Darstellende Geometrie. Band 1 Die wichtigsten Darstellungsmethoden: Grund- und Aufriss ebenflächiger Körper [3., durchges. und erg. Aufl. Reprint 2019] 9783111719719, 9783111214146


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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden
II. Punkte, Geraden, Ebenen
III. Schnittkonstruktionen von Ebenen und Geraden
IV. Ebenflächige Körper
V. Affinität
Front matter 2
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Darstellende Geometrie. Band 1 Die wichtigsten Darstellungsmethoden: Grund- und Aufriss ebenflächiger Körper [3., durchges. und erg. Aufl. Reprint 2019]
 9783111719719, 9783111214146

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SAMMLUNG

GÖSCHEN

BAND

142

DARSTELLENDE GEOMETRIE i

DIE WICHTIGSTEN

DARSTELLUNGSMETHODEN

GRUND- UND AUFRISS E B E N F L Ä C H I G E R K Ö R P E R von

DR. W O L F G A N G

HAACK

o. Professor an der Technischen Universität Berlin

Dritte, durchgesehene und ergänzte Auflage Mit 120 Abbildungen

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

BERLIN

1960

© Copyright I 9 6 0 by Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35, Genthiner Str. 13. Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. — Archiv-Nr. 110142. Druck: Thormann & Goetsch, B e r l i n - N e u k ö l l n . — Printed in Germany.

Inhaltsverzeichnis Seite

Einleitung I. Die w i c h t i g s t e n D a r s t e l l u n g s m e t h o d e n . . . . 1. Zentralprojektion 2. Parallelprojektion 3. Senkrechte Parallelprojektion 4. Grund- und Aufriß einfacher Körper 5. Anwendungsgebiete der verschiedenen Darstellungsmethoden. Kavalierperspektive 6. Kavalierperspektive eines Rohrstückes 7. Axonometrische Darstellungen II. P u n k t e , Geraden, E b e n e n 8. 9. 10. 11. 12. 13.

5 10 11 14 17 20 23 27 28 30

Die vier Quadranten, Medianebenen Gerade Linien, Strecken Mongesche Drehkonstruktion Umlegung des Stützdreiecks Spurendarstellung der Ebene Geraden und Punkte einer Ebene, die durch die Spuren gegeben ist 14. Ebene, gegeben durch drei Punkte 15. Wahre Gestalt einer ebenen Figur

46 52 57

III. S c h n i t t k o n s t r u k t i o n e n v o n E b e n e n u n d Geraden

61

16. 17. 18. 19. 20.

Schnittpunkt von Ebene und Gerade Schnittgerade zweier Ebenen Lot auf eine Ebene Winkel zweier Ebenen Winkel von Gerade und Ebene; kürzester Abstand zweier Geraden 21. Einführung einer neuen Projektionsebene

30 33 37 41 44

61 66 68 70 72 74

4

Inhaltsverzeichnis

IV. E b e n f l ä c h i g e K ö r p e r 22. Schnitte durch einen Balken 23. Ebener Schnitt durch Pyramide; Abwicklung . . . 24. Durchdringung zweier Balken 25. Durchdringung von Pyramide und Prisma V. A f f i n i t ä t 26. Affinität; invariantes Rechtwinkelpaar 27. Ellipse als affines Bild des Kreises 28. Ellipsenkonstruktionen

Seite

78 78 82 86 88

96 96 101 106

Ans dem Inhalt der weiteren Bände: Band II (Samml. G ö s c h e n 143). K ö r p e r m i t k r u m m e n Begrenzungsflächen, Kotierte Projektionen. I. Zylinder, Kegel, Kugel II. Durchdringungen von Zylindern, Kegeln, Kugeln III. Drehflächen und Schraubenflächen IV. Kotierte Projektionen B a n d III (Samml. G ö s c h e n 144). A x o n o m e t r i e u n d P e r spektive. I. Axonometrie II. Grundzüge der ebenen Perspektive III. Elemente der angewandten Perspektive IV. Perspektive von Kreisen V. Schattenkonstruktion der Perspektive

Einleitung Die Versuche des Menschen, Gegenstände seiner Umgebung, also räumliche Objekte, durch ebene oder flächenhafte Darstellungen wiederzugeben, sind so alt wie überhaupt die Kultur. Oft sind Steinzeichnungen die einzigen Zeugen kultureller Betätigung früherer Volksstämme. Sind diese primitiven Zeichnungen zunächst noch wenig entwickelte Ausdrücke eines ästhetisch-künstlerischen Schaffensdranges, aus dem im Laufe der Jahrtausende die Malerei entstanden ist, so findet sich auch schon bald die Zeichnung als praktisches oder technisches Hilfsmittel. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Baukunst entstand das Bedürfnis und allmählich die Notwendigkeit, die Einzelteile des Bauwerkes, z. B. die einzelnen Bausteine, im voraus durch Zeichnungen wiederzugeben. So wird vom Tempelbau zu Jerusalem, den König Salomo etwa 1000 Jahre v. Chr. durch die Tyrier ausführen ließ, im Buch der Könige des alten Testaments (Kap. 6, V. 7) berichtet: „Und da das Haus gesetzet ward, waren die Steine zuvor ganz zugerichtet, daß man keinen Hammer noch Beil noch irgendein Eisenzeug im Bauen hörete." Wir können daraus schließen, daß die Steine schon am Steinbruch formgerecht geschnitten wurden, was nur bei Vorhandensein irgendeiner Art technischer Zeichnung möglich ist. Während hier nur ein Bericht vorliegt, der auf das Vorhandensein von Bauplänen schließen läßt, ist ein einzelnes Dokument in dem m e s o p o t a m i s c h e n B a u p l a n überliefert, dessen Alter auf etwa 4000 Jahre geschätzt wird; es wurde von den Berliner Museen in Bagdad erworben. Nach J. S t u r soll dieser Plan einen einwandfrei kotierten Grundriß im Maßstab 1: 360 darstellen. Die zeichnerische Darstellung räumlicher Objekte entsteht schon von alters her aus zwei verschiedenen Beweggründen, einmal als Selbstzweck k ü n s t l e r i s c h e n S c h a f f e n s , zum anderen als H i l f s m i t t e l des B a u m e i s t e r s . Der Maler

6

Einleitung

wird den räumlichen Gegenstand so darzustellen versuchen, daß der Betrachter des Bildes unmittelbar einen Eindruck gewinnt, der die a n s c h a u l i c h plastische Vorstellung des Gegenstandes hervorruft. Das Bild des Gegenstandes soll möglichst den optischen Eindruck des räumlichen Objektes erwecken. Jedoch wird der wahre Künstler einen Gegenstand seiner Umgebung nicht einfach „abmalen", sondern in dem Kunstwerk sein subjektives Vorstellungsbild des Gegenstandes wiedergeben und dem Betrachter des Bildwerkes übermitteln. Dagegen verfolgt die t e c h n i s c h e Z e i c h n u n g andere Ziele. Durch sie will der Baumeister oder Konstrukteur dem Handwerker die verschiedenen Maße des Bauteiles mitteilen, nach denen das Teilstück hergestellt werden kann. Es kommt daher bei der technischen Zeichnung nicht darauf an, daß sie bei dem Betrachter u n m i t t e l b a r einen anschaulichen Eindruck des Gegenstandes erweckt, sondern daß sie in einfacher Weise ein A b l e s e n der v e r s c h i e d e n e n Maße des O b j e k t e s gestattet. Der Fachmann, der die technische Zeichnung lesen kann, wird auch eine räumliche Vorstellung des Objektes gewinnen; aber diese Vorstellung entsteht nicht unmittelbar aus dem optischen Eindruck der Zeichnung, sondern aus einer gewissen Gedankenarbeit, die mit dem Studium der Zeichnung verbunden ist. Für den Baumeister ist die technische Zeichnung schon von alters her zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel geworden. Er verwendet aber auch die a n s c h a u l i c h e Z e i c h n u n g . Das Bauwerk existiert zunächst nur in der Vorstellung des Meisters; um anderen eine Vorstellung des geplanten Bauwerkes zu übermitteln, braucht er eine Zeichnung, die möglichst denselben Eindruck bei dem Betrachter hervorruft, den das Bauwerk nach seiner Fertigstellung ausüben wird. Wir können sagen, beim Betrachten der Zeichnung soll das Bauwerk in der Phantasie des Beobachters entstehen. Wann in der Geschichte des Bauwesens zuerst Konstruktionszeichnungen oder anschauliche Zeichnungen auftreten, läßt sich nicht genau feststellen. Die Überlieferungen sind

Einleitung

7

recht dürftig. Über die Malerei des g r i e c h i s c h - r ö m i schen A l t e r t u m s geben einige Fresken Auskunft, die bei den Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum gefunden wurden. Sonst ist uns an Zeichnungen, die das Räumliche des Objektes wiederzugeben versuchen, so gut wie nichts überliefert. Dagegen sind Berichte über Malerei sowie vereinzelt auch über technische Zeichnungen erhalten geblieben. Einige Richtlinien über das, was wir heute Perspektive nennen, hat E u k l i d (300 v. Chr.) in seiner Optik zusammengefaßt. Später berichtet Marcus V i t r u v i u s Pollio, Baumeister Julius Cäsars, in dem uns überlieferten Werk über Bauwesen, daß zur Ausführung eines Bauwerkes folgende Baurisse (species) erforderlich sind: „der Grundriß (ichnographia), der Aufriß (orthographiaJ und die Aussicht (scenographia). Der Grundriß ist eine vermittels Zirkel und Lineal nach verjüngtem Maßstabe (modice) verfertigte Zeichnung, welche die Einrichtung der Grundfläche eines Gebäudes zeigt. Der Aufriß aber ist die Abbildung der errichteten Front nach verjüngtem Maßstabe und nach allen Verhältnissen des auszuführenden Gebäudes. Die Aussicht endlich ist der Front und der abgehenden Seiten schattierte Zeichnung (aäumbratio) so, daß alle Linien in einem Augenpunkte (centrum) zusammentreffen." Dieses Zitat aus der Rodeschen Übersetzung von V i t r u v i u s ' Baukunst unterrichtet uns lediglich von der Tatsache, daß solche Zeichnungen zur Ausführung eines Baues hergestellt, ohne jedoch anzudeuten, nach welchen Regeln und Prinzipien die Zeichnungen angefertigt wurden. Der mesopotamische Grundriß und der Grundriß des Klosters St. Gallen aus dem 9. Jahrhundert sind die bekanntesten uns erhaltenen Pläne. Es liegt keineswegs in unserer Absicht, hier einen vollständigen Ü b e r b l i c k ü b e r die h i s t o r i s c h e E n t w i c k l u n g des anschaulichen bzw. technischen Zeichnungswesens zu geben. Wir wollen darauf hinweisen, daß die Zeichnung Hilfsmittel des Ingenieurs ist, seitdem das Bauwesen die primitivsten Anfänge verlassen hat. Noch viele Jahrhunderte sollten jedoch vergehen, bis aus den handwerklichen technischen Zeichnungen die D a r s t e l l e n d e G e o m e t r i e ent-

8

Einleitung

stand. Wir müssen annehmen, daß begabte Meister gewisse Verfahren und Regeln zur Anfertigung der Zeichnung erfanden und sie als Berufsgeheimnis bewahrten oder ihren Schülern überlieferten. Später waren sie in den Zünften und Innungen verbreitet, aber auch gehütet. Es handelte sich dabei keineswegs um systematische Methoden, die geometrisch, also mathematisch begründet waren, sondern vielmehr um Regeln, die sich aus Praxis und Erfahrung ergeben hatten. Nach der Erfindung des Buchdrucks erschienen seit dem 16. Jahrhundert Veröffentlichungen, die über die Konstruktionen insbesondere des Steinschnitts berichten, ohne allerdings den Versuch zu machen, die Richtigkeit der Konstruktion zu begründen. Auch das Werk A l b r e c h t D ü r e r s (1471—1528), Unterweisung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheit in Linien, Ebenen und ganzen Körpern 15251), ist von exakter Methode und strenger Begründung noch weit entfernt. Aber es zeugt von tiefem geometrischem Verständnis und einer hochentwickelten Vorstellungsgabe. Der zweite Teil des Dürerschen Buches, dessen Lektüre auch heute noch reizvoll und fesselnd ist, behandelt im Zweitafelverfahren die Kegelschnitte und gibt eine Einführung in die Perspektive. Wichtige Fortschritte in Richtung geometrischer Begründung verdankt man G i r a r d D e s a r g u e s (1593—1662), dessen Schüler Bosse ein Buch über Steinschnitt veröffentlichte. Es entstand ein langer Streit zwischen D e s a r g u e s , als geistigem Vater des Bosseschen Werkes, und den Praktikern, welche „die geometrische Auffassung zugunsten der handwerklichen, wenn auch nachweislich nicht selten irrigen Übung bekämpften". Als V a t e r der D a r s t e l l e n d e n G e o m e t r i e pflegt man G a s p a r d Monge (1746—1818) zu bezeichnen. An der 1795 unter wesentlicher Mitwirkung von Monge gegründeten É c o l e p o l y t e c h n i q u e in Paris las Monge seit 1795 seine „Leçons de géométrie descriptive''''. Sie wurden als Nachschriften in Bd. I—IV des Journal des écoles normales veröffentlicht. Die in Jahrhunderten entwickelten handwerk*) Herausgegeben von A. P e l t z e r Uflnchen 1908.

mit Vorwort von Hans

Thoma,

Einleitung

9

liehen Verfahren des technischen Zeichnens erscheinen hier in systematischer Methodik und einwandfreier Begründung als Zweig der Geometrie. Seitdem behandelt die Darstellende Geometrie die verschiedenen Methoden, die eine Darstellung räumlicher Gebilde durch ebene Abbildungen ermöglichen. Sie entwickelt Projektionsverfahren, die als Grundlage technischer Zeichnungen ein müheloses Ablesen der Längenmaße der Gegenstände gestatten, aber auch solche, die unmittelbar ein anschauliches Bild des Gegenstandes vermitteln. Es ist nicht Aufgabe der Darstellenden Geometrie, eine Einführung in das T e c h n i s c h e Z e i c h n e n z u g e b e n , sondern sie ist die geometrische Grundlage für das Technische Zeichnen. Die Darstellende Geometrie lehrt Abbildungsverfahren, die räumliche Objekte durch ebene Zeichnungen wiedergeben, und zwar in einer Art, die dem jeweiligen Zweck angemessen ist; sie lehrt ferner die Lösung räumlich geometrischer Aufgaben durch ebene Konstruktionen. Die technische Zeichnung dagegen ist eine Anwendung der Darstellenden Geometrie auf die Bedürfnisse des Ingenieurs. Hier sind neben den rein geometrischen Aufgaben zahlreiche technische Dinge von Bedeutung, wie zum Beispiel eine einheitliche Bezeichnungsweise oder schematische, abgekürzte Wiedergabe allgemein üblicher Einzelteile (etwa Schrauben) und schließlich Angaben über das Material des Gegenstandes und anderes mehr. Wenn sich die Darstellende Geometrie selbst nicht mit technischen Dingen befaßt, so empfiehlt sich doch eingedenk des historischen Werdeganges, beim Aufbau der Darstellenden Geometrie stets ihre A n w e n d u n g in der t e c h n i s c h e n Z e i c h n u n g im Auge zu behalten und vornehmlich diejenigen geometrischen Zusammenhänge zu behandeln, die der Ingenieur braucht oder gebrauchen kann. Der einleitende historische Überblick zeigt uns, daß Darstellende Geometrie unter v e r s c h i e d e n e n G e s i c h t s p u n k t e n behandelt werden kann, von denen wir drei hervorheben. Als Zweig w i s s e n s c h a f t l i c h e r E r k e n n t -

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I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

n i s beschäftigt sich die Darstellende Geometrie mit den mathematisch-geometrischen Gesetzen und Relationen der Abbildungen mehrdimensionaler Mannigfaltigkeiten auf die Ebene unter Verwendung zeichnerischer Hilfsmittel ohne Rücksicht auf irgendwelche Anwendungszwecke. Als Z w e i g d e r a n g e w a n d t e n M a t h e m a t i k kann sie entweder die A n s c h a u l i c h k e i t oder die M a ß ü b e r m i t t l u n g des dargestellten Körpers in den Vordergrund stellen. Dadurch ergibt sich eine natürliche Gliederung des Stoffes. Band I und I I werden vornehmlich die Darstellungsmethoden behandeln, die die Maße der dargestellten Körper wiedergeben, während im dritten Band die unmittelbare Anschaulichkeit der Zeichnung hervorgehoben wird. In der Ableitung und Begründung der verschiedenen Konstruktionsmethoden liegt der Zusammenhang mit den rein-mathematischen Ergebnissen.

I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden Die Grundelemente des Raumes sind Punkte, Geraden und Ebenen. Ihre gegenseitigen Beziehungen werden durch die Axiome der Geometrie festgelegt, auf die sich das Gebäude der Geometrie aufbaut. Unter einer A b b i l d u n g d e s R a u m e s auf e i n e E b e n e n versteht man meist eine Vorschrift, die jedem Punkt P des Raumes (bis auf gewisse Ausnahmen) einen bestimmten P u n k t P der Ebene n zuordnet. Der P u n k t P heißt das Bild des Punktes P und die Ebenem die Bildebene. In der Mathematik gibt es noch allgemeinere Abbildungen, bei denen etwa jedem P u n k t des Raumes eine Gerade oder auch ein Kreis der Ebene zugeordnet wird; doch wollen wir uns auf die Punktzuordnungen beschränken. Selbst diese sind nach der obigen Definition noch so allgemeiner Natur, daß ihr Studium weit über den Rahmen einer Darstellenden Geometrie hinausgeht. Durch die praktischen Anwendungen ist die zusätzliche Forderung bedingt, d a ß bei der A b b i l d u n g j e d e r G e r a d e n des R a u m e s , bis auf unvermeidliche Ausnahmen, s t e t s e i n e G e r a d e

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1. Zentralprojektion

in der B i l d e b e n e z u g e o r d n e t wird. Diese Forderung schränkt die Mannigfaltigkeit der Abbildungen derart ein, daß sie sich, wie man in der Mathematik zeigt, auf die Zentral- und Parallelprojektionen zurückführen lassen. In diesem Kapitel wollen wir zunächst das Prinzip und einige Grundsätze dieser Abbildungsverfahren beschreiben. 1. Zentralprojektion Im Raum sei fest gegeben die Bildebenen, die wir uns hier zunächst waagerecht vorstellen wollen, und ein fester Punkt 0, den wir das Projektionszentrum oder auch das Auge (oculus) nennen (Bild 1). Das Lot von 0 auf die Bildebene n trifft diese im Hauptpunkt H. Ist P ein beliebiger, von 0

p'p

Bild 1. Zentralprojektion des Punktes P vom Zentrum 0 auf die Ebene n

verschiedener Punkt des Raumes, so soll ihm als Bildpunkt der Schnittpunkt P der Geraden P 0 mit der Bildebene n zugeordnet werden. Man sagt: Der Punkt P ist die P r o j e k t i o n d e s P u n k t e s P v o m Z e n t r u m ö a u f die B i l d e b e n e 7i. Die Gerade 0 P ist der Projektionsstrahl des Punktes P. Die Abbildung heißt die Zentralprojektion des Raumes auf die Ebene n mit dem Zentrum 0. Sie steht in enger Beziehung zum S e h v o r g a n g , bei dem die Punkte des (sichtbaren) Raumes auf die Netzhaut des Auges abgebildet werden. Der optische Mittelpunkt der Augenlinse ist Projektionszentrum. Umgekehrt geht die Bezeichnung des Zentrums als „Auge" oder 0 = oculus auf diesen Zusammenhang zurück. Schon daraus kann man schließen, daß unter gewissen Voraussetzungen die Zentralprojektion als Grundlage für die Herstellung anschaulicher Bilder dienen kann. Sie wird eingehend erst im Band I I I behandelt. Hier erwähnen wir nur einige grundsätzliche Fragen.

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I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

B e s i t z t j e d e r P u n k t des R a u m e s bei der Z e n t r a l p r o j e k t i o n einen e i n d e u t i g b e s t i m m t e n B i l d p u n k t ? Das ist sicher nicht der Fall. Denn der Punkt 0 ist ebenfalls ein Punkt des-Raumes; für ihn versagt unser Projektionsverfahren. Aber es gibt noch andere Punkte, für die wir kein Bild angeben können. Ist nämlich Q ein Raumpunkt, dessen Verbindungsgerade 0 Q parallel zur Bildebene n ist, so gibt es keinen Bildpunkt Q; denn die Gerade 0 Q schneidet n in keinem, im Endlichen gelegenen Punkt. Hier liegen die Dinge aber anders als beim Punkt 0. Der Projektionsstrahl 0 Q ist eindeutig bestimmt, während der Punkt 0

Bild 2. Nicht jeder Punkt des Baumes besitzt einen eigentlichen Bildpunkt, z. B. Punkt Q

keinen bestimmten Projektionsstrahl besitzt. Zur Erläuterung betrachten wir eine Anzahl Punkte Plt P2, P3 • • -Q, die auf einer vertikalen Geraden durch Q liegen und sich allmählich dem Punkte Q nähern (Bild 2). Die Bilder Pv P 2 . . . der Punkte Pv P2 • • • wandern in der Bildebene auf einer Geraden immer weiter nach rechts. Je mehr sich P dem Punkt Q nähert, desto weiter ab liegt der Bildpunkt P. Strebt P auf der betrachteten Geraden gegen Q, so bewegt sich sein Bildpunkt P auf der Bildgeraden ins Unendliche. Die Bildgerade ist parallel zum Projektionsstrahl 0 Q. Man kann dem Punkt Q die zum Strahl 0 Q parallele Richtung der Bildebene zuordnen. Es ist in vielen Fällen nützlich, für den Ausdruck „zwei Geraden sind parallel" die Worte „zwei Geraden schneiden sich im Unendlichen oder in einem uneigentlichen Punkt" einzuführen. Anstatt zu sagen „dem

1. Zentralprojektion

13

Punkt Q ordnen wir die zu Q 0 parallele Richtung der Bildebene zu", können wir uns einfacher ausdrücken durch: „Das Bild von Q ist der uneigentliche Punkt Q der Bildebene in Richtung 0 Q u . Mit diesem Ausdruck verbinden wir anschaulich die Vorstellung einer Richtung der Bildebene. Indem wir aber die uneigentlichen Punkte zu den eigentlichen Punkten des Raumes hinzufügen, können wir formal die Ausnahmestellung der Punkte in der Ebene, die durch 0 parallel zur Bildebene geht, beseitigen. Dadurch läßt sich die Zentralprojektion für alle Punkte des Raumes mit Ausnahme des Zentrums 0 eindeutig machen.

o.

Bild 3. Zentralprojektion einer Geraden

Jedoch ist gerade diese Schwierigkeit beim Erreichen der E i n d e u t i g k e i t der Z e n t r a l p r o j e k t i o n der Anlaß dazu, die Zentralprojektion an letzter Stelle zu behandeln. Wir erwähnen sie hier als die allgemeinste Abbildung, von der die folgenden nur Sonderfälle darstellen. Wegen der Allgemeinheit der Zentralprojektion mag sie zur Erklärung einiger, allen Projektionen gemeinsamen Begriffe dienen. Jeder Punkt der Bildebene ist zugleich das B i l d v o n u n e n d l i c h v i e l e n P u n k t e n des R a u m e s . Gehen wir zum Beispiel vom Punkt P des Bildes 1 aus. Jeder Punkt des Raumes, der auf der Geraden PO liegt, besitzt P als Bildpunkt; man sagt dafür auch: Alle Punkte des Raumes die auf dem gleichen P r o j e k t i o n s s t r a h l liegen, haben denselben Bildpunkt. Ist g eine G e r a d e des R a u m e s , die die Bildebene n im Punkt S schneiden möge, so ist ihr Bild im allgemeinen eine Gerade g, die durch S geht. Die Projektionsstrahlen, die 0

14

I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

mit den Punkten von g verbinden, erzeugen eine Ebene. Sie heißt die p r o j i z i e r e n d e E b e n e der Geraden g. Diese projizierende Ebene schneidet n in einer Geraden, der Bildgeraden g von g. Im Bild 3 sind einige Projektionsstrahlen der projizierenden Ebene gezeichnet. Eine besondere Erwähnung verdient der P u n k t S, in dem g die Bildebene schneidet. 8 ist Schnittpunkt von g und g und fällt mit seinem Bildpunkt zusammen. Man nennt 8 den Spurpunkt der Geraden g. Aber nicht alle Geraden des Raumes erscheinen im Bild wieder als Geraden. Eine A u s n a h m e bilden die durch 0 gehenden Geraden, die wir oben Projektionsstrahlen nannten. Da alle Punkte eines Projektionsstrahles den gleichen Bildpunkt haben, entartet das Bild dieser Geraden in einen Punkt.

2. Parallelprojektion In vieler Hinsicht einfacher als die Zentralprojektion ist die Parallelprojektion. Hier ist die Bildebene, die wir wieder 7t nennen, und eine feste Projektionsrichiung r vorgegeben, die nicht zu n parallel sein darf. Das Bild P eines P u n k t e s ? des Raumes entsteht als Schnittpunkt des durch P gehenden,

Bild 4. Parallelprojektion eines P u n k t e s P in der Projektionsrichtung r auf die Bildebene

zur Richtung r parallelen Projektionsstrahles mit der Bildebene. In Bild 4 ist die Projektionsrichtung r durch einen Pfeil angedeutet. Man kann sich leicht vorstellen, wie die P a r a l l e l p r o j e k t i o n als G r e n z f a l l aus der Z e n t r a l p r o j e k t i o n hervorgeht. Läßt man nämlich das Zentrum 0 der Zentralproj ektion in der durch r gegebenen Richtung immer weiter von der Bildebene abrücken, so ergibt sich als Grenzfall, in dem 0 über alle Grenzen entfernt ist („unendlich weit"

2.

Parallelprojektion

15

entfernt ist), die Parallelprojektion mit der Projektionsrichtung r. Daraus folgt aber, daß die im vorigen Abschnitt erläuterten Eigenschaften der Zentralprojektion, soweit sie nicht durch die endliche Lage des Pro j ektionszentrums bedingt sind, auch bei der Parallelprojektion auftreten. Jeder Punkt des Raumes hat einen eindeutig bestimmten Bildpunkt. Der Sonderfall eines uneigentlichen Bildpunktes kann bei der Parallelprojektion nicht auftreten. Alle Punkte eines Projektionsstrahles besitzen den gleichen Bildpunkt. Jede Gerade des Raumes, die nicht zur Projektionsrichtung parallel ist, besitzt als Bild eine Gerade.

Bild 5. Erhaltung der Parallelität bei Parallelprojektionen

Betrachten wir zwei zueinander p a r a l l e l e G e r a d e n des Raumes, gl und g2, und projizieren sie mit der durch r gegebenen Projektionsrichtung auf die Ebene n (Bild 5). Die Projektionsstrahlen durch gx und g2 bilden zwei zueinander parallele Ebenen, die die Bildebene JI in den beiden zueinander parallelen Bildgeraden gx und g2 schneiden. Es gilt daher der wichtige Satz: Parallele Geraden des Raumes gehen bei ParallelprojeUion in parallele Geraden der Bildebene über. Dieser Satz gilt n i c h t für Zentralprojektion, denn bei diesen gehen alle projizierenden Ebenen durch das Zentrum 0, so daß die Projektionsebenen paralleler Geraden nicht zueinander parallel sind, wenn sie nicht zusammenfallen. Aus dem Satz über die Erhaltung der Parallelität können wir schließen, daß bei den Parallelprojektionen nicht nur die Elemente Punkt und Gerade in gleichartige Elemente der Ebene übergeführt werden, sondern daß darüber hinaus noch gewisse Eigenschaften der räumlichen Gebilde erhalten bleiben. Diese werden wir später genauer zu untersuchen haben. Wir wollen hier außer der Parallelität noch eine andere

16

I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

Eigenschaft anführen. Auf einer Geraden g, die nicht zur Projektionsrichtung parallel ist, seien drei Punkte P, Q, R gegeben. Durch Parallelprojektion mögen sie in die Punkte P, Q, R der Bildgeraden gmn übergeführt werden (Bild 6).

Bild 6. Erhaltung des Tellverhältnisses in einer Geraden bei Parallelprojektionen

Die Geraden g und g schneiden sich im Spurpunkt 8. Aus Bild 6 erkennt man sofort, daß die Dreiecke S R R, SQQ und S P P einander ähnlich sind. Daher verhalten sich die Seitenlängen eines Dreiecks wie diejenigen des anderen. Es gilt also die Proportion oder:

8 R:SQ:S PQ-.QR

P = SR:8Q:S =

P

PQ:QR.

Diesen Sachverhalt können wir auch so aussprechen: Der Punkt Q teilt die Strecke P R in demselben Verhältnis wie der Bildpunkt Q die Bildstrecke P R. Daraus folgt der Satz: Die durch eine Anzahl Punkte einer Geraden, die kein Pro-

Bild 7. Figuren, die zur Bildebene parallel Bind, haben kongruente Bilder

jekiionsstrahl ist, gebildeten Streckenverhältnisse Heiben bei Parallelprojektionen erhalten. Diese beiden Sätze sind von grundlegender Bedeutung für die weitere Untersuchung sowie für die Anwendungen der Parallelprojektionen. Die Erhaltung des Streckenverhältnisses bei Parallelprojektionen gibt uns keine Auskunft

3. Senkrechte Parallelprojektion

17

darüber, wie sich die Länge einer einzelnen Strecke bei der Projektion verhält. Einen ersten Anhaltspunkt gibt der folgende Satz: Jede zur Bildebene parallele Strecke erscheint in der Parallelprojektion in gleicher Länge und in gleicher Richtung (Bild 7). Den Beweis dürfen wir wohl als selbstverständlich übergehen. Als Verallgemeinerung folgt der Satz: Die Parallelprojektion einer ebenen Figur, deren Ebene parallel zur Bildebene n ist, ist eine kongruente Figur der Bildebene. Die V e r z e r r u n g , das ist das Verhältnis der Länge einer Strecke zur Länge ihrer Parallelprojektion, hängt von der Richtung der Strecke und von der Projektionsrichtung ab. 3. Senkrechte Parallelprojektion Die L ä n g e n v e r z e r r u n g wird besonders einfach bei der senkrechten Parallelprojektion. Darunter versteht man diejenige Parallelprojektion, deren Projektionsrichtung senkrecht zur Bildebene n ist. Für sie gelten selbstverständlich die im vorigen Abschnitt aufgestellten Sätze. Bild 8 veranschaulicht die senkrechte Projektion einer Strecke A B. B

Bild 8. Senkrechte Projektion einer Strecke

Wir haben die Strecke verlängert bis zu ihrem Schnittpunkt S mit der Bildebene, dem S p u r p u n k t der G e r a d e n A B. Dann ist B S B ein rechtwinkliges Dreieck, in dem SB = SB • cosa ist, wenn x den Neigungswinkel der Geraden gegen die Bildebene bedeutet. Ebenso ist A B = AB • cos x. Um das einzusehen, zieht man durch A eine Parallele zu A B, die den Projektionsstrahl B B in B* trifft. Dann ist A B* = I B und A B* = A B • cos o. 2 H a s c k , Darstellende Geometrie 1

18

I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

Aus der obigen Gleichung erkennen wir, daß die senkrechte Projektion einer Strecke niemals länger sein kann als die Strecke selbst. Ferner hängt die Längenverzerrung nur von der Neigung der Strecke gegen die Bildebene ab. Diese einfachen Beziehungen, die zwischen einer Strecke im Raum und ihrer senkrechten Projektion auf die Ebene bestehen, führen dazu, die senkrechte Projektion immer dann anzuwenden, wenn man aus der Zeichnung die natürlichen Maße des gezeichneten Gegenstandes entnehmen will. Alle t e c h n i s c h e n Zeichnungenwerden in senkrechter Parallelprojektion ausgeführt. Die technische Zeichnung führt zu einer n e u e n P r o b l e m s t e l l u n g . Hatten wir bisher festgestellt, daß- jeder Punkt und jeder Körper des Raumes genau ein Bild besitzt, so wenden wir uns jetzt zur u m g e k e h r t e n F r a g e , nämlich a u s g e h e n d v o n der Z e i c h n u n g , also der Projektion, den r ä u m l i c h e n G e g e n s t a n d zu b e s t i m m e n . Man erkennt sofort, daß das nicht möglich ist. Wenn im Bild 8 lediglich die Strecke Ä B der Ebene n gegeben ist, so ist es unmöglich, allein daraus Länge und Richtung der Strecke A B im Räume zu bestimmen. Die Projektion einer Figur reicht nicht aus, um die Figur selbst zu rekonstruieren. Um umkehrbare Eindeutigkeit zu erreichen, muß man die Zeichnung in geeigneter Weise ergänzen. Hierfür sind zwei V e r f a h r e n gebräuchlich. Das eine besteht darin, daß man zwei s e n k r e c h t e P r o j e k t i o n e n des räumlichen Objektes herstellt. Das andere erreicht die Eindeutigkeit dadurch, daß man an die Bildpunkte Zahlen, sogenannte K o t e n , anschreibt, die angeben, wie weit der zugehörige Raumpunkt von der Bildebene entfernt ist. Welches Verfahren vorzuziehen ist, richtet sich nach dem darzustellenden Objekt und dem Zweck der Zeichnung. Wenden wir uns zum ersten Verfahren, das den Namen Zweitafelverfahren oder Grund- und Aufrißverfahren führt. Die waagerechte Ebene 7iv die Grundrißebene, möge als erste Projektionsebene dienen. Die senkrechte Projektion eines räumlichen Objekts auf nx heißt der Grundriß. Die Projektion des Punktes A auf nx ist der Grundriß von A und wird mit A!

3. Senkrechte Parallelprojektion

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bezeichnet (Bild 9). Gleichzeitig führen wir eine zweite Projektion auf die vertikale ProjektionsebeneTC2, die Aufrißebene, aus und erhalten den Aufriß des Objektes. Die senkrechte Projektion von A auf ist der Aufriß von A und wird mit A" bezeichnet. Die Schnittgerade a der Ebenen nx und 7r2 nennt man die Projektionsachse. Nun ist es aber nicht ratsam, in zwei zueinander senkrechten Ebenen zu zeichnen. Deshalb denkt man die Ebene 7cx um die Achse a gedreht, bis sie mit TC2 zusammenfällt. Bei dieser Drehung kommt der

Grundriß A' senkrecht unter A" zu liegen (Bild 9). Das Ergebnis des Vorganges zeigt Bild 10. Natürlich kann man auch die Aufrißebene in die Grundrißebene umlegen und die Grundrißebene als Zeichenebene deuten. In der Ebene der Zeichnung erscheinen zwei Bildpunkte des Punktes A, deren Verbindungslinie, die sogenannte Ordnungslinie, senkrecht zur Projektionsachse steht. Aus dieser Zeichnung läßt sich die Lage des Punktes A im Räume ablesen. A liegt senkrecht über A' in einer Höhe, die durch die Entfernung des Punktes A" von der Achse a angegeben ist. Im Zweitafelverfahren werden die Punkte des Raumes dargestellt durch geordnete Punhtepaare der Zeichenebene.

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I- Die wichtigsten Darstellungsmethoden

Das Zweitafelverfahren ist die Grundlage der technischen Zeichnung. Seine Behandlung wird den größten Teil des vorliegenden Büchleins einnehmen. Bei dieser ersten Übersicht beschränken wir uns auf die Erklärung des Prinzips und ergänzen sie durch einige Beispiele, die die Darstellung einfacher Körper zeigen. Unsere Aufgabe wird später eine zweifache sein, nämlich zunächst eine rein d a r s t e l l e n d e , bei der es sich lediglich darum handelt, das Bild, also die Grund- und Aufriß-Darstellung, eines gegebenen Körpers zu bestimmen, und zum anderen eine k o n s t r u k t i v e , die uns lehrt, wie räumliche Konstruktionsaufgaben in der Zeichnungsebene ausgeführt werden können. 4. Grund- und Aufriß einfacher Körper Als einfachstes Beispiel wollen wir die P r o j e k t i o n e n eines W ü r f e l s bestimmen, der so auf der Grundrißebene steht, daß zwei Wände zur Aufrißebene parallel sind. Bild 11

Bild 11. Veranschaulichung des Grund- und Aufrisses eines Würfels

Bild 12. Grund- und Aufriß des Würfels

zeigt eine Skizze der Anordnung. Dabei wollen wir schon hier verabreden, daß alle Kanten eines Körpers, die durch andere Körperteile verdeckt sind, punktiert oder gestrichelt gezeichnet werden sollen. Man erkennt sofort, daß der Grundriß des Würfels durch das Quadrat 12 3 4 und der Aufriß durch das Quadrat 148 5 begrenzt wird. Der Grundriß 7' des Punktes 7 fällt mit dem Punkt 3 zusammen.

4. Grund- und Aufriß einfacher Körper

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Der Grundriß des Punktes 3 ist der Punkt 3 selbst, da er von vornherein in der Grundrißebene liegt. Wir lassen daher bei diesem Punkt den Akzent, der die Projektion andeutet, fort. Entsprechendes gilt für die anderen Ecken des Würfels. Im Aufriß fällt 7" zusammen mit 8. Nach Umlegung der Grundrißebene um die Projektionsachse in die Aufrißebene erhalten wir die Z w e i t a f e l p r o j e k t i o n des W ü r f e l s (Bild 12). Es besteht kein Zweifel, daß der unmittelbare optische Eindruck dem Betrachter des Bildes 12 keineswegs die Vorstellung eines Würfels vermittelt. Das Zweitafelverfahren erhebt keinen Anspruch auf Anschaulichkeit. Dagegen ist es für jeden, der die Voraussetzungen kennt, ein Leichtes, aus dem Bild 12 den Würfel maßgetreu zu rekonstruieren.

Bild 13. Veranschaulichung der Zweitafelprojektion einer Pyramide

Bild 14. Grund- und Aufriß der Pyramide

Als z w e i t e s B e i s p i e l wählen wir eine v i e r s e i t i g e P y r a m i d e , die in der Grundrißebene steht. Bild 13 zeigt die Anordnung. Der Grundriß der Pyramide ist das Quadrat 1234 mit den beiden Diagonalen, die die Grundrisse der Pyramidenkanten darstellen. Ihr Schnittpunkt ist der Grundriß T' der Pyramidenspitze T. Der Aufriß wird begrenzt von dem Dreieck 1"=2", T", 3" = 4". Durch Umlegung der Grundrißebene in die Ebene tz2 entsteht das

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I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

Bild 14, welches uns die Zweitafelprojektion der Pyramide zeigt. Die Ordnungslinien, die Grund- und Aufriß eines Punktes verbinden und zur Projektionsachse senkrecht sind, deutet man oft durch dünne gestrichelte (punktierte) Linien an. Betrachtet man Bild 14, so gewinnt man leichter den Eindruck, daß durch die Zeichnung eine Pyramide dargestellt wird, als dies im Bild 12 für den Würfel der Fall war. Aber auch jetzt kann von Anschaulichkeit der Darstellung keine

Bild 15. Veranschaulichung der Zweitafelprojektion eines Zylinders

Rede sein. Aus Bild 14 kann man die Länge der Pyramidenkanten nicht unmittelbar entnehmen. Die Kanten sind gegen beide Projektionsebenen geneigt, so daß die Grundriß- und Aufrißprojektion verkürzt wird. Aber es ist auch hier nicht schwer, auf Grund der Zeichnung 14 den Körper zu rekonstruieren, denn man kennt die Grundfläche und Höhe der Pyramide. Als d r i t t e s u n d l e t z t e s B e i s p i e l betrachten wir einen auf der Grundrißebene stehenden D r e h z y l i n d e r . Den Mantel eines Drehzylinders kann man erzeugen, indem man etwa die Gerade 1 2 (Bild 15) um die Achse des Zylinders rotieren läßt. Die Strecke P Q in Bild 15 zeigt eine Stellung

6. Anwendungsgebiete der verschiedenen Darstellungsmethoden 23 bei dieser Rotation. Der Zylindermantel enthält eine unendliche Schar von Geraden, E r z e u g e n d e oder Mantellinien, die von P Q bei der Rotation durchlaufen werden. Jede Erzeugende ist senkrecht zur Grundrißebene; ihr Grundriß ist somit ein Punkt. Z. B.: der Grundriß der Mantellinie P Q ist der Punkt P. Daher fallen die Grundrisse aller Punkte des Zylindermantels in den Grundkreis des Zylinders. Der Grundriß des Zylinders ist ein Kreis. Der Aufriß jeder Mantellinie ist eine vertikale Gerade der Aufrißebene. Würde man alle Mantellinien in die Aufrißebene projizieren, so würden die Projektionen das Innere des Rechtecks 1" 2" 3" 4" doppelt dicht überdecken. In der Zeichnung gibt man jedoch nur die Projektion der beiden äußersten .Mantellinien 1 2 und 3 4 an, die zusammen mit der Projektion der Deck- und Bodenfläche den Bild 16. Umriß des Körpers in der Aufrißprojektion bilden. Die pro- Grund- und Aufriß des Zylinders jizierenden Ebenen der U m r i ß m a n t e l l i n i e n berühren den Zylinder. Nach Umlegung der Grundrißebene um die Projektionsachse entsteht die Zweitafelprojektion des Zylinders, wie sie Bild 16 zeigt. 5. Anwendungsgebiete der verschiedenen Darstellungsmethoden Kavalierperspektive Die im letzten Abschnitt behandelten Beispiele zur Zweitafelprojektion einiger Körper haben gezeigt, daß das Zweitafelverfahren besonders geeignet ist, wenn es gilt, aus der Zeichnung den dargestellten Körper zu rekonstruieren oder auf Grund der Zeichnung den Körper zu fertigen. Gerade das

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I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

ist aber die Aufgabe der technischen Zeichnung, die sich deshalb fast ausschließlich des Zweitafelverfahrens bedient. Andererseits führten die Beispiele zu wenig anschaulichen Bildern. Die H e r s t e l l u n g a n s c h a u l i c h e r B i l d e r ist das Anwendungsgebiet der Zentralprojektion, aber mit gewissen Einschränkungen auch der schiefen oder senkrechten Parallelprojektion. Die Möglichkeit, mit Hilfe der Zentralprojektion anschauliche Bilder räumlicher Objekte zu gewinnen, ist jedem aus der P h o t o g r a p h i e bekannt. Ein photographischer Apparat mit gut zeichnendem Objektiv gibt eine Zentralprojektion des Objektes, dabei ist der optische Mittelpunkt des Objektivs das Projektionszentrum und die Schichtseite der photographischen Platte die Bildebene (Näheres siehe Bd. III). Für k l e i n e r e O b j e k t e kann auch die Parallelprojektion anschauliche Bilder ergeben. Sie ist wohl das verbreitetste Hilfsmittel zum EntBild 17. Skizzen. Zur Erläuterung der Kava- werfen a n s c h a u l i c h e r llerperspektlve als schiefer Alle unsere Abbildungen, die die Parallelprojektion räumlichen Anordnungen veranschaulichen, sind als schiefe Parallelprojektionen gezeichnet. Wir wollen deshalb hier kurz erläutern, nach welchen Regeln solche Skizzen zu zeichnen sind. Als Beispiel diene eine s c h i e f e P a r a l l e l p r o j e k t i o n eines Würfels. Bild-17 zeigt eine Skizze, in der die Bildebene n und ein an der Ebene befestigter Würfel dargestellt ist. Die Ecken des Würfels haben wir mit Ziffern bezeichnet. Die P r o j e k t i o n s r i c h t u n g für die schiefe Parallelprojektion können wir willkürlich wählen. Angenommen, sie sei durch den Pfeil r gegeben, dann ergibt sich das Bild der Ecke 1, indem

6. Anwendungsgebiete der verschiedenen Darstellungsmethoden 25 wir durch den Punkt 1 die Parallele zu r ziehen und mit der Bildebene zum Schnitt bringen. Das Bild des Punktes 1 bezeichnen wir mit 1. Das Bild der Würfelkante 5 1 ist die Strecke 5 1 in der Ebenem. Man erkennt aus Bild 17, daß die Bildstrecke 5 2 je nach Wahl der Projektionsrichtung sehr verschieden ausfallen kann. Unser Ziel ist, die Projektionsrichtung r so zu wählen, daß schließlich ein a n s c h a u l i c h e s B i l d des W ü r f e l s in der Ebene n entsteht, und daß außerdem das Bild möglichst mühelos gezeichnet werden kann. Die Richtung r wird gewöhnlich so angenommen, daß die Strecke 51 mit der Würfelkante 5 6

Bild 18. Kavalierperspektive eines Würfels

Bild 19. Unterscheidung sichtbarer und unsichtbarer Kanten

einen Winkel von 45° einschließt, und daß die Länge der Kante 5 1 bei der Projektion auf die Hälfte verkürzt wird, also 57 = y2J51). Das Bild 6 2 der Würfelkante 62 kann als Schnitt des Projektionsstrahles durch die Ecke 2 mitn gefunden werden; man kann es jedoch auch unmittelbar zeichnen auf Grund des Satzes, daß parallele Geraden des' Raumes parallele Bilder besitzen. Es ist also 6 2 parallel zu 51 und 1 2 parallel zu 5 6. Nach dieser Vorbereitung können wir das Bild des Würfels in der Ebenem konstruieren (Bild 18). Wir lassen die Ebenen mit unserer Zeichnungsebene zusammenfallen und zeichnen zunächst das Quadrat 5 67 8, das in der Ebene n liegt. Durch jede Ecke ziehen wir eine unter 45° geneigte Gerade und tragen darauf die halbe Kantenlänge ab. Damit ergeben

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I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

sich die Bildpunkte 1 2 3 4. Das Viereck 12 3 4 muß ein Quadrat sein, denn wir wissen, daß jede ebene Figur, die zur Bildebene parallel ist, bei Parallelprojektion ein kongruentes Bild besitzt. Um das Bild anschaulicher zu machen, betrachten wir die P r o j e k t i o n s s t r a h l e n als S e h s t r a h l e n und ziehen nur diejenigen Kanten aus, die s i c h t b a r sind, während wir diejenigen, die durch andere Teile des Körpers verdeckt werden, gestrichelt wiedergeben. Dadurch entsteht Bild 19. Das hier durchgeführte Pro-

T

4

Bild 20. Kavalierperspektive der Pyramide

jektionsverfahren trägt den Namen „Kavalierperspektive". Es wird meist so schematisch ausgeführt, daß sich der Zeichner gar nicht mehr der Tatsache einer Projektion bewußt ist. Dabei gilt die Regel: Die zur Bildebene parallelen Strecken des Objektes zeichnet man in wahrer Größe und Richtung, die zur Bildebene senkrechten Strecken unter 45° geneigt und auf die Hälfte verkürzt. Oft ist es erforderlich, von einem Gegenstand, der durch eine Grund- und Aufrißzeichnung gegeben ist, eine K a v ali e r p e r s p e k t i v e zu entwerfen. Wir wollen das Verfahren an der Pyramide erläutern, die durch Bild 14 gegeben ist. Die Bildebene der Kavalierperspektive möge mit der Aufrißebene von Bild 14 zusammenfallen. Wir zeichnen zuerst die Strecke 1 4 in wahrer Länge (Bild 20). Durch die Endpunkte zeichnen wir unter 45° die Kanten 1 2 und 3 4 in halber Länge. Die Gerade 2 3 und die Diagonalen 1 3 und 2 4 vervollständigen die Kavalierperspektive des Grundrisses. Es ist stets empfehlenswert, zuerst das Perspektive Bild des Grundrisses des Körpers zu konstruieren und darauf das weitere Bild aufzubauen. In unserem Beispiel

6. Kavalierperspektive eines Rohrstückes

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ist dies besonders einfach. Die Spitze der Pyramide liegt senkrecht über dem Diagonalenschnittpunkt T'. Durch T' ziehen wir die Vertikale und tragen die wahre Länge der Pyramidenhöhe darauf ab, die wir aus dem Aufriß von Bild 14 entnehmen. Markieren wir schließlich noch die S i c h t b a r k e i t der einzelnen Kanten, dann ist die Kavalierperspektive der Pyramide vollendet. Wenn hier die Kavalierperspektive zur Veranschaulichung räumlicher Anordnungen herangezogen wird, so geschieht es nicht etwa, weil sie die beste und unser Empfinden befriedigendste Methode ist, sondern weil sie sich am leichtesten erklären und ausführen läßt. Der Name stammt wohl aus dem mittelalterlichen Festungsbau. 6. Kavalierperspektive eines Rohrstückes Das Konstruktionsverfahren der Kavalierperspektive soll noch an einem zweiten Beispiel vorgeführt werden. Es sei der Grund- und Aufriß eines zylindrischen Rohrstücks gegeben (Bild 21), das so auf der Grundrißebene liegt, daß die Zylinderachse senkrecht zur Aufrißebene steht. Die Ausführung des Grund- und Aufrisses geschieht in derselben

Bild 22. Kavalierperspektive des Rohrstückes

Bild 21. Grund- und Aufriß eines Bohrstückes

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I. Die wichtigsten Darstellungsmethoden

Weise, wie es in 4 an Hand von Bild 16 erklärt wurde. Der äußere Mantel des Rohrstückes ist ein Drehzylinder, der im Grundriß als Rechteck und im Aufriß als Kreis erscheint. Es ist hier umgekehrt wie im Bild 16. Dort stand der Zylinder auf der Grundrißebene, hier liegt er in dieser Ebene. Das gleiche gilt für den inneren Mantel des Rohres. Jedoch ist dessen Umriß durch den äußeren Mantel verdeckt, daher unsichtbar und gestrichelt zu zeichnen. Die Zweitafelprojektion des Rohrstückes vermittelt uns keine a n s c h a u l i c h e V o r s t e l l u n g des K ö r p e r s . Wir wollen sehen, wie der Körper in K a v a l i e r p e r s p e k t i v e aussieht. Die Ebene der Kavalierperspektive soll wieder mit der Aufrißebene zusammenfallen. Wir wählen in der Zeichnungsebene willkürlich den Mittelpunkt M1 der beiden Aufrißkreise und zeichnen um ihn den äußeren Kreis voll, den inneren punktiert ausgezogen (Bild 22). Beide Kreise und My liegen in der Projektionsebene und fallen mit ihrer Projektion zusammen. Durch M1 legen wir unter 45° gegen die Waagerechte geneigt die Zylinderachse, die im allgemeinen strichpunktiert gezeichnet wird. Auf ihr wird die halbe Rohrlänge abgetragen. Der Endpunkt ist das Bild M2 von M2. Die beiden vorderen Randkreise des Rohrstückes liegen in einer zur Bildebene parallelen Ebene. Sie erscheinen daher im Bilde in wahrer Gestalt. Die beiden vorderen Kreise sind sichtbar und werden voll ausgezogen. Die gemeinsamen äußeren Tangenten der Kreise begrenzen den Umriß der Projektion des Körpers. Da man von vorn in das Rohr hineinschauen kann, ist ein kleines Stück des inneren Bodenkreises sichtbar. Der äußere Bodenkreis ist zur Hälfte unsichtbar. Durch geeignete Schraffur kann das Bildchen noch anschaulicher wirken. 7. Axonometrische Darstellungen Ein wichtiges Hilfsmittel zur Herstellung anschaulicher Skizzen von kleinen Körpern ist die Axonometrie; darunter versteht man eine besondere Durchführungsart der Parallelprojektion. Bekanntlich lassen sich die Punkte des Raumes

7. Axonometrische Darstellungen

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festlegen, indem man ihre Abstände von drei zueinander senkrechten Ebenen angibt. Die drei Ebenen nennt man Koordinatenebenen, ihre Schnittgeraden Koordinatenachsen. Die Abstände des Punktes von den Koordinatenebenen heißen die Koordinaten des Punktes. Das Prinzip der Axonometrie besteht darin, daß man zunächst eine Parallelprojektion der Koordinatenachsen entwirft. Bild 23 zeigt die Kavalierperspektive der Achsen. Sie werden gewöhnlich mit x, y, z bezeichnet. Auf den drei Achsen nimmt man einen gemeinsamen Maßstab an. Dieser erscheint in unserer Projektion auf der y- und g-Achse in wahrer Länge, in der z-Achse auf die Hälfte verkürzt. Den Punkt 0 nennt man Koordinatenanfangspunkt. Sind die Koordinaten eines Punktes P bekannt, so läßt sich seine Parallelprojektion P leicht zeichnen. Da bei jeder Parallelprojektion parallele Bild 23. Axonometrische Sarstellung Geraden des Raumes par- eines Punktes (Kavalierperspektive) allel erscheinen, zieht man durch die Koordinatenwerte der x- und y-Achse die entsprechenden Parallelen. Sie schneiden sich in P'. Dieser Punkt heißt der axonometrische Grundriß von P. Durch P' legt man die Vertikale und macht ihre Länge gleich der z-Koordinate von P. Dann ist der Endpunkt P das Bild von P. Das Verfahren der Axonometrie haben wir hier an dem sehr speziellen Beispiel der Kavalierperspektive erklärt. Bei beliebiger Parallelprojektion der Koordinatenachsen auf irgendeine Bildebene kann das Bild ein ganz anderes Aussehen annehmen. Stets werden aber die d r e i A c h s e n als d r e i d u r c h e i n e n P u n k t 0 g e h e n d e G e r a d e n ers c h e i n e n , wenn die Projektionsrichtung nicht zu einer Achse parallel ist. Die Maßstäbe bilden auf jeder Achse

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II. Punkte, Geraden, Ebenen

gleichmäßige Teilungen, die bei der Projektion in verschiedener Weise verkürzt werden. Die Abschnitte 1 bis 7 geben eine e r s t e E i n f ü h r u n g und einen Ü b e r b l i c k ü b e r die f ü r die A n w e n d u n g e n wichtigsten Darstellungsmethoden der Darstellenden Geometrie. Unsere Aufgabe wird sein, die verschiedenen Verfahren im folgenden soweit auszubauen, daß alle in der Praxis auftretenden Konstruktionsaufgaben gelöst werden können. II. Punkte, Geraden, Ebenen 8. Die 4 Quadranten, Medianebenen In 3 haben wir schon das Verfahren der Zweitafelprojektion erklärt. Es ist die Kombination zweier senkrechter Parallelprojektionen auf zwei zueinander senkrechte Ebenen. Durch

Bild 24. Die vier Quadranten des Baumes, die durch die Projektionsebenen entstehen

Umlegung einer der Projektionsebenen, etwa 7ilt um die Projektionsachse in die andere Projektionsebene, die wir dann Zeichenebene nennen, erhalten wir als Darstellung eines Punktes P des Raumes ein geordnetes Punktepaar P', P" in der Zeichenebene. Um Unklarheiten und lästige Wieder-

8. Die 4 Quadranten, Medianebenen

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holungen zu vermeiden, wollen wir über die Bezeichnung folgende V e r e i n b a r u n g treffen: Punkte werden durch große lateinische Buchstaben, Geraden und vereinzelt auch Kurven durch kleine lateinische Buchstaben und schließlich Ebenen durch große Frakturbuchstaben bezeichnet. Die Projektionen der Punkte und Geraden erhalten im Grundriß einen, im Aufriß zwei Akzente unter Beibehaltung des Buchstaben. So schreiben wir z. B. P (P', P"), um auszudrücken, daß von dem Punkt P die Grundrißprojektion P' und die Aufrißprojektion P" bekannt ist.

ia-

ksAS* Bild 26. Grund- und Auftlß der Punkte verschiedener Quadranten

Bild 26. Die zweite Hedtanebene

Je nach der Lage eines Punktes P im Räume ist die g e g e n s e i t i g e L a g e der P r o j e k t i o n e n P', P" verschieden. Die Projektionsebenen, die wir uns unbegrenzt vorstellen wollen, zerlegen den Eaum in vier Teile. Man nennt sie die vier Quadranten des Raumes in bezug auf die beiden Projektionsebenen und bezeichnet sie in der aus Bild 24 ersichtlichen Reihenfolge. Wir wollen untersuchen, welche Lagen die Projektionen eines Punktes zur Projektionsachse einnehmen, wenn der Punkt nacheinander die vier Quadranten durchläuft. Ist P ein Punkt des ersten Quadranten, so liegt der Grundriß P' unter und der Aufriß P" über der Achse (Bild 25). Auch für jeden Punkt Q. des zweiten Quadranten liegt der Aufriß Q" über der Achse, aber jetzt kommt auch der Grundriß Q' oberhalb der Pro-

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II. Punkte, Geraden, Ebenen

jektionsachse zu liegen. Dreht man nämlich n x in Bild 24 nach n 2 , so wandert der Punkt Q' nach oben. Die Höhe von Q' über der Achse gibt an, wie weit Q hinter der Aufrißebene liegt. Für einen Punkt R des dritten Quadranten liegt Ii' über und R" unter der Achse, also genau umgekehrt wie für die Punkte des ersten Quadranten. Schließlich zeigt S (S', S") die Projektionen eines Punktes des vierten Quadranten. Nachdem wir erkannt haben, daß die beiden Projektionen eines Punktes auf der gleichen Seite der Projektionsachse liegen können, leuchtet auch leicht die M ö g l i c h k e i t ein, daß die P r o j e k t i o n e n z u s a m m e n f a l l e n . Welches ist der geometrische Ort aller Punkte P , deren Projektionen, P ' = P", in einem Punkt zusammenfallen? Wenn in Bild 26 nach der Zusammenlegung der Projektionsebenen die Punkte

Bild 27. Funkte der Projektionsebenen

Bild 28. Grund- und Aufriß der Punkte der Projektionsebenen

P' und P" zusammenfallen sollen, so müssen die Strecken P' T und P" T einander gleich sein. Das ist aber nur der Fall, wenn der Winkel P T P' gleich dem Winkel P T P" ist. Daraus folgt: Der geometrische Ort der Punkte ist eine Ebene, die den zweiten und vierten Quadranten halbiert. Man nennt sie die II. Medianebene (auch Deckebene). Ist also für einen Punkt P, P ' = P " , s o liegt P i n der II.Medianebene. Sie ist von Bedeutung zur Ausführung gewisser Konstruktionen, die wir noch kennenlernen werden. Die Halbierungsebene des ersten und dritten Quadranten heißt I. Medianebene. Wir erwähnen sie nur der Vollständigkeit halber.

9. Gerade Linien, Strecken

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Schließlich seien noch zwei S o n d e r f ä l l e erwähnt, nämlich daß ein Punkt in einer der beiden Projektionsebenen gelegen ist. Bild 27 zeigt einen Punkt P der Aufrißebene und einen Punkt Q der Grundrißebene. Der Grundriß P' von P liegt auf der Projektionsachse, P" fällt mit P zusammen. Entsprechend liegt Q" auf der Projektionsachse und Q' fällt in den Punkt Q (Bild 28). 9. Gerade Linien, Strecken Zwei Punkte bestimmen eine Gerade. Das zwischen den beiden Punkten gelegene Stück der Geraden ist eine Strecke. Sind A, B die Endpunkte der Strecke, so ergeben sich ihre Projektionen als Verbindungsstrecke der Projektionen A', B'

Bild 29. Zur VeranschaulichuDg der Projektionen einer Geraden

und A", B". In Bild 29 ist der Vorgang anschaulich, in Bild 30 als Zweitafelprojektion dargestellt. Betrachten wir zunächst die durch A, B gehende Gerade. Sie wird bei allgemeiner Lage die beiden Projektionsebenen schneiden, etwa die Grundrißebene im Punkt S x (Bild 29) und die Aufrißebene in iS'2. Sl und S2 heißen die beiden Spurpunkte der Geraden. Die Konstruktion der Spurpunkte der Geraden, von der die beiden Punkte A (A', A!') und B (B', B") gegeben sind, läßt sich folgendermaßen ausführen (Bild 30): Wir verlängern A!' B" über A" hinaus bis zum Schnitt Sx" mit der Achse. Dann ist 8 d e r Aufriß desjenigen Punktes 3 H a a c k , Darstellende Geometrie I

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II. Punkte, Geraden, Ebenen

der Geraden, der in der Grundrißebene liegt. Der Spurpunkt S j ist der Schnittpunkt der Ordnungslinie durch S / ' mit der Verlängerung von Ä B'. Verlängern wir Ä B' über B' hinaus bis zum Schnitt 8t' mit der Achse, so ist S2' der Grundriß des gesuchten Schnittpunktes der Geraden mit der Aufrißebene. Der Aufrißspurpunkt S2 liegt nun einerseits auf der Geraden A" B", andererseits auf der Ordnungslinie durch S2'. Hiermit haben wir eine erste Konstruktion im Zweitafelverfahren ausgeführt; wir haben eine Aufgabe der räumlichen Geometrie

allein durch Zeichnungen in einer E b e n e gelöst. Die Darstellende Geometrie h a t , wie schon erwähnt, nicht nur die Aufgabe, gegebene Körper oder räumliche Konfigurationen zeichnerisch darzustellen, sondern auch r ä u m l i c h e K o n s t r u k t i o n s a u f g a b e n zeichnerisch zu lösen. E i n e Gerade allgemeiner Lage besitzt zwei Spurpunkte Slt iS'2. Sind die Spurpunkte gegeben, so ist die Lage der Geraden im R a u m bestimmt. E s ist eine n ü t z l i c h e Ü b u n g , die räumliche Stellung einer Geraden g aus dem gegebenen Grund- und Aufriß abzulesen. Wie verläuft zum Beispiel die Gerade g (g', g") des Bildes 3 1 im R a u m ? Bild 32 zeigt die Lösung in Kavalierperspektive.

9. Gerade Linien, Strecken

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Die räumliche Lage einer Geraden g ist im allgemeinen durch ihre beiden Projektionen g', g" bestimmt. I s t P" der Aufriß eines Punktes der Geraden, so ist sein Grundriß P' der Schnitt von g' mit der Ordnungslinie durch P" (Bild 31). Der Schnittpunkt von g' mit g" ist derjenige Punkt von g, dessen Grundriß T' zusammenfällt mit dem Aufriß T", T liegt daher in der I I . Medianebene. D e r S c h n i t t p u n k t v o n g' u n d g" s t e l l t d e n S c h n i t t p u n k t v o n g m i t d e r I I . M e d i a n e b e n e d a r . Daraus können wir schließen: Ist

Bild 32. Veranschaullchung der Lage der Geraden des Bildes 31 durch Kavallerperspektlve

Bild 33. Gerade der zweiten Medianebene

der Grundriß g' einer Geraden g parallel zum Aufriß g", so ist die Gerade g parallel zur I I . Medianebene. E s kann vorkommen, d a ß g' u n d g" z u s a m m e n f a l l e n . Dabei sind zwei Sonderfälle zu unterscheiden. Ist g' = g" n i c h t senkrecht zur Projektionsachse (Bild 33), so ist die Gerade g e i n d e u t i g bestimmt durch g' = g" und liegt in der zweiten Medianebene. Ist dagegen g' = g" senkrecht zur Projektionsachse (Bild 34), so kann die Lage von g n i c h t e i n d e u t i g aus der Zweitafelprojektion abgelesen werden, g ist irgendeine Gerade der zur Projektionsachse senkrechten Ebene, die durch g' und g" hindurchgeht (Bild 35). Wir werden später sehen, daß solche Fälle durch Hinzunahme einer dritten Projektionsebene eindeutig gemacht werden. Im Anschluß an B i ld 4 sei darauf hingewiesen, daß rechte Winkel durch einen mit Punkt versehenen Kreisbogen hervorgehoben werden.

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II. Punkte, Geraden, Ebenen

Eine im Raum gelegene Strecke hat eine bestimmte L ä n g e u n d R i c h t u n g . Wie kann man Länge und Richtung einer Strecke aus der Grund- und Aufrißzeichnung ermitteln? Man spricht dabei von der wahren Länge und dem wahren Neigungswinkel im Gegensatz zu den s c h e i n b a r e n Größen, die in der Projektion auftreten. In zwei wichtigen Sonder-

Bild 34. Die räumliche Lage von g ist hier nicht durch die Projektionen g't g" bestimmt

Bild 35. Veranschaulichung zu Bild 34

fällen erscheint die wahre Länge unmittelbar in einer der beiden Projektionsebenen. Ist die Strecke parallel zur Grundrißebene (Bild 36), so wird die Projektion Ä B' von Ä B nicht verkürzt. Und der Neigungswinkel der Geraden

Bild 36. Hauptlinie I. Art (Höhenlinie)

Bild 37. Projektionen der Hauptlinie I. Art

A B gegen die Aufrißebene erscheint im Grundriß in wirklicher Größe. Die zur Grundrißebene parallelen Geraden heißen Hauptlinien I. Art oder Höhenlinien. Eine Hauptlinie I. Art erscheint im Grundriß unverkürzt. Bild 37 zeigt die Anordnung in der Zeichenebene. Die zur Aufrißebene parallelen Geraden nennt man Hauptlimen II. Art oder Frontlinien. Sie erscheinen im Aufriß unverkürzt. Die

10. Mongesche Drehkonstruktion

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Bilder 38 und 39 zeigen die Strecke A B auf einer Hauptlinie II. Art. Der Neigungswinkel der Hauptlinien ist aus der Zeichnung in wahrer Größe zu ersehen. Der Neigungswinkel