie auf den sonstigen Inhalt des Dienst- oder Arbeitsvertrages beziehen. Erst nach erfolgter Zurücknahme der Ermächtigung kann der ge­ setzliche Vertreter wieder Rechtsgeschäfte für den Minderjährigen vornehmen, z. B. kündigen. In dieser Vornahme von Rechts­ geschäften selbst kann eine Zurücknahme der Ermächtigung liegen. Ob der Minderjährige dem Dienstherrn beim Vertragsabschlüsse über die erteilte Ermächtigung und deren Ausdehnung unwahre Angaben macht, ist unerheblich. Entscheidend ist lediglich der Um­ fang der wirklich erteilten Ermächtigung. Der gesetzliche Ver­ treter ist verpflichtet, der Dienstherrschaft Mitteilung über die etwaige Einschränkung der von ihm erteilten Ermächtigung zu machend) Bereits vorgenommene, von der Ermächtigung ge­ deckte Rechtsgeschäfte können von dem gesetzlichen Vertreter nicht widerrufen werden. Die für einen einzelnen Fall erteilte Ermächtigung gilt im Zweifel d. h. sofern nicht der gesetzliche Vertreter einen diesbezüglichen Vorbehalt dem Geschäftsbe­ schränkten gegenüber erklärt, als allgemeine Ermächtigung zur Eingehung von Verhältnissen derselben Art. Ermächtigt z. B. der Vormund sein Mündel, in den Dienst der Herrschaft A zu treten, so bedarf das Mündel, wenn es dieses Dienstverhältnis löst, zur Eingehung eines anderen Dienstverhältnisses ähnlicher Art nicht einer neuen Ermächtigung. Ist der gesetzliche Ver­ treter ein Vormund, so kann die Ermächtigung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Das Vormundschaftsgericht hat sogar die Ermächtigung zu er­ setzen, wenn diese im Interesse des Mündels liegt. So darf z. B. der Vormund seinem jüdischen Mündel den Eintritt in ein Geschäft nicht deshalb verweigern/ weil in dem Geschäfte auch am Sanistag gearbeitet tt>irb2) (§ 113). 4. Wird ein die Entmündigung wegen Geistesschwäche, Ver­ schwendung oder Trunksucht aussprechender Beschluß infolge einer Anfechtungsklage aufgehoben oder wird im Falle einer vorläufigen Vormundschaft der Antrag auf Entmündigung zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen oder der die ') DIZ 1903 S. 431. *) ROLG 3 S. 347.

120

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

Entmündigung aussprechende Beschluß infolge einer Anfech­ tungsklage aufgehoben, so sind die von und gegenüber der entmündigt oder unter vorläufige Vormundschaft gestellt ge­ wesenen Person vorgenommenen Rechtsgeschäfte als von Anfang an wirksam anzusehen. Umgekehrt hat die Aufhebung der Ent­ mündigung und die Beendigung der vorläufigen Vormundschaft auf die Wirksamkeit der von oder gegenüber dem gesetzlichen Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluß, so daß auch diese wirksam bleiben (§ 115). Haben der Geschäfts­ beschränkte und sein gesetzlicher Vertreter entgegengesetzte Willenserklärungen abgegeben, so hat keine vor der anderen den Vorzug, sondern beide sind bindend, sofern nicht der bestehende Widerspruch einen klaren Willen überhaupt ausschließt. 5. Soweit die in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Per­ sonen geschäftsfähig sind, kommt ihnen auch Prozeßfähig­ keit zu. 8 46.

Willenserklärung und Wille.

Der Wille erlangt rechtliche Bedeutung erst dann, wenn er durch seine Betätigung in der Außenwelt erkennbar wird. Willenserklärung ist die gewollte und hierzu geWillenreMär- eignete Erkennbarmachung des Willens nach ungen; außen. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen, nämlich a) Ausdrückliche a. durch ein Verhalten, welches nur die Offenbarung des m'un8mr tai= Willens bezweckt. Hierher gehören alle Handlungen, welche den Willen ausdrücklich erkennbar machen, so z. B. Sprechen, Schreiben, Nicken oder Schütteln mit dem Kopfe, Abwinken, Vernichten einer Urkunde, Lachen zu einem Vertragsantrage, Vollzug einer Leistung u. s. w. Daher wird dieses Verhalten, wenn auch nicht richtig, so doch gemeinverständlich als „aus­ drückliche" Willenserklärung bezeichnet. b> StiMchweigb. durch ein Verhalten, welches als solches nicht die Ererklärungen. kennbarmachung des Willens bezweckt, jedoch gleichwohl auf das Vorhandensein des Willens einen sicheren Schluß gewährt. Ein solches Verhalten kann zugleich die Offenbarung eines an­ deren Willens bezwecken. So liegt z. B. darin, daß der Erbe vor Ablauf der Ausschlagungsfrist den Erbschaftsschuldnern Schulden erläßt, die Annahme der Erbschaft. Handlungen, welche nach allgemeiner Lebenserfahrung einen Schluß auf einen Willen zulassen, ohne daß sie eine Erkennbarmachung dieses Willens bezwecken, sind sogenannte „schlüssige Hand­ lungen". Ein Verhalten, welches, ohne den Ausdruck eines Willens zu bezwecken, einen bestimmten Willen erkennbar macht, wird, wenn auch ebenfalls ungenau „stillschweigende" Willenserklärung genannt. Auch Stillschweigen selbst kann WllenserNär.

ung.

Willenserklärung und Wille.

121

unter Umständen als genügend erkennbarer Willensausdruck angesehen werden und zwar insbesondere dann, wenn eine ausdrückliche Erklärung nicht nur möglich, sondern auch nach der Verkehrsübung geboten wäre und die Unterlassung einer gegenteiligen Erklärung gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Die Erklärung des Willens muß für denjenigen, welchen b^ft^unb sie angeht, erkennbar sein. Jedoch müssen nicht alle Willens- nicht empfangserklärungen gegenüber demjenigen, dem sie erkennbar werden Will-nr-rnärsollen, abgegeben werden. In zahlreichen Fällen schreibt das un0enGesetz vor, daß eine Willenserklärung gegenüber einer bestimmten Person abgegeben werde. Darnach unterscheidet man zwischen empfangsbedürftigen und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Die empfangsbedürftige Willenser­ klärung muß aber nicht „empfangen" werden, sondern demjenigen, für welchen sie bestimmt ist, nur zugehen. Zugegangen ist eine Willenserklärung schon dann, wenn derjenige, für welchen sie bestimmt ist, in die Lage versetzt worden ist, unter regelmäßigen Verhältnissen von der Willenserklärung Kenntnis zu nehmen. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung kann nicht still­ schweigend abgegeben werden. Empfangsbedürftige Willens­ erklärungen sinö z. B. Kündigung, Mahnung, Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht. Wille und Erklärung müssen sich decken. Nur dann, U^nsümwenn das Gewollte erklärt und das Erklärte ge-mungvonWMe wolltist, liegt eine vollwirksame Willenserklärung"" 1 atun9' vor. Trifft dies nicht zu, so liegt entweder gar keine oder nur eine mangelhafte Willenserklärung vor. So ist z. B. dann, wenn Jemand durch äußere Gewalt, etwa dadurch, daß ihm die Hand zum Unterschreiben geführt wurde, zu einer Hand­ lung gezwungen worden ist, eine Willenserklärung überhaupt nicht vorhanden. Ebenso liegt dann, wenn eine Willenser­ klärung in der Weise gefälscht wird, daß sie von einer anderen Person als dem scheinbaren Urheber herrührt, keine Willens­ erklärung des angeblichen Urhebers vor. Eine Ausnahme von dem Grundsätze, daß der Wille und dessen Erklärung übereinstimmen müssen, besteht dann, wenn der Erklärende sich insgeheim vorbehält, das Er­ klärte nicht zu wollen. Eine solche Erklärung ist gültig. Nichtigkeit der Erklärung tritt nur dann ein, wenn die Er­ klärung eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist und derjenige, dem gegenüber die Erklärung' abzugeben ist, den geheimen Vorbehalt kennt (§ 116). Nur in diesem Falle kann derjenige, welcher sich insgeheim vorbehielt, das Erklärte nicht zu wollen, sich auf die Nichtigkeit dieser Erklärung be­ rufen. Kennenmüffen ist dem Kennen nicht gleichgestellt. Der Vorbehalt, das Erklärte nicht zu wollen, ist ein geheimer, wenn er demjenigen, dem gegenüber die Erklärung abgegeben wird,

122

Scheingeschäfte.

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts,

nicht mitgeteilt wird. Ein Jnkenntnissetzen Dritter von dem geheimen Vorbehalte macht die Erklärung nicht ungültig. Von dem geheimen Vorbehalte, das Erklärte nicht zu wollen, ist verschieden der geheime Vorbehalt, die Folgen der Willens­ erklärung nicht zu wollen, so z. B. wenn Jemand bei Abschluß eines Kaufvertrages entschlossen ist, den Kaufpreis nicht zu be­ zahlen. Ein solcher Vorbehalt berührt die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht. Fälle, in denen die Willenserklärung, weil das Gewollte nicht erklärt oder das Erklärte nicht gewollt ist, der Echtheit entbehrt, sind folgende: 1. Scheingeschäfte. Wird eine Willenserklärung, die einem An­ derengegenüberabzugeben ist, mit dessen Einver­ ständnisse nur zum Schein abgegeben, so ist diese Willenserklärung nicht nur unter den Parteien, sondern auch gegenüber Drit ten, ohne Rücksicht darauf, ob sie den Scheincharakter der Erklärung kennen oder nicht, schlechterdings nichtig. Nur kann, wenn die Parteien auf Grund des Scheingeschäftes ein rechtskräftiges Urteil herbei­ geführt haben, diesem gegenüber die Nichtigkeit des Rechts­ geschäftes nicht mehr geltend gemacht werben.1) Was auf Grund eines Scheingeschäfts geleistet wurde, kann nach den Grundsätzen über ungerechtfertigte Bereicherung zurückverlangt werden. Die Parteien können auf Grund des Scheingeschäfts gegenseitig keine Schadensersatzansprüche geltend machen. Ob Dritten Schadensersatzforderungen zustehen, bemißt sich nach den Grundsätzen über unerlaubte Handlungen (§ 117 Abs. 1). Zwar kann sich Jedermann auf die Nichtigkeit des Schein­ geschäftes berufen, aber es ist damit, daß das Scheingeschäft nichtig ist, noch nicht gesagt, daß auch Jedermann die Nichtig­ keit geltend machen kann. Vielmehr wird vorausgesetzt, daß der Dritte ein rechtliches Interesse an der Geltendmachung der Nichtigkeit hat und daß dieses Interesse durch das Schein­ geschäft auch tatsächlich irgendwie berührt wird. Hat z. B. A dem B ein Grundstück zum Scheine aufgelassen, so kann nicht jeder beliebige Dritte auf Rückauflassung klagen. Wenn aber ein Dritter gegen A eine Forderung oder gar ein vollstreck? bares Urteil in Händen hat, ist eine ihn zu dem Verlangen der Rückauflassung berechtigende rechtliche Beziehung zu B hergestellt. Wie die Nichtigkeit geltend zu machen ist, unter­ liegt der Beurteilung des einzelnen Falles. Hat z. B. der Schuldner eine bewegliche Sache zum Schein veräußert, so kann der Gläubiger diese Sache, insbesondere, wenn sie im Gewahrsam des Schuldners verblieben ist, pfänden lassen und *) Anders RG 36 S. 251.

Willenserklärung und Wille.

123

es dem Erwerber überlassen, sein Scheinrecht im Wege der Widerspruchsklage geltend zu machen. Ist ein Grundstück zum Schein einem Anderen aufgelassen worden, so kann der Gläubiger erst auf Grund eines gegen den Veräußerer er­ langten vollstreckbaren Titels die Berichtigung des Grund­ buchs herbeiführen (§ 14 GO). Mitunter kommt es vor, daß durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt werden soll. So z. B., wenn A dem B eine Sache schenkt, die Sache aber, um den C nichts von der Schenkung wissen zu lassen, dem B scheinbar verkauft. Die Gültigkeit eines solchen Rechtsgeschäfts wird dadurch, daß es durch ein Scheingeschäft verdeckt wird, nicht berührt. Auf das verdeckte Rechtsgeschäft finden die für dasselbe geltenden Vorschriften ebenso Anwendung, wie wenn es nicht verdeckt wäre. Das Gleiche gilt für Rechtsgeschäfte, welche eine Umgehung irgend eines Gesetzes bezwecken. Dabei ist aber zu prüfen, ob diese Rechtsgeschäfte nicht als gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßend nichtig sind (§ 117 Abs. 2). Von den Scheingeschäften zu unterscheiden sind solche, welche mit der Abrede unter den Parteien geschlossen werden, daß die eine Partei von dem ihr vertragsmäßig eingeräumten Rechte nur beschränkt oder gar nicht oder nur zu bestimmtem Zwecke Gebrauch machen soll, so z. B. wenn A dem B eine Forderung zu dem Zwecke überträgt, damit B ihm die For­ derung beitreibe. Solche Geschäfte sind keine Scheingeschäfte, sondern vollgültige Geschäfte.

2. Nicht ernstlich gemeinteWill enserklärungen, welche ohne Täuschungsabsicht und geheimen Vorbehalt, das Wm-nserNLrErklärte nicht zu wollen, in der von dem Erklärenden unaen‘ einseitig gehegten Erwartung abgegeben -werden, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, sind ebenfalls nichtig. Nichtigkeit besteht auch dann, wenn derjenige, der die nicht ernstlich gemeinte Willenser­ klärung abgibt, irrigerweise die Erwartung hatte, der andere Teil werde den Mangel der Ernstlichkeit nicht verkennen. Fälle dieser Art sind im Scherze oder aus offensichtlicher Prahlerei u. s. w. abgegebene Erklärungen. Daß die Erwartung des Er­ klärenden, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, in der Willenserklärung oder bei deren Abgabe Aus­ druck finde, wird nicht erfordert. Wußte der Erklärende, daß seine Erklärung für eine ernstliche gehalten werden könne, so konnte er nicht erwarten, daß der Mangel der Ernstlichkeit nicht verkannt werde. Wird die Erklärung trotzdem abgegeben, so geschieht dies unter dem geheimen Vorbehalte, das Erklärte als nicht ernstlich nicht zu wollen. Die Willenserklärung

124

Irrtum.

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

ist also regelmäßig gültig (§ 118). Fahrlässige und selbst grob­ fahrlässige Unkenntnis stehen der Kenntnis nicht gleich. Wer eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung in der Erwartung abgibt, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, muß bei empfangsbedürftigen Willenser­ klärungen deren Empfängern, andernfalls jedem Dritten den Schaden ersetzen, den dieselben dadurch erleiden, daß sie auf die Gültigkeit der Erklärung, vertrauen, jedoch nicht über den Betrag ihres Interesses an der Gültigkeit der Erklärung hinaus. Demnach umfaßt die Verpflichtung zum Schadensersatz alle Nachteile, welche ohne die Abgabe der Willenserklärung nicht eingetreten wären. Sind diese Nachteile größer als das In­ teresse des Schadensersatzberechtigten an der Gültigkeit der Willenserklärung, so wird der Schadensersatzanspruch auf dieses geringere Interesse beschränkt. Z. B. A verkauft an B ein Pferd, welches er für 4000 Jfc erstand, um 5000 J6. B, welcher das Pferd für 12000 Jfa wert hielt, wollte aber das Pferd im Ernste gar nicht kaufen und war der Meinung, A werde sein niedriges Angebot nicht ernst nehmen. A hält aber den Kauf für ernst und schlägt mit Rücksicht auf den abgeschlossenen Kauf das An­ gebot eines Anderen, der 8000 Jfe bietet, aus. A kann in diesem Falle nicht etwa 4000 jfa, sondern nur 1000 Jh Schadensersatz von B verlangen, denn er hätte, wenn der Kauf gültig gewesen wäre, auch keinen größeren Gewinn gemacht. Die Verpflichtung zum Schadensersatz ist von einem Verschulden des Erklärenden unabhängig. Die Schadensersatzpflicht tritt aber nicht ein, wenn der Geschädigte wußte, daß die Erklärung nicht ernstlich gemeint ist, oder infolge von grober oder leichter Fahrlässigkeit diesen Umstand nicht kannte (§ 122). 3. Irrtum. (§ 119.) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung irgend welcher Art über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts über­ haupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, daß er dieselbe bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so kommt es weiter auf die Erheblichkeit des Irrtums nicht an. Die Frage, ob anzunehinen ist, daß her Erklärende bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles die irrtümliche Erklärung nicht abgegeben haben würde, muß unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Irrenden darnach beant­ wortet werden, wie dieser als ein verständiger Mann, nicht aber wie irgend ein verständiger Mann gehandelt haben würde. Entschuldbarkeit des Irrtums ist nicht erforderlich. Selbst derjenige, welcher infolge grober Fahrlässigkeit irrte,

Willenserklärung und Wille.

125

kann die Erklärung anfechten. Ebensowenig kommt darauf etwas an, ob der Irrtum durch eine falsche Vorstellung oder dadurch hervorgerufen wurde, daß der Irrende überhaupt keine Vorstellung von dem Inhalte seiner Erklärung und deren Be­ ziehungen zur Außenwelt hatte. Dann freilich, wenn der Er­ klärende sich des letzteren bewußt war, liegt ein Irrtum nicht vor. Ob der Irrtum dem anderen Teile erkennbar war oder nicht, begründet keinen Unterschied in der Anfechtungsmöglichkeit. Ebenso ist es gleichgültig, ob der Erklärende in einem Irrtume über Tatsachen, in einem tatsächlichen Irrtume oder in einem Irrtume über Rechtssätze, in einem Rechtsirrtume sich befand?) Auch derjenige, welcher im Irrtume über be­ stimmte rechtliche Beziehungen von Personen oder Sachen be­ fangen, eine Erklärung abgab, kann anfechten. Doch muß auch dieser Rechtsirrtum sich auf den Inhalt der Erklärung beziehen. So ist z. B. derjenige, der auf Grund einer irrig, kalkulierten Preisofferte einen Kaufvertrag eingeht, zur An­ fechtung nicht berechtigt, da er sich über den Inhalt der abge­ gebenen Erklärung nicht im Irrtume befand?) Ein Irrtum über die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung be­ rechtigt nicht zur Anfechtung. Nimmt z. B. Jemand eine Erb­ schaft in der irrigen Meinung an, nur mit dem Nachlasse, nicht auch mit seinem eigenen Vermögen für die Nachlaßver­ bindlichkeiten zu hasten, so kann er die Annahme der Erbschaft nicht anfechten. Schenkt aber Jemand einem Miterben, dessen Einsetzung im Testamente er in Verkennung der Vorschriften über Testamente für ungültig hielt, einen Teil des Nachlasses, so kann er diese Schenkung anfechten. Verlangt dagegen z. B. ein Konkursverwalter aus einem von dem Gemeinschuldner geschlossenen zur Zeit der Konkurseröffnung nur teilweise voll­ zogenen Lieferungsvertrage von dem anderen Vertragsteile Erfüllung in Unkenntnis davon, daß der Vertragsgegner für die bereits erfolgte Teillieferung noch eine Gegenleistung zu fordern hat, so kann er sein Verlangen auf Erfüllung nicht deswegen anfechten, weil er nie die Absicht hatte, die Konkurs­ masse, ohne daß diese z. B. noch eine Gegenleistung erhalte, mit einer Forderung zu belastendenn dieser Irrtum betrifft nur Rechtsfolgen des Geschäftes?) Wer ferner z. B. einen Kaufvertrag über ein Grundstück notariell zum Abschlüsse bringt, weil er glaubt, zur Mitwirkung bei der notariellen Beurkundung auf Grund des mündlichen Vertragsschlusses verpflichtet zu sein, kann den Vertrag wegen Irrtums nicht anfechten?) Zur Anfechtung berechtigt ist nur derjenige, der sich im Irrtum über den Inhalt seiner Erklärung befanb *) Vergl. BlfRA Bd. 67 S. 1 ff. 2) ROLG 3 S. 40; 6 S- 30. IW 1903 Beil. 14 S. 120. *) RG 51 S. 281. *) DIZ 1902 S. 533.

126

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

oder der eine Erklärung dieses Inhalts, wie er sie abgegeben hat, nicht abgeben wollte. Im letzteren Falle handelt es sich um Irrtümer im Willensausdrucke. Die. Fälle des Verschreibens, Versprechens, Vergreifens gehören hierher. Der Irrtum über den Inhalt einer Erklärung ist nicht zu verwechseln mit dem Irrtum über die inhaltliche Tragweite der Erklärung. Nur ersterer berechtigt zur Anfechtung. Als Irrtum über den Inhalt einer Erklärung kommen in Betracht der Irrtum über die Identität des Gegenstandes, auf den sich die Erklärung bezieht, der Irrtum des Erklärenden über die Identität der ihm gegenüberstehenden Person und der Irrtum über die Art des Rechtsgeschäftes. Auch dann, wenn der Er­ klärende mit seiner Erklärung eine falsche Vorstellung verbindet, liegt ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung vor. Als Irr­ tum über den Inhalt einer Erklärung gilt auch der Irrtum über Eigenschaften der Person oder Sache, aber nur dann, wenn diese Eigenschaften im Verkehr nach den Umständen des Falles als wesentlich angesehen werden. Darnach kann z. B. der Irrtum über den Stoff, die äußeren Merkmale, die Provenienz einer Ware, die Zugehörigkeit einer Person zu dieser oder jener Nation, die Konfession Jemandens, die dauernde Ertragsfähig­ keit einer Sache, den zu einer bestimmten Zeit tatsächlich er­ zielten Ertrag aus einem Grundstücke') u. s. w. zur Anfechtung berechtigen. Der Irrtum über die Zahlungsfähigkeit und Kredit­ unwürdigkeit, nicht aber der Irrtum über den Grad der Zah­ lungsfähigkeit oder der Kreditwürdigkeit des Vertragsgegners berechtigt zur Anfechtung.?) Auch solche Irrtümer über Eigen­ schaften von Personen oder Sachen, die im Verkehre als wesent­ lich angesehen werden, sind nur zu beachten, wenn anzunehmen ist, daß der Erklärende seine Erklärung bei Kenntnis der Sach­ lage oder bei verständiger Würdigung des Falles nicht abge­ geben haben würde. Nimmt z. B. ein Reisender, der wieder­ holt von einem Kunden Bestellungen erhielt, von diesem neuer­ dings Aufträge entgegen in der Meinung, der Kunde sei selbst noch Geschäftsinhaber, und ohne zu wissen, daß der Kunde sich in Konkurs befindet und daß nunmehr dessen Ehefrau Geschäfts­ inhaberin ist, so kann der Vertrag angefochten werden deswegen, weil der Reisende in Unkenntnis davon war, daß die Ehefrau Geschäftsnachfolgerin ihres in Konkurs befindlichen Mannes war, nicht aber deswegen, weil der Reisende glaubte, der Kunde sei selbst noch Geschäftsinhaber.?) Nicht berechtigt zur Anfechtung der Irrtum in den Beweggründen, soferne nicht das Gesetz ausdrücklich etwas Anderes bestimmt (z. B. § 2079). Der Grund, warum Jemand eine Willenserklärung abgibt, ist unbeachtlich selbst dann, wenn *) DIZ 1903 S. 501. ’) ROLG 3 S. 39; 4 S. 9. ') DIZ 1901S. 192.

Willenserklärung und Wille.

127

er auf denselben irrigen Vorstellungen beruht wie die Willens­ erklärung selbst. In jenen Fällen, in welchen der Irrtum im Beweggründe nachher als Irrtum über den Inhalt der Willens­ erklärung erscheint, liegt nur in letzterem der Anfechtungsgrund. Kauft z. B. Jemand ein Miethaus, weil er irrigerweise glaubt, die in demselben befindlichen Wohnungen seien für insgesamt 5000 Jb vermietet, so kann er den Kauf anfechten; hat er aber das Haus deswegen erworben, weil er der Meinung war, die Mietrente ließe sich aus 6000 Jh> steigern, so kann er, wenn sich die Mietrente als nicht mehr steigerungsfähig erweist, hieraus keinen Anfechtungsgrund entnehmen. Ebenso kann z. B. ein Pflichtteilsberechtigter, dem ein Vermächtnis zugewendet ist und der in der irrigen Meinung, der Wert des Vermächtnisses über­ steige den Wert seines Pflichtteils, auf den Pflichtteil verzichtet, diesen Verzicht nicht anfechten.l) Die auf Irrtum beruhende Willenserklärung ist nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Anfechtungsberechtigt ist nur der Erklärende. 4. Unrichtige Übermittelung einer Willens-KW>ng ein» erklärung. Ebenso wie eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung " “run8‘ kann auch eine solche Willenserklärung, welche durch die zur Übermittelung verwendete Person oder Anstalt unrichtig über­ mittelt worden ist, dann angefochten werden, wenn der Erklärende bei Kenntnis der unrichtigen Übermittelung und bei verständiger Würdigung des Falles die Erklärung so, wie sie übermittelt wurde, nicht abgegeben haben würde (§ 120). Hierher gehören vor allem z. B. Versehen des Boten, der eine Willenserklärung auszurichten hat, die unrichtige Wiedergabe eines Telegrammes durch den Telegraphenbeamten, Mißver­ ständnisse des mit dem Aufgeben eines Telegrammes telephonisch beauftragten Telephonbediensteten, Fehler des Schreibers beim Abschreiben eines aufgesetzten Briefes u. s. w. Voraussetzung für die Anfechtung ist, daß eine Übermittelung der Willens­ erklärung des Erklärenden durch einen Anderen vorliegt. Gibt der Andere eine von ihm erfundene, gefälschte, kurzum bewußter­ maßen eine andere Erklärung ab, als er zu übermitteln hatte, so ist dem Empfänger überhaupt keine Willenserklärung des Er­ klärenden zugegangen. Dasselbe trifft zu, wenn z. B. ein Bote infolge Verwechselung der Erklärungen mehrerer Auftraggeber, eine ganz andere Erklärung übermittelt als ihm zu übermitteln aufgetragen worden ist. Dagegen ist der Grund, warum die Willenserklärung unrichtig übermittelt wurde, ohne Belang. Auch die unrichtig übermittelte Willenserklärung ist nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Zur Anfechtung berechtigt ist nur derjenige, dessen Willenserklärung übermittelt werden sollte. *) ROLG 6 S. 330.

128

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

Sowohl dann, wenn die Anfechtung infolge Irrtums, als auch dann, wenn die Anfechtung infolge unrichtiger Über­ mittelung der Willenserklärung erfolgen soll, muß dieselbe un­ verzüglich, d. h., wenn auch nicht sofort, so doch ohne schuld­ haftes Zögern geschehen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntnis erlangt hat. Den Nach­ weis der verspäteten Anfechtung hat der Anfechtungsgegner zu erbringend) Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte An­ fechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungser­ klärung unverzüglich abgesendet worden ist. Sind seit der Abgabe der Willenserklärung dreißig Jahre verstrichen, so ist die An­ fechtung ausgeschlossen ohne Rücksicht darauf, wann der An­ fechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntnis erhielt. Hat der Empfänger der irrigen oder unrichtig über­ mittelten Erklärung den Irrtum oder die Unrichtigkeit und den wahren Willen des Erklärenden erkannt und ist er bereit, diesem Willen zu entsprechen, so entfällt das Recht zur Anfechtung. ^Ms^chtung^ ®ie Anfechtung ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft, welches durch einfache Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner zu erfolgen hat. Eine Form ist für die An­ fechtungserklärung nicht vorgeschrieben. Aus der Erklärung muß aber hervorgehen, daß der Änfechtungsberechtigte seine Willens­ erklärung nicht als wirksam gelten lassen will. Ob hierzu schon die einfache Mitteilung, daß ein Irrtum oder eine unrichtige Übermittelung unterlaufen ist, genügt, ist nach den Umständen des Falles zu erwägen. Eine Bestätigung der anfechtbaren Willenserklärung durch den Erklärenden schließt die Anfechtung aus. Ebenso bleibt die Willenserklärung wirksam, wenn bk Anfechtung nicht rechtzeitig erfolgt (§ 121). Folgen der AnDieFvlge rechtzeitiger und ordnungsgemäßer sechtung. Anfechtung ist Nichtigkeit der Willenserklärung. Fst eine Willenserklärung wegen Irrtums oder unrichtiger Übermittelung wirksam angefochten, so hat der Erklärende bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nur dem Er­ klärungsempfänger, bei anderen Willenserklärungen jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den der Erklärungs­ empfänger oder der Dritte dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der Erklärungsempfänger oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat. Der Er­ klärende ist also zum Ersätze aller jener, in entgangenem Ge­ winn oder sonstigen Schäden bestehenden Nachteile verpflichtet, welche ohne die Abgabe der angefochtenen Willenserklärung nicht eingetreten sein würden. Er hat aber an Schadensersatz nicht mehr zu leisten, als dasjenige ausmacht, was der Bed»Änftch'tung^

') ROLG 3 S. 350.

Freiheit der Willenserklärung.

129

schädigte gehabt haben würde, wenn die angefochtene Erklärung gültig gewesen wäre. Z. B. A hat an B ein Gemälde um 1000 verkauft. A befand sich darüber, daß das Gemälde von Meisterhand herrühre und einen Wert von mindestens 10000 jHd habe, im Irrtume und ficht daher den Kaufvertrag an. Nach erfolgter Anfechtung und noch bevor A dgs Gemälde von B zurückerhält, findet sich bei B ein Kunstliebhaber ein, welcher 15000 Jb für. das Gemälde bietet. B kann von A nur 9000 Ji, nicht 14000 Schadensersatz fordern; denn auch dann, wenn Ä den Kaufvertrag nicht erfüllt hätte, hätte B nur 9000 Jfc verlangen können. Der Schadensersatzanspruch gegen den Erklärenden ist durch ein Verschulden desselben nicht bedingt. Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den Irrtum oder die unrichtige Übermittelung der Willenserklärung kannte oder kennen mußte, d. h. infolge von leichter oder grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 122). Wird ein Vertrag von einem Vertragsteile wegen eigenen Irrtums wirksam angefochten, so kann der Anfechtende von dem anderen Vertragsteile nur Rückerstattung der Bereicherung, nicht Schadensersatz fordern. Jedoch kann daneben auf Grund anderweitiger Vorschriften ein Schadensersatzanspruch begründet sein. So z. B. dann, wenn die den Gegenstand des Vertrags bildende Leistung unmöglich ist und der andere Vertragsteil die Unmöglichkeit der Leistung kannte oder kennen mußte (§ 307)?)

§ 47. Freiheit der Willenserklärung. Die Willenserklärung muß, um rechtlich voll­ wirksam zu sein, aus einem freien Willensentfchlusfe hervorgegangen sein. Dies ist, nicht der Fall, wenn arglistige Täuschung und Drohung eine Übereinstimmung von Wille und Erklärung bewirkt haben. Daher kann derjenige, der zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durchDrohung bestimmt worden ist, die Erklärung anfechten (§ 123 Abs. 1). 1. Arglistige Täuschung ist die absichtliche Erregung oder Unterhaltung von Irrtum durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen zur Herbeiführung einer Willenserklärung. Die Täuschung ist nur dann nicht arglistig, wenn der Getäuschte absichtlich nur zu seinem eigenen Vorteile getäuscht wurde. Durch die arg­ listige Täuschung muß der Getäuschte, wenn er zur Anfechtung berechtigt sein soll, zur Abgabe seiner Erklärung bestimmt worden sein. Die Annahme seiner irrtümlichen Erklärung kann *) RG 51 S. 92. Müller-Meikel, Bürgerl. Recht. 2. Ausl. Bd. I.

9

Arglistige oucauna'

130

Drohung.

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts,

der Erklärende auch dann nicht anfechten, wenn der die Er­ klärung Annehmende dieselbe als irrtümlich erkannt hat.*) Ob der Erklärende durch die Täuschung nur zur Abgabe einer Willenserklärung oder derart getäuscht wurde, daß der Grund, warum er die Willenserklärung abgab, falschen Vorstellungen entsprang, ist ebenso gleichgültig wie der Umstand, ob die Täuschung sich auf wesentliche oder unwesentliche Teile der Willenserklärung bezieht, sofern nur ein ununterbrochener Kausal­ zusammenhang zwischen der Täuschung und der Willenserklärung besteht. Ist die arglistige Täuschung nur für einen Teil des Rechtsgeschäftes von Einfluß gewesen und wäre der andere Teil des Rechtsgeschäftes auch ohne die Täuschung zustande gekommen, so wird durch die Anfechtung das ganze Rechts­ geschäft nichtig, sofern nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne den durch die Täuschung beeinflußten Teil vorgenommen sein würde. Während bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen die Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung eine unbeschränkte ist, besteht bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen unbe­ schränkte Anfechtbarkeit nur dann, wenn der Erklärungsem­ pfänger derjenige ist, der den Erklärenden arglistig getäuscht hat. Hat aber ein Dritter die Täuschung verübt, so ist die Erklärung, die einem Anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung kannte oder kennen mußte. Soweit aber, wie z. B. bei Ver­ trägen zu Gunsten Dritter ein Anderer als der Erklärungs­ empfänger aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist diesem gegenüber ohne Rücksicht darauf, ob der Er­ klärungsempfänger die Täuschung kannte oder kennen mußte, die Erklärung anfechtbar, wenn er seinerseits die Täuschung kannte oder kennen mußte (§ 123 Abs. 2). Die arglistige Täuschung berechtigt nur den Getäuschten, der die Willenserklärung abgegeben hat, zur Anfechtung, nicht auch den Vertragsgegner oder Dritte, die durch die Täuschung Schaden erleiden. 2. Drohung ist die Erregung oder Unterhaltung von Furcht vor dem Eintritt eines künftigen oder vor der Verlängerung eines bereits vorhandenen Übels. Wird dadurch die Ent­ schließung des Bedrohten zu einer Willenser­ klärungwiderrechtlichbestimmt, so ist die Willens­ erklärung anfechtbar. Die Drohung kann ausdrücklich oder durch schlüssige Handlungen geschehen. Letzterenfalls muß aber die Absicht, Furcht zu erregen und dadurch den Willen des Anderen zu beeinflussen, klar ersichtlich sein. Daß die Drohung geeignet sein müsse, einen vernünftigen und stand*) ROLG 4 S. 204.

Freiheit der Willenserklärung.

131

haften Menschen einzuschüchtern, ist nicht erforderlich. Jedoch kann dann, wenn mit einem geringfügigen, oder einem nicht oder nur äußerst schwer zu verwirklichenden Übel gedroht wird, die Frage auftauchen, ob ein Kausalzusammenhang zwischen der Drohung und der Willenserklärung überhaupt besteht. Fehlt es an diesem ursächlichen Zusammenhänge, z. B. deshalb, weil der Bedrohte sich vor der Verwirklichung des angedrohten Übels nicht fürchtet, so entfällt die Anfechtungsbefugnis.

Von wem die Drohung ausgeht, ist ohne Bedeutung. Die durch Drohung beeinflußte Willenserklärung ist auch dann anfechtbar, wenn die Drohung von einem Anderen ausgeht, als demjenigen, den die Willenserklärung angeht oder dem gegenüber sie abzugeben ist. Auch kommt dann, wenn der Erklärungsempfänger und der Drohende verschiedene Personen sind, nichts darauf an, ob der Erklärungsempfänger von der Drohung wußte oder wissen mußte. Ebenso kommt darauf, ob der Drohende für die Drohung verantwortlich gemacht werden kann, nichts an. Auch die von einem Handlungsunfähigen ausgehende Drohung berechtigt zur Anfechtung. Dagegen muß der Erklärende zur Abgabe seiner Willens­ erklärung widerrechtlich durch die Drohung bestimmt worden sein. Demnach braucht weder die Drohung noch das, was angedroht wird, widerrechtlich zu sein. Vielmehr muß die Bestimmung zur Abgabe der Willenserklärung, d. h. die Willens­ beeinflussung als solche widerrechtlich sein. Dieselbe ist wider­ rechtlich, wenn sie selbst als ein unerlaubtes, gegen die Rechts­ ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten sich darstellt. Auch ein an sich erlaubtes Handeln oder Unterlassen schließt, selbst wenn hierzu eine Be­ rechtigung besteht, die Widerrechtlichkeit der Willensbeeinflussung nicht aus. So kann z. B. der Sohn den Willen seiner Mutter dadurch widerrechtlich beeinflussen, daß er ihr droht, sie zu verlassen, oder es kann Jemand einen Verbrecher dadurch, daß er ihn mit Anzeige droht, widerrechtlich zu einer Schenkung bestimmen. Nur dann, wenn Jemand zu dem, womit er droht, berechtigt und andererseits der Bedrohte zu der Willens­ erklärung, zu der er veranlaßt werden will, verpflichtet ist, liegt Widerrechtlichkeit nicht vor. Demgemäß handelt der Gläu­ biger, der seinem Schuldner droht, er werde ihn im Falle nicht pünklicher Erfüllung seiner Schuld verklagen, nicht wider­ rechtlich. Auch bestimmt derjenige, der zum Zwecke erlaubter Selbsthülfe einem Anderen droht, diesen nicht widerrechtlich zur Abgabe der seinem Rechte entsprechenden Willenserklärung. Zur Anfechtung berechtigt ist lediglich der Bedrohte, der die Willenserklärung abgegeben hat.

132

Ans-chtungsfrist.

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

3. Arglistige Täuschung und Drohung bewirken nur Anfechtbarkeit und infolge der Anfechtung Nichtigkeit, nicht aber Nichtigkeit ohne weiteres. Die Anfechtungsmöglichkeit ist zeitlich begrenzt. Die An­ fechtung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. Diese Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkte, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, wobei es gleichgültig bleibt, wann er in die Lage kommt, die Täuschung beweisen zu können. Dies gilt auch für den Fall, daß dem Anfechtungsberechtigten infolge von Fahrlässigkeit die Täuschung unbekannt geblieben ist. Im Falle der Drohung beginnt die Jahresfrist mit dem Zeitpunkte, in welchem die Zwangslage aufhört. Solange bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen, wie z. B. bei Auslobungen ein Anfech­ tungsgegner nicht vorhanden ist. kann die Anfechtungsfrist nicht zu laufen beginnen. Die Anfechtungsfrist läuft nicht, wenn der Anfechtungsberechtigte durch höhere Gewalt an der An­ fechtung gehindert ist. Wenn der Anfechtungsberechtigte inner­ halb der Anfechtungsfrist geschäftsunfähig oder in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkt und ohne gesetzlichen Vertreter ist, dann endet die Anfechtungsfrist nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeitpunkte, in welchem die Person unbe­ schränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dieser Rechtssatz gilt nicht, wenn ein in seiner Ge­ schäftsfähigkeit Beschränkter zu der Anfechtung der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters nicht bedarf. Gehört das Anfech­ tungsrecht zu einem Nachlasse oder richtet sich die Anfechtung gegen einen Nachlaß, so endet die Anfechtungsfrist nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeitpunkte, in welchem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder der Konkurs über den Nachlaß eröffnet ist oder von welchem an die Anfech­ tung von einem Vertreter oder gegen einen Vertreter, z. B. Nachlaßpfleger oder Testamentsvollstrecker erfolgen kann. Unter allen Umständen ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn seit Abgabe der Willenserklärung dreißig Jahre verstrichen sind. Dies trifft auch dann zu, wenn während dieser dreißig Jahre die Täuschung nicht entdeckt wurde oder die Zwangslage infolge der Drohung nicht aufhörte (§ 124). Ist die Anfechtungsfrist ungenützt verstrichen, so kann auch derjenige, der den Erklärenden durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe der Willens­ erklärung bestimmt hat, aus die Gültigkeit der Willenserklärung sich verlassen. Unter allen Umständen haften der Täuschende und der Drohende nach den Grundsätzen über unerlaubte Handlungen und sind darnach zum Schadensersätze verpflichtet. Den

Abgabe empfangsbedürftiger Willenserklärungen.

133

Anfechtungsberechtigten trifft auch nach erfolgter Anfechtung keine Schadensersatzpflicht.

§ 48. Abgabe empfangsbediirftiger Willenserklärungen. Empfangsbedürftige Willenserklärungen wer- Mrvamwerden den grundsätzlich dadurch wirksam, daß sie Anderen, demgegenüber sie abzugeben sind, zu- «rnsrungen. gehen. Entscheidend ist demnach der Zeitpunkt des Zu­ gehens der Willenserklärung an deren Adressaten (§ 130 Abs. 1). Kenntnisnahme von dem Inhalte der Erklärung durch den Erklärungsempfänger ist nicht erforderlich. Zugegangen ist die Willenserklärung dem Anderen dann, wenn dieser nach allgemeinen Verkehrsgrundsätzen mit dem Willen des Erklärenden in die Lage versetzt worden ist, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Daraus folgt: a) Die Willenserklärung muß dem Willen des Erklärenden gemäß und darf nicht gegen den Wil­ len des Erklärenden dem Adressaten zugehen. Schreibt z. B. Jemand einen Bestellbrief und legt denselben zur Absendung bereit, unterläßt aber die Absendung, weil er haben will, daß die Bestellung erst zu einem späteren Zeit­ punkt beim Adressaten eintreffen soll, so wird die Bestellung dadurch nicht rechtswirksam, daß ein Dritter, ohne Auftrag dazu zu haben, den Brief zur Post gibt und so in die Hände des Adressaten gelangen läßt. Hat der Besteller den Brief selbst zur Post gegeben, ist aber der Brief infolge ungenauer Adresse erst nach Monaten an den Adressaten zu einer Zeit gelangt, zu welcher die Bestellung nach dem Willen des Be­ stellers schon effektuiert sein sollte, so ist die Bestellung un­ wirksam. Übermittelt der Bote die Erklärung unrichtig, so ist die Erklärung nicht übermittelt. b) Der Adressat der Erklärung oder derjenige, der als sein Vertreter zur Empfangnahme der Willenserklärung be­ rechtigt ist, muß nach allgemeinen Vernunft-, Sitten- und Verkehrsregeln die Möglichkeit erhalten haben, die Willenserklärung wahrzunehmen. Die Willenserklä­ rung ist demnach auch dann zugegangen, wenn deren Em­ pfänger oder dessen Vertreter von ihr Kenntnis nehmen konnte, dies aber nicht wollte. Hält sich Jemand, um eine Erklärung nicht zu hören, die Ohren zu, so ist ihm die Willenserklärung gleichwohl zugegangen. Wer einen an ihn gelangten Brief ungelesen ins Feuer wirft, hat die Erklärung erhalten. Das Gleiche gilt von demjenigen, der die Annahme eines Briefes verweigert, der einen ihm zugesandten Boten nicht zu Wort kommen läßt, der bei einem telephonischen Gespräche absicht­ lich das Hörrohr absetzt, um die Erklärung nicht zu vernehmen

134

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

u. s. w. Wann Jemand die Möglichkeit erhalten hat, die an ihn gerichtete Willenserklärung wahrzunehmen, ist Tatfrage. So ist z. B. mit dem Einwurf eines Briefes in den an der Wohnungstüre angebrachten Briefkasten die in dem Briefe ent­ haltene Willenserklärung dem Adressaten zugegangen. Hat jemand eine sog. letter-box bei einer Postanstalt, so ist die in einem Briefe enthaltene Erklärung mit der Einlage des Briefes durch den Postbeamten in die letter-box dem Adressaten zugegangen. Wird derjenige, dem gegenüber die Erklärung abgegeben werden will, von dem Erklärenden nicht angetroffen, so gilt die Erklärung als zugegangen, wenn sie der Erklärende einer in häuslicher Gemeinschaft mit dem Anderen stehenden Person gegenüber abgibt, von welcher er annehmen kann, daß sie die Erklärung dem Anderen richtig übermitteln könne und werde. So ist z. B. die in einem Briefe enthaltene Erklärung mit der Abgabe des Briefes in der Wohnung der Wohnungs­ wirtin des Adressaten diesem zugegangen.*) Nicht erforderlich ist, daß die Erklärung demjenigen, für den sie bestimmt ist, in absolut sicherer Weise zugänglich gemacht ist. Insbesondere genügt dann, wenn der Erklärungsempfänger die Erklärungs­ abgabe verhindern will, auch eine solche Art der Herbeiführung einer Möglichkeit zur Kenntnisnahme, welche nur einen geringen Grad von Sicherheit für das tatsächliche Zugehen der Er­ klärung bietet. Z. B. A hat eine Sache auf Probe von B gekauft. Dabei wurde vereinbart, daß A sich die Billigung der Sache bis abends 6 Uhr Vorbehalte. Kommt A vor 6 Uhr an das Haus des B und findet er in die Wohnung des B keinen Einlaß, so ist die Erklärung zugegangen, wenn A dieselbe an die Türe schreibt oder eine Visitenkarte mit der Erklärung ansteckt oder ein die Erklärung enthaltendes Schriftstück an die Türklinke anbindet oder in den verschlossenen Vorgarten wirft.?) c) der Erklärende muß aber die Erklärung ab geben, d. h. unter Benützung zulässiger Erklärungsmittel alles getan haben, was auf seiner Seite erforderlich ist, um dem Erklärungsempfänger die Willenserklärung zur Kenntnis zu bringen. Wer z. B. in einer dem Anderen nicht verständ­ lichen Sprache diesem eine Erklärung macht, gibt keine Erklä­ rung ab, es sei denn, daß er nach dem Bildungsgrade des Er­ klärungsempfängers annehmen konnte, derselbe sei dieser fremden Sprache mächtig. Wer ferner einer Person, von der er weiß, daß sie des Lesens unkundig ist, einen Brief schickt, gibt keine Erklärung ab. Ist dagegen der Adressat des Lesens mächtig und kann derselbe nur infolge einer Krankheit den Brief nicht *) RG 60 S 195. 2) DIZ 1901 S. 341 s. auch S. 265.

Abgabe empfangsbedürftiger Willenserklärungen.

135

lesen, so ist die Erklärung in dem Briefe gleichwohl abgegeben. Wird eine Erklärung, wie z. B. bei Auslobungen durch eine Zeitung veröffentlicht, so ist die Erklärung mit der Ausgabe der Zeitung abgegeben. Wer eine öffentliche Bekanntmachung erläßt, hat die in derselben enthaltene Erklärung abgegeben, sobald die Veröffentlichung erfolgt ist. Ist die Willenserklärung einmal abgegeben, so ist es für die Wirksamkeit derselben ohne Einfluß, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt, geschäftsunfähig oder geschäftsbeschränkt wird (§ 130 Abs. 2). So wird z. B. auch eine dem Re­ gistergericht gegenüber abzugebende Erklärung, wie etwa die Anmeldung zum Handelsregister, nicht dadurch unwirksam, daß der Erklärende nach der Abgabe der Erklärung stirbt.l) Stirbt dagegen der Adressat, bevor ihm die Willenserklärung zugeht, so kann die Willenserklärung nicht mehr wirksam werden. Wird der Adressat geschäftsunfähig, bevor ihm die Erklärung zugeht, so kann sie nur dadurch wirksam werden, daß sie feinem gesetzlichen Vertreter zugeht. Wird die Willenserklärung einem Geschäftsun­ fähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 1). Dagegen können Willenserklärungen solchen Personen gegen­ über, welche im Zustande der Bewußtlosigkeit oder vorüber­ gehender Störung der Geistestätigkeit sich befinden, mit Wirk­ samkeit dann erfolgen, wenn sie in Abwesenheit dieser Personen abgegeben werden. Anwesenden gegenüber, die in einem der vorerwähnten Zustände sind, kann freilich, wenn der Erklärende den Zustand erkennt, keine wirksame Abgabe einer Willenser­ klärung erfolgen, Ebenso wird die Willenserklärung, wenn sie einer in derGeschäftsfähigkeit beschränkten Person gegen­ üb e r abgegeben wird, nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Nur dann, wenn die Willenserklärung der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt oder wenn der gesetzliche Vertreter schon vorher seine Einwilligung erteilt hat, wird die Erklärung in dem Zeitpunkte wirksam, in welchem sie der in der Ge­ schäftsfähigkeit beschränkten Person zugeht (§ 131 Abs. 2). Selbstredend genügt auch der Empfang der Willenserklärung durch den gesetzlichen Vertreter. Liegt einer jener Fälle vor, in denen eine Willenser­ klärung nur dann wirksam wird, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter der geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person zugeht, so ist Voraussetzung für die Wirk­ samkeit der Erklärung weiterhin, daß der Erklärende den *) ROLG 4 S. 23.

136

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

Willen hatte, dem gesetzlichen Vertreter gegenüber die Willenserklärung abzugeben. Wollte sie dem gesetzlichen Vertreter gegenüber nicht abgegeben werden, so wird sie nicht dadurch wirksam, das; sie diesem z. B. durch Vermittelung der geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person zugeht. Doch wird regelmäßig, soferne nicht besondere Umstände entgegenstehen, die Annahme gerechtfertigt sein, daß eine Willenserklärung, welche gegenüber einer geschäftsun­ fähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person ab­ gegeben wird, auch für den gesetzlichen Vertreter bestimmt ist. Zustellung Eine Willenserklärung gilt auch dann als zugegangen, ^tiger"8?illenr-''wenn sie durch Vermittelung eines Gerichtsvoll­ erklärungen. zjehers zugestellt worden ist. Die Willenserklärung wird diesfalls mit dem Zeitpunkte der Zustellung wirksam. Willenserklärungen, welche geschäftsunfähigen oder in der Ge­ schäftsfähigkeit beschränkten Personen gegenüber abzugeben sind, müssen an deren gesetzliche Vertreter zugestellt werden, um wirksam zu werden. Im Falle Vorhandenseins mehrerer ge­ setzlicher Vertreter genügt Zustellung an einen derselben. Ob derjenige, an den die Zustellung erfolgt, die Zustellung an­ nimmt oder zur Entgegennahme der Willenserklärung verpflichtet ist oder nicht, bleibt gleichgültig. Durch „Vermittelung" des Gerichtsvollziehers erfolgt die Zustellung nur, wenn sie im Jnlande unmittelbar durch den Gerichtsvollzieher oder auf dessen Ersuchen durch die Post geschieht. Andere Zustellungen, so insbesondere durch Aufgabe zur Post, im Auslande zu be­ wirkende Zustellungen u. s. w. ersetzen das Zugehen einer Er­ klärung nicht. Befindet sich aber der Erklärende über die Person desjenigen, welchem gegenüber die 'Erklärung abzu­ geben ist, in einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Un­ kenntnis oder ist der Aufenthalt dieser Person unbekannt, so kann die Zustellung nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden Vorschriften der CPO erfolgen. Im ersteren Falle ist für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erklärende seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohn­ sitzes seinen Aufenthalt hat. Jin letzteren Falle ist das Amts­ gericht zuständig, in dessen Bezirk die Person, welcher zuzu­ stellen ist, den letzten Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes den letzten Aufenthalt hatte (§ 132). Widerrus. Eine Willenserklärung, welche einem Anderen gegenüber abzugeben ist, wird nicht wirksam, wenn dem Anderen vor dem Zugehen der Willenserklärung oder gleichzeitig mit dem­ selben ein Widerruf zugeht (§ 130 Abs. 1). Ein später zugehender Widerruf ist unwirksam. Die vorstehenden Vorschriften gelten vor allem für em­ pfangsbedürftige Willenserklärungen, welche in Abwefen-

's) eit dessen, dem gegenüber sie abzugeben sind, abgegeben werden. Diese Vorschriften finden aber auch auf empfangsbedürstige Willenserklärungen unter Anwesen­ den entsprechende Anwendung. Zu den Willenserklärungen unter Anwesenden gehören auch die mittelst Fernsprechers von Person zu Person abgegebenen Erklärungen. Endlich finden die vor erörterten Vorschriften auch Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzu­ geben ist, wie z. B. bei Ausschlagung einer Erbschaft. Dabei ist zu beachten, daß eine Erklärung einer Behörde auch dann zugegangen ist, wenn zur Zeit des Zugehens der Erklärung keine Person bei der Behörde anwesend ist, welche befugt wäre, amtlich von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Eine still­ schweigende Willenserklärung gegenüber einer Behörde ist aus­ geschlossen, weil Stillschweigen gegenüber einer Behörde nicht als Erklärung gegenüber einer Behörde aufgefaßt werden kann.

8 49. Unzulässiger Inhalt von Rechtsgeschäften. Jedes Rechtsgeschäft muß, wenn es rechtswirksam sein soll, einen gesetzlich zulässigen Inhalt haben. 1. Rechtsgeschäfte mit einem unmöglichen Inhalt oder MtumnöglAm mit einem nicht bestimmbaren Inhalt sind nichtig. °de^mlbeMmm2. Ebenso ist nichtig jedes Rechtsgeschäft, das gegen Segen gelegne ein gesetzliches Verbot verstößt, soferne sich nicht aus stunde Rechts' dem Gesetze ein Anderes ergibt (§ 134).. Darnach sind nichtig aewafte. auch solche Rechtsgeschäfte, welche auf eine gesetzlich verbotene Leistung gerichtet sind. Rechtsgeschäfte, welche zur Umgehung eines Verbotsgesetzes vorgenommen werden, sind nur dann nichtig, wenn das Gesetz, welches umgangen werden soll, den durch das Rechtgeschäft gewollten Erfolg verhindern will. Ist jedoch nur ein bestimmtes Rechtsgeschäft, nicht aber der erstrebte Erfolg verboten, so kann von Umgehung eines Ver­ botsgesetzes nicht gesprochen werden, wenn der Erfolg durch ein anderes, nicht verbotenes Rechtsgeschäft zu erreichen ge­ sucht wird. Ebensowenig ist ein Vertrag nichtig, der für den einen Vertragsteil, etwa einen Schuldner, der trotz Zahlungs­ einstellung oder Konkurseröffnung einen Gläubiger begünstigt, den Tatbestand einer strafbaren Handlung enthält.^) Auch die Rechtsgeschäfte eines Schuldners, welche eine Gläubigerbenachteiligung bezwecken, sind nicht nichtig, sondern nur nach den Vorschriften der KO. oder des Anfechtungsgesetzes vom 21. VII. 1879 in der Fassung vom 20. V. 1898 anfechtbar. Die Nichtigkeit eines gegen ein gesetzliches Verbot ver­ stoßenden Rechtsgeschäftes wirkt gegen Jedermann und ist von

138

Gesetzliche Ber. auBebot6.äl,ei'

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

Amtswegen zu berücksichtigen. Was auf Grund eines nichtigen Rechtsgeschäftes geleistet worden ist, kann nach den Vor­ schriften über ungerechtfertigte Bereicherung zurückgefordert werden. 3. Gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot verstoßende Verfügungen sind grundsätzlich nichtig. Dieselben können nicht ins Grundbuch eingetragen werden. Verstößt aber die Verfügung über einen Gegenstand gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot, das nicht im all­ gemeinen öffentlichen Interesse erlassen ist, sondern nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt, so ist diese Ver­ fügung nur diesen Personen gegenüber unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, welche, wie z. B. die Überweisung einer Forderung zur Ein­ ziehung, im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrest­ vollziehung erfolgt (§ 135 Abs. 1). Verfügt z. B. ein Erbe über einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unter­ liegenden Nachlaßgegenstand, so ist diese Verfügung gemäß § 2211 nur gegenüber dem Testamentsvollstrecker, den übrigen Erben, den Vermächtnisnehmern und den sonstigen Personen unwirksam, deren Interessen der Testamentsvollstrecker wahr­ zunehmen hat. Diese Veräußerungsverbote können im Grund­ buch eingetragen werden. Die Unwirksamkeit derartiger Ver­ fügungen wird nicht von Amtswegen, sondern nur dann be­ rücksichtigt, wenn sie von einer jener Personen, deren Schutz das Veräußerungsverbot bezweckt, geltend gemacht wird. Andere Personen können sich auf die Unwirksamkeit nicht be­ rufen. Die Verfügungen werden voll wirksam, soweit die­ jenigen Personen, welche durch das Veräußerungsverbot ge­ schützt werden sollen, zu den Verfügungen ihre Einwilligung erteilen oder dieselben genehmigen. Soweit die gegen Ver­ äußerungsverbote verstoßenden Verfügungen unwirksam sind, ist diese Unwirksamkeit dem Erwerber gegenüber gleichbedeutend mit einem Mangel im Rechte. Der durch das Veräußerungsverbot geschützten Person gegenüber gilt z. B. der Veräußerer noch als Eigentümer, der gepfändete Gegenstand als nicht gepfändet, die aufgerechnete Forderung als noch bestehend u. s. w. Auch hat derjenige, dessen Schutz das Veräußerungsverbot bezweckt, gegen denjenigen, der entgegen diesem Verbote verfügt, einen Anspruch auf Wiederherstellung des vor der Verfügung be­ stehenden Zustandes und auf Vornahme der Handlungen, welche zur Wiedererlangung der veräußerten Rechte und zur Beseitigung der Belastungen erforderlich ist. Derselbe kann auch z. B-, wenn er eine verbotswidrig veräußerte Sache be­ sitzt , - den Anspruch des Erwerbers auf den Besitz der Sache zurückweisen. Aber er kann von demjenigen, welcher verbots­ widrig erworben hat, nicht verlangen, daß dieser zur Wieder-

Unzulässiger Inhalt von Rechtsgeschäften.

139

erlangung seines Rechtes tätig werde. Nur in dem besonderen Fall, daß der Anspruch auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück oder eines Rechtes an einem solchen Rechte durch ein Veräußerungsverbot gesichert ist, kann der Anspruchsberechtigte von demjenigen, der das Grund­ stück oder das Recht dem Veräußerungsverbote zuwider er­ worben hat, die Zustimmung zu der Eintragung oder Löschung im Grundbuche verlangen, welche zur Verwirklichung des durch das Veräußerungsverbot geschätzten Anspruches erforderlich ist (§ 888 Abs. 2). Andererseits finden die Vorschriften zu. Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auf denjenigen, der im Widersprüche mit dem Veräußerungs­ verbote erwirbt, entsprechende Anwendung, so daß das Ver­ äußerungsverbot dem Erwerbe eines Rechtes auf Grund Ver­ fügung des hierzu nicht Berechtigten dem gutgläubigen Dritten nicht entgegensteht, sofern nicht nach jenen Vorschriften der Rechtserwerb deswegen, weil der Dritte das Veräußerungs­ verbot kennt oder kennen mußte, ausgeschlossen ist (§§ 135 Abs. 2, 892, 893, 932, 936, 1032, 1138, 1155, 1207, 1208, 1244). Dagegen ist ein Schuldner, der in Unkenntnis eines sich auf die Forderung beziehenden Veräußerungsverbots zahlt, nicht geschützt. Wird von einem Gerichte oder von einer anderen Be-Behördliche oder Hörde innerhalb ihrer Zuständigkeit ein Veräußerungs-^uß-rung^ verbot erlassen, so steht dieses Veräußerungsverbot einem «erböte gesetzlichen Veräußerungsverbote, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt, gleich (§ 136). Verstößt daher eine Ver­ fügung über einen Gegenstand, mag sie auch im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt sein, gegen ein gerichtliches oder sonst behördliches Veräuße­ rungsverbot, so ist diese Verfügung unbeschadet der Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtbe­ rechtigten herleiten, denjenigen Personen gegenüber unwirksam, deren Schutz das Veräußerungsverbot bezweckt. Zu den „Ge­ richten" im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die Gewerbe­ gerichte, die gesetzlich anerkannten Schiedsgerichte und die Verwaltungsgerichte. Unter den gerichtlichen oder sonst behörd­ lichen Veräußerungsverboten sind z. B. Beschlagnahmen, einst­ weilige Verfügungen, Zahlungssperren u. s. w. zu verstehen. 4. Die Befugnis zur Verfügung über ein ver- Aushub oder äußerliches Recht kann durch Rechtsgeschäft wederB^rankungd-r ausgeschlossen noch beschränkt werden, soweit nicht Verfügung über in Reichs- oder Landesgesetzen ein Anderes bestimmt ist (§ 137.) cu^eF«Mt Niemand, auch nicht der Inhaber des Rechtes kann die Be­ fugnis zur Verfügung mit dinglicher Wirkung ausschließen oder auch nur beschränken. Eine auf Rechtsgeschäft beruhende Aus­ schließung oder Beschränkung der Verfügungsbefugnis sst Dritten

140

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

gegenüber nichtig. Die Eintragung rechtsgeschäftlicher Ver­ äußerungsverbote in das Grundbuch ist unstatthaft. Von dem Grundsätze, daß die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht der Privatwillkür entzogen ist, besteht eine Ausnahme. Nach der Sondervorschrift des § 399 kann näm­ lich die Abtretung einer Forderung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen werden. Ebenso wird die Zu­ lässigkeit des Vorbehaltes eines Wiederkaufsrechtes oder der Einräumung eines Vorkaufsrechtes durch vorerörterten Grundsatz nicht berührt. Von dem Ausschluß oder der Beschränkung der Verfügungsbefugnis ist zu unterscheiden die obligatorische Ver­ bindlichkeit, über ein Recht, insbesondere ein.im Grundbuch eingetragenes Recht in bestimmter Weise zu verfügen. Während erstere auf eine Unterlassung gerichtet sind, verpflichtet letztere zur Vornahme einer Verfügung. Diese Verpflichtung zur Vor­ nahme einer Verfügung ist statthaft und eintragungsfähig. Dies gilt z. B. von der Verpflichtung eines Hypothekgläubigers, das haftende Grundstück unter gewissen Voraussetzungen teil­ weise aus der Pfandhaftung zu entlassen und die Hypothek teilweise aufzuheben und löschen zu lassen.1) Jedoch kann der Eigentümer eines mit einer Hypothek, Grund- oder Rentenchuld belasteten Grundstücks sich auch nicht mit obligatorischer Wirkung dem Gläubiger gegenüber verpflichten, das Grund­ stück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten. Eine entgegenstehende Vereinbarung hat weder dingliche noch obli­ gatorische Wirkung (§ 1136). Statthaft ist es aber, daß der Inhaber eines veräußerlichen Rechtes sich persönlich verpflichtet, über ein solches Recht nicht zu verfügen. Wird der hierdurch geschaffene obligatorische Anspruch auf Unterlassung verletzt, so entsteht ein Anspruch auf Schadensersatz. Endlich kann zur Sicherung dieses per­ sönlichen Anspruchs ein gerichtliches Veräußerungsverbot, etwa in Form einer einstweiligen Verfügung erwirkt werden. Auch ist der Anspruch, soweit er Einräumung oder Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Rechte betrifft, zur Eintragung in das Grundbuch mittels Vormerkung geeignet (§ 883). die guten 5. Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten ftolenbT Sitten verstößt, ist nichtig (§ 138 Abs. 1). Gegen die Rechtsgeschäfte. gUten Sitten verstößt nicht alles, was gegen die Moral geht, sondern nur dasjenige, was nach den jeweils herrschenden An­ schauungen der von diesen Anschauungen beherrschten gesell­ schaftlichen Kreise als sittenwidrig empfunden wird. So ver­ stößt z. B. die Annahme eines Geschenkes in Kenntnis davon, daß die Mittel zu der Schenkung durch eine strafbare Hand*) ROLG 4 S. 24.

Unzulässiger Inhalt von Rechtsgeschäften.

141

lung erlangt sind, gegen die guten Sitten und ist eine solche Schenkung nichtig?) während die Hingabe eines Darlehens zum Zwecke des Spieles als gegen die guten Sitten verstoßend nicht erachtet wird?) der Verkauf einer ärztlichen Praxis oder einer Anwaltspraxis dagegen als unsittlich gilt?) Nicht gegen die guten Sitten verstößt es z. B-, wenn ein Arbeitgeber bei ihm beschäftigte Arbeiter entläßt, um dadurch auf die Beendi­ gung des bei einem anderen Arbeitgeber ausgebrochenen Ar­ beiterausstandes hinzuwirken, wie umgekehrt auch das nicht gegen die guten Sitten verstößt, wenn bei einem Arbeiter­ streike die Arbeiter die Arbeit niederlegen und ihren Dienst verlassen?) Maßgebend ist weder der abstrakte Moralbegriff noch die individuelle Moralanschauung des Richters. Auch ist ein Verstoß gegen die Sittlichkeit nicht gleichbedeutend mit einem Verstoß gegen die guten Sitten. Die Sittenwidrigkeit der Beweggründe ist an sich ohne Einfluß auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes. Jedoch ist ein Rechtsgeschäft nicht nur dann nichtig, wenn fein Inhalt gegen die guten Sitten ver­ stößt. Vielmehr sind alle jene Rechtsgeschäfte nichtig, welche nach ihrem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Motiv und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter, den objektiven und subjektiven Momenten gegen die guten Sitten verstoßen. So ist z. B. die Hingabe eines Darlehens zum Betriebe eines Bordells«) als gegen die guten Sitten verstoßend zu erachten, ebenso die Ver­ mietung eines Hauses zum Bordellbetriebe«) und die Vermittelung des Verkaufes eines zum Bordellbetriebe bereits bestimmten Hauses, so daß ein Mäklerlohn hierfür nicht verlangt werden kann?) Dagegen ist der Verkauf eines Hauses an eine Kupp­ lerin, welche das Haus zu einem Bordell einrichten will, nur dann als unsittlich zu erachten, wenn gerade mit Rücksicht auf die beabsichtigte Verwendung des Hauses, insbesondere des­ wegen, weil das Haus nach feiner örtlichen Beschaffenheit oder Lage eine besonders günstige Gelegenheit zur Ausübung der Un­ zucht bietet, der Kaufpreis besonders hoch bemessen worden ist?) Nichtig ist das wucherische Rechtsgeschäft. Dieser Wuchers Rechtssatz ist auch auf solche Rechtsgeschäfte anzuwenden, welche Xeä> ■ “ e" vor dem Inkrafttreten des BGB abgeschlossen sind?) Ein wucherisches Rechtsgeschäft liegt vor, wenn Jemand unter Ausbeutung der sei es verschuldeten, sei es unverschuldeten Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, welche den Wert der Leistung dergestalt überschreiten, daß den Umständen nach die Vermögens*) ROLG 6 ROLG 6 S. 109.

RG 48 S. 293. 2)* ROLG * S. 5 S. 103. ") NOLG 5 S. 107, anders S. 33. *) RG 54 S. 255. ') IW 1903 Beil. 5 S. 41; anders S. 220. «) ROLG 2 S. 219. ’) ROLG 4 S. 238. 8) ROLG 4 •) RG 47 S. 103.

142

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

vorteile in ausfälligem Mißverhältnisse zu der Leistung stehen (§ 138 Abs. 2). Der Wucherer muß die Notlage, den Leicht­ sinn oder die Unerfahrenheit des Anderen kennen. Der Wucher kann in den verschiedensten Formen Vorkommen, z. B. in Form von Darlehen mit übermäßigen Zinsen, von Kaufverträgen mit übertriebenen Kaufpreisen, in Form von Wechselaccepten mit geringer Valuta, in Form von Kaufsabschlüssen mit Ein­ räumung von Vorzugs-, Rückkaufsrechten gegen unbedeutende Äquivalente, in Form von Bedingungen, Scheingeschäften, Übertragung von Forderungen u. s. w. Von wem das wuche­ rische Geschäft angeregt wird, ob von dem Bewucherten oder von dem Wucherer, ist gleichgültig. Nichtig sind auch alle Rechtsgeschäfte, welche mit der Gewerbefreiheit, der Gewissensfreiheit, der persönlichen Freiheit, der Koalitionsfreiheit in einem nach den herrschenden An­ schauungen unzulässigen Maße in Widerspruch stehen. Z. B.: Ein Mäkler bedingt sich am 1. April für die Beschaffung eines bis zum 1. Juni rückzahlbaren Darlehens von 4000 neben 1 °/o der Darlehenssumme für die Einholung von Informationen u. s. w. noch einen Betrag von 360 Jt> als Honorar aus, welches bei „Anbietung des Darlehens" zu entrichten ist. Dieser Vertrag ist nichtig; denn ganz abgesehen davon, daß hier zwischen der Leistung des Mäklers und dem Vermögens­ vorteile, den der Auftraggeber erlangt, ein auffälliges Miß­ verhältnis besteht, wird durch die Verpflichtung des Auftrag­ gebers, das Honorar von 360 „Ns auch zahlen zu müssen, wenn er das angebotene Darlehen nicht annimmt, ein Zwang dahin gehend ausgeübt, ein Darlehen auch unter besonders harten, ja sogar wucherischen Bedingungen anzunehmen. *) Nichtig ist z. B. auch ein Kartellvertrag, wenn der­ selbe auf knebelhafte Ausbeutung der Konsumenten durch Her­ beiführung eines Monopols gerichtet ist.2) Nichtig ist ferner eine Konkurrenzklausel, welche dem Verpflichteten die Möglichkeit raubt, seine Fähigkeiten und Kräfte in einem seinen Lebensinteressen entsprechenden Maße zu verwerten, so­ hin übermäßige räumliche, zeitliche oder sachliche Beschränkungen dem Verpflichteten auferlegt, welche dessen Bewegungsfreiheit unangemessen einengen und dessen wirtschaftliche Existenz bedrohen.b) Nichtig ist endlich ein Abkommen, nach welchem Jemand bevollmächtigt sein soll, einen Andern unbeschränkt unter Ausschluß von Widerspruchsrecht und Befugnis zu eigenem Handeln in allen seinen Angelegenheiten auf unbestimmte Zeit zu vertretend)

S. 21.

*) ROLG 2 S. 118. *') ROLG 6 S. 37.

2) vergl. RG 53 S. 19.

') IW 1903 Beil. 3

Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte.

143

Die Nichtigkeit der gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäfte wirkt gegen Jedermann und ist von Amtswegen zu berücksichtigen.

§ 50. Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte. Ein nichtiges Rechtsgeschäft ist nicht vor Handen und so anzusehen, als wäre es nie vor-Recht»gqchäst-r. Handen gewesen. Ein nichtiges Rechtsgeschäft kann demnach auch niemals wirksam werden. Auch dadurch, daß die Gründe der Nichtigkeit später wegfallen, wird das nichtige Rechtsgeschäft nicht gültig. Daraus, daß ein Rechts­ geschäft nichtig ist, folgt nur, daß Jedermann sich auf die Nichtig­ keit berufen kann, nicht aber auch, daß Jedermann die Nichtig­ keit des Rechtsgeschäftes geltend machen kann. Die Geltend­ machung der Nichtigkeit setzt voraus, daß derjenige, der die Nichtigkeit geltend macht, ein rechtliches Interesse an der Geltend­ machung hat und daß dessen Interessen auch das Rechtsgeschäft, wenn es nicht nichtig wäre, tatsächlich berührt werden würden. Will derjenige, der das Rechtsgeschäft vorgenommen hat, mMgA'WAr. demselben rechtliche Geltung verleihen, so kann er das Rechtsgeaaste, geschäft bestätigen. Diese Bestätigung ist als.erneute Vor­ nahme des Rechtsgeschästes zu beurteilen. Dieselbe wird in den Regelfällen tatsächlich in einer erneuten Vornahme des Rechtsgeschäftes bestehen. Sie kann aber, wenn das Rechts­ geschäft nicht an eine Form gebunden ist, auch stillschweigend erfolgen, so z. B. durch Erfüllung. Bezugnahme auf früher gewollte, nichtige Rechtsgeschäfte, ist genügend, doch muß die erneute Vornahme allen Erfordernissen des gewollten Rechts­ geschäftes entsprechen und setzt den Willen, ein gültiges Rechts­ geschäft vorzunehmen, voraus. Ist dies der Fall, so ist das Rechtsgeschäft von da ab wirksam. Rückwirkende Kraft hat die erneute Vornahme des Rechtsgeschäftes nicht (§ 141 Abs 1). Bestätigt Jemand ein nichtiges Rechtsgeschäft, ohne dessen Nichtigkeit zu kennen, so gilt dies als erneute Vornahme des Rechtsgeschäftes nur dann, wenn nach den Umständen an­ zunehmen ist, der Bestätigende würde auch bei Kenntnis der Nichtigkeit das Rechtsgeschäft als wirksames gewollt haben. So ist z. B. dann, wenn Jemand über die Gültigkeit eines in der Tat nichtigen Rechtsgeschäftes im Zweifel ist und des­ halb das Rechtsgeschäft bestätigt, diese Bestätigung stets als erneute Vornahme des Rechtsgeschäftes zu erachten. In der Regel setzt aber die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäftes die Kenntnis von seiner Nichtigkeit voraus. Die wirksame Bestätigung eines verpflichtenden Rechtsgeschäftes erfordert vielmehr den Willen, sich zu verpflichten, sohin Kenntnis von

144

Konversion.

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

der Nichtigkeit des ursprünglichen Rechtsgeschäftes?) Fehlt z. B. bei der Bestätigung eines zu einer Leistung verpflichtenden Rechtsgeschäftes der Wille, sich zu verpflichten, etwa deswegen, weil der Bestätigende der Meinung ist, bereits gültig ver­ pflichtet zu sein, so ist dies keine eine Verpflichtung her­ stellende Bestätigung. Wird ein nichtiger Vertrag von den Parteien bestätigt, so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander das zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre (§ 141 Abs. 2). Z. B. A hat an seinem 20. Geburtstage von B ein verzinsliches Darlehen ausgenommen. Nach Erreichung -er Volljährigkeit stellt er dem B einen Schuld­ schein hierüber aus. Damit ist der Darlehensvertrag bestätigt und A verpflichtet, von dem Zeitpunkte seines 20. Geburts­ tages an dem B Zinsen zu geben. Daß die Bestätigung eines Vertrags von allen Parteien vorgenommen werden muß, ist zweifellos. Die Bestätigung berührt Rechte Dritter, welche von diesen in der Zeit seit dem Abschluß des nichtigen Ver­ trags erworben wurden, in keiner Weise. Ist z. B. ein Grund­ stückskauf nichtig und wird derselbe in gültiger Weise erneut vorgenommen, so besteht die Hypothek, welche vor der erneuten Vornahme von dem Verkäufer bestellt wurde, zu Recht. Auch hat der Verkäufer bis zur erneuten Vornahme des Kaufes die auf dem Grundstück ruhenden Lasten zu tragen. Der Er­ werber hat aber einen Anspruch darauf, daß der Verkäufer ihm das Grundstück frei von der Hypothek verschaffe, wogegen der Verkäufer Schadloshaltung für die von ihm in der Zwischen­ zeit getragenen Lasten verlangen kann. Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäftes so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, daß dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde (§ 140). An Stelle des nichtigen Rechtsgeschäftes, das in seinem Tatbestände den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäftes entspricht, tritt letzteres nicht nur dann, wenn der Handelnde auch dieses Rechtsgeschäft für den Fall der Nichtigkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäftes gewollt hat, sondern auch dann, wenn dieser Wille nicht vorhanden war, wenn aber anzunehmen ist, daß der Handelnde, wenn er die Nichtigkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäftes gekannt hätte, das andere Rechtsgeschäft gewollt haben würde. Diese An­ nahme ist insbesondere berechtigt, wenn durch das andere Rechtsgeschäft ein gleicher oder doch dem gewollten Erfolge nahekommender wirtschaftlicher Erfolg erreicht wird. So kann z. B. ein Erbvertrag, den eine achtzehnjährige Person eingeht *) ROLG 6 S. 35.

Anfechtbare Rechtsgeschäfte.

145

und der wegen Minderjährigkeit des Vertragsschließenden nichtig ist (§ 2275), als Testament aufrecht erhalten werden. Ein anderes Beispiel ist folgendes: ein Gesellschafter bestellt an seinem Anteil am Gesellschaftsvermögen einen Nießbrauch. Dieser Vertrag ist, da kein Gesellschafter über seinen Anteil am Gesell­ schaftsvermögen verfügen kann, nichtig. Geht aber die Absicht der Vertragsteile dahin, daß der Nießbrauchbesteller dem anderen Teile die Gewinnanteile verschaffen wollte, so kann der Ver­ trag als die Übertragung des Anspruchs auf die Gewinnanteile bezweckend aufrecht erhalten werden. Ist nur ein Teil eines Rechtsgeschäftes nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht Rechtsgeschäft«», anzunehmen ist, daß es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde (§ 139). Ist z. B. ein Vertrag zwischen mehreren Personen geschlossen worden und ist der Vertrag in seinen Beziehungen zwischen zwei sich als Vertragsteile gegenüberstehenden Personen nichtig, so fällt der ganze Vertrag, soferne die Umstände nicht die Annahme recht­ fertigen, daß die übrigen an dem Vertrage beteiligten Personen diesen Vertrag auch ohne Teilnahme jener Vertragsschließenden, zwischen denen der Vertrag nichtig ist, eingegangen hätten.

§ 51. Anfechtbare Rechtsgeschäfte. Das anfechtbare Rechtsgeschäft ist an sich B-deutung der gültig, doch kann seine Wirksamkeit durch An- nfe* 0Tc fechtung seitens desjenigen, welchen das Gesetz dazu berechtigt, aufgehoben werden. Solange das anfechtbare Rechtsgeschäft nicht angefochten wird, ist es wirk­ sam. Wird es aber von dem Anfechtungsberechtigt en angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1). Die erfolgte Anfechtung bewirkt Nichtigkeit gegen Jedermann. Die Parteien haben sich nach den Grundsätzen über ungerechtfertigte Bereicherung alles zurück­ zugewähren, was sie auf Grund des angefochtenen Rechts­ geschäftes von einander erhalten habend) Diese Wirkung abzuschwächen, ist die Anfechtung an be­ stimmte Fristen gebunden und werden gutgläubige Dritte durch die besonderen Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten ableiten, geschützt. Wer aber die Anfechtbarkeit kannte oder kennen mußte, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes gekannt hätte oder hätte kennen müssen. Daß die Fahrlässigkeit, auf welcher die Un­ kenntnis beruht, grobe Fahrlässigkeit sei, wird nicht erfordert. ') ROLG 6 S. 222. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

10

146

Anfechtungs­ berechtigter.

Anfechtungs­ gegner.

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts

Wo aber auf Grund der Bestimmungen zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, nur grobe Fahrlässigkeit den Rechtserwerb hindert, hat es hierbei sein Bewenden. Wird z. B. eine bewegliche Sache an einen Anderen veräußert, so wird der Erwerber gemäß § 932 Eigentümer auch dann, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, daß dem Erwerber diese Tatsache bekannt oder in­ folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Ist dem Erwerber infolge von nicht grober Fahrlässigkeit die Tatsache, daß die Sache nicht dem Veräußerer gehört, unbekannt geblieben, so wird er gleichwohl Eigentümer (§ 142 Abs. 2). Betrifft der Anfechtungsgrund (über allgemeine An­ fechtungsgründe s. oben § 46) nur einen Teil des Rechtsge­ schäftes und tritt Nichtigkeit dieses Teiles infolge der An­ fechtung ein, so ergreift die Nichtigkeit das ganze Rechts­ geschäft, wenn nicht anzunehmen ist, daß dasselbe auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Die Anfechtung kann nur durch den Anfecht­ ungsberechtigten erfolgen. Anfechtungsberechtigt ist regelmäßig nur derjenige, in dessen Person der Anfechtungs­ grund zutrifft. Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist in der Regel derjenige zur Anfechtung berechtigt, der das Rechtsgeschäft vorgenommen hat, bei Verträgen nur derjenige, der durch die den Anfechtungsgrund abgebenden Tatsachen in seinen recht­ lichen Interessen geschädigt ist, so z. B. der Getäuschte, nicht auch der Täuschende. Dritten Personen räumt das Gesetz nur ausnahmsweise eine Berechtigung zur Anfechtung ein, so z. B. bei der Anfechtung letztwilliger Verfügungen (§ 2080). Die Anfechtungsberechtigung ist vererblich, dagegen, weil sie keinen Anspruch darstellt, nicht übertragbar. Die Anfechtung kann nur gegenüber dem An­ fechtungsgegner erfolgen. Anfechtungsgegner ist derjenige, dem gegenüber die Anfechtungserklärung, um wirk­ sam zu sein, abgegeben werden muß. Darnach ist Anfechtungs­ gegner bei einem Vertrage der andere Vertragsteil, welcher den Vertrag abgeschlossen hat oder dessen Erbe. Der vertrags­ schließende Vertragsgegner oder dessen Erbe bleiben Anfechtungs­ gegner auch dann, wenn das durch das anfechtbare Rechts­ geschäft erworbene oder von einer Belastung befreite Recht auf einen Anderen vor der Anfechtung übergegangen ist. Nur dann, wenn eine Willenserklärung infolge arglistiger Täuschung anfechtbar ist, kann auch dem Dritten gegenüber, welcher aus der Willenserklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, die Erklärung angefochten werden, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte (§ 123 Abs. 2). Bei einem einseitigen empfangsbedürftigen Rechtsgeschäfte ist Anfechtungs­ gegner derjenige, dem gegenüber die Willenserklärung abzu-

Anfechtbare Rechtsgeschäfte.

147

geben war, oder dessen Erbe. Konnte das empfangsbedürftige Rechtsgeschäft mehreren Personen gegenüber vorgenommen werden, wie z. B. die Vollmachtserteilung, welche gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder gegenüber dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erfolgen kann, so ist Anfechtungsgegner derjenige, dem gegenüber das Rechtsgeschäft tatsächlich vorgenommen worden ist. War das Rechtsgeschäft einem Anderen oder einer Behörde gegenüber vorzunehmen, so ist auch dann, wenn das Rechtsgeschäft der Behörde gegen­ über vorgenommen worden ist, nicht etwa die Behörde, sondern der Andere, dem gegenüber das Rechtsgeschäft auch hätte vor­ genommen werden können, der Anfechtungsgegner. Gibt z. B. ein Hypothekgläubiger sein Hypothekrecht auf, so kann dies dadurch geschehen, daß er dem Grundbuchamte oder dem Eigen­ tümer des belasteten Grundstücks erklärt, er gebe das Hypothek­ recht auf. Ist nun diese Erklärung anfechtbar und dem Grund­ buchamte gegenüber abgegeben, so ist Anfechtungsgegner der Grundstückseigentümer. Bei einem einseitigen nicht em­ pfangsbedürftigen Rechtsgeschäfte ist Anfechtungs­ gegner jeder, der auf Grund des Rechtsgeschäftes unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat, oder dessen Erbe. Wenn Niemand aus dem Rechtsgeschäfte unmittelbar einen Vorteil erlangt hat, so entfällt die Anfechtungsmöglichkeit. War die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abgegeben, so . kann die Anfechtung gegenüber der Behörde mit Wirkung gegen alle Beteiligten erfolgen. Die Behörde wird dann die An­ fechtung demjenigen mitzuteilen haben, welcher durch das Rechtsgeschäft unmittelbar betroffen ist. Sind mehrere An­ fechtungsgegner vorhanden, so ist die Anfechtung, wenn sie einem der Anfechtungsgegner gegenüber erfolgt ist, auch den anderen Anfechtungsgegnern gegenüber wirksam. Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegen- ^n^"®8’ über dem Anfechtungsgegner. Dieselbe ist eine form­ freie empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie kann erfolgen durch einfache Kundgabe des Willens, anfechten zu wollen. Gerichtliche Geltendmachung ist nicht erforderlich. Die Anfechtung kann aber im Wege der Klage, der Feststellungs­ klage und der Einrede erfolgen. Der Nennung des Anfechtungs­ grundes bedarf es nicht. Auch der Ausdruck „anfechten" oder „Anfechtung" muß nicht gebraucht werden. Es genügt, daß der Wille des Anfechtungsberechtigten, die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes herbeiführen zu wollen, erkennbar geworden ist.1) Die Anfechtung kann auch durch einen Vertreter er­ folgen. Die Prozeßvollmacht ermächtigt zur Abgabe und Ent­ gegennahme einer Anfechtungserklärung im Prozessex) (§ 143). Die Anfechtung ist unwiderruflich. ') RG 48 S. 218; IW 1901 S. 495.

148

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

®efHtbarerart=

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Die Bestätigung setzt Kenntnis des Anfechtungsgrundes voraus. Liegen mehrere Anfechtungsgründe vor und erfolgt die Bestätigung in Beziehung auf einen Anfechtungsgrund, während auf einen anderen dem Anfechtenden bekannten Anfechtungsgrund nicht Bezug genommen wird und ein dritter Anfechtungsgrund des" halb nicht zur Sprache kommt, weil er dem Anfechtungsbe­ rechtigten unbekannt geblieben ist, so kann der Anfechtungsbe­ rechtigte aus dem zweiten Anfechtungsgrunde nicht mehr, wohl aber aus dem ihm unbekannt gebliebenen Anfechtungsgrunde die Anfechtung begründen. Die Bestätigung ist keine empfangs­ bedürftige Willenserklärung, muß also nicht dem Anfechtungs­ gegner gegenüber erklärt werden. Eine deutliche Kundgabe des Bestätigungswillens genügt. So ist z. B. der Vollzug des anfechtbaren Rechtsgeschäftes in Kenntnis der Anfechtbarkeit Bestätigung. Die Bestätigung kann auch durch einen Ver­ treter geschehen (§ 144). Die vorstehenden Bestimmungen be­ ziehen sich nur auf jene Rechtsgeschäfte, welche nach BGB in­ folge von Irrtum, unrichtiger Übermittelung der Willenser­ klärung, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung anfechtbar sind, nicht aber auf jene Rechtsgeschäfte, welche nach §§ 29—41 KO und nach dem Anfechtungsgesetze vom 21. VII. 1879, in der Fassung vom 20. V. 1898 angefochten werden können.

Rechtsgeschäfte.

8 52.

D-r^B-rtragsan rag.

Das Zustandekommen von Verträgen.

Der in der Einigung der Parteien bestehende Vertrags­ schluß (s. oben § 43) erfolgt regelmäßig dadurch, daß der eine Vertragsteil dem Anderen die Schließung eines Vertrags anträgt und der andere Vertragsteil diesen Antrag annimmt. Mit der Annahme des Vertragsantrags kommt der Vertrag zustande. Nur selten wird der Vertragsschluß durch gleichzeitige Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen erfolgen. Ein Kreuzen zusammenstimmender Vertragsanträge bewirkt keinen Vertrags­ schluß. Der zur Schließung eines Vertrages regelmäßig erfordermu£ |0 beschaffen sein, daß es nur seiner Annahme durch den Vertragsgegner bedarf, um die Einigung der Parteien herzustellen. Der Vertragsantrag muß daher inhalt­ lich allen Erfordernissen entsprechen, welche zum Vertragsschlusse auf Seite des Antragenden er­ forderlich sind, und so gefaßt sein, daß er alle wesentlichen Punkte, über welche nach dem er­ klärten Willen des Antragenden Einigung herbeigtzführt werden soll, dergestalt enthält, daß eine

Das Zustandekommen von Verträgen.

149

einfache Zustimmungserklärung die Willenseini­ gung bedeutet. Dabei kann jedoch dem künftigen Bertrags­ gegner die Wahl offen gelassen sein, diesen oder jenen ihm an­ gebotenen Vertragsinhalt anzunehmen. Auch kann es dem Vertragsgegner überlassen sein, den Vertragsinhalt zu ergänzen, so z. B. den Kaufpreis der zum Kaufe angebotenen Sache zu bestimmen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Ver­ kehrsübung oder vorhergegangene Verhandlungen den Rahmen bestimmen, innerhalb dessen der Vertrag abgeschlossen werden will. Wer z. B. eine Droschke besteigt, um sich fahren zu lassen, oder wer die Hilfe eines Arztes in Anspruch nimmt, macht einen genügend bestimmten Bertragsantrag, wenn er auch über den Betrag des Entgeltes, welches zu zahlen er gewillt ist, nichts verlauten läßt. Vom Vertragsantrag ist zu unterscheiden die Einladung emabung äum zum Vertragsschluß. Durch letztere soll erst Jemand ver- etrafl8ftSu6' anlaßt werden, dem Einladenden Vertragsanträge, Offerten zu machen. So enthalten die Zusendung von Preiskuranten, Zirkularen u. s. w., das Ausrufen von Waren auf dem Markte, die Ausschreibungen Stellensnchender in Zeitungen keine Ver­ tragsanträge, sondern nur Aufforderungen, Vertragsanträge zu machen. Rechtlich betrachtet ist der Vertragsantrag eine empfangs­ bedürftige Willenserklärung. Bedarf die Willenseinigung einer bestimmten Form, so ist vor deren Beobachtung ein wirksamer Antrag nicht vorhanden. Wirksam wird der Vertragsantrag erst in dem Zeitpunkte, in welchem er dem künftigen Vertragsgegner zugeht. Die Wirk­ samkeit entfällt, wenn mit dem Vertragsantrage oder vorher dem Vertragsgegner ein Widerruf des Antrags zugeht. Entspricht der Vertragsantrag den vorbezeichneten Erforder- Gebunbenhett an nisten, so erzeugt er eine rechtliche Wirkung zunächst für den antrag. Antragenden. Wer nämlich einem Anderen dieSchließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, daher die Gebundenheit aus­ geschlossenhat (8 145). So lange diese Gebundenheit dauert, hat der Antragende keine Möglichkeit mehr, auf den Vertrags­ schluß einzuwirken. Die Entscheidung liegt lediglich bei dem­ jenigen, dem der Antrag unterbreitet wurde. Der Antragende kann seine Gebundenheit ausschließen oder den Widerruf sich Vorbehalten. Letzterenfalls dauert seine Ge­ bundenheit so lange, bis der Widerruf erfolgt ist. Ersterenfalls entfällt die Gebundenheit. Der Ausschluß der Gebundenheit kann ausdrücklich oder stillschweigend, jedoch nur bis zu dem Zeitpunkte erfolgen, in welchem der Antrag dem anderen Teile zugeht, und ist von dem Antragenden zu beweisen. Der Antrag und die Gebundenheit des Antragenden er-

150

Annahme des antrages.

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

lischt, wenn der Antrag dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder nicht rechtzeitig angenommen wird (§ 146). Die Ablehnung des Antrags ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Annahme und Ablehnung des Antrags stehen im freien Belieben desjenigen, dem der Antrag gemacht wurde. Dem Antragenden steht kein Einfluß auf die Entschließung des Anderen zu. So wird z. B. durch Zusendung unbestellter Waren, welche einen Vertragsantrag enthält, der Empfänger auch dann, wenn der Sendung ein Begleitschreiben etwa des Inhalts: „Rücksendung im Falle Nichtannahme erbeten", „falls Sie inner­ halb eines Monats die Waren nicht retournieren, gestatten wir uns, Ihr Konto damit zu belasten" u. s. w. beigefügt ist, zu nichts, auch nicht zur Verwahrung, verpflichtet, so daß er die zu­ gesandte Ware einfach vor die Türe legen kann- Daran wird auch dadurch nichts geändert, daß der Empfänger die ihm zu­ gesandten Waren dem Überbringer, z. B. der Post, abnimmt. Andererseits wird der Empfänger zu einer Verfügung über die zugeschickten Waren nicht berechtigt. So darf z. B. der Em­ pfänger die Waren nicht vernichten, er darf aber, ohne dazu verpflichtet sein, die Waren dem Absender auf dessen Kosten zurücksenden. Im übrigen hat der Empfänger nur die Weg­ nahme der zugesandten Ware zu gestatten, kann aber auf Herausgabe nicht verklagt werden. jedoch der Absender schon wiederholt dem Empfänger Waren zur Ansicht geschickt und hat letzterer dieselben jedesmal zurückgesandt, so ist hierin ein stillschweigendes Abkommen, zukünftige Ansichtssendungen zurücksenden zu wollen, zu erblicken. Die Annahme des Antrags muß rechtzeitig erfolgen. Der Antragende kann für die Annahme des Antrags, gleichzeitig mit oder vor demselben, eine Frist bestimmen und zwar gleich­ viel, ob der Antrag unter Anwesenden oder unter Abwesenden gemacht wird. Hat der Antragende für die Annahme des An­ trags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb dieser Frist erfolgen (§ 148). Dabei genügt im Zweifel nicht, daß die Annahmeerklärung binnen dieser Frist abgegeben wird. Vielmehr muß die Annahmeerklärung binnen der Frist in den Besitz des Anbietenden gelangt fein.1) Die Frist kann beliebig bemessen sein. Nur must sie so lange sein, daß die Antwort dem Antragenden rechtzeitig zugehen kann. Die Frist kann auch verlängert werden. Ist eine Frist für die Annahme des Vertragsantrags nicht bestimmt, so ist zu unterscheiden, ob der Bertragsantrag einem Anwesenden oder einem Abwesenden gegenüber erfolgt. Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann ') RG 53 S. 59; ROLG 6 S. 36.

nur sofort angenommen werden. Unverzügliche An­ nahme genügt nicht. Erfolgt nicht sofortige Annahme, so er­ lischt der Antrag. Diese Rechtssätze gelten anch für einen mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachten Antrag (§ 147 Abs. 1). Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkte angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Ant­ wort unter regel mäßig en Um ständen erwart en darf. (§ 147 Abs. 2.) Bis zu diesem Zeitpunkte mnß die Annahme­ erklärung dem Antragenden zugegangen sein. Andernfalls hört seine Gebundenheit auf. Die Dauer der Frist wird bestimmt durch die Zeit, welche bei regelmäßigen Umständen als erfor­ derlich und ausreichend für das Zugehen der Antwort erachtet werden kann. Umstände, welche dem regelmäßigen Gange der Dinge zuwider Abgabe, Beförderung oder Empfang der Ant­ wort verzögern, finden keine Beachtung und zwar auch dann nicht, wenn der Antragende die Unregelmäßigkeit kannte, so z. B- wenn er wußte, daß eine Hochwasserkatastrophe das regelmäßige Zugehen des Antrags oder der Antwort verhin­ dern; daß die Antwort unter Benützung der gleich raschen Verkehrsmittel befördert werde wie der Antrag, wird der Antragende in der Regel erwarten können. So wird z. B. im Börsenverkehr der telegraphische Antrag stets telegraphisch zu beantworten sein. Die verspätete Annahme eines Vertragsan - «erspst-te An­ trags bleibt ohne Wirkung. Sie findet einen wirksamen"tt^knuaa”’ Vertragsantrag nicht mehr vor. Ist indessen eine dem Antragenden verspätet zugegangene Annahmeerklärung dergestalt abgesendet worden, daß sie bei regelmäßiger Beförderung ihm rechtzeitig zugegangen sein würde und mußte der Antragende dies erkennen, so hat er die Ver­ spätung dem Annehmenden unverzüglich, sohin ohne schuld­ haftes Zögern nach dem Empfange der Erklärung anzuzeigen, soferne dies nicht schon vorher geschehen ist. Verzögert er die Absendung der Anzeige, so gilt die Annahme als nicht ver­ spätet. Der Vertrag kommt also zustande. Im Falle recht­ zeitiger Benachrichtigung gilt der Antrag als erloschen und kommt, durch das verspätete Zugehen der Annahmeerklärung kein. Vertrag mehr zustande (§ 149). Hat z. B. A dem B einen Antrag auf Verkauf von 20 Waggon Getreide ge­ macht und gelangt der rechtzeitig abgesendete, die Annahme­ erklärung enthaltende Brief infolge eines Eisenbahnunfalles um einige Tage später als bei regelmäßiger Postbeförderung in die Hände des Antragenden, so muß A, der die rechtzeitige Absendung des Briefes aus dem Poststempel ersehen kann, wenn er das Zustandekommen des Vertrags etwa deswegen,

152

Die Willenserklärung als Jnhaltd es Rechtsgeschäfts.

weil er bereits an einen Anderen verkaufte, hindern will, dem B unverzüglich mitteilen, daß der Brief verspätet eingelaufen fei, es sei denn, daß er dem B schon geschrieben, daß inner­ halb der Annahmefrist bei ihm eine Annahmeerklärung nicht eingelaufen sei. Die verspätete Annahme eines Vertragsan­ trags gilt, da die Annahme immerhin die Erklärung des Willens, den angetragenen Vertrag eingehen zu wollen, ent­ hält, als ein neuer Antrag (§ 150 Abs. 1). Dieser neue Antrag erfordert seinerseits wieder, wenn er zum Vertrags­ schluß führen soll, Annahme seitens des ursprünglich Äntragenden. Die Annahme bringt den Vertrag auch nur dann zu­ stande, wenn sie unbeschränkt ist. Sitte Annahme unter Er­ weiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt nicht als Annahme, sondern als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Anträge (§ 150 Abs. 2). So z. B. wenn Jemand auf eine Kaufsofferte zurücktelegraphiert: „nehme an, näheres brieflich." Werden die Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen widerrufen, so findet die nachträgliche vorbehaltlose Annahme keinen annahmefähigen Antrag mehr vor. Vielmehr ist wiederum eine Annahmeerklärung des ur­ sprünglich Antragenden zum Vertragsschluß erforderlich. ^chtlich^Nawr Die Annahme des Vertragsantrags ist regelmäßig eine annahme. empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie besteht in der Kund­ gabe des Willens, den Vertrag so, wie er angetragen wurde, zu wollen. Ohne daß die Annahme dem Antragenden gegen­ über erklärt zu werden braucht, kommt durch stillschweigende Annahme des Antrags der Vertrag zustande, wenn eine Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder wenn der Antragende auf die Erklärung der An­ nahme verzichtet hat. Immer aber ist eine mit dem Ver­ tragsantrage übereinstimmende Willensbetätigung erforderlich, aus welcher der mit dem Anträge übereinstimmende Vertrags­ wille desjenigen, dem der Antrag gemacht wurde, hervorgeht. So wird z. B. derjenige, der eine Bestellung bei seinem regel­ mäßigen Lieferanten macht, gar nicht erwarten, daß der Liefe­ rant die Annahme der Bestellung erkläre. Der Vertrag kommt hier mit der Zusendung der Ware zustande. Ebenso hat derjenige, der in einen Zigarrenladen geht, sich eine Zigarre nimmt und 10 Pfennige dafür hinlegt, einen Vertrag geschlossen, sobald der Verkäufer die 10 Pfennige, ohne etwas zu sagen, in die Ladenkasse legt. Nimmt derjenige, dem eine unbestellte Ware zur Ansicht zugesandt wurde, die Ware in Gebrauch, so ist der Kaufvertrag geschlossen. Wie der Wille, den Ver­ tragsantrag anzunehmen, zum Ausdruck gelangt, ist gleichgültig. Im Handelsverkehre z. B. kann das Stillschweigen eines Kauf-

Das Zustandekommen von Verträgen.

153

Mannes auf ein ihm von einem anderen Kaufmanne gemachtes Anerbieten im Hinblick auf diesbezüglich bestehende Gewohn­ heiten und Gebräuche unter Umständen als Annahme des Vertragsantrags angesehen werdend) Auch durch Erklärung gegenüber Dritten kann der Wille, den Vertragsantrag anzu­ nehmen, zum Ausdruck gebracht werden. Jedoch ist darauf zu achten, ob der Erklärende nicht nur die A b s i ch t, annehmen zu wollen, zum Ausdrucke bringen wollte. Der Verzicht auf die Annahmeerklärung bedarf keiner Form. Derselbe kann auch stillschweigend erfolgen, was z. B. der Fall ist, wenn der Antragende die angetragene Leistung mit dem Anträge gleich­ zeitig vornimmt oder von dem Anderen, dem er den Vertrag anträgt, sofortigen Vollzug der durch den Vertrag zu über­ nehmenden Leistung verlangt. In diesen Fällen, in denen der Vertrag deswegen, weil eine Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat, ohne daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, zustande kommt, bestimmt sich der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, nach dem aus dem Antrag oder den Um­ ständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. Regelmäßig wird der Antragende sofortige Betätigung des Willens der Annahme, insbesondere auch sofortige Vertragserfüllung er­ warten und länger nicht gebunden sein wollen (§ 151). Wird ein Vertrag, sei es auf Grund gesetzlicher Vorschrift, sei es auf Grund Vereinbarung gerichtlich oder notariell beur­ kundet, so kommt der Vertrag nicht mit dem Zugehen der Annahmeerklärung an den Antragenden, sondern mit der Be­ urkundung der Annahme zustande, soferne nicht ein Anderes bestimmt ist, wie dies z. B. dann zutrifft, wenn der Antragende in den Antrag aufnimmt, daß der Vertrag erst dann zustande kommen soll, wenn die beurkundete Annahmeerklärung ihm zugeht. Ohne eine derartige Bestimmung ist es zum Vertrags­ schluß nicht erforderlich, daß die beurkundete Annahmeerklärung dem Antragenden zugeht. Der Antragende ist jedoch, wenn er die ihn treffende Vertragserklärung hat beurkunden lassen, nur solange an seinen Antrag gebunden, als er nach dem In­ halt des Antrags selbst oder nach den Umständen gebunden fein will. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, be­ stimmt sich sohin nach dem aus dem Antrag oder den Um­ ständen zu entnehmenden Willen. (§ 152.) Eine besondere Bestimmung für die Gebundenheit des Zust-mdaommen Antragenden und das Zustandekommen des Vertrags ist für .»et Versteigerun gen getroffen. Bei Versteigerungen kommt Versteigerungen, der Vertrag erst durch den Zuschlag zustande, soferne nicht *) RG 54 S. 181.

154

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäfts.

etwas Anderes bestimmt ist. Das Gebot ist Vertragsantrag, der Zuschlag Vertragsannahme. Ob der Bieter im Augen­ blicke des Zuschlags anwesend ist und denselben vernimmt oder nicht, ist gleichgültig. Die „Gebundenheit des Bieters und das Gebot erlischt, wenn ein Übergebot abgegeben oder die Versteigerung ohne Erteilung eines Zuschlags geschlossen wird (§ 156). Das Übergebot bringt, auch wenn ihm kein Zuschlag folgt, das Gebot zum Erlöschen. Einfluß von Ab. Erfolgt auf den Vertragsantrag rechtzeitig die Annahme, 'trftt von le"’ so kommt der Vertrag auch dann zustande, wenn der And?sAn"ragenden' tragende vor der Annahme stirbt oder geschäftsunfähig wird, es sei denn, daß ein anderer Wille des Antragenden anzu­ nehmen ist (§ 153). Letzteres wird z. B. dann der Fall sein, wenn Jemand seine persönlichen Dienste angetragen oder Waren zu seinem persönlichen Gebrauche bestellt hat. Selbst dann, wenn der Antragende, bevor der von ihm abgegebene Antrag dem anderen Teile zugeht, stirbt oder geschäftsunfähig wird, kann der andere Teil noch annehmen und so der Vertrag zu­ stande kommen, da es auf die Wirksamkeit der Antragser­ klärung ohne Einfluß ist, wenn der Antragende nach der Ab­ gabe der Antragserklärung stirbt oder geschäftsunfähig wird (§ 130 Abs. 2). Der Eintritt einer Beschränkung in der Ge­ schäftsfähigkeit des Antragenden nach abgegebener Antragser­ klärung hindert das Zustandekommen des Vertrages nicht. Gebunden ist, solange die durch den Antrag hervorgerufene Gebundenheit an den Antrag besteht, der gesetzliche Vertreter, leben"». Eintritt Stirbt der Antragsempfänger, bevor ihm der Antrag zugevon Geschäfsun- gangen ist oder bevor er, nachdem ihm der Antrag zugegangen ist, riagemMngers’diesen wirksam angenommen hat, so kann ein Vertrag nicht mehr zustande kommen. Erklären die Erben, den Antrag an­ nehmen zu wollen, so ist dies ein neuer Vertragsantrag. Wird der Antragsempfänger vor oder nach Zugehen des Antrags geschäftsunfähig, so kann der Antrag wirksam werden, wenn er dem gesetzlichen Vertreter zugeht und von diesem ange­ nommen wird. Das Gleiche gilt, wenn der Antragsempfänger nach dem Zugehen des Antrags in der Geschäftsfähigkeit beschränkt wird. Andere Umstände als Tod oder Geschäftsun­ fähigkeit des Antragenden können den Antrag nicht zum Er­ löschen bringen. Bestellt z. B. A ein Fahrrad bei B und er­ fährt B vor der Annahme der Bestellung, daß dem A infolge eines Unglücksfalles beide Beine abgenommen wurden, so ist die Annahme gleichwohl möglich; denn in der Annahme der Bestellung, d. h. in dem Austausche von Leistung und Gegen­ leistung liegt kein Verstoß gegen Treu und Glauben. Vertragsteile Um einen Vertrag zum Abschluß zu bringen, müssen über alle Punkte. Antrag und Annahme vollständig und in allen hauptsächlichen und nebensächlichen Punkten übereinstimmen, soferne nicht die

Auslegung der Rechtsgeschäfte.

155

Nebensächlichkeit des einen oder anderen Punktes eine derartige ist, daß dieser Punkt nach Treu und Glauben im Verkehr keine Beachtung findet. Solange nicht die Parteien über alle Punkte eines Vertrages sich geeinigt haben, über welche nach der Er­ klärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Unter dieser Voraussetzung ist die Verständigung der Parteien über einzelne Punkte auch dann nicht bindend, wenn eine Auf­ zeichnung stattgefunden hat, es sei denn, daß die Parteien sich hinsichtlich der einzelnen Punkte bereits binden wollten. Da das Zustandekommen des Vertrags voraussetzt, daß die Parteien über alle jene Punkte sich geeinigt haben, über welche nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung stattfinden soll, so kommt ein Vertrag dadurch, daß die Parteien sich über die gesetzlichen Bestandteile eines Rechtsgeschäftes einigen, an sich noch nicht zustande.') So kommt z. B. ein Mietvertrag durch die Einigung über den Mietgegenstand und den Mietzins dann nicht zustande, wenn der eine Vertrags­ teil erklärt hat, daß er Unkündbarkeit des Vertrags auf drei Jahre vereinbart haben will und der andere Vertragsteil hierüber eine Erklärung nicht abgegeben hat. Ist eine Be­ urkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist, soferne nicht ein anderer Vertragswille erhellt, der Vertrag nicht eher geschlossen, als bis die Beurkundung erfolgt ist. Solange die Beurkundung in diesem Falle nicht erfolgt ist, steht der Vertragsschluß noch aus und kann auch nicht auf Grund der bereits vorhandenen mündlichen Einigung Beur­ kundung verlangt werden, sofern nicht ein hierzu verpflichtender Vorvertrag vorhanden ist (§ 154). Jedoch wird das Zustande­ kommen eines Vertrags dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Parteien nicht über alle Punkte, über welche nach Sachlage Vereinbarungen getroffen werden können, auch wirklich Ver­ einbarungen getroffen haben. Herrscht Übereinstimmung hinsichtlich der für den Vertrag wesentlichen Punkte, so wird im übrigen die Lücke im Parteiwillen durch das Gesetz ergänzt?) Haben sich die Parteien bei einem Vertrage, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Verein­ barung getroffen werden sollte, ohne sich dessen bewußt ge­ worden zu sein, nicht geeinigt, sei es, daß die Vertragser­ klärungen etwa infolge Vergessens oder Mißverständnisses nicht übereinstimmen, sei es, daß sie zwar übereinstimmen, aber in einem Punkte wegen Nichtigkeit der darauf bezüglichen Erklärung des einen oder anderen Vertragsteiles der rechtlichen Wirk­ samkeit entbehren, so gilt das Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, daß der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen •) ROLG 4 S. 211. 2) ROLG 2 S. 479.

156

Die Willenserklärung als Inhalt des Rechtsgeschäftes.

Punkt geschlossen sein würde (§ 155). Ist das Gegenteil anzunehmen, so ist der ganze Vertrag nichtig. § 53. Allgemeine Ausegung rege

Auslegung von er ragen.

Andere Aus-

Auslegung der Rechtsgeschäfte.

Bei der Auslegung einerrechtsgeschäftlichen Willenserklärung ist stets der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (§ 133). Zu berücksichtigen ist dabei der allgemeine Sprachgebrauch, die Ausdrucksweise des Einzelnen und der Zweck der Willenserklärung. Die Auslegung darf aber nicht übergreifen auf den innerlich gebliebenen und nicht in die Außenwelt getretenen Willen. Nur der „erklärte" Wille ist der Auslegung fähig. Auch gilt der erklärte und durch die Aus­ legung ermittelte Wille nur dann, wenn die Erklärungsformen z. B. die gebrauchten Worte Erklärung dieses Willens sein können. Mit anderen Worten: der Wille muß in gesetzlicher Weise einen erkennbaren Ausdruck gefunden haben und muß dieser Ausdruck des ermittelten Willens so beschaffen sein, daß er als Erklärung dieses Willens angesehen werden kann. Verträge insbesondere sind so auszulegen, Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrsfitte dies erfordern (§ 157). Diese Norm ist auch bei einseitigen Rechtsgeschäften entsprechend anzuwenden. Der Grundsatz ist ein allgemeiner. Ein Verzicht auf alle Einreden schließt nicht aus, daß der Verzichtende dennoch die Beobachtung von Treu und Glauben verlangen und deren Nichtbeobachtung einwenden kann. Das Bestehen einer Verkehrssitte muß im Urteil festgestellt werden. Ein Hinweis auf entsprechende handelsrechtliche Normen genügt da, wo Handelsrecht nicht zur Anwendung kommt, nichts) Für eine Reihe von Rechtsgeschäften stellt das BGB besondere Auslegungsregeln auf. Meist werden dieselben schon äußerlich durch die Worte „im Zweifel" u. s. w. gekennzeichnet. So ist z. B. bei Veräußerung eines Grundstücks im Zweifel anzunehmen, daß die Veräußerung sich auf das Zubehör er­ strecken soll (§ 926). Die gesetzlichen Auslegungsregeln greifen nur dann Platz, wenn ein abweichender Wille der Beteiligten nicht erkannt werden kann oder nicht vorhanden ist.

') RG 49 S. 157.

Bedingungen.

157

3. Kapitel.

Die Wovonöestirnrrmngen Vei Wechtsgefchäfien.

8 54.

1. Bedingungen.

Bedingung ist die einem Rechtsgeschäfte bei-B-srU d-r B-. gefügte Bestimmung, kraft welcher die Wirkung m0ung' des Rechtsgeschäftes von dem Eintritte eines künf­ tigen ungewissen Ereignisses abhängig gemacht wird. Nicht alle Rechtsgeschäfte vertragen Bedingungen. So können z. B. Auflassungen, Aufrechnungen, Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses u. s. w. nicht unter Bedingungen erfolgen. Auch Mahnungen und Kündigungen können nur bedingungslos geschehen. Unsittliche, gesetzlich verbotene und widerspruchsvolle Be­ dingungen machen das ganze Rechtsgeschäft unwirksam. Ebenso unsinnige, nicht aber unnütze Bedingungen. Durch die Bedingung kann die Wirkung eines Rechts­ geschäftes in der Weise von dem Eintritte eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses abhängig gemacht werden, daß mit dem Eintritt des Ereignisses die Wirkung des Rechtsgeschäftes ent­ weder erst beginnen oder aber aushören soll. Darnach unter­ scheidet man aufschieb ende und auflösende Bedingungen. Unmögliche aufschiebende Bedingungen machen das ganze Rechtsgeschäft unwirksam. Unmögliche auflösende Bedingungen gelten als nicht vorhanden. Eine aufschiebende Bedingung ist dann vor- Aufschiebende Handen, wenn die Wirkung des Rechtsgeschäftes c ,nflun6cnerst mit dem Eintritte der Bedingung eintritt. Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig ge­ machte Wirkung mit dem Eintritte der Bedingung ein (§ 158 Abs. 1). Vor dem Eintritte der Bedingung besteht die be­ dingte Forderung nicht und geht das bedingt übertragene Eigentum nicht über. Auch ein Anspruch auf bedingte Über­ tragung des Rechts- besteht nicht, wenn derselbe nicht besonders vereinbart wird. Mit dem Eintritte der Bedingung aber entsteht die bedingte Forderung von selbst und geht das Eigen­ tum, welches bedingt übertragen wurde, ohne weiteres auf den Erwerber über. Fällt die aufschiebende Bedingung aus, so tritt die bedingte Rechtswirkung nicht ein. Die Bedingung ist ausgefallen, wenn der Tatbestand, an welchen sich die bedingte Rechtswirkung knüpfen soll, nicht mehr eintreten kann, sich

158

Die Nebenbestimmungen bei Rechtsgeschäften.

nicht verwirklicht hat oder dann, wenn auf seinen Nichteintritt die Bedingung abgestellt war, eingetreten ist. Auflöiende Eine auflösendeBedingung ist dann vorhanden, mgungen. we]1)] bie Wirkung des Rechtsgeschäftes mit dem Eintritte der Bedingung wieder aufhört. Z. B.: ein Beamter kauft ein Haus unter der Bedingung, daß er innerhalb des nächsten Jahres von dem Orte, wo das Haus sich befindet, nicht anderswohin versetzt werde. Er­ folgt die Versetzung innerhalb eines Jahres nicht, so bleibt der Kauf wirksam. Erfolgt die Versetzung, so enden damit die Wirkungen des Kaufes und der Auflassung. Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritte der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts und tritt mit diesem Zeitpunkte der frühere Rechtszustand wieder ein. Mit dem Eintritte der Bedingung geht die bedingte Forderung unter und die bedingt über­ tragene Forderung auf den Übertragenden wieder über. Das bedingt übertragene Eigentum fällt an den früheren Eigen­ tümer zurück. Das im Grundbuch eingetragene bedingte Recht an einem Grundstück geht auf den ursprünglich Berechtigten wieder über. Einer Auflassung, Löschung, Umschreibung bedarf es nicht. Jedoch kann Grundbuchberichtigung verlangt werden. Andererseits entsteht mit dem Eintritte einer auflösenden Be­ dingung keine Verpflichtung, die durch das Rechtsgeschäft be­ gründete rechtliche Wirkung wieder aufzuheben. Fällt die auflösende Bedingung aus, so bleibt das Rechtsgeschäft in Wirksamkeit. Keine RückwirkWeder beim Eintritte einer aufschiebenden noch beim utntt6b« Be-° Eintritte einer auflösenden Bedingung tritt eine Rü ckw ir kung dingung. ein. Demgemäß behält der Eigentümer bei aufschiebend be­ dingter Übertragung des Eigentums die bis zum Eintritte der Bedingung gezogenen Früchte, während demjenigen, dem Eigentum unter einer auflösenden Bedingung übertragen war, die vor dem Eintritte der Bedingung gezogenen Früchte ver­ bleiben. Von dem Grundsätze, daß der Eintritt einer Bedingung keine rückwirkende Kraft hat, gibt es eine Ausnahme. Es kann eine obligatorische Zurückbeziehung durch Rechtsge­ schäft bestimmt werden. Sollen nach dem Inhalte des Rechts­ geschäftes die an den Eintritt der Bedingung geknüpften Folgen auf einen früheren Zeitpunkt zurückgezogen werden, so sind im Falle Eintritts der Bedingung die Beteiligten verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn die Folgen in dem festgesetzten früheren Zeitpunkt eingetreten wären (§ 159). Diese Verpflichtung ist rein obligatorisch ohne jede dingliche Bedeutung. SHwebezustand Solange nicht feststeht, ob die Bedingung eintritt oder

bei Bedingungen.

Bedingungen.

159

ausfällt, besteht ein Schwebezustand. Schon während der Schwebezeit besteht eine gewisse Gebundenheit. Wer unter aufschiebender Bedingung berechtigt ist, kann im Falle Eintritts der Bedingung Schadensersatz von dem anderen Teile ver­ langen, wenn dieser während der Schwebezeit das von der Bedingung abhängige Recht durch sein Verschulden vereitelt oder beeinträchtigt. Ebenso kann im Falle Eintritts einer auflösenden Bedingung derjenige, zu dessen Gunsten der frühere Rechtszustand wieder eintritt, von dem unter der auflösenden Bedingung Berechtigten Schadensersatz verlangen, wenn dieser durch sein Verschulden den Eintritt des früheren Rechtszustandes vereitelt oder beeinträchtigt. In beiden Fällen haben die Ver­ pflichteten Vorsatz und Fahrlässigkeit in demselben Maße zu vertreten, wie wenn die in Frage stehenden Rechtsverhältnisse unbedingte wären. So hat z. B. bei einem aufschiebend be­ dingten Schenkungsversprechen der Schenker nur grobe Fahr­ lässigkeit zu vertreten. Die Vereitelung oder Beeinträchtigung kann in tatsächlichen oder rechtlichen Einwirkungen bestehen. Gewährt wird nur ein Anspruch auf Schadensersatz nach er­ folgter Beeinträchtigung oder Vereitelung, nicht aber ein Anspruch auf Unterlassung von Beeinträchtigung oder Ver­ eitelung. Dagegen kann wegen Besorgnis der Vereitelung oder wesentlicher Erschwerung eines bedingten Rechts eine einstweilige Verfügung und zur Sicherung eines bedingten Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Rechte oder auf Änderung des Inhalts oder des Ranges eines solchen Rechts die Eintragung einer Vormerkung in das Grund­ buch erlangt werden (§ 160). Hat Jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand verfügt, so ist jede weitere Verfügung, die er während der Schwebezeit über den Gegenstand trifft, im Falle Eintritts der Bedingung insofern unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder be­ einträchtigen würde. Ebenso wird bei auflösenden Bedingungen eine Verfügung, welche derjenige, dessen Recht mit dem Ein­ tritte der Bedingung endigt, während des Schwebens der Be­ dingung getroffen hat, dann unwirksam, wenn durch diese Ver­ fügung der Eintritt des früheren Rechtszustandes vereitelt oder beeinträchtigt werden würde. Den Verfügungen, welche die von der Bedingung abhängigen Wirkungen vereiteln oder be­ einträchtigen würden, stehen Verfügungen gleich, welche wäh­ rend der Schwebezeit im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter er­ folgen. Das rechtskräftige Urteil ist den Verfügungen nicht gleichgestellt. Die Unwirksamkeit besteht, soweit sie eintritt, jedem Dritten gegenüber. Zu ihrer Geltendmachung bedarf

160

Die Nebenbestimmungen bei Rechtsgeschäften.

es keiner Anfechtung. Soweit die Unwirksamkeit der Ver­ fügungen eintritt, finden die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entsprechende Anwendung (§ 161). Z. B. A hat dem B einen Waggon Heu unter der Bedingung verkauft, daß sich nicht binnen einer Woche ein Käufer findet, welcher mehr als Ä bietet, und hat das Heu dem B übergeben. Nun meldet sich ein besserer Käufer. B hat aber das Heu bereits weiter verkauft und an den neuen Käufer geliefert. A wird ohne weiteres wieder Eigentümer des Heues, sofern, nicht der Neuerwerber in gutem Glauben sich befand. Ist letzteres der Fall, so ist B schadensersatzpflichtig. Hat B das Heu ver­ füttert, so ist er dem A zum Schadensersätze verpflichtet. Wird der Eintritt einer Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung gleichwohl als eingetreten. Die Einwirkung muß nicht notwendig zu dem Zwecke einer Vereitelung oder Beeinträchtigung der von der Bedingung ab­ hängigen Wirkung geschehen, sondern es genügt, wenn die Ein­ wirkung unter Verstoß gegen Treu und Glauben und mit dem Bewußtsein erfolgt, daß die Bedingung infolge der Einwirkung nicht eintreten könne. Umgekehrt gilt dann, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt wird, der Eintritt als nicht erfolgt (§ 162).

8 55. 2. Zeitbestimmungen.

Anfangstermin.

Ist für die Wirkung eines Rechtsgeschäftes bei dessen Vor­ nahme ein Anfangs- oder ein Endtermin bestimmt wor­ den, so finden im ersteren Falle die für aufschiebende, im letzteren Falle die für auflösende Bedingungen geltenden Vor­ schriften entsprechende Anwendung (§ 163). 1. Demnach hat dann, wenn einem Rechtsgeschäfte ein bestimmter zukünftiger Zeitpunkt oder ein künftiges Ereignis, bei welchem dessen Eintritt zwar gewiß, der Zeitpunkt des Eintritts aber ungewiß ist, als Anfangstermin seiner Rechtswirkung beigefügt ist, der von dem Anfangstermine an Berechtigte dieselbe rechtliche Stellung wie der unter einer aufschiebenden Bedingung Berechtigte. Die Wirkung des Rechts­ geschäftes tritt erst mit dem Änfangstermin, jedoch ohne weiteres ein und der von dem Anfangstermin ab Verpflichtete wird schadensersatzpflichtig, wenn er durch sein Verschulden das betagte Recht vereitelt oder beeinträchtigt. Ebenso sind die von dem Gebundenen vor dem Anfangstermine getroffenen Verfügungen insoweit unwirksam, als dadurch die Entstehung des betagten Rechts vereitelt oder beeinträchtigt wird. Diese

Fristen und Termine.

161

Rechtssätze gelten aber nur dann, wenn die Beifügung eines Anfangstermins die Bedeutung hat, daß mit seinem Eintritt das Recht erst in Wirksamkeit treten soll. Die Bestimmung eines Anfangstermins kann jedoch auch die Bedeutung haben, daß die Wirkung des Rechtsgeschäfts sofort eintreten, das Recht sofort entstehen und nur dessen Ausübung hinausgeschoben werden soll. Ob dem Anfangstermine diese oder jene Bedeu­ tung zukommen soll, ist Auslegungsfrage.^) 2. Ist für die Wirkung eines Rechtsgeschäftes ein End­ termin bestimmt, so tritt mit dessen Herankommen der frühere Rechtszustand von selbst wieder ein. Derjenige, zu dessen Gunsten dies geschieht, kann Schadensersatz von dem anderen Teile verlangen, wenn dieser durch sein Verschulden den Wieder­ eintritt des früheren Rechtszustandes vereitelt oder beeinträch­ tigt. Auch sind Verfügungen desjenigen, welcher nur bis zum Endtermine berechtigt ist, insoweit unwirksam, als sie vereiteln oder verhindern, daß mit dem Eintritt des Endtermins der frühere Rechtszustand wieder eintritt. 8 56.

Endtermin-

3. Fristen und Termine.

Frist ist jeder rechtlich bedeutsame Zeitraum, inner­ halb dessen eine Handlung vorgenommen, insbesondere ein Recht ausgeübt oder eine Willenserklärung abgegeben wer­ den soll. Termin ist jeder rechtlich bedeutsame Zeitpunkt. Für die in Gesetzen, gerichtlichen Verfügungen und Rechts­ geschäften enthaltenen Frist- und Terminsbestimmungen gelten, soweit nicht etwas Anderes gewollt und in gesetzlich zulässiger Weise vereinbart ist, die nachstehenden AuslegungsVor­ schriften, wobei zu bemerken ist, daß die Fristen regel­ mäßig ohne Rücksicht darauf laufen, ob die Vornahme der innerhalb der Frist 'zu betätigenden Handlung möglich war oder nicht: 1. Ist für den Anfang einer Frist der Beginn eines Tages der maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei Berechnung derFrist mitgerechnet. Auch dann, wenn als Anfang einer Frist ein bestimmter Tag angegeben wird, ohne daß betont wird, daß die Frist vom Beginn des Tages an berechnet werden soll, wird der Anfangstag bei Berechnung der Frist mitgerechnet. Ist z. B. vereinbart, daß bestimmte Arbeiten mit dem 1. Mai ihren Anfang nehmen und 20 Tage dauern sollen, so wird der 1. Mai mitgerechnet und endet die zwanzigtägige Frist mit dem Ab­ laufe des 20. Mai. Ebenso wird bei Berechnung des ') DIZ 1902 S. 168. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. L. Ausl. Bd. I.

11

Frist.

Termin.

Beginn der Fristen.

Lebensalters der Geburtstag als voll mitgerech­ net. Ist z. B. Jemand am 1. Januar 1901 abends 11^ Uhr geboren, so wird derselbe mit dem Ablaufe des 31. Dezember 1922 großjährig (§ 187 Abs. 2). 2. Ist für den Anfang einer Frist nicht der Be­ ginn eines Tages, sondern ein Ereignis oder ein in den Lauf einesTages fallend er Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchem das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (§ 187 Abs. 1). Beginnt z. B. eine zehntägige Frist am 2. Juni mittags 2 Uhr, so rechnet der 2. Juni gar nicht mit, sondern die Berechnung der Frist be­ ginnt erst mit dem Anfänge des 3. Juni und endet mit dem Ablaufe des 12. Juni, es sei denn, daß nach dem Parteiwillen die Frist von Stunde zu Stunde berechnet werden und darnach am 12. Juni mittags 2 Uhr enden soll. Ende der Fristens 3. Eine tislcf) Tagen bestimmte Frist endigt |mit dem Ablaufe des letztenTages der Frist (8 188 »Abs. 1). Eine nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraume, insbesondere nach Jahren, halben Jahren, Viertel­ jahren bestimmte Frist endigt a) dann, wenn für den Beginn der Frist ein Erei'gnis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeit­ punkt maßgebend ist, mit dem Ablaufe desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in dem das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt; b) dann, wenn der Beginn eines Tages der für den Anfang der Frist maßgebende Zeitpunkt ist, mit dem Ab­ laufe desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Mo­ nats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstage der Frist entspricht. Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monate der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablaufe des letzten Tages dieses Monats (§ 188 Abs. 2, 3). Z. B: Steckt ein Baukomitee für Einreichung von künstlerisch architektonischen Entwürfen eine viermonatliche Frist, beginnend ein halbes Jahr nach der öffentlichen Aus­ schreibung der Pretsbewerbung, und erfolgt die Ausschreibung am 30. April, so endet das halbe Jahr mit dem Ablaufe des 30. Oktober und beginnt die Frist für die Einreichung der Entwürfe mit dem 31. Oktober. Die nun folgende viermonatliche Frist endet mit dem Ablaufe des 28. bezw. 29. Februar, je nachdem dieser Monat 28 oder 29 Tage hat (§ 188 Abs. 2, 3).

Fristen und Termine.

163

4. Unter einem halbenJahr wird eine Frist von sechs Monaten, unter einem Vierteljahre eine Frist von drei Monaten, unter einem halben Monat eine Frist von 15 Tagen verstanden. Beginnt z. B- in einem Jahre, in welchem der Februar 28 Tage zählt, eine halbmonatliche Frist am 15. Februar nachmittags 2 Uhr, so endet diese Frist am 2. März. Ist eine Frist auf einen oder mehrere ganze Monate und einen halben Monat gestellt, so sind die 15 Tage zuletzt zu zählen. Beginnt z. B. eine l^z monatliche Frist am 7. April, so endet diese Frist mit dem Ablauf des 22. Mai. Wird eine Frist von 8 Tagen gesetzt, so ist darunter regelmäßig, soferne nicht etwas Anderes gewollt ist, eine Frist von einer Woche zu ver­ stehen (§ 189). 5. Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt, daß er nicht zusammenhängend zu ver­ laufen braucht, so wird der Monat zu 30, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet (§ 191). Hat z. B. ein Beamter jährlich 2 Monate Urlaub zu beanspruchen und hat er einen Urlaub vom 1. August bis 15. September einschließlich erhalten, so kann er noch 14 Tage Urlaub beanspruchen, also z. B. nur für die Zeit vom 1. bis 14. Oktober, nicht 15. Oktober einschließlich. Ist ein Geschäftsreisender verpflichtet, 9 Monate im Jahre auf Reisen zu sein, so bedeutet dies, daß von den 365 oder 366 Tagen des Jahres der Reisende 270 Tage auf Geschäftsreisen sein muß. 6. Unter dem Anfänge eines Monats wird stets der erste, unter Mitte des Monats der fünfzehnte, unter Ende des Monats der letzte Tag des Monats verstanden (§ 192). 7. Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag oder einen am Erklärungs- oder Leistungs­ orte staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag, so tritt an die Stelle des Sonntags oder des Feiertags der nächstfolgende Werktag (§ 193). Kann z. B. vertragsgemäß am 15. jeden Monats gekündigt werden und ist der 15. des Monats, in welchem gekündigt werden will, ein Sonntag, so kann die Kündigung auch noch am 16. des Monats rechtswirksam er­ folgen. Folgt auf diesen Sonntag noch ein allgemeiner Feiertag, so kann auch noch am 17. des Monats gekündigt werden. 8. Wird eine Frist verlängert, so wird die neue Frist von dem Ablaufe der vorigen Frist an berechnet (§ 190). Wird freilich eine bereits laufende Frist nur in dem Sinne ver­ längert, daß sie eine längere Dauer erhält als anfänglich be­ stimmt war, so findet diese Vorschrift keine Anwendung, son­ dern wird die Gesamtfrist vom gleichen Zeitpunkte an berechnet, wie die ursprüngliche Frist.

164

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung. 4. Kapitel.

Stellvertretung, Dollmacht, Kinwilligung und Genehmigung. § 57.

Stellvertretung.

Nach BGB ist die Vertretung bei Vornahme von Rechtsgeschäften in der Regel zulässig. Aus6tfmD§men‘nB nahmen von diesem Grundsätze treten nur in jenen Fällen ein, in welchen eine Vertretung entweder nach der Natur der Willenserklärung oder nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift aus­ geschlossen ist. Abgesehen von diesen wenigen Ausnahmen hat das BGB die Vornahme von Rechtshandlungen mit unmittel­ barer Wirkung für einen Anderen zugelassen. Die Vertretungsmöglichkeit besteht sowohl bei empfangsbedürftigen als bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Srundlagen der Die Vertretungsmacht kann auf Gesetz oder 9e'mS"9’1 auf einer Willenserklärung beruhen. Die kraft Gesetzes bestehende Vertretungsmacht ist nach dem Gesetze stets mit einer Gesetzliche Der- bestimmten rechtlichen Stellung verbunden — gesetzliche Ver­ tretung. iretung. Fälle der gesetzlichen Vertretung sind die Vertretung des Geschäftsunfähigen durch den die elterliche Gewalt aus­ übenden Elternteil, die Vertretung durch den Vormund und den Pfleger. Auch der Vorstand einer juristischen Person hat die rechtliche Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Dagegen sind Konkursverwalter, Nachlaßverwalter, Zwangsverwalter, Treu­ händer und Testamentsvollstrecker keine gesetzlichen Vertreter. Auch der zur Verwaltung des eingebrachten Gutes der Frau oder des Gesamtgutes befugte Ehemann ist nicht gesetzlicher Vertreter. Beruht die Vertretungsmacht auf einer WillensBollmacht. erklärung des Vertretenen, so spricht man von Vollmacht. Der Vertreter im Sinne des BGB ist stets nur ein Vertreter im Willen. Dies kann nur sein, wer geschäfts­ fähig ist. Bote. Von dem Vertreter zu unterscheiden ist der Bote und der sogenannte mittelbare Stellvertreter. Der Bote ist nur das Werkzeug desjenigen, der einen Willen faßt und erklärt, zur Übermittelung der Willenserklärung an einen Anderen. Der Bote ist nur Erklärungsübermittler und steht als solcher dem Briefe, der Depesche, dem Fernsprechapparate gleich. Bote kann auch ein Geschäftsunfähiger sein. Dem Boten steht kein Einfluß auf den Geschäftsinhalt zu. Der Bote kann auch als Empfangswerkzeug funktionieren. So ist z. B. der Hotelportier oder der Dienstbote, dem Jemand eine Be­ stellung für den Hotelgast oder die Dienstherrschaft aufgibt, Bote.

Zuissflgk-u^Ün^mittelbarer

Stellvertretung.

165

Der mittelbare Vertreter handelt in der Absicht, EuErer B-r. die rechtlichen Wirkungen seiner Handlung einem Anderen zu­ kommen zu lassen, jedoch im eigenen Namen. Er wird aus seinen Handlungen allein berechtigt und verpflichtete Um die Wirkung seines Rechtsgeschäftes demjenigen, dessen Interessen er wahrnimmt, zukommen zu lassen, bedarf es eines weiteren Rechtsgeschäftes zwischen ihm und dem Vertretenen. Bei mittel­ barer Vertretung handelt es sich also gar nicht um Vornahme eines Rechtsgeschäftes durch Stellvertretung. Die Rechtsver­ hältnisse des mittelbaren Vertreters zu demjenigen, in dessen Interesse er handelt, bemessen sich nach den zwischen diesen Beiden unterliegenden besonderen rechtlichen Grundlagen, z. BAuftrag, Dienstvertrag, Speditions- und Kommissionsvertrag. Der Vertreter im Sinne des BGB handelt im Namen settreter >m Willen, unmittel­ des Vertretenen. Für diese unmittelbare Stellvertretung bare Stellver­ tretung. im Willen gilt der Grundsatz, daß eine Willenserklärung, welche Jemand innerhalb der ihm zustehenden Ver­ tretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirkt. Ebenso wirkt eine Willenserklärung, welche gegen­ über dem Vertretenen abzugeben ist, dann, wenn sie gegenüber dem Vertreter innerhalb seiner Bertretungsmacht erfolgt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen (§ 164 Abs. 1 u. 3). Der Ver­ tretene wird unmittelbar berechtigt und verpflichtet. Damit diese Wirkung eintrete, ist erforderlich: 1. daß der Vertreter den Willen kundgibt int Erkennbarkeit der Vertretung. Namen des Vertretenen zu handeln. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, daß sie in dessen Namen erfolgen soll. Ist eine ausdrückliche Kund­ gabe des Willens, im fremden Namen zu handeln, nicht er­ folgt und lassen auch die Umstände nicht erkennen, daß in fremdem Namen gehandelt werden wollte, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht (§ 164 Abs. 2). Die Erklärung gilt in diesem Falle als von dem Erklärenden im eigenen Namen abgegeben und entstehen Rechte und Pflichten in der Regel nur für den Erklärenden, nicht für denjenigen, welchen er vertreten wollte. Kauft z. B. A als Vertreter des B bei einem ihm fremden Kaufmanne C eine Sache, ohne etwas davon zu sagen, daß er nicht für sich, sondern für B kaufe, so kann C sich nur an Anhalten, auch wenn ihm dieser dartut, daß er nicht für sich, sondern in Vertretung des B für diesen kaufte. Wird die gekaufte Sache bei A gepfändet, so kann B der Pfändung nicht widersprechen. Wenn jedoch auch derjenige, der die Kundgebung des Vertretungs­ willens unterläßt, regelmäßig als im eigenen Namen handelnd

166

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung.

anzusehen ist, so schließt dies doch nicht aus, daß zwischen dem­ jenigen, der nach der nicht kundgegebenen Absicht seines Ver­ treters Geschäftsherr sein sollte und der anderen Geschäftspartei unter Umständen rechtliche Beziehungen entstehen. Hält z. B. die andere Geschästspartei den Vertreter irrigerweise für den eigentlichen Geschäftsherrn selbst und ist anzunehmen, daß sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles gerade mit dem Geschäftsherrn Rechtsbeziehungen eingehen wollte und daher auch mit dem Vertreter, wenn sie dessen Vertretungsmacht und Vertretungswillen gekannt hätte, abgeschlossen hätte, so kommt das Rechtsgeschäft mit dem Ver­ tretenen zustande.*) innerhalb "er 2. daß der Vertreter innerhalbder ihmzu st ehenden ^Bertr^°"s°"^brtretungsmacht handelt. Soweit der Vertreter ohne macht handeln. Vertretungsmacht oder unter Überschreitung seiner Vertretungs­ macht handelt, wird der Vertretene weder berechtigt noch ver­ pflichtet. ^dretungsmacht^ Inwieweit der Vertreter Vertretungsmacht hat, bestimmt sich nach dem zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen obwaltenden internen Rechtsverhältnis. Dieses und die Ver­ tretungsmacht sind streng auseinanderzuhalten. Es gibt Rechts­ verhältnisse, bei welchen der Vertreter nach außen unbeschränkte Vertretungsmacht hat, nach innen aber in der Vertretung be­ schränkt ist. So erstreckt sich z. B.- die Vertretungsmacht der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft auf alle gericht­ lichen und außergerichtlichen Geschäfte und ist eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht Dritten gegenüber un­ wirksam. (§ 120 HGB.) Innerhalb seiner Vertretungsmacht nach außen ist der Vertreter auch zur Vertretung berechtigt. Dies geht soweit, daß derVertreter eine rechtsgeschäftliche Erklärung, für welche dasGesetz schriftliche Form vorschreibt, so z. B. einen Wechsel, mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnendar f.2) Demnach kann ein Vertreter eine Ur­ kunde sowohl mit seinem Namen als mit jenem des Vertretenen gültig unterzeichnen.2) (f. oben § 44.) Erforderns der 3. Der Vertreter darf nicht geschäftsunfähig ®tot,be8f®«8.'= sein. Die Geschäftsunfähigkeit schließt die Fähigkeit, gesetzlicher treters. ober bevollmächtigter Vertreter eines Anderen zu sein, aus. Dagegen wird die Wirksamkeit einer von oder gegenüber einem Vertreter abgegebenen Willenserklärung nicht dadurch beein­ trächtigt, daß der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt

*) ROLG 5 S. 49. 2) DIZ 1901 @..547; RG 50 S. 55. s) DIZ 1900 S. 338; ROLG 2 S. 389; ROLG 3 S. 350; 4 S. 209; anders ROLG 2 S. 54.

Stellvertretung.

167

ist (§ 165). Die Wirksamkeit des von einem in der Geschäfts­ fähigkeit Beschränkten für einen Anderen vertretungsweise vor­ genommenen Rechtsgeschäftes ist daher von der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters nicht abhängig. Es kann also z. B. ein Minderjähriger Vorstand einer juristischen Person sein. 4. Der Vertretene muß fähig sein, die durch das vom Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft begründeten Rechte und Pflichten zu erwerben. Das vom Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft ist unwirksam oder anfechtbar, wenn der Ver­ tretene das ihm begründete Recht nicht erwerben kann oder wenn es gegen ihn aus anderen Gründen als wegen Willens­ mängel angefochten werden kann. So ist z. B. eine von dem Schuldner innerhalb der letzten zwei Jahre vorgenommene unentgeltliche Verfügung zu Gunsten seines Ehegatten nach dem Anfechtungsgesetze auch dann anfechtbar, wenn die Verfügung durch einen Vertreter vorgenommen wurde. Soweit die rechtlichen Folgen einer Willens- 'Eenrmän^-l erk lärun g durch Willensm äng el beeinflußt werden, Person t>e» Ver­ kommt nur die Person des Vertreters, nicht die Person desVertretenen inBetracht. Ob eine Willens­ erklärung deswegen, weil dieselbe nur zum Schein abgegeben oder nicht ernstlich gemeint ist, oder weil der Erklärende sich insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen, nichtig oder wegen Irrtums des Erklärenden oder wegen arglistiger Täuschung oder Drohung anfechtbar ist, wird nur nach der Person des Vertreters beurteilt. Befand sich z. B. der Vertreter im Irrtume, der Vertretene aber nicht, so kann der Vertretene gleichwohl die vom Vertreter abgegebene Willenserklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, daß der Vertreter bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles die Erklärung nicht abgegeben haben würde (§ 166). Geht aber die arglistige Täuschung des Erklärungsempfängers von dem Vertretenen aus, so kann der Erklärungsempfänger ohne Rücksicht darauf, daß der Vertreter die Täuschung nicht kannte, das Rechtsgeschäft anfechten. Andererseits gilt die Regel, daß, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel beeinflußt werden, nur die Person des Vertreters in Betracht kommt; dies auch dann, wenn der Vertreter auf Grund einer ihm erteilten Vollmacht und nach Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt hat, und in dessen Person Willensmängel vorhanden waren. Ebenso kommt dann, wenn und soweit die recht­ lichen Folgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis oder Unkenntnis gewisser Umstände be­ einflußt werden, nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. Hat z. B. Jemand einen Anderen zum Kaufe eines Hauses bevollmächtigt

168

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung.

und unterläßt es der Bevollmächtigte, das Haus vor dem Kaufsabschlusse zu besichtigen, so haftet der Verkäufer für einen offen­ sichtlichen Mangel des Hauses nicht , es fei denn, daß er den Mangel arglistig verschwiegen oder die Abwesenheit des Fehlers zugesichert hat (§ 460). t) Weiß ferner der Vertretene, daß die Sache, welcher der Vertreter für ihn erwirbt, dem Ver­ äußerer nicht gehört, hat aber der Vertreter hiervon unver­ schuldeter Weise keine Kenntnis, so erwirbt der Vertretene gleichwohl das Eigentum an der Sache. Umgekehrt erwirbt der gutgläubige Vertretene bei Veräußerung einer Sache durch einen Nichtberechtigten an ihn kein Eigentum, wenn dem Ver­ treter bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß die Sache nicht dem Veräußerer gehört Selbstver­ ständlich schadet beim Vorhandensein mehrerer Vertreter der schlechte Glaube auch nur eines Vertreters dem Vertretenen. Von dem Grundsätze, daß das Kennen und Kennenmüssen nach der Person des Vertreters zu beurteilen ist, gibt es eine wesentliche Ausnahme. Beruht nämlich die Vertretungsmacht auf einer Bevollmächtigung und hat der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers ge­ handelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, welche er selbst kannte oder kennen mußte, nicht auf die Un­ kenntnis seines Vertreters berufen. Dem Vertretenen schadet also hier seine eigene Kenntnis und, soweit das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht, seine eigene auf Fahrlässigkeit be­ ruhende Unkenntnis, auch wenn der Vertreter keine Kenntnis hatte und seine Unkenntnis nicht verschuldete. Daß die Weisung, nach welcher der Vertreter gehandelt hat, gerade auf Vor­ nahme eines bestimmten Rechtsgeschäftes gerichtet ist, wird nicht erfordert. Hat z. B. der Vollmachtgeber den Bevoll­ mächtigten angewiesen, eine bestimmte Sache für ihn zu er­ werben, so erwirbt der Vollmachtgeber, gleichviel, ob der Bevollmächtigte durch Kauf, Tausch oder Schenkung die Sache in gutem Glauben an das Eigentum des Veräußerers erlangt hat, das Eigentum an der Sache dann nicht, wenn ihm be­ kannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, daß die Sache dem Veräußerer nicht gehört. Daß der Vollmacht­ geber von der Vornahme des Rechtsgeschäftes Kenntnis hat und sich in schlechtem Glauben befindet, genügt nicht. Der gutgläubige Bevollmächtigte erwirbt seinem Vollmachtgeber eine Sache auch dann, wenn dieser von dem Erwerbsgeschäfte und von dem mangelnden Rechte des Veräußerers Kenntnis hatte.

§ 58. Vollmacht. ®e8Timac6t®°n’’ Vollmacht ist die auf Rechtsgeschäft des Vermaä|' tretenen beruhende Vertretungsmacht. Die Er') ROLG 4 S. 32.

Vollmacht.

169

teilung der Vollmacht ist ein einseitiges empfangs­ bedürftiges Rechtsgeschäft. Dieselbe ist ein abstraktes Rechtsgeschäft, weil die Bevollmächtigung von der Wirk­ samkeit des zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevoll­ mächtigten bestehenden Rechtsverhältnisses unabhängig und der Bestand eines solchen Rechtsverhältnisses überhaupt nicht Vor­ aussetzung für die Vollmachtserteilung ist. Allerdings erfolgt die Bevollmächtigung in der Regel mit Rechtsverhältnis Rücksicht auf ein bestehendes oder erst zu begründendes Rechts- machM« und Verhältnis, z. B. einen Auftrag, einen Dienst-, Werk- oder Gesellschaftsvertrag, aber es braucht der Vollmacht kein internes Rechtsverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Be­ vollmächtigten zu Grunde zu liegen. Die Selbständigkeit der Vollmachtserteilung als Rechtsgeschäft wird be­ sonders klar, wenn das zwischen Vollmachtgeber und Bevoll­ mächtigtem bestehende interne Rechtsverhältnis ein Auftrags­ vertragsverhältnis ist. Denn auch in diesem Falle steht die Bevollmächtigung als einseitiges Rechtsgeschäft neben dem Vertrage, durch den sich der Beauftragte verpflichtet, die Ge­ schäfte des Auftraggebers zu besorgen. Die Bevollmächtigung schafft keine Ansprüche und Verpflichtungen zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten. Jedoch darf der Bevoll­ mächtigte grundsätzlich keinen Willen erklären, der dem ihm bekannten Willen des Vollmachtgebers widerspricht. Aus Er­ klärungen, welche der Bevollmächtigte unter Mißbrauch seiner Vollmacht abgegeben hat, kann der Dritte, wenn er den Miß­ brauch der Vollmacht oder den abweichenden Willen des Machtgebers kennt oder erkennen muß, keine Rechte ableiten. *) Annahme der Vollmacht oder Zustimmung des Bevoll­ mächtigten zur Vollmachtserteilung ist in keinem Falle erforder­ lich. Die Erteilung der Vollmacht braucht nicht einmal dem Bevollmächtigten gegenüber zu erfolgen. Die Erteilung der Vollmacht erfolgt entweder durch Erteilung der Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder gegen­ über dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, oder endlich durch eine an eine unbestimmte Personen­ mehrheit gerichtete öffentliche Bekanntmachung. Dem zu Be­ vollmächtigenden kann die Vollmacht auch dann wirksam e.rteilt werden, wenn derselbe in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist dabei nicht er­ forderlich. Die Bevollmächtigung des in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten wird also wirksam, wenn sie ihm zugeht (§ 167 Abs. 1), Soweit nicht, wie z. B. für den Fall der Ausschlagung einer Erbschaft durch einen Bevollmächtigten (§ 1945) eine *) RG 52 S. 99; ROLG. 6 S. 37; BlsRA 68 S. 501.

170

Umfang der Vollmacht.

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung.

besondere Form für die Bevollmächtigung vorgeschrieben ist, bedarf die Erteilung der Vollmacht keiner Form. Insbesondere bedarf die die Erteilung der Vollmacht enthaltende Erklärung nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft vor­ geschrieben ist, auf das sich die Vollmacht bezieht (§ 167 Abs. 2). Die Bevollmächtigung kann auch stillschweigend durch Hand­ lungen erfolgen, welche den Willen, zu bevollmächtigen, erkennen lassen. So ist z. B. dann, wenn ein Prinzipal es zuläßt, daß ein Anderer sich als Handlungsbevollmächtigter geberdet, eine Handlungsvollmacht und damit auch die Er­ mächtigung, Rechtsgeschäfte einzugehen, als erteilt anzusehen. Demgemäß kommt z. B. ein Versicherungsvertrag im Zweifel dann zustande, wenn die Unterzeichnung der Police und die Aushändigung derselben an den Antragsteller durch einen Agenten geschieht, der befugt ist, die Police allein zu unter­ schreiben und dieselbe dem Versicherungsnehmer auszuhändigen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Agent mit diesem Vertragsschlusse beauftragt war oder nicht?) Der Umfang der Vollmacht wird durch den kund­ gegebenen Willen des Vollmachtgebers bestimmt. Regel­ mäßig wird anzunehmen sein, daß die Vollmacht sich auf alle Rechtshandlungen erstreckt, welchezur Erreichung des Zweckes, zu dem die Vollmacht er­ teilt wurde, erforderlich sind. Jedoch darf die Voll­ macht nie weiter ausgedehnt werden, als der kundgegebene Wille des Vollmachtgebers erkennen läßt. So ist z. B. der­ jenige, der zur Annahme einer Zahlung bevollmächtigt ist, nicht auch zu einer Annahme an Zahlungsstatt bevollmächtigt. So ist ferner der Bureauvorsteher einer Notariats- oder Rechts­ anwaltskanzlei zwar zur Entgegennahme und Übermittelung von Aufträgen, nicht aber zum Abschluß eines Dienstvertrags oder Auftrags auf Übernahme eines Prozesses oder Regelung einer sonstigen Rechtsangelegenheit bevollmächtigt?) Für dieselbe Angelegenheit können mehrere Bevoll­ mächtigte bestellt sein und zwar in der Weise, daß nur alle zusammen und keiner für sich allein vertretungsberechtigt ist oder in der Weise, daß Jeder für sich allein die Befugnis zu vertreten hat. Sind die mehreren Bevollmächtigten nur ge­ meinschaftlich zur Vertretung des Vollmachtgebers befugt, so schadet der Willensmangel auch nur eines Bevollmächtigten dem Vertretenen. Die Bevollmächtigung ist wie jede Willenserklärung an­ fechtbar. Ist die Bevollmächtigung wegen arglistiger Täuschung anfechtbar und hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist

*) RG 50 S. 75. 2) IW 1901 S. 549.

Vollmacht.

171

die Bevollmächtigung nach allgemeiner Regel nur dann anfecht­ bar, wenn der Bevollmächtigte die Täuschung kannte oder kennen mußte. Dies gilt selbst dann, wenn derjenige, der durch den Bevollmächtigten mit dem Vollmachtgeber in Rechts­ beziehungen tritt, den Vollmachtgeber durch arglistige Täuschung zur Erteilung der Vollmacht bestimmt hat. Ist die Bevollmächtigung von Anfang an nichtig oder wird sie infolge durchgeführter Anfechtung unwirksam, so ist das auf ihrer Grundlage vertretungsweise vorgenommene Rechtsgeschäft so anzusehen, als wenn es ohne Vertretungs­ macht vorgenommen wäre. Die Vollmacht erlischt mit der Erledigung des Rechtsgeschäftes, für dessen Vornahme sie erteilt worden ist. Wird die Ausführung dieses Rechtsgeschäftes unmöglich, so erlischt die Vollmacht ebenfalls. Liegt der Vollmacht ein bestimmtes Rechts­ verhältnis zu Grunde, so bestimmt sich das Er­ löschen derVollmacht nach dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisse. Hier endigt die Vollmacht regelmäßig mit dem Tode des Bevollmächtigten, nicht dagegen mit dem Tode oder der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers. Beruht die Vollmacht auf einem Gesell­ schaftsverhältnis, so endet dieselbe mit dem Tode eines der Gesellschafter, wenn die Gesellschaft durch den Tod eines der Gesellschafter aufgelöst wird. Der Eintritt der Geschäftsun­ fähigkeit des Bevollmächtigten beendet die Vollmacht nicht, wenn auch der Bevollmächtigte keine wirksamen Vertretungs­ handlungen mehr vornehmen kann. Gerät der Bevollmächtigte in Konkurs, so erlischt die Vollmacht, welche auf einem Gesell­ schaftsverhältnis beruht, nicht aber die Vollmacht, welche auf einem Auftrag, Dienst- oder Werkvertrag beruht. Ist das unterliegende Rechtsverhältnis ein einseitig kündbares, so kann auch die Vollmacht durch einseitige Kündigung des Bevoll­ mächtigten zum Erlöschen gebracht werden. Trifft, wie z. B. beim Werkverträge diese Voraussetzung nicht zu, so ist auch die einseitige Kündigung des Bevollmächtigten ausgeschlossen. Wird das unterliegende Rechtsverhältnis durch Ausübung des vertragsmäßigen oder gesetzlichen Rücktrittsrechtes beendet, so erlischt auch die auf dem Rechtsverhältnis beruhende Vollmacht. Endlich erlischt die Vollmacht durch Widerruf. Die Voll­ macht ist beim Fortbestehen des ihr zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses nur widerruflich, wenn sich nicht aus diesem Rechtsverhältnis ein Anderes ergibt (§ 168). So kann z. B. die dem Dienstverpflichteten auf Grund des Dienstverhältnisses erteilte Vollmacht jederzeit widerrufen werden, während die auf einem Gesellschaftsverhältnisse beruhende Vollmacht nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen werden

172

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung.

kann. Der Widerruf ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Derselbe kann sowohl dem Bevollmächtigten als dem Dritten erklärt werden, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, ohne daß es einen Unterschied macht, ob die Erteilung der Vollmacht dem einen oder dem anderen gegen­ über erfolgt ist. Der Widerruf kann auch stillschweigend' durch Handlungen erfolgen, welche den Willen, zu widerrufen, erkennen lassen. Liegt der Vollmacht kein bestimmtes Rechtsverhältnis zu Grunde, so erlischt die Vollmacht durch den Tod des Bevoll­ mächtigten und des Vollmachtgebers, nicht aber durch den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers oder des Bevollmächtigten. Auch der Umstand, daß Vollmachtgeber oder Bevollmächtigter in Konkurs geraten, ist kein Grund zum Erlöschen der Vollmacht. Einseitige Kündigung durch den Be­ vollmächtigten ist ausgeschlossen. Dagegen ist die Vollmacht jederzeit und unbeschränkt widerruflich. Beruht die Vollmacht auf einem Auftrage oder einem Gesellschaftsverhältnisse, so gilt dann, wenn der Auftrag auf andere Weise als durch Widerruf erloschen ist und die Gesell­ schaft auf andere Weise als durch Kündigung aufgelöst ist, die erloschene Vollmacht des Beauftragten, beziehungsweise des Gesellschafters bis zu deren Kenntnis von der die Vollmacht aufhebenden Tatsache als fortbestehend. Auf diesen Fortbestand der Vollmacht kann sich jedoch ein Dritter, der mit dem Be­ vollmächtigten in rechtsgeschäftliche Beziehungen trat, nicht be­ rufen, wenn er bei der Vornahme des Rechtsgeschäftes wußte oder doch wissen mußte, daß die Vollmacht erloschen war (§ 169.) Abgesehen von diesem Falle bleibt die Vollmacht, wenn dieselbe durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt ist, diesem Dritten gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird. Diese Norm findet nur dann keine Anwendung, wenn der Dritte bei der Vor­ nahme des Rechtsgeschäftes das Erlöschen der Vertretungsmacht kennt oder kennen muß. Ist letzteres nicht der Fall, so kommt es auf den Grund des Erlöschens der Vollmacht nicht an und bleibt es für den Dritten gleichgültig, ob das Vollmachtsver­ hältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmäch­ tigten bereits beendet ist oder nicht. Auch aus dem von dem Bevollmächtigten nach Erlöschen seiner Vollmacht mit einem Dritten namens des Vollmachtgebers abgeschlossenen Vertrage kann demnach der Dritte gegen den Vollmachtgeber Rechte ab­ leiten, wenn die Erteilung der Vollmacht seinerzeit durch Er­ klärung gegenüber dem Dritten erfolgte und diesem das Er­ löschen der Vollmacht von dem Vollmachtgeber nicht angezeigt wurde (§ 170). Jedoch sind die vom Bevollmächtigten, nach der Konkurseröffnung im Namen des Vollmachtgebers vorge-

Vollmacht.

173

nommenen Rechtshandlungen den Konkursgläubigern gegen­ über stets unwirksam. Eine Verpflichtung des Vollmachtgebers, die Erlöschung anzuzeigen, besteht nicht. Hat Jemand durch besondere Mitteilung an einen Dritten erklärt, daß er einen Anderen bevollmächtigt habe, oder hat der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsur­ kunde im Originale ausgehändigt und der Vertreter diese dem Dritten vorgelegt oder hat der Vollmachtgeber durch öffent­ liche Bekanntmachung kundgegeben, daß er einen Anderen be­ vollmächtigt habe, so ist der Vertreter in letzteren Falle jedem Dritten gegenüber, sonst nur dem Dritten gegenüber befugt, den Vollmachtgeber in dem aus der Kundgebung, Mitteilung oder Vollmachtsurkunde ersichtlichen Umfange zu vertreten, auch wenn die Vollmacht nicht oder nicht in diesem Umfange zu Recht besteht. Die so kundgegebene Vertretungsmacht bleibt trotz Erlöschens oder Einschränkung der Vollmacht bestehen, bis die Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen oder die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird. Ist die Voll­ machtsurkunde dem Dritten einmal vorgelegt worden, so ist es nicht mehr erforderlich, daß sie von dem Vertreter bei je­ dem ferneren Rechtsgeschäfte, welches dieser mit dem Dritten vornimmt, neuerdings vorgelegt werde. Der Widerruf der Vollmacht kann aber im Falle der Kundgebung der Vollmachts­ erklärung durch öffentliche Bekanntmachung und Vorlage der Vollmachtsurkunde an den Dritten auch dadurch betätigt werden, daß dem Dritten eine an ihn gerichtete Widerrufserklärung des Vollmachtgebers zugeht. Kennt der Dritte das Erlöschen oder die Beschränkung der Vertretungsmacht oder mußte er dies kennen, so kann er sich auf den Fortbestand der Ver­ tretungsmacht in ihrem ursprünglichen Umfange nicht berufen. (88 172, 173.) Besonderen Schutz bedarf derjenige, dem gegenüber ein Bevollmächtigter ein einseitiges empfangsbedürfti­ ges Rechtsgeschäft, z. B. eine Kündigung oder Mahnung, vornimmt. Ein solches von dem Vertreter vorge­ nommenes Rechtsgeschäft ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der Andere, dem gegenüber das Rechts­ geschäft vorgenommen wird, das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde sohin wegen mangelndenNachweises der Vollmacht unverzüglich zurückweist. Die zurückweisende Erklärung muß also erkennen lassen, daß die Zurückweisung wegen Nichtvorlegung der Urkunde erfolgt. Dies gilt auch, wenn der Bevollmächtigte ein Rechtsanwalt ist, nicht aber, wenn die einseitige empfangsbedürftige Willens­ erklärung durch Vermittelung eines Gerichtsvollziehers nach

174

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung.

den Vorschriften der CPO erfolgt. Erfolgt die Zurückweisung nicht ohne schuldhaftes Zögern, so ist sie ausgeschlossen. Die Zurückweisung ist auch ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den Anderen, dem gegenüber das einseitige Rechtsgeschäft vor^ zunehmen war, von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte (§ 174). Nach dem Erlöschen der Vollmacht hat der Bevollmäch­ tigte die Vollmachtsurkunde zurückzugeben. Dies gilt auch dann, wenn die Bevollmächtigung sich als unwirksam heraus­ stellt. Ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Bevollmächtigten an der Urkunde unter keinen Umständen zu. Auch die öffent­ liche Hinterlegung der Urkunde ist dem Bevollmächtigten nicht gestattet. Gegen einen dritten Besitzer der Vollmachts­ urkunde hat der Vollmachtgeber nur auf Grund seines Eigen­ tumsrechtes Anspruch auf Herausgabe der Urkunde (§ 175.) uns^nersotb Der Vollmachtgeber kann die Vollmachtsurkunde durch machtsurkunde. eine öffentliche Bekanntmachung für kraftlos erklären. Der Vollmachtgeber hat zu diesem Zwecke den Antrag an das Ge­ richt zu stellen, die Veröffentlichung zu bewilligen. Der An­ trag bedarf keiner Begründung und insbesondere keiner Glaub­ haftmachung für das Erlöschen der Vollmacht. Zuständig für die Bewilligung der Veröffentlichung ist sowohl das Amtsge­ richt, in dessen Bezirk der Vollmachtgeber seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, als auch das Amtsgericht, welches für die Klage auf Rückgabe der Urkunde, abgesehen von, dem Werte des Streitgegenstandes, zuständig sein würde. Über den Antrag auf Bewilligung der Veröffentlichung hat das Amtsgericht zu entscheiden, ohne auf eine Würdigung des Grundes für die Kraftloserklärung einzugehen. Die bewilligte Kraftloserklärung muß nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung gel­ tenden Vorschriften der CPO (§§ 204, 205 CPO) veröffent­ licht werden. Mit Ablauf eines Monats nach der letzten Ein­ rückung in die öffentlichen Blätter wird die Kraftloserklärung wirksam. Die Kosten dieses ganzen Verfahrens treffen den Antragsteller. Die Wirkung der Kraftloserklärung besteht darin, daß die Vollmacht als widerrufen anzusehen und die Voll­ machtsurkunde rechtlich bedeutungslos ist. Diese Wirkung hat die Kraftloserklärung nur dann nicht, wenn die Vollmacht nicht widerruflich ist (§ 176).

§ 59. Handlungen für einen Anderen ohne Bertretungsmacht. Ein Handeln ohne Vertretungsmacht liegt nicht nur vor, wenn Jemand im Namen eines Anderen ohne gesetzliche oder $ema6t".8ä= erteilte Vertretungsmacht handelt, sondern auch dann, wenn die vorhanden gewesene Vertretungsmacht erloschen ist oder wenn und insoweit die bestehende Vertretungsmacht überschritten

Abgrenzung des „Handeln ohne

Handlungen für einen Anderen ohne Bertretungsmacht.

175

wird. Ebenso ist dann, wenn die Bevollmächtigung von An­ fang an oder infolge erfolgreich durchgeführter Anfechtung nichtig ist, das auf ihrer Grundlage in Vertretung vorge­ nommene Rechtsgeschäft als ohne Vertretungsmacht vorge­ nommen anzusehen. Soweit Vertretung im Willen zulässig ist, kann auch ein Handeln ohne Vertretungsmacht nicht bean­ standet werden. So ist es z. B- nicht unstatthaft, daß bei Auflassung eines Grundstücks ein Vertreter ohne Vertretungs­ macht mitwirkt, nur hängt die Wirksamkeit der Auflassung nach den nachfolgend ausgeführten Regeln für Verträge von der Genehmigung des Vertretenen ab.*) Handelt Jemand im Namen eines Anderen ohne Ver­ tretungsmacht, so sind die hiermit verbundenen rechtlichen Fol­ gen verschieden, je nachdem der Handelnde einen Vertrag eingeht oder ein einseitiges Rechtsgeschäft vornimmt. 1. Schließt Jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines Anderen einen Vertrag, so hängt """UzA«erdie Wirksamkeit des Vertrages für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab. Der Vertragsgegner kann den Vertretenen auffordern, sich zu erklären, ob er den Vertrag genehmige oder nicht. Fordert der andere Teil den Vertre­ tenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen und wird eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung unwirksam. Die Ge­ nehmigung kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. (§ 177.) Diese Rechtssätze gelten ohne Rücksicht darauf, ob der andere Teil das Fehlen der Vertretungsmacht kannte ober kennen mußte. Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Wider­ rufe berechtigt. Dieses Widerrufsrecht besteht aber nicht, wenn der andere Vertragsteil den Mangel der Vertretungsmacht bei dem Abschlüsse des Vertrags gekannt hat. Das Kennen­ müssen ist dem Kennen nicht gleichgestellt. Ist der Widerruf zulässig, so kann er auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden. Der Widerruf ist formlos (§ 178). Wer als Vertretereinen Vertrag geschlossen hat und dem and er en Vertragsteile seine Ver-Eingehung von tretungsmacht nicht nachzuweisen vermag, ist Vt??tungs-"° dem anderen V er trag s tei le nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersätze verpflichtet, wenn er selbst geschäftsfähig ist oder im Falle be­ stehender Beschränkung seiner Geschäftsfähigkeit mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters ge*) ROLG 2 S. 321; 6 S. 17.

176

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung.

handelt hat und der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert. Da der andere Vertragsteil nach seiner Wahl Erfüllung oder Schadensersatz verlangen kann, so liegt ein wahlweises Schuldverhältnis (s. unten § 78) vor. Wählt der andere Vertragsteil den Anspruch auf Erfüllung, so kann er natürlich nicht verlangen, daß die Wirkung des Vertragsschlusses in der Person des Vertretenen eintrete, son­ dern nur verlangen, daß der Vertreter ihm alles dasjenige gewähre, was er erhalten haben würde, wenn der Vertrag zwischen ihm und dem Vertretenen zustande gekommen wäre. Wählt der andere Vertragsteil den Anspruch auf Schadens­ ersatz, so ist von dem Vertreter derjenige Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn er mit Vertretungsmacht gehandelt hätte. Der Anspruch geht also auch in diesem Falle auf Gewährung alles dessen, was der andere Vertragsteil haben würde, wenn der Vertrag zwischen ihm und dem Vertretenen zustande ge­ kommen sein würde. Der Anspruch auf Schadensersatz unter­ scheidet sich demnach von dem Anspruch auf Erfüllung nur dadurch, daß der andere Vertragsteil dem Vertreter eine Frist zur Herstellung des Zustandes, der im Falle Handelns mit Vertretungsmacht bestehen würde, bestimmen und nach fruchtlosem Ablauf derselben Entschädigung in Geld verlangen kann, sowie daß der Vertreter sofort die Entschädigung in Geld zu leisten berechtigt ist, wenn die Herstellung des Zustandes, der bei Handeln mit Vertretungsmacht vorhanden wäre, nur mitunverhältnismäßigenKosten möglich ist. AufNachweisung seiner Vertretungsmacht kann der Vertreter nicht verklagt werben.1) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er dem anderen Teile nur zum Ersätze desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, daß er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat. Ein Erfüllungsanspruch steht dem anderen Vertragsteil nicht zu. Ob der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht hätte kennen müssen, ist gleichgültig. Der Anspruch des anderen Vertragsteils auf Erfüllung und Schadensersatz und die Haftung des Vertreters entfallen, wenn der andere Vertragsteil den Mangel der Vertretungs­ macht kannte oder kennen mußte oder wenn der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war und ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat (§ 179). Handeln ohne 2. Bei einem einseitigen Rechtsgeschäfte ist machtb??n°n- Vertretung ohne Bertretungsmacht unzulässig. geschäften"° Das von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht oder gegen* *) ROLG. 5 S. 52.

Handlungen für einen Anderen ohne Bertretungsmacht.

177

über einem Vertreter ohne Vertretungsmacht vorgenommene Rechtsgeschäft ist nichtig. So hat z. B. die durch einen Ver­ treter ohne Vertretungsmacht betätigte Mängelanzeige keine rechtliche Bedeutung.*) Der Vertreter haftet jedoch nicht, es müßte denn aus anderen Gründen, z. B. aus. dem Gesichts­ punkte der unerlaubten Handlung, eine Haftung sich ableiten lassen. Von der Regel, daß die Vornahme eines einseitigen Rechts­ geschäfts durch einen oder gegenüber einem Vertreter ohne Ver­ tretungsmacht unzulässig und ohne Rechtswirkung ist, bestehen Ausnahmen, a) wenn derjenige, dem gegenüber das einseitige Rechts­ geschäft vorzunehmen war, bei Vornahme des Rechtsgeschäfts damit ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden gewesen ist, daß der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, b) wenn der Vertreter ohne Vertretungsmacht behauptet, er habe Vertretungsmacht und der andere Teil, dem gegenüber das einseitige Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäftes nicht beanstandet, c) wenn der Vertreter ohne Vertretungsmacht ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden gewesen ist, daß ihm gegenüber das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen wird. In diesen Ausnahmefällen hängt die Wirksamkeit des Ge- Genehmigung schäftes für und gegen den Vertretenen von dessen Genehm i 5 und gegenüber gung ab. Fordert der andere Teil den Vertretenen zur °'"ohne«ä?" Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung tretungsmo^t nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem IWtsgeschSft" Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. Bis zur Genehmigung kann der andere Teil das Geschäft zurückweisen, wenn er den Mangel der Ver­ tretungsmacht nicht gekannt hat. Verweigert der Vertretene die Genehmigung, so haftet der Vertreter ohne Vertretungs­ macht dem anderen Teile. Der andere Teil kann Schadens­ ersatz oder Erfüllung nach seiner Wahl fordern. Hat der Ver­ treter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersätze desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, daß er auf die Vertretungs­ macht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Ge­ schäftes hat. Kannte der andere Teil den Mangel der Ver­ tretungsmacht oder mußte er denselben kennen, so haftet der Vertreter überhaupt nicht. Das Gleiche gilt, wenn der Ver*) ROLG 6 S. 224. Müller-Meikel, Bürgers. Recht.

2. Aufl.

93b. I.

12

tretet in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war und ohne Zu­ stimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat (§ 180). 3. Hat ein Vertreter ohne Vertretungsmacht Rechtsge­ schäfte vorgenommen und nimmt er weitere Rechtsgeschäfte vor, die sich inhaltlich auf erstere beziehen, so sind sie trotz des be­ stehenden Zusammenhanges selbständig zu beurteilen. Hat der Vertreter ^hne Vertretungsmacht einen Vertrag geschlossen, so umfaßt die Genehmigung dieses Vertrages nicht ohne weiteres auch die Genehmigung der vor und nach dem Vertragsschlusse vorgenommenen, auf den Vertrag bezüglichen Rechtsgeschäfte, sondern nur dann, wenn der Genehmigende dies irgendwie zum Ausdruck bringt. Hat z. B der Vertreter ohne Ver­ tretungsmacht einen Mietvertrag für einen Anderen geschlossen und den Vertrag dann gekündigt, so erstreckt sich die nachher erst erfolgende Genehmigung des Vertrags durch den Ver­ tretenen nur dann auch auf das einseitige Rechtsgeschäft der Kündigung, wenn dies ersichtlich gewollt ist, so daß der andere Teil die Kündigung zurückweisen und der Vertretene den Miet­ vertrag genehmigen, die Genehmigung der Kündigung aber verweigern kann.

§ 60. Vornahme von Rechtsgeschäften des Vertreters mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten. @in Vertreter kann im Ramendes Vertretenen Vertretet mit init sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines fo* sekret«1 Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen (§ 181). eines Dritten. Rechtsgeschäfte, welche ein Vertreter entgegen dieser Vorschrift mit sich selbst im eigenen Namen oder in Vertretung eines Anderen vornimmt, sind nichtig Dies gilt auch für den Fall, daß der Vertreter einem Anderen Substitutionsvollmacht er­ teilt und dann mit diesem im eigenen Namen ein Geschäft vornimmt; *) ebenso für den Fall, daß der Vertreter einen Anderen sich zum Vertreter bestellt und dann mit diesem ein Rechtsgeschäft eingeht, und endlich für den Fall, daß der Ver­ treter, welcher zur Ernennung eines selbständigen Bevoll­ mächtigten, — dessen Vollmacht zwar nicht wie bei der Sub­ stitutionsvollmacht mit der Vollmacht des Vertreters erlischt, aber immerhin von dem Willen des Vertreters abhängt — für den Vertretenen befugt ist, einen solchen Bevollmächtigten ernennt und dann mit diesem abschließt?) Die Nichtigkeit wirkt gegen Jedermann und gegen jeden Beteiligten, auch wenn er im guten Glauben war. Demnach kann z. B. der Vormund aus dem Vermögen seines Mündels sich keine Dar-

Bomahme von

*) DIZ 1903 S. 204. ') Anders ROLG 6 S. 6, 7.

Rechtsgeschäfte des Vertreters mit sich usw-

179

tehen gewähren und der Vertreter zweier Jmmobiliengesellschaften kann den Tausch von Grundstücken dieser Gesellschaften nicht zustande bringen. Ebenso kann der Vater nicht im Namen des einen, in seiner elterlichen Gewalt stehenden Kindes mit sich als Vertreter eines anderen ebenfalls seiner elterlichen Gewalt unterworfenen Kindes ein Rechtsgeschäft vornehmen.**) Ferner kann der Vater seine mehreren Kinder bei der Ver­ teilung eines auf diese gemeinsam entfallenen Erbteils unter sie selbst nicht vertreten, wohl aber, wenn es sich nur um die Vertretung der Kinder gegenüber den übrigen Miterben handelt.8) Endlich folgt aus dem erörterten Rechtssatze die Unzulässigkeit der Vornahme eines Rechtsgeschäftes zwischen zwei Minderjährigen wenn diese hiebei durch einen und den­ selben Vormund vertreten werben.8) Für Testamentsvollstrecker und Konkursverwalter gilt die erörterte Regel nicht, da diese Niemandens Vertreter sind. Der Testamentsvollstrecker kann also für sich aus dem Nachlasse Nachlaßgegenstände erwerben*) und z. B- sich selbst Nachlaßgrundstücke bei deren Versteigerung zuschlagen lassen. Von der erörterten Regel bestehen Ausnahmen. DerHNWSVertreter kann mit sich im eigenen Namen oder von Geschäften als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft mitW^Abs" dann vornehmen, ober ®rittc1. wenn ihm dies besonders gestattet ist. Die Gestattung kann auch stillschweigend durch schlüssige Handlungen erfolgen oder aus den Umständen, insbesondere aus .der Berkehrsübung sich ergeben. So ist es z. B. dem Kassier eines geselligen Vereins gestattet, Bargeld der Vereinskassa gegen ihm gehörige Reichskassenscheine umzuwechseln. Ebenso kann z. B. bei Grundstücksveräußerungen eine und dieselbe Person vom Veräußerer zur Erteilung und vom Erwerber zur Entgegennahme der Auflassungserklärung ermächtigt werden;8) 2. wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Ob es sich hierbei um die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Ver­ tretenen gegenüber dem Vertreter oder um die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Vertreters gegenüber dem Vertretenen oder um die Erfüllung von Verbindlichkeiten mehrerer durch denselben Vertreter vertretener Personen handelt, ist gleich­ gültig. Da. das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Er­ füllung einer Verbindlichkeit bestehen muß, so ist zwar Auf­ rechnung, nicht aber Hingabe an Zahlungsstatt zulässig. *) *) •) ') °)

ROLG 4 S. 452. Sammt n. F. 3 S. 311. EFG 2 S. 110. ROLG 4 S. 437. ROLG 2 S. 493.

180

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung.

Die Tatsache, daß der Vertreter mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft vornimmt, muß, soweit dies zulässig ist, irgendwie in die äußere Er­ scheinung getreten sein. Wie dies geschieht, ist gleichgültig. So kann z. B- eine mündliche Erklärung vor unbeteiligten Zeugen, ein Eintrag in die Geschäftsbücher, eine briefliche Mitteilung an den Vertretenen, ein Nehmen des Geldes aus einer Kasse und ein Legen des Geldes in eine andere Kasse genügen, um den Willen des Vertreters, das Rechts­ geschäft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten vorzunehmen, äußerlich wahrnehmbar zu machen. Rein interne Akte, so z. B. das Getrenntlegen von Geldern oder eigene Notizen des Vertreters genügen nicht. Daß der Vertreter im Namen des Vertretenen mit diesem kein Rechtsgeschäft vornehmen kann, ist selbstverständlich.

§ 61. Zustimmung, Einwilligung und Genehmigung.

Einwilligung und Genehmigung.

In vielen Fällen hängt die Wirksamkeit eines Vertrages oder eines einseitigen Rechtsgeschäftes von der Zustimmung eines Dritten ab. Die Zustimmung kann dem Rechtsgeschäfte vorhergehen oder nachfolgen. Die dem Rechtsgeschäfte vorausgehende Zustimmung wird Einwilligung, die dem Rechtsgeschäfte nachfolgende Zustimmung Genehmigung genannt. Vollmacht und Zustimmung unterscheiden sich dadurch, daß die V o l l m a ch t die von Jemandem erteilte Macht, in dessen Namen Rechtshandlungen vorzu­ nehmen, Zustimmung dagegen das Einverständnis damit bedeutet, daß ein Anderer im eigenen Namen durch Rechts­ handlungen über das Recht des Zirstimmenden verfüge oder verfügt gat.1) Hängt die Wirksamkeit eines Vertrags oder eines einseitigenRechtsgeschäftes, das einem And er en gegen­ über vorzunehmen ist, von der Zustimmung eines Dritten ab, so kann die Erteilung wie die Verweigerung der Zu­ stimmung sowohl dem einen als dem anderen Teile gegenüber erklärt werden. Erteilung und Verweigerung der Zustimmung können ausdrücklich oder stillschweigend durch schlüssige Hand­ lungen erfolgen. Ob die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung dem einen oder dem anderen Teile gegenüber erfolgt, ist regelmäßig gleichgültig. Doch gibt es Ausnahmen. So kann z. B. dann, wenn ein Minderjähriger ohne die er­ forderliche Genehmigung seines gesetzlichen Vertreters einen Vertrag schließt und der andere Vertragsteil den gesetzlichen Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung aufforbert. ') RG 53 S 275.

Einwilligung und Genehmigung.

181

diese nur dem anderen Vertragsteile, nicht auch dem Minder­ jährigen gegenüber erfolgen. Die Zustimmung ist grundsätzlich an keine Form gebunden. Dieselbe bedarf insbesondere nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. Schließt z. B. Jemand im Namen eines Anderen für diesen einen Bürgschaftsvertrag ab, so kann der Andere seine Genehmigung formlos erteilen, trotzdem zum Ab­ schluß des Bürgschaftsvertrags schriftliche Form der Bürgschafts­ erklärung erforderlich ist (§ 182 Abs. 2). Indessen bestehen auch hiervon Ausnahmen, z. B. § 1516 Äbs. 2, 1517, 1730, 1748. Die Zustimmung (Einwilligung oder Genehmigung) kann auch stillschweigend erfolgen. Wird z. B. eine Hypothek, bei welcher die Erteilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist, in der erforderlichen Form von dem eingetragenen Gläubiger einem Anderen zum freien Eigentum abgetreten und ihre Umschreibung im Grundbuch auf den neuen Gläubiger bewilligt, so ist, wenn nicht etwas Anderes erhellt oder nachgewiesen wird, in diesen Erklärungen auch die Einwilligung zu Verfügungen des neuen Gläubigers enthalten, die dieser vor der Umschreibung der Hypothek vornimmt.*) Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit von der Zustimmung eines Dritten abhängt, mit Einwilligung eines Dritten vorgenommen, so ist das Rechtsgeschäft unwirk­ sam, wenn die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vor­ gelegt und das Rechtsgeschäft von demjenigen, dem gegenüber es vorzunehmen ist, aus diesem Grunde unverzüglich zurück­ gewiesen wird, es sei denn, daß der Dritte den Anderen von seiner Einwilligung schon vorher in Kenntnis gesetzt hatte. (§ 182 Abs. 3.) Die Zustimmung unterliegt als Willenserklärung den allgemeinen Grundsätzen über Anfechtbarkeit und Nichtigkeit der Willenserklärungen. Der Zustimmende kann also seine Zustimmung, wenn er zu derselben durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, anfechten. Anfechtungsgegner ist derjenige, dem gegenüber die Zustimmung erteilt worden ist. Geht die Täuschung von einem Dritten aus und konnte die Zustimmung dem einen oder dem anderen Teile gegenüber erklärt werden und wurde sie demjenigen gegenüber erklärt, der die Täuschung nicht kannte, so kann die. Zustimmung gegenüber dem anderen Teile, der die Täuschung kannte oder kennen mußte, nicht an­ gefochten werden. Die vorherige Zustimmung, d. h. die Einwilli- Widerrufd°r gung ist für den Dritten solange widerruflich, als das Rechts- mhn ,gung’ geschäft noch nicht vorgenommen ist. Der Widerruf der Ein­ willigung kann sowohl dem einen als dem anderen Teile gegen» *) RG 54 S. 369.

182

Stellvertretung, Vollmacht, Einwilligung und Genehmigung.

über erklärt werden (§ 183). Er bedarf der Annahme nicht, ist aber ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. Wird die Einwilligung gegenüber dem Dritten erklärt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Einwilligenden angezeigt wird, es sei denn, daß der Dritte das Erlöschen der Einwilligung bei der Vornahme des Rechts­ geschäftes kannte oder kennen mußte. Hat der Einwilligende durch besondere Mitteilung an den Dritten oder durch öffent­ liche Bekanntmachung seine Einwilligung kundgegeben, so bleibt letztere solange bestehen, bis die Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird, auch hier aber mit der Maßgabe, daß dieser Rechtssatz keine Anwendung findet, wenn der Dritte das Erlöschen der Einwilligung kannte oder kennen mußte. Eine einmal erfolgte Verweigerung der Einwilligung hindert nicht, die Einwilligung vor der Vornahme des Rechts­ geschäftes gleichwohl noch zu erteilen. Außer dem Widerruf bestehen keine Erlöschungsgründe für die einmal erteilte Ein­ willigung. Doch kann dann, wenn die Einwilligung des recht­ lichen Grundes entbehrt, ein Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung begründet werden. Eine Ausnahme von dem Grundsätze der freien Widerruflichkeit tritt ein, wenn sich aus dem der Einwilligung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis ein Ausschluß des Widerrufs ergibt, so z. B-, wenn der Ein­ willigende versprochen hat, seine Einwilligung unwiderruflich zu erteilen oder wenn der Einwilligende verpflichtet war, seine Einwilligung zu erteilen. In einer Reihe von Fällen ist die erteilte Einwilligung kraft Gesetzes unwiderruflich, so z. B. die Einwilligung des Grundstückseigentümers zur Änderung des Ranges von Hypotheken, Grund- und Rentenschulden. ®, C eine solche von 12000 Jb bestellt. Zahlt A 6000 Jb, so kann er von B und C je 2000 Jb ersetzt verlangen und geht die Hypothek auf dem Grundstücke des B ganz auf ihn über. Von der Hypothek auf dem Grundstücke des C geht ebenfalls der Teilbetrag von 2000 Jb auf ihn über, während diese Hypothek bis zu dem Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

19

290

Subjekte der Schuldverhältnisse.

Betrage von 6000 dem D verbleibt und für den Rest zu 4000 Jt> der Eigentümer C die Hypothek erwirbt. Der dem Gläubiger D verbleibende Teil der Hypothek geht dem auf den zahlenden Gesamtschuldner A übergehenden Teil der Hypothek vor; im Falle einer Zwangsvollstreckung für die restigcn 6000 Jfc kann D aus den Grundstücken des C und B im Vorrang vor diesen Befriedigung suchen, da ihm gegenüber die Forderung, soweit A diese getilgt hat, als erloschen gilt (§ 426 Abs. 2). gläubig”1' II Mehrere können eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt sein, daß Jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist — Gesamtgläubiger. Diese Art der Berechtigung erfordert regelmäßig eine Vereinbarung der Vertragsschließenden. Das BGB kennt nur in dem einzigen Falle, wenn der Erblasser Mehrere mit einem Vermächtnis in der Weise bedacht hat, daß der Beschwerte oder ein Dritter den Vermächtnisnehmer bestimmen soll, der Beschwerte oder der Dritte aber die Be­ stimmung nicht treffen können, eine Berechtigung der mehreren Bedachten als Gesamtgläubiger kraft Gesetzes (§ 2151 Abs. 3). $er@efamt=ber Besteht eine derartige Berechtigung Mehrerer auf eine gläubige^zum und dieselbe Leistung in der Art, daß Jeder die ganze Leistung *u net' zu fordern hat, daß aber mit der einmaligen Bewirkung der Leistung die Forderungen aller Gläubiger erlöschen, so können der oder die Schuldner an jeden der Gläubiger leisten (§ 428). Auch hiebei ist an dem Grundsätze festzuhalten, daß die Berechtigungen der Gesamtgläubiger selbständig und von einander unabhängig sind. Jeder der mehreren Gläubiger kann ohne Rücksicht auf die Mitgläubiger den Schuldner auf die ganze Leistung oder einen Teil derselben verklagen. Jedoch kann der Schuldner auch noch nach Erhebung der Klage an jeden der Gläubiger nach seinem Belieben leisten. Dieses Recht des Schuldners besteht selbst dann noch, wenn er einem Gläu­ biger eine Teilleistung gemacht oder ein Erfüllungsversprechen gegeben hat. Durch Erfüllung, Leistung oder Abgabe eines neuen Schuldversprechens an Erfüllungsstatt, Hinterlegung oder Aufrechnung gegenüber einem Gläubiger wird der Schuldner gegenüber allen Gläubigern frei. Aufrechnen aber kann der Schuldner nur demjenigen Gläubiger gegenüber, gegen welchen er eine Forderung hat. Durch Hinterlegung wird der Schuldner erst dann befreit, wenn die Rücknahme der hinterlegten Sache ausgeschlossen ist. Ist dies nicht der Fall, so ist der Schuldner noch nicht befreit und kann nur den­ jenigen Gläubiger, für welchen er hinterlegte, auf die hinter­ legte Sache verweisen. Soweit Erfüllung, Leistung an Er­ füllungsstatt , Aufrechnung oder Hinterlegung durch einen

Mehrheit von Schuldnern mit Gesamtverpflichtung rc.

291

Dritten zulässig sind, wird die Schuld ebenfalls getilgt. Der mit einem Gesamtgläubiger geschlossene Erlaßvertrag oder einen Erlaß enthaltende Vergleich bringt die Forderungen aller Gläubiger nur dann zum Erlöschen, wenn die Aufhebung des ganzen Schuldverhältnisses nachweisbar gewollt war. Nach­ trägliche subjektive oder objektive Unmöglichkeit der Leistung, welche infolge eines von dem Schuldner nicht zu vertretenden Umstandes eintritt, befreit den Schuldner nur, wenn die Un­ möglichkeit gegenüber allen Gläubigern eintritt. Tritt die Un­ möglichkeit der Leistung nur gegenüber einem Gläubiger ein, so wirkt sie nur gegen diesen. Vereinigen sich Forderung und Schuld in der Person eines Gesamtgläubigers, so erlöschen die Rechte der übrigen Gläubiger gegen den Schuldner. Ebenso wirkt der Verzug eines Gesamtgläubigers auch gegen die übrigen Gläubiger. Hat der Schuldner einen der Gläubiger in Annahmeverzug versetzt, so mindert sich seine Haftung auch gegenüber den anderen Gläubigern. Diese befinden sich jedoch nicht im Verzüge, sondern es werden nur die Wirkungen des Annahmeverzugs des einen Gläubigers auch auf sie aus­ gedehnt. Die Voraussetzungen für Herbeiführung oder Auf­ hebung des Annahmeverzugs müssen daher gegenüber einem und demselben Gesamtgläubiger erfüllt sein. So kann z. Bder Schuldner, dem ein Gesamtgläubiger erklärte, daß er die Leistung nicht annehmen werde, einen anderen Gesamtgläubiger nicht durch wörtliches Angebot in Verzug setzen. An sich können auch die Wirkungen des Annahmeverzugs nur durch denjenigen Gesamtgläubiger behoben werden, welcher in Verzug gesetzt worden ist. Da jedoch keiner der Gesamtgläubiger durch den Verzug an der Geltendmachung seines Forderungsrechtes ge­ hindert ist, so bewirken Bereiterklärung zur Annahme und Vor­ nahme der dem Gläubigerteil obliegenden Handlung durch den nichtsäumigen Gläubiger vor oder nach dem Eintritte des Ver­ zugs die Befreiung dieses Gläubigers von den Wirkungen des Verzugs (§ 429). Im übrigen wirken alle rechtlich bedeutsamen Tatsachen nur für und gegen den Gesamtgläubiger, in dessen Person sie eintreten. So bewirkt die Kündigung eines Gesamt­ gläubigers oder gegenüber einem Gesamtgläubiger nur die Fälligkeit der Forderung dieses Gesamtgläubigers. Ebenso tritt der Verzug des Schuldners nur demjenigen Gesamt­ gläubiger gegenüber ein, bei welchen die Voraussetzungen für den Schuldnerverzug gegeben sind, und wirkt nur für diesen Gläubiger. Bewirkt der Schuldner, nachdem er in Verzug ge­ kommen ist, die Leistung an einen anderen Gläubiger, so wird er von seiner Schuld frei, haftet aber dem Gläubiger, der ihn in Verzug setzte, für den Schaden wegen verspäteter Erfüllung. Hat der in Verzug setzende Gläubiger, weil die Leistung infolge 19*

292

Subjekte der Schuldverhältnisse.

des Verzugs für ihn kein Interesse hat, Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt, so befreit die Leistung dieses Schadens­ ersatzes den Schuldner gänzlich, während umgekehrt Leistung der Schuld an einen anderen Gesamtgläubiger den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aufhebt. Jeder Gläubiger hat nur sein Verschulden zu vertreten und wirkt das dem Schuldner gegenüber einem Gesamtgläubiger zur Last fallende Verschulden nur gegenüber diesem. Verjährung und ebenso Hemmung und Unterbrechung der Ver­ jährung des Anspruchs eines Gesamtgläubigers wirken nur für und gegen diesen. Das zwischen dem Schuldner und einem Gesamtgläubiger ergangene rechtskräftigeUrteil berührt die anderen Gesamtgläubiger nicht. Überträgt ein Gesamt­ gläubiger seine Forderung auf einen Anderen als den Schuldner, so bleiben die Rechte der übrigen Gläubiger unberührt. Verhäluiis der I m V e r h ä l tnisse zu einander sind dieGesamtzü°einander'-^ gläubig er zu gleichen Anteilen berechtigt, soweit Ausgleichung, nicht bin Anderes bestimmt ist (§ 430). Es muß also der Ge­ samtgläubiger, der die Leistung oder einen Teil derselben, sei es durch Erfüllung, Hingabe an Erfüllungsstatt, Aufrechnung oder Hinterlegung erhalten hat, einen verhältnismäßigen An­ teil hievon den anderen Gläubigern herausgeben. Dies gilt auch dann, wenn der Gesamtgläubiger einen das ganze Schuld­ verhältnis tilgenden Erlaßvertrag oder Vergleich eingegangen hat oder wenn Forderung und Schuld in der Person eines Gesamtgläubigers sich vereinigt haben. Z. B. A, B und C haben als Gesamtgläubiger von D 3000 Jh zu fordern. C be­ erbt den D. C hat sodann je 1000 J an Ä und B zu ent­ richten. Tritt ein Gesamtgläubiger seine Forderung an einen Dritten ab und tilgt der Schuldner diesem gegenüber seine Schuld, so erlischt zwar das Schuldverhältnis, dagegen bleibt der abtretende Gesamtgläubiger den übrigen Gesamtgläubigern zur Ausgleichung verpflichtet, während der Dritte, der neue Gläubiger, keine Verpflichtung zur Ausgleichung hat. Geht ein Gesamtgläubiger einen Schuldübernahmevertrag ein, so ändert dies an der Ausgleichungspflicht des Gesamtgläubigers nichts.

§ 94. Mehrheit von Schuldnern ohne Gesamtverpflichtung und Mehrheit von Gläubigern ohne Gesamtberechtigung. a) Schulden Mehrere eine teilbare Leistung oder haben Mehrere eine teilbare Leistung zu Ordern habew"fordern, so ist, soferne nicht nach Gesetz oder Rechtsgeschäft etwas Anderes, insbesondere z. B. eine Verpflichtung als Ge­ samtschuldner oder eine Berechtigung als Gesamtgläubiger sich ergibt, jeder Schuldner nur zu einem gleichen AnFall'daß Meh'bareLeistung

Mehrheit von Schuldnern ohne Gesamtverpflichtung rc.

293

teile verpflichtet und jeder Gläubiger nur zu einem gleichen Anteile berechtigt (§ 420). Die Selbst ständigkeit der Teilverpflichtungen und Teilberechtigungen ist eine durchgreifende. Jeder kann seine Teilschuld selbständig erfüllen, Jeder seine Teilforderung selbständig geltend machen. Der Verzug des Einen berührt die Anderen nicht. Jeder kann mit seiner Teilforderung selbständig aufrechnen und ebenso kann gegen jede Teilforderung selbständig aufgerechnet werden. Das rechtliche Schicksal einer Teilschuld oder Teilforderung be­ einflußt die anderen Teilschulden oder Teilforderungen nicht. b) Haben Mehrere eine unteilbare LeistungA"'-inebimteilzu fordern, so kann, soferne sie nicht Gesamtgläu-bar-Leistung big er sind, derSchuldnernurattalleGläubigerge- fotbeTn %a6e" meinschaft lich leisten. Andererseits kann jeder Gläubiger nicht Leistung an sich, sondern nur Leistung an alle Gläubiger fordern. Ebenso kann jeder Gläubiger verlangen, daß der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert (§ 432.) Nur durch eine gemeinschaftlich an alle Gläubiger bewirkte Leistung oder eine für alle Gläu­ biger erfolgte Hinterlegung bezw. Ablieferung an einen Ver­ wahrer wird der Schuldner allen Gläubigern gegenüber be­ freit. Alle anderen Tatsachen wirken nur für und gegen den Gläubiger, in dessen Person sie eintreten, soferne dieser nicht als Bevollmächtigter der übrigen Gläubiger handelt. Erfüllung, Hingabe an Erfüllungsstatt an einen Gläubiger, Erlaß der Schuld, Kündigung durch oder an einen Gläubiger, Vereini­ gung von Forderung und Schuld in der Person eines Gläu­ bigers, Verjährung des Anspruchs eines Gläubigers, berühren die Verpflichtung des Schuldners gegenüber den übrigen Gläu­ bigern nicht. Mahnt ein Gläubiger den Schuldner zur Er­ füllung an ihn, so ist dies wirkungslos. Mahnt ein Gläubiger den Schuldner zur Erfüllung an alle Gläubiger, so gerät der Schuldner nur diesem Gläubiger gegenüber in Verzug. Erst die Mahnung aller Gläubiger kann den Schuldner gegenüber allen Gläubigern in Verzug setzen. Umgekehrt vermag der Schuldner nur durch ein Angebot an alle Gläubiger diese in Annahmeverzug zu setzen. Doch kommen durch die Weigerung eines Gläubigers bei der Annahme alle Gläubiger in Verzug. Wird die Leistung infolge eines von dem Schuldner nicht zu vertretenden Umstandes, fei es durch Zufall oder Verschulden eines Gläubigers unmöglich, so wird der Schuldner gänzlich frei. Eine Aufrechnung ist ausgeschlossen. Ein rechtskräftiges Urteil, mag es auch auf Leistung an alle Gläubiger lauten, wirkt, wenn es nur von einem Gläubiger erlangt ist, lediglich zwischen diesem und dem Schuldner.

Subjekte der Schuldverhältnisse.

294

Für das Verhältnis der Gläubiger unter sich gelten die Vorschriften über die Gemeinschaft (§§ 741—758.) Kommt die Unteilbarkeit der Leistung, z. B. dadurch, daß eine Verpflichtung zum Schadensersatz an ihre Stelle tritt, in Wegfall, so gelten die obenbesprochenen Regeln für den Fall, daß Mehrere eine teilbare Leistung zu fordern haben. § 95.

Leistung an Dritte als Leistungsinhalt.

Versprechen der Leistung an einen Dritten.

Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten versprochen werden mit der Wirkung, daß a) nur der Versprechensempfänger die Lei­ stung an den Dritten verlangen kann, der Dritte aber kein Recht erwirbt, selbst die Leistung zu fordern. In diesem Falle ist nur der Versprechens­ empfänger, nicht aber auch der Dritte Gläubiger. Ver­ pflichtet sich in einem Vertrage der eine Teil zur Befriedigung eines Gläubigers des anderen Teiles, ohne die Schuld zu über­ nehmen, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß der Gläubiger unmittelbar das Recht erwerben soll, die Befriedigung von ihm zu fordern (§ 329). Z. B. Kaufmann A ist in Zahlungs­ schwierigkeiten gekommen. B, der Inhaber einer befreundeten Firma, verpflichtet sich, dem A gegenüber zur Wegfertigung der Hauptgläubiger C und D. Damit werden C und D nicht berechtigt, von B Regulierung zu verlangen. Nur A kann von B beanspruchen, daß B den C und D befriedigt. Ist der Versprechensempfänger allein berechtigt, die Lei­ stung an den Dritten zu verlangen, so ist nur dieser befugt, auf Leistung an den Dritten zu klagen und über die Forde­ rung, z. B. durch Übertragung oder Erlaß zu verfügen. Der Versprechende kann einerseits mit einer Forderung gegen den Versprechensempfänger aufrechnen, weil er diesem die Leistung schuldet, dagegen dem Versprechensempfänger nur Einwendungen gegen diesen, nicht auch solche, welche ihm gegen den Dritten zustehen würden, entgegensetzen. Durch Verzöge­ rung des Dritten in der Annahme der Leistung kommt weder dieser, weil er nicht Gläubiger ist, noch der Versprechens­ empfänger, weil diesem nicht angeboten ist, in Verzug. Um­ gekehrt kann der Versprechende nur durch den Versprechens­ empfänger, nicht durch den Dritten in Verzug versetzt werden. Nimmt der Dritte die Leistung nicht an, so ist dies als Un­ möglichkeit der Leistung zu erachten. Es finden daher die für diesen Fall maßgebenden Bestimmungen Anwendung, soferne nicht aus dem Vertrage sich ergibt, daß die Parteien Leistung an den Versprechensempfänger oder Schulderlaß gewollt haben.

Versprechen der Leistung an einen Dritten.

295

b) der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt,w die Seiftung zu fordern — Vertrag zu Gunsten eines Dritten. Die unmittelbare Berechtigung des Dritten muß der Absicht der Vertragsschließenden entsprechen und von denselben gewollt sein. Hat dieser Wille seinen Ausdruck nicht in einer ausdrücklichen Bestimmung gefunden, so ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags zu entnehmen, ob der Dritte das Recht auf die Leistung erwerben soll. Das Gleiche gilt für die Frage, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen soll. Daß der Dritte im Vertrage mit Namen genannt ist, wird nicht erfordert. Nur darf über die Person des Dritten kein Zweifel obwalten (§ 328 Abs. 2). Eine allgemeine Vermutung dafür besteht nicht, daß jeder Vertrag, welcher Leistung an einen Dritten bezweckt, dem Dritten unmittelbar einen Anspruch gewährt. Der Dritte muß beweisen, daß er ein unmittelbares Recht gegen den Schuldner erworben habe. Das BGB hat aber besondere Auslegungs­ regeln aufgestellt, welche dann, wenn nicht etwas Anderes aus dem zum Ausdrucke gebrachten oder sonstwie erkennbaren Willen der Vertragsschließenden sich ergibt, zur Anwendung gelangen. Im Zweifel soll der Dritte unmittelbar das Recht erwerben, die Leistung zu fordern (§ 330), wenn: 1. in einem Lebensversicherungsver trage die Zahlung der Versicherungssumme an einen Dritten vereinbart ist. Auch dann, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag zu Gunsten seiner Hinterbliebenen schloß und letztere seine Erben werden, liegt ein Vertrag zu Gunsten Dritter vor und erhalten die Hinterbliebenen die Versicherungssumme nicht als einen Bestandteil des Nachlasses, sondern unmittelbar auf Grund des Vertrags. Die Versicherungssumme ist also dem Zugriff der Nachlaßgläubiger entzogen. Jedoch haben die in dem Lebensversicherungsvertrage Begünstigten vor dem Tode des Versicherungsnehmers nur eine Aussicht auf die Erlangung der Versicherungssumme, kein bedingtes Rechts) 2. in einem Leibrentenvertrage die Zahlung der Leibrente an einen Dritten bedungen ist. 3. bei einer unentgeltlichen Zuwendung dem Be­ dachten eine Leistung an einen Dritten auferlegt wird. 4. bei einer Guts- oder Vermögensübernahme von dem Übernehmer eine Leistung an einen Dritten zum Zwecke der Abfindung versprochen wird. Z. B. Bauer A über­ gibt seinem ältesten Sohne B das Bauerngut und läßt sich ') RG 51 S. 403, IW 1902 S. 259.

296

«brtstehung.der

rechter fünden

Dritten,

Vorbehalt der h§enoder^zu° ändern,

Subjekte der Schuldverhältnisse.

hiebei von B versprechen, daß dieser seinen jüngeren Ge­ schwistern C und D je bei Eintritt ihrer Großjährigkeit je 10000 jKs> zur Abfindung ihrer Ansprüche auf das väterliche Bauerngut bezahle. Das Forderungsrecht des Dritten entsteht durch den Vertrag. Der Vertrag kann ein gegenseitiger ober ein einseitiger sein. Ein Zutun, Dabeisein, Beitritt oder eine Annahmeerklärung des Dritten ist nicht erforderlich. Das Recht entsteht ohne Wissen und Willen, ja selbst gegen den Willen des Dritten. Der Dritte kann auch geschäftsunfähig, z. B. geisteskrank u. s. w. sein. Soll die Leistung an den Dritten nach dem Tode des Vcrsprechensempfängers erfolgen, so erwirbt der Dritte das Recht auf die Leistung im Zweifel mit dem Tode des Versprechensempfängers (§ 331 Abs. 1). Vor diesem Zeitpunkte steht dem Dritten kein Recht, sondern nur die Aussicht auf künftigen Erwerb zu. Mit dem Augen­ blicke des Todes fällt dem Begünstigten der Anspruch auf die Leistung zu und zwar nicht als ein Teil des Nachlasses und auch nicht aus dem Vermögen des Verstorbenen, sondern als eigenes Recht unmittelbar auf Grund des Vertragest) Stirbt der Dritte vor dem Versprechensempfänger, so haben die Erben des Dritten keinen Anspruch gegen den Versprechenden. Eine andere, nach den Umständen und dem Zwecke des Vertrages zu lösende Frage ist die, ob nicht in diesem Falle die Erben des Dritten an dessen Stelle treten und anstatt dessen mit dem Tode des Versprechensempfängers das Recht auf die Lei­ stung erwerben sollen. Ist der Vertrag zu Gunsten eines noch nicht geborenen Dritten geschlossen und der Dritte zur Zeit des Todes des Versprechensempfängers noch nicht geboren, so erwirbt der Dritte das Recht auf die Leistung mit der Geburt. Ist das Recht des Dritten durch den Vertrag oder in einem späteren Zeitpunkte, sei es auch nur bedingt oder beta9t entstanden, so kann dasselbe ohne Zustimmung des Dritten von den Vertragsschließenden in der Regel nicht aufgehoben oder geändert werden. Jedoch können sich die Vertragsschließenden im Vertrage die Befugnis Vor­ behalten, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung auf­ zuheben oder zu ändern (§ 328 Abs. 2). Ob diese Befugnis den Vertragsschließenden Vorbehalten sein soll, ist in Ermange­ lung einer besonderen Bestimmung aus den Umständen, ins­ besondere aus dem Zwecke des Vertrags mit Rücksicht auf Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu entnehmen. Der Vorbehalt braucht also kein ausdrücklicher zu sein. Nur für den Fall, daß die Leistung an den Dritten nach dem Tode des Ver­ sprechensempfängers erfolgen soll und der Versprechens') IW 1902 Beil. 9 S. 247.

Versprechen der Leistung an einen Dritten.

297

empfanget vor der Geburt des Dritten verstirbt, bedarf es eines ausdrücklichen Vorbehaltes im Vertrage, wenn die Erben des Versprechensempfängers uyd der Versprechende oder dessen Erben befugt sein sollen, das Recht des Dritten aufzuheben oder zu ändern (§ 331). Die Befugnis der Vertragsschließenden, das Recht des Dritten aufzuheben oder zu ändern, kann so gestaltet sein, daß nur beiden Vertragsschließenden zusammen durch eine vertrags­ mäßige Einigung oder auch nur jedem der Vertragsschließen­ den für sich allein Aufhebung oder Änderung des Rechtes des Dritten zustehen soll. Es kann sich sohin der Versprechens­ empfänger auch die Befugnis Vorbehalten, ohne Zustimmung des Versprechenden an die Stelle des in dem Vertrage bezeich­ neten Dritten einen Anderen zu setzen. In diesem Falle ge­ nügt jede einseitige Erklärung des Versprechensempfängers, denn die Erklärung ist keine empfangsbedürftige Willenserklä­ rung. Der Versprechensempfänger kann im Zweifel auch in einer Verfügung von Todeswegen einen Anderen an die Stelle des im Vertrage bezeichneten Dritten setzen (§ 332). Geschieht letzteres, so erwirbt der Dritte das Recht auf die Leistung ebenfalls auf Grund Vertrags, so daß dasselbe nicht als zum Nachlaß gehörig erachtet werden darf. Diese Norm findet auch Anwendung auf den insbesondere bei Lebensversicherungen nicht seltenen Fall, wenn der Versprechensempfänger sich die Benennung des Dritten Vorbehalten hat und den Dritten so­ dann in einer Verfügung von Todeswegen bestimmt. Der Dritte, zu dessen Gunsten der Vertrag geschlossen llurüiwniungsist, oder dessen Erben können das erworbene Recht'^ ° n cn" zurückweisen. Es kann dies aber nur durch Erklärung gegenüber dem Versprechenden geschehen. Eine Er­ klärung gegenüber dem Versprechensempfänger ist wirkungslos. Die Erklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, bedarf aber keiner Annahme durch den Versprechenden. Weist der Dritte das aus dem Vertrag erworbene Recht zurück, so gilt das Recht als nicht erworben (§ 333). Ob der Ver­ sprechensempfänger. nunmehr die Leistung für sich fordern oder an die Stelle des zurückweisenden Dritten einen Anderen setzen darf oder ob die Verpflichtung des Dritten erlischt, ist aus dem Inhalte des Vertrags zu ermitteln. Werden darnach der Versprechensempfänger oder dessen Erbe nach der Zurückweisung des Rechtes durch den Dritten berechtigt, die Leistung für sich zu verlangen, so ist die Sache so anzusehen, als wenn diese Berechtigung von vorneherein bestanden hätte. Die Zurück­ weisung des Rechtes durch den Dritten schließt das Recht des Versprechensempfängers, Leistung an den Dritten zu verlangen, nicht aus. Nimmt der Dritte die Leistung nicht an, so ist ein Fall der nachträglich eintretenden Unmöglichkeit der Leistung

298

Subjekte der Schuldverhttltnisse.

gegeben, auf welchen die diesbezüglichen Bestimmungen erst Anwendung zu finden haben, wenn nicht nach dem Vertrage der Versprechensempfänger die Leistung für sich zu fordern soll berechtigt sein. Hat der Dritte das Recht einmal angenommen, so kann er dasselbe nicht mehr zurückweisen. Die Annahme des Rechtes kann auch stillschweigend, insbesondere durch Ver­ fügung über das Recht erfolgen. In gleicher Weise kann der Dritte auf das Recht der Zurückweisung verzichten. Eine Er­ klärung des Dritten vor dem Erwerbe des Rechts dahin gehend, daß er das Recht nicht erwerben wolle, ist rechtlich bedeutungs­ los, weil der Dritte noch in keine rechtliche Beziehung zu den Vertragsteilen getreten ist. gegen den Drltten.

Da das Recht des Dritten auf dem Vertrage " zwischen dem Versprechensempfä nger unddemVersprechenden beruht, so stehen dem Dritten nicht nur jene Einwendungen, welche wie z. B. Ausrechnung, Verjährung, Stundung u. s. w. der Versprechende ihm selbst gegenüber hat, sondern auch alle Einwendungeu aus dem Vertrage entgegen, soferne dieselben vor der Entstehung des Rechtes des Dritten begründet worden sind (§ 334). Su kann der Versprechende dem Dritten gegenüber die Nichtigkeit des Ver­ trags oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend machen, wenn nach dem Vertragsinhalte der Versprechens­ empfänger die ihm obliegende Gegenleistung entweder Zug um Zug zu entrichten oder vorzuleisten hat. Weitere Einwendungen aus dem Inhalte des Vertrags sind z. B., daß die Schuld noch nicht fällig, die Bedingung ?noch nicht eingetreten, die Bestimmung des Dritten in unzulässiger Weise erfolgt, die Verpflichtung des Schuldners oder die Berechtigung des Dritten erloschen ist. Dagegen kann der Versprechende eine ihm gegen den Versprechensempfänger zustehende Forderung nicht gegen die Forderung des Dritten aufrechnen. Ebenso kann der Ver­ sprechende dem Dritten nicht den Einwand entgegensetzen, der Versprechensempfänger habe das Recht, den Vertrag anzufechten. Wohl aber kann der Versprechende den Vertrag auch durch Erklärung gegenüber dem Dritten anfechten, wenn für ihn die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen Irrtums, widerrecht­ licher Drohung oder arglistiger Täuschung gegeben sind und letztere der Dritte kannte oder kennen mußte,

Bei allen Verträgen zu Gunsten Dritter ist der Dritte ™ klageberechtigt. Jedoch kann, trotzdem dem Dritten ein unmittelempsangers bares Recht auf die Leistung zusteht, auch derVersprechensneben einander, empfänger für seine Person neben dem Dritten die Leistung an diesen fordern, soferne nicht ein anderer Wille der Vertragsschließenden anzunehmen ist (§ 335). Für diesen Fall gelten nachstehende Normen:

Forderung^

T

unb Ber-

Versprechen der Leistung an einen Dritten.

299

Erst mit der Befriedigung des Dritten erlischt das For- d^SAil°gtcn° derungsrecht des Versprechensempfängers. Verschuldet der Dritte die Unmöglichkeit der Leistung an ihn, so ist der Schuldner auch gegenüber dem Versprechensempfänger von der Ver­ pflichtung zur Leistung frei, verliert aber, wenn der Vertrag ein gegenseitiger ist, seinen Anspruch auf die Gegenleistung des Versprechensempfängers. Hat der Versprechensempfänger die Unmöglichkeit der Leistung an den Dritten zu vertreten, so wird der Schuldner ebenfalls von seiner Verpflichtung zur Leistung frei, behält aber seinen Anspruch auf Gegenleistung gegen dem Versprechensempfänger. Ist die Leistung durch eine unerlaubte Handlung des Versprechensempfängers unmöglich geworden, so steht dem Dritten aus diesem Gesichtspunkte ein Schadensersatzanspruch gegen den Versprechensempfänger zu. Wird bei einem gegenseitigen Vertrage die dem Versprechens­ empfänger obliegende Leistung infolge eines von ihm zu ver­ tretenden Umstandes unmöglich, so kann der Versprechende von dem Versprechensempfänger Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung verlangen oder vom Vertrage zurücktreten. Der Rücktritt vom Vertrage ist aber, da durch den Rücktritt der Vertrag und damit das Recht des Dritten aufgehoben wird, nur zulässig, wenn das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufgehoben werden darf oder der Dritte seine Zustimmung zum Rücktritte gibt. Verlangt der Versprechende Schadensersatz, so bleibt er zur Leistung an den Dritten ver­ pflichtet, kann aber diese Leistung verweigern, bis ihm Schadens­ ersatz geleistet ist. Tritt er vom Vertrage zurück, so entfällt das Recht des Dritten und hat derselbe alles, was er etwa schon erhalten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung an den Versprechenden herauszugeben. Ist die Leistung an den Dritten durch einen vom Schuldner zu vertretenden Umstand unmöglich geworden, so kann der Dritte und ebenso der Versprechensempfänger, dessen Verpflichtung zur Gegenleistung alsdann bestehen bleibt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung insoweit verlangen, als ihm durch das Unterbleiben der Leistung an den Dritten ein Schaden entsteht. Bei gegenseitigen Verträgen kann der Versprcchensempfänger auch vom Vertrage zurücktreten, aber ebenfalls nur dann, wenn das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufgehoben werden darf oder der Dritte seine Zustimmung zum Rücktritte gibt. Nach dem Rücktritt vom Vertrage kann der Dritte, da der Vertrag nach rückwärts hin aufgehoben ist, nicht nur keinen Schadensersatz von dem Ver­ sprechenden verlangen, sondern muß demselben vielmehr das Empfangene zurückgewähren. Ist die Unmöglichkeit der Leistung von keinem der Vertragsschließenden zu vertreten, so erlischt die Verpflichtung des Schuldners gegenüber dem Dritten und dem

300

Subjekte der Schuldverhältnisse.

Versprechensempfänger sowie sein Anspruch auf die Gegen­ leistung. Bestehen bei Verträgen, welche auf Veräußerung einer Sache an einen Dritten oder auf Belastung einer Sache zu Gunsten eines Dritten gegen Entgelt gerichtet sind, An­ sprüche auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache, so hat, soweit derartige Rechte aus dem betreffenden Vertrage über­ haupt entstehen, auch der Dritte das Recht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder eine mangelfreie statt der mangel­ haften Gattungssache zu fordern. Eine Minderung der dem Versprechensempsänger obliegenden Gegenleistung kann nur der Versprechensempfänger, nicht auch der Dritte verlangen. Hat der Dritte Schadensersatz wegen des Mangels oder eine mangelfreie an Stelle der mangelhaften Sache erhalten, so ist wegen erfolgter Befriedigung des Dritten das Recht des Ver­ sprechensempfängers, Minderung seiner Gegenleistung zu ver­ langen, ausgeschlossen. Ein Recht auf Rückgängigmachung des Vertrages wegen Mängel der Sache steht dem Dritten niemals zu. Dem Versprechensempfänger ist dieses Recht grundsätzlich nicht zu versagen. Er kann aber von diesem Rechte nur Gebrauch machen, wenn das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufgehoben werden darf oder wenn der Dritte seine Zustimmung zur Rückgängigmachung des Vertrags erteilt. Ist dem Dritten Schadensersatz oder eine fehlerfreie Gattungs­ sache statt der fehlerhaften schon geliefert, so hat der Ver­ sprechensempfänger kein Recht mehr, Rückgängigmachung des Vertrags zu verlangen. Macht der Versprechensempfänger in zulässiger Weise den Vertrag rückgängig, so ist der Dritte dem Versprechensempfänger gegenüber nicht verpflichtet, das, was er schon erhalten hat, zurückzugeben. Nur der Schuldner hat nach Rückgängigmachung des Vertrags einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Dritten. Ist der Versprechensempfänger deswegen, weil ihm der Dritte die Rückgabe der empfangenen Sache verweigert, außer stände, seiner Verpflichtung gegen den Schuldner auf Rückgabe der Sache nachzukommen, so ist er dem Schuldner schadensersatz­ pflichtig. Der Versprechensempfänger kann nicht in Annahmeverzug geraten, wohl aber der Dritte, soferne er nicht das aus dem Vertrag erworbene Recht zurückweist. Der Annahmeverzug des Dritten wirkt gegen den Versprechensempfänger nicht. Kommt der Schuldner mit der Leistung an den Dritten in Verzug, so ist er auch gegenüber dem Versprechensempfänger in Verzug. Vereinigt sich die Forderung des Versprechens­ empfängers mit der Schuld des Versprechenden, so behält der Dritte seine Forderung. Vereinigt sich die Forderung des Dritten mit der Schuld, so erlischt die Schuld auch gegenüber dem Versprechensempfänger. Beerbt der Versprechensempfänger

Übertragung von Forderungen und anderen Rechten.

301

den Dritten oder der Dritte den Versprechensempfänger, so vereinigt der Erbe in seiner Person zwei Forderungsrechte, über welche er getrennt verfügen kann. Das Gleiche gilt, wenn der Versprechensempfänger dem Dritten oder der Dritte dem Versprechensempfänger seine Forderung überträgt. Die Forderungen bleiben getrennt, soferne nicht etwas Anderes vereinbart wird. Der Anspruch des Dritten und jener des Versprechensempfängers unterliegen gesonderter Verjährung. Die Kündigung der einen Forderung bewirkt nicht die Fällig­ keit der anderen. Ist der Dritte allein forderungsberechtigt, so,MKZ^,. erlischt das Schuldverhältnis ebenfalls erst mit der Befriedigung des Dritten. Andererseits ist bei gegenseitigen Verträgen die Verpflichtung des Verspvechensempfängers zur Gegenleistung von derselben Bedeutung, wie wenn nicht ein Dritter forderungs­ berechtigt wäre. Demgemäß kann der Versprechensempfänger die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Leistung an den Dritten, der Schuldner die Leistung an den Dritten bis zur Bewirkung, der Gegenleistung durch den Versprechens­ empfänger verweigern. Die Vertragsteile, d. h. der Schuldner und der Versprechensempfänger können ferner bei Fehler­ haftigkeit der geschuldeten Sache Minderung der ihnen ob­ liegenden Leistung fordern und vom Vertrage zurücktreten oder die Rückgängigmachung des Vertrags verlangen, wenn den Vertragsteilen die Befugnis vorbehalten ist, das Recht, des Dritten aufzuheben, oder der Dritte seine Zustimmung 'zum Rücktritte oder zur Rückgängigmachung des Vertrags erteilt.

§ 96.

Übertragung von Forderungen und anderen Rechten.

Grundsätzlich kann jede Forderung und jedes üb-rtr-gbark-it Recht von dem Berechtigten auf einen Anderen übertragen und anderen werden. Für die Übertragung von solchen Rechten, welche Rechte, nicht auf eine Leistung gerichtet, also keine Forderungsrechte sind, gelten regelmäßig besondere Regeln. Soweit aber das Gesetz keine solchen Vorschriften gibt, finden auch auf jene Rechte, weiche nicht auf eine Leistung gerichtet sind, die nachstehenden Vorschriften über die Über­ tragung von Forderungen entsprechende Anwen­ dung (§ 413). Zu diesen Rechten gehören insbesondere die Urheberrechte an Schriftwerken, an Werken der bildenden Künste, an Mustern und Modellen u. s. w. sowie die Patent­ rechte. Forderungen können übertragen werden: 1. durch Vertrag zwischen dem Übertragenden, Abtr-tungsdem bisherigen Gläubiger und dem Erwerber der hcI™8' Forderung, dem neuen Gläubiger — Abtretung

302

Subjekte der Schuld verhältnisje.

(§ 398). Durch eine einseitige Abtretungserklärung kann eine Forderung nicht übertragen werden. Der Abtretungs­ vertrag bedarf keiner Form, soweit nicht etwas Anderes vorgeschrieben ist. So ist z. B. zur Abtretung von Forderungen, für welche Briefhypotheken bestehen, Erteilung der Abtretungs­ erklärung in schriftlicher Form und Übergabe des Hypotheken­ briefes sowie zur Übertragung von.Forderungen aus Wechseln oder sonst indossabelen Papieren Übergabe des Papiers er­ forderlich. Die Abtretung ist ein abstrakter Vertrag, sohin in ihrer Gültigkeit unabhängig von dem ihr zu Grunde liegenden Zweck und Rechtsgrund. Das der Übertragung zu Grunde liegende Rechtsgeschäft, welches z. B- ein Kaufvertrag , eine Schenkung,, ein Dienstvertrag sein kann, bestimmt lediglich die Rechte und Pflichten der Vertragsteile zu einander. Die Wirkung der Abtretung gegenüber dem Schuldner und gegen­ über Dritten ist die gleiche ohne Rücksicht darauf, ob die Ab­ tretung den Übergang des Leistungsgegenstandes in das Ver­ mögen des neuen Gläubigers bezweckt oder etwa nur zur Sicherung des neuen Gläubigers oder nur zu dem Zwecke erfolgt, damit der neue Gläubiger die Forderung für den Abtretenden beitreibe. Der Zweck der Übertragung der Forderung ist gleichgültig. Demgemäß kann eine Forderung auch lediglich zum Zwecke der Einziehung mit der Abmachung übertragen werden, daß der neue Gläubiger den Erlös aus der eingezogenen Forderung dem ursprünglichen Gläubiger abzu­ liefern Der Abtretungsvertrag kann unter Bedingungen und Zeitbestimmungen geschlossen werden. krastÄetzes 2. unmittelbar durch gesetzliche Vorschrift, wenn die Voraussetzungen, an welche das Gesetz den von dem Zutun der Beteiligten unabhängigen Übergang einer Forderung auf ein anderes Rechtssubjekt knüpft, erfüllt sind — Über­ tragung kraft Gesetzes. Auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes finden die für die Über­ tragung durch Abtretung geltenden nachstehenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 412). 3 durch gerichtliche Anordnung. Für diese Art der Übertragung gelten die Vorschriften der §§ 828 ff. CPO. Seaenstand der Gegenstand der Abtretung können Forderungen tretung. ajjer Art sein, schon bestehende, bedingte, betagte und zukünf­ tige 2) Forderungen. Unübertragbare Nicht jedoch können abgetreten werden: Ansprüche. i. an die Persönlichkeit des Gläubigers ge­ bundene Forderungen. Diese Vorschrift ist zwingend. ') IW 1903 Beil. 7 S. 53. *) ROLG 4 S. 213, DIZ 1903 S. 360, 573; IW 1903 Beil. 14 S. 124.

Übertragung von Forderungen und anderen Rechten.

303

Für eine Forderung ist die Persönlichkeit des Gläubigers wesentlich, wenn die Leistung an einen anderen als den ur­ sprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. So z. B. kann der Dienstbote seinen Anspruch auf Verköstigung urtd Gewährung eines Schlafraumes auf eine andere Person nicht übertragen (§ 399). 2. Ansprüche, deren Übertragbarkeit kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. So ist z. B. unübertragbar der Anspruch der Tochter auf eine Aussteuer (§ 1623) und der Anspruch des an seinem Körper oder an seiner Gesundheit Verletzten auf eine Entschädigung in Geld für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist und z. B. in einer körperlichen Verunstaltung besteht (§ 847). Ferner sind im Zweifel z. B. die Ansprüche auf Dienste und auf die Ausführung eines Auf­ trags nicht übertragbar (§§ 613, 664). 3. Forderungen, deren Abtretung durch Ver­ einbarung Mit. dem Schuldner ausgeschlossen ist (§ 399). Hierher gehören z. B. die auf Unübertragbarkeit lautenden Vermerke auf Eisenbahnbillets und die in den Sta­ tuten von Versicherungsgesellschaften häustg vorkommenden Be­ stimmungen über die Unübertragbarkeit des Versicherungs­ anspruchs. Erteilt der Schuldner seine Zustimmung zur Ab­ tretung, so kann die Forderung übertragen werden. 4. Forderungen, wenn und soweit sie einer Pfändung nicht unterworfen sind (§ 400). Demgemäß ist z. B. ein Festhaltungsanspruch nicht abtretbar.Z Abgesehen von diesen Ausnahmen kann jede Forderung abgetreten werden. Übertragen werden können auch die An­ sprüche auf Zinsen, gesetzliche oder vertragsmäßige, fällige oder nicht fällige. Ebenso kann der Anspruch auf eine fällige oder noch nicht verfallene Vertragsstrafe wegen Nicht­ erfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung abgetreten werden. Ist eine Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung abgetreten, bevor der Gläubiger dem Schuldner erklärt hat, daß er die Strafe verlange, so ist die Wirkung der Abtretung bedingt durch diese Erklärung. Der neue Gläubiger tritt mit dem Abschlüsse Verhältnis der des Abtretungsvertrages an die Stelle b e 8 6 i8 = MgetTaumneuem herigen Gläubigers (§ 398). Der Abtretungsvertrag ®Iäu6‘8er" bewirkt unmittelbar den Übergang der Forderung. Einer Zustimmung, einer Zuziehung, eines Zutuns oder einer Be­ nachrichtigung des Schuldners bedarf es nicht. Nur dann, wenn eine Militärperson, ein Beamter, ein Geistlicher oder ein Lehrer an einer öffentlichen Unterrichtsanstalt den über­ tragbaren Teil des Diensteinkommens, des Wartegeldes oder ') ROLG 8 S. 46, 47.

304

Rechtliche Stellung des neuen Gläubigers. Übergang der Nebenrechte.

Subjekte der Schuldverhältnisse.

des Ruhegehalts durch Vertrag abtritt, ist die auszahlende Kasse durch Aushändigung einer von dem bisherigen Gläu­ biger ausgestellten öffentlich beglaubigten Urkunde von der Abtretung zu benachrichtigen, da bis zu dieser Benachrichtigung die Abtretung als der Kasse nicht bekannt gilt (§ 411). Die Kasse braucht vor Aushändigung der öffentlich beglaubigten Abtretungs­ urkunde sohin auch dann nicht an den neuen Gläubiger zu bezahlen, wenn die Forderung rechtswirksam an diesen abgetreten wurde. Dieser Rechtssatz gilt jedoch nicht im Falle der Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes. Ist der Abtretungsvertrag bedingt oder betagt, so geht die Forderung mit dem Eintritt der Bedingung oder des Endzeitpunktes der Befristung auf den neuen Gläubiger über. Mit dem Übergang auf den neuen Gläubiger scheidet die Forderung aus dem Vermögen des bisherigen Gläubigers aus und tritt in das Vermögen des neuen Gläubigers über. Nur der neue Gläu­ biger kann nunmehr die Forderung einklagen, dieselbe ver­ pfänden oder weiter übertragen. Die Gläubiger des bis­ herigen Gläubigers haben keinen Zugriff mehr auf die For­ derung. Der bisherige Gläubiger ist, selbst wenn der Schuldner noch nichts von der Abtretung weiß, nach der Abtretung nicht mehr im stände, durch Handlungen, die er im eigenen Namen als Gläubiger vornimmt, die Rechtslage des neuen Gläubigers zu verbessern, insbesondere Pfandrechte für diesen zu erwerben oder die gegen diesen laufende Verjährung zu unterbrechend) Auf Grund des Abtretungsvertrages als solchen haftet der bisherige Gläubiger dem neuen Gläubiger weder für Bestand noch für Güte oder Eindringlichkeit der abgetretenen Forderung. Ob eine Haftung in dieser Richtung den bisherigen Gläubiger trifft oder nicht, bemißt sich nach der Vereinbarung der Vertrags­ teile und nach dem der Übertragung zu Grunde liegenden Rechtsverbältnisse. Verkauft z. B. der bisherige Gläubiger sein Forderungsrecht, so haftet er dem Käufer für den recht­ lichen Bestand der Forderung (§ 437). Die Forderung geht in der Beschaffenheit auf den neuen Gläubiger über, welche sie bei dem bis­ herigen Gläubiger hatte. Daraus folgt: 1. Mit der abgetretenen Forderung gehen, soweit nicht etwas Anderes bestimmt ist, die Hypotheken oder Pfandrechte, welche für die Forderung bestehen, so­ wie die Rechte aus einer für die Forderung be­ stellten Bürgschaft auf den neuen Gläubiger über. Ebenso kann der neue Gläubiger ein mit der Forderung für den Fall der Zwangsvollstreckung oder des Konkurses ver­ bundenes Vorzugsrecht geltend machen (§ 401). Die ') RG 52 S. 185.

Übertragung von Forderungen und anderen Rechten.

305

Nebenforderungen wie die Forderungen auf noch nicht fällige Zinsen, Früchte, Nutzungen, Schadens- und Kosten­ ersatz gehen im Zweifel mit der Hauptforderung auf den neuen Gläubiger über. Die Forderung auf bereits fällige Zinsen ist eine gesonderte und wird, wenn nicht das Gegen­ teil festgesetzt ist, mit der Hauptforderung nicht übertragen. Das dem bisherigen Gläubiger zustehende Zurückbehal­ tungsrecht kann nicht mit der Forderung übertragen werden, wenn nicht der neue Gläubiger zugleich jene Schuld übernimmt, deren Erfüllung mit Rücksicht auf die Forderung verweigert werden kann. Dagegen gehört der Anspruch auf eine Vertragsstrafe zum Inhalt des Schuldverhältnisses. Es geht daher dieser Anspruch im Zweifel mit der Forderung auf den neuen Gläubiger über. Nur dann, wenn die Vertrags­ strafe für den Fall nicht gehöriger Erfüllung versprochen und bereits verwirkt ist, bildet der Anspruch auf die bereits ver­ wirkte Vertragsstrafe eine selbständige Forderung, welche nur im Falle besonderer Vereinbarung mit der Hauptforderung übertragen wird ' Einwendungen 2. Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger gegenüber dem die Einwendungen entgegensetzen, welche zur Zeit""""Gläubiger der Abtretung der Forderung gegen den bis­ herigen Gläubiger begründet waren (§ 404.) Unter diesen Einwendungen sind alle jene Einwendungen zu verstehen, welche in dem Schuldverhältnisse, wie dasselbe zur Zeit der Abtretung bestand und beschaffen war, ihren Entstehungsgrund haben. So kann z. B. der Schuldner dem neuen Gläubiger gegenüber auch eine Einrede aus einer erst nach der Über­ tragung stattgehabten Entwehrung des dem Schuldner als Gegenleistung veräußerten Rechts oder auf Grund einer erst nach der Abtretung eingetretenen auflösenden Bedingung ent­ gegensetzen. Ebenso kann, wenn die Forderung aus einem gegenseitigen Vertrage abgetreten worden ist und nach der Abtretung die dem bisherigen Gläubiger obliegende Leistung infolge eines weder von ihm noch von dem Schuldner zu ver­ tretenden Umstandes unmöglich wird, dem neuen Gläubiger ent­ gegengehalten werden, daß der Anspruch auf die Gegenleistung verloren gegangen sei (§ 323.). Eine Ausnahme von diesem Grundsätze, daß der Schuldner dem neuen Gläubiger alle zur Zeit der Forderungsabtretung gegen den bisherigen Gläubiger begründeten Einwendungen entgegensetzen kann, besteht nur dann, wenn aus dem Vertrage oder aus Nebenvereinbarungen eine ausschließliche Beziehung der Einrede auf die Person des bisherigen Gläubers sich ergibt, wie dies z. B. dann der Fall ist, wenn der Gläubiger versprochen hat, die Forderung, so lange er Gläubiger ist, nicht einzuklägen.

306

Subjekte der Schuldverhältnisse.

Selbstverständlich ist es, daß der Schuldner dem neuen Gläubiger alle diejenigen Einwendungen entgegensetzen kann, welche aus der Person des neuen Gläubigers oder aus dem Verhältnisse zu diesem sich ergeben oder welche gegen die Wirk­ samkeit der Abtretung, insbesondere gegen die Gültigkeit des Abtretungsvertrages sich richten. So kann z. B., wenn eine Forderung nur zur Einziehung übertragen worden ist, der Schuldner dem neuen Gläubiger einwenden, daß er seine for­ melle Befugnis zur Einziehung gegen den Willen des Über­ tragenden in arglistiger Weise gegen ihn, den Schuldner geltend machet und ebenso kann der Schuldner, wenn die Forde­ rungsübertragung lediglich zum Zwecke der Einziehung der Forderung für den Übertragenden geschah, sich darauf berufen, daß der übertragende Gläubiger den Auftrag zur Einziehung der Forderung widerrufen habe?) Dagegen kann der Schuldner nicht gegen den Übertragenden auf Feststellung der Schein­ natur der Übertragung klagen?) Von dem Grundsätze, daß der Schuldner dem neuen Gläubiger alle Einwendungen entgegensetzen kann, welche zur Zeit der Abtretung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren, bestehen jedoch nur für den Fall der Übertragung durch Vertrag, nicht auch für den Fall der Übertragung kraft Gesetzes, zwei Ausnahmen. Der Schuldner kann den Einwand, daß die Eingehung oder Anerkennung des Schuldverhältnisses nur zum Schein erfolgt sei, und ferner den Einwand, daß die Abtretung durch Vereinbarung mit dem ursprünglichen Gläubiger aus­ geschlossen sei, dann nicht geltend machen, wenn a) er oder sein Vertreter über die Schuld eine Urkunde ausgestellt hat, aus welcher nicht ersichtlich ist, daß es sich um ein Scheingeschäft handelt oder daß die Abtretung ver­ einbarungsgemäß ausgeschlossen ist, ferner b) die Forderung dem neuen Gläubiger unter Vorlegung der Urkunde abgetreten worden ist, und endlich c) der neue Gläubiger bei der Abtretung den Sachver­ halt nicht kannte oder nicht kennen mußte. Das Gegenteil der letzteren Voraussetzung hat der Schuldner darzutun, die beiden ersteren Voraussetzungen sind vom neuen Gläubiger zu beweisen. Wird die Forderung von dem neuen Gläubiger an einen dritten Gläubiger abgetreten und liegen in der Person dieses Gläubigers obige Voraussetzungen vor, so können auch diesem gegenüber die Einwände, daß die Eingehung oder Anerkennung des Schuldverhältnisses nur zum Schein erfolgt oder daß die *) IW 1903 Beil. 7 S. 53; DIZ 1903 S. 273. ') RG 53 S. 416; DIZ 1903 S. 389. •) ROLG 4 S. 212.

Übertragung von Forderungen und anderen Rechten.

307

Abtretung durch Vereinbarung mit dem ursprünglichen Gläu­ biger ausgeschlossen sei, nicht geltend gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn diese Voraussetzungen bei einem der früheren Erwerber der Forderung nicht vorhanden waren. Es kann aber der dritte Gläubiger, wenn ihm selbst die Schuld­ urkunde bei der Abtretung nicht vorgelegen hat und wenn er wußte oder wissen mußte, daß die Eingehung oder Anerken­ nung des Schuldverhältnisses nur zum Schein erfolgt oder die Abtretung durch Vereinbarung mit dem ursprünglichen Gläu­ biger ausgeschlossen ist, sich nicht darauf berufen, daß bei seinem Rechtsvorgänger oder einem derselben die Voraussetzungen zum Ausschluß obenerwähnter Einwände vorhanden waren (§ 405). Die Lage des Schuldners der ab ge trete ne n,Rechtliche St-r. Forderung darf durch die Abtretung nicht tier=Iunfl nn®*u,b‘ fchlechtert werden. In Durchführung dieses Grundsatzes gelten folgende Rechtssätze: 1. Der Schuldner kann mit einer Gegen- Aufrechnungsforderung, welche ihm zur Zeit der Abtretung Schuldner? gegen den bisherigen Gläubiger bereits zustand, auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen, es sei denn, daß die Gegenforderung später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Ob die Gegenforderung schon zur Zeit der Abtretung fällig war oder ob sie erst nach der Abtretung fällig geworden ist, begründet keinen Unterschied. Selbst mit einer erst nach der Abtretung gegen den bisherigen Gläubiger erlangten Gegenforderung kann der Schuldner auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen. Die Aufrechnung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Schuldner bei dem Erwerbe der Gegenforderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder wenn die Forderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist (§ 406). Letzteres zu beweisen, ist Sache des neuen Gläubigers. Der Kenntnis von der Abtretung steht ein Kennenmüssen nicht gleich. Auf welche Weise der Schuldner Kenntnis von der Abtretung erlangt hat, ist gleichgültig. Unter den gleichen Voraussetzungen kann im Falle mehr­ facher Übertragung der Schuldner mit Gegenforderungen gegen die Zwischengläubiger gegenüber dem letzten Gläubiger auf­ rechnen. 2. Da der Abtretungsvertrag ohne Zuziehung des Schuld- Rechtsgeschäfte ners geschlossen werden kann, auch eine Benachrichtigung des 6i|”^gee" Schuldners von der Abtretung nicht zu erfolgen braucht, so 6i6|kü"bnCrem muß der Schuldner gegen die Gefahr einer Doppelzahlung gecbu schützt werden. Auch darf der Schuldner durch die Üngewißheit darüber, wer sein Gläubiger sei, in der Möglichkeit, sich von seiner Verbindlichkeit zu befreien, nicht hingehalten werden. 20*

308

Subjekt« der Schuldverhältnisse.

Zum Schutze des Schuldners nach diesen Richtungen hin gelten nachstehende Bestimmungen: Schü?dners^bei a) Der neue Gläubig er muß eine Leistung, Unkenntnis von welche der Schuldner nach der Abtretung an den der Abtretung, en Gläubiger bewirkt, sowie jedes zweioder einseitige Rechtsgeschäft, welches nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bis­ herigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Schuldner bei der Leistung oder bei der Vornahme des Rechtsgeschäftes von der Abtretung keine Kenntnis hat (§ 407). Weder Kennenmüssen noch eine Kenntnis vom bloßen Hörensagen genügen, um die Wirksamkeit der Handlungen gegenüber dem neuen Gläubiger auszuschließen. Der Unkenntnis von der Abtretung steht es gleich, wenn der Schuldner nur solche Mitteilungen über die Abtretung erhalten hat, welche Zweifel nicht ausschließen. Auf welche Weise der Schuldner von der Abtretung Kenntnis erhalten hat, ist voll­ kommen gleichgültig, soferne die Kenntnis nur eine sichere ist. Die Kenntnis des gesetzlichen oder bevollmächtigten Ver­ treters steht der eigenen Kenntnis des Schuldners gleich. Mangels solcher Kenntnis von der Abtretung kann der Schuldner auch durch Leistung, Hingabe an Zahlungsstatt, Aufrechnung gegenüber dem bisherigen Gläubiger sich von seiner Verbindlichkeit befreien. Erlaß- und Stundungsverträge zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger wirken auch gegenüber dem neuen Gläubiger. Das Gleiche gilt von der Mahnung, der Kündigung und dem Leistungsangebote von oder gegenüber dem bisherigen Gläubiger. Es kann also z. B. der Schuldner, welcher die Abtretung nicht kennt, den neuen Gläubiger dadurch in Annahmeverzug setzen, daß er die Hand­ lungen, welche, um einen Gläubigerverzug herbeizuführen, er­ forderlich sind, dem bisherigen Gläubiger gegenüber vornimmt. Der neue Gläubiger kann den Schuldner wegen der von diesem gegenüber dem bisherigen Gläubiger vorgenommenen, ihm un­ günstigen und Schaden bringenden Rechtshandlungen selbst dann nicht in Anspruch nehmen, wenn die Unkenntnis des Schuldners von der Abtretung auf grober Fahrlässigkeit beruht. Ist nach der Abtretung ein Rechtsstreit zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger über die abgetretene Forderung anhängig geworden und kannte der Schuldner die Abtretung bei dem Eintritte der Rechtshängigkeit nicht, so muß der neue Gläubiger das ergangene rechtskräftige Urteil auch gegen sich gelten lassen (§ 407 Abs. 2). Eine Erledigung des Rechtsstreites durch Vergleich steht der Erledigung durch Urteil nicht gleich. Kannte der Schuldner bei dem Eintritte der Rechts­ hängigkeit die Abtretung, so wirkt das Urteil nur zwischen

Übertragung von Forderungen und anderen Rechten.

309

dem bisherigen Gläubiger und dem Schuldner, ohne die Rechte des neuen Gläubigers zu berühren. Die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung hat der neue Gläubiger zu be­ weisen. Ist der Rechtsstreit schon vor der Abtretung rechts­ hängig geworden, so wirkt das rechtskräftige Urteil auch für und gegen den neuen Gläubiger. Auch in den Fällen , in welchen der neue Gläubiger das zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger ergehende rechtskräftige Urteil gegen sich gelten lassen muß, ist der neue Gläubiger nicht gehindert, vor Eintritt der Rechtskraft die abgetretene Forderung, sei es im Wege der Klage sei es sonstwie geltend zu machen. b) Wird eine abgetretene Forderung von dem bisherigen Schutz de» Gläubiger nochmals an einen Dritten abgetreten, so ist zwar mehrmaliger« nur die erste Abtretung gültig. Allein der Schuldner ist nur tretung9»er berechtigt, nicht aber verpflichtet, dies nachzuprüfen. Vielmehr Rorbctun6muß der frühere Erwerber der Forderung eine Leistung, welche der Schuldner nach der abermaligen Abtretung an den Dritten bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, welches nach der Ab­ tretung zwischen dem Schuldner und dem Dritten in An­ sehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn , daß der Schuldner die nochmalige Ab­ tretung an den Dritten bei der Leistung oder bei der Vor­ nahme des Rechtsgeschäftes kennt. Ebenso muß der frühere Erwerber der Forderung, wenn in einem nach der Nochmaligen Abtretung an den Dritten zwischen diesem und dem Schuldner anhängig gewordenen Rechtsstreite ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist, das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner die nochmalige Abtretung an den Dritten bei dem Eintritte der Rechtshängigkeit gekannt hat (§ 408 Abs. 1). Hat dagegen der Schuldner in Unkenntnis der ersten Forderungsübertragung gegenüber dem Dritten 'mit einer ihm gegen den ursprünglichen Gläubiger zustehenden Forderung aufgerechnet, welche er in Unkenntnis von der Abtretung er­ warb oder welche vor Erlangung der Kenntnis und vor der abgetretenen Forderung fällig geworden ist, so ist diese Auf­ rechnung wirkungslos, da der Dritte, an den die Forderung nochmals abgetreten wurde, nicht Gläubiger geworden ist. Die gleichen Grundsätze gellen, wenn der bisherige Gläu­ biger einem Dritten gegenüber anerkennt, daß hie Forderung, welche bereits abgetreten war, kraft Gesetzes auf einen Dritten übergegangen sei. Für die Anerkennung ist keine Form vor­ geschrieben. Ebenso finden die erwähnten Rechtssätze An­ wendung, wenn die bereits abgetretene Forderung durch gericht­ lichen Beschluß einem Dritten überwiesen wird. Es zahlt also der Schuldner, welcher von der Abtretung keine Kenntnis hat, mit befreiender Wirkung an den Dritten, welchem die For­ derung zur Einziehung oder an Zahlnngsstatt überwiesen

310

Subjekte der Schuldverhältnisse.

worden ist (§ 408 Abs. 2). Z. B. A schuldet an B 1000 Durch gerichtlichen Pfändungsbeschluß wird diese Forderung gepfändet und dem C zur Einziehung überwiesen. Vier Wochen später wird dem A abermals ein Gerichtsbeschluß zugestellt, welcher die abermalige Pfändung der Forderung, diesmal für D und Überweisung an D zur Einziehung enthält. $n diesem Falle darf A an D nicht bezahlen, weil er von der Überweisung an C Kenntnis hat. Hätte aber C die Forderung nicht gepfändet, sondern von B abgetreten erhalten und hätte A hiervon keine sichere Kenntnis erlangt, so würde A durch Zahlung an D seiner Schuld ledig. Dem früheren Erwerber der Forderung bleiben jedoch seine Ansprüche gegen den nochmals abtretenden bisherigen Gläubiger wegen unerlaubter Handlung und gegen den Dritten wegen ungerechtfertigter Bereicherung unbenommen. Beurkundung Zur Wirksamkeit der Abtretung ist weder die Ausstellung der Abtretung, einer Urkunde über die Abtretung noch eine Anzeige von der Abtretung an den Schuldner erforderlich. Jedoch ist der bis­ herige Gläubiger verpflichtet, auf Verlangen des neuen Gläu­ bigers diesem eine öffentlich beglaubigte Urkunde oder auch nur eine einfache schriftliche Bestätigung über die Abtretung auszustellen. Die hierauf erwachsenden Kosten hat der neue Gläubiger zu tragen und vorzuschießen, so daß der bisherige Gläubiger die Ausstellung der Abtretungserklärung erst nach Bezahlung des hierzu erforderlichen Geldbetrages vorzunehmen braucht. Handelt es sich um eine Forderungsübertragung kraft Gesetzes, so hat der bisherige Gläubiger auf Verlangen des neuen Gläubigers diesem eine öffentlich beglaubigte Ur­ kunde darüber auszustellen, daß er den kraft Gesetzes erfolgten Übergang der.Forderung anerkenne (§ 403). iluskunftspflicht Ebenso ist der bisherige Gläubiger mangels abweichender b@(äu6tgetim Vereinbarung verpflichtet, dem neuen Gläubiger die zur Geltend­ machung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die zum Beweise der Forderung dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitze befinden, auszuliefern (§ 402). Solche Urkunden sind z. B. Schuldscheine, Briefe, welche eine An­ erkennung der Forderung enthalten, Grundbuchsauszüge, die von einer Sparkasse ausgestellten Sparkassenbücher,Z u. s. w. Der Verpflichtung zur Auslieferung der Urkunden wird mit Einräumung des Besitzes genügt. Auf Verschaffung des Eigen­ tums an den Urkunden geht die Verpflichtung nicht. Dieselbe besteht aber auch dann, wenn nur ein Teil der Forderung oder von mehreren Forderungen, über welche nur gemeinschaftliche beweisdienliche Urkunden vorhanden sind, nur eine Forderung abgetreten wurde. Auch in diesen Fällen ist der bisherige *) ROLG 4 S. 337.

Übertragung von Forderungen und anderen Rechten.

311

Gläubiger nicht etwa nur zur Einräumung des Mitbesitzes, sondern zur Herausgabe der Beweisurkunden verpflichtet, soferne nicht öffentlich beglaubigte Auszüge zum Beweise der Forderung genügen. Geht die Forderung durch mehrere Hände, so ist nur der jeweilige Vorgänger, nicht aber auch sind dessen Vormänner zur Auskunftserteilung und Auslieferung der Beweisurkunden verpflichtet. Zeigt der Gläubiger dem Schuldner an, daß er die For- Wirkung von Bederung abgetreten habe, so muß er dem Schuldner gegenüber uyl^geet>e"b die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn Abtretung, die Abtretung nicht erfolgt oder nicht wirksam, anfechtbar oder nichtig ist (§ 409 Abs. 1). Die Anzeige von der Abtretung ist eine einseitige empfangsbedürftige, an keine Form ge­ bundene Willenserklärung. Dieselbe muß, wenn sie oben­ bezeichnete Wirkung haben soll, vom bisherigen Gläubiger ausgehen. Ob sie vor oder nach der Abtretung erfolgt, ist gleichgültig. Die Anzeige kann nur mit Zustimmung desjenigen zurückgenommen werden, welcher als der neue Gläubiger be­ zeichnet worden ist. Ist die Abtretung in Wirklichkeit nicht erfolgt, nichtig oder infolge Anfechtung unwirksam, so kann der Gläubiger von dem in der Anzeige bezeichneten neuen Gläubiger die Zustimmung zu der Zurücknahme nach Maßgabe der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. Mit der Zurücknahme der Anzeige hören deren Wirkungen für die Zukunft auf. Ihre Wirkungen treten überhaupt nicht ein, wenn sie nichtig oder infolge An­ fechtung unwirksam ist. Ist die Anzeige gültig, so ist der Schuldner berechtigt, den in der Anzeige bezeichneten Gläubiger als seinen Gläubiger zu betrachten. Der Schuldner ist hierzu auch dann berechtigt, wenn er weiß, daß die Ab­ tretung nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Nur dann, wenn er vorsätzlich dem anzeigenden Gläubiger Schaden zufügt, kann er diesem wegen unerlaubter Handlung schadensersatzpflichtig werden. Der Schuldner hat keine Verpflichtung, die Rechts­ gültigkeit der Abtretung zu prüfen, wohl aber die Berechtigung, dies zu tun und die Einrede, daß der neue Gläubiger nicht Gläubiger geworden ist, abzuleiten. Tritt der bisherige Gläu­ biger nach der Anzeige nicht an den in der Anzeige als neuen Gläubiger Bezeichneten, sondern an einen Dritten die For­ derung ab, so braucht dieser die angezeigte Abtretung nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn die Anzeige nach der Abtretung erfolgt und der Schuldner diese Abtretung nicht kennt; denn der Schuldner erwirbt nur gegenüber dem bisherigen Gläubiger das Recht, den in der Anzeige Benannten als neuen Gläubiger zu betrachten, während die Forderung weder be­ schränkt noch mit einer Einrede belastet wird. Ebenso muß dann, wenn der bisherige Gläubiger nach der Abtretung die Anzeige

312

Legitimation des neuen Gläubigers.

Subjekte der Schuldverhältnisse.

erstattet, daß er an einen Dritten, nicht an den neuen Gläubiger die Forderung abgetreten habe, der neue Gläubiger die An­ zeige, daß an den Dritten abgetreten sei, gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner bei der Anzeigeerstattung die Abtretung kennt. Denn die Anzeige des bisherigen Gläu­ bigers von der Abtretung ist ein zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vor­ genommenes Rechtsgeschäft (§ 407). In gleicher Weise wie bei der Anzeige der Abtretung muß der bisherige Gläubiger dann, wenn er eine Urkunde über die Abtretung dem in der Urkunde bezeichneten neuen Gläubiger ausgestellt hat und dieser sie dem Schuldner vorlegt, die Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn dieselbe nicht erfolgt oder nicht wirksam ist (§ 409 Abs. 1). Die Aushän­ digung der Urkunde an den Schuldner oder eine Einsichtnahme durch diesen ist nicht notwendig. An sich ist die Ausstellung einer Urkunde über die Ab­ tretung nicht erforderlich; ebenso nicht eine Anzeige. Der Schuldner ist aber nur dann, wenn ihm der bisherige Gläu­ biger die erfolgte Abtretung schriftlich anzeigt, diesem gegen­ über genügend gedeckt, wenn er Zahlungen an den neuen Gläubiger oder mit letzterem Rechtsgeschäfte über die Forderung vornimmt. Der Schuldner ist daher, soferne nicht der bisherige Gläubiger dem Schuldner die Abtretung schriftlich angezeigt hat, dem neuen Gläubiger gegenüber nur gegen Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger über die Abtretung aus­ gestellten Urkunde verpflichtet. Der Schuldner kann die Leistung so lange verweigern, bis ihm die Urkunde über die Abtretung ausgehändigt wird. Dieser Rechtssatz bedeutet aber nur eine Beschränkung der Leistungspflicht des Schuldners und ge­ währt kein Zurückbehaltungsrechts) Will der neue Gläubiger die abgetretene Forderung zum Konkurse des Schuldners anmelden, so muß er die Abtretungsurkunde mit vorlegen, widrigenfalls der Konkursverwalter berechtigt und verpflichtet wäre, das angemeldete Forderungsrecht zu bestreiten?) Da­ gegen hat der Schuldner kein selbständiges Recht auf Aus­ händigung einer über die Abtretung ausgestellten Urkunde. Er hat dies auch dann nicht, wenn er vom Gläubiger Abnahme der Leistung verlangen kann. Da dem Schuldner ein Anspruch auf Aushändigung der Abtretungsurkunde nicht zusteht, kann auch der neue Gläubiger die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes nicht durch Sicherheitsleistung ab­ wenden. Auch ist, soferne.nicht der bisherige Gläubiger dem Schuldner die Abtretung schriftlich angezeigt hat, eine Kün*) ROLG 7 S. 297, 8 S. 48. 2) ROLG 5 S. 144.

Schuldübernahme.

313

digung oder Mahnung des neuen Gläubigers unwirksam, wenn sie ohne Vorlegung einer über die Abtretung ausgestellten Urkunde erfolgt und der Schuldner sie aus diesem Grunde unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern zurückweist. Die Beweislast dafür, daß die Abtretungsurkunde nicht vorgelegt wurde und daß er aus diesem Grunde Kündigung oder Mah­ nung unverzüglich zurückgewiesen habe, trifft den Schuldner (§ 410). Die Abtretungsurkunde braucht nicht öffentlich be­ glaubigt zu sein. Handelt es sich um Übertragung einer For­ derung kraft Gesetzes, so muß die Urkunde die Anerkennung des kraft Gesetzes erfolgten Überganges der Forderung enthalten.

8 97. Schuldübernahme. Unter Schuldübernahme verst.eht man den ®^lbb.cr Eintritt eines neuen Schuldners an Stelle des üb?m°hm°. bisherigen durch Vertrag. Außer durch Vertrag können Schulden übergehen kraft Gesetzes, so z. B. im Wege der Erbfolge. Die Schuldübernahme kann erfolgen entweder^^Mtrag" a) durch einen Vertrag zwischen dem Gläu­ biger und dem Übernehmer oder b) durch einen Vertrag zwischen dem bisherigen Schuldner und dem Übernehmer. In beiden Fällen bedarf der SchuldübernahmevertragkeinerForm. Dies gilt auch dann, wenn zwischen dem Gläubiger und einem Dritten ein Vertrag des Inhalts ge­ schlossen wird, daß der Dritte als Gesamtschuldner neben dem bis­ herigen Schuldner in die Haftung eintreten soll, — sogenannte kumulative Schuldübernahme —, soferne nicht der Vertrag eine Bürgschaftserklärung enthält.*) Der Schuldübernahmevertrag ist ein a b st r a k t e r V e r t r a g, sohin in seiner Wirkung unabhängig von seinem Zwecke und dem Rechtsgrunde, aus welchem er geschlossen wurde. Die Schuldübernahme ist bei allen Schuld­ verhältnissen zulässig und zwar auch dann, wenn für die Leistung die Persönlichkeit des Schuldners derart wesentlich ist, daß die Leistung durch einen anderen als den ursprüng­ lichen Schuldner nicht ohne Veränderung ihres Inhaltes er­ folgen kann. Voraussetzungen für die SchuldübernahmeBoraursetzung-n sl nd lediglich: Übernahme, a) das Vorhandensein einer gültigen Schuld. Ist die Verpflichtung aus dem Schuldverhältnisse unwirksam *) BlfRA 68 S. 305, ROLG 4 S. 54 und DIZ 1903 S. 422, ROLG 8 S. 84, anders RG 51 S 120, da die Erwägungen, welche zur Vorschrift der Schriftform für die Bürgschaft in § 766 geführt haben, auch für die kumulative Schuldübernahme zutreffend seien; ebenso bayr. Oberstes Landesgericht in SammlnF 4 S. 330 und ROLG 6 S. 449.

314

Subjekte der Schuldverhältnisse.

oder infolge erfolgreicher Anfechtnng unwirksam geworden, so ist der Übernehmer zu keiner Leistung verpflichtet. b) Gültigkeit des Schuld übernahmevertra ges. Wird der Schuldübernahmevertrag mit Erfolg angefochten, z. B. weil der Gläubiger infolge arglistiger Täuschung des Schuldners oder mit dessen Willen infolge arglistiger Täuschung eines Anderen dazu bestimmt wurde, einen Schuldübernahmerverrrag mit einem Dritten einzugehen, so entfallen die Wir­ kungen des Schuldübernahmevertrags, gleich als ob er niemals geschlossen worden wäre. ErsüllungsübcrVom Schuldübernahmevertrag ist streng zu unterscheiden nt^,nc der Vertrag zwischen dem Schuldner und einem Dritten, durch welchen sich der Dritte dem Schuldner gegenüber verpflichtet, dessen Gläubiger zu befriedigen — sog. Erfüllungsübernahme. In diesem Falle 'wird der Schuldner von seiner Verpflichtung nicht befreit, sondern nur eine Verpflichtung des Dritten gegenüber dem Schuldner begründet. SchuldüberWird der Schuldübernahmevertrag zwischen zwächen°Gläu-de m Dritten und dem Gläubiger geschlossen, so wird blger und der Schuldner, ohne daß es seiner Zustimmung bedarf, ja ernehmer. ^Ogar gegen seinen Willen von seiner Schuld befreit. Wieder­ aufhebung des Schuldübernahmevertrags stellt die Verpflichtung des Schuldners nicht wieder her. Der Vertrag bewirkt sofort und für immer, daß der Dritte an die Stelle des Schuldners tritt (8 414). SchuldüberWird die Schuldübernahme zwischen dem zwischen Dritten und dem Schuldner vereinbart, so hängt ihre ^überüehmer^ Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers ab. Die Genehmigung, eine einseitige empfangsbedürftige Willens­ erklärung, kann erst erfolgen, wenn der Schuldner oder der Dritte dem Gläubiger die Schuldübernahme mitgeteilt har. Eine vor oder bei dem Abschlüsse des Übernahmevertrages er­ teilte Einwilligung des Gläubigers zu dem Vertrage macht eine Genehmigung überflüssig und bewirkt sofortige Wirksamkeit der Schuldübernahme. Bis zur Genehmigung können die Par­ teien den Vertrag ändern oder aufheben. Bei vorher erteilter Einwilligung des 'Gläubigers ist dies unzulässig. Bis zur Er­ teilung der Genehmigung wirkt der Übernahmevertrag nur zwischen Schuldner und Übernehmer. Der Übernehmer ist jedoch, solange nicht der Gläubiger die Genehmigung erteilt hat, dem Schuldner gegenüber zur rechtzeitigen Befriedigung des Gläubigers verpflichtet, soferne nicht etwas Anderes verein­ bart ist. Mit der Erteilung der Genehmigung tritt der Über­ nehmer an die Stelle des bisherigen Schuldners. Die Geneh­ migung hat rückwirkende Kraft, so daß die Wirkung des Über­ nahmevertrags als mit dem Abschlüsse desselben eingetreten gilt. War demnach der Schuldner in der Zeit zwischen dem

Schuldübernahme.

315

Abschlüsse des Übernahmevertrags und der Erteilung der Ge­ nehmigung in Verzug gekommen, so gilt mit der erfolgten Genehmigung der Verzug als nicht eingetreten. Die Haftung des Schuldners wegen Verzugs entfällt. Auch der Übernehmer haftet dem Gläubiger nicht wegen Erfüllungsverzugs, denn er ist nur dem Schuldner zur rechtzeitigen Befriedigung des Gläubigers verpflichtet. Die Genehmigung ist an keine Form gebunden, sie kann auch durch schlüssige Handlungen z. B. dadurch erfolgen, daß der Gläubiger den Übernehmer an Stelle des alten Schuldners in Anspruch nimmt. Wird die Genehmi­ gung „verweigert, so gilt die Schuldübernahme als nicht erfolgt. Der Übernehmer ist aber im Zweifel dem Schuldner gegenüber gleichwohl zur rechtzeitigen Befriedigung des Gläubigers ver­ pflichtet. Unter der „rechtzeitigen Befriedigung" ist nur eine Befriedigung zu dem Zeitpunkte zu verstehen, in welchem der Gläubiger das Recht hat, Zahlung zu verlangen. Dagegen ist der Übernehmer nicht verpflichtet, den Schuldner schon vor diesem Zeitpunkte von der Mithaftung zu Befreien.1) Der Übernehmer und der Schuldner können den Gläubiger unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung über die Genehmigung ausfordern. Daß diese Frist eine angemessene sei, wird nicht erfordert. Aus dem Begriffe „Frist" folgt aber, daß dem Gläubiger einige Zeit zur Überlegung und zur Erklärung ge­ lassen werden muß. Fordert der Schuldner oder der Über­ nehmer den Gläubiger unter Bestimmung einer Frist zur Er­ klärung über die Genehmigung auf, so kann die Genehmigung nur bis zum Ablaufe der Frist erklärt werden. Geschieht dies nicht, so gilt die Genehmigung als verweigert. Daß die Ge­ nehmigung gerade dem Teile gegenüber erklärt wird, welcher unter Fristsetzung den Gläubiger zur Erklärung über die Ge­ nehmigung aufforderte, ist nicht erforderlich. Die Erklärung kann auch durch „ schlüssige Handlungen geschehen. Haben Schuldner und Übernehmer je für sich dem Gläubiger eine Frist- von verschiedener Dauer zur Erklärung über die Geneh­ migung gesetzt, so gilt die Genehmigung als verweigert, so­ bald eine der Fristen abgelaufen ist (§ 415). Anlangend die Beweislast, so muß derjenige, welcher sich B-weisiast. auf den Abschluß des Übernahmevertrags und die Genehmigung des Gläubigers beruft, beides beweisen, wogegen derjenige, welcher sich auf die Verweigerung der Genehmigung beruft, nur zu beweisen hat, daß dem Gläubiger eine Frist gesetzt wurde und daß diese Frist abgelaufen ist. ... Grundsätzlich ist die Genehmigung wirksam ohne Rücksicht s3$”efarncr darauf, ob die Schuldübernahme dem Gläubiger von dem bisherigen Schuldner oder von dem Übernehmer mitgeteilt wor- den Grundstü«') ROLG 4 S. 228.

316

Subjekte der Schuldverhältnisse.

den ist. Von diesem Grundsätze besteht eine Ausnahme für den Fall, daß der Erwerber eines Grundstücks durch Vertrag mit demjenigen, welcher sei es entgeltlich sei es unentgeltlich das Grundstück an ihn veräußert, eine Schuld des Veräußerers übernimmt, für welche eine Hypothek an dem veräußerten Grundstücke besteht. Dieser Fall ist z. B. dann gegeben, wenn Jemand, der ein Anwesen kauft, die auf dem Anwesen ruhen­ den Hypotheken in Anrechnung auf den Kaufpreis übernimmt. Die Anwendung der nachfolgenden Ausnahmevorschriften, welche auf Grundschulden selbst dann keine Anwendung finden, wenn der Veräußerer für sie persönlich haftet, setzt voraus, daß der Veräußerer zugleich der persönliche Schuldner der hypothekarisch versicherten Forderung ist und daß eine Hypothek auf dem Grundstücke ruht. In diesen Fällen und unter diesen Voraussetzungen kann der Gläubiger die Schuldübernahme nur dann genehmigen, wenn der Veräußerer sie ihm mitteilt. Erfolgt die Mitteilung der Schuldübernahme an den Gläubiger nur durch den Erwerber, so hat eine Geneh­ migung keine Wirkung. Dem Erwerber steht kein Recht zu, dem Gläubiger die Schuldübernahme mitzuteilen. Auch muß') die Mitteilung von der Schuldübernahme schriftlich geschehen und den Hinweis enthalten, daß der Übernehmer an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, wenn nicht der Gläubiger die Verweigerung der Genehmigung innerhalb sechs Monaten seit dem Empfange der Mitteilung erklärt. Die Mit­ teilung des Veräußerers von der Schuldübernahme kann erst erfolgen, wenn der Erwerber als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuche eingetragen ist. Eine vorher erfolgte Mit­ teilung ist unwirksam und kann eine Genehmigung auf Grund einer vor der Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch erfolgenden Mitteilung keine Wirkung haben. Dagegen kann die Mitteilung der Schuldübernahme auch dann noch wirksam erfolgen, wenn der Erwerber nicht mehr als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, so z. B. weil er dos Grundstück wieder verkauft hat?) Die Verweigerung der Genehmigung kann nur dem Veräußerer gegenüber wirksam erfolgen. Sind seit dem Empfange der Mitteilung sechs Monate verstrichen, ohne daß der Gläubiger die Genehmigung dem Veräußerer gegen­ über verweigert hat, so gilt die Genehmigung als erteilt. Wird die Genehmigung gegeben, so kann dies gegenüber dem Ver­ äußerer und gegenüber dem Erwerber geschehen. (§ 416 Abs. 1 u. 2.) ' Diese Vorschriften über die Übernahme einer Schuld, für welche eine Hypothek besteht, durch den Grundstückserwerber sind zwingenden Rechts. *) ROLG 8 S. 61. *) IW 1904 S. 59; anders ROLG 8 S. 49.

Schuldübernahme.

317

Der Veräußerer ist .gegenüber dem Erwerber verpflichtet, auf 'des Letzteren Verlangen dem Gläubiger die Schuldüber­ nahme mitzuteilen. Eine schuldhafte Verzögerung der Mit­ teilung trotz des Verlangens von Seite des Erwerbers macht den Veräußerer schadensersatzpflichtig. Ferner ist der Ver­ äußerer verpflichtet, sobald die Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung feststeht, den Erwerber hievon unverzüglich und bei Vermeidung seiner Verpflichtung zum Schadensersätze unaufgefordert zu benachrichtigen (§ 416 Abs. 3). Die Schuldübernahme bewirkt den Eintritt Wirkung der des Übernehmers in das Schuldverhältnis als ®*“1hb£ber= Schuldner an Stelle des bisherigen Schuldners und die Befreiung des bisherigen Schuldners von seiner Schuld. An seiner Stelle haftet nunmehr der Übernehmer. Werden zukünftige Schulden übernommen, so ist die Schuldübernahme bedingt durch die Entstehung der Schul­ den, wirkt aber mit letzterer ohne weiteres. Die Haftung des Übernehmers ist dieselbe wie jene des bisherigen Schuldners. Der Übernehmer haftet demzufolge, soferne nicht etwas Anderes vereinbart ist, auch für die Nebenverpflichtungen wie z. B. Zinsen, Vertragsstrafen, Entschädigung wegen Verzugs, Schadensersatz u. s. w. Da die Schuld 'bie eigene Schuld des Übernehmers geworden ist, so ist es selbst­ verständlich, daß der Übernehmer dem Gläubiger die ihm selbst zustehenden Einwendungen entgegensetzen und mit den ihm zu­ stehenden Gegenforderungen aufrechnen kann. Dagegen kann der Übernehmer nicht mit einer dem bisherigen Schuldner zu­ stehenden Forderung ausrechnen. Ebenso kann der Übernehmer aus dem der Schuldübernahme zu Grunde liegenden Rechts­ verhältnisse zwischen dem Übernehmer und dem bisherigen Schuldner dem Gläubiger gegenüber keine Einwendungen herleiten, da der Schuldübernahmevertrag ein abstrakter Ver­ trag ist. Dagegen kann der Übernehmer dem Gläubiger die­ jenigen Einwendungen entgegensetzen, welche sich aus dem Rechtsverhältnisse zwischen dem Gläubiger und dem bisherigen Schuldner ergeben (§ 417). Maßgebend ist hiebei stets der Zeitpunkt des Abschlusses des Schuldübernahmevertrags, nicht der Zeitpunkt der Genehmigung durch den Gläubiger. Der­ artige Einwendungen sind z. B. die Einrede, daß ein Stun­ dungsvertrag geschlossen sei, der Einwand des nicht erfüllten Vertrags,' der Tilgung der Schuld, der Einwand, daß die Forderung „ nur auf einem Scheingeschäfte beruhe. Dagegen kann der Übernehmer nicht geltend machen, daß das Forde­ rungsrecht des Gläubigers wegen Irrtum, arglistiger Täuschung oder Drohung anfechtbar sei. Denn die Anfechtbarkeit wird nur berücksichtigt, wenn sie von demjenigen geltend gemacht wird, welchem das Gesetz das Recht dazu einräumt. Zur An-

318

Subjekte der Schuldverhältnisse.

fechtung ist aber nur derjenige berechtigt, welcher sich im Irr­ tum befand oder durch arglistige Täuschung oder Drohung zur Abgabe einer „Willenserklärung bestimmt wurde. Da der Übernehmer aus dem der Schuldübernahme zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisse zwischen ihm und dem bisherigen Schuldner dem Gläubiger gegenüber keine Einwen­ dungen machen kann, der Schuldner aber, von seiner Schuld befreit wird, so haftet der Schuldner dem Übernehmer wegen ungerechtfertigter Bereicherung dann, wenn der Übernehmer nicht zu der ihm vom Schuldner zugesagten Gegenleistung ge­ langt. Gegen den Gläubiger kann der Übernehmer selbst dann nicht einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereiche­ rung geltend machen, wenn er die Schuld in der irrigen Meinung, dem Gläubiger dazu verpflichtet zu sein, über­ nommen hat Infolge der Schuldübernahme erlöschen die für die Forde­ rung bestellten Bürgschaften und Pfandrechte. Ge­ setzliche Bürgschaften und Pfandrechte sowie Pfändungspfand­ rechte bleiben bestehen. Vertragsmäßige Bürgschaften und Pfandrechte können aber durch Einwilligung des Bürgen oder Pfandbestellers in die Forthaftung aufrecht erhalten werden. Diese Einwilligung, ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechts­ geschäft, kann vor oder bei, nicht aber nach der Schuldüber­ nahme gegenüber den Vertragsschließenden erklärt werden. Ge­ hört die Pfandsache dem Übernehmer, so liegt in dem Ab­ schlüsse des Übernahmevertrags die Einwilligung zur Weiterhaf­ tung der Pfandsache. Das Gleiche ist der Fall, wenn, der Übernahmevertrag zwischen dem Schuldner und dem Über­ nehmer geschlossen wird und der Schuldner Eigentümer der Pfandsache ist (§ 418 Abs. 1). Besteht für die Forderung eine Hypothek, so tritt das Gleiche ein, wie wenn der Gläubiger auf die Hypothek ver­ zichtet. Die Hypothek erlischt nicht; sie wird vom Eigentümer des Grundstücks erworben. Im Falle Bestehens einer Ge­ samthypothek fällt dieselbe den Eigentümern der belasteten Grundstücke gemeinschaftlich zu. Willigt der Eigentümer des. mit der Hypothek belasteten Grundstücks in den Fortbestand der Hypothek für die Forderung ein, so haftet das Grundstück auch weiterhin für die Forderung (§ 418 Abs. 1). Eine Hypothekvormerkung erlischt und kann der Grundstücks­ eigentümer Löschung verlangen, wenn nicht der Fortbestand der Vormerkung vereinbart wird. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bleibt als zum Inhalte des Schuldverhältnisses gehörig aufrecht erhalten. Dagegen entfällt das Zurückbehaltungsrecht, es müßte denn sein,,, daß der dem Schuldner zustehende Gegenanspruch auf den Übernehmer übertragen worden ist.

Vertragsmäßige Übernahme des Vermögens.

319

Ein mit der Forderung für den Fall des Konkurses ver­ bundenes Vorzugsrecht kann im Konkurse über das Ver­ mögen des Übernehmers nicht geltend gemacht werden (§ 418 Abs. 2).

§ 98. Vertragsmäßige Übernahme des Vermögens. Übernimmt Jemand durch Vertrag das gegen­ wärtige Vermögen eines Anderen oder einen Bruchteil dieses Vermögens, so tritt der Er­ werber kraft Gesetzes in alle Verpflichtungen des bisherigen Vermögensinhabers neben diesem ein. Die Gläubiger des Veräußerers können von dem Ab­ schlüsse des Vertrags an ihre zu dieser Zeit bestehenden An­ sprüche auch gegen den Übernehmer geltend machen. Über­ nehmer und bisheriger Vermögensinhaber haften als Gefamtschuldner. Die Haftung des Übernehmers kann nicht durch Vereinbarung zwischen ihm und dem bisherigen Schuldner ausgeschlossen oder „beschränkt werden. Indessen beschränkt sich die Haftung des Übernehmers auf den Bestand des über­ nommenen Vermögens und die aus dem Vertrage zustehenden Ansprüche. Der Übernehmer kann die Befriedigung der Gläu­ biger insoweit verweigern, als das übernommene Vermögen und die ihm aus dem Übernahmevertrage gegen den bisherigen Schuldner zustehenden Ansprüche nicht ausreichen. Tut er dies, so hat er das übernommene Vermögen und die erwähnten Ansprüche zum Zwecke der Befriedigung der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben. Auch ist er den Gläubigern für die bisherige Verwaltung des übernommenen Vermögens und der mehrerwähnten Ansprüche verantwortlich, wie wenn er die Verwaltung von dem Abschlüsse des Über­ nahmevertrags an als Beauftragter der Gläubiger zu führen gehabt hätte. Die Berichtigung einer, zu dem Vermögen ge­ hörigen Verbindlichkeit durch den Übernehmer müssen die Gläubiger als für, Rechnung des Vermögens erfolgt gelten lassen, wenn der Übernehmer den Umständen nach annehmen durfte, daß das Vermögen zur Berichtigung aller Verbindlich­ keiten ausreiche. Die infolge der Vermögensübernahme durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder Belastung er­ loschenen Rechtsverhältnisse gelten im Verhältnisse zwischen den Gläubigern und dem Übernehmer als nicht erloschen (§§ 419, 1990, 1991):

320

Aushebung der Schuldverhältnisse.

4. Kapitel.

Aufhebung der Schukduerhättnisse.

§ 99. Die Schuldaufhebungsgründe im allgemeinen. Die Gründe, welche die Aufhebung der Schuldverhältnisse herbeiführen, sind Erfüllung, Hinterlegung, Schuld­ erlaß, Rücktritt vom Vertrage, Vereinigung von Forderung undSchuld in einerPerson, Erfüllung einer auflösenden Bedingung, Eintritt eines End­ termins, Unmöglichkeit der Leistung, falls die Unmöglichkeit weder vom Gläubiger noch vom Schuldner zu vertreten ist, Tod des Schuldners oder Gläubigers, wenn das Schuldverhältnis von seinen Subjekten nicht losgelöst werden kann, sowie die auf Auf­ hebung des Schuldverhältnisses gerichtete Vereinbarung des Gläubigers und Schuldners. Das aberkennende Urteil hebt den aberkannten Anspruch, falls er bestand, nicht auf; die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache gewährt nur die Möglichkeit, die Geltendmachung des aberkannten Anspruchs hintanzuhalten. Ebenso läßt die Verjährung den Anspruch bestehen und gewährt nur dem Schuldner das Recht, die Leistung zu verweigern.

§ 100. Erfüllung nnd Hingabe an Erfüllungsstatt. Begriff und

Boraussetzungen der Erfüllung,

Teilleistungen.

Erfüllung ist Leistung de s Geschuld eten. Das S chuldVerhältnis erlischt, wenn der Gläubiger dasjenige erhalten hat, was er kraft des Schuld­ verhältnisses zu fordern berechtigt ist, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (§ 362 Abs. 1). Zu der Erfüllung kann einseitiges Handeln oder Unterlassen des Schuldners genügen oder eine Mitwirkung des Gläubigers erforderlich sein. Die Erfüllung ist grundsätzlich nicht als Vertrag aufzufassen. Sie hat Vertrags­ charakter jedenfalls dann nicht, wenn die geschuldete Leistung ohne Mitwirkung des Gläubigers durch einseitiges Handeln des Schuldners bewirkt werden kann. Nur dann, wenn eine Mitwirkung oder eine Erklärung des Gläubigers, die Leistung als Erfüllung annehmen zu wollen, zur Erfüllung erforderlich ist, liegt der Erfüllung ein Vertrag zu Grunde. Damit Erfüllung vorliegt, wird erfordert: 1. daß die geschuldete Leistung vollständig, am rechten Ort und zur rechten Zeit bewirkt wird. Teilleistungen braucht der Gläubiger nicht anzunehmen.

Verpflichtungen des Vermieters sowie des Verpächters k.

443

Pachtzeit zu gewähren, soweit solche nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag des verpachteten Gegenstandes anzusehen sind. Hieraus folgt, daß der Ver­ pächter nicht nur selbst den Früchtegenuß des Pächters nicht schmälern darf, sondern daß er auch verpflichtet ist, etwaigen durch Dritte erfolgende Beeinträchtigungen des Pächters im Früchtegenuß entgegenzutreten. 4. Der Vermieter ist verpflichtet, dem Mieter die auf die Sache gemachten notwendigen, d. h. für die Erhaltung Verwendungen, der Sache erforderlichen Verwendungen zu ersetzen. Nur hat der Mieter eines Tieres die Fütterungskosten selbst zu tragen. Für andere als notwendige Verwendungen, mögen die­ selben auch noch so nützlich sein, ist der Vermieter dem anderen Vertragsteile nur nach den Vorschriften über die Geschäfts­ führung ohne Auftrag zum Ersätze verpflichtet. Die Verwen­ dung muß daher vor allem mit Rücksicht auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Vermieters oder zur Erfüllung eines öffentlichen Interesses geschehen sein, welches ohne dem nicht rechtzeitig erfüllt worden wäre. Die Verpflichtung zum.Ersatze von Aufwendungen trifft den Verpächter in gleicher Weise wie den Vermieter, jedoch mit dem Abmaße, daß, wie oben (Ziff. 2) erwähnt, der Pächter eines landwirtschaftlichen Grundstücks die gewöhnlichen Aus­ besserungen auf seine Kosten zu bewirken hat (§ 547). Der Anspruch auf Ersatz der Verwendungen verjährt in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses (§ 558). 5. Mieter und Pächter sind berechtigt, Einrichtungen, mit der sie die Sache versehen haben, z. B. Badeeinrichtungen Wegnahme v°n Telephonanlagen, Läutwerke, Gartenhäuser u. s. w. weg- (hnn'%tun0en' zunehmen. Sie sind aber alsdann verpflichtet, den Vertrags­ gegenstand in seinen vorigen Zustand auf ihre Kosten wieder zu versetzen (§§ 547, 258)'. Der Anspruch des Mieters oder Pächters auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjährt in sechs Monaten Die Verjährung beginnt mit Beendigung des Vertragsverhältnisies (§ 558). 6. Die auf dem Vertragsgegenstand ruhendenHAWAU^ privat- und öffentlich-rechtlichen Lasten, wie z. B. Verpächterszur Steuern, Hypotheken- und Grundschuldzinsen, Gemeindeab- ^dem^Vertragrgaben, Wasserzinse, Brandversicherungsbeiträge u. s. w. haben Vermieter und Verpächter zu tragen. Diese Vor­ schrift betrifft aber nur das Verhältnis der Vertragsteile zu einander, so daß, wenn z. B. nach öffentlich-rechtlichen Normen der Pächter neben dem Verpächter zur Lastentragung ver­ pflichtet ist, der Pächter zunächst leisten muß, dann aber an den Verpächter sich halten kann (§ 546).

444

Miete und Pacht.

miet«®unb7- Vermieter und Verpächter haften für jedes ihrer vertragsmäßigen Verpflichzur Last fallende Verschulden und haben nach allgemeinen Grundsätzen das Verschulden ihrer ge­ setzlichen Vertreter und jener Personen zu vertreten, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedienen. 8. Endlich haften Vermieter und Verpächter wegen Mängel und zugesicherter Eigenschaft der Miet- und Pachtsache sowie dafür, daß an dem Vertragsgegenstände nicht Rechte Dritter bestehen, durch welche der Gebrauch der gemieteten oder ge­ pachteten Sache dem Mieter oder Pächter ganz oder zum Teil entzogen wird.

piSt««fürjedesbei Erfüllung erschu en. Bungen ihnen

8 128. Haftung des Vermieters 'und Verpächters wegen Mängel der vermieteten oder verpachteten Sache. Die Mängel der vermieteten oder verpachteten Sache können bestehen: 1. darin, daß die Sache mit einem Fehler behaftet ist, welcher ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufhebt oder mindert. So z. A., wenn das gemietete Tier krank, die gemietete Wohnung voll Ungeziefer, das gepachtete Landgut baufällig ist u. s. w. — physischer Mangel. 2. darin, daß zugesicherte Eigenschaften der Sache fehlen oder wegfallen. Bei der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks steht die Zusicherung einer bestimmten Größe der Zusicherung einer Eigenschaft gleich (§ 537 Abs. 2). — M angel zugesich erter Eigenschaften. 3. darin, daß an der Sache Rechte Dritter bestehen, durch welche dem Mieter oder Pächter der vertragsmäßige Gebrauch der Sache ganz oder zum Teil entzogen wird — Mangel im Recht. Für diese Mängel haften Vermieter und Verpächter in folgender Weise: 1. Mieter und Pächter haben Anspruch auf Ver­ tragserfüllung, d. h. Herstellung eines zu dem vertrags­ mäßigen Gebrauche geeigneten Zustandes der Miet- oder Pacht­ sache durch Beseitigung der physischen Mängel und der Rechte Dritter sowie Beschaffung der zugesicherten Eigenschaften. 2. Wenn ter» unb8Si a- die vermietete Sache oder der verpachtete Gegenstand ter» auf Zins- zur Zeit der Überlassung an den Mieter oder Pächter m i t n0*°8' einem Fehler behaftet ist, welcher die Tauglichkeit der vermieteten Sache oder des verpachteten Gegenstandes aufhebt oder mindert, oder wenn b. im Laufe der Miete oder Pacht ein solcher Fehler entsteht oder wenn c. eine zug esicherte Eigenschaft zur Zeit der

Haftung des Vermieters und Verpächters wegen Mängel rc.

445

Überlassung des Vertragsgegenstandes an den Mieter oder Pächter fehlt oder später wegfällt, 6. dnrchdasRecht ein es Dritten dem Miet er oder Pächter der vertragsmäßige Gebrauch des Vertrags­ gegenstandes ganz oder zum Teil entzogen wird, so sind Mieter und Pächter a. für die Zeit, während deren die Tauglichkeit des Ver­ tragsgegenstandes zu dem vertragsmäßigen Gebrauche aufge­ hoben oder letzterer ihnen entzogen ist, von der Entrich­ tung des Miet- nnd Pachtzinses befreit und b. für die Zeit, während deren die Tauglichkeit gemindert oder der vertragsmäßige Gebrauch ihnen teilweise entzogen ist, nur zur Entrichtung eines verhältnismäßig herabgesetzten Miet- oder Pachtzinses verpflich­ tet (88 537, 541). Bei Anwendung dieser Rechtssätze wird ein Verschulden des Vermieters oder Verpächters nicht vorausgesetzt. *) Ebenso ist es ohne Bedeutung, ob der Mangel erheblich oder uner­ heblich ist, soferne nicht die Unerheblichkeit des Mangels eine derartige ist, daß dessen Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Soweit es sich um Mängel im Rechte handelt, gewährt nicht schon die Tatsache, daß einem Dritten an dem Vertragsgegenstände ein dem Mieter oder Pächter nachteiliges Recht zusteht, die Befreiung von der Ver­ pflichtung zur Zinsentrichtung oder die Zinsminderung. Viel­ mehr muß es sich um Rechte handeln, auf Grund deren der Dritte dem Mieter oder Pächter den vertragsmäßigen Ge­ brauch des Vertragsgegenstandes ganz oder zum Teil entziehen kann, und muß der Dritte diese Rechte auch tatsächlich geltend machen. Unter dieser Voraussetzung tritt die Zinsbefreiung aber auch dann ein, wenn das Recht an dem Vertragsgegen­ stände, auf Grund dessen Vermieter oder Verpächter vermieten oder verpachten, selbst nur ein zeitlich beschränktes, z. B. Miet­ oder Nießbrauchsrecht ist, während der Vertragszeit erlischt und der nunmehrige Berechtigte den Gebrauch des Vertrags­ gegenstandes dem Mieter oder Pächter entzieht. Mieter und Pächter haben unter den genannten Voraus­ setzungen nicht nur einen An spruch auf Zinsnachlaß, sondern die Befreiung des Mieters und Pächters von der Verpflichtung zur Zinsentrichtung tritt ebenso wie die Minderung des Zinses unmittelbar kraft Gesetzes ein und sind daher auch von Amts­ wegen zu berücksichtigen. Haben Mieter oder Pächter den Miet- oder Pachtzins im voraus entrichtet, so können sie Rückgabe des Gezahlten nach den Vorschriften über die Heraus­ gabe einer ungerechtfertigten Bereicherung forden. *) RG 52 S. 173.

446

Miete und Pacht.

Die Minderung des Miet- obet Pachtzinses hat unter Berücksichtigung der Zeitdauer des Mangels in dem Ver­ hältnisse zu geschehen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der dem mangelfreien Vertragsgegenstände angemessene Miet­ oder Pachtzins zu dem dem Vertragsgegenstände unter Be­ rücksichtigung seiner Mängel entsprechenden Miet- oder Pachtzins gestanden haben würde. Sind mehrere Gegenstände für einen Gesamtzins vermietet oder verpachtet und sind Mängel nur in Ansehung einzelner Gegenstände vorhanden, so ist bei der Herabsetzung des Miet- oder Pachtzinses der allen Gegen­ ständen zusammen in mangelfreiem Zustande angemessene Miet­ oder Pachtzins zu Grunde zu legen. Sind neben dem in Geld festgesetzten Miet- oder Pachtzins in Anrechnung auf diesen noch andere Leistungen bedungen, welche nicht vertret­ bare Sachen zum Gegenstand haben, so hat die Minderung des Miet- oder Pachtzinses in der Weise zu erfolgen, daß diese Nebenleistungen nach ihrem Wert zur Zeit des Vertragsschlusses in Geld zu veranschlagen sind, worauf durch Zusammenrech­ nung dieses Anschlagswertes und des Geldzinses die Gesamt­ zinssumme festzustellen und diese nun nach den erörterten Re­ geln zu mindern ist. Die Herabsetzung der Gegenleistung des Mieters oder Pächters erfolgt an dem in Geld von vorneherein festgesetzten Miet- oder Pachtzins. Ist dieser geringer als der abzusetzende Betrag, so hat der Vermieter oder Ver­ pächter den überschießenden Betrag dem Mieter oder Pächter zu vergüten (§§ 537, 472, 473). Z. B.: der prakt. Arzt A vermietet an den Lohnkutscher B, welcher ehedem sein Diener war, eine Stallung und eine aus vier Zimmern bestehende Wohnung gegen einen jährlichen Mietzins von nur 440 Jb und gegen das Versprechen, daß B ihn täglich zur Erledigung der Krankenbesuche umherfahre. Die Stallung und ein Zimmer der Wohnung werden infolge von Feuchtigkeit für ein halbes Jahr unbenutzbar. Wenn in diesen Falle die Verpflichtung des B, Wagen und Pferde seinem Vermieter zu Krankenbesuchen zur Verfügung zu stellen, auf 1000 Jb angeschlagen wird, sohin die Gesamtgegenleistung des B auf 1440 Jb zu berechnen, den Mietobjekten aber in mangelfreiem Zustande ein Mietzins von 1800 Jb und, unter Berücksichtigung der Unbenützbarkeit der Stallung und des feuchten Zimmers ein Mietzins von 1200 Jb angemessen ist, so ist der halbjährige Mietanschlags­ zins zu 720 Jb in dem Verhältnis von 1200:1800, d. h. auf 480 Jb herabzumindern. Da der in Geld vereinbarte halb­ jährige Mietzins nur 220 Jb betragen würde, so hat Ä an B 260 Jb zu vergüten; oder ein einfacheres Beispiel: A ver­ mietet ein Verkaufslokal nebst Comptoir um den angemessenen Mietzins von jährlich 1000 Jb an B. Im letzten Vierteljahre wird nebenan ein lärmender Fabrikbetrieb eingerichtet. Unter

Haftung des Vermieters und Verpächters wegen Mängel rc.

447

Berücksichtigung dieses Umstandes ist ein Mietzins von 100 J6 für das Comptoir, ein solcher von 400 jKo für das Verkaufs­ lokal angemessen. Demgemäß ist der Mietzins für das letzte Vierteljahr in dem Verhältnis von 1:2, d. h. auf 125 Jfc herabzumindern. 3. Statt des Rechtes auf gänzlichen oder teilweisen Mieters und Zinsnachlaß können Mieter und Pächter Schadensersatz Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§§ 538, 541): »eafen a) wenn auch ohne ein Verschulden des Vermieters oder Verpächters bei dem Abschlüsse des Miet- oder Pacht­ tz ertra gs a) der Vertragsgegenstand mit einem Fehler behaftet ist, welcher die Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufhebt oder mindert oder /?) eine zugesicherte Eigenschaft des Vertragsgegenstandes fehlt oder y) an dem Vertragsgegenstände das Recht eines Dritten vorhanden ist, durch welches dem Mieter oder Pächter der vertragsmäßige Gebrauch des Vertragsgegenstandes ganz oder zum Teil entzogen wird. In allen diesen Fällen kommt es darauf nicht an, ob der Vermieter oder Verpächter den Mangel kennt oder nicht. Ebenso begründet es keinen Unterschied, ob den Vermieter oder Verpächter ein Verschulden trifft oder nicht. Demzufolge haftet der Vermieter oder Verpächter für alle geheimen Mängel des Vertragsgegenstandes. b) wenn nach dem Abschlüsse des Miet- oder Pachtver­ trages infolge eines von dem Vermieter oder Ver­ pächter zu vertretenden Umstandes a) ein die Tauglichkeit des Vertragsgegenstandes zu dem vertragsmäßigen Gebrauche aufhebender oder mindernder Fehler des Vertragsgegenstandes entsteht oder /?) eine zugesicherte Eigenschaft des Vertragsgegenstandes wegfällt oder y) durch das Recht eines Dritten dem Mieter oder Pächter der vertragsmäßige Gebrauch des Vertragsgegenstandes ganz oder zum Teil entzogen wird. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der Vermieter oder Verpächter dieses Recht selbst bestellt oder gegen die Pfändung des Vertragsgegenstandes, obwohl sie hierzu befugt gewesen wären, aus Nachlässigkeit keinen Widerspruch erhoben haben. Voraussetzung ist stets, daß der Mangel infolge eines Umstandes entstanden ist, den Vermieter oder Verpächter zu vertreten haben. Demgemäß haftet der Vermieter z. B. dann nicht für Schadensersatz wegen Nichterfüllung, wenn der Mieter es unterließ, von einem im Laufe der Miete sich zeigenden

Miete und Pacht.

448

Mangel der gemieteten Sache dem Vermieter unverzüglich Anzeige zu erstatten (s. unten § 129)?) c) wenn Vermieter oder Verpächter mit der Beseitigung eines die Tauglichkeit des Vertrags­ gegenstandes zu dem vertragsmäßigen Gebrauche aufhebenden oder mindernden Fehlers oder mit der Beseitigung des gebrauchsstörenden Rechtes eines Dritten oder mit der Beschaffung einer zu­ gesicherten Eigenschaft des Vertragsgegenstandes in Verzug kommt. In diesem Falle sind Mieter und Pächter auch berechtigt, den Mangel selbst zu beseitigen beziehungsweise die fehlenden Eigenschaften selbst zu beschaffen und Ersatz der hierzu erforder­ lichen Aufwendungen zu verlangen. Besteht demnach an dem Vertragsgegenstände das Recht eines Dritten und wird durch Geltendmachung dieses Rechtes dem Mieter oder Pächter der vertragsmäßige Gebrauch des Vertragsgegenstandes ganz oder teilweise entzogen, so können Mieter und Pächter das Recht dem Dritten abkaufen und nach den Grundsätzen über Geschäfts­ führung ohne Auftrag gegen Abtretung des Rechtes von dem säumigen Vermieter oder Verpächter Ersatz für ihre Unkosten fordern (§ 538 Abs. 2). In allen Fällen, in denen Vermieter und Verpächter wegen Mängel des Vertragsgegenstandes zum Schadensersätze wegen Nichterfüllung verpflichtet sind, können Mieter und Pächter Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur an Stelle der gänz­ lichen oder teilweisen Befreiung von der Verpflichtung zur Ent­ richtung des Mietzinses verlangen. Sie können nur das eine oder das andere Recht wählen, nicht aber beide Rechte neben­ einander geltend machen. Die einmal getroffene Wahl bindet. Doch können Vermieter und Verpächter den anderen Vertrags­ teil nicht zur Ausübung ihres Wahlrechtes zwingen. Ausschluß der Die Rechte auf gänzliche oder teilweise Befreiung von ,m-chlaß Ä' der Verpflichtung zur Entrichtung des Mietzinses und auf w^en°Nichte?- Schadensersatz wegen Nichterfüllung sind unter gewissen Vor­ füllung. aussetzungen ausgeschlossen. So stehen diese Rechte den Mietern und Pächtern nicht zu, wenn dieselben den Mangel, gleichviel welcher Art, bei dem Ab­ schlüsse des Vertrags kennen. Die bezeichneten Rechte des Mieters oder Pächters sind aber trotz Kenntnis des Mangels dann nicht ausgeschlossen, wenn von dem Vermieter oder Ver­ pächter die Beseitigung des Mangels ausdrücklich oder still­ schweigend zugesagt ist. Nehmen Mieter oder Pächter einen Vertragsgegenstand, welcher mit einem seine Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauche aufhebenden oder mindernden Fehler behaftet ist oder welchem eine zugesicherte Eigenschaft ') ROLG 3 S. 27.

Verpflichtungen d. Mieters sowie d. Pächters u. Rechte d. Vermieters rc. 449

fehlt, in Kenntnis dieses Mangels an, so verbleiben die Rechte auf Zinsnachlaß und Schadensersatz wegen Nichterfüllung dem Mieter oder Pächter nur, wenn sie sich ihre Rechte wegen des Mangels bei der Annahme Vorbehalten. Wird ein solcher Vorbehalt unterlassen, so verbleibt dem Mieter oder Pächter lediglich der Anspruch auf Vertragserfüllung. Dagegen schließt die vorbehaltlose Annahme des Vertragsgegenstandes in Kennt­ nis davon, daß Rechte Dritter bestehen, durch welche der ver­ tragsmäßige Gebrauch des Vertragsgegenstandes ganz oder zum Teil entzogen wird, das Recht auf Zinsnachlaß oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht aus, sofern Mieteroder Pächter nicht schon bei Abschluß des Vertrags von dem Bestehen der gebrauchsstörenden Rechte Dritter wußten und sofern nicht in der vorbehaltlosen Annahme ein Verzicht auf Schadensersatz erblickt werden kann. Ist dem Mieter oder Pächter infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, daß der Vertragsgegenstand mit einem seine Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauche aufhebenden oder mindernden Fehler behaftet ist, so können Mieter oder Pächter das Recht auf Zins­ nachlaß und Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur geltend machen, wenn Vermieter oder Verpächter entweder die Ab­ wesenheit des Fehlers zugesichert oder denselben arglistig ver­ schwiegen haben. Blieb dem Mieter oder Pächter infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, daß dem Vertragsgegenstand eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder daß durch das Recht eines Dritten der vertragsmäßige Gebrauch des Vertragsgegen­ standes ganz oder zum Teil entzogen werden kann, so schadet dies den Rechten des Mieters und Pächters auf Zinsnachlaß und Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht. Soweit es auf die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Mieters oder Pächters ankommt, obliegt der Beweis dem Vermieter oder Verpächter (§§ 539, 541). Die Rechtssätze über die Haftung des Vermieters und Verpächters wegen Mängel des Vertragsgegenstandes sind nicht M°ngg durch zwingend. Die Haftung kann durch Vereinbarung der Parteien ®erem6a,uneerweitert, erlassen oder beschränkt werden. Doch ist eine Ver­ einbarung, durch welche die Haftung des Vermieters oder Ver­ pächters erlassen oder beschränkt wird, kraft zwingenden Rechts dann nichtig, wenn, was Mieter oder Pächter zu beweisen haben, Vermieter oder Verpächter den Mangel arglistig ver­ schwiegen haben (§ 540).

§ 129. Verpflichtungen des Mieters sowie des Pächters vnd Rechte des Vermieters sowie des Verpächters. Aus Miet- und Pachtvertrag ergeben sich folgende Ver­ pflichtungen des Mieters oder Pächters und folgende Rechte des Vermieters oder Verpächters: Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

29

Miete und Pacht.

450

Verpflichtung 1. Der Mieter hat den Mietzins', der Pächter ^PLchters^zur'^den Pachtzins zu entrichten (§§ 535, 581). Der MietMet-undPachÄ und Pachtzins besteht regelmäßig in Geld, kann aber auch in Zinses. anderen Gegenleistungen, z. B. in der Leistung von Diensten, in einer Quote der von dem Pachtgegenstande zu gewinnenden Früchte u. s. w. bestehen. Für die richtige und rechtzeitige Bezahlung des Miet­ oder Pachtzinses haftet derjenige, welcher den Miet- oder Pacht­ vertrag geschlossen hat oder für welchen durch seinen gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter der Pacht- oder Mietvertrag geschlossen worden ist. Haben Mann und Frau gemeinschaftlich gemietet oder gepachtet, so haften sie nach allgemeinen Regeln als Gesamtschuldner. Daß eine Ehefrau selbständig, ohne daß eine Mithaftung des Mannes entsteht, mieten und pachten kann, ist zweifellos. ‘) Leben Mann und Frau in allgemeiner Gütergemeinschaft oder in Errungenschaftsgemeinschaft, so haftet, sofern die Beschaffung des Vertragsgegenstandes, z. B. einer Woh­ nung, zum ehelichen Aufwand gehört und eine Gesamtgutsverbind­ lichkeit begründet, das Gesamtgut für den Miet- und Pachtzins. Miet- und Pachtzins sind an den Vermieter beziehungs­ weise Verpächter zu entrichten. Soll die Zahlung an Dritte wirksam sein, so müssen diese zum Empfang des Miet- oder Pachtzinses Vollmacht haben. Nur eine Ehefrau kann ohne besondere Vollmacht zur Empfangnahme des Mietzinses, seltener aber des Pachtzinses berechtigt sein, wenn die Empfangnahme nach Lage des Falles als ein Geschäft innerhalb ihres häus­ lichen Wirkungskreises erachtet werden kann. Vermietet z. B. ein Ehemann ein Zimmer seiner Mietwohnung an einen Zimmer­ herrn, so kann der Zimmerherr den von ihm geschuldeten Mietzins wirksam auch an die Frau des Vermieters bezahlen (§ 1357). Nach allgemeinen Grundsätzen werden Mieter und Pächter von der Verpflichtung zur Entrichtung des Zinses dann befreit, wenn die dem Vermieter oder Verpächter obliegende Gewährung des Gebrauches des vermieteten oder verpachteten Gegenstandes infolge eines von keinem der Vertragsteile zu vertretenden Umstandes unmöglich wird. Liegt aber der Grund, durch welchen der Mieter oder Pächter an der Ausübung des ihnen zustehenden Gebrauchsrechts verhindert werden, in der Per­ son des Mieters oder Pächters, so werden dieselben, auch wenn sie den gebrauchshindernden Umstand nicht zu ver­ treten haben, von der Verpflichtung zur Entrichtung des Mietund Pachtzinses nicht befreit. Wird z. B. der Mieter einer Wohnung durch Krankheit, Versetzung, Einberufung zum Militär u. s. w. gehindert, die gemietete Wohnung in Gebrauch zu nehmen oder weiter zu benutzen, so bleibt er für die Vertrags­ dauer gleichwohl verpflichtet, den Mietzins zu bezahlen. Dieser

') IW 1903 S. 89.

Verpflichtungen d. Mieters sowie d. Pächters u.-Rechte d. Vermieters rc. 451

Fortbestand der Verpflichtung des Mieters und Pächters hat ober zur Voraussetzung, daß Vermieter und Verpächter den Vertragsgegenstand auch tatsächlich zur Verfügung des Mieters und Pächters halten. Solange der Vermieter oder Verpächter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten, z. B. weil er mit einem Dritten einen neuen Mietvertrag geschlossen hat, außer Stande ist, dem Mieter oder Pächter den Gebrauch M gewähren, sind Mieter und Pächter zur Zinsentrichtung nicht verpflichtet. Wann der Vermieter oder Verpächter infolge Ge­ brauchsüberlassung an einen Dritten außer Stande ist, dem Mieter oder Pächter den Gebrauch zu gewähren, ist Tatfrage. Er kann hierzu trotz der Gebrauchsüberlassung in der Lage sein, wenn der Dritte verpflichtet und bereit ist, seinerseits sofort und jederzeit den Gebrauch aufzugeben.Eine Verpflichtung des Vermieters oder Verpächters, den Vertragsgegenstand für die Zeit, während welcher der Vertragsgegner an der Ausübung des Gebrauchsrechts verhindert ist, anderweitig zu verwerten, besteht nicht. So ist z. B. der Vermieter einer Wohnung nicht verpflichtet, einen ihm vom Mieter gestellten Ersatzmieter anzunehmen. Dagegen muß sich der Vermieter oder Ver­ pächter den Wert der ersparten Aufwendungen sowie der­ jenigen Vorteile anrechnen lassen, welche er aus einer ander­ weitigen Verwertung des Gebrauchs, z. B. durch Weiterver­ mietung oder Selbstgebrauch erlangt (§ 552). Einen Pachtzinsnachlaß oder einen Anspruch auf einen solchen wegen Mißwachs oder anderer Unfälle, z. B. Hagel­ schlag oder Frost kennt das Gesetz nicht. Der Zeitpunkt, wann der Miet- oder Pachtzins zu ent­ richten ist, bestimmt sich nach den Vereinbarungen der Parteien. Mangels solcher Vereinbarungen gelten nachfolgende Vor­ schriften: Miet- und Pachtzins sind am Ende der Vertrags­ seit zu entrichten. Ist der Miet- oder Pachtzins nach Zeit­ abschnitten bemessen, also z. B. monatlich, vierteljährlich, wöchentlich u. s. w. zu bezahlen, so ist derselbe nach dem Ab­ laufe der einzelnen Zeitabschnitte, sohin an dem ersten Werk­ tage nach Beendigung eines Zeitabschnittes zu entrichten. Für Grundstücke, gleichviel ob landwirtschaftliche oder andere, für Wohnungs- oder andere Räume ist der Miet-oder Pachtzins, sofern er nicht nach kürzeren Zeitabschnitten be­ messen ist, nach dem Ablaufe je eines Kalendervierteljahres AE Die Darlehens schuld besteht in der Verpflichtung zur des DaÄhenä Rückerstattung des Empfangenen in Sachen gleicher Art, Güte Nehmers. unj) Menge. Es muß der Darlehensnehmer nicht das Empfangene sondern nur Sachen gleicher Art, Güte und Menge zurückgeben (§ 607). Der Darlehensnehmer darf also die empfangenen Sachen für sich verbrauchen und mit den­ selben anfangen, was er will. Die Gefahr zufälligen Unter­ gangs oder zufälliger Verschlechterung der als Darlehen empfangenen Sachen trifft den Darlehensnehmer. Untergang und Verschlechterung befreien ihn nicht von seiner Rück­ erstattungspflicht. Sind Sachen gleicher Art wie die emp­ fangenen zur Zeit der Rückerstattung nicht mehr erhältlich, so wird der Darlehensschuldner, da die ihm obliegende Leistung unmöglich geworden ist, von der Darlehensschuld frei, soweit er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Dagegen kann er von dem Darlehensgeber wegen ungerechtfertigter Be­ reicherung in Anspruch genommen werden. Selbstverständlich kann vereinbart werden, daß der Darlehensempfänger das Darlehen in anderer Weise zurückerstatten dürfe als gerade durch Rückgabe von Sachen gleicher Art wie die empfangenen. Berziniung des Der Darlehensempfänger ist zur Zahlung von Zinsen Darlehen . E üerppj j^et, wenn solche bedungen sind. Die Verpflichtung zur Zinszahlung kann auch stillschweigend übernommen werden. Die Höhe der Zinsen und die Bestimmung der Zinstermine unterliegt der freien Vereinbarung der Parteien. Liegt eine Abmachung der Parteien darüber, wann und in welchen Zeit­ fl DIZ 1903 S. 456.

Die Rechtsverhältnisse aus dem Darlehen.

495

abschnitten die Zinsen zu entrichten sind, nicht vor, so sind die Zinsen nach dem Ablaufe je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablaufe eines Jahres zurückzuerstatten ist, bei der Rückerstattung zu entrichten (§ 608). Darüber, wann das Darlehen zurückzuerstatten 8^*®* ist, entscheidet vor allem die Vereinbarung der Parteien. Ist des Darlehens, eine Zeit für die Rückerstattung bestimmt, so kann, sofern nicht die Umstände etwas Anderes ergeben, der Gläubiger die Rückerstattung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken. Bei verzinslichen Darlehen, welche regelmäßig auch eine Kapitalsanlage für den Gläubiger be­ zwecken, braucht der Gläubiger eine Zurückzahlung vor der bestimmten Zeit in der Regel nicht anzunehmen. Ist für die Rückerstattung eines Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so wird das Darlehen erst nach erfolgter Kündigung zur Heimzahlung fällig. Nur bei unverzins­ lichen Darlehen ist der Schuldner auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt. Gläubiger wie Schuldner können kündigen. Die Kündigung ist eine einseitige, empfangs­ bedürftige Willenserklärung, welche wirksam nur unbedingt abgegeben werden kann. Die Kündigung ist an eine Frist gebunden. Die Bestimmung der Kündigungsfrist unterliegt der freien Vereinbarung der Parteien. Ist eine solche nicht getroffen, so beträgt die einzuhaltende Kündigungsfrist bei Darlehen von mehr als 500 Jk drei Monate, bei Darlehen von geringerem Betrage und sei derselbe auch noch so gering, einen Monat (§ 609). Die Kündbarkeit eines Darlehens kann nur für den Gläubiger, nicht aber für den Schuldner für immer ausgeschlossen werden. Eine Vereinbarung dahin, daß das Darlehen seitens des Schuldners für immer unkündbar sein soll, ist nichtig. Ein zeitlich begrenzter Ausschluß der Kündbarkeit ist dagegen auch für die Schuldnerseite statthaft. Vorstehende Vorschriften über die Kündigung gelten auch bei jenen verzinslichen Darlehen, welche gegen Ausstellung von Jnhaberpapieren anfgenommen werden und für deren Rück­ zahlung ein bestimmter Tilgungsplan festgelegt ist. Auch hier kann mangels besonderer Bestimmungen zur Rückzahlung der Darlehen vor der im Tilgungsplan bestimmten Zeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen geschritten werden. Dabei ist aber zu beachten, daß die Landesgesetze über die Rückzahlung verzinslicher Staatsschulden, für die Inhaber­ papiere ausgegeben oder die im Staatsschuldbuch eingetragen sind, besondere Vorschriften erlassen können (Art. 98 EG).*) *) Preußen: § 2 des Ges. v. 23. XII. 1896 betr. die Kündigung und Umwandlung der 4°/, Staatsanleihe; Mecklenburg-Schwerin: § 44 AB. z. BGB.; Württemberg: Art. 176-179 AG. z. BGB.

496

Dienstvertrag.

6. Kapitel.

Dienstvertrag.

§ 141. Begriff und allgemeine Grundsätze. Begriff des Der Dienstvertrag ist «msverrages.trag, durch den der eine

ein gegenseitiger VerVertragsteil sich zur

Leistung von Diensten gegen Vergütung, der andere Vertragsteil zur Gewährung einer Ver­ gütung gegen Leistung von Diensten verpflichtet. Gegenstand des Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste lens der rages. jbder Art, sowohl k ö rp e r l i ch e als geistige sein, sofern sie nicht unsittlich, verboten oder unmöglich sind (§611 Abs. 2). Ob die Dienste höherer oder niedriger Art sind, begründet keinen Unterschied. Dienste höherer Art sind solche Dienste, welche von Personen geleistet werden, die infolge ihrer Vorund Ausbildung eine das gewöhnliche Maß überschreitende Summe gesellschaftliche Achtung gebietender Eigenschaften be­ sitzen. Ob Dienste höherer Art vorliegen, ist unter Würdigung aller Umstände des einzelnen Falles und der gesellschaftlichen Stellung, der Vorbildung, mitunter auch der gewöhnlichen Entlohnung des Diensteleistenden zu beurteilen. Ärzte, Rechts­ anwälte, Lehrer, Erzieher, Buchhalter, Privatbeamte, Civilingenieure, Fabrikdirektoren, u. s. w. sind Personen, welche Dienste höherer Art leisten. Stets aber ist Gegenstand des Dienstvertrags die Dienstleistung, die Arbeit als solche. Dadurch unterscheidet sich der Dienstvertrag vom Werk­ vertrag, durch welchen sich Jemand zur Herstellung eines Werkes oder zur Bewirkung eines Arbeitserfolges verpflichtet. Vom Auftrag unterscheidet sich der Dienstvertrag durch das Merkmal der Entgeltlichkeit. Für den Dienstvertrag ist die Vereinbarung einer Vergütung wesentlich, die Vergütung kann, muß aber nicht in Geld bestehen. Besonders häufig besteht die Vergütung für die geleisteten Dienste außer in Geld auch noch in der Ge­ währung von Unterhalt oder Wohnung u. s. w., z. B. bei Dienstboten. Die Dienstleistungen der öffentlichen Beamten, Staats­ und Kommunalbeamten, der Geistlichen, Offiziere und der Lehrer an öffentlichen Unterrichtsanstalten unterstehen, wie die Rechtsverhältnisse dieser Personen überhaupt, dem öffent­ lichen Rechte. Insbesondere bleiben, sofern nicht im BGB eine besondere Bestimmung getroffen ist, die landesgesetzlichen Vorschriften über die vermögensrechtlichen Ansprüche und Ver­ bindlichkeiten der Beamten, der Geistlichen und der Lehrer an öffentlichen Unterrichtsanstalten aus dem Amts- oder Dienst-

Begriff und allgemeine Grundsätze.

497

Verhältnisse unberührt (Art. 80 EG). Soweit jedoch solche Vorschriften und besondere das Beamtenverhältnis beherr­ schende Bestimmungen des öffentlichen Rechtes fehlen, sind die Verhältnisse der Beamten nach den Regeln über den bürgerlich­ rechtlichen Dienstvertrag zu beurteilen.') Dienstverträge kann Jeder eingehen, der geschäftsfähig ist. Bezüglich der Eingehung von Dienstverträgen durch Minder­ jährige und Ehefrauen ist das Nötige an einschlägiger Stelle bemerkt (s. oben § 45 unter 3 und unten § 315). Der Dienstvertrag ist an keine Form ge-Dien°w^kag°r. bunden. Derselbe kann also auch stillschweigend eingegangen werden. Das Gleiche gilt für die Fortsetzung von Dienstverhält­ nissen. Wird ein Dienstverhältnis, gleichviel welcher Art nach dem Ablaufe der Dienstzeit in Kenntnis hiervon von dem Verpflichteten bewußtermaßen mit Wissen des anderen Teiles fortgesetzt, so gilt das Dienstverhältnis als auf unbe­ stimmte Zeit verlängert, sofern nicht der andere Teil un­ verzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses widerspricht (§ 625). Die Bestimmungen des bisherigen Vertrags, insbesondere über Art und Umfang der geschuldeten Dienste und über Art, Höhe und Fälligkeit der Vergütung, bleiben auch für das weitere Vertrags­ verhältnis in Geltung. Nur besteht das weitere Vertragsverhält­ nis nunmehr auf unbestimmte Zeit, wenn auch das ursprüngliche Vertragsverhältnis nur auf bestimmte Zeit eingegangen war. Ob das ursprüngliche Vertragsverhältnis durch Ablauf der für dasselbe "bestimmten Zeit oder durch Kündigung zu Ende gegangen ist, begründet für die stillschweigende Fortsetzung desselben keinen Unterschied. Als eine Verlängerung des Ver­ tragsverhältnisses auf unbestimmte Zeit ist es selbstredend nicht anzusehen, wenn der Dienstverpflichtete erklärt, er werde, bis der Dienstbertzchtigte die Dienste sich anderweitig beschaffen könne, die Dienste weiter leisten. Bei Beendigung oder für den Fall der Beendigung von Konkurrenz. Dienstvertragsverhältnissen werden nicht selten Verträge ge­ schlossen, durch welche der Dienstverpflichtete unter dem Ver­ sprechen einer Vertragsstrafe sich verpflichtet, nach Beendigung seiner Dienstzeit sich weder an einem Konkurrenzgeschäfte zu beteiligen noch in einem solchen Stellung zu nehmen — sog. Konkurrenz kl ausel. — Derartige Verträge unterliegen, da das BGB besondere Vorschriften hierüber nicht enthält, den all­ gemeinen Bestimmungen. Solche Verträge sind daher besonders *) IW 1904 S. 6, 22.

498

Dienstvertrag.

daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht die persönliche Freiheit des Dienstverpflichteten in zu weitgehender Weise, insbesondere ohne räumliche und zeitliche Beschränkung einengen und des­ wegen als gegen die guten Sitten verstoßend nichtig sind. Auf dem Gebiete des Handelsrechts ist durch §§ 74, 76 HGB über die Wirksamkeit der Konkurrenzklauseln eine Vor­ schrift gegeben. Darnach ist eine zwischen dem Prinzipal eines Handelsgeschäfts und seinem Handlungsgehilfen oder Handlungs­ lehrling getroffene Vereinbarung, durch welche der Handlungs­ gehilfe oder Handlungslehrling für die Zeit nach der Beendigung seines Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit be­ schränkt wird, für diesen nur insoweit verbindlich, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung des Fort­ kommens des Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlings ausgeschlossen wird. Auch kann die Beschränkung nicht auf einen Zeitraum von mehr als drei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt werden. Zudem ist die Vereinbarung nichtig, wenn der Handlungsgehilfe oder Hand­ lungslehrling zur Zeit ihres Abschlusses minderjährig ist. üborW$t= Ein Dienstverhältnis, welches am 1. Januar 1900 bereits bestand, bestimmt sich, wenn nicht die Kündigung nach dem Inkrafttreten des BGB für den ersten Termin erfolgt, für den sie nach BGB zulässig ist, von diesem Termine an nach den Vorschriften des BGB (Art. 171). und^ArbeitsverDas BGB gibt keine erschöpfende Regelung der Diensthältnin- ' Verhältnisse. Vielmehr sind für verschiedene Dienstverhältnisse 6®Ceto"be in anderen Reichsgesetzen besondere Vorschriften enthalten. So finden sich z. B. im HGB in den §§ 59—83 besondere Be­ stimmungen über das Dienstverhältnis der Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge und in den §§ 105—139 der Gewerbe­ ordnung in der Fassung vom ‘26. Juli 1900 besondere Vor­ schriften über das Dienstverhältnis der gewerblichen Arbeiter, Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker und Fabrikarbeiter. Von besonderer Bedeutung sind die Vorschriften des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896, insbesondere über die Ver­ pflichtung der Angestellten, Arbeiter oder Lehrlinge eines Geschäftsbetriebs zur Wahrung der Geschäfts- und Betriebs­ geheimnisse (§ 9 des ebenbezeichneten Gesetzes). Endlich ist auf dem Gebiete des Gesinderechts der Landesgesetzgebung ein weiter Spielraum gewährt. Innerhalb bestimmter reichsrechtlicher Grenzen, wozu auch die Bestimmung gehört, daß dem Dienstberechtigten ein Züchtigungsrecht gegen­ über dem Gesinde nicht zusteht, bleiben gemäß Art. 95 EG die dem Gesinderecht. angehörenden landesgesetzlichen

Die auf dem Dienstvertrag beruhenden Rechte und Verpflichtungen.

499

Vorschriften unberührt.*) Dies gilt insbesondere auch von den Vorschriften über die Schadensersatzpflicht desjenigen, welcher Gesinde zum widerrechtlichen Verlassen des Dienstes verleitet oder in Kenntnis eines noch bestehenden Gesindeverhältniffes in Dienst nimmt oder ein unrichtiges Dienstzeugnis erteilt.

§ 142. Die auf dem Dienstvertrag beruhenden Rechte und Verpflichtungen.

I. Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der ver- ®ienfteiyf°gtsprochenen Dienste verpflichtet (§ 611 Abs. 1). Der 'Utung. Dienstverpflichtete hat die Dienste so zu leisten, wie er sie nach Art, Beschaffenheit, Zeit und Ort zuge­ sagt hat. Dabei ist vielfach auf Treu und Glauben und die Ver­ kehrsübung Rücksicht zu nehmen. Erfordern die versprochenen Dienste eine besondere Sachkunde oder besondere Eigenschaften, so sichert derjenige, welcher die Dienste zu leisten verspricht, hierdurch stillschweigend den Besitz der Sach­ kunde und Eigenschaften regelmäßig zu, soferne nicht dem an­ deren Vertragsteile ein Mangel in dieser Hinsicht bekannt ist. Wer sich z. B. als Privatlehrer anstellen läßt, sichert damit zu, daß er die zur Unterrichtserteilung an Andere notwendigen Kenntnisse hat, und wer als Buchhalter eine Stelle annimmt, sichert damit zu, daß er der Buchführung mächtig ist u. s. w. In solchen Fällen müssen die Dienste in einer dieser Zusicherung entsprechenden Art und Güte geleistet werden. Verspricht Jemand trotz Fehlens der erforderlichen Sachkunde und Eigen­ schaften Dienste, so finden die Vorschriften über Unmöglichkeit der Leistung Anwendung (§§ 306, 307; s. oben § 83). Der Versprechende wird insbesondere zum Ersatz des Schadens ver­ pflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, daß er auf den Besitz der erforderlichen Sachkunde und Eigenschaften des Dienstverpflichteten vertraut hat. Ebenso ist die Frage, ob der Dienstverpflichtete gehalten f^a2^“r ®Te‘ets ist, die zur Leistung der zugesagten Dienste not- forderlichen wendigen Räume, Gerätschaften und Materalien zu _________ •

*) Bayern: Art. 15—31 AGzBGB; Preußen: Art. 14, 89 lc AGzBGB und allgemeines Landrecht II 5; Sachsen: Gesindeordnung v. 2. V. 1892 und Ges. v. 31. V. 1898 betr. einige Abänderungen der revi­ dierten Gesindeordnung; Württemberg: Art. 175 AGzBGB und Gesindeordnung v. 28. VII. 1899; Baden: Ges. v. 3. II. 1868 über die Rechtsverhältnisse der Dienstboten und Novelle hierzu v. 20. VIII. 1898; Hessen: Art. 273 AGzBGB und Gesindeordnung v. 28. IV. 1877 in der Fassung v. 3. VIII. 1899.

Materialien.

500

Dienstvertrag.

stellen, nach der Verkehrsanschauung zu beantworten. Vielfach ergibt sich schon aus der Natur der Sache, daß der Dienst­ verpflichtete die erforderlichen Geräte und Materialien zu be­ schaffen hat. So ist es z. B. selbstverständlich, daß der zu einer schweren Entbindung gerufene Arzt die nötigen In­ strumente selbst mitbringt. Auch können durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung dem Dienstverpflichteten noch besondere Nebenleistungen auferlegt werden, welche die Beschaffung von Gerätschaften, Materialien, Räumlichkeiten u. s. w. zum Gegenstände haben können. Zu einer solchen Nebenverpflichtung kann insbesondere auch die Verpflichtung zur Verschwiegenheit und Bewahrung von Geschäftsgeheimnissen gemacht werden. Dienste sind regelDas Dienstverhältnis ist grundsätzlich ein rein persönlelstm. liches Schuldverhältnis. Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat, sofern nicht etwas Anderes vereinbart ist oder sich aus der Natur der Sache ergibt, die Dienste in Person zu leisten. Der Dienstverpflichtete ist nicht be­ rechtigt, andererseits aber auch nicht verpflichtet, einen Anderen als Stellvertreter mit der Leistung der von ihm zugesagten Dienste zu betrauen. Gehilfen kann der Dienstverpflichtete zur Dienstleistung nur beiziehen, wenn er der Dienstleistende bleibt, die Art der zugesagten Dienste nicht verändert wird oder die Natur oder der Umfang der Dienste die Zuziehung von Gehilfen gestattet oder erheischt. Tut dies der Dienstverpflichtete, so hat er ein Verschulden seiner Gehilfen in gleichem Umfange wie eigenes Verschulden zu vertreten. Wie der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste im Zweifel in Person zu leisten hat, so ist umge­ kehrt der Anspruch auf die Dienste im Zweifel nicht über­ tragbar und kann nicht gepfändet werden (§ 613). Hat Jemand seine Dienste mehreren Personen für dieselbe Zeit in einem Umfange zugesagt, welcher eine Be­ friedigung der mehreren Dienstberechtigten nicht zuläßt, so hat unter den mehreren Dienstberechtigten keiner den Vorzug, ins­ besondere auch jener nicht, welcher zuerst mit dem Ver­ pflichteten den Dienstvertrag einging. Vielmehr bestehen gleichberechtigte Ansprüche. Soweit dieselben nicht durch Dienst­ leistung erfüllt werden können, greifen die Vorschriften über Unmöglichkeit der Leistung Platz (s. oben § 83). sotieiftun03= Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat vorzuleisten, ^Dienstd. h. die versprochenen Dienste vor Empfang der Vergütung verpflichteten. jU verrichten (§ 614). Jedoch kann etwas Anderes ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden. Als stillschweigend ver­ einbart ist insbesondere in der Regel auch eine im Verkehre bestehende Gepflogenheit zu erachten.

Die auf dem Dienstvertrag beruhenden Rechte und Verpflichtungen. 501 TT 111

II. Verpflichtung desjenigen, dem

1. Derjenige, dem Dienste versprochen werden, ist vor sproS w«d«n, allem zur Gewährung der vereinbarten Vergütung i.»ur«ewähan den anderen Vertragsteil verpflichtet (8 611 Abs. 1). Die tungütung®er= Vergütung kann in Geld, aber auch ganz oder teilweise in Ge­ währung anderer Vorteile z. B. in Gewährung von Unterkunft, Kost, Übertragung von Forderungen, Hingabe von Sachen, Gewinnbeteiligung*) u. s. w. bestehen. Der Dienstberechtigte hat die Vergütung so zu leisten, wie sie ausbedungen ist. Hat z. B. Jemand einen Dienstboten gegen Lohn und Kost eingestellt, so ist er ohne Einverständnis des Dienstboten nicht befugt, demselben statt der Kost eine Abfindung in Geld zu geben. Die Vergütung kann ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden. Sehr oft kommt es im Verkehre vor, daß Jemand die Dienste eines Anderen in Anspruch nimmt und von demselben zugesagt erhält, ohne daß bezüglich der Ver­ gütung etwas vereinbart wird. Wer z. B. eines Arztes be­ darf, wird in den seltensten Fällen das Honorar vereinbaren; wer einen Dienstmann mit der Überbringung eines Gegenstandes beauftragt, wird häufig hinsichtlich der Vergütung eine Ver­ einbarung nicht treffen, u. s. w. In solchen Fällen, in denen die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart. Der Gegenbeweis dahin, daß eine unentgeltliche Dienstleistung dem Willen der Parteien entsprach, ist statthaft. Wann die Um­ stände die Annahme rechtfertigen, daß die Dienstleistung nur gegen eine Vergütung zu-erwarten ist, bemißt sich nach der Verkehrssitte, der Art der Dienstleistung und insbesondere auch nach dem Stande und den Erwerbsverhältnissen des Dienstleistenden (§ 612 Abs. 1). Besteht Streit darüber, ob ein bestimmter Lohn bedungen sei oder nicht, so trifft den Kläger die Beweislast?) Auch die Höhe der Vergütung richtet sich in erster H°^.der BerLinie nach der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung der Parteien. Sie kann als Zeitlohn oder Stücklohn, fest oder in der Weise bestimmt sein, daß der Ertrag eines Geschäftes ganz oder nach Bruchteilen, wie z. B. bei Tantiemen Und Pro­ visionen als Vergütung gilt. Es ist aber darauf zu achten, ob es sich nicht um Entschädigungen handelt, welche, wie z. B. die Spesen eines Geschäftsreisenden, dem Dienstverpflichteten als Ersatz für Auslagen gewährt werden, sohin keine Ver­ gütungen für Dienstleistung sind. Ist die Höhe der Vergütung *) IW 1903 Beil. 2 S. 17. 2) BlfRA 69 S. 38.

502

Dienstvertrag.

nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer obrigkeitlich fest­ gesetzten Taxe die taxmäßige Vergütung und in Ermangelung einer solchen Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzu­ sehen (§ 612 Abs. 2). DichtungZeitlich ist die Vergütung, sofern nicht etwas Anderes Bngütun«. vereinbart ist, nach Leistung der Dienste, dann aber sofort zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten, z. B. nach Wochen, Monaten u. s. w. bemessen, so ist sie nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten (§ 614). Sofern die Vorleistungspflicht des Dienstverpflichteten nicht ausgeschlossen ist, kann der Dienstverpflichtete auch dann, wenn die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen ist und der Dienst­ berechtigte mit der Entrichtung von Vergütungen im Rückstand bleibt, die ferneren Dienste nicht aus dem Grunde, weil der andere Vertragsteil die für die bereits geleisteten Dienste schuldige Vergütung noch nicht entrichtet hat, wohl aber insolange verweigern, bis die ihm gebührende rückständige Ver­ gütung gewährt wird (§§ 320, 273). des°Menstber"e?hEbenso wie dem Dienstverpflichteten kann auch dem Diensttigten zur Be- berechtigten nach Lage des Falles dix Beschaffung der für erforderli^enGe- die Dienstleistung erforderlichen Gerätschaften, rtolaiknunb“*Materialien, Räume u. s. w. obliegen. Ob und wann dies Räume. der Fall ist, kann auch hier nur nach den Umständen des einzelnen Falles, insbesondere nach der Natur der zugesagten Dienste und der örtlichen Verkehrssitte entschieden werden. Auch können dem Dienstberechtigten durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung Nebenleistungen, wie z. B- die Beschaffung erforderlicher Gerätschaften und Gesundheit schützender Ein­ richtungen u. dgl. auferlegt werden. Der Dienstberechtigte ist nicht verpflichtet, sich der zu­ gesagten und ihm angebotenen Dienste zu bedienen, es sei denn das Gegenteil vereinbart. Demnach hat auch mangels be­ sonderer Abrede der Dienstverpflichtete keinen Anspruch darauf, daß ihm der Dienstberechtigte die Leistung der Dienste gestattet. Kommt der Dienstberechtigte mit oder ohne sein Ver­ schulden mit der Annahme der ihm richtig und rechtzeitig an­ gebotenen Dienste oder dadurch in Verzug, daß er die ihm zur Ermöglichung der Dienste obliegenden Leistungen, z. B. Gewährung von Wohnung für einen Dienstboten, Bestreitung der Reisekosten für eine Bonne, nicht erfüllt, so kann der Dienstverpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne seinerseits zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Nur muß der Dienst­ verpflichtete sich den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung, z. B. an Kosten für notwendige Gehilfen u. s. w., erspart oder durch ander­ weitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben

Die auf dem Dienstvertrag beruhenden Rechte und Verpflichtungen. 503

böswillig unterläßt (§ 615). Der Dienstverpflichtete bleibt auch, soweit ihm nicht infolge des Annahmeverzugs die Leistung der Dienste unmöglich wird, im übrigen zur Dienstleistung ver­ pflichtet, so daß er im Falle Aufhörens des Verzugs zwar nicht nachzuleisten, wohl aber fernerhin Dienste zu leisten hat. Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird, sofern nicht eine abweichende Vereinbarung getroffen ist, seines Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Erkrankt z. B. der Dienstverpflichtete auf kurze Zeit oder ereignet sich ein Todes­ fall unter seinen nächsten Angehörigen, welcher ihn zu kurzer Unterbrechung der Dienstleistung nötigt, so kann er auch für die Zeit der Unterbrechung Vergütung verlangen. Das Gleiche ist beispielsweise der Fall, wenn Einberufung zum Schöffen­ oder Geschworenendienst, gerichtliche Termine, militärische Kontrollversammlungen, kurze militärische Einberufungen, Geburtsfälle in der eigenen Familie u. s. w. den Dienstver­ pflichteten zur Unterbrechung der Dienstleistung nötigen. Ob die Vergütung als Zeit- oder Stücklohn bemessen ist, begründet keinen Unterschied. Besteht die Vergütung in Stücklohn, so ist für die Berechnung der dem Dienstverpflichteten für die Zeit der Unterbrechung zukommenden Vergütung der Durchschnitts­ betrag zu Grunde zu legen, welchen der Dienstverpflichtete innerhalb einer der Unterbrechung entsprechenden Zeit regel­ mäßig zu verdienen pflegt. Der Anspruch auf Vergütung trotz Verhinderung in der Dienstleistung besteht nicht, wenn der Verhinderungsgrund auf irgend ein Verschulden des Dienst­ verpflichteten zurückzuführen ist. So kann z. B. eine Ladnerin, welche außerehelich gebiert, keine Vergütung für die Zeit fordern, während welcher sie infolge der Entbindung ihren Dienst nicht versehen konnte. Dagegen kann auch in solchen Fällen, in denen die Dienste aus einem von der Person des Schuldners und Gläubigers unabhängigen Grunde oder dadurch unmöglich werden, daß die Sache, an der sie zu leisten sind, untergeht oder unbrauchbar wird, der Anspruch auf Vergütung fort­ bestehen, wenn nicht eine den Vertrag aufhebende Unmöglich­ keit eingetreten ist. Denn auch in solchen Fällen kann man sagen, daß der Dienstverpflichtete, weil er, so wie er versprochen hat, zu leisten verhindert ist, auch aus einem in seiner Person liegenden Grunde nicht leisten kann. So z. B. wenn die Arbeiter einer Fabrik infolge einer Überschwemmung die Arbeitsstelle nicht aufsuchen können. Soweit der zur Dienstleistung Ver­ pflichtete seines Anspruchs auf die Vergütung nicht verlustig wird, muß er sich den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetz-

504

Dienstvertrag.

sicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfall­ versicherung zukommt. Der Dienstverpflichtete braucht sich also nicht anrechnen zu lassen, was er aus privaten Unter­ stützungs- oder Hilfskassen, als privatrechtliche Entschädigungen, als Alters- als Invalidenrente oder etwa auf Grund des Reichsgesetzes vom 10. Mai 1892, betreffend die Unterstützung von Familien der zu Friedensübungen einberufene Mann­ schaften, u. s. w. erhält (§ 616). gungbeäütbäuL 2. Ist bei einem dauernden Dienstverhältnisse, welches lichesem-inschaft die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptMenstverpfli»-" sächlich in Anspruch nimmt, der Verpflichtete, wie dies insbe?“rtrantung. besondere bei Dienstboten, Erzieherinnen u. s. w. meist der Fall ist, in die häusliche Gemeinschaft des Dienstberech­ tigten ausgenommen, so hat der Dienstberechtigte dem Dienst­ verpflichteten im Falle der Erkrankung die erforderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch nicht über die Be­ endigung des Dienstverhältnisses hinaus, zu ge­ währen. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn die Er­ krankung bereits vor Beginn des Dienstverhältnisses oder vor der Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft eingetreten ist, ferner wenn der Dienstverpflichtete die Erkrankung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, oder endlich, wenn für die Verpflegung und ärztliche Behandlung durch eine öffentliche oder private Versicherung oder durch eine Einrich­ tung der öffentlichen Krankenpflege Vorsorge getroffen ist. Auch "ist es dem Dienstberechtigten gestattet, die Verpflegung und ärztliche Behandlung durch Aufnahme des Dienstverpflich­ teten in eine Krankenanstalt zu gewähren. Tut dies der Dienstberechtigte, weigert sich aber.der Dienstverpflichtete, sich in eine Krankenanstalt aufnehmen zu lassen, so wird der Dienst­ berechtigte von seiner Verpflichtung zur Gewährung von Ver­ pflegung und ärztlicher Behandlung frei. Die von dem Dienst­ berechtigten für Verpflegung und ärztliche Behandlung des erkrankten Dienstverpflichteten aufgewendeten Kosten können auf die für die Zeit der Erkrankung, nicht bloß für die Zeit der Behandlung und Verpflegung, geschuldete Vergütung an­ gerechnet werden, und zwar auch dann, wenn der Dienstver­ pflichtete während der ärztlichen Behandlung oder seiner Ver­ pflegung noch Dienste leistet. Die gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung von Verpflegung und ärztlicher Behandlung kann durch Vertrag im voraus weder aufgehoben noch beschränkt werden. Es handelt sich vielmehr um eine zwingende Rechts­ norm. Auch bleibt der Dienstberechtigte, wenn er wegen der Erkrankung das Dienstverhältnis ohne Einhaltung einer Kündi­ gungsfrist außerordentlich kündigt, trotz der erfolgten Kündi­ gung zur Gewährung der erforderlichen Verpflegung und ärzt-

Die auf dem Dienstvertrag beruhenden Rechte und Verpflichtungen. 505

lichen Behandlung bis zum Ablauf der sechs Wochen verpflichtet. Kommt der Dienstberechtigte seiner Verpflichtung zur Gewäh­ rung von Verpflegung und ärztlicher Behandlung nicht nach, so kann der Dienstverpflichtete auf Erfüllung klagen oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§§ 617, 619). Daß auf einen durch Eintritt des Erkrankungs- oder Ent­ schädigungsfalles bereits erworbenen Anspruch, gleichviel ob das Dienstverhältnis gelöst ist oder noch fortdauert, ganz oder zum Teil verzichtet werden kann, bedarf keiner Ausführung. Die vorerörterten Vorschriften finden auch im Gesinderecht Anwendung, aber nur insoweit als die Landesgesetze dem Gesinde nicht weitergehende Ansprüche gewähren (Art. 95 Abs. 2 EG).r) 3. Der Drittberechtigte hat kraft zwingenden Rechts?) rungen^^en Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die erSchutzdesDienstzur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so em ei nzurichten und zu unterhalten und Dienst­ leistungen, die unter seiner Anordnung ober feiner Leitung vorzuneh men sind, so zu regeln, daß der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesund­ heit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienst­ leistung es gestattet (§ 618 Abs. 1). Unter den zur Ver­ richtung der Dienste zu beschaffenden Räumen sind auch Höfe, Zugänge zu Arbeitsräumen, sowie Verbindungen solcher zu einander, Zugänge zu Aborten?) u. s. w., unter den Vor­ richtungen und Gerätschaften z. B. Schutzgitter, Schutzbrillen, Warnungstafeln, Stege, Treppen u. s. w>) zu verstehen. Die Verpflichtung des Dienstberechtigten greift Platz ohne Rücksicht darauf, ob das Dienstverhältnis ein dauerndes oder vorüber­ gehendes ist, und ohne Rücksicht darauf, ob der Dienstver­ pflichtete sich in häuslicher Gemeinschaft mit dem Dienstberech­ tigten befindet oder nicht. Ist der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft ausgenommen, so hat der Dienstberechtigte ebenfalls kraft zwingenden Rechts in Ansehung des Wohn- und Schlafraums, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit die­ jenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche Mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sitt­ lichkeit und die Religion des Verpflichteten er­ forderlich sind (§ 618 Abs. 2). So ist z. B. der Dienst­ bote berechtigt, einen Schlafraum zu beanspruchen, in welchem genügend Luft und Licht vorhanden ist. ') 2) ") *)

S. oben Anm. zu § 141 S. 499. ROLG 7 S. 306. IW 1904 S. 6.DIZ 1902 S. 369.

Dienstvertrag.

506

Erfüllt der Dienstberechtigte die eben erwähnten, ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht oder nur mangelhaft, so handelt er vertragswidrig. Er kann auf Erfüllung seiner Ver­ pflichtung verklagt und zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung herangezogen werden. Auf die Verpflichtung zum Schadens­ ersätze finden aber die für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§§ 618 Abs. 3, 842 bis 846). Die Schadensersatzpflicht des Dienstberechtigten tritt also nur im Falle eines Verschuldens ein. Für Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und jener Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, haftet er wie für eigenes Verschuldens) Dagegen erstreckt sich die Schadens­ ersatzpflicht auch auf die Nachteile, welche die Nichterfüllung oder mangelhafte Erfüllung der in Frage stehenden Verpflich­ tung für den Erwerb oder das Fortkommen des Geschädigten herbeiführt. Wird ferner infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auf­ gehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten. Auch Dritten gegen­ über kann der Dienstberechtigte infolge Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung seiner Verpflichtung schadensersatz­ pflichtig werden. So hat im Falle der Tötung des Verpflich­ teten der ersatzpflichtige Dienstberechtigte die Kosten der Be­ erdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung zur Tragung dieser Kosten obliegt. Stand ferner der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten, z. B. zu seiner Frau oder seinen Eltern, in einem Verhältnisse, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mut­ maßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unter­ halts verpflichtet gewesen sein würde. Diese Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung er­ zeugt, aber noch nicht geboren war. Auch hat der ersatzpflich­ tige Dienstberechtigte im Falle der Tötung, der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit des Dienstverpflichteten dann, wenn der Verletzte kraft Gesetzes einem Dritten zur Leistung von Diensten in dessen Hauswesen oder Gewerbe verpflichtet war, dem Dritten für die entgehenden Dienste durch Entrich­ tung einer Geldrente Ersatz zu leisten. Hat bei der Entsteh­ ung des Schadens, den der Dritte erleidet, ein Verschulden ') ROLG 6 S. 81, 82.

Beendigung des Dienstverhältnisses.

507

des getöteten oder verletzten Dienstverpflichteten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung des Dienstberechtigten zum Schadens­ ersätze an den Dritten und der Umfang des diesem zu leisten­ den Ersatzes von den Umständen und insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Dienstberechtigten oder Dienstverpflichteten verursacht worden ist. Die Verpflichtung des Dienstberechtigten zur Vornahme und Unterhaltung der für den Schutz der Dienstverpflichteten gebotenen Vorkehrungen kann im voraus durch Vertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Erst auf bereits entstan­ dene Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatzansprüche, kann verzichtet werden (§ 619). Erwähnte Verpflichtung kann auf dem Gebiete des Gesinderechts auch durch Landesgesetze nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (Art. 95 Abs. 2 EG). 4. Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Dienstverpflichtete von dem Dienstberechtigten ein schriftliches Zeugnis über Art und Dauer des Dienstverhältnisses fordern. Auf besonderes Verlangen des Dienstverpflichteten darf und muß der Dienstberechtigte das Zeugnis auf die Leistungen und die Führung im Dienste erstrecken. Der Inhalt des Zeugnisses muß wahr sein. Unrichtigkeiten können nach den Grundsätzen über unerlaubte Handlungen eine Verpflichtung zum Schadensersätze begründen (§ 630). 5. Nach der Kündigung eines dauernden Dienstver-rung"angemeA. hältnisses und bei anderweitiger Beendigung eines bauern« den Dienstverhältnisses innerhalb eines der Kündigungsfrist anderen Dienst, entsprechenden, der Beendigung des Dienstverhältnisses voran- "-rhsitniffer. gehenden Zeitraumes hat der Dienstberechtigte dem Dienstver­ pflichteten auf Verlangen kraft zwingenden Rechts eine angemessene Zeit zum Aufsuchen eines anderen Dienstverhältnisses zu gewähren (§ 629).

§ 143. Beendigung des Dienstverhältnisses. 1. Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ab laufe derB-mdigung des Zeit, für welche es eingegangen ist (§ 620 Abs. 1). Ist das mff?» ' Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen, so ist vor L b“6r^u?tit= Ablauf dieser Zeit eine Kündigung in der Regel nicht zulässig. “ au' Ein Dienstverhältnis ist auf bestimmte Zeit nicht nur dann eingegangen, wenn der Zeitpunkt seines Ablaufs festgelegt ist, sondern auch dann, wenn es zur Herstellung einer bestimmten Stückzahl gegen Stücklohn vereinbart wurde. Die Bestimmung der Zeit, für welche das Dienstverhältnis eingegangen werden will, kann auch stillschweigend erfolgen oder aus den Umstän­ den sich ergeben. Wird z. B. für eine Weltreise ein Reise-

508

Dienstvertrag.

begleitet engagiert, so endigt das Dienstverhältnis mit der Beendigung der Weltreise. 2. durch Kün­ 2. Kündigung. digung. Ist die Dauer eines Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen, so kann jederderbeiden Vertragsteile kündigen (§ 620 Abs. 2). Die Kündigung ist ein einseitiges empfangs­ bedürftiges Rechtsgeschäft. Sie muß zwar dem anderen Teile zugegangen sein, bedarf aber keiner Annahme durch den anderen Vertragsteil. Sobald sie dem anderen Vertragsteile zugegangen ist, kann sie nicht mehr widerrufen werden. Man unterscheidet: Ordentliche A. die ordentliche Kündigung. Kündigung. Dieselbe dient zur Lösung der auf unbestimmte Zeit eingegangenen Dienstverhältnisse unter Einhaltung von Kün­ digungsfristen. Die Festsetzung der Kündigungsfristen unter­ liegt regelmäßig der freien Vereinbarung. Soweit es an einer solchen fehlt, sind folgende gesetzliche Kündigungs­ frist e n einznhalten: «eSuns8 a- Ist die Vergütung nach Tagen bemessen, so ist die nach seitab« Kündigung an jedem Tage, also auch an Sonn- und schnitten. Feiertagen für den folgenden, d. h. dem Kündigungstage nachfolgenden Tag zulässig, so daß das Dienstverhältnis mit dem Ablaufe des dem Kündigungstage nachfolgenden Tages endet (§ 621 Abs. 1). Ist die Vergütung nach Wochen bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß einer Kalender­ woch e zulässig und hat spätestens am ersten Werktage der Woche zu erfolgen. Die Kalenderwoche endet mit dem Ablauf des Samstag (§ 621 Abs. 2). Ist die Vergütung nach Monaten bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig. Dieselbe hat spätestens am fünfzehnten des Monats zu erfolgen. Ist dieser Tag ein Sonn- oder Feiertag, so ist der nächstfolgende Werktag der letzte Tag, an welchem ge­ kündigt werden kann. Tritt z. B. ein Diener gegen einen Monatslohn von 30 Jb bei einer Herrschaft ohne Bestimmung über die Dauer des Dienstverhältnisses am 15. Mai ein, so kann derselbe erstmals nur für 30. Juni kündigen und muß dies spätestens am 15. Juni tun; für 15. Juni könnte er nicht kündigen, denn die Kündigung ist nur für den Schluß eines Kalendermonats statthaft (§ 621 Abs. 3). Ist die Vergütung nach Vierteljahren oder läng­ eren Zeitabschnitten bemessen, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs, also nur für 31. März, 30. Juni, 30. September und 31. Dezember

Beendigung des Dienstverhältnisses.

509

zulässig und zwar nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen (§ 621 Abs. 4). b. bei Diensten b. Das Dienstverhältnis der mit festen Bez er er Art mit len Bezügen. zur Leistung von Dien st en höherer Art Angestellten, Erwerbstätigkeit durch das Dienstverhältnis voll­ ständig oder hauptsächlich in Anspruch genommen wird, insbesondere der Lehrer, Erzieher, Privatbeamten, Gesellschafterinnen u. s. w. kann nur für den Schluß eines Kalendervierteljahrs und nur unter Ein­ haltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen gekündigt werden. Diese Vorschrift ist zwingend und gilt auch dann, wenn der Dienstverpflichtete nicht in die häusliche Gemeinschaft des Dienstberechtigten ausgenommen ist oder wenn die Vergütung nach kürzeren Zeitabschnitten als Vierteljahren bemessen ist (§ 622). c. Ist bei einem Dienstverhältnis irgend welcher Art die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen, so ist zu unterscheiden, ob das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des me'nm ist Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt oder nicht. Letzterenfalls kann das Dienstverhältnis, sofern nicht etwas Anderes vereinbart ist, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ersterenfalls muß eine Kündigungsfrist von mindestens zwei Wochen einge­ halten werden. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig (§ 623). B. die vorzeitige Kündigung. KM» Wird das Dienstverhältnis für die Lebenszeit einer Person, sei es nun für diejenige des Dienstberechtigten oder des Dienstverpflichteten oder eines Dritten, oder aber für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, so kann es, ungeachtet entgegenstehender Abmachungen, von dem Dienstverpflichteten nach dem Ablaufe von fünf Jahxen ge­ kündigt werden. Dabei muß jedoch eine Kündigungsfrist von sechs Monaten eingehalten werden. Diese Vorschriften über vorzeitige Kündigung gelten für Dienstverhältnisse aller Art und insbesondere auch dann, wenn das Dienstverhältnis bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses dauern soll, dieses Ereig­ nis aber nach dem Ablauf von fünf Jahren noch nicht eingetreten ist. Sie sind zwingender Natur und gelten auch für das der Landesgesetzgebung vorbehaltene Gesinderecht (§ 624 und Art. 95 Abs. 2 EG). C. die außerordentliche Kündigung. AuL-rordmtiichDieselbe gewährt die Möglichkeit, ein Dienstverhältnis, un ,0un0' mag es nun auf bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen sein, jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist einseitig zur Auflösung zu bringen.

Dienstvertrag.

510

a. So kann das Dienstverhältnis, gleichviel welcher Art Dienste es zum Gegenstände hat, von jedem Vertrags­ teile ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ge­ kündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vor liegt (§ 626). Was als ein wichtiger Grund zu erachten ist, bleibt Tatfrage. Im Großen und Ganzen wird als wichtiger Grund jedes Neueintreten oder Bekanntwerden von Umständen zu betrachten sein, welche, wenn sie schon bei Abschluß des Ver­ trags vorhanden oder bekannt gewesen wären, der Begrün­ dung des Dienstverhältnisses entgegengestanden wären und unter welchen dem einen oder anderen Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden sann1). Als solche wichtige Gründe können z. B. in Betracht kommen das Unterbleiben der Lohnzahlungen, Fehlen der zur Dienstleistung erforderlichen Sachkunde, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Erkrankung an einer ansteckenden Krankheit, Verübung von Unzucht an Dienstboten, ein vom Dienstverpflichteten verübter Diebstahl, Gelegenheit des Dienst­ verpflichteten zu einer günstigen Verheiratung, schlechte Behand­ lung seitens des Dienstberechtigten, freches oder grobes Be­ nehmen des Dienstverpflichteten u. s. w. Ein Verschulden braucht keineswegs vorzuliegen. Ebenso ist es gleichgültig, ob der zur außerordentlichen Kündigung berechtigende wichtige Grund in der Person des einen oder anderen Vertragsteiles oder in von diesen unabhängigen Verhältnissen liegt. Bestand der die außerordentliche Kündigung rechtfertigende Grund schon bei Abschluß des Vertrags, so kann auch eine Anfech­ tung des Vertrags wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung statthaft sein. Der Rechtssatz, daß beim Vorliegen eines wich­ tigen Grundes das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteile außerordentlich gekündigt werden kann, ist zwingend. b. Auch ohne daß ein wichtiger Grund vorliegt, kann dann, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnisse mit festen Be­ zügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, welche nur auf Grund besonderen Vertrauens über­ tragen zu werden pflegen, das Dienstverhältnis von jedem Teile ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Hierher gehören insbesondere die Dienstverhältnisse der Rechts­ anwälte, Ärzte, Lehrer, Künstler u. s. w. Jedoch darf der Dienstverpflichtete nur in der Art kündigen, daß sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, daß ein wichtiger Grund für eine unzeitige, hierauf nicht Rücksicht nehmende Kündigung vorliegt. Kündigt der Dienstver­ pflichtete ohne einen solchen Grund zur Unzeit, so daß der ') ROLG 2 S. 502.

Beendigung des Dienstverhältnisses.

511

Dienstberechtigte sich die Dienste nicht anderweit beschaffen kann, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Auch diese Vorschriften sind zwingenden Rechts (§ 627). Wird das Dienstverhältnis nach Beginn der Dienstleistung außerordentlich gekündigt, so kann, sofern nicht etwas Anderes vereinbart ist, der Dienstverpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Dabei sind zu den Leistungen auch jene Vorbereitungen und Maßregeln zu rechnen, welche für die Ausführung der eigent­ lichen Dienste erforderlich sind. Kündigt der Dienstverpflichtete, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlaßt zu sein, oder veranlaßt er seinerseits durch sein ver­ tragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teils, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung nicht zu, wenn und insoweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im voraus entrichtet, so hat der Dienstverpflichtete die vorgeleistete Vergütung zurückzugewähren. Hierbei finden die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung dann Anwendung, wenn die Kündigung wegen eines Umstandes erfolgt, den der Dienstverpflichtete nicht zu vertreten hat (s. unten § 194). Andernfalls sind die Vorschriften entsprechend anzuwenden, welche im Falle Geltendmachung des Anspruchs eines Eigentümers auf Herausgabe einer Sache gegen den Besitzer für das Verhältnis zwischen dem Eigen­ tümer und dem Besitzer von dem Eintritte der Rechtshängig­ keit des Eigentumsanspruchs an gelten (s. unten § 235). Wird die außerordentliche Kündigung durch vertragswidriges Ver­ halten des anderen Teils veranlaßt, so ist dieser, mag er nun der Dienstberechtigte oder Dienstverpflichtete sein, zum Ersätze des Schadens verpflichtet, der durch die im Wege der außerordentlichen Kündigung herbeigeführte Aufhebung des Dienstverhältnisses entsteht. Es muß also der Dienstberechtigte z. B. die Vergütung bis dahin fortentrichten, wo das Dienst­ verhältnis durch ordentliche Kündigung hätte aufgelöst werden können (§ 628).

3. Der Tods desDien st verpflichteten führt regelmäßig die Beendigung des Dienstverhältnisses herbei, soweit die Regel, daß der Dienst­ verpflichtete die Dienste in Person zu leisten hat, nicht durch eine Ausnahme durchbrochen wird. Tod des Dien st be­ rechtigten dagegen beendet das Dienstverhältnis nicht, sofern sich nicht aus der Natur der Dienstleistungen, insbesondere daraus, daß die Dienste nur dem Dienstberechtigten geleistet werden sollten, etwas Anderes ergibt.

3. durch Tod des Dienstver­ pflichteten.

512

Dienstvertrag.

§ 144. Dienstverträge, die eine Geschästsbesorgung znm Gegenstände haben. Aus den Dienstverträgen sind als besondere Art jene Dienstverträge hervorzuheben, welche eine Geschäftsbe­ sorgung zum Gegenstände haben. toBefomun« Der Begriff „Geschäftsbesorgung" in diesem Sinn 8 umfaßt sowohl tatsächliche Geschäfte als Rechtsgeschäfte des Dienstberechtigten. Unter diesen sind aber nur die Geschäfte des Dienstberechtigten zu verstehen, d. h. die Geschäfte, die von dem Dienstberechtigten bei Meidung wirtschaftlicher Schaden selbst vorzunehmen wären, wenn er sie vorzunehmen gewillt oder tatsächlich oder rechtlich nicht behindert wäre und er nicht die Möglichkeit hätte, einen Anderen vertragsmäßig mit der Vornahme zu betrauen. Unter Geschäftsbesorgung ist daher nicht die Erledigung jeder Angelegenheit zu verstehen, die der wirtschaftlichen Interessensphäre eines Anderen an­ gehört. Hat nach dem Inhalte des Dienstvertrags der Dienst­ verpflichtete Geschäfte des Dienstberechtigten zu besorgen, so finden die Vorschriften über den Auftrag (). unten § 157 ff.) neben den für den Dienstvertrag geltenden Normen entsprechende Anwendung. Dies gilt z. B. für das Verhältnis zwischen dem Gerichtsvollzieher und sejnem Auftraggeber. Es ist also der Dienstverpflichtete nur dann berechtigt, von den Weisungen des Dienstberechtigten abzuweichen, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß der Dienstberechtigte bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würde. Ferner erlischt mit dem Tode des Dienstverpflichteten im Zweifel die Verpflichtung zur Besorgung des Geschäftes, so daß den Erben eine solche Verpflichtung nicht trifft. Aufwendungen, die der Dienstver­ pflichtete zum Zwecke der Ausführung des Auftrags macht und hierzu den Umständen nach für erforderlich halten darf, ist der Dienstberechtigte zu ersetzen verpflichtet, sofern nicht die vereinbarte Vergütung zugleich als Entgelt für die Auf­ wendungen anzusehen ist (§ 675). Der Dienstverpflichtete haftet für jedes Verschulden. So haftet z. B. der Gerichts­ vollzieher, der den Auftrag, Geld wegzunehmen, nicht sofort ausführte, auf Ersatz des Geldbetrages dann, wenn der Schuld­ ner das Geld verräumte. Nur die für die Übertragung der Ausführung des Auf­ trags auf einen Dritten, für den Widerruf des Auftrages durch den Auftraggeber und für die Kündigung des Auftrags durch den Beauftragten beim Auftrag geltenden Vorschriften finden keine Anwendung. Steht jedoch dem Dienstverpflichteten das

513

Allgemeines über den Werkvertrag.

Recht zu, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, so darf er nur in der Art kündigen, daß der Dienstberechtigte für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

7. Kapitel.

Werkvertrag und Werktiefervagsvertrag. § 145. Allgemeines über den Werkvertrag. Der Werkvertrag ist ein gegenseitiger Dertrag, durch welchen der eine Vertragsteil, der Unternehmer, sich zur Herstellung eines Werkes gegen Vergütung, der ändere Vertragsteil, der Besteller, sich zur Gewährung einer Vergütung für die Herstellung eines Werkes verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags ist die Herstellung eines Werkes. Unter „Werk" ist die Her­ beiführung eines materiellen oder immateriellen Erfolges durch Arbeit, sohin der Arbeitserfolg als solcher zu verstehen. Die Herstellung eines Werkes kann also bestehen in der Herstellung, Veränderung, Umarbeitung, Verbesserung Neugestaltung einer Sache, in der Herbei­ führung eines Rechtserfolges, im Transporte einer Sache von einem zum anderen Ort, in der Umarbeitung eines litera­ rischen Werkes, in der Neuschöpfung einer Tondichtung, in der Bearbeitung einer wissenschaftlichen Aufgabe, in der Aus­ bildung eines Menschen zu gewissen Fertigkeiten u. s. w. Ferner fallen regelmäßig unter den Begriff des Werkver­ trags z. B. die Bauverträge, d. h. Verträge auf Herstellung eines Bauwerks, ferner die Vertragsverhältnisse der Aus­ kunftsbureaus, Privatdetektivs und Annoncenbureaus, insbe­ sondere der Zeitungsredaktionen zu ihren Kunden, ferner auch Güter- und Personentransportverträge und die Bühnenengage­ mentsverträge *) Verträge mit Bücherrevisoren auf Ordnen und Revidieren von Handelsbüchern u. bergt Neben der Bewirkung eines Arbeitserfolges gehört zum Wesen eines Werkvertrags die Vereinbarung eines Ent') BlsRA 66 S. 334.

Mül!er»Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

33

513

Allgemeines über den Werkvertrag.

Recht zu, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, so darf er nur in der Art kündigen, daß der Dienstberechtigte für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

7. Kapitel.

Werkvertrag und Werktiefervagsvertrag. § 145. Allgemeines über den Werkvertrag. Der Werkvertrag ist ein gegenseitiger Dertrag, durch welchen der eine Vertragsteil, der Unternehmer, sich zur Herstellung eines Werkes gegen Vergütung, der ändere Vertragsteil, der Besteller, sich zur Gewährung einer Vergütung für die Herstellung eines Werkes verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags ist die Herstellung eines Werkes. Unter „Werk" ist die Her­ beiführung eines materiellen oder immateriellen Erfolges durch Arbeit, sohin der Arbeitserfolg als solcher zu verstehen. Die Herstellung eines Werkes kann also bestehen in der Herstellung, Veränderung, Umarbeitung, Verbesserung Neugestaltung einer Sache, in der Herbei­ führung eines Rechtserfolges, im Transporte einer Sache von einem zum anderen Ort, in der Umarbeitung eines litera­ rischen Werkes, in der Neuschöpfung einer Tondichtung, in der Bearbeitung einer wissenschaftlichen Aufgabe, in der Aus­ bildung eines Menschen zu gewissen Fertigkeiten u. s. w. Ferner fallen regelmäßig unter den Begriff des Werkver­ trags z. B. die Bauverträge, d. h. Verträge auf Herstellung eines Bauwerks, ferner die Vertragsverhältnisse der Aus­ kunftsbureaus, Privatdetektivs und Annoncenbureaus, insbe­ sondere der Zeitungsredaktionen zu ihren Kunden, ferner auch Güter- und Personentransportverträge und die Bühnenengage­ mentsverträge *) Verträge mit Bücherrevisoren auf Ordnen und Revidieren von Handelsbüchern u. bergt Neben der Bewirkung eines Arbeitserfolges gehört zum Wesen eines Werkvertrags die Vereinbarung eines Ent') BlsRA 66 S. 334.

Mül!er»Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

33

514

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag.

gelts. Wie das Entgelt bemessen wird, ist gleichgültig. So widerspricht es z. B. dem Wesen des Werkvertrags nicht, daß die Vergütung nach Arbeitstagen erfolgt.1) Der Werkvertrag Der Begriff des Werkvertrags erhellt am deutlichsten imIBergleich zu önberen'&r“ aus seiner Abgrenzung von anderen Vertragsverhältnissen. tragsverhälta. Vom Dienstverträge unterscheidet sich der Werkver­ nissen. trag dadurch, daß bei ersterem die Arbeitstätigkeit als solche, bei letzterem der Arbeitserfolg unmittelbar den Gegenstand des Vertrags bildet. Der Schauspieler oder Sänger, der einen festen Kontrakt mit einer Bühnenleitung eingeht, wonach er nach Maßgabe des von der Direktion festzustellenden Spiel­ plans in verschiedenen Rollen aufzutreten hat, schließt einen Dienstvertrag, der zur Wiedergabe bestimmter Rollen gastierende Sänger dagegen einen Werkvertrag. b. Durch den Mietvertrag wird eine Sache zur Be­ nützung durch einen Anderen diesem zur Verfügung gestellt. Wird aber dem Anderen eine bestimmte, in einem Erfolge gipfelnde Leistung versprochen und zur Bewirkung dieses Er­ folges die Benützung einer Sache, gewährt, so liegt ein Werk­ vertrag vor. Wer z. B. ein Billet zu einer Theatervorstellung, einer Eisenbahnfahrt u. s. w. löst, geht einen Werkvertrag ein, ebenso wie derjenige, der sich von einer Droschke zur Bahn fahren läßt. Wer dagegen eine Droschke nimmt, um selbst zu kutschieren, oder wer sich gegen Entgelt einen Platz an einem Fenster in fremder Behausung sichert, um einen Festzug an­ zusehen, schließt einen Mietvertrag. Miet- und Werkvertrags­ verhältnisse laufen auch mitunter neben einander her. So geht z. B. derjenige, der sich für einen Schnellzug eine Fahr- und eine Platzkarte löst, einen Werk- und einen Miet­ vertrag ein. c. Beim Kaufe handelt es sich um die Lieferung einer Sache oder eines Rechts, während beim Werkverträge das „Werk" als Erzeugnis von Arbeit Vertragsgegenstand ist. Der Werkvertrag ist an keine Form ge­ bunden. Die Vorschriften über den Werkvertrag sind nachgiebiger Natur. W?rlv«trag"beNeben dem BGB enthalten noch verschiedene andere treffend- reichz- Reichsgesetze Vorschriften über Rechtsverhältnisse, welche unter schriftenn^en den Begriff des Werkvertrags fallen. So ist insbesondere im. bem BGB. HGB in den §§ 407—415 das Speditionsgeschäft, in den §§ 425—452 das Frachtgeschäft, in den §§ 453—473 die Be­ förderung von Gütern und Personen auf den Eisenbahnen und in den §§ 556—675 die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern und Reisenden zur See geregelt. Ferner bestehen für *) SammlnF 4 S. 66.

Die Bertragspflichten des Unternehmers beim Werkverträge.

515

ine Binnenschiffahrtverhältnisse nach dem Reichsgesetze vom 15. Juni 1895 in seiner Abänderung nach Art. 12 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuche, für die Beförderung von Auswanderern nach dem Gesetze über das Auswanderungs­ wesen vom 9. Juni 1897 sowie endlich für die Flößerei nach dem Gesetze vom 15. Juni 1895 besondere Vorschriften.

H 146. Die Bertragspflichten des Unternehmers beim Werkverträge. 1. Der Unternehmer ist vor allem verpflichtet, das v erfprochene Werk in der Art, zu der Zeit und an dem-. vÄproche»« Ort, wie er es versprochen hat, herzustellen (§ 631 ä8ctte8' Abs. 1). Hinsichtlich der Art, der Zeit und des Ortes der Herstellung können auch stillschweigende, insbesondere durch die Natur des herzustellenden Werkes bedingte Vereinbarungen der Parteien maßgebend sein. Dem Unternehmer können auch ausdrücklich oder still­ schweigend Nebenverpflichtungen äuferlegt sein. Dahin gehört z. B. die Verpflichtung zur Lieferung gewisser kleiner Zutaten, die Verpflichtung, Hilfsmaterialien, Geräte, RäumlichLeiten zu stellen, beim Bauverträge die Verpflichtung zur Herbeiführung der polizeilichen Genehmigung zu dem Baue, die Verpflichtung, den erforderlichen Stoff für Rechnung des Bestellers zu beschaffen u. s. w. Die Übernahme von solchen Nebenverpflichtungen erfolgt häufig dadurch, daß eine bestehende Verkehrssitte oder ein Ortsgebrauch nicht ausgeschlossen wird. Daß der Unternehmer das Werk selbst herstellt, wird regelmäßig nicht erfordert. Soferne nicht etwas Anderes ausdrücklich vereinbart ist oder aus der Natur der Sache, insbesondere bei künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen, sich ergibt, kann der Unternehmer sich der Hilfe Dritter bedienen und auch die ganze Herstellung des Werkes einem Anderen übertragen. Tut dies der Unternehmer, so hat er ein Verschulden jener Personen, deren et sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung bedient, wie ein eigenes Verschulden zu vertreten. 2. Eine Verpflichtung des Unternehmers, das hergestellte 2. Verpflichtung Werk dem Besteller zu überbringen, besteht im allgemeinen 3Ube8 wicht. Eine solche Verpflichtung kann sich aber aus den Um­ ständen ergeben oder besonders vereinbart werden. Dagegen hat der Unternehmer das Werk dem Besteller in der Regel abzuliefern. Wo dies zu geschehen hat, bestimmt sich nach i>en Regeln über den Ort der Erfüllung von Schuldverhäktnissen (f. oben § 91). 3. Der Unternehmer ist verpflichtet, das Werk s0 3. Haftung der herzustellen, daß es die zugesicherten Eigenschaf-w" MÄn unv cken hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den

516

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag.

Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Ge­ brauch aufheben oder mindern. stÄerr^aus"-° Sft das Werk nicht von dieser Beschaffenheit, so kann I-Mung von der Besteller vor allem die Beseitigung des angen. Mangels verlangen und dieses Recht im Weigerungs­ fälle im Wege der Klage geltend machen. Jedoch ist der Unternehmer berechtigt, die Beseitigung zu verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Kommt der Unternehmer mit der Beseitigung des Mangels in Verzug, so kann der Besteller den Mangel selbst beseitigen oder durch Hilfskräfte beseitigen lassen und Ersatz für die erforderlichen, wirklich' gemachten Aufwendungen von dem Unternehmer ver­ langen. Kommt der Unternehmer nicht in Verzug, so kann der Besteller, wenn er den Mangel selbst beseitigt, nur nach den Grundsätzen über Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz verlangen (§ 633). Das Recht des Bestellers, die Beseiti­ gung des Mangels zu verlangen, ist an keine Frist gebunden, unterliegt aber einer kurzen Verjährung. Der Besteller kann aber auch dem Unternehmer eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Beseitigung des Mangels nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Er kann dies tun, nachdem er den Unternehmer bereits zur Beseitigung des Mangels aufgefordert hat, kann aber auch die Bestimmung einer Frist mit der Aufforderung zur Mängel­ beseitigung verbinden. Zeigt sich schon vor der Ablieferung des Werkes ein Mangel, so kann der Besteller die Frist sofort bestimmen. In diesem Falle muß die Frist so bemessen werden, daß sie nicht vor der für die Ablieferung bestimmten Frist abläuft. Ist der Unternehmer berechtigt, die Beseitigung des Mangels um deswillen zu verweigern, weil dieselbe einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, so ist die Frist­ bestimmung unwirksam und ohne Bedeutung. Dagegen begibt sich der Besteller durch die Bestimmung einer Frist zur Mängel­ beseitigung des Rechtes nicht, im Falle Verzugs des Unter­ nehmers mit der Beseitigung des Mangels diesen selbst zu beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen zu verlangen. ’anfteaue?8baufS8c' Die Bestimmung einer Frist zur Beseitigung M°ndeiung uvdxines Mangels hat die Bedeutung, daß nach fruchtrung. Ablaufe der Frist der Besteller statt der Beseitigung des Mangels Rückgängigmachung des Vertrags — Wandelung — oder Herabsetzung der Vergütung — Minderung — verlangen kann, soferne nicht der Mangel noch rechtzeitig beseitigt worden ist (§ 634 Abs. 1). Mit dem fruchtlosen Ablaufe der Frist entfällt der Anspruch auf Beseitigung des Mangels.

Die Bertragspflichten des Unternehmers beim Werkverträge.

517

Ebenso dauert das Recht des Bestellers, im Falle Verzugs des Unternehmers den Mangel selbst zu beseitigen, nur bis zum Ablaufe der Frist. Zur Begründung des Anspruchs auf Wandelung oder Minderung bedarf es der Bestimmung einer Frist zur Mängelbeseitigung nicht, wenn a) die Beseitigung des Mangels objektiv unmöglich ist oder b) von dem Unternehmer, ohne oder nach vorheriger Aufforderung desselben durch den Besteller zu einer Erklärung, verweigert wird oder wenn c) die sofortige Geltendmachung des Anspruchs auf Wandelung oder Minderung durch ein besonderes Interesse des Bestellers gerechtfertigt wird. In diesen drei Fällen kann der Besteller, ohne daß er eine Frist zur Mängelbeseitigung bestimmen müßte, sofort anstatt des Anspruchs auf Beseitigung des Mangels Wandelung oder Minderung verlangen, jedoch auch hier mit der Maßgabe, daß die Geltendmachung des Anspruchs auf Wandelung oder Minderung den Anspruch auf Beseitigung des Mangels aus­ schließt (§ 634 Abs. 2). Die Wandelung, nicht auch die Minderung ist ausge­ schlossen, wenn der Mangel den Wert oder die Tauglichkeit des Werkes nur unerheblich mindert (§ 634 Abs. 3). Diese Regel gilt nicht, wenn der für. den Wert oder die Tauglich­ keit des Werkes unerhebliche Mangel in dem Nichtvorhanden­ sein einer zugesicherten Eigenschaft' besteht.*) Wird Rückgängigmachung des Vertrags oder Herab­ setzung der Vergütung verlangt, so finden die beim Kaufe über Wandelung und Minderung wegen Mängel der Sache geltenden Vorschriften mit der Maßgabe entsprechende An­ wendung, daß an Stelle des Käufers der Besteller, an Stelle des Verkäufers der Unternehmer tritt und bei Minderung der Vergütung an Stelle des Zeitpunktes des Verkaufs der Zeit­ punkt des Abschlusses des Werkvertrags zu setzen ist (s. oben § 112) (§ 634 Abs. 4). Es ist also z. B-, wenn Minderung der Vergütung verlangt wird, die vereinbarte Vergütung in dem Verhältnisse herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Werk­ vertragsabschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen Werte des mangelhaften Werkes gestanden haben würde. Beruht der Mangel des Werkes auf einemAnspruck^BeUmstande, den der Unternehmer, sei es infolge Schadensersatz Verschuldens seiner selbst oder eines Gehilfen, sei weBfeüu%tet=

518

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag.

es ohne daß irgend ein Verschulden vorausgesetzt roirb,1) auf Grund eines besonderen Garantiever­ sprechens zu vertreten hat, so kann der Besteller anstatt derWandelung od er Mind erung Schadens­ ersatz wegen Nichterfüllung verlangen (8 635). Der Anspruch aufSchadensersatz wegen Nichterfüllung besteht also nur unter denselben Voraussetzungen wie der Anspruch auf Wandelung oder Minderung und schließt seine Geltendmachung jene des Anspruchs auf Wandelung oder Minderung aus. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung entfällt demnach auch dann, wenn der Unter­ nehmer berechtigt ist, die Mängelbeseitigung zu verweigern, weil dieselbe einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Eine Verpflichtung des Bestellers, wahrgenommene Mängel dem Unternehmer anzuzeigen, besteht mangels besonderer Vereinbarung nicht. Dagegen kann der Besteller die Abnahme des Werkes wegen jeden Mangels ablehnen und auch da ver­ weigern, wo ihn eine Verpflichtung zur Abnahme trifft. Nimmt jedoch jder Besteller ein mangelhaftes Werk ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die Rechte auf Beseitigung des Mangels, eigene Mängelbeseitigung und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen, im Falle Verzugs des Unter­ nehmers Rückgängigmachung des Vertrags, Herabsetzung der Vergütung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung statt Wandelung oder Minderung nur dann zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme dem Unter­ nehmer gegenüber vorbehält. Nur wirkliche Kenntnis, nicht aber auch verschuldete Unkenntnis des Mangels vermag die Ansprüche des Bestellers auszuschließen (§ 640 Abs. 2). Die Vorschriften über die Haftung des Unternehmers wegen Mängel des Werkes sind nachgiebiger Natur. Es steht demnach den Parteien frei, die Haftung des Unternehmers für Mängel des Werkes im Wege der Vereinbarung zu steigern, aber auch zu beschränken oder ganz zu erlassen. Eine Ver­ einbarung, durch welche die Verpflichtung des Unternehmers, einen Mangel des Werkes zu vertreten, erlassen oder beschränkt wird, ist nichtig, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschweigt (§ 637). An?p?uche"d-sBc. Der Anspruch des Bestellers auf Beseitigung eines Mangels wegen Werkes sowie die wegen des Mangels dem Besteller zuWerkr. stehenden Ansprüche auf Wandelung, Minderung oder Schadens­ ersatz verjähren in sechs Monaten, bei Arbeiten an einem Grundstück in einem Jahre und bei Bauwerken in fünf Jahren. Nur in dem einen Falle, wenn der Unternehmer den Mangel ') ROLG 7 S. 479.

Die Vertragspflichten des Unternehmers beim Werkverträge. 519

arglistig verschwiegen hat, greift die gewöhnliche Verjährungs­ frist von dreißig Jahren Platz. Die Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werkes und, wo eine solche nach der Be­ schaffenheit des Werkes ausgeschlossen ist, mit der Vollendung des Werkes (§ 638 Abs. 1 u. § 646). Die Verjährungsfrist kann durch Vertrag verlängert werden, jedoch nicht über die Dauer der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist hinaus. Auch eine Erleichterung ber Verjährung, insbesondere eine Abkürzung der Verjährungsfristen kann durch Vertrag erfolgen. Dagegen ist ein gänzlicher Ausschluß der Verjährung unzu­ lässig (§ 638 Abs. 2). Beantragt der Besteller gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises, so wird die Verjährung bis zur Beendigung des Verfahrens unterbrochen. Die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung eines der hier in Frage stehenden Ansprüche bewirkt auch die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung der anderen Ansprüche. Hat der Besteller den Mangel dem Unternehmer angezeigt oder die Anzeige an ihn abgesandt, bevor der Anspruch auf Wandelung oder Minderung verjährt war, so kann er auch nach der Vollendung der Verjährung die Entrichtung der Ver­ gütung insoweit verweigern, als er auf Grund der Wandelung oder Minderung dazu berechtigt sein würde. Das Gleiche gilt, wenn der Besteller vor Vollendung der Verjährung gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises beantragt oder in einem zwischen ihm und einem späteren Erwerber des Werkes wegen des Mangels anhängigen Rechtsstreite dem Unternehmer den Streit verkündet hat. Hat der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann der Besteller nach Vollendung der Verjährung auch ohne vorhergehende Anzeige, ohne Antrag auf Sicherung der Beweisaufnahme und ohne Streitverkündung die Vergütung verweigern, wie wenn er zur Wandelung oder Minderung noch berechtigt wäre. Der An­ spruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung kann nach der Vollendung der Verjährung nur dann aufgerechnet werden, wenn der Besteller den Mangel dem Unternehmer vorher angezeigt oder doch die Mängelanzeige abgesandt, gerichtliche Beweisaufnahme beantragt oder im Prozesse mit dem Nach­ erwerber dem Unternehmer den Streit verkündet hat. In dem Falle, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig ver­ schwiegen hat, kann der Anspruch auf Schadensersatz auch nach Vollendung der Verjährung noch aufgerechnet werden. Unter­ zieht sich der Unternehmer im Einverständnisse mit dem Be­ steller der Prüfung des Vorhandenseins oder der Beseitigung eines Mangels, so ist die Verjährung so länge gehemmt, bis der Unternehmer das Ergebnis der Prüfung dem Besteller mitteilt oder ihm gegenüber den Mangel für beseitigt erklärt oder die Fortsetzung der Beseitigung verweigert (§ 639).

520 Mr^tz§t^gen Herstemlng des

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag.

4. Der Unternehmer ist verpflichtet, das ganze Werk rechtzeitig herzustellen. Wird das Werk ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig hergestellt, so kann der Besteller im Falle Verzugs des Unternehmers auf Vertragserfüllung klagen und Schadensersatz wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung verlangen. Ist vereinbart, daß das Werk genau zu oder innerhalb einer fest­ bestimmten Zeit hergestellt werden soll, so ist im Zweifel anzunehmen, daß der Besteller zum Rücktritte berechtigt sein soll, wenn das Werk nicht zu oder innerhalb der bestimmten Zeit hergestellt wird. Außerdem kann der Besteller, wenn das Werk ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig hergestellt wird, dem Unternehmer zur Fertigstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er nach dem Ablaufe der Frist die spätere Lieferung nicht mehr annehmen werde. Zeigt sich schon vor der Ablieferung des Werkes, daß dasselbe nicht rechtzeitig fertig werden wird, so kann der Besteller die Frist sofort bestimmen; diese Frist muß aber so bemessen werden, daß sie nicht vor der für die Ablieferung bestimmten Frist ab­ läuft. Nach dem fruchtlosen Ablaufe der Frist kann der Besteller ohne Rücksicht darauf, ob der Unter­ nehmer sich im Verzüge befindet oder nicht, von dem Vertrage zurücktreten, wenn nicht bis zur Rück­ trittserklärung das Werk noch rechtzeitig hergestellt ist. Ist die Frist zu kurz bemessen, so ist die Fristbestimmung nicht wirkungslos; vielmehr wird gleichwohl eine angemessene Frist in Lauf gesetzt und kann der Unternehmer binnen ange­ messener Frist noch erfüllen, der Besteller erst nach Umfluß angemessener Frist vom Vertrage zurücktreten.Z Wird das Werk ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig hergestellt, so kann der Besteller, wenn die rechtzeitige Herstellung unmöglich ist oder von dem Unternehmer verweigert wird oder wenn die sofortige Geltendmachung des Rücktrittsrechts durch ein besonderes Interesse des Bestellers gerechtfertigt wird, auch ohne vorherige Bestimmung einer Frist vom Vertrage zurück­ treten. Die Geltendmachung dieses Rücktrittsrechts ist zeitlich nicht begrenzt und ist der Besteller nicht verpflichtet, den Rücktritt im Zeitpunkte des Ablaufs der Lieferungsfrist oder doch der Entstehung seines besonderen Interesses zu erklärend) Das Rücktrittsrecht ist ausgeschlossen, wenn die nicht rechtzeitige Herstellung nur einen unerheblichen Nachteil für den Besteller bedeutet. Macht der Besteller von dem Rück­ trittsrechte Gebrauch, so erlischt der Vertrag und damit auch der Anspruch des Bestellers auf Vertragserfüllung. Bestreitet der Unternehmer die Zulässigkeit des erklärten Rücktritts, ') IW 1904 S. 92. RG 52 S. 317.

Die Bertragspflichten des Bestellers beim Werkverträge.

521

weil er das Werk rechtzeitig hergestellt habe, so trifft ihn die Beweislast (§ 636).

§ 147. Die Vertragspslichten des Bestellers beim Werkverträge. 1. Die hauptsächlichste Vertragspflicht des Bestellers i. Verpflichtung besteht darin, die vereinbarte Vergütung für das Her-Ar ArgSÜng° gestellte Werk zu entrichten (8 631). Über die Art und den Umfang der Vergütung entscheidet die ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien. Die Ver­ gütung kann im Ganzen oder nach Teilen je nach dem Fort­ schreiten des Werkes, oder nach Zeitabschnitten bemessen und zu entrichten sein. Änderungen in den Lohn- und Preisver­ hältnissen finden nach dem Vertragsabschluß mangels beson­ derer Vereinbarung keine Berücksichtigung. Ebenso muß der Be­ steller die ganze Vergütung entrichten, auch wenn die Herstellung des Werkes weniger Arbeit, als vorherzusehen war, verursacht hat. Ist die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten, so gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart (§ 632 Abs. 1). Wer z. B. in eine Droschke oder, einen Trambahnwagen einsteigt und sich von einem Ort zum andern fahren läßt, muß Vergütung be­ zahlen, obschon er sich in der Regel vorher mit dem Droschken­ führer oder Trambahninstitutsinhaber über den Fahrpreis nicht auseinandergesetzt haben wird. Wenn ferner z. B. ein Hausbesitzer sein Haus mit einem neuen Anstrich versehen läßt, ohne mit dem Malermeister über die Vergütung etwas zu vereinbaren, so kann der Malermeister trotzdem Vergütung fordern. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer obrigkeitlich festgesetzten Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer solchen Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen (§ 632 Abs. 2). In der vereinbarten Vergütung wird sehr häufig auch der Ersatz für Auslagen und Zutaten des Unternehmers mit inbegriffen sein; wann, ob und in welchem Maße dies zu­ trifft, ist Sache der Vertragsauslegung. Nimmt, was ins­ besondere bei Bauverträgen häufig vorkommt, der Unternehmer in Abweichung , von den Vertragsbestimmungen bei Ausführung des Werkes Änderungen vor oder bringt er vertragsmäßig nicht vorgesehene Zusätze an, so kann er für die hierdurch ver­ ursachten Mehraufwendungen Ersatz nur nach Maßgabe der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, also insbesondere nur dann verlangen, wenn die Änderungen oder Zusätze dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Bestellers entsprechen oder wenn der Besteller die Änderungen oder Zusätze genehmigt (s. unten § 161). Die Vergütung ist regelmäßig, soferne nicht etwas Anderes vereinbart ist, bei der Abnahme des Werkes und,

522

Werkvertrag und Werklieferungsoertrag.

wenn die Abnahme nach der Beschaffenheit des Werkes aus­ geschlossen ist, bei Vollendung des Werkes zu entrichten. Der Unternehmer hat also in der Regel vorzuleisten. Jedoch bezieht sich diese Vorleistungspflicht nur auf die Herstellung des Werkes. Ausfolgung des Werkes und Entrichtung der Vergütung haben vielmehr Zug um Zug zu geschehen. Der Unternehmer braucht also das Werk nicht eher aus der Hand zu geben, als er die Ver­ gütung erhält. Ist das Werk in Teilen abzunehmen, und die Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt, so ist die Vergütung für jeden Teil bei dessen Abnahme zu entrichten (§ 641 Abs. 1). Eine in Geld festgesetzte Vergütung hat der Besteller von der Abnahme des Werkes an und, wenn eine solche nach der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen ist, von der Vollen­ dung des Werkes an zu verzinsen, soferne nicht die Ver­ gütung gestundet ist (§ 641 Abs. 2). s.Nebenvervflich2. Ebenso wie dem Unternehmer können dem Besteller Bestellers ausdrücklich oder stillschweigend Nebenverpflichtungen auferlegt sein. Besonders häufig ist der Besteller gehalten, den Stoff oder die Zutaten zu dem Werke zu liefern. Aber auch andere Verpflichtungen, wie z. B. die Verpflichtung, Geräte oder Räume zur Herstellung des' Werkes zur Ver­ fügung zu stellen, Anweisungen in Bezug auf die Herstellung des Werkes zu geben oder sogar bei der Herstellung des Werkes selbst irgendwie mitzuwirken, können dem Besteller obliegen. Wer z. B. sein Zimmer tapezieren läßt, muß angeben, welche Farbe, welches Muster u. s. w. die Tapete haben soll, soferne nicht nach dem Vertragsinhalte auch die diesbezügliche Auswahl dem Tapezierer überlassen sein soll. Will ferner z. B. Jemand sich por­ trätieren lassen, so muß er zur Anfertigung des bestellten Por­ träts seine Person dem Maler darbieten. Auf Erfüllung der Nebenverpflichtungen kann der Unternehmer klagen. Ist bei Herstellung eines Werkes eine Handlung des Bestellers, z. B. die Lieferung von Stoff oder Material u. s. w. erforderlich und kommt der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug, so kann der Unternehmer eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Ver­ gütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer in­ folge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch ander­ weitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann (§ 642). Eines Nachweises dafür, daß dem Unternehmer durch das Ver­ halten des Bestellers ein Schaden erwachsen ist, bedarf es nicht. Trifft letzteres zu, so können von dem Unternehmer nach allgemeinen Grundsätzen Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. 8- Upflichtnnn 3. Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig ^ertrags^»^ her gestellte Werk abzunehmen. Abnahme ist -nicht 6erSerte“tcn nur Entgegennahme des Werkes als solchen, sondern Ent-

Die Vertragspflichten des Bestellers beim Werkverträge.

523

gegennahme des Werkes als Vertragserfüllung, d. h. körperliche Hinnahme und Anerkennung der Leistung als Vertragserfüllung. Der Unternehmer kann auf Abnahme des vertragsmäßig fertiggestellten Werkes klagen. Dagegen hat der Unternehmer keinen Anspruch darauf, daß ihm die Her­ stellung des Werkes gestattet werde. Die Verpflichtung zur Abnahme des Werkes besteht nicht: a) wenn und solange das Werk nicht vertragsmäßig her­ gestellt ist, b) wenn nach der Beschaffenheit des Werkes eine Ab­ nahme ausgeschlossen ist, so z. B. wenn das Werk in der Aus­ bildung Jemandens in einer Kunst, im Abbruch eines Gebäudes, in der Ausführung eines Transportes u. s. w. besteht. Da­ gegen sind z. B. an einem Gebäude ausgeführte Werkleistungen, wie Schreiner-, Schlosser-, Malerarbeiten abnahmefähig.*) Die Kosten der Abnahme in Erfüllung der Abnahme­ pflicht treffen den Besteller (§ 640 Abs. 1). 4. Der Unternehmer hat für seine Forderungen aus dem Werkverträge kraft Gesetzes ein Pfand­ recht an den von ihm hergestellten oder ausge­ besserten beweglichen Sachen des Bestellers, wenn dieselben bei der Herstellung oder zum Zwecke der Ausbesserung in seinen Besitz gelangt sind (§ 647). Das gesetzliche Pfandrecht besteht nur für Forderungen aus dem Werkverträge. Dahin gehören die Forderungen auf Vergütung, auf Schadensersatz wegen Annahmeverzugs u. s. w., nicht aber auch etwa nebenher laufende Ansprüche, z. B. wegen unerlaubter Handlungen des Bestellers. Auch Prozeßkosten ent­ stehen nicht aus dem Vertragsverhältnis und besteht daher zu deren Gunsten mangels eines inneren Zusammenhanges mit den Forderungen aus dem Vertrage kein gesetzliches Pfand­ rechts) Das gesetzliche Pfandrecht des Unternehmers erstreckt sich nur auf die dem Besteller selbst gehörigen und von dem Unternehmer hergestellten, ausgebesserten oder ver­ änderten beweglichen Sachen, wenn und soweit solche Sachen zu dem Werkzwecke in den Besitz des Unternehmers gelangt sind, nicht aber auch auf Sachen Dritter, auf Grundstücke, auf dem Unternehmer zur Verfügung gestellte Gerätschaften oder Hülfsmaterialien oder endlich auf Sachen, welche nicht oder aus einem anderenRechtsgrunde in den Besitz des Unter­ nehmers gelangt sind. Übt Jemand für den Unternehmer in dessen Erwerbsgeschäft oder Haushalt die tatsächliche Gewalt über die dem Unternehmer zur Herstellung oder Ausbesserung übergebenen Sachen aus oder steht er zu dem Unternehmer *) ROLG 6 S. 84. ’) ROLG 1 S. 398.

d's

584

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag.

in einem ähnlichen Verhältnisse, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten hat, so steht nur dem Unternehmer das gesetzliche Pfandrecht zu. So kann z. B. der Tapezierergeselle, der im Auftrage seines Meisters Matratzen im Hofraume des Bestellers aufgerichtet hat, das gesetzliche Pfandrecht nicht geltend machen. Durch die Vorschriften über das gesetzliche Pfandrecht des Unternehmers werden die Vorschriften über das Zurückbe­ haltungsrecht nicht ausgeschlossen. ^Bauuäer-^ Bei Bauwerken, aber nur bei solchen, kann der Unter­ nehmers auf Ein- nehmer Sicherung durch das Baugrund st ück erlangen. Der ^Sicherungs-" Unternehmer eines Bauwerkes oder eines ein« ^potiiet. zelnen Teiles eines Bauwerkes kann für seine Forderungen aus dem Vertrage die Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstücke verlangen. Dieser Anspruch steht nur dem Unternehmer zu und auch diesem nur für Forderungen aus dem Werkverträge, nicht aber für Forderungen aus einem anderen Rechtsgrunde, wie z. B. einem Lieferungskaufe zu Bauzwecken. Demgemäß haben Lieferanten von Baumaterialien oder Personen, welche wie z. B. Akkordanten zu dem Unternehmer in einem Ver­ tragsverhältnisse stehen, keinen Anspruch auf Sicherungshypothek. Wohl aber steht jenen Bauhandwerkern, welche, wie z. B. ein Schreinermeister, der Tür- und Fensterstöcke in einen Neubau einfügt, die Materialien und Stoffe zu dem Bauwerke selbst oder nur zu einzelnen Teilen desselben liefern, der Anspruch auf Ein­ räumung einer Sicherungshypothek zu.*) Weder die Fälligkeit der Forderungen des Unternehmers aus dem Werkverträge noch die Vollendung des Werkes ist Voraussetzung für die Geltendmachung des Anspruchs auf Sicherstellung. Ist das Werk noch nicht vollendet, so kann der Unternehmer die Einräumung der Sicherungshypothek nur für einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und für die in der Ver­ gütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. Solange und soweit das Bauwerk noch nicht vollendet ist, kann der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek nicht geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungs­ hypothek besteht auch dann, wenn der Betrag der zu deckenden Forderung unter 300 ist (vergl. § 866 CPO)?) Daß das Bauwerk ein Neubau 3) oder überhaupt ein Gebäude sei, wird ebensowenig erfordert wie, daß der Unternehmer das Bauhand­ werk gewerbsmäßig betreibe. Alle Hoch- und Tiefbauten, wie .Brücken, Dämme, Quaimauern, Kanäle, Unterkellerungen, Bassins u. s. w. fallen unter den Begriff des Bauwerks. Unter

*) SammlnF 2 S. 140; BlfRA 66 S. 385. 2) ROLG 2 S. 221. •) ROLG 2 S. 283.

Die Tragung der Gefahr beim Werkverträge.

525

Bauwerk ist jede unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache zu verstehend) Das Baugrundstück muß dem Besteller gehören. Nach Veräußerung des Baugrundstücks an einen Dritten kann die Einräumung der Sicherungshypothek nicht mehr verlangt werden. Ebenso kann derjenige, dem vor Ein­ tragung oder Vormerkung der Sicherungshypothek die Forderung aus dem Werkverträge übertragen wurde, die Einräumung einer Sicherungshypothek nicht verlangen. Denn der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek ist kein der Forderung des Bauhandwerkers gesetzlich zustehendes Nebenrecht, sondern ein rein persönlicher Anspruch, Nur die eingetragene oder vor­ gemerkte Sicherungshypothek geht auf den Erwerber der For­ derung über?) Der Unternehmer kann auf Grund seines An­ spruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek eine solche nicht ohne weiteres eintragen lassen. Die Hypothek kann viel­ mehr nur auf Grund einer Bewilligung des Bestellers als Eigentümers des Baugrundstücks oder auf Grund eines ihn dazu verurteilenden Urteils eingetragen werden. Verweigert der Besteller die Bewilligung der Eintragung, so muß der Unternehmer ihn erst auf Erteilung der Eintragungsbewilligung verklagen. Jedoch kann der Unternehmer auf Grund einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung seines Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek eine Vormerkung in das Grundbuch eintragen lassen, welche ihm den Rang der einzutragenden Hypothek sichert und eine etwa nachher er­ folgende Veräußerung des Baugrundstücks durch den Besteller ihm gegenüber unschädlich macht (§§ 648, 883)?) Der Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek kann' durch Sicher­ heitsleistung nicht abgewendet werden?) Ist eine Sicherungs­ hypothek einmal eingetragen oder vorgemerkt, so kann Zahlung der durch die Eintragung oder Vormerkung gesicherten For­ derung nur gegen Löschung der Eintragung oder Vormerkung verlangt werden?)

8 148.

Die Tragung der Gefahr beim Werkverträge.

Grundsätzlich trägt der Unternehmer bis zur Tragung der Abnahme und, wenn dieselbe nach der Beschaffen- i Unternehmer, heit des Werkes ausgeschlossen ist, bis zur Vollen­ dung desWerkes dieGefahr des zufälligen Unter­ ganges und der zufälligen Verschlechterung des Werkes. Nachher trifft die Gefahr den Besteller. Wird vor *) IW 1904 S. 37. 2) ROLG 4 S. 46; anders ROLG 6 S. 84; BlfRA 67 S. 118. anders ROLG 4 S. 238. 4) ROLG 6 S. 86. ’) IW 1904 S. 91, 104.

526

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag.

der Abnahme das vollendete oder teilweise hergestellte Werk oder, wenn die Abnahme nach der Natur des Werkes ausge­ schlossen ist, vor der Vollendung das Werk durch Zufall zu Grunde gerichtet oder das Werk durch einen Zufall unaus­ führbar^) so kann der Unternehmer Vergütung nicht verlangen. Im Falle zufälliger Verschlechterung des Werkes kann der Unternehmer nur einen entsprechenden Teil der Gegenleistung fordern. Dabei bleiben die Bestimmungen über Unmöglichkeit der Leistung unberührt. Der Unternehmer kann auch nach dem Inhalte des Vertrags berechtigt und verpflichtet sein, an Stelle des zu Grunde gegangenen Werkes ein anderes herzu­ stellen oder das verschlechterte Werk auszubessern. Unbeschadet des Umstandes, daß der Unternehmer die Gefahr trägt, kann derselbe gleichwohl einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen, wenn das Werk vor der Abnahme beziehungsweise, falls die Be­ schaffenheit des Werkes eine Abnahme ausschließt, vor der Vollendung infolge eines Mangels des von dem Besteller ge­ lieferten beweglichen oder unbeweglichen Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist, ohne daß ein von dem Unternehmer zu vertretender Umstand mitgewirkt hat. Eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt unberührt (§ 645). ^o6r“bur*" «T Von dem Grundsätze, daß der Unternehmer bis zur Ab1 Besteller, nähme beziehungsweise Vollendung des Werkes die Gefahr trägt, bestehen Ausnahmen: a) Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die Gefahr mit Beginn des Annahmeverzugs auf den Besteller über. b) Auch ist der Unternehmer für den zufälligen Untergang und eine zufällige Verschlechterung des von dem Besteller ge­ lieferten Stoffes nicht verantwortlich. Der Unternehmer ist so­ nach nicht verpflichtet, den untergegangenen oder verschlechterten Stoff zu ersetzen oder auszubessern. c) Versendet der Unternehmer das Werk auf Verlangen des Bestellers nach einem anderen Orte als dem Erfüllungs­ orte, so geht die Gefahr auf den Besteller über, sobald der Unternehmer das Werk dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat. Hat der Besteller eine besondere Anweisung über die Art der Versendung erteilt und weicht der Unternehmer ohne dringenden Grund von der Anweisung ab, so ist der Unternehmer dem Besteller für den daraus ent­ stehenden Schaden verantwortlich. *) SammlnF 4 S. 66.

Beendigung des Werkvertrags.

527

d) Die Grundsätze über Gefahrtragung greifen nicht Platz, wenn das Werk durch Umstände vernichtet oder verschlechtert wird, welche der eine oder andere Vertragsteil, insbesondere wegen eigenen Verschuldens zu vertreten hat (§ 644).

§ 149. Beendigung des Werkvertrags.

Setnbigung des

1. Der Werkvertrag findet seine naturgemäße Beendigung i- durch @r= dadurch, daß beide Vertragsteile die ihnen obliegenden Leistungen u un®‘ erfüllen. 2. In der Regel ist der Tod des Unternehmers und eben-2 rod eines Ver­ so der Tod des Bestellers ohne Einfluß auf das Werkvertrags- trofl8tclIeSVerhältnis Nur dann endet das Vertragsverhältnis mit dem Tode eines der Vertragsteile, wenn, wie z. B. beim Malen eines Porträts, entweder der Unternehmer das Werk in Person herzustellen hat oder die Herstellung des Werkes an die Person des Bestellers gebunden ist, sei es, daß das Werk nur für diesen bestimmt oder ohne dessen Person nicht herstellbar ist. 3. Ist die Herstellung des Werkes in unübertragbarer»unfähigwerden Weise an die Person des Unternehmers geknüpft, so wird der nehmers zur Werkvertrag auch dadurch aufgehoben, daß der Unternehmer ®etggerUtelbe8 zur Herstellung des Werkes dauernd unfähig wird. 4. Der Werkvertrag kann ferner endigen durch Kündi- «Kündigung, gung in folgenden Fällen: a) Der Besteller kann bis zur Vollendung des KündigungsWerkes jederzeit den Vertrag kündigen. Der Vertrag stell^s^ erlischt mit der wirksamen Kündigung für die Zukunft. Die bereits erwachsenen Ansprüche bleiben aber bestehen. Der Unternehmer ist insbesondere berechtigt, die vereinbarte Ver­ gütung zu verlangen, selbst wenn er noch nichts oder nur teil­ weise geleistet hat, muß sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeits­ kraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt. Insoweit hiernach ein Anspruch des Unternehmers auf Vergütung besteht, bleiben auch die für diese Verpflichtung bestellten Pfandrechte und Bürgschaften bei Bestand. Andererseits kann der Unter­ nehmer, wenn er ganz oder teilweise schon geleistet hat, nichts zurückfordern. Auch steht dem Unternehmer kein Schadens­ ersatzanspruch im Falle der Kündigung ju.1) Der Unternehmer darf auch nach erfolgter Kündigung in der Herstellung des Werkes nicht fortfahren oder mit derselben beginnen. Ein gegenteiliges Verhalten macht den Unternehmer dem Besteller für den daraus entstehenden Schaden und namentlich für den Schaden verantwortlich, welcher dem Besteller daraus erwächst, *) ROLG 7 S. 480.

528

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag.

daß der Unternehmer trotz der erfolgten Kündigung die von dem Besteller gelieferten Materialien oder zur Ausführung des Werkes gemachten Vorschüsse noch verwendet (§ 649). Ist dem Werkverträge ein, gleichviel von wem, gefertigter Kostenvoranschlag zu Grunde gelegt worden, ohne daß der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, daß das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Kostenvoranschlags ausführbar ist, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller aus diesem Grunde kündigt, nur einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen ver­ langen. Dies gilt auch dann, wenn eine Überschreitung oder eine wesentliche Überschreitung des Kostenvoranschlags noch nicht eingetreten ist. Ist eine wesentliche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der- Unternehmer dem Besteller hiervon unverzüglich Anzeige zu machen. Verzögert oder unter­ läßt der Unternehmer die Anzeige, so wird er dem Besteller für den Schaden verantwortlich, welcher dem Besteller daraus entsteht, daß er infolge Unkenntnis der Sachlage nicht recht­ zeitig kündigte (§ 650). Die Kündigung ist eine einseitige, an keine Form ge­ bundene, empfangsbedürftige Willenserklärung. Ist dieselbe richtig erfolgt, so kann sie nicht widerrufen werden. Das KündigungÄecht des Bestellers erlischt mit der Vollendung des Werkes. b> Kündigungsb) Der Unternehmer kann nur in einem einzigen " nchmcrs! ”* Falle den Werkvertrag kündigen. Dies ist dann der Fall, wenn bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Be­ stellers erforderlich ist und der Besteller durch das Untertassen der Handlung in Verzug der Annahme gerät. In diesem Falle kann der Unternehmer dem Besteller eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis zum Ablaufe der Frist vorge­ nommen werde. Erfolgt die Nachholung der Handlung bis zum Ablaufe der Frist nicht, so gilt der Vertrag als aufge­ hoben. Der Unternehmer kann aber einen der bereits ge­ leisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. Vom Zeitpunkte der vollzogenen Kündigung an steht jedoch nur dieser Anspruch dem Unternehmer zu, nicht auch wahlweise ein Anspruch auf angemessene Entschädigung (§§ 643, 645).

§ 150. Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstände haben. Hat der Werkvertrag eine Geschäftsbesorgung zum Gegen­ stände, so finden die für den Auftrag geltenden Vorschriften

Werkverträge die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstände haben. 529

(f. unten § 157 ff.) neben den Normen für den Werkvertrag entsprechende Anwendung. Unter „Geschäftsbesorgung" ist die Erledigung von tatsächlichen Geschäften und von Rechtsgeschäften, aber immer nur von Geschäften des Bestellers zu verstehen. Die Geschäfte müssen also derart sein, daß sie bei Meidung wirtschaftlicher Schäden von dem Besteller selbst vorzunehmen wären, wenn er sie vorzunehmen gewillt oder tatsächlich oder rechtlich nicht behindert wäre und er nicht die Möglichkeit hätte, einen An­ deren vertragsmäßig mit der Vornahme zu betrauen. Unter Geschäftsbesorgung sind also nicht alle diejenigen Besorgungen zu rechnen, welche für den Geschäftsherrn überhaupt von wirt­ schaftlicher Bedeutung sind. Vielmehr ist der Begriff ein engerer. Demgemäß gehören hieher z. B. Verträge mit Gutsinspektoren, mit Privatdetektivs, Patentanwälten u. s. w. Daraus, daß die Vorschriften über den Auftrag entsprechende Anwendung zu finden haben, folgt z. B., daß der Unternehmer verpflichtet ist, dem Besteller die erforderlichen Nachrichten über die Besorgung des Geschäftes zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäftes Auskunft zu erteilen und nach Aus­ führung des Geschäftes Rechenschaft abzulegen. Ferner ist der Unternehmer gehalten, dem Besteller Alles, was er zur Aus­ führung des Geschäfts erhält und was er aus der Geschäfts­ besorgung erlangt, herauszugeben. Jedoch kann der Unter­ nehmer für die zur Ausführung des Geschäfts gemachten Auf­ wendungen in der Regel, d. h. soweit der Unternehmer nicht nach dem Werkverträge neben der Vergütung oder statt der­ selben Ersatz von Aufwendungen zu fordern berechtigt ist, keinen Ersatz verlangen, weil diese Aufwendungen regelmäßig durch die vereinbarte Vergütung gedeckt werden. Es ist also auch der Besteller in der Regel nicht gehalten, für die zur Aus­ führung des Geschäftes erforderlichen Aufwendungen dem Unter­ nehmer Vorschuß zu leisten. „Keine Anwendung finden ferner die Vorschriften, die für die Übertragung der Ausführung des Auftrags auf einen Dritten, für den Widerruf des Auftrags durch den Auftraggeber und für die Kündigung des Auftrags durch den Beauftragten beim Auftrag gelten. Steht jedoch dem Unternehmer das Recht zu, ohne Einhaltung einer Kündigungsftist zu kündigen, so darf er dies nur in der Art tun, daß der Besteller für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, daß ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt der Besteller ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Besteller den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Müller-Meikel, Büraerl. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

34

530

Werkvertrag und Werklieferungsvertrag.

§ 151. Der Werklieferungsvertrag. Begriff.

Der Werklieferungsvertrag ist ein gegenseiti­ ger Vertrag, durch welchen der eine Vertragsteil, der Unternehmer, sich zur Herstellung eines Werkes aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe, der andere Vertragteil, der Besteller, sich zur Gewäh­ rung einer Vergütung verpflichtet. Der Unternehmer hat nicht nur das Werk aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe herzustellen, sondern auch die Verpflichtung, dem Besteller die hergestellte Sache zu über­ geben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Daraus ergibt sich, daß der Werklieferungsvertrag grund­ sätzlich als Kaufvertrag, nicht als Werkvertrag zu behandeln ist. Tatsächlich finden auch auf den Werklieferungsvertrag d i e Vorschriften über den Kaufvertrag Anwendung (§ 651). ri*tet”au“%ev Dies gilt uneingeschränkt dann, wenn der Unternehmer stellung vertret-sich verpflichtet, aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe barer Sachen. ejne vertretbare Sache herzustellen und zu liefern. So z. B. wenn Jemand bei einem Schneider sich ein Kleidungs­ stück bestellt und der Schneider das Tuch dazu zu liefern hat oder wenn eine Möbelfabrik Stühle aus von ihr zu beschaffenden Materialien herzustellen hat u. s. w. In diesen Fällen kann der Besteller zwar nur auf Lieferung, nicht auch auf Herstellung der Sache klagen. Liefert aber der Unternehmer eine nicht von ihm hergestellte Sache, so fehlt derselben eine zugesicherte Eigenschaft und kann der Besteller wegen dieses Mangels den Unternehmer haftbar machen. Denn die Grundsätze über Mängelhaftung des Verkäufers, gelten , auch, hier, Dem Be­ steller stehen Wandelungs- und Minderungsklage ebenso wie dem Käufer einer nur der Gattung nach bestimmten Sache zu Gebote. Derselbe hat nicht das Recht, die Beseitigung eines Mangels zu verlangen, wie umgekehrt auch der Unternehmer die Wandelungs- oder Minderungsklage nicht durch Beseitigung des Mangels ausschließen kann. Der Besteller hat auch kein Kündigungsrecht. Die Gefahr geht mit der Übergabe der Sache, nicht mit der Mnahme oder Vollendung des Werkes auf den Besteller über. Zur Abnahme der Sache ist der Be­ steller nur im Sinne einer tatsächlichen Wegnahme, nicht auch im Sinne einer Anerkennung der Leistung als Vertragserfüllung verpflichtet. Werkvertrag,geHat der Unternehmer eine nicht vertretbare Sache fteaungUfni$r aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe herzustellen, so °°Sache"" finden jene Vorschriften über den Kauf, welche den Gefahr­ übergang, die Mängelhaftung, mit Ausnahme der Gewähr­ leistung für Mängel im Rechte, insbesondere die Wandelung und Minderung und die Verjährung der Wandelungs- und Minderungsklage betreffen, keine Anwendung. Dieselben werden

Der Werklieferungsvertrag.

531

vielmehr durch die Vorschriften über den Werkvertrag ersetzt. Demgemäß trägt der Unternehmer regelmäßig bis zur Abnahme und, wenn dieselbe nach der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen ist, bis zur Vollendung des Werkes die Gefahr. Ist die Sache mit Fehlern behaftet, welche den Wert oder die Tauglichkeit der Sache zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern, oder fehlen der Sache zugesicherte Eigenschaften, so kann der Besteller Beseitigung des Mangels verlangen, eine Frist zur Mängelbeseitigung bestimmen und nach deren frucht­ losen Ablauf auf Wandelung oder Minderung klagen. Der Besteller ist auch verpflichtet, das Werk nicht nur als solches, sondern auch als Vertragserfüllung abzunehmen. Auf Beschaffung des Stoffes und Herstellung des Werkes hat der Besteller keine Klage, wohl aber auf Lieferung der vertragsmäßig hergestellten Sache. Liefert der Unternehmer eine nicht von ihm hergestellte Sache, so fehlt der Sache eine zugesicherte Eigenschaft und haftet der Unternehmer für diesen Mangel nach den Vorschriften über den Werkvertrag. Der Besteller hat das Recht, den Ver­ trag bis zur Vollendung des Werkes jederzeit zu kündigen. Auch auf dieses Kündigungsrecht finden die Vorschriften über den Werkvertrag Anwendung. Der Unternehmer kann dann, wenn bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Be­ stellers erforderlich ist und der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen und dem Besteller zur Nachholung der Handlung eine angemessene Frist mit der Erklärung be­ stimmen, daß er nach fruchtlosem Ablaufe der Frist den Ver­ trag kündige, was zur Folge hat, daß der Vertrag als auf­ gehoben gilt, wenn nicht die Nachholung der Handlung bis zum Ablaufe der Frist erfolgt. Dagegen steht dem Unter­ nehmer für seine Forderungen aus dem Vertrage kein gesetz­ liches Pfandrecht und, wenn er Bauunternehmer ist, kein Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstücke des Bestellers zu. Eine Ausnahme von dem Grundsätze, daß die Vorschriften tiber den Kauf für den Werklieferungsvertrag Anwendung zu finden haben, besteht in dem eben berührten Falle auch dann, wenn der Unternehmer aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe eine vertretbare Sache herzustellen hat. Für den Fall nämlich, daß bei der Herstellung der Sache eine Handlung des Bestellers erforderlich ist, kann der Unternehmer nach den dies­ bezüglichen, für den Werkvertrag geltenden Vorschriften eine an­ gemessene Entschädigung verlangen und durch Kündigung die Aufhebung des Vertrags herbeiführen. Keine Ausnahme von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Vorschriften über den Kaufvertrag enthält die Bestimmung, 34*

Der Mäklervertrag.

532

daß dann, wenn der Unternehmer sich nur zur Beschaffung von Zutaten oder sonstigen Nebensachen verpflichtet, ausschließlich die Vorschriften über den Werkvertrag Anwen­ dung finden (§ 651 Abs. 2). Dabei ist zu bemerken, daß das Eigentum an den Zutaten und Nebensachen in der Regel auf den Besteller durch die Verbindung mit der Hauptsache über­ geht und zwar ohne daß der frühere Eigentümer von dem Be­ steller Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern kann. Auch die Vorschriften über den Werklieferungsvertrag sind nachgiebiger Natur.

8. Kapitel.

Der ZKLKtervertrag. 8 152. Allgemeines. Wer für andere Personen, ohne von denselben auf Grund Maklers. ejneg jjjetjU verpflichtenden Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, gegen Entgelt Verträge vermittelt oder die Gelegenheit zum Abschluß von Verträgen nachweist, ist Mäkler. Besonders hinzuweisen ist ins­ besondere auf die Mäkler, welche die Veräußerung und den Um­ tausch von Grundstücken, hypothekarische Belehnungen, die Be­ schaffung von Darlehen vermitteln, ferner auf die Gesindemäkler, so z. B. die Plazierungsbureauinhaber u. s. w. Die Tätigkeit der Mäkler kann, muß aber nicht gewerbsmäßig sein. Die Bestimmungen des BGB beziehen sich sowohl auf gewerbs­ mäßige als auf nicht gewerbsmäßige Mäklerdienste. Andere reichsgeNeben dem BGB enthalten noch andere Reichsgesetze 'mungen’über” Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse der Mäkler. So ist ^bem ®@®cn den §§ 93—104 HGB das Institut der Handelsmäkler besonders geregelt. Handelsmäkler ist, wer gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen, wie z. B. der Handels­ agent, auf Grund eines Vertragsverhältniffes ständig damit betraut zu sein, die Vermittelung von Verträgen über An­ schaffung oder Veräußerung von Waren oder Wertpapieren, über Versicherungen, Güterbeförderungen, Bodmerei, Schiffs­ miete oder sonstige Gegenstände des Handelsverkehrs über­ nimmt; die Vermittelung von kaufmännischen Gesellschaftsver­ trägen untersteht jedoch dem BGB. x) Auch für die Kursmäkler, welche bei der amtlichen Festsetzung des Börsenpreises von Waren und Wertpapieren mitzuwirken haben, sind in den §§ 29—35 des Börsengesetzes vom 22. Juni 1896 besondere Normen vorhanden. Die Vorschriften des BGB kommen nur

Begriff des

') ROLG 2 S. 251.

Der Mäklervertrag.

532

daß dann, wenn der Unternehmer sich nur zur Beschaffung von Zutaten oder sonstigen Nebensachen verpflichtet, ausschließlich die Vorschriften über den Werkvertrag Anwen­ dung finden (§ 651 Abs. 2). Dabei ist zu bemerken, daß das Eigentum an den Zutaten und Nebensachen in der Regel auf den Besteller durch die Verbindung mit der Hauptsache über­ geht und zwar ohne daß der frühere Eigentümer von dem Be­ steller Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern kann. Auch die Vorschriften über den Werklieferungsvertrag sind nachgiebiger Natur.

8. Kapitel.

Der ZKLKtervertrag. 8 152. Allgemeines. Wer für andere Personen, ohne von denselben auf Grund Maklers. ejneg jjjetjU verpflichtenden Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, gegen Entgelt Verträge vermittelt oder die Gelegenheit zum Abschluß von Verträgen nachweist, ist Mäkler. Besonders hinzuweisen ist ins­ besondere auf die Mäkler, welche die Veräußerung und den Um­ tausch von Grundstücken, hypothekarische Belehnungen, die Be­ schaffung von Darlehen vermitteln, ferner auf die Gesindemäkler, so z. B. die Plazierungsbureauinhaber u. s. w. Die Tätigkeit der Mäkler kann, muß aber nicht gewerbsmäßig sein. Die Bestimmungen des BGB beziehen sich sowohl auf gewerbs­ mäßige als auf nicht gewerbsmäßige Mäklerdienste. Andere reichsgeNeben dem BGB enthalten noch andere Reichsgesetze 'mungen’über” Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse der Mäkler. So ist ^bem ®@®cn den §§ 93—104 HGB das Institut der Handelsmäkler besonders geregelt. Handelsmäkler ist, wer gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen, wie z. B. der Handels­ agent, auf Grund eines Vertragsverhältniffes ständig damit betraut zu sein, die Vermittelung von Verträgen über An­ schaffung oder Veräußerung von Waren oder Wertpapieren, über Versicherungen, Güterbeförderungen, Bodmerei, Schiffs­ miete oder sonstige Gegenstände des Handelsverkehrs über­ nimmt; die Vermittelung von kaufmännischen Gesellschaftsver­ trägen untersteht jedoch dem BGB. x) Auch für die Kursmäkler, welche bei der amtlichen Festsetzung des Börsenpreises von Waren und Wertpapieren mitzuwirken haben, sind in den §§ 29—35 des Börsengesetzes vom 22. Juni 1896 besondere Normen vorhanden. Die Vorschriften des BGB kommen nur

Begriff des

') ROLG 2 S. 251.

Allgemeines.

533

insoweit zur Anwendung, als nicht in anderen Reichsgesetzen etwas Anderes bestimmt ist. Der Mäklervertrag ist ein Vertrag, durch^ZW^Az. welchen der eine Vertragsteil dem anderen Ber­ tragsteile, dem Mäkler für den Nachweis der Ge­ legenheit zum Abschlüsse eines Vertrags oder für die Vermittelung eines Vertrags mit einem Dritten eine Vergütung, den Mäklerlohn, zu ent­ richten sich verpflichtet. Durch den Mäklervertrag tritt der Mäkler nur in ein Vertragsverhältnis zu seinem Vertrags­ gegner, nicht aber auch in rechtliche Beziehungen zu dem Dritten. Auch wird durch den Mäklervertrag keine Stellvertretungs­ befugnis für den Mäkler begründet. Ein wesentliches Merkmal des Mäklervertrages ist die Vereinbarung eines Entgelts. Dagegen wird nicht erfordert, daß der Mäkler zu einer Tätig­ keit für den anderen Vertragsteil verpflichtet wird. Dem Mäkler kann aber durch Vertrag eine Verpflichtung, zum Zwecke der Herbeiführung eines Vertragsabfchlusses tätig zu werd en, allgemein oder nach bestimmten Richtungen auferlegt werden. Ist dies der Fall, so hat der Mäklervertrag die Natur eines gegenseitigen Vertrags. Eben dadurch, daß der Mäkler zur Herbeiführung eines Unterscheidung Erfolges regelmäßig nicht verpflichtet, sondern nur berechtigt “^trägen" ist, unterscheidet sich der Mäklervertrag vom Werkverträge. Der Unterschied zwischen Dienst- und Mäklervertrag liegt darin, daß der Mäklerlohn nicht für die geleisteten Dienste schlechthin, sondern nur dann zu entrichten ist, wenn der Ver­ trag mit dem Dritten infolge der vom Mäkler entfalteten Tätigkeit zustande gekommen ist. Wird für Vermittlerdienste schon als solche ohne Rücksicht auf einen Erfolg eine Vergütung versprochen, so liegt ein Dienstvertrag vor. Vom Auftrage scheidet sich der Mäklervertrag durch das Merkmal der Ent­ geltlichkeit. Der Inhalt des Mäklervertrags untersteht den allgemeinen Grundsätzen über den Inhalt der Verträge überhaupt. Ist der Inhalt des Vertrages, welcher vermittelt werden soll, unsittlich oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßend, so ist auch der Mäklervertrag nichtig. Die entgeltliche Heiratsver-Heiratsv-rmm-. Mittelung gilt grundsätzlich nicht als unsittlich. Wohl aber wird durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Ver­ mittelung des Zustandekommens einer Ehe eine Verbindlichkeit nicht begründet. Selbst das Wechselversprechen ist, wenn es zum Zwecke der Erfüllung des Versprechens eines Ehemäklerlohnes gegeben wird, für den sich darauf berufenden Wechselschuldner unverbindlich. *) Auch für seine Aufwendungen kann der Heirats') ROLG 4 S. 236.

534

Der Mäklervertrag.

Vermittler keinen Ersatz fordern. Diesem Ansprüche sowohl als auch dem Ansprüche auf Lohn ist die Klagbarkeit entzogen. Jedoch kann das auf Grund des Versprechens als Zahlung oder an Zahlungsstatt bereits Geleistete nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Wird zum Zwecke der Erfüllung des Versprechens, für die Heirats­ vermittlung ein Entgelt zu geben, dem Mäkler gegenüber von dem anderen Vertragsteile eine Verpflichtung eingegangen, ins­ besondere ein Schuldanerkenntnis abgegeben, oder ein Schuld­ schein ausgestellt, so wird auch hierdurch eine Verbindlichkeit nicht begründet. Aber um deswillen kann auch in diesen Fällen das bereits Geleistete nicht zurückgefordert werden (§ 656). § 153.

Rechtliche Stellung der Vertragsteile beim Mäklervertrag.

1. Der Mäkler übernimmt dadurch, daß er sich für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrags oder für die Vermittelung eines Vertrags einen Mäklerlohn ver­ sprechen läßt, noch keine Verpflichtung zu einer bestimmten a Beipflichtung Tätigkeit für den Versprechenden. Doch kann dem Mäkler zur Tätigkeit für durch besondere Abmachungen zur Pflicht gemacht wer’ben, für den anderen Vertragsteil in der einen oder anderen Weise tätig zu werden. Die Tätigkeit, zu deren Entfaltung der Mäkler verpflichtet werden kann, ist vielfach verschieden. So kann dem Mäkler die Verpflichtung obliegen, dahin zu wirken, daß der andere Vertragsteil mög­ lichst günstige Bedingungen bei dem Vertrage mit dem Dritten erziele, oder dem anderen Vertragsteile beim Abschluß des Vertrages mit dem Dritten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Der Mäkler kann darnach eine doppelte Stellung ein­ nehmen, nämlich die eines unparteiischen Vermittlers oder die eines Vertrauensmannes seines Auftraggebers. Je nachdem der Mäkler die eine oder andere Stellung einnimmt, darf er nur für seinen Auftraggeber oder auch für den Dritten, mit welchem sein Auftraggeber in ein Vertrags­ verhältnis treten soll, tätig werden. Darnach ist eine Doppel­ dienstleistung des Mäklers nicht schlechthin ausgeschlossen und kann der Mäkler an sich mit beiden Parteien Mäklerverträge schließen und beiden Parteien Mäklerdienste leisten. Es ist dies aber ausgeschlossen, wenn der Mäkler nach dem Inhalte des mit einem seiner Auftraggeber eingegangenen Mäklerver­ trages als Vertrauensmann nur für diesen tätig werden und nur dessen Interessen wahrnehmen soll. Wird der Mäkler einem solchen Inhalte des Mäklervertrages zuwider auch für den anderen Teil tätig, so verliert er seinen Anspruch auf den Mäklerlohn und auf den Ersatz seiner Aufwendungen (§ 654). I.

Rechtsstellung

des Mäklers.

Rechtliche Stellung der Vertragsteile beim Mäklervertrag.

535

Unabhängig von dem besonderen Inhalte des Mäkler-^Ur"reu?unt>0 Vertrags, ist der Mäkler seinem Auftraggeber zur TreueB-richwiegenh-it und insbesondere zu jener Verschwiegenheit verpflichtet, welche durch das Interesse seines Geschäftsherrn bedingt ist. Die Verletzung dieser Verpflichtung macht den Mäkler nach allgemeinen Grundsätzen schadensersatzpflichtig. Der Mäkler haftet für jedes Verschulden und, wenn c-^a"«B8be8 er sich einer Hülfs- oder Zwischenperson bedient, auch für das Verschulden dieser. So haftet z. B. der Mäkler, der einen Kaufvertrag vermittelt hat, dem Verkäufer für die Zahlungs­ unfähigkeit des Käufers, wenn er diese gekannt hat oder hätte kennen müssen, sie aber gleichwohl dem Verkäufer ver­ schwiegen hat?) 2. Der Vertragsgegner des Mäklers ist diesem zur Ent- 2'b^caufttag.na richtung des Mäklerlohnes verpflichtet, aber nur dann,a g^UAtung tVCtltl

zur Entrichtung

a. der zu vermittelnde Vertrag zu Stande ge-d-rmsnerlohns. kommen ist und wenn b. dies infolge einer Tätigkeit des Mäklers geschah. Der Vertragsgegner des Mäklers ist in keiner Weise ge­ bunden, den Vertrag, zu dessen Abschluß ihm der Mäkler die Gelegenheit verschafft hat, auch wirklich abzuschließen. Der Geschäftsherr wird durch den Mäklervertrag in der freien Verfügung über den Gegenstand, auf den sich die Tätigkeit des Mäklers beziehen soll, nicht beschränkt, er kann den Mäk­ lervertrag grundsätzlich jederzeit widerrufen, nach Belieben eine ihm vom Mäkler angebotene Vertragsgelegenheit zurückweisen und selbst anderweit Vertrag schließen, ohne zur Bezahlung des Mäklerlohns verpflichtet zu werden?) Erst dann, wenn der Vertragsgegner den vermittelten Vertrag mit dem Dritten auf Grund seines freien Entschlusses eingegangen hat und dieser Vertrag rechtswirksam geworden ist, besteht der An­ spruch des Mäklers auf den Mäklerlohn. So z. B. wird der Anspruch auf den Mäklerlohn für die Vermittelung eines Darlehens mit der Hingabe des Darlehens begründet?) Der Anspruch auf den Mäklerlohn entsteht nicht, wenn der Vertragsgegner den Abschluß des in Aussicht genommenen Vertrags ablehnt, oder wenn der Abschluß dieses Vertrags unmöglich wird. Ebenso entsteht ein Anspruch auf Mäklerlohn nicht, wenn der Mäkler einen Vertrag vermittelte, welcher der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes bedurfte, diese aber nicht erhielt?) Wird der Vertrag unter einer aufschiebenden ') ") •) *)

ROLG ROLG ROLG ROLG

2 8 1 4

S. S. S. S.

120. 76. 401. 240.

536

Der Mäklervertrag.

Bedingung geschlossen, so kann der Maklerlohn erst verlangt werden, wenn die Bedingung eingetreten ist. Dagegen ist dann, wenn der vermittelte Vertrag unter einer auflösenden Bedingung geschlossen wird, der Mäklerlohn sofort fällig. Im Falle des Eintritts einer auflösenden Bedingung entfällt der Anspruch des Mäklers auf den Mäklerlohn nicht und kann der Mäklerlohn nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nicht zurückgefordert werden, wenn nicht zwischen dem Mäkler und dem anderen Vertrags­ teile etwas Anderes vereinbart ist. Das Gleiche gilt dann, wenn der vermittelte und zum Abschluß gelangte Vertrag in­ folge eines vertragsmäßigen Rücktrittsrechtes oder eines Wieder­ kaufsrechtes oder infolge Vereinbarung der Vertragsteile x) wieder aufgehoben wird. Ist dagegen der vermittelte Ver­ trag anfechtbar, so kann der Mäklerlohn, wenn der Vertrag erfolgreich angefochten wird, nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückver­ langt werden. Die zweite Voraussetzung für die Begründung des An­ spruchs auf Mäklerlohn, nämlich die, daß ein Kausalzu­ sammenhang zwischen der Tätigkeit des Mäklers und dem Zustandekommen des Vertrags mit dem Dritten besteht, erfordert nicht, daß der Mäkler bei dem Vertragsabschlüsse selbst mitgewirkt hat oder zugegen war, wohl aber, daß der Auftraggeber bei Abschluß des Vertrags mit dem Dritten von der Tätigkeit des Mäklers Kenntnis hatte. Die Tätigkeit des Mäklers kann sich auf den Nachweis der Vertragsgelegenheit beschränken, eine weitere Tätigkeit, insbesondere ein Einfluß des Mäklers auf die Entschließung der Vertragsschließenden ist nicht erforderlich.^) Ist der Mäkler für den Auftraggeber bereits tätig geworden, hat er z. B. demselben schon Auf­ schlüsse verschafft oder sonst den abzuschließenden Vertrag schon vorbereitet, und bringt nun der Auftraggeber unter vielleicht arglistiger Umgehung des Mäklers den Vertrag selbst zum Abschluß, so ist unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Um­ stände zu prüfen, ob nicht dennoch ein ursächlicher Zusammen­ hang zwischen der Tätigkeit des Mäklers und dem Abschlüsse des Vertrags besteht und mithin nach Treu und Glauben ein Anspruch auf den Mäklerlohn begründet ist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß der Auftraggeber nicht nur den Mäkler­ vertrag jederzeit kündigen, sondern auch den Abschluß des in Aussicht gestellten Vertrags ohne weiteres ablehnen, dadurch die Tätigkeit des Mäklers unwirksam machen und ihres Ein­ flusses auf den Vertragsabschluß berauben kann. *) ROLG 1 ©: 403. ’) Anders ROLG 4 S. 47.

Rechtliche Stellung der Bertragsteile beim Mäklervertrag.

537

Die Tatsache, daß der Mäkler durch Verschweigen von ihm bekannten, gegen einen Vertragsschluß sprechenden Umständen, z. B. der Zahlungsunfähigkeit des von ihm vorgeschlagenen Ver­ tragsgegners, seine Verpflichtung zur Treue gegenüber dem Auf­ traggeber verletzt, schafft nur eine ein Zurückbehaltungsrecht begründende Schadensersatzpflicht, zerstört aber den Anspruch auf den Mäklerlohn nichts) Zur Begründung seines An­ spruchs auf den Mäklerlohn hat der Mäkler nur den Abschluß des Mäklervertrages, sein Tätigwerden, insbesondere den Nach­ weis der Vertragsgelegenheit und das Zustandekommen des beab­ sichtigten Vertrags zü beweisen, während der Vertragsgegner zu beweisen hat, daß eine andere Tatsache als die Tätigkeit des Mäklers für den Vertragsschluß ursächlich gewesen ist.*2) Hat der Auftraggeber mit dem Mäkler vereinbart, daß der Auftrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkte fest und un­ widerruflich sein soll, schließt er aber dann vor diesem Zeit­ punkte unter Übergehung des Mäklers mit einem Dritten einen Vertrag der Art, wie ihn der Mäkler vermitteln sollte, so behält der Mäkler den Anspruch auf den Mäklerlohn, weil seine Leistung infolge eines von dem Auftraggeber zu ver­ tretenden Umstandes unmöglich geworden ist3) (§ 324). Der Mäklerlohn ist von demjenigen zu entrichten, welcher ihn versprochen hat. Hat der Mäkler mit beiden Parteien des in Aussicht genommenen Vertrags in zulässiger Weise Mäklerverträge eingegangen und beiden Parteien Mäkler­ dienste geleistet, so hat jede der beiden Parteien den vollen Lohn dem Mäkler zu bezahlen, nicht etwa nur je die Hälfte, es sei denn in den Mäklerverträgen etwas Anderes bestimmt worden. Die dem Mäklervertrage wesentliche Vereinbarung eines Mäklerlohnes kann ausdrücklich und stillschweigend erfolgen. Wenn, was insbesondere bei gewerbsmäßig Mäklergeschäfte treibenden Mäklern zutreffen wird, die dem Mäkler über­ tragene Leistung den Umständen nach nur gegen eine Ver­ gütung zu erwarten ist, so gilt ein Mäklerlohn als stillschweigend vereinbart. Die Höhe der Vergütung bemißt sich zunächst nach der getroffenen Vereinbarung. Ist die Höhe der Ver­ gütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer behördlich festgesetzten Taxe der taxmäßige Lohn, in Ermangelung einer Taxe aber der übliche Lohn als vereinbart anzusehen (§ 653). Ist für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß HeE-tzung eines Dienstvertrags oder für die Vermittelung eines "höhen Mäkler? solchen Vertrags ein unverhältnismäßig hoher Mäklerlohn StÄenvermitvereinbart worden, so kann derselbe ohne Rücksicht auf die t-lung. Art des Dienstvertrags und ohne Rücksicht darauf, ob die *) Anders ROLG 2 S. 119. ») IW 1902 Beil. 14 S. 242. 3) ROLG 1 S. 236.

Der Mäklervertrag.

538

Tätigkeit des Mäklers gewerbemäßig oder nicht gewerbemäßig ist, auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den ange­ messenen Betrag herabgesetzt werden. Nach der Entrichtung des Lohnes ist die Herabsetzung ausgeschlossen (§ 655). Das­ selbe ist der Fall, wenn ein auf Bezahlung des unverhält­ nismäßig hohen Mäklerlohns lautendes Urteil rechtskräftig ge­ worden ist. Hat sich der Mäkler in wucherischer Weise Mäkler­ lohn versprechen lassen oder ist der Mäklerlohn dermaßen hoch, daß das Rechtsgeschäft als unsittlich erscheint, so ist das Ver­ sprechen des Mäklerlohns nach allgemeinen Grundsätzen nichtig. Diese Vorschriften sind insbesondere für Stellenvermit­ telungsbureaus auf der einen und für Stellensuchende insbesondere Dienstboten u. s. w. auf der anderen Seite von besonderer Wichtigkeit. ^zum Er^atz^on Aufwendungen, welche der Mäkler bei seiner TätigAufwendungen. (eitr z. B. durch Annoncierung in Zeitungen, für Reisen u. s. w. zum Nachweise der Vertragsgelegenheit oder für die Vermit­ telung des Vertrags macht, sind dem Mäkler nur zu ersetzen, wenn dies vereinbart ist. Dies gilt auch dann, wenn der an­ gestrebte Vertrag nicht zustande kommt oder der Auftrag zurückgezogen wird (§ 652 Abs. 2).1) Beendigung des Mäklervertrags­ verhältnisses a. durch Kündig­ ung.

b. durch Tod des Mäklers.

§ 154. Beendigung des Mäklervertragsverhältnisses. Das auf Grund des Mäklervertrags entstandene Ver­ tragsverhältnis kann außer durch Erfüllung und gegen­ seitige Übereinkunft auch vor allem dadurch beendet werden, daß der eine Vertragsteil dem anderen Vertragsteile den Mäklervertrag kündigt. Dieses Recht steht jedem der Vertragsteile zu und kann jederzeit ausgeübt werden. Kündigt der Auftraggeber, so hat der Mäkler keinen Anspruch auf die Vergütung, es sei denn, daß der Auftraggeber arg­ listiger Weise kündigt, um den vom Mäkler bereits vor­ bereiteten Vertrag unter Umgehung des Mäklers selbst ab­ zuschließen und so den Anspruch des Mäklers auf Vergütung auszuschließen. Da die Leistung des Mäklers in der Regel an dessen Person geknüpft ist, so hat auch der Tod des Mäklers regelmäßig die Auflösung des Mäklervertrags im Gefolge. Stirbt aber der Mäkler, nachdem infolge seiner Tätigkeit ein Vertrag des Auftraggebers mit einem Dritten zu Stande gekommen ist, so geht der bereits erwachsene Anspruch auf den Maklerlohn auf die Erben des Mäklers über. Durch den Tod des Auftraggebers wird das Ver­ tragsverhältnis in der Regel nicht gelöst, sofern nicht die ’) ROLG 4 S. 48.

Die Auslobung.

539

Mäklerdienste nach der Eigenart ihres Inhalts nur diesem Auftraggeber geleistet werden konnten. Regelmäßig treten die Erben des Auftraggebers an dessen Stelle. Auf dieselben geht aber auch das Recht des Auftraggebers zur sofortigen und jederzeitigen Kündigung über.

9. Kapitel.

IttskoArmg und Z^reisausschreiöung. 8 155.

Die Auslobung.

Auslobung ist die mittels öffentlicher Be-BesE^-r A»rkanntmachung erfolgende Aussetzung einer Be­ lohnung für die Vornahme einer Handlung oder für die Herbeiführung eines Erfolges. Dieselbe kann verschiedene Zwecke haben, so z. B. die Lösung einer wissenschaftlichen, künstlerischen oder technischen Aufgabe, die Ermittelung des Täters einer strafbaren Handlung u. s. w. Auslobungen liegen ferner vor, wenn Jemand in Zeitungen eine Belohnung für denjenigen ausschreiben läßt, der ihm be­ weiskräftige Lebenszeichen von einem Verschollenen bringen wird. Ebenso sind die Aussetzung eines Finderlohnes durch öffentlichen Anschlag oder Bekanntmachung in den Tagesblättern und die Ausschreibung einer Belohnung für die Ergreifung eines Verbrechers Auslobungen. Die Auslobung ist ein einseitiges bindendes Ver­ sprechen, eine einseitige Willenserklärung, durch welche der Erklärende ein ihn verpflichtendes Rechtsverhältnis begründet, sofern das Versprechen der Belohnung ein ernstliches, nicht etwa eine bloß marktschreierische Reklame ist. Andererseits ist aber die Auslobung nicht deshalb nichtig, weil der Auslobende sich insgeheim Vorbehalt, seine Erklärung nicht zu wollen. Wer in vorbezeichneter Weise durch öffentliche Bekannt- Verpflicht«», t>. machung eine Belohnung für die Vornahme einer erlaubten Entrichtung" und nicht sittenwidrigen Handlung, insbesondere für die Herbei- B-ioh»»»,. führung eines Erfolges, aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat (§ 657). Die Auslobung ist kein empfangs­ bedürftiges Rechtsgeschäft. Der Auslobende ist schon auf Grund seines Versprechens demjenigen zur Erfüllung verpflichtet, welcher die von dem Auslobenden bestimmte Handlung vor-

Die Auslobung.

539

Mäklerdienste nach der Eigenart ihres Inhalts nur diesem Auftraggeber geleistet werden konnten. Regelmäßig treten die Erben des Auftraggebers an dessen Stelle. Auf dieselben geht aber auch das Recht des Auftraggebers zur sofortigen und jederzeitigen Kündigung über.

9. Kapitel.

IttskoArmg und Z^reisausschreiöung. 8 155.

Die Auslobung.

Auslobung ist die mittels öffentlicher Be-BesE^-r A»rkanntmachung erfolgende Aussetzung einer Be­ lohnung für die Vornahme einer Handlung oder für die Herbeiführung eines Erfolges. Dieselbe kann verschiedene Zwecke haben, so z. B. die Lösung einer wissenschaftlichen, künstlerischen oder technischen Aufgabe, die Ermittelung des Täters einer strafbaren Handlung u. s. w. Auslobungen liegen ferner vor, wenn Jemand in Zeitungen eine Belohnung für denjenigen ausschreiben läßt, der ihm be­ weiskräftige Lebenszeichen von einem Verschollenen bringen wird. Ebenso sind die Aussetzung eines Finderlohnes durch öffentlichen Anschlag oder Bekanntmachung in den Tagesblättern und die Ausschreibung einer Belohnung für die Ergreifung eines Verbrechers Auslobungen. Die Auslobung ist ein einseitiges bindendes Ver­ sprechen, eine einseitige Willenserklärung, durch welche der Erklärende ein ihn verpflichtendes Rechtsverhältnis begründet, sofern das Versprechen der Belohnung ein ernstliches, nicht etwa eine bloß marktschreierische Reklame ist. Andererseits ist aber die Auslobung nicht deshalb nichtig, weil der Auslobende sich insgeheim Vorbehalt, seine Erklärung nicht zu wollen. Wer in vorbezeichneter Weise durch öffentliche Bekannt- Verpflicht«», t>. machung eine Belohnung für die Vornahme einer erlaubten Entrichtung" und nicht sittenwidrigen Handlung, insbesondere für die Herbei- B-ioh»»»,. führung eines Erfolges, aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat (§ 657). Die Auslobung ist kein empfangs­ bedürftiges Rechtsgeschäft. Der Auslobende ist schon auf Grund seines Versprechens demjenigen zur Erfüllung verpflichtet, welcher die von dem Auslobenden bestimmte Handlung vor-

540

Auslobung und Preisausschreibung.

genommen, beziehungsweise den bestimmten Erfolg herbeigeführt hat. Einer Annahme, ja selbst einer Kenntnis des Versprechens bedarf es nicht. Vorausgesetzt wird aber, daß die Belohnung durch öffentliche Bekanntmachung, d. h. so, daß eine der Zahl und Art nach unbestimmte Menge von Personen davon Kenntnis nehmen konnte, erfolgt ist. Dies wird z. B. in der Regel dann nicht zutreffen, wenn der Auslobende sein Versprechen nur den Mitgliedern eines Vereins kundgibt. Durch derartige nicht öffentliche Versprechen kann aber im Falle ihrer ausdrücklichen oder stillschweigenden Annahme ein Vertrag zu stände kommen. Die Art der öffentlichen Bekanntmachung ist gleichgültig. Die Belohnung muß nicht gerade in Geld, sondern kann in der Gewährung irgend eines Vorteils, z. B. in der Aushändigung eines Ehrendiploms u. s. w. bestehen. Ob die Handlung oder der Erfolg, für deren Vornahme, beziehungs­ weise dessen Herbeiführung eine Belohnung ausgesetzt wird, nützlich ist oder nicht, ist ebenso gleichgültig wie der Umstand, ob der Auslobende ein persönliches Interesse verfolgt oder ob er z. B. durch Patriotismus oder durch sein Interesse für Kunst und Wissenschaft oder durch ein sonstiges höheres Interesse zu der Auslobung bestimmt wird. Daß in der Auslobung eine Frist für die Vornahme der Handlung oder die Erzielung des Erfolges bestimmt wird, ist statthaft, aber nicht notwendig, dn Auslobung Wer die in der Auslobung bestimmte Handlung vorgeBerechtigte. nommen oder den in der Auslobung bestimmten Erfolg her­ beigeführt hat, ist berechtigt, die ausgesetzte Belohnung von dem Auslobenden zu verlangen. Ob derselbe in Kenntnis von der Auslobung oder im Hinblick auf dieselbe tätig geworden ist oder nicht, darauf kommt nichts an. Der also Berechtigte kann einseitig auf den erworbenen Anspruch nicht verzichten, sondern nur die Geltendmachung seines Anspruchs unterlassen. Ist die Handlung, für welche die Belohnung ausgesetzt ist, mehrmals vorgenommen, so gebührt die Belohnung dem­ jenigen, welcher die Handlung zuerst vorgenommen hat (§ 659 Abs. 1). Dieser kann einseitig auf die Belohnung nicht ver­ zichten, also auch nicht mit der Wirkung, daß derjenige, der . zunächst nach ihm die Handlung vorgenommen hat, den An­ spruch auf die Belohnung erwirbt. Soll dies erreicht werden, so kann dies nur im Wege der Forderungsübertragung geschehen. Dagegen kann der Berechtigte durch ■ Erlaßvertrag mit dem Auslobenden auf seinen Anspruch verzichten. Aber auch dies hat nicht zur Folge, daß ein Anderer, der die Handlung später vorgenommen hat, einen Anspruch auf die Belohnung erwirbt. Vielmehr ist dadurch, daß derjenige, welcher die Handlung zuerst vorgenommen hat, den Anspruch auf die Belohnung erworben hat, die Person des Berechtigten dem Auslobenden gegenüber ein für allemal bestimmt und kann der Auslobende

Die Auslobung.

541

nicht mehr verpflichtet werden, an einen Anderen, mag der­ selbe auch die gleiche Handlung vorgenommen haben, um des­ willen zu leisten. Kommt demjenigen, der die Handlung zuerst vorgenommen hat, Jemand, der die Handlung später vornahm, mit der Geltendmachung des Anspruchs auf die Belohnung zuvor, und erhält Letzterer die Belohnung von dem Ausloben­ den, weil dieser davon, daß ein Anderer die Handlung früher vorgenommen hat, keine Kenntnis hatte, so ist der Auslobende demjenigen, der die Handlung zuerst vornahm, zur Hingabe der Belohnung gleichwohl verpflichtet, dagegen berechtigt, von demjenigen, der die Handlung später vornahm, die Belohnung nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerecht­ fertigten Bereicherung zu verlangen. Ist die Handlung von Mehreren gleichzeitig vor­ genommen worden, so gebührt Jedem ein gleicher Teil der Belohnung. Läßt sich die Belohnung wegen ihrer Beschaffen­ heit nicht teilen oder soll nach dem Inhalte der Auslobung nur Einer die Belohnung erhalten, so entscheidet das Los (§ 659 Abs. 2). Haben Mehrere zu dem Erfolge zusa mm en gewirkt, für den die Belohnung ausgesetzt ist, wie z. B. wenn mehrere Taucher zusammen die Kasse eines gesunkenen Dampfers heben, so hat der Auslobende die Belohnung unter Berücksichtigung des Anteils eines Jeden an dem Erfolge nach billigem Ermessen unter sie zu verteilen. Zu der Verteilung ist der Auslobende obligatorisch verpflichtet. Die Verteilungserklärung ist eine ein­ seitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Abgabe der Er­ klärung gegenüber Einem von denjenigen, welche zum Erfolge zusammengewirkt haben, ist genügend. Ist die Verteilung offenbar unbillig, so ist sie nicht verbindlich und erfolgt in einem solchen Falle durch Urteil. Wird die Verteilung des Auslobenden von einem der Beteiligten nicht als verbindlich anerkannt, so ist der Auslobende berechtigt, die Erfüllung zu verweigern, bis die Beteiligten den Streit über ihre Berechtigung unter sich ausge­ tragen haben. Jeder von ihnen kann verlangen, daß die Belohnung für alle hinterlegt wird. Zahlt der Auslobende trotz eines Streites des Berechtigten über die Billigkeit der Verteilung nach dieser die Belohnung aus und trifft dann das Urteil eine andere Verteilung, so ist er verpflichtet, den­ jenigen, welche nach seiner Verteilung zu wenig erhielten, das Fehlende zu ergänzen, während er denjenigen gegenüber, welche nach seiner Verteilung zu viel erhielten, nur auf seinen Rück­ forderungsanspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung an­ gewiesen ist. Läßt sich oie Belohnung nach ihrer Beschaffenheit nicht teilen oder soll nach dem Inhalte der Auslobung nur Einer die Belohnung erhalten, so entscheidet auch hier das Los (§ 660).

542

Auslobung und Preisausschreibung.

Widerruf der AuSlobung.

Die Auslobung kann bis zur Vornahme der Handlung widerrufen werden. Bloße Vorbereitungshandlungen oder ein Anfang der Ausführung der eigentlichen Handlung hindern den Widerruf nicht. Der Widerruf ist jedoch nur wirksam, wenn er in derselben Weise wie die Auslobung bekannt gemacht wird oder wenn er durch besondere Mitteilung erfolgt wie z. B. an denjenigen, welcher, wie dem Auslobenden bekannt, Vorbereitungen zur Vornahme der Handlung trifft. Ist die Handlung bereits vorgenommen, so ist jeder Widerruf aus­ geschlossen. Ein trotzdem erfolgter Widerruf ist ohne Bedeutung und vermag den Anspruch auf Belohnung nicht mehr zu zer­ stören. Auf die Widerruflichkeit kann in der Auslobung ver­ zichtet werden. Ein solcher Verzicht liegt im Zweifel in der Bestimmung einer Frist für die Vornahme der Handlung (§ 658). Unmöglich­ Abgesehen vom Widerruf kann die Auslobung auch dawerden d. HandM A Ci" M kl A 03 A . ‘Snt üJnIeä^-= durch hinfällig werden, daß die Handlung unmöglich wird, für lohnung ausge­ n in™ m< ap, Vornahme eine Belohnung ausgesetzt ist. setzt ist. Dagegen kann die Auslobung Anfechtung bet v v v wie jede andere Willens­ Auslobung, erklärung wegen Irrtums, Zwangs, Betrugs u. s. w. ange­ fochten werden. Ist die Handlung bereits vorgenommen, so ist Anfechtungsgegner derjenige, der die Handlung vorge­ nommen hat. Aber auch schon bevor die Handlung vorgeuommen ist, kann die Anfechtung erklärt werden und zwar durch öffentliche Zustellung der Anfechtungserklärung nach Maßgabe der Vorschriften der Civilprozeßordnung über die öffentliche Zustellung einer Ladung. Tod oder eintretende Geschäftsunfähigkeit des Ausloben­ den sind auf die geschehene Auslobung ohne Einfluß. Auch wer die Handlung in Kenntnis dieser Umstände vornimmt, erwirbt den Anspruch auf die Belohnung, welcher sich im Falle Ablebens des Auslobenden selbstredend gegen dessen Erben richtet. Dagegett können die Erben des Auslobenden und im Falle Eintritts von Geschäftsunfähigkeit bessert gesetzlicher Ver­ treter das Widerrufsrecht ausüben. Die Vorschriften über die Auslobung sind insofern nicht zwingender Natur, als der Auslobende in der Auslobung von denselben abweichende Bestimmungen treffen kann. Nur die Normen über die Form der Auslobung und das Widerrufs­ recht sind zwingend.

tz 156. Die Preisausschreibung. Begriff der Preisausschr-lbung.

Nicht selten haben Auslobungen Preisbewerbungen ^um Gegenstände. Ist dies der Fall, so spricht man von einer Preisausschreibung. So liegen z. B. Preisausschreibungen vor, wenn für die Herstellung des schönsten und zweckmäßigsten

Die Preisausschreibung.

543

Planes für Bebauung eines Stadtteiles, für den besten Entwurf eines Denkmals u. dgl. ein Preis öffentlich ausgeschrieben wird. Eine Auslobung, die eine Preisbewerbung zum Gegen­ stände hat, ist nur gültig, wenn in der Bekanntmachung eine Frist für die Bewerbung bestimmt wird. Die Preisaus­ schreibung ist sohin im ZweifÄ unwiderruflich. Andererseits hat derjenige, der nicht innerhalb der bestimmten Frist die verlangte Handlung vornimmt und sich um die Belohnung bewirbt, keinen Anspruch auf den Preis (§ 661 Abs. 1). Die Entscheidung'darüber, ob eine innerh alb der Frist erfolgte Bewerbung der Auslobung ent- Bewerbung, spricht oder welche von mehreren Bewerbungen den Vorzug verdient, ist durch die in der Auslobung bezeichnete Person, in Ermangelung einer solchen durch den Auslobenden selbst zu treffen. Dritte Personen kann eine Entscheidungspflicht nur gegenüber dem Auslobenden, nicht aber gegenüber den Bewerbern treffen und auch dann nur, wenn sie diese Verpflichtung vertragsmäßig übernommen haben. Die Entscheidung ist für alle Beteiligten verbindlich und kann von diesen nicht angefochten werden (§ 661 Abs. 2). Insbesondere kann auf gerichtliche Entscheidung nicht angetragen werden. Der Preis­ richter kann also willkürlich verfahren. Auch dann, wenn der Preisrichter dahin entscheidet, daß keinem der Bewerber der Preis gebührt, müssen diese sich dabei beruhigen, wenn nicht der Preisrichter gegen Treu und Glauben gehandelt hat. Bei Bewerbungen von gleicher Würdigkeit gebührt jedem Bewerber ein gleicher Teil des Preises. Läßt sich der Preis wegen seiner Beschaffenheit nicht teilen oder soll nach dem Inhalte der Preisausschreibung nur Einer den Preis erhalten, so entscheidet das Los. Das preisgekrönte Werk verbleibt regelmäßig im Eigentume seines Schöpfers. Die Übertragung des Eigentums an dem Werke kann der Auslobende' nur verlangen, wenn er in der Auslobung bestimmt hat, daß die Übertragung erfolgen soll (§ 661 Abs. 4). Die Vorschriften über die Preisausschreibung sind nur, was deren Form anlangt, zwingend.

10. Kapitel.

Der Auftrag. § 157. Allgemeine Grundsätze. Unter Auftrag ist zunächst eine einseitigedegE »er AufWillenserklärung zu verstehen, durch welcheJemand

Die Preisausschreibung.

543

Planes für Bebauung eines Stadtteiles, für den besten Entwurf eines Denkmals u. dgl. ein Preis öffentlich ausgeschrieben wird. Eine Auslobung, die eine Preisbewerbung zum Gegen­ stände hat, ist nur gültig, wenn in der Bekanntmachung eine Frist für die Bewerbung bestimmt wird. Die Preisaus­ schreibung ist sohin im ZweifÄ unwiderruflich. Andererseits hat derjenige, der nicht innerhalb der bestimmten Frist die verlangte Handlung vornimmt und sich um die Belohnung bewirbt, keinen Anspruch auf den Preis (§ 661 Abs. 1). Die Entscheidung'darüber, ob eine innerh alb der Frist erfolgte Bewerbung der Auslobung ent- Bewerbung, spricht oder welche von mehreren Bewerbungen den Vorzug verdient, ist durch die in der Auslobung bezeichnete Person, in Ermangelung einer solchen durch den Auslobenden selbst zu treffen. Dritte Personen kann eine Entscheidungspflicht nur gegenüber dem Auslobenden, nicht aber gegenüber den Bewerbern treffen und auch dann nur, wenn sie diese Verpflichtung vertragsmäßig übernommen haben. Die Entscheidung ist für alle Beteiligten verbindlich und kann von diesen nicht angefochten werden (§ 661 Abs. 2). Insbesondere kann auf gerichtliche Entscheidung nicht angetragen werden. Der Preis­ richter kann also willkürlich verfahren. Auch dann, wenn der Preisrichter dahin entscheidet, daß keinem der Bewerber der Preis gebührt, müssen diese sich dabei beruhigen, wenn nicht der Preisrichter gegen Treu und Glauben gehandelt hat. Bei Bewerbungen von gleicher Würdigkeit gebührt jedem Bewerber ein gleicher Teil des Preises. Läßt sich der Preis wegen seiner Beschaffenheit nicht teilen oder soll nach dem Inhalte der Preisausschreibung nur Einer den Preis erhalten, so entscheidet das Los. Das preisgekrönte Werk verbleibt regelmäßig im Eigentume seines Schöpfers. Die Übertragung des Eigentums an dem Werke kann der Auslobende' nur verlangen, wenn er in der Auslobung bestimmt hat, daß die Übertragung erfolgen soll (§ 661 Abs. 4). Die Vorschriften über die Preisausschreibung sind nur, was deren Form anlangt, zwingend.

10. Kapitel.

Der Auftrag. § 157. Allgemeine Grundsätze. Unter Auftrag ist zunächst eine einseitigedegE »er AufWillenserklärung zu verstehen, durch welcheJemand

544

Der Auftrag.

an einen Anderen das Ansinnen stellt, für ihn ein oder mehrere Geschäfte zu besorgen. ^tragsverkS' Erfolgt ein solcher Auftrag in dem Sinne, daß der Be­ auftragte die Geschäfte des Auftraggebers unentgeltlich besorgen soll, und wird dieser Auftrag von dem Beauftragten ange­ nommen, so kommt damit ein Auftragsvertrag, kurz auch „Auftrag" genannt, zustande. Auf Grund des Auf­ tragsvertrages wird der Beauftragte verpflichtet, das ihm von dem Auftraggeber übertragene Ge­ schäft für diesen unentgeltlich zu besorgen (§ 662). Stun0 zu?An^° Ebenso wie Niemand, abgesehen von besonderen hierzu n°hme^ der Auf-verpflichtenden Schuldverhältnissen, gehalten ist, einem Auf100 ' trage im erstbezeichneten Sinne zu entsprechen, ebenso ist Nie­ mand verpflichtet, einen Auftrag anzunehmen. Erst die An­ nahme des Auftrags erzeugt eine Verpflichtung. Auch zu einer Mitteilung davon, daß man den erteilten Auftrag nicht an­ nehme, ist Niemand verpflichtet. Nur denjenigen Personen, welche wie z. B. Rechtsanwälte, Gerichtsvollziehers) Notare, Hebammen, zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt sind oder, wie z. B. Auktionatoren zu Versteigerungen oder Bankiers zum unentgeltlichen Austausche verloster Wertpapiere sich öffentlich erboten haben, ist die Verpflichtung auferlegt, im Falle der Ablehnung des Auftrags diese dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen. Das Gleiche gilt, wenn sich Jemand dem Auftraggeber gegenüber zur Besorgung gewisser Geschäfte erboten hat (§ 663). Eine Angabe der Gründe für die Ab­ lehnung ist nicht erforderlich. Unterlassene oder verspätete Anzeige der Ablehnung verpflichtet zum Schadensersätze. Der Auftrag ist kein gegenseitiger Vertrag. Dies hindert nicht, daß aus dem Auftrage auch Verpflichtungen für den Auftraggeber entstehen können. Grundsätzlich ist der Auf­ traggeber zu einer Gegenleistung nicht verpflichtet. Einen Anspruch auf Besorgung des übertragenen Geschäftes hat der Beauftragte nicht. tra^vertrM.' Der Auftragsvertrag ist formlos. Derselbe kann demgemäß auch stillschweigend zustande kommen. Auch in der un­ widersprochenen Duldung der Besorgung von Geschäften durch einen Anderen kann eine Auftragserteilung und Auftrags­ annahme gelegen sein. Ob der eine Vertragsteil den Anderen zur Geschäftsbesorgung auffordert und dieser die Aufforderung annimmt oder ob letzterer zur Geschästsbesorgung für den Anderen sich erbietet und dieser das Anerbieten annimmt, ist gleichgültig. Der Auftragsvertrag unterliegt einer Formvor­ schrift auch dann nicht, wenn der Auftrag auf Erwerb von

*) IW 1903 Beil. 15 S. 134.

Allgemeine Grundsätze.

545

Grundeigentum, z. B. auf Erstehung eines Grundstücks ge­ richtet ist.1) Gegenstand des Vertrags ist die Besorgung eines NAa°sve?.°* oder mehrerer Geschäfte für den Auftraggeber. Die Geschäfte trag-, können tatsächliche Geschäfte oder Rechtsgeschäfte sein. Auch die Verwaltung eines Vermögens kann Gegenstand des Auf­ trags fein. Der Auftragsvertrag, der die Besorgung eines gegen die guten Sitten verstoßenden oder sonst verbotenen Geschäftes oder eines aus anderen Gründen nichtigen Rechtsgeschäftes zum Gegenstände hat, entbehrt der rechtlichen Wirksamkeit. Die von dem Beauftragten zu besorgenden Geschäfte müssen für diesen fremde Geschäfte sein. Dies schließt aber nicht aus, daß die Geschäfte auch das Interesse des Beauftragten mitverfolgen. Nur dürfen die Geschäfte nicht lediglich im In­ teresse des Beauftragten gelegen sein. Ob der Auftrag im Interesse des Auftraggebers oder eines Dritten erteilt wird, macht keinen Unterschied. Ein begrifflich wesentliches Merkmal des Auftrags ist un-nt^elmchieit die Unentgeltlichkeit der Auftxagsvollziehung. Werden Vollziehung, fremde Geschäfte gegen Entgelt besorgt, so liegt kein Auftrags­ vertrag vor. Macht der Auftraggeber dem Beauftragten nach­ träglich, etwa in Anerkennung der geleisteten Dienste, eine Zuwendung so ist dies als Schenkung zu erachten. Durch die Unentgeltlichkeit der Geschäftsbesorgung unter- ^stragsv^ scheidet sich der Auftrag von dem Dienst- und Werkver-tragsvomDiensttrag. Die Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Gerichtsvoll- »ndW-rkvertrag. ziehet), Inhaber von Auskunftsbureaus u. s. w. untersteht daher, soweit dieselbe gegen Entgelt entfaltet wird, den Regeln über den Werk- oder Dienstvertrag. Ein weiterer Unterschied zwischen dem Auftrag einerseits und dem Werk- und Dienstvertrag andererseits besteht auch darin, daß das durch den Auftragsvertrag begründete Rechtsverhältnis grundsätzlich von jedem Bertragsteile jederzeit einseitig gelöst werden kann. Streng getrennt zu halten sind Auftrag und Voll- Austra« und macht. In der Auftragserteilung liegt ebensowenig eine Voll­ machtserteilung, wie umgekehrt in der Vollmachtserteilung ein Auftrag. Doch kann mit dem Auftrag die Erteilung einer Vollmacht für den Beauftragten verbunden sein. Es liegt sodann eine durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht vor und wirken die innerhalb dieser Vertretungsmacht von dem Beauftragten im Namen des Auftraggebers abgegebenen Willenserklärungen unmittelbar für und gegen den Auf­ traggeber. Ebenso sind Rat und Empfehlung von der Auftrags- ”opf%ng”’ erteilung zu unterscheiden. Die Erteilung von Rat oder ') RG 54 S. 79, DIZ 1903 S. 437. 2) IW 1901 S. 783. Müller-Meikel, Bürger!. Recht.

2. Aufl.

Bd. I.

35

Der Auftrag.

546

Empfehlung erzeugt grundsätzlich keine Verbindlichkeit, insbe­ sondere keine Verpflichtung zum Ersätze des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens. Dies auch dann nicht, wenn grobe Fahrlässigkeit bei Erteilung des Rates oder der Empfehlung unterläuft. Eine Haftung für den aus der Befolgung eines Rates oder einer Empfehlung entstandenen Schaden kann nur begründet werden, wenn der­ jenige, welcher den Rat oder die Empfehlung erteilt, a. sich hierdurch einer unerlaubten Handlung schuldig macht,i) z. B. den Rat in böswilliger Absicht gibt. Zur An­ nahme eines arglistigen Handelns genügt es schon, wenn der Ratende oder Empfehlende, um den Anderen zur Befolgung des Rates oder der Empfehlung zu bestimmen, die Richtigkeit von Angaben versichert, von deren Richtigkeit er nicht über­ zeugt ist, und sich auf eigene Kenntnis von Tatsachen beruft, von denen er eine solche in Wirklichkeit nicht besitzt?) b. eine Garantie für die Richtigkeit des Rates oder der Empfehlung übernommen hat. So muß z. B. derjenige, der sich anheischig machte, verlässige Auskunft zu erteilen, jedes Verschulden vertreten?) c. auf Grund eines anderen zwischen ihm und dem anderen Teile bestehenden Vertragsverhältnisses, z. B. Dienst­ oder Werkvertragsverhältnisses eine Verpflichtung zur Sorg­ falt gegenüber dem Vertragsgegner übernommen hat. So haften Personen, welche wie z. B. Ärzte, Rechtsanwälte, In­ haber von Auskunfts- oder Stellenvermittlungsbureaus Rat und Empfehlung gewerbs- und berufsmäßig gegen Entgelt erteilen, stets für Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt (§ 676). Für besondere Auftragsvertragsverhältnisse finden sich neben dem BGB auch in anderen Reichsgesetzen Bestimmungen. So z. B. in § 362 HGB, in § 30 der Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 und in § 81 CPO. Die Rechtssätze über den Auftrag sind grundsätzlich nicht zwingend.

§ 158.

Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Auftragsvertrage.

I. Die Verpflichtungen des Beauftragten und die Ansprüche des Auftraggebers sind folgende: geglichen Ge1. Auf Grund der Annahme des Auftrags ist der Beschäftsbesorgung.auftragte verpflichtet, das ihm von dem Auftraggeber übertragene Geschäft für diesen unentgeltlich zu tragten

') BlfRA 67 S. 504. «) SamlnF. 2 S. 779.

Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Auftragsvertrag.

547

besorgen (§ 662). Er haftet dabei für Vorsatz und jeden Grad von Fahrlässigkeit. Wie im Einzelnen der erteilte Auftrag auszuführen ist, bestimmt sich nach den Abreden der Parteien und nach der Verkehrsauffassung. Z. B. A übergibt dem Bankier B 50000 in Wechseln mit dem Auftrage, die Wechsel zur diskontieren, vom Erlös für seine Rechnung 20000 Jfa an den C zu bezahlen, den Rest aber für ihn bis zu seiner Rückkehr von einer sechswöchigen Reise zm verwahren. In diesem Falle bedeutet der Auftrag, die Restsumme zu verwahren, keineswegs unbedingt, daß B das Geld in seinen Tresors liegen lassen solle, sondern nur soviel, daß B den Resterlös zur Verfügung des A zu halten hat. B genügt daher seiner Verpflichtung auch dann wenn er nach Diskontierung der Wechsel und Bezahlung an C den Resterlös auf sein eigenes Konto bei einer Centralbank als jederzeit abhebbar einzahlt.*) Der Anspruch des Auftraggebers auf Ausführung des Auftrags ist im Zweifel nicht übertragbar (§ 664 Abs. 2). Der Anspruch kann daher weder gepfändet noch zum Gegenstand eines Pfandrechts oder Nießbrauchs gemacht werden. 2. DerBeauftragtedarf, sofern nicht etwas Anderes bestimmt ist oder aus den Umständen sich ergibt, die Ausführung des Auftrags nicht einem Dritten über­ tragen. Er hat den Auftrag im Zweifel in Person aus­ zuführen. Überträgt der Beauftragte die Ausführung des Auftrags vertragswidrig einem Dritten, so haftet der Beauf­ tragte für jeden infolge der Übertragung eintretenden Schaden Doch ist der Beauftragte nicht verpflichtet, die aus der ver­ tragswidrigen Übertragung der Auftragsausführung an einen Dritten etwa gegen diesen ihm erwachsenen Ansprüche dem Auftraggeber abzutreten. Ist die Übertragung nach dem In­ halte des Vertrags gestattet, so hat der Beauftragte nur für ein ihm bei der Übertragung zur Last fallendes Verschulden, z. B. bei leichtfertiger Auswahl eines ungeeigneten Dritten, einzustehen. Derjenige, welchem von dem Beauftragten die Ausführung des Auftrags übertragen wird, tritt, mag nun die Übertragung vertragsmäßig oder vertragswidrig sein, zu dem Auftraggeber in kein Vertragsverhältnis. Die Zu­ ziehung eines Gehilfen zur Geschäftsbesorgung ist dem Be­ auftragten regelmäßig gestattet. Für das Verschulden des Gehilfen haftet der, Beauftragte wie für eigenes Verschulden. Ist dem Beauftragten die Zuziehung eines Gehilfen nach dem Inhalte des Vertrags nicht gestattet, so haftet er, auch wenn ein Verschulden des Gehilfen nicht vorliegt, für allen Schaden, ') DIZ 1904 S. 216.

Person,

548

Der Auftrag.

der ohne die Zuziehung des Gehilfen nicht eingetreten wäre (§ 664 Ms. 1). 3. Bei Ausführung des Auftrags hat der Bebe» auftrag, auftragte grundsätzlich die Weisungen des Aufgebers. traggebers zu befolgen. Von den Weisungen des Auf­ traggebers abzuweichen, ist der Beauftragte nur berechtigt, wenn er nach pflichtgemäßem Ermessen den Umständen nach annehmen darf, daß der Auftraggeber bei Kenntnis der Sach­ lage die Abweichung billigen würde. Mer auch in solchen Fällen hat der Beauftragte, wenn nicht mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist, vor der Abweichung dem Auftraggeber Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten. Wäre mit dem dadurch bedingten Aufschub Gefahr verbunden, so ist der Beauftragte, vorausgesetzt, daß nach den Umständen die Billigung des Auftraggebers angenommen werden kann, seiner allgemeinen Verpflichtung, das Interesse des Auftrag­ gebers nach dem Inhalte des Auftrags und der Sachlage wahrzunehmen, entsprechend sogar gehalten, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen und sachgemäß zu handeln. Weicht der Beauftragte unbefugt von den Weisungen des Auf­ traggebers ab, so wird er schadensersatzpflichtig und braucht der Auftraggeber diese Art von Handlungen nicht als Er­ füllung des Austragvertrags anzunehmen (§ 665). 4. zur Erteilung 4. Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber Nachr?chten"unddie erforderlichen Nachrichten auch unaufgefordert zu geben.

sÄ/Ä.Sm

ist ferner, jedoch nur auf Verlangen gehalten, dem Auf­ traggeber über den Stand des Geschäftes Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen (§ 666). Diese Bestimmungen können durch Vereinbarung der Parteien geändert, einge­ schränkt oder auch ganz ausgeschlossen werden.

gabeUbe8auäUb«

5. Was der Beauftragte zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, muß er dem Auftraggeber einschließlich der gezogenen Nutzungen des Zu­ wachses und des Zubehörs herausgeben (8 667). Ein Übergang kraft Gesetzes findet nicht statt. So muß z. B. der Be­ auftragte Forderungen, die er infolge der Geschäftsbesorgung erworben hat, auf den Auftraggeber übertragen. Unter den Begriff dessen, was der Beauftragte aus der Geschäftsbe­ sorgung erlangt, fällt dasjenige nicht, was ihm nicht als Be­ standteil der Leistung für den Auftraggeber, sondern ihm persönlich gelegentlich der Geschäftsbesorgung von Dritten zu­ gewendet wird. Solche Zuwendungen, z. B. Geschenke, Trink­ gelder oder Extraprovisionen, hat der Beauftragte dem Auf­ traggeber nicht herauszugeben.

8Geschästrbe-

@riangtra.

Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Auftragsvertrag.

549

6. Verwendet der Beauftragte Geld für sich, das er dem «rs»^ Auftraggeber herauszugeben oder für diesen zu verwenden hat, «enbetemseib. so ist er zum Ersätze des hierdurch entstehenden Schadens ver­ pflichtet. Auch hat er, ohne daß dadurch die Geltendmachung eines weiteren Schadens ausgeschlossen wird, das für sich ver­ wendete Geld von der Zeit der Verwendung an zu verzinsen (§ 668). Für die nicht rechtzeitige Ablieferung vereinnahmter Gelder, für die Unterlassung der Erhebung von Außenständen oder der verzinslichen Anlegung von Geldern haftet der Be­ auftragte nach den allgemeinen Grundsätzen über Schadens­ ersatz und Verzug. II. Verpflichtungen des Auftraggebers undAn-^^*WH^ sprüche des Beauftragten. traggeb«», 1. Der Auftraggeber hat dem Beauftragten für die zur i. jur Vorschuß. Ausführung des Auftrags erforderlichen Aufwendungen auf Ieiftuna' Verlangen Vorschuß zu leisten. Der Beauftragte kann auf Gewährung des Vorschusses klagen. Kommt der Auftrag­ geber dem Verlangen auf Vorschußleistung nicht nach, so gerät er in Annahmeverzug und kann der Beauftragte bis zur Leistung des erforderlichen Vorschusses die Ausführung des Auftrags verweigern (§ 669). 2. Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung 2 des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach roenbungm. für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber ohne Rück­ sicht darauf, ob die Ausführung des Auftrags den bezweckten Erfolg hatte oder nicht, und ohne Rücksicht darauf, ob die Aufwendungen wirklich erforderlich waren oder nicht, zum Er­ sätze verpflichtet (§ 670). Auch kann der Beauftragte Befreiung von jenen Verbindlichkeiten, die er zum Zwecke der Ausführung des Auftrags eingegangen hat, verlangen. Kommt der Auf­ traggeber seiner Verpflichtung zum Ersätze der Aufwendungen nicht nach, so kann der Beauftragte die weitere Ausführung des Auftrags und die Herausgabe dessen verweigern, was er zur Ausführung des Auftrags erhielt und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Erleidet der Beauftragte bei der Ausführung des Auf­ trags Schaden, so hat der Auftraggeber Ersatz nur zu leisten, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt. 8 159.

Beendigung des Auftragsverhältuisses.

Beendigung des

Das Auftragsverhältnis wird beendet: ttifieä durch: 1. durch die vollständige Ausführung des Ge-i.Ausführung s ch ä f t e s, dessen Besorgung den Gegenstand des Vertrages be8 bildet. 2. durch Ablauf der Zeit, für welche der Auftrag 2.settasiauf. erteilt worden ist.

550

Der Auftrag.

s.einkittauf3. durch Eintritt der auflösenden Bedingung, tobingung.e= wenn unter einer solchen der Auftragsvertrag geschlossen worden ist. «.«ereinbarung. 4. durch Vereinbarung der Parteien. 8Wteo”ge6erT 5. durch Widerruf des Auftraggebers. Der Auf' trag kann von dem Auftraggeber jederzeit formlos widerrufen werden (§ 671 Abs. 1). Der Widerruf ist eine einseitige em­ pfangsbedürftige Willenserklärung, muß also dem Beauftragten gegenüber, kann aber auch stillschweigend erfolgen. Auf das Recht des Widerrufes kann verzichtet werden. Widerruf unter aufschiebender Bedingung ist zulässig. 6. durch Kündigung des Beauftragten. Der Auf­ trag kann von dem Beauftragten jederzeit gekündigt werden. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willens­ erklärung , welche an keine Form gebunden ist. Kündi­ gung unter einer Bedingung ist unzulässig. Die Kündigung ist von der Angabe von Gründen nicht abhängig. Doch darf der Beauftragte nur in der Art kündigen, daß der Auftrag­ geber für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann. Kündigt der Beauftragte in einer dieser Vor­ schrift entgegenstehenden Weise unzeitig, so ist die Kündigung zwar gültig, der Beauftragte hat aber dem Auftraggeber den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Unzeitige Kündigung verpflichtet nur dann nicht zum Schadensersätze, wenn ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Ver­ zicht des Beauftragten auf sein Kündigungsrecht ist statthaft. Liegt aber ein wichtiger Grund vor, so ist der Beauftragte zur Kündigung auch dann berechtigt, wenn er auf das Kündi­ gungsrecht verzichtet hat. Die Vorschrift, daß der Beauftragte im Falle Vorliegens eines wichtigen Grundes bei unzeitiger Kündigung nicht schadensersatzpflichtig wird, ist ebenso wie die Vorschrift, daß der Beauftragte beim Vorliegen eines wichtigen Grundes trotz Verzichtes auf das Kündigungsrecht kündigen kann, zwingender Natur (§ 671). ». Tod der Be7. durch den Tod des Beauftragten, sofern nicht auftragten. QUg der Vereinbarung, der Natur des zu besorgenden Geschäftes oder anderen Umständen ein entgegenstehender Wille der Parteien zu entnehmen ist. Erlischt der Auftrag durch den Tod des Beauftragten, so hat ber Erbe des Beauftragten, selbst wenn dieser mit der Geschäftsbesorgung noch nicht begonnen hatte, den Tod dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen und, wenn mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist, die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Auftraggeber ander­ weit Fürsorge treffen kann. Insoweit gilt der Auftrag alsdann als fortbestehend, so daß z. B. der Erbe von dem Auftrag­ geber für die zur Fortsetzung des aufgetragenen Geschäftes er­ forderlichen Auslagen Ersatz verlangen kann und andererseits

Beendigung des Auftragsverhältnisses.

551

für den durch sein Verhalten verursachten Schaden ersatzpflichtig ist. Erlischt der Auftrag durch den Tod des Beauftragten nicht, so gehen dessen Rechte und Verpflichtungen unverändert aus den Erben über (§ 673). Wird der Beauftragte geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so wird dadurch der Auf­ trag nicht beendet. Wird dem Beauftragten aber durch die Geschäftsunfähigkeit die Erfüllung seiner Verpflichtungen un­ möglich, so wird er nach den allgemeinen Grundsätzen über nachträglich eintretende Unmöglichkeit der Leistung von seiner Verpflichtung zur Erfüllung frei. Ist der Beauftragte eine juristische Person, so erlischt der Auftrag mit dem Verluste der Rechtsfähigkeit. Durch den Tod oder den Eintritt der Geschäfts­ unfähigkeit des Auftraggebers oder endlich dadurch, daß der Auftraggeber in der Geschäftsfähigkeit beschränkt wird, erlischt der Auftrag nicht, sofern nicht ein anderer Wille der Parteien aus den Abmachungen oder Umständen zu entnehmen ist. Erlischt der Auftrag, so hat der Beauftragte, wenn mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist, die Besorgung des auf­ getragenen Geschäftes fortzusetzen, bis der Erbe oder der ge­ setzliche Vertreter des Auftraggebers anderweit Fürsorge treffen kann. Auch hier gilt der Auftrag insoweit als fortbestehend (§ 672). Die gleichen Grundsätze wie für den Fall des Todes des Auftraggebers gelten auch für den Fall, daß eine juristische Person ihre Rechtsfähigkeit verliert. 8. Durch die Eröffnung des Konkurses über das«-«°nkur»,über Vermögen des Auftraggebers erlischt der Auftrag, es der Auftrag sei denn, daß sich der Auftrag nicht auf das zur Konkursmasse 6tBct8‘ gehörige Vermögen bezieht (§ 21 KO). Der Konkurs über das Vermögen des Beauftragten übt keinen Einfluß auf das Auftrags­ vertragsverhältnis aus. In allen Fällen, in denen der Auftrag in anderer Weise als durch Widerruf erlischt, gilt der Auftrag zu Gunsten des Beauftragten gleichwohl als fortbestehend, bis der Beauftragte von dem Erlöschen des Auftrags Kenntnis erlangt oder das Erlöschen kennen muß (§ 674). Z. B- A ist von B beauftragt, in allen Städten, welche er auf seiner Reise berührt, von den Schuldnern des B Gelder einzukassieren. A hat den Auftrag nur aus persönlicher Freundschaft zu dem bereits kränklichen B übernommen und mit diesem vereinbart, daß beim etwaigen Ableben des B der Auftrag erlöschen solle. Während A auf der Reise ist, stirbt B und erfährt den Tod des B erst nach seiner Rückkehr. A kann von den Erben des B alle Auf­ wendungen ersetzt verlangen, welche er zur Ausführung des Auftrags noch nach dem Tode des B machte. Der Auftrag gilt nur zu Gunsten des Beauftragten als fortbestehend. Jedoch

552

Geschäftsführung ohne Auftrag.

trifft den Beauftragten, der in Unkenntnis von dem Erlöschen des Auftrags diesen weiterhin ausführt, die gleiche Haftung wie wenn der Auftrag nicht erloschen wäre. Fährt der Be­ auftragte in Kenntnis oder in einer auf Fahrlässigkeit be­ ruhenden Unkenntnis von dem Erlöschen des Auftrags in dessen Ausführung fort, so finden von da ab die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung.

11. Kapitel.

Geschäftsführung ohne Auftrag. 8 160. Begriff und allgemeine Grundsätze. Begriffder ®eGeschäftsführung ohne Auftrag ist die B e öhneAu^tÄ sorgung von Geschäften für einen Anderen ohne einen von diesem ausgehenden Auftrag und ohne eine sonstige Berechtigung hierzu. Die Geschäfts­ führung ohne Auftrag erzeugt kein Vertragsverhältnis. Die­ selbe ist überhaupt kein Rechtsgeschäft, sondern nur eine recht­ liche Wirkungen erzeugende Handlung. Durch die Tatsache der Geschäftsbesorgung tritt der Geschäftsführer in ein Schuldver­ hältnis zu dem Geschäftsherrn, bewirkt aber auch, daß der Geschäftsherr unter gewissen Voraussetzungen ihm gegenüber Schuldner wird. Die Geschäftsbesorgung kann sich auf ein einzelnes Ge­ schäft, auf eine Reihe von Geschäften oder auf alle Geschäfte einer Person beziehen. Die Geschäfte können rein tatsächliche Geschäfte oder Rechtsgeschäfte sein. Die Geschäfte müssen aber für einen Anderen besorgt werden. Der Geschäftsführer muß ein fremdes Geschäft wollen und sich dessen bewußt sein. Auch muß ein „Anderer" vor­ handen sein, für den das Geschäft besorgt werden kann. Für ein erst zu erwartendes Kind, für einen erst zu bildenden Verein, für eine erst zu gründende Aktiengesellschaft kann eine Geschäftsführung ohne Auftrag nicht stattfinden. Besorgt Jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung, das Geschäft sei sein eigenes, so liegt Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vor, so z. B. wenn ein Kaufmann eine ihm infolge Verwechselung der Namen zuge­ sandte Ware verkauft, ohne das Versehen bemerkt zu haben. In diesen Fällen finden die Vorschriften über die Geschäfts­ führung ohne Auftrag auch dann keine Anwendung, wenn der

552

Geschäftsführung ohne Auftrag.

trifft den Beauftragten, der in Unkenntnis von dem Erlöschen des Auftrags diesen weiterhin ausführt, die gleiche Haftung wie wenn der Auftrag nicht erloschen wäre. Fährt der Be­ auftragte in Kenntnis oder in einer auf Fahrlässigkeit be­ ruhenden Unkenntnis von dem Erlöschen des Auftrags in dessen Ausführung fort, so finden von da ab die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung.

11. Kapitel.

Geschäftsführung ohne Auftrag. 8 160. Begriff und allgemeine Grundsätze. Begriffder ®eGeschäftsführung ohne Auftrag ist die B e öhneAu^tÄ sorgung von Geschäften für einen Anderen ohne einen von diesem ausgehenden Auftrag und ohne eine sonstige Berechtigung hierzu. Die Geschäfts­ führung ohne Auftrag erzeugt kein Vertragsverhältnis. Die­ selbe ist überhaupt kein Rechtsgeschäft, sondern nur eine recht­ liche Wirkungen erzeugende Handlung. Durch die Tatsache der Geschäftsbesorgung tritt der Geschäftsführer in ein Schuldver­ hältnis zu dem Geschäftsherrn, bewirkt aber auch, daß der Geschäftsherr unter gewissen Voraussetzungen ihm gegenüber Schuldner wird. Die Geschäftsbesorgung kann sich auf ein einzelnes Ge­ schäft, auf eine Reihe von Geschäften oder auf alle Geschäfte einer Person beziehen. Die Geschäfte können rein tatsächliche Geschäfte oder Rechtsgeschäfte sein. Die Geschäfte müssen aber für einen Anderen besorgt werden. Der Geschäftsführer muß ein fremdes Geschäft wollen und sich dessen bewußt sein. Auch muß ein „Anderer" vor­ handen sein, für den das Geschäft besorgt werden kann. Für ein erst zu erwartendes Kind, für einen erst zu bildenden Verein, für eine erst zu gründende Aktiengesellschaft kann eine Geschäftsführung ohne Auftrag nicht stattfinden. Besorgt Jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung, das Geschäft sei sein eigenes, so liegt Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vor, so z. B. wenn ein Kaufmann eine ihm infolge Verwechselung der Namen zuge­ sandte Ware verkauft, ohne das Versehen bemerkt zu haben. In diesen Fällen finden die Vorschriften über die Geschäfts­ führung ohne Auftrag auch dann keine Anwendung, wenn der

Begriff uni» allgemeine Grundsätze.

553

Geschäftsherr die Geschäftsführung genehmigt. Vielmehr kommen nur Ansprüche auf Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung und beim Vorliegen der besonderen Voraussetzungen Ansprüche aus unerlaubten Handlungen in Betracht (§ 687 Abs. I).1) Behandelt Jemand ein fremdes Geschäft als, ®^anwu«6 sein eigenes, obwohl er weiß, daß er nicht dazu als eigener/ berechtigt ist, so liegt ebenfalls keine Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Der Geschäftsherr kann die sich aus den Grund­ sätzen über unerlaubte Handlungen ergebenden Ansprüche geltend machen. Er kann aber auch nach seiner Wahl verlangen, daß der Handelnde das Geschäft so besorge, wie es sein, des Ge­ schäftsherrn, Interesse mit Rücksicht auf seinen wirklichen oder Mutmaßlichen Willen erfordert, und dann, wenn dies nicht zutrifft, Ersatz des ihm aus der Geschäftsführung als solcher entstehenden Schadens fordern, außerdem aber Herausgabe alles dessen beanspruchen, was der Handelnde durch die Ge­ schäftsführung erlangt hat. Dabei kommt nicht in Betracht, ob der Handelnde im eigenen Namen oder im Namen des Geschäftsherrn gehandelt hat (§ 687 Abs. 2). Behandelt Jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er bei Anwendung einiger Sorgfalt hätte erkennen müssen, daß er dazu nicht berechtigt ist, so kann nur auf Heraus­ gabe ungerechtfertigter Bereicherung oder, wenn die besonderen Voraussetzungen hierzu vorliegen, auf Schadensersatz nach den Vorschriften über unerlaubte Handlung geklagt werden. Ge­ schäftsführung ohne Auftrag liegt nicht vor und können nach den Grundsätzen hierüber keine Ansprüche geltend gemacht werden. Ist aber die Voraussetzung der Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben, nämlich, daß für einen Anderen gewollter und bewußter Maßen ein Geschäft besorgt wird, so kommt es darauf, wessen Geschäfte besorgt werden, nicht an. Ist daher der Geschäftsführer über die Person des Geschäfts­ herrn imJrrtume, so wird gleichwohl derwirkliche Geschäftsherr aus der Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet (§ 686). Ebenso finden die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung, wenn der Geschäftsführer sich dessen, daß er ohne Auftrag handelte, nicht bewußt war, sondern irrtümlich annahm, vom Geschäfts­ herrn beauftragt oder doch sonstwie zur Geschäftsführung be­ rechtigt zu sein. Eine weitere Voraussetzung für die Geschäftsführung ohne des^WMens,^für Auftrag ist die, daß der Wille, für einen Anderen zu einen ankeren handeln, erkennbar geworden ist. Der Geschäftsführer äU’^o):

1. aus den Beiträgen der Gesellschafter, 2. aus den durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenständen, 3. aus dem, was auf Grund eines zu dem Ge­ sellschaftsvermögen gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Ent­ ziehung eines zu dem Gesellschaftsvermögen ge­ hörenden Gegenstandes erworben wird. Die Beiträge der Gesellschafter können bestehen in der Leistung von Sachen, Forderungen und anderen Rechten, Handlungen, Diensten, Arbeitsleistungen, in der Überlassung von Grundstücken, Erfindungen, Patenten u. s. w. Auch darin, daß ein Gesellschafter den Gebrauch seines Namens gestattet, kann eine Beitragsleistung liegen. Sachen und Grund-

letzung der Ge-

sellschastsvermögens.

Beikäged« efe d,aftct'

572

Die Gesellschaft.

stücke können zu Eigentum oder Mr zur Nutzung, beziehungs­ weise zum Gebrauch beigetragen werden. Durch die Geschäftsführung werden Gegenstände dem Ge­ sellschaftsvermögen nur erworben, wenn die Geschäfte in er­ kennbarer Weise Namens der Gesellschaft geschlossen werden. Werden Grundstücke als Beiträge oder sonstwie der Gesellschaft übertragen, so hat dies in Form der Auflassung zu geschehen. Bei der Eintragung im Grundbuch ist das Gesellschaftsver­ hältnis erkennbar zu machen (§ 48 GO). Gegenstände, welche auf Grund eines zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechtes erworben werden sind z. B. die Erlöse aus Verkäufen, Früchte, An- und Zuwachs, Zinsen, Gegenstände, welche zur Erfüllung einer der Gesellschaft gegenüber bestehenden Ver­ pflichtung geleistet werden, u. s. w. Als Gegenstände, welche als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes er­ worben werden, kommen z. B. in Betracht Schadensersatzan­ sprüche, Versicherungsgelder, Vertragsstrafen, Ersatzleistungen für Enteignung u. s. w. Die Ansprüche gegen die einzelnen Gesellschafter auf Leistung von Beiträgen und ebenso die Ersatzansprüche wegen Nicht­ leistung der Beiträge gehören an sich nicht zum Gesellschafts­ vermögen, sondern stehen nur den einzelnen Gesellschaftern gegen einander persönlich zu. Jedoch kann der Gesellschafts­ vertrag bestimmen, daß auch diese Ansprüche zum Gesellschafts­ vermögen gehören sollend) Gehören die Ansprüche auf Mit­ gliederbeiträge u. s. w. nach dem Inhalte des Gesellschafts­ vertrags zum Gesellschaftsvermögen, so sind dieselben auch pfändbar und einklagbar. »^«EcheR-tur Das Gesellschastsvermögen ist nicht ein VervAmWis. mögen der Gesellschaft, sondern gemeinschaftliches Vermögen der sämtlichen Gesellschafter. Die Gesell­ schaft besitzt keine Rechtsfähigkeit. Ein Konkurs über das Gesell­ schaftsvermögen ist unzulässig. Die zum Gesellschaftsvermögen ge­ hörenden Forderungen stehen allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Die Verpflichtungen der Gesellschaft sind gemeinschaftliche Verpflichtungen aller Gesell­ schafter. Ebenso stehen Sachen und Grundstücke der Gesellschaft im gemeinschaftlichen Eigentume aller Gesellschafter — Prinzip der gesamten Hand. Zur Zwangsvollstreckung in das Ge­ sellschaftsvermögen ist ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich. Ein Gesellschafter kann von dem Gesell­ schaftsschuldner nur Leistung an alle Gesellschafter, ein Gesellschaftsgläubiger andererseits nur Leistung von allen Gesellschaftern verlangen. Mangels besonderer *) RG 64 S. 301; DIZ 1903 S. 369, 436.

Das Gesellschastsvermögen.

573

Vereinbarung haftet aber für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht nur das Gesellschaftsver­ mögen, sondern auch das Vermögen der einzelnen Gesellschafter. Die Verfügung über das GesellschaftsvermögenUHWchaRund die zu demselben gehörenden Gegenstände vermögen, steht den sämtlichen Gesellschaftern zusammen zu. Nur den Besitzesschutz kann jeder Gesellschafter ausüben, welcher den Besitz tatsächlich hat. Ebenso wie der Gesellschafter nicht befugt ist, über die WiAn, d« einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Gegenstände zu G^-mchasters verfügen, ebenso kann kein Gesellschafter über seinenam’weu?’ Anteil am Gesellschaftsvermögen verfügen (§ 719ich°strv-rmSg-n. Abs. 1). Der Gesellschafter ist ferner nicht berech­ tigt, Teilung des Gesellschaftsvermögens oder seiner Bestandteile zu verlangen (§ 719 Abs. 1). Aus diesen Grundsätzen ergeben sich folgende Rechts­ normen: der einzelne Gesellschafter kann seinen Anteil an einer zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Forderung weder geltend machen noch sonst zum Gegenstände eines über diesen Anteil verfügenden Rechtsgeschäftes machen. Ein Vertrag, durch welchen ein Gesellschafter einem Gesellschaftsschuldner die Schuld in Höhe seines Anteils an der Gesellschaftsforderung erläßt oder stundet, ist ebenso wie ein bezüglich dieses Anteils geschlossener Vergleich den übrigen Gesellschaftern gegenüber nichtig und erzeugt nur eine Verpflichtung des vertrags­ schließenden Gesellschafters gegenüber dem anderen Vertrags­ teile. Ebensowenig kann der einzelne Gesellschafter bezüglich seiner MitberechtiHung an den Sachen und Grundstücken der Gesellschaft für seine Person allein Rechtsgeschäfte vornehmen oder Klage stellen. Gegen eine Forderung, die zum Gesellschafts- Aufrechnung, vermögen gehört, kann der Schuldner nicht mit einer ihm gegen einen einzelnen Gesellschafter zustehenden Forderung aufrechnen (§ 719 Abs. 2). Umgekehrt kann der einzelne Gesellschafter gegen eine Gesell­ schaftsschuld weder mit einer zum Gesellschaftsvermögen ge­ hörenden Forderung noch mit einer einem anderen Gesell­ schafter zustehenden Forderung aufrechnen. Der Gesellschafter kann wegen einer Privatschulo eine Forderung der Gesellschaft nicht aufrechnen. Dies ist selbst dann ausgeschlossen, wenn die Mitgesellschafter der Aufrechnung zustimmen würben.1) Steht eine Forderung einem Gläubiger allen Gesellschaftern gegenüber zu, so kann gegen diese mit einer zum Gesellschafts­ vermögen gehörenden Forderung, nicht aber mit einer dem ') ROLG 6 S. 25.

574

Die Gesellschaft.

einzelnen Gesellschafter zustehenden Forderung aufgerechnet werden. Der einzelne Gesellschafter kann, soweit er für die Gesellschaftsschuld auch persönlich haftet, eine ihm zustehende Forderung gegen eine dem Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschaft zustehende Forderung mit der Wirkung aufrechnen, daß die Forderung des Gläubigers auch gegen die übrigen Gesellschafter erlischt. Haftet der einzelne Gesellschafter für die Gesellschaftsschuld nicht persönlich, so kann er gegen die Forderung des Gesellschaftsgläubigers nur mit einem seinem Anteile entsprechenden Teile aufrechnen. Tnt2is"eins Der Anteil eines Gesellschafters an den einGesellichasters. zelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen kann nicht gepfändet werden. Da­ gegen ist die Pfändung des Anteils eines Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen statthaft. Daß dem Gläubiger eines Gesellschafters der Zugriff auf die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden einzelnen Gegenstände versagt ist, bedarf keiner Ausführung. Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen kann der Gläubiger eines Gesellschafters nur dadurch erlangen, daß er einen nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitel sich verschafft, dann den Anteil des schuldenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen pfändet und die Gesellschaft kündigt. Schuldnersb^iner Zum Schutze des Schuldners einer zum Gesellschaftsverzum Gesellmögen gehörigen Forderung ist bestimmt, daß der Schuldner ^aehörenden°" die Zugehörigkeit der Forderung zum Gesellschaftsvermögen Forderung, erst dann gegen sich gelten zu lassen braucht, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntnis erlangt. Der Schuldner kann also, solange er von dem Übergang der einem Gesellschafter gegen ihn zustehenden Forderung in das Gesellschaftsvermögen nichts weiß, sich durch Aufrechnung gegenüber dem einzelnen Gesell­ schafter befreien. Die übrigen Gesellschafter müssen ferner, soferne der Schuldner von der Zugehörigkeit der Forderung zum Gesellschaftsvermögen nicht unterrichtet war, Zahlungen des Schuldners an den einzelnen Gesellschafter und sonstige auf die Förderung bezüglichen Rechtsgeschäfte, wie z. B. Stundungsverträge zwischen dem Schuldner und dem Einzel­ gesellschafter, Kündigungen des Schuldners u. s. w. gegen sich gelten lassen. Der Unkenntnis des Schuldners von der Zu­ gehörigkeit der Forderung zum Gesellschaftsvermögen steht das Kennenmüssen nicht gleich. Selbst dann, wenn der Schuldner von dem Übergang der Forderung in das Gesellschaftsvermögen Kenntnis erlangt hat, kann er eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung aufrechyen, wenn er bei dem Erwerbe seiner Forderung von der Zugehörigkeit der Gegen­ forderung zu dem Gesellschaftsvermögen keine Kenntnis hatte. Der Schuldner kann dies sogar dann, wenn er zwar von dem Übergang der Gegenforderung in das Gesellschaftsvermögen

Das Gesellschaftsvermögen.

575

Kenntnis hatte, seine Forderung aber vor Erlangung dieser Kenntnis und früher als die in das Gesellschaftsvermögen übergegangene Forderung fällig geworden ist. Z. B.: A schuldet dem B ein am 15. Mai fälliges Darlehen von 100 Jt>. Am 3. Mai verkauft B diese Darlehensforderung an die Ge­ sellschaft C. Hiervon erhält A am 5. Mai Mitteilung, ß seinerseits schuldet dem A einen am 1. Mai fällig gewordenen Mietzins von 200 JL A kann also seine Mietzinsforderung von 200 J6> der Gesellschaft gegenüber jederzeit aufrechnen, denn seine Forderung ist bereits, am 1. Mai, also vor Erlangung einer Kenntnis von dem Übergang der Darlehensforderung auf die Gesellschaft C und früher als die Darlehensforderung fällig geworden. Würde die Mietzinsforderung erst am 16. Mai fällig werden, so wäre die Aufrechnung nur dann und insolange möglich, als A von dem Verkauf der Darlehensforderung an die Gesellschaft C keine Kenntnis hat. Ergeht in einem nach dem Übergang der Forderung in das Gesellschaftsver­ mögen zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die nunmehr zum Gesellschaftsvermögen gehörige For­ derung, so müssen die Gesellschafter dieses Urteil gegen ftdj gelten lassen, es sei denn daß der Schuldner die Zugehörigkeit der Forderung zu dem Gesellschaftsvermögen bei dem Eintritte der Rechtshängigkeit gekannt hat (§ 720). Das Gesellschaftsvermögen ist ein Sondervermögen.dÄTllUasts. Demgemäß können die Gesellschafter für sich als Nicht-Gesell-vom schafter ebenso wie fremde Personen besondere, nicht auf dem em»XenC@efeu= Gesellschaftsverhältnisse beruhende Rechte erwerben, z. B. Forderungen gegen die Gesellschaft, Hypotheken an Grundstücken, welche zum Gesellschaftsvermögen gehören, Pfandrechte an Sachen des Gesellschaftsvermögens u. s. w. Aus der Unab­ hängigkeit des Gesellschaftsvermögens von dem Vermögen des einzelnen Gesellschafters folgt ferner, daß die Gesellschafter eine Mehrheit von Gesellschaften mit einander eingehen können, von denen jede ihr eigenes Gesellschaftsvermögen hat und daß in diesem Falle ein Gesellschafter sich selbst als gemeinschaft­ licher Schuldner und gemeinschaftlicher Gläubiger gegenüber­ stehen kann. Ein Gesellschafter kann für seine Person in Ansehung unt-rg-s-llschast. des ihm zustehenden Gesellschaftsanteils auch mit einem Dritten einen Vertrag eingehen etwa in der Weise, daß er sich verpflichtet, dem Dritten von den ihm zufließenden Gesellschafts­ erträgnissen einen Teil abzutreten — Unterbeteiligung, Untergesellschaft. Solchenfalls tritt der Dritte nicht in das bestehende Gesellschäftsverhältnis ein und erhält keine Rechte gegen die Gesellschaft.

Die Gesellschaft.

576

§ 169.

Die Geschäftsführung der Gesellschaft.

Die Befugnis zur Geschäftsführung ist zu unter« unb®e“na scheiden von Vertretungsmacht. Wer die Geschäfte der tretungsmacht. Gesellschaft führt, braucht nicht ermächtigt zu sein, die Gesell­ schaft Dritten gegenüber zu vertreten. Vertretungs­ macht ist die Befugnis des Geschäfte führenden Gesellschafters, die Gesellschaft Dritten gegenüber zu vertreten, Betrifft also das Verhältnis der Gesellschaft nach außen. Die Ge­ schäftsführung dagegen betrifft zunächst nur das innere zwischen dem geschäftsführenden Gesellschafter und den anderen Gesellschaftern bestehende Verhältnis. ^mutete^VollDoch bestimmt das Gesetz, daß, soweit einem Gesell,chLftssübr-nde'n schäft er nach dem Gesellschaftsvertrage die Befug8ut|c®ert?rtung nis zur Geschäftsführung zusteht, der Gesellschafter 'nach-us°n." im Zweifel auch ermächtigt ist, die anderen Gesell­ BKgniszurGe-

schafter Dritten gegenüber zu vertreten (§ 714). Einen gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft kennt das BGB nicht. Auch reicht die Vertretungsmacht mangels einer be­ sonderen Bevollmächtigung nicht weiter als die vertragsmäßige Befugnis zur Geschäftsführung. Ist ein Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrage z. B. nur befugt, die Beiträge einzu­ kassieren und bewegliche Sachen zu kaufen, so verpflichtet ein Grundstückskauf, den dieser Gesellschafter für die Gesellschaft abschließt, diese nicht. Der Begriff der Geschäftsführung umfaßt alle Geschäfte der Gesellschaft sowohl die Rechtsgeschäfte als auch die rein tatsächlichen Geschäfte. ^umgderDurch die innerhalb der Vertretungsmacht führenden Gesell- v o n einem zur Geschäftsführung berechtigten Genomtnmra6, fellschafter für die Gesellschaft vorgenommenen ”^e8üfb*i*gen Rechtsgeschäfte werden die sämtlichen Gesellschafter Gesellschafter, gemeinschaftlich berechtigt und verpflichtet. Die für die Gesellschaft erworbenen Rechte werden gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter. Andererseits haften die sämtlichen Gesellschafter für vertragsmäßige Schulden als Gesamtschuldner. Diese Gesamtschuldenhaftung für die Verbindlichkeiten beschränkt sich in der Regel nicht auf das Gesellschaftsvermögen, sondern ergreift, soferne nicht bei Begründung der Schuld ausdrücklich die Alleinhaftung des Gesellschaftsvermögens bedungen oder die Vertretungsmacht des Geschäftsführenden auf die Ver­ haftung lediglich des Gesellschaftsvermögens eingeschränkt wurde, auch das Privatvermögen der Gesellschafter. Für unerlaubte Handlungen, welche der geschäftsführende Gesellschafter in Ausübung der ihn: übertragenen Geschäfte begeht, besteht eine allgemeine Haftung der Gesellschafter nicht. Sie haften viel­ mehr nur, wenn sie selbst an der unerlaubten Handlung mit-

Die Geschäftsführung der Gesellschaft.

577

beteiligt sind oder wenn sie bei der Auswahl des Geschäfts­ führenden die erforderliche Sorgfalt nicht beobachtet haben und der Schaden nicht auch bei Anwendung dieser Sorgfalt ent­ standen sein würde. Die Ermächtigung zur Geschäftsführung macht den ge­ schäftsführenden Gesellschafter nicht zur Partei. Im Prozesse zugeschobene Eide sind von allen Gesellschaftern zu leisten. Ist im Gesellschaftsvertrage ein Gesellschafter ermächtigt, ^AW»ngz-°* die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten, so macht ' kann die Vertretungsmacht nur dann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, und nur durch einstimmigen Beschluß aller anderen Gesellschafter oder, wenn nach dem Inhalt des Gesell­ schaftsvertrags die Mehrheit der Stimmen entscheidet, durch Mehrheitsbeschluß entzogen werden. Ist die Vertretungsmacht in Verbindung mit der Befugnis zur Geschäftsführung erteilt worden, so kann sie nur mit dieser entzogen werden (§ 715). Der mit Vertretungsmacht ausgestattete Geschäftsführer kann seine Vertretungsbefugnis nicht kündigen. Er kann nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes die Geschäftsführung kündigen. Grundsätzlich steht die Führung der Geschäfte der Gesellschaft den sämtlichen Gesellschaftern ge- Mrungau« meinschaftlich zu. Für jedes Geschäft ist die Zustimmung ®c,eafrWctaller Gesellschafter erforderlich (§ 709 Abs. 1). Alle Gesell­ schafter haben gleiches Stimmrecht. Widerspricht ein Gesell­ schafter der Vornahme eines Geschäftes, so muß dasselbe unter­ bleiben und kann ein gültiges Geschäft nicht zu Stande kommen. Hat ein Gesellschafter in dem Gesellschaftsvertrage oder später, z. B. durch Zustimmung zu einem Beschlusse der übrigen Ge­ sellschafter zu einer Rechtshandlung oder zu einem gewissen tatsächlichen Verhalten sich verpflichtet, so kann er zur Erfüllung dieser Verpflichtung durch Klage gezwungen werden. Unter Umständen kann auch, insbesondere im Falle böswilligen Ver­ haltens, in dem Widerspruche eines Gesellschafters gegen die Vornahme eines Geschäftes ein wichtiger Grund zur Kündi­ gung der Gesellschaft gefunden werden. Durch den Gesell­ schaftsvertrag sowohl als auch durch eine nachträgliche Verein­ barung der Gesellschafter kann bestimmt werden, 1. daß bei Führung der Geschäfte in Ansehung aller oder nur gewisser Angelegenheiten die Mehrheit der Stimmen entscheiden soll. Ist dies der Fall, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen. Durch Gesellschaftsvertrag oder anderweite Vereinbarung kann aber auch eine anderweitige Berechnung der Stimmenmehrheit fest­ gesetzt werden, z. B. nach der Zahl der in der Gesellschafts­ versammlung erschienenen Gesellschafter oder nach kapitalistischen Beteiligungsquoten (§ 709 Abs. 2). Hat die Mehrheit der Müller-Meikel, Bürger». Recht. L. Aufl. Sb. I.

37

578

Die Gesellschaft.

Stimmen zu entscheiden, so ist in der Regel die Anhörung der Minderheit nicht erforderlich. Ebenso ist die Frage, ob zur Versammlung der Gesellschafter alle Gesellschafter berufen wer­ den müssen und ob allen Gesellschaftern der Verhandlungs­ gegenstand bekannt gegeben werden muß, Sache der vertrags­ mäßigen Regelung. Geschästrfüh2. daß ein Gesellschafter allein oder mehrere "ö"ärm^re?e" Gesellschaft er die Geschäfte oder einzelne Arten GeseMchaftcr. t)Dti Geschäften der Gesellschaft zu führen haben. Ist die Führung der Geschäfte einem Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern übertragen, so sind die übrigen Gesell­ schafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Die mit der Geschäftsführung betrauten Gesellschafter haben ein die übrigen Gesellschafter ausschließendes Recht auf die Geschäftsfüh­ rung. Sind mehrere Gesellschafter zur Geschäftsführung be­ rufen, so haben sie die Geschäfte der Gesellschaft im Zweifel gemeinschaftlich zu führen. Bestimmt der Gesellschafts­ vertrag, daß unter den mehreren mit der Geschäftsführung betrauten Gesellschaftern Stimmenmehrheit entscheiden soll, so ist mangels anderweitiger Bestimmung die Mehrheit nach der Zahl der mit der Geschäftsführung betrauten Gesellschafter zu berechnen (§ 710). 3. daß die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesell­ schaftern in der Art zustehen soll, daß jeder der mit der Geschäftsführung betrauten Gesellschafter für sich allein zur Geschäftsführung befugt ist. In diesem Falle kann, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag etwas Anderes bestimmt, jeder der zur Geschäftsführung berechtigten Gesellschafter der Vornahme eines Geschäftes durch den anderen Gesellschafter widersprechen. Dieser Widerspruch ist eine einseitige empfangs­ bedürftige, dem das Geschäft vornehmenden Gesellschafter gegenüber abzugebende Willenserklärung. Der Widerspruch hat die Wirkung, daß das betreffende Geschäft unterbleiben muß. Wird das Geschäft gleichwohl vorgenommen, so ist es, sofern der Gesellschafter innerhalb seiner Vertretungsbefugnis gehandelt hat und sofern der Dritte den Widerspruch nicht gekannt hat, dem Dritten gegenüber wirksam. Der das Geschäft vornehmende Gesellschafter ist aber den übrigen Gesellschaftern gegenüber zum Schadensersätze verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn das Geschäft den Umständen nach als im Interesse der Gesellschaft gelegen erachtet werden konnte (§ 711). »esu n?8nur»eDie einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag schästsführungb° übertragene Befugnis zur Geschäftsführung kann ihm nur durch einstimmigen Beschluß oder, falls nach dem Gesellschaftsvertrage die Mehrheit der Stimmen entscheidet, durch Mehrheits­ beschluß der übrigen, also auch der nicht mit der Geschäfts­ führung betrauten Gesellschafter entzogen werden. Die Ent-

ziehung der Geschäftsführung ist aber immer nur dann zu­ lässig, wenn ein wichtiger Grund hierzu vorliegt. Als solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung zu erachten (§ 712 Abs. 1). Die ohne einen wichtigen Grund, grundlos oder nicht in der gesetzlich allein zulässigen Art erfolgte Entziehung der Befugnis zur Geschäftsführung ist wirkungslos. Die für die Gesellschaft von dem Geschäftsführer, dem die Befugnis zur Geschäftsführung entzogen werden wollte, vorgenommenen Ge­ schäfte sind gültig. Die rechtswirksame Entziehung der Be­ fugnis zur Geschäftsführung hat deren Erlöschen zur Folge. Fügt sich der betreffende Gesellschafter dem die Entziehung aussprechenden Beschlusse nicht, so kann er auf Unterlassung der Geschäftsführung und Schadensersatz wegen gleichwohl unternommener Geschäftsführung verklagt werden. Auch kann im Wege der einstweiligen Verfügung Abhülfe geschaffen werden. Auf das Recht der übrigen Gesellschafter, die einem Gesellschafter übertragene Befugnis zur Geschäftsführung diesem zu entziehen, kann im Gesellschaftsvertrage nicht verzichtet werden. Andererseits kann jeder mit der Geschäftsführung betraute Gesellschafter die Geschäftsführung jederzeit kündigen,run«,durch den wenn ein wichtiger Grund, z. B. Krankheit, Überhäufung mit Geschäften u. s. w. vorliegt. Ein Verzicht auf dieses Kündisch-ster. gungsrecht ist wirkungslos. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, welche allen Gesellschaftern gegenüber vorzunehmen ist. Sie darf nur in der Art erfolgen, daß die übrigen Gesellschafter für die Besorgung der Geschäfte anderweit Fürsorge treffen können, es sei denn, daß ein wich­ tiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt der geschäftsführende Gesellschafter ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er den anderen Gesellschaftern den daraus ent­ stehenden Schaden zu ersetzen (§ 712 Abs. 2). Die Rechte und Verpflichtungen der geschäfts- Rechte und führenden Gesellschafter bestimmen sich, soweit sich nichtMuMhi-nde» aus dem Gesellschaftsverhältniffe ein Anderes ergibt, nach den Gesellschafter, für den Auftrag geltenden Vorschriften (§§ 713, 664-670), (s. oben § 157). Die Rechte und Pflichten des geschäftsfüh­ renden Gesellschafters sind demnach zunächst nach dem Gesell­ schaftsvertrage zu beurteilen. Soweit dieser keine Bestimmungen enthält, ist die rechtliche Stellung des geschäftsführenden Gesell­ schafters gleich jener des Beauftragten. Jedoch hat der ge­ schäftsführende Gesellschafter nur für diejenige Sorgfalt einzu­ stehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Jeder geschäftsführende Gesellschafter hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Geschäfte der Gesellschaft zu sühren, soweit diese ihm übertragen sind. Im Zweifel muß 37*

Die Gesellschaft.

580

er die Geschäfte selbst führen und ist ohne diesbezügliche Er­ laubnis nicht befugt, die Geschäftsführung einem Dritten zu übertragen. Ist ihm die Übertragung auf einen Dritten ge­ stattet, so hat er nur ein ihm bei der Übertragung, insbesondere bei der Auswahl der Person zur Last fallendes Verschulden zu vertreten, so z. B. svenn er einem als leichtsinnig bekannten Manne die Geschäftsführung überträgt. Bedient er sich eines Gehülfen, was ihm mangels besonderer entgegenstehender Be­ stimmungen des Gesellschaftsvertrages gestattet ist, so hat er dessen Verschulden ebenso wie sein eigenes zu vertreten. Im Allgemeinen muß der geschäftsführende Gesellschafter die ihm bei der Übertragung der Geschäfte und von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich erteilten Weisungen befolgen. Von denselben abzuweichen, ist er nur berechtigt, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß die übrigen Gesellschafter bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würden. Vor der Ab­ weichung hat er den übrigen Gesellschaftern Anzeige zu machen und deren Entschließung abzuwarten, wenn nicht mit dem Auf­ schübe Gefahr verbunden ist. Weisungen einzelner Gesellschafter zu befolgen, ist der geschäftsführende Gesellschafter nicht ver­ bunden. Dagegen ist er verpflichtet, den übrigen Gesellschaftern die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen der übrigen Gesellschafter über den Stand der Gesellschaftsgeschäfte jederzeit*) Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung der Geschäfte oder der sonst hierzu bestimmten Zeit Rechenschaft abzulegen. Dagegen ist er nicht verpflichtet, dem einzelnen Gesellschafter Auskunft zu erteilen oder Rechenschaft abzulegen. Er hat vielmehr nur zu gestatten, daß der Gesellschafter sich selbst unterrichtet. Denn jeder Gesellschafter kann, auch wenn er von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich, d. h. nur er selbst oder sein gesetz­ licher Vertreter, sich unterrichten, die Geschäftsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen und sich aus denselben, even­ tuell auch unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen, eine Übersicht über den Stand des Gesellschaftsvermögens anfertigen. Herausgabe der Geschäftsbücher oder Papiere kann der einzelne Gesellschafter nicht verlangen, dagegen ist ihm der Zutritt zu den Geschäftslokalitäten zu gestatten. Das Informations­ recht des einzelnen Gesellschafters kann durch Verein­ barung ausgeschlossen oder beschränkt werden. Eine derartige Vereinbarung steht aber der Geltendmachung des Rechtes nicht entgegen, wenn Grund zu der Annahme unredlicher Geschäfts­ führung besteht (§ 716).

*) ROLG 8 S. 80.

Die Geschäftsführung der Gesellschaft.

581

Der geschäftsführende Gesellschafter ist ferner gehalten, den übrigen Gesellschaftern alles, was er zum Zwecke der Ge­ schäftsführung erhält und was er aus der Geschäftsführung erlangt hat, mit Einschluß der gezogenen Nutzungen herauszu­ geben. Verwendet er Gelder, welche er in dieser Weise heraus­ zugeben oder für den Gesellschaftszweck zu verwenden hat, für sich, so hat er dieselben von der Zeit der Verwendung an mit Vier vom Hundert zu verzinsen. Liefert der geschäftsführende Gesellschafter abzuliefernde Gelder nicht rechtzeitig ab oder unterläßt er schuldhafterweise die Einziehung von Außenständen oder die verzinsliche Anlegung von Geldern, so wird er nach den Grundsätzen über Verzug und Schadensersatz verantwort­ lich. Für die zur Geschäftsführung erforderlichen Aufwen­ dungen kann der geschäftsführende Gesellschafter Vorschuß von den übrigen Gesellschaftern verlangen. Macht er zum Zwecke der Geschäftsführung Aufwendungen, die er den Um­ ständen nach für erforderlich halten darf, so sind die übrigen Gesellschafter zum Ersätze verpflichtet. Den Schaden, den er anläßlich der Geschäftsführung durch Zufall erleidet, kann der geschäftsführende Gesellschafter nicht ersetzt verlangen. Auch auf Vergütung für seine Bemühungen bei der Geschäfts­ führung kann der geschäftsführende Gesellschafter nur Anspruch erheben, wenn und soweit ihm eine Vergütung ausdrücklich oder stillschweigend im Gesellschaftsvertrage oder in einem Nachgange zu demselben zugesichert worden ist.1) Solange die Gesellschaft besteht, kann der geschäftsführende Gesellschafter den Ersatz seiner Aufwendungen und etwaige Vergütung nur aus dem Gesellschaftsvermögen verlangen. Reicht dasselbe nicht aus, so kann der geschäftsführende Gesellschafter erst nach Auflösung der Gesellschaft Befriedigung von den übrigen Gesell­ schaftern begehren. Die Befugnis zur Geschäftsführung erlischt «WZL?». a) mit der Auflösung der Gesellschaft, b) mit der Entziehung der Befugnis zur Geschäfts­ führung durch, die übrigen Gesellschafter, c) durch Kündigung der Geschäftsführung durch den geschäftsführenden Gesellschafter, d) durch die Vollendung der übertragenen Geschäfte, e) durch Ablauf der Zeit, für welche der Gesellschafter mit der Geschäftsführung betraut war, f) durch Wegfall der Bedingung, unter welcher die Geschäftsführung übertragen war. ’) IW 1901 S. 534.

Die Gesellschaft.

582 § 170.

Rechte und Pflichten der Gesellschafter.

Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter bestehen nicht gegenüber der Gesellschaft als solcher, sondern gegenüber den anderen Gesellschaftern. iur göiberann 1- Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, die Erreichung des des Vertrags- gemeinsamen Gesellschaftszweckes in der durch den Vertrag Zweckes, bestimmten Weife zu fördern. Er hat also nicht nur eine dem Gesellschaftszwecke entsprechende Tätigkeit in der durch den Ver­ trag bestimmten Weise zu entfalten, sondern, und zwar auch in eigenen Angelegenheiten, Alles zu unterlassen, was die Er­ reichung des Gesellschaftszweckes hindern oder vereiteln könnte; der einzelne Gesellschafter darf also z. B. der Gesellschaft keine Konkurrenz machen, keine Geschäftsgeheimnisse verraten u. s. w. Entsteht durch Nichterfüllung dieser Verpflichtungen der Gesellsellschaft ein Schaden, so hat der sich verfehlende Gesellschafter nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften Ersatz zu leisten (§ 705). Zu der Verpflichtung, die Erreichung des gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, gehört vor allem die Verpflichtung zur Leistung der vereinbarten Beiträge. Mr BeitragsDie Beiträge sind in der durch den Vertrag festgesetzten 3 leiftung8 Weise und zu der dort bestimmten Zeit zu leisten, Dabei hat jeder Gesellschafter alle Voraussetzungen zu erfüllen, welche zur Einbringung erforderlich sind, insbesondere die erforderliche Rechtsübertragung, z. B. beim Einbringen von Grundstücken die Auflassung, vorzunehmen. Für Mängel im Rechte oder der Sache haftet der einbringende Gesellschafter wie ein Ver­ käufer. Der Gesellschafter, der eine Forderung oder ein sonstiges Recht einbringt, haftet nur für den rechtlichen Bestand der Forderung oder des Rechtes, nicht aber z. B. für die Zah­ lungsfähigkeit des Schuldners. Dagegen haftet der Einbringer eines Wertpapieres dafür, daß Dasselbe nicht zum Zwecke der Kraftloserklärung aufgeboten ist. Mit der Einbringung der Sache zu Eigentum geht die Gefahr der Sache auf die Gesell­ schaft über. Geht ein nur zur Benutzung eingebrachter Gegen­ stand durch Zufall zu Grunde oder erleidet derselbe eine zu­ fällige Verschlechterung, so hat der einbringende Gesellschafter den Schaden zu tragen. In Ermangelung einer anderen Vereinbarung haben die Gesellschafter gleiche Beiträge zu leisten. Sind vertret­ bare oder verbrauchbare Sachen beizutragen, so ist im Zweifel anzunehmen, daß dieselben gemeinschaftliches Eigentum der Gesellschafter werden sollen. Das Gleiche gilt von nicht ver­ tretbaren und nicht verbrauchbaren Sachen, wenn sie nach einer Schätzung beizutragen sind, die nicht bloß als rechnerischer

Rechte und Pflichten der Gesellschafter.

583

Anhaltspunkt für die Gewinnverteilung bestimmt ist (§ 706 Ms. 2). Eine Verzinsung der Gesellschaftseinlagen findet nur im Falle besonderer Vereinbarung statt. Zur Erhöhung des vereinbarten Beitrages oder zur Er­ gänzung der nach der Einbringung durch Verlust verminderten Einlage ist mangels entgegenstehender Bestimmungen kein Gesellschafter verpflichtet (§ 707). Dies gilt auch dann, wenn der Zweck der Gesellschaft infolge nicht ausreichenden Kapitals oder einer Verminderung desselben nicht mehr erreicht werden kann. Eine freiwillig erhöhte Beitragsleistung seitens der anderen Gesellschafter muß der Gesellschafter regelmäßig sich gefallen lassen. Er kann sich derselben aber widersetzen, wenn die freiwillige Erhöhung der Beitragsleistung eine Ausdehnung der Gesellschaft, ihrer Zwecke und ihres Wirkungskreises über den durch den Gesellschaftsvertrag vorgezeichneten Rahmen hinaus bedeuten würde oder eine Steigerung des Risikos und damit auch eine Erhöhung der Beitragsleistung desjenigen Gesellschafters bedeuten würde, der keine freiwilligen Beiträge leisten will. 2. Jeder Gesellschafter, der geschäftssührende und der Haftung der ®e= nicht geschäftsführende, hat bei der Erfüllung der ihm als ,eU,16ofteieGesellschafter obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen An­ gelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 708). Eine hiervon abweichende Regelung der Haftung der Gesellschafter ist statt­ haft. Für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz haften die Gesell­ schafter indessen stets. Vernachlässigt ein Gesellschafter die ihm obliegende Sorgfalt, so hat er für den entstehenden Schaden aufzukommen, ohne die Vorteile anrechnen zu können, welche er durch seine Tätigkeit den übrigen Gesellschaftern verschafft hat. 3. Jeder Gesellschafter hat Anteil am Gewinn und ante« bet @eVerlust. Die Bestimmung der Anteile ist im Gesellschafts- ®e»innteun" vertrage zu treffen. Ist nur der Anteil am Gewinn oder am $etIuft Verluste bestimmt, so gilt die Bestimmung im Zweifel für Gewinn und Verlust. Soll ein Gesellschafter nur am Verluste, nicht auch am Gewinn Beteiligt sein, so liegt kein Gesellschafts­ vertrag vor. Dagegen kann vereinbart werden, daß ein Gesell­ schafter von der Beteiligung am Verluste ausgeschlossen sein soll. Sind die Anteile der Gesellschafter am Gewinn und Ver­ luste nicht bestimmt, so hat jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf die Art und die Größe seines Beitrags einen gleichen Anteil am Gewinn und Verluste (§ 722). Darüber, wann und wie oft ein Rechnungsabschluß und die Verteilung des Gewinns und Verlust es statt­ zufinden hat, entscheidet der Gesellschaftsvertrag. Ist dort nichts bestimmt, so kann ein Gesellschafter den Rechnungsab-

Die Gesellschaft.

584

schluß und die Verteilung des Gewinns und Verlustes erst nach der Auflösung der Gesellschaft verlangen. Ist die Gesell­ schaft von längerer Dauer, so hat der Rechnungsabschluß und die Gewinnverteilung im Zweifel am Schluffe eines jeden Geschäftsjahres zu erfolgen (§ 721). Der Anspruch auf Gewinnteilung ist selbstverständlich bei jenen Gesellschaften versagt, deren Zwecke unsittlich oder gegen das Gesetz verstoßend sind. Unübertragbar4. Die Ansprüche, die den Gesellschaftern aus derGesellschaftndem Gesellschaftsverhältnisse gegen einander zu°chaitsverhält-°stbhen, sind nicht übertragbar. Dieselben können daher niffe. weder Gegenstand eines Pfandrechtes oder Nießbrauches sein noch gepfändet werden. Zu diesen unübertragbaren Ansprüchen gehören z. B. die Ansprüche auf Leistung der Beiträge, aus Ablieferung der von dem geschäftsführenden Gesellschafter bei der Geschäftsführung eingenommenen Gelder, auf Teilnahme an der Geschäftsführung, auf Einsicht der Bücher, auf Rech­ nungslegung i) u. s. w. Von dem Grundsätze der Unveräußer­ lichkeit und Unübertragbarkeit der Ansprüche aus dem Gesell­ schaftsverhältnisse bestehen Ausnahmen. Übertragbar und demgemäß auch pfändbar sind a) die einem Gesellschafter aus seiner Geschäftsführung zustehenden Ansprüche, soweit deren Befriedigung vor der Aus­ einandersetzung verlangt werden kann, so z. B. die Ansprüche auf die für die Geschäftsführung vereinbarte Vergütung, die Ersatzansprüche wegen Auslagen und Schäden, die Ansprüche auf Vorschuß u. s. w. b) die Ansprüche des Gesellschafters auf einen Gewinn­ anteil, c) die Ansprüche des Gesellschafters auf dasjenige, was ihm bei der Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens zukommt, nicht dagegen der Anspruch auf Ermittelung des Auseinandersetzungsanteils. Derjenige, dem diese Ansprüche übertragen werden, er­ langt, keinen Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft. Die Übertragbarkeit dieser Ansprüche kann mit Wirkung auch gegen Dritte durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. Ist dies geschehen, so können die Ansprüche gleichwohl insoweit gepfändet werden, als der Gegenstand des Anspruchs, so z. B. wenn er in Geld besteht, der Pfändung unterworfen ist (§717). Auflösung der Gesellschaft durch

1. Zeitablauf.

8 171. Auflösung der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird aufgelöst und endigt: 1: durch Ablauf der Zeit, für welche sie eintzegangen wurde,

*) RG 52 S. 37.

Auflösung der Gesellschaft.

585.

2. durch übereinstimmende Vereinbarung ber2- ®««n6anmg. sämtlichen Gesellschafter, die Gesellschaft aufzulösen, 3. durch Eintritt der auflösenden Bedingung, ^Eintritt^auswenn die Gesellschaft- unter einer solchen Bedingung einget>in0un6. gangen worden ist, 4. wenn der vereinbarte Gesellschaftszweck erreicht^SÄ, oder dessen Erreichung unmöglich geworden ist (§726). zweck». Eine Unmöglichkeit der Erreichung des Gesellschaftszweckes liegt auch dann vor, wenn die Erreichung in der vereinbarten Weise nicht mehr möglich ist, 5. durch Kündigung seitens eines Gesell­ 5. Kündigung eines schafters. Ist die Gesellschaft nicht für eine bestimmte Zeit Gesellschafters. eingegangen, so kann jeder Gesellschafter sie jederzeit ohne Grundangabe kündigen (§ 723). Das Gleiche gilt, wenn eine Gesellschaft für die Lebenszeit eines Gesellschafters eingegangen ist oder wenn eine Gesellschaft nach dem Ablaufe der für ihr Bestehen bestimmten Zeit stillschweigend fortgesetzt wird (§ 724). Ist eine Zeitdauer für das Bestehen der Gesellschaft be­ stimmt, so ist die Kündigung vor dem Ablaufe der Zeit nur dann zulässig, wenn ein wichtiger Grund hierzu vorliegt. Ein solcher Grund ist insbesondere vorhanden,-wenn ein an­ derer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrage obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird, so z. B. wenn der geschäfts­ führende Gesellschafter, dessen Beitragsleistung ausschließlich in der Geschäftsführung besteht und welcher gerade mit Rücksicht auf seine hervorragende Geschäftsgewandtheit zur Vertretung der Gesellschaft allein ermächtigt wurde, in Geisteskrankheit verfällt. Ein wichtiger, die Kündigung rechtfertigender Gründ ist ferner z. B. chikanöses, die Förderung des Gesellschafts­ zweckes hinderndes Verhalten eines oder mehrerer Gesell­ schafter. Eine Frist braucht bei der Kündigung nicht einge­ halten zu werden. Ist im Gesellschaftsvertrage eine Kündigungsfrist be­ stimmt, so ist dann, wenn ein wichtiger Grund, insbesondere der vorbezeichneten Art vorliegt, die Kündigung auch ohne Einhaltung einer Frist zulässig. Die Kündigung ist ein einseitiges, formloses und empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. Dasselbe muß, soferne nicht der Gesellschaftsvertrag etwas Anderes bestimmt und insbesondere Kündigung gegenüber einem geschäftsführenden Gesellschafter als ausreichend erklärt, allen anderen Gesell­ schaftern gegenüber vorgenommen werden. Eine den vorstehenden Vorschriften zuwidergehende Kündigung ist wirkungslos. Der Kündigende bleibt Gesell­ schafter.

Die Gesellschaft.

586

Die ordnungsmäßige Kündigung dagegen bewirkt die Auflösung der Gesellschaft ohne weiteres. Die Kündigung darf niemals, mag nun die Zeitdauer der Gesellschaft bestimmt oder unbestimmt sein, zur Unzeit ge­ schehen. Unzeitig ist die Kündigung dann, wenn sie in dem Zeitpunkte, in welchem sie erfolgt, der Gesellschaft erhebliche Nachteile verursacht, welche im Falle anderszeitiger Kündigung unschwer vermieden werden können. Nur wichtige Gründe können eine unzeitige Kündigung rechtfertigen. Eine ohne wichtigen Grund erfolgte unzeitige Kündigung ist gütig und bewirkt die Auflösung der Gesellschaft, verpflichtet aber den kündigenden Gesellschafter, den übrigen Gesellschaftern den aus der unzeitigen Kündigung erwachsenen Schaden zu ersetzen. Mit der Schadensklage kann auch Rechnungslegung begehrt werdend) Eine Vereinbarung, durch welche das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder den vorstehenden Vorschriften zuwider be­ schränkt wird, ist nichtig. Dies gilt also namentlich von Ab­ machungen, welche das Recht, wegen wichtiger Gründe voroder unzeitig zu kündigen, aufheben oder einschränken (§ 723 Abs. 3). «.Kündigungder 6. durch Kündigung seitens eines Gläubigers ^Gesell?chaster"s^eines Gesellschafters. Der Gläubiger eines Gesellschafters kann die Gesellschaft ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kraft eigenen Rechtes kündigen, wenn er die Pfändung des Anteils, welcher dem ihm schuldenden Gesellschafter am Gesell­ schaftsvermögen zusteht, auf Grund eines nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels erwirkt hat (§ 725). Ein gleiches Recht steht dem Gesellschaftsgläubiger nur dann zu, wenn ihm die Gesellschafter oder einer von ihnen neben dem Gesellschaftsver­ mögen für die Gesellschaftsschuld haften. Vorherige fruchtlose Vollstreckung in das Privatvermögen des Gesellschafters ist nicht Voraussetzung für die Kündigungsbefugnis des Gläubigers. Die unter den gesetzlichen Voraussetzungen erfolgende Kündigung des Gläubigers bewirkt ohne weiteres und ungeachtet entgegenstehen­ der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Auflösung der Gesellschaft. Der Gläubiger kann die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens verlangen und aus dem auf den schuld­ nerischen Gesellschafter treffenden Anteil sich befriedigen. Denn die Pfändung des Anteils des Gesellschafters an dem Gesell­ schaftsvermögen umfaßt die Pfändung des Anspruchs auf Auseinandersetzung und auf den hiebei dem Gesellschafter zukommenden Anteil am Gesellschaftsvermögen. Die übrigen Gesellschafter können die Kündigung des Gläubigers dadurch abwenden, daß sie denselben befriedigen. Ist aber die Kündi*) DIZ 1903 S. 576.

Auflösung der Gesellschaft.

587

gung einmal erfolgt und damit die Auflösung der Gesellschaft eingetreten, so können die übrigen Gesellschafter zwar auch noch den Gläubiger bezahlen und dadurch einer Auseinander­ setzung vorbeugen, sie müssen aber, wenn sie den Gesellschafts­ zweck weiter verfolgen wollen, einen neuen Gesellschaftsvertrag schließen. Unterläßt der Gläubiger die Kündigung, so kann er, so­ lange die Gesellschaft noch besteht, die sich aus dem Gesellschafts­ verhältnis ergebenden Rechte des Gesellschafters, mit Ausnahme des Anspruchs auf einen Gewinnanteil, nicht geltend machen (§ 725 Abs. 2). Will der Gläubiger ohne Kündigung Befrie­ digung erlangen, so kann er diese nur finden in dem etwaigen Gewinnanteil des schuldnerischen Gesellschafters oder durch Pfändung der dem Gesellschafter aus der Geschäftsführung zu­ stehenden Ansprüche oder endlich durch Pfändung der Ansprüche des Gesellschafters auf dasjenige, was demselben bei der Aus­ einandersetzung des Gesellschaftsvermögens zukommt. 7. durch den Tod eines der Gesellschafter. Die Auflösung tritt kraft Gesetzes mit dem Tode des Gesellschafters und ohne Rücksicht darauf ein, wann die übrigen Gesellschafter den Tod ihres Mitgesellschafters erfahren. In dem Gesellschaftsvertrage- sowohl als in einem Nach­ trage zu demselben kann indessen über den Einfluß des Todes eines Gesellschafters auf den Bestand der Gesellschaft etwas Anderes bestimmt werden. Es kann insbesondere vereinbart werden, daß die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters fortbestehen soll. In 'diesem Falle tritt keine Auflösung der Gesellschaft ein. Die bisherige Gesellschaft be­ steht vielmehr zwischen den überlebenden Gesellschaftern und den Erben des verstorbenen Gesellschafters fort. Die Erben treten, ohne daß ein neuer Vertrag notwendig wäre, von Rechtswegen an die Stelle ihres Erblassers und in dessen aus dem Gesellschaftsvertrage sich ergebenden Rechte und Ver­ bindlichkeiten ein. Ist der Eintritt des Erben für den Fall des Todes eines Gesellschafters nicht vereinbart, so wird die bisherige Gesellschaft aufgelöst. Alsdann hat ber Erbe des verstorbenen Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern den Tod unverzüg­ lich anzuzeigen und, wenn mit dem Aufschübe Gefahr ver­ bunden ist, die seinem Erblasser durch den Gesellschaftsvertrag übertragenen Geschäfte fortzuführen, bis die übrigen Gesell­ schafter in Gemeinschaft mit ihm anderweit Fürsorge treffen können. Dabei haftet der Erbe wie sein Erblasser und hat sowohl für die noch von dem Erblasser vorgenommenen Ge­ schäfte als auch für die von ihm besorgten Geschäfte Rechen­ schaft abzulegen. Diese Rechtssätze gelten auch dann, wenn der Erbe mit den Gesellschaftern seines Erblassers seinen Eintritt

7. Tod eines Gesellschafters.

588

Die Gesellschaft.

in die Gesellschaft an Stelle des Erblassers vereinbart hat. Andererseits sind auch die überlebenden Gesellschafter in gleicher Weise zur Fortführung der ihnen übertragenen Ge­ schäfte verpflichtet. Die Gesellschaft gilt insoweit als fort­ bestehend (§ 727). Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit eines Gesellschafters ist nur dann auf den Bestand der Gesellschaft von Einfluß, wenn infolge des gänzlichen oder teilweisen Ver­ lustes der Geschäftsfähigkeit eines Gesellschafters der Gesell­ schaftszweck in der vereinbarten Weise nicht mehr erreicht werden kann. ^eönklrsä"^b« 8. durch die Eröffnung des Konkurses über dar Vermögen das Vermögen eines Gesellschafters. Die sich an die Gesellfchasters. Auflösung anschließende Auseinandersetzung erfolgt außerhalb des Konkursverfahrens. Die Gesellschafter können aber wegen der sich auf die Gesellschaft gründenden Forderungen abgeson­ derte Befriedigung aus dem bei der Auseinandersetzung er­ mittelten Anteile des gemeinschuldnerischen Gesellschafters er­ langen. Trotz der durch die Konkurseröffnung eingetretenen Auflösung der Gesellschaft bleiben die übrigen Gesellschafter zur einstweiligen Fortführung der ihnen übertragenen Geschäfte verpflichtet und gilt die Gesellschaft insoweit als fortbestehend (§ 728). Wird die Gesellschaft in anderer Weise als durch Kündidung aufgelöst, so gilt die einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschästsführung zu seinen Gunsten gleichwohl als fortbestehend bis er von der Auflösung Kenntnis erlangt oder die Auflösung kennen muß (§ 729). Z. B.: Gesellschafter A, welcher allein mit der Geschäftsführung betraut ist, unternimmt zu Gesellschafts­ zwecken eine Geschäftsreise. Alsbald nach dem Antritt der Reise stirbt der Gesellschafter B. Mangels besonderer Ver­ tragsbestimmungen ist damit die Gesellschaft aufgelöst. A er­ fährt den Tod des B erst nach seiner Rückkehr. A kann Ersatz aller seiner auf der Reise gemachten erforderlichen Aus­ lagen verlangen, trotzdem zur Zeit dieser Aufwendungen die Gesellschaft nicht mehr bestand. Auch dem Dritten gegenüber gilt die Gesellschaft als fortbestehend, soferne nicht der Dritte das Erlöschen der Vertretungsbefugnis des geschäftsführenden Gesellschafters kennt oder kennen muß. In dem Gesellschaftsvertrage oder in einem Nachtragsvertrage kann bestimmt werden, daß, wenn ein Gesellschafter kündigt oder stirbt oder wenn der Gläubiger die Pfändung des Anteils eines Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen auf Grund eines nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuld­ titels erwirkt und kraft eigenen Rechts die Gesellschaft kündigt oder wenn der Konkurs über sein Vermögen eröffnet wird,

Die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens.

589

die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen soll (§ 736). Eine solche Vereinbarung ist aber nur vor der Kündi­ gung, beziehungsweise vor der Eröffnung des Konkursverfahrens gültig. Im Falle des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters kann indessen zwischen denmbrigen Gesellschaftern und dem Konkursverwalter vereinbart werden, daß letzterer mit. dem Werte des auf den gemeinschuldnerischen Gesell­ schafter treffenden Anteils abgefunden wird und daß die übrigen Gesellschafter das noch vorhandene Gesellschaftsver­ mögen ohne Auseinandersetzung erhalten. Die übrigen Gesell­ schafter kommen auf diese Weise in die Lage, eine neue Gesell­ schaft auf Grund der bisherigen Gesellschaft zu gründen und die alte Gesellschaft fortzusetzen.

§ 172. Die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens. Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt (§ 730 Abs. 1). Die Auseinander­ setzung berührt die Rechte der Gesellschaftsgläubiger in keiner Weise. Dieselben können insbesondere unbekümmert um die Auseinandersetzung die Zwangsvollstreckung sowohl in das Gesellschaftsvermögen als auch in das Vermögen der einzelnen Gesellschafter betreiben. Für die Beendigung der schwebenden Geschäfte, für die hiezu erforderliche Eingehung neuer Geschäfte sowie für die Erhaltung und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens gilt die Gesellschaft als fortbestehend, soweit der Zweck der Auseinander­ setzung es erfordert. Die einem Gesellschafter nach dem Gesellfchaftsvertrage zustehende Befugnis zur Geschäftsführung er­ lischt jedoch, wenn nicht aus dem Vertrage sich ein Anderes ergibt, mit der Auflösung der Gesellschaft. Die Geschäftsführung steht von der Auslösung seichäftsfühan allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 730bÄS”?«. Abs. 2). Durch Gesellschaftsvertrag kann jedoch eine andere fe6uitgBestimmung, insbesondere gerichtet auf Aufstellung von Liqui­ datoren in der Person Dritter oder einzelner Gesellschafter ge­ troffen werden. Dies ist aber nach der Auflösung der Gesell­ schaft nicht mehr statthaft. Für die Art und Weise der Auseinandersetzung Art und Weise ist in erster Linie eine etwaige Vereinbarung, insbesondere int bre®fäu"g.’’i,et5 Gesellschaftsvertrage maßgebend (§ 731). Wenn und soweit es an einer Vereinbarung fehlt, hat die Auseinandersetzung nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen: 1. Vor allem sind Gegenstände, welche ein Gesell­ schafter der Gesellschaft nur zur Benutzung überlassen hat, diesem Gesellschafter in Natur zurückzugeben. Für

Die Gesellschaft.

590

einen durch Zufall in Abgang gekommenen oder durch Zufall verschlechterten Gegenstand kann der Gesellschafter keinen Ersatz verlangen. Die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung des zur Benutzung überlassenen Gegenstandes trifft den Gesellschafter (§ 732). Ist der Unter­ gang oder die Verschlechterung des Gegenstandes auf ein Ver­ schulden eines Gesellschafters zurückzuführen, so haftet dieser persönlich nach allgemeinen Grundsätzen. 2. Aus dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen sind sodann zunächst die gemeinschaftlichen Schulden zu berichtigen. Gemeinschaftliche Schulden sind alle Schulden, welche infolge des Betriebs der Gesellschaft für alle Gesell­ schafter begründet sind, sei es, daß sie von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich oder von den zur Geschäftsführung befugten Gesellschaftern innerhalb ihrer Vertretungsmacht eingegangen worden oder sonstwie für alle Gesellschafter entstanden sind, z. B. infolge davon, daß ein zum Gesellschaftsvermögen ge­ höriges Tier Schaden gestiftet hat. Zu den gemeinschaft­ lichen Schulden sind auch jene Schulden der Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter zu rechnen, welche den Gläubigern gegenüber unter den Gesellschaftern geteilt sind, welche also dem Gläubiger gegenüber nicht eigentliche Gesell­ schaftsschulden sind. Zu den gemeinschaftlichen Schulden ge­ hören also auch jene Schulden, welche ohne Rücksicht auf den Gesellschaftszweck von sämtlichen Gesellschaftern in Person oder durch einen gemeinschaftlichen Vertreter eingegangen fini),1) ferner diejenigen Schulden, für welche einem Gesellschafter die übrigen Gesellschafter als Schuldner haften, wie dies ins­ besondere für Ansprüche eines Gesellschafters aus der Geschäfts­ führung zutrifft. Ist eine Schuld der vorbezeichneten Art noch nicht fällig oder streitig, so muß das zu ihrer Berichtigung Erforderliche zurückbehalten werden (§ 733 Abs. 1). 3. Aus dem nach der Berichtigung der Schulden übrig bleibenden Gesellschaftsvermögen sind die von den Gesell­ schaftern gemachten Einlagen zurückzuerstatten. Dabei ist für Einlagen, die nicht in Geld bestanden haben, der Wert zu ersetzen, den sie zur Zeit der Einbringung gehabt haben. Der Einleger hat also keinen Anspruch auf Rück­ erstattung in Natur. Andererseits kann ihm die Einlage wider seinen Willen in Natur nicht aufgezwungen werden. Zu er­ setzen ist vielmehr der objektive Wert der Einlage zur Zeit ihrer Einbringung. Für Einlagen, die in der Leistung von Diensten oder in der Überlassung der Benutzung eines Gegen­ standes bestanden haben, kann nicht Ersatz verlangt werden (§ 733 Abs. 2). *) ROLG 8 S. 81.

Ausscheiden und Ausschluß eines Gesellschafters.

591

4. Zur Berichtigung der Schulden und zur Rückerstattung der Einlagen ist das Gesellschaftsvermögen, soweit erforderlich, in Geld umzusetzen (§ 733). 5. Verbleibt nach der Berichtigung der gemeinschaft­ lichen Schulden und der Rückerstattung der Einlagen ein Überschuß, so gebührt derselbe den Gesellschaftern nach dem Verhältnisse ihrer Anteile am Gewinne, so ferne der Gesell­ schaftsvertrag nicht etwas Anderes bestimmt (§ 734). 6. Reicht dagegen das Gesellschaftsvermögen zur Berich- derÄmÄer tigung der gemeinschaftlichen Schulden und zur Rückerstattung zur srachAuKder Einlagen nicht aus, so haben die Gesellschafter und zwar leiftun8' auch diejenigen, welche nur persönliche Dienstleistungen beizu­ tragen hatten, für den Fehlbetrag nach dem Verhältnisse aufzukommen, nach welchem sie den Verlust zu tragen haben, sohin nach gleichen Teilen, wenn keine besondere Bestimmung hinsichtlich der Verlustverteilung getroffen ist. Unter solchen Umständen müssen also die Gesellschafter über ihre vertrags­ mäßige Beitragspflicht hinaus Nachschüsse leisten. Kann von einem Gesellschafter der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so haben die übrigen Gesellschafter den Aus­ fall ebenfalls nach dem Verhältnisse zu tragen, nach welchem sie für den Verlust aufzukommen haben (§ 735). Selbstredend ist eine anderweitige Regelung der Ausfallverteilung durch den Gesellschaftsvertrag statthaft.

§ 173. Ausscheiden und Ausschluß eines Gesellschafters. Wird vor der Auflösung der Gesellschaft im Gesellschafts- «ussch-iden vertrage oder in einem Nachtrage zu demselben bestimmt, daß, °'schanerr"° wenn ein Gesellschafter oder ein Gläubiger, der auf Grund eines nicht bloß vorläufig vollstreckbaren Schuldtitels die Pfän­ dung des Anteils eines Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen erwirkt hat, die Gesellschaft kündigt oder ein Gesellschafter stirbt oder der Konkurs über das Vermögen eines Gesellschafters eröffnet wird, die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehen soll, so scheidet bei dem Eintritt eines solchen Ereignisses nur der Gesellschafter, in dessen Person es eintritt, aus der Gesellschaft aus, während unter den übrigen Gesell­ schaftern die Gesellschaft fortbesteht (§ 736). Dagegen ist die Umwandlung einer bestehenden Gesell­ schaft in eine andere Gesellschaft in der Weise, daß ohne Aus­ einandersetzung des Vermögens der bisherigen Gesellschaft dieses auf die neue Gesellschaft übertragen werden soll, Auflösung und Neugründung einer Gesellschaft. Die Rechte der Gläubiger der alten Gesellschaft werden dadurch nicht berührt. Wird die tatsächliche Lage der Gläubiger verschlechtert, so können die­ selben nur auf Grund der allgemeinen Grundsätze über Schadens-

592

Die Gesellschaft.

ersatz oder auf Grund der Vorschriften des Anfechtungsgesetzes vom 21. Juli 1879 Deckung suchen. Ausschluß eines Ist im Gesellschaftsvertrage bestimmt, daß, wenn ein ®c e Wafterä- Gesellschafter kündigt, die Gesellschaft unter den übrigen Gesell­ schaftern fortbestehen soll, so kann ein Gesellschafter, wenn in dessen Person ein die übrigen Gesellschafter zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund eintritt, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn der Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrage obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung, z. B. zur persönlichen Dienstleistung etwa infolge Erkrankung unmöglich wird. Die Ausschließung eines Gesell­ schafters kann auch für andere Fälle im Gesellschaftsvertrage vorgesehen sein. So kann z. B. bestimmt sein, daß ein Gesell­ schafter ohne das Vorliegen der Voraussetzung, daß nach dem Gesellschaftsvertrage die Kündigung des einzelnen Gesellschafters nicht die Auflösung der Gesellschaft herbeiführen soll, z. B. auf Grund Mehrheitsbeschlusses der übrigen Gesellschafter soll aus­ geschlossen werden können. Mangels anderweitiger Bestim­ mungen steht das Ausschließungsrecht den übrigen Gesell­ schaftern gemeinschaftlich zu und kann demnach die Ausschließung nur auf Grund eines übereinstimmenden Beschlusses der übrigen Gesellschafter geschehen. Die Ausschließung selbst erfolgt durch Erklärung der übrigen Gesellschafter gegenüber dem auszu­ schließenden Gesellschafter. Diese Erklärung ist eine empfangs­ bedürftige Willenserklärung und an keine Form gebunden. Sind die gesetzlichen oder vertragsmäßigen Voraussetzungen für die Ausschließung nicht erfüllt, so ist dieselbe wirkungslos (§ 737).^Redenen°oder° Scheidet ein Gesellschafter, sei es infolge Ausschließung ausgeschlossenen oder sonstwie aus der Gesellschaft aus, so wächst sein Anam GqE°chÄtz-teil am Gesellschaftsvermögen unmittelbar kraft vermögen, zwingenden Gesetzes und ohne daß es einer wei­ teren Übertragung bedarf, den übrigen Gesell­ schaftern zu. Grundstücke und im Grundbuch eingetragene Rechte bleiben auf die übrigen Gesellschafter eingetragen. Letztere können aber von dem ausscheidenden Gesellschafter Sonstige Rechts- dessen Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs ver^I^echms ober®’ langen. Die in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter ffiStonftes8 sind verpflichtet, dem Ausscheidenden diejenigen Gegenstände, welche er der Gesellschaft lediglich zur Benutzung überlassen hat, zurückzugeben, ohne jedoch dazu verpflichtet zu sein, für einen durch Zufall in Abgang gekommenen oder verschlechterten Gegenstand Ersatz zu leisten. Ferner sind die in der Gesell­ schaft verbleibenden Gesellschafter verpflichtet, den Ausscheiden­ den von den gemeinschaftlichen Schulden zu befreien und ihm

Gesellschaft.

593

dasjenige zu bezahlen, was er bei der Auseinandersetzung er­ halten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Aus­ scheidens aufgelöst worden wäre. Der Wert des Gesellschafts­ vermögens ist, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln. Sind gemeinschaftliche Schulden noch nicht fällig, so können die übrigen Gesellschafter dem Ausscheidenden, statt ihn von diesen Schulden zu befreien, Sicherheit leisten (§ 738). Niemals aber kann der ausscheidende Gesellschafter die Abfin­ dung anders als in Geld verlangen, wie sie umgekehrt in anderer Weise nicht aufgedrängt werden kann. Der Aus­ scheidende hat lediglich einen Anspruch auf Abfindung durch Auszahlung einer nach vorstehenden Regeln festzusetzenden Geld­ summe. Das Ausscheiden eines Gesellschafters berührt die Rechte der Gesellschaftsgläubiger nicht. Mr die aus dem Ge­ sellschaftsverhältnisse vor dem Ausscheiden entstandenen Ver­ bindlichkeiten bleibt der Ausscheidende den Gläubigern wie bisher verhaftet. Befreien ihn die übrigen Gesellschafter von den gemeinschaftlichen Schulden nicht und muß er dieselben kraft seiner den Gläubigern gegenüber fortbestehenden Haftung bezahlen, so kann er lediglich von den übrigen Gesellschaftern Ersatz verlangen. Reicht der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung H°stung der cmr. der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen, einschließlich ausa-Mon-nm derjenigen der übrigen Gesellschafter, nicht aus, so hat der «LÄM??, Ausscheidende den übrigen Gesellschaftern für den Fehlbetrag nach dem Verhältnisse seines Anteils am Verluste aufzukommen. Auch an dem Gewinn und dem Verluste, welcher sich T-ilnahm- d-r aus den zur Zeit seines Ausscheidens schwebenden Geschäften ergibt, nimmt der Ausgeschiedene oder Ausgeschlossene Teil. n°q Die übrigen Gesellschafter sind jedoch berechtigt, ohne einen Widerspruch des Ausgeschiedenen beachten zu. müssen, die '*äftOL schwebenden Geschäfte so zu beenden, wie es ihnen am vorteil­ haftesten erscheint. Der Ausgeschiedene hat kein Einspruchsrecht. Er kann nur am Schlüsse eines jeden Geschäftsjahres Rechen­ schaft über die inzwischen beendigten Geschäfte, Auszahlung des ihm gebührenden Betrags und Auskunft über den Stand der noch schwebenden Geschäfte verlangen (§ 740). Tritt der Ausgeschiedene seinen Abfindungsanspruch an einen Dritten ab, so stehen diesem die Rechte auf Rechenschaftslegung und Auskunftserteilung nicht zu. Diese Rechtssätze finden nicht nur dann Anwendung, wenn einer von mehreren Gesellschaftern ausscheidet, sondern mangels anderer Vereinbarung auch dann, wenn der eine von nur zwei Gesellschaftern ausscheidet und das Geschäft der Gesellschaft mit Aktiven und Passiven von dem anderen Gesellschafter übernommen und fortgeführt wird.Z *) IW 1904 & 38. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Auf!. Bd. I.

38

594

Gemeinschaft.

Der Anspruch auf Abrechnung steht dem aus­ geschiedenen Gesellschafter nur gegen die übrigen zur Zeit seines Ausscheidens vorhandenen Gesellschafter, nicht gegen die etwa fortgesetzte Gesellschaft zu.Z

15. Kapitel.

Gemeinschaft. § 174.

Begriff.

Der 15. Titel des II. Buches des BGB ist „Gemeinschaft" überschrieben. Wie sich aber aus dem § 741 ergibt, werden in diesem Titel nicht alle Fälle der Gemeinschaft behandelt, sondern lediglich die „Gemeinschaft nach Bruchteilen". Eine Gemeinschaft liegt nach dem Sprachgebrauch des BGB immer dann vor, wenn Mehreren ein Recht gemeinschaftlich zusteht. Nach § 741 finden in solchen Fällen die Vorschriften der §§ 742 — 758 Anwendung, sofern sich nicht aus dem Gesetze ein Anderes ergibt. Ein solches Verhältnis bezeichnet das BGB als „Gemeinschaft nach Bruchteilen". Unter einer Gemeinschaft nach Bruchteilen werden daher alle diejenigen Fälle bezeichnet, in welchen ein Recht Mehreren gemeinschaftlich zusteht, für welche aber das Gesetz keine Sondervorschriften aufstellt. Solche Sondervorschriften gelten insbesondere für die­ jenigen Verhältnisse, für welche das deutschrechtliche System der sog. gesamten Hand herübergenommen wurde. Dieses gilt für das Gesellschaftsrecht (§§ 705 ff. BGB, § 105 Abs. 2 HGB), für das Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft und der Fahrnisgemeinschaft und endlich für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung. Besondere Normen gelten auch für die „Mehrheit von Schuldnern'und Gläubigern" (§§ 420 ff.), für das Miteigentum an einer ge­ meinschaftlichen Sache -(§§ 1008 ff.), u. dgl. In anderen Fällen, wie z. B. bei dem Stockwerkseigentum, bei den landes­ rechtlichen Realverbänden, u. s. w. ist die Regelung der Landes­ gesetzgebung überlassen. Die Vorschriften über die Gemeinschaft sind insofern zwingender Natur, als es den Parteien nicht gestattet ist, da, wo das Gesetz ein Gesamthandsverhältnis vorschreibt, eine Gemeinschaft nach Bruchteilen zu vereinbaren, und umgekehrt. ‘) ROLG 5 S. 381.

594

Gemeinschaft.

Der Anspruch auf Abrechnung steht dem aus­ geschiedenen Gesellschafter nur gegen die übrigen zur Zeit seines Ausscheidens vorhandenen Gesellschafter, nicht gegen die etwa fortgesetzte Gesellschaft zu.Z

15. Kapitel.

Gemeinschaft. § 174.

Begriff.

Der 15. Titel des II. Buches des BGB ist „Gemeinschaft" überschrieben. Wie sich aber aus dem § 741 ergibt, werden in diesem Titel nicht alle Fälle der Gemeinschaft behandelt, sondern lediglich die „Gemeinschaft nach Bruchteilen". Eine Gemeinschaft liegt nach dem Sprachgebrauch des BGB immer dann vor, wenn Mehreren ein Recht gemeinschaftlich zusteht. Nach § 741 finden in solchen Fällen die Vorschriften der §§ 742 — 758 Anwendung, sofern sich nicht aus dem Gesetze ein Anderes ergibt. Ein solches Verhältnis bezeichnet das BGB als „Gemeinschaft nach Bruchteilen". Unter einer Gemeinschaft nach Bruchteilen werden daher alle diejenigen Fälle bezeichnet, in welchen ein Recht Mehreren gemeinschaftlich zusteht, für welche aber das Gesetz keine Sondervorschriften aufstellt. Solche Sondervorschriften gelten insbesondere für die­ jenigen Verhältnisse, für welche das deutschrechtliche System der sog. gesamten Hand herübergenommen wurde. Dieses gilt für das Gesellschaftsrecht (§§ 705 ff. BGB, § 105 Abs. 2 HGB), für das Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft und der Fahrnisgemeinschaft und endlich für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung. Besondere Normen gelten auch für die „Mehrheit von Schuldnern'und Gläubigern" (§§ 420 ff.), für das Miteigentum an einer ge­ meinschaftlichen Sache -(§§ 1008 ff.), u. dgl. In anderen Fällen, wie z. B. bei dem Stockwerkseigentum, bei den landes­ rechtlichen Realverbänden, u. s. w. ist die Regelung der Landes­ gesetzgebung überlassen. Die Vorschriften über die Gemeinschaft sind insofern zwingender Natur, als es den Parteien nicht gestattet ist, da, wo das Gesetz ein Gesamthandsverhältnis vorschreibt, eine Gemeinschaft nach Bruchteilen zu vereinbaren, und umgekehrt. ‘) ROLG 5 S. 381.

Gemeinschaft.

595

Dagegen gewähren die Vorschriften über die Gemeinschaft nach Bruchteilen im Einzelnen der Parteiwillkür weitgehenden Spiel­ raum. Die Gemeinschaft nach Bruchteilen kann entweder kraft Rechtsgeschäftes, z. B. wenn Mehrere eine Sache kaufen, oder kraft gesetzlicher Vorschrift, z. B. infolge Verbindung oder Ver­ mischung (§§ 946 ff.), entstehen. Haben jedoch Mehrere eine teilbare Leistung zu fordern, so ist, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, jeder Gläubiger nur zu einem gleichen Anteil berechtigt (§ 420); solchenfalls tritt daher, abgesehen von Fällen anderweitiger Vereinbarung, eine Gemeinschaft nach Bruchteilen nicht ein. Bei der Gemeinschaft nach Bruchteilen steht jedem Teil«nteue. Haber ein Anteil zu. Dies ergibt sich aus dem Wesen der Gemeinschaft. Dagegen ist nicht erforderlich, daß die Anteile gleich groß sind. Daher kann z. B. vereinbart werden, daß der eine Teilhaber zu zwei Dritteln, der andere nur zu einem Drittel berechtigt sein soll. Doch ist, sofern eine solche Ver­ einbarung nicht getroffen ist, anzunehmen, daß jedem der Teil­ haber .ein gleicher Anteil zusteht *) (§ 742). . Über den gerne inschaftlichen Gegenstand im Ganzen ünn der einzelne Teilhaber allein nicht verfügen; diese Befugnis ,ch!ftWn"s^° teht den Teilhabern nur gemeinschaftlich zu (§ 747). So können 0enrt^teUe.b bie re das gemeinschaftliche Haus nur gemeinschaftlich veräußern, nur gemeinschaftlich mit Hypotheken oder Grunddienstbarkeiten belasten, u. dgl. Dagegen kann der einzelne Teilhaber über seinen Anteil frei verfügen, ohne die Zustimmung der übrigen Teilhaber einholen zu müssen. Ein Widerspruchsrecht steht diesen selbst dann nicht zu, wenn durch die Verfügung ihre Interessen gefährdet werden. Rach den gleichen Grundsätzen ist auch den Gläubigern eines Teilhabers die Zwangsvoll st reckung in dessen Anteil durch Pfändung gestattet; dagegen ist zur Zwangsvollstreckung in den gemeinschaftlichen Gegenstand ein gegen alle Teilhaber gerichteter vollstreckbarer Titel erforderlich und genügend. Der Anteil des einzelnen Teilhabers ist entscheidend für ^Früchte^und das Maß seiner Berechtigungen und Verpflichtungen?), soweit munsA Gel­ nicht anderweitige Vereinbarungen getroffen sind. Jedem Teilftattbe8Haber gebührt demgemäß ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte (§ 743); dieses Recht darf ohne seine Zustimmung von den übrigen Teilhabern nicht beeinträchtigt werden (§ 745 Abs. 3). Andererseits ist aber auch jeder Teil­ haber den anderen Teilhabern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstandes sowie die Kosten seiner Erhaltung, Verwaltung und gemeinschaftlichen Benutzung ') Seuff. Arch. Bd. 57 Nr. 57. ') vgl. 8 48 GO; RG 54 S. 86.

596

Gemeinschaft.

nach dem Verhältnisse seines Anteils zu tragen (§ 748). Diese letztgenannte Vorschrift gilt aber nur im Verhältnisse der Teil­ haber zu einander; dagegen sind für die Haftung nach außen die allgemeinen Grundsätze maßgebend. $e®S?ngunb Auch die Verwaltung und Benutzung des gemein­ schaftlichen Gegenstandes richtet sich in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen. Mangels solcher kann eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung durch Stimmen­ mehrheit beschlossen werden (§ 745 Abs. 1). Die Stimmen­ mehrheit ist aber nicht nach der Zahl der Teilhaber, sondern nach der Größe ihrer Anteile zu berechnen. Ist daher ein Teilhaber, z. B. zu zwei Dritteilen berechtigt, so ist bei dem Vorhandensein der übrigen Voraussetzungen sein Wille auch für die übrigen Teilhaber maßgebend. Ist die Verwaltung und Benutzung weder durch Vereinbarung noch durch Mehrheits­ beschluß geregelt, so kann jeder Teilhaber eine dem Interesse aller Teilhaber entsprechende Verwaltung und Benutzung ver­ langen. Ob im einzelnen Falle die verlangte Maßregel, z.B. Verpachtung des gemeinschaftlichen Gegenstandes oder Über­ lassung der gesamten Nutzungen an einen Teilhaber und Ab­ findung der übrigen, dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen Rechnung trägt, darüber hat im Falle eines Streites das richterliche Ermessen unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu entscheiden. Eine wesentliche Veränderung des gemeinschaft­ lichen Gegenstandes kann weder von der Mehrheit beschlossen noch im Wege des Prozesses erzwungen werden (§ 745 Abs. 3). Ist keine der genannten Voraussetzungen gegeben, so steht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes den Teil­ habern gemeinschaftlich zu; jedoch ist jeder Teilhaber berechtigt, die zur Erhaltung des Gegenstandes notwendigen Maß­ regeln ohne Zustimmung der übrigen Teilhaber zu treffen und kann verlangen, daß diese ihre Einwilligung zu einer solchen Maß­ regel im voraus erteilen (§ 744). Besteht die Maßregel in einem Rechtsgeschäft, so hängt dessen Bestand, sofern die Teil­ haber ihre Einwilligung nicht im vorneherein erklärt haben, davon ab, daß sie dasselbe nachträglich genehmigen oder zur Erteilung der Genehmigung verurteilt werden (§§ 182 ff.). Ferner ist unter der gleichen Voraussetzung jeder Teil­ haber zum Gebrauche des gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teil­ haber beeinträchtigt wird (§ 743 Abs. 2). Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluß geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sonder­ nachfolger (§ 746). Daß auch die Erben daran gebunden

Gemeinschaft.

597

sind, ist selbstverständlich. Steht aber ein Grundstück in Frage, so wirkt die Bestimmung gegen den Sondernachfolger eines Miteigentümers nur dann, wenn sie als Belastung des Anteils im Grundbuch eingetragen ist (§ 1010); dagegen würde die bloße Kenntnis des Sondernachfolgers von der Vereinbarung dessen Gebundenheit nicht zur Folge haben, wenn die Ein­ tragung in das Grundbuch unterblieben ist. Wenn nichts Anderes vereinbart ist, kann jeder Teilhaber Aufhebung der jederzeit und ohne Rücksicht auf die Interessen der anderen e”,ettti*eft Teilhaber die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen (§ 749 Abs. 1). Dieser Anspruch auf Aufhebung der Gemein­ schaft unterliegt nicht der Verjährung (§ 758). Ist vorherige Kündigung vereinbart, so muß natürlich die Kündigungsfrist eingehalten werden. Ist das Recht, die Aufhebung der Ge­ meinschaft zu verlangen, durch Vereinbarung für immer oder auf bestimmte Zeit ausgeschlossen, so kann die Aufhebung gleich­ wohl erlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ob dies der Fall ist, hat im Streitfälle der Richter zu entscheiden. Unter der gleichen Voraussetzung kann, wenn eine Kündigungs­ frist bestimmt ist, die Aufhebung ohne Einhaltung der Frist verlangt werden (§ 749 Abs. 2). Eine Bestimmung, durch welche das Recht, die Auf­ hebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder von der Einhaltung einer Kündigungs­ frist abhängig gemacht wird, kann nur im Wege der Verein­ barung, nicht aber durch Mehrheitsbeschluß getroffen werden. Eine Vereinbarung, durch welche das Recht eines Teilhabers, aus wichtigen Gründen jederzeit die Aufhebung der Gemein­ schaft zu verlangen, ausgeschlossen oder beschränkt wird, ist nichtig (§ 749 Abs. 3). Haben die Teilhaber das Recht, die Aufhebung der Ge­ meinschaft zu verlangen, auf Zeit ausgeschlossen, so tritt die Vereinbarung im Zweifel mir dem Tode eines Teil­ habers außer Kraft (§ 750). Die Erben können daher in diesem Fall, auch wenn die vereinbarte Zeit noch nicht ab­ gelaufen ist und kein wichtiger Grund für die Aufhebung vor­ liegt, gleichwohl die Aufhebung sofort verlangen. Zu beachten ist aber, daß es sich nur um eine Auslegungsvorschrift handelt und daß deshalb, wenn ein gegenteiliger Wille der Teilhaber unzweifelhaft feststeht, die Erben an diese Vereinbarung ge­ bunden sind. Haben die Teichaber das Recht, die Aufhebung der Ge­ meinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist bestimmt, so wirkt die Vereinbarung auch für und gegen die Sondernachfolger, und zwar auch dann, wenn sie von ihr keine Kenntnis hatten (§ 751); jedoch kann der Gläubiger eines Teilhabers, welcher die Pfän-

598

Gemeinschaft.

düng dessen Anteils erwirkt hat, ohne Rücksicht auf die Ver­ einbarung die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, sofern der Schuldtitel nicht bloß vorläufig vollstreckbar ist. Dieses Recht steht aber nur dem pfändenden Gläubiger eines Teil­ habers zu; dagegen erwächst aus der Tatsache der Pfändung des Anteils eines Teilhabers durch einen Gläubiger den übrigen Teilhabern nicht ebenfalls das Recht, ihrerseits die Aufhebung zu verlangen. Den Pfändungsgläubigern müssen diejenigen Gläubiger gleichgestellt werden, denen der Anteil verpfändet ist. Für den Fall, daß das Pfandrecht an dem Anteil eines Miteigentümers besteht, ist dem Pfandgläubiger diese Befugnis im § 1258 Abs. 2 ausdrücklich eingeräumt. Das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels wird hier nicht vorausgesetzt, sondern der Pfandgläubiger kann die Aufhebung mit dem Eintritte der Verkaufsberechtigung verlangen, d. h., sobald seine Forderung ganz oder zum Teil fällig und, falls dies nicht ohnehin schon zutrifft, in eine Geldforderung übergegangen ist (§ 1228 Abs. 2).

Auseinander­ setzung.

Ebenso wirken die im vorigen Absätze genannten Ver­ einbarungen nicht gegenüber der Konkursmasse, wenn über das Vermögen eines Teilhabers der Konkurs eröffnet ist (§ 16 Abs. 2 KO). Die Aufhebung der Gemeinschaft hat die Auseinander­ setzung unter den Teilhabern zur Folge. Hierfür sind in erster Linie die von den Teilhabern, ins­ besondere auch über die Art der Teilung getroffenen Verein­ barungen maßgebend.*) Unter Umständen ist dies sogar der einzige Weg einer Auseinandersetzung; so stellt z. B. ein Zeitungsunternehmen vielleicht sogar einen sehr erheblichen Vermögenswert dar, aber dieser Vermögenswert läßt sich ohne Eingriff in die höchst­ persönlichen Rechte ' der Gemeinschafter, in deren Recht auf freie Bewegung bezüglich ihrer Erwerbstätigkeit, ohne ihre Einwilligung in die Übernahme gewisser einschlägiger Ver­ pflichtungen und Beschränkungen nicht verwertend) Können oder wollen sich die Teilhaber nicht einigen, so ist zu unterscheiden, ob der gemeinschaftliche Gegenstand teilbar ist, d. h. ob er sich ohne Verminderung seines Wertes in gleich­ artige, den Anteilen der Teilhaber entsprechende Teile zerlegen läßt, oder ob dies nicht der Fall ist. Ist der gemeinschaftliche Gegenstand teilbar, so erfolgt die Teilung in Natur (§ 752). Die Verteilung gleicher Teile unter die einzelnen Teilhaber geschieht mangels besonderer Einigung durch das Los. Wird bei der Aufhebung der Ge-

*) SammlnFI S. 419; BlfRA 66 S. 74; ROLG 1 S. 309. 2) BlfRA 68 S. 55.

Gemeinschaft.

599

meinschaft entweder auf Grund dieser Bestimmung oder zufolge Vereinbarung ein gemeinschaftlicher Gegenstand einem Teilhaber zugeteilt, so haften die übrigen Teilhaber wegen eines Mangels im Rechte, also wenn z. B. ein Dritter das Eigentum an "der zugeteilten Sache in Anspruch nimmt, oder wegen eines Mangels der Sache, z. B. wegen Fehlerhaftigkeit derselben, nach den Grundsätzen über den Kauf; jedoch haftet jeder einzelne Teil­ haber nur in Höhe seines Anteils (§ 757). Ist wegen Unteilbarkeit der gemeinschaftlichen Sache die Teilung in Natur ausgeschlossen, so erfolgt die Aufhebung der Gemeinschaft durch Verkauf des gemeinschaftlichen Gegen­ standes. In erster Linie geben auch hier. wieder hinsichtlich der Art des Verkaufes die Vereinbarungen der Teilhaber Maß. Kommt aber eine Einigung nicht zustande, so erfolgt die Auf­ hebung der Gemeinschaft bei beweglichen Sach,en nach den Vor­ schriften über den Pfandverkauf, bei Grundstücken durch Zwangs­ versteigerung.^) Der erzielte Erlös wird nach dem Verhältnisse der Anteile unter die Teilhaber verteilt. Ist die Veräußerung an einen Dritten unstatthaft, weil z. B. der Schenker, der mehreren Personen eine Sache geschenkt hat, dies verboten hat, so ist der Gegenstand unter den Teilhabern selbst zu ver­ steigern. Hat der Versuch, den Gegenstand zu verkaufen, keinen Erfolg, so kann jeder Teilhaber die Wiederholung ver­ langen ; er hat jedoch die Kosten zu tragen, wenn der wieder­ holte Versuch mißlingt (§ 753). Bildet eine Forderung den Gegenstand der Gemein­ schaft, so ist deren Verkauf nur zulässig, wenn sie noch nicht eingezogen werden kann. Ist dagegen die Einziehung möglich, so kann jeder Teilhaber gemeinschaftliche Einziehung verlangen?) (§ 754). Die an die Stelle der Forderung tretende Leistung wird nach den allgemeinen Grundsätzen, also mangels besonderer Vereinbarung durch Teilung in Natur, wenn die Leistung teil­ bar ist, anderenfalls durch Verkauf und Teilung des Erlöses unter die Teilhaber verteilt. Verbindlichkeiten aus der Gemeinschaft sind entweder aus dem gemeinschaftlichen Gegenstände oder aus dem Anteile eines Teilhabers vorab zu entrichten. Haften nämlich die Teilhaber für solche Verbindlichkeiten als Gesamtschuldner, so kann jeder Teilhaber bei der Auf­ hebung der Gemeinschaft verlangen, daß die Schuld aus dem gemeinschaftlichen Gegenstände berichtigt wird (§ 755). Zu diesen Verbindlichkeiten gehören die Lasten des gemeinschaft­ lichen Gegenstandes, z. B. Steuern, Hypothekenzinsen, ferner

*) §§ 180-184 ZBG; RG 52 S. 177; IW 1902 Beil. S. 268. 2) Vgl. hierüber IW 1900 S. 329.

Gemeinschaft.

600

die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemein­ schaftlichen Benützung desselben, und endlich die Verbindlich­ keiten, welche die Teilhaber zum Zwecke der Erfüllung einer der vorbezeichneten Verbindlichkeiten eingegangen haben. Wegen anderer Verbindlichkeiten besteht der Anspruch nicht. Jedoch haben nur die Teilhaber, nicht aber auch die Gläubiger ein Recht darauf, daß die Schuld aus dem gemeinschaftlichen Ge­ genstände berichtigt werde. Hat ferner ein Teilhaber gegen einen anderen Teilhaber eine Forderung, die sich auf die Gemeinschaft gründet, z. B. weil er den auf den anderen Teilhaber entfallenden Anteil an den Kosten und Lasten für denselben bezahlt hat, so kann er bei der Aufhebung der Gemeinschaft die Berichtigung seiner Forderung aus dem auf den Schuldner entfallenden Teile des gemeinschaftlichen Gegenstandes verlangen (§ 756). Unter den Forderungen die sich auf die Gemeinschaft gründen, sind aber nur solche Forderungen zu verstehen, die in der besonderen, durch die Gemeinschaft hervorgerufenen Rechtsstellung der Beteiligten gesetzlich begründet sind, für die also die Haftung der übrigen Teilhaber sich ausschließlich daraus, daß die Sache ihnen mit gehört, ergibt; auf andere Forderungen findet da­ gegen die Vorschrift selbst dann keine Anwendung, wenn sie mit dem Gemeinschaftsverhältnisse in einem tatsächlichen Zu­ sammenhänge stehend) Soweit zur Berichtigung der Schulden in diesen beiden Fällen der Verkauf erforderlich ist, hat der Verkauf des ge­ meinschaftlichen Gegenstandes, und zwar bei beweglichen Sachen nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung zu erfolgen (§§ 755 Abs. 3, 756). Die Ansprüche auf Berichtigung der Gemeinschaftsver­ bindlichkeiten aus dem gemeinschaftlichen Gegenstände können auch gegen die Sondernachfvlger, insbesondere auch gegen den Gläubiger eines Teilhabers, der dessen Anteil hat pfänden lassen, und selbstverständlich gegen die Erben geltend gemacht werden (§§ 755 Abs. 2, 756).' Übergangsvor­ schrift.

Auf eine zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bestehende Gemeinschaft nach Bruchteilen finden von diesem Zeitpunkte an die Vorschriften des BGB Anwendung (Art. 173 EG). ') ROLG 1 S. 251.

Leibrente.

601

16. Kapitel.

Keivrente. 8 175. Unter einer Leibrente versteht man zum Unterhalte einer Begriff. Person dienende, regelmäßig wiederkehrende Leistungen. Die Verpflichtung zur Gewährung einer Leibrente kann auf Vertrag beruhen (Leibrentenvertrag). In der Regel gibt der Gläubiger dem Schuldner das Kapital hin, wogegen sich dieser verpflichtet, die Rente zu bezahlen. Jedoch ist die Hingabe von Entgelt nicht Voraussetzung der Gültigkeit des Leibrentenversprechers, auch schenkungsweise kann die Verpflich­ tung zur Gewährung einer Leibrente übernommen werden; eine Dienstherrschaft verpflichtet sich z. B. einen alten Dienst­ boten abzunähren. Ferner braucht der Vertragsgegner nicht gleichzeitig der Rentenberechtigte zu sein; auch zu Gunsten Dritter kann ein Leibrentenvertrag abgeschlossen werden; der Sohn verpflichtet sich z. B. bei der Gutsübernahme seinen Eltern gegenüber, seiner kranken Schwester eine Leibrente zu reichen. Die Verpflichtung zur Gewährung einer Leibrente kann ferner auf einseitiger Stnorbnung (Testament, Vermächtnis) oder auf dem Gesetz beruhen. So ist z. B., wenn infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbs­ unfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder beschränkt wird, oder wenn infolge der Verletzung eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eintritt, dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten (§ 843, vgl. auch §§ 844 Abs. 2, 845 Abs. 2, 528 u. a.). Zur Gültigkeit des Vertrags, durch den eine Leib-^tenv^trag?.' rente versprochen wird, ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung des Verspre­ chens erforderlich (§ 761). Verpflichtet sich daher z. B. Jemand schenkungsweise zur Gewährung einer Leibrente, so. ist die Verpflichtung nur gültig, wenn das Versprechen gericht­ lich oder notariell beurkundet wird (§ 518). Doch wird der Mangel der Form durch die Bewirkung der Leistung geheilt; das Geleistete kann daher trotz des Formmangels nicht zurück­ verlangt werden; soweit aber noch nicht geleistet ist, kann immer noch die Nichtigkeit des Versprechens geltend gemacht werden. Für die Annahme des Versprechens ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben. Beruht der Grund der Verpflichtung auf einem ein­ seitigen Rechtsgeschäft, so gilt nichts Besonderes. Die Verpflichtung ist daher gültig eingegangen, wenn die für das

602

Leibrente.

betreffende Rechtsgeschäft geltenden Formvorschriften beobach­ tet sind. Inhalt der B-rIhrem Inhalte nach kann die Verpflichtung zur Gepfllchtung. toQ^rung einer Leibrente dahin gehen, daß dem Berechtigen der volle Unterhalt zu gewähren ist; sie kann aber auch be­ schränkt sein, z. B. dahingehend, daß lediglich ein Unterhalts­ beitrag zu reichen ist. Wie ihrem Umfange nach, so kann die Verpflichtung zur Gewährung einer Leibrente auch zeitlich begrenzt oder unbe­ grenzt sein. Es kann vereinbart werden, daß die Rente nur eine bestimmte Zeit lang oder nur unter besonderen Voraus­ setzungen, z. B. in Krankheitsfällen, zu gewähren sei. Die Rente kann auch auf das Leben des Gläubigers, des Schuld­ ners oder eines Dritten gestellt sein. Ist nichts Besonderes vereinbart, so ist die Rente für die Lebensdauer des Gläubigers zu entrichten. Diese Auslegungsregel greift auch dann Platz, wenn Rentenempfänger und Gläubiger verschiedene Personen sind. Wollen die Parteien, daß die Rente trotz des Todes des Gläubigers fortentrichtet werden soll, so müssen sie diesem Willen Ausdruck verleihen. Nur dann, wenn die Rente schenkungsweise versprochen wurde, ist, sofern nichts Anderes vereinbart ist, die Lebensdauer sowohl des Bezugsberechtigten wie des Verpflichteten maßgebend; in diesem Falle erlischt daher die Rente mit dem Tode des einen wie des anderen Teiles (§ 759 Abs. 1, §. 520). Welche Wirkungen dann eintreten, wenn der Renten­ schuldner denjenigen, auf dessen Leben die Rente gestellt ist, tötet oder, wenn er, falls die Rente auf feilt eignes Leben gestellt ist, durch Selbstmord endigt oder die Todesstrafe erleidet, ist nach den Vorschriften über die Vereitelung des Eintritts einer Be­ dingung und über unerlaubte Handlungen (§§ 163, 823 ff.) zu beurteilen. Auch für die Höhe der Rente stellt das Gesetz eine Auslegungsregel auf. Der für die Rente bestimmte Betrag ist im Zweifel der Jahresbetrag der Rente (§ 759 Abs. 2). Gegenstand der Den Gegenstand der Rente können sowohl Sachen, insbesondere Geld, als auch Handlungen bilden. Fälligkeit der Die Leibrente, und zwar gleichviel, ob es sich um eine Leistung. in Geld oder in sonstigen Leistungen zu entrichtende Rente handelt, ist, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, im voraus zu entrichten (§ 760). Eine Geldrente ist für drei Monate vorauszuzahlen; bei einer anderen Rente bestimmt sich der Zeitpunkt, für den sie im voraus zu entrichten ist, nach der Beschaffenheit und dem Zweck der Rente. Hat sich der Schuldner z. B. verpflichtet, dem Rentenberechtigten den Unter­ halt in Natur zu reichen, so ist für den Zeitpunkt, für den Brot, Milch, Eier u. s. w. im voraus zu reichen sind, insbe-

Spiel.

Wette.

603

sondere die Haltbarkeit dieser Gegenstände maßgebend. Selbst­ verständlich gilt diese Vorschrift nur dann, wenn die Parteien nicht schon selbst eine Vereinbarung getroffen haben. Hat der Gläubiger den Beginn des Zeitabschnittes erlebt, für den die Rente im voraus zu entrichten ist, also bei einer Geldrente den ersten der drei Monate, für welche die Rente im voraus zu entrichten ist, so gebührt ihm der volle, auf den ganzen Zeitabschnitt entfallende Betrag. Häufig werden Leibrentenverträge bei Überlassung von s“nnb'W^e Grundstücken abgeschlossen. Hier ist es der Landesgesetz­ gebung **) überlassen, das Verhältnis für den Fall zu regeln, daß es die Beteiligten nicht selbst tun (Art 96 EG).

17. Kapitel.

Spiet.

Wette.

§ 176. Unter einem Spielvertrag versteht man einen Ver­ trag, wonach vom Eintritt entgegengesetzter Bedingungen ab­ hängig gemacht wird, ob und in welcher Höhe ein Gewinn dem einen oder anderen Teile zufallen soll. Gleichgültig ist, ob der Ausgang des Spieles von. der Geschicklichkeit der Spieler, wie beim Schachspiel, oder mehr oder ausschließlich vom Zufall, wie bei vielen Kartenspielen, abhängt. Nicht er­ forderlich ist auch, daß die Spieler selbst irgend welche Tätig­ keit entfalten. Daher ist auch das Setzen am Totalisator als Spiel zu betrachten?) Gleichgültig ist ferner, ob bloß zum Vergnügen oder auch des Erwerbes wegen gespielt wird. Dagegen wird vorausgesetzt, daß um Gewinn und Verlust gespielt wird. Spielen die Spieler ausschließlich zur Unterhaltung und ohne die Absicht, daß der Verlierende an den Gewinner etwas zahlen muß, wie beim Spielen „um die Ehre", so liegt kein Spielvertrag im obigen Sinne vor. Wettvertrag ist die Vereinbarung eines Gewinnstes zu Gunsten desjenigen, dessen Behauptung sich gegenüber der gegenteiligen Behauptung des anderen Teiles als richtig er­ weist; z. B. A und B spielen Schach und vereinbaren, der Vertierende solle an den Gewinner 10 bezahlen; dies ist ') Preußen: Art. 15 AGzBGB. — Bayern: Art. 32—48 AGzBGB. — Sachsen: §§ 31," 32 AGzBGB. — Württemberg: ------- Baden: Art. 9 AGzBGB. *) RG 51 S. 156.

Begriff des Spielvertrags.

Begriff des Wettvertrages.

Spiel.

Wette.

603

sondere die Haltbarkeit dieser Gegenstände maßgebend. Selbst­ verständlich gilt diese Vorschrift nur dann, wenn die Parteien nicht schon selbst eine Vereinbarung getroffen haben. Hat der Gläubiger den Beginn des Zeitabschnittes erlebt, für den die Rente im voraus zu entrichten ist, also bei einer Geldrente den ersten der drei Monate, für welche die Rente im voraus zu entrichten ist, so gebührt ihm der volle, auf den ganzen Zeitabschnitt entfallende Betrag. Häufig werden Leibrentenverträge bei Überlassung von s“nnb'W^e Grundstücken abgeschlossen. Hier ist es der Landesgesetz­ gebung **) überlassen, das Verhältnis für den Fall zu regeln, daß es die Beteiligten nicht selbst tun (Art 96 EG).

17. Kapitel.

Spiet.

Wette.

§ 176. Unter einem Spielvertrag versteht man einen Ver­ trag, wonach vom Eintritt entgegengesetzter Bedingungen ab­ hängig gemacht wird, ob und in welcher Höhe ein Gewinn dem einen oder anderen Teile zufallen soll. Gleichgültig ist, ob der Ausgang des Spieles von. der Geschicklichkeit der Spieler, wie beim Schachspiel, oder mehr oder ausschließlich vom Zufall, wie bei vielen Kartenspielen, abhängt. Nicht er­ forderlich ist auch, daß die Spieler selbst irgend welche Tätig­ keit entfalten. Daher ist auch das Setzen am Totalisator als Spiel zu betrachten?) Gleichgültig ist ferner, ob bloß zum Vergnügen oder auch des Erwerbes wegen gespielt wird. Dagegen wird vorausgesetzt, daß um Gewinn und Verlust gespielt wird. Spielen die Spieler ausschließlich zur Unterhaltung und ohne die Absicht, daß der Verlierende an den Gewinner etwas zahlen muß, wie beim Spielen „um die Ehre", so liegt kein Spielvertrag im obigen Sinne vor. Wettvertrag ist die Vereinbarung eines Gewinnstes zu Gunsten desjenigen, dessen Behauptung sich gegenüber der gegenteiligen Behauptung des anderen Teiles als richtig er­ weist; z. B. A und B spielen Schach und vereinbaren, der Vertierende solle an den Gewinner 10 bezahlen; dies ist ') Preußen: Art. 15 AGzBGB. — Bayern: Art. 32—48 AGzBGB. — Sachsen: §§ 31," 32 AGzBGB. — Württemberg: ------- Baden: Art. 9 AGzBGB. *) RG 51 S. 156.

Begriff des Spielvertrags.

Begriff des Wettvertrages.

604

Spiel.

Wette.

ein Spielvertrag; nun behauptet C gegenüber dem D, A werde gewinnen, während D für B Partei nimmt. C erklärt, er zahle 10 Jt>, wenn A verliere, während D erklärt, er zahle ebenfalls 10 Jt, wenn B verliere; hier liegt ein Wettvertrag vor. Es ist jedoch nicht forderlich, daß die Einsätze gleich groß seien, C kann z. B. 10 Jfc gegen 5 Jfc wetten, daß A gewinne. Auch dann liegt ein Wettvertrag vor, wenn bloß C wettet, daß A gewinne. Das BGB erklärt Spiel- und Wettverträge als solche nicht für nichtig, vielmehr geben in dieser Beziehung lediglich die allgemeinen Vorschriften über die Nichtigkeit der Rechts­ geschäfte Maß, insbesondere die Vorschrift des § 134 BGB, daß ein Rechtsgeschäft, welches gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist. Dies gilt vor allem vom gewerbsmäßigen Glücksspiel, das im § 284 StGB mit Strafe bedroht ist. Nicht hierher gehört der Fall des § 360 Ziff. 14 StGB, wo­ nach bestraft wird, wer unbefugt auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einem öffentlichen Platze oder in einem öffent­ lichen Versammlungsorte Glücksspiele hält; denn hier handelt es sich bloß um eine polizeiliche Vorschrift. Aber auch soweit ein derartiges Verbot nicht besteht, wird durch Spiel oder Wette eine Verbindlichkeit nicht begründet (§ 762). Daher kann aus dem Spiel oder Wettvertrag weder auf Bezahlung des Gewinnstes noch auf Entfaltung der zum Zwecke des Spieles oder der Wette er­ forderlichen Tätigkeit geklagt werden. Ebenso erzeugt ein Spiel- oder Wettauftrag für den Kommissionär weder einen klagbaren Anspruch auf Erstattung der Wett- oder Spielauf­ wendungen noch auf Provision.^) Bürgschaften und Pfand­ rechte zur Sicherung von Spiel- und Wettschulden sind ungültig, da sie eine gültige Hauptverbindlichkeit voraussetzen. Ein Ver­ gleich über eine Spiel- oder Wettschuld ist nur insofern gültig, als die Ungewißheit darüber, ob es sich um eine solche Schuld handelt, beseitigt roiti);2) dagegen wird durch Abmachungen, die Vergleichsnatur nur darin haben, daß sie dem Gläubiger für seine Forderung, deren Verwirklichung wegen Unvermögens des Schuldners unsicher ist, einen ihm wie dem Schuldner dienlichen Weg, sich aus einem bestimmten Gegenstand bezahlt zu machen, eröffnen, die Unklagbarkeit der Schuld nicht beseitigt.2) Hat jedoch der Verlierende auf Grund des Spieles oder der Wette eine Leistung gemacht, so kann er dieselbe nicht *) RG 51 S. 156, 52 S. 39; IW 02 Beil. ©; 235; aM ROLG 4 S. 232. ') RG 49 S. 112; IW 1901 S. 621; ROLG 2 S. 211; DIZ 1901 S. 100. Das in ROLG 4 S. 234 abgedruckte Urteil ist durch Urteil des RG in IW 1902 Beil. S. 254 aufgehoben worden. ') IW 1902 Beil. S. 254.

Spiel.

Wette.

605

deshalb zurückfordern, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat (§ 762 Abs. 1 Satz 2). Hat der Spieler oder der Wettende vorausgeleistet, so hat er die Leistung nicht auf Grund des Spieles oder der Wette gemacht und kann sie daher zurück­ fordern ;*) ferner ist eine Vereinbarung, welche bezweckt, eine Spiel- oder Wettschuld durch Hingabe att Zahlungsstatt zu tilgen, dann nicht rechtsbeständig, wenn sie neben oder trotz der an Zahlungsstatt erfolgten Hingabe eines Wertobjektes eine persönliche Verpflichtung des Schuldners bestehen läßt oder begründet; 2) ebenso ist die Rückforderung aus anderen Gründen, z. B. wegen Nichtigkeit des Spielvertrags, wegen Betrugs u. dgl. zulässig. Die gleichen Vorschriften gelten auch für eine Verein­ barung, durch die der verlierende Teil zum Zwecke der Er­ füllung einer Spiel- oder Wettschuld dem gewinnenden Teile gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntnis (§ 762 Abs. 2). Läßt sich z. B. A, der an B im Spiele 1000 Jb verloren hat, diesen Betrag von B als Darlehen zur Bezahlung seiner Spielschuld geben, so kann B gegen A auch nicht auf Bezahlung des Darlehens klagen. Ebensowenig könnte B auf Grund Anerkenntnisses klagen, wenn A für seine Spielschuld einen Schuldschein ausgestellt hätte. Die gleiche Bestimmung käme auch dann zur Anwen­ dung, wenn A für seine Spielschuld eine Wechselverbindlichkeit eingegangen hätte b) und zwar ohne Unterschied, ob die Hin­ gabe des Wechsels zahlungshalber oder an Zahlungsstatt erfolgte;4*)2 *jedoch könnte er auf Grund des Art. 82 WO den Einwand, daß es sich um eine Spielschuld handle, einem Nachmanne nicht entgegensetzen. Anders wäre der Fall gelagert, wenn sich A von B vor dem Spiele den Betrag hätte geben lassen, wenn auch mit der ausgesprochenen Absicht^ den Betrag zur Tilgung etwaiger Spielverluste zu verwenden; doch wäre in einem solchen Falle immer noch zu prüfen, ob nicht in der Hingabe eines Dar­ lehens zu Spielzwecken ein Verstoß gegen die guten Sitten zu erblicken ist; ein solcher Verstoß wird insbesondere darin zu finden sein, daß der Darlehensgeber sich an einem Glücksspiel selbst beteiligt, also durch die Darlehenshingabe in eigennütziger Weise ein im öffentlichen Interesse untersagtes Spiel (§ 285 StGB) fördert.^) An sich fallen unter die Spielverträge auch die Lotterieund Ausspielverträge. Lotterie ist ein Unternehmen, bei *) 2) ') S. 448; 4) °)

Vgl. IW 1902 S. 101 Nr. 60. IW 1900 S. 495 Nr. 7; 1902 Beil. S. 254. IW 1902 Beil. S. 254; NG 51 S. 156; 52 S. 39; ROLG 6 aM ROLG 4 S. 232. RG 51 'S. 156; 52 S. 39; ROLG 4 S. 235. ROLG 5 S. 103; 6 S. 448.

Lotterie- und Ausspielvertrage.

Spiel.

606

Wette.

dem der Veranstalter der Lotterie gegen Zahlung eines be­ stimmten Einsatzes den Anspruch auf einen vom Ausfall einer nach einem bestimmten Spielplan vorgenommenen Verlosung oder ähnlichen Veranstaltung abhängigen Gewinn zusichert. Bestehen die Gewinnste in Sachen, so spricht man von einer Ausspielung. Ein Lotterie- oder Ausspielvertrag ist nur dann verbindlich, wenn die Lotterie oder die Ausspielung staatlich genehmigt ist. Anderenfalls finden die Vorschriften über Spielverträge Anwendung*) (§ 763). Durch welche Behörde die Genehmigung zu erfolgen hat, bestimmt die Landesgesetzgebung. Ist eine Lotterie oder Aus­ spielung in einem Bundesstaate genehmigt, so äußert die Ge­ nehmigung ihre civilrechtliche Wirkung für das ganze Geltungs­ gebiet des BGB?) Der Lotterie- oder Ausspielvertrag ist daher auch dann gültig, wenn die Lotterie oder Ausspielung in dem Bundesstaat, in dem der Loskäufer wohnt, nicht ge­ nehmigt ist. Eine andere Frage ist aber die, ob sich der Loskäufer oder der Unternehiner durch den Abschluß des Ver­ trags nicht strafrechtlich verantwortlich macht?) Das BGB hat endlich auch die sog. Differenzgeschäfte geregelt. Ein Differenzgeschäft liegt vor, wenn ein auf Lieferung von Waren oder Wertpapieren lautender Vertrag in der Absicht geschlossen wird, daß nicht effektiv geliefert, sondern lediglich der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preise und dem Börsen- oder Marktpreise des Lieferungstages von dem verlierenden Teile an den gewinnenden bezahlt werden soll (§ 764). Äußerlich stellt sich ein socher Vertrag als ein Kauf­ vertrag dar, in Wirklichkeit aber liegt ein Spielvertrag vor; denn beide Teile sind darüber einig, daß nicht geliefert und ein Kaufpreis nicht geschuldet und nicht gezahlt werden, sondern irgend ein von vornherein bestimmter oder von einem der beiden Teile zu bestimmender Umstand — Tag oder Frist — darüber entscheiden soll, was und von wem zu zahlen ist. Z. B. A kauft von B 50 Waggon Getreide, den Waggon nach dem Börsenpreise des Tages des Vertragsschlusses zu 1500 Jk, lieferbar in 3 Monaten. Die Absicht der Parteien geht aber nicht auf Lieferung, sondern nur auf Bezahlung des am Lieferungstage sich ergebenden Preisunterschiedes. Wird daher an diesem Tage der Waggon mit 1600 notiert, so soll A die Differenz (1600—1500) x 50 = 5000 Mark an B bezahlen müssen; betrüge dagegen der Marktpreis bloß 1400 Mark, so müßte B an A die Differenz zu 5000 Mark bezahlen. Differenz­ geschäfte sind daher immer Terminsgeschäfte; Tages- und Kassageschäfte haben diesen Charakter nicht?) Zwar kann man *) -) ') 4)

DIZ 1904 S. 79. IW 1901 S. 479. RGStr. 33 S. 198, 335. IW 1902 S. 257 Nr. 24; Beil. S. 199, 267; 1903 Beil. ©. 100.

Spiel.

Wette.

607

auch bei diesen Geschäften spekulieren, indem man nicht in der Absicht fester Vermögensanlage handelt, sondern in der Absicht des Gewinnes bei niedrigem Kurse kauft oder bei hohem Kurse verkauft, um dann im ersten Falle bei steigendem Kurse teurer zu verkaufen, im zweiten Falle bei weichendem Kurse wohlfeiler einzukaufen; aber diese Spekulationsabsicht hat mit dem Differenzgeschäft nichts zu schaffen; es wird nicht gespielt, weil ja geliefert wird. Selbstverständlich wird ein Differenzge­ schäft seines Charakters'nicht dadurch entkleidet, daß die Par­ teien die Formen des Kassageschäftes wählen;*) ja es geschieht sogar nicht selten, daß dem angeblichen Käufer oder Einkaufs­ kommittenten der unmittelbar nach dem- Vertrage notierte Preis belastet und später der Börsenpreis eines angeblichen Verkaufstages gutgeschrieben wird, und es liegt doch nur ein Differenzgeschäft vor, weil eben von Anfang an die Absicht der Parteien dahin ging, daß nicht geliefert, sondern nur der Saldo bezahlt werden solle. Haben dagegen die Parteien bei dem Abschlüsse des Vertrags die Absicht effektiver Lieferung, fo liegt ein Differenzgeschäft nicht vor, auch wenn es am Stichtage auf Grund späterer Vereinbarung zu einer Lieferung nicht kommt und nur die Differenz zu zahlen ist, weil z. B. im obigen Falle am Stichtage A das Getreide an B wieder verkauft; je nach dem Stande des Börsenpreises muß dann A oder B die Differenz bezahlen, aber nur nach den Grund­ sätzen, über die Aufrechnung. Ein Differenzgeschäft liegt aber auch dann vor, wenn nur die Absicht des einen Teiles auf die Zahlung des Unterschiedes gerichtet ist, der andere Teil aber diese Absicht kennt oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt kennen muß. Wann das letztere anzunehmen ist, ist Tatfrage. Ein Anhaltspunkt wird häufig darin zu finden sein, daß der eine Teil Verträge in solchem Umfange abschließt, daß der andere nach den ihm bekannten Vermögensverhältnissen seines Ver­ tragsgegners sich sagen muß, daß dieser die Waren niemals beziehen oder liefern kann; doch ist dieses Moment allein nicht immer ausschlaggebend, da ja der Gegner am Stichtage durch Kauf bezw. Verkauf der zu liefernden Ware sich die nötigen Mittel beschaffen kann. Differenzgeschäfte unterstehen den gleichen Grundsätzen wie Spielverträge; durch sie wird eine Verbindlichkeit nicht begründet; daher kann z. B. der Bankier, welcher Schlußnoten ausgestellt und sie mit dem vorschriftsmäßigen Stempel ver­ sehen hat, nicht einmal auf Erstattung seiner Auslagen oder auf Provision klagen?) Auch hier kann, wie bei dem Spiel') RG 52 S. 250; IW 1902 Beil. S. 276. ’) IW 1902 Beil. S. 235; ROLG 1 S. 373.

Bürgschaft.

608

vertrag, das auf Grund des Differenzgeschäftes Geleistete nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Für den Börsenterminhandel gelten die besonderen Vorschriften der §§ 48—69 des Börsengesetzes vom 22. Juni 1896 und Art. 14 Abs. V EGzHGB.

18. Kapitel.

Bürgschaft. § 177. Begriff.

Form des Bürgschafts­ vertrags.

1. Begriff und Entstehung.

Unter Bürgschaft versteht man einen Vertrag, wodurch sich Jemand (der Bürge) gegenüber dem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, für die Verbindlichkeit des Dritten einzustehen (§ 765). In gewissen Fällen bestimmt zwar das Gesetz, daß Jemand für die Verbindlichkeit einer anderen Person in gleicher Weise wie ein Bürge haftet; so haftet z.„ B: der Vermieter eines Grundstückes,' der dasselbe nach Überlassung an den Mieter verkauft, wenn der in den Mietvertrag eintretende Erwerber die Verpflichtungen des Vermieters nicht erfüllt, für den vom Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge (§ 571). In der Regel aber bildet die Grundlage der Bürg­ schaft ein Vertrag, welchen der Gläubiger und der Bürge miteinander abschließen. Eine Mitwirkung des Schuldners bei dem Vertragsschlusse ist nicht erforderlich; der Bürgschafts­ vertrag ist sogar dann gültig, wenn der Schuldner wider­ spricht. Selbstverständlich kann der Bürge dem Schuldner gegenüber zur Übernahme der Bürgschaft aus irgend einem Grunde verpflichtet fein.1) Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist schriftliche Erteilung derBürgschaftserklärung erforderlich (§ 766 Satz 1). Erfolgt die Bürgschaftserklärung nicht durch den, der sich als Bürge verpflichten will, sondern in seinem Auftrage durch einen Dritten, so muß der Auftrag auf Er­ teilung der Bürgschaftserklärung in schriftlicher Form lauten?) Nicht erforderlich ist, daß auch die Annahme durch den Gläu­ biger schriftlich geschieht. Auch Nebenabreden über Modalitäten der Bürgschaft z. B. hinsichtlich der Fälligkeit, unterliegen der *) ROLG 6 S. 453. -) IW 1903 Beil. S. 80.

Bürgschaft.

608

vertrag, das auf Grund des Differenzgeschäftes Geleistete nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat. Für den Börsenterminhandel gelten die besonderen Vorschriften der §§ 48—69 des Börsengesetzes vom 22. Juni 1896 und Art. 14 Abs. V EGzHGB.

18. Kapitel.

Bürgschaft. § 177. Begriff.

Form des Bürgschafts­ vertrags.

1. Begriff und Entstehung.

Unter Bürgschaft versteht man einen Vertrag, wodurch sich Jemand (der Bürge) gegenüber dem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, für die Verbindlichkeit des Dritten einzustehen (§ 765). In gewissen Fällen bestimmt zwar das Gesetz, daß Jemand für die Verbindlichkeit einer anderen Person in gleicher Weise wie ein Bürge haftet; so haftet z.„ B: der Vermieter eines Grundstückes,' der dasselbe nach Überlassung an den Mieter verkauft, wenn der in den Mietvertrag eintretende Erwerber die Verpflichtungen des Vermieters nicht erfüllt, für den vom Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge (§ 571). In der Regel aber bildet die Grundlage der Bürg­ schaft ein Vertrag, welchen der Gläubiger und der Bürge miteinander abschließen. Eine Mitwirkung des Schuldners bei dem Vertragsschlusse ist nicht erforderlich; der Bürgschafts­ vertrag ist sogar dann gültig, wenn der Schuldner wider­ spricht. Selbstverständlich kann der Bürge dem Schuldner gegenüber zur Übernahme der Bürgschaft aus irgend einem Grunde verpflichtet fein.1) Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist schriftliche Erteilung derBürgschaftserklärung erforderlich (§ 766 Satz 1). Erfolgt die Bürgschaftserklärung nicht durch den, der sich als Bürge verpflichten will, sondern in seinem Auftrage durch einen Dritten, so muß der Auftrag auf Er­ teilung der Bürgschaftserklärung in schriftlicher Form lauten?) Nicht erforderlich ist, daß auch die Annahme durch den Gläu­ biger schriftlich geschieht. Auch Nebenabreden über Modalitäten der Bürgschaft z. B. hinsichtlich der Fälligkeit, unterliegen der *) ROLG 6 S. 453. -) IW 1903 Beil. S. 80.

Begriff und Entstehung.

609

«Sdjriftform.1)2 3 Der Mangel der Form schließt selbstverständlich nur die bürgschaftliche Haftung aus, nicht aber auch die Haf­ tung aus einem sei es auf Grund mündlicher Bürgschafts­ übernahme erfolgten oder nur eine Verbürgung in Wechsel­ form bezielenden Wechselversprechen als solchem?) Ist die Bürgschaft auf Seite des Bürgen ein Handels­ geschäft, so ist die schriftliche Erteilung der Bürgschaftser­ klärung nicht erforderlich. Die Formvorschrift des BGB findet aber wieder Anwendung, wenn der Bürge ein Minderkauf­ mann ist (§§ 350, 351 HGB)?) Daß in der Bürgschaftserklärung gerade der Ausdruck „Bürge" oder „sich verbürgen" gebraucht wird, ist nicht er­ forderlich. Ausdrücke, wie „für einen gutstehen, für die Er­ füllung der Schuld haften" u. dgl. bedeuten das Gleiche. Ein ohne Beobachtung der Form geschlossener Bürg­ schaftsvertrag ist nichtig. Soweit jedoch der Bürge die Haupt­ verbindlichkeit erfüllt, wird der Mangel der Form geheilt (§ 766 Satz 2). Der Bürge kann daher die bewirkte Leistung nicht deshalb zurückverlangen, weil er die Bürgschaftserklärung nicht schriftlich abgegeben hatte. Auf Grund des Bürgschaftsvertrags steht der Bürge v^Aafä?«. dafür ein, daß der Schuldner seine Verbindlichkeit pflicht»»«, erfüllt. Der Bürge haftet daher nicht für die den Gegen­ stand des Hauptvertrags bildende Leistung, sondern dafür, daß der Hauptschuldner diese Leistung erfüllt. Deshalb wird auch der Hauptschuldner dadurch, daß sich ein Anderer für ihn ver­ bürgt, seiner Leistungspflicht nicht enthoben, sondern bleibt nach wie vor verhaftet. Daraus ergibt sich, daß sich der Bürge als Bürge auch nicht zu mehr oder zu etwas anderem ver­ pflichten kann als der Hauptschuldner. Geschieht es gleichwohl, so liegt kein Bürgschaftsvertrag vor; es ist aber zu prüfen, ob nicht mit dem Ausdrucke Bürgschaft von den Parteien vielleicht ein anderes Rechtsgeschäft gewollt ist; sind dessen Voraussetzungen vorhanden, so ist das gewollte Rechtsgeschäft gültig. Da der Bürge dafür einsteht, daß der Schuldner seine v^^'^auptVerpflichtung erfüllt, so hängt die Wirksamkeit des Bürgschastsschuld. Vertrags von der Gültigkeit der Hauptverbindlichkeit ab. Ist diese nichtig, so kann auch von einer Verbindlichkeit des Bür­ gen keine Rede sein; dagegen wird die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrags nicht dadurch beeinflußt, daß die Hauptver­ bindlichkeit anfechtbar oder mit einer Einrede behaftet ist. Nicht erforderlich ist, daß die Hauptverbindlichkeit bei dem Abschlüsse des Bürgschaftsvertrages bereits besteht. Auch ■ *) IW 1903 Beil. S. 108; ROLG 2 S. 283. 2) RG 51 S. 111, IW 1902 Beil. S. 231, 1903 Beil. S. 43. 3) RG 51 S. 123. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Ausl. «8. I. 39

Bürgschaft.

610

für eine künftige oder bedingte Verbindlichkeit kann eine Bürgschaft übernommen werden (§ 765 Abs. 2). Nur muß die künftige Verbindlichkeit so genau bezeichnet sein, daß er­ kannt werden kann, für welche Verbindlichkeit die Bürgschaft übernommen wurde. Der Hauptfall der Bürgschaft für künftige Verbindlichkeiten ist der, daß sich Jemand für die aus einer Geschäftsverbindung entstehenden Verbindlichkeiten verbürgt. Kreditauftrag. Der Bürgschaft verwandt ist der Kredit auftrag.^) Ein solcher liegt vor, wenn Jemand einen Anderen beauftragt, einem Dritten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Kredit zu gewähren (§ 778). Der Unterschied von der Ver­ bürgung für künftige Schulden besteht darin, daß beim Kredit­ auftrag eben ein „Auftrag"?) erteilt wird. Gleichwohl be­ stimmt sich nach ausdrücklicher Vorschrift die Haftung des Auf­ traggebers für die aus der Kreditgewährung entstandenen Ver­ bindlichkeiten nicht nach den Grundsätzen über Auftrag, sondern der Auftraggeber haftet dem Beauftragten für diese Verbind­ lichkeiten als Bürge. In allen übrigen Beziehungen finden aber die Vorschriften über den Auftrag Anwendung. Daher entfällt insbesondere das Erfordernis der Schriftlichkeit.?) Garantievertrag. Dem wirtschaftlichen Erfolge nach hat auch der Garan­ tievertrag mit der Bürgschaft eine gewisse Ähnlichkeit. Man versteht darunter einen Vertrag, durch den Jemand die Ge­ währ für einen bestimmten Erfolg übernimmt. Von der Bürg­ schaft unterscheidet er sich dadurch, daß der Garant nicht, wie der Bürge, für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten, sondern schlechthin für einen bestimmten Erfolg einzustehen hat und im Falle des Nichteintritts des Erfolges für den ent­ stehenden Schaden haftet. Für den Garantievertrag gelten keine besonderen Vorschriften; daher finden auf ihn die all­ gemeinen Grundsätze über Verträge Anwendung.

§ 178. 2. Stellung des Bürgen zum Gläubiger. umfang bet ^sikgem68

Für die Verpflichtung des Bürgen ist in erster Linie der Bürgschaftsvertrag maßgebend. Beträgt z. B. die Haupt­ verbindlichkeit 5000 so kann sich der Bürge sehr wohl auch nur auf einen Betrag von 3000 jHo verbürgen. Hat aber der Bürge sich ohne eine solche Beschränkung ver­ bürgt, so ist für seine Verpflichtung der jeweilige Bestand der H auptverbindlichkeit*) maßgebend (§ 767 Abs. 1). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Hauptverbindlich*) ') •) *)

IW 1904 S. 37. DIZ 1904 S. 169. RG 50 S. 160; 51 S. 122; IW 1902 Beil. S. 199. RG 53 S. 356.

Stellung des Bürgen zum Gläubiger.

611

feit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners ge­ ändert wird. Ebenso hat der Bürge, wenn der Hauptschuldner die Gefahr trägt Und die Leistung ohne sein Verschulden ganz oder teilweise unmöglich wird, für die hieraus sich ergebenden Änderungen einzustehen. Dagegen wird durch ein Rechtsgeschäfts) das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert (§ 767 Abs. 1 Satz 2). Hierher gehört insbesondere der Fall, daß der Haupt­ schuldner die bisher unverzinsliche Schuld zu verzinsen ver­ spricht, daß ein höherer Zinsfuß oder eine Konventionalstrafe vereinbart wird, u. dgl. Soll der Bürge auch für die er­ weiterte Hauptverbittdlichkeit haften, so muß er seine Einwilligung in der für den Bürgschaftsvertrag vorgeschriebenen Form er­ klärend) Wohl aber kann sich der Bürge auf eine durch ein solches Rechtsgeschäft eingetretene Beschränkung oder Beseitigung der Hauptverbindlichkeit berufen, z. B. darauf, daß der Haupt­ schuldner seine Schuld ganz oder teilweise bezahlt, daß sie ihm der Gläubiger ganz oder teilweise erlassen hat, u. s. w. Auch darauf kann sich der Bürge berufen, daß der Gläu­ biger Stundung gewährt hat; unter Umständen kann die Ge­ währung einer Stundung sogar die Befreiung des Bürgen zur Folge haben, so z. B. wenn der Bürge sich für eine kurzfällige Schuld verbürgt und der Gläubiger nachträglich ohne Zuziehung des Bürgen die Schuld auf Jahre hinaus stundet?) Ein gegen den Hauptschuldner ergangenes Urteil wirkt nicht gegen den Bürgen**); wohl aber kann sich derselbe auf ein dem Hauptschuldner günstiges Urteil berufen. Ob der Bürge auch für die mit der Hauptschuld ver­ bundenen Nebenverpflichtungen, wie Zinsen, Konven­ tionalstrafen u. s. w. haftet, kann nur durch Auslegung des Bürgschaftsvertrages beantwortet werden. Von selbst versteht sich eine solche Haftung nicht, es kommt daher immer darauf an, was im einzelnen Falle vereinbart wurde. Dagegen haftet der Bürge auch ohne besondere Vereinbarung für die dem Gläu­ biger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kün­ digung und der Rechtsverfolgung °) (§• 767 Abs. 2). Wenn der Bürge von dem Gläubiger in Anspruch ge­ nommen wird, so kann er sich selbstverständlich aller Ein­ reden bedienen, die ihm selbst gegen den Gläubiger zustehen. Er kann einwenden, daß ein gültiger Bürgschaftsvertrag nicht *) 2) ') *) 6)

IW 1903 Beil. 6 S. 47. BlfRA 67 S. 364. ROLG 6 S. 451; IW 1903 Beil. 13 S. 116. IW 1903 Beil. 15 S. 141. Vgl. auch BlfRA 67 S. 354.

Einreden des Bürgen.

Bürgschaft.

612

zustande gekommen daß ihn der Gläubiger aus der Bürg­ schaft entlassen habe, u- s. w. Der Bürge kann aber auch die dem Hauptschuld­ ner zustehenden Einreden geltend machen (§ 768 Abs. 1). Er kann also einwenden, daß die Hauptverbindlichkeit über­ haupt nicht entstanden sei, z. B. infolge von Geschäftsunfähigkeit eines der Vertragschließenden, oder weil es sich um eine Spielschuld handle,*) u. dgl., ferner daß die Hauptverbindlich­ keit durch teilweise Erfüllung, durch Erlaß oder Vergleich sich gemindert habe, endlich daß die Hauptverbindlichkeit, z. B. durch Zahlung, Aufrechnung, Erlaß, Verjährung wieder er­ loschen sei. Was insbesondere die Einrede der Verjährung an­ langt, so ist zu bemerken, daß die Verjährung der Bürgschafts­ verpflichtung vollkommen unabhängig von der Verjährung der Hauptverbindlichkeit läuft. Daher bewirkt die Verjährung der Hauptschuld nicht gleichzeitig die Verjährung der Bürgschafts­ schuld, und umgekehrt; ebensowenig hat die Unterbrechung der Verjährung der Hauptschuld die Unterbrechung der Ver­ jährung der Bürgschaftsschuld zu Folge. Wohl aber kann sich der Bürge auf die Verjährung der Hauptschuld berufen. Hat der Erbe des Hauptschuldners die Beschränkung seiner Haftung auf den Rücklaß herbeigeführt, so kann er, wenn er von dem Gläubiger in Auspruch genommen wird, die Unzulänglichkeit des Rücklasses geltend machen. Nach aus­ drücklicher Vorschrift wird dem Bürgen diese Einrede versagt (§ 768 Abs. 1 Satz 2). Anders liegt der Fall dann, wenn der Bürgschaftsvertrag erst nach dem Tode des Hauptschuld­ ners abgeschlossen wurde. Hier kann der Bürge die dem Erben zustehende Einrede auch dann geltend machen, wenn die Be­ schränkung der Haftung aüf den Nachlaß erst nach dem Ab­ schlüsse des Bürgschaftsvertrages herbeigeführt wurde. Besteht dagegen die Bürgschaft für ein Schenkungs­ versprechen und verweigert der Schenker die Erfüllung des Versprechens wegen Gefährdung seines standesmäßigen Unter­ haltes (§ 519), so kann sich der Bürge der gleichen Einrede bedienen. Wenn auch der Fall ähnlich gelagert ist, wie wenn der Erbe die Beschränkung der Haftung auf den Rücklaß geltend macht, so handelt es sich dort doch um eine Ausnahme­ vorschrift, die nicht ausdehnend interpretiert werden darf. Wird im Konkurse über das Vermögen des Hauptschuld­ ners ein Zwangsvergleich geschlossen, so kann sich der Bürge selbst dann nicht darauf berufen, wenn der Gläubiger dem Vergleich zugestimmt hat (§ 193 KO). Verzichtet der Hauptschuldner nach dem Abschlüsse des Bürgschaftsvertrags auf eine Einrede, so geht dieselbe dem *) RG 52 S. 39.

Stellung des Bürgen zum Gläubiger.

613

Bürgen gleichwohl nicht verloren (§ 768 Abs. 2). Dagegen kann der Bürge nicht diejenigen Einreden geltend machen, auf welche der Hauptschuldner schon vor dem Abschlüsse des Bürgschaftsvertrags verzichtet hat. Verzichtet der Bürge auf eine dem Hauptschuldner zustehende Einrede, so liegt insoweit, als der Hauptschuldner durch die Einrede geschützt ist, über­ haupt kein Bürgschaftsversprechen, sondern ein nach den all­ gemeinen Grundsätzen zu beurteilendes Schuldversprechen vor. Dagegen kann der Bürge nicht an Stelle des Haupt­ schuldners diejenigen Dispositionen über den Inhalt der Schuld ausüben, welche von einer einseitigen Willenserklärung des Schuldners abhängen, wie z. B. das Wahlrecht bei einer alternativen Verbindlichkeit, den Rücktritt vom Vertrag, Wande­ lung, Minderung, Aufrechnung, Anfechtung. Im allgemeinen äußern diese Befugnisse auf die Bürgschaft nur dann eine Wirkung, wenn der Hauptschuldner von ihnen Gebrauch gemacht hat. Ausnahmen bestehen jedoch hinsichtlich der Aufrechnung und der Anfechtung. Zwar kann der Bürge diese Befugnisse nicht an Stelle des Hauptschuldners ausüben, aber er kann die Be­ friedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuld­ ner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zu Grunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten, oder solange der Gläubiger sich durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners be­ friedigen kann (§ 770). Hat z. B. A den B durch falsche Vor­ spiegelungen veranlaßt, ihm ein Schuldversprechen abzugeben und C sich für die Schuld des B verbürgt, so kann C, wenn B am 1. Januar 1904 den Betrug endeckt, bis zum 1. Januar 1905 die Leistung verweigern; denn solange ist B nach § 124 zur An­ fechtung berechtigt. Ficht der Schuldner das Rechtsgeschäft an oder kommt es zur Aufrechnung, so erlischt die Verpflich­ tung des Bürgen von selbst; ebenso kann er, wenn er bereits geleistet hat, seine Leistung nach den Vorschriften über unge­ rechtfertigte Bereicherung wieder zurückfordern, ohne daß es darauf ankommt, ob er in Kenntnis der Aufrechnungs- oder Anfechtungsbefugnis geleistet hat oder nicht. Ist nur der Hauptschuldner, nicht auch der Gläubiger zur Aufrechnung be­ rechtigt, wie z. B. dann, wenn dem Hauptschuldner gegen den Gläubiger eine Forderung aus einer von diesem begangenen unerlaubten Handlung zusteht (§ 393), so hat der Bürge nicht das ^Recht, die Leistung zu verweigern. Hiermit darf aber nicht der Fall verwechselt werden, daß der Bürge seine fällige Bürgschaftsschuld mit einer ihm gegen den Gläubiger zu­ stehenden Forderung aufrechnet; dazu ist er selbstverständlich befugt.*) Abgesehen von diesen Fällen der Anfechtbarkeit und der Aufrechnungsmöglichkeit kennt das Gesetz noch einen weiteren Fall, ") RG 53 S. 403; IW 1903 Beil. 7 S. 56.

614

Einrede der Vorausklage.

Bürgschaft.

in welchem der Bürge berechtigt ist, die Befriedigung des Gläubigers zu verweigern. Der Bürge kann nämlich verlangen, daß, ehe er in Anspruch genommen wird, der Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat, und, solange dies nicht geschehen ist, die Befriedigung des Gläubigers verweigern (Einrede der Vorausklage § 771). Nicht verlangen kann der Bürge, wie aus dem Worte „Vorausklage" vielleicht geschlossen werden könnte, daß der Gläubiger den Hauptschuldner zuerst verklagt. Es genügt, daß der Gläubiger die Zwangsvollstreckung versucht hat, und dies kann er ja auch ohne Urteil, wenn z. B. sich der Schuld­ ner in einer Notariatsurkunde der sofortigen Zwangsvoll­ streckung unterworfen hat. Ebenso genügt es, daß der Gläu­ biger einmal die Zwangsvollstreckung erfolglos versucht hat; der Bürge kann dann nicht geltend machen, daß der Schuldner seitdem wieder zu Vermögen gekommen ist oder daß die nochmalige Zwangsvollstreckung in Objekte, die dem Gläubiger unbekannt waren, zum Ziele führen würde. Besteht die Bürgschaft für eine Geldforderung, so muß die Zwangsvollstreckung in die beweglichen Sachen des Hauptschuldners an seinem Wohnsitz und, wenn der Haupt­ schuldner an einem anderen Orte eine gewerbliche Niederlassung hat, auch an diesem Orte, in Ermangelung eines Wohnsitzes und einer gewerblichen Niederlassung an seinem Aufenthalts­ orte versucht werden (§ 772 Abs. 1). Hat der Schuldner an mehreren Orten einen Wohnsitz oder eine Niederlassung, so muß die Zwangsvollstreckung an sämtlichen Orten versucht werden. Die vorherige Zwangsvollstreckung in das unbeweg­ liche Vermögen oder in Forderungsrechte des Schuldners kann der Bürge nicht verlangen. Steht dem Gläubiger ein Pfand­ recht oder ein Zurückbehaltungsrecht an einer beweg­ lichen Sache des Hauptschuldners zu, so muß er auch aus dieser Sache Befriedigung suchen. Steht aber dem Gläubiger ein solches Recht auch für eine andere Forderung zu, so gilt dies nur, wenn beide Forderungen durch den Wert der Sache gedeckt werden (§ 772 Abs. 2). Z. B. dem Gläubiger A steht gegen den Schuldner B eine durch Bürgschaft gesicherte Forderung zu 600 jKd und eine weitere Forderung von 500 Jfc zu; für diese beiden Forderungen hat er ein vollstreckbares Urteil auf den Betrag von 1100 Jk erwirkt und auf Grund dieses Urteils ein auf 1000 J6 gewertetes Klavier pfänden lassen. Da durch den Wert des Klaviers nicht beide Forderungen voll gedeckt werden, so kann der Gläubiger die Haftung des Bürgen sofort geltend machen und dieser nicht einwenden, daß der Gläubiger aus dem Pfandgegenstand vorerst eine wenig­ stens teilweise Beftiedigung suchen müsse. Hierbei wird aber immer vorausgesetzt, daß die Sache, an der das Pfandrecht

Stellung des Bürgen zum Schuldner.

615

oder das Zurückbehaltungsrecht besteht, dem Hauptschuldner gehört. Hat daher z. B. ein Dritter eine ihm gehörende Sache für eine Forderung des Hauptschuldners verpfändet, so kann der Bürge nicht verlangen, daß der Gläubiger auch aus dieser Sache zuerst Befriedung suche. Die Einrede d er Vor ausklage ist ausg erschloss en (§ 773): 1. wenn der Bürge ausdrücklich oder stillschweigend auf die Einrede verzichtet, insbesondere wenn er sich als Selbstschuldner verbürgt hat. Ein stillschweigender Verzicht liegt z. B. vor, wenn der Bürge die sofortige Erfüllung seiner Bürgschaftsverpflichtung am Verfalltage verspricht; 2. wenn die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner infolge einer nach der Übernahme der Bürgschaft eingetretenen Änderung des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder des Aufenthaltsortes des Hauptschuldners wesentlich er­ schwert ist, z. B. weil der Schuldner seinen Wohnsitz ins Aus­ länd verlegt oder weil sein Wohnsitz unbekannt ist. Andere Erschwerungen der Rechtsverfolgung, insbesondere solche, die schon zur Zeit der Übernahme der Bürgschaft bestanden, schließen die Einrede nicht aus. Hierher gehört z. B. der Fall, daß der Bürge in Deutschland wohnt, während der Hauptschuldner bei dem Abschlüsse des Bürgschaftsvertrages schon im Auslande wohnte; 3. wenn über das Vermögen des Hauptschuldners der Konkurs eröffnet ist; 4. wenn anzunehmen ist, daß die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners nicht zur vollständigen oder teilweisen Befriedigung des Gläubigers führen wird; weil z. B. kurz vorher ein anderer Gläubiger vergeblich die Pfändung versucht hat. In diesen beiden letzten Fällen ist jedoch die Einrede insoweit zulässig, als sich der Gläubiger aus einer beweglichen Sache des Hauptschuldners befriedigen kann, an der er ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht hat. Steht dem Gläu­ biger ein solches Recht auch für eine andere Forderung zu, so gilt dies nur, wenn beide Forderungen durch den Wert der Sache gedeckt werden; 5. wenn die Bürgschaft für den Bürgen ein Handels­ geschäft ist, sofern derselbe nicht zu den Minderkaufleuten ge­ hört (§§ 349, 351 HGB). § 179.

3. Stellung des Bürgen zum Schuldner.

Ob der Bürge, wenn er den Gläubiger befriedigt hat, Schafhaltung von dem Hauptschuldner Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann, hängt vor allem von dem zwischen ihm und dem Haupt­ schuldner bestehenden Rechtsverhältnisse ab. Hat sich z. B. der Bürge im Auftrage des Hauptschuldners verbürgt, so kann

616

Bürgschaft.

er seine Aufwendungen nach den Grundsätzen über den Auf­ trag ersetzt verlangen. Liegen die Voraussetzungen über Ge­ schäftsführung ohne Auftrag vor, so finden die diesbezüglichen Vorschriften Anwendung, jpat sich der Bürge in Schenkungs­ absicht verbürgt, so gelten die Grundsätze über Schenkung; hierzu ist insbesondere zu bemerken, daß, wenn das Schenkungs­ versprechen nicht gerichtlich oder notariell beurkundet wurde, der Mangel der Form durch die Bewirkung der versprochenen Leistung, d. h. durch Erfüllung der Bürgschaftsverbindlichkeit geheilt wird (§ 518). Der Bürge, der den Gläubiger befriedigt, kann aber auch, statt sich auf das zwischen ihm und dem Hauptschuldner be­ stehende Rechtsverhältnis zu stützen, seinen Regreßanspruch als Rechtsnachfolger des befriedigten Gläubigers geltend machen. Soweit nämlich der Bürge den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner kraft Gesetzes auf ihn über (§ 774), und zwar insbesondere auch mit ihren Nebenrechten, z. B. Pfandrechten. Wird der Gläu­ biger nur teilweise befriedigt, so findet auch ein nur teilweiser Übergang der Forderung statt. Hierbei ist ohne Belang, ob die Bürgschaft im Einverständnisse mit dem Hauptschuldner oder ohne dessen Wissen und Willen übernommen wurde. Aber auch wenn der Bürge seine Ansprüche gegen den Hauptschuldner nicht auf das zwischen ihnen bestehende Rechts­ verhältnis stützt, sondern als Rechtsnachfolger des befriedigten Gläubigers geltend macht, so ist der Hauptschuldner gleichwohl nicht gehindert, die aus einem zwischen ihm und dem Bürgen bestehenden Rechtsverhältnisse sich ergebenden Einwendungen geltend zu machen. Daher kann er, wenn der Bürge die Forderung des befriedigten Gläubigers geltend macht, z. B. einwenden, daß sich der Bürge in Schenkungsabsicht für ihn verbürgt habe. Öb der Bürge den Gläubiger ohne vorherige Rückfrage bei dem Schuldner, der ja Einwendungen gegen die Forde­ rung des Gläubigers haben kann, befriedigen darf, kann nur nach den Umständen des einzelnen Falles entschieden werden. Befriedigt aber der Bürge den Gläubiger ohne Geltendmachung einer ihm bekannten Einrede des Schuldners, so verliert er, soweit die Einrede der Forderung entgegenstand, den Rück­ griff an den Schuldner. Weiß z. B. der Bürge, daß der Gläubiger dem Schuldner an seiner Schuld zu 300 jKo einen Betrag von 100 Jb erlassen hat, und bezahlt er dem Gläu­ biger trotzdem den vollen Betrag, so kann er vom Schuldner nur 200 Jb ersetzt verlangen. Ebenso gibt nur das zwischen dem Bürgen und Schuldner gestehende Rechtsverhältnis auf die Frage Antwort, ob der Bürge verpflichtet ist, dem Schuld­ ner von der erfolgten Befriedigung des Gläubigers Mitteilung

Mehrheit von Bürgen.

617

zu machen. Unterläßt der Bürge, trotzdem er hierzu ver­ pflichtet ist, dem Hauptschuldner von der erfolgten Befriedigung des Gläubigers Mitteilung zu machen und leistet dann dieser in Unkenntnis der erfolgten Befriedigung nochmals, so kann er die Befriedigung des Bürgen verweigern, doch ist er ver­ pflichtet, den ihm gegen den Gläubiger zustehenden Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung dem Bürgen abzutreten. In keinem Falle kann der Übergang der Forderung auf den Bürgen zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden (§ 774). Ist z. B. für die durch Bürgschaft gesicherte Forderung gleichzeitig ein Pfand bestellt, so kann der Bürge, der den Gläubiger teilweise befriedigt, sich an das Pfand erst dann halten, wenn der Gläubiger für seine Restforderung ganz befriedigt ist. Dem Bürgen steht der Rückgriff gegen den Hauptschuldner regelmäßig erst dann zu, wenn er den Gläubiger befriedigt hat. Unter gewissen Voraussetzungen kann er jedoch schon vorher von dem Hauptschuldner Befreiung von der Bürg­ schaft verlangen (§ 775), nämlich dann' wenn er sich ent­ weder im Auftrage des Hauptschuldners verbürgt hat oder wenn ihm nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag wegen der Übernahme der Bürgschaft die Rechte eines Beauftragten zustehen und wenn außerdem entweder 1) die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners sich wesentlich verschlechtert haben, oder wenn 2) die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner infolge einer nach der Übernahme der Bürgschaft eingetretenen Än­ derung des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder des Aufenthaltsorts des Hauptschuldners wesentlich erschwert ist, oder wenn 3) der Haüptschuldner mit der Erfüllung seiner Verbind­ lichkeit in Verzug ist, oder endlich wenn 4) der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstreckbares Urteil auf Erfüllung erwirkt hat. Dem Urteil steht ein Voll­ streckungsbefehl gleich (§ 700 CPO). Ist die Hauptverbindlichkeit noch nicht fällig, so kann der Hauptschuldner dem Bürgen, statt ihn zu befreien, Sicher­ heit leisten (§ 775 Abs. 2).

§ 180.

4. Mehrheit von Bürgen.

Für eine und dieselbe Verbindlichkeit können sich Mehrere verbürgen, und zwar können sie die Bürgschaft entweder ge­ meinschaftlich miteinander eingehen oder sie können die Bürg­ schaftsverträge unabhängig von einander abschließen. Das Verhältnis der Mitbürgen sowohl gegenüber dem Gläubiger als auch zu einander bestimmt sich in erster Linie nach den

Bürgschaft.

618

Rückbürge.

Nachbürge.

getroffenen Vereinbarungen. Mangels solcher Vereinbarungen haften sie dem Gläubiger gegenüber, auch wenn sie die Bürgschaft nicht gemeinschaftlich übernommen haben, als Ge­ samtschuldner (§ 769). Ebenso finden dann die Vor­ schriften über die Gesamtschuld auch in ihrem Verhält­ nisse zu einander Anwendung^) (§ 774 Abs. 2). Daher sind sie mangels gegenteiliger. Abmachungen im Verhältnisse zu einander zu gleichen Anteilen verpflichtet. Kann von einem von ihnen der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung ver­ pflichteten Mitbürgen zu tragen. Soweit ein Mitbürge den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Mitbürgen Aus­ gleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen diese auf ihn über. Beträgt z. B. die Hauptschuld 3000 J6, und hat sich A für den vollen Betrag, B in Höhe von 2000 Jh und C in Höhe von 600 Jk verbürgt, so kann A, wenn er die volle Schuld bezahlt, von B in Höhe von 900 Jk, von C in Höhe von 200 Jl Ausgleichung verlangen; denn in Höhe von H00 Jt> besteht zwischen A, B und C ein Gesamtschuldverhältnis, so daß auf jeden derselben ein Bei­ trag von 200 entfällt; in Höhe von weiteren 1400 Jfc be­ steht zwischen A und B Gesamthaft, so daß B in Höhe von weiteren 700 Jfa zur Ausgleichung verpflichtet ist; für den Restbetrag von 1000 Jfc kann A Ausgleichung überhaupt nicht verlangen. Auch hier kann der Übergang der Forderung nicht zum Nachteile des Gläubigers geltend gemacht werden." Von dem Falle, daß sich Mehrere für dieselbe Verbind­ lichkeit verbürgen, ist zu unterscheiden der Fall der Rückbürgschäft und der Afterbürgschaft. Rückbürge ist derjenige Bürge, welcher dem Bürgen dafür einsteht, daß der Haupt­ schuldner seine Verpflichtung dem letzteren gegenüber erfüllen 'werde; z. B. A verbürgt sich für eine Schuld des B. Ver­ bürgt sich nun C dem A dafür, daß B, falls A von dem Gläubiger in Anspruch genommen wird, seine Regreßverbind­ lichkeit gegenüber dem A erfüllen werde, so spricht man von Rückbürgschaft. Nachbürge (Afterbürge) ist dagegen der­ jenige Bürge, der sich dem Gläubiger gegenüber dafür ver­ bürgt , daß der Bürge seinen Verpflichtungen gegen den Gläubiger nachkommt. Bei der Rückbürgschäft wie bei der Afterbürgschaft liegen daher zwar auch mehrere Bürgschaften vor, aber die mehreren Bürgen haben sich nicht für eine und dieselbe Verbindlichkeit verbürgt. Sie werden daher wie ge­ wöhnliche Bürgschaften behandelt; Hauptverbindlichkeit ist im Falle der Rückbürgschaft der Regreßanspruch des Bürgen gegen ') RG 53 S. 220.

Beendigung der Bürgschaft.

619

den Hauptschuldner, im Falle der Nachbürgschaft die Verbind­ lichkeit des Bürgen gegenüber dem Gläubiger.

§ 181. 5. Beendigung der Bürgschaft. Die Endigungsgründe, welche allen Schuldverhältnissen gemeinsam sind, wie z. B. Erfüllung der Verbindlichkeit, Er­ laß, u. s. w. bringen auch die Bürgschaft zum Erlöschen. Ins­ besondere endigt die Bürgschaft auch dann, wenn sich Forderung Allgemeine und Schuld in einer Person vereinigen, also wenn z. B. der "Xbe®*’ Bürge den Gläubiger oder der Gläubiger den Bürgen beerbt. Beerbt dagegen der Bürge den Schuldner oder der Schuldner den Bürgen, so erlischt die Bürgschaft nicht; vielmehr hat der Gläubiger die Wahl, ob er den Erben als Schuldner oder als Bürgen in Anspruch nehmen will. Dies ist wichtig, wenn die Bürgschaft z. B. noch durch Pfandrecht oder Nachbürg­ schaft gesichert ist. Außerdem gelten aber für die Bürgschaft infolge ihres Zweckes, zur Sicherung einer anderen Forderung zu diene«, noch einige besondere Endigungsgründe: 1) Die Bürgschaft erlischt mit dem Erlöschen der „Besondere, Hauptverbindlichkeit. Dies gilt selbst dann, wenn die gründ-®' Hauptverbindlichkeit infolge Unmöglichkeit der Leistung erlischt (§ 275). Hat freilich der Bürge die Unmöglichkeit selbst ver- d Erlöschen d« schuldet, so wird regelmäßig der Tatbestand einer unerlaubten Verbindlichkeit. Handlung vorliegen und der Bürge aus diesem Gesichtspunkte schadensersatzpflichtig sein. Liegt der Tatbestand einer uner­ laubten Handlung nicht vor, so ist immer noch zu prüfen, ob nicht der Bürge die aus dem Bürgschaftsvertrag sich ergebende Verpflichtung, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Erfüllung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht unmöglich zu machen, schuldhafterweise verletzt hat und des­ halb zum Ersätze des Schadens verpflichtet ist (§ 276). 2) Gibt der Gläubiger ein mit der Forderung verbundenes Vorzugsrecht, eine für sie bestehende Hypothek oder das Recht gegen einen Mitbürgen auf, so wird der Bürge insoweit frei, als er aus dem aufgegebenen Rechte hätte Ersatz ver­ langen können, weil das Recht infolge der Befriedigung des Gläubigers auf ihn übergegangen wäre (§ 776). Der Bürge hat z. B. regelmäßig keinen Anspruch darauf, daß der Gläubiger seine Forderung im Konkurse des Hauptschuldners anmeldet. Er kann daher, wenn er in Anspruch genommen wird, regelmäßig auch nicht einwenden, daß der Gläubiger im Falle der Anmeldung wenigstens teilweise Befriedigung hätte finden können. Anders steht es aber dann, wenn der durch die Bürgschaft gesicherten Forderung ein Vorzugsrecht im Konkurse eingeräumt ist und der Gläubiger die Forderung

620

3) Verbürgung aus bestimm e

Bürgschaft.

entweder überhaupt nicht angemeldet oder wenigstens das Vorzugsrecht nicht geltend gemacht hat. Ohne Belang ist, wann das aufgegebene Recht zur Ent­ stehung gelangt ist. Der Bürge wird daher auch dann frei, wenn das Recht erst nach der Übernahme der Bürgschaft ent­ standen ist. 3) Hat sich der Bürge für eine bestehende Verbind^^eit auf eine bestimmte Zeit verbürgt, so wird er nach dem Ablaufe der bestimmten Zeit frei, wenn nicht der Gläubiger die Einziehung der Forderung durch Zwangsvollstreckung un­ verzüglich betreibt. Bei Geldforderungen ist zu unterscheiden, ob dem Bürgen die Einrede der Vorausklage zusteht oder nicht (§ 777). a) Steht dem Bürgen diese Einrede nicht zu, so wird er nach dem Ablaufe der bestimmten Zeit frei, wenn ihm nicht der Gläubiger unverzüglich anzeigt, daß er ihn in Anspruch nimmt. Erfolgt die Anzeige rechtzeitig, so beschränkt sich die Haftung des Bürgen auf den Umfang, den die Hauptverbind­ lichkeit bei dem Ablaufe der bestimmten Zeit hat. b) Steht dagegen dem Bürgen die Einrede der Voraus­ klage zu, so muß der Gläubiger die Einziehung der Forderung' unverzüglich nach den für die Beseitigung dieser Einrede ge­ gebenen Vorschriften betreiben. Er muß daher, wenn die Forderung noch nicht fällig und Kündigung zulässig ist, die Fälligkeit der Forderung ohne schuldhaftes Zögern herbeisühren, sich einen Vollstreckungstitel verschaffen und die Zwangsvollstreckung in die beweglichen Sachen des Hauptschuldners an dessen Wohnsitze und, wenn der Haupt­ schuldner an einem anderen Orte eine gewerbliche Nieder­ lassung hat, auch an diesem Orte, in Ermangelung eines Wohnsitzes oder einer gewerblichen Niederlassung an seinem Aufenthaltsorte versuchen. Sodann hat er das Verfahren ohne wesentliche Verzögerung fortzusetzen und nach der Be­ endigung des Verfahrens dem Bürgen unverzüglich anzuzeigen, daß er ihn in Anspruch nehme. Erfolgt die Anzeige recht­ zeitig und sind auch die beiden anderen Voraussetzungen erfüllt, so beschränkt sich die Haftung des Bürgen auf den Umfang, den die Hauptverbindlichkeit zur Zeit der Beendigung des Verfahrens hat, während anderenfalls der Bürge von seiner Haftung frei wird. Die Befreiung des Bürgen tritt aber nicht ein, wenn dieser nach Ablauf der bestimmten Zeit dem Gläubiger gestattet, dem Schuldner Stundung zu gewähren.*) Alle diese Vorschriften treffen aber nur den Fall, daß die Bürgschaft für eine bereits bestehende Verbindlichkeit2) *) ftW 1900 Beil. 13 S. 115. ’) ROLG 6 S. 450.

Vergleich.

621

übernommen wird; sie gilt also nicht für künftige Verbind­ lichkeiten, auch nicht bei Verbürgung für solche künftige Ver­ bindlichkeiten, die aus einem dauernden Schuldverhältnisse zwischen Gläubiger und Schuldner entspringen werden (Kredit- Kreditbürgschaft, bürgschaft). Hat sich der Bürge für eine künftige Verbindlich­ keit auf bestimmte Zeit verbürgt, so wird er in der Regel nur für die innerhalb dieser Zeit zur Entstehung gelangenden An­ sprüche die Bürgschaft haben übernehmen wollen, also wenn er sich bei bestehender Geschäftsverbindung zwischen Gläubiger und Schuldner auf drei Jahre verbürgt, so wird das in der Regel bedeuten, daß er für alle aus der Geschäftsverbindung während dieser drei Jahre entstehenden Verbindlichkeiten die Haftung übernehmen will.

19. Kapitel.

D-rgteich.') § 182. Der Vergleich ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewißheit der Parteien über 'ein Rechtsverhältnis im B-griff. Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 779). Den Gegenstand eines Vergleichs kann nur ein Rechts­ verhältnis bilden. Ein Vergleich über Tatsachen ist nicht mög- Voraussetzungen, lich. Im übrigen kann ein Vergleich über jedes Rechtsver­ hältnis geschlossen werden, über welches den Parteien ein Ver­ fügungsrecht zusteht, gleichviel ob dasselbe dem Gebiet der Schuldverhältnisse, des Sachenrechts, des Familien- oder Erb­ rechts angehört. Beansprucht z. B. von zwei Nachbarn jeder einen Streifen Land als sein Eigentum, so können sie einen Vergleich schließen, daß der eine von ihnen das Eigentum an dem Grundstück, der andere aber ein Wegerecht daran haben solle. Ferner kann der außereheliche Beischläfer einer Frauens­ person im Wege des Vergleichs die Vaterschaft zu dem von ihr geborenen Kinde anerkennen. Auch die durch einen Prozeß geschaffenen Rechtsbeziehungen sind einer vergleichsweisen Regelung zugängig; so kann z. B. der Vergleich dahin lauten, daß das materielle Rechtsverhältnis zwischen den Parteien so angesehen werden solle, als ob der Rechtsstreit niemals an­ hängig geworden toäre.2) Soweit dagegen den Parteien ein Verfügungsrecht nicht zusteht, können sie sich auch nicht ver­ gleichen. Ergeben sich z. B. Zweifel darüber, ob eine Ehe s) BMA 69 S. 28 ff. ») ROLG 6 S. 8.

Vergleich.

621

übernommen wird; sie gilt also nicht für künftige Verbind­ lichkeiten, auch nicht bei Verbürgung für solche künftige Ver­ bindlichkeiten, die aus einem dauernden Schuldverhältnisse zwischen Gläubiger und Schuldner entspringen werden (Kredit- Kreditbürgschaft, bürgschaft). Hat sich der Bürge für eine künftige Verbindlich­ keit auf bestimmte Zeit verbürgt, so wird er in der Regel nur für die innerhalb dieser Zeit zur Entstehung gelangenden An­ sprüche die Bürgschaft haben übernehmen wollen, also wenn er sich bei bestehender Geschäftsverbindung zwischen Gläubiger und Schuldner auf drei Jahre verbürgt, so wird das in der Regel bedeuten, daß er für alle aus der Geschäftsverbindung während dieser drei Jahre entstehenden Verbindlichkeiten die Haftung übernehmen will.

19. Kapitel.

D-rgteich.') § 182. Der Vergleich ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewißheit der Parteien über 'ein Rechtsverhältnis im B-griff. Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 779). Den Gegenstand eines Vergleichs kann nur ein Rechts­ verhältnis bilden. Ein Vergleich über Tatsachen ist nicht mög- Voraussetzungen, lich. Im übrigen kann ein Vergleich über jedes Rechtsver­ hältnis geschlossen werden, über welches den Parteien ein Ver­ fügungsrecht zusteht, gleichviel ob dasselbe dem Gebiet der Schuldverhältnisse, des Sachenrechts, des Familien- oder Erb­ rechts angehört. Beansprucht z. B. von zwei Nachbarn jeder einen Streifen Land als sein Eigentum, so können sie einen Vergleich schließen, daß der eine von ihnen das Eigentum an dem Grundstück, der andere aber ein Wegerecht daran haben solle. Ferner kann der außereheliche Beischläfer einer Frauens­ person im Wege des Vergleichs die Vaterschaft zu dem von ihr geborenen Kinde anerkennen. Auch die durch einen Prozeß geschaffenen Rechtsbeziehungen sind einer vergleichsweisen Regelung zugängig; so kann z. B. der Vergleich dahin lauten, daß das materielle Rechtsverhältnis zwischen den Parteien so angesehen werden solle, als ob der Rechtsstreit niemals an­ hängig geworden toäre.2) Soweit dagegen den Parteien ein Verfügungsrecht nicht zusteht, können sie sich auch nicht ver­ gleichen. Ergeben sich z. B. Zweifel darüber, ob eine Ehe s) BMA 69 S. 28 ff. ») ROLG 6 S. 8.

622

Vergleich.

gültig ist, so kann nicht im Wege des Vergleichs vereinbart werden, daß sie gültig oder nichtig sein solle. Ebensowenig kann ein unsittlicher Vertrag durch einen Vergleich rechtsgültig werden. Dagegen sind Vergleiche über die aus einer straf­ baren Handlung entspringenden Ansprüche sowie zur Abwen­ dung eines Strafantrags im allgemeinen zulässig; freilich wird, wenn nicht der Verzicht auf Stellung des Strafantrags oder die Zurücknahme des Strafantrags vor der zuständigen Be­ hörde erklärt wird, die Zulässigkeit der Strafverfolgung durch den Vergleich nicht ausgeschlossen. Das Rechtsverhältnis, über welches ein Vergleich ge­ schlossen werden soll, muß unter den Parteien streitig oder ungewiß sein. Ein Streit liegt auch dann vor, wenn der Richter sofort in der Lage wäre, den Streit zu entscheiden, und ungewiß ist auch, was nur die Parteien nicht wissend) Dagegen wird nicht erfordert, daß ein Prozeß bereits anhängig ist. Auch über ein bereits durch Urteil rechtskräftig festge­ stelltes Verhältnis kann ein Vergleich geschlossen werden, wenn die Parteien entweder von dem Vorhandensein des Urteils keine Kenntnis haben oder über dessen Inhalt im Unklaren finb.2) Der Ungewißheit steht es gleich, wenn die Verwirk­ lichung eines Anspruchs unsicher ist, wenn z. B. die Verwirk­ lichung des Anspruchs von dem Eintritte einer Bedingung abbängt, oder wenn zu befürchten steht, daß der Gläubiger keine Befriedigung finden werde, weil sich der Schuldner in Zahlungsschwierigkeiten befindet. Der Streit oder die Ungewißheit muß im Wege gegen­ seitigen Nachgebens2) beseitigt werden. Jeder Teil muß ein Opfer bringen; doch braucht dasselbe nicht auf beiden Seiten gleich groß zu sein. A verklagt z. B. B auf Heraus­ gabe von Aktien, B macht geltend, daß er die Aktien erst einen Tag nach Bezahlung des von A geschuldeten Kontokorrent­ saldos herauszugeben verpflichtet sei. Nun kommen beide Parteien dahin überein, daß B gegen Bezahlung des Saldos die Aktien herausgibt. Hier liegt ein Vergleich vor; denn A gab nach, indem er seinen Anspruch auf bedingungslose Heraus­ gabe der Aktien fallen ließ, und B, indem er den Standpunkt verließ, daß A die Herausgabe der Aktien erst einen Tag nach Bezahlung seiner Schuld verlangen dürfet) Durch den Vergleich muß das streitige oder ungewisse Rechtsverhältnis außer Streit gesetzt werden. Wie die Parteien diesen Zweck erreichen wollen, ist ihre Sache. Ein Vergleich liegt daher auch dann vor, wenn an die Stelle des ') ’) ’) *)

IW 1901 S. 138. BlfRA 66 S. 264. IW 1903 Beil. 11 S. 100. IW 1901 S. 138.

Vergleich.

623

streitigen oder ungewissen Rechtsverhältnisses ein anderes ungewisses, z. B. von dem Eintritte einer Bedingung ab­ hängiges Rechtsverhältnis gesetzt wird, so z. B- wenn A, der dem B unter einer Bedingung ein Darlehen versprochen hat, den Eintritt der Bedingung bestreitet und beide Teile dahin Übereinkommen, daß B das Darlehen bekommt, wenn die Be­ dingung noch einmal eintritt. Von einem Vergleich kann aber immer nur insoweit gesprochen werden, als die Vereinbarung unmittelbar dem Zwecke dient, den zwischen den Parteien herrschenden Streit durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen; dagegen bilden Verträge, die nur gelegentlich neben den die Beseitigung des eigentlichen Streites betreffenden Abmachungen geschlossen werden, keinen Bestandteil des Vergleichs. Der Vergleich ist an sich an keine Form gebunden.Z Form. Soweit jedoch für den Inhalt der Parteivereinbarung eine be­ stimmte Form vorgeschrieben ist, wie z. B. für Grundstücks­ veräußerungsverträge, für Auflassungen,2) Erbverzichte u- dgl., muß die Form gewahrt werden. Da durch den Vergleich das Rechtsverhältnis außer Wirkungen. Streit gesetzt wird, so ist künftig ein Zurückgreifen auf dasselbe ausgeschlossen b); maßgebend ist vielmehr lediglich der Inhalt des Vergleichs; doch kann das frühere Rechtsverhältnis noch insoweit herangezogen werden, als der Vergleich Lücken ent­ hält, sofern nicht das Gegenteil von den Parteien gewollt ist. So werden z. B. Bürgschaften und Pfandrechte von dem Ab­ schlüsse eines Vergleichs über eine Schuld, für die sie haften, regelmäßig nicht berührt, wenn der Schuldgrund keine Ände­ rung erfahren hat**); selbstverständlich vermindert sich, wenn die Hauptforderung vergleichsweise herabgesetzt wird, auch ihre Haftung um den betreffenden Betrag. Wie jedes andere Rechtsgeschäft, so kann auch der Ver- Unwirksamkeit, gleich wegen Irrtums, Zwangs, Betrugs u. s. w. anfecht­ bar sein. Unter gewissen Voraussetzungen erklärt aber das BGB wegen Irrtums den Vergleich nicht bloß für anfechtbar, sondern für direkt unwirksam, nämlich dann, wenn 1. der nach dem Inhalte des Vertrags als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Irrtum einen Punkt betrifft, den nach dem Inhalte des Vertrags nicht beide Parteien als feststehend angesehen haben; denn ist nur eine Partei im Irrtum befangen, so kann sie ihre Erklärung, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, wegen Irr­ tums anfechten,°) aber der Vergleich ist nicht kraft Gesetzes un') 2) •) 4) °)

IW 1902 Beil. S. 233. RG 48 S. 153; SammlnF 4 S. 232: Recht 1903 S. 260,357,502,997. RG 54 S. 165. IW 1903 Beil S. 96. ROLG 3 S. 40; 4 S. 30.

624

Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis.

wirksam. Die Unwirksamkeit tritt ferner dann nicht ein, wenn der Irrtum einen Punkt betrifft, den bei dem Abschlüsse des Vergleichs beide Parteien als streitig oder ungewiß betrachtet haben; denn die Beseitigung des Streites oder der Ungewiß­ heit ist ja gerade Zweck des Vergleiches. Unwirksam wird der Vergleich endlich auch dann nicht, wenn nicht ein Irrtum über tatsächliche Verhältnisse, sondern lediglich ein Rechtsirrtum in Frage steht; denn das Gesetz spricht von dem als feststehend zu Grunde gelegten Sachverhalt und von Sachlage. Gleich­ gültig ist dagegen, ob die Unkenntnis der Parteien entschuldbar war oder nicht. 2. wenn außerdem der Streit oder die Ungewißheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Hierbei genügt schon, daß der konkrete, durch den Vergleich beseitigte Streit nicht entstanden wäre; deshalb ist es gleichgültig, wenn bei Kenntnis der Sachlage vielleicht ein anderer Streit ent­ standen wäre. A und B streiten z. B. über die Gültigkeit eines Testaments; schließlich vergleichen sie sich. Nachträglich findet sich ein anderes Testament desselben Erblassers, durch welches das frühere im Streit befangene Testament aufgehoben wurde. Der Vergleich ist unwirksam, und zwar auch dann, wenn die Parteien jetzt auch über die Auslegung des neuen Testaments streiten; denn es genügt, daß sie das spätere Testament nicht gekannt haben und daß, wenn sie es gekannt hätten, der Streit über das frühere Testament nicht entstanden wäre. 20. Kapitel.

Schttt-verspreche« und Schuldanerkenntnis. § 183. Das BGB erkennt unter gewissen Voraussetzungen auch das Schuldversprechen und das Schuldanerkenntnis als selb­ ständige Schuldgründe an. I. SchuldverI. Unter einem Schuld versprech en versteht man einen Begriff!' Vertrag, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, daß das Versprechen die Verpflichtung selbständig be­ gründen soll (§ 780). Das Schuldversprechen ist ein Vertrag. Ein einseitig vom Schuldner abgegebenes, vom Gläubiger nicht angenommenes Schuldversprechen ist kein Schuldversprechen im technischen Sinn und äußert auch nicht die Wirkungen eines solchen; aber immerhin kann es wenigstens als Beweismittel von Bedeu­ tung sein.

624

Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis.

wirksam. Die Unwirksamkeit tritt ferner dann nicht ein, wenn der Irrtum einen Punkt betrifft, den bei dem Abschlüsse des Vergleichs beide Parteien als streitig oder ungewiß betrachtet haben; denn die Beseitigung des Streites oder der Ungewiß­ heit ist ja gerade Zweck des Vergleiches. Unwirksam wird der Vergleich endlich auch dann nicht, wenn nicht ein Irrtum über tatsächliche Verhältnisse, sondern lediglich ein Rechtsirrtum in Frage steht; denn das Gesetz spricht von dem als feststehend zu Grunde gelegten Sachverhalt und von Sachlage. Gleich­ gültig ist dagegen, ob die Unkenntnis der Parteien entschuldbar war oder nicht. 2. wenn außerdem der Streit oder die Ungewißheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Hierbei genügt schon, daß der konkrete, durch den Vergleich beseitigte Streit nicht entstanden wäre; deshalb ist es gleichgültig, wenn bei Kenntnis der Sachlage vielleicht ein anderer Streit ent­ standen wäre. A und B streiten z. B. über die Gültigkeit eines Testaments; schließlich vergleichen sie sich. Nachträglich findet sich ein anderes Testament desselben Erblassers, durch welches das frühere im Streit befangene Testament aufgehoben wurde. Der Vergleich ist unwirksam, und zwar auch dann, wenn die Parteien jetzt auch über die Auslegung des neuen Testaments streiten; denn es genügt, daß sie das spätere Testament nicht gekannt haben und daß, wenn sie es gekannt hätten, der Streit über das frühere Testament nicht entstanden wäre. 20. Kapitel.

Schttt-verspreche« und Schuldanerkenntnis. § 183. Das BGB erkennt unter gewissen Voraussetzungen auch das Schuldversprechen und das Schuldanerkenntnis als selb­ ständige Schuldgründe an. I. SchuldverI. Unter einem Schuld versprech en versteht man einen Begriff!' Vertrag, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, daß das Versprechen die Verpflichtung selbständig be­ gründen soll (§ 780). Das Schuldversprechen ist ein Vertrag. Ein einseitig vom Schuldner abgegebenes, vom Gläubiger nicht angenommenes Schuldversprechen ist kein Schuldversprechen im technischen Sinn und äußert auch nicht die Wirkungen eines solchen; aber immerhin kann es wenigstens als Beweismittel von Bedeu­ tung sein.

Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis.

625

Zu einem Schuldversprechen im technischen Sinne wird ferner erfordert, daß der übereinstimmende Wille der Parteien dahin geht, daß der Schuldner auf Grund des Schuld­ versprechens als solchen, also ohne Rücksicht darauf, ob demselben eine anderweitige Verpflichtung zu Grunde liegt, verpflichtet sein soll, m. q. W. daß es genügen soll, wenn sich der Gläubiger zur Begründung seines Anspruchs lediglich auf das Schuldversprechen Beruft.1) Wie sonst Kauf, Darlehen, Schenkungsversprechen u. dgl., den Grund einer Verpflichtung bilden, so ist hier das Schuldversprechen der Schuldgrund. Wer, gleichviel sei es der Gläubiger oder der Schuldner, einen dahinzielenden Willen der Parteien behauptet, muß denselben im Bestreitungsfalle beweisend) Der von den Parteien ge­ brauchte Wortlaut ist nicht immer entscheidend; denn wenn A dem B verspricht, 1000 zu bezahlen, so kann die Angabe des Schuldgrundes aus Versehen weggelassen sein; ebenso ist aber möglich, daß, wenn A dem B verspricht, 1000 Jfc Kauf­ preis zu bezahlen, die Parteien gleichwohl wollen, daß es auf den angegebenen Schuldgrund nicht weiter ankommen, sondern lediglich das Versprechen die Verbindlichkeit begründen soll und einen Schuldgrund nur deshalb genannt haben, weil z. B. sich A schämt, zu gestehen, daß er eigentlich die 1000 als Dar­ lehen erhalten habe. Zur Gültigkeit eines Schuldversprechens im angedeuteten Sinne ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Soweit jedoch für die betreffende Verpflichtung eine andere Form vorgeschrieben ist, wie für das Schenkungsversprechen oder für die Eingehung einer Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke, muß diese Form ein­ gehalten werden. Dagegen ist die Beobachtung der schrift­ lichen Form nicht erforderlich, wenn entweder das Schuldver­ sprechen auf Seite des Schuldners ein Handelsgeschäft ist, sofern nicht der Schuldner zu den Minderkaufleuten gehört (§§ 350, 351 HGB), oder wenn das. Schuldversprechen auf Grund einer Abrechnung oder eines Vergleichsb) erteilt wird (§ 782). Unter einem Abrechnungsvertrag versteht man den Vertrag, in welchem der eine Teil anerkennt, dem anderen Teile auf Grund einer von beiden Teilen1) gepflogenen Ab­ rechnung noch einen Saldo zu schulden, während die einzelnen Rechnungsposten und umsomehr der jedem einzelnen Rech­ nungsposten zu Grunde liegende Rechtsgrund unerwähnt bleiben. ') ’) •) 4)

ROLG 4 S. 50; 6 S. 454. ROLG 4 S. 50. IW 1903 Beil. S. 100. IW 1901 S. 647.

Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

40

Form.

626

Wirkung.

ii. Schuldaner-

Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis.

Wird der bestehende Saldo anerkannt, so bildet dieses An­ erkenntnis einen selbständigen Verpflichtungsgrund; zur Be­ gründung des Anspruchs auf Zahlung des hienach geschuldeten Betrags braucht daher auf die Entstehungsgründe der einzelnen Schulden und Forderungen nicht zurückgegriffen zu werden. Die Annahme des Schuldversprechens bedarf, soweit nicht, wie z. B. für Veräußerungsverträge von Grundstücken, eine besondere Form vorgeschrieben ist, der Schriftlichkeit nicht. Sie kann daher auch stillschweigend geschehen und wird sich in der Regel daraus ergeben, daß der Gläubiger im Besitze der Schuldurkunde ist. Die Erteilung eines Schuldversprechens kann eine doppelte Bedeutung haben, entweder die, daß der Gläubiger oder der Schuldner oder beide Teile sich auf den ursprünglichen Schuld­ grund nicht mehr sollen berufen dürfen oder aber auch, daß zu dem ursprünglichen Verpflichtungsgrund ein neuer hinzu­ geschaffen wird. Jedenfalls kann sich der Schuldner immer dann auf den eigentlichen Verpflichtungsgrund berufen, wenn das Schuldversprechen lediglich die Umgehung zwingender Rechts­ sätze bezweckt, so z. B., wenn durch das Schuldversprechen ein Wuchergeschäft verdeckt werden soll. Immer aber ist davon auszugehen, daß das Vermögen des Gläubigers durch die Er­ teilung eines Schuldversprechens bereichert wird, und daß daher, wenn die übrigen Voraussetzungen über ungerechtfertigte Bereicherung vorliegen, die Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung auch für das Schuldversprechen gelten.1) Unter einem Schuldanerkenntnis versteht man den Vertrag, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (§ 781). Von dem Schuldversprechen unterscheidet sich das Schuld­ anerkenntnis dadurch, daß hier das Bestehen eines Schuld­ verhältnisses anerkannt wird, während durch das Schuldver­ sprechen eine Verpflichtung zur Leistung begründet wird. Im gewöhnlichen Leben wird zwischen Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen nicht immer unterschieden; häufig wird ein Anerkenntnis in die Form eines Schuldversprechens ge­ kleidet und umgekehrt. Im Erfolg kommt aber Beides auf das Gleiche hinaus; denn in beiden Fällen wird ein selbstän­ diger Verpflichtungsgrund geschaffen. Hat z. B. A vertrags­ mäßig anerkannt, dem B 1000 Kaufpreis zu schulden, so braucht B seine Kaufpreisforderung nicht wie sonst, damit zu begründen, daß ein Kaufvertrag zustande gekommen sei, daß er die Ware vertragsmäßig geliefert habe und A infolgedessen den Kaufpreis schuldig geworden sei, sondern es genügt, daß *) ROLG 4 S. 50; 6 S. 454.

Die Anweisung.

627

er seinen Anspruch, wie dort auf das Schuldversprechen, so hier auf das Anerkenntnis stützt. Auch hinsichtlich der Form gelten die gleichen Vorschriften und die gleichen Ausnahmen. Zur Gültigkeit des Schuld­ anerkenntnisses ist die schriftliche Erteilung der Anerkennungs­ erklärung erforderlich. Ist für die Begründung des Schuld­ verhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere Form vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form. Die Beobachtung der schriftlichen Form ist nicht er­ forderlich, wenn das Anerkenntnis auf Seite des Schuldners, sofern dieser nicht zu den Minderkaufleuten gehört, ein Handels­ geschäft ist (§§ 350, 351 HGB), oder wenn es auf Grund einer Abrechnung oder im Wege des Vergleiches erteilt wird (§ 782). Die Annahme kann, abgesehen von besonderen Form­ vorschriften, regelmäßig formlos erfolgen. Ebenso gelten auch hinsichtlich der Wirkungen eines Schuldanerkenntnisses dieselben Grundsätze wie bei dem Schuld­ versprechen.

21. Kapitel.

Pie Anweisung. 8 184. Von einer Anweisung im weiteren Sinne spricht man, wenn Jemand einen Anderen anweist, an einen Dritten eine Leistung zu bewirken. Die §§ 783 ff., welche von der An­ weisung handeln, regeln lediglich den Fall, daß die Anweisung schriftlich erteilt wird und die Leistung des Angewiesenen an den Dritten in Geld, Wertpapieren oder anderen vertretbaren Sachen besteht. Demgemäß versteht man unter einer An­ weisung im engeren Sinne eine Urkunde, in der Jemand (der Anweisende) einen Anderen (den Angewiesenen) anweist, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen an einen Dritten (den Anweisungsempfänger) zu leisten. Liegt nur eine mündliche Anweisung vor oder soll der Gegenstand der Leistung ein anderer sein als Geld, Wert­ papiere oder andere vertretbare Sachen, so sinden die Vor­ schriften des BGB über die Anweisung keine unmittelbare An­ wendung, wohl aber ist deren entsprechende Anwendbarkeit nicht ausgeschlossen, soweit sie nicht wegen der Schriftform oder wegen des besonderen Gegenstandes der Leistung sich als unanwendbar erweisen.

Begriff,

Die Anweisung.

627

er seinen Anspruch, wie dort auf das Schuldversprechen, so hier auf das Anerkenntnis stützt. Auch hinsichtlich der Form gelten die gleichen Vorschriften und die gleichen Ausnahmen. Zur Gültigkeit des Schuld­ anerkenntnisses ist die schriftliche Erteilung der Anerkennungs­ erklärung erforderlich. Ist für die Begründung des Schuld­ verhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere Form vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form. Die Beobachtung der schriftlichen Form ist nicht er­ forderlich, wenn das Anerkenntnis auf Seite des Schuldners, sofern dieser nicht zu den Minderkaufleuten gehört, ein Handels­ geschäft ist (§§ 350, 351 HGB), oder wenn es auf Grund einer Abrechnung oder im Wege des Vergleiches erteilt wird (§ 782). Die Annahme kann, abgesehen von besonderen Form­ vorschriften, regelmäßig formlos erfolgen. Ebenso gelten auch hinsichtlich der Wirkungen eines Schuldanerkenntnisses dieselben Grundsätze wie bei dem Schuld­ versprechen.

21. Kapitel.

Pie Anweisung. 8 184. Von einer Anweisung im weiteren Sinne spricht man, wenn Jemand einen Anderen anweist, an einen Dritten eine Leistung zu bewirken. Die §§ 783 ff., welche von der An­ weisung handeln, regeln lediglich den Fall, daß die Anweisung schriftlich erteilt wird und die Leistung des Angewiesenen an den Dritten in Geld, Wertpapieren oder anderen vertretbaren Sachen besteht. Demgemäß versteht man unter einer An­ weisung im engeren Sinne eine Urkunde, in der Jemand (der Anweisende) einen Anderen (den Angewiesenen) anweist, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen an einen Dritten (den Anweisungsempfänger) zu leisten. Liegt nur eine mündliche Anweisung vor oder soll der Gegenstand der Leistung ein anderer sein als Geld, Wert­ papiere oder andere vertretbare Sachen, so sinden die Vor­ schriften des BGB über die Anweisung keine unmittelbare An­ wendung, wohl aber ist deren entsprechende Anwendbarkeit nicht ausgeschlossen, soweit sie nicht wegen der Schriftform oder wegen des besonderen Gegenstandes der Leistung sich als unanwendbar erweisen.

Begriff,

628

Die Anweisung.

Für gewisse Arten von Anweisungen gelten besondere Vorschriften: für kaufmännische Anweisungen die §§ 363 bis 365 HGB; für die gezogenen Wechsel die Vorschriften der Wechselordnung, für die Postanweisung wenigstens nach der postalischen Seite die Postordnung für das Deutsche Reich vom 20. März 1900 und die bayerische Postordnung vom 27. März 1900. Für den Check*) sind handelsrechtliche Normen maß­ gebend. enMnrori"ungbtt Die Anweisung kommt dadurch zustande, daß der An­ weisende eine Urkunde ausstellt, in der er einen Anderen an­ weist, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen an einen Dritten zu leisten, und diese Urkunde dem Dritten aus­ händigt. Eine Aushändigung liegt nicht vor, wenn der An­ weisungsempfänger entweder die Urkunde nicht mit Wissen und Willen des Ausstellers erlangt oder wenn er zur Empfang­ nahme der Urkunde nicht bereit ist. ®nroeifungn Ist die Aushändigung der Urkunde erfolgt, so äußert die Anweisung folgende Wirkungen: a) Der Anweisungsempfänger ist ermächtigt, die in der Urkunde bezeichnete Leistung bei dem Angewiesenen im eigenen Namen zu erheben. Der Zweck, der mit dieser Ermächtigung verfolgt wird, kommt in der Urkunde nicht zum Ausdruck. Derselbe kann sehr ver­ schieden sein. Schuldet z. B. der Anweisende dem Anweisungs­ empfänger 100 Jb, so kann, wenn er einen Dritten anweist, dem Anweisungsempfänger diesen Betrag zu bezahlen, die Absicht dahin gehen, daß er durch die Leistung des Angewiesenen von seiner Schuld befreit werde. Die Befreiung von der Schuld tritt aber nicht schon mit der Aushändigung der Anweisung, sondern erst dann ein, wenn der Angewiesene die Leistung be­ wirkt (§ 788). Die Absicht kann aber auch dahin gehen, daß zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger ein Schuldverhältnis erst begründet wird, wie bei dem sog. Kreditbrief. A benötigt z. B. Geld; B, der ihm ein Darlehen geben möchte, besitzt jedoch auch kein Geld, genießt aber bei C Kredit; B weist daher den C an, dem A einen bestimmten Betrag zu zahlen; erhebt A den Betrag, so wird er Schuldner des B. Der Zweck der Anweisung kann aber auch sein, daß der Anweisungsempfänger den angewiesenen Betrag im Interesse des Anweisenden verwenden oder an diesen äbliefern oder als Schenkung behglten solle, u. dgl. b) Der Angewiesene ist ermächtigt, für Rech­ nung des Anweisenden an den Anweisungsemp­ fänger zu leisten. Auch hier können die verschiedensten Zwecke verfolgt werden. Schuldet z. B. A dem B 100 Jb *) Wegen des Giroüberweisungsauftrags vgl. ROLG 6 'S. 76.

Die Anweisung.

629

und weist B den A an, 100 an C zu zahlen, so kann die Absicht dahin gehen, die Forderung des B gegen den A zur Einziehung zu bringen. (Anweisung auf'Schuld). Eine Anweisung kann aber auch ausgestellt werden, ohne daß der Angewiesene Schuldner des Anweisenden ist (Anweisung auf Kredit). In diesem Falle wird, wenn der Angewiesene die Anweisung honoriert, eine Forderung des Angewiesenen gegen den Anweisenden erst begründet.Die Anweisung bedeutet sowohl für den Anweisungs­ empfänger als auch für den Angewiesenen stets nur eine Er­ mächtigung. Ob der erstere auch verpflichtet ist, die Leistung zu erheben, der letztere auf Grund der Anweisung zu leisten, bemißt sich nach den zwischen dem Anweisenden und dem An­ weisungsempfänger einerseits und dem Anweisenden und An­ gewiesenen andererseits bestehenden Rechtsverhältnissen. Freilich wird in der Regel schon in der Annahme der Anweisung, welche zahlungshalber hingegeben wird, der Wille der Par­ teien zum Ausdrucke kommen, daß der Anweisungsempfänger feine Befriedigung zunächst bei dem Angewiesenen suchen und erst, wenn dieser Zahlung verweigert, sich wieder wegen der ursprünglichen Schuld an den Anweisenden zu halten befugt sein solle.1) Der Angewiesene ist nicht schon deshalb zur Lei­ stung verpflichtet, weil er Schuldner des Anweisenden ist (§ 787 Abs. 2). Ebenso erwirbt der Anweisungsempfänger durch die ihm ^Weisung” in der Anweisung erteilte Ermächtigung noch kein Recht, von dem Angewiesenen die Leistung zu fordern, wie auch dieser ihm gegenüber auf Grund der Anweisung allein nicht zur Leistung verpflichtet ist. Der Angewiesene wird aber dem An­ weisungsempfänger gegenüber zur Leistung dadurch verpflichtet, daß er die Anweisung annimmt (8 784 Abs. 1). Die Annahme erfolgt durch schriftlichen Vermerk auf der Anweisung. Eine andere schriftliche oder mündliche Erklärung, die Anweisung zu honorieren , äußert die Wirkungen der Annahme nicht; doch wäre bei einer schriftlichen Erklärung immer noch zu prüfen, ob nicht vielleicht ein Schuldversprechen vorliegt. Wesentlich ist, daß die Annahmeerklärung von dem Angewiesenen unter­ schrieben ist. Daß der Ausdruck „Angenommen"/ gebraucht wird, ist nicht absolut erforderlich; jedoch muß dann im Be­ streitungsfalle nachgewiesen werden, daß eine Annahme ge­ wollt war. Die Annahme kann auch beschränkt erfolgen. So kann z. B-, wenn die Anweisung auf 100 lautet, die Annahme nur auf einen Betrag von 50 J6> ergehen, oder, wenn die Anweisung als Verfalltag den 1. Juni angibt, die Annahme*) IW 1902 S. 867.

630

Die Anweisung.

erklärung auf 1. Juli lauten. Die Beisetzung des Datums der Annahme ist nicht erforderlich, aber zweckmäßig; denn der Anspruch des Anweisungsempfängers gegen den Angewiesenen aus der Annahme verjährt in drei Jahren (§ 786). Die Annahmeerklärung kann auf die Anweisung schon gesetzt werden, bevor dieselbe dem Anweisungsempfänger aus­ gehändigt worden ist. In diesem Falle wird die Annahme dem Anweisungsempfänger gegenüber erst mit der Aushändi­ gung wirksam (§ 784 Abs. 2). ^Annehm/nDurch die Annahme der Anweisung wird ein selbständiges dm. Schuldverhältnis zwischen dem Angewiesenen und dem An­ weisungsempfänger begründet, welches von den Beziehungen zwischen dem Anweisenden und Angewiesenen oder Anweisungs­ empfänger vollständig unabhängig ist. Hat daher der An­ gewiesene die Anweisung, angenommen, so kann er dem An­ weisungsempfänger nur solche Einwendungen entgegen­ halten, welche 1. entweder die Gültigkeit der Annahme selbst be­ treffen, z. B. daß die Annahmeerklärung gefälscht sei, daß er zur Zeit der Annahme geschäftsunfähig gewesen sei. Dagegen ist die Gültigkeit der Annahme nicht durch die Gültigkeit der Anweisung bedingt. 2. oder sich aus dem Inhalte der Anweisung oder dem Inhalte der Annahme ergeben; z. B. daß die An­ weisung noch nicht fällig oder nur beschränkt angenommen worden sei; 3. oder dem Angewiesenen unmittelbar gegen den Anweisungsempfänger zustehen. So kann er insbesondere gegen die Forderung des Anweisungsempfängers eine ihm gegen diesen zustehende Gegenforderung aufrechnen. Andere Einreden kann er dagegen nicht geltend machen, insbesondere nicht, daß er dem Anweisenden nichts schuldig sei, daß er von diesem die versprochene Deckung nicht erhalten habe, daß dieser die Anweisung widerrufen habe. ' Unter allen Umständen ist der Angewiesene, gleichviel ob er die Anweisung angenommen hat oder nicht, nur gegen Aushändigung der Anweisung zur Leistung ver­ pflichtet (§ 785). Er kann daher verlangen, daß die Aus­ händigung der Anweisung und die Leistung Zug um Zug er­ folgen. Selbstverständlich wird hierdurch sein Recht, über seine Leistung eine Quittung zu verlangen, nicht berührt. Er­ folgt nur eine Teilleistung, so besteht ein Anspruch des An­ gewiesenen auf Aushändigung der Anweisung nicht, und zwar auch dann nicht, wenn eine Teilleistung deshalb erfolgt, weil die Anweisung nur zu einem Teilbetrag angenommen wurde. Doch wird er verlangen können, daß die Teilleistung auf der Anweisung vermerkt werde.

Die Anweisung.

631

Der Angewiesene bewirkt die Leistung für Rechnung des Wirkung der Angewiesenen, kann also regelmäßig für seine Auslagen Ersatz e,f "8‘ verlangen. Sind der Anweisende und Angewiesene darüber einig, daß die Anweisung auf Schuld erfolge, so wird der Angewiesene durch die Leistung in deren Höhe von der Schuld befreit (§ 787 Abs. 1). Die bloße Annahme äußert diese Wirkung nicht. Er­ teilt der Anweisende die Anweisung zu dem Zwecke, um seiner­ seits eine Leistung an den Anweisungsempfänger zu bewirken, so wird die Leistung, auch wenn der Angewiesene die Anwei­ sung annimmt, erst mit der Leistung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger bewirkt (§ 788); denn Anweisung ist keine Zahlung. Hat auch der Anweisungsempfänger durch die Empfang- d^nwusÜngs. nähme der Anweisung allein noch keine Verpflichtung über- empfanget», nommen, von derselben Gebrauch zu machen, so ist er doch verpflichtet, dem Anweisenden unverzüglich Anzeige zu machen, wenn er die Anweisung nicht geltend machen kann oder will. Die gleiche Verpflichtung obliegt ihm, wenn der Angewiesene vor dem Eintritte der Leistungszeit die Annahme der An­ weisung oder bei Fälligkeit die Leistung verweigert (§ 789). Selbstverständlich können die Beteiligten das Gegenteil ver­ einbaren. Kommt der Anweisungsempfänger seiner Anzeige­ pflicht schuldhafterweise nicht nach, so ist er für den entstehen­ den Schaden verantwortlich. Die Anweisung ist widerruflich, und zwar selbst dann, wenn der Anweisende durch den Widerruf einer ihm gegen den Anweisungsempfänger obliegenden Verpflichtung zuwider­ handelt (§ 790). Freilich wird er ihm dann für den hieraus entstehenden Schaden haftbar. Im Hinblick auf die in der Anweisung liegende Ermächtigung des Anweisungsempfängers gegenüber dem Angewiesenen kann der Widerruf nur gegen­ über dem Angewiesenen erfolgen. Freilich kann der Anweisende den gleichen Zweck auch dadurch erreichen, daß er sich vom Anweisungsempfänger die Anweisung zurückgeben läßt; allein dies ist kein Widerruf. Da der Angewiesene durch die An­ nahme dem Leistungsempfänger gegenüber zur Leistung ver­ pflichtet wird, so kann ihm gegenüber die Anweisung nur so­ lange widerrufen werden, als er sie dem Anweisungsempfänger gegenüber nicht angenommen hat. Hat er sie dagegen nur dem Anweisenden gegenüber angenommen, so ist ein Widerruf nicht erforderlich, so lange dieser sie dem Empfänger nicht aus­ gehändigt hat; hat er sie aber ausgehändigt, so ist ein Wider­ ruf nicht mehr möglich. Ist die Leistung auf Grund der An­ weisung bereits erfolgt, so ist für den Widerruf ebenfalls kein Raum mehr.

632

Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

Die Anweisung erlischt nicht durch den Tod oder den ^Beteiligten.^ Eintritt der Geschäftsunfähigkeit eines der Beteiligten, auch wenn die Anweisung noch nicht angenommen ist (§ 791). Übertragung der Der Anweisungsempfänger kann die Anweisung durch nroeifung. Vertrag mit einem Dritten auf diesen übertragen (§ 792). Die Übertragung kann sowohl vor als nach der Annahme ersolgen. Die Übertragungserklärung, dagegen nicht auch die Annahmeerklärung, bedarf der schriftlichen Form. Nicht er­ forderlich ist, daß dieselbe, wie die Annahme, auf die Anweisungs­ urkunde gesetzt wird; sie kann daher z B. auch brieflich erfolgen. Außerdem ist die Aushändigung der Anweisung an den Dritten erforderlich. Der Anweisende kann die Übertragung ausschließen (§ 792). Die Ausschließung ist aber dem Angewiesenen gegen­ über nur wirksam, wenn sie entweder aus der Anweisung selbst zu entnehmen ist, wenn z. B. die Anweisung lautet: „Zahlen Sie nur an Herrn N. N." oder wenn sie von dem Anweisenden dem Angewiesenen mitgeteilt wird, bevor dieser die Anweisung annimmt oder die Leistung bewirkt; dann ist der Angewiesene nur ermächtigt, lediglich an die in der An­ weisung bezeichnete Person zu leisten. Nimmt der Angewiesene die Anweisung dem Erwerber gegenüber an, so kann er aus einem zwischen ihm und dem Anweisungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis Einwen­ dungen nicht herleiten. Er kann also nur solche Einwen­ dungen geltend machen, welche die Gültigkeit der Annahme betreffen oder sich aus dem Inhalte der Anweisung oder dem Inhalte der Annahme ergeben oder ihm unmittelbar gegen den Erwerber zustehen. Dagegen kann er ihm gegen den An­ weisungsempfänger,, zustehende Einreden nur dann geltend machen, wenn die Übertragung erst nach der Annahme erfolgt. Im übrigen finden auf die Übertragung der Anweisung die für die Abtretung einer Forderung geltenden Vorschriften ent­ sprechende Anwendung.

Todu.Ge,chästr-

22. Kapitel.

Schuld verfchreivrmgerr auf den Zntzaver.

8 185. 1. Begriff und Merkmale. Begriff.

Eine Schuldverschreibung auf den Inhaber ist eine Urkunde, in welcher der Aussteller dem Inhaber der Ur­ kunde eine Leistung verspricht (§ 793).

632

Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

Die Anweisung erlischt nicht durch den Tod oder den ^Beteiligten.^ Eintritt der Geschäftsunfähigkeit eines der Beteiligten, auch wenn die Anweisung noch nicht angenommen ist (§ 791). Übertragung der Der Anweisungsempfänger kann die Anweisung durch nroeifung. Vertrag mit einem Dritten auf diesen übertragen (§ 792). Die Übertragung kann sowohl vor als nach der Annahme ersolgen. Die Übertragungserklärung, dagegen nicht auch die Annahmeerklärung, bedarf der schriftlichen Form. Nicht er­ forderlich ist, daß dieselbe, wie die Annahme, auf die Anweisungs­ urkunde gesetzt wird; sie kann daher z B. auch brieflich erfolgen. Außerdem ist die Aushändigung der Anweisung an den Dritten erforderlich. Der Anweisende kann die Übertragung ausschließen (§ 792). Die Ausschließung ist aber dem Angewiesenen gegen­ über nur wirksam, wenn sie entweder aus der Anweisung selbst zu entnehmen ist, wenn z. B. die Anweisung lautet: „Zahlen Sie nur an Herrn N. N." oder wenn sie von dem Anweisenden dem Angewiesenen mitgeteilt wird, bevor dieser die Anweisung annimmt oder die Leistung bewirkt; dann ist der Angewiesene nur ermächtigt, lediglich an die in der An­ weisung bezeichnete Person zu leisten. Nimmt der Angewiesene die Anweisung dem Erwerber gegenüber an, so kann er aus einem zwischen ihm und dem Anweisungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis Einwen­ dungen nicht herleiten. Er kann also nur solche Einwen­ dungen geltend machen, welche die Gültigkeit der Annahme betreffen oder sich aus dem Inhalte der Anweisung oder dem Inhalte der Annahme ergeben oder ihm unmittelbar gegen den Erwerber zustehen. Dagegen kann er ihm gegen den An­ weisungsempfänger,, zustehende Einreden nur dann geltend machen, wenn die Übertragung erst nach der Annahme erfolgt. Im übrigen finden auf die Übertragung der Anweisung die für die Abtretung einer Forderung geltenden Vorschriften ent­ sprechende Anwendung.

Todu.Ge,chästr-

22. Kapitel.

Schuld verfchreivrmgerr auf den Zntzaver.

8 185. 1. Begriff und Merkmale. Begriff.

Eine Schuldverschreibung auf den Inhaber ist eine Urkunde, in welcher der Aussteller dem Inhaber der Ur­ kunde eine Leistung verspricht (§ 793).

Begriff und Merkmale.

633

Die Merkmale einer Schuldverschreibung auf den In­ haber sind: 1. daß die Urkunde ein Aussteller unterschrieben hat. Es ist aber nicht erforderlich, daß derselbe die Urkunde eigen­ händig unterzeichnet. Es genügt auch eine im Wege der mechanischen Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift. Jedenfalls muß aber eine Unterschrift vorhanden sein. Ist daher der Name des Ausstellers in Buchdrucklettern auf die Urkunde gesetzt, so wird dadurch keine gültige Schuldverschreibung auf den Inhaber geschaffen. Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann durch eine in die Urkunde aufgenommene Be­ stimmung von der Beobachtung einer besonderen Form ab­ hängig gemacht werden (§ 793 Äbs. 2), z. B. von der Beifügung eines bestimmten Zeichens oder Vermerkes. Jedoch kann durch Landesgesetz bestimmt werden, daß bei Schuldverschreibungen auf den Inhaber, die der Bundesstaat oder eine ihm an­ gehörende Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes ausstellt, die Gültigkeit der Unterzeichnung von der Beobachtung einer besonderen Form abhängt, auch wenn eine solche Bestimmung in die Urkunde selbst nicht ausgenommen ist (Art. 100 Ziff. 1 EG). 2. Eine Leistung muß versprochen werden. Es braucht dies aber nicht notwendig eine Geldleistung sein. Versprochen werden kann jede Leistung, also auch eine Leistung von Sachen, Diensten u. s. w. Gleichgültig ist, ob die Leistung unbedingt versprochen wird oder ob ihre Entstehung und Höhe nach den Ausgabebedingungen noch von besonderen Umständen abhängen soll. So hängt bei Lotterielysen die Frage, ob überhaupt etwas geleistet werden soll und in welcher Höhe, davon ab, daß das Los gezogen wird. Gleichgültig ist ferner, ob die Verfallzeit im voraus bestimmt ist, oder ob sie erst nach Ausgabe der Urkunde durch Kündigung , Verlosung u. s. w. bestimmt werden soll. Immer aber muß eine Leistung ver­ sprochen werden. Daher sind z. B. Aktien, wenn auch dieselben auf einen bestimmten Betrag (Nominalbetrag) lauten, keine Schuldverschreibungen auf den Inhaber, da der Nominalbetrag der Aktie nur den.Anteil des Aktionärs an dem Vermögen der Aktiengesellschaft darstellt. 3. Die Leistung muß dem Inhaber der Urkunde ver­ sprochen werden. Es -darf daher in der Urkunde keine be­ stimmte Person als Gläubiger bezeichnet fein.1) Wenn es auch nicht gerade erforderlich ist, daß der Ausdruck „Inhaber" ge­ braucht wird, so muß doch aus der Fassung und Form der Urkunde hervorgehen, daß der Aussteller dem jeweiligen In­ haber der Urkunde ein Forderungsrecht einräumen will. Daher *) ROLG 6 S. 146.

Merkmale.

634

Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

sind Orderpapiere, wie z. B. auf Order lautende kaufmännische Anweisungen (§ 363 HGB), Wechsel u. s. w. selbst dann keine Schuldverschreibungen auf den Inhaber in dem oben gebrauchten Sinne, wenn sie durch Blankoindossament übertragen wurden. aufmbmC«ameit. Die Schuldverschreibung auf den Inhaber kann jederzeit dieser ihrer Eigenschaft dadurch entkleidet werden, daß sie auf den Namen eines bestimmten Berechtigten umge­ schrieben wird. Die Umschreibung kann nur durch den Aussteller erfolgen; dieser ist jedoch nicht hierzu verpflichtet (§ 806). Durch Landesgesetz kann aber für den Bundesstaat oder demselben angehörende Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes für die von ihnen ausge­ stellten Schuldverschreibungen auf den Inhaber eine Ver­ pflichtung zur Umschreibung auf den Namen eines bestimmten Berechtigten statuiert und das aus der Umschreibung sich er­ gebende Rechtsverhältnis geregelt werden (Art. 101 EG). § 186.

2. Die Begründungen Verpflichtung.

Die Verpflichtung des Ausstellers zu der in der Ur­ kunde versprochenen Leistung wird dadurch begründet, daß er 1. eine Urkunde herstellt oder herstellen läßt, welche die im vorigen Paragraphen bezeichneten Merkmale an sich trägt, und daß dann 2. diese Urkunde in den Verkehr gelangt. Selbstverständlich wird eine rechtswirksame Verpflichtung des Ausstellers nur dann begründet, wenn er zur Zeit der Ausstellung geschäftsfähig war. In den Verkehr kann die Schuldverschreibung entweder mit dem Willen des Ausstellers gelangen oder ohne seinen Willen. Im ersteren Falle spricht man von einer Ausgabe der Schuldverschreibung. Für die Begründung der Verpflichtung aus der Schuld­ verschreibung auf den Inhaber ist es gleichgültig, ob dieselbe mit dem Willen des Ausstellers oder ohne seinen Willen in den Verkehr gelangt. Der Aussteller wird aus derselben auch dann verpflichtet, wenn sie ihm gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst ohne seinen Willen in den Verkehr gelangt ist (§ 794 Abs. 1). Ganz ohne Bedeutung ist diese Unterscheidung jedoch nicht. Ist nämlich eine Ausgabe erfolgt, so ist es auf die Wirk­ samkeit einer Schuldverschreibung auf den Inhaber ohne Einfluß, daß die Ausgabe erst erfolgte, nachdem der Aussteller ge­ storben oder geschäftsunfähig geworden ist (§ 794 Abs. 2.). Ist dagegen eine Ausgabe nicht erfolgt, so entsteht eine wirk-

Die Begründung der Verpflichtung.

635

same Verpflichtung aus der Urkunde nicht, wenn der Aus­ steller zu der Zeit, als die Urkunde in den Verkehr gelangte, bereits gestorben oder geschäftsunfähig geworden war. Die Ausgabe von Schuldverschreibungen auf den Inhaber Sne£migung.e steht grundsätzlich Jedem zu. Jedoch dürfen im Inland aus­ gestellte Schuldverschreibungen auf den Inhaber, in denen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird, nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden (§ 795). Diese Beschränkung gilt also nicht: 1. wenn die Schuldverschreibung im Ausland ausgestellt wird. Maßgebend ist hierbei die der Urkunde aufgedruckte Ortsangabe. 2. wenn andere Leistungen als die Zahlung einer be­ stimmten Geldsumme versprochen werden. Eine bestimmte Geldsumme ist insbesondere auch dann nicht versprochen, wenn die Verpflichtung zur Leistung, wie z. B. bei Lotterielosen, von dem Eintritte einer Bedingung abhängt. 3. wenn die Schuldverschreibungen von dem Reiche oder einem Bundesstaat ausgegeben werden. . Die Genehmigung roitb von der Zentralbehörde des Bundesstaats erteilt, in dessen Gebiete der Aussteller seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat. Die Er­ teilung der Genehmigung und die Bestimmungen, unter denen sie erfolgt, sollen durch den Deutschen Reichsanzeiger bekannt gemacht werden. Eine ohne staatliche Genehmigung indenVerkehr gebrachte Schuldverschreibung ist nichtig. Außerdem hat der Aussteller dem Inhaber den durch die Ausgabe verursachten Schaden zu ersetzen; liegt eine Aus­ gabe nicht vor, d. h. ist die Schuldverschreibung ohne den Willen des Ausstellers in den Verkehr gelangt, weil sie ihm z. B. ein Dieb gestohlen und dann weiter begeben hat, so besteht eine Verpflichtung zum Schadensersatz nicht. Nicht hierher gehören diejenigen Beschränkungen polizei­ lichen, verwaltungsrechtlichen oder finanzpolitischen Charakters, die kraft besonderer gesetzlicher Bestimmungen allgemein oder für bestimmte Unternehmungen, z. B. Lotterien, oder für ge­ wisse Körperschaften u. s. w. bestehen, ferner die reichsgesetz­ lichen Vorschriften, welche die Ausgabe von Jnhaberpapieren mit Prämien nur auf Grund eines Reichsgesetzes zum Zwecke einer Staatsanleihe gestatten, und die Ausgabe von Banknoten sowie von Kassenscheinen als Privilegium der Reichsbank, unter gewissen Bedingungen auch anderen Banken Vorbehalten oder von einer reichsgesetzlich zu erteilenden Kon­ zession abhängig machen (Reichsges. vom 8. Juni 1871 hie Jnhaberpapiere mit Prämien betr., vom 30. April 1874 die

Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

636

Ausgabe von Kassenscheinen Bett, vom 14. März 1875).

§ 187.

und das ssteichsbankgesetz

3. Verhältnis zwischen Aussteller und Inhaber.

Gl ä ub i g e r des Anspruchs aus der Schuldverschreibung ist der zur Verfügung über dieselbe Berechtigte, d. i. der Eigen­ tümer der Schuldverschreibung. Mit der Übertragung des Eigentums erlischt der Anspruch des bisherigen Eigentümers und entsteht ein neuer Anspruch für den nunmehrigen Eigen­ tümer. tie03n”a6er8.be8 Zur Geltendmachung des Anspruchs ist aber der Nach­ weis des Eigentums an der Schuldverschreibung auf den In­ haber weder erforderlich noch genügend. Der Nachweis des Eigentums genügt nicht, da den Anspruch nur der Inhaber der Schuldverschreibung geltend machen kann; er ist aber auch nicht erforderlich; denn die Tatsache, daß derjenige, welcher den Anspruch geltend macht, Inhaber der Schuldverschreibung ist, genügt, um ihn als Gläubiger zu legitimieren. Bestreitet der Aussteller die Legitimation des Inhabers, so muß er beweisen, daß derselbe zur Verfügung über die Schuldverschreibung nicht berechtigt ist (§ 793 Abs. 1). Wenn auch der Aus­ steller berechtigt ist, die Legitimation des Inhabers zu bean­ standen, so ist er doch nicht hierzu verpflichtet; ja er kann an den Inhaber selbst dann wirksam leisten, wenn er weiß, daß dieser zur Verfügung über die Ürkunde nicht berechtigt ist. Freilich kann er in einem solchen Falle, insbesondere nach den Vorschristen über unerlaubte Handlungen (vgl. z. B. § 826) dem wirklichen Eigentümer schadensersatzpflichtig werden. Hiernach kann also der Inhaber einer Schuldverschreibung auf den Inhaber von dem Aussteller die Leistung nach Maß­ gabe des in der Urkunde gegebenen Versprechens verlangen, es sei denn, daß er zur Verfügung über die'Urkunde nicht be­ rechtigt ist (§ 793 Abs. 1 Satz 1). Der Aussteller seistitneSusumift aber nur gegen Aushändigung der Schuldver­ schreibung zur Leistung verpflichtet (§ 797 Satz 1 BGB). Leistung und Aushändigung der Urkunde haben daher Zug um Zug zu erfolgen. Bei Teilleistungen kann der Aus­ steller zwar nicht Aushändigung der Schuldverschreibung, wohl aber beanspruchen,- daß die Teilleistung aus derselben vermerkt werde. Selbstverständlich wird durch diese Vorschriften das Recht des Ausstellers, eine Quittung zu verlangen, nicht be­ rührt. Wirkung der Durch die Leistung wird der Aussteller selbst Leistung. dann von seiner Verbindlichkeit befreit, wenn die Leistung an einen nicht zur Verfügung berechtigten Inhaber erfolgt (§ 793 Abs. 1 Satz *2). Diese Ein-

Verhältnis zwischen Aussteller und Inhaber.

637

rede wirkt auch gegenüber dem Eigentümer der Schuldver­ schreibung; dagegen wirkt sie nicht gegenüber einem späteren Inhaber, da in dessen Person ja ein neues Forderungsrecht entsteht. Um diese Folge zu vermeiden, muß sich der Aus­ steller bei der Leistung die Urkunde aushändigen lassen. Mit der Aushändigung erwirbt er das Eigentum an der Urkunde, und zwar selbst dann, wenn der Inhaber zur Verfügung über sie nicht berechtigt ist und der Aussteller hiervon Kenntnis hatte (§ 797). Das Gesetz statuiert hier eine Ausnahme von der Regel, daß das Eigentum an beweglichen Sachen vom Nichteigentümer nur dann erworben wird, wenn der Erwerber im guten Glauben sich befindet. Als Ausnahmevorschrift darf aber die Bestimmung des § 797 BGB nur auf solche Fälle angewendet werden, in denen die Aushändigung gegen Leistung erfolgt. Selbstverständlich ist Leistung nicht im Sinne von Barzahlung zu verstehen; eine Leistung liegt nicht weniger vor, wenn sie z. B. im Wege der Aufrechnung erfolgt. Dagegen wird man von Aushändigung gegen Leistung nicht sprechen können, wenn der Inhaber dem Aussteller die Schuld erläßt oder wenn er ihm die Urkunde schenkungshalber aushändigt. Wird der Aussteller auf Leistung belangt, so kann er bettt eiau$tea«e.be8 Inhaber der Schuldverschreibung nur solche Einwendungen entgegensetzen (§ 796), welche 1. entweder die Gültigkeit der Ausstellung betreffen, wie z. B-, daß er zur Zeit der Ausstellung geschäftsunfähig ge­ wesen sei, daß seine Unterschrift gefälscht sei, daß er zur Aus­ stellung durch Betrug oder Drohung veranlaßt worden sei, u. dgl., oder welche 2. sich aus dem Inhalte der Urkunde selbst ergeben, wie z. B. daß die in der Urkunde angegebene Verfallzeit noch nicht eingetreten sei rc., oder endlich 3. welche ihm unmittelbar gegen den Inhaber der Urkunde zustehen, wie z. B. daß dieser ihm die Leistung gestundet, daß er ihn bereits befriedigt habe. Außerdem stehen ihm selbstverständlich auch diejenigen Einreden zu, die sich aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Schuldverschreibungen auf den Inhaber ergeben: daß der Inhaber nicht zur Verfügung über die Urkunde berechtigt sei (§ 793), daß die Schuldverschreibung Mangels staatlicher Genehmigung nichtig sei (§ 795), daß die Urkunde für kraftlos erklärt (§ 799), daß über sie Zahlungssperre verhängt sei oder endlich, daß der Anspruch durch Zeitablauf erloschen sei (§ 801). Der Anspruch aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber erlischt mit dem Ablaufe von dreißig Jahren nach Anspruchs, dem Eintritte der für die Leistung bestimmten Zeit, wenn

638

Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

nicht die Urkunde vor dem Ablaufe der dreißig Jahre dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt wird. Diese Frist bezeichnet das Gesetz als Vorlegungsfrist. Die Dauer und der Be­ ginn derselben können aber von dem Aussteller in der Ur­ kunde anders bestimmt werden (§ 801). Die Vorlegungs­ frist ist keine Verjährungs-, sondern eine Ausschlußfrist. Erfolgt innerhalb der Vorlegungsfrist die Vorlegung, so verjährt der Anspruch in zwei Jahren von dem Ende der Vorlegungsfrist an. Der Vorlegung steht die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs aus der Urkunde gleich (§ 801 Abs. 1). Während auf die Verjährung des Anspruchs die allge­ meinen Grundsätze über die Verjährung Anwendung finden, gelten dieselben für die Vorlegungsfrist nicht. Außerdem gelten für beide Fristen noch folgende besondere Vorschriften: Der Beginn und der Lauf der Vorlegungsfrist sowie der Ver­ jährung werden durch die Zahlungssperre zu Gunsten des Antragstellers gehemmt. Die Hemmung beginnt mit der Stellung des Antrags auf Zahlungssperre; sie endigt mit der Erledigung des Aufgebotsverfahrens und, falls die Zahlungs­ sperre vor der Einleitung des Aufgebotsverfahrens verfügt worden ist, auch dann, wenn seit der Beseitigung des der Einleitung entgegenstehenden Hindernisses sechs Monate ver­ strichen sind und nicht vorher die Einleitung beantragt worden ist (§ 802). Der Ablauf dieser sechsmonatigen Frist ist jedoch gehemmt, solange der Berechtigte durch Stillstand der Rechtspflege oder in anderer Weise durch höhere Gewalt an der Betreibung des Aufgebotsverfahrens verhindert ist. Ferner läuft die Frist, wenn eine geschäftsunfähige oder eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter ist, nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeit­ punkte ab, in welchem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört; dies gilt jedoch nicht, soweit eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person prozeßfähig ist. Endlich wird der Ablauf der Frist, wenn die Zahlungssperre zu Gunsten eines Nachlasses oder gegen einen Nachlaß wirkt, nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeitpunkte vollendet, in welchem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder der Konkurs über den Nachlaß er­ öffnet wird oder von welchem an das Aufgebotsverfahren von einem Vertreter oder gegen einen Vertreter betrieben werden kann.

§ 188. 4. Abhandengekommene und vernichtete Schuldverschreibungen auf den Inhaber. >I^bigungder schreibung'

I. Ist eine Schuldverschreibung auf den Inhaber infolge einer Beschädigung oder einer Verunstaltung zum Umläufe

Ab h andengeko mmene und vernichtete Schuldverschreibungen rc.

639

nicht mehr geeignet, so kann der Inhaber, sofern ihr wesentlicher Inhalt und ihre Unterscheidungsmerkmale noch mit Sicherheit erkennbar sind, von dem Aussteller die Erteilung einer neuen Schuldverschreibung auf den Inhaber gegen Aus­ händigung der beschädigten oder verunstalteten verlangen; jedoch hat er die Kosten zu tragen und vorzuschießen (§ 798). Sind dagegen der wesentliche Inhalt der Urkunde und ihre Unterscheidungsmerkmale nicht mehr erkennbar, so bleibt nichts übrig, als die Urkunde im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklären zu lassen. II. Ist eine Schuldverschreibung auf den Inhaber ab- ^nnvnachung Handen gekommen, so kann der Eigentümer durch eine öffent- des B-auster, liche BehördeZ oder den Aussteller den Verlust im Deut­ schen Reichsanzeiger öffentlich bekannt machen. Durch diese Bekanntmachung gilt der gute Glaube des späteren Erwerbers, abgesehen von besonderen Umständen, als ausge­ schlossen, falls derselbe Bankier- oder Geldwechslergeschäfte be­ treibt und seit dem Ablaufe des Jahres, in welchem die Veröffentlichüng erfolgt ist, nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist (§ 367 HGB). III. Endlich kann eine abhanden gekommene oder vernichtete Schuldverschreibung auf den Inhaber, wenn nicht in der Urkunde das Gegenteil bestimmt ist, im Wege des Auf­ gebotsverfahrens für kraftlos erklärt werden (§ 799). Ausgenommen sind die auf Sicht zahlbaren unver­ zinslichen Schuldverschreibungen. Die Kraftloserklärung erfolgt nur auf Antrag. Zur Begründung desselben hat der Antragsteller insbesondere entweder eine Abschrift der Ürkunde beizubringen oder wenig­ stens den wesentlichen Inhalt der Urkunde und alles anzu­ geben, was zur vollständigen Erkennbarkeit derselben erforderlich ist (§ 1007 CPO). Der Aussteller ist verpflichtet, dem bis­ herigen Inhaber auf Verlangen die zur Erwirkung des Auf­ gebots erforderliche Auskunft zu erteilen und die erforderlichen Zeugnisse auszustellen. Die Kosten der Zeugnisse hat der bisherige Inhaber zu tragen und vorzuschießen (§ 799 Abs. 2) Sodann erfolgt das Aufgebot, in welchem der In­ haber der Urkunde aufzufordern ist, spätestens im Aufgebots­ termin seine Rechte bei dem Gericht anzumelden und die Ur­ kunde vorzulegen. Als Rechtsnachteil ist anzudrohen, daß die Kraftloserklärung der Urkunde erfolgen werde (§ 1008 CPO). Das Aufgebot ist in der in der CPO vorgeschriebenen Weise öffent­ lich bekannt zu machen. Die Anfgebotsfrist muß mindestens sechs Monate betragen (§§ 1009—1015 CPO). *) Bayern: Art. 90 AGzBGB, § 8 Zuständigkeitsverordnung.

640

Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

Wird die Urkunde rechtzeitig vorgelegt, so ist der Zweck des Aufgebots erfüllt. Es ist dann Sache des früheren Inhabers, seine Ansprüche gegen den gegenwärtigen Inhaber im ordentlichen Prozesse zu verfolgen. Wird die Urkunde bis zum Schlüsse des Auf­ gebotstermins nicht vorgelegt, so ist sie in dem Aus­ schlußurteil für kraftlos zu erklären. Derjenige, welcher das Ausschlußurteil erwirkt hat, ist dann dem Aussteller gegenüber berechtigt, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen (§§ 1017, 1018 CPO). Er kann aber auch, unbeschadet dieser Befugnis, die Erteilung einer neuen Schuldverschreibung auf den Inhaber an Stelle der für kraftlos erklärten verlangen, hat jedoch die Kosten hierfür zu tragen und vorzuschießen (§ 800). Zahlungrjperre. Da infolge der langen Fristen, welche bei dem Aufge­ botsverfahren einzuhalten sind, geraume Zeit verstreicht, bis das Ausschlußurteil erlassen werden kann, so wird durch die Er­ wirkung der Zahlungssperre dem Antragsteller schon vor?, her ein Mittel gegeben, sich dagegen zu schützen, daß ein Un­ berechtigter von der Schuldverschreibung Gebrauch macht. Man versteht darunter ein Verbot des Gerichts an den Aussteller sowie an die in der Urkunde und von dem Antragsteller be­ zeichneten Zahlstellen, an den Inhaber der Schuldverschreibung eine Leistung zu bewirken, insbesondere neue Zins-, Renten­ oder Gewinnanteilscheine oder einen Erneuerungsschein auszu­ geben (§ 1019 CPO).

§ 189. 5. Zins-, Renten- u. Gewinnakteilscheine, Erneuerungsscheine. unb'sTroinnT anteilscheine.

I- Zu den Schuldverschreibungen auf den Inhaber sind, wenn die übrigen Merkmale vorliegeu, auch die Zins-, Rentenund Gewinnanteilscheine zu rechnen. Es sind dies „Nebenpapiere" zu Hauptpapieren. Ist die Leistung von vorneherein prozentual bestimmt, so spricht man von Zins schein en. Bemißt sich aber die Leistung nach dem auf die Haupturkunde jeweils entfallenden Gewinn (Dividende), so nennt man sie Gewinnanteilscheine oder Dividendenkoupons. Ist endlich in der Haupturkunde eine Rente versprochen, so heißen die auf die einzelnen Renten lautenden Urkunden Rentenscheine. Obwohl es sich nur um sog. Nebenpapiere handelt, gilt für die Zinsscheine die Ausnahmevorschrift, daß die Scheine, soferne sie nicht eine gegenteilige Bestimmung enthalten, in Kraft bleiben, auch wenn die Hauptforderung erlischt oder die Verpflichtung zur Verzinsung aufgehoben oder geändert wird. Werden daher bei der Einlösung der Hauptschuldverschreibung solche Zinsscheine nicht zurückgegeben, so ist der Aussteller be-

Unvollkommene Jnhaberpaviere u. qualifizierte Legitimationspapiere. 641

rechtigt, den Betrag zurückzubehalten, den er für die Scheine zu zahlen verpflichtet ist (§ 803). Für die Renten- und Gewinn­ anteilscheine gelten diese Bestimmungen nicht; sie sind an den Bestand der Hauptforderung geknüpft und verlieren mit deren Erlöschen ihre Bedeutung. Da die Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine zu den Schuldverschreibungen auf den Inhaber gehören, so finden auch die für diese geltenden Vorschriften auf sie Anwendung, jedoch mit folgenden Ausnahmen: 1. Die Borlegungsfrist beträgt nur vier Jahre und beginnt mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem die für die Leistung bestimmte Zeit eintritt. Die Dauer und der Beginn der Vorlegungsfrist können jedoch von dem Aussteller in der Urkunde anders bestimmt werden (§ 801 Abs. 2, 3). 2. Ist ein Zins-, Renten- oder Gewinnanteilschein abhanden gekommen oder vernichtet worden so ist zwar die Kraft­ loserklärung ausgeschlossen (§ 799 Abs. 1 Satz 2), aber der bis­ herige Inhaber kann, wenn er dem Aussteller den Verlust vor dem Ablaufe der Vorlegungsfrist anzeigt, nach dem Ablaufe der Frist die Leistung von dem Aussteller verlangen. Dieser Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der abhanden gekommene Schein dem Aussteller zur Einlösung vorgelegt oder der Anspruch aus dem Scheine gerichtlich geltendgemacht wird, es sei denn, daß die Vor­ legung oder die gerichtliche Geltendmachung nach dem Ablaufe der Frist erfolgt ist, ferner wenn der Anspruch in dem Zins-, Renten­ oder Gewinnanteilscheine ausgeschlossen wurde (§ 804). Der Anspruch auf die Leistung verjährt in vier Jahren nach dem Ablaufe der Vorlegungsfrist. II. Nicht zu den Jnhaberpapieren gehören die ErNeuerungsscheine, auch Talons, Zins- oder Dividenden­ leisten genannt. Diese werden zugleich mit den Jnhaber­ papieren ausgegeben, soferne nicht die Zins- oder Rentenscheine für die ganze Zeit der Verzinsung oder des Rentenbezugs mit ausgegeben werden, und ermächtigen den Inhaber des Erneuerungsscheines zur Empfangnahme neuer Zins- oder Rentenscheine, ohne daß er genötigt ist, die Haupturkunde zu seiner Legitimation vorzulegen; jedoch dürfen die neuen Scheine an den Inhaber des Erneuerungsscheines nicht ausgegeben werden, wenn der Inhaber der Hauptschuldverschreibung der Ausgabe wiedersprochen hat. Die Scheine sind in diesem Falle nur dem Inhaber der Hauptschuldverschreibung auszuhändigen, wenn er dieselbe vorlegt (§ 805).

§ 190. 6. Unvollkommene Jnhaberpapiere und qualifizierte Legitimationspapiere. I. Häufig werden Karten, Marken oder ähnliche Ur- ^^unv°llr°mkunden, in denen ein Gläubiger nicht benannt ist, von dem v»Piere. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Stuft.

Bd. T.

41

642

Schuldverschreibungen auf den Inhaber.

Aussteller unter Umständen ausgegeben, aus welchem sich er­ gibt, daß er dem Inhaber zu einer Leistung verpflichtet sein will (§ 807). Man kann diese Urkunden unvoll­ kommene Jnhaberpapiere oder kleine Jnhaberpapiere nennen. Diese unterscheiden sich von den Schuldverschreibungen auf den Inhaber schon dadurch, daß sie den Gegenstand der Leistung entweder gar nicht oder nur sehr unvollkommen zum Ausdruck bringen, oft nicht einmal den Aussteller an­ geben und fast durchgehends der Unterschrift entbehren. Hierher gehören z. B. Eisenbahnfahrkarten, Theaterbillets, Bons und bergt Obwohl diese Urkunden keine Schuldverschreibungen auf den Inhaber sind, finden gleichwohl manche der für diese geltenden Bestimmungen auch auf sie Anwendung: Der Inhaber kann von dem Aussteller die Leistung nach Maßgabe des Ver­ sprechens verlangen, es sei denn, daß er zur Verfügung über die Urkunde nicht berechtigt ist; der Aussteller wird jedoch auch durch die Leistung an einen nicht zur Verfügung berech­ tigten Inhaber befreit (§ 793 Abs. 1). Der Aussteller wird aus der Urkunde auch dann verpflichtet, wenn sie ihm gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden ge­ kommen ist. Auf die Wirksamkeit der Urkunde ist es ohne Einfluß, wenn die Urkunde ausgegeben wird, nachdem der Aussteller gestorben oder geschäftsunfähig geworden ist (§ 794). Der Aussteller kann dem Inhaber der Urkunde nur solche Ein­ wendungen entgegensetzen, welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder ihm unmittel­ bar gegen den Inhaber zustehen (§ 796). Der Aus­ steller ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Mit der Aushändigung erwirbt er das Eigen­ tum an der Urkunde, auch wenn der Inhaber zur Verfügung über sie nicht berechtigt ist (§ 797). Dagegen finden die übrigen Vorschriften über die Schuldverschreibungen auf den Inhaber, wie z. B. über die Kraftloserklärung, Vorlegungs­ fristen und dgl. auf sie keine Anwendung. L-H' Endlich sind noch die sog. qualifizierten Legie Papiere. ' timationspapi er6 zu erwähnen. Man versteht darunter Urkunden, in denen zwar der Gläubiger benannt ist, die aber mit der Bestimmung ausgegeben werden, daß die in der Ur­ kunde versprochene Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann (§ 808). Hierher gehören z. B. Sparkassebücher, Leihhausscheine, Depotscheine, Versicherungspolicen. Bei ihnen erkennt der Schuldner zwar nur eine bestimmte Person als forderungsberechtigt an, behält sich aber das Recht vor, die Leistung an jeden Inhaber zu bewirken. Daher ist der In­ haber als solcher nicht berechtigt, die Leistung zu fordern, sondern muß sich dem Schuldner auf Verlangen legitimieren; wohl aber kann der Schuldner ohne weitere Prüfung an den Inhaber leisten,

Übergangsvorschriften.

643

und wird durch die Leistung an den Inhaber auch dann Befreit, wenn dieser nicht der wirkliche Gläubiger ist. Der Schuldner ist über nur gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet. Ist die Urkunde abhanden gekommen oder vernichtet, so kann sie, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, für kraftlos erklärt werden. Die für die Schuldverschreibungen auf den Inhaber geltenden Vorschriften über den Einfluß der Zahlungssperre auf die Verjährung finden auch hier Anwendung. Durch die Landes­ gesetzgebung ^)'kann für die Kraftloserklärung ein anderes Ver­ fahren als das Aufgebotsverfahren bestimmt werden (Art. 102 EG). § 191.

Übergangsvorschrifte».

Für die vor dem 1. Januar 1900 ausgestellten Schuldverschreibungen auf den Inhaber finden von diesem Zeitpunkte an die Vorschriften des BGB über die Verpflichtung -es Ausstellers zur Erteilung einer neuen Schuldverschreibung im Falle einer Beschädigung oder Verunstaltung der Urkunde, über Kraftloserklärung im Wege des Aufgebotsverfahrens, über Vorlegungs- und Verjährungsfristen, über die Leistungs­ pflicht des Ausstellers im Falle des Abhandenkommens oder der Vernichtung von Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheinen und endlich über die Umwandlung in Namenspapiere Anwendung. Bei den auf Sicht zahlbaren Schuldverschreibungen auf den Inhaber, sowie bei Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheinen bleiben jedoch für die Kraftloserklärung und Zahlungssperre die bisherigen Gesetze maßgebend (Art. 173 EG). War also nach bisherigem Recht eine Kraftloserklärung oder Zahlungs­ sperre zulässig, so bleibt sie es auch nach dem Inkrafttreten des BGB. Die Verjährung der Ansprüche aus vor dem 1. Januar 1900 ausgestellten Schuldverschreibungen auf den Inhaber bemißt sich, unbeschadet der Vorschriften des BGB über die Hemmung der Verjährung durch die Zahlungssperre nach den bisherigen Gesetzen. Für Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine, die nach dem 1. Januar 1900 für ein vor dieser Zeit ausgestelltes Jnhaberpapier ausge­ geben werden, sind die Gesetze maßgebend, welche für die vor dem l. Januar 1900 ausgegebenen Scheine gleicher Art gelten (Art 175 EG). Z. B. ein Pfandbrief ist am 1. Juni 1892 ausgestellt. Im Jahre 1902 werden neue Zinsscheine ausgegeben. Für diese gilt das gleiche Recht, wie für die vor dem 1. Januar 1900 ausgegebenen Scheine, also die Be­ stimmungen der bisherigen Gesetze über Verjährung, Einlösungs­ und Borlegungsfristen. Eine Außerkurssetzung von Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber findet nach dem Inkrafttreten -es BGB nicht mehr statt. Eine vorher erfolgte Außerkurs*) Bayern: Art. 199 ff. AGzBGB. — Württemberg: Art. 188 jf. AGzBGB. — Hessen: Art. 71 AGzBGB.

644

Vorlegung von Sachen.

setzung verlor mit dem 1. Januar 1900 ihre Wirkung (Art. 176 EG). Von diesem Zeitpunkt an können Urkunden, in denen ein bestimmter Gläubiger genannt ist, während sich der Schuld­ ner durch Leistung an den Inhaber befreien kann z. B. Sparkassen-, Pfandscheine u. s. w., im Wege des Aufgebots­ verfahrens für kraftlos erklärt werden, soferne nicht in der Urkunde etwas Anderes bestimmt ist oder soferne nicht die Landesgesetze hierfür ein anderes Verfahren vorschreiben.

23. Kapitel. -

Darlegung von Sachen. § 192. I Unter gewissen Voraussetzungen kann von dem Besitzer einer Sache verlangt werden, daß er die Sache zur Besichtigung vorlege oder die Besichtigung gestatte (§ 809). Voraus,etzungen. Voraussetzung des Anspruchs ist, a) daß Jemand gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewißheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, und ferner, b) daß die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist. Zu a). Belanglos ist, ob eine bewegliche Sache oder ein Grund­ stück in Frage steht, ferner, ob es sich um einen dinglichen oder persönlichen Anspruch handelt. So kann z. B. der Vermächtnis­ nehmer, dem nach seiner Wahl der eine von zwei Gegen­ ständen vermacht ist, deren Besichtigung verlangen, damit er die Wahl treffen kann. Dagegen kann die Besichtigung nicht von dem verlangt werden, gegen den ein Anspruch geltend gemacht werden will. Verlangt z. B. der Mieter einer Woh­ nung im ersten Stockwerke von einem im zweiten Stockwerke wohnenden Mieter Schadensersatz, weil die vom oberen Stock­ werke herrührende Feuchtigkeit seine Tapeten verdorben habe, so kann dieser nicht die Besichtigung des Schadens verlangen. Will er nicht zahlen, so bleibt ihm nichts übrig, als sich ver­ klagen zu lassen; im Prozesse muß dann der Geschädigte seinen Anspruch und insbesondere auch die Höhe des Schadens be­ weisen. Freilich wird der Verpflichtete geltend machen können, daß er zur Klage keine Veranlassung gegeben habe und daß deshalb die Kosten dem anderen Teil aufzuerlegen seien (§ 93 CPO). L

°on

644

Vorlegung von Sachen.

setzung verlor mit dem 1. Januar 1900 ihre Wirkung (Art. 176 EG). Von diesem Zeitpunkt an können Urkunden, in denen ein bestimmter Gläubiger genannt ist, während sich der Schuld­ ner durch Leistung an den Inhaber befreien kann z. B. Sparkassen-, Pfandscheine u. s. w., im Wege des Aufgebots­ verfahrens für kraftlos erklärt werden, soferne nicht in der Urkunde etwas Anderes bestimmt ist oder soferne nicht die Landesgesetze hierfür ein anderes Verfahren vorschreiben.

23. Kapitel. -

Darlegung von Sachen. § 192. I Unter gewissen Voraussetzungen kann von dem Besitzer einer Sache verlangt werden, daß er die Sache zur Besichtigung vorlege oder die Besichtigung gestatte (§ 809). Voraus,etzungen. Voraussetzung des Anspruchs ist, a) daß Jemand gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewißheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, und ferner, b) daß die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist. Zu a). Belanglos ist, ob eine bewegliche Sache oder ein Grund­ stück in Frage steht, ferner, ob es sich um einen dinglichen oder persönlichen Anspruch handelt. So kann z. B. der Vermächtnis­ nehmer, dem nach seiner Wahl der eine von zwei Gegen­ ständen vermacht ist, deren Besichtigung verlangen, damit er die Wahl treffen kann. Dagegen kann die Besichtigung nicht von dem verlangt werden, gegen den ein Anspruch geltend gemacht werden will. Verlangt z. B. der Mieter einer Woh­ nung im ersten Stockwerke von einem im zweiten Stockwerke wohnenden Mieter Schadensersatz, weil die vom oberen Stock­ werke herrührende Feuchtigkeit seine Tapeten verdorben habe, so kann dieser nicht die Besichtigung des Schadens verlangen. Will er nicht zahlen, so bleibt ihm nichts übrig, als sich ver­ klagen zu lassen; im Prozesse muß dann der Geschädigte seinen Anspruch und insbesondere auch die Höhe des Schadens be­ weisen. Freilich wird der Verpflichtete geltend machen können, daß er zur Klage keine Veranlassung gegeben habe und daß deshalb die Kosten dem anderen Teil aufzuerlegen seien (§ 93 CPO). L

°on

Vorlegung von Sachen.

645

Zu b). Die Besichtigung muß für den Berechtigten „wegen seines Anspruchs" von Interesse sein. Im Bestreitungsfalle hat der Berechtigte sein Interesse ®eloeiMafr zu beweisen; ob er auch zu beweisen hat, daß der Verpflichtete der Besitzer ist und daß ihm ein Anspruch in Ansehung der Sache gegen diesen zusteht, oder ob nach der einen oder anderen Richtung bloße Glaubhaftmachung genügt, ist nach Lage des einzelnen Falles zu entscheiden; denn nach der ausdrücklichen Vorschrift des Gesetzes dient der Anspruch gerade dazu, daß sich der Besitzer Gewißheit verschaffe, ob ihm der Anspruch zusteht. Handelt es sich darum, ob der Verpflichtete die Sache besitzt, so braucht der Besitz bloß glaubhaft gemacht, dagegen muß der Anspruch bewiesen werden. Ist z. B. dem A ein Buch gestohlen worden und verlangt er von B die Besichtigung des Buches, um sich zu vergewissern, ob ihm gegen B ein Anspruch auf Herausgabe des Buches zusteht, so muß er den Diebstahl beweisen und glaubhaft machen, daß B das Buch besitzt. Behauptet er dagegen, daß vom benach­ barten Grundstück Feuchtigkeit in sein Anwesen eindringe, und verlangt er Besichtigung des Nachbargrundstückes, so muß er beweisen, daß der in Anspruch Genommene der Besitzer des Nachbargrundstücks sei, dagegen genügt die Glaubhaft­ machung der Tatsache, daß die Feuchtigkeit vom Nachbargrund­ stücke her eindringe; denn die Feststellung, ob es wirklich von da eindringt, ist ja gerade der Zweck der Besichtigung. Der Anspruch geht dahin, daß der Besitzer dem Berechtigten die Sache zur Besichtigung vorlegt oder ihm die Be­ sichtigung gestattet. Daher kann, um an obiges Beispiel an­ zuknüpfen, der Eigentümer des gestohlenen Buches lediglich die Besichtigung dieses Buches, nicht aber die Besichtigung der ganzen Bibliothek des B verlangen, um sich zu vergewissern, ob sich das Buch in der Bibliothek befinde. Nicht erforderlich ist, daß der Berechtigte die Besichtigung persönlich vornehme, er kann dies auch durch einen Bevollmächtigten, insbesondere durch einen Sachverständigen tun lassen. Selbstverständlich dürfen an der Sache keine Versuche vorgenommen werden; denn der Anspruch geht nur auf Besichtigung, sowie auf Fest­ stellung der Identität der Sache oder ihres Zustandes. Der Anspruch richtet sich gegen den Besitzer der Sache, und zwar sowohl gegen den unmittelbaren wie den mittel­ baren Besitzer, dagegen nicht gegen den Besitzdiener. II. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in 11 “ntotben' fremdem Besitze befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen (§ 810): 1) wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet worden ist; so kann z. B. der Vermächtnisnehmer Einsicht in das Testament verlangen, in dem das Vermächtnis errichtet ist.

646

Vorlegung von Sachen.

Man wird ihm aber auch die Einsicht in ein späteres Testament gestatten müssen, das dieses Vermächtnis wieder aufhebt; denn beide Testamente bilden nach dieser Richtung ein Ganzes. Ebenso kann ein Miterbe, um sich über den Umfang des Nach­ lasses zu unterrichten, verlangen, daß ihm die im Besitze eines anderen Miterben befindlichen Schuldurkunden, welche über die zum Nachlasse gehörenden Forderungen Aufschluß geben, zur Einsicht vorgelegt werben.1) 2) wenn in der Urkunde ein zwischen ihm und einem Anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist; so kann z. B. der Käufer vom Verkäufer Einsicht in die Kaufvertrags­ urkunde verlangen, die dieser in Händen hat, und zwar in das Exemplar des Verkäufers auch dann, wenn die Urkunde doppelt ausgefertigt wurde; dagegen ist der Vertragsteil, der dem Vertrage zuwider bei Dritten gekauft hat, seinem hierwegen schadensersatzberechtigten Vertragsgegner zur Vorlage der Urkunden, welche über seine Geschäfte mit dem Dritten Aufschluß geben, nicht verpflichtet?)

3) wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechts­ geschäft enthält, die zwischen ihm und einem Anderen oder zwischen einem von Beiden und einem gemeinschaftlichen Ver­ mittler gepflogen worden sind. Nicht hierher gehören die Korrespondenzen zwischen dem anderen Vertragsteil und dem von diesem einseitig aufgestellten Vermittler. Darüber, ob der Berechtigte Abschriften von der Urkunde nehmen, dieselbe photographieren darf u. s. w., gibt das Gesetz keinen Aufschluß. Es gilt daher die allgemeine Vorschrift des § 242, daß die Leistung so zu bewirken ist, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Selbstverständlich werden von der Vorschrift des § 810 die „besonderen" Bestimmungen über das Recht auf Einsichtnahme von Urkunden nicht berührt. Hierher gehört z. B. das Recht eines Gesellschafters auf Einsicht der Geschäftsbücher und Papiere der Gesellschaft (§ 716) u. dgl. nsortotiftenme HI. Die Vorlegung hat in den beiden Hauptfällen an dem Orte zu erfolgen, an welchem sich die vorzulegende Sache befindet. Jeder Teil kann aber die Vorlegung an einem anderen Orte verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Gefahr und die Kosten hat derjenige zu tragen, welcher die Vorlegung verlangt (§ 811). Insbesondere treffen die Kosten der Versendung den Berechtigten auch dann, wenn der Verpflichtete aus wichtigen Gründen die Vorlegung an einem anderen Orte als dem verlangt, an welchem sich die Sache befindet. Der Besitzer kann die Vorlegung verweigern, bis ') ROLG 2 S. 134. 2) ROLG 4 S. 52.

Ungerechtfertigte Bereicherung.

647

ihm der andere Teil die Kosten vorschießt und wegen der mit der Vorlegung an einem anderen Orte verbundenen Ge­ fahr Sicherheit leistet. Selbstverständlich kann Kosten­ vorschuß und Sicherheitsleistung nur dann verlangt werden, wenn' voraussichtlich Kosten entstehen oder ein Schaden zu befürchten ist.1)

24. Kapitel.

Ungerechtfertigte Mereicherurrg.

§ 193. 1. Voraussetzungen. Erwerb ohne rechtlichen Grund auf Kosten eines Anderen (ungerechtfertigte Bereicherung) verpflichtet zur Herausgabe (§ 812). Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind im @in= sotaumungm. zelnen folgende: 1) Ein Erwerb muß gemacht werden. Man versteht darunter jeden Vermögensvorteil, um welchen das Vermögen des Empfängers vermehrt wird. In welcher Weise diese Ver­ mehrung eintritt, ist gleichgültig. Der Erwerb kann erfolgen durch die Leistung eines Anderen, also durch ein Tun oder Unterlassen (§ 241). Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder Nichtbestehens2)3 eines Schuldverhältnisses (§ 812 Abs. 2). Der Erwerb kann aber auch in irgend einer anderen Weise erfolgt sein, z. B. durch Besteiung von einer Schuld,2) durch Ersparung von Auf­ wendungen und Auslagen u. dgl. Auch die Erlangung des Be­ sitzes gehört hierher. Gleichgültig ist, ob der Erwerb auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines rein tatsächlichen Vorganges er­ folgte; daher kann auch eine geschäftsunfähige Person ungerecht­ fertigt bereichert werden. 2) Der Erwerb muß auf Kosten eines Anderen erfolgt sein. Hierzu ist nicht erforderlich, daß das Objekt der Bereicherung schon Bestandteil des Vermögens desjenigen ge­ wesen ist, der den Anspruch erhebt.*) Auch in der Leistung von Diensten kann ein Erwerb auf Kosten eines Anderen liegen. Erwerb auf Kosten eines Anderen liegt auch dann vor, wenn die Leistung an den Bereicherten nicht direkt, sondern durch eine Zwischenperson erfolgte; nur muß diese in Stell') 2) 3) *)

ROLG 2 S. 134. IW 1902 Beil. S. 255. IW 1903 Beil. 1 S. 8; BlfRA 68 S. 282. ROLG 2 S. 74.

Ungerechtfertigte Bereicherung.

647

ihm der andere Teil die Kosten vorschießt und wegen der mit der Vorlegung an einem anderen Orte verbundenen Ge­ fahr Sicherheit leistet. Selbstverständlich kann Kosten­ vorschuß und Sicherheitsleistung nur dann verlangt werden, wenn' voraussichtlich Kosten entstehen oder ein Schaden zu befürchten ist.1)

24. Kapitel.

Ungerechtfertigte Mereicherurrg.

§ 193. 1. Voraussetzungen. Erwerb ohne rechtlichen Grund auf Kosten eines Anderen (ungerechtfertigte Bereicherung) verpflichtet zur Herausgabe (§ 812). Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind im @in= sotaumungm. zelnen folgende: 1) Ein Erwerb muß gemacht werden. Man versteht darunter jeden Vermögensvorteil, um welchen das Vermögen des Empfängers vermehrt wird. In welcher Weise diese Ver­ mehrung eintritt, ist gleichgültig. Der Erwerb kann erfolgen durch die Leistung eines Anderen, also durch ein Tun oder Unterlassen (§ 241). Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder Nichtbestehens2)3 eines Schuldverhältnisses (§ 812 Abs. 2). Der Erwerb kann aber auch in irgend einer anderen Weise erfolgt sein, z. B. durch Besteiung von einer Schuld,2) durch Ersparung von Auf­ wendungen und Auslagen u. dgl. Auch die Erlangung des Be­ sitzes gehört hierher. Gleichgültig ist, ob der Erwerb auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines rein tatsächlichen Vorganges er­ folgte; daher kann auch eine geschäftsunfähige Person ungerecht­ fertigt bereichert werden. 2) Der Erwerb muß auf Kosten eines Anderen erfolgt sein. Hierzu ist nicht erforderlich, daß das Objekt der Bereicherung schon Bestandteil des Vermögens desjenigen ge­ wesen ist, der den Anspruch erhebt.*) Auch in der Leistung von Diensten kann ein Erwerb auf Kosten eines Anderen liegen. Erwerb auf Kosten eines Anderen liegt auch dann vor, wenn die Leistung an den Bereicherten nicht direkt, sondern durch eine Zwischenperson erfolgte; nur muß diese in Stell') 2) 3) *)

ROLG 2 S. 134. IW 1902 Beil. S. 255. IW 1903 Beil. 1 S. 8; BlfRA 68 S. 282. ROLG 2 S. 74.

648

Ungerechtfertigte Bereicherung.

Vertretung des Bereicherten gehandelt haben, da anderenfalls die Bereicherung nicht auf Kosten des Geschädigten, sondern der Zwischenperson erfolgte; dagegen ist es belanglos, ob sich die Mittelsperson bei dem Vertragsschlusse als Geschäftsführer zu erkennen gegeben hat.Z 3) Der Erwerb muß ohne rechtlichen Grund erfolgt sein. Dies ist der Fall: 58gr1nb"jfet9@?.n a) wenn für den Erwerb von Anfang an kein werb. Rechtsgrund bestand, also wenn zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistet wurde, während die Verbindlich­ keit entweder überhaupt nie bestand?) oder zur Zeit der Leistung wieder erloschen war; das bloße Hingeben eines nicht geschul­ deten Betrages kann jedoch für sich allein als Begründung einer Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung nicht dienen, sondern es muß auch angegeben werden, zu welchem Zwecke die Leistung gemacht wurde und inwiefern es dem gegenüber objektiv an einem rechtlichen Grunde für den Erwerb fehlt.?) Kein Rechtsgrund für den Erwerb bestand auch dann, wenn der Erwerb sich entweder überhaupt ohne den Willen oder wenigstens ohne den rechtsgültigen Willen dessen vollzog, auf dessen Kosten er erfolgte. Überträgt z. B. A dem B das Eigentum an einer Sache in der irrtümlichen Meinung, es fei ein Kaufvertrag zustande gekommen, während B das Eigen­ tum an der Sache erwerben will, von der Meinung aus­ gehend, A wolle sie ihm schenken, so entbehrt sein Erwerb des Rechtsgrundes. Das Gleiche ist der Fall, wenn die Lei­ stung wegen Geschäftsunfähigkeit des Leistenden nichtig ist. Ausnahmen bestehen hinsichtlich des Honorars des Heirats­ vermittlers (§ 656), sowie für Spiel- und Wettschulden und für Differenzgeschäfte (§§ 762—764). Obwohl auch hier keine Verbindlichkeit zur Leistung begründet war, kann doch nach positiver Vorschrift das Geleistete nicht zurückverlangt werden (s. S. 604 s.). Wenn der Erwerb des Empfängers zwar ohne den Willen desjenigen, auf dessen Kosten er geschieht, aber auf Grund des Gesetzes eintritt, so kann man nicht sagen, daß der­ selbe ohne rechtfertigenden Grund eingetreten ist. An sich besteht daher kein Anspruch aus der ungerechtfertigten Bereicherung. In vielen Fällen berücksichtigt aber das Gesetz, daß der Er­ werb tatsächlich eben doch grundlos ist, und verpflichtet den Empfänger zum Ersatz nach den Vorschriften über ungerecht­ fertigte Bereicherung, so z. B. in den Fällen der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung (§ 951). Wo aber das Gesetz einen solchen Anspruch nicht ausdrücklich gewährt, besteht er *) ROLG 2 S. 505. a) IW 1903 Beil. 14 S. 122. •) IW 1901 S. 648.

Voraussetzungen.

649

nicht. Ist z. B. ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte Bienenwohnung eingezogen, so erstrecken sich das Eigentum und die sonstigen Rechte an den Bienen, mit denen die Wohnung besetzt war, auf den eingezogenen Schwarm; das Eigentum und die sonstigen Rechte an dem eingezogenen Schwarm erlöschen (§ 964). Obwohl hier die Sachlage ähnlich ist, wie bei dem Erwerb durch Verbindung, besteht kein Be­ reicherungsanspruch, da das Gesetz einen solchen nicht aner­ kennt. b) wenn zwar zur Zeit des Erwerbs ein Rechtsgrund für denselben bestanden hat, wenn der Rechtsgrund aber Rechtsgrunr.es. später wieder wegfällt (§ 812). Dies ist der Fall, wenn z. B. Jemand auf Grund eines anfechtbaren Rechts­ geschäfts leistete oder wenn das Leistungsgeschäft selbst anfecht­ bar war, und wenn nachträglich Anfechtung erfolgt.1) Anders bei Rechtsgeschäften, die unter einer auflösenden Bedingung oder Befristung abgeschlossen worden sind; denn mit dem Ein­ tritte der Bedingung - oder des Termins tritt kraft Gesetzes der frühere Zustand wieder ein (§§ 158 Abs. 2, 163). c) wenn zwar zur Zeit des Erwerbes ein Anspruch besteht, wenn aber dem Anspruch eine Einrede ent­ gegensteht, durch welche die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen wird (8 813). Das zum Zwecke der Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Ge­ leistete kann ebenfalls zurückverlangt werden. Die wichtigste der hier in Betracht kommenden Einreden ist die Einrede der beschränkten Haftung des Erben. Dagegen gehören nicht hierher solche Einreden, die den Verpflichteten nur vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigen, wie z. B. die Einrede der Vorausklage, der Stundung u. dgl. Wird insbesondere eine Betagte Verbindlichkeit vorzeitig erfüllt, so ist die Rück­ forderung ausgeschlossen; auch die Erstattung von Zwischen­ zinsen kann nicht verlangt werden (§ 813 Abs. 2). Dagegen ist der Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Be­ reicherung gegeben, wenn eine bedingte Verbindlichkeit vor dem Eintritte der Bedingung erfüllt wird. An sich gehört auch die Einrede der Verjährung zu den Einreden, durch welche die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen wird. Allein nach § 222 Abs. 2 kann das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete nicht zurückgefordert werden, auch wenn die Leistung in Un­ kenntnis der Verjährung erfolgt; der Leistung steht ein ver­ tragsmäßiges Anerkenntnis sowie eine Sicherheitsleistung des Verpflichteten gleich. Die Vorschrift des § 222 Abs. 2 bleibt nach § 813 unberührt, d. h. der Anspruch wegen ungerecht­ fertigter Bereicherung ist in diesen Fällen ausgeschlossen. ’) RG 54 S. 137; IW 1901 S. 864; 1902 Beil. S. 229.

650

Ungerechtfertigte Bereicherung.

Gleichviel welcher der Fälle a—c in Frage steht, so kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete dann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet war (§ 814). Der Irrtum des Leistenden über seine Ver­ pflichtung ist daher, wenn zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistet wurde, Voraussetzung des Anspruchs wegen ungerechtfertigter Bereicherung, jedoch nicht in dem Sinne, daß derjenige, welcher den Anspruch geltend macht, den Irrtum zu beweisen hätte; vielmehr obliegt dem Ver­ pflichteten der Beweis, daß dem Leistenden das Nichtbestehen der Verbindlichkeit bekannt war. Dagegen schließen bloße Zweifel des Leistenden den Anspruch nicht aus. Im übrigen ist es aber belanglos, ob der Irrtum entschuldbar oder unent­ schuldbar ist,1) ferner ob er sich als Rechts-2) oder tatsächlicher Irrtum darstellt. Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann aber auch dann nicht zurückgefordert werden, wenn die Leistung einer-sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach (§ 814). Wann diese Voraussetzung gegeben ist, kann nur nach den Umständen des einzelnen Falles beurteilt werden. ^b?abs!chti"ten^ ck) wenn der mit einer Leistung nach dem JnErsolges. halte des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt (§ 812). Vorausgesetzt wird also, daß mit der Leistung ein bestimmter Erfolg bezweckt wird, und daß diese Zweckbestimmung zum Inhalte des Rechtsgeschäfts gemacht ist. Dagegen wird nicht gerade eine ausdrückliche oder stillschweigende „Vereinbarung" erfordert, daß ein bestimmter Erfolg den Zweck der Leistung bilde. Vielmehr genügt es, daß der Leistende ausdrücklich oder stillschweigend, jedoch in einer dem anderen Teile erkennbaren Weise erklärt, daß er mit der Leistung einen bestimmten Erfolg bezwecket) Daher hat ein Rückforderungsrecht, wer einen Schuldschein über ein Darlehen ausgestellt hat und das Darlehen nicht erhält, oder eine Quittung in Erwartung der Zahlung ausgestellt hat, ohne Zahlung zu erhalten, oder wer Waren unter Übersendung des Kaufpreises bestellt, wenn der Kaufvertrag nicht zustande kommt. Dagegen besteht der Anspruch aus der ungerecht­ fertigten Bereicherung nicht, wenn sich lediglich eine unausge­ sprochene Erwartung des Leistenden nicht verwirklicht. Aus welchen Gründen der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eintritt, ist im Allgemeinen gleichgültig. Hat *) ROLG 2 S. 43. 2) IW 1902 Beil. S. 281. ') IW 1902 Beil. S. 220; ROLG 2 S. 383.

Voraussetzungen.

651

z. B. Jemand einer Braut mit Rücksicht auf ihre demnächstige Verheiratung eine Aussteuer gegeben und wird das Verlöbnis aufgelöst, so ist es für den Rückforderungsanspruch belanglos, ob die Braut oder der Bräutigam von dem Verlöbnis zurück­ trat. Auch wenn der Nichteintritt des bezweckten Erfolges auf rein zufälligen Umständen beruht, ist der Erwerb grund­ los. War jedoch der Eintritt des Erfolges von Anfang an unmöglich und hat dies der Leistende gewußt oder hat der Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert, so ist die Rückforderung ausgeschlossen (§ 815). Wird eine Leistung unter Vorbehalt gemacht, so kommt es auf den im einzelnen Falle zu ermittelnden Willen des Leistenden an, in welchem Sinne der Vorbehalt zu ver­ stehen ist. e) wenn der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war, daß der Empfänger durch die Annähme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat (§ 817). Hierbei genügt es, daß der Empfänger den Zweck der Leistung gekannt hat; dagegen ist nicht erforderlich, daß dem Empfänger der in der Annahme der Leistung liegende Verstoß gegen Gesetz und gute Sitte auch zum Bewußtsein gekommen ist. Gleichgültig ist, ob die Leistung im Hinblick auf einen künftigen Erfolg oder auf ein künftiges Verhalten des Empfängers, wie z. B. bei Bestechung eines Beamten, oder wegen solcher Tatsachen erfolgte, die der Vergangenheit angehören. Vorausgesetzt wird aber, daß der Verstoß lediglich dem Empfänger zur Last fällt; dagegen ist der Anspruch ausge­ schlossen, wenn der Verstoß entweder nur dem Leistenden oder beiden Teilen zur Last fällt.1) Jedoch ist, wenn beide Teile sich des Verstoßes schuldig machen, die Rückforderung zulässig, wenn die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit be­ stand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann aber nicht zurückgefordert werden. Selbstverständlich steht ein gleiches Hindernis dem Rückforderungsrecht Dritter, welche in ihren Vermögensinteressen verletzt sind, nicht ent­ gegen?) Ist das der Leistung zu Grunde liegende Rechtsgeschäft oder das Leistungsgeschäft wegen Verstoßes gegen ein gesetz­ liches Verbot oder gegen die guten Sitten nichtig, so wird zwar in der Regel auch in der Bewirkung und in der An­ nahme der Leistung ein solcher Verstoß zu erblicken sein. Sollte diese Regel aber ausnahmsweise nicht zutreffen, so ist die *) ROLG 2 S. 219. ’) IW 1901 S. 149.

u"9'

652

Ungerechtfertigte Bereicherung.

Rückforderung der Leistung auf Grund der in lit. a darge­ stellten Bestimmungen zulässig.*) NichtbmWgter. 0 wenn ein Nichtberechtigter über einen Gegen­ stand eine Verfügung trifft, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist (§ 816). In diesem Falle ist der Verfügende dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Hierher gehören z. B. die Fälle, daß der im Grundbuch als Eigentümer eines Grund­ stückes eingetragene Nichteigentümer das Grundstück an einen gutgläubigen Dritten veräußert oder zu Gunsten desselben belastet, daß der Nichteigentümer einer beweglichen Sache dieselbe an einen gutgläubigen Dritten veräußert oder dem­ selben verpfändet. Auch der Fall gehört hierher, daß Jemand im Wege der Zwangsvollstreckung dem Schuldner nicht ge­ hörende Sachen pfänden läßt und sich aus dem Erlöse be­ friedigt; Verfügender ist hier der Pfändungsgläubiger?) Erfolgt jedoch die Verfügung unentgeltlich, so richtet sich der Anspruch nicht gegen den Verfügenden — dieser kann unter Umständen nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen u. s. w. hasten —, sondern gegen denjenigen, der aus der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt. Dem Falle, daß ein Nichtberechtigter über einen Gegen­ stand eine Verfügung trifft, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, steht der andere Fall gleich, daß an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt wird, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist (§816 Abs. 2). Auch hier ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Her­ ausgabe der Leistung verpflichtet. Tritt z. B. A, der von B 1000 Jk zu fordern hat, diese Forderung an C ab, und leistet B in Unkenntnis der Session an A, so muß C zwar die Zahlung an A gegen sich gelten lassen, kann aber von A die Herausgabe des gezahlten Betrages verlangen.

§ 194. 2. Inhalt und Umfang des Anspruchs auf Herausgabe der Bereicherung. Gläubiger.

Zur Geltendmachung des Anspruchs auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung berechtigt ist derjenige, auf dessen Kosten der grundlose Erwerb gemacht worden ist, also derjenige, der geleistet oder in anderer Weise einen Rechts­ verlust erlitten hat. Der Anspruch ist nicht etwa bloß sub­ sidiär in dem Sinne, daß er ausgeschlossen wäre, wenn dem Berechtigten gegen den Bereicherten noch ein anderer Anspruch zusteht, mit dem er dasselbe erlangen kann?) Der Berechtigte *) ROLG 5 S. 103. 2) ROLG 2 S. 352; 3 S. 357. •) IW 1901 S. 364; RG 47 S. 139.

Inhalt u. Umfang des Anspruchs auf Herausgabe d. Bereicherung. 653

hat daher die Wahl, welchen Anspruch er geltend machen will. Selbst der Umstand, daß der Berechtigte durch Inanspruch­ nahme eines Anderen als des auf seine Kosten Bereicherten wieder erlangen kann, was der letztere auf Kosten des ersteren ohne rechtlichen Grund erlangt hat, steht der Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs nicht entgegen. Zur Herausgabe der Bereicherung verpflichtet ist der Bereicherte, d. i. derjenige, der den grundlosen Erwerb gemacht hat. Wendet aber der Empfänger das Erlangte unentgeltlich einem Dritten zu, so ist, soweit infolgedessen die Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausge­ schlossen ist, der Dritte zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte (§ 822). Von einer Zuwendung des Empfängers kann natürlich keine Rede sein, wenn sich der Dritte z. Bdurch Diebstahl oder sonstwie ohne den Willen des Empfängers in den Besitz des Erlangten setzt. Der Anspruch gegen den Dritten ist ferner nur dann gegeben, wenn der Empfänger das Erlangte unmittelbar dem Dritten zugewendet hat, er ist daher ausgeschlossen, wenn der Empfänger dem Dritten das, was er durch Verfügung über das Erlangte er­ warb, zugewendet hat. Der Anspruch gegen den Dritten ist endlich nur begründet, wenn und insoweit die Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausge­ schlossen ist. Wer der Bereicherte ist, ist nicht immer leicht festzustellen. Verpfändet z. B. der Nichteigentümer eine Sache an einen gutgläubigen Dritten, so erwirbt dieser ein Pfandrecht. Macht sich daher der Pfandgläubiger durch Pfandverkauf für seine Forderung bezahlt, so ist nicht er der Bereicherte, sondern der Schuldner, der grundlos von seiner Forderung befreit wirb. Hat dagegen der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung eine Sache pfänden lassen und sich durch Versteigerung der gepfändeten Sache befriedigt, so hat er den Erlös nach den Grundsätzen über ungerechtfertigte Bereicherung -herauszu­ geben;^) soweit ein etwaiger Übererlös dem Schuldner aus­ gehändigt wurde, ist auch dieser bereichert. Der Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung kann sowohl durch Klage als auch im Wege der Einrede geltend gemacht werden. Besteht die Bereicherung z. B. in der Eingehung einer Verbindlichkeit, sy kann der Verpflichtete entweder auf Aufhebung der Verbindlichkeit klagen oder, wenn der Gläubiger auf Erfüllung klagt, sich damit ver­ teidigen, daß der Gläubiger ungerechtfertigt bereichert sei. Ebenso kann der aus einem anderen Rechtsgrunde Belangte *) ROLG 2 S. 362 ; 3 S. 357.

Schuldner.

654

Verjährung.

Inhalt und Umfang des Anspruchs.

Ungerechtfertigte Bereicherung.

den Anspruch aus der ungerechtfertigten Bereicherunq zur Aufrechnung benutzen. Der Anspruch aus der ungerechtfertigten Bereicherung verjährt in dreißig Jahren. Nach eingetretener Verjährung kann er daher weder klage- noch einredeweise geltend gemacht werden. Hiervon besteht jedoch eine Ausnahme: Wer nämlich ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingeht, kann nach dem Eintritte der Verjährung zwar nicht mehr auf Befreiung der Verbindlichkeit klagen, wohl aber kann er, wenn er auf Erfüllung belangt wird, den Anspruch aus der ungerechtfertigten Bereicherung noch einredeweise geltend machen und die Er­ füllung verweigern (§ 821). Der Anspruch aus der ungerechtfertigten Bereicherung geht auf Herausgabe der Bereicherung. Herausgabe im Wort­ sinne ist freilich nur bei körperlichen Sachen möglich. Wie sich die „Herausgabe" von Rechten vollzieht, ist nach Lage des Falles zu beurteilen. Hat z. B. Jemand ein Recht an einem Grundstücke ohne rechtfertigenden Grund erworben, so kann seine Verpflichtung dahin gehen, entweder das Recht zurück­ zuübertragen oder dessen Löschung im Grundbuche zu be­ willigend) Herauszugeben ist (§ 818): 1) dasjenige, was der Bereicherte auf Kosten des Anderen erlangt hat, ferner dasjenige, was er auf Grund eines erlangten Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Ent­ ziehung des erlangten Gegenstandes erworben hat. Dagegen besteht keine Verpflichtung zur Herausgabe desjenigen, was der Bereicherte durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Erlangte bezieht; daher ist er nicht verpflichtet, den Kaufpreis herauszugeben, wenn er den Gegenstand ver­ äußert hat. 2) die gezogenen Nutzungen, nicht aber der Wert derjenigen Nutzungen, welche der Bereicherte hätte ziehen können, aber nicht gezogen hat. Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Er­ langten, weil z. B. Dienste geleistet wurden, nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde, well er z. B. den erlangten Gegenstand veräußert oder die gezogenen Nutzungen verbraucht hat, zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen. Das Äquivalent, das der Bereicherte zur Ausgleichung zu leisten hat, kann den Wert den Wert des Erlangten nicht übersteigen; besteht daher das Erlangte in der Befreiung von einer Schuld, so bildet der Wert derselben die Grenze nach o6en.2) Für die Berechnung des *) NG 51 S. 422. «) IW 1903 Beil. 1 S. 8; BlfRA 69 S. 283.

Inhalt u. Umfang des Anspruchs auf Herausgabe d. Bereicherung. 655

Wertes ist derjenige Zeitpunkt maßgebend, in welchem der Empfänger den Gegenstand, dessen Wert er ersetzen soll, er­ langt hat. Diese Regel gilt auch dann, wenn der Gegenstand der Leistung in vertretbaren Sachen bestanden hat. Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersätze des Wertes ist jedoch ausgeschlossen, soweit der Empfänger zur Zeit der Geltendmachung des Anspruchs im Wege der Klage, der Widerklage oder der Einrede nicht mehr bereichert ist. Bei Prüfung der Frage, ob eine Bereicherung noch vor­ handen ist, muß die ganze Vermögenslage des Empfängers in dem in Betracht kommenden Zeitpunkte gewürdigt werden. Ist der Gegenstand zerstört, so wird regelmäßig eine Bereiche­ rung nicht mehr vorhanden sein. Hat der Empfänger ihn verbraucht, so ist er bereichert, soferne er hierdurch andere Ausgaben, die er anderenfalls auch gemacht hätte, erspart hat. Wenn der Empfänger durch den empfangenen Gegen­ stand unmittelbar geschädigt worden ist oder wenn er für den­ selben oder zur Erzielung der Nutzungen Aufwendungen ge­ macht hat, so vermindert sich insoweit die Bereicherung.*) Ist der Empfänger zum Wertersatze verpflichtet, so kann er natür­ lich den Betrag des Schadens oder der Aufwendungen in Ab­ zug bringen. Ist er dagegen in der Läge, die Bereicherung in Natur herauszugeben, so ist die Frage, ob ihm wegen der Aufwendungen u. s. w. ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, nach den allgemeinen Grundsätzen zu beantworten. Der Änspruchsberechtigte hat das Vorhandensein der Bereicherung zu beweisen, also daß der Bereicherte den bean­ spruchten Gegenstand grundlos erlangt und die behaupteten Nutzungen gezogen hat. Sache des Bereicherten dagegen ist es, nachzuweisen, daß die Bereicherung wieder weggefallen ist. Wird der Anspruch aus der ungerechtfertigten Bereiche- Steigerung d-r rung im Wege der Klage, oder der Widerklage geltend gemacht, “ unfl so haftet der Empfänger von dem Eintritte der Rechts­ hängigkeit an nach den allgemeinen Vorschriften. Er ist von diesem Zeitpunkte an dem Rückforderungsberechtigten ohne Rücksicht auf seine Bereicherung für den Schaden ver­ antwortlich, der dadurch entsteht, daß die herauszugebende Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann. Ist eine Geldsumme herauszugeben, so hat er sie von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an2) mit 4°/0 zu verzinsen. Für die auf die Sache von diesem Zeitpunkte an gemachten notwendigen Verwendungen kann er nur nach den Vorschriften über Ge­ schäftsführung ohne Auftrag Ersatz verlangen. Endlich haftet, er jetzt nicht bloß auf Herausgabe der Nutzungen, die er tat') RG 54 S. 140. ') RG 54 S. 27.

656

Ungerechtfertigte Bereicherung.

sächlich gezogen hat, sondern hat auch für diejenigen Nutzungen Ersatz zu leisten, die er nicht gezogen hat, die er aber nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft hätte ziehen können. Selbstverständlich bleiben weitergehende Ansprüche des Rückforderungsberechtigten wegen Verzugs des Bereicher­ ten unberührt. Diese gesteigerte Haftung, die den gutgläubigen Emp­ fänger erst von dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an trifft, tritt in folgenden Fällen schon vor diesem Zeitpunkte ein: 1. Den bösgläubigen Empfänger, der also den Mangel des rechtlichen Grundes schon bei dem Empfang kennt oder ihn später erfährt, trifft die gesteigerte Haftung von dem Empfang bezw. von der Erlangung der Kenntnis an (§ 819 Abs. 1). Das Kennenmüssen steht der Kennt­ nis nicht gleich. Dagegen wird auch andererseits nicht er­ fordert, daß der Empfänger von dem Mangel des rechtlichen Grundes überzeugt sei. Wendet daher z. B. der Beklagte im Prozesse ein, daß der Kläger ungerechtfertigt bereichert sei, so trifft den letzteren von diesem Zeitpunkte an die gesteigerte Haftung, selbst wenn er die von dem Beklagten aufgestellten Behauptungen für unwahr hält. 2. Verstößt der Empfänger durch dieAnnahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfange der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet (§ 819 Abs. -2). Erlangt er von der Zweckbestimmung der Leistung erst später Kenntnis, so trifft ihn von diesem Zeitpunkte an und nicht erst von dem Zeitpunkte der Rechtshängigkeit an die gesteigerte Haftung. 3. War mit der Leistung ein Erfolg bezweckt, dessen Eintritt nach dem Inhalte des Rechts­ geschäfts als ungewiß angesehen wurde, so ist der Empfänger, falls der Erfolg nicht eintritt, zur Herausgabe so verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zur Zeit des Empfauges rechtshängig geworden wäre (§ 820 Abs. 1 Satz 1). Voraussetzung für diese strengere Haftung ist, daß der Nichteintritt des Erfolges nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts als ungewiß angesehen wurde. Hat nur der Empfänger oder nur der Leistende den Eintritt des Er­ folges als ungewiß angesehen, so trifft die gesteigerte Haftung den Empfänger erst von dem Zeitpunkte an, in welchem er von dem Nichteintritte des Erfolgs Kenntnis erlangt. 4. Das Gleiche gilt, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrunde, dessen Wegfall nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt (§ 820 Abs. 1 Satz 2).

Unerlaubte Handlungen.

657

Diese gesteigerte Haftung greift in den beiden letzt­ genannten Fällen lediglich in Ansehung der Hauptsache Platz. Soweit dagegen eine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen oder zur Herausgabe von Nutzungen in Frage kommt, ist die Haftung bis zu dem Zeitpunkte, in welchem der Empfänger erfährt, daß der Erfolg nicht eingetreten oder der Rechtsgrund weggefallen ist, eine geringere. Zinsen sind erst von der Er­ langung der Kenntnis an zu entrichten; zur Herausgabe der bis dahin gezogenen Nutzungen ist er insoweit nicht verpflichtet, als er in dem genannten Zeitpunkte nicht mehr bereichert ist (§ 820 Abs. 2 BGB). Von der Erlangung der Kenntnis des Nichteintritts des Erfolges oder des Wegfalles des Rechts­ grundes an besteht dagegen die gesteigerte Haftung im vollen Umfange.

25. Kapitel.

Hlnerlauvle Kandkungen.) § 195. 1. Einleitung. Zum Verständnis des Folgenden mag hier gleich bemerkt werden, daß in diesem Abschnitte nicht die zivilrechtlichen Folgen aller unerlaubten Handlungen behandelt werden. Da durch Art. 32 EG die besonderen Vorschriften der Reichs­ gesetze aufrecht erhalten werden, so bleiben, wie hier bei­ spielsweise erwähnt werden mag, unberührt die Bestimm­ ungen der Reichsgesetze betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst, betr. den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung und betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 9., 10. und 11. Januar 1876, des Patentgesetzes vom 7. April 1891, des Gesetzes betr. den Schutz der Gebrauchsmuster vom 1. Juni 1891, des Gesetzes zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894, des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 1. Juli 1896, des Gesetzes, betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19. Juni 1901 u. s. w. Andererseits begründet aber auch nicht jeder in diesem Abschnitte normierte, zum Schadensersatz verpflichtende Tat­ bestand eine „unerlaubte Handlung" im Wortsinne; denn die Beschädigung durch ein Tier oder der Einsturz eines Gebäudes sind ebensowenig „Handlungen", wie die widerrechtliche Schadenszufügung durch einen Angestellten für den Geschäfts­ herrn „unerlaubt" sein kann. Wenn daher der 15. Titel des ') Vgl. BlfRA 65 S. 373 ff. MüNer-Meikel, Bürgers. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

42

Unerlaubte Handlungen.

657

Diese gesteigerte Haftung greift in den beiden letzt­ genannten Fällen lediglich in Ansehung der Hauptsache Platz. Soweit dagegen eine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen oder zur Herausgabe von Nutzungen in Frage kommt, ist die Haftung bis zu dem Zeitpunkte, in welchem der Empfänger erfährt, daß der Erfolg nicht eingetreten oder der Rechtsgrund weggefallen ist, eine geringere. Zinsen sind erst von der Er­ langung der Kenntnis an zu entrichten; zur Herausgabe der bis dahin gezogenen Nutzungen ist er insoweit nicht verpflichtet, als er in dem genannten Zeitpunkte nicht mehr bereichert ist (§ 820 Abs. 2 BGB). Von der Erlangung der Kenntnis des Nichteintritts des Erfolges oder des Wegfalles des Rechts­ grundes an besteht dagegen die gesteigerte Haftung im vollen Umfange.

25. Kapitel.

Hlnerlauvle Kandkungen.) § 195. 1. Einleitung. Zum Verständnis des Folgenden mag hier gleich bemerkt werden, daß in diesem Abschnitte nicht die zivilrechtlichen Folgen aller unerlaubten Handlungen behandelt werden. Da durch Art. 32 EG die besonderen Vorschriften der Reichs­ gesetze aufrecht erhalten werden, so bleiben, wie hier bei­ spielsweise erwähnt werden mag, unberührt die Bestimm­ ungen der Reichsgesetze betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst, betr. den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung und betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 9., 10. und 11. Januar 1876, des Patentgesetzes vom 7. April 1891, des Gesetzes betr. den Schutz der Gebrauchsmuster vom 1. Juni 1891, des Gesetzes zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894, des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 1. Juli 1896, des Gesetzes, betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19. Juni 1901 u. s. w. Andererseits begründet aber auch nicht jeder in diesem Abschnitte normierte, zum Schadensersatz verpflichtende Tat­ bestand eine „unerlaubte Handlung" im Wortsinne; denn die Beschädigung durch ein Tier oder der Einsturz eines Gebäudes sind ebensowenig „Handlungen", wie die widerrechtliche Schadenszufügung durch einen Angestellten für den Geschäfts­ herrn „unerlaubt" sein kann. Wenn daher der 15. Titel des ') Vgl. BlfRA 65 S. 373 ff. MüNer-Meikel, Bürgers. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

42

Unerlaubte Handlungen.

658

BGB „unerlaubte Handlungen" überschrieben ist, so sollten damit die in diesem Titel normierten, zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestände lediglich unter einer gemeinsamen, wenn auch nicht für jeden Fall zutreffenden Bezeichnung zu­ sammengefaßt werben.1) Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei gleich hier darauf hingewiesen, daß eine unerlaubte Handlung im Sinne des BGB nicht immer auch eine strafbare Handlung sein muß. Eine Handlung kann strafbar sein, ohne im Sinne dieser Vorschriften unerlaubt zu sein, und sie kann unerlaubt sein, ohne gleichzeitig strafbar zu sein. Im Nachfolgenden wird zunächst die Haftung für eigene und hierauf für fremde unerlaubte Handlungen, sodann die Haftung für den durch Tiere und durch den Einsturz von Ge­ bäuden verursachten Schaden und endlich die Haftung der Be­ amten dargestellt. § 196.

Verletzung all­ gemeiner Rechts güter'.

2. Haftung für eigene unerlaubte Handlungen.

Das BGB statuiert zunächst fünf verschiedene Tat­ bestände von unerlaubten Handlungen, wenn auch nicht in der Weise, daß der eine Tatbestand den anderen ausschlösse. Wie im Strafrecht eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzen kann, so ist auch hier möglich, daß eine und dieselbe Handlung mehrere Tatbestände erfüllt. Selbst­ verständlich geht aber die Verpflichtung nur auf einmaligen Ersatz des verursachten Schadens. I. Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines Anderen widerrechtlich verletzt, ist dem Anderen zum Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 823 Abs. 1). Den Gegen st and einer unerlaubten Handlung bildet das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheits) das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines Anderen. Durch diese Aufzählung werden zwar das Leben, der Körper, die Gesundheit und die Freiheit nicht als selbständige Rechte er­ klärt, sie werden lediglich deshalb genannt, um Zweifel aus­ zuschließen; dagegen sind die „sonstigen Rechte" nicht auf die Vermögensrechte beschränkt. Geschützt werden vielmehr alle Rechte, welche die Rechtsordnung als solche anerkennt?) Hier­ her gehören insbesondere auch die sog. Persönlichkeitsrechte, wie das Recht auf den Namen, das Firmenrecht, das Ur­ heberrecht, die Erfinderrechte, die Rechte an Gebrauchsmustern ') Vgl. auch RG 54 S. 409 f. ’) IW 1901 S. 349; RG 48 S. 123. ') RG 51 S. 370.

Haftung für eigene unerlaubte Handlungen.

659

und Warenzeichen, das Recht auf Ausübung eines Gewerbe­ betriebs T), u. s. w- Dagegen ginge man zu weit, wenn man zu den sonstigen Rechten jedes rechtlich geschützte Interesse rechnete. Das Vermögen ist nicht als solches, sondern nur in seinen einzelnen Bestandteilen geschützt?) Was insbesondere die Forderungsrechte anlangt, so ist in der einfachen Nichterfüllung einer dem Schuldner auf Grund Vertrags oder kraft Gesetzes obliegenden Verpflichtung eine unerlaubte Handlung nicht zu erblicken. Wohl aber sann die Verletzung einer Vertragspflicht gleichzeitig den Tat­ bestand einer unerlaubten Handlung bilden, wie z. B. wenn der Mieter die Mietsache oder der Entleiher die geliehene Sache absichtlich beschädigt oder zerstört. Solchenfalls hat der Gläubiger die Wahl, ob er den Anspruch aus dem Vertrags­ verhältnis oder aus der unerlaubten Handlung geltend machen will. Zur Begründung des Anspruchs wird ferner erfordert, daß die Verletzung widerrechtlich erfolgt?) Wer ein Recht zur Vornahme der Handlung hat, handelt nicht widerrecht-, lich; doch muß er, sich innerhalb der Grenzen seiner Befug­ nisse halten. Daher ist der Lehrer, der die Grenzen seines Züchtigungsrechtes überschreitet, zum Schadensersätze nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen verpflichtet. Die Widerrechtlichkeit wird auch ausgeschlossen durch Notwehr und Notstand, sowie im Falle der erlaubten Selbsthilfe. Dagegen handelt widerrechtlich derjenige, der in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Verteidigung hinaus­ geht?) Auch in den Fällen des Notstandes und der Selbst­ hilfe wird unter Umständen eine Verpflichtung zum Schadens­ ersätze begründet; allein es gelten nicht die Vorschriften über unerlaubte Handlungen. Hat der Beschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, so wird wenigstens ihm gegenüber die Widerrechtlichkeit ausgeschlossen, selbst wenn die Handlung, wie z. B. bei der Verstümmelung zum Zwecke der Befreiung von der Militärpflicht (§ 142 StGB), strafbar sein sollte. Selbstverständlich werden durch die Einwilligung die Rechte Dritter nicht berührt. Wer z. B. Jemand auf seine Bitte oder im Duelle ^) tötet, ist dessen Hinterbliebenen gleichwohl zum Ersätze des Schadens verpflichtet. Für die Erteilung einer wirksamen Einwilligung wird im Allgemeinen das Vor­ handensein der vollen Geschäftsfähigkeit vorausgesetzt. Doch lann auch in solchen Fällen, in welchen die Einwilligung die ') ’) ') *) ’)

IW 1902 Beil. S. 228, 284. ROLG 8 S. 17. RG 51 S. 93. IW 1902 Beil. S. 192. BlsRA 63 S. 253.

660

Unerlaubte Handlungen.

Widerrechtlichkeit nicht beseitigt, die Schadensersatzpflicht um deswillen ausgeschlossen sein, weil der Täter infolge entschuld­ baren Irrtums seine Handlung für erlaubt gehalten hat. Die Verpflichtung zum Schadensersatz tritt endlich nur dann ein, wenn dem Täter Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt. Vorsatz liegt vor, wenn, der Wille des Täters auf die widerrechtliche Verletzung des Rechtes gerichtet war, Fahrlässigkeit dagegen, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat-ü Wird sich der Täter der Widerrechtlichkeit seines Tuns nicht bewußt, so wird der Vor­ satz hierdurch ausgeschlossen. Hätte er aber bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Widerrechtlichkeit kennen müssen, so haftet er immer noch wegen Fahrlässigkeit. Nur dann, wenn auch nach dieser Richtung den Täter kein Verschulden trifft, haftet er trotz der objektiven Widerrechtlich­ keit seiner Handlung nicht. Dies ist z. B. bei Überschreitung der Grenzen der Notwehr von Belangt) Fällt dem Täter Fahrlässigkeit zur Last, so ist er zum Schadensersätze ver­ pflichtet, gleichviel ob grobe oder nur leichte Fahrlässigkeit in Frage steht. Begründet jedoch die Verletzung der aus einem Schuldverhältnisse sich ergebenden Pflichteü zugleich den Tat­ bestand einer unerlaubten Handlung, so liegt trotz fahr­ lässiger oder grobfahrlässiger Verletzung fremder Rechte keine unerlaubte Handlung vor, wenn der Schuldner auf Grund des Schuldverhältnisses wegen Fahrlässigkeit oder grober Fahrlässigkeit nicht haftet. Wegen Fahr­ lässigkeit haftet derjenige nicht, dem die Haftung hierfür ver­ tragsmäßig erlassen ist. Für grobe Fahrlässigkeit hat der­ jenige aufzukommen, wer, wie z. B. der Entleiher, nur für grobe Fahrlässigkeit haftet, oder wer, wie z. B. Ehegatten im Verhältnisse zu Einander, nur für diejenige Sorgfalt einzu­ stehen hat, die et in eigenen Angelegenheiten anwendet. So­ weit hiernach die Haftung des Schuldners ausgeschlossen ist, handelt es sich aber nicht um eine Ausnahme von der Regel, daß jede Art von Fahrlässigkeit genügt; sondern eine uner­ laubte Handlung liegt deswegen nicht vor, weil insoweit von einer Widerrechtlichkeit keine Rede sein kann. Nicht erforderlich ist, daß der Täter den Eintritt des Schadens voraussah oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte voraussehen können. ^Schützgefttzen" H- Die Verpflichtung zum Schadensersätze trifft ferner denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines Anderen bezweckendes Gesetz verstößt (§ 82A Abs. 2). *) IW 1901 S. 768. °) IW 1902 Beil. S. 192, 1903 Beil. S. 115.

Haftung für eigene unerlaubte Handlungen.

661

Gesetz im Sinne dieser Vorschrift ist, wie im Sinne des BGB überhaupt, jede Rechtsnorm; daher gehören insbesondere auch die polizeilichen Verordnungen hierher. Ob das Gesetz dem Gebiete des öffentlichen Rechtes, insbesondere des Straf­ rechtes, oder dem Gebiete des Privatrechtes angehört, be­ gründet keinen Unterschieds) Aber auch da, wo ein spezielles Schutzgesetz nicht besteht, kann sich nach den Umständen aus der durch die Rechts­ ordnung gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Ge­ samtheit, auf die allgemeine Wohlfahrt oder den öffentlichen Verkehr eine Verpflichtung ergeben, der die Bedeutung einer gesetzlichen Zwangspflicht zukommt.8) So ist z. B. derjenige, welcher sein Grundstück zum öffentlichen Verkehr bestimmt und einrichtet, verpflichtet, das in einer Weise zu tun, wie es den Anforderungen der Verkehrssicherheit entspricht. Ob ein Gesetz den Schutz „eines Anderen" bezweckt, ist auf Grund des einzelnen Gesetzes selbst zu entscheiden. Bei manchen Vorschriften, wie z. B. über den Hochberrat, ist es von vornherein klar, daß sie nicht den Schutz des Einzelnen, sondern der Allgemeinheit bezwecken. Bei anderen Gesetzen steht es ebenso unzweifelhaft fest, daß sie nur den Schutz des Einzelnen bezwecken, wie z. B. die Bestimmungen des StGB über das Briefgeheimnis (§ 299 StGB) u. s. w. Wieder andere Gesetze bezwecken gleichzeitig den Schutz der Allgemein­ heit und des Einzelnen; wenn auch hier der Einzelne zugleich mit der Allgemeinheit geschützt wird, so ist doch der Nach­ druck darauf zu legen, daß das Gesetz den Schutz des Einzelnen „bezwecken" muß; entscheidend ist daher in solchen Fällen, ob der Hauptzweck des Gesetzes ist, den Einzelnen oder die All­ gemeinheit zu schützen. Mit den Gesetzen, welche den Schutz der Allgemeinheit bezwecken, sind aber nicht solche Gesetze zu verwechseln, welche, wie z. B. das Verbot des übermäßig schnellen Fahrens, in erster Linie den Schutz des Publikums bezwecken; diese letzteren bezwecken aber auch den Schutz des Einzelnen. Handelt es sich um eine Strafrechtsnorm, so ist nicht deren Stellung im Strafgesetzbuche, sondern ihr Zweck ausschlaggebend. So begründet Hausfriedensbruch ein Ver­ gehen wider die öffentliche Ordnung, es ist aber klar, daß diese Strafvorschrift den Schutz des Einzelnen, nämlich des Hausrechts bezweckt. Abgesehen von dieser Vorschrift ent­ halten solche Schutzgesetze z.B. die Bestimmungen der §§ 185 ff.,8)

') RG 54 S. 59, 370. 2) RG 54 S. 58. •) IW. 1902 Beil. S. 231; Entsch. Bd. 51 S. 371. Im Falle der Wahrung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) ist die Widerrechtlichkeit ausgeschlossen.

Unerlaubte Handlungen.

662

Kredit­ gefährdung.

330, 366 Biff. 5, IO,**) 367 Zjff. 8,2) 11,«) 12,*) 14°) und 15, § 368 Ziff. 4«) StGB; § 909 BBG?) dagegen nicht des § 1627.8) Gleichgültig ist, ob gegen das Schutzgesetz durch eine positive Handlung oder durch eine Unterlassung °) verstoßen wurde. Dagegen wird immer ein Verschulden vorausgesetzt; ist daher nach dem Inhalte des Gesetzes ein Verstoß gegen dasselbe auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatz­ pflicht nur im Falle des Verschuldens ein. Ist nur eine vor­ sätzliche Zuwiderhandlung möglich, so verpflichtet bloße Fahr­ lässigkeit nicht zum Schadensersatz, da hierdurch ein Verstoß gegen das Gesetz nicht begründet wird. Der Anspruch aus Schadensersatz steht nur demjenigen zu, dessen Schutz das Gesetz bezweckt, nicht etwa auch einem Dritten. Jedoch kann der Dritte unter Umständen den An­ spruch dann geltend machen, wenn zugleich der Tatbestand des § 823 Abs. 1 erfüllt ist. Tötet z. B. derjenige, zu dessen Gunsten ein Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen ist, den Versicherten, um sich oder einen Dritten in den Besitz der Lebensversicherungssumme zu setzen, so kann die Versicherungs­ gesellschaft Schadensersatz verlangen. Freilich wird, z. B. wenn der Versicherte im Duelle fällt, ein Anspruch der Ver­ sicherungsgesellschaft häufig deshalb nicht begründet sein, weil der Duellgegner von dem Bestehen des Versicherungsvertrags keine Kenntnis hatte und daher von einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung des Rechtes der Versicherungsgesell­ schaft keine Rede sein kann. Der Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen des Abs. 1 und Abs. 2 besteht einmal darin, daß die Schadens­ ersatzpflicht im Falle des Abs. 2 auch dann gegeben ist, wenn ein Schaden eingetreten ist, ohne daß Leben, Körper, Ge­ sundheit, Freiheit, Eigentum oder ein sonstiges Recht verletzt wurden, und ferner darin, daß sich das Verschulden des Täters nur aus die Verletzung des Schulgesetzes, nicht aber auch auf die Verletzung der fremden Rechtsgüter zu beziehen braucht. III. Ferner hat, wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche ge­ eignet ist, den Kredit eines Anderen zu gefähr­ den oder sonstige Nachteile für dessenErwerb oder ') 2) •) *) 5) •) ’) •) ’)

IW IW IW IW IW IW IW RG IW

1902 Beil. S. 271. 1902 Beil. S. 220; ROLG 2 S. 455. 1900 S. 513. 1901 S. 127, 314; 1902 Beil. S. 231. 1902 Beil. S. 231; RG 51 S. 177. 1901 S. 314. 1902 Beil. S- 231; RG 51 S. 177. 53 S. 314. 1903 Beil. 1 S. 10.

Haftung für eigene unerlaubte Handlungen.

663

Fortkommen herbeizuführen, dem Anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Un­ wahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muß (§ 824 Abs. 1). Voraussetzung der Schadensersatzpflicht ist: 1. die Behauptung oder Verbreitung einer Tatsache, welche geeignet ist, den Kredit eines Anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen. Nicht erforderlich ist, daß der Täter diese Eigenschaft kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen. 2. daß diese Tatsache unwahr ist; ist dagegen die Tat­ sache wahr, so können immerhin noch die Voraussetzungen des § 823 vorliegen. 3. daß der Täter die Unwahrheit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache nicht kennt, aber bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen. Trifft ihn nach dieser Richtung kein Verschulden, so ist zwar der Tatbestand des § 824 ausgeschlossen, wohl aber kann die Haftung auf Grund des § 823 noch begründet sein. Kennt dagegen der Täter die Unwahrheit der Tatsache, so haftet er schon gemäß § 823 Abs. 2. Dagegen wird durch eine Mitteilung, deren Unwahrheit dem Mitteilenden unbekannt ist, eine Verpflichtung zum Schadensersätze nicht begründet, wenn entweder der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat*) (§ 824 Abs. 2). Die Verpflichtung zum Schadensersätze ist hier auch dann ausgeschlossen, wenn die Unkenntnis auf Fahrlässigkeit beruht. Dagegen wird erfordert, daß der Mitteilende oder der Empfänger rein objektiv,?) nicht etwa bloß nach der subjektiven Meinung des Mitteilenden ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung hat. Nicht erforder­ lich ist, daß derjenige, über den die falsche Behauptung auf­ gestellt wird, und der Beschädigte identisch sind?) 4. Weiter ist schadensersatzpflichtig, wer eine Frauens­ person durch Hinterlist, durch Drohung oder unter ®e£Ie'®e£et Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zurG-schlkchisehre. Gestattung der außerehelichen Beiwohnung be­ stimmt (§ 825). Wenn auch keine Schwängerung erfordert wird, so muß es doch zur Vollziehung des Beischlafes ge­ kommen sein. Sonstige unzüchtige Handlungen verpflichten zum Schqdensersatze nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 oder 2 erfüllt sind. - Ferner muß die Frauens­ person durch die angegebenen Mittel zur Gestattung des Bei­ schlafes bestimmt worden sein. Mißbrauch eines Abhängig*) Wegen der Haftung von Auskunftsbureaus vgl. ROLG 8 S. 17. ’) RG 51 S. 379. ') ROLG 8 S. 17.

664

Illoyale Hand­ lungen.

Unerlaubte Handlungen.

keitsverhältnisses liegt nur dann vor, wenn bei der Über­ redung der Frauensperson auf das Abhängigkeitsverhältnis in solcher Weise Bezug genommen wird, daß dadurch ein Ein­ fluß auf die Entschließung der Frauensperson ausgeübt wird, und wenn die Frauensperson dadurch tatsächlich zu ihrem Ent­ schlüsse bestimmt oder doch mitbestimmt wirb.1) Im übrigen ist aber gleichgültig, ob die Frauensperson volljährig oder minderjährig, ledig, verheiratet oder verwitwet ist, ob sie bescholten oder unbescholten ist, ob sie eingewilligt hat oder nicht. Der Anspruch auf Schadensersatz steht lediglich der Frauensperson zu, nicht aber auch einem Dritten, z. B. ihrem Prinzipal, der sie wegen Schwangerschaft oder wegen durch Ansteckung verursachter Krankheit in seinem Geschäfte nicht verwenden und eine Aushilfe nicht erhalten konnte. IV. Zum Schadensersätze ist endlich derjenige verpflichtet, der in einer gegen die guten (Sitten2) verstoßenden Weise einem Anderen vorsätzlich Schaden zufügt (§ 826). Die Schadensersatzpflicht tritt nur ein bei vorsätzlicher Schadenszufügung; bloße Fahrlässigkeit schließt dagegen den Anspruch aus. Wohl aber genügt es, daß der Vorsatz auf die Schadenszufügung gerichtet ist; nicht erfordert wird, daß sich der Täter des Verstoßes gegen die guten Sitten bewußt wird. Ebenso wird zwar nicht erfordert, daß die schädigende Hand­ lung rechtswidrig ist; handelt aber Jemand in Ausübung eines Rechtes, so kann von einem Verstoße gegen die guten Sitten nur dann die Rede sein, wenn die Ausübung des Rechtes un­ zulässig ist, d. h. wenn sie nur den Zweck haben kann, dem Anderen Schaden zuzufügen (§ 226).3) § 826 ist insbesondere geeignet, eine Schutzwehr gegen illoyale Handlungen im geschäftlichen Verkehr zu gewähren, soweit nicht schon durch Spezialgesetze z. B. durch das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Vorsorge ge­ troffen ist.4) Auch auf dem Gebiete des Bauschwindels, wenn der Zwischenunternehmer, der sog. Strohmann, lediglich eine vorgeschobene Person ist, damit die in das Anwesen gesteckte Arbeit der Bauhandwerker nicht bezahlt zu werden braucht, wird § 826 wohltätig eingreifen. Ferner gehört der Fall hierher, daß Jemand absichtlich einen falschen Rat erteilt.3) •) ROLG 2 S. 210. 3) Bordellbetrieb RG 50 S. 228. Aufnahme kontraktbrüchiger Arbeiter (ROLG 4 S. 54; IW 1902 Beil. S. 256; 1903 Beil. 8 S. 64) und Boykottierung (RG 54 S. 258; ROLG 8 S. 18) verstößt nicht unter allen Umständen gegen die guten Sitten. •) RG 51 S. 383. Vgl. aber auch IW 1903 Beil. 14 S. 120; DIZ 1904 S. 68. *) IW 1901 S. 349; RG 48 S. 125; 51 S. 385. *) BlfRA 67 S. 504; IW 1902 Beil. 13 S. 276; 1903 Beil. 15 S. 142.

Haftung für eigene unerlaubte Handlungen.

665

Auch wenn äußerlich der Tatbestand einer unerlaubten AWw-rtiichHandlung vorliegt, wird doch unter bestimmten Voraussetzungen tett. die Verpflichtung zum Schadensersätze ausgeschlossen. Nicht verantwortlich für den verursachten Schaden ist: 1. wer im Zustande der Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem Anderen Schaden zufügt (§ 827), wie z. B. total Berauschte, Geisteskranke. Vorausgesetzt wird, daß der Betreffende in diesem Zustande den Schaden zufügt. Daher ist ein Geisteskranker für den Schaden, den er in einem lichten Augenblicke anrichtet, veranwortlich. Hat sich der Täter durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einem vorübergehenden Zustand der genannten Art versetzt, so ist er für einen Schaden, den er in diesem Zustande widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; seine Haftung ist daher ausgeschlossen, wenn die unerlaubte Handlung nur vorsätzlich begangen werden kann. Die Verantwortlichkeit tritt ferner dann nicht ein, wenn der Täter ohne sein Verschulden in den Zustand geraten ist, wenn er z. B-, ohne daß ihm hierbei ein Verschulden zur Last fällt, die berauschende Wirkung der Ge­ tränke nicht kannte. 2. wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat (§ 828 Abs. 1). Wer jedoch das siebente, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem Anderen zufügt, grundsätzlich verantwortlich; die Ver­ antwortlichkeit ist aber ausgeschlossen, wenn er, bezw. sein ge­ setzlicher Vertreter nachweist?) daß er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwort­ lichkeit erforderliche Einsicht hatte (§ 828 Abs. 2). Diese Einsicht fehlt, wenn der Minderjährige nicht diejenige geistige Reife besitzt, die ihn in den Stand setzt, das Unrecht seiner Hand­ lung gegenüber den Mitmenschen und zugleich die Verpflich­ tung zu erkennen, in irgend einer Weise für die Folgen seiner Handlung selbst einstehen zu müssen?) Tritt ein Schaden durch Unterlassung ein, so wird wohl in den meisten Fällen den Minderjährigen, selbst wenn er die erforderliche Einsicht besitzt, eine Verantwortlichkeit nicht treffen, weil die Besorgung der betreffenden Angelegenheit seinem ge­ setzlichen Vertreter zugewiesen ist. Ist z. B. im Anwesen eines Minderjährigen eine Kelleröffnung unverdeckt, sodaß daraus Gefahr für Andere entstehen kann, so ist häufig der Minder­ jährige, selbst wenn er über achtzehn Jahre alt'ist, gar nicht *) RG 51 S. 30; IW 1902 Beil. S. 200; ROLG 3 S. 287. 2) RG 53 S. 159; IW 1903 Beil. 3 S. 25; etwas anders: RG 51 S- 30; IW 1902 Beil. S. 200.

Unerlaubte Handlungen.

666

in der Lage, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, indem er z. B. einen Maurer oder Zimmermann beauftragt, da er ja nicht geschäftsfähig ist. In der gleichen Weise wie Minderjährige, welche das siebente, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, haften Taubstumme. Aber auch in den Fällen, in denen hiernach eine Ver­ antwortlichkeit nicht eintritt, trägt das Gesetz der Billigkeit Rechnung. Soweit nämlich in den genannten Fällen der Ersatz des Schadens von einem aufsichtspflichtigen Dritten nicht er­ langt werden kann, hat der an sich nicht verantwortliche Täter den Schaden insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den Vermögensverhältnisfen der Beteiligten eine Schadloshaltung erfordert und ihm nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum standesmäßigen Unter­ halte sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf (§ 829). Ob Ersatz von dem Aufsichtspflichtigen nicht erlangt werden kann, weil die Voraussetzungen für seine Haf­ tung nicht vorliegen oder weil er zahlungsunfähig ist, kommt nicht in Betracht. § 197.

3. Haftung für fremde Handlungen.

Bisher war lediglich von den eigenen unerlaubten Hand­ lungen des Täters die Rede. Unter gewissen Voraussetzungen statuiert aber das BGB eine Haftung für widerrechtliche Schadenszufügung durch Dritte, und zwar gleichviel, ob der Schaden von dem Dritten durch eine unerlaubte Handlung oder sonst widerrechtlich verursacht wurde. Haftung des Gk1. Wer einen Anderen zu einer Verrichtung Ichastsherrn, bestellt, ist zum Ersätze des Schadens verpflichtet, den der Andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten wider­ rechtlich zufügt (§ 831 Abs. 1). Unter „Verrichtungen" sind sowohl rein tatsächliche als auch Rechtshandlungen zu ver­ stehend) Vorausgesetzt wird, daß der Besteller dem Bestellten gegenüber die Stellung eines Geschäftsherrn hat; diese Stellung hat er nur dann, wenn er die erforderlichen Anordnungen für die Ausführung der Verrichtung zu erteilen hüt und wenn diesen von dem Bestellten Folge zu leisten ist. Ist dagegen von dem Bestellten eine Tätigkeit verlangt, bei deren Ausführung er nach eigenem Ermessen handeln und dasjenige vornehmen soll, was er auf Grund eigener Sachkunde und Erfahrung für zweck­ mäßig hält, so hat derjenige, der ihn zu dieser Tätigkeit ver­ anlaßt hat, nicht die Stellung eines Geschäftsherrn?) Hiernach haftet der Dienstherr für die Handlungen des Dienstpersonals, ') RG 51 S. 200. 2) RG 51 S. 201; IW 1902 Beil. S. 236.

Haftung für fremde Handlungen.

667

der Auftraggeber für die des Beauftragten, gegebenenfalls bei dem Werkvertrag der Besteller für die Handlungen des Unter­ nehmers und dieser wieder für die seiner Angestellten. Was die Haftung der juristischen Personen **) anlangt, so hat man zu unterscheiden zwischen der Haftung für Hand­ lungen ihrer Organe und ihrer sonstigen Angestellten. Für die Handlungen der ersteren haften sie auf Grund des § 31, für die Handlungen der letzteren nach Maßgabe des § 831. Das rechtliche Merkmal, das die ersteren von den letzteren unterscheidet, ist ihre Berufung zur Tätigkeit innerhalb eines Geschäftsbereiches durch die Satzung der Körperschaft, bei dem Staate und anderen öffentlich rechtlichen Körperschaften durch die ihre Verwaltungsorganisation regelnden Bestimmungen. Diejenigen Beamten und Angestellten dagegen, die nicht durch die Satzung oder die organisatorischen Verwaltungsbestimmungen zu ihrer Tätigkeit berufen sind, sondern ihren dienstlichen Auf­ trag wiederum auf diese berufenen Personen zurückführen, sind nicht Vertreter der Körperschaft und des Staates nach § 31; sie sind zu Verrichtungen im Sinne des § 831 bestellt, mögen dieselben mehr oder weniger oder gar nicht selbständig sein, mögen sie den Charakter rechtsgeschäftlicher Vertretung tragen oder nicht, und mögen sie aus einzelnen, oder einer Mehrheit von Verrichtungen, zeitlich vorübergehenden oder dauernden, bestehen. Die Haftung des Bestellers tritt aber nur dann ein, wenn der Bestellte den Schaden in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung verursacht; sie wird daher ausge­ schlossen, wenn der Schaden bloß gelegentlich der Ausführung der Verrichtung zugefügt wird. Daher haftet z. B. ein Tape­ zierer, wenn seine Gehilfen beim Tapezieren aus Unvorsichtig­ keit ein Fenster zerbrechen; er haftet aber nicht, wenn die Gehilfen in Streit geraten und im Geräufe das Fenster zer­ trümmern. Der Geschäftsherr haftet nur für den Schaden, den der Bestellte einem Dritten widerrechtlich zufügt; dagegen ist es gleichgültig, ob den Bestellten ein Verschulden trifft.2) Die Ersatzpflicht des Geschäftshern tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl3) der bestellten Person und, sofern er Verrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen *) oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat,3) bei der Be­ schaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorg­ 's S. 136; -) ’) *) 5)

RG 52 S. 276, 53 S. 280; IW 1903 Beil. 8 S. 65; Beil. 15 BlfRA 68 S. 219; ROLG 5 S. 376. RG 50 S. 65; IW 1902 Beil. S. 200; vgl. aber auch RG 49 S. 28. RG 53 S. 57. ROLG 4 S. 57; IW 1903 Beil. 2 S. 18. RG 53 S. 123; IW 1903 Beil. 2 S. 18.

668

Unerlaubte Handlungen.

falt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde (8 831 Abs. 1). Er­ fordert wird diejenige Sorgfalt, welche in dem vernünftigen und normalen Verkehre für erforderlich und genügend erachtet wird.l) Auf einen im Verkehr eingerissenen Schlendrian kann sich der Geschäftsherr nicht berufen. 2. Die gleiche Verantwortlichkeit wie dem Geschäftsherrn wird demjenigen auferlegt, der die Auswahl der zu einer Ver­ richtung bestellten Person, die Beschaffung der Verrichtungen oder Gerätschaften oder die Leitung der Verrichtungen durch Vertrag übernommen hat (§ 831 Abs. 2). Wird z. B- durch den Einsturz eines Baugerüstes eine Person verletzt, so haben die Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nachzuweisen und zwar der Bauherr bei der Auswahl des Baumeisters, der Baumeister bei der Auswahl des Poliers, bei Beschaffung des Materials und bei der Beaufsichtigung der Arbeiten, der Polier bei der Auswahl der Arbeiter und bei deren Beaufsichtigung. Wer sich nur tatsächlich, indem er z. B. die Geschäfte eines Anderen ohne Auftrag besorgt, der Besorgung unterzieht, haftet möglicherweise nach Abs. 1. Nach § 278 hat der Schuldner ein Verschulden der Per­ sonen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit be­ dient, im gleichen Umfange zu vertreten wie eigenes Ver­ schulden. § 831 findet daher nur insoweit Anwendung, als nicht die Voraussetzungen des § 278 vorliegen, also soweit nicht die Erfüllung eines kraft Gesetzes oder Vertrages be­ stehenden Schuldverhältnisses in Frage steht.?) § 831 findet daher Anwendung, wenn der Schuldner zwar zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit einen Anderen bestellt, dieser aber nicht dem Gläubiger, sondern einem Dritten widerrechtlich Schaden zu­ fügt, ferner, wenn die Erfüllung einer Verbindlichkeit über­ haupt nicht in Frage steht, wenn also z. B. Jemand einen Anderen damit betraut, einen auf der Grenze seines Grund­ stückes stehenden Baum zu fällen und dieser Andere in Aus­ führung dieser Verrichtung einem Dritten widerrechtlich Schaden zufügt. Die Haftung aus § 831 ist daher im Verhältnisse zu § 278 eine gesteigerte und eine geringere, eine gesteigerte insofern, als der Schuldner nach § 278 nur für ein „Ver­ schulden" der Gehilfen aufzukommen hat, während er hier für jeden widerrechtlich, wenn auch schuldlos zugefügten Schaden haftet, eine geringere, insofern, als er nach § 278 für ein Ver­ schulden der Gehilfen haftet, gleichviel ob er bei deren Aus­ wahl die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder nicht. *) IW 1902 Beil. S. 256; 1903 Beil. 1S. 10,12; BlfRA 68 S. 121. ') IW 1904 S. 141 Nr. 9.

Haftung für fremde Handlungen.

669

3. Wer kraft Gesetzes zur Führung der Auf- Haftung Aus­ sicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen schichtiger. Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung be­ darf, ist zum Ersätze des Schadens verantwortlich, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt (§ 832 Abs. 1). Zu den aufsichtspflichtigen Personen sind insbesondere die Eltern, die Mutter eines unehelichen Kindes, der Vormund und der Pfleger zu rechnen, soweit ihnen die Sorge für die Person zusteht, ebenso aber auch der Lehrherr hinsichtlich eines minder­ jährigen Lehrlings,2) und zwar obliegt ihm die Aufsicht auch außerhalb des Gewerbebetriebs?) Soweit dagegen zwar eine gesetzliche Aufsichtspflicht, aber nicht aus den angegebenen Gründen besteht, tritt die Haftung nicht ein. Ob die zu be­ aufsichtigende Persyn für den Schaden ebenfalls haftbar ist, kommt nicht in Betracht. Für die Begründung der Haftung genügt jede widerrechtliche, wenn auch schuldlose Schadens­ zufügung durch den zu Beaufsichtigenden?) Die Ersatzpflicht tritt jedoch nicht ein, wenn der Auf­ sichtspflichtige seiner Aufsichtspflicht genügt hat. Wann diese Voraussetzung gegeben ist, kann nur nach Lage des einzelnen Falles entschieden werdens; denn daß ein achtjähriges Kind mehr beaufsichtigt werden muß, als ein zwanzigjähriger Bursche, liegt auf der Hand. Die Ersatzpflicht tritt ferner dann nicht ein, wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde. Selbstverständlich kommt es nicht gerade darauf an, ob eine genügende Beaufsichtigung gerade hinsicht­ lich der schädigenden Handlung stattgefunden hat, die Haftung ist vielmehr schon dann ausgeschlossen, wenn der Aufsichts­ pflichtige „im allgemeinen" die zur Beaufsichtigung erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. 4. Wie der kraft Gesetzes zur Aufsicht Verpflichtete haftet auch derjenige, welcher die Führung der Aufsicht durch Ver­ trag übernimmt (§ 832 Abs. 2), wie z. B. Hofmeister, Vor­ steher einer Irrenanstalt u. dgl. Es fragt sich noch, ob die nach §§ 831, 832 haftpflichtigen Personen sich auf die in den §§ 827, 828 genannten Gründe, welche ihre Verantwortlichkeit ausschließen, berufen können und ob ihre Haftung gleichwohl im Falle des § 829 aus Billigkeitsrücksichten eintritt. Die Anwendbarkeit des § 829 ist schon seinem Wortlaute nach zu verneinen; *) 2) •) ‘) 5)

ROLG 2 458; 3 S. 23. RG 52 S. 73; IW 1902 Beil. S. 257. IW 1902 Beil. S. 865. RG 50 S. 65; IW 1902 Beil. S. 200. RG 52 S. 73.

670

Unerlaubte Handlungen.

denn er will bloß in den Fällen der §§ 823—826 an­ gewendet werden. Dagegen erscheint die Anwendbarkeit der §§ 827, 828 wenigstens nicht schlechterdings ausgeschlossen, sondern analoge Anwendbarkeit geboten; denn auch in den Fällen der §§ 831, 832 wird ein Verschulden des Haft­ pflichtigen vorausgesetzt; nur muß nicht, wie sonst, dem Haft­ pflichtigen das Verschulden nachgewiesen werden, sondern dieser kann durch den Nachweis, daß ihn kein Verschulden trifft, sich von der Haftung befreien. Dieser Umstand spricht für die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 827, 828. Diese An­ wendbarkeit ist aber nur eine entsprechende. Wenn daher nach § 1714 die Mutter eines unehelichen Kindes kraft Gesetzes das Recht und die „Pflicht" hat, für die Person des Kindes zu sorgen, so kann sich dieselbe, wenn sie noch nicht achtzehn Jahre alt ist, nicht darauf berufen, daß sie die zur Erkenntnis ihrer Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht nicht gehabt habe.

§ 198. 4. Haftung für den durch Tiere verursachten Schaden. Das Halten von Tieren, und zwar auch von Haustieren ist immer mit einer gewissen Gefahr für Andere verbunden. Ein teilweiser Schutz ist schon durch die Vorschriften des Reichs­ strafgesetzbuches gegeben: Wer nämlich Tiere in Städten oder Dörfern, auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen oder anderen Orten, wo sie durch Ausreißen, Schlagen oder auf andere Weise Schaden anrichten können, mit Vernachlässigung der erforderlichen Sicherheitsmaßregeln stehen läßt oder führt (§ 366 Ziff. 5), ferner wer ohne polizeiliche Erlaubnis ge­ fährliche wilde Tiere hält oder bösartige Tiere frei umher­ laufen läßt oder in Ansehung ihrer die erforderlichen Vor­ sichtsmaßregeln zur Verhütung von Beschädigungen unterläßt (§ 367 Ziff. 11), der macht sich nicht allein strafbar, sondern verstößt zugleich gegen ein den Schutz eines Anderen be­ zweckendes Gesetz und ist daher, wenn ihn ein Verschulden trifft, schon nach § 823 Abs. 2 für den entstehenden Schaden verantwortlich. Unter gewissen Voraussetzungen besteht aber eine strengere Haftung.' Halten von Tieren.

Vorausgesetzt wird, daß durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesund­ heit eines Menschen verletzt oder eine Sache be­ schädigt wird (§ 833). Durch das Tier ist der Schaden verursacht, wenn eine willkürliche Handlung des Tieres den schädigenden Erfolg herbeigeführt hat, nicht aber auch dann, wenn es bei der schadenstiftenden Handlung dem Willen eines Anderen, z. B. des Kutschers, gehorcht, wenn es lediglich ein

Haftung für den durch Tiere verursachten Schaden.

671

Werkzeug in dessen Hand ist1), oder wenn ein äußeres Er­ eignis auf den Körper oder die Sinne des Tieres einwirkt, dem Tiere der in Frage kommenden Art nach physiologischen Gesetzen nicht widerstehen können, und wenn das Tier in diesem Zu­ stande Schaden anrichtet?) Daß die Beschädigung durch unmittelbare Einwirkung des Tieres entstanden ist, wird nicht erfordert; vielmehr genügt es, daß die Beschädigung mit einer Kraftentfaltung des Tieres int ursächlichen Zusammenhang steht?) Hierbei macht es aber keinen Unterschied, ob das Tier entgegen den Gewohnheiten seiner Art den Schaden zugefügt hat oder ob dies nicht der Fall war, ferner ob es den Schaden aus eigenem Antrieb oder deshalb verursacht hat, weil es von einem Anderen gereizt wurdet) ob Vorsichtsmaßregeln zur Ver­ hütung des Schadens getroffen oder außer Acht gelassen worden waren. Zum Schadensersätze verpflichtet ist derjenige, der das Tier hält. Für den Halter des Tieres ist der­ jenige zu erachten, der in eigenem Interesse durch Gewährung von Obdach und Unterhalt die Sorge für das Tier übernom­ men hat, und zwar nicht bloß zu einem vorübergehenden Zwecke, sondern für einen Zeitraum von gewisser Dauer?) Ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht, ist belanglos ; daher haftet er auch dann, wenn ein Dritter das Tier hetzt; freilich wird dann in der Regel der Dritte mit haftbar sein. Trifft den Verletzten selbst ein Verschulden, so kann eine Abgleichung beiderseitigen Verschuldens, wie es § 254 gestattet, wenigstens dann nicht stattfinden, wenn den Tierhalter kein Verschulden trifft. Immerhin findet auch in diesem Falle § 254 wenigstens entsprechende Anwendung; der Richter hat daher nach den Umständen des Falles zu ermessen, inwieweit es recht und billig sei, dem Verletzten den Ersatz des vollen Schadens oder eines Teiles oder auch nicht zuzusprechen?) Jedenfalls ist eine Haftung des Tierhalters dann ausge­ schlossen, wenn das Verschulden des Verletzten die ausschließliche Ursache des Schadens bildet?) Da § 254 Geschäftsfähigkeit nicht voraussetzt, so findet die Vorschrift des § 828 Abs. 2 auf verletzte Personen Anwendung, welche das siebente, aber *) IW 1902 Beil. S. 201; 1903 Beil. 7 S. 61; RG 50 S. 181, 221; 54 S. 74; aM SA 56 S. 223. ') IW 1903 Beil. 7 S. 61; vgl. auch RG 54 S. 408. ') IW 1902 Beil. S. 214; RG 50 S. 221. *) IW 1903 Beil. 5 S 42. ’) RG 52 S. 117; 55 , so er­ hielte der frühere dritte Hypothekengläubiger 4000 jH>, und der zweite die restigen 5000 Jb, während der frühere erste Hypo­ thekengläubiger mit seiner Hypothek durchfiele. Aus dein auf­ gestellten Grundsätze ergibt sich weiter, daß, wenn das vor­ tretende Recht wegfällt, die nachfolgenden Rechte nicht nach­ rücken, sondern das zurückgetretene Recht wieder seine frühere Stelle einnimmt, wie wenn eine Rangänderung niemals statt­ gefunden hätte. Daß der dem vortretenden Rechte eingeräumte Rang auch dadurch nicht verloren geht, daß das zurück­ tretende Recht durch Rechtsgeschäft aufgehoben wird, beruht auf positiver gesetzlicher Vorschrift (§ 880 Abs. 4); wohl aber geht dieser Rang verloren, wenn das zurücktretende Recht aus anderen Gründen, als infolge rechtsgeschäftlicher Aufhebung, z. B. wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung erlischt. Rangvorbchait. Wie bei dem Rangrücktritt die Beteiligten, so kann auch der Eigentümer allein den Rang abweichend von der ge­ setzlichen Rangordnung bestimmen. Er kann sich nämlich bei der Belastung des Grundstückes mit einem Rechte die Befugnis Vorbehalten, ein anderes, dem Um­ fange nach bestimmtes Recht mit dem Range vor *) ROLG 8 S. 106.

Rang der Rechte an Grundstücken.

713

jenem Rechte eintragen zu lassen — Rangvorbehalt (§ 881). Der Vorbehalt bedarf der Eintragung in das Grund­ buch; die Eintragung muß bei dem Rechte erfolgen, das zurück­ treten soll. Während der Rangrücktritt die Einigung des zurück­ tretenden und vortretenden Berechtigten voraussetzt, stellt sich der Rangvorbehalt als einseitige Befugnis des Eigentümers dar. Von dieser Befugnis -kann er aber nur bei der Belastung des Grundstücks mit dem Rechte, das den Nachrang erhalten soll, Gebrauch machen, und zwar, da die Belastung sich nicht schon mit der Bestellung, sondern erst durch Eintragung und Einigung vollzieht, solange als nicht diese beiden Erfordernisse erfüllt sind. Solange die Eintragung nicht erfolgt ist, kann sich der Eigentümer den Rang selbst dann noch Vorbehalten, wenn er dies bei der Bestellung des Rechtes, das nunmehr den Nachrang erhalten soll, nicht getan hätte; freilich kann hieraus dem Berechtigten, dem ein bestimmter Rang eingeräumt wurde, das Recht erwachsen, die Einräumung des ihm zukommenden Ranges zu verlangen. Ist die Eintragung des Rechtes vor erfolgter Einigung ge­ schehen , so ist der Eigentümer zwar nach dem materiellen Rechte befugt, sich den Vorrang für ein noch einzutragendes Recht vorzubehalten, allein der Grundbuchrichter darf nach den Vorschriften des § 19 GO den Rangvorbehalt nur dann eintragen, wenn derjenige, für den das Recht eingetragen ist, zustimmt. Wird das Grundstück veräußert, so geht die vorbehaltene Befugnis auf den Erwerber über (§ 881 Abs. 3). Hat der Eigentümer von dem Rangvorbehalt Gebrauch gemacht, so behält das Recht, dem der Vorrang eingeräumt ist, den Vorrang gegenüber allen Rechten, die später einge­ tragen werden. Ist dagegen das Grundstück vor der Ein­ tragung des Rechtes, dem der Vorrang beigelegt ist, mit einem Rechte ohne einen entsprechenden Vorrang belastet worden, so hat der Vorrang insoweit keine Wirkung, als das mit dem Vorbehalt eingetragene Recht infolge der inzwischen einge­ tretenen Belastung eine über den Vorbehalt hinausgehende Beeinträchtigung erleiden würde (§ 881 Abs. 4), m. a. W. einem Rechte gegenüber, das eingetragen wird, bevor der Eigentümer von dem Rangvorbehalt Gebrauch gemacht hat, wirkt der Vorbehalt nur dann, wenn sich der Eigentümer auch bei der Belastung des Grundstücks mit diesem Rechte die Be­ fugnis der Vorrangeinräumung Vorbehalten hat. Auch hier kommt es lediglich auf den Zeitpunkt der Belastung des Grund­ stücks, nicht auf den der Bestellung des Rechtes an. Ist z. B. für A an erster Stelle eine Hypothek von 10000 Jk mit dem Vorbehalte des Vorranges für eine später einzutragende Hy­ pothek von 10000 Jk, an zweiter Stelle für B eine Hypothek von 100 Jk ohne Vorbehalt, an dritter Stelle für C die vor-

714

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.

behaltene Hypothek eingetragen und sind bei der Zwangsver­ steigerung 20000 Jb auf die drei Hypotheken zu verteilen, so erhält C vermöge seines Vorranges vor X die auf diesen fallenden 10000 Jb1, doch muß er sich, da sein Vorrang nur gegenüber diesem, nicht auch gegenüber B wirkt, den Abzug der auf B treffenden 100 Jb gefallen lassen; denn diesem gegenüber ist er nicht erster, sondern dritter Hypothekengläubiger. Er er­ hält daher nicht die vollen 10000 Jb, sondern nur 9900 Jb, B erhält 100 Jb, während A mit 10000 Jb zum Zuge kommt. Wären nur 11000 Jb zu verteilen, so erhielte A 1000 Jb, B 100 Jb und C 9900 Jb. Stünden endlich nur 10000 Jb oder noch weniger zur Verfügung, so erhielte diesen Betrag C, während A und B durchfielen. § 215.

Vormerkungen.

Unter „Eintragungen" im weiteren Sinne versteht man vorläufige E?n- alle Einschreibungen in das Grundbuch ohne Rücksicht auf ihre ttagungen. Veranlassung oder ihren Zweck. Zu den „Eintragungen" im engeren Sinne rechnet man dagegen nur diejenigen Ein­ schreibungen, welche den Eintritt einer Rechtsänderung zum Inhalte haben, wobei es gleichgültig ist, ob die Eintragung zur Herbeiführung der Rechtsänderung miterforderlich ist (§ 873, 875), oder ob durch die Eintragung eine bereits ein­ getretene Rechtsänderung im Grundbuche zum Ausdrucke ge­ bracht werden soll, wie z. B. wenn der Erbe als Eigentümer eines zur Erbschaft gehörenden Grundstücks eingetragen wird. Diese Eintragungen im engeren Sinne heißt man auch defini­ tive Eintragungen. Im Gegensatz hierzu stehen die bloß vorläufigen Eintragungen, welche wieder in die Vor­ merkungen und in die Widersprüche zerfallen. Die Wider­ sprüche können erst später erörtert werden. Unter Vormerkungen versteht man Eintragungen in ®e6metrung$or' *)ct§ Grundbuch, welche die Sicherung bestimmter Ansprüche bezwecken. Eine Vormerkung kann nämlich eingetragen werden zur Sicherung des Anspruchs a. auf Einräumung eines Rechtes an einem Grund­ stücke oder an einem das Grundstück belastenden Rechte, z. B. auf Übertragung des Eigentums,*) auf Bestellung einer Grund­ dienstbarkeit oder Hypothek,2) auf Bestellung eines Pfandrechtes an einer Hypothek) u. dgl. b. auf Aufhebung eines Rechtes an einem Grund­ stücke oder an einem das Grundstück belastenden Rechte, z. B. *) ROLG 6 S. 122, 263; RG 55 S. 343. *) ROLG 3 S. 3; 7 S. 367; nicht aber von Zwangs- und Arrest­ hypotheken EFG 2 S. 93.

Vormerkungen.

715

auf Löschung, einer Hypothek,^) auf Entlassung eines Grund­ stückteiles aus dem Hypothekenverbande,2) u. dgl. c. auf Änderung des Inhaltes solcher Rechte. So kann z. B. die Verpflichtung des Eigentümers, eine Hypothek, falls sie ihm zufällt, für eine andere Forderung zu bestellen, vorgemerkt werben.8) d. auf Änderung des Ranges solcher Rechte. Es muß sich aber immer um Rechte an Grundstücken oder an das Grundstück belastenden Rechten handeln; dagegen ist die Eintragung einer Vormerkung ausgeschlossen, wenn ein reines Schuldverhältnis in Frage steht, wenn sich z. B. der Eigentümer unter gewissen Voraussetzungen zum Abschlüsse eines Pachtvertrags verpflichtet. Nur solche Ansprüche können durch Eintragung einer Vormerkung gesichert werden, deren Erfüllung in einer endgültigen Eintragung besteht. Ist also eine definitive Eintragung des vorzumerkenden Rechtes aus­ geschlossen, so ist auch seine Sicherung durch Eintragung einer Vormerkung unzulässig.8) Fälligkeit des Anspruchs, zu dessen Sicherung eine Vor­ merkung eingetragen werden soll, wird nicht vorausgesetzt. Die Eintragung einer Vormerkung ist auch zur Sicherung eines bedingten oder künftigen Anspruchs zulässig. Die Eintragung einer Vormerkung erfolgt:Grundlage» .der a. auf Grund einer Bewilligung desjenigen, dessen Vormerkung. Grundstück oder Recht von der Vormerkung betroffen wird (§ 885). Nach § 895 CPO gilt, wenn durch vorläufig vollstreckbares Urteil der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt wurde, auf Grund deren eine Ein­ tragung in das Grundbuch, z. B. die Eintragung oder Löschung einer Dienstbarkeit, erfolgen soll, die Eintragung einer Vor­ merkung als bewilligt. b. auf Grund einer einstweiligen Verfügung. Für die Anordnung derselben und das weitere Verfahren sind die Vorschriften der §§ 935 ff. CPO maßgebend. Nur insofern besteht eine Ausnahme, als zur Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht erforderlich ist, daß eine Gefährdung des zu sichernden Anspruchs glaubhaft gemacht wird (§ 885); die bloße Glaubhaftmachung des Anspruchs genügt. Die Eintragung erfolgt entweder auf Antrag desjenigen, der die einstweilige Verfügung erwirkt hat (§§ 13 ff. GO), oder aus Grund Er­ suchens des Gerichts, das die einstweilige Verfügung erlassen hat (§ 941 CPO). *) •) •) *) ‘)

vgl. jedoch ROLG 6 S. 123. ROLG 4 S. 23; SA 57 Nr. 36. ROLG 6 S. 150. vgl. ROLG 4 S. 292. RG 55 S. 273.

716

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.

c) von Amtswegen. Werden nämlich mehrere Ein­ tragungen beantragt, durch die dasselbe Recht betroffen wird, und steht der Erledigung des früher gestellten Antrags ein Hindernis entgegen, so ist zu dessen Gunsten von Amtswegen eine Vormerkung einzutragen (§ 18 GO). d) auf Grund einer einstweiligen Anordnung des Beschwerdegerichts. Wird nämlich gegen den ab­ schlägigen Bescheid des Grundbuchamts Beschwerde eingelegt, so kann das Beschwerdegericht vor der Entscheidung durch einstweilige Anordnung dem Grundbuchamt aufgeben, eine Vormerkung einzutragen (§ 76 GO). Die wichtigsten Wirkungen der Vormerkung sind: a) Eine Verfügung, die nachi) der Eintragung der Vormerkung über das Recht oder das Grund­ stück getroffen wird, ist insoweit unwirksam, als sie den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Dies gilt auch dann, wenn die Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Konkursverwalter erfolgt (§ 883 Abs. 2). Wenn daher auch der Schuldner trotz der Eintragung der Vormerkung über sein Recht verfügen kann, so braucht der Vormerkungsberechtigte die Verfügung nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn und soweit sie den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde; denn insoweit ist die Verfügung unwirksam. Deshalb kann er, so­ weit der Erwerb eines eingetragenen Rechtes oder eines Rechtes an einem solchen Rechte ihm gegenüber unwirksam ist, von dem Erwerber die Zustimmung zu der Eintragung oder der Löschung verlangen, die zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist (§ 888 Abs. 1). Hat z. B. der Bauunternehmer A für seine Forderung nach § 648 auf dem Grundstücke des B eine Vormerkung eintragen lassen, so kann er, wenn nach der Eintragung der Vormerkung das Grundstück dem C aufgelassen wurde, von C dessen Zu­ stimmung zur Umwandlung der Vormerkung in eine Sicherungs­ hypothek verlangen. Er bedarf also der Eintraguügsbewilligung des B. Erteilt sie ihm dieser nicht freiwillig, so muß er sie gegen ihn im Prozeßwege erstreiten; daß C ihm die Ein­ tragungsbewilligung des B verschaffe, kann er nicht verlangen. Verweigert C seine Zustimmung, so kann ihn A auf Erteilung derselben verklagen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob bereits B seine Eintragungsbewilligung erteilt hat oder dazu rechtskräftig verurteilt ist. C kann dann in dem gegen ihn gerichteten Rechtsstreite alle diejenigen Einreden vorbringen, welche dem *) ROLG 1 S. 410.

Vormerkungen.

717

persönlichen der Vormerkung zu gründe liegenden Rechtsver­ hältnisse entspringen?) b) Findet die Zwangsvollstreckung in das Grund­ stück statt, so ist bei der Berechnung des geringsten Gebotes, durch welches die dem Ansprüche des Beschlagnahmegläubigers im Range vorgehenden Rechte gedeckt werden müssen, ein Recht, das durch Eintragung einer Vormerkung gesichert ist, wie ein eingetragenes Recht zu berücksichtigen (§ 48 ZVG). c) Wird ein Recht, das durch Vormerkung gesichert ist, später wirklich eingetragen, so bestimmt sich sein Rang nicht nach der Eintragung des Rechtes, sondern nach der Eintragung der Vormerkung (§ 883 Abs. 3). Hat daher z. B. ein Bau­ handwerker für seine Bauforderung auf Grund einer einst­ weiligen Verfügung eine Vormerkung an zweiter Stelle erwirkt und wird dann später die Sicherungshypothek definitiv ein­ getragen, so hat die Hypothek zweiten Rang, mögen auch in der Zeit zwischen der Eintragung der Vormerkung und der Eintragung der Sicherungshypothek noch andere Rechte ein­ getragen worden sein. d) Hat der Erbe des Verpflichteten die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß herbeigeführt, so kann er sich auf die Beschränkung seiner Haftung insoweit nicht berufen, als der Anspruch durch die Vormerkung gesichert ist (§ 884). Vorausgesetzt wird jedoch, daß die Vormerkung noch zu Leb­ zeiten des Erblassers eingetragen wurde. Hat daher ein Bau­ unternehmer gegen den Erblasser eine Bauforderung von 10000 jK» und hat er für einen Betrag von 8000 Jt eine Vormerkung erwirkt, so kann sich der beschränkt hastende Erbe nur für den Betrag von 2000 Jfc auf die Beschränkung seiner Haftung berufen, dagegen nicht auch für den durch die Vor­ merkung gesicherten Betrag von 8000 JL Diese Wirkungen treten ein, auch wenn im Grundbuch nicht gerade den Ausdruck „Vormerkung" gebraucht wird, oder wenn die Vormerkung in einer anderen als der hiefür bestimmten Abteilung des Grundbuchblattes eingetragen ist; es genügt, daß sich aus dem Inhalt der Eintragung ergibt, zur Sicherung welcher Art von Rechten sie dienen soll?) Derjenige, dessen Grundstück oder Recht von der Vor- Anspruch auf merkung betroffen wird, kann von dem Gläubiger die Beseiti- $soS?unger gung der Vormerkung verlangen, wenn der Anspruch entweder überhaupt nicht entstanden oder wieder erloschen ist. Den gleichen Anspruch hat er aber auch dann, wenn ihm eine Einrede zusteht, durch welche, wie z. B. durch die Einrede der *) RG 53 S. 28. ’) RG 55 .S. 343 f.

718

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.

Verjährung, die Geltendmachung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dauernd ausgeschlossen wird (§ 886). Ist der Gläubiger, dessen Anspruch durch die Vormerkung gesichert ist, unbekannt, so kann er im Wege des Aufgebots­ verfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden, wenn seit der letzten, sich auf die Vormerkung beziehenden Eintragung in das Grundbuch zehn Jahre verstrichen sind und das Recht des Gläubigers nicht innerhalb dieser Frist von dem Eigen­ tümer durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkannt worden ist. Besteht für die Forderung eine nach dem Kalender bestimmte Zahlungszeit, so beginnt die Frist nicht vor dem Ablaufe des Zahlungstags. Mit der Erlassung des Ausschlußurteils erlischt die Wirkung der Vormerkung (§ 887); die tatsächliche Löschung wird hier nicht gefordert. Ist endlich auf Grund einer einstweiligen Verfügung oder auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils eine Vor­ merkung nach den Bestimmungen der Reichscivilprozeßordnung eingetragen worden, so bedarf es zur Löschung der Vormerkung der Bewilligung des Berechtigten nicht, wenn die einstweilige Verfügung oder das vorläufig vollstreckbare Urteil durch eine vollstreckbare Entscheidung aufgehoben ist (§ 25 GO).

§ 216. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs. Da zum Erwerbe eines Rechtes an einem Grundstücke oder eines Rechtes an einem solchen Rechte die bloße Ein­ tragung des Rechtes in das Grundbuch ebensowenig genügt wie zur Aufhebung eines solchen Rechtes dessen Löschung im Grundbuche, zumal Eintragung und Löschung lediglich auf Grund einseitiger Eintragungs-, bezw. Löschungsbewilligung erfolgen, so entspricht der Inhalt des Grundbuches nicht in allen Fällen der wirklichen Rechtslage. Doch widerspräche auch eine Vorschrift, daß, wer sich auf ein im Grundbuch einge­ tragenes Recht oder auf die Aufhebung eines im Grundbuche gelöschten Rechtes beruft, sämtliche Erfordernisse der Entstehung oder Aufhebung des Rechtes nachweisen müßte, dem Zwecke des Grundbuchs. Das Gesetz knüpft deshalb an die Eintragung und die Löschung Rechtsvermutungen: Vermutung der „ ») 's st ' “ Grundbuch für Jemand ein Richtigkeit des Recht eingetragen, so wird vermutet, daß Grundbuchs. das Recht zustehe; ist im Grundbuche ein eingetragenes Recht gelöscht, so wird vermutet, daß das Recht nicht bestehe (§ 891). Zum Nachweise des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes genügt daher die Bezugnahme auf den Inhalt des Grundbuchs. Sache der Gegenpartei ist es dann, die hierdurch begründete Vermutung

Der öffentliche Glaube des Grundbuchs.

719

durch Gegenbeweis zu entkräften. Ist daher z. B. für Jemand eine Grunddienstbarkeit oder Hypothek eingetragen, so muß derjenige, welcher die Entstehung dieser Rechte bestreitet, nach­ weisen, daß die zum Erwerb derselben erforderliche Einigung nicht erfolgt ist. Auf die Vermutung des § 891 kann sich nicht nur derjenige berufen, für den ein Recht eingetragen ist oder zu dessen Gunsten das Recht gelöscht ist, sondern über­ haupt jeder, der das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtes zu beweisen hat.Z Diese Vermutung greift selbst dann Platz, wenn ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Inhalts des Grundbuchs eingetragen ist. Ob die Eintragung oder die Löschung des Rechtes vor oder nach der Anlegung des Grund­ buchs erfolgt ist, begründet für die Anwendbarkeit der im § 891 ausgesprochenen Vermutung keinen Unterschied. Die Vermutung gilt auch dann, wenn aus Versehen für dasselbe Grundstück mehrere Grundbuchblätter bestehen und z. B. verschiedene Eigentümer eingetragen sind; im Verhältnis der beiden Eigentümer zu einander heben sich freilich die beiden Vermutungen auf; aber Dritten gegenüber kann sich jeder Eigentümer auf seine Eintragung berufen. b) Die Bedürfnisse des Verkehrs erheischen aber einen Noch weitergehenden Schutz; sie erfordern, daß dem Grund- Grundbuchs, buche öffentlicher Glaube beigelegt wird, so daß derjenige, der im Vertrauen auf die Richtigkeit des Inhalts des Grund­ buchs rechtsgeschäftlich tätig wird, sich hierauf verlassen kann, ohne Rücksicht darauf, ob der Inhalt des Grundbuchs auch der wirklichen Rechtslage entspricht.

Der Schutz des öffentlichen Glaubens des Grund­ buchs besteht I. für den rechtsgefchäftlichen Erwerb von Rechten an Grundstücken und von Rechten an einem solchen Rechte, II. für Leistungen auf Grund eingetragener Rechte und für solche nicht schon unter Ziff. I fallende Rechtsgeschäfte, die eine Verfügung über eingetragene Rechte enthalten. Zu I. Der Schutz des öffentlichen Glaubens des ^Rechtsgeschäft. Grundhuchs ist auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb ‘ von Rechten an einem Grundstück und von Rechten an solchen Rechten beschränkt. Geschützt wird nur der Erwerb von „Rechten an einem Grundstück und von Rechten an einem solchen Rechte". Nicht geschützt ist daher der Erwerb bloß obligatorischer Ansprüche; daher kann sich der Käufer eines Grundstücks auf den öffent­ lichen Glauben des Grundbuchs nicht berufen, solange seine *) ROLG 8 S. 186.

720

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.

Eintragung nicht erfolgt ist. Aus dem gleichen Grunde kann auch derjenige, zu dessen Gunsten eine Vormerkung eingetragen wird, den öffentlichen Glauben des Grundbuchs für sich nicht in Anspruch nehmen; denn die Vormerkung bezweckt lediglich die Sicherung des Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung dinglicher Rechte, also eines bloß persönlichen Anspruchs; da­ gegen wird ein dingliches Recht durch die Vormerkung nicht erworben. Gleichgültig ist, ob zu dem Erwerb des Rechtes außer der Einigung auch die Eintragung des Rechtserwerbs in das Grundbuch erfordert wird, wie z. B. zum Erwerb des Eigentums an einem Grundstücke (§ 925), oder ob einer der Ausnahmefälle vorliegt, in welchen, wie z. B. bei der Abtretung einer Briefhypothek (§ 1154), die Eintragung nicht erforderlich ist. Gleichgültig ist ferner, ob der Erwerb gegen Entgelt oder unentgeltlich erfolgte; jedoch hat in letzterem Falle derjenige, welcher infolge des öffentlichen Glaubens des Grundbuches einen Rechtsverlust erleidet, gegen den Erwerber einen per­ sönlichen Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung (§ 816). Einem anderen Erwerbe, als dem rechtsgeschäftlichen steht der Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs nicht zur Seite. Nicht geschützt wird daher: 1. der im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arre st Vollziehung gemachte Erwerb. Hat z. B. Jemand eine Hypothekforderung pfänden und sich zur Einziehung über­ weisen lassen, so kann ihm trotz der Eintragung im Grund­ huche entgegen gehalten werden, daß die Forderung, für welche die Hypothek bestellt wurde, nicht zur Entstehung gelangt sei. 2. der kraft Gesetzes gemachte Erwerb. Hierher gehört insbesondere der Erwerb auf Grund Erbrechts oder ehelichen Güterrechts. Ist z. B. eine für den Erblasser ein­ getragene Hypothek nicht zur Entstehung gelangt, so kann sich der Erbe nicht darauf berufen, daß er die Unrichtigkeit des Inhalts des Grundbuchs nicht gekannt habe. 3. der Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung. Dieser vollzieht sich nach den besonderen Vorschriften des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung vom 24. März 1897, insbesondere der §§ 90 ff. 4. der Erwerb durch Zwangsenteignung, für welchen die landesrechtlichen Vorschriften maßgebend sind (Art. 109 EG). Wohl aber kann sich in allen diesen Fällen derjenige auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen, auf welchen ein solcher an sich nicht geschützter Erwerb durch Rechtsgeschäft übertragen wird. Die Wirkungen des öffentlichen Glaubens des Grund­ buchs sind nach § 892 die, daß zu Gunsten desjenigen, welcher ein Recht an einem Grundstück oder ein

721

Der öffentliche Glaube des Grundbuchs.

Recht an einem solchen Rechte durch Rechtsgeschäft erwirbt, der Inhalt des Grundbuchs als richtig gilt. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs äußert sich sohin nach einer positiven und nach einer negativen Richtung. Die positive Seite zeigt sich darin, daß der Inhalt des Grundbuchs zu Gunsten des Erwerbers als richtig gilt. Ein­ getragene Rechte gelten nach Maßgabe der Eintragung als bestehend, gelöschte Rechte als nicht mehr bestehend. Erwirbt z. B. „Jemand eine im Grundbuch eingetragene Hypothek durch Übertragung, so kann ihm der Eigentümer des Grund­ stücks nicht entgegenhalten, daß die Hypothek Mangels Eini­ gung nicht zur Entstehung gelangt sei. War ferner ein Grund­ stück zu Gunsten des A mit einer Grunddienstbarkeit belastet, so kann A, wenn die Grunddienstbarkeit gelöscht wurde, nicht einem späteren Erwerber des Grundstücks gegenüber geltend machen, daß die Löschung zu Uürecht erfolgt sei. Die negative Seite besteht darin, daß dem Erwerber eines Rechtes die Vollständigkeit des Inhalts des Grundbuchs gewährleistet wird. Was nicht eingetragen ist, braucht er nicht gegen sich gelten zu lassen. Der Inhalt des Grundbuchs kommt aber nur insofern in Betracht, als das Grundbuch bestimmt ist, Auskunft zu geben. Daher werden durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht gedeckt a) rein tatsächliche Angaben *) z. B. über die Größe des Grundstücks, dessen Bebauung, u. s. w.; denn wenn z. B. das Grundbuch angibt, daß auf einem Grundstücke ein Haus stehe, so wird durch das Grundbuch nicht gewährleistet, daß das Haus schon vollständig oder noch auf dem Grundstück steht; ist ferner ein Grundstück genau bezeichnet, so wird es infolge falscher Angabe seines Flächeninhalts im Grundbuch weder größer noch kleiner. Ebensowenig gibt natürlich das Grund­ buch darüber Auskunft, daß die Person, mit welcher ein Rechts­ geschäft abgeschlossen wird, auch wirklich der Berechtigte ist. Ist z. B. für A eine Hypothek eingetragen und tritt B mit der Angabe, er sei der A, diese Hypothek an C ab, so kann sich C für seinen Erwerb nicht auf den Inhalt des Grund­ buchs berufen, da seine Täuschung nicht durch den Inhalt des Grundbuchs hervorgerufen wurde. b) Rechte, zu deren Eintragung sich das Grundbuch nicht eignet. Daher kann sich z. B. niemand zu seinen Gunsten darauf berufen, daß die Rechte aus einem nichtigen Mietver­ trag eingetragen sind; denn diese eignen sich nicht zur Ein­ tragung. Ebensowenig kann sich Jemand darauf berufen, daß *) DIZ 1901 S. 126 Sinnt. 1, 214ff.; ROLG 5 S. 1; IW 1901 S. 42, 341; 1904 S. 62. Müller-'Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

46

722

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.

eine wegen Überbaues zu leistende Rente nicht eingetragen sei; denn dieses Recht bedarf nicht der Eintragung in das Grundbuch (§§ 913, 914). Mit den Rechten, die sich zur Ein­ tragung in das Grundbuch nicht eignen,, dürfen nicht solche Rechte verwechselt werden, die zu ihrer Entstehung der Ein­ tragung in das Grundstück bedürfen. Hat daher z. B. Jemand auf Grund des § 1287 kraft Gesetzes eine Hypothek an einem Grundstücke erworben, so braucht der Erwerber des Grund­ stückes diese Hypothek nicht gegen sich gelten zu lassen. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs äußert seine Wirkungen nur zu Gunsten, nicht auch zum Nachteile des­ jenigen, welcher ein Recht an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Rechte erwirbt. Der Erwerber kann sich daher auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen, wenn es ihm vorteilhaft scheiyt; aber er muß dies nicht tun; er kann daher auch die wirkliche Rechtslage gelten lassen, wenn ihm dies vorteilhafter dünkt. Damit sich der Erwerber auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen kann, ist nicht erforderlich, daß er dessen Inhalt kennt oder gar das Grundbuch eingesehen hat. Der Inhalt des Grundbuchs wirkt kraft des öffentlichen Glaubens, der ihm beigelegt ist. Dagegen ist dieBerufung auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs ausgeschlossen, 1) wenn ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Inhalts des Grundbuchs eingetragen ist oder 2) wenn dem Erwerber die Unrichtigkeit des Inhalts des Grundbuchs bekannt ist. Selbst auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis steht der Kenntnis nicht gleich. Ebenso genügt die bloße Kenntnis derjenigen Tatsachen, welche die Unrichtigkeit zur Folge haben, dann nicht, wenn der Erwerber denselben infolge Rechtsirrtums keine weitere Bedeutung beigelegt hat. Wird der Erwerb durch einen gesetzlichen oder sonstigen Vertreter gemacht, so entscheidet die Kenntnis des Vertreters. Nur dann, wenn der Bevollmächtigte nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt hat, kann sich dieser in An­ sehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen (§ 166 Abs. 2). Ist zu dem Erwerbe eines Rechtes die Eintragung er­ forderlich, so ist für die Kenntnis des Erwerbers die Zeit der Stellung des Antrags auf Eintragung oder, wenn die zum Erwerbe erforderliche Einigung erst später zustande kommt, die Zeit der Einigung maßgebend; jedoch nützt ihm sein zur Zeit der Stellung des Eintragungsantrags vorhandener guter Glaube dann nicht, wenn er den Erwerb nicht macht, weil z. B. der Grundbuchrichter die zum Erwerbe erforderliche

Der öffentliche Glaube des Grundbuchs.

723

Eintragung verweigert.^) Ist zum Erwerb die Eintragung nicht erforderlich, so entscheidet der Zeitpunkt des Erwerbs. Erhält der Erwerber erst nach diesen Zeitpunkten von der Unrichtigkeit des Grundbuchs Kenntnis, so tut das seinem auf Grund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs gemachten Erwerbe keinen Eintrag; er kann daher das erworbene Recht mit Rechtswirksamkeit auf einen Dritten selbst dann übertragen, wenn diesem die frühere Unrichtigkeit des Grundbuchs bekannt ist. Zu II. Der Grundsatz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs findet endlich Anwendung (§ 893): 1) wenn an denjenigen, für welchen ein Recht im Grund-Leistungen an d-n buch eingetragen ist, auf Grund dieses Rechtes eine Leistung, Berechtigten!' z. B. eine Zinszahlung an den eingetragenen Hypotheken­ gläubiger bewirkt wird, oder 2) wenn zwischen demjenigen, für welchen ein Recht im »-rMgungen d-» Grundbuch eingetragen ist, und einem Anderen in Ansehung dieses Rechtes ein nicht schon unter die bei I dargestellten Vorschriften Mendes Rechtsgeschäft vorgenommen wird, welches eine Verfügung über das Recht enthält. So kann z. B. der Eigentümer dem eingetragenen Gläubiger einer Briefhypothek gegenüber rechtswirksam kündigen oder mit ihm Änderungen des Inhalts der Hypothek rechtswirksam vereinbaren, auch wenn dieser infolge Abtretung der Hypothek nicht mehr Gläubiger sein sollte. Als selbstverständlich wird auch hier vorausgesetzt, daß weder ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Inhalts des Grundbuchs eingetragen noch dem Anderen dessen Unrichtigkeit bekannt ist. Ausdrücklich bestimmt ist, daß, wenn der Berechtigte in der Verfügung über ein im Grundbuche ein­ getragenes Recht zu Gunsten einer bestimmten Person beschränkt ist, die Beschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam ist, wenn sie aus dem Grundbuche er­ sichtlich oder dem Erwerber bekannt ist. Diese Bestimmung bezieht sich aber nur auf Verfügungsbeschränkungen zu Gunsten einer bestimmten Person. Daher scheiden aus: 1) diejenigen Fälle, in welchen der Berechtigte über das für ihn eingetragene Recht deswegen nicht verfügen kann, weil er geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Die Verfügungen solcher Personen sind ohnehin nichtig. 2) die im öffentlichen Interesse verhängten Berfügungsbeschränkungen, gleichviel ob sie kraft Gesetzes z. B. des Reichsrayongesetzes, oder auf Grund einer Anordnung des Gerichtes, z. B. auf Grund einer durch das Gericht nach Maßgabe *) ROLG 8 S. 107.

724

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.

der Bestimmungen der Reichsstrafprozeßordnung erlassenen. Anordnung bestehen. Im übrigen aber werden von der Vorschrift des § 892 alle Verfügungsbeschränkungen zu Gunsten bestimmter Per­ sonen getroffen, sofern sie sich zur Eintragung in das Grund­ buch eignen. Hierher gehören z. B. der infolge der Konkurs­ eröffnung eintretende Verlust der Befugnis des Gemeinschuldners, über sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verfügen, die im Wege der einstweiligen Verfügung vom Gericht erlassenen Veräußerungsverbote, die Beschränkungen, die infolge einer einem Rechtsgeschäfte beigefügten Bedingung oder Zeitbestim­ mung, infolge der Lehens- oder Fideikommißeigenschaft eines Grundstücks u. s. w. bestehen. Nicht hierher gehört dagegen die Beschränkung des Ver­ fügungsrechts der Ehefrau, da sich dieselbe nicht zur Eintragung in das Grundbuch eignet. Diese Beschränkung muß ein Dritter auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er nicht gewußt hat, daß die Frau eine Ehefrau ist (§ 1404). Ebensowenig eignen sich rechtsgeschäftliche Verfügungs­ beschränkungen (§ 137) zur Eintragung in das Grundbuch.

§ 217.

Der Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs.

Wird einerseits durch den Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs die Sicherheit des Jmmobiliarverkehrs ganz unzweifelhaft gefestigt, so birgt derselbe andererseits auch große Gefahren in sich, wenn der Inhalt des Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage nicht übereinstimmt. Zur Beseitigung dieser Gefahren kann derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht be­ stehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, bei dem Grundbuchamt den Antrag auf Berichtigung des Grund­ buchs stellen. Damit aber diesem Antrag statt gegeben werden kann, ist erforderlich, daß entweder dem Grundbuchamte bieUnrichtigkeit des Grundbuchs in der durch die GO für Ein­ tragungen vorgeschriebenen Form nachgewiesen wird, oder daß derjenige, dessen Recht von der Berichtigung betroffen wird, dieselbe bewilligt (§ 22 Abs. 1 GO). Die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung eines Eigentümers oder Erb­ bauberechtigten kann regelmäßig nur mit Zustimmung des Eigentümers oder Erbbauberechtigten erfolgen (§ 22 Abs. 2 GO). Ein Recht, das auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt ist, darf nach dessen Tode, falls Rückstände von Leistungen nicht ausgeschlossen sind, nur mit Bewilligung des Rechtsnach­ folgers gelöscht werden, wenn die Löschung vor dem Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Berechtigten erfolgen soll oder wenn der Rechtsnächfolger der Löschung bei dem Grund-

Der Anspruch auf Berichtigung deS Grundbuchs

725?

buchamte widersprochen hat; der Bewilligung des Rechtsnach­ folgers bedarf es nicht, wenn im Grundbuch eingetragen ist, daß zur Löschung des Rechtes der Nachweis des Todes des Berechtigten genügen soll (§ 23 GO). Diese Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn das Recht mit der Erreichung eines bestimmten Lebensalters des Berechtigten oder mit dem Eintritte eines bestimmten Ereignisses oder Zeitpunktes erlischt (§ 24 GO). Zur Beschaffung der für eine Grundbuchberichtigung er­ forderlichen Unterlagen gewährt das Gesetz einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs (§ 894). Voraussetzung dieses Anspruchs ist, daß der In­ halt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechtes an dem Grundstück, eines Rechtes an einem solchen Rechte oder einer zu Gunsten einer bestimmten Person bestehenden Verfügungs­ beschränkung mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklänge steht. Dies kann daher rühren, daß entweder eine Eintragung zu Unrecht besteht oder zu Unrecht unterblieben oder zu Un­ recht gelöscht ist. Ein „Nicht in Einklangstehen" liegt schon dann vor, wenn z. B. die Größe der Anteile" der einzelnen Miteigentümer entgegen der Vorschrift des § 48 GO im Grund­ buche nicht angegeben ist.1) Zu den Verfügungsbeschränkungen im Sinne dieser Vorschrift sind auch Widersprüche und Vor­ merkungen zu rechnen. Berechtigt, die Berichtigung des Grundbuchs zu ver­ langen, ist derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig ein­ getragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist. Nicht jeder Interessent, sondern nur ein dinglich Berech­ tigter kann Grundbuchberichtigung verklangen?) Ein bloß per­ sönlicher Anspruch genügt nicht?) Wohl aber kann ein an sich Nichtberechtigter auf Grund einer Ermächtigung des Berech­ tigten den Berichtigungsanspruch geltend machen?) Der Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs ist über­ tragbar und pfändbar?) Anspruchsgegner ist derjenige, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird. Der Anspruch selbst geht auf Erteilung der Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs. Selbstverständlich muß die Zustimmung in einer den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechenden Form erfolgen. Die Verpflichtung, zur Berich') RG ’) IW 3) RG ') RG «) RG auch S. 588.

54 S. 88; vgl. aber auch 53 S. 412. 1903 Beil. 6 S. 47. 53 S. 375. 53 S. 408. 46 S. 230; ROLG 2 S. 152; Recht 1902 S. 236, f. jedoch

Voraus­ setzungen.

726

Widerspruch.

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken,

tigung des Grundbuchs mitzuwirken, besteht fort, bis das Grunde buch mit der wirklichen Rechtslage in Einklang gebracht ist. Ist daher z. B. die Zustimmungsurkunde verloren gegangen, so kann die Abgabe einer neuen Zustimmungserklärung ver­ langt werdend) Kann die Berichtigung des Grundbuchs erst erfolgen, nachdem das Recht des Verpflichteten eingetragen ist, so hat dieser auf Verlangen auch sein Recht eintragen zu lassen (§ 895). So kann z. B. der Nacherbe von dem Vorerben ver­ langen, daß er sich als Berechtigter eintragen lasse, damit das Recht des Nacherben als Verfügungsbeschränkung eingetragen werde. Ist zur Berichtigung des Grundbuchs die Vorlegung eines Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs er­ forderlich, so kann derjenige, zu dessen Gunsten die Berichtigung erfolgen soll, von dem Besitzer des Briefes verlangen, daß der Brief dem Grundbuchamte vorgelegt wirb*2) (§ 896). Die vorstehend aufgeführten Ansprüche unterliegen nicht der Verjährung (§ 898). Die Kosten der Berichtigung des Grundbuchs und der dazu erforderlichen Erklärungen hat derjenige zu tragen, welcher die Berichtigung verlangt, sofern nicht aus einem zwischen ihm und dem Verpflichteten bestehenden Rechtsver­ hältnisse ein Anderes sich ergibt (§ 897). Die Berichtigung des Grundbuchs ist nicht immer sofort durchführbar; denn unter Umständen muß der Verpflichtete auf Erteilung der Zustimmung oder der Besitzer eines Hypo­ theken-, Grundschuld- oder Rentenbriefs auf dessen Vorlegung verklagt werden, ferner können der Eintragung des Rechtes des Verpflichteten Hindernisse im Wege stehen. Daher muß demjenigen, welcher die Berichtigung des Grundbuchs ver­ langen rann,3) ein kürzerer Weg eröffnet werden, um wenigstens die dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs entspringenden Gefahren ausschließen zu können. Dieses Mittel besteht in der Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs (§ 899 Abs. 1). Hierdurch wird der Inhalt der im Grundbuch eingetragenen Rechte nicht verändert, sondern nur der Annahme, daß das Grundbuch die wirkliche Rechtslage bekunde, widersprochen; daher kann sich der Erwerber eines Rechtes, soweit der Widerspruch reicht, nicht auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen. Die Eintragung des Widerspruchs erfolgt auf Grund einer einstweiligen Verfügung oder einer Bewilligung desjenigen, dessen Recht durch die Berichtigung des Grundbuchs betroffen ') ROLG 7 S. 27. 2) RG 47 S. 158; vgl. auch ROLG 3 S. 98. e) Recht 1903 S. 41.

Ersitzung und Verjährung der Rechte an Grundstücken.

727

wird. Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung, für welche im übrigen die Bestimmungen der Reichszivilprozeßordnung maßgebend sind, ist nicht erforderlich, daß eine Gefährdung des Rechtes des Widersprechenden glaubhaft gemacht wird (§ 899 Abs. 2). Diese liegt schon im öffentlichen Glauben des Grundbuchs. Besondere Bestimmungen gelten für den Fall, daß bei der Bestellung einer Hypothek für ein Darlehen die Erteilung des Hypothekenbriefes ausgeschlossen worden ist. Zur Be­ gründung eines Widerspruchs, der sich darauf stützt, daß die Hingabe des Darlehens unterblieben sei, bedarf es nicht ein­ mal einer einstweiligen Verfügung; es genügt der von dem Eigentümer des Grundstücks an das Grundbuchamt gerichtete Antrag, sofern er vor dem Ablauf eines Monats nach der Eintragung der Hypothek gestellt wird. Wird der Widerspruch auch noch innerhalb des Monats ein­ getragen, so hat die Eintragung die gleiche Wirkung, wie wenn der Widerspruch zugleich mit der Hypothek eingetragen worden wäre (§ 1139), d. h. wer eine Briefhypothek innerhalb eines Monats nach der Eintragung im Grundbuche erwirbt, kann, auch wenn ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Inhalts des Grundbuchs nicht eingetragen ist, sich nicht auf dessen öffentlichen Glauben berufen, da er mit. der Möglichkeit rechnen muß, daß noch im Laufe des Monats ein Widerspruch ein­ getragen wird. § 218.

Ersitzung und Verjährung der Rechte an Grundstücken.

I. Wer als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen ist, ohne -daß er das Eigentum erlangt hat, er­ wirbt das Eigentum durch Ersitzung, wenn die Eintragung dreißig Jahre bestanden und er während dieser Zeit das Grundstück im Eigenbesitz gehabt hat. Die dreißigjährige Frist wird in derselben Weise berechnet wie die Frist für die Er­ sitzung einer beweglichen Sache, d. h. nach den Vorschriften der §§ 938—944 (s. unten § 227). Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange ein Widerspruch gegen die Richtigkeit der Eintragung im Grundbuch eingetragen ist (§ 900 Abs. 1), die Hemmung dauert daher bis zur Löschung des Widerspruches. Da nach § 1017 Abs. 2 die für den Erwerb des Eigen­ tums geltenden Vorschriften auf das Erbbaurecht ent­ sprechende Anwendung finden, so gilt die Vorschrift des § 900 Abs. 1 auch für das Erbbaurecht. Die gleichen Vorschriften finden aber auch dann ent­ sprechende Anwendung, wenn für Jemand ein ihm nicht zu­ stehendes anderes Recht im Grundbuch eingetragen ist, das zum Besitze des Grundstücks berechtigt oder dessen Aus-

Ersitzung.

728

Verjährung.

Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken.

Übung nach den für den Besitz geltenden Vorschriften geschützt ist (§ 900 Abs. 2). Zu den Rechten, welche zum Besitze des Grundstücks berechtigen, gehören der Nießbrauch und das Woh­ nungsrecht, zu den Rechten, deren Ausübung nach den für den Besitz geltenden Vorschriften geschützt ist, die Grunddienstbar­ keiten und die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten. Die entsprechende- Anwendung der Vorschriften des § 900 Abs. 1 führt dahin, daß die Eintragung dreißig Jahre bestanden und der Betreffende während dieser Zeit im ersten Falle das Grund­ stück in Besitz gehabt haben und im zweiten Falle die Grund­ dienstbarkeit mindestens einmal in jedem Jahre ausgeübt haben muß. Für den Rang des Rechtes ist die Eintragung maß­ gebend. II. Di e Ansprüche aus eingetragenen Rechten unterliegen nicht der Verjährung. Ein Recht, wegen dessen ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grund­ buchs eingetragen ist, steht einem eingetragenen Rechte gleich (§ 902). Auf Ansprüche, zu deren Sicherung nur eine Vor­ merkung eingetragen ist, findet diese Vorschrift keine An­ wendung. Auf die Unverjährbarkeit kann sich nicht nur der eingetragene Berechtigte, sondern auch dessen nicht eingetragener Rechtsnachfolger, z. B. der Erbe, berufen. Dagegen gilt die Vorschrift nicht für Ansprüche, die auf Rückstände wieder­ kehrender Leistungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind. Die Forderung, für welche eine Hypothek besteht, unter­ liegt der gewöhnlichen Verjährung; jedoch hindert ihre Ver­ jährung den Berechtigten nicht, seine Befriedigung aus dem Grundstücke zu suchen (§ 223 Abs. 1). Dadurch, daß ein Recht an einem fremden Grundstück im Grundbuche mit Unrecht gelöscht wurde, erlischt das Recht an sich nicht, außer wenn das Grundstück ein Dritter im Vertrauen auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs erwirbt. Das Recht erlischt aber dann, wenn der Anspruch des Berechtigten gegen den Eigentümer verjährt ist (§ 901). Wurde z. B. eine Hypothek zu Unrecht gelöscht, so erlischt sie erst dann, wenn die ihr zu Grunde liegende Forderung ver­ jährt ist. Die gleichen Vorschriften gelten, wenn ein kraft Gesetzes entstandenes Recht nicht in das Grund­ buch eingetragen worden ist. Auf Rechte, die nicht ein­ tragungsfähig sind, wie z. B. öffentliche Lasten oder Überbau­ renten, findet diese Vorschrift keine Anwendung.

Gegenstand und Inhalt des Eigentums.

729

4. Kapitel.

Aas Oigenlum.

§ 219. Gegenstand und Inhalt des Eigentums. Gegenstand des Eigentums können nur körperliche ^enstam^des Sachen sein und zwar nur einzelne selbständige Sachen. Ein ’gen ' Eigentum an einer Sachgesamtheit, z-B. an einer Biblio­ thek, kennt das BGB nicht, sondern nur ein Eigentum an den einzelnen Gegenständen, welche die Sachgesamtheit bilden. Ebensowenig läßt das BGB das Eigentum an einem Rechte zu. Das Eigentum an der Sache gewährt auch Eigentum an deren einzelnen Bestandteilen. Sondereigentum an denselben ist ausgeschlossen. So ist es nicht möglich, daß der Baum auf einem Grundstücke in eines Anderen Eigentum stehe als in dem des Grundstückseigentümers (§ 93); behält sich daher der Verkäufer eines Grundstückes an den daraufstehenden Bäumen das Eigentum vor, so ist dieser Vorbehalt unwirk­ sam.^) Das Eigentumsrecht ist das umfassendste Recht, das ' Jnh-n »-r Jeniand an einer Sache haben kann. Während den übrigen, '8cn um ' an der Sache berechtigten Personen immer nur bestimmte Be­ fugnisse an der Sache zustehen, vereinigt der Eigentümer die Fülle aller Rechte an der Sache in seiner Person, ja noch mehr: er kann mit der Sache nach Belieben verfahren und Andere von jeder Einwirkung ausschließen (§ 903). Der Eigentümer kann daher die Sache umgestalten, wie er will; er kann sie zerstören, wenn es ihm beliebt, ohne daß Dritte, auch wenn sie an dem Bestand der Sache im All­ gemeinen ein Interesse haben, dies verhindern können. Mag es dem Nachbarn, der sich bisher des Anblicks eines wohl­ gepflegten Gartens erfreuen konnte, noch so unangenehm sein, wenn ihn der Eigentümer verwildern läßt oder in einen Acker umwandelt, mag sein Anwesen noch so sehr an Wert verlieren, wenn ihm eine schöne Aussicht verbaut wird, verhindern kann er es nicht. Diese Allgewalt des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und Andere von jeder Einwirkung auf die Sache auszuschließen, erleidet aber insoweit Beschränkungen, als ihr das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Insoweit kann die Befugnis des Eigentümers entweder nach ihrer positiven oder negativen Richtung eingeschränkt sein. Die positive Seite des Eigentums besteht darin, daß .der Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren kann. *) Bayer. Not.-Z. 1904 S. 37.

730

Das Eigentum.

Das Gesetz oder die Rechte Dritter können aber dem Eigen­ tümer gebieten oder verbieten, mit der Sache in einer be­ stimmten Weise zu verfahren. Das Gesetz insbesondere ver­ bietet dem Eigentümer jeden Gebrauch der Sache, der den Tatbestand einer unerlaubten Handlung begründen würde. So ist es z. B. dem Eigentümer verboten, sein Anwesen in Brand zu setzen (§ 306 StGB). Besteht ferner eine Grunddienstbar­ keit in dem Rechte, auf einer baulichen Anlage des belasteten Grundstückes eine bauliche Anlage zu halten, so hat der Eigen­ tümer des belasteten Grundstücks seine bauliche Anlage zu er­ halten, soweit es das Interesse des Berechtigten erfordert (§ 1022). Die negative Seite des Eigentums besteht darin, Andere von jeder Einwirkung auf die Sache auszuschließen. Auch diese Befugnis kann durch das Gesetz oder durch die Rechte Dritter beschränkt sein. Hierher gehören insbesondere die sog. gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen, von denen im folgenden Paragraphen die Rede sein wird. Von den Rechten Dritter, die in Fragen kommen können, sind die wichtigsten die Dienstbarkeiten und die Pfandrechte im weiteren Sinne. Die letzteren gehen unter Umständen sogar bis zur Aufhebung des Eigentumsrechtes; denn der Pfandgläubiger kann die ver­ pfändete Sache zum Zwecke seiner Befriedigung verkaufen. Ist daher auch das Eigentum seinem Inhalte nach das um­ fassendste Recht, so steht es doch allen übrigen Rechten an der Sache im Range nach. Nach diesen Ausführungen stellen sich Rechte Dritter an einer Sache als Beschränkungen des Eigentums dar. Dies hat zur Folge, daß die Beschränkung wegfällt und somit das Recht erlischt, wenn entweder der Eigentümer das Recht oder der Dritte das Eigentum erwirbt. Für .die beweglichen Sachen ist diese Folge auch anerkannt; dagegen erlischt nach ausdrücklicher Vorschrift ein Recht an einem Grundstücke nicht dadurch, daß der Eigentümer des Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das Eigentum an dem Grundstücke erwirbt (§ 889). Da sich die Rechte an einer Sache als Beschränkungen des Eigentums darstellen, so kann sich der Eigentümer selbst ein solches Recht nicht bestellen; denn die mit einem solchen Rechte verbundenen Befugnisse sind bereits im Eigentumsrechte enthalten. Daher geht es z. B. nicht an, daß der Eigentümer zweier Grundstücke das eine zu Gunsten des anderen mit einer Grunddienstbarkeit belastet.*) Eine Ausnahme besteht nur in Ansehung der Eigentümergrundschuld (§ 1196). *) Bd. I S. 706; IW 1901 S. 101.

Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen.

731

Auf das zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bestehende abeÄ*Mt’ Eigentum finden von diesem Zeitpunkte an die Vorschriften " des BGB Anwendung (Art. 181 Abs. 1 EG). Ist zur Zeit des Inkrafttretens des BGB ein Sonder­ eigentum an stehenden Erzeugnissen eines Grundstücks, ins­ besondere an Bäumen, begründet, so bleibt dasselbe bestehen (Art. 181 Abs. 2 EG). Ebenso bleibt das zur Zeit des In­ krafttreten des BGB bestehende Stockwerkseigentum *) (Her­ bergenrecht) bestehen; das Rechtsverhältnis der Beteiligten unter einander bestimmt sich nach den bisherigen Gesetzen (Art. 182 EG). Nach dem Inkrafttreten des BGB können diese Rechte nicht mehr begründet werden.

8 220. Gesetzliche Eigentumsbeschriinkungen. Die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen gehören ent­ weder dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Rechte an. I. Zu den Eigentumsbeschränkungen öffentlich-recht -E?gent"ms) l ich en Charakters sind zu rechnen: die Vorschriften des beichrsnkung-n. Reichsgesetzes vom 21. Dezember 1875, wonach im Rayon der Festungen gewisse Anlagen verboten sind, die sog. Enteignungs­ gesetze, die im Naturalleistungsgesetze vom 13. Februar 1875 in der Fassung vom 24. Mai 1898 bestimmten Verpflichtungen zu Naturalleistungen, Abgaben und verschiedenen Duldungen. II. Von den privatrechtlichen Eigentumsbeschränhingen, welche im BGB selbst geregelt sind, beziehen sich ein- veichränkungm.' zelne auf Sachen schlechthin, also sowohl auf bewegliche Sachen als auch auf Grundstücke, andere wieder nur auf Grundstücke. Auf bewegliche Sachen und auf Grundstücke beziehen sich 1. die schon im allgemeinen Teil erörterten Vorschriften über 9icib6oudas Verbot der Chikane (Neidbau, § 226, f. auch S. 185). 2. das sog. Notstandsrecht. Hiernach ist der Eigen- Notstandsrecht, hinter einer Sache nicht berechtigt, die Einwirkung eines Anderen auf. die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist (§ 904). Sind diese Voraussetzungen gegeben, so darf die Einwirkupg bis zur Zerstörung der Sache gehen. Ob die Gefahr von dem Handelnden oder einem Dritten verschuldet wurde oder nicht, ist belanglos. Kann auch der Eigentümer nicht die Einwirkung auf die Sache verbieten, so kann er doch Ersatz des ihm aus der Ein­ wirkung entstehenden Schadens verlangen. Schadensersatz*) Art. 42 ÜG.

732

Grundstücksver­ markung.

Grenzstreitig­ keiten.

Das Eigentum

pflichtig ist derjenige, welcher die Handlung vorgenommen hat, nicht derjenige, von dem der Schaden abgewendet werden sollte oder abgewendet wurde. Verschulden wird auch hier nicht vorausgesetzt. Die nachstehend aufgeführten Eigentumsbeschränkungen beziehen sich lediglich auf Grundstücke: 1. Ein Grundstück ist ein abgegrenzter Teil der Erdober­ fläche; die Größe desselben wird daher durch seine Grenzen bestimmt. Deshalb hat jeder Grundstückseigentümer ein Interesse daran, daß die Grenze erkennbar sei. Mit Rücksicht hieraus kann jeder Eigentümer eines Grundstücks von dem Eigentümer eines Nachhargrundstücks verlangen, daß dieser zur Errichtung fester Grenzzeichen und, wenn ein Grenzzeichen verrückt oder undeutlich geworden ist, zur Wiederherstellung mitwirkt (§ 919). Durch wen die Grenzverrückung u. s. w. erfolgt ist, ist gleichgültig. Doch steht das Recht auf Abmar­ kung nur den Eigentümern der Grundstücke und gemäß § 1017 dem Erbbauberechtigten, dagegen nicht auch sonstigen, an den Grundstücken berechtigten Personen, wie dem Nieß­ braucher, dem Grunddienstbarkeitberechtigten, dem Pächter u. s. w. zu. Das Gleiche gilt auch von der Verpflichtung hierzu. Die Kosten der Abmarkung sind von den Parteien zu gleichen Teilen zu tragen, sofern nicht aus einem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse sich ein Anderes ergibt. Hat z. B. einer der Nachbarn ein Grenzzeichen schuldhafter Weise zerstört, so treffen die Kosten der Abmarkung ihn allein. Die Art der Abmarkung und das Verfahren be­ stimmt sich nach den Landesgesetzen.*) Enthalten diese keine Bestimmungen, so entscheidet die Ortsüblichkeit. Die Abmarkung kann natürlich erst dann erfolgen, wenn die Grenze der Grundstücke selbst feststeht. Besteht über die Grenze ein Streit, so muß dieselbe erst festgestellt werden. Das Gesetz gibt hierüber nachstehende Vorschriften: Läßt sich die richtige Grenze nicht ermitteln, so ist für die Abgrenzung der Besitzstand maßgebend. Kann der Besitz­ stand nicht festgestellt werden, so ist jedem der beiden Grund­ stücke ein gleich großes Stück der streitigen Fläche zuzuteilen. Soweit eine hiernach sich ergebende Grenze zu einem Ergeb­ nisse führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere *) Preußen: Art. 89 Ziff. 1 AGzBGB. — Bayern: Ges. betr. die Abmarkung der Grundstücke vom 30. VI. 1900; Bek. vom 21. XII. 1900 den Vollzug dieses Ges. betr; die Feldgeschworenenordnung vom 21. XII. 1900. - Württemberg: MinBers. vom 1. IX. 1899. — Baden: Ges. vom 21. III. 1862 und vom 20. IV. 1864.

Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen.

733

mit der feststehenden Größe der Grundstücke nicht überein­ stimmt, so ist die Grenze so zu ziehen, wie es unter Berück­ sichtigung dieser Umstände der Billigkeit entspricht (§ 920). Der Anspruch auf Abmarkung und auf Grenzberichtigung unterliegt nicht der Verjährung (§ 924). 2. Werden zwei Grundstücke durch einen Zwischenraum, srenzaniage. Rain, Winkel, einen Graben, eine Mauer, Hecke, Planke oder eine andere Einrichtung, die zum Vorteile beider Grundstücke dient, von einander geschieden, so wird vermutet, daß die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke zur Benutzung ge­ meinschaftlich berechtigt seien. Diese Vermutung wird aus­ geschlossen dadurch, daß eine vertragsmäßige anderweite Rege­ lung der Benützung oder das Alleineigentum eines der Nach­ baren nachgewiesen wird, ja sogar schon dadurch, daß äußere Merkmale darauf Hinweisen, die Einrichtung gehöre einem der Nachbarn allein (§ 921). Sind die Nachbarn zur Benutzung einer solchen Einrich­ tung gemeinschaftlich berechtigt, so kann sie jeder Nachbar zu dem Zwecke, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, insoweit benutzen, als nicht die Mitbenutzung des Anderen beeinträchtigt wird. Die Unterhaltungskosten sind von den Nachbarn, ohne Rücksicht auf den Vorteil, den die Einrichtung ihnen bietet und ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Grundstücke, zu gleichen Teilen zu tragen. Solange einer der Nachbarn an dem Fort­ bestände der Einrichtung ein Interesse hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden. Im Übrigen bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen den Nach­ barn nach den Vorschriften über Gemeinschaft (§ 922). 3. Steht auf der Grenze ein Baum, so gebühren Baum aus der die Früchte und, wenn der Baum gefällt wird, auch der Baum tenie' den Nachbarn zu gleichen Teilen (§ 923). Auf der Grenze steht ein Baum nicht schon dann, wenn die Wurzeln oder Zweige des Baumes in das Nachbargrundstück hinüberragen, sondern nur dann, wenn der Stamm des Baumes an der Stelle, an welcher er aus dem Boden heraustritt, auf der Grenzlinie der Grundstücke steht. Jeder der Nachbarn kann die Beseitigung des Baumes verlangen. Der Nachbar, der die Beseitigung verlangt, hat die Kosten allein zu tragen, wenn her Andere auf sein Recht am Baume verzichtet; er erwirbt in diesem Falle mit der Trennung das Alleineigentum. Der Anspruch auf Beseitigung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Baum als Grenzzeichen dient und den Umständen nach nicht durch ein anderes zweck­ mäßiges Grenzzeichen ersetzt werden kann. Diese Vorschriften gelten auch für einen auf der Grenze stehenden Strauch. Auch der Anspruch auf Beseitigung des Grenzbaumes unterliegt nicht der Verjährung.

734

Das Eigentum.

Durch die Landesgesetze können aber die Rechte des Eigen­ tümers eines Grundstücks in Ansehung der auf der Grenze stehenden Ob st bäume abweichend von den dargestellten Vor­ schriften des BGB bestimmt werden (Art. 122 EG).

Grundstuckenach

4. Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt abgesehen von den seitlichen Grenzen, auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Erdoberfläche (§ 905). Innerhalb dieses Raumes kann der Eigentümer frei schalten und walten und Andere von der Einwirkung ausschließen. Sein Ausschließungsrecht findet seine Grenze im menschlichen Können überhaupt und dann in seinem Interesse, das er an der Ausschließung hat. Er kann daher Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat. Ein solches Interesse wird für den Eigen­ tümer z. B. nicht vorhanden sein, wenn ein Luftballon durch seinen Luftraum fliegt. Welcher Art das Interesse ist, das der Eigentümer an der Ausschließung haben kann, ist gleichgültig, insbesondere braucht es kein vermögensrechtliches Interesses zu sein. Es genügt z. B. das Interesse, das ein Garten­ eigentümer daran hat, daß ihm der Anblick des freien Himmels durch eine Leitung von Telegraphendrähten 2) nicht in erheb­ lichem Maße beeinträchtigt werde. Freilich wird in solchen Fällen häufig das öffentliche Recht bestimmend eingreifen, was nach Art. 109, 111 EG zulässig ist. 5. Der Eigentümer eines Grundstückes muß sich aber, wenigstens m einem gewissen Umfange, Einwirkungen auf das Grundstück selbst dann gefallen lassen, wenn er an ihrer Ausschließung ein Interesse hätte. Schon die gewöhnlichen Lebensfunktionen, noch mehr aber wirtschaftliche oder gewerb­ liche Vorgänge bringen solche Einwirkungen notwendigerweise mit sich. Das Interesse der Allgemeinheit verlangt daher, daß die Befugnis des Eigentümers, Andere von jeder Einwirkung auf sein Grundstück auszuschließen, wenigstens eine gewisse Einschränkung erfahre. Der Eigentümer eines Grundstücks kann deshalb die Zu­ führung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche, von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks über­ haupt nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt (§ 906). Aber auch wenn durch die Einwirkung die Benutzung seines Grund­ stücks erheblicher beeinträchtigt würde, kann er die Einwirkung

oben und unten.sich,

Einwirkungen

stück.

') ROLG 5 S. 384. s) Vgl. jedoch das Telegraphenwegegesetz vom 18. XII. 1899 (Reichsges.-Bl. S. 705).

Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen.

735

insoweit nicht verbieten, als sie durch eine Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist.1) Der Eigentümer eines in einem gewerbereichen Stadtviertel gelegenen Grundstückes muß sich daher erheblichere, durch Rauch, Ruß, Geräusch u. s. w. verursachte Einwirkungen gefallen lassen als der Eigentümer eines im Villenviertel gelegenen Grundstücks; ebenso muß, wer neben einen Bauernhof eine Villa baut, den Geruch des Kuhstalls oder der Düngergrube ertragen. Selbstverständlich kann er, wenn er auch die Ein­ wirkung nicht verbieten darf, Vorkehrungen treffen, um sie aus­ zuschließen oder zu mildern. Überschreiten die Einwirkungen das zulässige Maß, so kann der Eigentümer auf Unterlassung und Schadensersatz klagen; ein Verschulden des Nachbarn wird nicht erfordert?) Rühren jedoch die Einwirkungen von den in den §§ 16, 24 GewO, genannten, mit behördlicher Genehmigung errichteten Anlagen her, so kann nur Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließev, oder, wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem gehörigen Be­ triebe des Gewerbes unvereinbar sind, nur auf Schadloshal­ tung geklagt werden. Beispielsweise gehören hierher Gasbereitungs- und Gasbewahrungsanstalten, Kalk-, Ziegel- und Gipsöfen, chemische Fabriken, Leim-, Tran- und Seifensiede­ reien, Knochenbrennereien, u. s. w. Diese Vorschrift der Gewerbeordnung kann durch die Landesgesetzgebung auf Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- oder ähnliche Verkehrsunternehmungen erstreckt werden (Art. 25 EG). Wirkt aber eine nach den allgemeinen Gesetzen erlaubte und, soweit erforderlich, von der zuständigen Verwaltungsbehörde genehmigte Benutzungsart nicht über das Grundstück hinaus, so steht dem Nachbar ein Verbietungsrecht oder Schadensersatz­ anspruch selbst dann nicht zu, wenn die Benutzungsart, z. Bwegen ihrer Gefährlichkeit, auf den „Wert" der Nachbar­ grundstücke nachteilig wirkt?) Die Zuführung von Gasen, Dämpfen u. s. w. durch eine besondere Leitung ist immer unzulässig, auch wenn sie die Benutzung des Nachbargrundstücks nicht oder nur unerheblich beeinträchtigt. Ist von einer Anlage, z. B- von einem größeren Knochen­ lager, mit Sicherheit *) vorauszusehen, daß ihr Bestand oder ') 1903 S. ’) •) *)

IW 1902 Beil. S. 202; ROLG 2 S. 252; 5 S. 151; Recht 18. ROLG 5 S. 151; 8 S. 29. IW 1902 Beil. S. 212, Beil. S. 233. RG 50 S. 225.

736

Überhangsrecht.

Das Eigentum.

ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf ein Grund­ stück zur Folge hat, so kann der Eigentümer dieses Grundstücks verlangen, daß solche Anlagen nicht hergestellt oder gehalten werden (§ 907). Dieser Anspruch unterliegt nicht der Verjäh­ rung. Die Vorschrift des § 26 GewO, gilt auch hier?) Genügt indessen eine Anlage den landesgesetzlichen Vor­ schriften, die einen bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben (Art. 124 EG), so kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die un­ zulässige Einwirkung tatsächlich hervortritt. Unter Anlagen sind nur solche Vorrichtungen zu ver­ stehen, die, sei es selbsttätig oder unter menschlichem Dazutun, mittels Hinüberleitens ihrer Bestandteile oder mittels Zu­ führens greifbarer oder doch sinnlich wahrnehmbarer Stoffe die Grenze überschreiten oder zu überschreiten drohen, nicht dagegen jene, die sich streng auf der Grundfläche des sie Er­ richtenden halten, nicht unmittelbar und positiv in das Gebiet des anderen Grundstückes hinübergreifen, wenn sie dieses auch vielleicht, negativ wirkend, z. B. durch Entziehung bisher zu­ geflossenen Lichtes, bisher gegebener Aussicht oder Bequem­ lichkeit beeinträchtigen?) Auch Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im Sinne dieser Vorschrift. Für deren Beseitigung bestehen die nachstehenden besonderen Bestim­ mungen. 6. Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder Strauches, die von einem Nachbargrund­ stück eingedrungen sind, abschneiden und behalten (§ 910). Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine an­ gemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseiti­ gung nicht innerhalb dieser Frist erfolgt. Die Frist ist schon dann angemessen, wenn innerhalb der­ selben die Beseitigung erfolgen kann. Darauf, daß sich der Baum gerade in der Wachstumsperiode befindet, braucht keine Rücksicht genommen zu werden; denn es ist Sache des Eigen­ tümers des Baumes, rechtzeitig dafür Sorge zu tragen, daß keine Zweige auf das Nachbargrundstück hinüberragen. Dem Eigentümer steht jedoch dieses Recht dann nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grund­ stücks nicht beeinträchtigen. Dies wäre Chikane. Ragt ein Teil des Stammes auf das Nachbargrundstück, so kann dessen Eigentümer Beseitigung des herüberragenden Teiles verlangen (§ 1004); dagegen steht ihm ein Recht, selbst die Beseitigung vorzunehmen, nicht zu. ') RG 50 S. 225. a) IW 1902 Beil. S. 2.33 f.; RG 51 S. 251 ff.

Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen.

737

Durch die Landesgesetzgebung kann auch hier bestimmt werden, daß die Bäume und Sträucher nur in einem be­ stimmten Abstand von der Grenze gehalten werden dürfen (Art. 124 EG), ebenso kann dieselbe die Rechte des Eigentümers eines Grundstücks in Ansehung der auf dem Nachbargrundstücke stehenden Ob st bäume anderweitig regeln (Art. 122 EG). 7. Früchte, die von einem Baume oder einem Strauche überf-nsrecht. auf ein Nachbargrundstück fallen, gelten als Früchte dieses Grundstücks (§ 911). Selbstredend müssen die Früchte auf das Nachbargrundstück fallen. Schüttelt sie dagegen der Eigen­ tümer desselben oder ein Dritter herunter, so findet diese Be­ stimmung keine Anwendung. Die Frage, wem das Eigentum an den Früchten zufällt, wird durch diese Bestimmung nicht geregelt. Sie ist nach den allgemeinen Grundsätzen über Frucht­ erwerb zu beantworten. Je nachdem kann also der Eigen­ tümer, Nießbraucher, Pächter u. s. w. in Betracht kommen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn das Nachbargrundstück, auf welches die Früchte fallen, dem öffentlichen Gebrauche dient. Die Früchte bleiben dann Früchte des Grundstücks, auf dem sich der Baum oder Strauch befindet, auf welchem sie gewachsen sind. 8. An sich würde der Eigentümer eines Grundstücks sich ®?rtie&nKBon innerhalb der Grenzen seiner Eigentumsbefugnisse halten, wenn run ftu en' er ohne Rücksicht auf das Nachbargrundstück in die Tiefe gräbt. Im Interesse des Nachbargrundstücks wird jedoch bestimmt, daß ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden darf, daß der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert. Anderenfalls muß für eine genügende anderweite Befestigung desselben gesorgt sein (§ 909). Ein Verschulden wird auch hier nicht erfordert?) Ist ein Verschulden gegeben, so kann auch Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2) begehrt werden?) Die sich aus der Vorschrift des § 909 ergebenden Ansprüche unterliegen nicht der Ver­ jährung. 9. Daß der Besitzer eines Grundstücks, unter Umständen Drohender Emauch der an demselben Berechtigte oder der zur Unterhaltung f Raubet, für den Besitzer Verpflichtete unter gewissen Voraussetzungen zum Ersatz des durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines mit einem Grundstücke verbundenen Werkes oder durch Ab­ lösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes verursachten Schadens verbunden ist, wurde bereits im Recht der Schuld­ verhältnisse ausgeführt (s. Bd. I S. 673). Es kann aber dem Eigentümer des Nachbargrundstücks nicht zugemutet werden, solange zu warten, bis ein Schaden auch wirklich eingetreten ’) IW 1902 S. 390; ROLG 4 S. 62; 5 S. 151. -) RG 51 S. 177. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Ausl. 8b. I.

47

738

Überbau.

Das Eigentum.

ist. Er hat schon vorher, wenn seinem Grundstück die Gefahr einer solchen Beschädigung droht, das Recht, von den oben genannten Personen, nicht aber von einem früheren Besitzer zu verlangen, daß sie die zur Abwendung der Gefahr er­ forderlichen Vorkehrungen treffen (§ 908). Das gleiche Recht steht dem Nießbraucher, dem aus einer Grunddienstbarkeit oder dem aus einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit Be­ rechtigten sowie dem Erbbauberechtigten zu. Auch dieser An­ spruch unterliegt nicht der Verjährung. 10. Unter gewissen Voraussetzungen hat der Eigentümer eines Grundstückes auch eine Grenzüberschreitung zu dulden. Vorausgesetzt wird (§ 912): a) daß ein Gebäude errichtet wurde, d. i. ein Bau­ werk, das nach der Art seiner Anlage durch räumliche Um­ friedung Personen und Sachen gegen äußere Einflüsse Schutz zu gewähren vermag, z. B. ein Wohnhaus, eine Stallung oder Scheune. Bloße Mauern gehören nicht hierher. Ob das Bau­ werk oberhalb oder, wie z. B. Keller, unterhalb des Erdbodens errichtet wurde, ist gleichgültig. b) daß bei der Errichtung des Gebäudes, nicht aber bei dessen Ausbesserung oder bei einem bloßen Anbau die Grenze überschritten wurdet) c) daß eine Grenzüberschreitung stattfand. Voraus­ gesetzt wird also, daß das Gebäude sowohl diesseits als auch jenseits der Grenze steht. Steht das ganze Gebäude auf dem Nachbargrundstücke, so kann von einem Überbau keine Rede sein; dagegen ist es gleichgültig, ob der Überbau nur einen Teil des Nachbargrundstückes oder das ganze Nachbargrundstück bedeckt?) Eine Grenzüberschreitung im Sinne des § 912 liegt ferner dann nicht vor, wenn der Eigentümer eines Grund­ stückes , von dem eine Teilfläche mit einer das Überbauen verbietenden Grunddienstbarkeit belastet ist, über die Grenze des unbelasteten Teiles auf den belasteten hinüberbaut?) Nicht erfordert wird, daß der Überbau den Erdboden des Nachbargrundstückes berührt; es genügt, daß er, wie z. B. ein Erker oder eine Altane, in dessen Luftraum hinüberragt. d) daß dem Überbauenden weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Das Gesetz spricht nur vom Eigentümer; aber auch der Erbbauberechtigte (§ 1017), nicht aber der Nießbraucher oder Pächter gehören hierher. Vorsätzlich ') ROLG 4 S. 65. a) IW 1902 Beil. 10 S. 258: RG 52 S. 16. ") RG 47 S. 60; 48 S. 265 ; IW 1901 S. 545; 1902 Beil. 10 S. 258; Recht 1901 S. 466.

Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen.

739

handelt derjenige, der sich der Grenzüberschreitung bewußt ist. Darauf, ob er sich auch der Unerlaubtheit bewußt geworden ist, kommt es nicht an. Ob man von jemand sagen kann, er habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders grober Weise außer acht gelassen, kann natürlich nur nach den Um­ ständen des einzelnen Falles beurteilt werden. War der Bauende zu der Annahme berechtigt, er dürfe über die Grenze bauen, so kann von Vorsatz oder Fahrlässigkeit keine Rede fein.1) e) daß der Nachbar weder vor noch sofort nach der Grenzüberfchreitung Widerspruch erhoben hat. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, so kann die Beseiti­ gung des Gebäudes, soweit es auf fremdem Grund und Boden steht, und wenn sich der Erbauer zugleich einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht hat, auch Schadensersatz verlangt werden. .Siegen aber die Voraussetzungen vor, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden. An den Eigentumsverhältnissen selbst wird durch diese Bestimmung nichts geändert. Der Erbauer bleibt daher Eigentümer des Gebäudes, auch soweit es auf fremdem Grund und Boden steht, er kann daher insbesondere dem Nachbarn die Mitbenützung des auf dessen Grund befind­ lichen Mauerwerks, z. B. zwecks Anbaues, verbieten. Andererseits behält der Eigentümer des Nachbargrund­ stücks das Eigentum an der überbauten Fläche, aber belastet mit der Verpflichtung, den Überbau zu dulden. Für diese Belastung ist er durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maß­ gebend. Die Höhe der Rente ist dadurch ein für allemal be­ stimmt und unabhängig von dem jeweiligen Wert der über­ bauten Fläche. Der Kapitalswert der Renke muß gleich sein dem Werte, den die überbaute Fläche zur Zeit der Grenzüber­ schreitung hatte. Die Rente für den Überbau ist dem jeweiligen Eigen­ tümer des Nachbargrundstücks, nicht aber einem anderen an dem Grundstück Berechtigten, also z. B. nicht dem Nießbraucher oder Pächter, zu entrichten. Verpflichtet zur Rentenentrichtung ist der jeweilige Eigen­ tümer des anderen Grundstücks. Derselbe hat die Rente jähr­ lich im voraus zu entrichten (§ 913). Das Recht auf die Rente geht allen Rechten an dem belasteten Grundstücke, auch den älteren vor. Es wird nicht in das Grundbuch eingetragen (§ 914). Daher finden weder die Vorschriften 'über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs *) RG 52 S. 16; IW 1902 Beil. 10 S. 258.

740

Notweg.

Das Eigentum.

noch über den Rang von Rechten an Grundstücken Anwendung. Der Erwerber des belasteten Anwesens kann deshalb nicht dem Rentenberechtigten einwenden, er habe von dessen An­ spruch keine Kenntnis gehabt. Der Vorrang besteht jedoch nur insoweit, als die Höhe der Rente den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Zum Verzicht auf die Rente, sowie zur Festsetzung der Rente durch Vertrag wird dagegen die Eintragung in das Grundbuch erfordert. Abgesehen vom Verzicht erlischt das Rentenrecht mit der Beseitigung des Überbaues. Im übrigen finden die Vorschriften Anwendung, die für eine zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks bestehende Reallast gelten. Wird durch den Überbau ein Erbbaurecht oder eine Dienstbarkeit beeinträchtigt, so finden die vorerwähnten Vor­ schriften zu Gunsten des Berechtigten entsprechende Anwen­ dung (§ 916). Der Rentenberechtigte kann aber jederzeit verlangen^ daß der Rentenpflichtige ihm gegen Übertragung des Eigen­ tums an dem überbauten Teile des Grundstücks den Wert er­ setze, den der überbaute Teil zur Zeit der Grenzüberschreitung gehabt hat. Für die Zeit bis zur Übertragung des Eigentums ist die Rente fortzuentrichten. Macht der Rentenberechtigte von dieser Befugnis Gebrauch, so bestimmen sich die Rechte und Verpflichtungen beider Teile nach den Vorschriften über den, Kauf (§ 915). Dem Rentenpflichtigen dagegen steht ein gleiches Recht nicht zu. Doch steht nichts im Wege, daß beide Teile durch Vertrag dahin Übereinkommen, daß dem Rentenberechtigten gegen Verzicht auf die Rente oder sogar noch gegen Bezahlung einer Entschädigung das Eigentum an dem Überbau überlassen werde. Der Verzicht auf die Rente muß jedoch dann, wie bereits bemerkt, in das Grundbuch eingetragen werden. 11. Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege^ so kann der Eigentümer dieses Grundstücks von den Nachbarn, d. i. den Eigentümern der Nachbargrundstücke Z verlangen, daß sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden — Notweg (§ 917). Die Verbindung mit dem öffentlichen Wege muß zur ordnungsmäßigen Benutzung des Grundstücks notwendig sein. Das Recht auf den Notweg wird daher nicht zu Gunsten jeder vom Eigentümer nach seinem Ermessen gewählten Be­ nutzung des Grundstücks gewährt. Andererseits steht ihm aber ') ROLG 2 S. 506; S. A. 56 Nr. 136.

Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen.

741

dieses Recht zu Gunsten jeder ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstücks zu, ohne Rücksicht darauf, ob das Grund­ stück bisher überhaupt nicht oder in anderer Weise benutzt worden ist. Das Recht auf den Notweg wird nur gewährt, um die Verbindung mit einem öffentlichen Wege zu ermöglichen, dagegen nicht, um eine andere, wenn auch noch so vorteichafte Verbindung herzustellen. Ein Recht auf den Notweg wird z. B. nicht gewährt, wenn zwischen einem Bauernhof und dem zugehörigen Acker ein fremdes Grundstück liegt. Will der Besitzer des Bauernhofes ein Recht haben, über dieses Grundstück zu fahren, so muß er sich eine Fahrtgerechtigkeit bestellen lassen. Durch die Landesgesetzgebung kann jedoch das Recht des Not­ weges auch zum Zwecke der Verbindung eines Grundstücks mit einer Wasserstraße oder einer Eisenbahn gewährt werden (Art. 123 EG). Die Verpflichtung zur Duldung des Notweges tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird, also z. B. wenn derselbe eine Brücke, welche bisher die Verbindung mit dem öffent­ lichen Wege herstellte, abbricht. Wird infolge der Veräußerung eines Teiles des Grund­ stücks der veräußerte oder zurückbehaltene Teil von der Ver­ bindung mit einem öffentlichen Wege abgeschnitten, so hat der Eigentümer desjenigen Teiles, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den Notweg zu dulden. Der Ver­ äußerung eines Teiles steht die Veräußerung eines von mehreren demselben Eigentümer gehörenden Grundstücken gleich (§ 918 Abs. 2). Erforderlichen Falles werden die Richtung des Notweges und der Umfang des Benutzungsrechts am Nachbargrundstücke durch Urteil bestimmt. Die Verpflichtung zur Duldung des Notweges dauert nur solange, bis der Mangel der Verbindung gehoben wird. Sie erlischt daher insbesondere durch Anlegung eines öffentlichen Weges, der an dem bisher abgeschnittenen Grundstücke vor­ beiführt. Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Auf „diese finden dieselben Vorschriften, wie für die im Falle des Über­ baues zu gewährende Rente Anwendung. Der Anspruch auf Duldung des Notweges unterliegt nicht der Verjährung (§ 924). III. Durch das EG ist der Landesgesetzgebung außerdem ein weitgehender Spielraum in der Auferlegung von Eigen-

742

Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken.

tumsbeschränkungen belassen worden. So bleiben insbesondere unberührt: 1. die landesgesetzlichen Vorschriften über die im öffent­ lichen Interesse erfolgende Entziehung, Beschädigung oder Be­ nutzung einer Sache, Beschränkung des Eigentums oder Ent­ ziehung oder Beschränkung von Rechten (Art. 109 EG). 2. die landesgesetzlichen Vorschriften, welche im öffent­ lichen Interesse das Eigentum in Ansehung tatsächlicher Ver­ fügungen beschränken (Art. 111 EG). Hierher gehören vor allem die baupolizeilichen Vorschriften; 3. die landesgesetzlichen Vorschriften, welche für den Fall, daß zerstörte Gebäude in anderer Lage wieder hergestellt werden, die Rechte an den beteiligten Grundstücken regeln (Art. 110 EG). 4. die landesgesetzlichen Vorschriften, durch welche das Eigentum an Grundstücken zu Gunsten der Nachbarn noch anderen als den im BGB bestimmten Beschränkungen unter­ worfen wird (Art. 124 EG).

5. Kapitel.

Hrwerv und Wertust des Eigentums an Grund­ stücken. § 221. Übersicht. Nach dem Rechte des BGB kann das Eigentum an Grundstücken erworben werden: 1. durch rechtsgeschäftliche Übertragung, (Auf­ lassung), 2. durch Ersitzung, 3. durch Aneignung 4. im Wege der Zwangsversteigerung durch den Zuschlag. Die Landesgesetzgebung kann besondere Bestim­ mungen darüber treffen, wem das Eigentum an Anlan­ dungen, welche durch allmähliche Anschwemmungen oder da­ durch entstehen, daß vom Fluß abgerissene Erbstücke angeschwemmt werden, ferner wem das Eigentum an entstehenden Inseln und verlassenen Flußbetten zufallen soll (Art. 65 EG). Unberührt bleiben endlich die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zu­ sammenlegung von Grundstücken und Gemeinheitsteilung, sowie diejenigen Vorschriften, welche sich auf den Erwerb des Eigen-

742

Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken.

tumsbeschränkungen belassen worden. So bleiben insbesondere unberührt: 1. die landesgesetzlichen Vorschriften über die im öffent­ lichen Interesse erfolgende Entziehung, Beschädigung oder Be­ nutzung einer Sache, Beschränkung des Eigentums oder Ent­ ziehung oder Beschränkung von Rechten (Art. 109 EG). 2. die landesgesetzlichen Vorschriften, welche im öffent­ lichen Interesse das Eigentum in Ansehung tatsächlicher Ver­ fügungen beschränken (Art. 111 EG). Hierher gehören vor allem die baupolizeilichen Vorschriften; 3. die landesgesetzlichen Vorschriften, welche für den Fall, daß zerstörte Gebäude in anderer Lage wieder hergestellt werden, die Rechte an den beteiligten Grundstücken regeln (Art. 110 EG). 4. die landesgesetzlichen Vorschriften, durch welche das Eigentum an Grundstücken zu Gunsten der Nachbarn noch anderen als den im BGB bestimmten Beschränkungen unter­ worfen wird (Art. 124 EG).

5. Kapitel.

Hrwerv und Wertust des Eigentums an Grund­ stücken. § 221. Übersicht. Nach dem Rechte des BGB kann das Eigentum an Grundstücken erworben werden: 1. durch rechtsgeschäftliche Übertragung, (Auf­ lassung), 2. durch Ersitzung, 3. durch Aneignung 4. im Wege der Zwangsversteigerung durch den Zuschlag. Die Landesgesetzgebung kann besondere Bestim­ mungen darüber treffen, wem das Eigentum an Anlan­ dungen, welche durch allmähliche Anschwemmungen oder da­ durch entstehen, daß vom Fluß abgerissene Erbstücke angeschwemmt werden, ferner wem das Eigentum an entstehenden Inseln und verlassenen Flußbetten zufallen soll (Art. 65 EG). Unberührt bleiben endlich die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zu­ sammenlegung von Grundstücken und Gemeinheitsteilung, sowie diejenigen Vorschriften, welche sich auf den Erwerb des Eigen-

Erwerb durch Auflassung,

743

tums und auf die Berichtigung des Grundbuchs in diesen Fällen beziehen (Art. 113 EG). § 222.

Erwerb durch Auflassung.

Die Auflassung ist erforderlich, wenn das Eigentum an einem Grundstücke durch Rechtsgeschäft übertragen werden soll. Will z. B. der zur Übertragung des Eigentums des verkauften Grundstückes verpflichtete Verkäufer seiner Verpflichtung aus dem Kaufverträge oder der zur Übertragung des Eigentums eines vermachten Grundstücks verpflichtete Erbe seiner Ver­ pflichtung aus dem Vermächtnisse genügen, so kann dies nur durch Auflassung des Grundstückes geschehen. Keine Auflassung ist erforderlich: a) wenn die Eintragung des Eigentümers zum Zwecke der Grundbuchberichtigung erfolgt; denn hier findet eine Übertragung des Eigentums überhaupt nicht statt, sondern es wird lediglich das bestehende Eigentumsverhältnis im Grund­ buche richtig gestellt. b) wenn sich der Übergang des Eigentums kraftGesetzes vollzieht, so z. B. infolge Erbganges oder auf Grund des ehelichen Güterrechtes. c) wenn ein Vermögen übertragen wird und der Er­ werb des Vermögens sich nicht durch Übertragung seiner ein­ zelnen Bestandteile vollzieht, so z. B. wenn ein Miterbe seinen Erbteil auf einen anderen Miterben **) oder einen Dritten?) überträgt oder wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und sein Anteil den übrigen Gesellschaftern zufällt; anders, wenn ein Gesellschafter ausscheidet und der andere Gesellschafter die Firma samt Aktiven und Passiven ü6etnhnmt.s) Nicht hierher gehören die Fälle: 1) daß bei der Auseinandersetzung des Gesamtgutes der allgemeinen Gütergemeinschaft oder bei der Auseinander­ setzung einer Erbengemeinschaft dem einen Beteiligten ein Grundstück zugeteilt wird oder daß das vordem bestehende Gesamthandsverhältnis in Miteigentum nach Bruchteilen um­ gewandelt wird.st 2) daß vorher bestehendes Miteigentum nach Bruchteilen in Gesamthandseigentum umgewandelt werden soll, so z. B. wenn mehrere Miteigentümer ein Grundstück in die von ihnen gebildete Gesellschaft einbringen.^) 3) des Erbschaftskaufes. In diesen Fällen ist Auflassung erforderlich. *) Recht 1903 S. 398 SammlnF 4 S. 28, 186; ROLG 4 S- 189; 5 S. 426. 2) ROLG 2 S 242. ') Recht 1902 S. 19, 347; 1903 S. 212; ROLG 3 S. 34. *) ROLG 4 S. 435; IW 1902 Beil. S. 280. ROLG 1 S. 348; RG 54 S. 103.

744 Auflassung.

Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken.

Für die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch Rechtsgeschäft gelten die allgemeinen Vorschriften über den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Rechten an Grundstücken (s. Bd. I S. 705 ff.). Demgemäß wird hierzu erfordert: 1) die Einigung des bisherigen Eigentümers und des Erwerbers, daß nunmehr der letztere Eigentümer des Grund­ stücks sein solle. Diese Einigung nennt man hier Auflassung. Einen bestimmten Inhalt der Auflasiungserklärungen verlangt das BGB nicht; insbesondere wird nicht der Gebrauch des Wortes „auflassen" erfordert. Erklärungen, die,, den überein­ stimmenden Willen der Beteiligten über den Übergang des Eigentums von Veräußerer auf den Erwerber deutlich ergeben, genügen. In der Erklärung des Veräußerers, er bewillige die Eintragung des Erwerbers als Eigentümers, im Zusammen­ halte mit der Erklärung des Erwerbes, er Beantrage diese Eintragung, kommt die Einigung genügend deutlich zum Ausdruckes) 2) die Eintragung der Rechtsänderung in das Grund­ buch. Auflassung und Eintragung bilden für den Eigentums­ übergang gleichwesentliche Erfordernisse; es ist daher nicht ganz korrekt, wenn man von einem Erwerb „durch Auflassung" spricht. Während aber sonst eine Eintragung in das Grund­ buch auf Grund der einseitigen Eintragungsbewilligung des Betroffenen erfolgt, darf im Falle der Auflassung eines Grund­ stücks die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist (§ 20 GO). Hinsichtlich der Auflassung gelten aber noch folgende Sondervorschriften: a) die zur Übertragung des Eigentums an einem Grund­ stücke nach § 873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien vor dem Grundbuchamt erklärt werden (§ 925 Abs. 1). Diese Vorschrift ist zwingenden Rechtes. Nicht erforderlich ist, daß die Parteien in Person erscheinen, Stellvertretung ist zulässig. Die Erklärung muß vor „dem" Grundbuchamte abgegeben werden, d- h- vor dem­ jenigen Grundbuchamte, bei welchem das Grundbuch über das fragliche Grundstück geführt wird. Ausnahmen sind insofern zugelaffen, als die Landesgesetzgebung hinsichtlich der im Gebiete des betreffenden Bundesstaates gelegenen Grundstücke bestimmen kann, daß die Einigung der Parteien außer vor dem Grundbuchamte auch vor Gericht, vor eineln Notar, vor einer anderen Behörde oder vor einem anderen Beamten er*) RG 54 S. 382; IW 1903 Beil. S. 80; SammlnF 3 S. 35.

Erwerb durch Auflassung.

745

klärt werden kann,**) ferner daß es bei der Auflassung eines Grundstücks der gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile nicht bedarf, wenn das Grundstück durch ein Gericht oder einen Notar versteigert worden ist und die Auflassung noch in dem Versteigerungstermin stattfindet?) (Art. 143 EG). Nach § 894 Abs. 1 CPO steht die rechtskräftige Verur­ teilung einer Partei zur Abgabe der Auflassungserklärung der wirklichen Abgabe der Erklärung gleich. Ist die Willenser­ klärung von einer Gegenleistung abhängig gemacht, so tritt diese Wirkung ein, sobald nach den Bestimmungen der §§ 726, 730 CPO eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils erteilt ist. Erscheint daher die siegreiche Partei vor dem Grundbuchamt und gibt unter Vorlage des rechtskräftigen, mit der Vollstreckungsklausel versehenen Urteils die ihrerseits erforderliche Erklärung ab, so wird die Sache so angesehen, als ob beide Parteien bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Grundbuchamte die Auflassung erklärt hätten. b) Eine Auflassung, die unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgt, ist unwirksam (§ 925 Abs. 2). Ein bedingter oder Befristeter Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke kann nur durch Eintragung einer Vormerkung gesichert werden. Eine Auflassung, die unter einer Rechtsbedingung erfolgt, insbesondere eine von Nichteigentümer vorbehaltlich der Ge­ nehmigung des Eigentümers erklärte Auflassung, ist nicht ungültig.b) Wird der Eintragungsantrag an den Vorbehalt geknüpft, daß die Eintragung der Auflassung nur erfolgen soll, wenn die zugleich Beantragte lastenfreie Abschreibung des Grundstücks erfolgen kann, so ist nicht die Auflassung, sondern der Eintragungsantrag bedingt, was zulässig ist>) Das Gleiche gilt, wenn mit der Auflassung gleichzeitig eine Hypothek für den Kaufschillingsrest errichtet und Beantragt wird, daß die Eintragung der Auflassung nicht ohne die Eintragung der Hypothek erfolgen soll. Auch von dem zweiten Erfordernisse, der Eintragung in das Grundbuch, kann die Landesgesetzgebung eine Ausnahme zulassen. Ist nämlich ein buchungsfreies Grundstück (). S. 701) im Grundbuch nicht vorgetragen, so kann durch -) Preußen: Art. 26 AGzBGB. - Bayern: Art. 81 AGzBGB. — Sachsen: § 13. — Württemberg: Art. 34ff. — Baden: §§ 6, 7, 15, 16 AGzGO. ') Preußen: Art. 26 §2 AGzBGB. — Bayern: Art. 83 AGzBGB. — Baden: § 15 AGzGO. — Elsaß-Lothringen: § 90 AGzBGB; § 13 AGzGO •) ROLG 2 S. 1; 4 S. 33; EFG 2 S. 86. 4) Recht 1903 S. 361.

746

Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken.

Landesgesetz ’) bestimmt werben, daß, wenn das Eigentum an einem solchen Grundstücke übertragen wird, die Eintragung nicht erforderlich sein soll, wenn das Grundstück nach den Vorschriften der GO auch nach der Übertragung nicht ein­ getragen zu werden braucht. Dies kann der Fall sein, weil die Eintragung wegen der Eigenschaft des Grundstücks oder wegen der Person des Erwerbers nicht erforderlich ist. Die Auflassung und die sich daran schließende Eintragung bewirken aber nur dann auch wirklich den Eigentumsübergang, wenn die Auflassungserklärung von einer dazu legitimierten Person abgegeben worden ist. Wer kann EigenEigentum übertragen kann zunächst nur der wirkliche tum uBertragcn ?{$igentümer, mag er im Grundbuch eingetragen sein oder nicht. Derselbe kann Eigentum aber nur dann wirksam übertragen, wenn er über das Grundstück auch zu verfügen berechtigt ist. Versügungs. Ist der Eigentümer in seiner Verfügungsbefugnis allbcschränkungen. gemein beschränkt, ist z. B. vom Gericht das Grundstück eines Angeklagten nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung beschlagnahmt, so hindert diese Beschränkung den Übergang des Eigentums. Besteht dagegen eine Verfügungsbeschränkung nur zu Gunsten einer bestimmten Person, so ist zu unterscheiden, a) ob der Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist und b) ob auch die Verfügungsbeschränkung eingetragen oder dem Erwerber sonst bekannt ist. Ist ersteres nicht der Fall, so geht Eigentum nicht über, auch wenn die Verfügungsbeschränkung im Grundbuch nicht eingetragen ist. Ist dagegen der Eigentümer im Grundbuch eingetragen, so ist die zu Gunsten einer bestimmten Person bestehende Ver­ fügungsbeschränkung nur wirksam, wenn auch sie im Grund­ buch eingetragen oder dem Erwerber bekannt ist (§ 892). Ist dies nicht der Fall, so wird der Erwerber Eigentümer trotz der Versügungsbeschränkung. Erwerb von Aus dem Satz, daß Niemand einem Anderen mehr Rechte einemNichteigen-übertragen kann, als er selbst hat, ergibt sich, daß der Nichtuwet' eigentümer auch .kein Eigentum übertragen kann. Dieser Satz erleidet jedoch eine Ausnahme dann, wenn der Nichteigentümer in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Ist dem Erwerber die Unrichtigkeit des Eintrags nicht bekannt und ist auch ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Inhalts des Grundbuchs nicht eingetragen, so wird der gutgläubige Er­ werber Eigentümer, obwohl der Veräußerer nicht Eigentümer war (§§ 892, 999). ') Preußen: Art. 27 AGzBGB. - Bayern: Art. 82 AGzBGB. — Elsaß-Lothringen: § 74 AGzBGB.

Erwerb durch Ersitzung, Zuschlag und Aneignung.

717

Der Umfang des Eigentumsübergangs bemißt sich nach dem Inhalt des Vertrags; die Parteien können daher insbesondere vereinbaren, daß sich die Veräußerung auf das Zubehör erstrecken oder nicht erstrecken soll. Als Auslegungs­ regel bestimmt das Gesetz, im Zweifel sei anzunehmen, daß sich die Veräußerung auf das Zubehör erstrecken solle (§ 926 Abs. 1 Satz 2). Sind der Veräußerer und der Erwerber darüber einig, daß sich die Veräußerung auf das Zubehör des Grundstücks erstrecken soll, oder ist dies auf Grund der Auslegungsregel anzunehmen, so gelten für den Erwerb des Eigentums an den dem Veräußerer gehörenden Zubehörstücken nicht die Vor­ schriften über den Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen, sondern der Erwerber erlangt mit dem Eigentum an dem Grundstück auch das Eigentum an den zur Zeit des Erwerbes vorhandenen Zubehörstücken, soweit sie dem Ver­ äußerer gehören (§ 926 Abs. 1). Maßgebend für den Umfang des Erwerbs der Zubehörungen ist daher weder der Zeitpunkt des Abschlusses des Veräußerungsvertrags noch der Auflassung oder der Eintragung in das Grundbuch, sondern der Augen­ blick, in welchem sich der Erwerb des Grundstücks vollzieht, d. h. Auflassung und Eintragung zusammentreffen. Daß der Erwerber auch den Besitz der Zubehörungen erlangt, ist für die Frage des Eigentumserwerbes gleichgültig. Freilich kann nach dem Veräußerungsvertrag der Veräußerer zu noch mehr verpflichtet sein. Soweit dann das Eigentum an Zubehör­ stücken, sei es, weil sie nicht mehr vorhanden waren oder dem Eigentümer nicht gehörten, nicht übergeht, ist der Veräußerer verpflichtet, dem Erwerber das Eigentum an denselben nach den Vorschriften über den Erwerb des Eigentums an beweg­ lichen Sachen zu übertragen. Erlangt aber der Erwerber auf Grund der Veräußerung den Besitz von Zubehörstücken, die dem Veräußerer nicht ge­ hören oder mit Rechten Dritter belastet sind, so finden die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen Anwendung; für den guten Glauben des Erwerbers ist die Zeit der Erlangung des Besitzes maßgebend (§ 926 Abs. 2). Hier wird also vorausgesetzt, daß der Erwerber den Besitz der Zubehörstücke erlangt, und zwar auf Grund der Veräußerung.

8 223.

Zubehör.

Erwerb durch Ersitzung, Zuschlag und Aneignung.

I. Die Voraussetzungen der Ersitzung des Eigentums an einem Grundstücke sind verschieden, je nachdem derjenige, welcher das Grundstück in Besitz hat, auch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist oder nicht.

Ersitzung.

748

Zuschlag.

Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken.

1) Die Voraussetzungen der Ersitzung durch den einge­ tragenen Nichteigentümer wurden bereits früher dargestellt (s. S. 727). 2) Ist dagegen der Besitzer des Grundstücks als Eigen­ tümer desselben im Grundbuche nicht eingetragen, so erwirbt er das Eigentum an dem Grundstücke dadurch, daß er den Eigentümer im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausschließen und sich selbst als Eigentümer in das Grundbuch eintragen läßt (§ 927). a) Der Eigentümer eines Grundstücks kann mit seinem Rechte im Wege des Aufgebotsverfahrens ausgeschlossen werden, wenn das Grundstück seit dreißig Jahren im Eigenbesitz eines Anderen ist. Das Aufgebotsverfahren richtet sich gegen das Recht des Eigentümers, gleichviel ob derselbe im Grundbuch eingetragen ist oder nicht. Soll sich das Aufgebotsverfahren gegen den eingetragenen Eigentümer richten, so ist dasselbe nur zulässig, wenn — abgesehen von der Voraussetzung dreißig­ jährigen Eigenbesitzes — der eingetragene Eigentümer gestorben oder verschollen ist und eine Eintragung in das Grundbuch, die der Zustimmung des Eigentümers bedurfte, seit dreißig Jahren nicht erfolgt ist. b) Derjenige, welcher das Ausschlußurteil erwirkt hat, erwirbt das Eigentum an dem Grundstücke nicht schon dann, wenn das Urteil die Rechtskraft beschreitet, sondern erst dadurch, daß er sich auf Grund des Urteils als Eigentümer in das Grundbuch eintragen läßt. Ist vor der Erlassung des Ausschlußurteils ein Dritter als Eigentümer oder wegen des Eigentums eines Dritten ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen worden, so wirkt das Urteil nicht gegen den Dritten. Ist das Eigentum eines Dritten erst nach der Erlassung des Ausschluß­ urteils eingetragen worden, so wirkt das Urteil nicht gegen ihn, wenn ihm der Schutz des öffentlichen Glaubens des Grund­ buchs zur Seite steht. II. Der Erwerb des Eigentums im Wege der Zwangs­ vollstreckung durch den Zuschlag ist nicht im BGB selbst, sondern im Gesetze über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 24. März 1897 geregelt. Der An­ steigerer wird mit dem Eintritte der Rechtskraft des den Zu­ schlag aussprechenden Beschlusses Eigentümer des Grundstücks. Mit dem Grundstücke erwirbt er zugleich die Gegenstände, auf welche die Versteigerung sich erstreckt hat. Durch den Zuschlag erlöschen die Rechte an dem Grundstücke, welche nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben sollen; jedoch bleibt ein Recht, das. hiernach erlöschen sollte, bestehen, wenn dies zwischen dem Berechtigten und dem Ersteher vereinbart ist und die Erklärungen entweder im Verteilungstermin abgegeben

Verlust des Eigentums an Grundstücken.

749

oder bevor das Grundbuchamt um Berichtigung des Grund­ buchs ersucht ist, durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nach­ gewiesen werden. III. Der Erwerb des Eigentums an, Grundstücken durch Aneignung ist von dem Zeitpunkte an, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, fir Privatpersonen ausgeschlossen; denn nach Art. 190 EG steht nur dem Fiskus das Recht zu, alle Grundstücke, welche in dem genannten Zeitpunkte herrenlos sind, sich anzueignen. Nach diesem Zeit­ punkte kann ein Grundstück nur dadurch herrenlos werden, daß der Eigentümer sein Eigentum an dem Grundstücke aufgibt. Auch in diesem Falle steht das Aneignungsrecht nur dem Fiskus zu; er erwirbt das Eigentum dadurch, daß er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen läßt. Landesgesetzlich kann be­ stimmt werden, daß das Aneignungsrecht einer bestimmten anderen Person, z. B. einer Ortsgemeinde oder dem Landes­ herrn, zusteht. Ein allgemeines Aneignungsrecht gibt es aber nicht.

§ 224.

Verlust des Eigentums an Grundstücken.

Das Eigentum an einem Grundstücke geht verloren: 1) dadurch daß das Grundstück selbst untergeht, indem dasselbe z. B. von der Meeresflut verschlungen oder bei einer Überschwemmung weggerissen wird;

2) dadurch, daß ein Anderer, sei es durch rechtsgeschästliche Übertragung, durch Ersitzung oder durch Zuschlag das Eigentum erwirbt; 3) dadurch daß der Eigentümer sein Eigentum an dem Grundstücke aufgibt (§ 928). Hierzu genügt aber nicht schon, die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung, das Eigentum aufgeben zu wollen, sondern eine wirksame Aufgabe des Eigen­ tums kommt nur dadurch zustande, daß der Eigentümer den Verzicht dem Grundbuchamte gegenüber erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird. Aufgabe des Besitzes ist weder erforderlich noch genügend; 4) durch Zwangsenteignung, soweit sie landesgesetzlich, zulässig ist.

Aneignung.

750

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

6. Kapitel.

Grwerv und Dertuk des Eigentums an vewegtiäjen Sache«.

§ 225. Erwerb durch Rechtsgeschäft. Einigung.

1. Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich: a) daß der Eigentümer der Sache und der Erwerber darüber einig sind, daß das Eigentum an der Sache auf den Erwerber übergehen soll. Die Einigung ist, wie die zum Erwerbe von Rechten an Grundstücken erforderliche Einigung ein Vertrag, weshalb auf dieselbe die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte und insbesondere über Verträge Anwendung finden. Auch hier ist der Vertrag von dem zu Grunde liegenden Schuldverhältnisse losgelöst. Auf den Grund, weshalb der Eigentümer Eigentum übertragen, der Erwerber Eigentum erwerben will, kommt es nicht an. Die Einigung wird daher regelmäßig auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß der derselben zu Grunde liegende Veräußerungsvertrag, z. B. der Kaufvertrag, nichtig oder an­ fechtbar ist. Dem steht natürlich nichts im Wege, daß eine und dieselbe Tatsache Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit sowohl des Veräußerungs- als auch des Eigentumsübertragungsvertrags begründet. In der bloßen Abnahme der übersandten Ware beim Kaufe liegt für sich allein noch keine Willensbetätigung, Eigen­ tümer dieser Ware zu werben.1)2 * Weigert sich der Lieferant, die von dem Empfänger zur Disposition gestellte Sache zurück­ zunehmen, so hält er seinen Antrag auf Eigentumsübertragung aufrecht und der Empfänger kann den Antrag, z. B. durch Verbrauch der Sache, für sich noch stillschweigend annehmen.8) Ist die Zustimmung eines Dritten erforderlich, wie z. B. die Zustimmung des Ehemannes, wenn seine im ordentlichen ge­ setzlichen Güterstande lebende Frau Eigentum an einer zum eingebrachten Gute gehörenden Sache übertragen will, so geht das Eigentum während des Schwebezustandes vor der Erteilung der Genehmigung nicht über.8) Die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung ist im Gegensatze zur Auflassung gestattet. Die Bedingung oder Befristung kann sowohl aufschiebend als auch auflösend sein. *) IW 1904 S. 62 Nr 21. 2) NOLG 5 S. 316; Recht 1902 S. 557. ’)- RG 54 S. 47.

Erwerb durch Rechtsgeschäft.

751

Deshalb kann das Eigentum an einer beweglichen Sache auch zur Sicherung **) für eine Forderung übertragen werden (sog. fiduziarische Rechtsgeschäfte). In derartigen Fällen muß man aber sehr vorsichtig sein; man hat insbesondere zu prüfen, ob der Wille der Parteien wirklich auf Übertragung des Eigen­ tums gerichtet ist oder ob nicht bloß eine verschleierte Ver­ pfändung in Frage steht. Außer der Einigung wird zum Eigentumsübergange erfordert: b) daß der Eigentümer die Sache dem Erwerber über- übergäbe, gibt (§ 9*29 Satz 1), d. h. ihm den unmittelbaren Besitz der Sache verschafft. Unmittelbaren Besitz erlangt der Erwerber auch dann, wenn die Sache einem Befitzdiener des Erwerbers übergeben wird. Wird dagegen der Erwerber durch einen Bevollmächtigten vertreten, so erlangt dieser den unmittelbaren Besitz, während der Erwerber zunächst bloß mittelbarer Besitzer wird; dies muß ebenfalls genügen; hier erlangt der Erwerber das Eigentum nicht erst dann, wenn ihm der Bevollmächtigte die Sache übergibt, sondern schon dann, wenn dem Be­ vollmächtigten der unmittelbare Besitz verschafft wird. Hat, wie z. B. regelmäßig beim Barkaufe, der Veräußerer kein Interesse daran, wer Eigentümer wird, so erwirbt der Ver­ tretene das Eigentum auch dann, wenn der Vertreter von dem Vertretungsverhältnisse nichts erwähnt2) (stille Vertretung). Ist der Erwerber bereits im Besitze der Sache, so genügt die Einigung über den Übergang des Eigentums (§ 929 Satz 2); denn es wäre ein leerer Formalismus, wenn der Mieter die Mietsache, an der er das Eigentum erwerben pill, erst dem Vermieter zurückgeben müßte, damit sie ihm dieser zum Zwecke der Eigentumsübertragung wieder übergebe. 2. Die Übergabe der Sache kann ersetzt werden: a) wenn der Eigentümer im Besitze der Sache^ bu^80s^ein: ist, dadurch, daß zwischen ihm und dem Erwerber'barung mittelein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge b°r°n Besitzes, dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt (§ 930). Ob der Eigentümer sich im unmittelbaren oder bloß mittelbaren Besitze befindet, ist gleichgültig. Im letzteren Falle würde eben dann der Erwerber entfernt mittelbarer Besitzer. Die allgemeine Vereinbarung, wie man sie häufig bei der Übertragung des Eigentums zur Sicherung einer Forderung (s. oben) antrifft, daß der Veräußerer künftig für den Erwerber besitzen werde, genügt nicht; es muß ein bestimmtes Rechts­ verhältnis vereinbart werden, das mittelbaren Besitz begründet;2) ’) IW 1902 Beil. S. 259. -) ROLG 5 S. 46 •) IW 1902 S. 10; RG 49 S. 173; 54 S. 396ff.; ROLG 2 S. 80; 8 S. 191; DIZ 1902 S. 101; Recht 1902 S. 149.

752

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

also z. B. Miete, Leihe, Verwahrung, Nießbrauch u. s. w. Die Vereinbarung eines solchen Rechtsverhältnisses zwischen anderen Personen als zwischen Erwerber und Veräußerer vermag die Über­ gabe nicht zu ersetzend) b> durch Abtrcb) wenn ein Dritter im Besitze der Sache ist, tung des dadurch, daß der Eigentümer dem Erwerber den Herausgabe. Anspruch auf Herausgabe der Sache abtritt (§ 931). Ob der Dritte den Besitz durch, ohne oder selbst gegen den Willen des Eigentümers erlangt hat, begründet keinen Unter­ schied. Ist der Eigentümer mittelbarer Besitzer, so haben die Parteien die Wahl, ob die Übergabe dadurch ersetzt werden soll, daß dem Erwerber der Anspruch auf Herausgabe abge­ treten wird, oder dadurch, daß ein den entfernt mittelbaren Besitz des Erwerbers begründendes Rechtsverhältnis vereinbart wird. Ob darin, daß der Veräußerer dem Erwerber einen Verfügungsschein schickt, in welchem er den Spediteur anweist, dem Erwerber die bei ihm lagernden Waren gegen Erstattung der Kosten zu verabfolgen, die Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe oder lediglich eine Anweisung an den Spediteur zu erblicken ist, hängt von der Lage des einzelnen Falles ab?) In all diesen Fällen erlangt der Erwerber das Eigentum nur dann, wenn der Veräußerer Eigentümer der Sache ist. Diesem Falle steht der Fall gleich, daß der wirkliche Eigen­ tümer der Veräußerung durch den Nichteigentümer zustimmt (§ 185) oder daß der veräußernde Nichteigentümer, wie z. B. bei dem ordentlichen gesetzlichen Güterstande der Ehemann in Ansehung der zum eingebrachten Gute der Frau gehörenden verbrauchbaren Sachen (§ 1376), zur Veräußerung kraft Gesetzes befugt ist. Wollte man diesen Grundsatz streng durchführen, so würde darunter die Sicherheit des Verkehrs leiden; denn das Eigen­ tum des derzeitigen Eigentümers könnte nur durch den Nach­ weis bewiesen werden, daß auch seine sämtlichen Rechtsvor­ gänger Eigentümer der Sache waren. Wer daher z. B. das Eigentum an einer aus dem 14. Jahrhundert stammenden Ritterrüstung behauptet, müßte nachweisen, daß alle Personen, welche im Laufe der Jahrhunderte die Rüstung besaßen, bis zurück auf den Verfertiger, Eigentümer derselben waren. Ein solcher Nachweis wäre fast nie möglich und gar bald könnte niemand mehr mit Bestimmtheit wissen, ob er auch wirklich Eigentümer einer Sache geworden ist. Erwerb im guten Das Gesetz schützt daher den Erwerb im guten Glauben. Glauben. Wer eine bewegliche Sache in gutem Glauben zu Eigentum erwirbt, soll ohne Rücksicht darauf, ob *) ROLG 8 S. 191; vgl. auch RG 48 S. 318. 2) RG 49 S. 97.

Erwerb durch Rechtsgeschäft.

753

der Veräußerer Eigentümer war, das Eigentum an der Sache erwerben (§ 932). Daß der Erwerber in gutem Glauben war, wird vermutet. Wer sich daher auf das Eigentum an einer Sache beruft, braucht lediglich die zum Eigentumserwerbe erforderlichen Tatsachen beweisen. Wer behauptet, daß der Erwerber nicht im guten Glauben war, muß die Richtig­ keit seiner Behauptung nachweisen. Der Erwerber einer Sache ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbe­ kannt ist, daß die Sache nicht dem Veräußerer gehört (§ 932 Abs. 2). Der Zeitpunkt, in welchem der gute Glaube des Erwerbers vorhanden sein muß, ist je nach der Art und Weise des Eigentumserwerbs verschieden bestimmt: a. Im Normalfalle, also dann, wenn die Übergabe der Sache nach der Einigung erfolgt, darf sich der Erwerber zur Zeit der Übergabe nicht in bösem Glauben befinden. b. War der Erwerber bereits im Besitze der Sache, ge­ nügte also zum Eigentumsübergang die bloße Einigung, so darf der Erwerber zur Zeit der Einigung nicht in bösem Glauben sein; außerdem wird vorausgesetzt, daß der Erwerber den mittelbaren oder unmittelbaren Besitz von dem Veräußerer erlangt hat. Hat er dagegen den Besitz von einem Dritten erlangt, so nützt ihm, sein guter Glaube nichts. c. Wird die Übergabe durch die Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses ersetzt, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erst erlangt, so wird der Erwerber Eigen­ tümer, wenn er sich noch zur Zeit der Übergabe in gutem Glauben befindet (§ 933). Solange daher die Übergabe noch nicht, erfolgt ist, nützt ihm die Berufung auf feinen guten Glauben nicht. d. Wird in den Fällen, in welchen ein Dritter im Be­ sitze der veräußerten Sache ist, die Übergabe durch die Ab­ tretung des Anspruchs auf Herausgabe ersetzt, so ist zu unter­ scheiden, ob der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache ist oder nicht (§ 934). Ist der Veräußerer mittelbarer Besitzer, so wird der Erwerber Eigentümer, wenn er sich zur Zeit der Abtretung des Anspruchs im guten Glauben befindet. Anderenfalls wird der Erwerber nur dann Eigentümer, wenn er den Besitz der Sache von dem Dritten erlangt und noch in diesem Zeitpunkte in gutem Glauben ist. Im Falle der Stellvertretung ist regelmäßig der gute Glaube des Stellvertreters ausschlaggebend, (§ 166; vgl. Bd. I S. 168). Ist der Erwerber auf Grund vorstehender Bestimmungen Eigentümer geworden, so bleibt er Eigentümer auch dann, Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I.

48

754

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

wenn er n a ch dem für seinen Erwerb maßgebenden Zeitpunkte erfährt, daß die Sache dem Veräußerer nicht gehörte. Er kann daher einem Dritten das Eigentum an der Sache selbst dann rechtswirksam übertragen, wenn der Dritte weiß, daß der Erwerber das Eigentum von einem Nichteigentümer er­ worben hat. sotene'obe't“onft Die Vorschriften über den gutgläubigen Erabhanden ac- werb finden keine An wendUNq, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist (§ 935). Von dieser Vorschrift werden im allgemeinen alle diejenigen Fälle umfaßt, in denen der Eigentümer wider seinen Willen und ohne sein Zutun den Besitz der Sache verloren hat. Hier nützt dem Erwerber sein guter Glaube nicht. Das Gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem uninittelbaren Besitzer abhanden gekommen war. Die Beweislast trifft denjenigen, welcher die Anwendbarkeit der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb bestreitet. Bei gewissen Sachen und für gewisse Erwerbsarten duldet das Interesse des Verkehrs auch diese Beschränkung nicht, so daß die Vorschriften über den Erwerb im guten Glauben wieder Anwendung finden, auch wenn die Sache mit dem Makel behaftet ist. Dies ist der Fall: a. bei dem Erwerb von Geld ohne Unterschied, ob es sich um Metallgeld oder Papiergeld handelt; b. bei Jnhaberpapieren; c. bei Sachen, die im Wege öffentlicher Ver­ steigerung veräußert werden; ist dagegen die Verstei­ gerung, wie z. B. häufig Christbaumversteigerungen, keine öffentliche, so gilt die Ausnahme nicht. Rechte Dritter. Die Vorschriften über den Erwerb in gutem Glauben gelten auch in Ansehung der Rechte Dritter, mit denen eine veräußerte Sache belastet ist (§ 936). Grundsatz ist, daß mit dem Erwerbe des Eigentums das Recht des Dritten er­ lischt: hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Eigentums­ erwerb infolge Veräußerung durch den Eigentümer oder nach den Vorschriften über den Erwerb in gutem Glauben eintritt. Soweit aber das Eigentum an der veräußerten Sache, sei es weil der Erwerber nicht in gutem Glauben ist, sei es weil die Sache dem Eigentümer gestohlen, verloren oder sonst ab­ handen gekommen ist, nicht erworben wird, erlöschen auch die Rechte Dritter nicht, mit denen die Sache belastet ist. Die Voraussetzungen über den lastenfreien Erwerb sind die gleichen wie die Voraussetzungen über den gutgläubigen Erwerb des

*) IW 1903 Beil. 17 S. 62.

Erwerb durch Rechtsgeschäft.

755

Eigentums. War daher der Erwerber bereits im Besitze der Sache, genügte also zum Eigentumsübergange die bloße Eini­ gung, so erlischt das Recht des Dritten nur, wenn der Er­ werber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte. Wird die Übergabe durch Vereinbarung eines Rechtsverhältnisses ersetzt, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt, so erlischt das Recht des Dritten erst dann, wenn der Erwerber auf Grund der Veräußerung den Besitz der Sache erlangt. Das Gleiche gilt, wenn die Sache sich im Besitze eines Dritten, aber nicht im mittelbaren Besitze des Veräu­ ßerers befindet, und die Übergabe durch Abtretung des An­ spruchs auf Herausgabe ersetzt wird. Das Recht des Dritten an der veräußerten Sache erlischt aber dann nicht, wenn der Erwerber in dem für das Er­ löschen des Rechtes maßgebenden Zeitpunkte in Ansehung des Rechtes nicht in gutem Glauben ist, d. h. wenn er in diesem Zeitpunkte das Recht des Dritten kennt oder wenn ihm das­ selbe infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Eine weitere Ausnahme besteht für den Fall, daß die Übergabe der im Besitz eines Dritten befindlichen Sache durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe ersetzt wird. Steht nämlich das Recht dem dritten Besitzer selbst zu, so erlischt es auch dem gutgläubigen Erwerber gegenüber nicht; hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache war oder nicht. Besondere Vorschriften gelten für den Erwerb von Bestandteilen, Erzeugnissen und Zubehörstücken eines Grund­ stücks, das mit einer Hypothek, Grundschuld oder Renten­ schuld belastet ist (§ 1121). Die Erörterung dieser Vor­ schriften muß der Darstellung des Hypothekenrechts Vorbe­ halten werden. Teils weitergehende, teils strengere Vorschriften über den Erwerb in gutem Glauben trifft das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897. a. Wird ein Jnhaberpapier, das dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden ge­ kommen ist, an einen Kaufmann, der Bankier- oder Geldwechslergeschäfte betreibt, veräußert, so gilt dessen guter Glaube als ausgeschlossen, wenn zur Zeit der Veräußerung oder Verpfändung der Verlust des Papiers von einer öffentlichen Behörde oder von dem aus der Urkunde Verpflichteten im deutschen Reichsanzeiger bekannt gemacht und seit dem Ablaufe des Jahres, in welchem die Veröffent­ lichung erfolgt ist, nicht mehr als ein Jahr verstrichen war. Der gute Glaube, des Erwerbers wird jedoch durch die Ver­ öffentlichung im deutschen Reichsanzeiger nicht ausgeschlossen, wenn der Erwerber die Veröffentlichung infolge besonderer 48*

756

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

Umstände weder kannte noch kennen mußte (§ 367 Abs. 1 und 2 HGB). Wenn also ein Bankier, dem ein Jnhaberpapier zum Kaufe angeboten wird, ganz sicher gehen will, so muß er die Veröffentlichungen des deutschen Reichsanzeigers während des laufenden und der beiden letzten Jahrgänge durchsehen. Auf Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine, die nicht später als in dem nächsten auf die Veräußerung folgenden Einlösungstermine fällig werden, sowie auf Bank­ noten und andere auf Sicht zahlbare unverzinsliche Inhaber­ papiere finden diese strengeren Vorschriften keine Anwendung sondern für dieselben gelten die gewöhnlichen Vorschriften des BGB über den gutgläubigen Erwerb von beweglichen Sachen. b. Nach dem Rechte des BGB finden die Vorschriften über den Erwerb in gutem Glauben keine Anwendung, wenn sich der Erwerber nur über die Befugnis des Veräußerers im Irrtume befindet, wenn also der Erwerber zwar weiß, daß die Sache dem Veräußerer nicht gehört, aber ohne grobe Fahr­ lässigkeit annimmt, daß der Veräußerer gleichwohl, sei es kraft Gesetzes oder auf Grund einer ihm vom Eigentümer ein­ geräumten Befugnis zur Veräußerung der Sache berechtigt ist. Anders nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches : Veräußert nämlich ein Kaufmann „im Betriebe seines Handels­ gewerbes" eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so finden die Vorschriften des BGB über den gutgläubigen Erwerb auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen, betrifft (§ 366 Abs. 1 HGB). Kauft daher z. B. A von dem Kommissionär B Waren, so wird er Eigentümer der Waren auch dann, wenn er weiß, daß B nicht Eigentümer der Waren ist; der Eigentumsüber­ gang wäre nur dann ausgeschlossen, wenn A wußte, daß B zur Veräußerung der fremden Waren nicht befugt war, oder wenn ihm dies infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ge­ blieben war. Ist die Sache mit dem Rechte eines Dritten belastet, so finden die Vorschriften des BGB über den gutgläubigen Er­ werb auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube die Be­ fugnis des Veräußerers, ohne Vorbehalt des Rechtes über die Sache zu verfügen, betrifft (§ 366 Abs. 2 HGB). Kauft z. B. A im Geschäfte des Bankiers B Aktien, so erwirbt A das Eigentum an den Aktien auch dann lastenfrei, wenn er weiß, daß dem C ein. Nießbrauch an denselben bestellt ist. Er erwürbe sie nur dann belastet mit dem Nießbrauch, wenn er wüßte, daß der Nießbraucher C dem Kaufmann B nicht gestattete, über die Aktien vorbehaltslos zu verfügen, oder wenn ihm dies infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben war.

Erwerb durch Ersitzung.

§ 226.

757

2. Erwerb durch Ersitzung.

Wer eine bewegliche Sache zehn Jahre im ' Eige»besitze hat, erwirbt das Eigentum durch Er­ sitzung (§ 937 Abs. 1). D i e Voraussetzungen der Ersitzung sind: Voraussetzungen: 1. Eigenbesitz. Nur der Eigenbesitzer, d. h. derjenige, i. Eigcnbefltz. welcher die Sache als ihm gehörend besitzt, kann das Eigen­ tum an ihr ersitzen. Daß er die Sache während der Ersitzungs­ zeit im Eigen besitze gehabt hat, muß er im Bestreitungs­ falle beweisen. Im übrigen ist aber gleichgültig, ob unmittel­ barer oder bloß mittelbarer Eigenbesitz in Frage steht. 2. Der Eigenbesitz muß zehn Jahre gedauert haben. Doch - Ersitzungsfristwird im Bestreitungsfalle nicht verlangt, daß derjenige, der sich auf Ersitzung beruft, nachweist, daß er während jeder Minute innerhalb der zehn Jahre die Sache im Eigenbesitz gehabt habe. Weist er nach, daß er die Sache am Anfang und am Ende der Ersitzungszeit im Eigenbesitze gehabt hat, so kommt das Gesetz seinem Beweise mit der Vermutung zu Hilfe, daß der Eigenbesitz auch in der Zwischenzeit bestanden hat (§ 938). Es ist Sache des Gegners, darzutun, daß die Vermutung nicht dem wirklichen Sachverhalt entspricht. Die Ersitzung kann nicht beginnen und, falls sie bereits begonnen hat, nicht fortgesetzt werden, solange die Verjährung des Eigentumsanspruchs gehemmt ist oder ihrer Vollendung gewisse Hindernisse im Wege stehen (§ 939): a) Die Verjährung des Eigentumsanspruchs ist gehemmt, solange der Berechtigte durch Stillstand der Rechtspflege inner­ halb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung verhindert ist; das Gleiche gilt, wenn eine solche Verhinderung in anderer Weise durch höhere Gewalt herbeigeführt wird (§ 203). Die Verjährung von Eigentums­ ansprüchen zwischen Ehegatten ist gehemmt, solange die Ehe besteht; das Gleiche gilt von Eigentumsansprüchen zwischen Eltern und Kindern während der Minderjährigkeit der Kinder sowie von Eigentumsansprüchen zwischen dem Vormund und dem Mündel während der Dauer des Vormundschaftsverhältnisses. b) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so wird die gegen sie laufende Verjährung und damit auch die Ersitzung nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeit­ punkte vollendet, in welchem die Person unbeschränkt geschäfts­ fähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört (§ 206). Gehört der Eigentumsanspruch zu einem Rücklasse oder richtet er sich gegen einen Rücklaß, so wird die Verjährung desselben nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten nach dem Zeit-

758

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen,

punkte vollendet, in welchem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder der Konkurs über den Nachlaß eröffnet wird oder von welchem an der Anspruch von einem Ver­ treter oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden kann (§ 207). Von der Hemmung der Ersitzung ist zu unterscheiden die Unterbrechung der Ersitzung. Wird die Ersitzung unterbrochen, so kommt die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht; eine neue Ersitzung kann erst nach der Beendigung der Unterbrechung beginnen (§ 942). Die Ersitzun g wird unterbrochen: a. durch den Verlust des Eigenbesitzes (§ 940). Der Tod des Eigenbesitzers allein unterbricht die Ersitzung nicht (§ 857). Ebensowenig geht der Eigenbesitz verloren, wenn sich der bis dahin unmittelbare Eigenbesitz in bloß mittelbaren Eigenbesitz verwandelte. Trotz des'Verlustes des Besitzes gilt die Unterbrechung als nicht erfolgt, wenn der Eigenbesitzer den Eigenbesitz ohne seinen Willen verloren und ihn binnen Jahres­ frist oder mittelst einer innerhalb dieser Frist erhobenen Klage wieder erlangt hat (§ 940 Abs. 2). b. wenn der Eigentumsanspruch gegen den Eigenbe­ sitzer oder im Falle mittelbaren Eigenbesitzes gegen den Be­ sitzer gerichtlich geltend gemacht wird, der sein Recht zum Besitze von dem Eigenbesitzer ableitet; die Unterbrechung tritt jedoch nur zu Gunsten desjenigen ein, welcher sie herbei­ führt (§ 941). Gleichgültig ist, ob der Berechtigte auf Heraus­ gabe der Sache oder auf Feststellung, auf Erteilung der Voll­ streckungsklausel oder auf Erlassung des Vollstreckungsurteils Klage erhebt. Der Erhebung der Klage steht gleich die Vor­ nahme einer Vollstreckungshandlung oder, wenn die Zwangs­ vollstreckung den Gerichten oder anderen Behörden zugewiesen ist, die Stellung des Antrags auf Zwangsvollstreckung (§ 209). Unterbrechung tritt auch ein durch Einreichung des Gesuchs auf Vorentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs oder auf Bestimmung des zuständigen Gerichts (§ 210), endlich durch Erhebung des Anspruchs vor einem dafür bestimmten Schiedsgerichte. Die Unterbrechung durch Klageerhebung dauert fort, bis der Prozeß rechtskräftig entschieden oder anderweitig z. B. durch Vergleich erledigt ist. Gerät der Prozeß infolge einer Vereinbarung der Parteien oder dadurch, daß er nicht be­ trieben wird, in Stillstand, so endigt die Unterbrechung mit der letzten Prozeßhandlung der Parteien z. B. einer Ladung zur mündlichen Verhandlung oder mit der letzten Prozeß­ handlung des Gerichts z. B. Erlassung eines Vertagungsbe­ schlusses. Mit diesem Zeitpunkte beginnt wieder eine neue

Erwerb durch Ersitzung.

759

Ersitzungsfrist zu laufen. Betreibt eine der Parteien den Prozeß weiter, indfm sie z. B. die andere Partei ladet, so wird die neue Ersitzungsfrist in gleicher Weise wie durch Klageerhebung unterbrochen. Die Unterbrechung durch Klageerhebung gilt als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urteil, weil z. B. die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts, der Rechts­ hängigkeit detz Anspruchs u. dgl. für begründet erachtet wird, rechtskräftig qbgewiesen wird. Erhebt dagegen der Berechtigte binnen sechs Monaten von neuem Klage, so gilt die Ersitzung als durch Erhebung der ersten Klage unterbrochen. Liegen die Voraussetzungen vor, welche die Vollendung der Verjährung hindern würden, hat z. B. der geschäftsunfähige Berechtigte keinen gesetzlichen Vertreter, so erreicht die erwähnte sechs­ monatliche Frist ihr Ende nicht vor Ablauf weiterer sechs Monate, vom Wegfall des Hindernisses an gerechnet, also in dem gegebenen Beispiel nicht vor dem Ablauf von sechs Mo­ naten, nachdem der Geschäftsunfähige geschäftsfähig geworden ist oder einen Vormund erhalten hat. Die Unterbrechung durch Vornahme einer Zwangs­ vollstreckungshandlung gilt als nicht erfolgt, wenn die Voll­ streckungsmaßregel auf Antrag des Berechtigten oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird. Die Unterbrechung durch Stellung des Antrags auf Zwangsvollstreckung gilt als nicht erfolgt, wenn dem Antrag nicht stattgegeben oder der Antrag vor der Vornahme der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder die erwirkte Vollstreckungsmaßregel auf Antrag des Berechtigten oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird. Gelangt die Sache durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Ersitzungszeit dem Dritten zu Statten (§ 943). Daher kann sich der Erbe die während des Eigenbesitzes des Erblassers verstrichene Ersitzungszeit anrechnen. Das Gleiche gilt im Falle der Sonderrechtsnachfolge. Vor­ ausgesetzt wird aber immer, daß der Rechtsvorgänger die Sache im Eigenbesitze gehabt hat. Ist sie durch mehrere Hände gegangen, so gilt das Gesagte für die während des Besitzes sämtlicher Rechtsvorgänger verstrichene Ersitzungszeit. Hat jedoch einer derselben die Sache nicht im Eigenbesitze gehabt, so kann sich der Rechtsnachfolger sowohl dessen Ersitzungszeit als auch die während des Besitzes noch früherer Rechtsvor­ gänger verstrichene Ersitzungszeit nicht anrechnen. Eine Rechtsnachfolge liegt nicht vor, wenn der wirkliche Erbe dem vermeintlichen Erben den Nachlaß abnimmt. Gleich­ wohl kommt nach ausdrücklicher Vorschrift die Ersitzungszeit,

760

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen

die zu Gunsten des Erbschaftsbesitzers verstrichen ist, dem Erben zu Statten (§ 944). Auch hier wird Eigenbesitz des Erbschaftsbesitzers vorausgesetzt. Wer sich auf Ersitzung beruft, braucht weiter nichts zu beweisen als die beiden dargelegten Voraussetzungen: zehn­ jährigen Eigenbesitz. Er braucht daher insbesondere nicht dar­ zulegen, auf welche Weise er in den Besitz der Sache gelangt ist; denn auch gestohlene oder verlorene Sachen können ersessen werden; freilich wird sich manchmal zum Nachweise des Eigenbesitzes die Aufdeckung des Besitzerwerbes nicht umgehen lassen. z. Guter Glaube. Guter Glaube des Ersitzenden ist zwar auch eine der Voraussetzungen der Ersitzung, aber nicht in dem Sinne, daß sein Vorhandensein von demjenigen, der sich auf Ersitzung beruft, bewiesen werden müßte; denn wie bei dem Erwerbe des Eigentums durch Übertragung, so wird auch bei der Er­ sitzung der gute Glaube des Ersitzenden vermutet. Der Nach­ weis des bösen Glaubens obliegt daher demjenigen, welcher ihn behauptet. Dieser muß beweisen (§ 937 Abs. 2): a. entweder daß der Erwerber bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben war. Was unter gutem Glauben zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Aus der analogen Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb des Eigentums durch Übertragung ergibt sich aber, daß der Ersitzende dann nicht in gutem Glau­ ben ist, wenn ihm bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes Um­ stände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind, welche den Erwerb des Eigentums durch ihn hindern. b. oder daß der Erwerber nach dem Erwerbe des Eigenbesitzes erfährt, daß ihm das Eigentum nicht zu steht. Grobfahrlässige Unkenntnis ist hier der Kenntnis nicht gleichgestellt. Wirkungender Durch die Ersitzung wird der Ersitzende Eigenrschung. tümer der Sache (§ 937). Mit dem Erwerbe des Eigen­ tums durch Ersitzung erlöschen die an der Sache vor dem Eigenbesitze begründeten Rechte Dritter, es sei denn daß der Eigenbesitzer bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes in An­ sehung dieser Rechte nicht in gutem Glauben ist oder ihr Be­ stehen später erfährt (§ 945). Es gelten also dieselben Vor­ schriften wie über den Erwerb des Eigentums durch Ersitzung. Doch wird vorausgesetzt, daß die Ersitzungsfrist auch in Ansehung des Rechtes des Dritten verstrichen ist; die Vorschriften über Beginn, Hemmung und Unterbrechung der Ersitzungsfrist sowie über die Anrechnung der Besitzzeit des Rechtsvorgängers und Erbschaftsbesitzers finden auch auf den Lauf dieser Frist Anwendung. Da beide Fristen getrennt

Erwerb durch Verbindung, Vermischung und Verarbeitung.

761

laufen, so kann die für die Ersitzung des Eigentums laufende Frist bereits vollendet sein, während die für die lastenfreie Ersitzung laufende Frist, sei es weil sie später zu laufen be­ gonnen hat oder gehemmt oder unterbrochen wurde, noch nicht vollendet ist, und umgekehrt. Jedenfalls aber tritt die lastenfreie Ersitzung solange nicht ein, als nicht beide Ersitzungs­ fristen verstrichen sind. Nimmt der Ersitzende irrtümlich an, daß die Sache mit dem Rechte eines Dritten, z. B. von Fideikvmmißanwärtern, belastet sei, so erwirbt er selbstverständlich freies Eigentum, weil ja diese vermeintlichen Rechte nichtexistieren. >) Die Vorschrift des § 945 ist übrigens nicht auf den Er­ werb des Eigentums durch Ersitzung beschränkt. Auch dann wenn Jemand das Eigentum an einer mit Rechten Dritter belasteten Sache auf andere Weise als durch Ersitzung erworben hat, erlöschen diese Rechte, wenn im übrigen die Voraussetzungen des § 945 vorliegen.

§ 227.

Erwerb durch Verbindung, Vermischung und Verarbeitung.

I. Wird eine bewegliche Sache mit einem (Srutti> = ®egn$reU®at5ra stücke dergestalt verbunden, daß sie ein wesentlicher Be- mit einem standteil des Grundstückes wird, so erstreckt sich das Eigen- run uc tum an dem Grundstücke zugleich auf die Sache (§ 946). Wo­ durch die Verbindung herbeigeführt wird, ob durch eine Handlung des Grundstückseigentümers oder des Eigentümers der be­ weglichen Sache oder eines Dritten oder durch Naturgewalt, ist gleichgültig; deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob derjenige, der die Verbindung vornimmt, geschäftsfähig ist oder nicht.?) Die Verbindung muß aber derartig sein, daß die be­ wegliche Sache wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird; dagegen wird nicht vorausgesetzt, daß der hinzutretende Be­ standteil die räumlichen Grenzen des Grundstückes nicht über­ schreite; so ist die dem Betriebe einer Gasanstalt dienende, sich durch den ganzen Gemeindebezirk hindurch erstreckende. Röhrenleitung Bestandteil des Grundstückes, auf dem die Gas­ anstalt sich befindet;b) das Gleiche gilt bei einer elektrischen Beleuchtungsanlage von dem Leitungsnetz, das bestimmt ist, den elektrischen Strom von der Centrale aus den einzelnen Stromabnehmern zuzuführen.**) Auf den guten Glauben des Grundstückseigentümers kommt es nicht an. Daher wird der Grundstückseigentümer Eigentümer des auf dem Grundstücke aufgeführten Gebäudes, auch wenn er oder ein Dritter die ’) -) ') *)

RG RG RG RG

47 51 39 48

S. S. S. S.

242. 80; IW 1902 Beil. 4 S. 219. 205. 267.

762

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

dazu verwendeten Ziegelsteine gestohlen hat oder wenn sich der Ziegelsteinlieferant an ihnen das Eigentum Vorbehalten hat. Denn die Vorschrift ist zwingenden Rechtes; daher hat der Eigentumsvorbehalt keine Wirkung. Dagegen erwirbt der Eigentümer des Grundstücks kein Eigentum an den fliegenden Buden, die während eines Festes auf dem Grundstücke errichtet werden, oder an den Maschinen, die der Mieter eines Fabrikanwesens mit dem Grund und Boden fest verbindet; denn diese werden nach § 95 nicht Be­ standteile des Grundstückes. Eine Ausnahme besteht in Ansehung des Überbaues; der Eigentümer des Gebäudes behält das Eigentum an dem Gebäude, auch soweit dasselbe auf fremdem Grund und Boden steht (s. S. 738).'

wegnch»Sachm miteinander,

Vermischung, ermengung.

Rechte Dritter.

H Werden bewegliche Sachen dergestalt mit = einander verbunden, daß sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache bilden, so ist zu prüfen, ob nicht die eine von ihnen als Hauptsache anzusehen ist. Wann eine einheitliche Sache vorliegt oder ob eine Sache als Hauptsache anzusehen ist, kann nur nach Lage des einzelnen Falles und nach der Auffassung des Verkehrs entschieden werden. Ist eine der Sachen als Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum (§ 947 Abs. 2); anderenfalls werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer der einheitlichen Sache ; die Anteile bestimmen sich nach dem Verhältnisse des Wertes, den die Sachen zur Zeit der Verbindung haben (§ 947 Abs. 1). Auch hier ist gleichgültig, wer die Verbindung vornahm und ob sie in gutem oder bösem Glauben erfolgte. Die vorstehend dargestellten Vorschriften gelten auch roenn bewegliche Sachen mit einander untrennbar vermischt oder vermengt werden. Der Untrennbarkeit steht es gleich, wenn die Trennung der vermischten oder vermengten Sachen mit unverhältnismäßigen Kosten ver­ bunden sein würde (§ 948). Ist dagegen die Trennung wenigstens nicht mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand durchführbar, so bleiben die bisherigen Eigentumsverhältnisse bestehen. Erlischt durch die Verbindung, Vermischung oder Ver­ mengung das Eigentum an einer Sache, so erlöschen in der Regel auch die sonstigen an der Sache bestehenden Rechte, wie z. B. Pfandrechte (§ 949). Erwirbt der Eigentümer der belasteten Sache Miteigentum, so erlöschen zwar die Rechte an der Sache selbst, sie bestehen aber an dem Anteile fort, der an die Stelle der Sache tritt. Wird endlich der Eigen­ tümer der belasteten Sache Alleineigentümer, so erstrecken sich die Rechte auf die hinzutretende Sache.

Erwerb durch Verbindung, Vermischung und Verarbeitung.

763

Diese Vorschriften müssen auch für den Fall entsprechende Anwendung finden, daß die mit Rechten Dritter belasteten Sachen nicht im Eigentume verschiedener Personen stehen, sondern demselben Eigentümer gehören. III. Wer durch Verarbeitung oder Umbildung eines ^ümbudung^' oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, er­ wirbt das Eigentum an der neuen Sache, sofern nicht der Wert der Verarbeitung oder der Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes (§ 950). Diese Art des Eigen­ tumserwerbes nennt man häufig auch Spezifikation. Die Voraussetzungen dieses Eigentumserwerbs­ grundes sind: 1. Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe. Während daher bei dem Eigentumserwerb durch Verbindung, Vermischung oder Vermengung lediglich das tatsächliche Verhältnis entscheidet, in welches mehrere Sachen zu einander treten, wird hier eine an der Sache vor­ genommene menschliche Tätigkeit erfordert, welche auf die Her­ stellung einer neuen Sache abzielt. Gleichgültig ist dann, ob der zur Herstellung der Sache verwendete Stoff ganz oder teilweise zerstört wird. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so tritt Erwerb durch Spezifikation nicht ein. Wer daher z. B. aus Wein, Arrak, Zucker u. s. w. einen Punsch herstellt, wird Eigentümer desselben durch Spezifikation, auch wenn die einzelnen Ingredienzien ihm nicht gehörten; wenn dagegen ein Faß Wein und Arrak rinnt und die Flüssigkeit einen Sack Zucker ergreift, so tritt lediglich Miteigentum infolge Ver­ bindung ein; denn es fehlt an einer menschlichen Tätigkeit. Wer ferner einen Balken anzündet, erwirbt an den verkohlten Resten kein Eigentum, wohl aber der Köhler an den Holz­ kohlen, die er herstellt; denn im ersteren Fall fehlt der Zweck der Herstellung einer neuen Sache. Gewisse menschliche Tätigkeiten, bezüglich deren man vielleicht streiten könnte, ob sie sich als Verarbeitung oder Umbildung darstellen, sind durch das Gesetz ausdrücklich als solche erklärt, nämlich: Schreiben, Zeichnen, Malen, Drucken, Gravieren oder eine ähnliche Bearbeitung der Oberfläche. Gleichgültig ist, ob der Verfertiger der neuen Sache in gutem oder bösem Glauben handelte, ja selbst ob sich die Ver­ arbeitung oder Umbildung als strafbare Handlung darstellt; daher wird auch, der Falschmünzer Eigentümer der von ihm hergestellten Falsifikate. Ferner ist belanglos, ob der Hersteller geschäftsfähig ist oder nicht, ob er die Herstellung selbst vor­ nimmt oder ob er sie durch einen Gehilfeü vornehmen läßt. 2. Herstellung einer neuen beweglichen Sache. Es wird daher ein gewisses Resultat erfordert. Ob eine Sache im Verhältnisse zu dem zu ihrer Herstellung verwendeten

764

Rechte Dritter.

IV. Entschädig­ ung und Aus­ gleichung.

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

Stoffe als neue Sache zu erachten ist, kann nur nach den Anschauungen des Verkehrs entschieden werden. Darin daß ein Kleid gefärbt oder ein Buch gebunden wird, ist z. B. nicht die Herstellung einer neuen Sache zu erblicken. Ferner muß die hergestellte Sache eine bewegliche Sache sein; wer daher einen ihm nicht gehörigen Wald durch Rodung in einen Acker verwandelt, wird nicht Eigentümer des Ackers. 3. Der Wert der Verarbeitung oder der Umbildung darf nicht erheblich geringer sein als der Wert des Stoffes. Der Rohstoffwert ist aber nicht immer maßgebend. Wenn z. B. Jemand auf Seide malt, ist der Wert des Seidenstoffes, nicht der der Rohseide maßgebend; dagegen ist der Silberwert maßgebend, wenn Jemand eine silberne Schale einschmilzt und einen Becher daraus verfertigt. Ist der Wert der Arbeit erheblich geringer als der des Stoffes, so wird der Eigentümer des Stoffes Eigentümer der neuen Sache. Mit dem Erwerbe des Eigentums durch den Verfertiger erlöschen die an dem Stoffe bestehenden Rechte (§ 950 Abs. 2); auch hier ist belanglos, ob der Verfertiger in Ansehung der­ selben sich in gutem oder bösem Glauben befindet. Erwirbt dagegen der Hersteller wegen des Minderwerts seiner Ar­ beit das Eigentum an der neuen Sache nicht, so erstrecken die an dem Stoffe bestehenden Rechte sich auf die neue Sache. IV. Wer infolge der Vorschriften übe? Verbindung, Ver­ mischung oder Verarbeitung einen Rechts Verlust erleidet, kann von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen (§ 951), so der Eigentümer der Leinwand von dem Maler, der Eigentümer des Leders von dem Dieb, der sich Stiefel daraus fertigt. Die Wiederherstellung des früheren Zustandes kann nicht verlangt werden. Immer aber wird ein RechtsVerlust vorausgesetzt. Wer einen bloß tatsächlichen Verlust erleidet, z. B. dadurch, daß die Sache infolge der Vermischung minderwertig wird, kann nur nach den Vorschriften über un­ erlaubte Handlungen Schadensersatz verlangen, sofern deren Voraussetzungen vorliegen. Tritt z. B. eine Vermengung von Salz und gestoßenem Zucker ein, so ist die Mischung zwar unbrauchbar, aber es tritt kein Rechtsverlust ein. Die Eigentümer des Salzes und des Zuckers werden lediglich Mit­ eigentümer der vermengten Masse. Geschah die Vermengung durch eine unerlaubte Handlung, so ist ein Schadens­ ersatzanspruch gegeben. Auf Grund der Vorschriften über unerlaubte Handlungen kann dann unter Umständen auch Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangt werden. Unberührt bleiben auch die Vorschriften über den Ersatz von

Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache.

765

Verwendungen und über das Recht zur Wegnahme einer Ein­ richtung. In den Fällen der Verbindung ist die Wegnahme nach den für das Wegnahmerecht des Besitzers gegenüber dem Eigentümer geltenden Vorschriften, die erst später darzustellen sind, auch dann zulässig, wenn die Verbindung nicht von dem Besitzer der Hauptsache bewirkt worden ist. V. Das Eigen­ V. Besondere Bestimmungen geltem für das Eigentum tum an Schuld­ und an Schuldscheinen und anderen ähnlichen Urkunden. Nach scheinen Urkunden. den Bestimmungen über Verarbeitung stünde das Eigentum an solchen Urkunden dem Aussteller zu. Kraft besonderer ge­ setzlicher Bestimmung steht aber das Eigentumsrecht an dem über die Forderung ausgestellten Schuldscheine dem Gläubiger zu, selbstverständlich nur, solange die Forderung besteht (§ 952). Deshalb ist auch die Begründung eines selbständigen ding­ lichen Rechtes, z. B. eines Pfandrechtes, an dem Schuldscheine unzulässig,*) wohl aber ist die Einräumung des Besitzes an einen anderen als den Gläubiger zulässig. Das Recht eines Dritten an der Forderung, z. B. des Nießbrauchers, Pfandgläubigers erstreckt sich auch auf den Schuldschein. Derselbe kann daher Aushändigung des Schuld­ scheines verlangen. Die gleichen Bestimmungen gelten auch für Urkunden über andere Rechte, kraft deren eine Leistung gefordert werden kann, insbesondere für Hypotheken-, Grundschuld- und Renten­ briefe. Ferner sind Lebensversicherungspolizen *) hierher zu rechnen. Nicht hierher gehören solche Wertpapiere, welche wie z. B. Wechsel, Schuldverschreibungen auf den Inhaber, Grundschuld- und Rentenschuldbriefe auf den Inhaber u. dgl., Träger des verbrieften Rechtes sind.

8 228. Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache. Der Eigentümer einer Sache ist auch Eigentümer aller einzelnen Bestandteile. Gleichgültig ist, ob es sich um Be­ standteile im landläufigen Sinne oder um Erzeugnisse (Früchte) der Sache handelt; denn auch diese sind bis zur Trennung Bestandteile. Daher ist der Eigentümer eines Grundstückes auch Eigentümer des auf „demselben stehenden Apfelbaumes und der daran hängenden Äpfel. Die Trennung ändert, wenigstens der Regel nach, nichts an den bestehenden Eigentumsverhältnissen. Erzeugnisse und sonstige Bestandteile einer Sache gehören daher auch nach der Trennung dem Eigentümer der Sache, soweit sich nicht aus *) IW 1902 Beil. 5 S. 223.

Erwerb des Eigentümers.

766

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen

den nachfolgenden Vorschriften ein Anderes ergibt (§ 953). Daher erwirbt der Eigentümer einer Henne auch das Eigentum an den von ihr gelegten Eiern, selbst wenn sie dieselben auf einem fremden Grundstücke legt. Von dieser Regel gibt es aber sehr erhebliche Ausnahmen. Häufig erwirbt das Eigentum an den genannten Gegenständen nach der Trennung der Sache ein Anderer als der Eigentümer der Hauptsache, und zwar vollzieht sich dieser Eigentumserwerb in einigen Fällen schon mit der Trennung, in anderen erst mit der Besitzergreifung Mit dem Erwerbe des Eigentums durch Trennung oder Besitzergreifung geht der Verlust des Eigentums des bisherigen Eigentümers Hand in Hand Erwerb Diese Ausnahmen sind folgende: 'Nutzung"?-^ 1- Wer vermöge eines Rechtes an einer fremden Sache rcchtigten. befugt ist, sich Erzeugnisse oder sonstige Bestandteile der Sache anzueignen, erwirbt das Eigentum an ihnen mit der Trennung (§ 954). In Betracht kommen hier nur dingliche Rechte an der Sache, also bei Grundstücken und beweglichen Sachen der Nießbrauch, bei Grundstücken das Erbbaurecht, Grunddienst­ barkeiten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, sofern dem Berechtigten eine solche Nutzungsbefugnis eingeräumt ist (§§ 1013, 1018, 1090) und bei beweglichen Sachen das Pfand­ recht, falls es in der Weise bestellt ist, daß der Pfandgläubiger berechtigt ist, die Nutzungen des Pfandes zu ziehen (§ 1213). Hier erwirbt also das Eigentum an den Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen mit der Trennung nicht der Eigen­ tümer, sondern der Nutzungsberechtigte. 2. des Wgenbc2. Wer eine Sache im Eigenbesitze hat, erwirbt das ft6n ' Eigentum an den Erzeugnissen und sonstigen zu den Früchten der Sache gehörenden Bestandteilen mit der Trennung (§ 955). Der Begriff der Gegenstände, an denen der Eigenbesitzer auf Grund seines Eigenbesitzes das Eigentum erwirbt, ist ein engerer als bisher. Denn abgesehen von den Erzeugnissen wird vorausgesetzt, daß die sonstigen Bestandteile zu den Früchten der Sache gehören. Wenn daher der Eigenbesitzer eines Waldes sämtliche auf dem Waldgrundstücke stehenden Bäume gegen die Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft fällt, so kann er sich, wenn ihm ein Dritter das Eigentum an den Bäumen streitig macht, nicht darauf berufen, daß er auf Grund seines Eigenbesitzes mit der Trennung das Eigentum an den Bäumen erworben habe, wohl aber dann, wenn die Rodung den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft ent­ spricht. Diese Vorschrift kommt auch dem Eigentümer der Hauptsache zu Gute; denn zum Nachweise seines Eigentums an den Erzeugnissen und sonstigen, zu den Bestandteilen der Sache gehörenden Früchten braucht er nicht sein Eigentum an

Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache.

767

der Hauptsache Nachweisen, sondern lediglich, daß er die Sache als ihm gehörend besitzt. Der Erwerb ist aber ausgeschlossen, wenn der Eigen­ besitzer nicht zum Eigenbesitz oder ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache zum Fruchtbezuge berechtigt ist und der Eigenbesitzer bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder vor der Trennung den Rechts­ mangel erfährt. Grobfahrlässige Unkenntnis des Rechtsmangels schadet ihm nur bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes; fällt sie ihm hierbei nicht zur Last, so wird sein Eigentumserwerb selbst dadurch nicht ausgeschlossen, daß ihm der Rechtsmangel vor der Trennung infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb. Ebenso wird er seines Eigentums nicht wieder verlustig, wenn er erst nach der Trennung von dem Rechtsmangel Kenntnis erhält. Dem Eigenbesitzer steht derjenige gleich, welcher die Sache zum Zwecke der Ausübung eines Nutzungs ­ rechts an ihr besitzt .(§ 955 Abs. 2). Auch hier wird der Eigentumserwerb ausgeschlossen, wenn dem Besitzer das Nutzungsrecht nicht zusteht oder ein Anderer vermöge eines Rechtes an der Sache zum Fruchtbezuge berechtigt ist und wenn er bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben ist oder vor der Trennung den Rechtsmangel erfährt. Während daher der wirkliche Nießbraucher das Eigen­ tum an' den Erzeugnissen und Früchten auch dann erwirbt, wenn er nicht im Besitze der Sache ist, wird hier Besitz voraus­ gesetzt. Der Eigenbesitz und bezw. der Besitz des angeblich Nutzungsberechtigten muß im Zeitpunkte der Trennung noch vorhanden sein. Eigentumserwerb tritt daher nicht ein, wenn der Besitz vor der Trennung verloren wird. Dem Ver­ luste kommt jedoch keine Bedeutung zu, wenn der Eigenbesitzer oder der angeblich Nutzungsberechtigte den Besitz ohne ihren Willen verloren und ihn binnen Jahresfrist oder mittelst einer innerhalb dieser Frist erhobenen Klage wieder erlangt hat (§ 955 Abs. 3). Soweit nach Maßgabe dieser Vorschriften Eigentums­ erwerb eintritt, wird der Eigentumserwerb sowohl des Eigentümers als auch des wirklich Nutzungsberechtigten aus­ geschlossen. 3. Von demjenigen, der kraft eines dinglichen Rechtes s. auf Grund an der Sache befugt ist, sich Erzeugnisse oder sonstige Bestand- pet,°t"ttung@e teile der Sache anzueignen, ist derjenige, zu unterscheiden, dem der Eigentümer der Sache bloß obligatorisch gestattet, sich Erzeugnisse oder sonstige Bestandteile der Sache anzueignen, (§ 956). Hierher gehört vor allem der Pächter eines Grund-

768

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen,

stücks, der Käufer schlagbaren Holzes *) dann aber auch, da hier nicht zwischen den zu den Früchten der Sache gehörenden und anderen Bestandteilen der Sache unterschieden wird, der­ jenige, welcher ein Haus auf Abbruch kauft. Ist demjenigen, dem in dieser Weise die Aneignung gestattet wird, der Besitz der Sache überlassen, so erwirbt er das Eigentum an den Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen der Sache mit der Trennung, anderenfalls erst mit der Besitzergreifung. Ist der Eigentümer, wie z. B. im Falle der Verpachtung, zu der Ge­ stattung verpflichtet, so kann er sie nicht widerrufen, solange sich der Andere in dem ihm überlassenen Besitze der Sache befindet. Das Gleiche gilt, wenn die Gestattung nicht von dem Eigentümer, sondern von einem Anderen ausgeht, dem nach den bereits dargestellten Vorschriften Erzeugnisse oder sonstige Bestandteile einer Sache nach der Trennung gehören (§ 956 Abs. 2), also wenn z. B. der Nießbraucher eines Grundstücks dasselbe verpachtet. Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn derjenige, welcher die Aneignung einem Anderen gestattet, hierzu nicht berechtigt ist, es sei denn, daß dieser Andere, falls ihm der Besitz der Sache überlassen wird, bei der Überlassung, anderenfalls bei der Ergreifung des Besitzes der Erzeugnisse oder der sonstigen Bestandteile nicht in gutem Glauben ist oder vor der Trennung den Rechtsmangel erfährt (§ 957). Vorausgesetzt wird, daß der die Aneignung Gestattende im Zeitpunkte der Gestattung im Besitze der Sache sich befand und ferner, daß, soweit es sich um die Aneignung von „Be­ standteilen" der Sache handelt, die Sache ihrem Eigentümer nicht gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist2) Bezüglich der Aneignung von „Erzeugnissen" der Sache gilt letztere Einschränkung nicht. Im übrigen genügt es, wenn derjenige, welcher sich zum Nachweise seines Eigen­ tumserwerbes darauf beruft, daß ihm die Aneigung der Er­ zeugnisse gestattet worden sei, die Gestattung beweist; sein Gegner mag dann dartun sowohl, daß der Gestattende zur Erteilung der Gestattung nicht berechtigt war, als auch, daß der Erwerber dies wußte oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen oder daß er den Rechtsmangel noch vor der Trennung erfahren hat.

§ 229. Aneignung beweglicher Sachen. Der Erwerb des Eigentums an einer beweglichen Sache durch Aneignung ist nur an herrenlosen Sachen zugelassen. ') Vgl. Recht 1901 S. 417, 1902 S. 5; BlfRA 67 S. 115. ') Recht 1902 S. 4; aM Recht 1901 S. 417, 484; BlfRA 67 S. 102.

Aneignung beweglicher Sachen.

769

Herrenlos sind: 1. die ihrer Natur nach in Niemandens Eigentum stehen­ den Sachen, wie z. B. die Luft, solange nicht Jemand sie sich angeeignet, z. B. als komprimierte Luft in Flaschen gefüllt hat; 2. bewegliche Sachen, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt (§ 959). Der bloße Wille, auf das Eigentum zu verzichten, bewirkt daher Herrenlosigkeit der Sache nicht, wenn nicht die Aufgabe des Besitzes dazu kommt. Ebensowenig bewirkt der Verlust des Besitzes Herrenlosigkeit, wenn nicht der Verlust ein freiwilliger ist und in der erwähnten Absicht geschieht; eine verlorene Sache ist daher noch keine herrenlose Sache. Demgemäß könnte ein Eigentümer, der nicht wenigstens den mittelbaren Besitz der Sache hat, auf sein Eigentum mit der Wirkung, daß die Sache herrenlos wird, überhaupt nicht ver­ zichten; es wäre aber der Formalismus doch wohl etwas zu weit getrieben, wenn man verlangen wollte, daß der nicht­ besitzende Eigentümer, der sein Eigentum an der Sache auf­ geben will, sich bloß deshalb wieder in den Besitz der Sache setzen müßte, um denselben wieder aufgeben zu können; in diesem Falle wird daher die bloße Erklärung genügen. Die Rechte Dritter an der Sache werden selbstverständlich durch die Aufgabe des Eigentums nicht berührt. 3. wilde Tiere, solange sie sich in Freiheit befinden (§ 960 Abs. 1). Tiere in Tiergärten und Fisches in Teichen oder anderen geschlossenen Privatgewässern*2) sind dagegen nicht herrenlos. Von den Tiergärten sind jedoch eingehegte Jagdreviere zu unterscheiden; die in diesen befindlichen wilden Tiere sind herrenlos. Was von den Fischen gilt, muß auch von Krebsen gelten. Erlangt ein gefangenes wildes Tier die Freiheit wieder, so wird es herrenlos, wenn nicht der Eigentümer das Tier unverzüglich verfolgt oder wenn er die Verfolgung aufgibt (§ 960 Abs. 2). Unter Verfolgung ist nicht nur die unmittel­ bare Nacheile, sondern jede auf Wiedererlangung des Tieres gerichtete Maßnahme zu verstehen, wie z. B.' öffentliche Auf­ forderungen zum Einfängen des Tieres. Im Gegensatze zu den wilden Tieren stehen die zghmen Tiere, die Haustiere, und die gezähmten Tiere. Diese sind nicht herrenlos; ein gezähmtes Tier wird aber herrenlos, wenn es die Gewohnheit ablegt, an den ihm bestimmten Ort zurück­ zukehren (§ 960 Abs. 3). Wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt, erwirbt das Eigentum an der Sache (§ 958 Abs. 1). Gleichgültig ist, ob der Erwerber die *) BlfRA 66 S. 157. 2) BlfRA 63 S. 285. Müller-Mcikel, Bürger!. Recht.

2. Aufl.

Bd. I.

49

Herrenlose Sachen.

770

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

Sache für herrenlos hielt; erforderlich, aber auch genügend ist, daß die Sache tatsächlich herrenlos ist. Ebenso wird nicht vorausgesetzt, daß der Erwerber den unmittelbaren Eigenbesitz erlangt; auch der Erwerb mittelbaren Eigenbesitzes begründet den Erwerb des Eigentums durch Aneignung. Die Aneignung ist eine Rechtshandlung, auf welche die Vorschriften über Rechtsgeschäfte Anwendung finden. Das Eigentum wird aber nicht erworben(8958 Abs. 2): a) wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist, wie z. B. durch § 368 Ziff. 11 StGB das unbefugte Aus­ nehmen von Eiern oder Jungen von jagdbarem Federwild und von Singvögeln (vgl. ferner § 1 des Ges. betr. den Schutz von Vögeln vom 22. März 1888). Die sog. Schongesetze *) sind dann hierher zu rechnen, wenn sie die Aneignung ver­ bieten, nicht aber dann, wenn sie zwar die Aneignung an sich gestatten, jedoch hinsichtlich der Zeit oder des Orts der An­ eignung oder der Mittel derselben (Schlingen, Leimruten) Be­ schränkungen statuieren. b) wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines Anderen verletzt wird. Ein solches Aneignungsrecht hat z. B. der Jagd- und Fischereiberechtigte; daher erwirbt der Wilderer zwar den Besitz, aber nicht das Eigentum an dem gewilderten Tiere. Bienenichwärme. Besondere gesetzliche Bestimmungen bestehen für B i e nen schwärme:?) Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigentümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigentümer die Verfolgung aufgibt (§ 961). Es genügt, daß der Schwarm seine Wohnung verläßt. Daß er auch das Grundstück des Eigentümers verlasse, wird nicht erfordert. Herrenlosigkeit tritt daher auch dann ein, wenn er auf diesem Grundstück bleibt. Bei der Verfolgung darf der Eigentümer des Bienenschwarms fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwarm in eine fremde, nicht besetzte Bienenwohnung ein­ gezogen, so darf der Eigentümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben heraus­ nehmen oder herausbrechen. Er hat jedoch den entstehenden Schaden zu ersetzen (§ 962). Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme mehrerer Eigentümer, so werden die Eigentümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben, Miteigentümer des eingefangenen Gesamt­ schwarmes; die Anteile bestimmen sich nach der Zahl der ver­ folgten Schwärme, also nicht nach ihrer Stärke und auch nicht nach der Zahl der ausgezogenen Schwärme (§ 963). *) BlfRA 63 S. 285. ») BlfRA 66 S. 457.

Verpflichtungen des Finders.

771

Ist ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte Bienen­ wohnung eingezogen, so erstrecken sich das Eigentum und die sonstigen Rechte an den Bienen, mit denen die Wohnung besetzt war, auf den eingezogenen Schwarm (§ 964). Das Eigentum und die sonstigen Rechte an dem eingezogenen Schwarm er­ löschen und zwar hat der bisherige Eigentümer auch keinen Anspruch auf Herausgabe etwaiger ungerechtfertigter Bereiche­ rung gegen den neuen Eigentümer.

Fund. 8 230. a) Verpflichtungen des Finders. Finder im Sinne des BGB ist derjenige, welcher eine Be-M d-r verlorene Sache findet und an sich nimmt. Fmderr. a) Als verloren*) ist eine Sache dann anzusehen, wenn sie aus der Gewalt des Besitzers ohne dessen Willen gekommen ist und sich zur Zeit in Niemandens Gewalt befindet. Herren­ lose Sachen sind nicht Gegenstand eines Fundes, sie unterliegen der Aneignung. b) Finder im Sinne des BGB wird man aber erst dadurch, daß man die gefundene Sache an sich nimmt, d. h. in Besitz nimmt. Wer daher eine verlorene Sache bloß zwecks Besichtigung an sich nimmt, ist noch nicht Finder. Die Verpflichtungen, die dem Finder obliegen, sind Verpflichtungen folgende: des Finders. 1. Der Finder muß dem Verlierer oder dem Eigentümer l. Anzeigepflicht, oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich An­ zeige erstatten. Durch die Benachrichtigung einer dieser Personen genügt er seiner Verpflichtung gegenüber allen. Kennt der Finder die empfangsberechtigte Person nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so ist er zwar nicht verpflichtet, Nachforschungen anzustellen, wohl aber hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittelung der Empfangsberech­ tigten erheblich sein können, unverzüglich der Polizeibehörde anzuzeigen. Ist die Sache nicht mehr als drei Mark wert (Bagatellfund), so bedarf es der Anzeige nicht (§ 965). 2. Der Finder ist zur Verwahrung der Sache ver- ».V-rwahrung pflichtet (§ 966). Er kann sich nicht dadurch von den ihm als un ®*ltun9' Finder obliegenden Pflichten wieder befreien, daß er die Sache wegwirft oder sonst ihren Besitz wieder aufgibt. Dadurch würde er schadensersatzpflichtig werden. Auch zur Erhaltung der Sache ist der Finder verpflichtet. Er hat daher z. B. den zugelaufenen und einmal aufgenommenen Hund auch zu füttern. Ist der Verderb der gefundenen Sache zu besorgen oder ist die Aufbewahrung mit unverhältnismäßigen Kosten ver') Vgl. auch ROLG 6 S. 118; BMA 68 S. 1, 109.

772

3. Haftung.

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

bunden, so hat der Finder die Sache öffentlich versteigern zu lassen. Vor der Versteigerung ist der Polizeibehörde Anzeige zu machen. Der Erlös tritt dann in jeder Hinsicht an die Stelle der Sache. Von seiner Verwahrungspflicht kann sich der Finder dadurch befreien, daß er die Sache oder den Versteigerungs­ erlös an die Polizeibehörde abliefert. Auf Anordnung der Polizeibehörde ist er zur Ablieferung sogar verpflichtet (§ 967). 3. Der Finder hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 968). Durch die Herausgabe der Sache an den Verlierer wird er auch den sonstigen Empfangsberechtigten gegenüber befreit (§ 969). Er hat daher bei der Herausgabe nur zu prüfen, ob derjenige, welchem er die Sache gibt, sie auch wirklich verloren hat; auch hierbei haftet er für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Gibt er die Sache dem Verlierer, so tritt die Befreiung gegenüber den übrigen Empfangsberech­ tigten auch dann ein,' wenn der Verlierer den Besitz auf un­ rechtmäßige Weise, z. B. durch Raub oder Diebstahl, er­ langt hat.

§ 231. b) Rechte des Finders. 1. Aufwen­ dungen.

2. Finderlohn.

1. Der Finder kann von dem Empfangsberechtigten Ersatz der Aufwendungen verlangen (§ 970) und zwar: a) für Aufwendungen zum Zwecke der Verwahrung, also z. B. der Auslagen, die ihm für Aufbewahrung einer gefundenen Brillantnadel bei einer Bank entstehen. Ist der Finder selbst gewerbsmäßiger Verwahrer, so wird er den Betrag bean­ spruchen können, den er einem Dritten berechnen könnte; b) für Aufwendungen zum Zwecke der Erhaltung der Sache, z. B. der Fütterungskosten eines Tieres; c) für Aufwendungen zum Zwecke der Ermittelung eines Empfangsberechtigten. Ist er auch zur Ermittelung nicht ver­ pflichtet, so ist er doch berechtigt, Ersatz seiner Aufwendungen, z. B. für öffentliche Bekanntmachung des Fundes, zu verlangen. In allen diesen Fällen kann er aber nur Ersatz für solche Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für er­ forderlich halten darf; einen Maßstab wird das Verhältnis des aufgewendeten Betrags zum Werte der gefundenen Sache ab­ geben. 2. Der Finder kann von dem Empfangsberechtigten einen Finderlohn verlangen (§ 971). Der Finderlohn beträgt von dem Werte der Sache bis zu 300 Jo fünf vom Hundert, von dem Mehrwert eins vom Hundert, bei Tieren nur eins vom Hundert. Hat die Sache, wie z. B. Hypothekenurkunden, Privatbriefe u. s. w. nur für den Empfangsberechtigten einen Wert, so ist der Finderlohn nach billigem Ermessen zu bestimmen.

Rechte des Finders.

773

Der Anspruch auf Finderlohn ist ausgeschlossen, wenn der Finder die Anzeigepflicht verletzt oder den Fund auf Nachfrage verheimlicht. Der Finder kann die Herausgabe der gefundenen Sache verweigern, bis er wegen seiner Ansprüche auf Finderlohn und Ersatz der Aufwendungen befriedigt ist. Er hat also ein Zurückbehaltungsrecht. Klageweise kann dagegen der Finder seine Ansprüche nur dann geltend machen, wenn der Empfangs­ berechtigte sie genehmigt oder die ihm vom Finder unter Vor­ behalt seiner Ansprüche angebotene Sache annimmt. Bis zur Genehmigung kann der Empfangsberechtigte von dem Anspruch sich dadurch befreien, daß er die wiedererlangte Sache zurück­ gibt. Gibt der Finder die Sache dem Empfangsberechtigten heraus, so erlöschen seine Ansprüche innerhalb eines Monats, wenn nicht vorher die gerichtliche Geltendmachung erfolgt oder der Empfangsberechtigte seine Genehmigung erteilt. Eine Ver­ pflichtung des Verlierers zur Einlösung der gefundenen Sache besteht nicht. 3. Nach Ablauf einer gewissen Frist erwirbt der Finder 3i unter bestimmten Voraussetzungen das Eigentum an der ge- „Smbet» am fundenen Sache. 8unb9e3enftünb a) Hat innerhalb Jahresfrist von der Anzeige des Fundes an bei der Polizeibehörde kein Empfangsberechtigter sein Recht angemeldet und ist auch dem Finder ein solcher nicht bekannt geworden, so erwirbt der Finder das Eigentum an der Sache mit dem Ablauf des Jahres. Mit dem Erwerbe des Eigentums durch den Finder erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache, z. B. ein Pfandrecht, Nießbrauchsrecht u. s. w. (§ 973). Bei Sachen, die nicht mehr als drei Mark wert sind, ist eine Anzeige bei der Polizeibehörde nicht erforderlich. Es be­ ginnt daher die einjährige Frist mit dem Funde. Dagegen genügt hier die Anmeldung des Rechtes bei der Polizeibehörde nicht, um den Erwerb des Eigentums durch den Finder aus­ zuschließen. Der Finder wird trotz der Anmeldung nach Ab­ lauf des Jahres Eigentümer, wenn ihm nicht ein Empfangs­ berechtigter bekannt geworden ist. Dagegen wird bei gering­ wertigen Funden unter drei Mark der Eigentumserwerb auch dadurch ausgeschlossen, daß der Finder den Fund auf Nachfrage verheimlicht. b) Sind vor dem Ablauf der einjährigen Frist Empfangs­ berechtigte dem Finder bekannt geworden, oder haben sie bei einer Sache, die mehr als drei Mark wert ist, ihre Rechte bei der Polizeibehörde rechtzeitig angemeldet, so kann sie der Finder unter Angabe seiner Ansprüche auffordern, sich innerhalb einer von ihm bestimmten angemessenen Frist darüber zu erklären, ob sie seine Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen und Finder­ lohn anerkennen. Lassen sie die Frist unbenutzt verstreichen,

774

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

indem sie entweder überhaupt keine Erklärung abgeben oder indem sie sich nicht rechtzeitig zur Befriedigung der Ansprüche bereit erklären, so erwirbt der Finder das Eigentum an der Sache mit dem Ablauf der Erklärungsfrist. Hiermit erlöschen gleichzeitig die sonstigen Rechte an der Sache (§ 974). Bestreiten die Empfangsberechtigten aber innerhalb der Frist die Ansprüche des Finders, so muß dieser die rechtskräf­ tige Feststellung der Ansprüche herbeiführen und demnächst die Berechtigten nochmals unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung auffordern. Wird die Erklärung nicht rechtzeitig abgegeben, so erwirbt nunmehr der Finder das Eigentum und erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache. Durch die freiwillige oder auf Anordnung erfolgende Ab­ lieferung der Sache oder des Versteigerungserlöses an die Polizeibehörde werden die Rechte des Finders auf Ersatz der Aufwendungen, auf Finderlohn oder Erwerb des Eigentums nicht berührt (§ 975). Läßt die Polizeibehörde die Sache versteigern, so tritt der Erlös an die Stelle der Sache. Die Polizeibehörde darf aber mit Rücksicht auf die dem Finder zustehenden Ansprüche die Sache oder den Erlös nur mit Zustimmung des Finders einem Empfangsberechtigten aus­ händigen. (tSrnje. Wenn der Finder der Polizeibehörde gegenüber auf sein fundenen Gegen-Recht zum Erwerb des Eigentums verzichtet, so bleibt nicht Gemeinde d-L° etwa das Eigentumsrecht des bisherigen Eigentümers bestehen, Fundorts. Andern es geht das Recht des Finders auf die Gemeinde des Fundorts über (§ 976). Hat der Finder nach Abliefe­ rung der Sache oder des Versteigerungserlöses an die Polizei­ behörde das Eigentumsrecht erworben, so kann ihm die Polizei­ behörde eine bestimmte Frist stecken. Verlangt er innerhalb dieser Frist nicht die Herausgabe, so geht das Eigentumsrecht des Finders auf die Gemeinde des Fundorts über. Der Eigentümer oder sonst an der Sache Berechtigte, der durch den Eigentumserwerb des Finders oder der Gemeinde des Fundorts einen Rechtsverlust erleidet, kann von diesen die Herausgabe des Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Jedoch kann der auf Ersatz belangte Finder mit seinen Ansprüchen aufrechnen. Der Anspruch erlischt mit dem Ablaufe von drei Jahren nach dem Übergange des Eigentums auf den Finder oder die Gemeinde, wenn nicht vorher die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs erfolgt (§ 977).

§ 232. I. Fund in össentuchen Räumen,

Fund in öffentlichen Räumen u. s. w. und Schatzfund.

I. Wer eine Sache in den Geschäftsräumen oder den Be­ sörderungsmitteln einer öffentlichen Behörde oder einer dem

Fund in öffentlichen Räumen u. s. w. und Schatzsund.

775

öffentlichen Verkehre dienenden Verkehrsanstalt findet und an sich nimmt, hat die Sache unverzüglich an die Behörde oder an die Verkehrsanstalt oder an einen ihrer Angestellten abzuliefern (§ 978). Hierher gehört z. B. alles, was in den Geschäftsräumen einer Bank, in einem Eisenbahnkoupee oder in einem Trambahnwagen gefunden wird. Die hier statuierte Verpflichtung besteht auch dann, wenn der Finder den Eigentümer kennt, weil er z. B. weiß, daß die Sache einer bestimmten Person gehört oder weil sich z. B. auf dem gefundenen Brief eine Adresse befindet. Die Vorschriften über den Fund finden hier keine Anwendung. Ter Finder hat daher keine weiteren Verpflichtungen, als die Ablieferungspflicht, aber auch keine weiteren Rechte, insbesondere hat er keinen An­ spruch auf den Finderlohn oder auf den Erwerb des Eigen­ tums, wenn sich kein Empfangsberechtigter meldet. Die Behörde oder die Verkehrsanstalt kann die an sie abgelieferte Sache öffentlich versteigern lassen. Die öffentlichen Behörden oder Verkehrsanstalten des Reichs, der Bundes­ staaten und der Gemeinden können die Versteigerung durch einen ihrer Beamten vornehmen lassen. Der Erlös tritt dann an die Stelle der Sache (§ 979). Die Versteigerung ist aber erst zulässig, nachdem die Empfangsberechtigten in einer öffent­ lichen Bekanntmachung des Fundes zur Anmeldung ihrer Rechte unter Bestimmung einer Frist aufgefordert worden sind und die Frist verstrichen ist; sie ist unzulässig, wenn eine An­ meldung erfolgt ist (§ 980). Die Bekanntmachung ist nicht erforderlich, wenn der Verderb der Sache zu befürchten oder die Aufbewahrung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Sind seit dem Ablaufe der in der öffentlichen Bekannt­ machung bestimmten Frist drei Jahre verstrichen, so fällt der Versteigerungserlös, wenn nicht ein Empfangsberechtigter sich gemeldet hat, bei Reichsbehörden und Reichsanstalten an den Reichsfiskus, bei Landesbehörden und Landesanstalten an den Fiskus des Bundesstaates, bei Gemeindebehörden und Ge­ meindeanstalten an die Gemeinde, bei Verkehrsanstalten, die von einer Privatperson betrieben werden, an diese. Ist die Versteigerung ohne die öffentliche Bekanntmachung erfolgt, so beginnt die dreijährige $rift erst, nachdem die Empfangsberechtigten in einer öffentlichen Bekanntmachung zur Anmeldung ihrer Rechte aufgefordert worden sind. Das Gleiche gilt, wenn gefundenes Geld abgeliefert worden ist. Die Kosten werden von dem herauszugebenden Betrag abgezogen (§ 981). Die hier vorgeschriebenen Bekanntmachungen erfolgen bei den Reichsbehörden und Reichsanstalten nach den von dem Bundesrat,^ in den übrigen Fällen nach den von der ') Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 16. Juni 1898 iRGBl. S. 912).

776

Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen.

Zentralbehörde des Bundesstaats erlassenen Vorschriften (§ 982). Wenn sich kein Empfangsberechtigter meldet, so muß, ausgenommen den Fund von Geld, eine Versteigerung statt­ finden; denn nur der Erlös fällt den betreffenden Behörden zu; an den nicht versteigerten Sachen bleiben die bisherigen Rechte bestehen. Es tritt kein Eigentumserwerb an der ge­ fundenen Sache seitens des Reichsfiskus u. s. w. ein. Eben­ sowenig steht demjenigen, welcher einen Verlust erleidet, ein An­ spruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung zu. BesiK^ss?ntlich"r n. Die unter I. dargestellten Bestimmungen finden entBehörden. sprechende Anwendung, wenn eine öffentliche Behörde im Besitze einer Sache ist, zu deren Herausgabe sie verpflichtet ist, ohne daß die Verpflichtung auf Vertrag beruht, falls ihr der Emp­ fangsberechtigte oder dessen Aufenthalt unbekannt ist (§ 983). Z. B. in einer Strafsache bleiben Überführungsgegenstände,*) die nicht der Einziehung unterliegen, bei Gericht zurück, oder es sind gefundene Sachen an die Polizeibehörde abgeliefert morden. Kennt nun die Behörde den Empfangsberechtigten oder den Finder nicht, weil übersehen wurde, dessen Namen aufzuschreiben oder weil die Ausschreibung verloren ging, oder ist ihr sein Aufenthalt unbekannt, so können die betreffenden Gegenstände nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung ver­ steigert werden, wobei dann nach Ablauf von drei Jahren der Versteigerungserlös dem Reichsfiskus u. s. w. zufällt. III. Schatzfund. III. Der Schatz. Unter einem Schatz versteht man eine bewegliche Sache gleichviel welcher Art, die solange verborgen gelegen hat, daß der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist (§ 984). Die Sache muß verborgen gewesen sein. Ist sie nicht verborgen gelegen, so kommen für den, der sie an sich nimmt, nicht die Vorschriften über den Schatzfund, sondern über den gewöhnlichen Fund zur Anwendung. Gleichgültig ist, wo die Sache verborgen war, ob in einem Grundstück oder in einer beweglichen Sache z. B. dem Fache einer Truhe; gleich­ gültig ist auch, wie sie verborgen war, ob sie z. B. eingemauert oder vergraben war. Endlich müssen die Umstände dafür sprechen, daß die Sache solange verborgen war, daß jede Hoff­ nung auf Ermittelung des Eigentümers vergeblich ist. Wer z. B. auf einer Versteigerung einen Schreibtisch einsteigert und in einem verborgenen Fache eine Reichsbanknote findet, der hat keinen Schatz entdeckt. Wohl aber liegt ein Schatzfund vor, wenn Jemand beim Ackern eines Feldes auf ein Hünen­ grab mit Inhalt oder beim Abbruch eines Hauses auf alte Münzen stößt. Daß der verborgene Gegenstand einen besonderen Wert habe, wird nicht verlangt. *) BlfRA 68 S. 126.

Ansprüche aus dem Eigentums. — Übersicht.

777

Wenn Jemand einen Schatz entdeckt und in Besitz nimmt, so wird das Eigentum an demselben zur Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigentümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war. Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Entdecker und dem Eigen­ tümer der verbergenden Sache finden die Grundsätze über Mit­ eigentum und Gemeinschaft Anwendung. Auch dann gebührt die Hälfte des Schatzes, wenn sich die verbergende Sache auf Grund eines Pachtverhältnisses oder Nießbrauchsrechts im Besitze eines Anderen befindet, dem Eigentümer, und nicht etwa dem Pächter oder Nießbraucher; denn der Schatz gehört nicht zu den Früchten oder Nutzungen der Sache. Diese Per­ sonen könnten nur als Entdecker die Hälfte des Schatzes be­ anspruchen. Ist der Eigentümer der verbergenden Sache zu­ gleich der Entdecker, so erwirbt er das Eigentum am ganzen Schatz. Zu bemerken ist noch, daß der Entdecker nur dann zur Hälfte Eigentum erwirbt, wenn er den Schatz entdeckt und in Besitz nimmt. Wenn Jemand einen Schatz entdeckt, ohne ihn in Besitz zu nehmen, so erwirbt er kein Eigentum. Entdecker kann zwar auch eine geschäftsunfähige Person, nicht aber ein Tier sein. Wenn daher z. B. A mit dem Hunde des B spazieren geht und der Hund einen Schatz bloß legt, so gebührt die Hälfte des Schatzes dem A, wenn er ihn an sich nimmt, nicht aber dem B als dem Eigentümer des Hundes. Bedient sich Jemand bei der Hebung eines Schatzes fremder Hilfskräfte, so gebührt die Hälfte ihm und nicht den Arbeitern.

7. Kapitel.

Ansprüche aus dem Gigenlnme. § 233.

Übersicht.

Die Ansprüche aus dem Eigentume haben je nach der Art der Verletzung des Eigentums. einen verschiedenen Inhalt. Sie gehen: 1. auf Herausgabe der Sache, wenn dem Eigentümer der Besitz der Sache entzogen oder vorenthalten wird (§§ 985 ff.); 2. auf Beseitigung der Beeinträchtigung und unter Umständen auf Unterlassung weiterer Beeinträchti­ gungen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Ent­ ziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird (§ 1004);

Ansprüche aus dem Eigentums. — Übersicht.

777

Wenn Jemand einen Schatz entdeckt und in Besitz nimmt, so wird das Eigentum an demselben zur Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigentümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war. Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Entdecker und dem Eigen­ tümer der verbergenden Sache finden die Grundsätze über Mit­ eigentum und Gemeinschaft Anwendung. Auch dann gebührt die Hälfte des Schatzes, wenn sich die verbergende Sache auf Grund eines Pachtverhältnisses oder Nießbrauchsrechts im Besitze eines Anderen befindet, dem Eigentümer, und nicht etwa dem Pächter oder Nießbraucher; denn der Schatz gehört nicht zu den Früchten oder Nutzungen der Sache. Diese Per­ sonen könnten nur als Entdecker die Hälfte des Schatzes be­ anspruchen. Ist der Eigentümer der verbergenden Sache zu­ gleich der Entdecker, so erwirbt er das Eigentum am ganzen Schatz. Zu bemerken ist noch, daß der Entdecker nur dann zur Hälfte Eigentum erwirbt, wenn er den Schatz entdeckt und in Besitz nimmt. Wenn Jemand einen Schatz entdeckt, ohne ihn in Besitz zu nehmen, so erwirbt er kein Eigentum. Entdecker kann zwar auch eine geschäftsunfähige Person, nicht aber ein Tier sein. Wenn daher z. B. A mit dem Hunde des B spazieren geht und der Hund einen Schatz bloß legt, so gebührt die Hälfte des Schatzes dem A, wenn er ihn an sich nimmt, nicht aber dem B als dem Eigentümer des Hundes. Bedient sich Jemand bei der Hebung eines Schatzes fremder Hilfskräfte, so gebührt die Hälfte ihm und nicht den Arbeitern.

7. Kapitel.

Ansprüche aus dem Gigenlnme. § 233.

Übersicht.

Die Ansprüche aus dem Eigentume haben je nach der Art der Verletzung des Eigentums. einen verschiedenen Inhalt. Sie gehen: 1. auf Herausgabe der Sache, wenn dem Eigentümer der Besitz der Sache entzogen oder vorenthalten wird (§§ 985 ff.); 2. auf Beseitigung der Beeinträchtigung und unter Umständen auf Unterlassung weiterer Beeinträchti­ gungen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Ent­ ziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird (§ 1004);

778

Ansprüche aus dem Eigentume.

3. auf Gestattung der Aufsuchung und Weg­ nahme der Sache, wenn sich dieselbe auf einem fremden Grundstücke befindet (§ 1005). Durch diese im BGB selbst geregelten Klagen wird die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Eigentums an einer Sache oder eines das Eigentum an der Sache beschränkenden Rechtes nicht ausgeschlossen x) (§§ 256, 280 CPO); denn bei jenen Klagen bildet die Eigentumsfrage lediglich einen Präjudizialpunkt, dagegen wird das Eigentum selbst nicht rechtskräftig festgestellt, sondern lediglich die Ver­ pflichtung zur Herausgabe der Sache rc. Deshalb können auch diese Klagen mit der Feststellungsklage verbunden werden, da das Interesse an alsbaldiger Feststellung des Eigentums, welches die Zulässigkeit der Feststellung voraussetzt, durch die Möglich­ keit auf Herausgabe rc. zu klagen, nicht ausgeschlossen wird.

I. Anspruch auf Hkrausgabk. § 234.

Berechtigter.

Verpflichteter.

Einreden.

a) Parteien.

Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen (§ 985). Anspruchsberechtigt ist der Eigentümer der Sache. Solange die Wirksamkeit der Übertragung des Eigentums noch von der Genehmigung eines Dritten, z. B. des Ehemannes, abhängt, ist Eigentum noch nicht übergegangen und der Er­ werber nicht berechtigt, auf Herausgabe zu klagen. Da er den Anspruch auf sein Eigentum stützt, so muß er im Bestreitungs­ falle, soweit ihm das Gesetz nicht mit Vermutungen zu Hilfe kommt (s. S. 788 ff:), die den Eigentumserwerb begründenden Tatsachen beweisen. Dies genügt aber auch; den Verlust des Eigentums mag der Gegner beweisen. Der Umstand, daß der Eigentümer selbst mittelbarer Besitzer ist, steht seinem Anspruch nicht entgegen. Zur Herausgabe verpflichtet ist der Besitzer der Sache. Hat daher die Sache ein Besitzdiener, so ist die Klage nicht gegen diesen, sondern gegen den Besitzer zu richten. Dagegen ist es gleichgültig, ob der Besitzer unmittelbarer oder bloß mittelbarerb) Besitzer ist; im letzteren Fall kann der Eigen­ tümer sowohl Einräumung des mittelbaren Besitzes als auch Herausgabe der Sache verlangen. Unter Umständen kann jedoch der Besitzer die Heraus­ gabe der Sache verweigern (§ 986): *) IW 1902 S. 68. 2) RG 54 S. 44; IW 1903 Beil. 7 S. 52. •) DIZ 1898 S. 367; ROLG 2 S. 167; 5 S. 154.

Umfang des Anspruchs.

779

a) wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er das Recht zum Besitze ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitze berechtigt ist. Hat z. B. der Eigentümer die Sache vermietet, so kann der auf Herausgabe belangte Mieter ein­ wenden, daß er auf Grund des Mietverhältnisses dem Eigen­ tümer gegenüber zum Besitze berechtigt sei. Hat die Sache zwar nicht der Eigentümer, sondern der Nießbraucher ver­ mietet, so kann der Mieter gegen den Herausgabeanspruch geltend machen, daß zwar nicht er selbst, wohl aber der Nieß­ braucher, von dem er sein Recht herleite, dem Eigentümer gegenüber zum Besitze berechtigt sei, und infolgedessen die Herausgabe verweigern. „Ist der mittelbare Besitzer dem Eigentümer gegenüber zur Überlassung des Besitzes an den Besitzer nicht befugt, wie z. B. im Falle der ohne Erlaubnis des Vermieters erfolgten Aftermiete, so kann der Eigentümer von dein unmittelbaren Besitzer zunächst nicht Herausgabe an sich selbst, sondern nur Herausgabe an den mittelbaren Besitzer und nur, wenn dieser den Besitz mcht wieder übernehmen kann oder will, Heraus­ gabe an sich selbst verlangen. b) Ist die im Besitze eines Dritten befindliche Sache nach § 931 durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe ver­ äußert worden, so kann der Besitzer dem neuen Eigentümer alle Einwendungen entgegensetzen, welche ihm gegen den ab­ getretenen Anspruch zustehen, z. B. daß ihm ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht an der Sache zustehe, u. dgl.

§ 235. b) Umfang des Anspruchs. Der Anspruch geht auf Herausgabe der Sache und derNutzungen sowie unter Umständen auf Schadens­ ersatz. Hinsichtlich des Umfanges des Anspruchs macht aber das Gesetz verschiedene Unterscheidungen: 1. Von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an ist der Besitzer dem Eigentümer für den Schaden verant-RechtshängiAt wörtlich, der dadurch entsteht, daß die Sache infolge seines Verschuldens verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde nicht herausgegeben werden kann (§ 989). Für unverschuldete, insbesondere durch Zufall verursachte Verschlechterung oder Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache wird eine Haftung nicht begründet. Ferner hat der Besitzer dem Eigentümer die Nutzungen herauszugeben, die er nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit zieht. Zieht der Besitzer nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit Nutzungen nicht, die er nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft ziehen könnte, so ist er dem Eigentümer zum Ersätze

780

Haftung des in redlichen Be­ sitzers.

Haftung bei mittelbaren Be­ sitzverhältnissen

Ansprüche aus dem Eigentume.

verpflichtet, soweit ihm ein Verschulden zur Last fällt (§ 987). Soweit der Besitzer Nutzungen gezogen hat, muß er sie heraus­ geben, und zwar selbst dann, wenn vermöge seiner besonderen Kenntnisse und Mittel nur er imstande war, sie in dem Maße zu ziehen. Soweit dagegen Nutzungen nicht gezogen wurden, sind nicht die persönlichen Verhältnisse des Besitzers oder des Eigentümers, sondern lediglich die Regeln einer ordnungs­ mäßigen Wirtschaft maßgebend; daher kann der Besitzer nicht einwenden, daß der Eigentümer selbst weniger oder gar keine Früchte hätte ziehen können, weil er z. B. nicht die zum An­ käufe der Aussaat erforderlichen Mittel gehabt hätte. 2. Die gleiche Haftung trifft den unredlichen Be­ sitzer schon vorher. War nämlich der Besitzer bei dem Er­ werbe des Besitzes nicht in gutem Glauben, so trifft ihn diese Haftung schon von der Zeit des Erwerbes an. Erfährt er später, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist, so haftet er in gleicher Weise von der Erlangung der Kenntnis an. Eine weiteraehende Haftung des unredlichen Besitzers wegen Verzugs bleibt unberührt*) (§ 990). 3. Leitet der Besitzer sein Recht zum Besitze von einem mittelbaren Besitzer ab, so ist zu unterscheiden, ob er selbst bei dem Erwerbe des Besitzes in gutem Glauben war oder nicht: a) War er bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben, so trifft ihn „in Ansehung der Nutzungen" die ge­ steigerte Haftung des unredlichen Besitzers nur, wenn entweder die Voraussetzungen der Unredlichkeit auch bei dem mittelbaren Besitzer vorliegen, d. h. wenn dieser bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war oder später erfuhr, daß er zum Besitze nicht berechtigt ist, oder wenn dem mittelbaren Besitzer gegenüber die Rechtshängigkeit eingetreten ist (§ 991 Abs. 1). Hinsichtlich der Haftung für die Nutzungen schadet daher dem Besitzer, der sein Recht zum Besitze von einem mittel­ baren Besitzer ableitet, sein böser Glaube solange nicht, als nicht entweder auch der mittelbare Besitzer bösgläubig ist oder diesem gegenüber die Rechtshängigkeit eingetreten ist. Dagegen haftet er für Verschlechterung und Unmöglichkeit der Heraus­ gabe der Sache selbst, wenn und sobald in seiner Person die Voraussetzungen der Bösgläubigkeit vorliegen oder ihm gegen­ über Rechtshängigkeit eingetreten ist. b) War dagegen der Besitzer bei dem Erwerbe des Be­ sitzes in gutem Glauben, so hat er gleichwohl schon von dem Erwerbe an den dadurch entstehenden Schaden, daß die Sache infolge seines Verschuldens untergeht oder nicht herausgegeben werden kann, dem Eigentümer gegenüber insoweit zu ver*) vgl. NOLG 2 S. 267.

treten, als er dem mittelbaren Besitzer gegenüber verantwort­ lich ist (§ 991 Abs. 2). Dagegen haftet er in Ansehung der Nutzungen, solange er gutgläubig ist, wie jeder redliche Besitzer. 4. Hat sich der Besitzer durch verbotene Eigen-bei ver­ macht oder durch eine strafbare Handlung den Besitz mad)t«. 5gi. verschafft, so haftet er dem Eigentümer nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen (§ 992). Nicht erforderlich ist, daß die verbotene Eigenmacht gerade dem Eigentümer gegenüber begangen wurde. Eine strafbare Handlung ohne Verschulden ist nicht denkbar; dagegen wird im Falle verbotener Eigenmacht ein Verschulden nicht voraus­ gesetzt.^) 5. Eine geringere Haftung trifft, wenigstens vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit, den redlichenBesitzer. Hier hat man zwei Fälle zu unterscheiden : a) Hat ein Besitzer, welcher die Sache als ihm gehörig oder zum Zwecke der Ausübung eines ihm in Wirklichkeit sitz-rs. nicht zustehenden Nutzungsrechts an der Sache besitzt, den Besitz unentgeltlich erlangt, so ist er dem Eigentümer gegenüber zur Herausgabe der Nutzungen, die er vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit zieht, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet (8 988). b) In allen übrigen Fällen hat der Besitzer die ge­ zogenen Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungs­ mäßigen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerecht­ fertigten Bereicherung herauszugeben (§ 993); im übrigen ist er weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadens­ ersätze verpflichtet. Von dem Eintritte der Rechtshängigkeit an haftet er nach den gewöhnlichen Vorschriften. Bis zu dem Eintritte der Rechtshängigkeit gebühren ihm aber-die Erzeug­ nisse der Sache sowie die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird, und Bestandteile insoweit, als sie bis zu dem genannten Zeitpunkte von der Sache getrennt werden, andere Früchte insoweit, als sie bis zu diesem Zeitpunkte fällig werden; bestehen jedoch die Früchte in der Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs oder des Frucht­ genusses, in Zinsen, Gewinnanteilen oder anderen regelmäßig wiederkehrenden Erträgen, so gebührt dem Besitzer ein für die Zeit bis zum Eintritte der Rechtshängigkeit entsprechender Teil. Alle diese Nutzungen kann er für sich behalten, soweit

782

Ansprüche aus dem Eigentume.

sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag der Sache anzusehen sind; soweit dies nicht der Fall ist, muß er sie herausgeben; besitzt er sie nicht mehr, so haftet er auf die Bereicherung.

§ 236. Gegenansprüche des Besitzers. Verwendungen.

Gegenüber dem Anspruch des Eigentümers auf Heraus­ gabe der Sache steht dem Besitzer ein Gegenanspruch wegen der auf die Sache gemachten Verwendungen zu. Man versteht darunter solche Geschäfte, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Eigentümer der herauszugebenden Sache in irgend einer Weise zu Gute kommt. Eine Verwendung kann insbesondere darin liegen, daß der Besitzer seine Sache mit der herauszu­ gebenden Sache dergestalt verbindet, daß diese wesentlicher Bestandteil der letzteren wird; denn, wenn die herauszugebende Sache ein Grundstück oder als Hauptsache anzusehen ist er­ wirbt der Eigentümer derselben auch das Eigentum an der verbundenen Sache. Anders, wenn die Sache des Besitzers nur Zubehör der herauszugebenden Sache wird; denn hierdurch wird an den Eigentumsverhältnissen nichts geändert. Keine Verwendung im Sinne des Gesetzes ist der Auf­ wand, welchen der Besitzer der Sache gemacht, hat, um die Sache oder ein Recht an ihr zu erwerben. Wer daher eine Sache vom Nichteigentümer gekauft oder als Pfand bekommen hat, kann, wenn der Eigentümer die Herausgabe verlangt, nicht Ersatz des gezahlten Kaufpreises oder des auf das Pfand gegebenen Darlehens verlangen; jedoch können die Landesgesetzgebungen den öffentlichen Pfandleihanstalten für die von ihnen gegebenen Darlehen einen Lösungsanspruch zu­ erkennend) Der Besitzer kann für die auf die herauszugebende Sache gemachten Verwendungen Ersatz verlangen; der Um­ fang des Ersatzanspruchs ist jedoch nach verschiedenen Rich­ tungen begrenzt. Die Verpflichtung des Eigentümers zum Ersätze von Verwendungen erstreckt sich auch auf die Verwendungen, die gemacht worden sind, bevor er das Eigentum erworben hat. Ebenso ist umgekehrt der Ersatzanspruch des Besitzers nicht auf die Verwendungen beschränkt, die er selbst gemacht hat; vielmehr kann der Besitzer für die Verwendungen eines Vor­ besitzers, dessen Rechtsnachfolger er geworden ist, in demselben Umfang Ersatz verlangen, in welchem ihn der Vorbesitzer fordern könnte, wenn er die Sache herauszugeben hätte (§ 999). *) Bayern: Art. 91 AGzBGB; Bad en Art 29 AGzBGB: Lübecker Leihhausordnung vom 30. X. 99 § 21.

Gegenansprüche des Besitzers.

783

Nicht erforderlich ist, daß der Ersatzanspruch vom Vorbesitzer seinem Rechtsnachfolger besonders übertragen wurde; er geht kraft Gesetzes über. Liegt dagegen eine Rechtsnachfolge nicht vor, so steht dem Besitzer ein Anspruch nur wegen der von ihm selbst gemachten Verwendungen zu. Das Gesetz unterscheidet zwischen notwendigen Verwen- dig« B-rwendungen und sonstigen Verwendungen. Notwendige VerbunflenWendungen sind diejenigen Verwendungen, welche die ord­ nungsmäßige Bewirtschaftung und Verwaltung der Sache mit sich bringt, also vor allem die Erhaltungskosten. Nach aus­ drücklicher Bestimmung gehören zu den notwendigen Ver­ wendungen auch die Aufwendungen, die der Besitzer zur Be­ streitung von Lasten der Sache macht (§ 995), gleichviel ob die Lasten privatrechtlicher Natur sind oder dem öffentlichen Rechte angehören. Für die auf die Sache gemachten notwendigen Ver­ wendungen kann der Besitzer von dem Eigentümer Ersatz ver­ langen (§ 994). Diese Regel gilt aber nur für die von dem redlichen Besitzer vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit ge­ machten Verwendungen. Von dieser Regel gibt es aber Aus­ nahmen : a) Die gewöhnlichen Erhaltungskosten sind dem Besitzer für die Zeit, für welche ihm die Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen (§ 994 Abs. 1 Satz 2); b) ferner sind ihm für diese Zeit nur die Aufwendungen für solche außerordentliche Lasten zu ersetzen, die als auf den Stamm­ wert der Sache gelegt anzusehen sind (§ 995 Satz 2), wie z. B. die Heimzahlung einer Hypothek; dagegen kann er für die Be­ streitung solcher Lasten, die, wie z. B. die gewöhnlichen Steuern oder Hypothekenzinsen, regelmäßig aus den Erträgnissen der Sache bestritten werden, keinen Ersatz verlangen. Ob der redliche Besitzer auch für die nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit oder ob der unredliche Besitzer für die vom Zeitpunkte seiner Unredlichkeit an gemachten notwendigen Verwendungen Ersatz verlangen kann, bestimmt sich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 994 Abs. 2). Hiernach kann Ersatz nur verlangt werden, wenn die Verwendung dem Interesse und dem wirklichen oder mut­ maßlichen Willen des Eigentümers entsprach, wenn sie zur rechtzeitigen Erfüllung einer dem Eigentümer im öffentlichen Interesse obliegenden Pflicht notwendig war, wenn er die Ver­ wendung genehmigt oder endlich, wenn und insoweit der Eigentümer durch die Verwendung bereichert ist. Für andere als notwendige Verwendungen, ^„6Cnbungen. also für solche Verwendungen, die gemacht wurden, um den Ertrag der Sache oder ihren Verkaufswert zu erhöhen oder

784

Herausgabe eines landwirtGrundstücks.

Ersatzpflicht des Erstehers durch Zwangsver­ steigerung.

Recht der Ab­ trennung und Aneignung.

Ansprüche aus dem Eigentums.

gar nur des Luxus wegen, kann der Besitzer Ersatz nur inso­ weit verlangen, als a) er sie vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit oder vor dem Zeitpunkte machte, von dem an er als unredlicher Besitzer haftet, und b) der Wert der Sache durch die Verwendung noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigentümer die Sache wieder erlangt (§ 996). Ist auch nur eine dieser beiden Voraussetzungen nicht gegeben, so kann Ersatz für die Verwendung nicht begehrt werden. Daher kann der Dieb, der auf einem fremden Acker Kartoffeln stiehlt und auf Herausgabe verklagt wird, keine Vergütung verlangen, obwohl der Eigentümer aus der Tätig­ keit des Diebes insofern Nutzen hat, als er die Kartoffeln nicht durch bezahlte Arbeiter einernten zu lassen braucht. Er­ satz anderer als notwendiger Auslagen kann daher nur der redliche Besitzer verlangen, und auch dieser nur dann, wenn die Verwendung vor dem Eintritte der Rechtshängigkeit ge­ macht wurde und der Wert der Sache zur Zeit der Heraus­ gabe der Sache an den Eigentümer noch erhöht ist. Besondere Bestimmungen bestehen für den Fall, daß ein landwirtschaftliches Grundstück herauszugeben ist (§ 998). Hier hat der Eigentümer die Kosten, die der Besitzer auf die noch nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft vor dem Ende des Wirtschafts­ jahrs zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu er­ setzen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen und den Wert dieser Früchte nicht übersteigen. Der Ersatz­ anspruch wird daher begrenzt durch den Wert der noch zu trennenden Früchte und die Angemessenheit der Verwen­ dungen. Besondere Bestimmungen bestehen auch für den Fall, daß Jemand im Zwangsversteigerungsverfahren ein Grundstück einsteigert. Nach § 93 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Mai 1898 über die Zwangsversteigerung u. s. w. ist der Ersteher zum Ersätze von Aufwendungen, die vor dem Zu­ schläge gemacht sind, nicht verpflichtet. Um sich für seine Aufwendungen schadlos zu halten, stehen dem Besitzer drei Wege offen: 1. Hat der Besitzer mit der Sache eine andere Sache — es braucht dies nicht die seinige zu sein — als wesentlichen Bestandteil verbunden, so kann er sie abtrennen und sich aneignen (§ 997 Abs. 1). Ist die Sache nicht wesentlicher Bestandteil geworden, so hat er zwar auch das Recht der Ab­ trennung ; ein Aneignungsrecht braucht ihm aber hier nicht zuge­ standen zu werden, da ja eine Änderung in den Eigentums­ verhältnissen nicht eingetreten ist. Macht der Besitzer von

seinem Abtrennungsrecht Gebrauch, so hat er die Sache auf seine Kosten in den vorigen Stand zu setzen; hat er sie dem Eigentümer bereits herausgegeben, so hat ihm dieser die Ab­ trennung zu gestatten; er kann jedoch die Gestattung ver­ weigern, bis ihm für den mit der Abtrennung verbundenen Schaden Sicherheit geleistet ist. Das Recht zur Abtrennung ist ausgeschlossen (§ 997 Abs. 2): a. wenn der Besitzer für die Verwendungen deshalb keinen Ersatz verlangen kann, weil sie unter die gewöhnlichen Erhaltungskosten fallen, oder b. wenn die Abtrennung keinen Nutzen für ihn hat, oder endlich c wenn dem Besitzer mindestens der Wert ersetzt wird, den der Bestandteil nach der Abtrennung für ihn haben würde. 2. Der Besitzer kann ferner die Herausgabe der gurückbeSache verweigern, bis er wegen der ihm zu ersetzenden ’attun8ärctf)t Verwendungen befriedigt wird (§ 1000). Dieses Recht steht auch dem mittelbaren Besitzer zu. Das Zurückbehaltungsrecht steht dem Besitzer aber dann nicht zu, wenn er die Sache durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat; Strafbarkeit der Handlung wird nicht erfordert. 3. Der Besitzer kann weiter seinen Anspruch auf Ersatz Klage au? Ersatz der Verwendungen im Wege der Klage geltend machen. bungen.m= Dieser Weg steht ihm aber nur dann offen, wenn der Eigen­ tümer entweder die Sache wieder erlangt oder die Ver­ wendungen genehmigt (§ 1001). Bis zür Genehmigung der Verwendungen kann sich der Eigentümer von dem Ersatzan­ sprüche dadurch befreien, daß er die wiedererlangte Sache zurückgibt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn der Eigen­ tümer die ihm von dem Besitzer unter Vorbehalt des Anspruchs angebotene Sache annimmt. Gibt der Besitzer die Sache dem Eigentümer heraus, so erlischt sein Anspruch auf den Ersatz der Verwendungen bei beweglichen Sachen mit dem Ablaufe eines Monats, bei einem Grundstücke mit dem Ablaufe von sechs Monaten nach der Herausgabe, wenn nicht vorher die gerichtliche Geltendmachung erfolgt oder der Eigentümer die Verwendungen genehmigt (§ 1002). Der Lauf dieser Fristen ist gehemmt, solange der Besitzer durch Stillstand der Rechtspflege oder in anderer Weise durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Ebenso wird aus den gleichen Gründen, welche, wie z. B. der Mangel der gesetzlichen Vertretung, die Vollendung der Ver­ jährung hindern, der Ablauf der Ausschlußfristen gehindert. 4. Endlich ist dem Besitzer das Recht eingeräumt, B e - Befriedigung aus friedigung aus der Sache zu suchen (§ 1003). Zu diesem " Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bb. I.

50

786

Ansprüche aus dem Eigentums.

Zwecke hat er den Eigentümer unter Angabe des als Ersatz verlangten Betrags aufzufordern, innerhalb einer von ihm bestimmten angemessenen Frist sich darüber zu erklären, ob er die Verwendungen genehmigt. a) Genehmigt der Eigentümer innerhalb der Frist die Verwendungen, so wird hierdurch das Recht auf Befriedigung aus der Sache ausgeschlossen; der Besitzer kann auf Ersatz der Verwendungen klagen (s. Ziff. 3). b) Erklärt sich der Eigentümer innerhalb der Frist nicht, so ist der Besitzer nach dem Ablaufe der Frist berechtigt, Be­ friedigung aus der Sache nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei einem Grundstücke nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen zu suchen. Im letzteren Falle muß er sich daher noch einen vollstreckbaren Titel dahin verschaffen, daß der Eigentümer ver­ pflichtet sei, wegen der Verwendungen die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden. c) Bestreitet der Eigentümer den Anspruch vor dem Ab­ laufe der Frist, so hat der Besitzer den Betrag der Verwen­ dungen zuerst rechtskräftig feststellen zu lassen und hierauf den Eigentümer unter Bestimmung einer angemessenen Frist nochmals zur Erklärung aufzufordern. Erfolgt die Genehmigung innerhalb der Frist, so ist das Recht auf Befriedigung aus der Sache ausgeschlossen. Anderenfalls kann er nach dem Ablaufe der Frist sich aus der Sache nach den unter b dar­ gestellten Vorschriften befriedigen; auch hier muß er, wenn ein Grundstück in Frage steht, sich erst noch einen vollstreck­ baren Titel verschaffen, denn das Feststellungsurteil ist kein solcher.

§ 237. Anspruch auf Beseitigung von Beeinträchtigungen. Eine Beinträchtigung des Eigentums ist noch in an­ derer Weise möglich als durch Entziehung oder Vorenthalten des Besitzes, so z. B. durch Besitzstörungen, durch Überschreitung nachbarrechtlicher Befugnisse, durch Anmaßung eines Rechtes an einer fremden SacheZ, durch Pfändung einer nicht zum Vermögen des Schuldners gehörenden Sache u. dgl. In all diesen Fällen, in welchen das Eigentum in an­ derer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Be­ sitzes beeinträchtigt wird, kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Selbstverständlich mutz die Beeinträchtigung eine solche sein, daß ihre Beseitigung möglich ist. Wer ein einziges Mal über ein fremdes Grundstück ging, ohne daß hierdurch der Zustand ') Vgl. SammlnF 3 S. 500; SA 58 Nr. 35.

Anspruch auf Beseitigung von Beeinträchtigungen.

787

des Grundstücks verändert wurde, kann auf Beseitigung der Beeinträchtigung nicht belangt werden. Sind jedoch weitere Beeinträchtigungen zu befürchten, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen (§ 1004). Hat der auf Unterlassung belästigender Zuführungen Belangte nach Zustellung der Klage abhelfende Einrichtungen getroffen, so ist seine Verurteilung nur dann ausgeschlossen, wenn eine Beseitigung oder Nicht­ benützung dieser Einrichtungen unmöglich erscheint oder über­ haupt nicht mehr in Frage kommen kann; daß solche Eingriffe künftig ausgeschlossen sind, hat der Beklagte zu beweisen.*) Anspruchsberechtigt ist der Eigentümer. Ob sich derselbe auch im Besitze der Sache befindet, ist gleichgültig. Anspruchsgegner ist der Störer, d. i. derjenige, von dem das Eigentum in der bezeichneten Weise beeinträchtigt wird. Das Gesetz sagt: „Wird .... beeinträchtigt", um anzudeuten, daß ein Tun des Störers nicht erforderlich ist. Hat daher z. B. der Eigentümer eines Grundstücks über die Grenze gebaut, ohne daß „der Eigentümer des Nachbargrund­ stücks zur Duldung des Überbaues verpflichtet ist, so, richtet sich der Anspruch nicht nur gegen denjenigen, der den Überbau vorgenommen hat, sondern auch gegen den späteren Eigen­ tümer des Grundstückes, der den Überbau nicht beseitigt?) Aus dem gleichen Grunde ist die Klage gegen den Eigen­ tümer, der ein Grundstück vermietet hat, auch dann be­ gründet, wenn die Eingriffe in das Eigentumsrecht des Nach­ barn nicht von ihm, sondern vom Mieter ausgehen?) Ein Verschulden des Störers wird nicht voraus­ gesetzt; wohl aber kann, wenn den Störer ein Verschulden trifft, zugleich der Tatbestand einer unerlaubten Handlung vor­ liegen und dann haftet der Störer auch für Schadensersatz. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Gläubiger den Gerichts­ vollzieher beauftragt, eine Sache zu pfänden, von der er weiß oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt wissen muß, daß sie nicht dem Schuldner gehört oder, wenn er trotz Vorliegens dieser Umstände die Pfändung nicht aufhebt. Der Anspruch des Eigentümers ist ausgeschlossen, wenn er zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist (§ 1001 Abs. 2); z B. weil demjenigen, welcher in fremdes Eigentum eingreift, ein Recht hierzu an der Sache zusteht. Insbesondere gehören hierher die gesetzlichen Eigentums­ beschränkungen auf Grund Nachbarrechts. Daran, daß gegen»

*) ’) ') S. 206; S. 435.

IW 1902 S 70. ROLG 4 S. 65. RG 47 S. 162; IW 1901 S. 51; 1904 S. 142; Recht 1901 ROLG 2 S. 315; vgl. aber auch 3 S. 11, 181; Recht 1901

788

Ansprüche aus dem Eigentume.

über gewissen mit obrigkeitlicher Anlage errichteten gewerb­ lichen Betrieben die Klage niemals auf Einstellung des Ge­ werbebetriebes, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen^ welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, und, wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem gehörigen Be­ triebe des Gewerbes unvereinbar sind, nur auf Schadens­ ersatz gerichtet werden kann, mag hier nur erinnert werden (§ 26 GewO) i) Im Prozesse hat der Eigentümer sein Eigentum, die Beeinträchtigung und, wenn er auf Unterlassung klagt, die Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen zu beweisen. Wenn der Beklagte behauptet, daß der Eigentümer zur Duldung verpflichtet sei, so obliegt diesem der Beweis hierfür.

§ 238.

Recht der Aufsuchung uud Wegschaffung.

Befindet sich eine Sache auf einem Grundstücke, das ein Anderer als der Eigentümer der Sache besitzt, so hat der Be­ sitzer des Grundstücks dein Eigentümer der Sache die Auf­ suchung und Wegschaffung zu gestatten, sofern nicht die Sache inzwischen in Besitz genommen worden ist. Der Besitzer des Grundstücks kann Ersatz des durch die Aufsuchung und Weg­ schaffung entstehenden Schadens verlangen, und, wenn die Entstehung eines Schadens zu besorgen ist, die Gestattung verweigern, bis ihm Sicherheit geleistet wird; die Verweige­ rung ist unzulässig, wenn mit dem Aufschübe Gefahr ver­ bunden ist (§ 1005). Dieser Anspruch unterscheidet sich mit dem bereits bei der Besitzlehre behandelten Ansprüche in folgenden Punkten: Während hier der Eigentümer der Sache sein Eigentum dar­ tun muß, genügt dort der Nachweis des bloßen Besitzes. Während dort Besitz der Sache vorausgesetzt wird, ist hier gleichgültig, ob der Eigentümer den Besitz hätte oder nicht.

§ 239. Eigentumsvermutlmgen.

Wer sich auf sein Eigentum an einer Sache beruft, hat dasselbe zu beweisen. Soweit das Gesetz eine Eigentums­ vermutung aufstellt, genügt zunächst die Berufung auf diese Vermutung. Man hat zu unterscheiden zwischen Grundstücken und zwischen beweglichen Sachen: i. Eintragung im 1. Wenn für Jemand im Grundbuch ein Recht run uch. eingetragen ist, so wird vermutet, daß ihm das Recht zu­ stehe; ist im Grundbuch ein eingetragenes Recht gelöscht, so *) RG 47 S 98; 49 S. 85; SA. 57 Nr. 66.

Eigentumsvermutungen.

789

wird vermutet, daß das Recht nicht bestehe (§ 891). Verlangt z. B. A von B Herausgabe eines Grundstückes, so kann sich A zum Nachweise seines Eigentums darauf berufen, daß er als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist; ist'dagegen B als Eigentümer eingetragen, so muß A den vollen Nachweis seines Eigentums liefern, da hier die Vermutung für B spricht. Ist A als Eigentümer des Grundstückes und für B ein Fahrt­ recht eingetragen, so kann A, wenn er gegen B, der über sein Grundstück fährt, auf Unterlassung klagt, zum Nachweise seines Eigentums sich auf die Eintragung im Grundbuche be­ rufen, dagegen muß er beweisen, daß dem B ein Fahrtrecht nicht zusteht, obwohl dasselbe für ihn eingetragen ist. Be­ streitet B Eigentum das des A, so muß er die für dessen Eigentum sprechende Vermutung entkräften. 2. Zu Gunsten des Besitzers einer b e w e q l i ch e n L N°ü"mtung zu ^L>ache wird vermutet, daß er Elgentumer fei (§ 1006). sitzers einer beWenn sich daher Jemand auf sein Eigentum an einer beweg-M,e9lid,en Sad*t" lichen Sache beruft, so genügt es, daß er dasselbe behauptet und zum Nachweise seiner Behauptung seinen Besitz dartut. Sache des Gegners ist es dann, die Vermutung zu wider­ legen. Nicht erforderlich ist, daß der Besitzer Eigenbesitz be­ hauptet; er darf sich aber auch nicht auf Fremdbesitz be­ rufen; denn damit würde er die Eigentumsvermutung selbst entkräften. Auf die Vermutung kann sich auch der mittelbare Besitzer, nicht aber der Besitzdiener berufen. Durch diese Ver­ mutung kann je nach Lage des Falles die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Eigentum erleichtert oder erschwert sein; erleichtert ist sie für den besitzenden Eigentümer, er­ schwert für den nicht besitzenden Eigentümer. Diese Eigentumsvermutung gilt aber nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist. Vorausgesetzt wird unmittelbarer Besitz des früheren Besitzers; denn, daß eine Sache dem bloß mittelbaren Besitzer abhanden kommt, ist der Natur der Sache nach ausgeschlossen.*) Beruft sich daher der derzeitige Besitzer zum Nachweise seines Eigentums auf seinen Besitz, so wird die -für ihn sprechende Vermutung widerlegt, wenn sein Gegner nachweist, daß er selbst die Sache früher unmittelbar besessen hat und daß sie ihm abhanden gekommen ist; daß sie ihm durch den derzeitigen Besitzer ab­ handen gekommen ist, braucht er nicht zu beweisen; denn an solchen Sachen ist gutgläubiger Erwerb des Eigentums aus­ geschlossen. Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn es sich um Geld oder Jnhaberpapiere handelt; für diese gilt daher auch dann, wenn sie dem früheren Besitzer gestohlen worden, *) ROLG 6 S. 118.

790

Ansprüche aus dem Eigentume.

verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen sind, der gegenwärtige Besitzer als ihr Eigentümer. Zu Gunsten eines früheren Besitzers wird vermutet, daß er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei (§ 1006 Abs. 2). Weist daher der frühere Besitzer nach, daß ihm die Sache abhanden gekommen ist, so wird hierdurch nicht nur die zu Gunsten des gegenwärtigen Be­ sitzers sprechende Vermutung entkräftet, sondern außerdem eine für das Eigentum des früheren Besitzers streitende Vermutung begründet. Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Ver­ mutung nicht für den unmittelbaren, sondern für den mittel­ baren Besitzer (§ 1006 Abs. 3).

§ 240. Anspruch aus früherem Besitze.

Berechtigter.

Verpflichteter.

Einwendungen gegen den An­ spruch.

Der Anspruch auf Heraus gab e einer beweglichen Sache steht unter gewissen Voraussetzungen auch dem früheren Besitzer der Sache zu. Andere Ansprüche, insbesondere der Anspruch auf Beseitigung von Beeinträchtigungen, stehen dem früheren Besitzer nicht zu. Der Anspruch geht auf Herausgabe einer beweglichen Sache; der Anspruch auf Herausgabe eines Grundstücks kann auf früheren Besitz nicht gestützt werden. Anspruchsberechtigt ist, wer eine bewegliche Sache früher einmal im Besitz gehabt hat. Gleichgültig ist, ob er damals Eigen- oder Fremdbesitzer, ob er mittelbarer oder un­ mittelbarer Besitzer war; aus ein bloßes Besitzdienerverhältnis kann jedoch der Anspruch nicht gegründet werden. Ter Anspruch richtet sich gegen den derzeitigen Besitzer und zwar 1. wenn die Sache dem früheren Besitzer gestohlen wor­ den, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, gegen jeden, auch gegen einen gutgläubigen Besitzer. Der Nachweis des Diebstahls rc. obliegt dem, der die Herausgabe verlangt. 2. in den übrigen Fällen nur gegen den bösgläubigen Besitzer, d. h. gegen den Besitzer, der bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Nachträglich erlangte Kenntnis des Mangels schadet nicht. Der Nachweis des bösen Glaubens obliegt dem, der die Herausgabe verlangt. Gegenüber dem Anspruch auf Herausgabe kann der der­ zeitige Besitzer einwenden: 1. daß der die Herausgabe verlangende frühere Besitzer' bei dem Erwerbe des Besitzes selbst nicht in gutem Glauben war; 2. daß dieser den Besitz freiwillig aufgegeben hat;

Das Miteigentum.

791

3. falls ihm sein böser Glaube nicht nachgewiesen wird und die Sache dem früheren Besitzer gestohlen worden, ver­ loren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, sowohl a) daß er selbst der Eigentümer der Sache ist, als auch b) daß die Sache auch ihm und noch vor der Besitzzeit des früheren Besitzers abhanden gekommen ist. Diese beiden zuletzt genannten Einwendungen greifen jedoch nicht durch, wenn Geld oder Jnhaberpapiere in Frage kommen. Die Beweislast für seine Einwendungen trifft den auf Herausgabe belangten derzeitigen Besitzer. Im übrigen finden auf den Anspruch diejenigen Vor­ schriften Anwendung, welche für den auf das Eigentum ge­ stützten Herausgabeanspruch gelten (f. S. 779 ff.). Daher kann z. B. der Besitzer auch aus den Gründen die Herausgabe der Sache verweigern, aus denen er dies gegenüber dem Eigen­ tümer tun kann. Auf Grund dieser Klage kann unter Umständen auch der wirkliche Eigentümer zur Herausgabe an den früheren Be­ sitzer verurteilt werden, irämlich dann, wenn diesem die Sache abhanden gekommen ist und der derzeitige Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Wenn er auch in diesem Prozesse sein Eigentumsrecht nicht geltend machen kann, so ist er doch berechtigt, nachdem er die Sache herausgegeben hat, nunmehr seinerseits in einem neuen Pro­ zesse auf Grund seines Eigentums gemäß § 985 auf Heraus­ gabe an sich zu klagen.

8. Kapitel.

Pas Miteigentum. 8 241.

1. Wenn das BGB von Miteigentum spricht, so hat es immer den Fall im Auge, daß das Eigentum an einer Sache Mehreren nach Bruchteilen zusteht (§ 1008). Daneben kennt das BGB auch das deutschrechtliche Institut des Miteigentums zu gesamter Hand.*) Dasselbe ist aber nicht einheitlich geregelt, sondern unterliegt je nach der Verschiedenheit des Zwecks verschiedenen Normen. Nur die eine Bestimmung ist sämtlichen Formen gemeinsam, daß kein *) vgl. SammlnF 4 S. 393, 497 f., 588 f.

Das Miteigentum.

791

3. falls ihm sein böser Glaube nicht nachgewiesen wird und die Sache dem früheren Besitzer gestohlen worden, ver­ loren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, sowohl a) daß er selbst der Eigentümer der Sache ist, als auch b) daß die Sache auch ihm und noch vor der Besitzzeit des früheren Besitzers abhanden gekommen ist. Diese beiden zuletzt genannten Einwendungen greifen jedoch nicht durch, wenn Geld oder Jnhaberpapiere in Frage kommen. Die Beweislast für seine Einwendungen trifft den auf Herausgabe belangten derzeitigen Besitzer. Im übrigen finden auf den Anspruch diejenigen Vor­ schriften Anwendung, welche für den auf das Eigentum ge­ stützten Herausgabeanspruch gelten (f. S. 779 ff.). Daher kann z. B. der Besitzer auch aus den Gründen die Herausgabe der Sache verweigern, aus denen er dies gegenüber dem Eigen­ tümer tun kann. Auf Grund dieser Klage kann unter Umständen auch der wirkliche Eigentümer zur Herausgabe an den früheren Be­ sitzer verurteilt werden, irämlich dann, wenn diesem die Sache abhanden gekommen ist und der derzeitige Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Wenn er auch in diesem Prozesse sein Eigentumsrecht nicht geltend machen kann, so ist er doch berechtigt, nachdem er die Sache herausgegeben hat, nunmehr seinerseits in einem neuen Pro­ zesse auf Grund seines Eigentums gemäß § 985 auf Heraus­ gabe an sich zu klagen.

8. Kapitel.

Pas Miteigentum. 8 241.

1. Wenn das BGB von Miteigentum spricht, so hat es immer den Fall im Auge, daß das Eigentum an einer Sache Mehreren nach Bruchteilen zusteht (§ 1008). Daneben kennt das BGB auch das deutschrechtliche Institut des Miteigentums zu gesamter Hand.*) Dasselbe ist aber nicht einheitlich geregelt, sondern unterliegt je nach der Verschiedenheit des Zwecks verschiedenen Normen. Nur die eine Bestimmung ist sämtlichen Formen gemeinsam, daß kein *) vgl. SammlnF 4 S. 393, 497 f., 588 f.

792

Das Miteigentum.

Gesamthänder während des Bestehens des Gesamthandsver­ hältnisses über seinen Anteil verfügen kann. Das Miteigen­ tum zur gesamten Hand ist anerkannt für die Gesellschaft (§§ 705 ff.), bei der allgemeinen Gütergemeinschaft (§§ 1437 ff.), und zwar auch für die Zeit nach ihrer Beendigung bis zur Aus­ einandersetzung des Gesamtguts (§§ 1472ff.), bei der fortge­ setzten Gütergemeinschaft (§§ 1483 ff.), bei der Errungenschafts­ und Fahrnißgemeinschast (§§ 1519 ff., 1549 ff.) und endlich bei der Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff.). Da Miteigentum zu gesamter Hand nur in den vom Gesetze besonders genannten Fällen eintritt, so ist, soweit nicht eine solche Ausnahme zutrifft, Miteigentum nach Bruchteilen anzunehmen. StockwerkseigenDas sog. Sto ckwerkseigent um, auch Herbergsrecht um genannt, welches den mehreren Personen an den einzelnen Teilen eines Gebäudes zusteht, ist reichsrechtlich nicht aner­ kannt; jedoch kann dasselbe durch Landesgesetz geregelt werben.1) 2. Für das Miteigentum nach Bruchteilen gelten, soweit nach ru ) ei en. im Folgenden etwas Besonderes bestimmt ist, die Vor­ schriften des BGB über die Gemeinschaft nach Bruchteilen (s. Bd. I S. 594). Auf das zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bestehende Eigentum nach Bruchteilen finden von dieser Zeit an die Vor­ schriften des BGB Anwendung. Das Miteigentum an einer Sache ist wirkliches Eigen­ tum; daher finden , auch die Vorschriften des BGB über die Auflassung auf die Übertragung des Anteils an einem Grund­ stücke Anwendung. Daß ein Alleineigentümer einem Anderen das Miteigentum an der Sache einräumt, ist nicht unzu­ lässig. Jeder Miteigentümer kann ferner die Ansprüche aus dem Eigentume Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen (§ 1011), z. B. gegen Dritte auf Beseitigung der Störung und auf Unterlassung künftiger Störungen klagen. Soweit jedoch der Anspruch auf Herausgabe in Frage steht, kann er nur Herausgabe an alle Miteigentümer fordern. Statt der Herausgabe kann er auch verlangen, daß der Besitzer die Sache für alle Miteigentümer hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellen­ den Verwahrer abliefert. Was die Belastung der gemeinschaftlichen Sache anlangt, so trifft des Gesetz zur Abschneidung von Zweifeln folgende besondere Vorschriften: ’) Bayern hat auf das bestehende Stockwerkseigentum die Vor­ schriften des BGB über das Miteigentum mit einigen Änderungen für anwendbar erklärt; neues Stockwerkseigentum kann nicht mehr begründet werden (Art. 42 ÜG).

Das Miteigentum.

793

Die gemeinschaftliche Sache kann auch zu Gunsten eines Miteigentümers, z. B. mit einer Hypothek,') be­ lastet werden. Steht ein Grundstück in Frage, so wird die Belastung des gemeinschaftlichen Grundstücks zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks sowie die Belastung eines anderen Grundstücks zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht dadurch ausgeschlossen, daß das andere Grundstück einem Miteigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks gehört?) (§ 1009). Die letztere Vorschrift ist insbesondere für folgenden Fall von Be­ deutung : die Eigentümer der Grundstücke a und b kaufen ein Grundstück c, um dasselbe als gemeinschaftlichen Hofraum zu benutzen oder um auf demselben einen Brunnen zur gemein­ schaftlichen Benützung zu graben. Wenn sie dieses Recht auch ihren Rechtsnachfolgern sichern wollen, so können sie das Grundstück c mit entsprechenden Benützungsrechten belastend) Während es zulässig ist, daß der Alleineigentümer einem Dritten Mitteigentumsrechte einräumt, ist die Beschränkung einer Belastung der Sache auf einen Bruchteil des Eigentums­ rechtes durch den Alleineigentümer ausgeschlossen. Es ist da­ her unzulässig, daß der Alleineigentümer nur die Hälfte seines Eigentumsrechtes verpfändet. Dagegen ist es ausdrücklich zu­ gelassen, daß der Anteil eines Miteigentümers an einem Grund­ stücke mit einem Vorkaufsrecht (§ 1095), mit einer Reallast (§ 1106) oder mit einer Hypothek, einer Grundschuld oder Rentenschuld (§§ 1114, 1192, 1199) belastet wird. Während sonst bei der Gemeinschaft nach Bruchteilen gewisse Vereinbarungen ohne weiteres gegen Sondernqchfolger wirken und gewisse Ansprüche gegen sie geltend gemacht werden können, trifft das BGB für den Fall, daß ein Grundstück Gegenstand des Miteigentums ist, besondere Vorschriften (8 1010): a) Haben die Miteigentümer eines Grundstücks die Ver­ waltung und Benützung geregelt, so wirkt die getroffene Be­ stimmung gegen den Sonderrechtsnachfolger nur, wenn sie als Belastung des Anteils im Grundbuch eingetragen ist. Gleichgültig ist, ob die Regelung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluß oder durch Urteil erfolgt ist. b) Das Gleiche gilt, wenn das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit aus­ geschlossen oder wenn eine Kündigungsfrist bestimmt ist. c) Haften die Teilhaber als Gesamtschuldner für eine Verbindlichkeit, die sie, weil es sich um Lasten des gemein­ schaftlichen Gegenstandes oder um Kosten der Erhaltung, Ver') Recht 1902 S. 533. ») vgl. RG 47 S. 209. ’) Für Bayern vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 43 ÜG.

794

Das Erbbaurecht.

waltung oder einer gemeinschaftlichen Benutzung handelt, im Verhältnisse zu einander nach dem Verhältnisse ihrer Anteile zu erfüllen haben, oder die zum Zwecke der Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit eingegangen sind, so kann jeder Teil­ haber bei der Aushebung der Gemeinschaft verlangen, daß die Schuld aus dem gemeinschaftlichen Gegenstände berichtigt wird (§ 755). Dieser Anspruch kann, wenn ein Grundstück gemein­ schaftlich ist, gegen einen Sonderrechtsnachfolger nur geltend gemacht werden, wenn er im Grundbuch eingetragen ist. d) Ebenso kann ein Teilhaber, welcher gegen einen an­ deren Teilhaber eine Forderung hat, die sich auf die Gemein­ schaft gründet, bei der Aufhebung der Gemeinschaft die Be­ richtigung seiner Forderung aus dem auf den Schuldner ent­ fallenden Teile des gemeinschaftlichen Gegenstandes verlangen. Auch dieser Anspruch kann, wenn ein Grundstück gemeinschaft­ lich ist, gegen einen Sondernachfolger nur geltend gemacht werden, wenn er im Grundbuch eingetragen ist.1) Auf diese Belastungsformen finden die allgemeinen Vor­ schriften über die Belastung von Grundstücken Anwendung, d. h. es wird Einigung und Eintragung in das Grundbuch erfordert. Die Kenntnis des Sondernachfolgers von den Ver­ einbarungen bezw. Ansprüchen genügt daher nicht, um sie ihm gegenüber wirksam erscheinen zu lassen. Die Eintragung er­ folgt auf Grund einer Eintragsbewilligung sämtlicher Mit­ eigentümer, im Falle d auf Grund einer Eintragungsbewilli­ gung des Schuldners. Das Gesetz sagt allerdings nicht aus­ drücklich, daß den Miteigentümern ein Anspruch auf Eintragung zusteht. Allein da die §§ 746, 751, 755, 756 die Wirksamkeit gegenüber Sondernachfolgern im allgemeinen anerkennen, so muß den Miteigentümern von Grundstücken auch die Befug­ nis zuerkannt werden, diese Wirksamkeit herbeizuführen und, wenn ein Miteigentümer die Erteilung einer Eintragungsbe­ willigung verweigert, hierauf zu klagen.

9. Kapitel.

Das Erövaurechl. » 8 242. Das Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererblicheRecht, aufoder unter der Oberfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1012). ') vgl. DIZ 5 S. 507; Recht 1902 S. 225. j Zeitschr. f. d. Notariat rc. in Bayern 1904 S. 4 ff.

794

Das Erbbaurecht.

waltung oder einer gemeinschaftlichen Benutzung handelt, im Verhältnisse zu einander nach dem Verhältnisse ihrer Anteile zu erfüllen haben, oder die zum Zwecke der Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit eingegangen sind, so kann jeder Teil­ haber bei der Aushebung der Gemeinschaft verlangen, daß die Schuld aus dem gemeinschaftlichen Gegenstände berichtigt wird (§ 755). Dieser Anspruch kann, wenn ein Grundstück gemein­ schaftlich ist, gegen einen Sonderrechtsnachfolger nur geltend gemacht werden, wenn er im Grundbuch eingetragen ist. d) Ebenso kann ein Teilhaber, welcher gegen einen an­ deren Teilhaber eine Forderung hat, die sich auf die Gemein­ schaft gründet, bei der Aufhebung der Gemeinschaft die Be­ richtigung seiner Forderung aus dem auf den Schuldner ent­ fallenden Teile des gemeinschaftlichen Gegenstandes verlangen. Auch dieser Anspruch kann, wenn ein Grundstück gemeinschaft­ lich ist, gegen einen Sondernachfolger nur geltend gemacht werden, wenn er im Grundbuch eingetragen ist.1) Auf diese Belastungsformen finden die allgemeinen Vor­ schriften über die Belastung von Grundstücken Anwendung, d. h. es wird Einigung und Eintragung in das Grundbuch erfordert. Die Kenntnis des Sondernachfolgers von den Ver­ einbarungen bezw. Ansprüchen genügt daher nicht, um sie ihm gegenüber wirksam erscheinen zu lassen. Die Eintragung er­ folgt auf Grund einer Eintragsbewilligung sämtlicher Mit­ eigentümer, im Falle d auf Grund einer Eintragungsbewilli­ gung des Schuldners. Das Gesetz sagt allerdings nicht aus­ drücklich, daß den Miteigentümern ein Anspruch auf Eintragung zusteht. Allein da die §§ 746, 751, 755, 756 die Wirksamkeit gegenüber Sondernachfolgern im allgemeinen anerkennen, so muß den Miteigentümern von Grundstücken auch die Befug­ nis zuerkannt werden, diese Wirksamkeit herbeizuführen und, wenn ein Miteigentümer die Erteilung einer Eintragungsbe­ willigung verweigert, hierauf zu klagen.

9. Kapitel.

Das Erövaurechl. » 8 242. Das Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererblicheRecht, aufoder unter der Oberfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1012). ') vgl. DIZ 5 S. 507; Recht 1902 S. 225. j Zeitschr. f. d. Notariat rc. in Bayern 1904 S. 4 ff.

Das Erbbaurecht.

795

Das Erbbaurecht ist weder an eine bestimmte Person noch an das Eigentum eines bestimmten Grundstücks geknüpft. Es ist vererblich und veräußerlich. Das Erbbaurecht ist ein Recht an fremder Sache; je­ doch kann dem Miteigentümer eines Grundstücks ein Erbbaurecht an dem gemeinschaftlichen Grundstücke eingeräumt werden (§ 1009). Mit einem Erbbaurecht kann nur ein Grundstück be­ lastet werden. An beweglichen Sachen und an Rechten, ins­ besondere an dem Anteile des Miteigentümers eines Grund­ stückes, kann ein Erbbaurecht nicht bestellt werden. An sich er­ greift das Erbbaurecht nur die Bodenfläche, auf oder unter welcher das Bauwerk errichtet ist. Es kann aber auch auf die Benützung eines für das Bauwerk nicht erforderlichen Teiles eines Grundstückes erstreckt werden, wenn sie für die Benützung des Bauwerkes Vorteil bietet (§ 1013), z. B. auf einen Hostaum oder Garten. Dagegen ist die Beschränkung des Erbbaurechtes auf einen Teil eines Gebäudes, insbesondere ein Stockwerk, unzulässig (§ 1014). Wegen des Stockwerk­ eigentums s. Bd. I S. 792. Inhalt des Erbbaurechts ist das Recht, auf oder unter der Oberfläche eines Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Unter einem Bauwerk ist eine unbewegliche, durch Verwendung von Material und Arbeit in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache zu verstehend) Das Bauwerk braucht nicht gerade ein Gebäude zu sein, auch Monumente, Brücken, Via­ dukte, Keller u. s. w. gehören hierher. Aber es muß sich immerhin um ein Bauwerk handeln. Das Recht, einen Baum auf einem fremden Grundstücke zu haben, kann nicht den In­ halt eines Erbbaurechts bilden. Das Gleiche gilt dann, wenn sich das Bauwerk nicht auf oder unter, sondern ausschließlich über der Oberfläche des Grundstücks befindet. Das Bauwerk ist an den Zusammenhang mit dem Grund und Boden ge­ knüpft. Daher kann ein Erbbaurecht nicht den Inhalt haben, daß ein Brückenbogen über ein fremdes Grundstück geführt wird; es muß mindestens ein Widerlager oder ein Pfeiler der Brücke auf dem Grundstücke ruhen.. Nicht vorausgesetzt wird, daß das Bauwerk erst errichtet werden muß; denn das Recht des Erbbauberechtigten geht dahin, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben; daher kann das Bauwerk auch im Eigentume des Grundstückseigen­ tümers stehen. Errichtet der Erbbauberechtigte das Bauwerk, so wird er Eigentümer desselben; denn es wird, da das Bau­ werk in Ausübung eines Rechtes Mit dem Grundstücke ver­ bunden wurde, kein Bestandteil desselben im Rechtssinne; *) IW 1904 S. 37

796

Das Erbbaurecht

daher tritt kein Eigentumserwerb des Grundstückseigentümers durch Verbindung ein. Für das Erbbaurecht gelten die sich auf Grund­ stücke beziehenden Vorschriften (§ 1017 Abs. 1). Das Erbbaurecht ist daher einem Grundstücke völlig gleichgestellt. Es kann daher mit denselben Rechten wie ein Grundstück, z. B. mit Grunddienstbarkeiten, Hypotheken^ u. s. w. belastet werden. Grunddienstbarkeiten, Reallasten und Vorkaufsrechte können, wie zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstückes, so auch zu Gunsten des jeweiligen Erbbaube­ rechtigten bestellt werden. Wird eine bewegliche Sache mit dem Bauwerke dergestalt verbunden, daß sie wesentlicher Be­ standteil desselben wird, so erstreckt sich das Eigentum an dem Bauwerke auf diese Sache; u. s. w. Das Erbbaurecht ist aber in gewissen Beziehungen auch dem Eigentumsrechte gleich gestellt; die für den Erwerb des Eigentums und die Ansprüche aus dem Eigen­ tums geltenden Vorschriften finden auf das Erb­ baurecht entsprechende Anwendung (§ 1017 Abs. 2); daher erfolgt insbesondere die Übertragung des Erbbaurechts durch Auflassung. Nicht anwendbar sind dagegen die Vor­ schriften über den Verlust des Eigentums. Dies gilt insbe­ sondere auch von der Vorschrift, daß der Eigentümer eines Grundstücks, welches seit dreißig Jahren im Eigenbesitze eines Anderen ist, im Wege des AÜfgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden kann und derjenige, welcher das Ausschlußurteil erwirkt hat, das Eigentum dadurch erwirbt, daß er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen läßt. Diese Vorschrift enthält zwar sowohl einen Erwerbs- als einen Verlustgrund; allein der Erwerb hat hier zur Voraussetzung, daß zuvor auf besondere Weise das Eigentum verloren wurde. Während zur Begründung eines sonstigen Rechtes an einem Grundstücke die Einigung des Bestellers und des anderen Teiles über die Rechtsänderung und die Eintragung der Rechts­ änderung erforderlich ist, gelten für die zur Bestellung eines Erbbaurechts erforderliche Einigung besondere Vor­ schriften. Sie muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor dem Gruydbuchamt erklärt werden (§ 1015). Es sind dies die gleichen Vorschriften wie für die Auflassung. Im Gegensatze zur Auflassung ist aber hier die Beifügung einer Bedingung oder Zeitbestimmung zulässig. Die Eintragung hat auf dem Blatte des belasteten Grundstücks zu erfolgen. Auf Antrag ist für das Erbbaurecht ein besonderes Grundbuchblatt anzulegen; die Anlegung erfolgt von Amtswegen, wenn das Erbbaurecht belastet oder veräußert werden soll. Die An­ legung wird auf dem Blatte des belasteten Grundstücks ver­ merkt (§ 7 GO).

Das Erbbaurecht.

797

Auch die Ersitzung eines Erbbaurechts wird zugelassen unter folgenden Voraussetzungen: Das Erbbaurecht muß im Grundbuch eingetragen sein, die Eintragung dreißig Jahre bestanden und der Ersitzende während dieser Zeit die Befugnisse eines Erbbauberechtigten ausgeübt haben. Das Erbbaurecht erlischt, abgesehen von dem Falle der Zwangsversteigerung oder des Untergangs des belasteten Grundstücks: 1. durch Aufhebung. Hierzu ist die Erklärung des Erb­ bauberechtigten, daß er sein Erbbaurecht aufgebe, und die Löschung des Erbbaurechts im Grundbuch erforderlich. Die Erklärung ist dem Grundbuchamt oder dem Eigentümer des belasteten Grundstücks gegenüber abzugeben. Vor der Löschung ist der Erbbauberechtigte au seine Erklärung nur gebunden, wenn er sie dem Grundbuchamt gegenüber abgegeben oder wenn er' dem Eigentümer des belasteten Grundstücks eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Löschungs­ bewilligung abgegeben hat. 2. durch Verjährung, wenn das Erbbaurecht im Grund­ buch mit Unrecht gelöscht worden ist. Solange das Erbbau­ recht eingetragen ist, unterliegt es bekanntlich der Verjährung nicht. Wurde es aber zu Unrecht gelöscht, so erlischt es, wenn der Anspruch gegen den Eigentümer verjährt ist. 3. durch Eintritt der Bedingung oder Ablauf der Frist, wenn es unter einer auflösenden Bedingung oder Be­ fristung bestellt wurde; also wenn z. B. das Erbbaurecht nur für die Dauer des Bestandes des Bauwerkes bestellt wurde, mit dem Untergange des Bauwerkes. Wurde dagegen eine derartige Vereinbarung nicht getroffen, so erlischt es nicht da­ durch, daß. das Bauwerk untergeht (§ 1016). Der Erbbau­ berechtigte ist nicht gehindert, ein neues Bauwerk aufzuführen. Ebensowenig erlischt es dadurch, daß der Eigentümer des Grund­ stücks das Erbbaurecht oder der Erbbauberechtigte das Eigen­ tum an dem Grundstück erwirbt (§ 889). Es kann daher in diesem Fall sowohl das Erbbaurecht wie auch das Grundstück mit diesem Recht belastet oder weiterveräußert werden, ohne daß es einer neuen Bestellung bedarf. Die zur Zeit des Inkrafttretens des BGB bereits be- Übergangs, stehenden Erbbaurechte bleiben mit dem sich aus den bisherigen 6e ,mmunflenGesetzen ergebenden Inhalt und Range bestehen. Nur insofern tritt eine Änderung ein, als von diesem Zeitpunkt an auch für die bereits bestehenden Erbbaurechte die sich auf Grund­ stücke beziehenden Vorschriften sowie die für den Erwerb des Eigentums und für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des BGB Anwendung zu finden haben (Art. 184 EG).

798

$tett@6etfiB±en. 10. Kapitel.

Dienstvarkette«. § 243.

Einleitung.

Unter einer Dienstbarkeit versteht man ein Recht an einer fremden Sache, kraft dessen der Berechtigte diese Sache entweder selbst in gewissen Beziehungen benutzen oder deren Eigentümer eine gewisse Art der Benutzung untersagen darf. Man hat zu unterscheiden: ]. Grunddienstbarkeiten, mit welchen nur Grundstücke und die diesen gleichgestellten Erbbaurechte belastet werden können; 2. den Nießbrauch, der sowohl an Grundstücken als auch an beweglichen Sachen bestellt werden kann; 3. die beschränkten persönlichen Die-nstbarkeiten, die ebenfalls nur an Grundstücken bestehen können.

I. Grunddikustbarkkitk«. § 244. Begriff.

Begriff und Inhalt der Grunddienstbarkeiten.

Unter einer Grunddienstbarkeit versteht man die Belastung eines Grundstücks zu Gunsten des jeweiligen Eigen­ tümers eines anderen Grundstücks in der Weise, daß a) dieser Eigentümer das belastete Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen bars;1) z. B. zum Gehen, Fahren, zur Viehweide, zur Errichtung einer Wasserleitung oder einer sonstigen Anlage; b) oder daß auf dem Grundstücke gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen; daß also z. B. überhaupt nicht gebaut werden oder wenigstens dem Nachbarn die Aus­ sicht nicht verbaut werden darf; daß ein bestimmtes Gewerbe nicht ausgeübt werden bars2) u. dgl. Unter Handlungen im Sinne dieser Vorschrift sind aber nur solche zu verstehen, die kraft des „Eigentums" am be­ lasteten Grundstück (vgl. Bd. I S. 729 ff.) an sich erlaubt sind und eine Benutzung dieses Grundstücks, ein Verfahren mit ihm, eine Einwirkung auf dasselbe enthalten, nicht aber auch solche Handlungen, die vermöge der „persönlichen" Freiheit des Grundstückseigentümers oder der Freiheit des auf dem Grund­ stücke bestehenden „Gewerbebetriebs" gestattet sind. Die Ver­ pflichtung, daß auf dem Grundstücke nur ein bestimmtes Bier ausgeschenkt werde, kann daher den Inhalt einer Grunddienst­ barkeit nicht bilden.2) ') Vgl. auch ROLG 3 S. 292. *) ROLG 5 S. 316; 6 S. 119; Recht 1903 S. 401; SammlnF 4 S. 476. •) ROLG 5 S. 154; EFG 3 S. 148; Recht 1902 S. 554.

Begriff und Inhalt der Grunddienstbarkeiten.

799

Ist die Handlung ohnedies schon gesetzlich verboten, so kann ihre Unterlassung nicht den Gegenstand einer Grund­ dienstbarkeit bilden.') c) endlich, daß die Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstücke dem anderen Grundstücke gegenüber ergibt. Hierher gehört insbesondere die Beschränkung nachbarrechtlicher Befugnisse. So kann z. B. eine Grunddienstbarkeit des Inhalts bestellt werden, daß auch solche Einwirkungen auf das Nachbargrund­ stück zu unterbleiben haben, die nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnlich sind. Der Verzicht auf künftige Entschädigungsansprüche wegen Beschädigung des Grundstücks 2) oder auf ein gesetzliches Vorkaufs­ recht b) kann den Gegenstand einer Grunddienstbarkeit nicht bilden. Die Verpflichtung zu positivem Tun ist als Inhalt einer Grunddienstbarkeit unzulässig.**) In gewissein Sinne sind jedoch Ausnahmen zugelassen, soweit die Unterhaltung einer Anlage in Frage kommt (f. unten S. 800 f.). Vorausgesetzt werden zwei Grundstücke: ein dienendes, ^"schend-s^und das belastete Grundstück und ein herrschendes, d. i. das andere Grundstück. Grundstück. Den Grundstücken stehen Erbbaurechte gleich (§ 1017). Zu Gunsten des Anteils eines Miteigentümers kann weder eine Grunddienstbarkeit bestellt noch kann der Anteil mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden; dagegen wird die Belastung eines im Miteigentum stehenden Grundstücks zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks sowie die Belastung eines anderen Grundstücks zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht dadurch ausgeschlossen, daß das andere Grundstück einem Miteigen­ tümer des gemeinschaftlichen Grundstücks gehört (§ 1009 Abs. 2). In allen Fällen kann aber die Grunddienstbarkeit nur Borte« für das in einer solchen Belastung bestehen, die für die Benutzung des @tÜn*tMe Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Über das hieraus sich ergebende Maß hinaus kann der Inhalt der Dienstbarkeit nicht erstreckt werden (§ 1019). Der Vorteil des herrschenden Grundstückes bildet daher die Grenze für das zulässige Maß der Belastung des dienenden Grundstücks. Maßgebend sind nicht die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers des herr­ schenden Grundstücks, sondern es muß die Benutzung dieses Grundstücks durch die Dienstbarkeit eine objektiv vorteilhaftere sein. Dies kann auch bei einer die Sicherung der Grenze be­ zweckenden Einrichtung zutreffend) Auch in einer bloßen An') 2) ») *) 6)

ROLG 1 S. 380. ROLG 3 S. 96, 291; 4 S. 68; Recht 1903 S. 430. ROLG 5 S. 423. ROLG 1 S. 4’6; SammlnF 3 S. 129; EFG 1 S. 25. SammlnF 4 S. 316.

Dienstbarkeiten.

800

nehmlichkeit, z. B. einer freien Aussicht, ist ein Vorteil zu erblicken. Nicht notwendig ist, daß durch die Bestellung der Grunddienstbarkeit ein schon vorhandenes Bedürfnis befriedigt ist; daher kann eine Grunddienstbarkeit z. B. auch mit Rück­ sicht auf eine erst zu errichtende Fabrik bestimmt werden. Ob das dienende Grundstück auch für die erweiterten Bedürf­ nisse des herrschenden Grundstückes in Anspruch genommen werden kann, die als natürliche und voraussehbare Folge ver­ änderter Orts-, Zeit- und Wirtschaftsverhältnisse erscheinen, ist eine Frage der Auslegung des Begründungsaktes.*) Wenn auch nicht erfordert wird, daß das herrschende und das dienende Grundstück aneinandergrenzen, so kann doch die Belastung des einen zu Gunsten des anderen Grundstücks mit einer Grund­ dienstbarkeit aus dem Grunde unzulässig sein, weil im Hinblick auf ihre weite Entfernung die Grunddienstbarkeit für die Be­ nutzung des herrschenden Grundstücks ohne Bedeutung ist.3) Berechtigter Berechtigt ist der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks, bezw. der jeweilige Erbbauberechtigte. Wer also das Eigentum an diesem Grundstück, bezw. das Erbbaurecht erwirbt, erwirbt kraft Gesetzes auch die Grunddienstbarkeit; daher kann sich der Veräußerer die Grunddienstbarkeit nicht Vor­ behalten; sie ist untrennbar mit dem Grundstücke verbunden. Die Frage, ob auch andere Personen als der Eigentümer des herrschenden Grundstückes die Grunddienstbarkeit ausüben dürfen, ist im BGB selbst nicht entschieden. In erster Linie entscheidet natürlich die getroffene Vereinbarung. Mangels einer solchen wird insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten sein; so darf z. B. bei einer Wegegerechtigkeit regelmäßig nicht nur der Eigentümer auf dem ihm eingeräumten Wege gehen, sondern auch seine Familienangehörigen, sein Gesinde, sowie alle diejenigen Personen, die ihn oder seine Angehörigen be­ suchen wollen. In der Regel wird die Ausübung der Grund­ dienstbarkeit auch durch einen Mieter oder Pächter zulässig sein. Schonende AuLBei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Beubun^derDimit-rechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grund­ stücks tunlichst zu schonen (§ 1020). In gleicher Weise hat er auf die Interessen solcher Personen Rücksicht zu nehmen, welche vom Eigentümer Rechte ableiten, denen die Grunddienstbarkeit im Range vorgeht. Unterhaltung Besonders geregelt ist die Pflicht zur Unterhaltung von nagen t)on Anlagen auf dem belasteten Grundstück, welche zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehören: a) Hält der Berechtigte zur Ausübung der Grunddienst­ barkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er *) BlfRA 68 S. 139. 2) ROLG 6 S. 119.

Begriff und Inhalt der Grunddienstbarkeiten.

801

sie in ordnungsmäßigem Zustande zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers des Grundstückes es erfordert (§ 1020 Satz 2). Ob die Anlage auch im Eigentume des Berechtigten steht, ist gleichgültig. Genügt der Berechtigte seiner Unter­ haltungspflicht nicht, so kann der Eigentümer des belasteten Grundstücks gegen ihn auf Herstellung des ordnungsmäßigen Zustandes klagen (§ 1004), gleichviel ob der ordnungswidrige Zustand durch den Berechtigten oder einen Dritten oder durch Zufall verursacht wurde. Trifft den Berechtigten ein Ver­ schulden, so kann auch Schadensersatz verlangt werden. Diese Regel hat dann Geltung, wenn über die Unterhaltungspflicht nichts vereinbart wurde. Es kann aber auch bestimmt werden, daß der Eigentümer des belasteten Grundstückes die Anlage zu unterhalten hat, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert; steht dem Eigentümer das Recht zur Mitbenutzung der Anlage zu, so kann bestimmt werden, daß der Berechtigte die Anlage zu unterhalten hat, soweit es für das Benutzungsrecht des Eigen­ tümers erforderlich ist (§ 1021 Abs. 1). Weitergehende Ver­ einbarungen sind unzulässig; insbesondere kann nicht bestimmt werden, daß der Eigentümer des belasteten Grundstückes eine Anlage zu unterhalten habe, die sich nicht auf seinem Grund­ stücke befindet. Die Bestimmung bedarf der Eintragung in das Grundbuch, wenn sie dinglich wirken soll, und zwar je nachdem die Unterhaltungspflicht dem Eigentümer des herr­ schenden oder dienenden Grundstückes obliegt, auf dem für dieses oder jenes Grundstück bestehenden Grundbuchblatte; Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung ist zulässig *) (§ 874). Auf eine solche, durch Vereinbarung geregelte Unter­ haltungspflicht finden die Vorschriften über Reallasten ent­ sprechende Anwendung (§ 1021 Abs. 2). Hiernach kann ins­ besondere die Leistung aus dem Grundstücke, dessen Eigentümer verpflichtet ist, verlangt werden, ferner haftet der betreffende Eigentümer für die während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Unterhaltskosten auch persönlich, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist. b) Nicht zu verwechseln mit dem Falle, daß zur Aus­ übung einer Dienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstücke gehört, ist der andere Fall, daß die Grunddienst­ barkeit selbst in dem Rechte besteht, auf einer baulichen Anlage des belasteten Grundstücks eine bauliche Anlage zu halten (§ 1022). Hierher gehört z. B. das Recht, ein Gebäude oder einen Teil desselben oder eine sonstige bauliche Anlage, z. B. eine Wasserleitung, auf baulichen Anlagen des Nachbars, z. B. auf einer Wand, einem Pfeiler u. dgl. ruhen zu lassen. Hier ') Recht 1902 S. 574. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl.

Bd. I.

802

Dienstbarkeiten.

hat, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, der Eigentümer des belasteten Grundstücks seine Anlage zu unterhalten, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Auch auf diese Unter­ haltungspflicht finden die Vorschriften über Reallasten ent­ sprechende Anwendung. Anspruch aus Beschränkt sich die jeweilige Ausübung einer GrundAusü§ung auf dienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks, so kann $e«Cbe$n@tunb-^er Eigentümer die Verlegung der Ausübung auf eine ei ftütfe8tun ° andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist (§ 1023). Ob sich die Beschränkung auf einen Grundstücksteil daraus ergibt, daß der Teil des Grundstücks, auf den sich. die Ausübung zu beschränken hat, durch Rechts­ geschäft bestimmt ist oder ob sich, wie bei Wege- oder Wasser­ leitungsgerechtigkeiten, eine solche Beschränkung schon aus der Natur der Sache ergibt, ist gleichgültig; immer aber wird erfordert, daß das ganze Grundstück mit der Grunddienst­ barkeit belastet ist. Ein Anspruch auf Verlegung ist daher nicht gegeben, wenn nur ein Teil des Grundstücks mit der Grunddienstbarkeit belastet ist, gleichviel ob der belastete Teil im Grundbuche abgeschrieben wurde oder nicht (§ 6 GO). Das Recht auf Verlegung steht nur dem Eigentümer des be­ lasteten Grundstücks, nicht auch dem Grunddienstbarkeitsbe­ rechtigten zu; dieses Recht kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. Immer aber kann nur Verlegung auf eine andere Stelle desselben Grundstücks, nicht ans ein anderes Grundstück verlangt werdens) selbst wenn auch dieses dem Eigentümer des belasteten Grundstücks gehört. Die neue Stelle muß für den Berechtigten ebenso geeignet sein; unbedeutende Unbequemlichkeiten werden natürlich nicht berück­ sichtigt. Die Verlegung bedarf der Eintragung in das Grund­ buch nicht. Die Kosten der Verlegung hat der Eigentümer des belasteten Grundstücks zu tragen und vorzuschießen. Kollision bet Ob der Eigentümer des belasteten Grundstücks das den 5meifanberenn Inhalt der Grunddienstbarkeit bildende Recht ebenfalls ausRechten. üben darf, kann nicht allgemein bejaht oder verneint werden. Es kommt eben auf den Inhalt der Grunddienstbarkeit an.2) Ist z. B. ein Wegerecht oder Fahrtrecht Gegenstand der Grund­ dienstbarkeit, so ist es dem Eigentümer des belasteten Grund­ stücks nicht verwehrt, ebenfalls über sein Grundstück zu gehen und zu fahren. Da aber das Eigentumsrecht allen übrigen Rechten an dem Grundstücke im Range nachsteht, so muß der Eigentümer in Kollisionsfällen dem Dienstbarkeitsberechtigten weichen. Häufig wird aber gewollt sein, daß beide das Recht *) IW 1902 S. 71; RG 50 S. 32. s) IW 1902 Beil. 10 S. 249.

Entstehung und Beendigung der Grunddienstbarkesten.

803

sollen ausüben dürfen. Reicht in einem solchen Falle, z. B. bei einer Wasserschöpfgerechtigkeit infolge teilweisen Versiegens der Quelle das Wasser für die Bedürfnisse beider Grundstücke nicht mehr aus, so hat eine entsprechende Beschränkung des Wasserbezugs für beide einzutreten. Trifft eine Grunddienstbarkeit mit einer anderen Grund­ dienstbarkeit oder einem sonstigen Nutzungsrechte an dem Grund­ stücke dergestalt zusammen, daß die Rechte nebeneinander nicht oder nicht vollständig ausgeübt w'erden können, so kommt es darauf an, ob sie gleichen Rang haben oder nicht. Haben sie nicht gleichen Rang, so muß das Recht, welches Nachrang hat, dem besseren Rechte weichen. Haben aber die Rechte gleichen Rang, so kann jeder Berechtigte eine den Interessen aller Berechtigten nach billigem Ermessen entsprechende Regelung verlangen (§ 1024). Die Regelung bedarf der Eintragung in das Grundbuch nicht. Wird das Grundstück des Berechtigten geteilt, so besteht die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fort (§ 1025). Gleichgültig ist, ob mit der Teilung auch ein Wechsel im Eigentum eintritt oder nicht. Ist ersteres der Fall, so können sämtliche Eigentümer der verschiedenen Teilgrundstücke die Dienstbarkeit int vollen Umfange ausüben; die Ausübung ist jedoch, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, nur in der Weise zulässig, daß sie für den Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht beschwerlicher wird. Gereicht die Dienst­ barkeit nur einem der Teile zum Vorteile, so erlischt sie für die übrigen Teile; die Grunddienstbarkeit wird daher auf die Grundbuchblätter dieser letztgenannten Grundstücke nicht mit übergetragen; sollte sie jedoch auf einem der Blätter der Grund­ stücke, für die sie erloschen ist, noch eingetragen sein, so kann Berichtigung des Grundbuchs verlangt werden. Wird das belastete Grundstück geteilt, so werden, wenn die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen bestimmten Teil des belasteten Grundstücks beschränkt ist, die Teile, welche außerhalb des Bereichs der Ausübung liegen, von der Dienstbarkeit frei (§ 1026). Nicht hierher gehören diejenigen Fälle, in welchen, wie z. B. bei Wegegerechtigkeiten, aus tatsächlichen Gründen die Ausübung der Dienstbarkeit immer nur an einem Teile des belasteten Grundstücks möglich, der Berechtigte, aber auf einen solchen Teil rechtlich nicht be­ schränkt ist, vielmehr die Dienstbarkeit auf jedem Teile aus­ üben kann.

Arschmd-n Grundstücks.

Teilung der Grundstücks,

8 245. Entstehung und Beendigung der Grunddienstbarkeiten. I. Eine Grunddienstbarkeit kann entstehen: i- Entstehung. 1. durch Rechtsgeschäft unter Lebenden nach den all-1- dur» R-chtrgemeinen Vorschriften über die Belastung von Grundstücken ' 51*

804

Dienstbarkeiten.

mit Rechten (§ 873; f. ®. 704 ff.). Hiernach ist erforderlich die Einigung des Eigentümers des belasteten und des anderen Grundstücks über die beabsichtigte Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. Für die Belastung 'buchungsfreier Grundstücke mit Dienstbarkeiten geben die Landesgesetze l) Maß. Ausgeschlossen ist, daß der Eigen­ tümer zweier Grundstücke das eine zu Gunsten des anderen mit einer Grunddienstbarkeit belastet?) 2-£Vts 2. durch Ersitzung (§ 900; f. S. 727). 8. an buchungs3. Für die Begründung einer Dienstbarkeit an buchun gs1 stufen bs freien Grundstücken sind die Landesgesetzes) maßgebend (Art. 128 EG). Hinsichtlich der Entstehung einer Grunddienstbarkeit vor dem Inkrafttreten des BGB sind die bisherigen Gesetze maß­ gebend ; insbesondere bestimmen sich Inhalt und Rang nach den bisherigen Gesetzen; im übrigen finden dagegen die Vorschriften des BGB Anwendung^ (Art. 184 EG). Eine Grunddienstbarkeit, die zu der Zeit besteht, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, bedarf zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grund­ buchs nicht der Eintragung. Die Eintragung hat jedoch zu erfolgen, wenn sie von dem Berechtigten oder dem Eigentümer des belasteten Grundstücks verlangt wird; die Kosten sind von demjenigen zu tragen und vorzuschießen, welcher die Eintragung verlangt. Durch Landesgesetz °) kann, und zwar auch nur für einzelne Grundbuchbezirke, bestimmt werden, daß die bestehenden Grunddienstbarkeiten oder einzelne Arten derselben zur Er­ haltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs oder später in das Grundbuch eingetragen werden Müssen (Art. 187 EG). II. Erlöschen. II. Die Grunddienstbarkeiten erlöschen: 1. durch Unter1. durch den Untergang des herrschenden oder OGrundstückes dienenden Grundstücks. Dem Untergange steht der Fall gleich, daß das dienende Grundstück dauernd diejenigen Eigen­ schaften verliert, welche die Ausübung der Dienstbarkeit un­ möglich machen. Versiegt z. B. die Quelle, aus der dem je­ weiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks das Recht zusteht, Wasser zu beziehen, für immer, so ist die Ausübung des Wasserbezugsrechts unmöglich. 2. durch Aus2. durch Aufhebung (§ 875). Hierzu.ist der Verzicht Hebung. ^^8 Berechtigten, unter Umständen auch die Zustimmung Dritter

*) AG Art. ’) Nr. 151; •) 4) •)

Art. 128 EG. — Bayern: AG Art. 84. — Württemberg: 212; - Oldenburg: AG Art. 13. RG 47 S. 202; EFG 1 S. 167; ROLG 1 S. 427; SA 56 aM DIZ 1901 S. 23. Bayern: AG Art. 84. — Württemberg: AG Art. 212. ROLG 4 S. 293. Bayern: ÜG Art. 10. — Hamburg: AG Art. 44.

Schutz der Grunddienstbarkeiten.

805

(§ 876) und die Löschung der Dienstbarkeit im Grundbuch er­ forderlich (s. S. 707). Für die Aufhebung von Dienstbar­ keiten an buchungsfreien Grundstücken sind die Landes­ gesetzes maßgebend (Art. 128 EG). 3. durch Verjährung, wenn die Dienstbarkeit im s-MrJu-®61' Grundbuche zu Unrecht gelöscht wurde (§ 901 s. S. 738). Solange dagegen die Eintragung im Grundbuchs besteht, unterliegt die Dienstbarkeit der Verjährung nicht (s. S. 728). Hiervon besteht eine Ausnahme. Ist nämlich auf dem be­ lasteten Grundstücke eine Anlage errichtet worden, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, so unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der Beein­ trächtigung der Verjährung, auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuche eingetragen ist. Mit der Verjährung des An­ spruchs erlischt auch die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht. Ein Erwerber des herrschenden Grundstücks kann sich auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht berufen (§ 1028). Wird durch die An­ lage die Grunddienstbarkeit nur teilweise beeinträchtigt, so tritt auch ein nur teilweises Erlöschen ein. Besteht z. B. die Grund­ dienstbarkeit in einem Fahrt- und Wegerecht und wird auf der Grenze des belasteten Grundstücks eine Mauer mit einer so engen Öffnung gebaut, daß man nicht mehr hindurchfahren, sondern nur mehr gehen kann, so erlischt die Dienstbarkeit, soweit das Fahrtrecht in Frage steht; als Wegegerechtigkeit besteht sie dagegen fort. Immer aber wird die Errichtung einer Anlage vorausgesetzt, durch welche die Dienstbarkeit be­ einträchtigt wird; dagegen genügt der Verfall der zur Aus­ übung der Dienstbarkeit gehörenden Anlage nicht. 5. durch Zwangsversteigerung, falls nicht die Dienst£»0««^ barkeit nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibt (88 91, 92, 52 ZVG). 6. durch Teilung des herrschenden oder dienendendurch Teilung Grundstücks (s. S. 803). ©Säe. 7. mit dem Eintritte des Endtermins o b e r b e rbem@tn= Bedingung, wenn die Grunddienstbarkeit unter einer auf- bmaung oder lösenden Befristung oder Bedingung bestellt war. bci Endtermin».

8 246. Schutz der Grunddienstbarkeiten. I. Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigtes so kann der Berechtigte von dem Störer die Beseitigung der Be­ einträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu befürchten, so kann er auf Unterlassung klagen. Der An*) Bayern: AG Art. 84. — Württemberg: AG Art. 212. °) BlfRA 68 S 324.

806

Dienstbarkeiten.

spruch ist aber ausgeschlossen, wenn der Grunddienstbarkeits­ berechtigte zur Duldung verpflichtet ist (§ 1027). Es gelten also hier die gleichen Normen, wie für den Anspruch aus dem Eigentume (f? daher Bd. I S. 786). Der Anspruch kann sich auch gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks richten, wenn dieser die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt; doch ist darin, daß er eine Einwirkung auf sein Grundstück gestattet, an deren Hinderung er kein Interesse hat, ebensowenig eine Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit zu erblicken als darin, daß der Dienstbarkeitsberechtigte die Ausübung seines Verbietungsrechtes gegenüber einer Dienstbarkeit und Eigentum zugleich beeinträchtigenden Handlung unterläßt, ein Eingriff in das Eigentum durch den Dienstbarkeitsberechtigten zu er­ blicken ist1) Im Prozesse muß der Berechtigte sein Eigentum an dem herrschenden Grundstücke und das Bestehen der Dienst­ barkeit beweisen, und außerdem noch, daß der Beklagte die Dienstbarkeit beeinträchtigt hat. Dem Eigentümer des dienen­ den Grundstückes steht der Anspruch nicht zu?) Steht das herrschende Grundstück im Miteigentume Mehrerer, so kann jeder Miteigentümer den Anspruch geltend machen. II. Die Vorschriften unter I genügen dem Bedürfnisse des Verkehrs nicht; der Weg der Klage wäre nicht immer gangbar, z. B. wenn bis zur Erhebung der Klage die Störung wieder beseitigt ist, und deshalb auch unzureichend; außerdem wäre z. B. dem Pächter des herrschenden Grundstücks wenig ge­ holfen, wenn er sich wegen jeder Störung erst an den Eigen­ tümer wenden müßte, damit dieser den Klageweg beschreitet. Daher wird noch ein weitergehenderer Schutz gewährt, und zwar nach den Vorschriften über Besitzschutz. Die Voraussetzungen dieses Schützes sind (§ 1029): 1. daß für den Eigentümer eines Grundstücks im Grund­ buche eine Grunddienstbarkeit eingetragen ist. Dieser Ein­ trag ist erforderlich, aber auch genügend. Der Störer wird daher mit dem Einwande, daß die Grunddienstbarkeit Mangels Einigung der Beteiligten nicht zur Entstehung gelangt oder nach § 1028 BGB wieder erloschen sei, nicht gehört. Ist eine Dienstbarkeit zu Unrecht gelöscht worden, so ist gegen Be­ einträchtigungen nur die unter I angeführte Klage zulässig. 2. daß der Besitzer des herrschenden Grundstücks in der Ausübung der Grunddienstbarkeit gestört wird. Der Besitzschutz steht daher nicht nur dem Eigentümer des herrschen­ den Grundstücks zu, sondern jedem Besitzer desselben, also auch dem Pächter, Mieter, Nießbraucher, dem Teilbesitzer, Mitbesitzer *) SammlnF 4 S. 376. 2) SammlnF 4 S. 376.

Der Nießbrauch an Sachen.

807

und, wenigstens soweit das Recht der Selbsthülfe in Frage steht, auch dem Besitzdiener. Auch der mittelbare Besitzer des Grundstücks wird geschützt, soweit dem mittelbaren Besitzer einer Sache Schutz gegen verbotene Eigenmacht gewährt wird. 3. daß die Dienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung, sei es auch nur einmal ausgeübt wurde. Der Schutz wird aber nur. gewährt, soweit eine Ausübung erfolgt ist. Besteht daher die Dienstbarkeit in einem Fahrt- und Wegerecht, und ist innerhalb des letzten Jahres nur das Wegerecht aus­ geübt worden, so wird für Beeinträchtigungen des Fahrtrechts der besondere Schutz nicht gewährt. Bei Grunddienstbarkeiten an buchungsfreien Grund­ stücken ist zu unterscheiden, ob mit der Grunddienstbarkeit das Halten einer dauernden Anlage verbunden ist oder nicht. Ersterenfalls finden die Vorschriften über Besitzschutz ohne weiteres Anwendung, letzterenfalls nur, wenn und soweit die Dienstbarkeit in jedem der letzten drei Jahre vor der Störung mindestens einmal ausgeübt worden ist (Art. 191 EG). Bei dem Vorhandensein dieser Voraussetzungen stehen dem Besitzer des herrschenden Grundstücks alle diejenigen Rechte zu, welche der Besitzer einer Sache gegen.verbotene Eigenmacht hat. Er kann daher gegen Beeinträchtigungen sich sowohl durch Selbsthülfe schützen als gerichtliche Hülfe anrufen. Solange als nicht das Grundbuch für das be­ tastete Grundstück als angelegt anzusehen ist, finden noch die bisherigen Gesetze über den Schutz im Besitze einer Grunddienstbarkeit Anwendung. Von der Zeit an, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, finden zum Schutze der Ausübung einer in diesem Zeitpunkte bereits bestehenden Grunddienstbarkeit, mit welcher das Halten einer dauernden Anlage verbunden ist, die für den Besitzschutz geltenden Vor­ schriften des BGB entsprechende Anwendung, solange Dienst­ barkeiten dieser Art zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung bedürfend) Das Gleiche gilt für Grunddienstbarkeiten anderer Art, wenn die Dienstbarkeit in jedem der letzten drei Jahre vor der Störung mindestens einmal ausgeübt worden ist (Art. 191 EG).

II. Der Nießbrauch. 8 247. 1. Der Nießbrauch an Sachen. a) Begriff und Inhalt. Unter einem Nießbrauch versteht man die Belastung einer Sache in der Weise, daß derjenige, zu dessen Gunsten ') Preußen: Art. 28 AG. — Bayern: Art. 10, 45 ÜG.

Begriff.

808

Dienstbarkeiten.

die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (§ 1030). Gegenstand. Gegenstand des Nießbrauchs sind daher Sachen, und zwar sowohl bewegliche Sachen wie Grundstücke. Wie später gezeigt werden wird, ist auch an Rechten und an einem Vermögen ein Nießbrauch zulässig und gelten dann besondere Vorschriften. Der Nießbrauch kann auch an einem Bruchteil einer Sache bestehen; die Bestellung kann sowohl in der Weise erfolgen, daß der Miteigentümer einer gemeinschaftlichen Sache an seinem Anteil einen Nießbrauch bestellt, als auch in der Weise, daß der Alleineigentümer einem Dritten den Nieß­ brauch an einem Bruchteil der Sache, z. B. zur Hälfte, ein­ räumt. Auf den Nießbrauch an einem Bruchteil einer Sache finden nicht die besonderen Vorschriften über den Nießbrauch an Rechten, sondern die allgemeinen Vorschriften über den Nießbrauch an Sachen Anwendung. Zulässig ist auch, daß eine gemeinschaftliche Sache zu Gunsten eines Miteigentümers mit einem Nießbrauch? belastet wird. UnveräußerlichDer Nießbrauch ist an eine bestimmte Person geknüpft, ^erblichkeit."'Er ist unveräußerlich und unvererblich. Der Nieß­ brauch endigt daher auch dann, wenn der Nießbraucher vor dem Ablaufe der Zeit, für welche der Nießbrauch bestellt ist, stirbt; er geht nicht auf die Erben über. Ebensowenig kann er durch Rechtsgeschäft auf einen Dritten übertragen werden und unterliegt daher auch nicht der Pfändung. Dagegen kann die Ausübung des Nießbrauchs einem Dritten überlassen werden (§ 1059). Die Überlassung kann unentgeltlich oder, wie im Falle der Verpachtung, gegen Entgelt erfolgen; auch gepfändet kann die Ausübung des Nießbrauchs werden (§ 857 CPO). ' Nutzungsrecht.

Das wichtigste Recht des Nießbrauchers ist das Recht, die Nutzungen der Sache zu ziehen. Der Nießbrauch kann aber durch den Ausschluß einzelner Befugnisse beschränkt werden. Dagegen kann ein Nießbrauch nicht in der Weise bestellt werden, daß der Nießbraucher nur einzelne, bestimmte Nutzungen ziehen darf, während der Besteller sich die übrigen Nutzungen vorbehält. An beweglichen Sachen kann ein der­ artiges Recht überhaupt nicht begründet werden, an Grund­ stücken nur als beschränkte persönliche Dienstbarkeit.

B-rhältnir

Durch kein Recht an der Sache wird das Recht des Eigentümers so sehr geschmälert, wie durch den Nießbrauch; denn ihm werden die wichtigsten Befugnisse entzogen. Aber er bleibt immerhin Eigentümer und mittelbarer Besitzer der Sache. Ihm stehen deshalb gegen jeden Dritten alle Ansprüche des Eigentümers und mittelbaren Besitzers zu. Nur dem Rechte des Nießbrauchers muß er mit seinem Rechte weichen,

»)zumEigentum.

Der Nießbrauch an Sachen.

809

und auch hier stehen ihm ebensoviel Rechte zu, als dem Nieß­ braucher Verpflichtungen auferlegt sind. Kollisionen sind denkbar, wenn der Eigentümer die mit dem Nießbrauche belastete Sache mit einem anderen Nießbrauche oder mit einem anderen Nutzungsrechte dergestalt be­ lastet, daß dje Rechte neben einander nicht oder nicht vollständig ausgeübt werden können und unter sich gleichen Rang haben (§ 1060). Solchen Falles kann jeder Berechtigte eine den Interessen aller Berechtigten nach billigem Ermessen ent­ sprechende Regelung der Ausübung verlangen. Es gilt hier der gleiche Grundsatz wie bei der Kollision von Grunddienst­ barkeiten mit anderen Nutzungsrechten.

b) mit anderen Rechten.

8 248. b) Entstehung des Nießbrauchs. Der Nießbrauch ensteht: 1. durch Rechtsgeschäft (Bestellung). a) Zur Bestellung des Nießbrauchs an einem Grund­ stücke ist die Einigung des Eigentümers und des Nießbrauchers über die Rechtsänderung und die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuche erforderlich (§ 873). Der Nießbrauch an dem Grundstücke erstreckt sich auch auf dessen Bestandteile. Wird später ein anderes Grund­ stück zum Bestandteil des mit dem Nießbrauche belasteten Grundstückes gemacht, so ist dafür, ob auch dieses Grundstück mitergriffen werden soll, der Wille der Parteien bei der Be­ stellung des Nießbrauchs maßgebend; eine Vermutung für die Erstreckung besteht nicht. Ob sich der Nießbrauch an einem Grundstücke auch auf das Zubehör erstrecken soll, hängt von dem Willen der Be­ teiligten ab. Im Zweifel ist dies anzunehmen. Soll sich hier­ nach der Nießbrauch auf das Zubehör erstrecken, so erlangt der Nießbraucher mit dem Nießbrauch an dem Grundstücke auch den Nießbrauch an den zur Zeit der Bestellung vor­ handenen Zubehörstücken, soweit sie dem Besteller gehören. Erlangt der Nießbraucher auf Grund des Nießbrauchs den Besitz von Zubehörstücken, die dem Veräußerer nicht gehören oder mit Rechten Dritter belastet sind, so finden die Vor­ schriften über den gutgläubigen Erwerb des Eigentums (siehe S. 752 ff.) entsprechende Anwendung; für den guten Glauben des Nießbrauchers ist die Zeit der Erlangung des Besitzes maß­ gebend (§ 1031). b) Zur Bestellung des Nießbrauchs an einer beweg­ lichen Sache ist erforderlich, daß der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, daß diesem der Nießbrauch zustehen soll. Ist der Erwerber im

Entstehung 1. durch Be­ stellung.

810

Dienstbarkeiten.

Besitze der Sache, so genügt die bloße Einigung. Ist der Eigentümer im Besitze der Sache, so kann die Übergabe da­ durch ersetzt werden, daß zwischen ihm und dem Nießbraucher ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Er­ werber den mittelbaren Besitze erlangt. Ist ein Dritter im Besitze der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, daß der Eigentümer dem Erwerber den Anspruch auf Heraus­ gabe abtritt (§ 1032). Ist der Besteller nicht Eigentümer, so finden die Vorschriften über den gutgläubigen Eigentumserwerb ent­ sprechende Anwendung. Der Nießbraucher ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, daß die Sache nicht dem Besteller gehört. Er­ folgt daher die Bestellung des Nießbrauchs durch Einigung und Übergabe, so erlangt der Erwerber auch dann den Nieß­ brauch, wenn die Sache dem Besteller nicht gehört, es sei denn, daß er zu der Zeit, zu der er andernfalls den Nießbrauch er­ werben würde, nicht im guten Glauben ist. Ist der Erwerber bereits im Besitze der Sache, so gilt dies nur dann, wenn der Nießbraucher den Besitz von dem Besteller erlangt hatte. Wird die Übergabe durch ein mittelbaren Besitz begründendes Rechts­ verhältnis ersetzt, so erlangt der Erwerber den Nießbrauch, wenn ihm die Sache von dem Besteller übergeben wird, es sei denn, daß er zu dieser Zeit nicht in gutem Glauben ist. Wird die Übergabe durch Abtretung des Anspruchs auf Heraus­ gabe ersetzt, so erlangt der Erwerber, wenn der Besteller mittel­ barer Besitzer der Sache ist, mit der Abtretung des Anspruchs, anderenfalls dann den Nießbrauch, wenn er den Besitz von dem Dritten erlangt, es sei denn, daß er zur Zeit der Ab­ tretung oder des Besitzerwerbes nicht in gutem Glauben ist. Der Erwerb des Nießbrauchs auf Grund güten Glaubens tritt nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder auf andere Weise abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhanden gekommen war. Diese Ausnahmevorschriften finden keine An­ wendung auf Geld oder Jnhaberpapiere. Ist die Sache, an welcher ein Nießbrauch bestellt wird, Rechte Dritter. mit dem Rechte eines Dritten belastet, so geht der Nieß­ brauch dem Rechte des Dritten vor. Ist der Erwerber bereits im Besitze der Sache, so gilt dies nur dann, wenn er den Besitz von dem Besteller erlangt hatte. Erfolgt die Bestellung des Nießbrauchs durch Vereinbarung eines den mittelbaren Besitz begründenden Rechtsverhältnisses oder war die Sache, an welcher der Nießbrauch durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe bestellt wurde, nicht im mittelbaren Besitze des Bestellers, so geht der Nießbrauch dem Rechte des Dritten

Voraussetzungen.

811

erst dann vor, wenn der Nießbraucher auf Grund des Nieß­ brauchs den Besitz der Sache erlangt. Der Nießbrauch geht dem Rechte des Dritten jedoch nicht vor, wenn der Nieß­ braucher zu der für den Erwerb seines Vorranges maßgebenden Zeit in Ansehung des Rechtes nicht in gutem Glauben ist. Steht jedoch im Falle der Bestellung durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe das Recht dem dritten Besitzer selbst zu, so verliert es seinen Vorrang auch einem gutgläubigen Nießbraucher gegenüber nicht. 2. durch Ersitzung. s.durch«krsltzung. a) An Grundstücken kann der Nießbrauch nur ersessen werden, wenn das Nießbrauchsrecht für den angeblichen Nießbraucher im Grundbuche eingetragen ist, die Eintragung dreißig Jahre bestanden hat und der angebliche Nießbraucher während dieser Zeit das Grundstück als Nießbraucher besessen hat (§ 9Q0; s. S. 726). b) Steht eine bewegliche Sache in Frage, so finden die für den Erwerb des Eigentums durch Ersitzung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 1033, s. S. 757 ff.). Regelmäßig wird also vorausgesetzt, daß der Nießbraucher die Sache zehn Jahre als Nießbraucher besessen hat; die Ersitzung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der angebliche Nießbraucher bei dem Erwerbe seines Nießbraucherbesitzes nicht in gutem Glauben ist oder wenn er später erfährt, daß ihm der Nieß­ brauch nicht zusteht. Manche sprechen' auch von einem gesetzlichen Nießbrauch und meinen damit die Fälle der ehemännlichen oder e”ta“*' elterlichen Nutznießung. Aber hier-handelt es sich nicht üm einen Nießbrauch im gewöhnlichen Sinne, sondern es sind bloß einzelne Bestimmungen, die für den Nießbrauch gelten, für entsprechend anwendbar erklärt. Es ist daher zum mindesten ungenau, von einem gesetzlichen Nießbrauch zu sprechen.

8 249. c) Rechte und Pflichten des Nießbrauchers.

Der Nießbraucher ist zum Besitze der Sache berechtigt (§ 1036 Abs. 1). Er genießt daher nicht bloß den Besitzschutz gegenüber verbotener Eigenmacht, sondern es finden, wenn das Recht des Nießbrauchers beeinträchtigt wird, auf seine Ansprüche die für die Ansprüche aus dem Eigentums geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (8 1065). Der Nießbraucher kann daher, wenn ihm der Besitz der Sache entzogen oder vorenthalten wird, in gleicher.Weise wie der Eigentümer die Herausgabe der Sache verlangen. Wird sein Recht in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorent­ haltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann er von dem Störer

B-sitzr-qt.

812

Dienstbarkeiten.

Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen und, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, auf Unterlassung klagen. Ebenso steht ihm, wenn sich die Sache auf einem fremden Grundstücke befindet, wie dem Eigentümer, gegen den Besitzer des Grundstücks der Anspruch auf Aufsuchung und Wegschaff­ ung der Sache zu. Ferner kann sich der Nießbraucher, wenn er im Besitze der Sache ist, auf die zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache bestehende Vermutung des § 1006 berufen. Endlich steht der Anspruch aus früherem Besitze (§ 1007) auch dem Nießbraucher zur Seite. Gebrauchsrecht. Der Nießbraucher ist ferner zum Gebrauche der Sache berechtigt. Hierbei hat er jedoch die bisherige wirt­ schaftliche Bestimmung der Sache aufrecht zu erhalten und nach den Regeln einer ordentlichen Wirtschaft zu verfahren 1036 Abs. 2). Der Nießbraucher darf z. B. ein Reit­ pferd nicht zum Ziehen benutzen, ein leichtes Zugpferd nicht zum Ziehen schwerer Lasten verwenden, einen Acker nicht brach liegen lassen, und dgl. Der Nießbraucher ist insbesondere nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern, selbst wenn dadurch die Sache wertvoller oder nutzbringender werden sollte (§ 1037 Abs. 1). Er darf daher z. B. einen Wald nicht abholzen und eine Wiese oder einen Acker daraus machen. Wie weit er im einzelnen gehen darf, kann nur nach Lage des Falles und der Auffassung des Verkehrs entschieden werden. So ist es z. B. schon durch die Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft geboten, einen Acker nicht jedes Jahr mit der gleichen Frucht zu bebauen. Nach ausdrücklicher Vorschrift darf aber der Nießbraucher eines Grundstücks neue Anlagen zur Gewinnung von Steinen, Kies, Sand, Lehm, Ton, Mergel, Torf und sonstigen Bodenbestand­ teilen errichten, sofern nicht die wirtschaftliche Bestimmung des Grundstücks dadurch wesentlich verändert wird (§ 1037 Abs. 2). Ist ein Wald Gegenstand des Nießbrauchs, so kann sowohl der Eigentümer als der Nießbraucher verlangen, daß das Maß der Nutzung und die Art der wirtschaftlichen Be­ handlung durch einen Wirtschaftsplan festgestellt werden. Tritt eine erhebliche Änderung der Umstände ein, so kann jeder Teil eine entsprechende Änderung des Wirtschaftsplans verlangen. Die Kosten hat jeder Teil zur Hälfte zu tragen. Das Gleiche gilt, wenn ein Bergwerk oder eine andere auf Gewinnung von Bodenbestandteilen gerichtete Anlage Gegenstand des Nieß­ brauchs ist (§ 1038). FruchtziehungsWeiter steht dem Nießbraucher das Recht zu, die recht. Früchte der Sache zu ziehen. Mit der Trennung er­ wirbt er das Eigentum an denselben. Auch bei dem Fruchtbezuge ist er an die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache und an die Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft

Der Nießbrauch an Sachen.

813

gebunden. Doch trifft diese Verpflichtung nur sein Verhältnis zu dem Eigentümer; auf seinen Eigentuniserwerb hat sie keinen Bezug. Der Nießbraucher erwirbt daher das Eigentum auch an solchen Früchten, die er den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zuwider oder deshalb im Übermaße zieht, weil dies infolge eines besonderen Ereignisses notwendig geworden ist (§ 1039). So erwirbt der Nießbraucher eines Waldes das Eigentum an dem Holze, wenn er mehr Bäume fällt, als dies nach dem Wirtschaftsplane zulässig ist, gleichviel ob die Mehr­ fällung infolge eines Windbruches oder ohne zwingende Ver­ anlassung erfolgte. In solchen Fällen ist er jedoch, unbeschadet seiner Verantwortlichkeit für ein Verschulden, verpflichtet, den Wert der im Übermaße gezogenen Früchte dem Eigentümer bei der Beendigung des Nießbrauchs zu ersetzen und für die Erfüllung dieser Verpflichtung, und zwar sofort, Sicherheit zu leisten. Sowohl der Eigentümer als der Nießbraucher kann verlangen, daß der zu ersetzende Betrag zur Wiederherstellung der Sache insoweit verwendet wird, als es einer ordnungs­ mäßigen Wirtschaft entspricht. Wird die Verwendung zur Wiederherstellung der Sache nicht verlangt, so fällt die Ersatz­ pflicht und damit auch die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung weg, soweit durch den ordnungswidrigen oder übermäßigen Fruchtbezug die dem Nießbraucher gebührenden Nutzungen beeinträchtigt werden, wenn also z. B. infolge der durch einen Windbruch veranlaßten Mehrfällung der Nießbraucher später nicht soviel Nutzen ziehen kann, als nach dem Wirtschaftsplan vorgesehen ist. Zu den Früchten, an denen der Nießbraucher kraft seines Nießbrauchsrechts das Eigentum erwirbt, gehört nicht der Schatz, der in der Sache gefunden wird (§ 1040). Er erwirbt daher das Eigentum an der Hälfte des Schatzes nur dann, wenn er ihn entdeckt. Der Nießbraucher kann ferner den Zustand der Saches-Mellung des auf seine Kosten durch Sachverständige fest st eilen lassen. Nießbrauchs" Das gleiche Recht steht dem Eigentümer zu (§ 1034). Für ,art>cdas Verfahren gelten die Vorschriften der CPO über den Beweis durch Sachverständige. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirke sich die Sache befindet; durch Vereinbarung der Parteien kann aber auch die Zuständigkeit eines anderen Amtsgerichts begründet werden. Bei dem Verfahren ist der andere Teil, soweit tunlich, zu hören (§§ 15, 164 FG). Bei dem Nießbrauchs an einem Inbegriffe von Sachen Bestandsaufsind der Nießbraucher und der Eigentümer einander verpflichtet, no’’nc‘ zur Aufnahme eines Verzeichnisses der Sachen mit­ zuwirken (§ 1035). Das Verzeichnis ist mit der Angabe des Tages der Aufnahme zu versehen und von beiden Teilen zu unterzeichnen. Jeder Teil kann verlangen, daß die Unter-

814

^pflicht^'

Jnventarstücke.

Dienstbarkeiten.

Zeichnung öffentlich beglaubigt wird. Jeder Teil kann ver­ langen, daß das Verzeichnis durch die zuständiges Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar ausge­ nommen wird. Die Kosten'hat derjenige zu tragen und vor­ zuschießen, welcher die Aufnahme oder die Beglaubigung verlangt. Die hauptsächlichste Pflicht des Nießbrauchers ist die, für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestände zu sorgen (§ 1041). Soweit daher nicht ausdrücklich zu Gunsten des Nießbrauchers Ausnahmen bestehen, fallen die Kosten der Erhaltung ihm zur Last. Ist ein Grundstück samt Inventar Gegenstand des Nießbrauchs, so kann zwar der Nießbraucher über die ein­ zelnen Stücke des Inventars innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft verfügen (§ 1048); er hat aber für den gewöhnlichen Abgang sowie für die nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft ausscheidenden Stücke Ersatz zu beschaffen; die von ihm angeschafften Stücke werden mit der Einverleibung in das Inventar Eigentum desjenigen, welchem das Inventar gehört. Übernimmt der Nießbraucher das Inventar zum Schätzungswerte mit der Verpflichtung, es bei der Beendigung des Nießbrauchs zum Schätzungswerte zurückzugewähren, so kann er ebenfalls über die einzelnen Stücke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirt­ schaft verfügen, er trägt aber die Gefahr des zufälligen Unter­ gangs und einer zufälligen Verschlechterung. Ferner hat er das Inventar nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirt­ schaft in dem Zustande zu erhalten, in welchem es ihm über­ geben wird; die von ihm angeschafften Stücke werden mit der Einverleibung Eigentum desjenigen, welchem das Inventar gehört. Bei der Beendigung des Nießbrauchs hat er das vor­ handene Inventar dem Eigentümer zurückzugewähren. Der Eigentümer kann aber die Übernahme derjenigen vom Nieß­ braucher angeschafften Jnventarstücke ablehnen, welche nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft für das Grund­ stück überflüssig oder zu wertvoll sind; mit der Ablehnung geht das Eigentum an den abgelehnten Stücken auf den Nieß­ braucher über. Ist der Gesamtwert der übernommenen Stücke höher oder niedriger als der Gesamtschätzungswert der zurück­ zugewährenden Stücke, so hat im ersteren Falle der Nieß­ braucher dem Eigentümer, im letzteren Falle der Eigentümer dem Nießbraucher den Mehrbetrag zu ersetzen.

*) Bgl. Preußen: AGzFG. Art. 31, 38, 104, 128. — Bayern: Art. 2 NotG. — Sachsen: §§37, 39, 90 BO vom 24. VII. 99. - Würt­ temberg: Art. 125 AGzBGB. — Baden: §§ 16, 43, 48 AGzFG.

Der Nießbrauch an Sachen.

815

Ausbesserungen und Erneuerungen liegen bem M“nb1^neue=rt Nießbraucher nur soweit ob, als sie zur gewöhnlichen Unterrungen. Haltung der Sache gehören. Er muß daher z. B. bei einem Walde für Nachforstung Sorge tragen, bei Herden den Ab­ gang aus den geworfenen Jungen ersetzen, die gewöhnlichen Reparaturen eines Hauses besorgen u. dgl. Wird dagegen die Sache beschädigt oder zerstört oder wird eine außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung der Sache oder eine Vorkehrung zum Schutze der Sache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich, so hat der Nießbraucher dem Eigentümer unver­ züglich Anzeige zu machen (§ 1042). Da in all diesen Fällen der Nießbraucher nicht verpflichtet ist, selbst Aufwendungen zu machen, so soll durch die Anzeige dem Eigentümer Gelegenheit gegeben werden, seinerseits das Erforderliche vorzunehmen und dadurch vielleicht weiteren Schaden abzuwenden. - Auch dann ist der Nießbraucher verpflichtet, dem Eigentümer un­ verzüglich Anzeige zu erstatten, wenn sich em Dritter ein Recht an der Sache, z. B. das Eigentum oder eine Dienst­ barkeit rc. anmaßt. Kommt er seiner Anzeigepflicht schuld­ hafter Weise nicht nach, so ist er dem Eigentümer für den entstehenden Schaden verantwortlich. In allen Fällen, in welchen eine gewöhnliche oder außer­ gewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung der Sache erfor­ derlich wird, hat der Nießbraucher, wenn er sie nicht selber vornehmen will, dem Eigentümer die Vornahme und, wenn ein Grundstück Gegenstand des Nießbrauchs ist, weiter zu ge­ statten, daß derselbe zu diesem Zwecke innerhalb der.Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft auch solche Bestandteile des Grundstücks verwende, die nicht zu den dem Nießbraucher ge­ bührenden Früchten gehören (§ 1044). Er kann aber den Anspruch des Eigentümers dadurch beseitigen, daß er selbst die Ausbesserung oder Erneuerung vornimmt. Nimmt der Nießbraucher eine erforderlich gewordene außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung selbst vor oder macht er sonstige Verwendungen auf die Sache, zu denen er nicht verpflichtet ist, so bestimmt sich die Ersatzpflicht des Eigentümers nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Nießbraucher ist aber auch berechtigt, eine Einrichtung, mit der er die Sache versehen hat, wegzunehmen (§ 1049).. Der Nießbraucher kann weiter, wenn ein Grundstück Gegen­ stand des Nießbrauchs ist, statt die Verwendung aus eigener Tasche zu bestreiten, zum Zwecke der Vornahme einer erforder­ lich gewordenen außergewöhnlichen Ausbesserung oder Er­ neuerung innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirt­ schaft Bestandteile des Grundstücks verwenden, die nicht zu den ihm gebührenden Früchten gehören (§ 1043). Insoweit fällt dann selbstverständlich sein Ersatzanspruch weg. Verwendet

816

Dienstbarkeiten.

er dagegen Früchte des Grundstücks zu diesem Zwecke, so bleibt sein Ersatzanspruch gewahrt. ^^M»ungsDer Nießbraucher hat ferner die Sache für die Dauer seines Nießbrauchs gegen Brandschaden und sonstige Unfälle auf seine Kosten unter Versicherung zu bringen, wenn die Versicherung einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entspricht. Die Versicherung ist so zu nehmen, daß die Forderung gegen den Versicherer dem Eigentümer zusteht. Ist die Sache bereits versichert, so fallen die für die Versicherung zu leistenden Zahlungen dem Nießbraucher für die Dauer des Nießbrauchs zur Last, soweit er zur Versicherung verpflichtet sein würde (§ 1045). An der Forderung gegen den Versicherer steht dem Nießbraucher der Nießbrauch nach den Vorschriften zu, die für den Nießbrauch an einer auf Zinsen ausstehenden For­ derung gelten (§ 1046 Abs. 1), Der Versicherer kann daher insbesondere die Versicherungssumme nur an den Nießbraucher und den Eigentümer gemeinschaftlich zahlen. Ebenso kann der Nießbraucher und der Eigentümer verlangen, daß die Zahlung an sie beide gemeinschaftlich erfolge oder daß statt dessen der Betrag für beide hinterlegt werde. Beide sind einander verpflichtet, dazu mitzuwirken, daß die eingezogenen Versicherungsgelder nach den für die Anlegung von Mündel­ geld geltenden Vorschriften verzinslich angelegt und gleichzeitig dem Nießbraucher der Nießbrauch daran bestellt werde. Tritt ein unter die Versicherung fallender Schaden ein, so kann sowohl der Eigentümer als der Nießbraucher verlangen, daß die Ver­ sicherungssumme zur Wiederherstellung der Sache oder zur Beschaffung eines Ersatzes insoweit verwendet wird, als es einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entspricht; der Eigentümer kann entweder die Verwendung selbst besorgen oder dem Nieß­ braucher überlassen (§ 1046 Äbs. 2). Lastentragung Der Nießbraucher ist des weiteren dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs die auf der Sache ruhenden öffentlichen Abgaben, wie z. B. die Grund- und Haussteuer, zu tragen (§ 1047). Ausgenommen sind diejenigen öffentlichen Lasten, die als auf den Stamm­ wert der Sache gelegt anzusehen sind ; es sind dies regelmäßig solche außergewöhnliche Lasten, für deren Berechnung der .Wert der Sache, nicht der Nutzungen maßgebend ist. Von den privat recht! ich en Lasten fallen dem Nießbraucher nur diejenigen zur Last, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere die Zinsen von Hypothekenforderungen und Grundschulden, sowie die auf Grund einer Rentenschuld zu entrichtenden Leistungen; auch die während der Dauer des Nießbrauchs fällig werdenden Realleistungen sind hierher zu rechnen. Wird der Zinsfuß einer Hypothek nach der Bestellung des Nießbrauchs erhöht,

Der Nießbrauch an Sachen.

817

so trifft die Erhöhung den Nießbraucher nicht. Die Verpflich­ tung des Nießbrauchers zur Entrichtung von Zinsen besteht auch bei Eigentümerhypotheken und Eigentümergrundschulden. Bei Gesamthypotheken kommt es darauf an, ob die Gesamt­ hypothek im Interesse der Bewirtschaftung beider Grundstücke oder nur des Nießbrauchs- oder nur des anderen Grundstückes ausgenommen wurde. Je nachdem hat der Nießbraucher die Zinsen anteilsmäßig d. h. nach dem Verhältnis des Wertes der beiden Grundstücke unter Abzug der voraüsgehenden Be­ lastungen, oder allein oder gar nicht zu tragen. Wird durch das Verhalten des Nießbrauchers die 93e= fi®ng Gewähr, sorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Eigentümers düng bet Rechte begründet, so kann der Eigentümer Sicherheitslei st ung°^ Eigentümers verlangen (§ 1051). Ist der Nießbraucher zur Sicherheitsleistung rechtskräftig verurteilt, so kann der Eigentümer das Urteil nach den all­ gemeinen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung vollstrecken lassen; er kann aber auch statt der Sicherheitsleistung ver­ langen, daß die Ausübung des Nießbrauchs für Rechnung des Nießbrauchers einem von dem Gerichte zu bestellenden Ver­ walter übertragen wird (§ 1052). Die Anordnung der Ver­ waltung erfolgt durch das Prozeßgericht. Sie ist nur zulässig, wenn dem Nießbraucher auf Antrag des Eigentümers von dem Gerichte eine Frist zur Sicherheitsleistung bestimmt worden und die Frist verstrichen ist; sie ist unzulässig, wenn die Sicher­ heit vor dem Ablaufe der Frist geleistet wird. Der Verwalter steht unter der Aufsicht des Gerichts wie ein für die Zwangs­ verwaltung eines Grundstücks bestellter Verwalter. Verwalter kann auch der Eigentümer sein. Die Verwaltung ist aufzu­ heben, wenn die Sicherheit nachträglich geleistet wird. Auch dann kann der Eigentümer die Anordnung einer Verwaltung verlangen, wenn der Nießbraucher die Rechte des Eigentümers in erheblichem Maße verletzt hat und das ver­ letzende Verhalten ungeachtet einer Abmahnung des Eigen­ tümers fortsetzt (§ 1054). Macht der Nießbraucher einen Gebrauch von der Sache, zu dem er nicht befugt ist, und setzt er den Gebrauch un­ geachtet einer Abmahnung des Eigentümers fort, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen (§ 1053). Nach der Beendigung des Nießbrauchs ist derB^Ngung Äs Nießbraucher verpflichtet, die Sache dem Eigentümer zurück- Nießbrauchs, zugeben (§ 1055 Abs. 1). Veränderungen oder Ver­ schlechterungen, welche durch ordnungsmäßige Ausübung des Nießbrauchs herbeigeführt werden, hat der Nießbraucher nicht zu vertreten (§ 1050). Ist ein landwirtschaftliches Grundstück oder ein Landgut Gegenstand des Nießbrauchs, so ist der Nießbraucher verMüller-Meikel, Bürgerl. Recht. 2. Aufl. Bb. I.

ö2

818

Dienstbarkeiten.

pflichtet, das Grundstück oder Landgut nach der Beendigung des Nießbrauchs in dem Zustande zurückzugewähren, der sich bei einer während der Zeit des Nießbrauchs bis zur Rück­ gewähr fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirtschaftung ergibt; dies gilt insbesondere auch für die Bestellung der Grundstücke. Endigt der Nießbrauch im Laufe eines Nießbrauchsjahrs, so hat der Eigentümer die Kosten, die der Nießbraucher auf die noch nicht getrennten, jedoch nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft vor dem Ende des Nießbrauchsjahrs zu trennenden Früchte verwendet hat, insoweit zu ersetzen, als sie einer ord­ nungsmäßigen Wirtschaft entsprechen und den Wert dieser Früchte nicht übersteigen. Endlich hat der Nießbraucher eines Landguts von den bei der Beendigung des Nießbrauchs vor­ handenen landwirtschaftlichen Erzeugnissen ohne Rücksicht darauf, ob er bei dem Beginne des Nießbrauchs solche Erzeugnisse übernommen hat, soviel zurückzulassen, als zur Fortführung der Wirtschaft bis zu der Zeit erforderlich ist, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden; soweit der Nießbraucher landwirtschaftliche Erzeugnisse in größerer Menge oder besserer Beschaffenheit zurückzulassen verpflichtet ist, als er bei dem Beginne des Nießbrauchs über­ nommen hat, kann er von dem Eigentümer Ersatz des Wertes verlangen; den vorhandenen, auf dem Gute gewonnenen Dünger hat der Nießbraucher zurückzulassen, ohne daß er Ersatz des Wertes verlangen kann (§ 1055 Abs. 2, vgl. auch S. 457). @enbier den Nießbrauch an Sachen entsprechende Anwendung (§ 1068 Abs. 2). Der Nießbraucher ist daher nicht zur Ver­ fügung über das Recht befugt. Inhaber des Rechtes bleibt nach wie vor der Berechtigte. Die Nutzungen erwirbt der Nieß­ braucher unter denselben Voraussetzungen, unter welchen sie der Inhaber des Rechtes erwerben würde, so z. B. die Zinsen eines verzinslichen Kapitals mit der Fälligkeit; einer Abtretung des Anspruchs an den Nießbraucher bedarf es nicht. Mißbrauch an Ist ein Recht, kraft dessen eine Leistung gefordert Lüftung"' werden kann, Gegenstand des Nießbrauchs, so finden auf das Verhältnis zwischen dem Nießbraucher und dem Ver­ pflichteten die, Vorschriften entsprechende Anwendung, welche im Falle der Übertragung des Rechtes für das Rechtsverhältnis zwischen dem Erwerber und dem Verpflichteten gelten (§ 1070 Abs. 1; s. S. 304 ff., 308 ff.); daher muß z. B. der Nießbraucher eine nach der Bestellung des Nießbrauchs von dem Schuldner an den Gläubiger bewirkte Leistung sowie ein zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner vorgenommenes Rechtsgeschäft, welches sich auf die Forderung bezieht, gegen sich gelten lassen, sofern nicht der Schuldner bei der Leistung oder bei der Vor­ nahme des Rechtsgeschäfts die Bestellung des Nießbrauchs kennt. Wird die Ausübung des Nießbrauchs einem Verwalter übertragen, weil der zur Sicherheitsleistung verurteilte Nieß­ braucher die Sicherheit nicht erlegt hat, so ist die Übertragung dem Verpflichteten gegenüber erst wirksam, wenn er von der getroffenen Anordnung Kenntnis erlangt oder wenn ihm eine Mitteilung von der Anordnung zugestellt wird. Das Gleiche gilt von der Aufhebung der Verwaltung (§ 1070 Abs. 2). Der Nießbrauch an einem Rechte erlischt, wenn ie rau . Nießbrauch und Recht in einer Person zusammen-

Nießbrauch an Rechten.

825

treffen (§§ 1072, 1063), weil z. B. der Gläubiger den Nieß­ braucher beerbt oder umgekehrt. Das Gesetz macht hier keinen Unterschied, ob ein Recht an einer beweglichen Sache oder an einem Grundstücke oder ein sonstiges Recht in Frage steht. Jedoch gilt der Nießbrauch als nicht erloschen, soweit der Be­ rechtigte ein rechtliches Interesse am Fortbestehen des Nieß­ brauchs hat, weil z. B. an dem Rechte im Nachrange nach dem Nießbrauch ein Pfandrecht oder ein weiterer Nießbrauch besteht. Der Untergang des Rechtes, an dem ein Nießbrauch bestellt ist, hat in der Regel ebenfalls das Erlöschen des Nieß­ brauchs zur Folge. Erlischt z. B. das Recht durch Verjährung, so erlischt hierdurch auch der Nießbrauch. Dagegen bewirkt das Zusammentreffen von Recht und Verpflichtung in derselben Person nicht den Untergang des Nießbrauchs. Steht ein Recht an einem Grundstück in Frage, so erlischt dasselbe ohnehin nicht, wenn der Eigentümer des belasteten Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das Eigentum an dem belasteten Grundstück erwirbt (§ 889). Ist ein Nießbrauch an einem anderen Recht als an einem Recht an einem Grund­ stück bestellt worden, z. B. an einem Forderungsrecht oder an einem Pfandrecht an einer beweglichen Sache, deren Nutzungen dem Pfandgläubiger zufallen, so erlischt zwar das Recht, wenn Berechtigung und Verpflichtung in einer Person zusammen­ treffen, das Nießbraüchsrecht wird jedoch hiervon nicht berührt. Soll ein dem Nießbrauch unterliegendes Recht durch Rechtsgeschäft aufgehoben werden, so kann die Auf­ hebung nur mit Zustimmung des Nießbrauchers erfolgen (§ 1071). Die Zustimmung ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist unwiderruflich. Bei Rechten an Grundstücken kann die Zustimmung auch dem Grundbuchamt gegenüber erklärt werden. Wird durch ein zwischen dem Berechtigten und dem Ver­ pflichteten vorgenommenes Rechtsgeschäft nicht eine Aufhebung, sondern eine Änderung des Inhalts oder Ranges des dem Nießbrauch unterliegenden Rechtes bezweckt, so ist darauf zu sehen, ob die Änderung den Nießbrauch beeinträchtigt oder nicht. Ersterenfalls ist die Zustimmung des Nießbrauchers, für welche das Gleiche gilt, wie für die zur Aufhebung erforder­ liche Zustimmung, unbedingt notwendig; anderenfalls kann die Änderung auch ohne dessen Zustimmung vereinbart werden. Weiter erlischt der Nießbrauch durch Aufgabe. Hierzu genügt die einfache Erklärung des Nießbrauchers gegenüber dem Berechtigten oder dem Besteller, daß er den Nießbrauch aufgebe. Nicht erforderlich ist, und zwar selbst dann nicht, wenn ein Recht an einem Grundstück in Frage steht, die Ein­ tragung dieser Erklärung im Grundbuch (§§ 1072, 1064).

826

Dienstbarkeiten.

Die übrigen Beendigungsgründe, die für den Nießbrauch an Sachen gelten, wie z. B. Tod, Zeitablauf gelten auch für den Nießbrauch an Rechten. Abgesehen von vorstehenden Bestimmungen gelten für den Nießbrauch an einigen Rechten folgende besondere Be­ stimmungen : Nießbrauch an 1. Dem Nießbraucher einer Leibrente, eines Auszugs Wiederkehr en de oder eines ähnlichen Rechtes, z. B. einer Reallast, gebühren Leistungen. j)je einzelnen Leistungen, die auf Grund des Rechtes verlangt werden können (§ 1073). Der Nießbraucher ist daher Gläubiger auf die einzelne Leistung, auch wenn ihm der Anspruch hierauf nicht besonders übertragen wurde. Schließt die einzelne Leistung gleichzeitig eine Amortisationsquote in sich, so ist nach Lage des einzelnen Falles zu entscheiden, ob auch diese inbegriffen sein soll. Nießbrauch an 2. Der Nießbraucher einer Forderung ist zur einerFor erung.Ein^jbhung der Forderung und, wenn die Fälligkeit von einer Kündigung des Gläubigers abhängt, auch zur Kündigung berechtigt (§ 1074).. Wie er berechtigt ist zu kündigen, so kann auch vom Schuldner rechtswirksam ihm gegenüber gekündigt und an ihn bezahlt werden. Der Gläubiger der Forderung ist dagegen zu einer Einziehung der Forderung ohne Zustimmung des Nießbrauchers nicht berechtigt. Deswegen wird dem Nieß­ braucher nicht nur ein Einziehungsrecht gegeben, sondern ihm wird gleichzeitig die Verpflichtung auferlegt, für eine ordnungsmäßige Einziehung zu sorgen. Derselbe hat daher nicht nur zu erwägen, ob gegen den Schuldner vorzugehen sei, sondern auch welche Schritte gegen denselben zu unter­ nehmen seien. Nötigenfalls muß der Nießbraucher die Forderung einklagen und das Urteil vollstrecken lassen. Ist die Forderung durch ein Pfandrecht gesichert, so hat er den Pfandgegenstand zu verwerten, ebenso hat er den Bürgen in Anspruch zu nehmen, wenn sich Jemand verbürgt hat. Unterläßt der Nießbraucher die ordnungsmäßige Einziehung, so wird er dem Gläubiger für den Schaden verantwortlich, der z. B. daraus entsteht, daß der Schuldner vermögenslos wird, daß die Forderung ver­ jährt u. s. w. Zu anderen Verfügungen über die Forderung, als Kündigung und Einziehung ist der Nießbraucher nicht be­ rechtigt. Er kann daher weder mit dem Schuldner einen Vergleich schließen, noch ihm die Forderung erlassen, noch mit derselben aufrechnen, noch die Forderung auf einen Anderen übertragen. ßeittuMauVben Leistet der Schuldner den geschuldeten Gegenstand an Nießbrauch, den Nießbraucher, so erwirbt der Gläubiger kraft Gesetzes mit der Leistung an den Nießbraucher den geleisteten Gegenstand und der Nießbraucher den Nießbrauch an dem Gegenstand (§ 1Q75). Werden verbrauchbare Sachen geleistet, so erwirbt der

Nießbrauch an Rechten.

827

Nießbraucher mit der Leistung das Eigentum an den Sachen. Bon diesem Zeitpunkte an kommen dann nicht mehr die Vor­ schriften über den Nießbrauch an Forderungen zur Anwendung, sondern die Vorschriften über den Nießbrauch an verbrauch­ baren Sachen (s. S. 822); daher hat insbesondere der Nieß­ braucher nach der Beendigung des Nießbrauchs dem Besteller den Wert zu ersetzen, den die Sachen zur Zeit der Leistung des Schuldners hatten. Ist eine auf Zinsen ausstehende Forderung^M-ßbr°u^ Gegenstand des Nießbrauchs, so gelten folgende besonderen Forderungen. Vorschriften (§ 1076): Der Schuldner kann das Kapital nur an den Nießbraucher und den Gläubiger gemeinschaftlich zahlen. Umgekehrt kann sowohl der Gläubiger als der Nießbraucher verlangen, daß an sie beide gemeinschaftlich gezahlt werde; jeder kann aber auch statt der Zahlung die Hinterlegung für beide fordern (§ 1077 Abs. 1). Ferner können der Nießbraucher und der Gläubiger nur gemeinschaftlich kündigen; die Kündigung des Schuldners ist nur wirksam, wenn sie dem Gläubiger und dem Schuldner erklärt wird (§ 1077 Abs. 2). Hängt die Fälligkeit der Forderung von einer Kündigung ab, so kann jeder Teil die Mitwirkung des anderen zur Kündi­ gung verlangen, wenn die Einziehung der Forderung wegen Gefährdung ihrer Sicherheit nach den Regeln einer ordnungs­ mäßigen Vermögensverwaltung geboten ist. Ist die Forderung fällig, so sind der Nießbraucher und der Gläubiger einander verpflichtet, zur Einziehung mitzuwirken (§ 1078). Dies be­ deutet aber nicht, daß nur beide mit einander auf Zahlung klagen könnten, sondern nur, daß beide zur gemeinschaftlichen Annahme der Zahlung verpflichtet sind. Ist die Einziehung der Forderung erfolgt, so sind der Anlegung d-r g-Nießbraucher und der Gläubiger einander verpflichtet, dazu et e en mitzuwirken, daß das eingezogene Kapital nach den für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften verzinslich angelegt und gleichzeitig dem Nießbraucher der Nießbrauch bestellt wird (§ 1079). Der Nießbraucher erwirbt daher, wenn eine verzinsliche Forderung hormbezahlt wird, nicht wie bei unverzinslichen Forderungen unmittelbar mit der Leistung des Schuldners den Nießbrauch und noch weniger, wenn verbrauch­ bare Sachen, wie z. B. Geld, geleistet werden, das Eigentum an dem geleisteten Gegenstände, sondern es muß ihm an dem­ selben der Nießbrauch neu bestellt werden. Hierauf kann er nötigenfalls auch klagen. Die Art der Anlegung bestimmt mangels einer besonderen Vereinbarung der Nießbraucher; er kann also z. B. bestimmen, daß das Kapital in Forderungen, für die eine sichere Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder in sicheren Grundschulden oder Rentenschulden au

828

Dienstbarkeiten.

inländischen Grundstücken, in verbrieften Forderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat, in kuratelmäßigen Wert­ papieren, insbesondere Pfandbriefen, bei einer inländischen öffentlichen Sparkasse, die zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet erklärt ist, u. s. w. angelegt werde. Nießbrauch an 3. Dieselben Vorschriften, wie über den Nießbrauch an Grund-und einer Forderung gelten auch für den Nießbrauch an einer Rentenschulden. Grundschuld und an einer Rentenschuld (§ 1080). Dies zu bestimmen ist deshalb erforderlich, da Grundschulden und Rentenschulden von dem Bestehen einer Hauptforderung nicht abhängig sind. Daß die Vorschriften über den Nießbrauch an einer Forderung auf den Nießbrauch an einer Hypothek Anwendung zu finden haben, ist selbstverständlich. Nießbrauch an 4. Ist ein Inhaberpapier oder ein Orderpapier, das Ämu^Bi'anko'!mit Blankoindossament versehen ist, Gegenstand des NießiMmemectrt>tier= örauchs, so ist zu unterscheiden, ob das Papier zu den verpapieren. brauchbaren Sachen in dem Sinne gehört, daß der bestimmungs­ mäßige Gebrauch des Papieres, wie z. B. bei Banknoten, ‘ in seiner Veräußerung besteht, oder ob dies nicht der Fall ist. Ersterenfalls kommen die Vorschriften über den Nießbrauch ay verbrauchbaren Sachen zur Anwendung, d. h. der Nießbraucher wird Eigentümer der Papiere mit der Verpflichtung, nach Beendigung des Nießbrauchs den Wert zu erstatten (§ 1084). Letzterenfalls gelten folgende besondere Bestimmungen: Der Besitz des Papiers und des dem Papiere ge­ hörigen Erneuerungsscheines steht dem Nießbraucher und dem Eigentümer gemeinschaftlich zu. Beide sind Mitbesitzer im Sinne des BGB. Der Besitz der zu dem Papiere gehörigen Zins-, Renten- oder Gewinnanteilscheiye steht dagegen dem Nießbraucher allein zu (§ 1081 Äbs. 1). Bestellt wird der Nießbrauch wie gewöhnlich durch den Vertrag zwischen Eigen­ tümer und Nießbraucher, wonach dem Letzteren an dem Papiere der Nießbrauch zustehen soll. Der Regel nach müßte die Übergabe des Papieres hinzukommen. Zur Bestellung des Nießbrauchs an einem Jnhaberpapiere oder einem mit Blanko­ indossament versehenen Orderpapieres genügt aber an Stelle der Übergabe des Papieres die Einräumung des Mitbesitzes (§ 1081 Abs. 2). Das Papier ist nebst dem Erneuerungsscheine auf Ver­ langen des Nießbrauchers oder des Eigentümers bei einer Hinterlegungsstelle mit der Bestimmung zu hinterlegen, daß die Herausgabe nur von dem Nießbraucher und dem Eigen­ tümer gemeinschaftlich verlangt werden kann. Der Nießbraucher, dagegen nicht der Eigentümer, kann auch die Hinterlegung bei der Reichsbank verlangen (§ 1082). Der Nießbraucher und der Eigentümer des Papieres sind . einander verpflichtet, zur Einziehung des fälligen Kapitals, zur

Nießbrauch an citiern Vermögen.

829

Beschaffung neuer Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine, sowie zu sonstigen Maßnahmen mitzuwirken, die zur ordnungs­ mäßigen Vermögensverwaltung erforderlich sind, wie z. B. zum Umtausch bei Convertierungen und Verlosungen. Im Falle der Einlösung des Papiers sind der Nießbraucher und Gläubiger, wie bei einer auf. Zinsen ausstehenden Forderung, einander verpflichtet, mitzuwirken, daß das eingezogene Kapital nach den für die Anlage von Mündelgeld geltenden Vorschriften angelegt und gleichzeitig dem Nießbraucher der Nießbrauch bestellt werde. Die Art der Anlegung bestimmt der Nieß­ braucher. Eine bei der Einlösung gezahlte Prämie gilt als Teil des Kapitals. Auch sie ist daher in der bezeichneten Weise anzulegen und an ihr dem Nießbraucher der Nießbrauch zu bestellen (§ 1083).

§ 254. Nießbrauch an einem Vermögen. Auch an einem Vermögen, d. h. an einem Inbegriff von mNäuch/an Sachen und Rechten, insbesondere an einer Erbschaft (§ 1089), einem stermögen. kann ein Nießbrauch bestellt werden. Dies ist aber nicht so zu verstehen, als ob, wenn die beiden Parteien den diesbezüg­ lichen Vertrag schließen, der Nießbrauch an dem Vermögen auch schon bestellt wäre. Der Nießbrauch an einem Vermögen kann vielmehr nur in der Weise bestellt werden, daß der Nieß­ braucher den Nießbrauch an den einzelnen zu dem Vermögen gehörigen Gegenständen erlangt (§ 1085). Wenn ein Nießbrauch an einem Vermögen bestellt wird, so bleibt zwar den Parteien erspart, die einzelnen zu dem Vermögen gehörenden Gegen­ stände namentlich aufzuführen. Es genügt die Einigung, daß an dem „Vermögen" der Nießbraucher den Nießbrauch er­ werben solle. Dagegen müssen die übrigen Erfordernisse noch hinzukommen, also bei Sachen die Übergabe, bei Rechten die Erfüllung der für die Übertragung des Rechtes geltenden Vorschriften. Daraus, daß der Nießbrauch an einem Ver­ mögen nur in der Weise bestellt werden kann, daß der Nieß­ braucher den Nießbrauch an den einzelnen zu dem Vermögen gehörigen Gegenständen erlangt, ergibt sich weiter, daß nur an den einzelnen zu den „Aktiven" des Vermögens gehören­ den Sachen und Rechten der Nießbrauch erlangt wird. An den „Schulden" ist ein Nießbrauch begrifflich ausgeschlossen. Gleichwohl ist die Frage, ob der Besteller des Nießbrauchs bei der Bestellung auch Schulden hat, für die Rechte und Verpflichtungen des Nießbrauchers nicht ohne Bedeutung. Im allgemeinen bemessen sich zwar die Rechte und Ver­ pflichtungen des Nießbrauchers nach den Vorschriften, die für das betreffende Bermögensstück 'gelten. Je nachdem zu dem Vermögen bewegliche Sachen, Grundstücke oder Rechte gehören, kommen die Vorschriften über den Nießbrauch an beweglichen

830

Dienstbarkeiten.

Sachen, Grundstücken oder Rechten zur Anwendung. Diese N§ßbrau^er?zu Bestimmungen erleiden jedoch Einschränkungen mit Rücksicht den Gläubigern auf die Gläubiger des Bestellers, deren Forderungen vor der es -s e ers. VxstE^ng des Nießbrauchs entstanden sind. Auf die Forderungen, welche erst später entstanden sind, wird Rücksicht nicht genommen; die Gläubiger dieser Forderungen können sich zur Deckung ihrer Forderungen an die dem Nießbrauch unterliegenden Gegen­ stände nicht halten. Dagegen geht das BGB bezüglich der vor Bestellung des Nießbrauchs entstandenen Forderungen von dem Grundsatz aus, daß diese Forderungen aus dem dem Nießbrauch unter­ liegenden Vermögen zu berichtigen sind. Daher wird den Gläubigern dieser Forderungen das Recht gewährt, ohne Rücksicht auf den Nießbrauch Befriedigung aus den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen zu verlangen (§ 1086). Doch ist die Zwangsvollstreckung in die dem Nieß­ brauch unterliegenden Gegenstände nur dann zulässig, wenn der Besteller zu der Leistung und der Nießbraucher zur Dul­ dung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist oder in einer nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 CPO aufgenommenen Urkunde die so­ fortige Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unter­ liegenden Gegenstände bewilligt hat (§§ 737, 794 Abs. 2 CPO). Sind verbrauchbare Sachen Gegenstand des Nießbrauchs, so kann sich der Gläubiger an die Sachen selbst nicht halten; denn diese werden Eigentum des Nießbrauchers. Aber an die Stelle der Sachen tritt hier der Anspruch des Bestellers auf Ersatz des Wertes, und zwar braucht sich der Gläubiger nicht erst bis zur Beendigung des Nießbrauchs vertrösten zu lassen. Dem Gläubiger gegenüber ist dec Nießbraucher zum sofar­ tigen Ersätze verpflichtet (§ 1086 Satz 2): stS-rs zur BcWährend der Nießbraucher in dem bezeichneten Umfange Erledigung feinet dem Zugriff der Gläubiger des Bestellers ausgesetzt ist, muß den dem NiA er andererseits zu dem gleichen Zwecke auch Eingriffe des iieaeanbVffleaen= Bestellers dulden, die er bei einem gewöhnlichen Nießbrauch 8 ständen, sich nicht gefallen zu lassen bräuchte. Der Besteller kann näm­

lich, wenn eine vor der Bestellung entstandene Forderung fällig ist, von dem Nießbraucher Rückgabe der zur Befriedigung des Gläubigers erforderlichen Gegenstände verlangen. Ist eine Auswahl noch erforderlich, so steht die Auswahl dem Besteller zu; er kann jedoch nur die zur Befriedigung des Gläubigers vorzugsweise geeigneten Gegenstände auswählen. Hat z. B. der Besteller nicht ein bestimmtes Pferd, sondern nur eines seiner Pferde vor Bestellung des Nießbrauchs verkauft oder verschenkt, so braucht sich der Nießbraucher nicht gefallen zu lassen, daß der Besteller das beste Pferd auswähle, sondern er kann verlangen, daß ein Pferd mittlerer Güte ausgewählt werde. Schuldet der Besteller aus einem vor Bestellung des

Nießbrauch an einem Vermögen-

831

Nießbrauchs abgeschlossenen Kaufverträge noch den Kaufpreis, so kann der Nießbraucher verlangen, daß sich der Besteller das erforderliche Geld nehme; nur dann wenn Bargeld nicht vor­ handen ist, darf der Besteller auch andere Gegenstände nehmen, um den Gläubiger befriedigen zu können. Soweit die zurück­ gegebenen Gegenstände ausreichen, ist der Besteller dem Nieß­ braucher gegenüber zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet (§ 1087).* Trotz dieser Verpflichtung des Bestellers läuft aber der Nießbraucher noch immer Gefahr, ein zweites Mal in Anspruch genommen zu werden, wenn nämlich der Besteller seiner Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen nicht nach­ kommt. Deswegen wird dem Nießbraucher das Recht zuge- R-qt der Nießstanden, die Verpflichtung durch Leistung des geschuldetenBef?W?ngd-r Gegenstandes selbst zu erfüllen. Hat es dies getan, so ist ®IäuBi0erselbstverständlich der Anspruch des Bestellers auf Rückgabe aus­ geschlossen. Gehört der geschuldete Gegenstand nicht zu dem Vermögen, das dem Nießbrauch unterliegt, so ist der Nieß­ braucher sogar berechtigt, einen zu dem Vermögen gehörenden Gegenstand zu veräußern, um entweder aus dem Erlöse den Gläubiger zu befriedigen oder mit dem Erlöse den geschuldeten Gegenstand zu erwerben und durch Leistung dieses Gegen­ standes den Gläubiger zu befriedigen. Während aber dem Nießbraucher ein Befriedigungsrecht des Gläubigers un­ bedingt nur dann zusteht, wenn der geschuldete Gegenstand zu dem dem Nießbrauch unterliegenden Vermögen gehört, steht ihm ein Veräußerungsrecht zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers nur dann zu, wenn die Befriedigung durch den Besteller nicht ohne Gefahr abgewartet werden kann. Dem Nießbraucher soll eben in einem solchen Falle nicht zugemutet werden, es darauf ankommen zu lassen, daß der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung aus einem beliebigen Gegenstand seine Befriedigung suche. Eine solche Gefahr wird in der Regel dann vorliegen, wenn der Gläu­ biger ein vollstreckbares Urteil bereits in Händen hat.

Macht der Nießbraucher von dem Befriedigungsrechte Ge­ brauch, so hat er einen zur Befriedigung des Gläubigers vor­ zugsweise geeigneten Gegenstand auszuwählen. Soweit er zum Ersatz des Wertes verbrauchbarer Sachen verpflichtet ist, darf er eine Veräußerung nicht vornehmen. Befanden sich z. B. in dem Vermögen, an dem der Nießbrauch bestellt, ist, neben anderen Gegenständen verbrauchbare Sachen im Werte von 1000 vM> und beträgt die vor Bestellung des Nießbrauchs entstandene Schuld des Bestellers 1400 Jk, so darf der Nieß­ braucher eine Veräußerung nur bis zum Betrage von 400 Jb vornehmen, während er die fehlenden 1000 Jb aus eigener Tasche bezahlen muß.

832

dung"dÄ°NM brauchers.

Dienstbarkeiten.

Eine persönliche Haftung des Nießbrauchers für die Schulden des Bestellers besteht den Gläubigern gegenüber, wenn sie nicht ausdrücklich übernommen wurde, im allgemeinen ebensowenig, als eine Verpflichtung dem Besteller gegen­ über besteht, dessen Gläubiger zu befriedigen. Von dieser Regel gibt es aber gewisse Ausnahmen: a) Die Gläubiger des Bestellers, deren Forderungen schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs verzinslich waren, können die Zinsen für die Dauer des Nießbrauchs auch von dem Nießbraucher verlangen. b) Das Gleiche gilt von anderen wiederkehrenden Leistungen, die bei ordnungsmäßiger Verwaltung aus den Einkünften des Vermögens bestritten werden, z. B. Renten, Leibrenten, Altenteilsleistungen, wenn die Forderung vor Be­ stellung des Nießbrauchs entstanden ist.

In beiden Fällen haftet der Nießbraucher dem Gläu­ biger neben dem Besteller persönlich auch mit seinem eigenen Vermögen; ja diese Haftung kann nicht einmal durch Vereinbarung zwischen ihm und dein Besteller ausgeschlossen oder beschränkt werden. Ebenso ist er dem Besteller gegen­ über zur Befriedigung dieser Ansprüche verpflichtet; hier ist aber gegenteilige Vereinbarung zulässig. Wird dann der Nießbraucher von dem Gläubiger in Anspruch genommen, so kann er sich ihm gegenüber zwar nicht auf die Vereinbarung berufen, er kann aber von dem Besteller Ersatz verlangen. Ist eine solche Vereinbarung nicht getroffen, so kann der Be­ steller die Rückgabe von Gegenständen zum Zwecke der Be­ friedigung dieser Ansprüche nur verlangen, wenn der Nieß­ braucher mit der Erfüllung der Verbindlichkeit in Verzug kommt (§ 1088).

III. StschrimKle persönliche Vienstbarkkiteu. 8 255. Begriff.

Unter einer beschränkten persönlichen Dienst­ barkeit versteht man die Belastung eines Grundstückes in der Weise, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung er­ folgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen oder daß ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (§ 1090).

Berechtigter.

Die Belastung erfolgt zu Gunsten einer bestimmten physischen oder juristischen Person z. B: einer Gemeinde. Wird einer Gemeinde ein Wegerecht eingeräumt, so dürfen zwar die Gemeindemitglieder

Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten.

833

den Weg benutzen, ein selbständiges Recht hierauf steht ihnen aber nicht 31t.1) Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist nicht über­ tragbar. Sie kann daher auch nicht gepfändet oder verpfändet werden. Sie ist auch nicht vererblich und erlischt deshalb mit dem Tode des Berechtigten und, wenn dieser eine juristische Person ist, mit dieser. Die Ausübung der Dienstbarkeit kann einem Anderen überlassen werden, wenn die Überlassung gestattet ist (8 1092). Die Eintragung der Gestattung in das Grundbuch ist weder erforderlich noch zulässig. Zu ihrem Inhalte kann eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht nur alle diejenigen Befugnisse haben, welche den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden können, sondern überhaupt jede Benutzung eines Grundstücks nach bestimmten einzelnen Richtungen. Wegen der Ähnlichkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit mit den Grunddienstbarkeiten sind die meisten Vorschriften, die für Grunddienstbarkeiten gelten, für die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten für entsprechend anwendbar erklärt (§ 1090 Abs. 2): Für den Umfang der Befugnisse, welche eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gewährt, ist in erster Linie der Be­ stellungsvertrag maßgebend. Ist der Umfang dieser Befugnisse nicht genau begrenzt, so bestimmt er sich im Zweifel nach den persönlichen Bedürfnissen des Berechtigten (§ 1091). Diese Begrenzung darf jedoch nicht zu eng aufgefaßt werden; so können z. B. die Bedürfnisse der Haushaltung oder eines Ge­ schäftsbetriebs des Berechtigten Berücksichtigung finden. Gleichwie bei Grunddienstbarkeiten hat auch hier der Berechtigte bei Ausübung der Dienstbarkeit has Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungs­ mäßigem Zustande zu erhalten, soweit das Interesse des Eigen­ tümers es erfordert. Es kann aber auch bestimmt werden, daß der Eigentümer des Grundstücks die Anlage zu- unter­ halten hat, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert. Steht dem Eigentümer das Recht der Mitbenützung der An­ lage zu, so kann bestimmt werden, daß der Berechtigte die Anlage zu unterhalten hat, soweit es für das Benützungsrecht des Eigentümers erforderlich ist. Besteht die Dienstbarkeit in dem Rechte, auf einer baulichen Anlage des belasteten Grundstücks eine bauliche Anlage zu halten, so hat, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, der Eigentümer des belasteten Grundstücks seine Anlage zu unterhalten, soweit es das Interesse des Berechtigten erfordert. Auf die Unterhaltungspflicht finden die Vorschriften über Reallasten entsprechende Anwendung. ') SammlnF 3 S. 119. Müller-Meikel, Bürgerl. Recht. 2. ülufl. Bd. I.

53

Inhalt.

Umfang.

834

Dienstbarkeiten.

Beschränkt sich die jeweilige Ausübung der Dienstbarkeit auf einen Teil des belasteten Grundstücks, so kann der Eigen­ tümer die Verlegung der Ausübung auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle verlangen, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist; die Kosten der Verlegung hat er zu tragen und vorzuschießen. Dies gilt auch, wenn der Teil des Grund­ stücks, auf den sich die Ausübung beschränkt, durch Rechts­ geschäft bestimmt ist. Das Recht auf die Verlegung kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden (§ 1023). Trifft die beschränkte persönliche Dienstbarkeit mit einer anderen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, einer Grund­ dienstbarkeit oder einem sonstigen Nutzungsrecht an dem Grund­ stück dergestalt zusammen, daß die Rechte nicht nebeneinander ausgeübt werden können, und haben die Rechte gleichen Rang, so kann jeder Berechtigte eine den Interessen aller Berechtigten nach billigem Ermessen entsprechende Regelung der Ausübung verlangen. Haben die Rechte nicht gleichen Rang, so geht das Recht, welches den Vorrang hat, dem Recht mit Nachrang vor (§ 1024). Wird das belastete Grundstück geteilt, so werden, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit auf einen bestimmten Teil des belasteten Grundstücks beschränkt ist, die Teile, welche außer­ halb des Bereiches der Ausübung liegen, von der Dienstbarkeit frei (§ 1026). Wird die beschränkte persönliche Dienstbarkeit beein­ trächtigt, so stehen dem Berechtigten die gleichen Rechte auf Beseitigung bezw. Unterlassung der Beeinträchtigung zu wie dem Grunddienstbarkeitsberechtigten (§ 1027). Hier wie dort unterliegt, wenn auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, durch welche die Dienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden ist, der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung der Be­ einträchtigung, der Verjährung, auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. Mit der Verjährung des An­ spruchs. erlischt auch die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht (§ 1028). Endlich finden, wenn der aus einer im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit Berechtigte in der Ausübung der Dienstbarkeit gestört wird, die Vorschriften über Besitzesschutz entsprechende Anwendung, soweit die Dienstbarkeit innerhalb eines Jahres vor der Störung, sei es auch nur einmal- aus­ geübt worden ist (§ 1029). Wohnungsrecht. Als beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann insbesondere das Recht eingeräumt werden, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes als Wohnung unter Aus­ schluß des Eigentümers zu benutzen (Wohnungs­ recht, § 1093).

Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten.

835

Von den übrigen beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten unterscheidet sich dasselbe Z 1. durch seinen Umfang. Während sich dort der Um­ fang der Dienstbarkeit im Zweifel nach dem persönlichen Be­ dürfnisse des Berechtigten bemißt, ist hier der Berechtigte befugt, seine Familie, sowie die zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen aufzunehmen (§ 1093 Abs. 2). Der Begriff der Familie ist im Sinne des gewöhnlichen Lebens zu verstehen. Ein bestimmter Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft wird für die Familienzugehörigkeit nicht er­ fordert; ebensowenig wird vorausgesetzt, daß der Wohnungs­ berechtigte den einzelnen Familiengliedern gegenüber unter­ haltspflichtig ist. Selbstverständlich darf der Berechtigte auch Besuche bei sich aufnehmen. Ob und wieviel Personal zur standesmäßigen Bedienung und Pflege des Berechtigten und seiner Familie erforderlich ist, kann nur nach Lage der konkreten Verhältnisse entschieden werden. Ist das Recht auf einen Teil des Gebäudes beschränkt, z. B. auf eine Wohnung im ersten Stock, so kann der Berechtigte die zum gemeinschaftlichen Gebrauche der Bewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen, z. B. das Stiegenhaus, die Wasch­ küche, den im Hofe befindlichen Brunnen, mitbenützen. 2. dadurch, daß eine Reihe von Bestimmungen über den Nießbrauch auch auf das Wohnungsrecht Anwendung finden, während sie für die übrigen beschränkten persönlichen Dienstbar­ keiten nicht gelten. So erlangt der Wohnungsberechtigte, wenn sich das Wohnungsrecht auch auf das Zubehör des Gebäudes erstrecken soll, mit dem Wohnungsrechte an dem Gebäude auch das Benützungsrecht an den zur Zeit der Bestellung vorhan­ denen Zubehörstücken, soweit sie dem Besteller gehören; im Zweifel ist anzunehmen, daß sich das Wohnungsrecht auf das Zubehör erstrecken soll. Wird das Wohnungsrecht durch Rechts­ geschäft aufgehoben, so erstreckt sich die Aufhebung im Zweifel auch auf das Zubehör. Der Berechtigte wie der Eigentümer kann den Zustand der Sache auf seine Kosten durch Sachverständige feststellen lassen. Der Berechtigte ist zum Besitze berechtigt. Er hat bei der Ausübung seines Rechtes die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrecht zu erhalten und nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zu verfahren. Er ist nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern. Ferner hat er für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestände zu sorgen. Ausbesserungen und Erneuerungen liegen ihm nur insoweit ob, als sie zu der ge') Wegen seines Unterschiedes von der Miete vgl. RG 54 S. 235; IW 1903 Beil. 8 S. 60; ROLG 4 S. 481.

836

Dienstbarkeiten.

wohnlichen Unterhaltung der Sache gehören. Maßt sich ein Dritter ein Recht an der Sache an, so hat der Berechtigte dem Eigentümer unverzüglich Anzeige zu erstatten. Das Gleiche muß er tun, wenn die Sache beschädigt oder zerstört oder wenn eine außergewöhnliche Ausbesserung oder Erneuerung der Sache oder eine Vorkehrung zum Schutze der Sache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich wird. Nimmt er eine erforderlich gewordene Ausbesserung oder Erneuerung nicht selbst vor, so hat er dem Eigentümer die Vornahme zu gestatten. Macht der Wohnungsberechtigte Verwendungen auf die Sache, zu denen er nicht verpflichtet ist, so bestimmt sich die Ersatz­ pflicht des Eigentümers nach den Vorschriften der Geschäfts­ führung ohne Auftrag. Auch ist er berechtigt, eine Einrichtung, mit der er die Sache versehen hat, wegzunehmen; nur muß er dann auf seine Kosten den früheren Zustand wieder Herstellen. Veränderungen und Verschlechterungen der Sache, welche durch die ordnungsmäßige Ausübung des Wohnungsrechts herbei­ geführt werden, hat der Wohnungsberechtigte nicht zu ver­ treten. Die Ersatzansprüche des Eigentümers wegen Verände­ rungen der Sache, sowie die Ansprüche des Wohnungsberechtigten auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Weg­ nahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten, und zwar beginnt für die Ansprüche des Eigentümers die Ver­ jährung mit dem Zeitpunkt, in welchem er die Sache zurück­ erhält, für die Ansprüche der Wohnungsberechtigten mit der Beendigung des Wohnungsrechts. Mit der Verjährung des Anspruchs des Eigentümers auf Rückgabe der Sache verjähren auch seine Ersatzansprüche.

§ 256. Übergangsbestimmungen. Da die Bestimmungen des BGB über Rechte an Grund­ stücken erst mit dem Zeitpunkt voll in Kraft treten, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, so ist es gerecht­ fertigt, sich kurz noch mit der Frage zu beschäftigen, welche Bewandtnis es mit den am 1. Januar 1900 bereits bestehenden Dienstbarkeiten haben wird und welches Recht in der Folge­ zeit zur Anwendung kommt. 1. Nießbrauchsrechte und beschränkte persönliche Dienst­ barkeiten, mit denen ein Grundstück oder eine bewegliche Sache oder ein Recht am 1. Januar 1900 bereits belastet iftr bleiben mit dem sich aus den bisherigen Gesetzen ergebenden Inhalt und Range bestehen. Für die Grunddienstbarkeiten dagegen gelten mit wenigen Ausnahmen die Bestimmungen des BGB (Art. 184 EG). 2. Ist am 1. Januar 1900 die Ersitzung des Nieß­ brauchs an einer beweglichen Sache noch nicht vollendet.

Übergangsbestimmungen.

837

so finden von nun an die Vorschriften des BGB Anwendung. Ist die Ersitzungsfrist nach dem BGB kürzer als nach dem bisherigen Recht, so wird die kürzere Frist des BGB vom 1. Januar 1900 an berechnet. Läuft jedoch die in den bis­ herigen Gesetzen bestimmte längere Frist früher als die im BGB bestimmte kürzere Frist ab, so ist die Verjährung mit dem Ablaufe jener längeren Frist, vollendet (Art. 185 EG). 3. Die Begründung, Übertragung, Belastung und Aufhebung eines Rechtes an einem Grundstücke oder eines Rechtes an einem solchen Rechte erfolgt auch nach dem 1. Januar 1900 und zwar bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, nach den bisherigen Gesetzen; ebenso eine Änderung des Inhalts oder des Ranges der Rechte (Art. 189 EG). Nur kann ein nach den Vor­ schriften des BGB unzulässiges Recht nach dem 1. Januar 1900 auch dann nicht mehr begründet werden, wenn die Begründung eines solchen Rechtes nach den bisherigen Gesetzen zulässig war. Die Aufhebung eines Rechtes, mit dem ein Grundstück oder ein Recht an einem Grundstück zu der Zeit belastet ist, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, erfolgt auch nach dieser Zeit nach den bisherigen Gesetzen, bis das Recht im Grundbuch eingetragen wird (Art. 189 Abs. 3 EG). 4. Eine Grunddienstbarkeit, die zu der Zeit besteht, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, bedarf zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung. Die Eintragung hat jedoch zu erfolgen, wenn sie von dem Berech­ tigten oder von dem Eigentümer des Grundstücks verlangt wird. Die Kosten sind von demjenigen zu tragen und vorzu­ schießen, welcher die Eintragung verlangt. Durch Landesgesetz kann aber bestimmt werden, daß die bestehenden Grunddienst­ barkeiten oder einzelne Arten derselben zur Erhaltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grund­ buchs bei der Anlegung des Grundbuchs oder später in dem Grundbuch eingetragen werden müssen (Art. 187 EG). 5. Was endlich noch den Schutz im Besitze einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkten persönlichen Dienst­ barkeit anlangt, so finden die bisherigen Gesetze auch nach dem 1. Januar 1900 noch bis zu demjenigen Zeitpunkte Anwen­ dung, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Nach diesem Zeitpunkt ist zu unterscheiden, ob zur Erhaltung der Wirksamkeit der Dienstbarkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs deren Eintragung erforderlich ist oder nicht (vgl. vorige Ziff. 4). Ist die Eintragung erforder­ lich, so kommen die Vorschriften des BGB über Besitzesschutz nur dann zur Anwendung, wenn die Eintragung auch erfolgt ist. Ist dagegen eine Eintragung nicht erforderlich, so wird

838

Das Vorkaufsrecht als Recht am Grundstücke.

für die Ausübung einer Dienstbarkeit, mit welcher das Halten einer dauernden Anlage verbunden ist, wie z. B. bei einer Wasserleitungsgerechtigkeit, Besitzesschutz nach Maßgabe der Vorschriften des BGB unbedingt, für die Ausübung einer anderen Dienstbarkeit dagegen nur dann gewährt, wenn sie in jedem der letzten drei Jahre vor der Störung mindestens ein­ mal ausgeübt worden ist (Art. 191 EG).

11. Kapitel.

Das Vorkaufsrecht aks Wecht am Hruudstücke. § 257.

Vom Vorkaufsrecht war schon bei der Darstellung des Rechtes der Schuldverhältnisse die Rede (s. Bd. I S. 411). Wie jedes Schuldverhältnis äußert dasselbe seine Wirkungen nur unter den Parteien. Das Vorkaufsrecht kann aber auch mit sachenrechtlicher Wirkung ausgestattet werden. Begriff. Unter einem dinglichen Vorkaufsrecht versteht man die Belastung eines Grundstücks in der Weise, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, dem Eigentümer gegenüber zum Vorkaufe berechtigt ist (§ 1094 Abs. 1). Auf diese Weise wird der Mieter, der Nießbraucher, der Miteigentümer, dem ein Vorkaufsrecht eingeräumt ist, unter allen Umständen dagegen sicher gestellt, daß ein Dritter, der ihm nicht genehm ist, das Eigentum an der dem Vorkaufsrecht unterliegenden Sache erwerbe. Denn während bei dem per­ sönlichen Vorkaufsrecht der Berechtigte, wenn der Verpflichtete den Gegenstand ohne Rücksicht auf das Vorkaufsrecht veräußert, sich lediglich an den Verpflichteten wegen Nichterfüllung des Vertrags halten kann, richtet sich das dingliche Vorkaufsrecht insbesondere auch gegen den Erwerber. Gegenstand des Das persönliche Vorkaufsrecht kann sich auf Grundstücke, or -ui-rech . bewegliche Sachen und Rechte beziehen; mit einem dinglichen Vorkaufsrecht kann dagegen nur ein Grundstück oder ein Erbbaurecht belastet werden. Ein Bruchteil eines Grund­ stücks kann mit dem Vorkaufsrechte nur belastet werden, wenn er in dem Anteil eines Miteigentümers besteht (§ 1095). Ist daher Jemand Alleineigentümer eines Grundstücks,, so kann er nur das Grundstück als solches mit einem Vorkaufsrechte be­ lasten. Ferner kann ein Miteigentümer, der von einem anderen Miteigentümer dessen Anteil erwirbt, diesen Anteil nicht mit

838

Das Vorkaufsrecht als Recht am Grundstücke.

für die Ausübung einer Dienstbarkeit, mit welcher das Halten einer dauernden Anlage verbunden ist, wie z. B. bei einer Wasserleitungsgerechtigkeit, Besitzesschutz nach Maßgabe der Vorschriften des BGB unbedingt, für die Ausübung einer anderen Dienstbarkeit dagegen nur dann gewährt, wenn sie in jedem der letzten drei Jahre vor der Störung mindestens ein­ mal ausgeübt worden ist (Art. 191 EG).

11. Kapitel.

Das Vorkaufsrecht aks Wecht am Hruudstücke. § 257.

Vom Vorkaufsrecht war schon bei der Darstellung des Rechtes der Schuldverhältnisse die Rede (s. Bd. I S. 411). Wie jedes Schuldverhältnis äußert dasselbe seine Wirkungen nur unter den Parteien. Das Vorkaufsrecht kann aber auch mit sachenrechtlicher Wirkung ausgestattet werden. Begriff. Unter einem dinglichen Vorkaufsrecht versteht man die Belastung eines Grundstücks in der Weise, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, dem Eigentümer gegenüber zum Vorkaufe berechtigt ist (§ 1094 Abs. 1). Auf diese Weise wird der Mieter, der Nießbraucher, der Miteigentümer, dem ein Vorkaufsrecht eingeräumt ist, unter allen Umständen dagegen sicher gestellt, daß ein Dritter, der ihm nicht genehm ist, das Eigentum an der dem Vorkaufsrecht unterliegenden Sache erwerbe. Denn während bei dem per­ sönlichen Vorkaufsrecht der Berechtigte, wenn der Verpflichtete den Gegenstand ohne Rücksicht auf das Vorkaufsrecht veräußert, sich lediglich an den Verpflichteten wegen Nichterfüllung des Vertrags halten kann, richtet sich das dingliche Vorkaufsrecht insbesondere auch gegen den Erwerber. Gegenstand des Das persönliche Vorkaufsrecht kann sich auf Grundstücke, or -ui-rech . bewegliche Sachen und Rechte beziehen; mit einem dinglichen Vorkaufsrecht kann dagegen nur ein Grundstück oder ein Erbbaurecht belastet werden. Ein Bruchteil eines Grund­ stücks kann mit dem Vorkaufsrechte nur belastet werden, wenn er in dem Anteil eines Miteigentümers besteht (§ 1095). Ist daher Jemand Alleineigentümer eines Grundstücks,, so kann er nur das Grundstück als solches mit einem Vorkaufsrechte be­ lasten. Ferner kann ein Miteigentümer, der von einem anderen Miteigentümer dessen Anteil erwirbt, diesen Anteil nicht mit

Das Vorkaufsrecht als Recht am Grundstücke.

839

einem Vorkaufsrechte belasten;x) dagegen bleibt selbstverständ­ lich das einen Bruchteil eines Grundstückes belastende Vor­ kaufsrecht auf diesem Bruchteile bestehen, wenn ein Miteigen­ tümer den belasteten Bruchteil erwirbt. Ein realer Teil eines Grundstücks kann mit einem Vorkaufsrechte belastet werden; der Abschreibung dieses Teiles im Grundbuche bedarf es nicht, wenn infolge der Belastung des Teiles mit dem Vorkaufsrechte Verwirrung nicht zu besorgen ist (§ 8 GO). Es ist aber auch zulässig, das ganze Grundstück mit einem auf einzelne Flurstücke beschränkten Vorkaufsrechte zu Betasten.2) Wenn auch das dingliche Vorkaufsrecht auf Grundstücke be­ schränkt ist, so ist es doch zulässig, daß das Vorkaufsrecht auf das bewegliche Zubeh ör erstreckt wird, das mit dem Grund­ stück verkauft wird. Im Zweifel ist sogar anzunehmen, daß das Vorkaufsrecht sich auf dieses Zubehör erstrecken soll (§ 1096). Ist daher z. B. dem A an dem Grundstücke des B das Vor­ kaufsrecht schlechthin eingeräumt und verkauft B sein Grund­ stück mit Zubehör an C, so kann A sein Vorkaufsrecht nicht nur in Ansehung des Grundstücks, sondern auch des Zubehörs geltend machen. Das Gegenteil müßte ausdrücklich bedungen sein. Hätte dagegen B das Grundstück ohne Zubehör an C verkauft, so könnte A, wenn er sein Vorkaufsrecht ausübt, dasselbe nur in Ansehung des Grundstücks ausüben. Er könnte aber nicht die Herausgabe des Zubehörs mit der Be­ gründung verlangen, daß sich sein Vorkaufsrecht auf das Zu­ behör erstrecke; denn letzteres ist nicht mitverkauft worden. Vorkaufsberechtigt ist derjenige, zu dessen Gunsten das Vorkaufsrecht bestellt ist. Dies kann eine bestimmte Person sein, und zwar sowohl eine physische als auch eine juristische Person. Ein Vorkaufsrecht kann aber auch zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt werden (§ 1094 Abs. 2). Dieses Vorkaufsrecht kann von dem Eigen­ tum an diesem Grundstück nicht getrennt werden. Es kann daher z. B. der Eigentümer das Grundstück nicht verkaufen und sich das Vorkaufsrecht Vorbehalten. Ebenso kann aber auch umgekehrt ein zu Gunsten einer bestimmten Person be­ stehendes Vorkaufsrecht nicht mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden werden (§ 1103). Wenn die Parteien dies wollen, so müssen sie das alte Vorkaufsrecht aufheben und ein neues bestellen. Wie das obligatorische, so kann auch das dingliche Vor­ kaufsrecht nur dann ausgeübt werden, wenn das belastete Grundstück verkauft wird, dagegen nicht, wenn dasselbe vertauscht, verschenkt oder sonstwie veräußert wird. Während *) Vgl. ROLG 4 S. 482; SammlnF 3 S. 272; Recht 1904 S. 88. *) ROLG 4 S. 76; EFG 2 S. 104.

Borkaufs­ berechtigter.

840

Das Vorkaufsrecht als Recht am Grundstücke.

aber das obligatorische Vorkaufsrecht auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter erfolgt, kann das dingliche Vor­ kaufsrecht dann ausgeübt werden, wenn das Grundstück von dem Konkursverwalter freihändig verkauft wird (§ 1098 Satz 2). In der Regel ist das Vorkaufsrecht auf den Fal beschränkt, daß der bestellende Eigentümer oder seine Erben das Grundstück verkaufen. Hat der Vorkaufsberechtigte bei diesem Verkauf von seinem Rechte keinen Gebrauch gemacht, so kann er es später, wenn das Grundstück von dem Erwerber weiterverkauft wird, nicht mehr ausüben. Doch ist es zulässig, daß ein Vorkaufsrecht auch für mehrere oder für alle Verkaufsfälle bestellt wird. Dies muß jedoch in dem Bestellungsvertrag ausdrücklich erwähnt werden (§ 1097). In einem solchen Fall steht dann nichts im Wege, daß z. B. der Vorkaufsberechtigte A beim ersten, zweiten und dritten Verkauf von seinem Rechte keinen Gebrauch macht und erst beim vierten Verkaufsfall sein Vor­ kaufsrecht ausübt. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Berech­ tigten und dem Verpflichteten ist das gleiche wie bei dem persönlichen Vorkaufsrecht. Es genügt daher, auf die dies­ bezüglichen Bestimmungen zu verweisen (vgl. Bd. I S. 412 ff.). Nur ist zu bemerken, daß diese Bestimmungen beim persönlichen Vorkaufsrecht dispositiver Natur sind. Die Parteien können daher an Stelle derselben anderweite Vereinbarungen treffen. Für das dingliche Vorkaufsrecht dagegen sind die gleichen Vorschriften zwingenden Rechtes und anderweite Vereinbarungen unzulässig. Mit Rücksicht auf den dinglichen Charakter des hier darzustellenden Vorkaufsrechts wurden noch einige be­ sondere Bestimmungen getroffen: Wirkung desBorDie Belastung eines Grundstücks mit einem Vorkaufskaussrechts. re(f)t hat zwar nicht die Wirkung, den Eigentumsübergang auf den Erwerber zu hindern; das Vorkaufsrecht hat nicht die Wirkung eines Veräußerungsverbots, sondern der Erwerber wird, wenn die Auflassung im Grundbuch eingetragen ist, wirklicher Eigentümer. Aber er erwirbt das Eigentum an dem Grundstück nicht lastenfrei, sondern belastet mit dem Vor­ kaufsrecht, d. h. ihm wie jedem Dritten gegenüber hat das Vorkaufsrecht die Wirkung einer Vormerkung zur Sicherung des durch die Ausübung entstehenden Anspruchs auf Übertragung des Eigentums (§ 1098 Abs. 2). Obwohl daher der Erwerber durch den Eintrag im Grundbuch wirklicher Eigentümer des Grundstücks wird, so ist doch sein Erwerb dem Vorkaufsbe­ rechtigten gegenüber unwirksam, wenn dieser von seinem Vor­ kaufsrechte Gebrauch macht. Der Vorkaufsberechtigte kann daher von dem Erwerber die Zustimmung dazu verlangen,

Tas Vorkaufsrecht als Recht am Grundstücke.

841

daß er als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen «erde. Als Eigentümer kann er über außerdem die Herausgabe des Grundstücks verlangen. Da das Vorkaufsrecht, wenn nicht eine andere Frist ver- Mitteilung de» einbart ist, nur bis zum Ablauf von zwei Monaten von dem ®ortauf»= Zeitpunkt an ausgeübt werden kann, in welchem dem Vor- berechtigten, kaufsberechtigten der Inhalt des mit dem Käufer abgeschlossenen Vertrags mitgeteilt wird, so wird im Interesse des Käufers dem Vorkaufsverpflichteten die Pflicht auferlegt, diese Mit­ teilung an den Vorkaufsberechtigten unverzüglich zu erstatten, zugleich aber dem Käufer das Recht eingeräumt, in gleicher Weise wie der Verpflichtete und mit denselben Wirkungen dem Berechtigten den Inhalt des Kaufvertrags mitzuteilen. Endlich hat der Verpflichtete den Käufer zu benachrichtigen, sobald die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt oder infolge Zeitablaufs, Verzichts u. dgl. ausgeschlossen ist (§§ 510, 1099). Wird das Vorkaufsrecht von dem Berechtigten Ausübung bS ausgeübt, so wird zwar der zwischen dem Käufer und dem Vorkaufsrecht». Vorkaufsverpflichteten abgeschlossene Kaufvertrag nicht hinfällig. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt aber gleichzeitig zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflich­ teten ein Kauf unter denselben Bedingungen zu stände, welche der Letztere mit dem Käufer vereinbart hat. Hier sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden, die eine, daß der Käufer durch Auflassung und Eintragung bereits Eigentümer des Grund­ stücks geworden ist, und die andere, daß das nicht der Fall ist. a) Ist der Käufer Eigentümer des Grundstücks geworden, so kann er und, wenn das Eigentum im Wege der Rechts­ nachfolge auf einen Dritten übergegangen ist, dieser die Zu­ stimmung zur Eintragung des Vorkaufsberechtigten als Eigen­ tümer und die Herausgabe des Grundstücks verweigern, bis ihm der zwischen dem Verpflichteten und dem Käufer verein­ barte Kaufpreis, soweit er berichtigt ist, erstattet wird. Erlangt der Vorkaufsberechtigte die Eintragung als Eigentümer, so kann der bisherige Eigentümer, d. i. der Käufer oder sein Rechtsnachfolger, von ihm die Erstattung des berichtigten Kauf­ preises gegen Herausgabe des Grundstücks fordern (§ 1100). Soweit hiernach der Vorkaufsberechtigte dem Käufer oder dessen Rechtsnachfolger den Kaufpreis zu erstatten hat, wird er von der Verpflichtung zur Zahlung des dem Vorkaufsver­ pflichteten aus dem Vorkaufe geschuldeten Kaufpreises frei (§ HOI). Verliert der Käufer oder sein Rechtsnachfolger infolge der Geltendmachung des Vorkaufsrechtes das Eigentum, so wird der Käufer, soweit der von ihm geschuldete Kaufpreis noch nicht berichtigt ist, von seiner Verpflichtung frei; den berichtigten Kaufpreis kann er nicht zurückfordern (§ 1102).

842 Ausschluß des Vorkaufsberechd?r Aufgebots

versahrens.'

Übergangs. e »Innungen.

Reallasten.

Ist ein Vorkaufsrecht zu Gunsten einer bestimmten Person bestellt und diese unbekannt, so kann sie mit ihrem Rechte E Wege des Aufgebotsverfahrens ausgeschlossen werden, wenn seit der letzten, auf das Vorkaufsrecht sich be­ ziehenden Eintragung in das Grundbuch zehn Jahre verstrichen sind und das Recht des Vorkaufsberechtigten nicht innerhalb dieser Frist von dem Eigentümer in irgend einer Weise aner­ kannt worden ist. Mit der Erlassung des Ausschlußurteils erlischt das Vorkaufsrecht. Besteht dagegen das Vorkaufsrecht nicht zu Gunsten einer bestimmten Person, sondern zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks, so finden diese Vorschriften keine Anwendung und ist die Ausschließung im Wege des Aufgebotsverfahrens unzulässig (§ 1104). Vorkaufsrechte, mit denen ein Grundstück am 1. Januar 1900 belastet ist, bleiben mit dem aus den bisherigen Gesetzen sich ergebenden Rang und Inhalt bestehen. Auch nach dem 1. Januar 1900 sind für Begründung und Aufhebung, sowie für eine Änderung des Inhaltes oder des Ranges eines Vor­ kaufsrechts die bisherigen Gesetze noch so lange maßgebend, bis das Grundbuch als angelegt anzusehen ist (Art. 184, 189 EG).

12. Kapitel.

Wealkasten. § 258. Die Reallasten haben im BGB die Bedeutung, welche ihnen in früheren Jahrhunderten als Frohnden und Zehnten, als Grund- und Bodenzinse und Ewiggilten zukam, größten­ teils verloren. Denn einmal hat das BGB das wichtigste Institut, das bisher zu den Reallasten gerechnet wurde, die Rentenschuld, selbständig geregelt, andererseits hat es aber auch der Landesgesetzgebung hinsichtlich der Regelung dieser Verhältnisse weitgehende Vorbehalte eingeräumt. So kann z. B. die Landesgesetzgebung die Belastung eines Grundstücks mit Reallasten entweder ganz untersagen oder beschränkens) sowie Maß und Inhalt solcher Rechte näher bestimmen (Art. 115 EG). Sie kann Bestimmungen treffen über Ablösung, Um*) Preußen: Art.30 AGzBGB. — Bayern: Art. 85 AGzBGB. — Württemberg: Art. 1 Ges. vom 14. IV. 1848. — Sachsen: §§ 54, 55, 103, 104 Ges. vom 17. III. 1832 und §§ 23, 25 ff. Ges. vom 15. V. 1851. — Baden: Art. 26f. AGzBGB. - Hessen: Art. 23 AGzBGB. — Elsaß-Lothringen: § 75 AGzBGB.

842 Ausschluß des Vorkaufsberechd?r Aufgebots

versahrens.'

Übergangs. e »Innungen.

Reallasten.

Ist ein Vorkaufsrecht zu Gunsten einer bestimmten Person bestellt und diese unbekannt, so kann sie mit ihrem Rechte E Wege des Aufgebotsverfahrens ausgeschlossen werden, wenn seit der letzten, auf das Vorkaufsrecht sich be­ ziehenden Eintragung in das Grundbuch zehn Jahre verstrichen sind und das Recht des Vorkaufsberechtigten nicht innerhalb dieser Frist von dem Eigentümer in irgend einer Weise aner­ kannt worden ist. Mit der Erlassung des Ausschlußurteils erlischt das Vorkaufsrecht. Besteht dagegen das Vorkaufsrecht nicht zu Gunsten einer bestimmten Person, sondern zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks, so finden diese Vorschriften keine Anwendung und ist die Ausschließung im Wege des Aufgebotsverfahrens unzulässig (§ 1104). Vorkaufsrechte, mit denen ein Grundstück am 1. Januar 1900 belastet ist, bleiben mit dem aus den bisherigen Gesetzen sich ergebenden Rang und Inhalt bestehen. Auch nach dem 1. Januar 1900 sind für Begründung und Aufhebung, sowie für eine Änderung des Inhaltes oder des Ranges eines Vor­ kaufsrechts die bisherigen Gesetze noch so lange maßgebend, bis das Grundbuch als angelegt anzusehen ist (Art. 184, 189 EG).

12. Kapitel.

Wealkasten. § 258. Die Reallasten haben im BGB die Bedeutung, welche ihnen in früheren Jahrhunderten als Frohnden und Zehnten, als Grund- und Bodenzinse und Ewiggilten zukam, größten­ teils verloren. Denn einmal hat das BGB das wichtigste Institut, das bisher zu den Reallasten gerechnet wurde, die Rentenschuld, selbständig geregelt, andererseits hat es aber auch der Landesgesetzgebung hinsichtlich der Regelung dieser Verhältnisse weitgehende Vorbehalte eingeräumt. So kann z. B. die Landesgesetzgebung die Belastung eines Grundstücks mit Reallasten entweder ganz untersagen oder beschränkens) sowie Maß und Inhalt solcher Rechte näher bestimmen (Art. 115 EG). Sie kann Bestimmungen treffen über Ablösung, Um*) Preußen: Art.30 AGzBGB. — Bayern: Art. 85 AGzBGB. — Württemberg: Art. 1 Ges. vom 14. IV. 1848. — Sachsen: §§ 54, 55, 103, 104 Ges. vom 17. III. 1832 und §§ 23, 25 ff. Ges. vom 15. V. 1851. — Baden: Art. 26f. AGzBGB. - Hessen: Art. 23 AGzBGB. — Elsaß-Lothringen: § 75 AGzBGB.

Reallasten.

843

Wandlung oder Einschränkung von Reallasten (Art. 113 EG), ferner kann sie Bei den mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils­ oder Auszugsverträgen das aus diesen Verträgen sich ergebende Schuldverhältnis für den Fall regeln, daß von den Beteiligten nicht besondere Bestimmungen getroffen werden *) (Art. 96 EG) u. dgl. mehr. Unter einer R e a l l a st versteht das BGB die Belastung ^eallast^ eines Grundstücks in derWeise, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wieder­ kehrende Leistungen aus dem Grundstücke zu ent­ richten sind (§ 1105). Nur ein Grundstück kann mit einer Reallast belastet Gestand der werden. An beweglichen Sachen und Rechten wird die Bee° ' stellung einer Reallast nicht zugelassen. Ein Bruchteil eines Grundstücks kann mit einer Reallast nur dann belastet werden, wenn er in dem Anteil eines Miteigentümers besteht (§ 1106). Es ist daher nicht zulässig, daß der Alleineigentümer eines Grundstücks an der Hälfte des Grundstücks eine Reallast bestellt. Dagegen steht nichts im Wege, daß der Miteigentümer eines Grundstücks seinen Anteil mit einer Reallast belastet. Die Reallast bleibt in einem solchen Falle an dem Anteil auch dann bestehen, wenn später der andere Miteigentümer den belasteten Anteil erwirbt. Der Inhalt einer Reallast muß auf wiederkehrende Inhalt. Leistungen irgend welcher Art gerichtet sein; derselbe muß stets so bestimmt bezeichnet sein, daß die Umwandlung in eine Geld­ forderung erfolgen kann?) So kann insbesondere ein amortisier« bares Darlehen als Reallast eingetragen werden?) Werden auch einerseits nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen vorausgesetzt?) so kann andererseits die Reallast nicht auf die einmalige Herbeiführung eines bestimmten Erfolges gerichtet sein?) Unterlassungen können den Inhalt einer Reallast nicht bilden. Berechtigt zum Bezüge der Leistungen ist derjenige, Re-m-stzu dessen Gunsten die Reallast bestellt ist. Dies kann eine bcred*t,8terbestimmte physische oder juristische Person sein. Eine Reallast kann aber auch zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt werden. Berechtigt ist dann der jeweilige Eigentümer des Grundstücks. Dann kann der Eigentümer des Grundstücks nicht das Eigentum an dem *) Preußen: Art. 15, 89 AG. — Bayern: Art. 32 ff., 85 AG. — Sachsen: § 31 AG. - Baden: Art. 9 AG. - Hessen: Art. 37ff. AG. ') EFG 2 S. 191; ROLG 3 S. 360 ; 7 S. 32; Recht 1903 S. 456. ’) ROLG 2 S. 495, 514; Recht 1901 S. 435. 4) ROLG 2 S. 413; Recht 1901 S. 386. 6) SammlnF 3 S. 129; SA 56 Nr. 103.

844

ReaÜastverpflichteter.

Reallasten.

Grundstücke allein ohne die Reallast übertragen und sich die Reallast Vorbehalten, wie er auch umgekehrt nicht die Reallast allein ohne das Grundstück auf einen Anderen übertragen kann. Die Reallast kann nur zugleich mit dem Eigentum an dem Grundstück und das Eigentum an dem Grundstück nur zugleich mit der Reallast auf einen Anderen übertragen werden (§ UW). Wird das Grundstück des Berechtigten geteilt, so besteht die Reallast für die einzelnen Teile fort. Ist die Leistung teilbar, so bestimmen sich die Anteile der Eigentümer nach dem Verhältnis der Größe der Teile. Ist sie nicht teilbar, so kann der Schuldner nur an alle Berechtigte gemeinschaftlich leisten und jeder Berechtigte nur Leistung an alle verlangen. Es gelten die gleichen Grundsätze, wie wenn eine unteilbare Leistung an Mehrere geschuldet wird (vgl. Bd. IS. 285 ff.). Die Ausübung ist, soferne nicht das Gegenteil bestimmt ist, nur in der Weise zulässig, daß sie für den Eigentümer des belasteten Grund­ stücks nicht beschwerlicher wird. Der Berechtigte kann aber bestimmen, daß das Recht nur mit einem der Teile ver­ bunden sein soll (§ 1109). Die Bestimmung hat dem Grund­ buchamt gegenüber zu erfolgen und bedarf der Eintragung in das Grundbuch. Ist die Reallast selbst wieder mit dem Rechte eines Dritten, z. B. einem Nießbrauch oder Pfandrecht, belastet, so ist die Zustimmung des Dritten erforderlich. Steht die Reallast dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zu, so ist, wenn dieses Grundstück mit dem Recht eines Dritten, z. B. mit einer Hypothek, belastet ist, auch die Zustimmung des Dritten erforderlich, außer wenn sein Recht von der Bestimmung des Berechtigten nicht berührt wird. Die Zustimmung des Dritten ist dem Grundbuchamt oder demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt, und ist unwiderruflich. Die Bestimmung des Berechtigten, daß das Recht auf die Reallast nur mit einem der Teile verbunden sein soll, wird, wenn er die Erklärung dem Grundbuchamt gegenüber abge­ geben und Antrag auf Eintragung in das Grundbuch gestellt hat, nicht dadurch unwirksam, daß er nachträglich in der Ver­ fügung beschränkt wird. Veräußert der Berechtigte einen Teil des Grundstücks, ohne eine solche Bestimmung zu treffen, so bleibt das Recht mit demjenigen Teil verbunden, den er behält. Gereicht die Reallast dagegen nur einem der Teile zum Vor­ teile, so bleibt sie mit diesem Teile allein verbunden, auch wenn dies der veräußerte Teil sein sollte. Verpflichtet ist der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstücks und zwar haftet er für die während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Leistungen nicht nur mit dem Grundstück, sondern er haftet für dieselben auch persönlich mit seinem übrigen Vermögen, soweit nicht vertragsmäßig ein

Hypothek.

Grundschuld.

Rentcnschuld.

845

Anderes bestimmt ist (§ 1108). Bleibt daher der Verpflichtete mit einer Leistung im Rückstände, so hat der Berechtigte die Wahl, ob er sich an das Grundstück halten oder ob er den Verpflichteten persönlich in Anspruch nehmen will. Ja er kann die persönliche Haftung des Verpflichteten für rückständige Leistungen selbst dann noch geltend machen, wenn derselbe das Grundstück nicht mehr besitzt. Wird das belastete Grundstück geteilt, so haften die Eigentümer der einzelnen Teile als Ge­ samtschuldner. Auf die einzelnen Leistungen finden die für die Zinsen einer Hypothekenforderung geltenden Vorschriften ent­ sprechende Anwendung (§ 1107). Ob die Reallast als solche veräußert oder belastet, z. B. verpfändet werden kann, hängt davon ab, ob dies bei der einzelnen Leistung zulässig ist. Ist der Anspruch auf die einzelne Leistung nicht übertragbar, so kann auch das Recht als solches nicht veräußert oder belastet werden. Ist dagegen die Übertragung der einzelnen Leistung zulässig, so ist auch eine Veräußerung oder Belastung des Rechtes als solchen zu­ lässig. Dies gilt aber immer nur von den zu Gunsten einer bestimmten Person bestehenden Reallasten. Daß die zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers bestellten Reallasten nicht ohne das Grundstück übertragen, sohin auch weder veräußert oder be­ lastet werden können, nkurde bereits erwähnt. Ist der Berechtigte unbekannt, so kann er unter denselben Voraussetzungen wie der unbekannte Vorkaufsberechtigte im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden (vgl. § 1112 S. 842). Reallasten, die am 1. Januar 1900 bestehen, bleiben übergangsmit dem sich aus den bisherigen Gesetzen sich ergebenden In- b-st>mmungen. halt und Range bestehen (Art. 184 EG).

13. Kapitel.

Kypottzek.

Grnndfchukd.

Wentenschuld.

I. Einteilung. § 259. Die Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld sind Unter­ arten des Realkredits. Mit jedem Schuldverhältnisse, das nicht, wie z. B. der Barkauf Zug um Zug zu erfüllen ist, ist die Gewährung von Kredit verbunden. Ohne Kredit wäre unser heutiger Verkehr gar nicht denkbar. Auf Kreditgewährung

Hypothek.

Grundschuld.

Rentcnschuld.

845

Anderes bestimmt ist (§ 1108). Bleibt daher der Verpflichtete mit einer Leistung im Rückstände, so hat der Berechtigte die Wahl, ob er sich an das Grundstück halten oder ob er den Verpflichteten persönlich in Anspruch nehmen will. Ja er kann die persönliche Haftung des Verpflichteten für rückständige Leistungen selbst dann noch geltend machen, wenn derselbe das Grundstück nicht mehr besitzt. Wird das belastete Grundstück geteilt, so haften die Eigentümer der einzelnen Teile als Ge­ samtschuldner. Auf die einzelnen Leistungen finden die für die Zinsen einer Hypothekenforderung geltenden Vorschriften ent­ sprechende Anwendung (§ 1107). Ob die Reallast als solche veräußert oder belastet, z. B. verpfändet werden kann, hängt davon ab, ob dies bei der einzelnen Leistung zulässig ist. Ist der Anspruch auf die einzelne Leistung nicht übertragbar, so kann auch das Recht als solches nicht veräußert oder belastet werden. Ist dagegen die Übertragung der einzelnen Leistung zulässig, so ist auch eine Veräußerung oder Belastung des Rechtes als solchen zu­ lässig. Dies gilt aber immer nur von den zu Gunsten einer bestimmten Person bestehenden Reallasten. Daß die zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers bestellten Reallasten nicht ohne das Grundstück übertragen, sohin auch weder veräußert oder be­ lastet werden können, nkurde bereits erwähnt. Ist der Berechtigte unbekannt, so kann er unter denselben Voraussetzungen wie der unbekannte Vorkaufsberechtigte im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden (vgl. § 1112 S. 842). Reallasten, die am 1. Januar 1900 bestehen, bleiben übergangsmit dem sich aus den bisherigen Gesetzen sich ergebenden In- b-st>mmungen. halt und Range bestehen (Art. 184 EG).

13. Kapitel.

Kypottzek.

Grnndfchukd.

Wentenschuld.

I. Einteilung. § 259. Die Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld sind Unter­ arten des Realkredits. Mit jedem Schuldverhältnisse, das nicht, wie z. B. der Barkauf Zug um Zug zu erfüllen ist, ist die Gewährung von Kredit verbunden. Ohne Kredit wäre unser heutiger Verkehr gar nicht denkbar. Auf Kreditgewährung

846

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

beruht die Darlehenshingabe, der ganze Wechselverkehr, das Institut des Papiergeldes u. s. w. Von Personalkredit spricht man, wenn das Vertrauen des Gläubigers, daß sein Schuldner am Verfalltage seinen Verpflichtungen nachkommen werde, auf persönlichen Eigenschaften des Schuldners beruht; der Gläubiger vertraut darauf, daß der Schuldner nach seiner Fähigkeit, Redlichkeit, gesellschaftlichen Stellung u. s. w. ihn bezahlen werde. Täuscht der Schuldner das in ihn gesetzte Vertrauen, so kann zwar der Gläubiger ihn verklagen und, wenn er ein vollstreckbares Urteil erwirkt hat, die Zwangs­ vollstreckung in die ganze Habe des Schuldners bis zu seiner vollen Befriedigung vornehmen, aber er läuft immerhin Gefahr, daß der Schuldner in der Zwischenzeit vermögenslos wird. Gegen diese Gefahr kann sich der Gläubiger dadurch schützen, daß er sich schon vorher vom Schuldner einzelne bestimmte Vermögensstücke, Grundstücke, bewegliche Sachen oder Rechte als Sicherheit versprechen läßt, an welche er sich im Falle der Nichtbefriedigung unter allen Umständen halten kann, auch wenn sie sich zur Zeit der Fälligkeit der Schuld nicht mehr im Eigentum des Schuldners befinden sollten. Hier spricht man von Realkredit. Ob freilich im einzelnen Falle die gebotene Sicherheit zur Befriedigung ausreicht, ist eine andere Frage. Besteht die Sicherheit in Grundstücken, so spricht man von Immobiliarkredit, von Mobiliarkredit dagegen, wenn ihren Gegenstand bewegliche Sachen oder Rechte bilden. Als Formen des Immobiliarkredits kennt das BGB die Hypothek, die Grundschuld und die Rentenschuld. Alle drei Arten stellen sich dar als Belastung eines Grundstücks in der Weise, daß der Gläubiger, falls er nicht befriedigt wird, berechtigt ist, das Grundstück versteigern zu lassen und den Erlös zu seiner Befriedigung zu verwenden. Daneben sieht das EG noch in Art. 60 die landesgesetzlich zu regelnde sog. Revenüenhypothek vor, wonach der Gläubiger nicht aus der Sache selbst, sondern nur aus ihren Nutzungen Be­ friedigung suchen darf. Dem Mobiliarkredit dient das Pfandrecht an beweg­ lichen Sachen und Rechten.

II. Vie Hypothek. § 260. Begriff.

Begriff und Arten.

Unter einer Hypothek versteht man die Belastung eines Grundstücks in der Weife, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine be­ stimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer

Die Hypothek.

Begriff und Arten.

847

ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist (§ 1113 Abs. 1). Die Hypothek ist demnach einRecht an einem Grund­ stück; daher finden die allgemeinen Vorschriften über Rechte an Grundstücken auch auf die Hypothek insoweit Anwendung, als nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt. Der Inhalt der Hypothek besteht darin, daß an den­ jenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine be­ stimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zu­ stehenden Forderung aus dem Grundstücke zu zahlen ist. Daher trifft denjenigen, welcher eine Hypothek bestellt, keine Verpflich­ tung, den Gläubiger am Verfalltage zu bezahlen; diese Ver­ pflichtung hat er nur dann, wenn er zugleich Schuldner der Forderung ist, für welche die Hypothek bestellt wird. Man hat daher zwischen den Rechten zu unterscheiden, die sich für den Gläubiger auf Grund seines persönlichen Forderungs­ rechtes, und den Rechten, die sich für ihn auf Grund seines Hypothekenrechtes ergeben, Das Forderungsrecht setzt einen persönlichen Schuldner voraus; von diesem kann der Gläubiger am Verfalltage eine Leistung, d. i. Zahlung verlangen (§ 242). Etwas ganz Anderes bedeutet das Recht des Hypothekengläu­ bigers, kraft seines Hypothekenrechtes Zahlung aus dem Grund­ stücke zur Befriedigung wegen der ihm zustehenden Forderung zu verlangen; denn das dingliche Recht richtet sich nicht gegen eine bestimmte Person und Zahlung aus dem Grundstücke suchen bedeutet nichts anderes, als seine Befriedigung aus dem Grundstücke im Wege der Zwangsvollstreckung suchen.*) Persönlicher Schuldner und Hypothekenschuldner sind daher nicht immer identisch; ja es kann sogar der Fall eintreten, daß ein Hypothekenschuldner gar nicht vorhanden ist, nämlich dann, wenn der Eigentümer des Grundstücks nach § 928 auf sein Eigentum an dem Grundstücke verzichtet und ein Anderer sich das Grundstück noch nicht angeeignet hat. Der Unterschied zwischen Schuld und Haftung kommt eben hier besonders deut­ lich zum Ausdrucke. Eine Vereinbarung, wonach der Gläubiger auf Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Grundstücke verzichten würde, wäre unzulässig, da ein solcher Verzicht der Hypothek ihren Inhalt rauben würdet) Da die Hypothek ein Recht, an einem Grundstücke ist, so finden auf sie auch die Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs Anwendung. Das Gesetz geht aber noch weiter: es erstreckt den Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs auch auf die der Hypothek zu Grunde liegende *) IW 1902 Beil. 2 S. 198; ROLG 1 S. 259; RG 47 S. 269; vgl. auch BlfRA 63 S. 167. ’) BlsRA 66 S. 5; ROLG 2 S. 9.

Inhalt.

848

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Forderung. Wenn daher der gutgläubige Erwerber einer Hypo­ thek sein Hypothekrecht geltend macht, so kann ihm der Eigen­ tümer des Grundstücks sein Hypothekrecht nicht deshalb be­ streiten, weil die Forderung nicht zu Recht bestehe. Diese Verkehr?- Form der Hypothek, auch Verkehrshypothek genannt, ist die gewöhnliche Form der Hypothek; wo daher im Nach­ folgenden der Ausdruck „Hypothek" gebraucht wird, ist die Verkehrshypothek gemeint. Die Verkehrshypothek zerfällt wieder in zwei Unterarten: Briefhypothek — in die Briefhypothek und in die Buchhypothek. Der Buchhypothek. Mterschied besteht darin, daß für die Briefhypothek ein Hypo­ thekenbrief erteilt wird, während bei der Buchhypothek die Erteilung eines Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist. An. diese Unterscheidung knüpfen sich freilich, insbesondere bei der Über­ tragung, noch weitere Verschiedenheiten. Sicherungs" Im Gegensatze zur Verkehrshypothek steht die Sichehypothek. rungshypothek. Sie kommt nur als Buchhypothek vor und muß, abgesehen von einigen bestimmten Fällen, im Grund­ buche als Sicherungshypothek bezeichnet sein. Von der Ver­ kehrshypothek unterscheidet sie sich dadurch, daß sich das Recht des Gläubigers nur nach der Forderung richtet und daß sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs auf die Forderung nicht erstreckt; der öffentliche Glaube des Grundbuchs ist daher auf die Hypothek beschränkt. Wenn deshalb der gutgläubige Er­ werber einer Sicherungshypothek Befriedigung aus dem Grund­ stücke sucht, so kann der Eigentümer des belasteten Grundstückes nicht bestreiten, daß derselbe Befriedigung aus dem Grund­ stücke suchen dürfe, wenn auch die Forderung besteht; er kann aber die Forderung nach Bestand oder Höhe anstreiten und dann darf sich der Erwerber der Hypothek zum Nachweise der Forderung nicht, wie bei der Verkehrshypothek, einfach auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen.

§ 261. Die Entstehung der Hypothek. Die Hypothek entsteht entweder mit dem Willen des Eigentümers oder ohne, ja selbst gegen dessen Willen. Rechtrgeichästi. I. Zur Entstehung der Hypothek mit dem Willen des I.che Entstehung.^bntümers, d. h. durch Rechtsgeschäft, wird .erfordert: 1. die Einigung des Eigentümers und des Gläubigers über die Belastung eines bestimmten Grundstückes mit der Hypothek und 2. die Eintragung der Hypothek in das Grundbuch. Besteller der Hypothek kann nur der Eigentümer des zu belastenden Grundstückes sein. Nicht vorausgesetzt wird, daß der Besteller bereits im Zeitpunkte der Erteilung der Ein­ tragungsbewilligung Eigentümer des Grundstückes ist; es genügt,

Die Entstehung der Hypothek.

849

daß er Eigentümer ist, wenn die Hypothek eingetragen werden soll; denn nach § 185 wird die Verfügung über das -Grund­ stück mit dem nachträglichen Erwerbe des Eigentums an dem­ selben wirksam. Nicht erforderlich ist, daß der Besteller auch Schuldner der Forderung ist, für welche die Hypothek bestellt wird; auch für fremde Schulden kann der Eigentümer sein Grundstück mit einer Hypothek belasten. Hat sich der Eigentümer einem Hypothekengläubiger Belastung». und gegenüber verpflichtet, sein Grundstück nicht weiter zu Ser^n6at"g8=: belasten, so ist eine solche Vereinbarung nichtig (§ 1136); der Eigentümer wird daher trotz einer solchen Vereinbarung nicht gehindert, sein Grundstück weiter zu belasten. Wie übrigens gleich hier bemerkt werden mag, sind auch solche Vereinbarungen nichtig, durch die sich der Eigentümer einem Hypothekengläu­ biger gegenüber verpflichtet, das Grundstück nicht zu ver­ äußern oder nur mit dessen Zustimmung zu veräußern. Dies gilt aber nur von Verpflichtungen, die der Eigentümer einem Hypochekengläubiger gegenüber eingeht. Dagegen ist eine solche Verpflichtung gültig, wenn sie einer anderen Person als einem Hypothekengläubiger gegenüber eingegangen wird; nur erzeugt sie nicht dingliche, sondern nur persönliche Wirkung; der Eigentümer kann daher gleichwohl das Grundstück belasten oder veräußern, macht sich aber hierdurch schadensersatzpflichtig. Gültig ist auch eine Vereinbarung, welche die Veräußerung oder Belastung nicht verbietet, sondern lediglich besondere Folgen hieran knüpft, so z. B. daß die Hypothek fällig sein solle, wenn der Eigentümer ohne Zustimmung des Hypotheken­ gläubigers das Grundstück veräußere oder belaste.*) Die Eintragung der Hypothek erfolgt gemäß § 19Eintragung der GO lediglich auf Grund der einseitigen Bewilligung^Wndbuch. desEigentümers. Aber auch wenn dieser die Eintragungs­ bewilligung erteilt hat, nimmt das Grundbuchamt die Ein­ tragung nicht von Amtswegen vor, sondern wird nur auf Antrag tätig. Den Antrag auf Eintragung der Hypothek kann sowohl der Eigentümer als auch der Gläubiger stellen (§ 13 GO). Die Gültigkeit der Eintragung hängt zwar nicht davon ab, daß der Besteller der Hypothek auch als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen ist. Erforderlich und auch genügend ist, daß der Besteller der Hypothek der wirkliche Eigentümer ist. Allein nach § 40 GBO soll eine Eintragung nur dann erfolgen, wenn der Besteller auch als Eigentümer des zu be­ lastenden Grundstücks eingetragen ist. Der Grundbuchbeamte hat daher den Antrag auf Eintragung einer Hypothek zurück') aMBlfRA 64 S. 79; vgl. auch 62 S. 232 ; 64 S. 353, 374; 65 S. 325. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. T. 54

850

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

zuweisen, wenn der Besteller nicht als Eigentümer in das Grund­ buch eingetragen ist oder dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Beseitigung des der Eintragung entgegenstehenden Hindernisses zu setzen (§ 18 GO). Bei der Eintragung im Grundbuch müssen angegeben werden (§ 1115 Abs. 1): 1. der Gläubiger. Dieser ist derart bestimmt zu be­ zeichnen, daß über seine Identität kein begründeter Zweifel aufkommen kann.») In der Regel wird daher bei natürlichen Personen die Angabe des Vor- und Familiennamens, des Standes und Wohnortes erforderlich sein. Ist jedoch durch die übrigen angegebenen Merkmale die Identität außer Zweifel gestellt, so genügen diese; dann schadet z. B. das Fehlen des Vornamens nichts) ferner kann eine Hypothek auch zu Gunsten der ihrer Zahl nach unbekannten Abkömmlinge der Kinder eines Erblasser eingetragen werden.6* )2 *Die * 5 Firma eines Einzel­ kaufmannes^) ist keine genügende Bezeichnung. Ebenso kann eine Hypothek für die Erben nicht auf den Namen des Testa­ mentsvollstreckers eingetragen werden. Soll für eine juristische Person eine Hypothek eingetragen werden, so ist diese als Gläubigerin einzutragen, so z. B. bei Darlehen aus Mitteln einer städtischen Sparkasse nicht die Sparkasse, sondern die Stadtgemeinde.6) übrigens wird durch eine unrichtige Bezeich­ nung des Gläubigers die Rechtsbeständigkeit der Hypothek nicht erschüttert, sofern nur die Persönlichkeit des Gläubigers nach dem Einträge ermittelbar ist.6) 2. der Geldbetrag der Forderung, und zwar in Reichswährung (§ 28 GO). Die sog. „Goldklausel"7) d. h. die Bestimmung, daß die Rückzahlung in Goldmünzen zu er­ folgen habe, ist zwar eintragungsfähig; da jedoch die Bezug­ nahme auf die Eintragungsbewilligung genügt, so besteht ein Anspruch auf Eintragung nicht. Der Geldbetrag der Forde­ rung muß auch dann angegeben werden, wenn eine Hypothek bloß vorgemerkt werden soll.6) Übrigens genügt die Angabe des Geldbetrages allein nicht. Vielmehr kann die Eintragung nur für eine bestimmte, konkret bezeichnete Forderung erfolgen; insbesondere muß sich aus dem Inhalte der Eintragungs­ bewilligung das Schuldverhältnis, aus dem die Forderung *) Vgl. ROLG 5 S. 7. 2) ROLG 3 S. 229; Recht 1901 S. 464, 490. ’) EFG 2 S. 241; ROLG 7 S. 375. ‘) EFG 3 S. 196; aM ROLG 5 S. 254. 5) ROLG 8 S. 204. ') IW 1898 S. 272 Nr. 42. ') RG 50 S.145; IW 1902 S. 123; Recht 1902 S. 208; SammlnF 2 S. 803; EFG 1 S. 71; 3 S. 197; ROLG 1 S. 48; 2 S. 364; 5 S. 317. «) ROLG 3 S. 3.

Die Entstehung der Hypothek.

851

entstanden ist, ergeben.1) Die Angabe, daß ein abstraktes Schuldversprechen vder Schuldanerkenntnis vorliegt, genügt.2) Falsche Angabe des Schuldgrundes bewirkt jedoch nicht die Ungültigkeit der Hypothek, sondern belastet nur den Gläubiger mit der Darlegung des richtigen Schuldgrundes; begnügt sich dagegen der Schuldner nicht mit einem bloßen Bestreiten des angegebenen Schuldgrundes, sondern will er aus dessen Un­ richtigkeit Rechte für sich ableiten, so trifft ihn die Beweislast, so z. B. wenn die Forderung als Bardarlehen bezeichnet ist, auch wenn der Gläubiger zugibt, daß das Darlehen nicht in Barem hingegeben wurde.2) 3. der Zinssatz. Ist ein Zinssatz bei einer verzins­ lichen Forderung nicht angegeben, so kann die Eintragung der Hypothek nicht erfolgen.4) Zinssatz ist gleichbedeutend mit Zinsfuß. Angabe in Prozenten ist nicht erforderlich; es genügt die Angabe des Gesamtbetrags der jährlich oder in anderen bestimmten Zeiträumen zu zahlenden Zinsen. Ebensowenig bedarf es der Angabe der Zinszahlungstermine.2) Zulässig ist auch die Angabe, daß das Kapital zu 4°/0 verzinslich sei, der Zinsfuß jedoch bei Zahlungssäumigkeit sich um V2 °/o er­ höhen und die Hypothek sich auch auf eine etwaige Zinserhöhung bis zu 6°/0 erstrecken soll.2) 4. wenn andere Nebenleistungen zu entrichten sind, ihr Geldbetrag. Als Nebenleistungen sind solche Leistungen anzusehen, welche nicht den Charakter selbständiger Kapitals­ forderungen haben, sondern neben dem Hauptkapital zu ent­ richten sind, sodaß durch sie die Forderung des Gläubigers und damit die Belastung des Grundstücks erweitert wird. Hierher ge­ hören vor allem Vertragsstrafen, Strafzinsen, Zinseszinsen, soweit zulässig, der Bierpfennig1) u. dgl.; dagegen sind Amor­ tisationsquoten2) (Annuitäten) nicht als Nebenleistungen zu erachten, vielmehr handelt es sich hier lediglich um Rückzahlungs­ bedingungen. Das Gleiche gilt, wenn vereinbart wird, daß die Rückzahlung des Kapitals in Goldmünzen deutscher Reichs­ währung erfolgen soll („Goldklausel", s. oben Nr. 2). Im übrigen, z. B. in Ansehung der Rückzahlungsbe­ dingungen, kqnn zur Bezeichnung der Forderung auf die Ein') ROLG 2 S. 276 Fußnote; 3 S. 359; EFG 3 S. 135. ’) ROLG 3 S 359. ') IW 1904 S. 142 Nr. 10. *) ROLG 1 S. 456. •) ROLG 7 S. 195. ") ROLG 1 S. 200, 291; 4 S. 81; 8 S. 206; EFG 1 S. 79; 3 S. 52; SA 57 Nr. 124; Recht 1900 S. 332, 438; 1902 S. 44. ’) ROLG 3 S. 232. ’) ROLG 5 S. 256; Recht 1902 S. 508; SammlnF 3 S. 640; RG 54 S. 88; aM ROLG 4 S. 70; BlfRA 67 S. 457; vgl. DIZ 1902 S. 243.

Hypothek.

852

Grundschuld.

Rentenjchuld.

tragungsbewilligung oder auf das die Bewilligung ersetzende Urteil1) Bezug genommen werden. Bei der Eintragung der Hypothek für ein Darlehen einer Kreditanstalt, deren Satzung von der zuständigen Be­ hörde öffentlich bekannt gemacht worden ist, genügt zur Be­ zeichnung der außer den Zinsen satzungsgemäß zu entrichtenden Nebenleistungen die Bezugnahme auf die Satzung (§ 1115 Abs 2). Unter einer Kreditanstalt2)* 4versteht man ein auf Großbetrieb gerichtetes, den Abschluß von Kreditgeschäften be­ zweckendes Unternehmen. Die Nebenleistungen müssen in der Satzung selbst geregelt sein und nicht erst in der betreffenden einzelnen Schuldurkunde.2) Es genügt, daß die Satzung inso­ weit öffentlich bekannt gemacht ist, als sie die einzutragenden Nebenleistungen enthält.1) über die^BestelWenn auch das Grundbuchamt die Eintragung der lung der^Hypo- Hypothek lediglich auf Grund der einseitigen Eintragungs­ bewilligung des Eigentümers vornimmt, so gelangt doch auf Grund dieser Eintragung allein die Hypothek noch nicht zur Entstehung. Hierzu wird noch weiter die Einigung des Eigentümers und des Hypothekengläubigers über die Belastung des Grundstücks mit der Hypothek erfordert. Es ist zwar gleichgültig, wann diese Einigung erfolgt, ob schon vor der Eintragung oder erst nach derselben. Für den Rang, der Hypothek ist immer derZeitpunkt der Eintragung, nicht der Zeitpunkt der Einigung maßgebend. Die Hypothek behält daher den durch den Zeitpunkt der Eintragung be­ stimmten Rang auch dann, wenn die Einigung erst später zustande kommt. So lange aber die Einigung nicht er­ folgt ist, so lange fehlt es der Hypothek an einem wesent­ lichen Erfordernisse, so lange kann der Eigentümer wie auch die übrigen an dem Grundstück Berechtigten, deren Recht durch die Eintragung beeinträchtigt würde, die Berichti­ gung des Grundbuchs verlangen oder einen Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eintragen lassen (§§ 894, 899). Entstehung der II. Ohne und selbst gegen den Willen desEigenund°gegen°^en tümers erfolgt die Eintragung der Hypothek:Willen des Eigen­ tümers. 1. auf Grun­ des Ersuchens der Behörde.

1. in denjenigen Fällen, in welchen eine Behörde nach gesetzlicher Vorschrift befugt ist, die Eintragung der Hypothek zu verlangen. In diesen Fällen erfolgt die Eintragung ledig­ lich auf Grund des Ersuchens der Behörde (§ 39

1) 2) 8) 4)

ROLG 3 S. 232. EFG 1 S. 206; ROLG 1 S. 201; 2 S. 110. ROLG 4 S. 72. EFG 1 S. 205; ROLG 2 S. 110.

Die Entstehung der Hypothek.

853

GO). So ist, wenn nach dem Ermessen des Vormundschastsgerichts die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Vormund, der Pfleger oder der' Beistand zur Sicherheits­ leistung angehalten werden kann, das Gericht befugt, das Grundbuchamt um die Eintragung einer Sicherungshypothek an den Grundstücken des Vormundes, des Pflegers oder des Beistandes zu ersuchen. Die Hypothek entsteht in die­ sem Falle mit der Eintragung (§ 54 FG). Auch nach Durchführung der Beschlagnahme kann das Vollstreckungs­ gericht in die Lage kommen, das Grundbuchamt um Eintragung einer Sicherungshypothek zu ersuchen. Nach der Erteilung des Zuschlags an den Ersteher des Grundstücks wird nämlich ein Termin zur Verteilung des Versteigerungserlöses anbe­ raumt. Soweit nun im Verteilungstermin das Bargebot vom Ersteher nicht berichtigt wird, entweder weil er hierzu nicht imstande ist oder weil ihm Zahlungsfristen bewilligt worden sind, wird die Forderung gegen den Ersteher auf die Berechtigten durch gerichtliche Anordnung übertragen. Soweit nun die Forderung gegen den Ersteher den Berechtigten über­ tragen wird oder soweit sie unverteilt bleibt, weil sich ein Über­ schuß ergibt, hat das Vollstreckungsgericht das Grundbuchami zu ersuchen, für die Berechtigten, denen die Forderung über­ tragen wurde, bezw. für denjenigen, der zur Zeit des Zu­ schlags Eigentümer war, eine Sicherungshypothek einzutragen (§§ 105, 118, 128, 130 ZVG). 2. Ohne und gegen den Willen des Eigentümers kann es zur Eintragung einer Hypothek im Zwangsvollstreckungsverfahren kommen lZwangshypothek). Die Zwangsvollstreckuung in ein Grundstück erfolgt durch Ein­ tragung einer Sicherungshypothek für die Forderung, durch Zwangsversteigerung oder durch Zwangsverwaltung. Der Gläubiger kann verlangen, daß eine dieser Maßregeln allein oder neben den übrigen ausgeführt werde. Die Eintragung einer Sicherungshypothek erfolgt auf Antrag des Gläubigers auf Grund eines Vvllstreckungstitels. Auf Grund eines Voll­ streckungsbefehls findet jedoch die Eintragung einer Sicherungs­ hypothek nicht statt. Auf Grund eines anderen Schuldtitels, also eines vollstreckbaren Urteils, eines Vergleichs, eines Arrestbefehls u. s. w. darf eine Sicherungshypothek nur für eine den Betrag vön 300 Jtn übersteigende Forderung eingetragen werden (§ 866 CPO). Der Bollstreckungstitel muß, abgesehen von den Nebenforderungen wegen Zinsen, Kosten und Schäden, auf über 300 jH» lauten. Gleich­ gültig ist dann, ob die Hauptforderung aus nur einer Forderung oder aus mehreren Forderungen mit gleichem oder verschiedenem Rechtsgrunde besteht.^) Zusammenrechnung *) IW 1901 S. 300; vgl. auch S. 575.

854

3. auf Grund Urteils.

Entstehung der Hypothek kraft Gesetzes.

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

der auf mehreren Vollstreckungstiteln beruhenden Forderungen um die Summe von 300 Jfc zu erreichen, ist selbst dann nicht gestattet, wenn diese Vollstreckungstitel Teilurteile in Bezug auf dieselbe Forderung ftnb.*1) Auf Grund eines Kostenfest­ setzungsbeschlusses kann eine Sicherungshypothek nur dann ein­ getragen werden, wenn entweder die Kosten den Betrag von 300 Jb überschreiten2) oder wenn die Eintragung der Hypothek für die Hauptsache gleichzeitig mit der Hypothek für die Kosten erfolgt oder schon erfolgt ist.3) Wird die Eintragung einer Hypothek durch einstweilige Verfügung angeordnet, so ist die Eintragung selbst dann zu­ lässig, wenn die Hypothek auf weniger als 300 lautet.4) 3. Ohne und gegen den Willen des Eigentümers erfolgt die Eintragung der Hypothek ferner dann, wenn der Eigen­ tümer zur Erteilung der Eintragungsbewilligung rechtskräftig verurteilt ist. Auf Verurteilung zur Erteilung einer Ein­ tragungsbewilligung kann geklagt werden, wenn der Eigen­ tümer zur Hypothekbestellung verpflichtet ist und die Erteilung der Eintragungsbewilligung verweigert. Der Unternehmer eines Bauwerkes oder eines einzelnen Teiles eines Bauwerkes kann z. B. für seine Forderung aus dem Vertrage die Ein­ räumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstücke des Bestellers verlangen; ist das Bauwerk noch nicht vollendet, so kann er die Einräumung einer Sicherungshypothek für einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und für die in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen ver­ langen (§ 648 vgl. Bd. 1 S. 524). Verweigert in diesen Fällen der Eigentümer die Erteilung der Eintragungsbewilligung, so kann er hierauf verklagt werden. Mit dem Eintritte der Rechtskraft des Urteils gilt dann die Eintragungsbewilligung als erteilt. Schon vorher kann der Berechtigte zur Sicherung seines Anspruchs auf Einräumung der Hypothek bei dem Prozeßgerichte, in dringenden Fällen auch bei dem Amtsge­ richte, in dessen Bezirke das Grundstück liegt, eine einstweilige Verfügung und auf Grund derselben die Eintragung einer Vormerkung irrt Grundbuch erwirken (§ 883 BGB und § 936 CPO). III. Nur in einem einzigen Falle entsteht die Hypothek krüft Gesetzes (§ 1287). Hat nämlich ein Pfandgläubiger an einem Anspruch, welcher auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück geht, ein Pfandrecht erworben, so erwirbt ') IW 1900 S. 172, 244; 1901 S. 300; DIZ 1900 S. 203; ROLG 1 S. 6, 99; 5 S. 331; SammlnF 1 S. 266; BlfR'A 65 S. 467. 2) IW 1901 S. 300; Recht 1903 S. 396. ’) SammlnF 1 S. 294; 2 S. 536; BlfRA 65 S. 469, 68 S. 204; IW 1901 S. 300; ROLG 1 S. 99. *) vgl. IW 1901 S. 300; ROLG 1 S. 205.

Die der Hypothek zu Grunde liegende Forderung.

855

er, wenn der Drittschuldner das Eigentum an dem Grund­ stück überträgt, kraft Gesetze eine Sicherungshypothek an dem Grundstück. Z. B. B schuldet dem A den Betrag von 1000 Jfc und bestellt demselben zu Gunsten dieser Forderung an den ihm gegen den C zustehenden Anspruch auf Übertragung des Eigentums eines Grundstücks ein Pfandrecht. Überträgt nun C dem B das Eigentum an diesem Grundstück, so steht dem A an dem Grundstücke eine Sicherungshypothek auf 1000 jK> zu. Eine Eintragung dieser Hypothek ist nur insofern er­ forderlich , als sich ihr Rang nach dem Zeitpunkte der Ein­ tragung bestimmt und als den Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs nur eingetragene Hypotheken in Anspruch nehmen können. Gleichgültig ist, ob das Pfandrecht an dem Ansprüche auf Übertragung des Eigentums von dem Schuld­ ner freiwillig bestellt oder von dem Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung erworben wurde (vgl. § 848 CPO).

§ 262. Die der Hypothek zu Grunde liegende Fordervng. Die Forderung, für welche eine Hypothek bestellt wird, muß auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme ge­ richtet sein. Soweit dies der Fall ist, kann eine Hypothek für alle möglichen Verbindlichkeiten bestellt werden: für Darlehens­ und Kaufpreisforderungen, für Forderungen aus einem Werk­ vertrag, für Wechselforderungen, für Forderungen aus Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber u. dgl. Nicht erforderlich ist, daß die Forderung eine bereits bestehende oder gar eine be­ reits fällige sei. Auch für bedingte und betagte For­ derungen kann eine Hypothek bestellt werden (§ 1113 Abs. 2). Darlehens- und Kaufpreisforderungen werden sogar in der Regel entweder überhaupt für eine gewisse Zeit unkündbar oder es wird wenigstens ihre Fälligkeit von einer vorausgehenden Kündigung abhängig gemacht sein. Das Bestehen einer Forderung ist jedoch nicht Voraus­ setzung für die Entstehung der Hypothek. Hierzu ist er­ forderlich und genügend die Einigung des Gläubigers und des Eigentümers über die Errichtung der Hypothek und deren Eintragung im Grundbuch. Da aber die Hypothek dem Gläu­ biger das Recht gewährt, wegen einer ihm zustehenden Forderung Befriedigung aus dem Grundstücke zu verlangen, so ist das Bestehen der Forderung von Bedeutung für das Gläubigerrecht. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Hypothek für eine künftige Forderung bestellt roirb.1) Besteht die Forderung, für welche die Hypothek b estellt ist, nicht, so steht sie dem Eigentümer zu (tz 1163), aber nicht als Hypothek, sondern als Eigentümergrundschuld ') NG 51 S. 43.

Hypothek.

856

Wechsel der For etung.

Grundschuld.

Rentenschuld.

(§ 1177 Abs. 1). Das Gleiche ist der Fall, wenn die Forderung wieder erlischt. Forderung und Hypothek sind aber nicht unauflöslich m|j. einQn^er verbunden ; vielmehr kann jederzeit an die Stelle der Forderung, für welche die Hypothek besteht, eine andere Forderung gesetzt werden (§ 1180). Ja, es ist sogar zulässig zu bestimmen, daß eine eingetragene Hypothek, für die nur eine dem Höchstbetrag nach bestimmte Forderung besteht, an 2. Stelle auch für die Forderung eines anderen Gläubigers haften soll.1) Damit ändert sich aber zugleich der Inhalt der Hypothek. Deshalb ist zu dieser Änderung, wie zur Änderung des Inhaltes eines anderen dinglichen Rechtes, die Einigung des Gläubigers und des Eigentümers sowie die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforder­ lich.^) Vor der Eintragung sind die Beteiligten an die Eini­ gung nur gebunden,b) wenn die Erklärungen gerichtlich oder notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Gläubiger dem Eigentümer eine den Vorschriften der Grundbuchordnung ent­ sprechende Eintragungsbewilligung erteilt hat; dagegen ist für den obligatorischen Vorvertrag eine Form nicht vorgeschrieben.1) Die von dem Gläubiger abgegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam,, daß er in der Verfügung be­ schränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend ge­ worden und der Äntrag auf Eintragung bei dem Grund­ buchamte gestellt worden ist. Steht die Forderung, die an die Stelle der bisherigen Forderung treten soll, nicht dem bis­ herigen Hypothekengläubiger zu, so ist dessen Zustimmung er­ forderlich; die Zustimmnng ist dem Grundbuchamte oder dem­ jenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; vor der Eintragung der Rechtsänderung ist er an seine Er­ klärung nur gebunden, wenn er sie dem Grundbuchamt gegen­ über abgegeben oder demjenigen, zu dessen Gunsten sie erfolgt, eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat. Ist die Forderung, an deren Stelle eine andere treten soll, mit dem Rechte eines Dritten belastet, so ist auch die Zustimmung des Dritten er­ forderlich ; die Zustimmung ist dem Grundbuchamte oder dem­ jenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt; sie ist unwiderruflich. Die Zustimmung der Nachhypothekare ist nicht erforderlich, da deren Rechte durch den Wechsel der Forderung nicht beeinträchtigt werden, und zwar selbst dann ') 2) “) ')

EFG 2 S. 187; ROLG 3 S. 196. vgl. auch ROLG 6 S. 124. vgl. ROLG 5 S. 8; Recht 1902 S. 396. RG 50 S. 77; IW 1902 Beil. 1 S. 194.

Der Hypothekenbrief.

857

nicht, wenn die neue Forderung größer ist als die alte; denn das Grundstück haftet immer nur für bett' Betrag der ur­ sprünglichen Forderung. Soll sich freilich die Hypothek auf die ganze Forderung erstrecken oder für einen höheren Zinsfuß als für 5°/o haften, so müssen die Nachhypothekare in soweit im Range zurücktreten. Selbstverständlich ist, daß an die Stelle der ursprüng­ lichen Forderung auch mehrere Forderungen für denselben oder für verschiedene Gläubiger mit gleichem oder verschiedenem Range treten können.

§ 263. Der Hypothekenbrief?) Über die Hypothek wird ein Hypothekenbrief erteilt (§ 1116). Die Erteilung des Hypothekenbriefes bildet aber kein begriffliches Erfordernis der Hypothek; denn die Beteiligten können auch das Gegenteil vereinbaren. Je nach­ dem nun ein Hypothekenbrief erteilt oder die Erteilung durch Vereinbarung ausgeschlossen wird, unterscheidet man zwischen der Briefhypothek pnd der Buchhypothek. Über die Hypothek wird grundsätzlich ein Hypothekenbrief erteilt (§ 1116 Abs. 1). Soll die Hypothek eine Buchhypothek sein, so muß die Erteilung des Hypothekenbriefs ausdrücklich ausgeschlossen werden. Ist daher der Eigentümer zur Be­ willigung der Eintragung einer Hypothek schlechthin verurteilt, so kann die Hypothek' nur als Briefhypothek eingetragen werden. Die Erteilung des Briefs kann schon bei der Bestellung b^Miung'b®« der Hypothek ausgeschlossen werden; die Ausschließung kann Hypoth-renaber auch nachträglich erfolgen (§ 1116 Abs. 2). Zur Ausrte c' schließung ist die Einigung des Gläubigers und des Eigen­ tümers, sowie die Eintragung in das Grundbuch erforderlich. Vor der Eintragung sind die Parteien an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen gerichtlich oder notariell be­ urkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind, oder wenn der Berechtigte dem anderen Teile eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung abgegeben hat. Ist noch dazu der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamt gestellt, so wird die von den Beteiligten abgegebene Erklärung auch da­ durch nicht unwirksam, daß sie nachträglich in der Verfügung beschränkt werden. Ist die Hypothek mit dem Rechte eines Dritten belastet, z. B. mit einem Nießbrauch oder Pfandrecht, so ist zur Ausschließung auch die Zustimmung des Dritten erforderlich. Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt oder ’) BlfRA 68 S. 153 ff.

858

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

dem Eigentümer gegenüber zu erklären und ist unwider­ ruflich. Erfolgt die Ausschließung vor der Eintragung der Hypo­ thek in das Grundbuch , so erfolgt die Eintragung der Aus­ schließung ebenso, wie jede Eintragung, auf Grund der ein? fettigen Eintragungsbewilligung des Eigentümers, da ein Recht, das von der Eintragung betroffen würde (§ 19 GO), noch nicht vorhanden ist.1) Soll dagegen die Ausschließung nach der Eintragung der Hypothek eingetragen werden, so ist auch die Eintragungsbewilligung des Gläubigers erforderlich?) Die Ausschließung der Erteilung des Briefes kann wieder aufge­ hoben werden; die Aufhebung erfolgt in gleicher Weise wie die Ausschließung (§ 1116 Abs. 3). Es gilt daher hier hin­ sichtlich des Erfordernisses der Einigung und Eintragung sowie hinsichtlich der Bindung und Zustimmung Dritter das Gleiche wie dort. Aus diesem Grunde ist auch die Eintragung eines Vermerkes, daß es dem Gläubiger jederzeit freistehen soll, die Erteilung eines Briefes zu verlangen, unzulässig?) Wird eine Sicherungshypothek bestellt, so bedarf es einer Ausschließung der Erteilung des Hypothekenbriefes nicht. Für dieselbe ist die Erteilung des Hypothekenbriefes kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 1185 Abs. 1). Die Sicherungs­ hypothek ist daher immer eine Buchhypothek. In allen denjenigen Fällen aber, in welchen die Erteilung des Hypothekenbriefes nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, wird ein Hypothekenbrief erteilt und zwar von dem Grundbuchdes Hy- amte. Derselbe muß die Bezeichnung als Hypothekenbrief enthalten, den Geldbetrag der Hypothek und das belastete Grundstück bezeichnen, sowie mit Unterschrift und Siegel ver­ sehen sein (§ 56 GO). Fehlt es an einem dieser Erforder­ nisse, so ist der Hypothekenbrief ungültig. Außerdem soll derselbe die Nummer des Grundbuchblattes angeben und einen Auszug aus dem Grundbuch enthalten, der auf Antrag zu er­ gänzen ist, wenn der Inhalt des Grundbuchs sich ändert (§ 57 GO). Ist über die Forderung, für welche die Hypo­ thek besteht, eine Urkunde, z. B. ein Schuldschein, ausgestellt, so soll die Urkunde mit dem Hypothekenbrief verbunden werden. Erstreckt sich der Inhalt der Urkunde auch auf andere An­ gelegenheiten, so genügt es, wenn ein öffentlich beglaubigter Auszug mit dem Hypothekenbriefe verbunden wird (§ 58 GO). Eintragungen die bei der Hypothek erfolgen, wie z. B. die Ein­ tragung einer Änderung der Zins- und Zahlungsbestimmungen,

*) EFG 1 S. 22; DIZ 1900 S. 499; 1901 S. 557. 2) ROLG 1 S. 414. •) ROLG 2 S. 322; EFG 2 S. 36.

Der Hypothekenbrief.

859

sind von dem Grundbuchamt auf dem Hypothekenbriefe zu ver­ merken und der Vermerk mit Unterschrift und Siegel zu ver­ sehen 62 GO). Der Hypothekenbrief ist dem Eigentümer des Grundstücks, ^A^i^ung im Falle der nachträglichen Erteilung dem Gläubiger auszu­ händigen. Eine abweichende Bestimmung des Eigentümers oder des Gläubigers braucht das Grundbuchamt aber nur dann zu berücksichtigen, wenn die Erklärung vor ihm zu Pro­ tokoll gegeben oder durch eine öffentliche oder öffentlich be­ glaubigte Urkunde nachgewiefen wird (§ 60 GO). Der Berechtigte kann- die Erteilung eines neuen Briefes verlangen, wenn er den Brief oder ein ergangenes Ausschlußurteil vorlegt. Der neue Brief hat die Angabe zu enthalten, daß er an die Stelle des bisherigen Briefes tritt; ferner ist dies im Grundbuche zu vermerken (§§ 67, 68 GO). So wenig die Erteilung des Hypothekenbriefes zum Begriffe der Hypothek gehört, ebensowenig ist die Tatsache, ob SW der Hypothekenbrief erteilt wird oder ob seine Erteilung aus- ®ISu6,eergeschlossen wird, für die Entstehung der Hypothek von Belang. Die Buch- wie die Briefhypothek entsteht, sobald die Voraus­ setzungen ihrer Entstehung erfüllt sind: Einigung der Be­ teiligten und Eintragung im Grundbuch. Während aber die Buchhypothek von dem Gläubiger sofort mit ihrer Entstehung erworben wird, erwirbt der Gläubiger die Briefhypothek erst dann, wenn ihm der Brief von dem Eigentümer des Grundstücks ausgehändigt wird (§ 1117). Bis zu diesem Zeitpunkt steht sie als Eigentümerhypothek dem Eigentümer zu. Solange daher der Brief dem Gläubiger nicht ausgehändigt ist, genügt zur Umschreibung der Hypothek auf einen anderen Gläubiger die Bewilligung des Eigentümers; das Grundbuch­ amt kann und muß aber den Nachweis verlangen, daß eine Aushändigung an den Gläubiger nicht erfolgt ist; hierzu genügt die bloße Versicherung des Eigentümers nicht, vielmehr bedarf es einer den Formvorschriften des § 29 GO entsprechenden Erklärung des Gläubigers, daß ihm der Brief nicht übergeben ist und das Gläubigerrecht micht zustrht.Z Der Hypothekenbrief muß von dem Eigentümer dem Gläubiger „ausgehändigt" sein. Es genügt daher zum Erwerb der Hypothek nicht, wenn der Gläubiger dem Eigentümer den Brief wegnimmt oder wenn er den vom Eigentümer verlorenen Brief findet. Dagegen ist nicht erforderlich, daß der Eigen­ tümer dem Gläubiger den Brief wirklich in die Hand gibt. Ist der Gläubiger bereits im Besitze des Briefes, so genügt die Einigung darüber, daß der Gläubiger das Eigentum an *) ROLG 3 S. 362; DIZ 1901 S. 456.

860

Kraftlos­ erklärung.

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

dem Briefe haben solle. Die Übergabe kann ferner, wenn der Eigentümer noch im Besitze des Briefes ist, dadurch ersetzt werden, daß zwischen ihm und dem Gläubiger ein Rechtsver­ hältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Gläubiger den mittelbaren Besitz an dem Briefe erlangt, z. B. dadurch, daß der Gläubiger ihn dem Eigentümer zur Aufbewahrung beläßt. Ist ein Dritter, z. B. ein Dieb oder Jemand, dem der Eigen­ tümer den Brief zur Aufbewahrung übergeben hat, im Besitze des Briefes, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, daß der Eigentümer dem Gläubiger den Anspruch auf Herausgabe abtritt. Die Übergabe des Briefes kann endlich durch die Ver­ einbarung ersetzt werden, daß der Gläubiger berechtigt sein soll, sich den Brief von dem Grundbuchamt aushändigen zu lassen. Die Vereinbarung ist zwar an keine Form gebunden; das Grundbuchamt hat dieselbe aber nur zu beachten, wenn sie ihm, wie erwähnt, in gehöriger Form nachgewiesen wird. Händigt das Grundbuchamt trotz der Vereinbarung, sei es aus Versehen oder weil sie ihm nicht gehörig nachgewiesen wird, den Brief dem Eigentümer aus, so erwirbt der Gläubiger die Hypothek gleichwohl sofort mit der, Eintragung. Sind auf der Eigen­ tümerseite mehrere Personen vorhanden, sei es, daß das Eigen­ tum des belasteten Grundstücks mehreren Personen nach Bruch­ teilen zusteht oder daß die Hypothek auf mehreren Grundstücken verschiedener Eigentümer als Gesamthypothek eingetragen ist, so muß der Hypothekenbrief dem Gläubiger von den sämtlichen Eigentümern übergeben bezw., falls der Gläubiger bereits im Besitze des Briefes ist, die Einigung über den Übergang des Eigentums am Briefe auf den Gläubiger von den sämtlichen Eigentümern mit dem Gläubiger getroffen werden?) Ist der Gläubiger im Besitze des Briefes, so wird vermutet, daß die Übergabe erfolgt ist?) Be­ streitet daher der Eigentümer die Übergabe, so ist es seine Sache, die Unrichtigkeit dieser Vermutung zu beweisen, also z. B. darzutun, daß ihm der Gläubiger den Brief weggenommen, daß er ihn gefunden habe u. s. w. Ist der Hypothekenbrief abhanden gekommen oder ver­ nichtet worden, so kann er im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt (§ 1162) und an seiner Stelle ein neuer Brief ausgestellt werden (§§ 67 f. GO). Weitere Besonderheiten der Briefhypothek können erst später dargestellt werden. An dieser Stelle mag nur noch auf den hauptsächlichen Zweck des Hypothekenbriefes hingewiesen werden. Er erleichtert den Hypothekenverkehr und bietet dem Besteller der Hypothek stärkeren Schutz dagegen, daß der GläuRG 52 S. 360; IW 1902 Beil. S. 277; Recht 1903 S. 157. 2) BlfRA 67 S. 535 ff.

Gegenstand der Hypothek.

biger auf einen gutgläubigen Dritten ehe er dem Besteller den Gegenwert im Folgenden nicht ausdrücklich eine gehoben wird, gelten für die Buchdie gleichen Vorschriften.

861

die Hypothek überträgt, bezahlt hat. Wo aber Verschiedenheit hervor­ und Briefhypothek ganz

§ 264. Gegenstand der Hypothek. Haftung des 1. Mit einer Hypothek kann nur ein Grundstück und *■ Grundstücks selbst. das ihm rechtlich gleichstehende Erbbaurecht belastet werden. Selbstverständlich braucht nicht gerade das ganze Grundstück mit der Hypothek belastet zu werden. Auch an einem bestimmt bezeichneten Teile des Grundstücks kann eine Hypothek bestellt werden. Nur muß dasselbe dann von dem hypothekfrei ver­ bleibenden Teile im Grundbuch abgeschrieben und für ihn, wie für ein selbständiges Grundstück ein besonderes Grundbuchblatt angelegt werdens (§ 6 GO). Soll dagegen ein Bruchteil eines Grundstücks mit einer Hypothek belastet werden, so ist dies nur zulässig, wenn der Bruchteil in dem Anteil eines Miteigentümers besteht (§ 1114); die Größe des Anteils muß sich aus dem Grundbuche ergebend) Es ist daher zulässig, daß der Eigentümer sein Grundstück in zwei Teile teilt und ander einen oder anderen Hälfte eine Hypothek bestellt. Dagegen ist es unzulässig, daß der Eigentümer, ohne eine solche Teilung in Wirklichkeit vorzunehmen, an der „Hälfte" seines Grundstücks eine Hypothek bestellt. Steht jedoch z. B. das Grundstück im Miteigentum des A und des B, so kann jeder der beiden Mit­ eigentümer, ohne daß dem anderen Miteigentümer ein Wider­ spruchsrecht zustände, seinen Anteil mit soviel Hypotheken be­ lasten, als ihm beliebt. Dagegen ist ausgeschlossen, daß ein Miteigentümer, der den Anteil eines Miteigentümers erwirbt, nur entweder seinen bisherigen oder den erworbenen Anteil mit einer Hypothek Belastet;'3) wohl aber bleiben die bereits bestehenden Hypotheken auf den betreffenden Anteil beschränkt. Handelt es sich nicht um Miteigentum nach Bruchteilen, sondern um ein Gesamthandsverhältnis,^) wie bei dem Vermögen einer Gesellschaft oder bei dem Gesamtgute einer ehelichen oder fort­ gesetzten Gütergemeinschaft oder bei den Anteilen der Erben am ungeteilten Nachlasse, so kann die Belastung des Anteils weder durch rechtsgeschäftliche Bestellung einet Hypothek noch im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgen.

’) ROLG 4 S. 314. ’) ROLG 2 S. 27; 4 S. 327. ') SammlnF 2 S. 122; 3 S. 272; DIZ 1902 S. 323; ROLG 4 S. 482; Recht 1904 S. 88; EFG 3 S. 104. 4) ROLG 2 S. 27; EFG 1 S. 29; 3 S. 43; DIZ 1900 S. 186.

862

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Läßt der Eigentümer eines mit Hypotheken belasteten Grundstücks diesem ein anderes Grundstück zuschreiben, so wird das letztere Bestandteil des ersteren Grundstücks. Die an demselben bestehenden Hypotheken ergreifen dann ohne weiteres das zugeschriebene Grundstück. Eine Gesamthypothek entsteht nicht; denn beide Grundstücke bilden nunmehr nur ein einheitliches Grundstück. Ist auch dieses mit Hypotheken oder sonstigen Rechten belastet, so gehen diese den Hypotheken an dem anderen Grundstücke im Range vor (§ 1131). Im Falle der Zwangsversteigerung ist daher der Erlös auf das Hauptund das Nebengrundstück nach dem Verhältnisse ihres Wertes zu verteilen. Durch eine Teilung des belasteten Grundstücks wird die Haftung der Teile für die Hypothek nur dann aufgehoben, wenn die Hypothekengläubiger den losgetrennten Teil aus dem Hypothekenverband entlassen. Doch kann durch die Landes­ gesetzgebung bestimmt werden, daß im Falle der Veräußerung eines Teiles eines Grundstücks dieser Teil von den Belastungen des Grundstücks befreit wird, wenn von der zuständigen Be­ hörde festgestellt ist, daß die Rechtsänderung für die Berech­ tigten unschädlich ist (Unschädlichkeitszeugnis).!) nifiennuntHon= 2. Selbstverständlich haften für die Hypothek auch die stigcn Bestand- Erzeugnisse und sonstigen Bestandteile des GrundZubehör"""stücks, solange sie von demselben nicht getrennt sind. Nach § 810 CPO dürfen Früchte, die von dem Boden noch nicht getrennt sind, gepfändet werden, solange nicht ihre Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung in das un­ bewegliche Vermögen erfolgt ist; die Pfändung darf aber nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Reife erfolgen. Der Hypothekengläubiger kann aber entweder 'der Pfändung durch Erhebung einer Widerspruchsklage nach § 771 CPO widersprechen oder vorzugsweise Befriedigung aus dem Ver­ steigerungserlöse nach § 805 CPO beanspruchen, sofern nicht die Pfändung für einen im Falle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück vorgehenden Anspruch erfolgt ist. Werden die Erzeugnisse oder sonstigen Bestandteile von dem Grundstücke getrennt, so ist zu unterscheiden, ob sie mit der Trennung in das Eigentum des Eigentümers oder des Eigenbesitzers des Grundstücks oder in das Eigentum eines Dritten gelangen (vgl. S. 765 ff.). Gelangen sie mit der Tren­ nung in das Eigentum des Eigentümers oder des Eigen­ besitzers, so bleibt ihre Haftung bestehen. Gelangen sie aber *) Preußen: Ges. vom 3. III. 1850, vom 27. VI. 60, vom 25. III. 1869, vom 25. VII. 1890; Art. 19, 20 AGzBGB; Art. 20 AGzGO. Bayern: Gesetz vom 15. VI. 1898. — Sachsen: §§ 21 ff. AGzBGB §§ 20 ff. AusfBO. — Hessen: Art. 97 ff. AGzBGB.

Gegenstand der Hypothek.

863

in das Eigentum eines Anderen als des Eigentümers oder des Eigenbesitzers' des Grundstücks, so erlischt ihre Haftung mit der Trennung (§ 1120). Diese Vorschrift findet selbst dann Anwendung, wenn das Recht auf die Aneignung der Bestand­ teile der Hypothek im Range nachsteht. Die Hypothek erstreckt sich ferner auf das Zubehör des Grundstücks mit Ausnahme derjenigen Zubehörstücke, welche nicht in das Eigentum des Eigentümers des Grundstücks ge­ langt sind (§ 1120). Dieser Vorschrift gilt selbst dann, wenn der Hypothekengläubiger des guten Glaubens ist, daß die Zu­ behörstücke dem Grundstückseigentümer gehören; sein guter Glaube ersetzt nicht den Mangel des Eigentums. Gleichgültig ist, ob die Zubehöreigenschaft vor oder nach der Eintragung der Hypothek entstanden ist. Während aber das Grundstück für die Hypothek haftet, bis dieselbe erloschen ist, ist die Haftung der Bestandteile und des Zubehörs zeitlich beschränkt: a) Erzeugnisse und sonstige Bestandteile des Grundstücks sowie Zubehörstücke werden von der Haftung frei, wenn sie veräußert und von dem Grundstücke entfernt werden, bevor sie zu Gunsten des Hypothekengläubigers in Beschlag genommen worden sind (§ 1121 Abs. 1). Gleichgültig ist, ob die Beschlag­ nahme im Wege der Jmmobiliarzwangsvollstreckung oder im Wege der Mobiliarzwangsvollstreckung erfolgt; jedoch kommt immer nur eine zu Gunsten des Hypothekengläubigers erfolgte Beschlagnahme in Betracht. Gleichgültig ist weiter, ob die Veräußerung oder die Entfernung innerhalb der Grenzen eines ordnungsmäßigen Wirtschaftsbetriebs erfolgt oder nicht. Unter Veräußerung ist nicht etwa schon der Abschluß des obligato­ rischen Beräußerungsvertrags, sondern nur die Eigentumsüber­ tragung selbst zu verstehen; eine bloße Belastung steht der Veräußerung nicht gleich. Zur Veräußerung muß aber die Entfernung von dem Grundstück hinzutreten; wird daher die Übergabe dadurch ersetzt, daß zwischen dem Eigentümer des Grundstücks und dem Erwerber der Gegenstände ein Rechts­ verhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt, so erwirbt der letztere nur dann das lastenfreie Eigentum, wenn der, Veräußerer die Gegen­ stände von dem Grundstücke vor der Beschlagnahme entfernt; gleichgültig ist dann, ob das Grundstück, auf das sie verbracht werden, dem Eigentümer gehört oder nicht. Das Gleiche gilt im Falle der Pfändung?) Wurden die Bestandteile oder Zubehörstücke vor der Ver­ äußerung von dem Grundstücke entfernt, so erwirbt der Er­ werber das Eigentum an ihnen lastenfrei, wenn nach der Ent*) ROLG 4 S. 373.

864

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

fernung, aber noch vor der Veräußerung die Beschlagnahme erfolgt, es- sei denn, daß er in Ansehung der Beschlagnahme nicht im guten Glauben ist. Erfolgt dagegen die Veräußerung vor der Entfernung, so würde nach der allgemeinen Regel über den Erwerb im guten Glauben (vgl. S. 754) der Erwerber das Eigentum lastenfrei erwerben, wenn er in Ansehung der Hypothek in gutem Glauben ist. Nach ausdrücklicher Vorschrift soll sich aber der Erwerber auf seinen guten Glauben nach dieser Richtung nicht berufen dürfen. Erfolgt daher die Beschlagnahme noch vor der Entfernung, so ergreift dieselbe auch die bereits ver­ äußerten Bestandteile und Zubehörstücke, soweit sie noch nicht entfernt sind. Entfernt aber der Erwerber diese Sachen von dem Grundstück, nachdem sie von der Beschlagnahme ergriffen wurden, so ist die vor der Entfernung erfolgte Beschlagnahme ihm gegenüber nur wirksam, wenn er bei der Entfernung in Ansehung der Beschlagnahme nicht in gutem Glauben ist. Das Gleiche gilt endlich auch dann, wenn die Beschlagnahme vor der Veräußerung und Entfernung erfolgt. b) Sind die Erzeugnisse oder Bestandteile innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft von dem Grund­ stücke getrennt worden, so erlischt die Haftung auch ohne Ver­ äußerung, wenn sie vor der Beschlagnahme von dem Grundstücke entfernt werden, es sei denn, daß die Entfernung zu einem vorübergehenden Zwecke erfolgt (§ 1122 Abs. 1). Maßgebend ist, daß die Trennung von dem Grundstücke innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft geschieht; gleich­ gültig ist dann, ob auch die Entfernung von dem Grundstücke einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entspricht. Zübehörstücke werden auch ohne Veräußerung von der Haftung frei, wenn die Zubehöreigenschaft innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft vor der Beschlagnahme auf­ gehoben wird (§ 1122 Abs. 2); Entfernung von dem Grund­ stücke wird hier nicht vorausgesetzt. 3. v°n Met3. Ist das mit Hypotheken belastete Grundstück vermietet “"otbetStgen8’ oder verpachtet, so erstreckt sich die Hypothek auch auf die Miet- oder Pachtzinsforderung (§ 1123). Der Hypo­ thekengläubiger ist dann berechtigt, bei der Einziehung der Forderung das gesetzliche Pfandrecht des Eigentümers als Ver­ mieters oder Verpächters geltend zu machen. Auch diese Haftung ist eine zeitlich beschränkte. Soweit nämlich die Forderung fällig ist, wird sie mit dem Ablauf eines Jahres nach dem Eintritte der Fälligkeit von der Haf­ tung frei, wenn nicht vorher die Beschlagnahme des Grund­ stücks zu Gunsten des Hypothekengläubigers erfolgt (§ 1123 Abs. 2). In Betracht kommt lediglich die Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangsverwaltung, da die Beschlagnahme zum

Gegenstand der Hypothek.

865

Zwecke der Zwangsversteigerung die Miet- und Pachtzinse nicht ergreift (§ 21 Abs. 2, § 148 ZVG). Wird innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Fälligkeit von dem Hypo­ thekengläubiger die Beschlagnahme erwirkt, so dauert die Haf­ tung der Miet- oder Pachtzinsforderung fort. Dieser Grund­ satz gilt nur für den Fall, daß der Miet- oder Pachtzins nach dem Abläufe der Miet- oder Pachtzeit oder der einzelnen be­ dungenen Zeitabschnitte zu entrichten ist. Ist' dagegen der Miet- oder Pachtzins im voraus zu entrichten, so erstreckt sich die Befreiung nicht auf den Miet- oder Pachtzins für eine spätere Zeit als das zur Zeit der Beschlagnahme laufende und das folgende Kalendervierteljahr (§ 1123 Abs. 2 Satz 2). Soweit die Haftung der Miet- oder Pachtzinsforderung für die Hypothek besteht, könnte weder der Mieter oder Pächter mit Rechtswirksamkeit an den Vermieter oder Verpächter be­ zahlen, noch könnten die letzteren, z. B. durch Einziehung, Über­ tragung, Verpfändung u. s. w. über die Forderung verfügen. Dadurch wäre natürlich der redliche Vermieter oder Verpächter schwer geschädigt. Demgemäß ist nach ausdrücklicher Vorschrift, wenn der Miet- oder Pachtzins eingezogen wird, bevor er zu Gunsten des Hypothekengläubigers in Beschlag genommen worden ist, oder wenn vor der Beschlagnahme in anderer Weise über ihn verfügt wird, die Verfügung dem Hypothekengläubiger gegenüber wirksam. Besteht die Verfügung in der Übertragung der Forderung auf einen Dritten, so erlischt die Haftung der Forderung (§ 1124 Abs. 1). Der Übertragung der Forderung auf einen Dritten steht es gleich, wenn das Grundstück ohne die Forderung veräußert wird (§ 1124 Abs. 3). Erlangt ein Dritter ein Recht an der Forderung, so geht es der Hypothek im Range vor. Den rechtsgeschäftlichen Verstigungen des Vermieters oder Verpächters stehen Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung gleich. Der Hypotheken­ gläubiger muß daher diese Verfügungen gegen sich gelten lassend) Ist z. B. monatliche Zinszahlung vereinbart, so kann der Mieter, solange ihm nicht ein Beschlagnahmebeschluß zu­ gestellt ist, ohne alles Bedenken jeweils am ersten eines Monats den fälligen Mietzins an den Vermieter entrichten. Hat ferner ein Kurrentgläubiger die Mietforderung pfänden lassen, so kann der Hypothekengläubiger nicht der Pfändung widersprechen oder vorzugsweise Befriedigung verlangen. Will er seine Rechte erhalten, so muß er selbst rechtzeitig die Beschlagnahme aus­ bringen. Jedoch ist die Verfügung dem Hypothekengläubiger gegen­ über unwirksam, soweit sie sich auf den Miet- oder Pachtzins *) IW 1902 S. 58; ROLG 4 S. 229 ; 8 S. 208; aM IW 1902 S. 283. Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I. 55

866

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

für eine spätere Zeit als das zur Zeit der Beschlagnahme laufende und das folgende Kalendervierteljahr bezieht (§ 1124 Abs. 2). Hat daher z. B. ein Kurrentgläubiger am 1. Februar 1903 die fälligen und künftig fällig werdenden Mietzinsforde­ rungen pfänden lassen, während der Hypothekengläubiger erst am 1. Juni 1903 die Beschlagnahme ausbringt, so braucht er die Pfändung des Kurrentgläubigers lediglich insoweit anzu­ erkennen, als sie die Mietzinsforderung bis zum 1. Oktober 1903 betrifft; für die spätere Zeit ist sie ihm gegenüber un­ wirksam. Ebensowenig könnte der Mieter dem Hypotheken­ gläubiger gegenüber, der am 1. Juni 1903 die Beschlagnahme erwirkt hat, sich darauf berufen, daß er den Mietzins bereits bis 1. Januar 1904 bezahlt hat; der Hypothekengläubiger könnte erwidern, daß, soweit für die Zeit nach dem 1. Oktober 1903 gezahlt sei, die Zahlung ihm gegenüber keine Wirkung habe. Man tut daher gut, Bezahlung des Miet- oder Pacht­ zinses in höchstens Halbjahresraten zu vereinbaren, da man sonst Gefahr läuft, doppelt zahlen zu müssen. Soweit die Einziehung des Miet- oder Pachtzinses dem Hypothekengläubiger gegenüber unwirksam ist, kann der Mieter oder Pächter nicht eine ihm gegen den Vermieter oder Ver­ pächter zustehende Forderung gegen den Hypothekengläubiger aufrechnen (§ 1125). n>ieberteiltenöet 4- Ist mit dem Eigentum an dem Grundstücke ein Recht Letstungm sür die auf wi e d er keh r e n d e Leistungen verbunden, wie z. B. Hypotheken. efne Reallastberechtigung, so erstreckt sich die Hypothek auch auf die Ansprüche auf diese Leistungen (§ 1126). Wie bei den Miet- und Pachtzinsforderungen, so wird auch hier der An­ spruch auf die einzelne Leistung, soweit er fällig ist, mit dem Ablauf eines Jahres nach dem Eintritte der Fälligkeit von der Haftung frei, wenn nicht vorher eine Beschlagnahme zu Gunsten des Hypothekengläubigers erfolgt. In gleicher Weise wie dort ist auch hier die Einziehung der Leistung, sowie eine sonstige Verfügung über den Anspruch, bevor er zu Gunsten des Hypothekengläubigers in Beschlag genommen worden ist, dem „letzteren gegenüber wirksam. Besteht die Verfügung in der Übertragung des Anspruchs auf einen Dritten, so erlischt die Haftung; erlangt ein Dritter ein Recht an demselben, z. B. einen Nießbrauch oder ein Pfandrecht, so geht es der Hypothek im Range vor. Während aber bei Miet- und Pachtzinsforde­ rungen der Hypothekengläubiger solche Verfügungen, die eine spätere Zeit als das zur Zeit der Beschlagnahme laufende und das folgende Kalendervierteljahr betreffen, nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, sind hier vor der Beschlagnahme erfolgte Verfügungen über den Anspruch auf eine Leistung dem Hypo­ thekengläubiger gegenüber unwirksam, wenn die Leistung drei Monate nach der Beschlagnahme fällig wird. Hat z. B. der

Gegenstand der Hypothek.

867

Grundstückseigentümer seinen Anspruch auf eine am 1. Oktober fällige Leistung einer Reallast auf einen Dritten übertragen und bewirkt der Hypothekengläubiger am 30. Juni die Be­ schlagnahme , so braucht er die Übertragung nicht gegen sich gelten zu lassen. Für eine Veräußerung des Grundstücks ohne den Anspruch auf die Leistungen, sowie für die Aufrechnungs­ befugnis des zur Leistung Verpflichteten gelten die gleichen Grundsätze wie für die Miet- und Pachtzinsforderungen. 5. Sind Gegenstände, die der Hypothek unterliegen, also Haftung der das Grundstück, die Erzeugnisse, Früchte, Zubehörungen für summ?sür"d°s den Eigentümer oder den Eigenbesitzer des Grundstücks unter Mundstück. Versicherung gebracht, z. B. gegen Hagel, Feuer, Seuchen u. s. w. versichert, so erstreckt sich die Hypothek auch auf die Forde­ rung gegen den Versicherer (§ 1127). Keine Voraus­ setzung dieser Haftung ist, daß der Eigentümer oder Eigen­ besitzer selbst die Gegenstände hat versichern lassen; es genügt, daß sie für ihn unter Versicherung gebracht sind. So hat be­ kanntlich der Nießbraucher die Versicherung so zu nehmen, daß die Forderung gegen den Versicherer dem Eigentümer zusteht. Die Haftung der Forderung gegen den Versicherer erlischt, wenn der versicherte Gegenstand wieder hergestellt oder Ersatz für ihn beschafft ist. Ist z. B. ein Gebäude nebst Zubehör gegen Brand versichert und ist durch eine Feuersbrunst das Gebäude beschädigt und sind Zubehörstücke vernichtet worden, so kann der Hypothekengläubiger die Haftung der Versiche­ rungssumme nicht mehr geltend machen, wenn der Eigentümer das Gebäude ausgebessert und für die zu Grunde gegangenen Zubehörstücke neue angeschafft hat. Im übrigen gelten noch folgende besondere Bestimmungen: Ist ein Gebäude versichert, so kann der Versicherer die Versicherungssumme mit Wirkung gegen den Hypothekengläu­ biger erst zahlen, wenn er oder der Versicherte den Eintritt des Schadens dem Hypothekengläubiger angezeigt hat und seit dem Empfang der Anzeige ein Monat verstrichen ist. Der Hypothekengläubiger kann bis zum Ablaufe der Frist dem Ver­ sicherer gegenüber der Zahlung widersprechen. Die Anzeige an den Hypothekengläubiger darf unterbleiben, wenn sie un­ tunlich ist, z. B. weil dessen Aufenthalt unbekannt ist. In diesem Fall wird der Monat von dem Zeitpunkt an berechnet, in welchem die Versicherungssumme fällig wird. Por Ablauf des Monats kann aber auch hier die Auszahlung der Versiche­ rungssumme nicht mit Wirksamkeit gegen den Hypotheken­ gläubiger erfolgen (§ 1128). Der Versicherer kann sich nicht darauf berufen, daß er eine aus dem Grundbuch ersichtliche Hypothek nicht gekannt habe. Er muß daher, um ganz sicher zu gehen, vor der Auszahlung das Grundbuch einsehen. Die 55*

868

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Einsicht in dasselbe ist ihm nach § 11 GO zu gestatten. Im übrigen finden die für eine verpfändete Forderung geltenden Vorschriften Anwendung. Der Hypothekengläubiger bedarf daher zur Verwirklichung seines Rechtes nicht erst einer Be­ schlagnahme des Grundstückes, sondern er ist nach dem Eintritte der Fälligkeit der Hypothekenforderung berechtigt, die Ver­ sicherungsforderung einzuziehen, soweit dies zu seiner Befriedi­ gung erforderlich ist. Vor der Fälligkeit kann der Versicherer nur an den Eigentümer und den Hypothekengläubiger gemein­ schaftlich leisten; jeder von den beiden kann auch verlangen, daß an sie gemeinschaftlich geleistet oder für beide hinterlegt wird; ist die Versicherungssumme fällig, so sind beide einander verpflichtet, zur Einziehung mitzuwirken. Zu bemerken ist, daß, wenn das Grundstück mit mehreren Hypotheken belastet ist, zur Einziehung der Versicherungssumme nur derjenige Hypothekengläubiger berechtigt ist, dessen Hypothek den übrigen im Range vorgeht. An der bezahlten Versicherungssumme erwirbt der Hypothekengläubiger ein Pfandrecht. Ist ein anderer Gegenstand als ein Gebäude versichert, z. B. die Früchte eines Grundstücks gegen Hagel­ schlag, das Zubehör gegen Feuer u. s. w., so wird die Ver­ sicherungsforderung von der Haftung mit Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt der Fälligkeit frei, wenn nicht vorher die Beschlagnahme zu Gunsten des Hypothekengläubigers er­ folgt (§ 1129). Der bloße Widerspruch des Hypothekengläubigers hindert dagegen das Aufhören der Haftung nicht. Die Ein­ ziehung der Versicherungsforderung, sowie eine andere Ver­ fügung über dieselbe ist dem Hypothekengläubiger gegenüber wirksam, wenn sie erfolgt, bevor die Forderung zu Gunsten desselben beschlagnahmt worden ist. Besteht die Verfügung in der Übertragung der Forderung auf einen Dritten, so er­ lischt die Haftung der Forderung; erlangt ein Dritter, z. B. durch Pfändung, ein Recht an der Forderung, so geht es der Hypothek im Range vor. Ist der Versicherer nach den Versicherungsbestim­ mungen nur verpflichtet, die Versicherungssumme zur Wieder­ herstellung des versicherten Gegenstandes zu bezahlen, so ist eine diesen Bestimmungen entsprechende Zahlung an den Ver­ sicherten dem Hypothekengläubiger gegenüber wirksam (§ 1130). Der letztere kann sich dann nicht dem Versicherer gegenüber auf die Haftung der Forderung für seine Hypothek berufen. 8 265.

Haftung für Zinsen und Kosten.

Zinsen und Das Grundstück, welches mit einer Hypothek belastet ist, fonieif®unJgenen= hastet außer für die Forderung, für welche die Hypothek be­ stellt ist, auch für die vereinbarten Zinsen und sonstigen NebenleistuNgen (s. S. 851).

Haftung für Zinsen und Kosten.

869

Kraft Gesetzes, also ohne daß es einer Eintragung be­ darf, haftet das Grundstück für die gesetzlichen Zinsender Forderung (§ 1118), also insbesondere für die Verzugszinsen. Verzugszinsen aus dem Grundstück kann der Hypothekengläu­ biger dann verlangen, wenn der persönliche Schuldner in Ver­ zug geraten ist; daß sich auch der Eigentümer in Verzug be­ findet, wird nicht erfordert. Dem Gläubiger gebühren aber auch dann Verzugszinsen aus dem Grundstücke, wenn dem Eigentümer gegenüber die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein Schuldner in Verzug kommt (§ 1146); nicht erfordert wird, daß sich auch der persönliche Schuldner in Verzug befindet. Endlich haftet das Grundstück kraft Gesetzes für die Kosten der Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstücke bezweckenden Rechtsverfolgung (§ 1118); dagegen haftet das Grundstück nicht — wenigstens nicht kraft Gesetzes — für sonstige Kosten, also nicht für die Eintragungskosten und nicht für die Kosten der die Geltend­ machung der persönlichen Forderung bezweckenden Rechtsver­ folgung. Soll das Grundstück auch für solche Kosten haften, so muß dies besonders vereinbart werden; es handelt sich dann um sog. Nebenleistungen, deren Geldbetrag im Grundbuch angegeben werden muß (§ 1115). Da aber solche Kosten im vornherein nicht feststehen, so kann die Eintragung nur in der Weise erfolgen, daß der Höchstbetrag angegeben wird, bis zu welchem das Grundstück haften soll. Dagegen ist die Ein­ tragung der Kosten, für die das Grundstück kraft Gesetzes haftet, unzulässig 4) An sich wäre eine Änderung des Zinssatzes oder 3Cirn“"®6yon des Zahlungsortes oder der Zahlungszeit als eine Zahlungsort, Änderung des Inhalts der Hypothek zu erachten und bedürfte 8ahlungsz°>t. der Zustimmung der im Range gleich- oder nachstehend Be­ rechtigten. Nach ausdrücklicher Vorschrift kann aber, wenn ent­ weder die Forderung überhaupt unverzinslich ist oder wenn der Zinssatz niedriger ist als fünf vom Hundert, die Hypothek ohne Zustimmung der im Range gleich- oder nachstehend Berechtigten dahin erweitert werden, daß das Grundstück für Zinsen bis zu fünf vom Hundert haftet; ebenso ist zu einer Änderung des Zahlungsorts oder der Zahlungszeit die Zustimmung dieser Berechtigten gleichfalls nicht erforderlich (§ 1119). Soll der Zinssatz auf über fünf vom Hundert erhöht werden, so ist die Zustimmung der Nachhypothekengläubiger erforderlich, außer wenn trotz der Erhöhung des Zinsfußes wegen Weg­ falles anderweitiger in Prozenten ausgedrückter Nebenleistungen eine Erweiterung der Belastung nicht eintritt.®) Die Ver*) EM 1 S. 83; ROLG 1 S. 201. 2) ROLG 4 S. 483; EFG 3 S. 131.

870

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Weigerung der Zustimmung der im Range gleich- oder nach­ stehend Berechtigten vermag zwar die Erhöhung nicht auszu­ schließen; allein soweit der Zinssatz fünf vom Hundert übersteigt, hat er nur Rang nach den Rechten dieser Berechtigten. Würde zwischen dem Eigentümer und einem Hypothekengläubiger vereinbart, daß die Erweiterung des Zinssatzes einer diesem vorausgehenden Hypothek bis zu fünf vom Hundert von dessen Zustimmung abhängig sein solle, so wäre diese Vereinbarung im Hinblick auf § 1136 nichtig; wohl aber könnte vereinbart werden, daß eine solche Erweiterung des Zinssatzes, falls sie ohne Zustimmung des Hypothekengläubigers erfolgte, die so­ fortige Fälligkeit seiner Hypothek zur Folge haben solle.

§ 266. Übertragung der Forderung. Die durch eine Hypothek versicherte Forderung kann, wie jede andere Forderung, von dem Gläubiger auf einen Anderen übertragen werden. Mit der Übertragung der Forderung geht auch die Hypothek auf den neuen Gläubiger über. Die Forderung kann nicht ohne die Hypo­ thek, die Hypothek kann nicht ohne die Forderung übertragen werden (§ 1153). Dieser Satz gilt, gleichviel ob die Übertragung durch Rechtsgeschäft oder im Wege der Zwangsvollstreckung durch Pfändung der Hypothekforderung und Überweisung an Zahlungsstatt oder kraft Gesetzes erfolgt. or£agmtg6er' Für die Abtretung Her hypothekarisch versicherten For­ derung, d. i. für deren Übertragung durch Vertrag zwischen den bisherigen und dem neuen Gläubiger (§ 398) gelten hin­ sichtlich der Form besondere Vorschriften, und zwar hat man zu unterscheiden, ob die Hypothek eine Buchhypothek oder eine Briefhypothek ist. Diese Sondervorschriften gelten aber nicht für den Vorvertrag, durch den sich der Gläubiger zur Abtretung verpflichtet.*) der Bucha) Wird eine Buchhypothek auf einen Dritten Über­ hypothek. trageit( so ist hierzu, wie zur Übertragung eines anderen Rechtes an einem Grundstücke, die Einigung des bisherigen Gläubigers und des neuen Gläubigers über die Übertragung sowie die Eintragung der Übertragung in das Grundbuch erforderlich.2) Auch hinsichtlich der Bindung der Beteiligten (§ 873 Abs. 2) und einer nachträglichen Beschränkung der Ver­ fügungsbefugnis des bisherigen Gläubigers (§ 878) gelten die allgemeinen Grundsätze (s. Bd. I S. 706, 970). b) der Briesb) Bildet dagegen eine Briefhypothek den Gegenstand hypoye. Abtretung, so ist die Erteilung der Abtretungs') RG 54 S. 146; IW 1903 Beil. 8 S. 62. 2) RG 54 S. 365; IW 1903 Beil. 9 S. 76.

Übertragung der Forderung.

871

erklärung in schriftlicher Form und die Übergabe des Hypothekenbriefes erforderlich. Die Annahme­ erklärung bedarf der schriftlichen Form nichts) Der bisherige Gläubiger hat auf Verlangen des neuen Gläubigers die Aotretungserklärung auf seine Kosten öffentlich beglaubigen zu lassen (§ 1154 Abs. 1). Wird die Abtretungserklärung formlos erteilt oder unterbleibt die Übergabe des Hypothekenbriefes, so ist die Abtretung nichtig. Nur dann ist die Übergabe des Hypothekenbriefes nicht erforderlich, wenn der neue Gläubiger zur Zeit der Abtretung bereits im Besitze des Hypothekenbriefes ist. Ferner kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, daß zwischen dem bisherigen und dem neuen Gläubiger ein Rechts­ verhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der letztere den mittelbaren Besitz des Hypothekenbriefes erlangt oder, wenn ein Dritter im Besitze des Briefes ist, dadurch, daß der bis­ herige Hypothekengläubiger dem Erwerber den Anspruch auf Herausgabe des Briests abtritt. Mit der Abtretung der Forderung gilt aber nicht ohne weiteres auch der Anspruch auf Herausgabe des Hypotheken­ briefs als abgetreten, vielmehr muß letztere Abtretung als rechtsgeschäftliche Absicht der Beteiligten erkennbar und irgend­ wie zum Ausdrucke gebracht fein-*2) Ferner kann die Übergabe des Briefs durch die Vereinbarung ersetzt werden, daß der neue Gläubiger berechtigt sein soll, sich den Brief von dem Grundbuchamte aushändiyen zu lassen; hierbei wird abev vorausgesetzt, daß der Brief, dessen Übergabe erforderlich ist, bereits gebildet ist oder doch nachträglich gebildet wird;2) so­ lange das nicht der Fall ist, kann von einer wirksamen Übergabe nicht gesprochen werden. Die schriftliche Form der Abtretungserklärung kann dadurch ersetzt werden, daß die Abtretung in das Grundbuch eingetragen wird (ß 1154Abs. 2). Nach § 42 GO soll die Eintragung nur erfolgen, wenn der Brief vorgelegt wird. Durch die Eintragung in das Grundbuch wird aber auch nur die schriftliche Form der Abtretungser­ klärung, nicht auch die Übergabe des Hypothekenbriefes ersetzt. Für diesen Fall ist daher die Ersetzung der Übergabe des' Briefs durch die Vereinbarung, daß der neue Gläubiger be­ rechtigt sein soll, sich den Brief von dem Grundbuchamte aus­ händigen zu lassen, besonders praktisch. Wenn auch zur Übertragung der Briefhypothek die einfache schriftliche Erteilung der Abtretungserklärung genügend Beglaubigung ist, so empfiehlt es sich doch, die Abtretungserklärung öffentlich bcce?n^un8n.98' *) ROLG 1 S. 415. 2) RG 64 S. 111; IW 1903 Beil. 8 S. 62; Recht 1903 S. 361. ') SA 58 S. 138.

872

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

beglaubigen zu lassen, da hiermit eine Reihe besonderer Vor­ teile verbunden ist. Ergibt sich nämlich das Gläubigerrecht des Besitzers des Hypothekenbriefes aus einer zusammenhängen­ den, auf einen eingetragenen Gläubiger zurückführenden Reihe von öffentlich beglaubigten Abtretungserklärungen, so finden die Vorschriften der §§ 891 bis 899 über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs in gleicher Weise Anwendung, wie wenn der Besitzer des Briefes in das Grundbuch eingetragen wäre (§ 1155). Gleichgültig ist, ob die öffentliche Beglaubigung der Abtretungserklärung schon bei der Abtretung der Hypothek oder erst nachher erfolgt. Erhält der Erwerber zwar nach dem Erwerbe der Hypothek, aber noch vor der öffentlichen Be­ glaubigung der Abtretungserklärung Kenntnis von einem Mangel im Rechte, so ist nur der Zeitpunkt des Erwerbes der Hypo­ thek, nicht der Zeitpunkt der öffentlichen Beglaubigung maß­ gebend. Zwar gilt der Gläubiger erst mit dem Zeitpunkte als eingetragener Gläubiger, in welchem die Reihe der öffent­ lich beglaubigten Abtretungserklärungen bis zu ihm reicht; aber auch nach § 892, auf den § 1155 Bezug nimmt, ist der Zeitpunkt der Eintragung gleichgültig, wenn diese nicht zum Erwerb des Rechtes erforderlich ist. Ist die Reihe dadurch unterbrochen, daß eine einzelne Abtretungserklärung nicht öffentlich beglaubigt ist, ist also z. B. die Abtretungserklärung des A und B, ferner des D und E öffentlich beglaubigt, während C die Hypothek dem D nur mittels einfacher schrift­ licher Erklärung abtrat, so kann sich E, wenn er im Besitze des Briefes ist, in Ansehung des Erwerbes der Hypothek durch A, B und C, nicht aber durch D und ihn selbst, auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen. Einer öffentlich beglaubigten Abtretungserklärung steht ein gerichtlicher Über­ weisungsbeschluß und das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis einer kraft Gesetzes erfolgten Übertragung der Forderung gleich. Jedoch wird im ersten Falle erfordert, daß die Hypothek an Zahlungsstatt überwiesen wird; die Überweisung zur Einziehung genügt nicht. Im zweiten Falle muß in der öffentlich be­ glaubigten Urkunde „anerkannt" sein, daß die Hypothek kraft Gesetzes auf einen Anderen übergegangen ist;1) dagegen genügt nicht der urkundliche Nachweis der Tatsachen, auf Grund deren sich der Übergang kraft Gesetzes vollzieht. Auf andere Urkunden bezieht sich die Vorschrift des § 1155 nicht.?) Auch für das formelle Grundbuchrecht ist die Vorschrift des § 1155 von Bedeutung. Während nach § 40 Abs. 1 GO eine Eintragung nur erfolgen soll, wenn derjenige, dessen Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist, *) IW 1901 S. 241; EFG 3 S. 146. ') ROLG 5 S. 389.

Übertragung der Forderung.

873

steht es nach § 40 Abs. 2 GO Bei einer Hypothek, über die ein Brief erteilt ist, der Eintragung des Gläubigers gleich, wenn sich dieser im Besitze des Briefes befindet und sein Gläubigerrecht nach § 1155 nachweist. Die Wirkungen der Abtretung sind verschieden, je ®a6t"etuttgb.cr nachdem der neue Gläubiger den persönlichen Anspruch aus der Forderung oder sein dingliches Recht aus der Hypothek geltend macht: a) Macht er den persönlichen Anspruch geltend, so kann sich der persönliche Schuldner auf die zu seinem Schutze gegen die Abtretung der Forderung gegebenen Vorschriften berufen. Er kann daher dem neuen Gläubiger gegenüber ein­ wenden, daß er in Unkenntnis der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bezahlt habe, er kann ferner mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehenden Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, daß er bei dem Erwerbe der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig ge­ worden ist, u. s. w. (vgl. §§ 406—408). b) Anders ist dagegen die Sache gelagert, soweit der Hypothekanspruch in Frage steht. Die für die Übertragung der Forderung geltenden Vorschriften der §§ 406—408 finden auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem neuen Gläubiger in Ansehung der Hypothek keine Anwendung (§ 1156). Der Eigentümer kann sich daher z. B. dem neuen Hypothekengläubiger gegenüber nicht darauf berufen, daß er die Hypothek dem bisherigen Hypothekengläubiger in Unkenntnis der Uebertragung heimbezahlt habe. Er muß deshalb, um sicher zu gehen, unmittelbar vor der Zahlung das Grundbuch ein­ sehen, um zu erfahren, daß derjenige, an den er zahlt, wirklich noch der Gläubiger ist. Bei Briefhypotheken besteht diese Gefahr nicht, da der Eigentümer nur gegen Aushändigung des Hypothekenbriefs und der öffentlich beglaubigten Abtretungs­ erklärung zu bezahlen braucht. Für die Kündigung des Eigentümers besteht jedoch eine Ausnahme. Der neue Gläubiger muß nämlich eine dem bisherigen Gläubiger gegenüber erfolgte Kündigung des Eigen­ tümers gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß die Über­ tragung zur Zeit der Kündigung dem Eigentümer bekannt oder im Grundbuch eingetragen ist (§ 1156 Satz 2). Diese Be­ stimmung ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Abtretung einer Briefhypothek oder der kraft Gesetzes erfolgte Übergang einer Brief- oder Buchhypothek nicht in das Grund­ buch eingetragen wurde. Eine weitere Ausnahme von der Vorschrift des § 1156 Einreden, gilt für diejenigen Einreden, welche dem Eigentümer auf

874

Zinsen und andere Neben­ leistungen.

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Grund eines zwischen ihm und dem bisherigen Gläubiger be­ stehenden Rechtsverhältnisses gegen die Hypothek zustehen. Hierher gehört z. B. der Fall, daß der bisherige Gläubiger dem Eigentümer Stundung zugesichert oder sich verpflichtet hat, die Hypothek nicht abzutreten oder löschen zu lassen. Solche Einreden können auch dem neuen Gläubiger entgegengesetzt werden (§ 1157). An sich handelt es sich hier um rein obli­ gatorische Rechtsverhältnisse, auf welche deshalb die Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs keine Anwendung fänden; gleichwohl erklärt § 1157 die Vorschriften der §§ 892, 894 bis 899, 1140 auch auf diese Einreden für anwendbar. Der Eigentümer kann sie daher dem neuen Erwerber nur dann entgegenhalten, wenn dieser sie bei dem Erwerbe der Hypothek kannte oder wenn sie aus dem Grundbuche, aus dem Hypothekenbriefes oder aus einem Vermerke auf demselben ersichtlich ist oder wenn der Erwerb der Hypothek durch den neuen Gläubiger nicht durch ein Rechtsgeschäft, sondern z. B. kraft Gesetzes oder im Wege der Zwangsvollstreckung sich voll­ zog. Will der Eigentümer seine Einrede sich erhalten, so wird er entweder die Eintragung der Einrede oder eines Wider­ spruchs in das Grundbuch erwirken. Endlich bestehen Ausnahmen von der Regel des § 1156 für die Übertragung von Zinsen und anderen Neben­ leistungen, sowie von Rückständen solcher. Gleichgültig ist, ob mit den Zinsen oder anderen Nebenleistungen auch die Hauptforderung übertragen wird oder nicht. Ebenso gelten diese Vorschriften dann, wenn der Gläubiger nur die Haupt­ forderung abtritt und sich das Recht des Zinsgenusses vorbe­ hält (§ 1069): a) Soweit die Forderung auf Rückstände von Zinsen und anderen Nebenleistungen gerichtet ist, bestimmt sich die Übertragung sowie das Rechtsverhältnis zwischendem Eigen­ tümer und dem neuen Gläubiger nach den für die Übertragung von Forderungen geltenden allgemeinen Vorschriften. Das Gleiche gilt für den Anspruch auf Erstattung der bereits erwachsenen Kosten der Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstücke bezweckenden Rechtsverfolgung, für die das Grundstück nach § 1118 kraft Gesetzes haftet (§ 1159). Die Übertragung erfolgt daher nicht nach den für die Über­ tragung einer Hypothek geltenden Vorschriften, sondern durch den formlosen Abtretungsvertrag; ferner gelten für das Rechts­ verhältnis zwischen dem neuen Gläubiger und dem Eigentümer die gleichen Vorschriften wie für das Verhältnis zwischen dem neuen Gläubiger und dem persönlichen Schuldner. Endlich ') Vgl. ROLG 5 S. 425.

Übertragung der Forderung.

875

finden die Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs keine Anwendung. - b) Soweit dagegen die Forderung auf erst fällig werdende Zinsen oder andere Nebenleistungen gerichtet ist, sind für die Form der Abtretung die für die Abtretung einer Hypothek geltenden Vorschriften maßgebend. Ebenso bestimmen sich die Wirkungen der Abtretung nach diesen Vorschriften, soweit die Zinsen oder die anderen Nebenleistungen später als in dem Kalendervierteljahr, in welchem der Eigentümer von der Übertragung Kenntnis erlangt, oder in dem folgenden Kalendervierteljahr fällig werden. Der Ausdruck „Fällig­ werden", den das Gesetz gebraucht, ist nicht ganz genau ; ge­ meint ist, daß die Zinsen rc. ohne Rücksicht auf ihre Fälligkeit für den betreffenden Zeitabschnitt bestimmt finb.1) Anders ist es mit den Zinsen und anderen Nebenleistungen, die vor den genannten Zeitpunkten fällig werden (§ 1158). Hier kann der Eigentümer dem neuen Gläubiger die Ein­ wendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Ferner kann der Eigentümer eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn daß er bei dem Erwerbe der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Weiter muß der neue Gläubiger eine Leistung, die der Eigentümer nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Eigentümer und dem bis­ herigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Eigentümer die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechts­ geschäftes kennt. Ebenso muß der neue Gläubiger, wenn in einem nach der Abtretung zwischen dem Eigentümer und dem bisherigen Gläubiger anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die Forderung ergangen ist, das Urteil gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Eigen­ tümer die Abtretung bei dem Eintritte der Rechtshängigkeit gekannt hat. Wird endlich die abgetretene Forderung von dem bisherigen Gläubiger nochmals an einen Dritten abge­ treten, so finden, wenn der Eigentümer an den Dritten leistet, oder wenn zwischen dem Eigentümer und dem Dritten ein Rechtsgeschäft vorgenommen oder ein Rechtsstreit anhängig wird, die vorgenannten Vorschriften zu Gunsten des Eigen­ tümers dem früheren Erwerber gegenüber entsprechende An­ wendung; das Gleiche gilt, wenn die bereits abgetretene ') ROLG 4 S. 73.

876

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Forderung durch gerichtlichen Beschluß einem Dritten über­ wiesen wird oder wenn der bisherige Gläubiger dem Dritten gegenüber anerkennt, daß die bereits abgetretene Forderung kraft Gesetzes auf den Dritten übergegangen ist. Gegenüber all diesen Einreden des Eigentümers kann sich der neue Gläu­ biger nicht auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen.

§ 267. Die Teilung der Hypothekenforderung. Das Gesetz läßt auch die Teilung der Hypothekenforderung zu. Die Teilung kann entweder in der Weise erfolgen, daß der Gläubiger nur einen Teil der Forderung abtritt oder daß ein Teil auf einen Dritten kraft Gesetzes übergeht, während den Rest der Forderung der Gläubiger behält, oder endlich daß der Gläubiger die einzelnen Teile an verschiedene Personen abtritt. Im Falle einer Teilung der Forderung kann,i) sofern nicht die Erteilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist, für jeden Teil ein Teilhypothekenbrief hergestellt werden. Der Teilhypothekenbrief tritt für den Teil, auf den er sich bezieht, an die Stelle des bisherigen Briefes (§ 1152). Der Teilhypothekenbrief kann von dem Grundbuchamt, einem Ge­ richt oder einem Notar hergestellt werden; derselbe muß die Bezeichnung als Teilhypothekenbrief sowie eine beglaubigte Abschrift der den Geldbetrag der Hypothek und das belastete Grundstück betreffenden Angaben des bisherigen Briefes ent­ halten, den Teilbetrag der Hypothek, auf den er sich bezieht, bezeichnen sowie mit Unterschrift und Siegel versehen sein; er soll außerdem eine beglaubigte Abschrift der sonstigen An­ gaben des bisherigen Briefes und der auf diesem befindlichen Vermerke enthalten; eine mit dem bisherigen Briefe verbundene Schuldurkunde soll in beglaubigter Abschrift mit dem Teil­ hypothekenbriefe verbunden werden. Die Herstellung des Teil­ hypothekenbriefes soll auf dem bisherigen Briefe vermerkt werden (§ 61 GO). Die Zustimmung des Eigentümers ist weder zur Teilung der Hypothek noch zur Herstellung des Teilhypothekenbriefes erforderlich. bsorde?üngm"° Wird über den Rang der Teilforderungen keine Be­ stimmung getroffen, so haben sie unter sich gleichen Rang. Es kann aber auch bestimmt werden, daß der eine Teil Vorrang vor dem anderen haben soll. Zur Änderung des Rangver­ hältnisses der Teilhypotheken unter einander genügt die Zu­ stimmung der Teilhypothekengläubiger und die Eintragung der Rangänderung in das Grundbuch. Wird die Rangänderung *) ROLG 2 S. 274; EFG 2 S. 83.

Wahl zwischen Geltentmachung der Forderung und der Hypothek.

877

bei der Teilabtretung bestimmt, so genügt zur Eintragung die Eintragungsbewilligung des bisherigen Gläubigers, anderen Falles sind die Eintragungsbewilligungen sämtlicher Teilhypo­ thekengläubiger erforderlich. Die Zustimmung des Eigen­ tümers zur Änderung des Rangverhältnisses der Teilhypotheken zu einander wird nicht erfordert (§ 1151); wohl aber bedarf es dessen Zustimmung, wenn der Inhalt einer Teilhypothek geändert werden soll.

§ 268.

Wahl zwischen Geltendmachung der Forderung und der Hypothek.

Der Hypothekengläubiger hat bei Geltendmachung seiner Rechte die Wahl, ob er die ihm zustehende Forderung geltend machen oder wegen seiner Forderung Befriedi­ gung aus dem Grundstücke suchen will. Er kann auch beide Ansprüche -nebeneinander gleichzeitig geltend machen. Der Anspruch aus der Forderung richtet sich gegen den persönlichen Schuldner, der nicht notwendig auch der Eigentümer des belasteten Grundstückes zu sein braucht. Der Anspruch auf Befriedigung aus dem Grund­ stücke richtet sich gegen den Eigentümer des Grundstückes, der nicht notwendig auch der persönliche Schuldner der For­ derung ist. Der persönliche Schuldner ist auf Grund des bestehenden ^FoÄrung^" Schuldverhältnisses verpflichtet, den Gläubiger zu befriedigen. Weigert er sich, so kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners betreiben. Dazu bedarf er aber eines Vollstreckungstitels. Unterwirft sich der Schuldner nicht freiwillig in einer notariellen Urkunde der Zwangsvoll­ streckung (8 794 Abs. 1 Ziff. 5 CPO), so muß der Gläu­ biger den Schuldner auf Bezahlung der Forderung verklagen. Die Vollstreckung erfolgt dann nach den gewöhnlichen Vor­ schriften. Dagegen ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks, Anspruch aus sofern er nicht zugleich persönlicher Schuldner ist, zur Befrie­ digung des Gläubigers nicht verpflichtet. Der Anspruch des Gläubigers gegen ihn ist lediglich darauf gerichtet, daß er die Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück und in die Gegenstände, auf die sich die Hypothek erstreckt, zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers für die demselben zustehende For­ derung zu gestatten habe Z (§ 1147). Der völlige Ausschluß oder die Beschränkung des Rechtes des Hypothekengläubigers, die Zwangsvollstreckung in das be') BlfRA 63 S. 141

878

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

lastete Grundstück zu betreiben, ist ungültig;1) eine Erwei­ terung seiner Rechte ist nur in beschränktem Maße zulässig. Der Eigentümer kann nämlich, solange nicht die Forderung ihm gegenüber fällig geworden ist, dem Gläubiger nicht das Recht einräumen, zum Zwecke der Befriedigung die Über­ tragung des Eigentums an dem Grundstücke zu verlangen oder die Veräußerung des Grundstücks auf andere Weise als im Wege der Zwangsvollstreckung zu bewirken (§ 1149). Gegenteilige Vereinbarungen sind nichtig. Dieses Verbot be­ zieht sich aber nicht auf den Fall, daß der Veräußerer eines Grundstücks sich den Rückfall des Eigentums vorbehält, falls der hypothekarisch sicher zu stellende Kaufschilling nicht pünktlich bezahlt wird.-) Dagegen ist eine nach § 1149 verbotene Ver­ einbarung gültig, wenn sie getroffen wird, „nachdem" die Forderung dem Eigentümer gegenüber fällig geworden ist; diese Vereinbarung unterliegt dann der Formvorschrift des § 313 (s. S. 220). Soweit die Befriedigung des Gläubigers aus dem Grund­ stücke und den bezeichneten Gegenständen im Wege der Zwangs­ vollstreckung erfolgt, wird auch hier ein Vollstreckungstitel vorausgesetzt. Auch hier ist es zulässig, daß sich der Eigen­ tümer des belasteten Grundstücks gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 CPO in einer gerichtlichen oder notariellen Urkunde der so­ fortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Ist dies der Fall und ist dem Rechtsnachfolger des Gläubigers eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt, so ist zur Einleitung der Zwangsvoll­ streckung die Zustellung der die Rechtsnachfolge nachweisenden öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden nicht erfor­ derlich, wenn der Rechtsnachfolger als Gläubiger im Grund­ buch eingetragen ist (§ 799 CPO). Ferner kann sich der Eigentümer in einer nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 CPO aufge­ nommenen Urkunde in Ansehung der Hypothek der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterwerfen, daß die Zwangs­ vollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll. Die Unterwerfung bedarf in diesem Falle der Eintragung in das Grundbuchs) Bei der Zwangsvollstreckung gegen einen späteren Eigentümer, der im Grundbuch eingetragen ist, bedarf es nicht der Zustellung der den Erwerb des Eigentums nachweisenden öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde1) (§ 800 CPO). Ist der Gläu­ biger im Besitze eines solchen Vollstreckungstitels nicht, so muß er sich einen solchen Titel erst im Wege der Klage *) *) ') *) S. 352.

BlfRA 66 S. 5; ROLG 2 S. 9. Vgl. ROLG 6 S. 322; EFG 3 S. 194; Recht 1902 S. 482. Vgl. SammlnF 4 S. 153. Vgl. ROLG 4 S. 316, 483; 5 S. 132; 7 S. 354; Recht 1903

Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstücke.

879

beschaffen. Die Klaget geht auf Gestattung der Zwangsvoll­ streckung in das Grundstück zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers für seine Forderung. Eine besondere Hervorhebung der Gegenstände, auf die sich die Hypothek erstreckt, in der Klage oder in dem Urteil ist nicht erforderlich, da dieselben durch den Ausdruck „Grundstück" mit umfaßt werden. Die Geltendmachung der Hypothek kann, sofern nicht ®or^e®.1,68 die Erteilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen ist, wider­ sprochen werden, wenn der Gläubiger nicht den Brief vorlegt. Ist der Gläubiger nicht im Grundbuch eingetragen, so sind auch die sämtlichen auf einen eingetragenen Gläubiger in ununterbrochener Reihe zurückführenden öffentlich be­ glaubigten Abtretungserklärungen vorzulegen (§ 1160 Abs. 1). Diese Vorschrift gilt für jede Art der Geltendmachung der Hypothek, mag sie gerichtlich oder außergerichtlich erfolgen. Gründe für das Borlegungsverlangen braucht der Schuldner nicht anzugeben. Legt der Gläubiger trotz des Verlangens im Prozesse den Brief nicht vor, so ist seine Klage abzu­ weisen?) Eine dem Eigentümer gegenüber erfolgte Kündigung oder Mahnung ist unwirksam, wenn der Gläubiger die ge­ nannten Urkunden nicht vorlegt und der Eigentümer die Kündigung oder Mahnung aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist (§ 1160 Abs. 2). Ist der Eigentümer der persön­ liche Schuldner, so finden die bezeichneten Vorschriften auch auf die Geltendmachung der persönlichen Forderung Anwendung (§ 1161). Auf die aus diesen Vorschriften sich ergebenden Rechte kann der Eigentümer wirksam verzichten;^ die Ein­ tragung des Verzichts in das Grundbuch ist zulässig?) Die genannten Vorschriften finden keine Anwendung, soweit Rück­ stände von Zinsen, von anderen Nebenleistungen oder von Kosten der Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstücke bezweckenden Rechtsverfolgung in Frage steht (§ 1160 Abs. 3).

8 269. Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstücke. Arten der

Dem Gläubiger, der genötigt ist, im Wege der Zwangs-BeftWgungaus Vollstreckung seine Befriedigung aus dem Grundstück zu suchen,bem ®tuni,(tüctstehen hierzu drei Wege offen: durch Zwangs. I. Er nimmt die Zwangsvollstreckung in das b e - das bewegliche weglicheVermögendes Eigentümers des belasteten Grund- Vermögen, stücks vor, auf welches die Hypothek sich erstreckt; dabei hat er *) Vgl. ROLG 3 S. 140; BlfRA 65 S. 399; IW 1902 S. 437. 2) IW 1903 Beil. 12 S. 110. *) BlfRA 66 S. 5, aM bez. § 1160 Abs. 1 ROLG 1 S. 10; EFG 1 S. 34; IW 1900 S. 698. *) Vgl ROLG 1 S. 424; EFG 1 S. 166.

880

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

aber die Vorschriften der CPO zu beachten. Er kann daher z. B. die vom Boden noch nicht getrennten Früchte, jedoch nicht früher als einen Monat vor der Reife pfänden lassen (§ 810 CPO); ferner kann er, wenn das Grundstück vermietet ist, die Mietzinsforderungen pfänden und sich zur Einziehung oder an Zahlungsstatt überweisen lassen (§ 828 ff. CPO). Dagegen dürfen Zubehörstücke, obwohl dieselben ebenfalls der hypothekarischen Haftung unterliegen, in Wege der Zwangs­ vollstreckung in das bewegliche Vermögen nicht gepfändet werden (§ 865 Abs. 2 CPO). Der Gläubiger wird diese Art der zwangsweisen Be­ friedigung in der Regel dann wählen, wenn seine Forderung eine verhälnismäßig geringe ist, da die beiden anderen Ver­ fahren, welche er ebenfalls einschlagen könnte, mit ziemlich erheblichen Kosten verknüpft sind, oder dann, wenn seiner Hypothek Ansprüche in bedeutender Höhe vorangehen, da er befürchten muß, mit seiner Hypothek durchzufallen, wenn das Grundstück zwangsweise versteigert wird. b)oetfttiae™ung.8= U- Sucht der Gläubiger im Wege des Zwangsver­ steigerungsverfahrens nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung u. s. w. vom 24. März 1897 Be­ friedigung aus dem Grundstück, so wird das Grundstück ver­ steigert und der Erlös zur Befriedigung des Gläubigers nach Deckung der ihm vorausgehenden Ansprüche verwendet. Ein­ geleitet wird dieses Verfahren durch Einreichung eines An­ trags bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sich das Grund­ stück befindet. Dem Antrag ist der Vollstreckungstitel, also z. B. ein vollstreckbares Urteil, ein gerichtlicher Vergleich oder eine Notariatsurkunde, in welcher sich der Schuldner der so­ fortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, mit Vollstreckungs­ klausel und Zustellungsnachweis beizufügen. Die Zwangs­ vollstreckung richtet sich gegen den Eigentümer des Grund­ stücks, wobei zu Gunsten des Hypothekengläubigers als Eigentümer derjenige gilt, welcher als Eigentümer im Grundbuch ein­ getragen ist (§ 1148). Doch wird das Recht des nicht ein­ getragenen Eigentümers, die ihm gegen die Hypothek zu­ stehenden Einwendungen geltend zu machen, durch diese Bestimmung nicht berührt. Gegen den nicht eingetragenen Eigentümer ist das Zwangsversteigerungsverfahren unzulässig; daher muß zuerst seine Eintragung im Wege der Grundbuch­ berichtigung nach §§ 14, 22 Abs. 1 GO erwirkt werden. Der Beschluß, durch welchen die Zwangsversteigerung angeordnet wird, gilt zu Gunsten des Gläubigers- als die Beschlagnahme des Grundstücks. Die Beschlagnahme des Grundstücks umfaßt auch diejenigen Gegenstände, auf welche sich bei einem Grund­ stücke die Hypothek erstreckt, also z. B. Erzeugnisse, Bestand­ teile, Zubehörstücke u. s. w. Jedoch werden die land- und

Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstücke.

881

forstwirtschaftlichen Erzeugnisse des Grundstücks, sowie die Forderung aus einer Versicherung solcher Erzeugnisse nur, so­ weit die Erzeugnisse noch mit dem Boden verbunden oder soweit sie Zubehör des Grundstücks sind, von der Beschlag­ nahme getroffen. Sie umfaßt ferner nicht die Miet- und Pachtzinsforderungen, sowie die Ansprüche aus einem mit dem Grundstücke verbundenen Rechte auf wiederkehrende Leistungen. Endlich bleibt auch das Recht des Pächters auf den Fruchtgenuß von der Beschlagnahme unberührt. Die Beschlagnahme des Grundstücks wird wirksam mit dem Zeitpunkte der Zustellung des Beschlagnahmebeschlusses an den Schuldner. Sie wird auch wirksam mit dem Zeitpunkte, in welchem das Ersuchen um Eintragung des Versteigerungsvermerkes dem Grundbuchamte zugeht, sofern auf das Ersuchen die Eintragung demnächst erfolgt. Ist ein Grundstück beschlagnahmt, so ist von diesem Zeitpunkte an eine gesonderte Vollstreckung in die von der Beschlagnahme betroffenen Gegenstände nach den Grundsätzen über die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen unzulässig (§ 865 CPO). Die Beschlagnahme hat die Wirkung eines Veräußerungsverbotes. Der Schuldner kann jedoch, wenn sich die Beschlagnahme auf bewegliche Sachen z. B. Zubehör­ stücke erstreckt, über einzelne Stücke inn'erhalbderGrenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft auch dem Gläu­ biger gegenüber wirksam verfügen. In dem gleichen Umfang verbleibt dem Schuldner die Verwaltung und Benützung des Grundstücks. Ist aber zu besorgen, daß durch das Verhalten des Schuldners die ordnungsmäßige Wirtschaft gefährdet wird, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Beschlag­ nahmegläubigers die zur Abwendung der Gefährdung er­ forderlichen Maßregeln, z. B. Aufstellung eines Verwalters, anzuordnen (§§ 16—25 ZwVG). Bei der Versteigerung werden immer nur solche Gebote zugelassen, durch welche die dem Ansprüche des Beschlagnahme­ gläubigers vorgehenden Rechte, sowie die aus dem Versteigerungs­ erlöse zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot). Hierbei ist zu bemerken, daß nicht nur die Rechte an dem Grundstücke in Berücksichtigung zu ziehen sind, sondern abgesehen von den Kosten des Verfahrens noch folgende „bevorzugte" Rechte: 1. der Anspruch des Beschlagnahmegläubigers auf Ersatz seiner für die Erhaltung und nötige Verbesserungen des Grund­ stücks gemachten Auslagen; 2. bei Beschlagnahme eines land- oder forstwirtschaft­ lichen Grundstücks die Lohn- und Unterhaltsansprüche der zu seiner Bewirtschaftung dauernd angestellten Personen für die laufenden und die aus dem letzten Jahre rückständigen Beträge; M ü l l e r - M e i k c l, Bürger!. Recht.

2. Auf!. Bd. I.

56

882

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

3. die Ansprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der laufenden und der aus den letzten zwei Jahren rückständigen Beträge. Erst nach Befriedigung dieser bevorzugten Forderungen kommen die an dem Grundstücke bestehenden Rechte nach ihrer Rangordnung zum Zuge, ebenso die Ansprüche auf wieder­ kehrende Leistungen, wie z. B. Zinsen, einschließlich derjenigen Leistungen, welche als Zuschlag zu den Zinsen behufs allmäh­ licher Kapitalstilgung zu bezahlen sind (Annuitäten), jedoch nur wegen der laufenden und der aus den letzten zwei Jahren rückständigen Beträge. Ist daher z. B. ein mit Hypotheken zu 20000, 30000 und 40000 Jb belastetes Grundstück beschlagnahmt und beträgt die für das laufende Jahr rückständige Grundsteuer 300 Jb und die Kosten des Beschlagnahmeverfahrens 200 Jb, so setzt sich das Mindestgebot, wenn der erste Hypothekengläubiger die Beschlagnahme bewirkt, lediglich aus den bevorzugten For­ derungen zu 200 Jb + 300 Jb = 500 Jb zusammen. Ist der zweite Hypothekengläubiger der Beschlagnahmegläubiger, so müssen durch das Mindestgebot die bevorzugten Forderungen zu 500 Jb, die erste Hypothek zu 20000 Jb, ferner die laufen­ den und die seit zwei Jahren etwa rückständigen Zinsen gedeckt werden. Wird das Verfahren wegen mehrerer Ansprüche von ver­ schiedenem Range betrieben, so bestimmt sich in der Regel das geringste Gebot nach dem den übrigen Ansprüchen im Range vorgehenden Anspruch; doch muß der wegen dieses Anspruchs ergangene Beschluß dem Schuldner spätestens zwei Wochen vor dem Versteigerungstermin zugestellt sein; anderenfalls ist die frühere Beschlagnahme maßgebend. Der Zuschlag ist durch Beschluß dem Meistbietenden zu erteilen, welcher dadurch Eigentümer des Grundstücks wird, sofern nicht der Beschluß im Beschwerdeweg aufgehoben wird. Mit dem Grundstück erwirbt der Ersteher zugleich das Eigentum an denjenigen Gegenständen, auf welche sich die Versteigerung erstreckt hat, z. B. an Erzeugnissen, Zubehörstücken u. s. w. Durch den Zuschlag erlöschen die Rechte an dem Grundstücke, welche nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben sollen, und zwar ganz gleichgültig, ob der Versteigerungserlös zur Befriedigung .der Berechtigten ausreicht oder nicht (§§ 44, 10, 81, 90, 91 ZVG). Durch den Zuschlag erlischt aber nur das Recht an dem Grundstück. Bei Hypotheken verbleibt somit dem Gläubiger sein Anspruch aus der Forderung gegen den persönlichen Schuldner. Er kann daher seinen Ausfall gegen denselben geltend machen. Jedoch muß der Beschlagnahme­ gläubiger, wenn der Schuldner berechtigt ist, von dem Eigen­ tümer Ersatz zu verlangen, denselben von der Erwirkung der

Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstücke.

883

Beschlagnahme unverzüglich benachrichtigen. Die Benachrich­ tigung darf jedoch unterbleiben, wenn sie untunlich ist. Unter­ läßt der Beschlagnahmegläubiger entweder die erforderliche Benachrichtigung überhaupt oder wenigstens die sofortige Be­ nachrichtigung, so kann der Schuldner die Befriedigung des Gläubigers insoweit verweigern, als er infolge der Unterlassung der Benachrichtigung einen Schaden erleidet (§ 1166). Nach der Erteilung des Zuschlags hat das Gericht einen Termin zur Verteilung des Versteigerungserlöses zu bestimmen. In diesem Termin hat der Ersteher das Bargebot zu er­ legen. Dasselbe besteht: a) aus demjenigen Teil des Mindestgebots, welcher zur Deckung der Kosten des Verfahrens, der oben aufgeführten „bevorzugten" Forderungen, sowie der Ansprüche auf Ersatz der Kosten der Kündigung und der die Befriedigung aus dem Grundstücke bezweckenden Rechtsverfolgung, endlich zur Deckung der Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und andere Neben­ leistungen bestimmt sind; b) desgleichen aus dem das geringste Gebot übersteigenden Betrag des Meistgebotes. Soweit der Versteigerungserlös im Verteilungstermin in Geld vorhanden ist, wird derselbe an die Berechtigten bar hinausbezahlt. Soweit das Baargebot nicht berichtigt wird, hat das Gericht die Forderungen gegen 4>en Ersteher auf die Berechtigten zu übertragen und zugleich das Grundbuchamt zu ersuchen , für die Forderung eine Sicherungshypothek mit dem Range des Anspruchs einzutragen (§§ 44, 81, 90, 49, 105fs. ZVG). III. Die Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangs­ verwaltung bezweckt die Befriedigung des Gläubigers aus den Erträgnissen des beschlagnahmten Grundstücks. Auf dieselbe finden im allgemeinen die für die Beschlag­ nahme zum Zwecke der Zwangsversteigerung geltenden Vor­ schriften entsprechende Anwendung. Im besonderen ist be­ stimmt, daß sich diese Beschlagnahme auch auf diejenigen landund forstwirtschaftlichen Erzeugnisse, die von der Beschlagnahme zum Zwecke der Zwangsversteigerung nicht ergriffen werden, ferner auf Miet- und Pachtzinsforderungen, sowie auf die Ansprüche aus einem mit dem Eigentum an dem Grundstücke verbundenen Rechte auf wisderkehrende Leistungen erstreckt. Durch die Beschlagnahme wird dem Schuldner die Verwaltung und Benützung des Grundstücks entzogen und einem vom Gerichte aufgestellten Verwalter übertragen. Jedoch sind dem Schuldner, wenn er zur Zeit der Beschlagnahme auf dem Grundstücke wohnt, die für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume zu belassen. Gefährdet aber der Schuldner oder ein Mitglied seines Hausstandes das Grundstück oder die Ver­ bs*

c) durch Zwangsver­ waltung.

884

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Wallung, so hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag die Räumung des Grundstücks aufzugeben. Aus den Nutzungen sind die Ausgaben der Verwaltung sowie die Kosten, des Ver­ fahrens zu bestreiten und die noch verbleibenden Überschüsse an die Berechtigten abzuführen (§§ 146 ff. ZBG).

8 270. Einreden gegen den Hypothekanspruch. Wie auf Seite des Gläubigers zwischen der persönlichen Forderung und dem dinglichen Ansprüche aus der Hypothek zu unterscheiden ist, so sind auch auf der anderen Seite die Einreden gegen den persönlichen Anspruch und die Einreden gegen die Hypothek auseinander zu halten. Diese Scheidung ist wichtig; denn Eigentümer und persönlicher Schuldner sind nicht immer identisch und ferner kann eine Einrede gegen die Hypothek begründet sein, die dem persönlichen Schuldner nicht zusteht, so z. B. wenn der Gläubiger zwar dem Eigentümer, aber nicht dem persönlichen Schuldner Stundung gewährt. Aus ein Person,. I. Daß der Eigentümer gegen die Hypothek alle auf ein .zw^chen Ei'gen-persönliches Verhältnis zwischen ihm und dem Gläubiger'sich Gläubiger sich gründenden Einreden geltend machen kann, gründende Ein- so z. B. daß ihm der Eigentümer Stundung bewilligt hat, reben' versteht sich von selbst. Ist auf Seiten des Gläubigers eine Rechtsnachfolge eingetreten, so kann der Eigentümer die Einrede nur dann vorschützen, wenn dem gegenwärtigen Gläubiger in Ansehung der Einrede nicht der Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs zur Seite steht (§ 1157; s. S. 874). Ist dagegen auf Seiten des Eigentümers eine Rechtsnachfolge eingetreten, so kann der gegenwärtige Eigentümer eine dem früheren Eigen­ tümer zustehende Einrede nur dann geltend machen, wenn er entweder Universalrechtsnachfolger, z. B. Erbe des früheren Eigentümers geworden ist oder wenn ihm dieser sein Einrede­ recht abgetreten hat. Einreden gegen II. Der Eigentümer kann ferner alle Einreden vorbringen, ^Hypothek?"welche sich gegen den Bestand der Hypothek richten; er kann also einwenden, daß die Hypothek nicht entstanden oder wieder erloschen sei; z. B. daß die Einigung wegen Ge­ schäftsunfähigkeit des Bestellers nichtig, daß die Hypothek nur zum Scheine bestellt sei u. dgl. Ist jedoch die Hypothek­ bestellung anfechtbar, so kann der Eigentümer die Anfechtbar­ keit nur dann geltend machen, wenn er selbst der Besteller oder dessen Universalrechtsnachfolger ist. Auch hier sind die Wirkungen des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs zu be­ rücksichtigen. bk atttotegi™ III. Der Eigentümer kann weiter — aber ebenfalls unbemation des schadet der Wirkungen des öffentlichen Glaubens des Grund-

Einreden gegen den Hypothekanspruch.

885

buchs — die Aktivlegitimation des Gläubigers be­ streiten; er kann z. B. geltend machen, daß die Hypothek nicht dem eingetragenen Gläubiger, sondern ihm selbst zustehe, weil die Forderung, für welche die Hypothek bestellt wurde, nicht zur Entstehung gelangt, oder der Hypothekenbrief dem Gläubiger nicht ausgehändigt worden sei. IV. Außerdem kann der Eigentümer gegen die Hypothek die dem persönlichen Schuldner gegen die For- stehend°E>nderung zustehenden Einreden geltend machen (§ 1137), tebenund zwar verliert er eine solche Einrede, wenn er selbst nicht zugleich persönlicher Schuldner ist, auch nicht dadurch, daß der persönliche Schuldner auf die Einrede verzichtet. Nur dann, wenn der persönliche Schuldner stirbt, kann sich der Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht darauf berufen, daß der Erbe des persönlichen Schuldners für die Schuld nur beschränkt haftet; denn durch die Bestellung der Hypothek soll ja dem Gläubiger gerade eine von dem Vermögensstande des persön­ lichen Schuldners unabhängige Sicherheit geboten werden. Ferner wird dem Eigentümer nicht das Recht zugestanden, das der Forderung zu Grunde liegende Rechtsgeschäft anzu­ fechten oder mit einer Forderung des persönlichen Schuldners gegen den Gläubiger aufzurechnen; dies darf nur der persön­ liche Schuldner selbst tun; wohl aber kann der Eigentümer, wie der Bürge (s. S. 613), die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem persönlichen Schuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zu Grunde liegende Rechts­ geschäft anzufechten oder solange sich der Gläubiger durch Auf­ rechnung gegen eine fällige Forderung des persönlichen Schuld­ ners befriedigen kann. Hinsichtlich der Frage, ob sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs auch auf die Forderung und die dem Eigentümer gegen diese zustehenden Einreden erstreckt, ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Verkehrshypothek oder eine Sicherungs­ hypothek handelt; denn darin ist ja gerade der Hauptunter­ schied zwischen diesen beiden Hypothekenformen zu erblicken, daß bei der Verkehrshypothek die Vorschriften über den öffent­ lichen Glauben des Grundbuchs auch in Ansehung der For­ derung und der dem Eigentümer gegen diese zustehenden Ein­ reden gelten, während dies bei der Sicherungshypothek nicht der Fall ist. Hierbei ist aber zu beachten, daß diese Vorschriften nur für die „Hypothek", also für den dinglichen Anspruch, der gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks gerichtet ist, gelten *) (§ 1138); dagegen kann, wenn die Forderung, also der persönliche Anspruch geltend gemacht wird, weder der ') RG 49 S. 6; IW 1901 S. 547. .

886

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Gläubiger noch der persönliche Schuldner sich auf den öffent­ lichen Glauben des Grundbuchs berufen. Jin einzelnen ergeben sich aus der im § 1138 statuierten Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 891 bis 899 folgende Konsequenzen: a) Ist der Gläubiger im Grundbuche eingetragen, so wird vermutet, daß ihm sowohl die Hypothek als auch die Forderung zustehe. Bestreitet der Eigentümer das eine oder andere, so trifft ihn die Beweislast. Umgekehrt wird, wenn die Hypothek im Grundbuch gelöscht ist, vermutet, daß weder die Hypothek noch die Forderung bestehe; entsteht dann über die Hypothek ein Streit zwischen dem Gläubiger und dem Eigentümer, so hat der Gläubiger zu beweisen nicht nur, daß Hypothek und Forderung bestehen, sondern auch, daß sie ihm zustehen. b) Zu Gunsten des Hypothekengläubigers, der die Hypothek durch Rechtsgeschäft erworben hat, gilt der Inhalt des Grund­ buchs auch in Ansehung der Forderung als richtig, es sei denn, daß zur Zeit des Erwerbes ein Widerspruch gegen die Richtig­ keit eingetragen oder die Unrichtigkeit dem Gläubiger bekannt war. Die Berufung auf den öffentlichen Glauben des Grund­ buchs ist ferner insoweit ausgeschlossen, als die Unrichtigkeit des Grundbuchs aus dem Hypothekenbrief oder einem Vermerk auf demselben hervorgeht. Ein Widerspruch gegen die Richtig­ keit des Grundbuchs, der auf dem Briefe oder einem Vermerk auf dem Briefe hervorgeht, steht einem im Grundbuch ein­ getragenen Widersprüche gleich (§ 1140). c) Die gleichen Vorschriften finden entsprechende An­ wendung, wenn an denjenigen, der im Grundbuch als Gläubiger eingetragen ist, auf Grund seines Hypothekenrechts eine Leistung bewirkt, oder wenn zwischen ihm und dem Eigentümer in Ansehung der Hypothek ein Rechtsgeschäft vorgenommen wird, das eine Verfügung über das Recht enthält und nicht schon nach den unter b dargestellten Vorschriften durch den öffent­ lichen Glauben des Grundbuchs geschützt wird. Noch weiter geht das Gesetz, wenn die Fälligkeit der Forderung von einer Kündigung abhängt, in Ansehung der Kündigung. Hier gilt gleichviel, ob die Kündigung von dem Gläubiger dem Eigen­ tümer oder von dem Eigentümer dem Gläubiger erklärt wird, zu Gunsten des Gläubigers derjenige, welcher im Grundbuche als Eigentümer eingetragen ist, als der Eigentümer, und zwar ohne Unterschied, ob sich der Gläubiger im guten oder schlechten Glauben befindet (§ 1141 Abs. 1 Satz 2). d) Zur Wahrung der dem Eigentümer hiernach zu­ stehenden Rechte ist ihm wie in Ansehung des dinglichen Rechtes, so auch in Ansehung der Forderung und der ihm gegen diese zustehenden Einreden das Recht auf Berichtigung

Recht auf Befriedigung des Gläubigers.

887

des Grundbuchs sowie auf Eintragung eines Widerspruchs') gegen die Richtigkeit des Grundbuchs verliehen. Eine noch weitergehende Ausnahme zu Gunsten des Eigentümers besteht für den Fall, daß für ein Darlehen eine Buchhypothek bestellt wird. Hier bedarf es zur Eintragung eines Widerspruchs, der sich darauf gründet, daß die Hingabe des Darlehens unterblieben sei, nicht erst einer einstweiligen Verfügung, sondern es genügt der einfache, von dem Eigen­ tümer an das Grundbuchamt gerichtete Antrag auf Eintragung des Widerspruchs, sofern derselbe vor dem Ablaufe eines Monats nach der Eintragung der Hypothek gestellt wird (§ 1139). Der Antrag bedarf nicht, der im § 29 GO vorgeschriebenen Form; ebensowenig bedarf es einer Glaubhaftmachung, daß die Darlehenshingave unterblieben ist. Maßgebend ist der Zeit­ punkt, in welchem der Antrag bei dem Grundbuchamt einläuft; dagegen ist es belanglos, wann die Eintragung des Wider­ spruchs erfolgt. Wird aber der Widerspruch innerhalb des Monats auch eingetragen, so hat die Eintragung die gleiche Wirkung, wie wenn der Widerspruch zugleich mit der Hypothek eingetragen worden wäre. Der so gewahrte Einwand kann daher auch demjenigen entgegengesetzt werden, welcher die Hypothek vor der Eintragung des Widerspruchs in Unkenntnis des Einwandes erworben hat. Bei Briefhypotheken bedarf dagegen der Gläubiger des Schutzes nicht, weil er in der Lage ist, dem Gläubiger die Hypothek durch Aushändigung des Briefs gegen Zahlung des Darlehens Zug um Zug zu ver­ schaffen; in diesem Falle kann daher die Eintragung eines Widerspruchs nur auf tzsrund einer Eintragungsbewilligung des Gläubigers oder einer einstweiligen Verfügung erfolgen. Steht eine Briefhypothek in Frage und ergibt sich das Gläubigerrecht des Besitzers des Hypothekenbriefs aus einer zusammenhängenden, auf einen eingetragenen Gläubiger zurück­ führenden Reihe von öffentlich beglaubigten Abtretungserklä­ rungen, so finden die unter a—d dargestellten Vorschriften in gleicher Weise Anwendung, wie wenn der Besitzer des Briefes als Gläubiger im Grundbuch eingetragen wäre. Einer öffent­ lich beglaubigten Abtretungserklärung steht ein gerichtlicher Überweisungsbeschluß und das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis einer kraft Gesetzes erfolgten Übertragung gleich (§ 1155, s. S. 872).

§ 271. Recht auf Befriedigung des Gläubigers. Befriedigt der persönliche Schuldner den Gläubiger nicht, so hat dieser die Wahl, ob er im Wege der Zwangsvollstreckung ') ROLG 5 S. 388.

888

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

gegen den persönlichen Schuldner Vorgehen oder Befriedigung aus dem Grundstücke suchen will. Schlägt der Gläubiger den letzteren Weg ein, so können hierdurch nicht nur der Eigen­ tümer, sondern auch dritte Personen schwer geschädigt werden; denn im Falle der Zwangsversteigerung verliert der Eigen­ tümer sein Eigentum an dem Grundstücke; Nachhypotheken­ gläubiger verlieren ihre Sicherheit, wenn der Erlös zu ihrer Befriedigung nicht ausreicht, u. dgl. Zur Vermeidung von Schädigungen wird daher diesen Interessenten unter gewissen Voraussetzungen die Befugnis eingeräumt, das Recht des Gläubigers dadurch zu beseitigen, daß sie ihn befriedigen, recht^'des^EigenI- Der Eigentümer des belasteten Grundstücks ist tümerr. daher zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt, den Gläubiger zu befriedigen (§ 1142): 1. wenn die Forderung ihm gegenüber fällig ge­ worden ist. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich, abgesehen von den Wirkungen des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, nach dem Inhalte der Forderung. Hängt die Fälligkeit der Forderung von einer Kündigung ab, so ist die Kündigung für die Hypothek nur wirksam, wenn sie von dem Gläubiger dem Eigentümer oder von dem Eigentümer dem Gläubiger erklärt wird (§ 1141). Zu Gunsten des Gläubigers gilt derjenige, welcher im Grundbuch als der Eigentümer eingetragen ist, ohne Rücksicht auf seinen guten Glauben als der Eigentümer. Da diese Vermutung aber nur „zu Gunsten" des Eigentümers gilt, so wird selbstverständlich die Fälligkeit auch dann herbei­ geführt, wenn er dem nicht eingetragenen wahren Eigentümer kündigt. Hat der Gläubiger keinen Wohnsitz im Inland oder befindet sich der Gläubiger über die Person des Eigentümers in einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis oder ist der Aufenthalt des Eigentümers unbekannt, so hat auf Antrag des Gläubigers das Amtsgericht, in dessen Bezirke das Grundstück liegt, dem Eigentümer einen Vertreter zu bestellen, dem gegenüber die Kündigung erfolgen kann (§ 1141 Abs. 2). Ist der Gläubiger nicht im Grundbuche eingetragen, so ist seine Mahnung oder Kündigung unwirksam, wenn er nicht zugleich die sämtlicher auf einen eingetragenen Gläubiger in ununter­ brochener Reihe zurückführenden öffentlich beglaubigten Ab­ tretungserklärungen mit vorlegt und der Eigentümer aus diesem Grunde die Kündigung unverzüglich zurückweist (§ 1160). Daß im Falle der Übertragung der Hypothek der neue Gläubiger eine dem bisherigen Gläubiger gegenüber erfolgte Kündigung des Eigentümers gegen sich gelten lassen muß, es fei denn, daß die Übertragung zur Zeit der Kündigung dem Eigentümer bekannt oder im Grundbuch eingetragen ist, wurde bereits er­ wähnt (s. S. 873 f.).

Recht aus Befriedigung des Gläubigers.

889

2. wenn der persönliche Schuldner zur Leistung berechtigt ist. Dies ist der Fall, wenn die Leistung dem persönlichen Schuldner gegenüber fällig ist. Ist für die Leitung eine Zeit weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so darf die Leistung sofort bewirkt werden. Aber auch dann, wenn für die Leistung eine Zeit bestimmt ist, darf die Leistung schon vor der Zeit bewirkt werden, wenn nicht ein Anderes vereinbart ist (§ 271). Die Befriedigung des Gläubigers erfolgt in erster Linie durch Zahlung, sie kann aber auch durch Hinterlegung oder durch Aufrechnung erfolgen (§ 1142 Abs. 2). Der Eigentümer kann gegen Befriedigung des Gläubigers die Aushändigung des Hypothekenbriefs und der sonstigen Ur­ kunden verlangen, die zur Berichtigung des Grundbuchs oder zur Löschung der Hypothek erforderlich sind (§ 1144). Befriedigt der Eigentümer den Gläubiger nur teilweise, so kann er die Aushändigung des Hypothekenbriefes nicht ver­ langen; der Gläubiger ist jedoch verpflichtet, die teilweise Be­ friedigung auf dem Briefe zu vermerken und den Brief zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs oder der Löschung dem Grundbuchamt oder zum Zweck der Herstellung eines Teilhypothekenbriefs für den Eigentümer der zuständigen Be­ hörde oder einem zuständigen Notar vorzulegen. Für Zinsen oder andere Nebenleistungen gilt dies aber nur dann, wenn sie später als in dem Kalendervierteljahr, in welchem der Gläubiger befriedigt wird, oder in dem folgenden Kalenderjahr fällig werden. Auf die Kosten, für welche das Grundstück kraft Gesetzes haftet, findet die Vorschrift keine Anwendung (§ 1145). II. Ferner ist zur Befriedigung des Eigentümers berech- Beftiedigungstigt Jeder, der Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung xeä> n er" ein Recht an dem Grundstück oder an den übrigen für die hastenden Gegenständen zu verlieren, sowie der BeGrundstücks oder der genannten Gegenstände, wenn er Gefahr läuft, durch die Zwangsvollstreckung den Besitz zu verlieren (§ 1150). Diesen Personen steht aber das Befriedi­ gungsrecht nicht schon dann zu, wenn der persönliche Schuldner zur Leistung berechtigt oder wenn die Forderung diesem gegen­ über fällig ist, sondern nur dann, wenn der Gläubiger Be­ friedigung aus dem Grundstücke verlangt. Gleichgültig ist, ob der Gläubiger solche Befriedigung gerichtlich oder außer­ gerichtlich sucht; es genügt also eine Zahlungsaufforderung an den Eigentümer oder der Eintritt der Fälligkeit der Hypothek auf Grund einer Kündigung des Gläubigers gegenüber dem Eigentümer. Dieses Ablösungsrecht kann auch noch nach Ein­ leitung des Zwangsversteigerungsverfahrens bis zur Erteilung des Zuschlags ausgeübt werden.

«

890

Hypothek. Grundschuld. Rentenschuld.

Diesen Ablösungsberechtigten stehen in gleicher Weise wie dem Eigentümer die in den §§ 1144, 1145 bestimmten Rechte auf Aushändigung des Hypothekenbriefs rc. gegen Befriedigung des Gläubigers rc. zu. 8 272.

Wirkungen der freiwilligen Befriedigung des Gläubigers.

Die Wirkungen einer freiwilligen Befriedigung des Gläu­ bigers sind verschieden je nach den Personen, welche den Gläubiger befriedigen, und je nach dem Verhältnisse, in dem sie zu dem Gläubiger stehen. Befriedigung I. Bei der Befriedigung des Gläubigers durch den burc6tüme®'0en= (Sigentümer des belasteten Grundstücks hat man zu unter­ scheiden, ob der Eigentümer zugleich persönlicher Schuldner ist oder nicht. 1. Ist der Eigentümer zugleich persönlicher Schuldner des Gläubigers, so erlischt mit der Befriedigung des Gläubigers die Forderung und der Eigentümer erwirbt die Hypothek (§ 1163 Abs. 1). Die Hypothek verwandelt sich aber in eine Grundschuld; in Ansehung der Verzinslichkeit, des Zinssatzes, der Zahlungszeit, der Kündigung und des Zahlungsorts bleiben jedoch die für die Forderung getroffenen Bestimmungen maß­ gebend (§ 1177 Abs. 1, s. S. 902). Der Befriedigung des Gläubigers steht es gleich, wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinigen. 2. Ist der Eigentümer nicht zugleich persönlicher Schuldner, so geht, soweit er den Gläubiger befriedigt, die Forderung auf ihn über (§1143). Mit der Forderung erwirbt er zugleich die Hypothek. Der Übergang kann aber nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden. Diese Vorschrift ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Eigentümer den Gläubiger nur teilweise befriedigt. Einreden des persönlichen Schuldners aus einem zwischen ihm und dem Gläubiger bestehenden Rechtsverhältnisse bleiben unberührt; daher kann z. B. der persönliche Schuldner, wenn der Eigentümer die auf ihn übergegangene Forderung geltend macht, einwenden, daß sich der Eigentümer ihm gegenüber verpflichtet hat, den Gläubiger zu befriedigen, weil z. B. der Eigentümer die Hypothek in Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen hat. 3. Der Unterschied, ob der Eigentümer persönlicher Schuldner ist oder nicht, ist auch dann von Bedeutung, wenn der Gläubiger nach § 1171 auf Antrag des Eigentümers mit seinem Rechte ausgeschlossen wird. Der unbekannte Gläubiger kann nämlich mit seinem Rechte im Wege des Aufgebotsver­ fahrens ausgeschlossen werden, wenn der Eigentümer zur Be­ friedigung des Gläubigers berechtigt ist und den Betrag der

Wirkungen der freiwilligen Befriedigung des Gläubigers.

891

Forderung für den Gläubiger unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme hinterlegte Mit der Erlassung des Ausschluß­ urteils gilt der Gläubiger als befriedigt, sofern nicht nach den Forschriften über die Hinterlegung die Befriedigung schon vor­ her eingetreten ist. II. Die Vorschriften, des § 1143 finden entsprechende. Befriedigung Anwendung, wenn ein Ablösungsberechtigter (s. S. 889) ben bUb«™tOigute8 Gläubiger befriedigt (§ 1150). III. Befriedigt endlich der persönliche Schuldner, der nicht Bem-digung zugleich Eigentümer des belasteten Grundstücks ist, den Gläu- sönliIen Schuldbiger, so geht die Hypothek insoweit auf ihn über, als er von netdem Eigentümer oder einem Rechtsvorgänger des Eigentümers Ersatz verlangen kann (§ 1164 Abs. 1 Satz 1). Ein solcher Fall ist namentlich dann gegeben, wenn bei der Veräußerung eines Grundstücks, das mit einer Hypothek für eine Schuld des Veräußerers belastet ist, der Erwerber die Hypothek in Anrechnung auf den Kaufpreis übernimmt, die persönliche Haf­ tung des Veräußerers aber fortbesteht, weil die Schuldüber­ nahme nicht zustande kommt (vgl. § 416). Zu beachten ist aber, daß nur die „Hypothek" auf den persönlichen Schuldner Übergeht; die persönliche Forderung, für welche die Hypothek besteht, erlischt dadurch, daß der persönliche Schuldner den Gläubiger befriedigt. Die Hypothek haftet daher mit dem Übergänge auf den persönlichen Schuldner nicht mehr für die Forderung, für die sie ursprünglich bestand, sondern nur noch für die dem persönlichen Schuldner gegen den Eigentümer zu­ stehende Ersatzforderung und sie verbindet sich mit dem Über­ gang der Hypothek kraft Gesetzes mit dieser. Während sohin regelmäßig nur auf Grund Rechtsgeschäfts ein Wechsel der Forderung eintritt (vgl. § 1180 s. @.856), muß hier ein kraft Gesetzes eintretender Wechsel der Forderung angenommen werden. Ist dem Schuldner nur teilweise Ersatz zu leisten, so kann der Eigentümer die Hypothek, soweit sie auf ihn über­ gegangen ist, nicht zum Nachteile der Hypothek des Schuldners geltend machen (§ 1164 Abs. 1 Satz 2). Der Befriedigung des Gläubigers steht es gleich, wenn sich Forderung und Schuld in einer Person ver­ einigen (§ 1164 Abs. 2), so z. B. wenn der persönliche Schuldner den Gläubiger oder der Gläubiger den persönlichen Schuldner beerbt. Erwirbt der persönliche Schuldner, falls er den Gläubiger befriedigt, die Hypothek oder hat er im Falle der Befriedigung ein sonstiges rechtliches Interesse an der Berichtigung des Grundbuchs, so kann er gegen Befriedigung des Gläubigers die Aushändigung des Hypothekenbriefs und der sonstigen Ur­ kunden verlangen, die zur Berichtigung des Grundbuchs ober,, zur Löschung der Hypothek erforderlich sind; im Falle nur

892

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

teilweiser Befriedigung des Gläubigers kann er jedoch die Aus­ händigung des Hypothekenbriefs nicht verlangen; dagegen ist der Gläubiger verpflichtet, die teilweise Befriedigung auf dem Briefe zu vermerken und den Brief zum Zwecke der Berichti­ gung des Grundbuchs oder der Löschung dem Grundbuchamt oder zum Zwecke der Herstellung eines Teilhypothekenbriefs für den persönlichen Schuldner der zuständigen Behörde oder einem zuständigen Notare vorzulegen; diese Vorschrift findet aber keine Anwendung auf Kosten, für die das Grundstück kraft Gesetzes haftet, sowie auf Zinsen und andere Neben­ leistungen, die nicht später als in dem Kalendervierteljahr, in dem der Gläubiger befriedigt wird, oder in dem folgenden Kalendervierteljahr fällig werden (§ 1167). Verzichtet der Gläubiger auf die Hypothek oder hebt er sie durch Rechtsgeschäft mit dem Gläubiger auf (§ 1183) oder räumt er einem anderen Rechte den Vorrang ein, so wird der persönliche Schuldner insoweit frei, als er ohne diese Verfügung nach § 1164 aus der Hypothek hätte Ersatz ver­ langen können (§ 1165). Ist der persönliche Schuldner berechtigt, von dem Eigen­ tümer Ersatz zu verlangen, falls er den Gläubiger befriedigt, so kann er, wenn der Gläubiger die Zwangsversteigerung des Grundstücks betreibt, ohne ihn unverzüglich zu benachrichtigen, die Befriedigung des Gläubigers wegen eines Ausfalls bei der Zwangsversteigerung insoweit verweigern, als er infolge der Unterlassung der Benachrichtigung einen Schaden erleidet. Die Benachrichtigung darf unterbleiben, wenn sie untunlich ist (§ 1166). Dieser Fall unterscheidet sich von dem vorigen insofern, als dort der Schuldner ohne weiteres von seiner Schuld befreit wird , während hier dem Schuldner nur das Recht zugestanden wird, die Leistung zu verweigern.

§ 273. Schutz des Hypothekengläubigers gegen Verschlechterungen des Grundstücks.

u) Schutz bei bereits einge­ tretener Ver­ schlechterung.

Schon vor der Beschlagnahme wird der Gläubiger da­ gegen geschützt, daß die Sicherheit der Hypothek infolge einer Verschlechterung des Grundstücks gefährdet wird. Einer Ver­ schlechterung des Grundstücks steht es in den beiden folgenden Fällen gleich, wenn Zubehörstücke, auf welche sich die Hypothek erstreckt, verschlechtert oder den Regeln einer ordentlichen Wirt­ schaft zuwider von dem Grundstücke entfernt werden (§ 1135). a) Ist infolge einer bereits eingetretenen Ver­ schlechterung des Grundstücks die Sicherheit der Hypothek gefährdet, so kann der Gläubiger dem Eigentümer eine an­ gemessene Frist zur Beseitigung der Gefährdung bestimmen (§ 1133). Ob den Eigentümer an der Verschlechterung ein

Schutz des Hypothekengläubigers gegen Verschlechterungen 2C.

tzgZ

Verschulden trifft oder nicht, ist belanglos. Das Recht des Gläubigers besteht daher auch dann, wenn die auf einem land­ wirtschaftlichen Grundstücke befindliche Scheune vom Blitze zer­ stört oder das als Zubehör in Betracht kommende Vieh durch eine Seuche zu Grunde gegangen ist. Nach dem Ablaufe der Frist ist der Gläubiger berechtigt, sofort Befriedigung aus dem Grundstücke zu suchen, wenn nicht die Gefährdung der Sicherheit durch Verbesserung des Grundstücks oder durch ander­ weitige Hypothekbestellung beseitigt worden ist. Ist die Forde­ rung des Gläubigers unverzinslich und noch nicht fällig, so gebührt demselben nur die Summe, welche mit Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Zahlung bis zur Fälligkeit dem Betrage der Forderung gleichkommt. Ist die Forderung dagegen verzinslich, so kann der Gläubiger für die Zeit bis zur Fälligkeit keine Zinsen beanspruchen, erhält aber die volle Summe. b) Der Gläubiger wird ferner auch gegen eine drohende dröhm^r Verschlechterung des Grundstücks geschützt, gleichviel, ob Weiterung, dieselbe vom Eigentümer oder einem Dritten zu besorgen ist. Als eine die Sicherheit der Hypothek gefährdende Verschlechte­ rung kann unter Umständen auch die Nichtversicherung eines Anwesens gegen Feuersgefahr zu erachten fein.1) Dagegen kommt es darauf, ob der Eigentümer bereit und imstande ist, dem Gläubiger einen etwaigen Schaden zu ersetzen nicht an;2) denn es muß sich immer um eine Gefährdung der dinglichen Sicherheit handeln. Wirkt der Eigentümer oder ein Dritter auf das Grundstück in solcher Weise ein, daß eine die Sicher­ heit der Hypothek gefährdende Verschlechterung des Grundstücks zu besorgen ist, so kann der Gläubiger auch auf Unterlassung klagen (§ 1134). Jedoch werden hier zur Begründung der Klage positive Einwirkungen des Eigentümers oder eines Dritten erfordert; Einwirkungen, die auf Naturereignisse zurückzuführen sind, bleiben daher außer Betracht. Geht die Einwirkung von dem Eigentümer aus, so hat das Gericht auf Antrag des Gläubigers durch Urteil oder durch Erlassung einer einstweiligen Verfügung die zur Abwendung der Gefährdung erforderlichen Maßregeln anzuordnen. Hier können auch Unterlassungshandlungen des Eigentümers von Belang fein, nämlich dann, wenn die Verschlechterung deshalb zu besorgen ist, weil der Eigentümer die erforderlichen Vor­ kehrungen gegen Einwirkungen Dritter oder gegen andere Be­ schädigungen unterläßt. Welche Maßregeln zum Schutze der Hypothek geeignet sind, kann nur nach Lage des einzelnen Falles entschieden werden. Selbst die Aufstellung eines Ver*) RG 52 S. 295; IW 1902 Beil. S. 277; ROLG 4 S. 485. ’) ROLG 5 S. 321.

894

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Walters ist nicht ausgeschlossen. Sie wird namentlich dann am Platze sein, wenn es sich um die Bestellung von Feldern oder um notwendige Bauten zur Abwendung drohender Schäden handelt. Cbern|fänbungit c) Gegen die Zugriffe Dritter ist der Hypothekengläubiger von Zubehör- insofern geschützt, als die Pfändung von Zubehörstücken nach stucken. j)en Vorschriften der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen unzulässig ist (§ 865 Abs. 2 CPO). Werden daher z. B. unter der Herrschaft des BGB die auf einem mit Hypo­ theken belasteten Landgute befindlichen Kühe gepfändet, so kann der Hypothekengläubiger die Freigabe der Kühe verlangen.

§ 274.

Die Gesamlhypothek.

Wenn für eine und dieselbe Forderung mehrere Grund­ stücke haften sollen, so kann zur Erreichung dieses Zweckes ein doppelter Weg eingeschlagen werden: I. Bereinigung 1. Der Eigentümer mehrerer Grundstücke vereinigt stück""ü^e,nem entweder die Grundstücke dadurch zu einem Grundstücke, daß Grundstück. er sie als ein Grundstück in das Grundbuch eintragen läßt (§ 890 Abs. 1) oder er macht das eine Grundstück dadurch zu einem Bestandteil des anderen Grundstücks, daß er es diesem im Grundbuche zuschreiben läßt (§ 890 Abs. 2). Mögen dann diese Grundstücke auch tatsächlich und wirtschaftlich als ver­ schiedene Grundstücke zu erachten sein, juristisch gelten sie als nur ein Grundstück. Werden sie daher mit einer Hypothek be­ lastet, so gelten keine Besonderheiten. Dagegen ist die Frage verschieden zu beantworten, wie es mit den bereits bestehenden Rechten zu halten ist. a) Werden mehrere Grundstücke zu einem Grundstücke vereinigt (§ 890 Abs. 1), so bleiben die bestehenden Hypotheken unberührt. b) Wird dagegen ein Grundstück einem anderen Grund­ stücke als Bestandteil zugeschrieben, so erstrecken sich die an diesem Grundstücke bestehenden Hypotheken auf das zu­ geschriebene Grundstück (§ 1131); dagegen erstrecken sich die Rechte, mit denen das zugeschriebene Grundstück belastet ist, nicht auf das Grundstück, dem das andere Grundstück zugefchrieben wird; wohl aber gehen dieselben den an dem letzteren Grundstücke bestehenden Rechten vor. Werden daher im Falle der Zwangsversteigerung beide Grundstücke um einen Gesamt­ preis versteigert, so muß dieser Erlös auf die beiden Grund­ stücke in entsprechender Anwendung des § 112 ZVG nach dem Verhältnisse ihres Wertes verteilt werden. Ist z. B. das Grundstücks, mit 20000 Jfc, das Grundstück B mit 15000 Jb Hypotheken belastet, und verhält sich der Wert des Grundstücks A zu dem des Grundstücks B wie 1:2, so treffen von einem Er-

Die Gesamthyßothek.

895

löse von 30000 Jh> auf das Grundstück A 10000 jK> , auf das Grundstück B 20000 JL Die Hypothek auf dem Grund­ stücke A kann von den auf das Grundstück B treffenden Be­ trag nur den nach Wegfertigung der Hypothek zu 15000 Ji> verbleibenden Überschuß beanspruchen. Betrüge der Erlös 36000 Jl und wären nach der Zuschreibung beide Grundstücke mit einer weiteren Hypothek von 5000 Jk belastet worden, so träfen auf das Grundstück A 12 000 Jt, auf das Grund­ stück B 24000 Jb; hier würde der .nach Wegfertigung der Hypothek zu 15000 Jb verbleibende Überschuß von 9000 jK> zunächst dazu verwendet, um den Ausfall der auf dem Grund­ stücke A lastenden Hypothek zu decken, erst der jetzt noch vor­ handene Überschuß von 1000 Jb käme der Hypothek von 5000 J6 zu Gute. Wäre das Wertsverhältnis 2:1, so träfen auf das Grundstück A 24000 Jb, auf das Grundstück B 12000 Jb;. der nach Wegfertigung der Hypothek zu 20000 Jb verbleibende Überschuß könnte aber nicht zur Deckung des Aus­ falles, den die Hypothek zu 15000 Jb erleidet, verwendet werden, sondern käme der Hypothek von 5000 Jb zu Gute. 2. Es ist aber auch möglich, daß für eine und dieselbe We,amthyp°th°k Forderung an mehreren selbständigen Grundstücken eine Hypo­ thek besteht. Eine solche Hypothek nennt man eine Gesamt­ hypothek (§ 1132). Vorausgesetzt wird hier, daß die mehreren Grund­ stücke, auch juristisch betrachtet, selbständige Grundstücke sind. Den Grundstücken stehen die Rechte gleich, welche den Grund­ stücken gleichgestellt sind. Wenn das mit der Hypothek be­ lastete Grundstück im Miteigentum Mehrerer steht, so ist die Hypothek keine Gesamthypothek, da ja nur ein Grundstück be­ lastet ist. Werden dagegen die einzelnen Anteile gesondert für dieselbe Hypothek verpfändet, so liegt eine Gesamthypothek vor. Eine Gesamthypothek kann dadurch entstehen, daß von Anfang an mehrere Grundstücke mit einer Hypothek für dieselbe Forderung belastet werden. Selbstverständlich ist, daß die Hypothek auf sämtlichen Grundstücken von derselben Art sein muß; es ist deshalb nicht zulässig, auf dem einen Grundstück z. B. eine Verkehrs-, auf dem anderen eine Sicherungshypothek als Gesamthypothek zu bestellend) Dagegen ist es nicht un­ zulässig, den Zinsfuß nur bezüglich eines Grundstücks zu er­ höhen oder zu ermäßigend) Im Wege der Zwangsvollstreckung ist die Entstehung einer Gesamthypothek ausgeschlossen. Sollen nämlich mehrere Grundstücke desselben*8) Schuldners mit einer Zwangshypothek für dieselbe Forderung belastet werden, so ist *) EFG 2 S. 94; ROLG 2 S. 494; Recht 1901 S. 353. 8) ROLG 2 S. 86; Recht 1901 S. 143, 232. ') ROLG 2 S. 406.

896

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

der Betrag der Forderung auf die einzelnen Grundstücke zu verteilen; die Größe der Teile bestimmt der Gläubiger (§ 867 Abs. 2 CPO); nicht erforderlich ist, daß der einzelne Teil den Betrag von 300 Jk übersteigt; ’) es genügt, wenn dies in An­ sehung der Gesamtforderung der Fall ist (§ 866 Abs. 3 CPO). Eine Gesamthypothek kann aber auch dadurch geschaffen werden, daß zunächst nur ein Grundstück mit einer Hypothek belastet wird; teilt nun der Eigentümer dieses Grundstück in mehrere Grundstücke z. B Bauplätze ab, so lastet die nämliche Hypothek auf sämtlichen Grundstücken zu ungeteilter Summe. Dieses Recht des Eigentümers zur Parzellierung kann durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Doch kann sich der Hypothekengläubiger gegen etwaige hieraus ent­ stehende Nachteile dadurch schützen, daß er für diesen Fall sofortige Fälligkeit der Hypothek vereinbart. nis^Eu■ Besteht für eine und dieselbe Forderung eine Hypothek bigers. an mehreren Grundstücken, so haftet jedes Grundstück für die ganze Forderung. Der Gläubiger kann die Befriedigung nach seinem Belieben aus jedem Grundstücke ganz oder zu einem Teile suchen (§ 1132 Abs. 1). Für die Nachhypothekare mag dieses Recht des Gläubigers freilich manchmal recht un­ angenehm sein. Z. B. das Grundstück P ist mit Hypotheken und zu 10000 belastet, das gleichwertige zu 20000 Grundstück Q mit einer Hypothek zu 20000 jMo und zu 15000 Jts. Wird für jedes der beiden Grundstücke ein Erlös von 20000 jKo erzielt und sucht der Gläubiger der Hypothek zu 20000 Jfn, welche eine Gesamthypothek ist, aus dem Grund­ stück Q allein seine Befriedigung, so fällt die Hypothek zu 15000 Jfc durch, während die Hypothek zu 10000 Jh auf dem Grundstück P voll zum Zuge kommt. Macht der Gläubiger einer Gesamthypothek in dem Ver­ teilungstermin im Zwangsversteigerungsverfahren von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch, so ist bei jedem einzelnen Grund­ stücke nur ein nach dem Verhältnisse der Erlöse zu bestimmen­ der Betrag in den Teilungsplan aufzunehmen. Der Erlös wird unter Abzug des Betrages der Ansprüche berechnet, welche dem Anspruch des Gesamthypothekengläubigers vorher­ gehen (§ 122 ZVG). Betrüge, um bei obigem Beispiele zu bleiben, der Erlös für das Grundstück P 50000 Jfa und für das Grundstück Q 40000 Jt>, ginge jedoch der Gesamthypothek zu 20000 auf dem Grundstücke P eine Hypothek zu 30000 Jfc im Range vor, so käme die Gesamthypothek auf dem Grundstück P mit 6666,67 Jt>, auf dem Grundstück Q mit 13333,33 zum Zuge. Denn nach Abzug des der Gesamt­ hypothek vorausgehenden Anspruchs zu 30000 Jto verbleibt ') ROLG 5 S. 332.

Die Eigentümerhypothek.

897

für das Grundstück P ein Rest von 20000 JL Auf dem Grundstück Q geht der Gesamthypothek ein Anspruch nicht voraus. Das Verhältnis ist daher 20000: 40000 =1:2. In diesem Verhältnis ist die Gesamthypothek auf die beiden Grund­ stücke zu verteilen. Die Befugnis, aus jedem der Grundstücke seine Befriedi­ gung ganz oder zum Teile zu suchen, steht dem Gläubiger einer Gesamthypothek auch außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens*) zu. Er ist berechtigt, den Betrag der Forderung auf die einzelnen Grundstücke in der Weise zu verteilen, daß jedes Grundstück nicht mehr wie bisher für die ganze Forderung, sondern nur für den ihm zugeteilten Betrag haftet (8 1132 Abs. 2). Sind z. B. die Grundstücke P, Q und R mit einer Gesamt­ hypothek von 10000 belastet, so kann der Gläubiger be­ stimmen, daß von nun ab das Grundstück P nur mit einem Betrag von 5000^6, das Grundstück Q mit einem Betrag von 3000 und das Grundstück R mit einem solchen von 2000 haften soll. Selbstverständlich kann er auch auf die Hypothek an einem oder an mehreren Grundstücken ganz verzichten, ohne ihm einen Betrag zuzuteilen. Nimmt der Gläubiger die Verteilung vor, so hat er die entsprechende Erklärung dem Grundbuchamt oder dem Eigentümer des belasteten Grund­ stücks gegenüber abzugeben. Außerdem ist die Eintragung der Verteilung in das Grundbuch erforderlich. Hat der Gläubiger die Erklärung dem Grundbuchamt gegenüber abgegeben oder dem Eigentümer eine den Bestimmungen der Grundbuchord­ nung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt, so ist er an die Erklärung gebunden. Ist zugleich der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte gestellt, so wird die Erklärung auch dadurch nicht unwirksam, daß der Gläubiger vor der Eintragung in der Verfügung beschränkt wird. Ist die Gesamthypothek mit dem Rechte eines Dritten, z. B. einem Pfandrechte oder Nießbrauch, belastet, so ist auch dessen Zu­ stimmung erforderlich. Dagegen ist die Zustimmung des Eigen­ tümers 2) oder der Nachhypothekengläubiger zur Verteilung der Gefamthypothek auf die einzelnen Grundstücke in jedem Fälle entbehrlich.

§ 275. Die Eigentümerhypothek. Unter einer Eigentümerhypoth'ek versteht man eine Hypothek, die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks zusteht. *) SammlnF 4 S. 506. 2) Gruchots Beitr. 46 S. 65; aM ROLG 3 S. 225 vgl. auch Recht 1902 S. 175. Mül ler - Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. Bd. I. 57

Begriff.

898

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Die erste Voraussetzung für die Entstehung der Eigen­ tümerhypothek ist, daß die Hypothek gültig entstanden ist,1) daß also, und zwar gleichviel ob es sich um eine Buch­ oder Briefhypothek handelt, der Eigentümer und der Gläubiger über die Entstehung der Hypothek einig sind und die Hypothek in das Grundbuch eingetragen ist. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, ist also die Hypothek nicht eingetragen oder ist eine Einigung nicht zustande gekommen oder ist die Einigung von Anfang an nichtig oder infolge einer Anfechtung wegen Irrtums, Zwangs oder Betrugs nichtig geworden, so kann die Hypothek dem Eigentümer ebensowenig zustehen, wie sie dem Gläubiger zustehen kann. In diesen Fällen erwirbt weder der Eigentümer die Hypothek noch kann er deren Rang einem Anderen einräumen. Von der hier genannten Anfechtung ist aber zu unterscheiden die Anfechtung, welche auf Grund der §§ 29 ff. KO oder die Vorschriften des Gesetzes vom 21. Juli 1879 in der Fassung vom 20. Mai 1898 betr. die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkurs­ verfahrens, erfolgt;2) denn hier bewirkt die Anfechtung nicht Nichtigkeit, sondern sie wirkt nur zu Gunsten der Konkurs­ gläubiger, bezw. des anfechtenden Gläubigers. Die Hypothek steht dem Eigentümer zu: i. Nicht-nt1. wenn die Forderung, für welche die Hypothek bestellt Fordc?un" ist, nicht zur Entstehung gelangt (§ 1163 Abs. 1). Aus welchem Grunde die Forderung nicht zur Entstehung gelangt, sei es, weil das Darlehen, für welches die Hypothek bestellt wurde, nicht gewährt wurde, oder weil die Forderung als gegen die guten Sitten verstoßend nichtig ist oder bei einer bedingten Forderung die Bedingung nicht eingetreten ist, rc. rc., ist gleich­ gültig. Erlöschen der 2. wenn die Forderung, für welche die Hypothek bestellt For erung. erlischt (§ 1163 Abs. 1). Wenn der persönliche Schuldner den Gläubiger befriedigt oder wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinigen, so erlischt zwar auch die Forderung; gleichwohl erwirbt der Eigentümer, der nicht zugleich persön­ licher Schuldner ist, die Hypothek nicht, wenn und soweit der persönliche Schuldner Ersatz von ihm verlangen kann (§ 1164, s. S. 891). Die Hypothek steht demjenigen zu, der zur Zeit des Er­ löschens der Forderung Eigentümer des Grundstücks ist.3) Veräußert er nach diesem Zeitpunkt das Grundstück, so ver­ bleibt ihm die Hypothek, wenn er sie nicht ausdrücklich auf den Erwerber überträgt. Dies ist insbesondere dann wichtig,

Voraussetzungen.

*) ROLG 5 S. 9. ’) RG 47 S. 216. •) Wegen der unter der Herrschaft des früheren Rechtes eingetragenen Hypotheken vgl RG 51 S. 398.

Die Eigentümerhypothek.

899

wenn die Hypothek für ein Annuitätenkapital bestellt ist; hier wird, wenn das Grundstück im Laufe der Zeit in verschiedene Hände übergeht, jeder Eigentümer, der Annuitäten entrichtet, Teilhypothekengläubiger;x) daraus können sich große Schwierig­ keiten bei der Löschung der Hypothek ergeben, da die Zustim­ mungserklärungen sämtlicher Eigentümer, die Annuitäten ent­ richtet haben, erforderlich sind; die Praxis wird sich dadurch helfen, daß der veräußernde Eigentümer seine Teilhypothek dem Erwerber überträgt. 3. Eine Eigentümerhypothek entsteht ferner, wenn der »• durch BerMt Gläubiger auf die Hypothek verzichtet (§ 1168). Verzichtmy d^Hyp/q-r. auf die Hypothek und Aufhebung der Hypothek sind ein­ seitige Rechtsgeschäfte; sie unterscheiden sich aber dadurch, daß der Gläubiger bei dem Verzicht lediglich beabsichtigt, dem Eigentümer die Verfügung über die Hypothek zu verschaffen, bei der Aufhebung aber, sie völlig zu beseitigen?) Verzichtet der Gläubiger nur für einen Teil der Forderung auf die Hypothek, so erwirbt der Eigentümer die Hypothek nur in Höhe des Betrages, in welchem auf die Hypothek verzichtet wurde. Der Eigentümer kann hier die Aushändigung des Hypothekenbriefes nicht verlangen; der Gläubiger ist aber ver­ pflichtet, den Brief zum Zwecke der Berichtigung des Grund­ buchs oder der Löschung dem Grundbuchamt oder zum Zwecke der Herstellung eines Teilhypothekenbriefs für den Eigentümer der zuständigen Behörde oder einem zuständigen Notar vorzu­ legen (§ 1168 Abs. 3). Steht dem Eigentümer gegen den Gläubiger eine Einrede zu, durch welche die Geltendmachung der Hypothek dauernd ausgeschlossen wird, so kann er verlangen, daß der Gläubiger auf die Hypothek verzichtet (§ 1169); so z. B. wenn der Gläu­ biger mit seiner Klage gegen den persönlichen Schuldner, der zugleich der Eigentümer des Grundstücks ist, rechtskräftig ab­ gewiesen worden ist. Der Verzicht ist dem Grundbuchamte oder dem Eigen­ tümer gegenüber zu erklären und bedarf der Eintragung in das Grundbuch. Vor der Eintragung ist der Verzichtende an den Verzicht nur gebunden, wenn er ihn dem Grundbuchamte gegenüber abgegeben oder dem Eigentümer eine den Vor­ schriften der Grundbuchordnung entsprechende Löschungsbewilli­ gung ausgehändigt hat. Ist außerdem noch der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte gestellt worden, so wird der Verzicht auch dadurch nicht unwirksam, daß der Verzichtende nachträglich in der Verfügung beschränkt wird. Ist die Hypo') DIZ 1902 S. 243; Recht 1900 S. 399; aM ROLG 4 S. 70; BlfRA 67 S. 457; Zeitschr. f. d. Notariat in Bayern 1901 S. 149. 2) ROLG 6 S. 208.

900

Hypothek.

Grundschuld

Rentenschuld

thek mit dem Rechte eines Dritten z. B. einem Pfandrechte oder Nießbrauch belastet, so ist auch die Zustimmung dieses Dritten erforderlich. Zum Verzicht auf die Hypothek für Rückstände von Zinsen und anderen Nebenleistungen, sowie für Kosten, die dem Gläubiger z. B. für Kündigung zu erstatten sind, genügt die einfache Erklärung gegenüber dem Eigentümer. Solange einem Dritten ein Recht an dem Ansprüche auf eine der bezeichneten Leistungen zusteht, ist auch die Zustimmung des Dritten erforderlich. Die Zustimmung ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt, und ist unwiderruflich (§ 1178 Abs. 2). Gelangt in den unter 1, 2 und 3 aufgeführten Fällen die Forderung nur teilweise zur Entstehung oder erlischt sie nur teilweise oder verzichtet der Gläubiger nur teilweise auf die Hypothek, so kann die hiernach dem Eigentümer oder dem persönlichen Schuldner zufallende Hypothek nicht zum Nachteile der dem Gläubiger verbleibenden Hypothek geltend gemacht werden (§ 1176). Dieselbe kommt daher z. B. im Zwangs­ versteigerungsverfahren erst dann zum Zuge, wenn der Gläu­ biger für die ihm verbleibende Hypothek volle Befriedigung gefunden hat. 4 Wuf’bes8’ 4. Eine Eigentümerhypothek entsteht ferner, wenn der Gläubigers IM unbekannte Gläubiger im Wege des AufgebotsveräBge6ot8tt«Sua fahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen wird fahrens. (§§ 1170, 1171). Das BGB kennt zwei Fälle, in welchen gegen den unbekannten Hypothekengläubiger das Aufgebots­ verfahren zulässig ist: a) Der unbekannte Hypothekengläubiger kann im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden, wenn seit der letzten, sich auf die Hypothek beziehen­ den Eintragung in das Grundbuch, z. B. seit der Eintragung der Hypothek, feit einer Abtretung derselben, einer Rangände­ rung u. s. w., zehn Jahre verflossen sind und wenn das Recht des Gläubigers innerhalb dieser Frist nicht von dem Eigen­ tümer durch Abschlagzahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkannt worden ist (§ 1170). Besteht für die Forderung eine nach dem Kalender bestimmte Zah­ lungszeit, so beginnt die Frist nicht vor dem Ablaufe des Zah­ lungstags. Ist daher die Forderung am 1. November 1920 zahlbar, so kann das Aufgebotsverfahren frühestens am 2. No­ vember 1930 beantragt werden. Mit der Erlassung des Aus­ schlußurteils erwirbt der Eigentümer die Hypothek. Ist die Hypothek eine Briefhypothek, so wird der dem Gläubiger er­ teilte Hypothekenbrief kraftlos. b) Der unbekannte Gläubiger kann im Wege des Auf­ gebotsverfahrens mit seinem Rechte auch dann ausgeschlossen

Die Eigentümerhypothek.

901

werden, wenn der Eigentümer zur Befriedigung des Gläubigers berechtigt ist und den Betrag der Forderung für den Gläu­ biger unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt (§ 1171). Die Hinterlegung von Zinsen ist nur erforderlich, wenn der Zinssatz im Grundhuch eingetragen ist. Zinsen für eine frühere Zeit als das vierte Kalenderjahr vor Erlassung des Ausschlußurteils sind nicht zu hinterlegen. Mit der Er­ lassung des Altsschlußurteils gilt der Gläubiger als befriedigt, sofern nicht nach den Vorschriften über die Hinterlegung die Befriedigung schon vorher eingetreten ist. Der dem Gläubiger erteilte Hypothekenbrief wird kraftlos; die Hypothek steht nun­ mehr dem Eigentümer des Grundstücks zu. Abgesehen von den verschiedenen Voraussetzungen besteht der Unterschied dieses Falles vom vorigen Falle darin, daß dort der unbekannte Gläubiger lediglich der Hypothek verlustig wird, während ihm die persönliche Forderung verbleibt. Im zweiten Falle verliert er dagegen nicht nur die Hypothek, sondern er gilt auch für die Forderung als befriedigt; er kann sich daher von nun an nur mehr an die hinterlegte Sicherheit halten. Mit dem Ablaufe von weiteren dreißig Jahren erlischt auch das Recht des Gläubigers auf die hinterlegte Sicherheit, wenn er sich nicht vorher bei der Hinterlegungsstelle meldet; der Hinterleger ist dann zur Rücknahme des hinterlegten Be­ trages trotz seines Verzichtes auf das Recht zur Rücknahme berechtigt. 5. Wird eine Hypothek errichtet, für welche die Erteilung ». durch Nicht, eines „Hypothekenbriefes nicht ausgeschlossen ist, so steht bis HypWeim? zur Übergabe des Briefes, wie bereits an anderer Stelle Btic'c8erwähnt, die Hypothek dem Eigentümer zu (§ 1163 Abs. 2). 6. Ist endlich im Wege der Zwangsvollstreckung«, im »ege bet eine Sicherungshypothek auf einem Grundstücke eingetragen ^strec?ung. worden, so erwirbt der Eigentümer des Grundstücks die Hypo­ thek dann, wenn durch eine vollstreckbare Entscheidung diejenige Entscheidung, auf Grund deren die Eintragung erfolgte, oder ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder die Zwangs­ vollstreckung für unzulässig erklärt wird. Z. B. A erwirkt gegen B ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil auf 10000 Jb und auf Grund dieses Urteils die Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem Grundstücke des B. Wird in der Berufungsinstanz das ergangene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, so erwirbt B die Hypothek. Das Gleiche gilt, wenn durch eine gerichtliche Entscheidung die einstweilige Einstellung der Vollstreckung und zugleich die Aufhebung der erfolgten Vollstreckungsmaßregeln angeordnet wird oder wenn die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nachgelassene Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt. War z. B., um auf obiges Beispiel zurückzukommen, in dem erstinstanziellen

902

Praktische Be­ deutung der Eigentümer­ hypothek.

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Urteil dem B nachgelassen worden, die Vollstreckung des Urteils durch Hinterlegung einer Sicherheit von 11000 Jt abzuwenden, so erwirbt B, wenn er nach erfolgter Eintragung der Siche­ rungshypothek den Betrag von 11000 Jb hinterlegt, ebenfalls die Hypothek (§ 868 CPÖ). Die Wirkungen der Vereinigung von Eigen­ tum und Hypothek in einer Person find verschieden, je nachdem dem Eigentümer auch die Forderung zusteht oder nicht: a) Steht dem Eigentümer die Forderung nicht zu, z. B. wenn der Hypothekengläubiger auf die Hypothek verzichtet, oder wenn die Forderung überhaupt nicht zur Ent­ stehung gelangt, so verwandelt sich die Hypothek in eine Grundschuld (§ 1177 Abs. 1). Jedoch bleiben in Ansehung der Verzinslichkeit, des Zinssatzes, der Zahlungszeit und des Zahlungsorts die für die Forderung getroffenen Be­ stimmungen maßgebend. Der Eigentümer kann demgemäß auch die ihm zugefallene Hypothek in eine Grundschuld um­ schreiben lassen.') b) Steht dagegen dem Eigentümer auch die Forderung zu, so bemessen sich seine Rechte aus der Hypothek, solange die Vereinigung besteht, nach den für eine Grundschuld des Eigentümers geltenden Vorschriften (§ 1177 Abs. 2). Solange die Hypothek mit dem Eigentum in einer Hand vereinigt ist, besteht zwischen den beiden Fällen praktisch kein wesentlicher Unterschied. Derselbe tritt erst dann zu Tage, wenn die Trennung wieder eintritt. Im zweiten Falle kann nämlich der Eigentümer die Forderung mit der Hypothek auf einen Dritten in unveränderter Gestalt übertragen. Im ersten Falle dagegen kann er seine Eigentümerhypothek nur als Grundschuld übertragen. Will er sie auf einen Dritten als Hypothek übertragen, so muß er sie erst in eine Hypothek wieder verwandeln^) (§ 1198). Die praktische Bedeutung der Eigentümerhypo­ thek besteht darin: 1. Der Eigentümer kann zwar nicht selbst die Zwangs­ vollstreckung in das belastete Grundstück zum Zwecke seiner Befriedigung betreiben. Er kann aber sein Recht auf Be­ friedigung in dem von einem Anderen betriebenen Zwangs­ versteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahren geltend machen. Ist z. B. ein Grundstück mit drei Hypotheken zu 60000 Jb, zu 40000 und zu 30000 Jb belastet und steht die zweite Hypothek zu 40000 J6 dem Eigentümer zu, so wird *) EFG 1 S. 164; ROLG 1 S. 416. ’) EFG 1 S. 162; 3 S. 212; ROLG 1 S. 416; 2 S. 412.

Die Eigentümerhypothek.

903.

der Zuschlag, falls der dritte Hypothekengläubiger die Zwangs­ versteigerung betreibt, nur dann erteilt, falls die ihm voraus­ gehenden Hypotheken zu 60000 und zu 40000 J6 gedeckt sind. Wird z. B. ein Erlös von 110000 Jfc erzielt, so wird zuerst die Hypothek des ersten Hypothekengläubigers zu 60000 Jfc, dann die Hypothek des zweiten Hypothekengläubigers, hier des Eigentümers mit 40000 befriedigt. Die Hypothek des dritten Hypothekengläubigers kommt nur mit dem übrig bleiben­ den Reste zu 10000 Jh zum Zuge. Ferner gebühren dem Eigentümer, wenn das Grundstück auf Antrag eines Dritten zum Zwecke der Zwangsverwaltung beschlagnahmt wird, für die Dauer der Zwangsverwaltung die auf seine Hypothek ent­ fallenden Zinsen. 2. Der Übergang der Hypothek auf den Eigentümer ver­ hindert, daß die Nachhypotheken aufrücken. Doch kann das Gegenteil vereinbart werden. Vereinigt sich dann die Hypothek mit dem Eigentümer in einer Person, so rücken zwar die Nach­ hypotheken nicht von selbst auf, aber der Eigentümer ist ver­ pflichtet, die ihm zufallende Hypothek löschen zu lassen. Zur Sicherung des Anspruchs auf Löschung kann eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen werben1) (§ 1179). Für die Gesamthypothek gelten folgende besondere B-sondn^tm Bestimmungen: ' ur Ar«? 1. Ist die Forderung, für welche eine Gesamthypo­ thek bestellt ist, nicht zur Entstehung gelangt oder wieder erloschen, so steht die Hypothek den Eigentümern der belasteten Grundstücke gemeinschaftlich zu. Das Gleiche gilt bei Briefhypotheken bis zur Übergabe des Hypotheken­ briefes an den Gläubiger (§ 1172 Abs. 1). Über seinen An­ teil kann jeder Gläubiger allein verfügen; dagegen ist zur Ver­ fügung über die Hypothek im Ganzen die Zustimmung sämt­ licher Eigentümer erforderlich. Sie sind auch befugt, die Ge­ samthypothek in Einzelhypotheken umzuwandeln, indem sie den Betrag auf die einzelnen Grundstücke verteilen. Hierzu ist aber erforderlich, daß sämtliche Eigentümer damit einverstanden sind. Kommt eine Einigung nicht zustande, so kann jeder Eigentümer, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, von den übrigen Eigentümern verlangen, daß die Hypothek an seinem Grundstücke auf den Teilbetrag, der dem Verhältnisse:beS Wertes der sämtlichen Grundstücke entspricht, beschränkt und in dieser Beschränkung ihm zugeteilt werde. Der Wert wird unter Abzug der Belastungen berechnet, die der Gesamthypothek im Range vorangehen (§ 1172 Abs. 2). Sind z. B. die Grund­ stücke P, Q und R mit Hypotheken belastet und zwar das *) Wegen der Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Löschung einer Hypothekvormerkung vgl. ROLG 6 S. 124.

904

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Grundstück P mit Hypotheken zu 50000 Jb, 40000 Jb und 10000 Jb, das Grundstück Q mit Hypotheken zu 20000 Jb, 40000 Jb uhi) 15000 Jb, und das Grundstück R mit Hypo­ theken zu 40000 Jb und 30000 Jb und sind die Grundstücke 110000 Jb, 70000 Jb und 90000 Jb wert, so ist, wenn die Hypothek zu 40000 Jb eine Gesamthypothek ist, diese im Ver­ hältnis von (110000—50000) : (70000—20000) : 90000 = 6 : 5 : 9 zu verteilen, d. h. auf das Grundstück P trifft ein Betrag von 12000 Jb, auf das Grundstück Q ein Betrag von 10000 Jb und auf das Grundstück R ein solcher von 180Ö0 Jl. Für die Wertsberechnung ist weder der Zeitpunkt der Entstehung der Gesamthypothek noch der Zeitpunkt der Ver­ teilung, sondern derjenige Zeitpunkt maßgebend, in welchem die Verteilung verlangt 'werden kann, d. h. der Zeitpunkt, von dem an die Gesamthypothek den Eigentümern der belasteten Grundstücke gemeinschaftlich zusteht. 2. Befriedigt der Eigentümer eines der mit einer Gesamthypothek belasteten Grundstücke den Gläubiger, so er­ wirbt er die Hypothek an seinem Grundstücke; die Hypothek an den übrigen Grundstücken erlischt (§ 1173 Abs. 1). Diese Wirkung tritt ein, gleichviel ob der Eigentümer persönlicher Schuldner des Gläubigers ist oder nicht. Der Befriedigung des Gläubigers steht es gleich, wenn das Gläubigerrecht auf den Eigentümer übertragen wird, weil z. B. der Gläubiger dem nicht persönlich haftenden Eigentümer die Forderung ab­ tritt, ferner wenn sich Forderung und Schuld in der Person des Eigentümers vereinigen, z. B., weil der Gläubiger den persönlich haftenden Eigentümer beerbt. Im Falle einer bloß teilweisen Befriedigung verbleibt selbstverständlich dem Gläubiger die Gesamthypothek, soweit er nicht befriedigt ist. Von diesem Grundsätze besteht eine Ausnahme dann, wenn der Eigentümer, der den Gläubiger befriedigt, von dein Eigentümer eines der anderen Grundstücke oder einem Rechts­ vorgänger dieses Eigentümers Ersatz verlangen kann. In diesem Falle geht auch die Hypothek an dem Grundstücke dieses Eigentümers auf ihn über und bleibt mit der Hypothek an seinem eigenen Grundstücke Gesamthypothek (§ 1173 Abs. 2). Sind z. B. die Grundstücke A, B und C mit einer Gesamt­ hypothek von 30000 Jb belastet und kann der Eigentümer des Grundstücks A, falls er den Gläubiger befriedigt, von dem Eigentümer des Grundstücks B 30 000 Jb Ersatz ver­ langen, so erlischt die Hypothek an dem Grundstücke C, während A die Hypothek zu 30000 Jb an seinem Grundstück und dem Grundstücke B als Gesamthypothek erwirbt. Kann der den Gläubiger befriedigende Eigentümer von dem Eigentümer des anderen Grundstückes nur teilweisen Ersatz verlangen, so erwirbt er die Hypothek an diesem

Die Eigentümerhypothek.

905

Grundstöcke nur in Höhe des Betrages, den er ersetzt verlangen kann. Stünde ihm, um an das vorige Beispiel anzuknüpfen, ein Ersatzanspruch nur in Höhe von 10000 Jb zu, so erwürbe er die Hypothek an dem Grundstücke B nur in Höhe von 10000 Jb; für den überschießenden Betrag würde sie an dem Grundstücke B erlöschen, während er die Hypothek an seinem Gründstücke zum vollen Betrage von 30000 Jb erwerben würde; bis zum Betrage von 10 000 Jb wäre sie dann mit der Hypothek am Grundstücke B Gesamthypothek. Die gleichen Grundsätze kommen dann zur Anwendung, wenn der den Gläubiger befriedigende Eigentümer nicht bloß von einem, sondern von mehreren oder allen übrigen Eigen­ tümern ganzen oder teilweisen Ersatz verlangen kann. Stünde im vorigen Beispiel dem Eigentümer des Grundstücks A nicht nur gegen den Eigentümer des Grundstücks B ein Ersatzane zu 10 000 Jb, sondern auch gegen den Eigentümer des )stücks C ein solcher von 13 000 Jb zu, so erwirbt er an dem Grundstücke B eine Hypothek zu 10 000 Jb und an dem Grundstücke C zu 13 000 Jb; die Hypothek an seinem eigenen Grundstücke zu 30000 Jb, die er ebenfalls erwirbt, zerfällt in 3 Teile; in Höhe von 10000 Jb bildet sie zusammen mit der Hypothek auf dem Grundstück B, und in Höhe von 13000 Jb zusammen Mit der Hypothek auf dem Grundstücke C eine Gesamthypothek, während der Rest mit 7000 Jb ihm als Einzelhypothek zusteht. Haften die ersatzpflichtigen Eigentümer als Gesamtschuldner, z. B. im vorigen Beispiel in Höhe von 10000 Jb, so ist die Hypothek in Höhe von 10000 Jb an den 3 Grundstücken und in Höhe von 3000 Jb an den Grundstücken A und C Gesamthypothek, während der Rest, der hier 30000 — 13 000 = 17 000 Jb be­ trägt, an dem Grundstücke A eine Einzelhypothek ist. Befriedigt der persönliche Schuldner, der nicht zugleich Eigentümer eines der mit einer Gesamthypothek be­ lasteten Grundstücke ist, den Gläubiger, oder vereinigen sich Forderung und Schuld in einer Person, so sind fol­ gende Fälle zu unterscheiden:*) a) Steht dem persönlichen Schuldner gegen keinen der Eigentümer der belasteten Grundstücke ein Ersatzanspruch zu, so erwerben die sämtlichen Eigentümer die Gesamthypothek gemeinschaftlich (§ 1172). Selbstverständlich verbleibt dem Gläubiger, wenn er nicht ganz befriedigt wird, die Gesamthypo­ thek zu dem Betrage, für den er nicht befriedigt wird; die Eigentümer erwerben daher die Gesamthypothek nur, soweit der Gläubiger befriedigt wird. b) Steht dem persönlichen Schuldner gegen sämtliche Eigentümer der belasteten Grundstücke oder deren Rechtsvorgänger *) BlfRA 68 S. 112 ff.

906

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

ein Ersatzanspruch in voller Höhe zu, so erwirbt er die Hypothek (§ 1164) und zwar, je nachdem die Eigentümer als Gesamtschuldner haften oder nicht, als Gesamthypothek oder als Einzelhypotheken. Sind z. B. die Grundstücke A, B, C und D mit einer Gesamthypothek von 30000 Jb belastet und deren Eigentümer dem persönlichen Schuldner als Gesamt­ schuldner ersatzpflichtig, so erwirbt er die Gesamthypothek. Sind sie dagegen nur zu gleichen Anteilen ersatzpflichtig, so erwirbt er an jedem Grundstück eine Einzelhypothek von 7500 Jk ; hier vollzieht sich also die Verteilung der Forderung kraft Gesetzes und nicht, wie sonst, nach Maßgabe des Wertes der einzelnen Grundstücke oder nach dem Willen des Gläu­ bigers, sondern nach dem Verhältnisse der Höhe der einzelnen Ersatzansprüche. Ist dem persönlichen Schuldner nur teilweiser Ersatz zu leisten, so erwirbt er die Hypothek nur in Höhe des Ersatz­ anspruches; im übrigen steht sie den Eigentümern der belasteten Grundstücke gemeinschaftlich zu. Sind also, um an das vorige Beispiel anzuknüpfen, die Eigentümer dem persönlichen Schuldner nur in Höhe von 20000 Jb ersatzpflichtig, so erwirbt er, je nachdem sie als Gesamtschuldner haften oder nicht, die Hypo­ thek in Höhe von 20000 Jb als Gesamthypothek oder als 4 Einzelhypotheken von je 5000 Jb, während der Rest der Gesamthypothek mit 10000 Jb den Eigentümern gemeinschaft­ lich zusteht. Selbstverständlich verbleibt im Falle einer bloß teilweisen Befriedigung dem Gläubiger die Hypothek, soweit er nicht befriedigt ist. c) Steht dem persönlichen Schuldner nicht gegen alle, sondern nur gegen einen oder einige Eigentümer der belasteten Grundstücke ein Ersatzanspruch in voller Höhe zu, so geht die Hypothek nur an den Grundstücken der ersatz­ pflichtigen Eigentümer auf ihn über, und zwar ebenfalls wieder, je nachdem sie als Gesamtschuldner haften oder nicht, als Ge­ samthypothek oder als Einzelhypotheken; an den übrigen Grund­ stücken erlischt die Hypothek (§ 1174 Abs 1). Wäre daher, um an das obige Beispiel anzuknüpfen, der Eigentümer des Grundstücks D nicht ersatzpflichtig, so erwirbt der persönliche Schuldner im Falle der Gesamthaftung die Gesamthypothek zu 30000 Jb an den Grundstücken A, B und C, anderenfalls an jedem dieser Grundstücke eine Einzelhypothek von 10 000 Jb; die Hypothek an dem Grundstücke D erlischt. Ist ihm nur teilweiser Ersatz zu leisten, so geht die Hypothek nur in Höhe des Teilbetrags auf ihn über, während sie für den Restbetrag den ersatzpflichtigen Eigentümern der belasteten Grundstücke gemeinschaftlich zufällt. Wären also im obigen Beispiele die Eigentümer der Grundstücke A, B und C, nicht aber D nur in Höhe von 20000 Jb dem persönlichen

Die Eigentümerhypothek.

907

Schuldner ersatzpflichtig, so würde die Hypothek an dem Grund­ stücke D ebenfalls erlöschen. Der persönliche Schuldner würde die Hypothek an den Grundstücken A, B und C im Falle der Gesamthaftung in Höhe von 20000 Jb als Gesamt­ hypothek , anderenfalls würde er 3 Einzelhypotheken zu je 6666 % Jh> erwerben, und die Resthypothek zu 10000 Jb an den Grundstücken A, B und C würde den Eigentümern dieser Grundstücke als Gesamthypothek gemeinschaftlich zu­ fallen. Macht ein Eigentümer von dem ihm nach § 1172 Abs. 2 zustehenden Rechte, die Verteilung der gemeinschaftlichen Hypo­ thek auf die einzelnen Grundstücke zu verlangen, Gebrauch, so muß er sich den auf den persönlichen Schuldner übergegangenen Be­ trag auf den ihm gebührenden Teil des übrigbleibenden Be­ trags der Gesamthypothek anrechnen lassen (§ 1174 Abs. 2). Der Wortlaut des Gesetzes ist hier nicht ganz klar. Richtig ist, daß auf die einzelnen Grundstücke nicht die ganze Gesamt­ hypothek, sondern nur der auf die Eigentümer übergegangene Teil derselben verteilt wird. Rechnerisch vollzieht sich aber die Ver­ teilung in der Weise, daß die ganze Gesamthypothek auf die ein­ zelnen Grundstücke verteilt und von dem auf ein Grundstück tref­ fenden Teilbetrag die auf den persönlichen Schuldner überge­ gangene Hypothek in Abzug gebracht wird. Um zunächst mit einem ganz einfachen Beispiel zu beginnen: Die Grundstücke A, B und C sind mit einer Gesamthypothek von 9000 Jb belastet, der persönliche Schuldner erwirbt infolge der Befriedigung des Hypothekengläubigers gegen den Eigentümer des Grundstücks Ä eine Ersatzforderung in Höhe von 3000 Jb und infolgedessen an diesem Grundstücke die Hypothek in Höhe dieses Betrags; in gleicher Höhe erlischt die Hypothek an den Grundstücken A und C. Hinsichtlich des überschießenden Betrags zu 6000 Jb bleibt sie an den 3 Grundstücken bestehen, und zwar steht sie den Eigentümern dieser Grundstücke gemeinschaftlich zu. Ver­ langt ein Eigentümer die Verteilung dieser Hypothek auf die einzelnen Grundstücke und beträgt deren nach § 1172 Abs. 2 zu berechnender Wert 4000, 1000 und 1000 Jb, so treffen auf das Grundstück A

= 6000 "* unb “uf

bie Grundstücke B und C zöM^MD^INö = 1600 ■*-

der Eigentümer des Grundstücks A kann aber nicht die vollen 6000 Jb verlangen, sondern muß sich die auf den persönlichen Schuldner übergegangene Hypothek zu 3000 Jb in Anrechnung bringen lassen und erhält daher nur eine Hypothek in Höhe 3000 Jb. Würde dagegen dem persönlichen Schuldner gegen den Eigentümer des Grundstücks A ein Ersatzanspruch nur in

908

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Höhe von 2000 Jb und gegen den Eigentümer des Grund­ stücks B ein solcher von 1000 Jb zustehen, so müßte sich er­ sterer 2000 Jb, letzterer 1000 Jb von den auf sie treffenden Beträgen von 6000 bezw. 1500 Jb in Anrechnung bringen lassen. Wäre endlich umgekehrt der Eigentümer des Grund­ stücks A nur zu 1000 .Jb, der Eigentümer des Grundstücks B zu 2000 Jb ersatzpflichtig, so träfe auf den ersteren 6000 — 1000 — 5000 Jb, auf den Eigentümer des Grundstücks C wie immer 1500 Jb, und auf den Eigentümer des Grundstücks B 1500 — 2000 Jb. Selbstverständlich trifft hier auf den letzteren keine Hypothek; er ist aber auch nicht verpflichtet, den beiden anderen Eigentümern die Differenz zu vergüten; da aber nur eine Gesamthypothek von 6000 Jb zur Verteilung steht, so geht es auch nicht an, den Eigentümern der Grund­ stücke A und C Beträge von 5000 und 1500 Jb zuzuteilen; sie müssen sich daher die auf sie treffenden Beträge um die Dif­ ferenz von 500 Jb nach dem Verhältnisse des Wertes der Grundstücke d. h. nach dem Verhältnisse von 4:1 kürzen lassen, so daß auf das Grundstück A nur eine Hypothek von 4600 Jb, auf das Grundstück C eine Hypothek von 1400 Jb trifft. 4. Verzichtet der Gläubiger auf die Gesamthypothek an sämtlichen belasteten Grundstücken, so fällt sie den Eigen­ tümern der belasteten Grundstücke gemeinschaftlich zu (§ 1175 Abs. 1). Es entsteht eine Eigentümergesamtgrundschuld; der Übergang erfolgt kraft Gesetzes. Auch hier kann, wie im Falle 1 jeder Eigentümer, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, verlangen, daß die Hypothek auf einen Teilbetrag, der dem Ver­ hältnisse des Wertes seines Grundstücks zu dem Werte der sämtlichen Grundstücke entspricht, beschränkt und in dieser Be­ schränkung ihm zugeteilt wird. Der Wert wird unter Ab­ zug der Belastungen berechnet, die der Gesamthypothek im Range vorgehen. Verzichtet der Gläubiger auf die Hypothek an nur einem der belasteten Grundstücke, so erlischt die Hypothek an diesem. Dem Verzichte steht es gleich, wenn der unbekannte Gläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen wird, weil seit der sich auf die Hypothek beziehenden Eintragung in das Grundbuch zehn Jahre ver­ strichen sind und sein Recht innerhalb dieser Frist nicht durch Abschlagzahlung, Zinszahlung, oder in anderer Weise aner­ kannt worden ist (§§ 1170, 1175 Abs. 2). Liegen die Voraussetzungen der in den Ziff. 1 bis 4 be­ handelten Fälle nur in Ansehung eines Teilbetrags der Ge­ samthypothek vor, gelangt also z. B. die Forderung nur teil­ weise zur Entstehung oder erlischt sie nur teilweise oder be­ friedigen der Eigentümer oder der persönliche Schuldner den

Gläubiger nur teilweise oder verzichtet endlich der Gläubiger auf die Hypothek nur zu einem Teilbetrag, während im übrigen die Hypothek dem Gläubiger verbleibt, so kann die auf Grund der genannten Vorschriften den Eigentümern oder einem der Eigentümer oder dem persönlichen Schuldner zufallende Hypo­ thek nicht zum Nachteile der dem Gläubiger verbleibenden Hypothek geltend gemacht werden (§ 1176). Im Falle der Zwangsversteigerung kommt sie daher z. B. erst dann zum Zuge, wenn der Gläubiger mit seinem Ansprüche voll be­ friedigt ist.

§ 276. Erlöschen der Hypothek. Die Hypothek erlischt: 1. wenn die Hypothek unter einer auflösenden Be­ dingung oder unter Beifügung eines Endtermins bestellt ist, mit dem Eintritte der Bedingung oder des Endtermins (§8 158, 163), selbstverständlich jedoch unbeschadet der Wir­ kungen des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs. 2. Ist die Hypothek im Grundbuch zu Unrecht gelöscht worden, so tritt zwar hierdurch zunächst ein Er­ löschen der Hypothek nicht ein. Die Hypothek erlischt aber dann, wenn der Anspruch des Hypothekengläubigers gegen den Eigen­ tümer verjährt ist oder wenn ein Dritter das an sich noch belastete Grundstück im Vertrauen auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs erwirbt (§§ 892, 902). Wird bei der Übertragung eines Grundstücks oder eines Grundstücksteils auf ein anderes Grundbuchblatt eine einge­ tragene Hypothek nicht mitübertragen, so gilt dieselbe in An­ sehung des Grundstücks oder Grundstücksteils als gelöscht (8 47 Abs. 2 GO). 3. Die Hypothek erlischt ferner, wenn das bela­ stete Grund st ück untergeht. Die Hypothek wird dann gegenstandslos. Geht das Grundstück nur zum Teil unter, wird z. B. das auf demselben befindliche Gebäude abgebrochen oder durch Brand zerstört, so erlischt die Hypo­ thek nicht. 4. Die Hypothek erlischt ferner, soweit sie sich auf Rück­ stände von Zinsen und anderen Nebenleistungen sowie auf die dem Gläubiger zu erstattenden Kosten bezieht, wenn sie sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigt; sie erlischt jedoch nicht, solange einem Dritten z. B. einem Pfandgläu­ biger ein Recht auf eine solche Leistung zusteht (§ 1178 Abs. 1). 5. Ferner erlischt die Hypothek, wenn der Gläubiger einer Gesamthypothek auf seine Hypothek an einem der belasteten Grundstücke verzichtet, an diesem Grundstück

(§ 1175 Abs. 1, s. S. 908) und ferner, wenn der persönliche Schuldner den Gläubiger einer Gesamthypothek befriedigt oder wenn bei einer Gesamthypothek sich Forderung und Schuld in einer Person vereinigen und der Schuldner nur von dem Eigentümer einer der Grnndstücke Ersatz verlangen kann, an den Grundstücken derjenigen Eigentümer, gegen welche dem Schuldner ein Ersatzanspruch nicht zusteht (§ 1174 Abs. 1 f. S. 906). Aushebung bet 6. Des weiteren erlischt die Hypothek durch rechtsgeReMgEft^ schäftliche Aufhebung. Hierzu wird, wie zur Aufhebung aller Rechte an Grundstücken, die Erklärung des Gläubigers, daß er die Hypothek aufgebe, und die Löschung der Hypothek im Grundbuch erfordert (§ 875). Außerdem bedarf es noch der Zustimmung eines Dritten, dem an der Hypothek ein Recht zusteht, wie z. B. dem Pfandgläubiger oder Nießbraucher, sowie des Eigentümers, welche dem Grundbuchamt oder dem Gläubiger erklärt werden muß und unwiderruflich ist (§ 1183). Der bloße Verzicht des Gläubigers, dem der Eigen­ tümer nicht zustimmt, bewirkt ein Erlöschen der Hypothek nicht. Daß zur Löschung einer Eigentümerhypothek die Erklärung des Eigentümers, daß er das Recht aufgebe, nebst Löschung der Hypothek im Grundbuch genügt, bedarf keiner weiteren Aus­ führung. 7. Die Hypothek erlischt endlich, roenn der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Grundstück befrie­ digt wird^) (§ 1181). Der Befriedigung auf dem Grund­ stück steht die Befriedigung aus den Gegenständen gleich, auf die sich die Hypothek erstreckt. Vorausgesetzt wird also: a) daß der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung Befriedigung findet: die freiwillige Befriedigung des Gläu­ bigers durch den Eigentümer hat das Erlöschen der Hypothek nicht zur Folge (s. S. 904). b) daß der Gläubiger aus dem Grundstücke befriedigt wird, m. a. W., daß er die „Hypothek" geltend macht und be­ friedigt wird. Hat dagegen der Gläubiger für seine Forderung einen vollstreckbaren Titel gegen den persönlich haftenden Eigen­ tümer erlangt und betreibt er auf Grund dieses Titels die Zwangsvollstreckung, so erlischt die Hypothek nicht, auch wenn der Gläubiger aus Gegenständen befriedigt wird, welche für die Hypothek haften z. B. aus den beschlagnahmten Miet­ zinsen, sondern hier erwirbt die Hypothek der Eigentümer (s. S. 904). In einem gewissen Gegensatze zur Vorschrift des § 1181 steht die Vorschrift des § 91 Abs. 1 ZVG: Z Hiernach er*) Zeitschrift f. d. Notariat in Bayern 1903 S. 99.

Erlöschen der Hypothek.

911

löschen im Falle der Zwangsversteigerung unter der Vor­ aussetzung, daß der Beschluß über die Erteilung des Zuschlags im Beschwerdeweg nicht rechtskräftig aufgehoben wird, alle Rechte, welche nicht nach den Versteigerungsbestimmungen be­ stehen bleiben. Hier tritt also das Erlöschen der Hypothek ohne Rücksicht darauf ein, ob die Hypothek, welche nicht nach den Versteigerungsbestimmungen bestehen bleibt, zum Zuge kommt oder nicht. Das Hypothekrecht, d. h. das Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke verwandelt sich mit dem Eintritte der Rechtskraft des Beschlusses über die Erteilung des Zuschlags in das Recht auf Befriedigung aus dem Ver­ steigerungserlös, soweit derselbe reicht. Ausnahmsweise bleibt jedoch ein Recht an dem Grundstücke, das nach der Regel des § 91 Abs. 1 ZVG erlöschen würde, bestehen, wenn dies zwischen dem Berechtigten und dem Ersteher vereinbart ist und die Erklärungen entweder im Verteilungstermine abge­ geben oder bevor das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuchs ersucht ist, durch eine öffentlich beglaubigte Ur­ kunde nachgewiesen werden (§ 91 Abs. 2 ZVG). Uneingeschränkt gilt daher die Vorschrift des § 1181 nur für den Fall der Zwangsverwaltung und für den Fall der Zwangsvollstreckung in die Gegenstände, welche für die Hypothek haften. Besondere Vorschriften gelten auch hier wieder für die Gesamthypothek. Erfolgt die Befriedigung des Gläubigers ans einem der mit einer Gesamthypothek belasteten Grund­ stücke, so werden auch die übrigen Grundstücke frei (.§ 1181 Abs. 2). Hier zeigen sich besonders deutlich die Wechselbeziehungen zu § 91 ZVG. Wenn daher von mehreren mit einer Ge­ samthypothek belasteten Grundstücken eines versteigert wird, und die Hypothek an dem versteigerten Grundstücke nach den Versteigerungsbedingungen nicht bestehen bleibt, so erlischt zwar die Hypothek an diesem Grundstücke; ob sie aber auch an den übrigen Grundstücken erlischt, hängt davon ab, ob der Gläubiger aus dem Versteigerungserlös befriedigt wird oder nicht. Wird er befriedigt, so erlischt die Hypothek auch an den übrigen Grundstücken; wird er dagegen nicht befriedigt, so bleibt sie bestehen. Wie die Befriedigung wirkt aber: a) die Vereinbarung zwischen dem Ersteher und dem Gläubiger, daß die Hypothek, die an sich nach den Ver­ steigerungsbedingungen erlöschen würde, bestehen bleiben soll (§ 91 Abs. 2, 3'ZVG). b) wenn die Forderung gegen den Ersteher auf den Gläubiger übertragen wird, weil entweder das Bargebot nicht berichtigt wurde oder weil Zahlungsstisten festgesetzt worden sind, sofern nicht vor dem Ablaufe von drei Monaten

912

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

der Berechtigte, dem Gerichte gegenüber den Verzicht auf die Rechte aus der Übertragung erklärt oder die Zwangsversteigerung beantragt. Soweit jedoch im Falle einer Gesamthypothek der Eigen­ tümer des Grundstücks, aus dem der Gläubiger befriedigt wird, von dem Eigentümer eines der anderen Grundstücke oder einem Rechtsvorgänger dieses Eigentümers Ersatz verlangen kann, erlischt die Hypothek an dem Grundstücke dieses Eigentümers nicht, sondern geht auf den ersatzberechtigten Eigentümer über. Die Hypothek kann jedoch, wenn der Gläubiger nur teilweise befriedigt wird, nicht zum Nachteile der dem Gläubiger verbleibenden Hypothek und, wenn das Grundstück mit einem im Range gleich- oder nachstehenden Rechte belastet ist, nicht zum Nachteile dieses Rechtes geltend gemacht werden (§ 1182).

Bit SicherullgshypotheK.

8 277. 1. Begriff und Inhalt. Begriff.

Unter einer SicherungsHypothek versteht das BGB eine Hypothek, welche in der Weise bestellt ist, daß das Recht des Gläubigers aus der Hypothek sich nur nach der Forderung bestimmt und der Gläubiger sich zum Beweise der Forderung nicht auf die Eintragung berufen kann (§ 1184 Abs. 1). Die Sicherungshypothek hat daher mit der Verkehrs­ hypothek gemeinsam, daß sie eine „Hypothek" ist, d. h. daß in beiden Fällen ein Grundstück in der Weise belastet ist, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zu­ stehenden Forderung zu bezahlen ist (§ 1113). Die Sicherungshypothek unterscheidet sich aber von der Verkehrshypothek sowohl formell als auch materiell. Der formelle Unterschied besteht darin: a) daß die Hypothek im Grundbuch als Sicherungs­ hypothek bezeichnet fein muß (§ 1184 Abs. 2). Wird im Widerspruch mit dem dinglichen Vertrage oder mit dem Gesetze (vgl. z. B. § 866 CPO, siehe ferner S. 853) die Hypothek nicht als Sicherungshypothek im Grundbuche eingetragen, so kann die Berichtigung des Grundbuchs verlangt werden, sofern nicht inzwischen die Hypothek von einem gutgläubigen Dritten erworben worden ist. Ist dagegen umgekehrt eine Sicherungs­ hypothek statt einer Verkehrshypothek eingetragen worden, so besteht nur ein rein persönlicher Anspruch auf Herstellung des entsprechenden Buchzustandes. b) daß bei der Sicherungshypothek die Ertheilung des Hypothekenbriefs kraft Gesetzes ausgeschlossen

Die Sicherungshypothek. — Begriff und Inhalt.

913

ist (§ 1185), Die Sicherungshypothek ist immer eine Buch­ hypothek. Der materielle Unterschied besteht darin: a) daß sich der Gläubiger zum Beweise der Forderung nicht auf die Eintragung berufen kann. Der Gläubiger hat daher gleichviel, ob er sein persönliches Recht aus der Forderung oder sein dingliches Recht aus der Hypothek geltend macht, die Entstehung der Forderung zu beweisen. b) daß das Recht des Gläubigers sich nur nach der Forderung bestimmt. Daraus ergeben sich folgende weitere Konsequenzen:,, 1. Die Übertragung der Sicherungshypothek erfolgt zwar nach denselben Vorschriften, wie die Übertragung der Verkehrshypothek, für welche die Erteilung des Hypotheken­ briefes ausgeschlossen ist, d. h. durch die Einigung zwischen dem „bisherigen Hypothekengläubiger und dem Erwerber über die Übertragung der Hypothek und Eintragung der Rechts­ änderung in das Grundbuch. Während aber bei der Verkehrs­ hypothek die zum Schutze des gutgläubigen Schuldners bei der Übertragung von Forderungen getroffenen Vorschriften auf das Verhältnis zwischen dem neuen Gläubiger und dem Eigen­ tümer keine Anwendung finden, gelten diese Bestimmungen bei Übertragung einer Sicherungshypothek im vollem Umfange. Der Eigentümer kann daher, solange ihm die Übertragung der Hypothek nicht bekannt ist, mit dem bisherigen Gläubiger noch alle möglichen Rechtsgeschäfte abschließen, mag auch der neue Gläubiger noch solange im Grundbuch eingetragen sein. Der Letztere muß daher z. B. die noch an den bisherigen Gläubiger erfolgte Zahlung gegen sich gelten lassen (§ 407). Der Eigen­ tümer kann ferner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung aufrechnen, außer wenn er bei dem Erwerbe der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte, oder wenn die Forderung erst nach der Abtretung und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist (§ 406) u. dgl. Freilich wird in der Praxis diese Vorschrift nicht allzugroße Härten zeitigen, da nach § 55 GO jede Eintragung dem eingetragenen Eigentümer von Amtswegen bekannt zu geben ist. 2. Während Bei der Verkehrshypothek die Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs auch in Ansehung der Forderung und der dem Eigentümer gegen die Forderung zustehenden Einreden gelten, finden dieselben auf die Sicherungshypothek keine Anwendung. Dem Eigen­ tümer bleiben daher die ihm gegen die Forderung zustehenden Einreden auch dann gewahrt, wenn ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs nicht eingetragen ist. Ist z. B. für ein Darlehen zu 10 000 Mark eine Verkehrshypothek beMüller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Auf!. Bd. I.

58

914

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

stellt und die Erteilung des Hypothekenbriefes ausgeschlossen worden, so kann der Eigentümer demjenigen, der die Hypothek nach Ablauf eines Monats seit der Eintragung erworben, nur darin einwenden, daß die Hingabe des Darlehens ganz oder teilweise unterblieben sei, wenn ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen war (§ 1139). Ist dagegen für das Darlehen eine Sicherungshypothek bestellt worden, so kann er die Einrede auch dann vorbringen, wenn ein Widerspruch nicht eingetragen ist1) Bei der Verkehrs­ hypothek muß sich daher der Eigentümer rühren, damit ihm seine Einreden gegen die Forderung erhalten bleiben, bei der Sicherungshypothek bedarf es dessen nicht; denn das Recht des Gläubigers aus der Hypothek bestimmt sich nur nach der Forderung. Dagegen steht der Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs auch bei der Sicherungshypothek dem Ansprüche des Gläubigers auf Befriedigung aus dem Grundstücke zur Seite. Ist daher gegen die Richtigkeit des Grundbuchs kein Widerspruch vorgetragen, so kann zwar der Eigentümer geltend machen, der Gläubiger könne Befriedigung aus dem Grundstücke deswegen nicht verlangen, weil ihm keine Forderung zustehe; er kann aber dem gutgläubigen Erwerber nicht ein­ wenden, ihm stehe ein Anspruch auf Befriedigung deswegen nicht zu, weil es an der zur Entstehung der Hypothek erforder­ lichen Einigung fehle. Mit dieser Einwendung dringt er nur dann durch, wenn sie dem Erwerber bei dem Erwerbe der Hypothek bekannt war oder wenn ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen ist. 3. Während bei der Verkehrshypothek eine Kündigung des Schuldners, der nicht zugleich Eigentümer des belasteten Grundstücks ist, die Fälligkeit der Hypothek dem Eigentümer gegenüber ebensowenig bewirkt, wie die Kündigung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner, äußert bei der Sicherungshypothek die von dem Schuldner dem Gläubiger oder von dem Gläubiger dem Schuldner erklärte Kündigung auch in der Richtung gegen den Eigentümer ihre Wirksamkeit. Um die Fälligkeit der Hypothek dem Eigentümer gegenüber herbeizuführen, bedarf es daher bei der Sicherungshypothek nicht einer besonderen, dem Eigentümer erklärten Kündigung, ja nicht einmal einer Anzeige, daß die Forderung gekündigt worden sei. In allen, übrigen Beziehungen, insbesondere auch hin­ sichtlich des Überganges der Hypothek auf den Eigentümer, gelten für die Sicherungshypothek die gleichen Grundsätze wie für die Verkehrshypothek. *) SammlnF 4 S. 48; Recht 1902 S. 237

Die Hypothek für Forderungen aus Inhaber- und Orderpapieren. 915

Eine Sicherungshypvthek kann in eine gewöhnliche Hypo­ Umwandelung SicherungSthek, und zwar gleichviel ob Buch- oder Briefhypothek, ebenso i! »er 1 eine Berkehrshypothek und kann umgekehrt eine gewöhnliche Hypothek in eine Sicherungs­ umgekehrt. hypothek umgewandelt werden (§ 1186). Zur Umwandelung ist die Einigung des Eigentümers und des Gläubigers über die Umwandelung und die Eintragung der Umwandelung in das Grundbuch erforderlich; dagegen ist die Zustimmung der im Range gleich- oder nachstehend Berechtigten nicht erforderlich.

§ 278.

2. Die Hypothek für Forderungen aus Inhaber- und OrderPapieren.

Auch für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhabers) aus einem Wechsel oder aus einem anderen Papiere, das durch Indossament übertragen werden kann, kann eine Hypothek bestellt werden. Vorausgesetzt wird aber, daß die Forderung auf eine Geldleistung geht. Lautet dagegen die Urkunde auf die Leistung von anderen vertretbaren Sachen als Geld, so ist die Bestellung einer Hypothek zu Gunsten einer solchen Förderung begrifflich ausgeschlossen. Die Hypothek für die Forderung aus einer Schuldver­ schreibung auf den Inhaber oder aus einem Orderpapiere kann nur als Sicherungshypothek bestellt werden. Die Hypothek gilt als Sicherungshypothek auch dann, wenn sie im Grundbuche als solche nicht bezeichnet ist (§ 1187). Die Bestellung der Hypothek für die Forderung aus einem Orderpapiere erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen; es wird also die Einigung des Eigentümers und des Gläubigers über die Bestellung der Hypothek und die Eintragung der Hypothek im Grundbuche erfordert; es genügt, wenn der erste Nehmer des Orderpapieres oder der durch Indossament legiti­ mierte Inhaber schlechthin als Gläubiger eingetragen wird. In gleicher Weise kann auch die Hypothek für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber bestellt werdens) jedoch läßt das Gesetz eine Erleichterung zu. indem es bestimmt: „Zur Bestellung einer Hypothek für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber „genügt" die einseitige *) ROLG 4 S. 191; EFG 2 S. 149. 1) Ergänzend greift ein das Reichsgesetz, betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen auf den Inhaber vom 4. Dezember 1899 sReichsges.Bl. S. 691), Dasselbe findet aber nur An­ wendung, wenn „von Jemand, der im Inlands seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat, im Inlands Schuldverschreibungen mit im vorausbestimmten Nennwerten ausgestellt sind, die nach dem Verhältnisse dieser Werte den Gläubigern gleiche Rechte gewähren, und die Nenn­ werte der angegebenen Schuldverschreibungen zusammen mindestens drei­ hunderttausend Mark und die Zahl der ausgegebenen Stücke mindestens 300 betragen."

Bestellung.

916

Übertragung.

Einreden.

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Erklärung des Eigentümers, daß er die Hypothek bestelle, und die Eintragung der Hypothek in das Grundbuch"; ist auch der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamte gestellt, so wird die Erklärung nicht dadurch unwirksam, daß der Berech­ tigte in der Verfügung beschränkt wird (Z 1188 Abs. 1). Bei der Eintragung der Jnhaberhypothek ist nicht der Name des ersten Inhabers als Gläubiger einzutragen, sondern es ist der „Inhaber" „der Schuldverschreibung als Gläubiger zu bezeichnen. Die Übertragung der für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber oder aus einem Order­ papiere bestellten Hypothek erfolgt nicht nach den Grundsätzen über„ die Übertragung einer Hypothek, sondern nach den für die Übertragung der Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber oder aus einem Orderpapier geltenden Vor­ schriften. So wird das Forderungsrecht aus einer Schuld­ verschreibung auf den Inhaber ourch Übertragung des Eigen­ tums an der Schuldverschreibung, das Forderungsrecht aus einem Orderpapier durch Indossament übertragen. Mit dem Erwerb der Forderung geht auch die Hypothek auf den Er­ werber über, ohne daß es der Eintragung des Überganges in das Grundbuch bedarf. Erwirbt der Eigentümer des belasteten Grundstücks selbst die Forderung, so entsteht keine Eigentümer­ grundschuld, da die Forderung nicht erlischt. Selbstverständlich wird aber hierdurch die Vorschrift nicht berührt, daß dem Grundbuchamte die Rechtsnachfolge durch öffentliche oder öffent­ lich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden muß. Ferner soll bei der Hypothek eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Schuldverschreibung auf den Inhaber oder das Orderpapier vorgelegt wird; die Eintragung ist auf dieser Urkunde zu ver­ merken (§ 44 GO). Obwohl die Hypothek nur eine Sicherungshypothek ist, so kann sich der Eigentümer doch nur solcher Einreden be­ dienen, welche gegen eine Schuldverschreibung auf den Inhaber oder gegen ein Orderpapier zulässig sind, also bei einer Schuld­ verschreibung auf den Inhaber nur solcher Einwendungen, welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Ürkunde ergeben oder ihm unmittelbar gegen den Inhaber zustehen (§ 796), bei einer Forderung aus einem Orderpapier nur solcher Einreden, welche die Gültigkeit feiner Erklärung in der Ürkunde betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder ihm unmittelbar gegen den Gläubiger zustehen (Art. 82 WO, § 364 Abs. 2 HGB). Diese Einreden kann er auch gegen die Hypothek vorbringen. Außerdem stehen ihm die einem Bürgen nach § 770 zustehenden Einreden und endlich die Einreden zu, welche sich gegen den Bestand der Hypothek richten, die letzteren selbstverständlich nur insoweit, als der Gläubiger nicht durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs geschützt ist. Ebenso

Die Hypothek für Forderungen aus Inhaber- und Orderpapieren. 917

kann er Einreden aus einem zwischen ihm und einem früheren Gläubiger bestehenden Rechtsverhältnisse bringen, sofern sie entweder aus dem Grundbuche sich ergeben oder dem Gläubiger bei dem Erwerbe der Hypothek bekannt waren. Die Ausschließung des Gläubigers einer Jnhaberhypothek mit seinem Rechte nach § 1170 (j. S. 900) ist nicht schon dann zulässig, wenn zehn Jahre seit der letzten. Eintragung verstrichen sind, ohne daß das Recht des Gläubigers vom Eigentümer anerkannt worden ist, sondern sie ist nur dann zulässig, wenn die im § 801 (f. S. 638) bezeichnete Vor­ legungsfrist verstrichen ist. Ist innerhalb der Frist die Schuld­ verschreibung vorgelegt oder der Anspruch aus der Urkunde gerichtlich geltend gemacht worden, so kann die Ausschließung erst erfolgen, wenn die Verjährung eingetreten ist (§ 1188 Abs. 2). Dagegen finden auf die Ausschließung des Gläubigers einer Orderhypothek sowie auf die Ausschließung nach § 1171 die gewöhnlichen Vorschriften Anwendung. Eine besondere Eigentümlichkeit der Hypothek für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber und aus einem Orderpapiere ist die, daß ein Treuhänder bestellt werden kann (§ 1189). Die Bestellung eines Treuhänders ist gestattet, aber nicht notwendig. Der Treuhänder ist ein Vertreter des jeweiligen Gläubigers der Hypothek und hat die Befugniß, mit Wirkung für und gegen jeden späteren Gläubiger bestimmte Verfügungen über die Hypothek zu treffen und den Gläubiger bei der Geltend­ machung der Hypothek zu vertreten. Von einem gewöhnlichen Bevollmächtigten unterscheidet sich der Treuhänder 1. dadurch, daß er nicht bloß Vertreter des Vollmacht­ gebers, sondern Vertreter des jeweiligen Gläubigers ist; 2. dadurch, daß die B estellung des Treuhänders nicht, wie die Erteilung einer Vollmacht, durch einseitige Erklärung des Vollmachtgebers erfolgt, sondern daß hierzu die Einigung des Gläubigers und des Eigentümers und die Eintragung der Bestellung in das Grundbuch erforderlich ist; , nur bei der Hypothek für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber genügt, wie zur Bestellung der Hypothek, so auch zur Bestellung des Treuhänders die einseitige Erklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamte und die Eintragung in das Grundbuch. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn ein anderer Treu­ händer aufgestellt oder wenn der Umfang der Bertretungsbefugnisse geändert werden soll. Der Umfang der Vertretungsmacht des Treuhänders ist insofern kraft Gesetzes beschränkt, als dem Treuhänder nur die Befugnis eingeräumt werden kann, bei Verfügungen über

Aufgebot.

Treuhänder.

918

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

die Hypothek sowie bei Geltendmachung der Hypothek den Gläubiger zu vertreten. Soll ihm eine weitergehende Ver­ tretungsmacht eingeräumt werden, so kommen nicht die Vor­ schriften über die Treuhänderschaft, sondern über die Vollmacht zur Anwendung; insbesondere ist dann seine Vertretungsbefugnis auf die Vertretung des Vollmachtgebers beschränkt. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens können dem Treuhänder bald be­ schränktere, bald weitergehende Befugnisse eingeräumt werden, so z. B. daß er nur einzelne bestimmte oder alle möglichen Verfügungen über die Hypothek treffen darf. Während sonst bei einer Hypothek für die Forderung aus einer Schuldverschreibung auf den Inhaber oder aus einem Orderpapier bei jeder Eintragung die Urkunde dem Grund­ buchamte vorgelegt werden muß, ist die Vorlage nicht erforder­ lich, wenn die Eintragung auf Grund einer Bewilligung des Treuhänders oder auf Grund einer gegen ihn erlassenen ge­ richtlichen Entscheidung bewirkt ist (§ 44 GO). Auch im Voll­ streckungsverfahren ist der Treuhänder Vertreter des Gläubigers (§ 9 ZVG). Ist der Eigentümer berechtigt, von dem Gläubiger eine Verfügung zu verlangen, zu welcher nach dem Inhalte seiner Vertretungsmacht der Treuhänder befugt ist, so kann er die Vornahme der Verfügung von dem Treuhänder verlangen (§ 1189 Abs. 2) und im Weigerungsfälle den Treuhänder als den Vertreter des Gläubigers hierauf verklagen. Selbstverständlich wird der Gläubiger dadurch, daß ein Treuhänder bestellt ist, nicht gehindert, die Verfügung über die Hypothek selbst vorzunehmen und die Hypothek selbst geltend zu machen.

§ 279. 3. Die Höchstbetragshypothek. Die Höchstbetragshypothek (auch Kautions-, Maximal­ oder Ultimathypothek genannt) bildet eine weitere Unterart der Sicherungshypothek. Unter einer Höchstbetragshypothek versteht man eine Sichörungshypothek, welche in der Weise bestellt wird, daß nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück haften soll, bestimmt, im übrigen aber die Feststellung der Forderung Vorbehalten wird (§ 1190 Abs. 1). Die Hypothek gilt als Sicherungshypothek, auch wenn sie im Grundbuch nicht als solche bezeichnet ist (§ 1190 Abs. 3). Da sie eine Sicherungshypothek ist, so gilt auch für sie der Grundsatz, daß das Recht des Gläubigers sich nur nach der Forderung bestimmt und der Gläubiger sich zum Beweise der Forderung nicht auf die Eintragung berufen kann. Während aber bei der gewöhnlichen Sicherungshypothek der Geldbetrag

Die Höchstbetragshypothek.

919

der Forderung im Grundbuch angegeben werden muß, wird bei der Höchstbetragshypothek nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück haften soll, bestimmt und im übrigen die Feststellung der Forderung Vorbehalten. Darin liegt ihre hauptsächliche Besonderheit. Eine Höchstbetragshypothek wird insbesondere dann bestellt werden, wenn, wie z. B. im Falle einer fortlaufenden Kredit­ gewährung (Kredithypothek), der Betrag der Forderung noch nicht bestimmt ist. Auch wenn Nebenleistungen vereinbart sind, deren Geldbetrag nicht angegeben werden kann, insbesondere eine Haftung für Kosten, für welche das Grundstück nicht kraft Gesetzes haftet, z. B. für nachträgliche Vermerke auf dem Hypothekenbriefe, für Registerauszüge, Stempel, Taxen u. dgl., ist Veranlassung zur Bestellung einer Höchstbetragshypothek gegeben. Die Arresthypothek kann nur als Höchstbetragshypothek einge­ tragen werden; der Höchstbetrag ist hier der im Arrestbefehl festge­ stellte Geldbetrag, durch dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der Schuldner zu dem Antrag auf Aufhebung des vollzogenen Arrestes berechtigt wird (§ 923 CPO). Eine Forderung ist endlich auch dann unbestimmt, wenn nicht nur ihr Betrag, sondern auch dann, wenn ihr Rechtsgrund noch nicht feststeht. Es ist deshalb zulässig, für alle Forderungen, welche der Gläubiger gegen den Eigentümer oder einen Dritten hat oder erwerben wird, eine Höchstbetrags­ hypothek zu errichten. Der Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück haftet, muß*) in das Grundstück eingetragen werden. Ist die For­ derung auf Grund einer Vereinbarung oder kraft gesetzlicher Vorschrift verzinslich, so werden die Zinsen in den Höchst­ betrag" eingerechnet; für die Rückstände an Zinsen haftet daher das Grundstück nicht über den eingetragenen Höchstbetrag hinaus?) Verzinslichkeit und Zinssatz sind deshalb nicht ein­ tragungsfähig. Selbstverständlich kann auch für die Zinsen ein besonderer Höchstbetrag bestimmt werden, in welchem Falle dann die Eintragung zulässig ist. Das Gleiche gilt für Neben­ leistungen. Dagegen verbleibt es in Ansehung der Kosten bei der Regel des § 1118; für sie haftet das Grundstück auch dann, wenn sie in dem eingetragenen Höchstbetrag nicht mehr Deckung finden. Auch bei der Höchstbetragshypothek wird das Grundstück sofort mit der Eintragung bis zum eingetragenen Höchstbetrag unbedingt b) belastet; denn die Hypothek bleibt bestehen, auch wenn die Forderung überhaupt nicht zur Entstehung gelangt. Auch bei Eintragungen auf Grund einstweiliger Verfügung NOLG 3 S. 364. ’) ROLG 2 S. 158. ') ROLG 4 S. 194; RG 49 S. 165.

920

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Sie ist auch nicht von vorneherein eine Eigentümerhypothek?) die sich nur in dem Maße in eine Sicherungshypothek um­ wandelt, in welchem dem Berechtigten eine Forderung erwächst, sondern sie steht von Anfang an dem Gläubiger zu, auch wenn zeitweise keine zusichernde Forderung da ist?) Da aber einer­ seits das Recht des Gläubigers sich nach der Forderung be­ stimmt, andererseits die Vorschriften über die Eigentümer­ hypothek und insbesondere der Satz, daß, soweit die Forderung nicht entstanden oder wieder erloschen ist, die Hypothek dem Eigentümer als Grundschuld zusteht, auch für die Höchstbetrags­ hypothek gilt?) bei dieser aber die Feststellung der Forderung Vorbehalten bleibt, so ist bis zur Feststellung unbestimmt, ob und inwieweit die Hypothek dem Gläubiger oder dem Eigen­ tümer erworben ist?) Ist bei Beendigung des der Hypothek zu Grunde liegenden Verhältnisses die Forderung nicht zur Entstehung gelangt, so steht die Hypothek demjenigen zu, der zur Zeit der Eintragung^) der Hypothek Eigentümer des be­ lasteten Grundstücks war; erlischt die Forderung, so erwirbt die Hypothek derjenige, der im Zeitpunkte des Erlöschens 6) Eigentümer war. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Hypothek nur zu einem Teilbeträge entsteht oder erlischt. Darauf wer zur Zeit der Feststellung der Forderung Eigen­ tümer ist, kommt nichts an. Soweit aber infolge Erlöschens der Forderung der Eigentümer oder der persönliche Schuldner oder ein Dritter die Forderung erwirbt (§§ 1163ff.; vgl. Bd. I S. 898, 903), erwerben sie die Hypothek nur unter der Beding­ ung, daß der Restbetrag der Forderung den eingetragenen Höchstbetrag nicht erreicht?) Die Feststellung der Forderung erfolgt durch den Gläubiger und den Schuldner, der nicht notwendig mit dem Eigentümer identisch ist; selbstverständlich werden aber hierdurch dem bloß dinglich haftenden Eigentümer seine Einwendungen nicht abgeschnitten. Durch die bloße Feststellung der Forderung wird die Höchstbetragshypothek noch nicht zu einer gewöhnlichen (Verkehrs-) Hypothek; sie bleibt nach wie vor eine Sicherungs­ hypothek und wird nur ihres Charakters als einer Höchstbetrags­ hypothek entkleidet; sie kann aber in eine Verkehrshypothek umgewandelt werden; die Umwandelung erfolgt nach den bereits früher (s. S. 915) dargestellten Grundsätzen?) ') IW 1902 Beil. 6 S. 232; ROLG 4 S. 74, 377. 2) ROLG 4 S. 74; IW 1902 Beil. 2 S. 203; Beil. 6 S. 232. ') RG 55 S. 220. *) RG 51 S. 117; Recht 1902 S. 237; DIZ 1902 S. 118. *) RG 55 S. 220. •) RG 55 S. 220; vgl. auch 51 S. 398; aM Recht 1902 S. 32. ’) Vgl. ROLG 2 S. 154; 3 S. 196; 4 S. 74; IW 1902 Beil. 6 S. 232; 1904 S. 114; RG 49 S. 162; Recht 1902 S. 180, 324. e) Vgl. EFG 3 S. 156; Recht 1902 S. 555; DIZ 1902 S. 228.

Verhältnis der Grundschuld zur Hypothek.

921

Eine weitere Besonderheit der Höchstbetragshypothek besteht hinsichtlich der Übertragung der Forderung. Während bei der Verkehrshypothek und bei der gewöhnlichen Sicherungs­ hypothek die Forderung nicht ohne die Hypothek und nur unter Einhaltung besonderer Formvorschriften übertragen werden kann, kann bei der Höchstbetragshypothek die Forderung nach den für die Übertragung von Forderungen geltenden all­ gemeinen Vorschriften übertragen werden. Wird sie nach diesen Vorschriften übertragen, so ist der Übergang der Hypothek ausgeschlossen (§ 1190 Abs. 4); jedoch tritt weder ein Erlöschen der Hypothek ein noch erwirbt sie der Eigentümer, sondern sie verbleibt für den nicht übertragenen Rest ungeschmälert dem bisherigen Gläubiger. Dies ist insbesondere dann von Be­ deutung, wenn eine Höchstbetragshypothek für Forderungen aus einer bestehenden Geschäftsverbindung bestellt ist und der Gläubiger einem Dritten sein gesamtes Guthaben überträgt, ohne die Geschäftsverbindung abzubrechen; die Hypothek haftet dann für die neu entstehenden Verbindlichkeiten bis zum ein­ getragenen Höchstbetrage. Will die Forderung und die Hypo­ thek übertragen werden, so kommen die allgemeinen Vor­ schriften über die Übertragung von Hypotheken zur An­ wendung.^)

III. Die Grundschnld. § 280. Verhältnis der Grundschuld zur Hypothek. Die Grundschuld ist die Belastung eines Grundstücks in der Weise, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstücke zu bezahlen ist (§ 1191 Abs. 1). Die Hypo thek dagegen ist die Belastung eines Grund­ stücks in der Weise, daß an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wegen einer ihm zustehenden For­ derung eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstücke zu bezahlen ist (§ 1113). Aus dieser Vergleichung ergibt sich der Unterschied zwischen Grundschuld und Hypothek von selbst. Die Belastung des Grundstücks ist in beiden Fällen die gleiche. Der Grundschuldgläubiger wie der Hypothekengläubiger können Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus dem Grundstücke verlangen, aber der Hypothekengläubiger „wegen einer ihm zustehenden Forderung", der Grundschuldgläubiger dagegen schlechthin. Freilich wird auch dem Grundschuldgläubiger nicht ohne alle Veranlassung eine Grundschuld bestellt. Irgend ') ROLG 4 S. 320; EFG 3 S. 90.

922

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

eine Veranlassung, z. B. Kauf, Schenkung, Darlehen liegt auch der Bestellung der Grundschuld zu Grunde. Aber der Forderung wird bei der Grundschuld keine Bedeutung beigelegt, während die Hypothek eine Forderung begrifflich voraussetzt. Bestellt z. B. A, der dem B 1000 Jt Kaufpreisforderung schuldet, dem letzteren für diese Forderung eine Hypothek, so wird in das Grundbuch eingetragen, daß das Grundstück des A „zu Gunsten einer Kaufpreisforderung des B von 1000 J6" mit einer Hypothek belastet sei. Dem B steht nur dann das Recht zu, Befriedigung aus dem Grundstücke zu suchen, wenn die Kaufpreisforderung auch wirklich besteht. A kann daher gegen den Anspruch des B einwenden, daß die Kaufpreisfor­ derung entweder überhaupt nicht oder wenigstens nicht in Höhe von 1000 Jfc zu Recht bestehe. Freilich besteht hiervon — aber auch nur für die Verkehrshypothek — eine Aus­ nahme dann, wenn die Hypothek in die Hände eines gut­ gläubigen Dritten gelangt. Anders liegt die Sache bei der Grundschuld. Hier bildet das zwischen A und B bestehende Schuldverhältnis lediglich die „Veranlassung" zur Bestellung der Grundschuld. Daher wird auch des Umstandes, daß es sich um eine Kaufpreisschuld handelt, im Grundbuche gar keine Erwähnung getan. Ob und welches Schuldverhältnis die Ver­ anlassung zur Bestellung der Grundschuld bietet, bleibt außer allem Betracht. Daher kann z. B. der Grundschuldgläubiger auch dann Zahlung aus dem Grundstücke verlangen, wenn das Schuldverhältnis, welches die Veranlassung zur Bestellung der Grundschuld bildete, nichtig oder anfechtbar ist. Denn durch die Bestellung einer Grundfchuld wird das Recht auf Zahlung aus dem Grundstück von der ursprünglichen Schuld vollständig losgelöst. Freilich ganz ohne Bedeutung ist der Rechtsbestand dieses Schuldverhältnisses nicht. Hat z. B. A in der Erwartung, von B ein Darlehen zu erhalten, demselben eine Grundschuld von 1000 Jt> bestellt, so erwirbt dieser das Recht, Zahlung von 1000 J6 aus dem Grundstücke zu verlangen. Weigert sich B, dem A das Darlehen zu geben, so ist er ungerecht­ fertigt bereichert und haftet daher dem A nach den Grund­ sätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Aber dieser Anspruch ist ein rein persön­ licher, durch dessen Bestehen das Recht des Grundschuldgläu­ bigers, Zahlung aus dem Grundstücke zu verlangen, nicht berührt wird. Solange daher B Grundschuldgläubiger ist, stehen ihm alle Rechte aus der Grundschuld zu. Infolge der ungerechtfertigten Bereicherung des B könnte A von demselben lediglich die Rückübertragung des aus der Grundschuld sich ergebenden Rechtes verlangen.

Besondere Vorschriften über die Grundschuld.

923

Wenn gesagt wurde, daß die Grundschuld von dem ur­ sprünglichen Schuldverhältnisse vollständig losgelöst sei, so ist dies doch nicht in dem Sinne zu verstehen, daß eine Grund­ schuld schon dann vorliegt, wenn das eigentliche Schuldver­ hältnis verschwiegen wird. Hat z. B. A, der dem B 1000 Jb Kaufpreis schuldet, dem B die Bezahlung dieser 1000 Jb in einem abstrakten Schuldversprechen oder wechselmäßig zuge­ sichert und für die Schuld aus dem Schuldversprechen oder dem Wechsel eine Hypothek bestellt, so kommt zwar das eigent­ liche Schuldverhältnis nicht zum Ausdrucke, aber es liegt gleichwohl keine Grundschuld, sondern eine Hypothek vor; denn der Gläubiger kann Zahlung aus dem Grundstücke nicht schlechthin, sondern wegen seiner Forderung aus dem Schuld­ versprechen oder dem Wechsel verlangen.

§ 281. Besondere Vorschriften über die Grundschnld. Wie im vorhergehenden Paragraphen gezeigt wurde, ist die Belastungsform bei der Hypothek und bei der Grundschuld die gleiche: in beiden Fällen kann der Gläubiger Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus dem Grundstücke verlangen, bei der Grundschuld schlechthin, bei der Hypothek wegen einer ihm zustehenden Forderung. Demgemäß stellt auch das BGB ganz folgerichtig den Grundsatz auf: Auf die Grundschuld finden die Vorschriften über die Hypothek ent­ sprechende Anwendung, soweit sich nicht daraus ein Anderes ergibt, daß die Grundschuld nicht eine Forderung voraussetzt (§ 1192 Abs. 1). Man hat daher jede hypothekenrechtliche Vorschrift daraufhin zu prüfen, ob sie das Vorhandensein einer persönlichen Forderung voraus­ setzt oder nicht. Unanwendbar sind daher alle diejenigen Bestimmungen, welche die Abhängigkeit der Hypothek von der persönlichen Forderung betreffen; also z. B. die Vorschrift, daß der Eigen­ tümer gegen die Hypothek die dem persönlichen Schuldner gegen die Forderung zustehenden Einreden geltend machen kann (§ 1137), daß die Vorschriften über den öffentlichen Glau­ ben des Grundbuchs für die Hypothek auch in Ansehung der Forderung und der dem Eigentümer nach § 1137 zustehenden Einrede gelten (§ 1138), daß bei Darlehenshypotheken im Falle unterbliebener Darlehenshingabe ein Widerspruch eingetragen werden kann (§ 1139), ferner die Vorschrift, daß die Hypothek nicht ohne die Forderung und die Forderung nicht ohne die Hypothek übertragen werden kann (§ 1153), daß an die Stelle der Forderung, für welche die Hypothek bestellt ist, eine andere Forderung gesetzt werden kann (§ 1180). Insbesondere ent­ steht keine Eigentümergrundschuld, wenn die Forderung, welche

924

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

die Veranlassung zur Bestellung der Grundschuld bildete, ent­ weder nicht zur Entstehung gelangte oder wieder erlosch (§ 1163 Abs. 1). Ebensowenig erwirbt der persönliche Schuldner, welcher nicht Eigentümer des belasteten Grundstücks ist, kraft Gesetzes die Grundschuld, wenn er den Grundschuldgläubiger befriedigt, und zwar ist dieser Erwerb ausgeschlossen, gleich­ viel ob ihm gegen den Eigentümer ein Ersatzanspruch zusteht oder nicht (§ 1164). Soweit aber nicht daraus, daß die Grundschuld eine Forderung nicht voraussetzt, sich die Unanwendbarkeit einer hypothekenrechtlichen Vorschrift ergibt, findet dieselbe auch auf die Grundschuld Anwendung. Anwendbar sind daher vor allem die Vorschriften über die Entstehung der Hypothek, jedoch nur soweit sie die rechtsgeschäftliche Entstehung der Hypothek zum Gegenstände haben; dagegen sind unanwendbar alle diejenigen Vorschriften, nach welchen eine Hypothek ohne oder selbst gegen den Willen des Eigentümers entsteht, jedoch nicht etwa deswegen, weil hier das Bestehen einer Forderung vorausgesetzt wird, sondern deswegen, weil das BGB eine Entstehung der Grundschuld ohne oder gegen den Willen des Eigentümers nicht kennt. Ferner kann der Bruchteil eines Grundstücks unter den gleichen Voraussetzungen, wie mit einer Hypothek auch mit einer Grundschuld belastet werden (§ 1114). Anwendbar sind ferner die Vorschriften über den Hypotheken­ brief (§§ 1116 f.) — auch bei der Grundschuld unterscheidet man zwischen Buchgrundschuld und Briefgrundschuld —, über den Umfang der hypothekarischen Haftung (§§ 1118—1131), über die Gesamthypothek (§ 1132), über die Geltendmachung (§§ 1133-1135, 1147 ff, 1150, 1181, 1182) und Übertragung der Hypothek (§§ 1154 f). Was insbesondere die Einwen­ dungen des Eigentümers gegen die Grundschuld anlangt, so sind dieselben zulässig, soweit sie sich gegen den Bestand der Grundschuld oder gegen die Aktivlegitimation des Gläubigers richten, ferner soweit sie sich auf ein zwischen ihm und dem gegen­ wärtigen oder einem früheren Gläubiger bestehendes Rechts­ verhältnis gründen, doch nur soweit ihnen nicht der öffentliche Glaube des Grundbuchs entgegensteht. 8,2nbetenb Da die Grundschuld eine Forderung nicht voraussetzt, so Nebenleistungen, sonnte auch an sich eine Verzinslichkeit der Grundschuld nicht vereinbart werden. Gleichwohl kann nach ausdrücklicher Be­ stimmung des BGB die Belastung des Grundstücks auch in der Weise erfolgen, daß Zinsen von der Geldsumme, für welche die Grundschuld bestellt ist, sowie andere Nebenleistungen aus dem Grundstücke zu entrichten sind (§ 1191 Abs. 2). Für diese Zinsen gelten, insbesondere hinsichtlich der Haftung des Grundstücks, die Vorschriften über die Zinsen einer Hypothek­ forderung (§ 1192 Abs. 2).

Besondere Vorschriften über die Grundschuld.

926

Abgesehen von den hypothekenrechtlichen Vorschriften, bie welche sich hiernach als auf die Grundschuld anwendbar er- srunbschulb. weisen, hat das BGB für die Grundschuld noch einige be­ sondere Bestimmungen getroffen: 1. Das Kapital wird erst nach vorgängiger Kündigung fällig. Die Kündigung steht sowohl dem Eigentümer als dem Gläubiger zu. Die Kündigungsfrist Beträgt sechs Monate. Abweichende Bestimmungen sind zulässig (§ 1193); diese sind an keine Form gebunden, äußern aber dann auch nur obliga­ torische Wirkung unter den Kontrahenten; soll ihnen dagegen dingliche Wirkungen gegen eine» späteren Erwerber der Grund­ schuld oder des Grundstücks beigelegt werden, so bedürfen sie der Eintragung in das Grundbuch; die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung genügt. Diese Vorschriften waren erforderlich, da die Grundschuld eine Forderung nicht voraussetzt, weshalb sich auch ihre Fällig­ keit nicht nach den für die Forderung geltenden hypo­ thekenrechtlichen Vorschriften bestimmen kann. Im übrigen finden jedoch die für die Hypothek geltenden Vorschriften An­ wendung, insbesondere die Vorschrift, daß zu Gunsten des Gläubigers derjenige, welcher im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, als der Eigentümer gilt (vgl. § 1141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2), ferner daß die Kündigung einer Briefgrund­ schuld durch den im Grundbuche eingetragenen Gläubiger dann unwirksam ist, wenn derselbe nicht die auf einen eingetragenen Gläubiger in zusammenhängender Reihe zurückführenden Abtretungserklärungen in öffentlich beglaubigter Form vorlegt und der Eigentümer die Kündigung aus diesem Grunde un­ verzüglich zurückweist. 2. Die Zahlung des Kapitals, sowie der Zinsen und anderen Nebenleistungen hat, soweit nicht ein Anderes bestimmt ist, an dem Orte zu erfolgen, an dem das Grundbuchamt seinen Sitz hat (§ 1194). 3. Eine besondere Vorschrift gilt noch für das Zwangs­ versteigerungsverfahren. Wenn nämlich bei einer Grund­ schuld, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibt, der Schuldner zugleich persönlich haftet, so übernimmt der Ersteher die Schuld in Höhe der Grundschuld, sofern der persönlich haftende Schuldner spätestens im Versteigerungs­ termin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten die gegen ihn bestehende Forderung unter Angabe ihres Betrages und Grundes anmeldet und auf Verlangen des Gerichts oder eines Beteiligten glaubhaft macht, sofern der Gläubiger die Übernahme genehmigt oder sofern seine Genehmigung als er­ teilt gilt (§ 53 Abs. 2 ZVG, § 416 BGB); der bisherige Schuld­ ner wird dann frei.

Hypothek.

926

Grundschuld.

Rentenschuld.

4. Endlich kann eine Hypothek jederzeit in eine Grund­ schuld und eine Grundschuld in eine Hypothek umgewandelt werden (§ 1198). Hierzu bedarf es der Einigung **) des Eigen­ tümers und des Gläubigers. Soll die Umwandlung zu Gunsten eines anderen als des bisherigen Gläubigers erfolgen, so ist die Zustimmung des bisherigen Gläubigers erforderlich. Da­ gegen ist die Zustimmung der im Range gleich- oder nach­ stehend Berechtigten nicht erforderlich. Außerdem ist die Ein­ tragung der Umwandlung in das Grundbuch notwendig. Da auch eine Verkehrshypothek in eine Sicherungshypothek und eine Sicherungshypothek in eine Verkehrshypothek umgewandelt werden kann, so kann eine Grundschuld nach Belieben in eine Verkehrs- oder in eine Sicherungshypothek und umgekehrt eine Verkehrs- oder Sicherungshypothek in eine Grundschuld umgewandelt werden. Will die Erteilung des Briefs aus­ geschlossen werden, so muß dies nach Maßgabe der betreffenden Vorschriften ausdrücklich bestimmt werden. § 282. I. Jnhaberflruntndjulb.

Jnhabergrundschuld und Eigentümergrundschuld.

I. Eine Grundschuld kann auch in der Weise bestellt werden, daß der Grundschuldbrief auf den Inhaber ausgestellt wird (§ 1195). Ist daher die Jnhaberhypothek immer eine Buchhypothek, so ist die Jnhabergrundschuld immer eine Brief­ grundschuld. Auf den Jnhabergrundschuldbrief finden die Vorschriften über Schuldverschreibungen auf den Inhaber entsprechende An­ wendung. Für die Jnhabergrundschuld ist daher die Anwend­ barkeit der hypothekenrechtlichen Vorschriften eine noch be­ schränktere als bei der gewöhnlichen Grundschuld. So ist z. B. zur Jnverkehrsetzung des Briefs staatliche Genehmigung er­ forderlich. Daß die staatliche Genehmigung erteilt ist, muß dem Grundbuchamte nachgewiesen werdend) Die Bestellung selbst erfolgt durch einseitige Erklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamte, daß er eine Jnhabergrund­ schuld bestelle, verbunden mit der Eintragung der Grund­ schuld im Grundbuche. Gläubiger ist der Inhaber des Briefs, es sei denn daß er zur Verfügung über denselben nicht be­ rechtigt ist. Die Übertragung der Jnhabergrundschuld erfolgt durch' die bloße Übertragung des Eigentums an dem Briefe; daher wird weder die Eintragung der Abtretungserklärung in das Grundbuch noch die Erteilung einer schriftlichen Ab­ tretungserklärung erfordert. Ferner kann der Eigentümer dem Inhaber nur solche Einwendungen entgegensetzen, welche *) Vgl. ROLG 2 S. 319; EFG 3 S. 212. •) EFG 1 S. 37; ROLG 1 S. 104.

Jnhabergrundschuld und Eigentümergrundschuld.

927

entweder die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus dem Briefe ergeben oder dem Eigentümer unmittelbar gegen den Inhaber zustehen; u. dgl. Nicht anwendbar ist dagegen die Vorschrift, daß zur Unterzeichnung eine im Wege der mechanischen Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift genüge; denn der Grundbuchbeamte, der einen Jnhabergrundschuldbrief ausstellt, ist nicht Aussteller int Sinne des § 793. Soweit sich aber aus der entsprechenden Anwendbarkeit der Vorschriften über Schuldverschreibungen auf den Inhaber sowie daraus, daß auch die Jnhabergrundschuld eine Forderung nicht voraussetzt, ein Anderes nicht ergibt, finden auch auf die Jnhabergrundschuld die Vorschriften über die Hypothek ent­ sprechende Anwendung, so z. B. die Vorschriften über den Gegenstand der Belastung, über den Umfang der Haftung u. dgl. Insbesondere kann, wie bei der Jnhaberhypothek, so auch bei der Jnhabergrundschuld für den jeweiligen Gläubiger ein Vertreter (Treuhänder) bestellt werden (§ 1189). Wird endlich eine Jnhabergrundschuld in Teile zerlegt, so ist für jeden Teil ein besonderer Brief herzustellen (§ 70 Ms. 2). II. Unter einer Eigentümergrundschuld versteht man eine Grundschuld welche dem Eigentümer zusteht. Die Gründe für die Entstehung einer Eigentümergrund­ schuld können verschieden sein: 1. Vereinigt sich eine Hypothek mit dem Eigentum in einer Person, ohne daß dem Eigentümer auch die Forderung zusteht, so verwandelt sich die Hypothek in eine Eigentümer­ grundschuld (§ 1177 Abs. 1). Dieser Fall wurde bereits früher behandelt. 2. Ist für die Grundschuld die Erteilung eines Grund­ schuldbriefs nicht ausgeschlossen, so steht bis zur Übergabe des Briefs die Grundschuld dem Eigentümer zu (§ 1163 Abs. 2 mit § 1192). 3. Verzichtet der Gläubiger auf die Grundschuld so er­ wirbt sie der Eigentümer. Das Gleiche gilt, wenn der Eigen­ tümer, weil ihm eine die Geltendmachung der Grundschuld dauernd ausschließende Einrede zusteht, verlangt, daß der Gläubiger auf die Grundschuld verzichtet (§ 1168, 1169 mit § 1192). 4. Endlich erwirbt der Eigentümer die Grundschuld, wenn der Grundschuldgläubiger im Wege des Aufgebots­ verfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen wird (§§ 1170, 1171, 1192). In allen diesen Fällen entsteht die Grundschuld erst nachträglich als Eigentümergrundschuld. 5. Während aber der Eigentümer eines Grundstücks niemals eine Hypothek auf seinen Namen bestellen kann, kann

928

Hypothek.

Grundjchuld.

Rentenschuld.

eine Grundschuld von Anfang an auch für den Eigentümer bestellt werden (§ 1196 Abs. 1). Auf diese Weise ist der Eigentümer in der Lage, den Wert seines Grundstücks in Grundschulden umzusetzen und zunächst die minder sicheren unterzubringen, die besseren aber zur Be­ nützung in schwierigen Zeiten zurückzulegen. Ist z. B. das Grundstück 100 000 Jfc wert, so kann sich der Eigentümer zehn Grundschulden zu je 10000 mit verschiedenem Rang bestellen. Wenn er dann Geld braucht so kann er je nach Bedürfnis eine Grundschuld an der 3., 5. oder 10. Rang­ stelle veräußern. Freilich kann der Eigentümer ein ähnliches Resultat auch dadurch erreichen, daß er von der Befugnis des Rangvorbehalts Gebrauch macht; einfacher ist aber jedenfalls der Weg der Bestellung von Eigentümergrundschulden. Zu der Bestellung der Eigentümergrundschuld ist die Erklärung gegenüber dem Grundbuchamte, daß die Grund­ schuld für ihn in das Grundbuch eingetragen werden soll, und die Eintragung erforderlich. Ist zugleich der Antrag auf Ein­ tragung bei dem Grundbuchamt gestellt, so wird die Erklärung nicht unwirksam, wenn der Eigentümer noch vor der Ein­ tragung in der Verfügung beschränkt wird (§ 1196 Abs. 2). Der Eigentümer hat als Grundschuldgläubiger alle Rechte eines Grundfchuldgläubigers, mit zwei Ausnahmen: a) Er kann nicht die Zwangsvollstreckung in das Grund­ stück zum Zwecke seiner Befriedigung betreiben (§ 1197 Abs. 1). Dagegen zeigt sich die Bedeutung der Eigentümer­ grundschuld dann, wenn ein Dritter die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreibt. Ist das Grundstück mit 20000 jHd, 30000 und 40 000 Grundschuld oder Hypotheken belastet und steht die Grundschuld an 2. Stelle mit 30 000 dem Eigentümer zu, so erhält wenn bei der Zwangsversteigerung ein Erlös von 60000 jH> erzielt wird, der Gläubiger an erster Stelle 20000 Jk und der Eigentümer 30000 JHg, während der Gläubiger an 3. Stelle nur 10000 Jfc bekommt und mit dem Reste seiner Hypothek oder Grundschuld durchfällt. b) Zinsen gebühren dem Eigentümer nur, wenn das Grundstück auf Antrag eines Anderen zum Zwecke der Zwangs­ verwaltung in Beschlag genommen ist, und für die Dauer der Zwangsverwaltung (§ 1197 Abs. 2). Selbstverständlich gelten diese Beschränkungen nur, so­ lange Eigentum und Grundschuld in einer Person vereinigt sind; sie fallen abör weg, sobald die Vereinigung aufhört.

IV. jkeilteuschuld. § 283. Die Rentenschuld ist eine Unterart der Grundschuld. Sie ist eine Grundschuld, welche in der Weise bestellt ist, daß

Rentenschuld.

929

in regelmäßig wiederkehrenden Terminen eine bestimmte Geld­ summe aus dem Grundstücke zu zahlen ist (§ 1199 Abs. 1). Die Rentenschuld unterscheidet sich von der gewöhnlichen Grundschuld dadurch, daß sie nicht, wie diese, auf Zahlung eines bestimmten Kapitals, sondern auf Zahlung einer Geld­ rente in regelmäßig wiederkehrenden Terminen gerichtet ist. Hier ist die Rente die Hauptsache, dort das Kapital. Deshalb ist es unzulässig eine Rentenschuld in der Weise zu begründen, daß in der Rente zugleich ein Beitrag zur Tilgung des hin­ gegebenen Kapitals enthalten ist.1) (Annuitätentilgung.) Wenn nun auch die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldrente aus einem Grundstücke in Form einer Reallast be­ gründet werden kann, so unterscheidet sich doch die Renten­ schuld von der Reallast in verschiedenen Punkten: insbesondere wird bei letzterer nicht erfordert, daß die Termine regel­ mäßig wiederkehren; ferner haftet der Eigentümer für die während der Dauer seines Eigentums fällig werdenden Lei­ stungen auch persönlich, soweit nicht ein Anderes vereinbart ist; des weiteren ist bei der Rentenschuld die Ablösung reichs­ gesetzlich geregelt, während bei den Reallasten die Regelung der Landesgesetzgebung überlassen ist; u. a. m. Da die Rentenschuld nur eine Unterart der Grundschuld ist, so finden auch auf sie die für die Grundschuld geltenden Vorschriften Anwendung, soweit sich nicht aus den besonderen Vorschriften über die Rentenschuld ein Anderes ergibt. Ins­ besondere kann auch eine Rentenschuld als Brief- oder als Buch­ rentenschuld, als Eigentümer- oder Jnhaberrentenschuld bestellt werden. Auf die einzelnen Leistungen finden die für Hypothekenzinsen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 1200 Abs. 1). Daher erlischt z. B. das dingliche Recht für rückständige Renten, wenn es sich mit dem Eigentum in einer Person vereinigt; das Erlöschen tritt jedoch nicht ein, solange einem Dritten ein Recht an der rückständigen Rente zusteht ’(§ 1178 Abs. 1). Zum Verzicht auf das dingliche Recht für rückständige Renten genügt die Erklärung des Gläu­ bigers gegenüber dem Eigentümer. Solange einem Dritten das Recht an dem Anspruch zusteht, ist seine Zustimmung er­ forderlich ; die Zustimmung ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt (§ 1179 Abs. 2). Ist aber die Rente noch nicht fällig, so tritt ein Erlöschen des dinglichen Rechtes nicht ein, wenn sich dieses mit dem Eigentum in einer Person vereinigt; jedoch gebührt dem Eigentümer eine fällig werdende Rente nur, wenn das Grundstück auf Antrag eines

') EFG 1 S. 122; ROLG 1 S. 191. Bd. I.

Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl.

Grundichuid

b)8Äf"

Anwendbarkeit ®än%uib

®"täuc^eenSeis

930

lumme.

Hypothek.

Grundschuld.

Rentenschuld.

Anderen zum Zwecke der Zwangsverwaltung in Beschlag ge­ nommen ist, und nur für die Dauer der Zwangsverwaltung (§ 1197 Abs. 2). Auch bei der Übertragung des Rentenan­ spruchs ist zu unterscheiden, ob die Rente bereits fällig ist oder nicht. Die Übertragung rückständiger Renten sowie das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer ,.unb dem neuen Gläubiger bestimmt sich nach den für die Übertragung von Forderungen geltenden allgemeinen Vorschriften. Dagegen erfolgt die Übertragung nicht fälliger Renten in der gleichen Form wie die Übertragung von Hypotheken. Was das Ver­ hältnis zwischen dem Eigentümer und dem neuen Gläubiger anlangt, so hat man zwischen den Renten zu unterscheiden, die in dem Kalendervierteljahr, in welchem der Eigentümer von der Übertragung Kenntnis erlangt, oder in dem hierauf folgenden Vierteljahr fällig werden, und den Renten, die später fällig werden. In beiden Fällen stehen dem Eigentümer alle diejenigen Einwendungen zu, welche nach den allgemeinen Vorschriften über die Übertragung von Forderungen dem Schuldner zustehen. Während aber der Eigentümer gegenüber diesen Einwendungen im zweiten Falle sich auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen kann, steht ihm im ersten Falle derselbe nicht zur Seite (§§ 1158, 1159). Aus diesem Grunde ist auch bei Briefrentenschulden der Gläubiger ver­ pflichtet, die Bezahlung von Renten, welche später als in dem Kalendervierteljahre, in welchem der Gläubiger befriedigt wird, und in dem folgenden Vierteljahre fällig werden, auf dem Rentenschuldbriefe zu vermerken (§ 1145 Abs. 2). Endlich be­ steht für die Geltendmachung rückständiger Renten eine Ver­ pflichtung zur Vorlegung des Briefes ebensowenig wie bei der Geltendmachung rückständiger Hypothekenzinsen. Bei der Bestellung der Rentenschuld muß der Betrag werden, durch dessen Zahlung die Rentenschuld ab­ gelöst werden kann. Die Ablösungssumme muß im Grund­ buch angegeben werden (§ 1199 Abs. 2). Das Recht zur Ablösung steht grundsätzlich nur dem Eigentümer zu (§ 1201 Abf. 1). Der Eigentümer kann jedoch dieses Recht erst nach vorausgegangener Kündigung ausüben. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate, wenn nicht ein Anderes" bestimmt ist. Eine Beschränkung des Kündigungs­ rechts ist nur soweit zulässig, daß der Eigentümer erst nach dreißig Jahren unter Einhaltung der sechsmonatlichen Frist kündigen kann (§ 1202). Dem Gläubiger kann das Recht, die Ablösungssumme zu verlangen, durch Vertrag nicht eingeräumt werden. Dagegen steht ihm, wenn der Eigentümer gekündigt hat, nach dem Ab­ laufe der Kündigungsfrist dieses Recht kraft Gesetzes zu. Ferner

Reqtenschuld.

931

ist er kraft Gesetzes berechtigt, die Ablösungssumme zu ver­ langen, wenn infolge einer Verschlechterung des Grundstücks seine Sicherheit gefährdet und diese Gefährdung nicht inner­ halb einer dem Eigentümer bestimmten, angemessenen Frist durch Verbesserung des Grundstücks oder anderweite Sicher­ stellung beseitigt wird (§§ 1201 und 1202). Auf die Ablösungssumme finden die für ein Grundschuld­ kapital geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung; daher haftet für sie das Grundstück in gleicher Weise wie für das Grundschuldkapital. Die Zahlung der Ablösungssumme an den Gläubiger hat die gleiche Wirkung wie die Zahlung des Kapitals einer Grundschuld, d. h. die Rentenschuld geht auf den Eigen­ tümer über (§ 1200). Eine Rentenschuld kann in eine gewöhnliche Grundschuld, .umwand-wn° eine gewöhnliche Grundschuld kann in eine Rentenschuld um- “ en en in eine Grundschuld umgewandelt werden. Ferner können die Verzinsungsbestimmungen, soweit zulässig, geändert werden. Zu allen diesen Änderungen ist die Zustimmung der im Range gleich- oder nachstehenden Beteiligten nicht er­ forderlich. Steht das umzuwandelnde Recht dem Eigentümer selbst zu, so genügt seine an das Grundbuchamt gerichtete Erklärung und die Eintragung der Umwandelung in das Grundbuch. Anderenfalls wird neben der Eintragung die Einigung des Gläubigers und des Eigentümers über die Umwandelung er­ fordert. Steht an dem umzuwandelnden Recht dritten Per­ sonen ein Recht zu, z. B. einem Nießbraucher oder Pfand­ gläubiger, so bedarf es auch ihrer Zustimmung.

932

Hypothek.

Grundschuld,

Rentenschuld.

V. Abergangsbestimmmgeu. § 284. Daß. die Bestimmungen des BGB über die Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld, wie seine sonstigen Vorschriften über die Rechte an Grundstücken erst von dem Zeitpunkt an Geltung haben, in welchem das Grundbuch als angelegt an­ zusehen ist, wurde bereits früher erwähnt. Ein in diesem Zeitpunkt an einem Grundstück bestehendes Pfandrecht gilt von da an als eine Verkehrshypothek int Sinne des BGB, für welche die Erteilung des Hypothekenbriefes ausgeschlossen ist. Ist der Betrag der Forderung, für die das Pfandrecht besteht, nicht bestimmt, so gilt das Pfandrecht als Sicherungs­ hypothek (Art. 192 Abs. 1 EG). Von dem Zeitpunkt an, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, ist es voll­ kommen gleichgültig, welchen Inhalt das Pfandrecht nach den bisherigen Gesetzen hat; denn von dem erwähnten Zeitpunkte an bestimmt sich sein Inhalt ausschließlich nach den Vorschriften des BGB. Rückten z. B. nach bisherigem Rechte im Falle des Erlöschens einer Hypothek die nachstehenden Hypotheken­ gläubiger auf, so ist von nun an ein Aufrücken ausgeschlossen. Ist ein nach bisherigem Recht zulässiges Belastungs- oder Veräußerungsverbot zu Gunsten eines Hypothekengläubigers eingetragen worden, so verliert dasselbe in Zukunft seine Wirk­ samkeit. Ferner kann jede Hypothek oder Grundschuld ohne Zustimmung der gleich- oder nachstehend Berechtigten dahin erweitert werden, daß das Grundstück für Zinsen bis zu fünf vom Hundert haftet u. s. w. Nur dann, wenn das Pfandrecht dahin beschränkt ist, daß der Gläubiger Befriedigung aus dem Grundstücke nur im Wege der Zwangsverwaltung suchen kann, bleibt diese Be­ schränkung für die bestehenden Pfandrechte in Kraft (Art. 192 Abs. 2 EG). Doch ist es der Landesgesetzgebung ermöglicht, etwaige Unzukömmlichkeiten, die sich in gewissen Punkten ergeben, zu beseitigen oder wenigstens zu mildern. So kann die Landes­ gesetzgebung bestimmen, daß ein Pfandrecht, welches nach den erwähnten Bestimmungen nicht als Sicherungshypothek gilt, als Sicherungshypothek oder als eine Hypothek gelten soll, für welche die Erteilung des Hypothekenbriefes nicht ausgeschlossen sein soll, und daß eine über das Pfandrecht erteilte Urkunde als Hypothekenbrief gelten soll (Art. 193 EG). Ferner kann sie bestimmen, daß ein Gläubiger, dessen Pfandrecht in dem Zeitpunkte besteht, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, die Löschung eines im Rang vorgehenden oder gleichstehenden Pfandrechts, falls dieses sich mit dem Eigentum

Übergangsbestimmungen.

933

in einer Person vereinigt, in gleicher Weise zu verlangen be­ rechtigt ist, wie wenn zur Sicherung des Rechtes auf Löschung eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen wäre (Art. 194 EG). Eine zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, bestehende Grund schuld gilt von dieser Zeit an als Grundschuld im Sinne des BGB und eine über die Grundschuld erteilte Urkunde als Grundschuldbrief. Ist nach bisherigem Recht die Grundschuld dahin beschränkt, daß der Gläubiger Befriedigung aus dem Grundstücke nur im Wege der Zwangsverwaltung suchen kann, so bleibt auch hier diese Beschränkung bestehen. Durch Landesgesetz kann aber bestimmt werden, daß eine im oben bezeichneten Zeitpunkt bestehende Grundschuld als eine Hypothek, für welche die Erteilung des Hypothekenbriefes nicht ausgeschlossen ist, oder als Sicherungs­ hypothek gelten soll und daß eine über die Grundschuld erteilte Urkunde als Hypothekenbrief gelten soll (Art. 195 EG).

14. Kapitel.

Pfandrecht an vewegkiche« Sache« und Mechte«.

I. Pfandrecht an beweglichen Sachen. § 285. Begriff des Pfandrechts. Unter einem Pfandrecht an einer beweglichen Sache — auch Faustpfand genannt — versteht man die Belastung einer beweglichen Sache zur Sicherung einer Forderung in der Weise, daß der Gläubiger berechtigt ist, Befriedigung aus der verpfändeten Sache zu suchen (§ 1204 Abs. 1). Schuldet z. B. A dem B ein Darlehen von 100 und verpfändet er ihm zur Sicherheit für seine Schuld seine goldene Uhr, so kann B, wenn er am Verfalltage nicht befriedigt wird, die Uhr nach den Vorschriften über den Pfandverkauf veräußern und sich aus dem Erlöse für seine Forderung bezahlt machen. Gegenstand des Pfandrechts ist eine bewegliche Sache. Dadurch unterscheidet es sich von der Hypothek, der Grund­ schuld und der Rentenschuld. Während man aber hier, je nachdem der Gläubiger wegen einer ihm zustehenden Forde­ rung oder ohne Rücksicht hierauf Zahlung aus dem Grund­ stücke verlangen kann, zwei Hauptarten der Jmmobiliarhastung zu unterscheiden hat, gibt es an beweglichen Sachen nur eine Art des Pfandrechts. Hier wird, wie bei der Hypothek, das

Übergangsbestimmungen.

933

in einer Person vereinigt, in gleicher Weise zu verlangen be­ rechtigt ist, wie wenn zur Sicherung des Rechtes auf Löschung eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen wäre (Art. 194 EG). Eine zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, bestehende Grund schuld gilt von dieser Zeit an als Grundschuld im Sinne des BGB und eine über die Grundschuld erteilte Urkunde als Grundschuldbrief. Ist nach bisherigem Recht die Grundschuld dahin beschränkt, daß der Gläubiger Befriedigung aus dem Grundstücke nur im Wege der Zwangsverwaltung suchen kann, so bleibt auch hier diese Beschränkung bestehen. Durch Landesgesetz kann aber bestimmt werden, daß eine im oben bezeichneten Zeitpunkt bestehende Grundschuld als eine Hypothek, für welche die Erteilung des Hypothekenbriefes nicht ausgeschlossen ist, oder als Sicherungs­ hypothek gelten soll und daß eine über die Grundschuld erteilte Urkunde als Hypothekenbrief gelten soll (Art. 195 EG).

14. Kapitel.

Pfandrecht an vewegkiche« Sache« und Mechte«.

I. Pfandrecht an beweglichen Sachen. § 285. Begriff des Pfandrechts. Unter einem Pfandrecht an einer beweglichen Sache — auch Faustpfand genannt — versteht man die Belastung einer beweglichen Sache zur Sicherung einer Forderung in der Weise, daß der Gläubiger berechtigt ist, Befriedigung aus der verpfändeten Sache zu suchen (§ 1204 Abs. 1). Schuldet z. B. A dem B ein Darlehen von 100 und verpfändet er ihm zur Sicherheit für seine Schuld seine goldene Uhr, so kann B, wenn er am Verfalltage nicht befriedigt wird, die Uhr nach den Vorschriften über den Pfandverkauf veräußern und sich aus dem Erlöse für seine Forderung bezahlt machen. Gegenstand des Pfandrechts ist eine bewegliche Sache. Dadurch unterscheidet es sich von der Hypothek, der Grund­ schuld und der Rentenschuld. Während man aber hier, je nachdem der Gläubiger wegen einer ihm zustehenden Forde­ rung oder ohne Rücksicht hierauf Zahlung aus dem Grund­ stücke verlangen kann, zwei Hauptarten der Jmmobiliarhastung zu unterscheiden hat, gibt es an beweglichen Sachen nur eine Art des Pfandrechts. Hier wird, wie bei der Hypothek, das

934

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

Vorhandensein einer persönlichen Forderung immer voraus­ gesetzt. Eine Vereinbarung, daß der Gläubiger — ähnlich wie bei der Grundschuld oder der Rentenschuld — ohne Rücksicht auf das Bestehen einer Forderung Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus der Pfandsache solle verlangen dürfen, wäre gesetzlich unzulässig. Landesgesetzlicher Regelung vorbehalten ist das Recht der Privatpfändung *) (Art. 89 EG) sowie der Geschäftsbetrieb der gewerblichen Pfandleiher und der Pfandleihanstalten2) (Art. 94 EG). Nach Art. 184 EG bleiben Pfandrechte, mit denen eine Sache oder ein Recht zur Zeit des Inkrafttretens des BGB belastet ist, mit dem sich aus den bisherigen Gesetzen ergeben­ den Inhalt und Range bestehen.

§ 286. Entstehung des Pfandrechts.

a)

Bestellung.

Das Pfandrecht an einer beweglichen Sache entsteht ent­ weder durch Bestellung oder kraft Gesetzes oder durch Pfän­ dung. A) Zur Bestellung des Pfandrechts ist erforderlich, daß der Eigentümer die Sache dem Gläubiger übergibt und beide darüber einig sind, daß dem Gläubiger das Pfandrecht an der Sache zustehen soll (§ 1205). a) Eine besondere Form ist für die Einigung nicht vor­ geschrieben, selbst wenn die Verpfändung für eine fremde Schuld2) erfolgt; insbesondere finden in diesem Falle nicht die Formvorschriften der Bürgschaft Anwendung. b) Die bloße Einigung genügt jedoch zur Entstehung des Pfandrechts nichts) vielmehr muß die Übergabe der Sache hinzukommen. Übergabe ist der auf Grund der Zustimmung des Eigentümers sich vollziehende Erwerb des Besitzes durch den Gläubiger.2) Hierzu bedarf es aber nicht notwendig der unmittelbaren körperlichen Übergabe, sondern es genügt, wenn der Pfandgläubiger jederzeit in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. So kann z. B. die Verpfändung der ') Für Preußen wurden die bisher einschl. Vorschriften des Pr. LR. T. I. Tit. 14 §§ 413—465 durch Art. 89 AGzBGB ausdrücklich auf­ gehoben. — Bayern: Ges. vom 6. III. 1902, das Ersatzgeld und das Pfändungsrecht und die Verfolgung von Ersatzansprüchen aus Feldpolizei­ übertretungen betr. (Feldschadengesetz). 2) Preußen: Ges. betr. das Pfandleihgewerbe vom 17. III. 1881 in der Fassung des Art. 41 AGzBGB. — Bayern: Art. 91 AGzBGB. — Sachsen: Ges. über das Pfandleihgewerbe vom 21. IV. 1882 mit § 51 AGzBGB. ') ROLG 5 S. 323. *) ROLG 5 S. 157. 5) RG 53 S. 220.

Entstehung des Pfandrechts.

935

in einem Speicher befindlichen Gegenstände durch Übergabe der Speicherschlüssel erfolgen;1) daß der Verpfänder einen zweiten Schlüssel heimlich zurückbehält, hindert die Entstehung des Pfandrechts nicht?) Auch darin ist eine rechtswirksame Übergabe zu erblicken, daß ein Angestellter des Verpfänders mit dessen Zustimmung von dem Pfandgläubiger „zum Aufseher über den Pfandgegenstand bestellt wird?) Der Übergabe der Sache steht die Übergabe der sog. handelsrechtlichen Traditions­ papiere, z. B. des Lagerscheines gleich. Unter gewissen Voraussetzungen sieht das Gesetz von dem Erfordernisse der Übergabe ab: 1. Wenn der Gläubiger bereits im Besitze der Pfandsache ist, so genügt die bloße Einigung über die Entstehung des Pfandrechts (§ 1205 Abs. 1 Satz 2). Es wäre ein leerer Formalismus, wenn der Gläubiger die Sache dem Eigentümer bloß deshalb zurück geben müßte, damit dieser sie ihm sofort wieder aushändigte. 2. An Stelle der Übergabe genügt die Einräumung des unmittelbaren Mitbesitzes, wenn sich die Sache unter dem Mitverschlusse des Gläubigers befindet (§ 1206). Eine Sache befindet sich unter dem Mitverschlusse des Gläu­ bigers und des Eigentümers nicht schon dann, wenn zwar jeder von ihnen einen Schlüssel zu dem Behältnisse hat, in dem sich die Sache befindet, aber jeder das Behältnis ohne Mitwirkung des Anderen offnen kann, sondern Mitverschluß setzt einen doppelten Verschluß voraus, so beschaffen, daß Gläu­ biger und Eigentümer nur zusammen das Behältnis öffnen können. Mitverschluß allein genügt aber nicht, wenn nicht dem Gläubiger zugleich unmittelbarer Mitbesitz eingeräumt wird; doch dürfte nichts im Wege stehen, daß das unter Mit­ verschluß stehende Behältnis der Keller oder Speicher des Ver­ pfänders ist. Anders läge der Fall dann, wenn das Behältnis selbst wieder im Keller oder Speicher des Verpfänders unter­ gebracht würde und der Gläubiger mangels eines eigenen Schlüssels ohne den Willen des Verpfänders in den Keller oder Speicher nicht gelangen könnte. 3. An Stelle der Übergabe genügt unter Umständen auch die Einräumung eines bloß mittelbaren Besitzes und zwar entweder des mittelbaren Alleinbesitzes oder des mittelbaren M i t besitzes: a) Überträgt der Eigentümer den mittelbaren Alleinbesitz aus den Gläubiger, so wird außerdem erfordert, daß er die Verpfändung dem unmittelbaren Besitzer anzeigt (§ 1205 Abs. 2). *) ROLG 2 S. 334. ’) ROLG 8 S. 195, vgl. aber auch RG 37 S. 33. *) ROLG 7 S. 42.

936.

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

Hat z. B. A dem Bankier B Wertpapiere in Depot gegeben, so kann an denselben ein Pfandrecht dadurch begründet werden, daß A dem Pfandgläubiger C den ihm gegen B zustehenden Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere abtritt und dies dem B anzeigt. ß) An Stelle der Übergabe der Sache genügt die Ein­ räumung des mittelbaren Mitbesitzes, wenn die Herausgabe der Sache nur an den Eigentümer und den Gläubiger gemein­ schaftlich erfolgen kann (§ 1206). Dagegen ist eine Pfand­ bestellung durch Ernennung eines gemeinschaftlichen Verwahrers oder Treuhänders unwirksam, wenn der Verpfänder den unmittelbaren Mitbesitz behält, und über die Sache noch eine Gewalt hat, der die Gewalt des Verwahrers gleich­ wertig ist1) Hat der Eigentümer nicht einmal den mittelbaren Besitz der Sache, so kann er ein Pfandrecht an ihr nicht bestellen; er kann höchstens den Anspruch verpfänden, der ihm auf Heraus­ gabe der Sache zusteht; aber hier entsteht ein Pfandrecht an der Sache selbst nur unter der Bedingung und erst dann, wenn der Gläubiger den Besitz der Sache erlangt. Ebenso unzulässig ist eine Pfandbestellung in der Weise, daß der Verpfänder den unmittelbaren Alleinbesitz der Sache behält, während der Gläu­ biger den mittelbaren Besitz erhält?) In dieser Form kann Eigentum übertragen, nie aber ein Pfand errichtet werden. Da aber sehr häufig dem Verpfänder alles daran gelegen ist, im Besitze der Pfandsache zu bleiben, so z. B- wenn er Haus­ haltungsgegenstände verpfänden will, so wählen die Parteien, um ihren Zweck doch zu erreichen, häufig die Form des Sicher­ heitskaufs. Hierbei wird vereinbart, daß das Eigentum an dem betreffenden Gegenstände um einen bestimmten Preis auf den Eigentümer übergehen soll; jedoch behält sich der Verpfänder für eine bestimmte Zeit das Rückkaufsrecht vor; die Übergabe der Sache wird aber dadurch ersetzt, daß der Gläubiger den Gegenstand leih- oder mietweise überläßt. Vom Rechtsstandpunkte aus unterliegt ein solcher Vertrag keinen Bedenken; dagegen wird bei Feststellung des Tatbestandes ein­ gehend zu prüfen sein, ob die Absicht der Parteien wirklich dahin ging, den Gläubiger zum Eigentümer der Sache mit den sich daran knüpfenden Konsequenzen zu machen oder ob nicht vielmehr eine — freilich rechtlich wirkungslose — Pfand­ bestellung gewollt war. Zur Verpfändung befugt ist nur der Eigentümer der Sache. Dagegen wird nicht vorausgesetzt, daß der Eigen*) ROLG 5 S. 323; IW 1903 Beil. 3 S. 20. *) IW 1900 S. 670; 1901 (5.710; 1902 Beil. 10 S. 259; DIZ 1901 S. 20, 331; 1902 S. 485, 542; 1903 S. 125.

Entstehung des Pfandrechts.

937

tümer zugleich persönlicher Schuldner ist; auch für eine fremde Schuld kann der Eigentümer seine Sache verpfänden. Aber auch dann, wenn die Pfandbestellung durch einen Asandb-st-mmg Nichteigentümer erfolgt, erwirbt der Gläubiger ein gültiges eigentüm«. Pfandrecht, außer wenn ihm in den nachstehend bezeichneten Zeitpunkten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit^) un­ bekannt ist, daß die Sache dem Verpfänder nicht gehört

(§ 1207). Entscheidend ist: a) die Zeit der Übergabe, wenn das Pfandrecht durch Übergabe der Sache bestellt wird, b) die Zeit der Sinigung, falls diese genügt, weil der Gläubiger bereits im Besitze der Sache ist; in diesem Falle tritt aber der Erwerb auf Grund des guten Glaubens nur dann ein, wenn der Gläubiger den Besitz der Sache vom Ver­ pfänder erlangt hat, c) die Zeit der Einräumung des Mitbesitzes, wenn der Verpfänder, statt die Sache zu übergeben, dem Gläubiger den Mitbesitz einräumt, und d) in den übrigen Fällen der Zeitpunkt, in welchem der Gläubiger das Pfandrecht erwirbt, also wenn die Übergabe durch Übertragung des mittelbaren Besitzes verbunden mit der Anzeige der Verpfändung an den Besitzer ersetzt wird, der Zeit­ punkt, in dem diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind. Erhält der Pfandgläubiger erst nach diesen für den Er­ werb seines Pfandrechts maßgebenden Zeitpunkten davon Kenntnis, daß der Verpfänder nicht Eigentümer war, so schadet ihm dies nicht; sein einmal erworbenes Pfandrecht bleibt viel­ mehr im vollen Umfange bestehen. Der Erwerb des Pfandrechts auf Grund der vorstehenden Bestimmungen tritt nicht ein, wenn die Sache dem Eigen­ tümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem unmittelbaren Besitzer abhanden gekommen war, wenn also z. B. die vermietete oder in Verwahr gegebene Sache nicht dem Eigentümer, sondern dem Mieter oder Verwahrer ab­ handen kam. An Geld oder Jnhaberpapieren dagegen entsteht für den gutgläubigen Erwerber das Pfandrecht selbst dann, wenn diese Gegenstände dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen waren. Besondere Vorschriften stellt das Handelsgesetzbuch auf: Besondere BorNach den Vorschriften des BGB erwirbt der Gläubiger an Handeirgefttzeiner dem Verpfänder nicht gehörigen Sache ein Pfandrecht Btt*8*) ROLG 8 S. 195.

938

krast Gesetzes.

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten

schon dann nicht, wenn Ersterer weiß, daß die Sache dem Verpfänder nicht gehört oder wenn seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Verpfändet dagegen ein Kaufmann „im Betriebe seines Handelsgewerbes" eine ihm nicht gehörige be­ wegliche Sache, so schadet dem Gläubiger seine Kenntnis von dem Nichteigentum des Kaufmanns nicht. Der Erwerb des Pfandrechts wird in einem solchen Falle nur dadurch aus­ geschlossen, daß der Gläubiger weiß, daß der Kaufmann „zur Verpfändung" nicht befugt ist oder daß seine Unkenntnis be­ züglich der Verpfändungsbefugnis auf grober Fahrlässigkeit be­ ruht (§ 366 Abs. 1 HGB). Wird ein Jnhaberpapier, das dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, an einen Kaufmann, der Bankier- oder Geld­ wechslergeschäfte betreibt, verpfändet, so gilt dessen guter Glaube als ausgeschlossen, wenn zur Zeit der Verpfäudung der Verlust des Papieres von einer öffentlichen Behörde^ oder von dem aus der Urkunde Verpflichteten im deutschen Reichsanzeiger bekannt gemacht und seit dem Ablaufe des Jahres, in welchem die Veröffentlichung erfolgt ist, nicht mehr als ein Jahr verstrichen war. Nur dann, wenn der Bankier oder Geldwechsler die Veröffentlichung im Reichsanzeiger in­ folge besonderer Umstände weder kannte noch kennen mußte, wird sein guter Glaube durch die Veröffentlichung nicht aus­ geschlossen. Wenn also ein Bankier, dem ein Jnhaberpapier verpfändet wird, ganz sicher gehen will, so muß er die Veröffentlichungen des Reichsanzeigers in dem letzten und in dem laufenden Jahr­ gange durchgehen. Auf Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine, die ent­ weder bereits fällig sind oder nicht später als an dem nächsten auf die Verpfändung folgenden Einlösungstermine fällig werden, sowie auf Banknoten und andere auf Sicht zahlbare unverzins­ liche Jnhaberpapiere finden diese Vorschriften keine Anwendung (§ 367 HGB). B) Kraft Gesetzes entsteht das Pfandrecht: 1. bei der Hinterlegung zum Zwecke der Sicherheits­ leistung an dem hinterlegten Gelde oder an den hinterlegten Wertpapieren und, wenn das Geld oder die Wertpapiere nach landesgesetzlichen Vorschriften2) in das Eigentum des Fiskus oder der als Hinterlegungsstelle bezeichneten Anstalt übergehen, an der Forderung auf Rückerstattung (§ 233); ’) In Bayern die Distriktspolizeibehörden, in München die Polizei­ direktion: Art. 90 AGzBGB; § 8 Zuständigkeitsverordnung vom 24. XII. 1899. Bayern: 38 8, 47 AB. vom 18. XII. 1899, das gerichtliche Hinterlegungswesen betr.

Entstehung des Pfandrechts.

939

2. des Vermieters für seine Forderungen aus dem Mietverhältnisse an den eingebrachten Sachen des Mieters (§§ 559 bis 563, s. S. 460 ff.); 3. des Verpächters für die Forderungen aus dem Pachtverhältnisse an den eingebrachten Sachen des Pächters, an den Früchten des Grundstücks, insbesondere auch an ge­ wissen, nach den Bestimmungen der Reichszivilprozeßordnung der Pfändung nicht unterworfenen Sachen (§§ 581 und 585, s- S. 460 ff.); 4. des Pächters für feine Forderungen gegen den Ver­ pächter, die sich auf das mitgepachtete Inventar beziehen, an den in seinen Besitz gelangten Jnventarstücken (§ 590, s. S. 466); 5. des Unternehmers für seine Forderungen aus dem Werkvertrag an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des Bestellers, wenn sie bei der Herstellung oder zum Zwecke der Ausbesserung in seinen Besitz gelangt sind (§ 647, s. S. 523); 6. des Gastwirts für seine Forderungen für Wohnung und andere dem Gaste zur Befriedigung seiner Bedürfnisse ge­ währte Leistungen, mit Einschluß der Auslagen, an den ein­ gebrachten Sachen des Gastes (§ 704, s. S. 567). 7. Ist dem Pfandgläubiger eine Forderung verpfändet und leistet der Schuldner dieser Forderung den geschuldeten Gegenstand, so erwirbt der Pfandgläubiger kraft Gesetzes ein Pfandrecht an dem geleisteten Gegenstand (§ 1287). Schuldet z. B. A dem B einen Ring und verpfändet B dem C für eine demselben zustehende Forderung den ihm gegen den A zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Ringes, so erwirbt C an dem Ringe ein Pfandrecht, wenn A den Ring an B und C gemeinschaftlich herausgibt oder für beide hinterlegt. Endlich kennt noch das Handelsgesetzbuch eine Reihe gesetz­ licher Pfandrechte: des Kommissionärs (§ 397), des Spediteurs (§§ 410, 441), des Lagerhalters (§ 421), des Frachtführers (§§ 440 ff.) und im Seehandel (§§ 623, 725, 731, 751, 755 ff., 771, 777). Auf ein kraft Gesetzes entstandenes Pfandrecht finden die Vorschriften über das durch Rechtsgeschäft bestellte Pfandrecht entsprechende Anwendung (§ 1257), soweit nicht im einzelnen Falle (vgl. z. B. §440 Abs. 4, §§ 443 ff. HGB) das Gesetz ein Anderes bestimmt. C) Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen o) Erwerb des erfolgt durch Pfändung (§ 803 CPO). Dieselbe wird da-bÄS8. durch bewirkt, daß der Gerichtsvollzieher die zu pfändende Sache in Besitz nimmt. Andere Sachen als Geld, Kostbar­ keiten und Wertpapiere sind im Gewahrsam des Schuldners zu belassen, sofern nicht hierdurch die Befriedigung des Gläu­ bigers gefährdet wird. In diesem Falle ist jedoch die Wirk-

940

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

samkeit der Pfändung dadurch bedingt, daß durch Anlegung von Siegeln oder auf sonstige Weise die Pfändung ersichtlich gemacht wird (§§ 808, 809 CPO). Gewisse Sachen sind der Pfändung nicht unterworfen, so z. B. die Kleidungsstücke, die Betten, die Wäsche, das Haus- und Küchengeräte, soweit diese Gegenstände für den Bedarf des Schuldners oder zur Erhal­ tung eines angemessenen Hausstandes unentbehrlich sind, ferner die zur persönlichen Fortsetzung der Erwerbstätigkeit unent­ behrlichen Gegenstände bei Künstlern, Handwerkern, gewerb­ lichen Arbeitern und anderen Personen, welche aus Handarbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, ferner künstliche Gliedmaßen, Brillen und andere wegen körper­ licher Gebrechen notwendige Hilfsmittel, soweit diese Gegen­ stände zum Gebrauche des Schuldners und seiner Familie be­ stimmt sind u. s. w. (§ 811 CPO). Durch die Pfändung erwirbt der Gläubiger ein Pfandrecht an dem gepfändeten Gegenstände, welches ihm im Verhältnis zu anderen Gläubigern dieselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes Faust­ pfandrecht gewährt. Das durch eine frühere Pfändung be­ gründete Pfandrecht geht demjenigen vor, welches durch eine spätere Pfändung begründet wird (§ 804 CPO). Der Pfändung einer Sache kann ein Dritter, welcher sich nicht im Besitze der Sache befindet, wie z. B. der Vermieter bezüglich der von dem Mieter eingebrachten Gegenstände, auf Grund eines Pfand­ oder Vorzugsrechts nicht widersprechen; er kann jedoch seinen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlöse, wenn ihn der Pfändungsgläubiger nicht freiwillig anerkennt, im Wege der Klage geltend machen, ohne Rücksicht darauf, ob seine Forderung fällig ist oder nicht (§ 805 CPO). Die gepfändeten Sachen werden von dem Gerichtsvollzieher öffentlich versteigert. Bares Geld ist an den Gläubiger abzuliefern (§§ 814, 815 CPO). Für die Versteigerung sind jedoch in der Reichszivilprozeßord­ nung besondere, zum Teil von den Vorschriften des BGB ab­ weichende Vorschriften aufgestellt. Wird ein Gegenstand auf Grund der Pfändung veräußert, so steht dem Erwerber wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der Sache ein Anspruch auf Gewährleistung nicht zu (§ 806 CPO).

§ 287.

Rang mehrerer

MbmSach"°

Rechte dritter Personen an dem Pfande.

Der Eigentümer einer Sache ist dadurch, daß bereits ein Recht eines Dritten an dieser Sache, z. B. ein Pfandrecht oder Nießbrauch besteht, nicht gehindert, die Sache weiter zu verpfänden. Der Rang mehrerer an derselben Sache bestehender Rechte unter einander bestimmt sich in der Regel nach dem Zeitpunkt ihrer Bestellung. Diese Vor­ schrift gilt insbesondere für mehrere an einer Sache bestehende

Rechte dritter Personen an dem Pfande.

941

Pfandrechte auch dann, wenn dieselben für bedingte oder be­ tagte Forderungen bestellt sind (§ 1209). Ist z. B. dem A für eine am 1. Dezember fällige Forderung am 1. Februar und dem B für eine bereits fällige Forderung am 1. März an einer und derselben Sache ein Pfandrecht bestellt, so genießt das Pfandrecht des A den ersten und das des B den zweiten Rang. Eine Änderung dieses durch den Zeitpunkt der Bestellung be8 bestimmten Ranges von Rechten an einer Sache kann dann gläubigen Ps-ndeintreten, wenn die Pfandsache zur Zeit der Bestellung des eisubigetg. Pfandrechts bereits mit einem Pfand- oder Nießbrauchsrecht belastet war, aber der Erwerber des Pfandrechts zur Zeit des Erwerbs seines Rechtes von der Existenz der bereits bestehenden Rechte keine Kenntnis hatte und wenn ihm die Existenz derselben auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben war. In einem solchen Falle erlöschen zwar nicht, wie bei dem gutgläubigen Eigentumserwerbe, die bereits an der Pfand­ sache bestehenden Rechte, wohl aber geht das Pfandrecht des gutgläubigen Erwerbers diesen Rechten im Range vor, und zwar auch dann, wenn sein Pfandrecht nur für eine bedingte oder betagte Forderung bestellt war (§ 1208). Doch bestehen auch von dieser Regel folgende Aus- Ausnahmen nahmen: a) War der Pfand gläubig er zur Zeit der Pfandbestellung bereits im Besitz der Sache, so geht sein Pfandrecht nur dann den anderen Rechten vor, wenn er diesen Besitz von dem Verpfänder erlangt hatte, also z. B. wenn er die Sache von dem Verpfänder vor Bestellung des Pfand­ rechts gemietet hatte. Hat dagegen der Pfandgläubiger den Besitz auf andere Weise, z. B. durch Fund, erlangt, so behält sein Pfandrecht im Verhältnis zu den übrigen Rechten den­ jenigen Rang, der ihm nach dem Zeitpunkt der Bestellung zukommt. b) Ebenso bleiben, wenn zur Zeit der Bestellung des Pfandrechts ein Drittberechtigter den un­ mittelbaren, der .Verpfänder dagegen nur den mittelbaren Besitz der Pfandsache hatte, die Rechte dieses Dritten mit dem ihnen zukommenden Range bestehen. Hat z. B. A eine ihm gehörige. Sache dem B verpfändet und ihm den Besitz des Pfandes übertragen, so wird A mittelbarer, B unmittelbarer Besitzer. Bestellt dann später A dem C an der nämlichen Sache ein Pfandrecht, indem er auf diesen seinen mittelbaren Besitz überträgt und dem Psandgläubiger B An­ zeige von der Verpfändung erstattet, so behält das Pfandrecht des B den Vorrang vor dem des C, auch wenn letzterer in Ansehung des Pfandrechts des B in gutem Glauben ist.

942

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

c) Ist endlich die Pfandsache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen, so hat der Erwerb des gutgläubigen Pfandgläubigers ebenfalls nicht die Wirkung, daß sein Pfandrecht den bereits an der Sache bestehenden Rechten im Range vorgeht. «ewndere BorBesondere Vorschriften in Ansehung der Rechte Dritter Handelsgesetz- trifft das Handelsgesetzbuch. Verpfändet nämlich ein Kauf­ buchs. mann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine mit dem Rechte eines Dritten belastete Sache, so finden die Vorschriften des BGB über den gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Verpfänders, ohne Vorbehalt des Rechtes über die Sache zu verfügen, betrifft (§ 366 Abs. 2). Das Pfand­ recht desjenigen, dem ein Kaufmann im Betriebe seines Handels­ gewerbes eine bereits mit einem anderen Pfandrechte belastete Sache verpfändet, geht daher diesem Pfandrecht im Range vor, es sei denn, daß der Erwerber davon Kenntnis hatte, daß der Kaufmann nicht befugt war, die Sache ohne Vor­ behalt des bereits bestehenden Pfandrechts weiter zu verpfän­ den oder daß seine Unkenntnis dieses Punktes aus grober Fahr­ lässigkeit beruhte. ®n?8te6onftbent= Wie zum Erwerbe des Pfandrechts an einer von dem Rechten Dritter. Nichteigentümer verpfändeten Sache der gute Glaube des Er­ werbers in den für seinen Erwerb maßgebenden Zeitpunkten erforderlich und genügend ist, so ist hinsichtlich des Ranges des Pfandrechts der gute Glaube des Pfandgläubigers in An­ sehung dieser Rechte in dem Zeitpunkt des Erwerbes feines Pfandrechts erforderlich und genügend. Der einmal erworbene Rang bleibt dem Pfandrecht auch dann gewahrt, wenn der Pfandgläubiger später erfährt , entweder daß der Verpfänder nicht Eigentümer oder daß die Sache zur Zeit seines Erwerbes bereits mit Rechten Dritter belastet war. Was endlich die Rechte der mehreren Pfandgläubiger gegen einander anlangt, so wird auf dieselben jeweils an ge­ eigneter Stelle verwiesen werden.

§ 288. Gegenstand des Pfandrechts an beweglichen Sachen. Was kann derPfändet werden.

Gegenstand des Pfandrechts kann eine bewegliche Sache fein, welche einen Verkaufswert hat (§ 1204). Auch Jnhaberpapiere und zwar sowohl Schuldverschreibungen auf den Inhaber wie auch andere Jnhaberpapiere, z. B. auf den Inhaber lautende Aktien, können als Pfand bestellt werden (§ 1293). Dagegen ist die Bestellung eines Pfandrechts an Urkunden ohne Verkaufswert , z. B. an einem Schuldscheine oder Hypothekenbriefe ohne gleichzeitige Verpfändung der Forde­ rung bezw. Hypothek, sowie an bloßen Legitimatiänspapieren,

Gegenstand des Pfandrechts an beweglichen Sachen.

943

insbesondere an Lebensversicherungspolizen, mit Rücksicht auf den Zweck des Pfandrechts, schon begrifflich ausgeschlossen; wohl aber kann ein vertragsmäßiges Zurückbehaltungsrecht daran eingeräumt werden?) Der Umstand, daß eine Sache wegen Unentbehrlichkeit der Pfändung entzogen ist, steht ihrer Ver­ pfändung nicht entgegen?) Sachgesamtheiten^) wie z. B. eine Bibliothek, ein Warenlager u. s. w. können als solche nicht verpfändet werden. Der Gläubiger kann ein Pfandrecht immer nur an den einzelnen, die Sachgesamtheit bildenden Gegenständen erwerben. Selbst­ redend steht aber nichts im Wege, daß der Eigentümer bei der Bestellung des Pfandrechts, um die sämtlichen Gegenstände kurz zu bezeichnen, erklärt, er verpfände seine Bibliothek, sein Warenlager u. bergt Gegenstände, die Jemand noch gar nicht besitzt, kann er nicht verpfänden, da er sie dem Gläubiger weder über­ geben, noch ihm den mittelbaren Besitz oder den Mitbesitz an ihnen einräumen kann. Der Eigentümer eines Landgutes kann daher dem Gläubiger z. B. nicht diejenigen Kälber verpfänden, die im Laufe des Jahres in seinem Stalle geworfen werden. Besitzt Jemand eine Sache nicht, so kann er sie selbst dann nicht verpfänden, wenn er auf die Sache bereits einen Anspruch hat. So kann z. B. derjenige den Ring, den er bei dem Gold­ arbeiter gekauft hat, so lange dieser ihm nicht übergeben ist, ebensowenig verpfänden, wie derjenige, der sich einen solchen bestellt hat. Der Käufer oder der Besteller kann höchstens seinen Anspruch gegen den Goldarbeiter auf Herausgabe des Ringes verpfänden; dann liegt aber kein Sachpfand, sondern ein Forderungspfand vor. Die Sache, die verpfändet wird, muß eine selbständige Sache sein. An einem Schuldscheine allein kann daher, wenn nicht zugleich die Forderung mit verpfändet wird, ein Pfand­ recht nicht bestellt werden. Ist eine Sache Bestandteil einer anderen Sache, so kann sie nur zugleich mit dieser verpfändet werden. Soll aber an ihr allein ein Pfandrecht bestellt werden, so muß sie erst ihrer Bestandteilseigenschaft entkleidet werden. So kann z. B. der zu einem Ring gefaßte Diamant, so lange die Fassung besteht, nicht selbständig verpfändet werden. Ist er dagegen aus der Fassung herausgenommen, so steht natürlich seiner Verpfändung nichts mehr im Wege. Ebensowenig können Früchte,^ so lange sie noch nicht von der Hauptsache getrennt sind, selbständig den Gegenstand eines Pfandrechts bilden. Ist *) IW 1902 Beil. 5 S. 223; RG 51 S. 83; ROLG 4 S. 334ff.; Recht 1902 S. 345. 2) ROLG 1 S. 432. ') IW 1903 Beil. 3 S. 20; RG 52 S. 385; 53 S. 218. *) ROLG 1 S. 432.

944

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

auch nach § 840 CPO zum Zwecke der Zwangsvollstreckung die Pfändung von Früchten, die vom Boden noch nicht getrennt sind, zulässig, so lange das Grundstück nicht beschlagnahmt ist und sofern die Pfändung nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Reife erfolgt, so kann doch durch Rechts­ geschäft vor der Trennung ein Pfandrecht an ihnen nicht bestellt werden. Haftung von Ist einmal an einer beweglichen Sache ein Pfandrecht un°?Früchten. bestellt, so ergreift dasselbe auch alle ihre Bestandteile. Werden Erzeugnisse von dem Pfande getrennt, so erstreckt sich das Pfandrecht auch auf diese (§ 1212) und zwar ohne Unterschied, ob die Erzeugnisse mit der Trennung in das Eigen­ tum des Verpfänders fallen oder nicht. Der Gläubiger, dem eine Kuh verpfändet ist, erwirbt daher auch ein Pfandrecht an dem Kalbe, das sie wirft. Nu-ungspfand. Das Pfandrecht kann jedoch in der Weise bestellt werden, daß der Pfandgläubiger berechtigt ist, die Nutzungen des Pfandes zu ziehen (§ 1213 Abs. 1). Dann würde, um an das vorige Beispiel anzuknüpfen, Eigentümer des Kalbes nicht der Eigentüiner der Kuh, sondern der Pfandgläubiger (§ 954). Ist eine von Natur fruchttragende Sache, z. B. eine Milch- oder Kälberkuh, dem Pfandgläubiger zum „Alleinbesitz" übergeben, so ist, wenn nicht die Parteien das Gegenteil ver­ einbaren, anzunehmen, daß der Gläubiger zum Fruchtbezug berechtigt sein soll (§ 1213 Abs. 2). Ist dagegen dem Gläubiger nicht der Alleinbesitz, sondern nur der Mitbesitz oder der mittelbare Besitz eingeräumt, so greift diese Auslegungsregel nicht Platz. Sind z. B. dem Gläubiger die zu einem verpachteten Landgut gehörenden Milchkühe durch Übertragung des mittel­ baren Besitzes und Anzeige an den Verpächter oder sind ihm verzinsliche Jnhaberpapiere durch Übergabe verpfändet worden, so hat er weder Anspruch auf die Milch der Kühe noch aus die Zinskoupons; denn im ersten Fall hat er nicht den Allein­ besitz und im zweiten Fall handelt es sich nicht um eine „von Natur" fruchttragende Sache. Selbstverständlich kann aber etwas Anderes vereinbart werden. Steht dem Pfandgläubiger das Recht zu, die Nutzungen zu ziehen, so ist er auch verpflichtet, für die Gewinnung der Nutzungen zu sorgen und Rechenschaft abzulegen. Der „Rein­ ertrag" der Nutzungen, d. h. der Ertrag nach Abzug der Ge­ winnungskosten, wird auf die geschuldete Leistung, und wenn Kosten und Zinsen zu entrichten sind, zunächst auf diese an­ gerechnet. Abweichende Bestimmungen der Parteien sind auch hier zulässig (§ 1214).

Die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung.

945

§ 289. Die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung. Das Pfandrecht bezweckt die Sicherung einer Forderung. Das Bestehen der Forderung ist daher unbe­ dingte Voraussetzung «des Pfandrechts. Ohne Forderung kein Pfandrecht. Demgemäß kann für eine nichtige Forderung auch kein Pfandrecht bestellt werden. Dagegen hindert die bloße Anfechtbarkeit einer Forderung, so lange von dem Anfechtungsrechte kein Gebrauch gemacht ist, die Bestellung eines Pfandes für dieselbe nicht. In der Regel wird die Forderung eine Geldforderung sein. Ein Pfandrecht kann aber auch für solche Forderungen bestellt werden, deren Leistungsgegenstand ein anderer als Geld ist, z. B. vertretbare Sachen, Dienste u. bergt Die Forderung, zu deren Sicherung ein Pfandrecht be­ gründet wird, ist in der Regel eine betagte; sie kann aber auch bereits fällig sein. Ferner kann auch für bedingte, ja für erst zukünftige Forderungen ein Pfand bestellt werden (§ 1204 Abs. 2). Dies ist z. B- der Fall bei den Dienstes­ kautionen von Angestellten, ferner wenn der Pächter einer Wirtschaft dem Verpächter für Beschädigung oder Abgang von Jnventarstücken Kaution leistet. In allen diesen Fällen ist es noch ungewiß, ob und inwieweit die Forderung zur Entstehung gelangt. Inwieweit das Pfand für die Forderung haftet, bestimmt ^Nachkäguchsich in erster Linie nach der getroffenen Vereinbarung. Mangels gTttounV” einer bestimmten Vereinbarung haftet das Pfand für die Forderung in deren jeweiligem Bestand. Vermindert sich die Forderung aus irgend einem Grunde, so hastet das Pfand für den Rest fort. Auch dann bleibt die Pfandhaftung bestehen, wenn sich die Forderung oder die Schuld teilt, z. B. weil der Gläubiger oder der Schuldner von mehreren Personen beerbt wird. Vermehrt sich die Forderung, z. B. durch Verzug des Schuldners, so haftet auch hierfür das Pfand. Insbesondere haftet dasselbe auch für Zinsen und Vertragsstrafen (§ 1210). Nur dann, wenn der persönliche Schuldner nicht zugleich der Eigentümer ist, wird die Haftung durch ein „Rechts­ geschäft", das der Schuldner nach der Verpfändung vornimmt, nicht „erweitert". Maßgebend für die Entscheidung der Frage, ob der persönliche Schuldner zugleich der Eigentümer ist, ist der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Auf eine durch ein Rechtsgeschäft des Schuldners eingetretene Beschrän­ kung der Pfandhaftung kann sich dagegen der Pfandschuldner berufen. Endlich haftet das Pfand für die Ansprüche des Pfand- P°^des"ü^V-rgläubigers auf Ersatz von Verwendungen, für die bem&t>unaenunt>' Pfandgläubiger zu ersetzenden Kosten der Kündigung und Äostcn' Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Aufl. 8b. I.

60

946

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

der Rechtsverfolgung, sowie für die Kosten des Pfand­ verkaufs (§ 1210 Abs. 2). Was nämlich die von dem Pfandgläubiger auf das Pfand gemachten Verwendungen anlangt, so könnte derselbe, auf die Herausgabe des Pfandes belangt, sie auch ohne be­ sondere Vorschrift in demselben Umfang ersetzt verlangen, wie jeder Besitzer gegenüber dem die Herausgabe verlangenden Eigentümer. Der Anspruch des Pfandgläubigers ist aber zu­ gleich ein beschränkterer und weitergehender. Macht nämlich ein Pfandgläubiger Verwendungen auf das Pfand, so bestimmt sich die Ersatzpflicht des Verpfänders nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, d. h. der Pfand­ gläubiger kann eine Verwendung dann ersetzt verlangen, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Verpfänders entspricht und er sie den Umständen nach für erforderlich halten konnte, ferner wenn der Verpfänder die Verwendung genehmigt. Außerdem hat er immer noch den Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Unter allen Umständen ist er aber berechtigt, eine Einrichtung, mit der er das Pfand versehen hat, wegzunehmen, (§ 1216), hat jedoch dann die Sache auf seine Kosten wieder in den vorigen Stand zu setzen. Die Ansprüche des Pfandgläubigers auf Ersatz von Verwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme verjähren in sechs Monaten (§ 1226), gerechnet von dem Erlöschen des Pfandrechts an. Einwendungen Daraus, daß das Pfandrecht von der persönlichen ForGelte'ndmuchung derung, zu deren Sicherheit es dient, vollständig abhängig ist, des Pfandrechts.ergibt sich, daß jede Einrede gegen die persönliche Forderung auch gegen das Pfandrecht wirkt. Wurde z B. ursprünglich das Pfandrecht für eine Forderung von 200 bestellt, so kann, wenn inzwischen 50 jH> bezahlt wurden, eingewendet werden, daß der Pfandgläubiger nur noch für den Restbetrag von 150 jMc Befriedigung aus dem Pfande suchen dürfe. Ist die Forderung noch nicht fällig, so kann geltend gemacht werden, daß der Pfandgläubiger zum Pfandverkaufe noch nicht berechtigt ist, u. bergt Ist der Verpfänder zugleich persönlicher Schuldner, so versteht es sich von selbst, daß er alle ihm gegen die Forderung zustehenden Einreden auch gegen das Pfandrecht vorschützen kann. Aber auch der Verpfänder, der nicht zugleich persönlicher Schuldner ist, der also für eine fremde Schuld das Pfand be­ stellt hat, kann dem Pfandgläubiger gegenüber, der Befriedi­ gung aus der Pfandsache sucht, alle diejenigen Einreden geltend machen, welche dem persönlichen Schuldner gegen die Forderung zustehen (§ 1211). Er kann daher, wie dieser, einwenden, daß die Forderung ganz oder teilweise erloschen, daß sie noch nicht fällig sei, u. s. w. Ja er verliert eine dem persönlichen

Die durch das Pfandrecht gesicherte Forderung.

947

Schuldner zustehende Einrede selbst dadurch nicht, daß dieser auf sie verzichtet. Hat z. B. A für eine nach vorausgegangener Kündigung fällige Darlehensschuld des B ein Pfand bestellt, so kann er auch dann, wenn B in die sofortige Geltendmachung der Forderung einwilligt, dem zum Verkaufe schreitenden Pfand­ gläubiger einwenden, daß die Forderung noch nicht fällig und daher der Pfandgläubiger zum Verkaufe der Pfandsache noch nicht berechtigt sei. , Außerdem kann selbstredend der Verpfänder, der für eine fremde Schuld ein Pfandrecht bestellt hat, alle diejenigen Ein­ reden vorbringen, welche sich entweder gegen die Gültigkeit des Pfandrechts richten oder sich aus einem zwischen ihm und dem Pfandgläubiger bestehenden Rechtsverhältnisse ergeben. Ist z. B. die Forderung, für welche ein Pfand haftet, zwar fällig, hat aber der Pfandgläubiger dem Verpfänder versprochen, er werde erst nach Ablauf von drei Monaten von seinem Ver­ kaufsrechte Gebrauch machen, so kann ihm dies der Verpfänder, falls er trotzdem früher verkaufen will, entgegenhalten. Ferner kann der Verpfänder, der nicht zugleich persön­ licher Schuldner ist, die Befriedigung des Pfandgläubigers aus dem Pfande verweigern: a) so lange dem persönlichen Schuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zu Grunde liegende Rechtsgeschäft, z. B. wegen Irrtums, Betrugs, anzufechten, b) so lange sich der Pfandgläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des persönlichen Schuldners be­ friedigen kann. So wenig der persönliche Schuldner aber dem Verpfänder gegenüber zur Anfechtung verpflichtet ist, ebensowenig ist der Pfandgläubiger verpflichtet, von der Aufrechnungsbefugnis Ge­ brauch zu machen. Ist daher die Anfechtungsfrist verstrichen oder eine Aufrechnung deswegen nicht mehr möglich, weil die Forderung auf einen Dritten übertragen wurde oder erloschen ist, so entfällt das Recht des Verpfänders, die Befriedigung des Pfandgläubigers zu verweigern. Dagegen kann sich der Verpfänder, wenn der persönliche Schuldner stirbt, nicht darauf berufen, daß dessen Erbe für die Schuld nur beschränkt haftet. Alle diese Einreden stehen nach dem Wortlaute des Gesetzes dem „Verpfänder" zu, also ohne Unterschied, ob er Eigentümer der Pfandsache ist oder nicht. Aber auch dem Eigentümer, der nicht Verpfänder ist, wird man sie zubilligen müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er das Eigentum von dem Verpfänder erworben hat oder ob die Sache von einem Nichteigentümer verpfändet wurde, der Gläubiger aber auf Grund seines guten Glaubens das Pfandrecht erworben hat. Besonderer Erwähnung bedarf noch die Einrede der Ver60*

948

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

jährung. Durch die Bestellung eines Pfandrechts für einen Anspruch wird zwar dessen Verjährung unterbrochen und be­ ginnt von diesem Zeitpunkte an eine neue Verjährungsfrist zu laufen. Dagegen wird durch die Bestellung des Pfandrechts die Verjährung des Anspruchs, für welchen es besteht, nicht ausgeschlossen. Ist der Anspruch verjährt, so steht zwar der Geltendmachung des persönlichen Anspruchs die Einrede der Verjährung entgegen. Dagegen ist trotz der Verjährung des Anspruchs der Gläubiger nicht gehindert, seine Befriedigung aus der Pfandsache zu suchen (§ 223). Mit der Einrede der Verjährung dringt daher zwar der persönliche Schuldner durch, wenn der Pfandgläubiger dessen persönliche Haftung geltend macht. Dagegen ist diese Einrede dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger die Pfandhaftung geltend macht.

Wirkungen des Pfandrechts. § 290.

Stellung des Verpfänders.

Durch die Bestellung eines Pfandrechts wird dem Eigen­ tümer sein Eigentum an der verpfändeten Sache nicht entzogen. Er kann daher dieselbe z. B. verkaufen, verschenken, vermieten u. s. w., aber freilich immer nur unbeschadet des Pfandrechts. Recht des VerDas BGB schützt aber in gewissen Beziehungen denVerHinterlegung Pfänder ohne Rücksicht darauf, ob er auch der Eigentümer bezw. Rückgabe, dxx Pfandsache ist. Insbesondere wird dem Verpfänder, wenn der Verderb des Pfandes oder eine wesentliche Minderung des Wertes zu besorgen ist, z. B. wenn ein plötzlicher Kurssturz verpfändeter Wertpapiere zu befürchten ist, das Recht zugestanden, die Rückgabe des Pfandes gegen anderweitige Sicherheitsleistung zu verlangen (§ 1218). Die Sicherheitsleistung kann in jeder gesetzlich zulässigen Form erfolgen (s. S. 192 ff.), z. B. durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren, durch Verpfändung anderer beweglicher Sachen, durch Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken u. s. w. Nur die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen. Damit der Verpfänder von diesem Rechte zur Pfandeinlösung rechtzeitig Gebrauch machen kann, ist der Pfandgläubiger verpflichtet, ihm von dem drohenden Verderb — nicht auch von der drohenden Wertminderung, die der Verpfänder ja selbst erkennen kann — unverzüglich Anzeige zu machen, sofern nicht die Anzeige untunlich ist (§ 1218 Abs. 2). Verletzt ferner der Pfandgläubiger dieRechte des Verpfänders in erheblichem Maße und setzt er das verletzende Verhalten ungeachtet einer Ab­ mahnung des Verpfänders fort, so kann der letztere.

Stellung des Verpfänders.

949

abgesehen von der Geltendmachung des entstandenen Schadens, verlangen, daß das Pfand auf Kosten des Pfandgläubigers hinterlegt oder, wenn es sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abgeliefert wird. Statt der Hinterlegung oder der Ablieferung an einen Ver­ wahrer kann der Verpfänder die Rückgabe des Pfandes gegen Befriedigung des Gläubigers verlangen. Dieses Recht steht ihm auch dann zu, wenn die Forderung noch nicht fällig ist. Ist dieselbe noch nicht fällig und zugleich unverzinslich, so ge­ bührt dem Pfandgläubiger nur die Summe, welche mit Hin­ zurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Zahlung bis zur Fälligkeit dem Betrage der Forderung gleichkommt. Der Pfandgläubiger ist daher in diesem Falle berechtigt, an der Schuld die Zwischenzinsen abzuziehen (§ 1217). Wird das Pfand durch Verschulden des Pfandgläubigers WAU? de? verändert oder verschlechtert, so kann der Verpfänder den ihm Verpfänd«», hierdurch entstandenen Schaden von dem Pfandgläubiger ersetzt verlangen. Diese Ersatzansprüche verjähren in sechs Monaten, gerechnet von der Rückgabe der Pfandsache an. Der Ersatz­ anspruch des Verpfänders ist jedoch unter allen Umständen auch dann verjährt, wenn der Anspruch auf Rückgabe des Pfandes verjährt ist (§ 1226).

8 291. Rechte und Pflichten des Psandgläubigers. Bereits erwähnt wurde, daß dem Pfandgläubiger das Recht eingeräumt werden kann, die Nutzungen der Pfand­ sache für sich zu ziehen, und daß damit seine Pflicht Hand in Hand geht, für deren Gewinnung zu sorgen und Rechenschaft abzulegen, ferner daß der Pfandgläubiger verpflichtet ist, von dem drohenden Verderb des Pfandes dem Verpfänder unver­ züglich Anzeige zu erstatten, sofern die Anzeige nicht un­ tunlich ist. Ist derVerderb desPfandes oder eine wesent­ liche Minderung seines Wertes zu besorgen, so er­ wachsen aber hieraus nicht nur dem Verpfänder Ansprüche, sondern auch dem Pfandgläubiger. Wird nämlich durch solche Umstände die Sicherheit des Pfandgläubigers gefährdet, so kann er das Pfand öffentlich versteigern lassen (§ 1219). Die Versteigerung ist jedoch erst dann zulässig, nachdem sie dem Verpfänder angedroht worden ist (§ 1220 Abs. 1). Diese Androhung darf aber unterbleiben, wenn das Pfand dem Verderben ausgesetzt und mit dem Aufschub der Versteigerung Gefahr verbunden ist. Da der Verpfänder gegen Befriedigung des Pfandgläubigers oder gegen Bestellung anderweitiger Sicher­ heit die Rückgabe des Pfandes verlangen und dadurch die Versteigerung abwenden kann, so ist im Falle einer zu

950

8 Besitze des Pfandes,

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

besorgenden Wertminderung außer der Androhung der Versteigerung noch erforderlich, daß der Pfandgläubiger dem Verpfänder Mr Leistung anderweitiger Sicherheit eine angemesseneFrist bestimmt hat und diese verstrichen ist. Ist dagegen der Verderb der Pfandsache zu besorgen, so bedarf es einer Frist­ setzung nicht. Dagegen ist der Verpfänder wieder verpflichtet, von der erfolgten Versteigerung den Verpfänder unverzüglich zu benachrichtigen, und im Falle der Unterlassung diesem den hieraus entstehendenSchadenzu ersetzen. Die Androhung, Fristbestimmung und die Benachrichtigung dürfen jedoch unterbleiben, wenn sie untunlich sind, z. B. weil dem Gläubiger der Aufenthalt des Verpfänders unbekannt ist (§ 1220 Abs. 3). Der Sicherungs­ verkauf selbst erfolgt im Wege öffentlicher Versteigerung. Hat aber das Pfand, wie z. B. Getreide, Aktien u. dergl. einen Börsen- oder Marktpreis, so kann der Pfandgläubiger den Verkauf aus freier Hand durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder durch eine zur öffent­ lichen Versteigerung befugte Person z. B. durch einen Notars zum laufenden Preise bewirken (§ 1221). Der erzielte Erlös dient, da es sich nur um die Sicherung des Pfandgläubigers handelt, zunächst nicht zur Befriedigung desselben, sondern er tritt an die Stelle des Pfandes, d. h. das Pfandrecht besteht jetzt an dem Erlöse. Auf Verlangen des Verpfänders ist der Erlös zu hinterlegen. Das wichtigste Recht des Pfandgläubigers ist jedenfalls das, die Pfandsache zum Zwecke der Befriedigung für seine Forderung zu veräußern. Voraussetzungen und Inhalt dieses Rechtes des Pfandverkaufs werden im folgen­ den Paragraphen dargestellt werden, Der Pfandgläubiger ist ferner zum Besitze der Pfandfache berechtigt, und zwar je nach der bei der Pfandbestellung getroffenen Vereinbarung zum unmittelbaren oder bloß mittel­ baren Besitze oder auch zum Mitbesitze. Als Besitzer der Sache stehen dem Pfandgläubiger alle Rechte zn, welche dem Besitzer zum Schutze gegen verbotene Eigenmacht eingeräumt sind. Außerdem finden aber, wenn das Recht des Pfandgläubigers beeinträchtigt wird, auf seine Ansprüche die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 1227). Er kann daher, wenn ihm der Besitz der Sache vorenthalten wird, gegen jeden Besitzer auf Herausgabe klagen. Dieses Recht steht ihm auch gegen einen ihm im Range nachstehenden Pfandgläubiger zu. *) Preußen: Art. 31 Ges. über die freiw. Gerichtsbarkeit vom 21. IX. 1899. — Bayern: Art. 2 NotG. — Sachsen: § 37 Ges. vom 15. VI. 1900. — Württemberg: Art. 105 AGzBGB. — Baden: § 49 Ges. vom 17. VI. 1899.

Rechte und Pflichten des Pfandgläubigers.

951

Dagegen ist er selbst nicht verpflichtet, einem nachstehenden Pfandgläubiger die Sache herauszugeben, und zwar selbst dann nicht, wenn dieser die Herausgabe zum Zwecke des Pfand­ oder Sicherungsverkaufes verlangt. Wird das Recht eines Pfandgläubigers in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, z. B. dadurch, daß sich ein Dritter Gebrauchshandlungen an der Sache anmaßt, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen und, wenn weitere Beeinträchtigungen zu Besorgen sind, auf Unterlassung klagen. Die Vermutung des § 1006 (f. Bd. I -S. 789) gilt auch zu Gunsten, des besitzenden Pfand­ gläubigers. *) Mit dem Rechte des Pfandgläubigers zum Besitze Ber ’ Sache geht Hand in Hand seine Verpflichtung zur Ver-Be«vahru«g der Wahrung der Pfandsache (§ 1215). Im allgemeinen nimmt * an f0*c" er hierbei dieselbe Stellung ein wie derjenige, der sich durch Vertrag zur Verwahrung einer Sache verpflichtet hat. Er ist daher z. B. nicht berechtigt, sofern nicht etwas Anderes ver­ einbart ist, die Sache bei einem Dritten zu hinterlegen, und ist nur dann berechtigt, die vereinbarte Art der Aufbewahrung zu ändern, wenn er den Umständen nach annehmen dars, daß der Verpfänder bei Kenntnis der Sachlage die Änderung billigen würde. Jedenfalls hat er, wenn, nicht mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist, vor der Änderung dem Verpfänder Anzeige zu erstatten und dessen Entschließung abzuwarten. Zu einer Weiterverpfändung ist der Pfandgläubiger keinesfalls befugt. Endlich ist der Pfandgläubiger verpflichtet, das PfandMWW nach dem Erlöschen des Pfandrechts dem VerpfänderzurRückgab-d-r zurückzugeben (§ 1223 Abs. 1). Ein Zurückbehaltungsrecht Wnb'8wegen anderer Forderungen steht ihm, sofern er nicht aus sonstigen Gründen hierzu berechtigt ist, nicht zu. Der Verpfänder kann die Rückgabe des Pfandes gegen Befriedigung des Pfand­ gläubigers verlangen, sobald der Schuldner zur Leistung be­ rechtigt ist (§ 1223 Abs. 2). Die Befriedigung des Pfand­ gläubigers durch den Verpfänder kann, gleichviel ob dieser der persönliche Schuldner des Pfandgläubigers ist oder nicht, außer durch Erfüllung, auch durch Hinterlegung oder durch Auf­ rechnung erfolgen (§ 1224). Ist der Verpfänder nicht der persönliche Schuldner, so geht, soweit er den Pfandgläubiger befriedigt, die Forderung auf ihn über (§ 1225). Mit der Forderung erwirbt er auch das Pfandrecht. Der Übergang kann aber nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden. Einwendungen des persönlichen Schuldners aus einem zwischen ihm und dem Verpfänder bestehenden Rechtsverhält­ nisse bleiben unberührt. *) ROLG 8 S. 193.

952

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

§ 292. Der Pfandverkauf. Die Befriedigung des Pfandgläubigers aus dem Pfande erfolgt durch Verkauf der Pfandsache (§ 1228 Abs. 1). Ist Geld verpfändet, so braucht der Gläubiger selbst­ verständlich nicht erst zu verkaufen, sondern er kann das Geld unmittelbar zu seiner Befriedigung verwenden. Gebührt dem Gläubiger verpfändetes Geld, z. B. ein Tausendmarkschein, nur teilweise zu seiner Befriedigung, so erwirbt er das Eigentum hieran auch nur zu dem entsprechenden Bruchteile. Eine vor dem Eintritte der Verkaufsberechtigung ge­ troffene Vereinbarung, nach welcher dem Pfandgläubiger, falls er nicht oder nicht rechtzeitig befriedigt wird, das Eigentum an der Sache zufallen oder übertragen werden soll (Verfall­ vertrag), ist nichtig (§ 1229). Eine solche Vereinbarung ist selbst dann -nichtig, wenn als Preis der laufende Börsen- oder Marktpreis vereinbart wird. Nach dem Eintritte der Ver­ kaufsberechtigung steht dagegen der Vereinbarung ein Hindernis nicht im Wege. Wer durch die Veräußerung des Pfandes ein Recht an dem Pfande verlieren würde, kann den Pfandgläubiger be­ friedigen, sobald der Schuldner zur Leistung berechtigt ist (§ 1249 Ablösungsrecht). Dieses Recht steht aber nur solchen zu, die an der Pfandsache ein dingliches Recht haben; obligatorische Rechte bleiben außer Betracht. Die Befriedigung kann auch durch Hinterlegung oder durch Aufrechnung erfolgen. Soweit der Dritte den Pfandgläubiger befriedigt, geht die Forderung auf ihn über. Der Übergang kann jedoch nicht zum Nachteile des Pfandgläubigers geltend gemacht werden. Eintritt und UmZum Verkaufe des Pfandes ist der Gläubiger lau^stb«-chti- berechtigt, sobald seine Forderung ganz oder zum gung des Pfand-Teile fällig ist (§ 1228 Abs. 2). Weitere Voraussetzungen e au gcr. hat das BGB nicht aufgestellt. Insbesondere wird nicht er­ fordert, daß der Schuldner im Verzüge sei, daß die Forderung anerkannt oder rechtskräftig festgestellt oder daß der Pfand­ gläubiger von dem Gerichte zum Pfandverkaufe ermächtigt sei. Da mit der Fälligkeit der Forderung das Verkaufsrecht des Pfandgläubigers eintritt, so ist er in diesem Zeitpunkte auch dann zum Verkaufe berechtigt, wenn z. B. wegen un­ günstiger Konjunktur des Marktes nur ein sehr niedriger Preis erzielt werden kann. Insbesondere ist in einem solchen Falle der Verpfänder nicht berechtigt, hierwegen Schadensersatz zu verlangen. Nur dann, wenn der geschuldete Gegenstand nicht in Geld besteht, genügt die Fälligkeit allein nicht; hier ist der Verkauf erst zulässig, wenn die Forderung in eine Geld-

Der Pfandverkauf.

953

forderung übergegangen ist (§ 1228 Abs. 2). Die Umwandelung einer nicht auf Geld gerichteten Forderung kann die gesetzliche Folge der Nichterfüllung sein, z. B. bei verschuldeter Unmöglich­ keit der Leistung; es genügt schon, wenn der Gläubiger neben dem Anspruch auf Erfüllung einen Anspruch auf Leistung in Geld, z. B. auf Ersatz des Schadens in Geld, erlangt. Die Parteien können übrigens auch schon von vorneherein verein­ baren, daß, wenn der Schuldner seiner Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, der Gläubiger berechtigt sein solle, mit einem bestimmten Betrag aus dem Pfande Befriedigung zu suchen; dies wird insbesondere dann zutreffen, wenn der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung eine Vertragsstrafe versprochen hat (§ 340). Bestreitet der Eig entümer den Eintritt der Berkaufsberechtigung, so ist der Pfandgläubiger gleich­ wohl nicht gehindert, den Pfandverkauf zu betreiben, sondern es ist Sache des Eigentümers, auf Unterlassung der ihm drohenden Eigentumsstörung zu klagen. Selbstverständlich macht sich der nicht verkaufsberechtigte Pfandgläubiger schadens­ ersatzpflichtig. Besteht das Pfandrecht an mehreren Sachen, so haftet jedes für die ganze Forderung (§ 1222). Der Pfand­ gläubiger kann unter mehreren Pfändern diejenigen auswählen, welche verkauft werden sollen. Er kann aber nur soviele Pfänder zum Verkaufe bringen, als zu seiner Befriedigung erforderlich sind (§ 1230). Ist die Forderung nur zum Teil fällig oder nur zum Teil in eine Geldforderung übergegangen, so muß er mit dem Verkaufe innehalten, sobald er einen zur Deckung seiner fälligen Geldforderung hinreichenden Erlös er­ zielt hat. Ist dagegen nur eine Sache verpfändet, so kann der Gläubiger die ganze Sache verkaufen, auch wenn seine Forderung nur teilweise fällig oder nur zum Teil in eine Geldforderung übergegangen ist. Damit der Pfandgläubiger von seinem Verkaufsrechte Gebrauch machen kann, ist erforderlich, daß er das Pfand im Alleinbesitze hat; denn sonst kann er dem Ersteher der Pfand­ sache nicht Eigentum übertragen. Mittelbarer Alleinbesitz genügt. Ist der Pfandgläubiger nicht im Alleinbesitze des Pfandes, so kann er nach dem Eintritte der Verkaufsberechtigung die Herausgabe des Pfandes zum Zwecke des Ber­ kau fs^) fordern (§ 1231). Positiv ausgedrückt steht dem Pfandgläubiger dieser Anspruch zu, wenn er nur im Mitbesitze der Pfandsache ist. Auf Verlangen des Verpfänders hat an Stelle der Herausgabe die Ablieferung an einen gemeinschaft­ lichen Verwahrer zu erfolgen; der Verwahrer hat sich bei der *) Vgl. hierüber Recht 190.3 S. 197 ff.

954

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

Ablieferung zu verpflichten, das Pfand zum Verkaufe bereit zu stellen. Der auf Herausgabe belangte Mitbesitzer kann dem Pfandgläubiger entgegenhalten, daß er diesem gegenüber zum Besitze berechtigt ist. Ist dies der Eigentümer, so wird seine Berechtigung zum Besitze mit dem Eintritte der Verkaufsberechtigung des Pfandgläubigers selbstverständlich hin­ fällig. Ist ein Dritter Mitbesitzer, so kommt sein Recht nur dann in Betracht, wenn sein Recht dem des Pfandgläubigers vorgeht. Ist der Dritte ebenfalls Pfandgläubiger, so gelten besondere Vorschriften: Kein Pfandgläublger ist verpflichtet, das Pfand einem ihm im Range nachstehenden Pfandgläubiger zum Zwecke des Verkaufs herauszugeben (§ 1232); eine solche Verpflichtung besteht selbst dann nicht, wenn nur der nachstehende, nicht aber der vorgeheude Pfandgläubiger verkaufsberechtigt ist. Solange daher der vorgehende Pfandgläubiger die Herausgabe ver­ weigert, ist der nachstehende Pfandgläubiger gehindert, von seiner Verkaufsbefugnis Gebrauch zu machen. Ist der vor­ gehende Pfandgläubiger selbst nicht im Besitze des Pfandes, so kann er dem Verkaufe durch einen nachstehenden Pfand­ gläubiger nicht widersprechen; selbstverständlich verbleibt ihm sein Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlöse. Er kann aber auch, vorausgesetzt, daß er verkaufsberechtigt ist, selbst den Verkauf betreiben und zu diesem Zwecke von dem nachstehenden Pfandgläubiger die Herausgabe des Pfandes verlangen. Arten des PfandDer Verkauf des Pfandes kann auf dreifache Weise tier,auf8vor sich gehen: a) entweder nach den für den Pfandverkauf geltenden Vorschriften, oder b) durch eine zwischen dem Eigentümer und dem Pfand­ gläubiger vereinbarte oder vom Richter durch Urteil ausge­ sprochene, von den gewöhnlichen Vorschriften abweichende Art des Pfandverkaufs (§§ 1245, 1246), oder c) nach den für den Verkauf einer gepfändeten Sache geltenden Vorschriften der Reichscivilprozeßordnung (§ 1233 Abs 2). Dieser letztere Weg steht dem Gläubiger dann offen, wenn er für sein Recht zum Verkauf einen vollstreckbaren Titel gegen den Eigentümer erlangt hat. Vorausgesetzt wird aber: a) daß der vollstreckbare Titel „gegen den Eigentümer" gerichtet ist. Ein gegen den Verpfänder gerichteter Titel ge­ nügt nicht. /?) daß der vollstreckbare Titel das Recht des Pfand­ gläubigers zum Verkaufe ausspricht, mit anderen Worten, daß in dem vollstreckbaren Titel der Eigentümer für verpflichtet erklärt ist, für die Forderung die Zwangsvollstreckung in das Pfand zu dulden.

Der Pfandverkauf.

955

Selbstverständlich kann der Gläubiger auch auf Grund eines gegen den persönlichen Schuldner gerichteten Titels die Sache pfänden und nach den Vorschriften der CPO über den Verkauf gepfändeter Sachen versteigern lassen; aber dies setzt voraus, daß entweder er selbst oder der Schuldner die Pfand­ sache besitzt oder der Drittbesitzer zur Herausgabe bereit ist, und daß die übrigen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, wie z. B. Zustellung des Vollstreckungstitels erfüllt sind. Diese beiden Wege sind für den Pfandgläubiger zwar etwas unbequemer, als die beiden erst genannten Wege, aber auch mit weniger Risiko verknüpft; denn einmal steht dem Erwerber gegen ihn wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Mangels der veräußerten Sache ein Anspruch auf Gewährleistung nicht zu, und ferner ist er auch nicht der Gefahr ausgesetzt, dem Eigentümer des Pfandes wegen Ver­ letzung der Vorschriften über den Pfandverkauf schadensersatz­ pflichtig zu werden. JmEinzelnen gelten für den Pfandverkauf folgende®°^t$n"£6c’: Vorschriften: »erlauf. 1. Der Pfandgläubiger hat dem Eigentümer den Verkauf i. Androhung vorher anzudrohen und dabei den Geldbetrag zu bezeichnen, beä taufgbBcr= wegen dessen der Verkauf stattfinden soll. Die Androhung kann erst nach dem Eintritte der Verkaufsberechtigung erfolgen; sie darf unterbleiben, wenn sie untunlich ist, weil z. B. der Auf­ enthalt des Eigentümers unbekannt ist. Die Androhung hat den Zweck, dem Eigentümer Gelegenheit zu geben, durch Be­ friedigung des Gläubigers den Verkauf abzuwenden; deshalb darf auch der Verkauf selbst nicht vor dem Ablauf eines Monats nach der Androhung erfolgen. Ist die Androhung untunlich, so wird der Monat von dem Eintritte der Verkaufsberechtigung an gerechnet (§ 1234). 2. Der Verkauf des Pfandes ist im Wege öffentlicher r. B-rkaüs im Versteigerung zu bewirken (§ 1235 Abs. 1). Hat das Versteigerung" Pfand einen Börsen- oder Marktpreis, so kann der Pfand­ gläubiger den Verkauf aus freier Hand durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung bestimmte Person zum laufen­ den Preise bewirken (§ 1235 Abs. 2, § 1221). 3. Die Versteigerung hat an dem Orte zu erfolgen, qn 3- Art der Ber­ bern das Pfand aufbewahrt wird. Ist von einer Ver- 'e,6erMTt8' Steigerung an dem Aufbewahrungsort ein angemessener Erfolg nicht zu erwarten, wenn z. B. ein Altertumsgegenstand auf einem Dorfe verkauft würde, so ist das Pfand an einem ge­ eigneten anderen Orte zu versteigern (§ 1236). 4. Zeit und Ort der Versteigerung sind unter allgemeiner machün""v°n Bezeichnung des Pfandes öffentlich bekannt zu machen. Zeit und Ort der Der Eigentümer und Dritte, denen Rechte an dem Pfande ®crftei9«ung.

956

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

zustehen, sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung — nicht auch die öffentliche Bekanntmachung — darf jedoch unterbleiben, wenn sie untunlich ist (§ 1237). s.B-rsteigerungs5. Das Pfand darf nur mit der Bestimmung verkauft Bedingungen, Erden, daß der Käufer den Kaufpreis sofort bar zu ent­ richten hat und seiner Rechte verlustig sein soll, wenn dies nicht geschieht (§ 1238 Abs. 1). Erfolgt der Verkauf absichtlich oder infolge eines Versehens ohne diese Bestimmung, so liegt zwar keine Nichtigkeit vor; das Risiko aber, daß der Käufer den Kaufpreis nicht bezahle, trifft den Pfandgläubiger. Die Sache wird dann so angesehen, als ob der Pfandgläubiger den Kaufpreis empfangen hätte. Er gilt daher, soweit der Kauf­ preis reicht, für seine Forderung als befriedigt. Verbleibt nach Abzug der Forderung des Pfandgläubigers vom Kaufpreis noch ein Überschuß, so hat er denselben an den Eigentümer oder an sonstige an der Sache Berechtigte, z. B. an einen nach­ stehenden Pfandgläubiger in Bar abzuführen. Seine Rechte gegen den Ersteher bleiben dagegen unberührt; er mag daher selbst sehen, wie er von diesem Befriedigung erhält. Ist das Pfand zwar unter den erwähnten Bedingungen ausgeboten worden, die sofortige Entrichtung des Kaufpreises jedoch unterblieben, so treten die gleichen Wirkungen ein, wenn nicht vor dem Schluffe des Versteigerungstermins von dem Vorbehalt der Rechtsverwirkung Gebrauch gemacht wird (§ 1238 Abs. 2). 6 Steigerung 6. Der P f a n d g l ä u b i g e r, der Eigentümer und erechIge. aU(^ Schuldner, falls er nicht schon als Eigentümer hierzu das Recht hat, können bei der Versteigerung mitbieten (§ 1239 Abs. 1). Dagegen dürfen der Versteigerungsbeamte Und die von ihm zugezogenen Gehülfen den zum Verkauf ge­ stellten Gegenstand für sich weder persönlich noch durch einen Anderen, und ebenso auch nicht als Vertreter eines Anderen kaufen (§§ 456 ff., vgl. auch S. 364). Erhält der Pfandgläubiger den Zuschlag, so ist der Kauf­ preis als von ihm empfangen anzusehen (§ 1239 Abs. 1). Er muß daher denselben nur insoweit an den Eigentümer oder die sonst an der Sache Berechtigten hinauszahlen, als derselbe seine Forderung übersteigt. Soweit dies nicht der Fall ist, gilt er als befriedigt. Dies gilt aber nur, wenn der betreibende Pfandgläubiger den Zuschlag erhält; ein anderer Pfandgläubiger muß, gleich­ viel ob er besseren oder schlechteren Rang als der betreibende Gläubiger hat, den Kaufpreis bar erlegen. Das Gebot des Eigentümers darf zurückgewiesen werden, wenn nicht der Betrag bar erlegt wird. Das Gleiche gilt von dem Gebote des Schuldners, wenn das Pfand für eine fremde Schuld haftet (§ 1239 Abs. 2).

Der Pfandverkauf.

957

7. Gold- und Silbersachen dürfen nicht unter dem @o«>= unb Gold- oder Silberwerte zugeschlagen werden. Wird ein ge- S>lbers-chen. nügendes Gebot nicht abgegeben, so kann der Verkauf durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person aus freier Hand zu einem den Gold- oder Silberwert erreichenden Preise erfolgen (§ 1240). 8. Der Pfandgläubiger hat den Eigentümer von dem Verkaufe des Pfandes und dem Ergebnis unverzüglich zu beBmachrtchnachrichtigen, sofern nicht die Benachrichtigung untunlich ist (§ 1241). Selbstverständlich darf die Benachrichtigung auch Berkaus, dann unterbleiben, wenn der Eigentümer selbst der Ersteher ist. Der Eigentümer und der Pfandgläubiger können eine vereinbarte °bvon den gewöhnlichen Vorschriften über den Pfandverkauf a6= ^Äettaifä.8 weichende Art des Pfandverkaufs vereinbaren. So kann z. B. der Eigentümer auf die Androhung des Pfandverkaufs, auf die Mitteilung von Zeit und Ort der Versteigerung verzichten; ferner können Eigentümer und Pfandgläubiger vereinbaren, daß auch eine Sache, die keinen Börsen- oder Marktpreis hat, aus freier Hand verkauft werden solle, daß die Pfandsache an einem bestimmten anderen Orte als dem Aufbewahrungsorte verkauft werden solle n. s. w. (§ 1245 Abs. 1). Steht außer dem verkaufenden Pfandgläubiger noch anderen Personen an dem Pfande ein Recht zu, das durch die Veräußerung erlischt, z. B. ein Pfandrecht oder ein nicht sämtlichen Pfandrechten im Range vorgehendes Nießbrauchsrecht, so ist deren Zustimmung erforderlich. Dieselbe ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt, und ist unwiderruflich. Auf die Beobachtung der Vorschriften über die Veräuße­ rung des Pfandes im Wege öffentlicher Versteigerung, bezw. wenn die Sache einen Börsen- oder Marktpreis hat, über die Ver­ äußerung aus freier Hand durch eine hierzu befähigte Person, ferner über die öffentliche Bekanntmachung der Zeit und des Ortes der Versteigerung unter allgemeiner Bezeichnung des Pfandes und über Veräußerung von Gold- und Silbersachen nicht unter dem Gold- oder Silberwerte, kann jedoch vor dem Eintritte der Verkaufsberechtigung nicht verzichtet werden (§ 1245 Abs. 2). Entspricht eine von den gewöhnlichen Vorschriften ab­ weichende Art des Pfandverkaufs, z. B. der Verkauf aus freier Hand, wenn sich dadurch voraussichtlich ein höherer Erlös er­ zielen läßt, nach billigem Ermessen den Interessen der Beteiligten, so kann jeder von ihnen verlangen, daß der Verkauf in dieser Art erfolgt (§ 1246 Abs. 1). Kommt eine Einigung unter ihnen nicht zu Stande, so steht ihnen zwar kein Klagerecht zu; sie können aber einen entsprechenden Antrag an das Amts­ gericht des Ortes stellen, an welchem das Pfand aufbewahrt

958

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

wird. Dieses entscheidet dann über den Antrag und zwar, soweit tunlich, nach Anhörung der Beteiligten (§ 166 FG).

§ 293. Wirkungen des Pfandverkaufs. Die Verletzung einer der für den Pfandverkauf geltenden Vorschriften erzeugt verschiedene Wirkungen, je nachdem es sich um das Verhältnis gegenüber dem Eigentümer oder Drittbe­ rechtigten oder um das Verhältnis gegenüber dem Ersteher handelt. SchadensersatzI. Verletzt der PfandglKubiger irgend eine der für den Berletzunß Pfandverkauf geltenden Vorschriften, so ist er zum Schadensbcru6erl?cnftenersatze verpflichtet, wenn ihm ein Verschulden zur Last Psandverkaus. fällt. § 1243 Abs. 2 spricht zwar nur von der Verletzung solcher Vorschriften, von deren Beobachtung die Rechtmäßig­ keit des Pfandverkaufs nicht abhängt; es ist aber klar, daß der Pfandgläubiger dann erst recht schadensersatzpflichtig wird, wenn er eine Vorschrift verletzt, deren Beobachtung die Recht­ mäßigkeit des Pfandverkaufs bedingt. Die Frage, wer schadens­ ersatzberechtigt ist, ist aus dem Inhalte der verletzten Vor­ schrift zu beantworten. Regelmäßig wird der Eigentümer ersatzberechtigt sein; es kann aber auch ein Dritter in Frage kommen, so z. B. dann, wenn es der Pfandgläubiger schuld­ hafterweise unterläßt, einem Dritten, dem ein Recht an dem Pfande zusteht, Zeit und Ort der Versteigerung, besonders bekannt zu geben (§ 1237 Satz 2). Wirkungen des II Die Wirkungen des Pfandverkaufs gegenüber dem Psandverkauss. grj-j.e^er fjnj) verschieden, je nachdem der Verkauf rechtmäßig erfolgt ist oder nicht. Rechtmäßigkeit Die Veräußerung des Pfandes ist nicht rechtPf-ndverkauss. Mäßig, WLNN a) der Pfandgläubiger nicht verkaufsberechtigt ist (§ 1228 Abs. 2), oder b) wenn er mehr Pfänder zum Verkaufe bringt, als zu seiner Befriedigung erforderlich ist (§ 1230 Satz 2),' oder

c) wenn der Verkauf des Pfandes nicht im Wege öffent­ licher Versteigerung oder auch, falls das Pfand einen Börsen­ oder Marktpreis hat, aus freier. Hand nicht durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder durch eine zu öffentlicher Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise bewirkt wurde (§ 1235), d) wenn Zeit und Ort der Versteigerung unter allge­ meiner Bezeichnung des Pfandes nicht öffentlich bekannt ge­ macht wurden (§ 1237 Satz 1) endlich e) wenn Gold- oder Silbersachen unter dem Gold­ oder Silberwerte zugeschlagen wurden (§ 1240).

Wirkungen des Pfandverkaufs.

959

Während die Verletzung dieser Vorschriften die Nicht­ rechtmäßigkeit des Pfandverkaufs zur Folge hat, ist die Ver­ letzung der übrigen Vorschriften über den Pfandverkauf auf dessen Rechtmäßigkeit ohne Einfluß. Durch die rechtmäßige Veränßerung des Pfandes «rlangt der Erwerber die gleichen Rechte, wie wenn er die seraugenmg. Sache von dem Eigentümer erworben hätte. Dies gilt auch dann, wenn dem Pfandgläubiger der Zuschlag erteilt wird te" daß nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Schiff haften Höchstb-tragsder soll, bestimmt, im übrigen die Feststellung der Forderung Sot eru"8' Vorbehalten wird. Der Höchstbetrag muß in das Schiffs­ register eingetragen werden. Ist die Forderung verzinslich, so werden die Zinsen in den Höchstbetrag eingerechnet (§ 1271). Auch für Forderungen aus einer Schuldverschrei-^andr-ch^fu^ bungaufdenJnhaber, auseinemWechseloderaus ®c5uibt>«wei= einem anderen Papier, das durch JndossamentJnWerunbaür übertragen werden kann, kann ein Schiffspfandrecht vrb-rpapieren. bestellt werden. Die Bestellung erfolgt dann nach den Vor­ schriften, nach welchen eine Sicherungshypothek für solche For­ derungen bestellt wird. Ist ein Schiffspfandrecht für eine Forderung auf einen Inhaber bestellt, so kann, wie bei der Jnhaberhypothek, für den jeweiligen Gläubiger ein Treuhänder aufgestellt werden (§ 1270).

970

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

^äSe'Sber bäa>=

Im übrigen finden auf das Pfandrecht an einem in das Schiffsregister eingetragenen Schiffe, soweit sich nicht aus den bereits dargestellten Vorschriften sowie daraus, daß der Pfand­ gläubiger nicht den Besitz des Schiffes erlangt, Abweichungen ergeben, die Bestimmungen über das Pfandrecht an beweg­ lichen Sachen Anwendung. Steht dem Pfandrecht eine Einrede entgegen, durch welche die Geltendmachung des Pfand­ rechts dauernd ausgeschlossen wird, so kann der Verpfänder wie der Eigentümer des Schiffes die Aufhebung des Pfand­ rechts verlangen (§ 1266). ei?erSchiffspart. Die Vorschriften über das Pfandrecht au im Schiffs­ register eingetragenen Schiffen gelten auch für das Pfand­ recht an einer Schiffspart (§ 1272). Unter einer Schiffs­ part versteht man den Anteil an einem zum Erwerbe durch die Seeschiffahrt bestimmten Seeschiffe (§ 474 HGB). Schiffspfandrecht.

III. Pfandrecht an Rechten.

§ 298. Gemeinsame Vorschriften. Gegenstand des Pfandrechts an Rechten.

Gegenstand des Pfandrechts kann auch ein Recht sein (§ 1273 Abs. 1). Vorausgesetzt wird aber ein bereits bestehendes Recht. An einem Rechte, das erst künftig zur Entstehung gelangen soll, kann ein Pfandrecht nicht bestellt werden. So kann z. B. A, welchen B um Hingabe eines Darlehens erst angegangen hat, dem C ein Pfandrecht an der Forderung, welche ihm durch Hingabe des Darlehens an B entstehen wird, nicht einräumen. Vorausgesetzt wird ferner, daß das Recht, welches verpfändet werden soll, auf einen Dritten über­ tragen werden kann. Soweit dagegen ein Recht nicht übertragbar ist, kann an demselben auch kein Pfandrecht er­ worben werden (§ 1274 Abs. 2). Daher kann z. B. auch ein Nießbrauch nicht verpfändet werden, wohl aber kann die Ausübung des Nießbrauchs den Gegenstand eines Pfandrechts bilden, da zwar nicht der Nießbrauch selbst, wohl aber die Ausübung desselben übertragbar ist. Ebenso kann eine Grund­ dienstbarkeit für sich allein nicht verpfändet werden, da dieselbe nur zusammen mit dem Grundstücke übertragen werden kann. Vorausgesetzt wird endlich, daß für das zu verpfändende Recht nicht die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten, wie z. B. für Erbbaurechte. 1 Soweit jedoch diese Voraussetzungen zutreffen, kann jedes Recht zum Gegenstände eines Pfandrechts gemacht werden. So kann z. B. an einer gewöhnlichen Forderung ein Pfandrecht

Gemeinsame Vorschriften^

971

eingeräumt werden, nicht minder an einer Forderung, welche durch Hypothek gesichert ist, an einer Grundschuld, an einer Rentenschuld u. bergt Auf das Pfandrecht an Rechten finden die Vorschrift en über das Pfandrecht an beweglichenSach en wmbredjt an entsprechende Anwendung, soweit sich nicht auSgaSSnt dem Folgenden das Gegenteil ergibt (§ 1273 Abs. 2). Vorschriften. Diese Vorschriften gelten ohne Unterschied, gleichviel ob das Recht eine Forderung oder ein Recht an einem Grundstücke, wie z. B. eine Hypothek oder eine Rentenschuld oder ein Recht an einer beweglichen Sache ist. Das Pfandrecht an einem Rechte entsteht entweder durch MbrN'an Bestellung oder durch Pfändung nach den Vorschriften Rechten, der Reichscivilprozeßordnung. Zur Entstehung des Pfandrechts durch Pfän-^chPfändung, düng wird ein Beschluß des Gerichts erfordert, durch welchen das betreffende Recht gepfändet wird. In dem Beschlusse hat das Gericht dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu leisten und zugleich an den Schuldner das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung derselben zu enthalten. Betrifft der Anspruch eine andere bewegliche Sache als Geld, so ist außerdem anzuordnen, daß die Sache an einen von dem Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sei. Der Beschluß des Ge­ richtes ist dem Drittschuldner und dem Schuldner zuzustellen. Mit der Zustellung an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen. Für einzelne Arten von Forderungen hat die Reichscivilprozeßordnung besondere Vorschriften auf­ gestellt. So wird z. B- die Pfändung von Forderungen aus Wechseln und anderen Papieren, welche durch Indossament übertragen werden können, dadurch bewirkt, daß der Gerichts­ vollzieher diese Papiere in Besitz nimmt (§§ 828 ff., 847 ff. REPO). Die Bestellung eines Pfandrechts an einem Rechte Ä3äbmt erfolgt nach den für die Übertragung des Rechtes geltenden -in-m Rechte. Vorschriften (§ 1274 Abs. 1). Soll daher an einer gewöhn­ lichen Forderung ein Pfandrecht bestellt werden, so genügt hierzu der formlose Vertrag; jedoch bedarf hier ausnahms­ weise die Verpfändung zu ihrer Wirksamkeit noch der Anzeige durch den Gläubiger an den Schuldner (§ 1280). Soll ein Recht an einem Grundstück verpfändet werden, so ist außer der Einigung über die Pfandbestellung in der Regel noch die Eintragung in , das Grundbuch erforderlich. Ent­ sprechend den für die Übertragung des Rechtes geltenden Vorschriften wird eine Hypothek, eine Grundschuld oder Renten­ schuld, für welche die Erteilung des Briefes nicht ausgeschlossen ist, durch Erteilung der Verpfändungserklärung in schriftlicher

972

«Suter Glaube

giäubigers°

Rang mehrerer sewen Recht?'

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

Form und Übergabe des Briefes verpfändet; die schriftliche Form der Verpfändungserklärung kann jedoch dadurch ersetzt werden, daß die Verpfändung in das Grundbuch eingetragen wird. In allen denjenigen Fällen, in welchen zur Übertragung desRechtes die Übergabe einer Sache erforderlich ist, genügt, wenn der Pfandgläubiger die Sache bereits besitzt, die bloße Einigung über die Verpfändung in der vorgeschriebenen Form. Befindet sich die Sache im mittel­ baren Besitze des Verpfänders, weil er z. B. den Hypotheken­ brief oder das Jnhaberpapier einem Bankier in Depot gegeben hat, so kann die Übergabe der Sache dadurch ersetzt werden, daß der Verpfänder den mittelbaren Besitz auf den Pfand­ gläubiger überträgt und die Verpfändung dem unmittelbaren Besitzer, hier dem Bankier, anzeigt. An Stelle der Übergabe genügt auch die Einräumung des Mitbesitzes, wenn sich die Sache unter dem Mitverschlusse des Gläubigers befindet oder, falls sie im Besitze eines Dritten sich befindet, die Herausgabe nur an den Eigentümer und den Gläubiger gemeinschaftlich erfolgen kann (§ 1274 Abs 1 Satz 2). Während aber der Pfandgläubiger, falls er in gutem Glauben ist, ein Pfandrecht an beweglichen Sachen auch dann erwirbt, wenn die Verpfändung durch einen Nichteigentümer erfolgt, ist bei der Verpfändung von Rechten der Erwerb des Pfandrechts ausgeschlossen, wenn die Verpfändung durch einen Nichtberechtigten erfolgt. Verpfändet daher z. B. A dem C eine dem B gegen den D zustehende Forderung, so erwirbt C an dieser Forderung kein Pfandrecht, selbst wenn er des guten Glaubens ist, daß A der wirkliche Gläubiger sei. Dieser Grund­ satz gilt auch dann, wenn zur Pfandbestellung die Übergabe einer Sache, z. B. des Wechsels, des Hypothekenbriefes, er­ forderlich ist. Die Regel wird aber insoweit durchbrochen, als der Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs dem Pfand­ gläubiger zur Seite steht. Der gutgläubige Pfandgläubiger kann sich daher für den Erwerb seines Pfandrechts auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs unter denselben Voraus­ setzungen berufen, unter denen sich ein Erwerber des Rechtes hierauf berufen kann. Doch mag daran erinnert werden, daß der Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs nur dem rechtsgeschäftlichen Erwerbe zur Seite steht. Dagegen wird der im Wege der Zwangsvollstreckung gemachte Erwerb durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht geschützt. Ist das Recht, welches verpfändet wird, bereits mit dem Rechte eines Dritten belastet, z. B. mit einem Nießbrauch oder einem anderen Pfandrecht, so bestimmt sich der Rang dieser Rechte unter einander ausschließlich nach dem Zeitpunkt der Bestellung. Das Recht, das früher zur Entstehung

Gemeinsame Vorschriften.

973

gelangte, hat den Vorrang vor dem später entstandenen und zwar, im Gegensatz zu dem Pfandrecht an beweglichen Sachen, selbst dann, wenn der spätere Pfandgläubiger in Ansehung des früheren Rechtes in gutem Glauben war (§ 1273 Abs. 2). Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn zur Verpfändung die Übergabe einer Sache, des Hypothekenbriefes, des Wechsels oder des Jnhaberpapieres erforderlich ist. Ist z. B. für die zu verpfändende Hypothek die Erteilung des Hypothekenbriefes nicht ausgeschlossen, so kann der Pfandgläubiger eigentlich nie mit voller Sicherheit sagen, daß sein Pfandrecht den ersten Rang habe. Denn wenn die Hypothek bereits früher einem Dritten verpfändet wurde, so kann dieser jederzeit seinen,Vor­ rang geltend machen, ohne daß sich der. spätere Pfandgläubiger auf seinen guten Glauben und auf die Öffentlichkeit des Grund­ buchs berufen könnte. Insofern wird daher der öffentliche Glaube des Grundbuchs durchbrochen. Freilich wird die so hervorgerufene Unsicherheit durch die andere Bestimmung etwas gehoben, daß durch die Rückgabe der Sache das Pfandrecht erlischt. Übergibt daher der Verpfänder einer Hypothek dem Pfandgläubiger den Hypothekenbrief, so ist doch mit ziemlicher Bestimmtheit anzunehmen, daß er, falls die Hypothek bereits verpfändet gewesen sein sollte, den Brief von dem Pfandgläubiger zurückerhalten habe und daß deshalb das frühere Pfandrecht erloschen sei. Für Buchhypotheken und Buchgrundschulden bestehen diese Bedenken nicht, da hier das Pfandrecht nur durch Eintragung in das Grundbuch zur Entstehung gelangt. Ist das verpfändete Recht ein fruchttragendes, wird z. B. Nutzungen d-» eine verzinsliche Forderung oder die Ausübung eines Nieß- oeme^nte8ten brauchs verpfändet, so stehen, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil vereinbart ist, die Nutzungen nicht dem Pfand­ gläubiger, sondern dem Verpfänder zu (§ 1273 Abs. 2). Ist ein Recht, kraft dessen eine Leistung gefordertR°chtsverhsimi» werden kann, z. B. eine Darlehensforderung, eine Hypothek Pfandglsubiger u. dergl. Gegenstand des Pfandrechts, so finden auf das RechtsVerhältnis zwischen dem Pfandgläubiger und dem Verpflichteten die Vorschriften, welche im Falle der Übertragung des Rechtes für das Rechtsverhältnis zwischen dem Erwerber und dem Verpflichteten gelten, entsprechende Anwendung (§ 1275). Dem Verpflichteten stehen daher z. B. gegen den Pfandgläubiger auch diejenigen Einreden zu, die zur Zeit der Pfandbestellung gegen den Verpfänder begründet waren. Der Pfandgläubiger muß ferner eine an den Verpfänder bewirkte Leistung gegen sich gelten lassen, außer wenn der Verpflichtete bei der Leistung die Ver­ pfändung kannte u. dergl. Wird deswegen, weil der Pfand­ gläubiger die Rechte des Verpfänders in erheblichem Maße verletzt und ungeachtet einer Abmahnung des Verpfänders das

974

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

verletzende Verhalten fortsetzt, ein gerichtlicher Verwalter auf­ gestellt, so wirkt diese Aufstellung dem zur Leistung Verpflichteten gegenüber erst, wenn er von der getroffenen Anordnung Kennt­ nis erlangt oder wenn ihm eine Mitteilung von der Anordnung zugestellt wird. Das Gleiche gilt auch von der Aufhebung der Anordnung. Aufhebung verEin verpfändetes Recht kann durch Rechtsgeschäft z. B. Pfande er echte. ^ur(^ Leistung, Erlaß der Leistung u. s. w. nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers aufgehoben werden. Die Zustimmung ist demjenigen gegenüber zu erklären, zu dessen Gunsten sie erfolgt, und ist unwiderruflich. Steht ein Recht an einem Grundstück in Frage, so kann die Zustimmungserklärung auch dem Grund­ buchamte gegenüber erfolgen (§ 1276 Abs. 1). Die gleichen Vorschriften gelten im Falle einer Änderung des verpfändeten Rechts, sofern sie das Pfandrecht beeinträch­ tigt (§ 1276 Abs. 2). Soll daher z. B. die Verzinslichkeit, die Fälligkeit oder der Erfüllungsort einer verpfändeten Forderung geändert werden, so ist hierzu die Zustimmung des Pfand­ gläubigers erforderlich. Hfeitendmachung Im Gegensatz zu den für das Pfandrecht an beweglichen der Pfandrechts, geltenden Vorschriften kann der Gläubiger hier seine Be­ friedigung aus dem Rechte nur auf Grund eines vollstreckbaren Titels, in welchem die Verpflichtung des aus dem verpfändeten Rechte Berechtigten zur Duldung der Zwangsvollstreckung in dieses Recht ausgesprochen wird, nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften suchen (§ 1277). Die Befriedigung erfolgt dadurch, daß sich der Pfandgläubiger das verpfändete Recht zur Einziehung oder an Zahlungsstatt überweisen läßt. Pfändung des Rechtes ist nicht erforderlich. Ist die verpfändete Forderung eine bedingte oder betagte oder ist ihre Einziehung wegen der Abhängigkeit von einer Gegenleistung oder aus anderen Gründen mit Schwierigkeiten „verbunden, so kann das Gericht auf Antrag an Stelle der Überweisung eine andere Art der Verwertung anordnen. Geht der verpfändete Anspruch auf Leistung einer beweglichen Sache, z. B. auf Herausgabe eines Wagens, so ist vom Gericht anzuordnen, daß die Sache an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sei. Die Verwertung der herausgegebenen Sache erfolgt nach den Vor­ schriften der Reichscivilprozeßordnung über die Verwertung gepfändeter Sachen. Betrifft der verpfändete Anspruch ein Grundstück, so ist vom Gericht anzuordnen, daß die Sache an einen auf Antrag des Gläubigers vom Amtsgerichte der belegenen Sache zu bestellenden Sequester d. i. an,. einen Ver­ walter herauszugeben sei. Ist der Anspruch auf Übertragung des Eigentums gerichtet, so hat die Auflassung an den Seq u est e r als Vertreter des Schuldners zu erfolgen. Mit dem Über-

Gemeinsame Vorschriften.

975

gang des Eigentums an den Schuldner erlangt der Gläubiger eine Sicherungshypothek für seine Forderung. Der Sequester hat dann die Eintragung der Sicherungshypothek in das Grund­ buch zu bewilligen (§§ 835, 844, 847, 848 CPO). Doch bleibt es den Parteien unbenommen, hiervon ab­ weichende Vereinbarungen zu treffen. Jedoch ist eine vor dem Eintritte der Verkaufsberechtigung getroffene Verein­ barung, nach welcher dem Pfandgläubiger, falls er nicht oder nicht rechtzeitig befriedigt wird, das verpfändete Recht zufallen oder übertragen werden soll, nichtig. Ebenso kann auf die Beobachtung der Vorschriften über die Veräußerung des Pfandes im Wege öffentlicher Versteigerung bezw. zum laufenden Markt­ oder Börsenpreise, über die öffentliche Bekanntmachung der Zeit und des Ortes der Versteigerung unter allgemeiner Be­ zeichnung des Pfandes und über Veräußerung nicht unter dem Gold- oder Silberwerte nicht vor dem Eintritte der Verkaufs­ berechtigung verzichtet werden (§ 1277 Satz 2). Ist ein Recht, zu dessen Verpfändung die Übergabe einer Sache erforderlich ist, Gegenstand des Pfandrechts, so erlischt das Pfandrecht, wenn der Pfandgläubiger die Sache dem Ver­ pfänder oder Berechtigten zurückgibt. Der Vorbehalt der Fort­ dauer des Pfandrechts ist unwirksam. Ist die Sache im Besitze des Verpfänders oder des Berechtigten, so wird vermutet, daß die Sache ihm von dem Pfandgläubiger zurückgegeben worden fei. Diese Vermutung gilt auch dann, wenn sich die Sache im Besitze eines Dritten befindet, der den Besitz nach der Ent­ stehung des Pfandrechts von dem Verpfänder oder dem Be­ rechtigten erlangt hat (§ 1278). Außerdem erlischt das Pfand­ recht an einem Rechte aus denselben Gründen wie das Pfand­ recht an einer beweglichen Sache, also z. B., wenn die Forderung erlischt, für die es besteht, wenn das Pfandrecht durch Rechts­ geschäft aufgehoben wird, wenn das Pfandrecht mit dem ver­ pfändeten Rechte in einer Person zusammentrifft, endlich, wenn oer Pfandgläubiger das Recht auf den Verpfänder oder den wirklichen Berechtigten zurücküberträgt. Auch hier kann, wie bei dem Pfandrecht an einer beweglichen Sache die Rücküber­ tragung des verpfändeten Rechtes verlangt werden, wenn dem Pfandrecht eine Einrede entgegensteht, durch welche seine Geltend­ machung dauernd ausgeschlossen wird. Bezüglich der Einrede der Verjährung bestimmt jedoch § 223 Abs. 1, daß die Verjährung des Anspruchs, für den ein Pfandrecht besteht, den Berechtigten nicht hindert, seine Befriedigung aus dem verhafteten Gegenstände zu suchen. Auch hier steht daher die Einrede der Verjährung zwar der Geltendmachung des persönlichen Anspruchs durch den Gläu­ biger entgegen, dagegen hindert sie ihn nicht, Befriedigung aus dem verpfändeten Rechte zu suchen. Zu beachten ist noch, daß zur Löschung des Pfandrechts an einer Hypothek, Grundschuld oder

'

976

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

Rentenschuld auch die Zustimmung des Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentengläubigers erforderlich ist.

§ 299.

Pfandrecht an Forderungen.

Soweit Forderungen den Gegenstand eines Pfandrechts bilden, unterscheidet das BGB: a) zwischen Schuldverschreibungen auf den In­ haber, welche es, wie überhaupt alle Jnhaberpapiere, in An­ sehung des Pfandrechts wie bewegliche Sachen behandelt (vergl. S. 983); b) zwischen Wechseln und anderen Papieren, die durch Indossament übertragen werden können. Hiervon wird der folgende Paragraph handeln; c) endlich allen sonstigen Forderungen. Hierher gehören z. B. gewöhnliche Kaufpreis- und Darlehensforde­ rungen, ferner Hypotheken, endlich nach ausdrücklicher Be­ stimmung Grundschulden und Rentenschulden, obwohl diese gerade das Besondere haben, daß sie keine Forderung voraussetzen. In Ansehung des Pfandrechts werden sie aber wie Forderungen behandelt (§ 1291). Für das Pfandrecht an den unter c erwähnten Forde­ rungen gelten, abgesehen von den im vorigen Paragraphen dargestellten Vorschriften noch nachfolgende besondere Be­ stimmungen : Bei der Bestellung des Pfandrechts ist zu unterscheiden, snet Forderung ob zur Übertragung der Forderungen, wie z. B. bei gewöhnBUtellung. ilchen Kaufpreis- oder Darlehensforderungen der bloße Ab­ tretungsvertrag genügt, oder ob außerdem noch ein besonderes Erfordernis erfüllt werden muß, wie z. B. bei der Übertragung von Buchhypotheken die Eintragung in das Grundbuch oder bei Briefhypotheken außer der Eintragung in das Grundbuch oder , der Erteilung einer schriftlichen Abtretungserklärung noch die Übergabe des Briefes erfolgen muß. Letzterenfalls erfolgt die Bestellung des Pfandrechts an der Forderung nach den für die Übertragung geltenden Vorschriften. Im ersteren Falle dagegen geschieht die Bestellung des Pfandrechts zwar in gleicher Weise, die Verpfändung ist aber nur dann wirksam, wenn der Gläubiger der Forderung — nicht der Pfandgläubiger — die Verpfändung dem Schuldner anzeigt (§ 1280). Dagegen ist die Übergabe des Schuldscheines, wenn ein solcher ausgestellt ist, zur Ent­ stehung des Pfandrechts nicht erforderlich. Wohl aber kann der Pfandgläubiger von dem Verpfänder die Übergabe der Schuldurkunde verlangen (§§ 402, 952). - Osl C ' .. _ •______ _ üs.../! 5r___ rv _________ __ !___ CYTX - - Die Pfändung einer gewöhnlichen Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt durch Gerichtsbeschluß. Dieselbe

Pfandrecht an Forderungen.

977

ist aber erst mit der Zustellung des Beschlusses an den Dritt­ schuldner als bewirkt anzusehen. Zur Pfändung einer Forde­ rung, für welche eine Briefhypothek besteht, ist außerdem Pfändungsbeschlusse die Übergabe des Hypothekenbriefes an den Gläubiger erforderlich. Wird die Übergabe im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkt, so gilt sie als erfolgt, wenn der Gerichtsvollzieher den Brief zum Zwecke der Ablieferung an den Gläubiger w'egnimmt. Ist die Erteilung des Hypotheken­ briefes ausgeschlossen, so ist die Eintragung der Pfändung in das Grundbuch erforderlich; die Eintragung erfolgt auf Grund des Überweisungsbeschlusses. Wird aber der Pfändungsbeschluß noch vor der Übergabe des Hypothekenbriefes oder der Ein­ tragung der Pfändung dem Drittschuldner d. h. dem persön­ lichen Schuldner oder dem Eigentümer des belasteten Grund­ stücks zugestellt, so gilt die Pfändung diesem gegenüber mit der Zustellung als bewirkt (§§ 829, 830 CPO). Die gleichen Vorschriften gelten für Grundschulden und Rentenschulden (§ 1291). Das Pfandrecht an einer Forderung erstreckt sich, selbst LÄA"Lr wenn dies nicht besonders vereinbart ist, auch auf die Zinsen. fAWrderung. Fällige Zinsen werden aber mit dem Ablaufe eines Jahres von der Fälligkeit an gerechnet, von der Haftung frei, wenn nicht vorher der Pfandgläubiger dem Schuldner anzeigt, daß er von dem Einziehungsrechte Gebrauch mache. Der Schuldner einer gepfändeten Forderung ist daher nicht schon deswegen zu einer Zinszahlung an den Pfandgläubiger verpflichtet, weil ihn der Gläubiger von der Verpfändung der Forderung in Kenntnis gesetzt hat. Er kann vielmehr die jeweils fälligen Zinsen solange an den Gläubiger bezahlen, bis ihm der Pfand­ gläubiger auch erklärt, er wolle die Zinsen einziehen. Sind die Zinsen im voraus zu entrichten, so erstreckt sich die Befreiung nicht auf eine spätere Zeit als das zur Zeit der genannten Erklärung des Pfandgläubigers laufende und das folgende Kalendervierteljahr. Sind die Zinsen schon für eine spätere Zeit im voraus entrichtet worden, so braucht der Pfandgläubiger diese Vorauszahlung nicht gegen sich gelten zu lassen. Es ist daher geraten, höchstens halbjährige Voraus­ zahlbarkeit von Zinsen zu vereinbaren, da man sonst unter Umständen Gefahr läuft, doppelt zahlen zu müssen. Solange der Pfandgläubiger dem Drittschuldner nicht erklärt hat, daß er von dem Einziehungsrechte Gebrauch mache, kann der Gläubiger auch mit Wirksamkeit gegen den Pfand­ gläubiger die Zinsen einziehen oder sonst über sie verfügen, z. B. seine Zinsforderung einem Dritten abtreten. Besteht die Verfügung in der Übertragung der Zinsforderung auf einen Dritten, so erlischt deren Haftung; erlangt ein Dritter ein Recht z. B. ein Pfandrecht an der Zinsenforderung, so geht es Müller-Meikel, Bürger!. Recht. 2. Stuft. Bd. I.

62

978

Kündigung.

Leistung.

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

dem Rechte des Pfandgläubigers im Range vor. Die Ver­ fügung des Gläubigers ist jedoch dem Pfand gläubiger gegen­ über unwirksam, soweit sie sich auf die für eine spätere Zeit fälligen Zinsen bezieht, als diejenigen, welche in dem zur Zeit der Erklärung des Pfandgläubigers laufenden und folgenden Kalendervierteljahr fällig werden. Soweit die Einziehung der Zinsen dem Pfandgläubiger gegenüber unwirksam ist, kann auch der Drittschuldner nicht eine ihm gegen den Gläubiger zustehende Forderung aufrechnen (§§ 1289, 1123 Abs. 2, 1124, 1125). Hängt die Fälligkeit der verpfändeten Forderung von einer Kündigung ab, so ist der Gläubiger regelmäßig ohne weiteres zur Kündigung berechtigt; er bedarf einer Zustimmung des Pfandgläubigers hierzu nur dann, wenn dieser berechtigt ist, die Nutzungen zu ziehen. Dem Pfandgläubiger steht ein Kündigungsrecht erst dann zu, wenn seine Forderung fällig und, falls sie nicht ohnehin schon eine Geldforderung war, in eine solche übergegangen ist (§ 1283 Abs. 1 und 3). Gegen­ teilige Vereinbarungen zwischen dem Gläubiger und dem Pfand­ gläubiger sind jedoch zulässig. Ist die Einziehung der Forde­ rung wegen Gefährdung ihrer Sicherheit nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Vermögensverwaltung geboten, so kann der Pfandgläubiger, sofern nicht das Kündigungsrecht ohnehin ihm zusteht, von dem Gläubiger die Kündigung der Forderung ver­ langen. Unter der gleichen Voraussetzung kann der Gläubiger von dem Pfandgläubiger die Zustimmung zur Kündigung ver­ langen, sofern seine Zustimmung zur Kündigung erforderlich ist (§ 1286). Die Kündigung des Schuldners ist nur wirksam, wenn sie dem Pfündgläubiger und dem Gläubiger erklärt wird. Ist jedoch die Forderung des Pfandgläubigers fällig und eine Geldforderung , so genügt zur Kündigung des Schuldners die Erklärung gegenüber dem Pfandgläubiger. Auch hier sind anderweitige Vereinbarungen zwischen dem Gläubiger und Pfandgläubiger zulässig (§ 1283 Abs. 2 und 3, § 1284). Solange die Forderung des Pfandgläubigers noch nicht fällig und in eine Geldforderung überqegangen ist, kann der Schuldner, sofern nicht zwischen dem Pfandgläubiger und dem Gläubiger etwas Anderes vereinbart ist, nur an Beide ge­ meinschaftlich leisten. Jedtzr von Beiden kann auch verlangen, daß an sie gemeinschaftlich geleistet wird; ferner kann Jeder statt der Leistung verlangen, daß die Sache für Beide hinter­ legt oder, wenn sie sich zur Hinterlegung nicht eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abgeliefert wird (§ 1281). Für die Bestellung des Verwahrers ist das Amtsgericht zu­ ständig, in dessen Bezirk sich die Sache befindet (§ 165 FG). Sofern mangels gegenteiliger Vereinbarung in den genannten

Pfandrecht an Forderungen.

979

Fällen die Leistung an den Pfandgläubiger und den Gläubiger gemeinschaftlich zu erfolgen hat, sind Beide einander verpflichtet, zur Einziehung mitzuwirken, wenn die Forderung fällig ist (§ 1285). Ist aber die Forderung des Pfandgläubigers fällig und Einziehung der eine Geldforderung, so ist der Pfand gläubi g er zur Ein- Forderung ziehung der Forderung berechtigt und kann der Schuldner nur an ihn leisten. Die Einziehung einer Geldforderung steht dem Pfandgläubiger jedoch nur insoweit zu, als'sie zu seiner Be­ friedigung erforderlich ist. Er darf daher, wenn ihm für seine Forderung zu 150 eine Forderung von 200 J6 verpfändet ist, nicht die ganze Forderung einziehen, sondern nur soweit, bis er für seine Forderung gedeckt ist. Zu anderen Verfügungen über die Forderung als zur Einziehung ist der Pfandgläubiger nicht berechtigt. Er kann daher z. B. mit dem Schuldner keinen Vergleich oder Stundungsvertrag schließen, ihm nicht die Forderung erlassen u. bergt (§ 1282). Soweit er zur Einziehung berechtigt ist, kann er auch verlangen, daß ihm die Geldforderung an Zahlungsstatt' abgetreten wird. Dies ist aber immer mit einer gewissen Gefahr für ihn verbunden. Denn während er sonst, soweit er aus der verpfändeten Forde­ rung keine Befriedigung erlangt, sich immer noch an das übrige Vermögen seines persönlichen Schuldners halten kann, beraubt er. sich dieser Möglichkeit,, wenn ihm die verpfändete Forde­ rung an Zahlungsstatt abgetreten wird , da er insoweit als befriedigt gilt. Anderweitige Vereinbarungen zwischen dem Pfandgläubiger und dem Gläubiger sind jedoch nicht ausgeschlossen (§ 1284). So kann z. B. vereinbart werden, daß der Gläubiger die ganze Forderung solle einziehen dürfen, daß er auch sonstige Verfügungen solle treffen dürfen, z. B. dem Schuldner Stun­ dung gewähren u. s. w. Soweit nach den vorgehend dargestellten Bestimmungen der Pfandgläubiger berechtigt ist, die Forderung ohne Mit­ wirkung des Gläubigers einzuziehen, also insbesondere dann, wenn ihm dies vertragsmäßig gestattet ist oder wenn seine Forderung ganz oder zum Teile fällig und eine Geldforderung ist, so hat er für die ordnungsmäßige Einziehung zu sorgen. Sofern er dies unterläßt, hat er dem Gläubiger für den hierdurch entstehenden Schaden aufzukommen. Von der Ein­ ziehung hat er den Gläubiger unverzüglich zu benachrichtigen, sofern nicht die Benachrichtigung untunlich ist, z. B. weil der Aufenthalt des Gläubigers unbekannt ist (§ 1285 Abs. 2). Leistet der Schuldner in Gemäßheit der oben Wirkung der dargestellten Bestimmungen, so erwirbt mit berben'snttföuibLeistung der Gläubiger den geleisteten Gegenstand, der Pfandgläubiger aber kraft Gesetzes ein Pfand62*

980

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

recht an demselben (§ 1287). Besteht die Leistung in der Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke, so erwirbt der Psandgläubiger eine Sicherungshypothek an demselben. Da die Hypothek kraft Gesetzes entsteht, so ist ihre Eintragung in das Grundbuch zwar nicht erforderlich, aber zulässig, und zwar auch dann, wenn die Forderung weniger als 300 Jto beträgt; die Vorschrift des § 866 CPO findet keine Anwen­ dung. Dagegen ist die Eintragung der Hypothek zu ihrer Er­ haltung gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs notwendig. Würde nämlich der Eigentümer das Grundstück mit weiteren Hypotheken belasten, so erhielten diese, obwohl sie später erst entstanden sind, gleichwohl den Rang vor dieser Sicherungshypothek; denn das Rangverhältnis mehrerer Hypo­ theken bestimmt sich nach der Reihenfolge der Eintragungen (§ 879). Würde aber der Eigentümer das Grundstück an einen Dritten veräußern; der von dem Bestehen der nichteingetragenen Sicherungshypothek keine Kenntnis hat, so würde sie er­ löschen. Besondere Bestimmungen trifft das BGB für den Fall, daß die Leistung in einer Geldforderung besteht. Wird eine Geldforderung von dem Pfandgläubiger und dem Gläubiger gemeinschaftlich, bezw. bei gegenteiliger Verein­ barung auch von einem von ihnen allein, eingezogen, so sind der Pfandgläubiger und der Gläubiger einander verpflichtet, dazu mitzuwirken, daß der eingezogene Betrag, soweit es ohne Beeinträchtigung des Interesses des Pfandgläubigers tunlich ist, nach den für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vor­ schriften verzinslich angelegt und gleichzeitig dem Gläubiger das Pfandrecht bestellt wird. Die Art der Anlegung bestimmt der Gläubiger, nicht der Pfandgläubiger. Erfolgt die Ein­ ziehung, weil die Forderung des Gläubigers fällig und eine Geldforderung ist, durch Leistung an den Pfandgläubiger, so gilt die Forderung des Pfandgläubigers, soweit ihm der ein­ gezogene Betrag zu seiner Befriedigung gebührt, als von dem Gläubiger berichtigt (§1288). Auf diesen geht daher, sofern er nicht selbst der persönliche Schuldner des Pfandgläubigers ist, dessen Forderung gegen den persönlichen Schuldner über. Hat z'. B. A eine ihm gegen B zustehende Darlehensforderung von 100 Jto dem C zur Sicherheit für eine Kaufpreisschuld des D von ebenfalls 100 Jfa verpfändet, und bezahlt B die von ihm geschuldeten 100 an C, so geht die Kaufpreis­ forderung des C gegen den D auf A über und A kann nun auf Grund dieser Forderung den D auf Ersatz belangen, falls nicht etwa die Pfandbestellung in Schenkungsabsicht erfolgte. Endlich fragt es sich noch, wer zur Einziehung berechtigt ist, wenn ein und dieselbe Forderung mehreren Personen ver­ pfändet ist. In dieser Hinsicht bestimmt das BGB, daß zur

Pfandrecht an Wechseln und anderen Orderpapieren.

981

Einziehung nur derjenige Pfandgläubiger befugt ist, dessen Pfandrecht den übrigen im Range vorgeht (§ 1290).

§ 300.

Pfandrecht an Wechseln vnd anderen Orderpapieren.

An Wechseln und anderen Papieren, die durch Indossa­ ment übertragen werden können, entsteht ein Pfandrecht ent­ weder durch Pfändung oder durch Rechtsgeschäft. Die Pfändung wird dadurch bewirkt, daß der Gerichts­ vollzieher das Papier in Besitz nimmt (§ 831 CPO). Eines Pfändungsbeschlusses bedarf es nicht. Wohl aber ist ein Ge­ richtsbeschluß erforderlich, wenn der Gläubiger den Wechsel durch Einziehung, Versteigerung rc. verwerten will. Zur rechtsgeschäftlichen Bestellung des Pfand­ rechts genügt die Einigung des Gläubigers und des Pfandgläu­ bigers über die Entstehung des Pfandrechts und die Übergabe des indossierten Papiers (§ 1292). Ob die Einigung der Übergabe vorausgeht oder nachfolgt, ist belanglos. Das zum Zwecke der Verpfändung auf den Wechsel zu setzende Indossa­ ment unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Indossamente in keiner Weise; Zusätze, wie daß die Indossierung nur zwecks Verpfändung erfolge, sind unzulässig. Das Indossament kann sowohl ein gewöhnliches Indossament als auch ein Blanko­ indossament sein. Die Indossierung auf den Pfandgläubiger kann unterbleiben, wenn der Verpfänder das Papier selbst nur durch Blankoindossament erworben hat; in diesem Falle genügt die Einigung und die Übergabe des mit dem Blankoindossament versehenen Papiers. Ein bloßes Prokuraindossament (Art. 17 WO) genügt jedoch nicht. Als selbstverständlich wird voraus­ gesetzt, daß der Verpfänder, sofern er nicht der Remittent ist, durch eine zusammenhängende, bis auf ihn heruntergehende Reihe von Indossamenten als Eigentümer des Wechsels legiti­ miert ist (Art. 36 WO). Fehlt diese Legitimation, so kann ein gültiges Pfandrecht an dem Papier nicht entstehen. Bei solcher Pfandrechtsbestellung ist der Pfandgläubiger nach außen zwar legitimiert wie ein gewöhnlicher Indossatar; gleichwohl erwirbt er nicht, wie dieser, das Eigentum an dem Wechsel, sondern nur ein Pfandrecht; denn die Einigung ist nicht auf Übertragung des Eigentums, sondern nur auf Be­ stellung eines Pfandrechts an dem Papier gerichtet; Eigen­ tümer des Papiers bleibt daher der Verpfänder. Die Einigung des Gläubigers und des Pfandgläubigers über die Bestellung des Pfandrechts, verbunden mit der Über­ gabe des indossierten Papiers, bildet aber nur das Minimum dessen, was das Gesetz zur Entstehung des Pfandrechts fordert. Die Bestellung des Pfandrechts kann daher auch unter Be-

982

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

obachtung der gewöhnlichen Vorschriften über die Bestellung des Pfandrechts an Forderungen erfolgen. Der Pfandgläubiger eines Wechsels oder eines anderen Papiers, das durch Indossament übertragen werden kann, ist, auch wenn seine Forderung noch nicht fällig oder noch nicht in eine Geldforderung übergegangen ist, gleichwohl zur Ein­ ziehung und, falls eine Kündigung erforderlich ist, auch zur Kündigung berechtigt und kann der Schuldner nur an ihn leisten (§ 1294). Aus diesen Gründen ist der Pfandgläubiger aber auch verpflichtet, für die ordnungsmäßige Einziehung zu sorgen und von der Einziehung, falls dies nicht untunlich ist, den Gläubiger zu benachrichtigen. Erfolgt die Einziehung, nachdem die Forderung des Pfand­ gläubigers fällig, bezw. in eine Geldforderung übergegangen ist, so gilt diese, soweit dem Pfandgläubiger der eingezogene Betrag gebührt, als von dem Gläubiger berichtigt. Anderenfalls ist dieselbe, soweit es ohne Beeinträchtigung des Interesses des Pfandgläubigers tunlich ist, nach den für die Anlegung von Mündelgeldern geltenden Vorschriften verzinslich anzulegen und dem Pfandgläubiger das Pfandrecht daran zu bestellen. Es gelten daher in dieser Hinsicht die gleichen Vorschriften, wie wenn eine gewöhnliche Äeldforderung, die verpfändet ist, eingezogen wird. Endlich ist der Pfandgläubiger, falls das durch Indossa­ ment übertragbare Papier einen Börsen- oder Marktpreis hat, berechtigt, den Verkauf des Papieres aus freier Hand durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handels­ mäkler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person zum laufenden Preise zu bewirken (§ 1295). Dieses Recht steht dem Pfandgläubiger jedoch nur, aber dann auch sofort zu, sobald seine Forderung fällig und in eine Geldforde­ rung übergegangen ist, ohne daß er erst noch den sonstigen Vorschriften über den Pfandverkauf, wie Androhung des Pfand­ verkaufs, Ablauf der einmonatlichen Frist u. s. w. zu genügen bräuchte. Diesen Weg wird er zweckmäßig dann einschlagen, wenn seine Forderung früher als die verpfändete Forderung fällig wird. § 301.

Pfandrecht an Jnhaberpapieren.

Soweit ein Pfandrecht an einem Jnhaberpapiere in Frage über das Wand, steht, unterscheidet das BGB nicht zwischen Schuldverschrei“$ett°n®od£n8= 6ungen auf den Inhaber und den sonstigen Jnhaberpapieren, wie z. B. Aktien, die auf den Inhaber lauten. In Ansehung des Pfandrechts werden solche Papiere wie bewegliche Sachen behandelt. Demgemäß bestimmt § 1293, daß für das Pfand-

Pfandrecht an Jnhaberpapieren.

983

recht an einem Jnhaberpapier die Vorschriften über das Pfand­ recht an beweglichen Sachen Anwendung finden. Daher erfolgt z. B. die Bestellung des Pfandrechts an einem Jnhaberpapier dadurch, daß der Eigentümer das Papier dem Gläubiger übergibt, und beide darüber einig sind, daß dem Gläubiger das Pfandrecht zustehen soll. Die Ersetzung der Übergabe des im mittelbaren Besitze des Eigentümers stehenden Papieres durch Einräumung des mittelbaren Besitzes und An­ zeige der Verpfändung an den unmittelbaren Besitzer durch den Eigentümer, sowie durch Einräumung des Mitbesitzes werden besonders bei der Bestellung des Pfandrechts an Jn­ haberpapieren gerne gewählt werden, da bei der leichten Veräußerlichkeit der Jnhaberpapiere die Gefahr, daß der Pfand­ gläubiger, der sich im Alleinbesitze des Papieres befindet, das­ selbe unredlicherweise veräußere oder weiterverpfände, in vielen Fällen nicht zu unterschätzen ist. Dieser Gefahr kann aber da­ durch vorgebeugt werden, daß die Übergabe in der genannten Weise ersetzt wird (vgl. S. 935 f.). Ferner mag hier daran erinnert werden, daß für den gutgläubigen Pfandgläubiger auch an gestohlenen, verloren gegangenen oder sonst abhanden gekommenen Jnhaberpapieren ein wirksames Pfandrecht ent­ steht (vergl. S. 937). Endlich mag noch auf die besonderen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs hingewiesen werden, welche einerseits die Entstehung des Pfandrechts für den gut­ gläubigen Pfandgläubiger erleichtern, wenn die Verpfändung von einem Kaufmann im Betriebe feines Handelsgewerbes er­ folgt, andererseits aber auch die Entstehung des Pfandrechts an Jnhaberpapieren erschweren, wenn dieselben an einen Kauf­ mann, der Bankier- oder Geldwechslergeschäfte betreibt, ver­ pfändet werdön (vergl. S. 937 f.). Besondere, von den Vorschriften über das Besonder-B»rPfandrecht an beweglichen Sachen abweichende Be- Pfandrecht on* stimmungen gelten für das Pfandrecht an'Jnhaberpapieren Api-ren. ' in folgenden beiden Fällen: a) Ist nämlich ein Jnhaberpapier Gegenstand des Pfand­ rechts, so ist der Pfandgläubiger, falls eine Kündigung er­ forderlich ist, zur Kündigung und außerdem zur Ein­ ziehung auch dann berechtigt, wenn seine Forderung noch nicht fällig und noch nicht in eine Geldforderung übergegangen ist Ebenso kann der Schuldner, auch wenn diese Voraus­ setzungen noch nicht eingetreten sind, nur an den Pfandgläu­ biger leisten (§ 1294). b) Ferner erstreckt sich das Pfandrecht an einem Inhaber­ papier auf die zu dem Papier gehörenden Zins-, Renten­ oder Gewinnanteilscheine nur dann, wenn sie dem Pfandgläubiger übergeben sind. Nichtübergebene Scheine gelten daher nicht als mitverpfändet. Aber auch wenn solche Scheine

984

Pfandrecht an beweglichen Sachen und Rechten.

übergeben wurden, kann der Verpfänder, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, von dem Pfandgläubiger die Herausgabe der Scheine verlangen, soweit sie fällig werden, bevor die Forde­ rung des Pfandgläubigers fällig und in eine Geldforderung übergegangen ist (§ 1296). Hat z. B. A dem B für eine am 1. Oktober fällig werdende Darlehensforderung einen auf den Inhaber lautenden Pfandbrief verpfändet und nebst den zu­ gehörigen Zinskoupons übergeben, so kann er die Herausgabe der bis 1. Oktober fällig werdenden Zinskoupons verlangen.