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German Pages 150 Year 1963
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 9
Bundesrat und Bundesaufsicht Von
Günter Dux
Duncker & Humblot · Berlin
GÜNTER
DUX
Bundesrat und Bundesaufsicht
Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 9
Recht
Bundesrat und Bundesaufsicht Von Günter
Dux
DU NC K ER & H U M B L O T /
B E R L I N
Alle Hechte vorbehalten © 1963 Duncker & Humblot, Berlin Gedruckt 1963 bei Albert Sayffaerth, Berlin 61 Printed i n Germany
Vorwort Die Beteiligung des Bundesrates an der Bundesaufsicht ist weitgehend Ursache des gegenwärtigen Interesses an der Bundesaufsicht überhaupt. Sie w i r f t nicht nur die Frage auf, welche Bedeutung der Bundesaufsicht als eine politischen Organen verliehene Kompetenz zukommt, obwohl es sich weitgehend u m die Beurteilung und Entscheidung von Rechtsfragen handelt, aus ihr resultiert auch vornehmlich das Interesse an der Frage nach dem Umfang der Aufsichtskompetenz des Bundes. Die Arbeit konnte daher keinesfalls auf die Untersuchung jenes Verfahrensabschnittes, i n dem der Bundesrat selbst m i t Aufsichtsentscheidungen befaßt ist, beschränkt werden. Auch hätte sich vielfach eine zutreffende Einschätzung des Mitwirkungsrechtes des Bundesrates nicht erreichen lassen, ohne die A r t und Bedeutung des Aufsichtsmittels selbst darzulegen. Die Bundesaufsicht hätte nahezu vollständig zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden können, wenn man berücksichtigt, daß der Bundesrat seine Mitwirkungsbefugnis dazu benutzen kann, die Zulässigkeit der von der Bundesregierung ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen zu überprüfen. Damit wäre jedoch der Rahmen der Arbeit gesprengt worden. Insoweit sind nur jene Fragen untersucht worden, die i n der Literatur besonders umstritten sind oder bereits zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat geführt haben. Der Bundeszwang ist so eng m i t der Bundesaufsicht verflochten, daß er insoweit, als es für die Beteiligung des Bundesrates von Interesse ist, i n die Untersuchung einzubeziehen war. Neuere Erörterungen i n der Literatur, nach denen die der Bundesregierung i n A r t . 91 GG gewährten Befugnisse ebenfalls der Bundesaufsicht zuzurechnen sein sollen, machten es notwendig, auch diese Bestimmung kurz zu erörtern. Die vorliegende Arbeit wurde i m Oktober 1961 abgeschlossen. Sie hat zu Beginn des Jahres 1962 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität i n Bonn als Dissertation unter dem Titel: „Die Beteiligung des Bundesrates an der Bundesaufsicht" vorgelegen. Für ihre Anregung und Betreuung darf ich Herrn Professor Dr. U. Scheuner sehr herzlich danken. Günter Dux
Inhaltsverzeichnis Erstes
Kapitel
Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht § 1: Der Begriff
der Bundesaufsicht
13
I. Die Bundesaufsicht als M i t t e l zur Gewährleistung der bundesstaatlichen Ordnung
13
I I . Kontrollierende u n d leitende Aufsicht über die Landesverwaltung .;
14
I I I . Der Begriff der Verfassungsaufsicht
16
I V . Bundesaufsicht u n d Rechtsprechung durch Bundesgerichte
23
V. Zusammenfassung § 2: Verfassungsgeschichtliche
25 Wandlungen
der Bundesaufsicht
I. Die Bedeutung der Reichsauf sieht unter der R V v. 1871 I I . Wandlungen der Bundesaufsicht I I I . Zusammenfassung
25 26 29 31
Zweites
Kapitel
Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz § 3: Abhängige
und selbständige
Aufsicht
I. Der Begriff der abhängigen u n d selbständigen Aufsicht I I . Bedeutung der Unterscheidung v o n abhängiger u n d selbständiger Aufsicht
32 32 36
III.. Die selbständige Aufsicht i m Grundgesetz
41
I V . Sinn des Ausschlusses der selbständigen Aufsicht
46
V. Zusammenfassung § 4: Umfang und Maßstäb der Aufsicht
49 des Bundes über die Verwaltung
der Länder I . Die überwiegende Ansicht i n der L i t e r a t u r I I . Kritisch Stellungnahme
50 50 51
8
Inhaltsverzeichnis 1. Wortinterpretation
51
2. Historisch vergleichende Interpretation
52
3. Die Unterscheidung v o n Gesetz u n d Recht
52
4. Die Bedeutung des A r t . 84 Abs. 5 G G f ü r die vorliegende Frage
53
5. Ausführen als eigene Angelegenheit u n d i m A u f t r a g des Bundes
55
I I I . Bundesaufsicht u n d autonomer Bereich
56
I V . Aufsicht i m Bereich der Rahmengesetzgebung
59
V. Die Bedeutung des A r t . 37 G G f ü r eine Aufsicht über die Beachtung des Grundgsetzes 60 1. Die Feststellung der Pflichtverletzung durch den Bundesrat
60
2. Das argumentum a maiore ad minus
61
V I . Die Bedeutung des A r t . 28 Abs. 3 G G f ü r eine Aufsicht über die Beachtung des Grundgesetzes 63 V I I . Zusammenfassung § 5: Die Aufsicht
des Bundes über die Gesetzgebung
I . Verfassungsgeschichtliche Überlieferung Lehre unter dem Grundgesetz
66 der Länder und
67
überwiegende
II. Kritik 1. Die Einordnung der Bundesaufsicht i n Abschnitt V I I I des Grundgesetzes
67 68 68
2. Ausführen als eigene Angelegenheit u n d i m A u f t r a g des Bundes
69
3. Die Unterscheidung von Gesetz u n d Recht
69
4. Verfassungsgeschichtliche Wandlungen
69
I I I . Einwände gegen den Ausschluß der Aufsicht über den Landesgesetzgeber
71
1. Der Einwand, die Aufsicht richte sich gegen die Länder als geschlossene Einheiten
71
2. Die Forderung nach einer Beteiligung des Bundesrates
72
3. Die Bedeutung des A r t . 28 Abs. 3 G G f ü r eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder
73
4. Die Bedeutung des A r t . 37 G G f ü r eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder
74
I V . Die Aufsicht über den Erlaß v o n Ausführungsgesetzen durch die Länder V. Die Aufsicht über den Erlaß v o n Rechtsverordnungen V I . Zusammenfassung § 6: Die Aussicht über die Rechtspflege der Länder
74 75 76 77
-9
Inhaltsverzeichnis Drittes
Kapitel
Das Aufsichtsverfahren § 7: Der äußere Gang und die Organe des Aufsichtsverfahrens
80
I. Präventive u n d leitende Aufsicht
80
I I . Repressive u n d kontrollierende Aufsicht § 8: Der Erlaß allgemeiner
82
Verwaltungsvorschriften
83
I. Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften M i t t e l der Aufsicht
als Maßstab
und
I I . Verfassungsrechtliche Voraussetzungen der Zustimmung durch den Bundesrat 1. Der Begriff der Allgemeinheit 2. Der Begriff Abs. 2 GG
der „Bundesregierung"
83 88 88
i n A r t . 84 Abs. 2, 85
89
I I I . Bedeutung des Zustimmungserfordernisses
92
I V . Zusammenfassung
92
§ 9: Die Befugnis
zum Erlaß von Einzelweisungen
93
I. Die Einzelweisung als M i t t e l der leitenden Aufsicht
93
I I . Verfassungsrechtliche Voraussetzungen der Zustimmung durch den Bundesrat 1. Bundesgesetz i. S. des A r t . 84 Abs. 5 G G 2. Die Beschränkung der Weisungsbefugnis Fälle
94 auf
besondere
3. Der Erlaß der Weisungen durch die Bundesregierung des
I I I . Gegenstand der Zustimmung des Bundesrates
96 98
I V . Bedeutung der Zustimmung des Bundesrates
102
V. Zusammenfassung
102
von Beauftragten
§11: Der Beschluß des Bundesrates
zu den nachgeordneten
Landes-
nach Art. 84 Abs. 4 GG
des Feststellungsverfahrens
103 105
I. Die Mängelrüge als Vorverfahren I I . A r t u n d Aufgabe Abs. 4 GG
94 94
4. Die Genehmigung als gesetzgeberische Modifikation Weisungsrechtes
§ 10: Die Entsendung behörden
94
105 nach A r t . 84
I I I . Die Verbindlichkeit der Aufsichtsentscheidungen
106 111
1. Die Verbindlichkeit der Mängelrüge
111
2. Die Verbindlichkeit des Feststellungsbeschlusses
113
I V . Zusammenfassung
115
Inhaltsverzeichnis § 12: Auf sichtsverfahren und gericht nebeneinander
Verfahren
vor
dem
Bundesverfassungs-
I. Die Ansichten i n der L i t e r a t u r
116 116
I I . K r i t i k u n d eigene Stellungnahme
117
I I I . Zusammenfassung
120
Viertes
Kapitel
Zwangsmaßnahmen gegen die Länder § 13: Der Bundeszwang
122
I. Das Verhältnis v o n Bundeszwang u n d Bundesaufsicht I I . Die Feststellung der Pflichtverletzung
122 124
I I I . Das Bundeszwangsverfahren i n den Fällen der Bundesaufsicht nach A r t . 84 G G 127 I V . Die Z u s t i m m u n g des Bundesrates zu den vorgesehenen Maßnahmen 129 V. Ausübung u n d Bedeutung des Zustimmungsrechtes V I . Zusammenfassung § 14: Bundeszwang Art 91 GG
und außerordentliche
131 132
Gefahrenabwehr
I. Bundeszwang u n d Notstand I I . Die Regelung des A r t . 91 G G I I I . Die Zustimmung des Bundesrates
nach 132 133 134 136
Abkürzungsverzeichnis Archiv des öffentlichen Rechts, Tübingen 1886 ff. Der Bayerische Bürgermeister, Monatszeitschrift f ü r Verwaltungspraxis, München 1948 ff. Bayerische Verwaltungsblätter, Zeitschrift f ü r öffentliches Recht u n d öffentliche Verwaltung, München N F 1 ( = 86 der Gesamtfolge) 1955 ff. Bundesgesetzblatt, 1949 ff. Bundesgerichtshof Bonner Kommentar, Kommentar zum Bonner G r u n d gesetz, Redakt.: B. Dennewitz, fortgeführt von K . G. Wernicke, H a m b u r g 1950 ff. Bundesverfassunggericht Gesetz über das Bundesverfassungsgericht v o m 12. März 1951 (BGBl. I, S. 243) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, H e r ausgegeben von den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts, Tübingen 1952 ff. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichts, B e r l i n 1955 ff. Deutsche Juristen-Zeitung, B e r l i n 1896 ff. Die öffentliche Verwaltung, Zeitschrift f ü r Verwaltungsrecht u n d Verwaltungspolitik, Stuttgart u n d K ö l n 1948 ff. Deutsche Rechtszeitschrift, Tübingen 1946—1950 Deutsche Verwaltung, H a m b u r g 1948—1950; danach: Deutsches Verwaltungsblatt Deutsches Verwaltungsblatt, K ö l n u n d B e r l i n 1950 ff. Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland v o m 23. 5. 1949 (BGBl. S. 1) Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1 u. 2. H e r ausgegeben v o n G. Anschütz u n d R. Thoma, Tübingen 1930 u n d 1932 A n n a l e n des Deutschen Reichs f ü r Gesetzgebung, V e r w a l t u n g u n d Statistik. Herausgegeben v o n G. H i r t h u n d M . v. Seydel, München u n d Leipzig 1868 ff., Seit 1901 = A n n a l e n des Deutschen Reichs f ü r Gesetzgebung, V e r w a l t u n g u n d Volkswirtschaft Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, T ü bingen N. F. 1951 ff. Juristische Wochenschrift, B e r l i n 1872 ff. Juristenzeitung, Tübingen 1951 ff. Monatsschrift f ü r Deutsches Recht, H a m b u r g 1947 ff. Oberverwaltungsgericht
Abkürzungsverzeichnis Recht der Arbeit, München u n d B e r l i n 1948 ff. Randnummer Reichsgesetzblatt, 1871—1945; ab 1922: T e i l I u n d T e i l I I Entscheidung des Reichsgerichts i n Zivilsachen, Herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofes, Leipzig 1880—1945 Reichsverwaltungsblatt und Preußisches Verwaltungsblatt, hervorgegangen aus dem Preußischen V e r w a l tungsblatt Jg. 1 :1879 Gesetz, betr. die Verfassung des Deutschen Reichs v o m 16. A p r i l 1871 (RGBl. S. 63) Stenografische Berichte der Verhandlungen des H a u p t ausschusses des Parlamentarischen Rates, Bonn 1948/49 Staats- u n d K o m m u n a l v e r w a l t u n g K ö l n 1955 ff. Staatsgerichtshof f ü r das Deutsche Reich Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer B e r l i n 1924 ff. Verwaltungs-Rechtsprechung i n Deutschland, Sammlung oberstrichterlicher Entscheidungen aus dem Verfassungs- u n d Verwaltungsrecht, München u n d B e r l i n 1949 ff. Die Verfassung des Deutschen Reichs v o m 11. August 1919 (RGBl. S. 1383) Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Tübingen 1951 ff. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht u n d V ö l kerrecht, begründet v o n Bruns, B e r l i n 1929—1944 sowie Stuttgart 1950/51 ff. Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, Wien 1922 ff.
Erstes Kapitel
Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht §1: Der Begriff der Bundesaufsicht I. Die Bundesaufsicht als Mittel zur Gewährleistung der bundesstaatlichen Ordnung
Die Aufsicht des Bundes über die Einzelstaaten ist das Mittel, mit dem der Gesamtstaat die Beachtung seiner Normen durch die Einzelstaaten sicherzustellen sucht. Diese herkömmliche Begriffsbestimmung 1 ist zwar zutreffend, aber zu allgemein, um die Aufsicht des Bundes über die Länder deutlich genug abzurücken von der Staatsaufsicht über die juristischen Personen des öffentlichen Rechts2. Sie läßt das eigentlich bundesstaatliche Element der Bundesaufsicht: ihre Eigenart, verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Ländern zu ordnen, außer acht 8 . Es ist eine feine, aber notwendige Unterscheidung: für die Aufsicht des Bundes über die Länder ist nicht so sehr die einzelne Rechtsverletzung, als vielmehr die i n ihr sichtbar werdende Störung des bundesstaatlichen Gefüges von Bedeutung. Die Aufsicht des Bundes darüber, daß die Einzelstaaten die Kompetenz des Bundes beachten und ihre verfassungsmäßigen Pflichten erfüllen, ist verfassungsrechtlich zu verstehen als eine staatliche Selbstbehauptung des Gesamtstaates4, die aber uno actu eine Aktualisierung des bundesstaatlichen Charakters ist. Sie ist demnach nicht, wie Triepel gemeint hat, unitarisch in dem Sinn, daß sie i n ihrer letzten Konsequenz auf die Ersetzung des Bundesstaates 1 Vgl. Vonficht, S. 11; auch Triepel , Reichsauf sieht, S. 123, der den Begriff noch weiter faßt. 2 So etwa bei Hänel, Staatsrecht I , S. 303, S. 322 f.; Triepel , Unitarismus, S. 37; vielfach w i r d sie bei der Darstellung der staatlichen A u f sieht über Selbstverwaltungskörper erörtert, so z. B. auch bei Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 642; Preuß, Amtsrecht, S. 161; vgl. auch die seit Triepel , Reichsauf sieht, S. 109 ff., i m m e r wiederholte A b l e i t u n g der Bundesaufsicht aus einem allgemeinen Aufsichtsbegriff, z. B. bei Wollenberg , S. 9 ff.; Burkhardt , S. 14 ff. 8 So schon Otto Mayer , J W 1918, S. 159 gegen Triepels umfassenden A u f sichtsbegriff; vgl. auch Smend, Verf. u. Verf.R, S. 239 f. 4 So darf m a n w o h l Carl Schmitts Äußerung, Verf. Lehre, S. 370, verstehen, der B u n d müsse eine Aufsicht haben, w e i l er „eine politische Existenz" habe.
14
Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht
durch den Einheitsstaat zielt 5 . Ganz i m Gegenteil zielt sie darauf ab, den Bundesstaat zu erhalten. Sie ist ein dem Bund i n die Hand gegebenes Mittel, unter den Verhältnissen des Bundesstaates der jedem Staat gestellten Aufgabe nachkommen zu können, seine eigenständige Form immer aufs neue zu realisieren, zu sichern und ihren Sinngehalt zu verwirklichen 6 . So gesehen ist die Aufsicht ein M i t t e l der bundesstaatlichen Integration, der Integration der Länder i n den Bund 7 . A u f sichtsakte sind deshalb auch als Regierungsakte anzusehen8. Dabei ist es eine — i n den Verfassungen von 1871, 1919 und 1949 unterschiedlich geregelte — Frage der Ausgestaltung i m einzelnen, ob die Aufsicht mehr oder weniger engen rechtlichen Bindungen unterworfen, mehr als bloße Abwehr von Verfassungsstörungen oder als konstruktives M i t t e l der Gestaltung des Bund-Länder-Verhältnisses von Seiten des Bundes verstanden ist. n . Kontrollierende und leitende Aufsicht über die Landesverwaltung
Die Frage liegt nahe, ob nicht von dieser Charakterisierung der Aufsicht insoweit Abstriche zu machen sind, als die Aufsicht über die Landesverwaltung i n Frage steht. Diese Frage ist unter dem Grundgesetz von besonderem Interesse, da das Grundgesetz neben der Bundeszwangskompetenz eine Aufsicht überhaupt nur i m Abschnitt über die Verwaltung geregelt hat. Zur Beantwortung der Frage ist es notwendig, näher zu differenzieren. U m dien rechtmäßigen Vollzug der Bundesgesetze sicherzustellen, bieten sich zwei verschiedene M i t t e l an: entweder die dem Land prinzipiell i n eigener Verantwortung überlassene Ausführung nur zu überwachen und erst einzugreifen, wenn sich die Gefahr einer rechtswidrigen Ausführung zeigt bzw. ein Mangel bereits vorliegt, oder aber darüber hinaus den Bund durch ein generelles oder spezielles Weisungsrecht gegenüber den Landesbehörden an der Ausführung jedenfalls i m Innenverhältnis zwischen Bund und Land zu beteiligen. Auch das Grundgesetz kennt diese beiden Arten. Für den Regelfall, daß die Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, sieht das Grundgesetz i n A r t . 84 das Recht des Bundes vor, die Ausführung der Gesetze zu beobachten und gegebenenfalls mit 5
Triepel, Unitarismus, S. 11,18. Z u m Verständnis des Bundesstaates vgl. Smend, Verf. u. Verf.R. S. 223 ff. 7 s. Forsthoff, AöR N F 19, 1930, S. 68; Smend, Verf. u. Verf.R. S. 257, hat allerdings ihre Rechtsfunktion stärker betont. 8 Vgl. Triepel, Streitigkeiten, S. 99; Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 276, aber auch S. 284. 6
§ 1: Der Begriff der Bundesauf sieht
15
dem Ziel der Berichtigung einzugreifen. Rügt der Bund, gestützt auf dieses Beaufsichtigungsrecht, eine bundesrechtswidrige Ausführung, so nimmt er damit nicht selbst eine den ausführenden Landesbehörden übergeordnete eigene Verwaltungskompetenz wahr 9 . Diese Vorstellung entspräche der sachlichen Behördenaufsicht. Bund und Land stehen sich aber insoweit, als die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen und der Bund lediglich die rechtmäßige Ausführung beaufsichtigt, i n ihrer vollen Staatlichkeit abgeschlossen gegenüber. Rügt der Bund i n einem solchen Falle einen Mangel, so macht er vielmehr die verfassungsrechtliche Einordnungspflicht geltend, nicht anders, als wenn unter der RV v. 1871 oder unter der WRV das Reich i m gleichen Verfahren von einem Land verlangte, daß es ein Landesgesetz wegen des Widerspruchs zu einer Reichsnorm änderte. Die Stellung der an der Bundesaufsicht beteiligten Parteien, das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen Bund und Ländern, läßt diese Aufsicht stets auf die Verfassung, nämlich die Ordnung des Bund-Länder-Verhältnisses gerichtet sein, auch wenn der beanstandete A k t selbst Interessen außerhalb der Verfassung verfolgt 1 0 . Die geringere Bedeutung, die einzelnen Verwaltungsmaßnahmen zukommt, bringt es freilich m i t sich, daß derartige Aufsichtsmaßnahmen das Bund-Länder-Verhältnis i n aller Regel tatsächlich nicht weiter berühren. Aber dadurch, daß eine Beanstandung innerhalb des Bund-Länder-Verhältnisses infolge ihrer geringeren sachlichen Bedeutung seltener zu grundsätzlichen Schwierigkeiten führt, hört sie nicht auf, auf die Ordnung dieses Verhältnisses und m i t h i n auf die Verfassung zu zielen. I n jeder, auch i n einer bloß kontrollierenden Aufsicht ist ein gewisses Maß an Leitungsbefugnis enthalten 11 . Das Grundgesetz hat jedoch i n engen Grenzen M i t t e l und Wege gefunden, um dem Bund bei der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder eine Leitungsbefugnis einzuräumen, die über das i n einer bloß kontrollierenden Aufsicht enthaltene Maß hinausreicht. Den augenscheinlichsten Niederschlag hat diese A r t der Aufsicht i n der Bundesauftragsverwaltung gefunden.
• I r r i g f ü r die R V v. 1871 Vonficht, S. 10 f.; Krauss, S.25. Richtig unter dem GG Kratzer, D Ö V 1950, S. 534; vgl. aber auch W. Weber, Spannungen u n d Kräfte, S. 83. 10 N u r w e n n m a n das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen B u n d u n d Ländern unberücksichtigt läßt u n d ausschließlich auf die beaufsichtigte T ä t i g keit abstellt, k a n n m a n daher Frowein, S. 35 (unten), zustimmen. Heckel, AöR N F 23, 1933, S. 211, auf den Frowein, ebda, sich beruft, hat keineswegs die „Verfassungsaufsicht" einer „Verwaltungsaufsicht" entgegengesetzt. Heckel sah vielmehr A r t . 15 W R V ebensogut als Grundlage der Aufsicht über die V e r w a l t u n g w i e über die Gesetzgebung, über die abhängige w i e über die selbständige Aufsicht an, vgl. i m einzelnen unten S. 21, Fußnote 30 sowie S. 45.
16
Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht
Das allgemeine Weisungsrecht (Art. 85 Abs. 3 GG) und die Überprüfung auch der Zweckmäßigkeit der Ausführung (Art. 85 Abs. 4 S. 1 GG) stehen i n einem engen inhaltlichen Zusammenhang. Sie bedeuten mehr als nur eine technische Differenzierung der Aufsicht über die Ausführung als eigene Angelegenheit. Nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ausgeübte Aufsicht ist eher eigengestaltende Tätigkeit denn bloß kontrollierende Überwachung 12 . Dem Bund ist mit diesen Einwirkungsrechten i m Innenverhältnis 1 3 zwischen Bund und Ländern eine eigene Beteiligung an der Ausführung selbst eingeräumt worden 14 . Weisungsrecht und Zweckmäßigkeitskontrolle nach Art. 85 GG sind insofern unitarisch, als sie die für die kontrollierende Aufsicht kennzeichnende Geschlossenheit, i n der sich Bund und Länder gegenüberstehen, zugunsten einer sachlichen Verzahnung der Verwaltungsbereiche durchbrochen haben. Demgegenüber fällt der Umstand, daß auch hier die Aufsicht grundsätzlich als Oberaufsicht gedacht ist (Art. 85 Abs. 3 S. 2 GG), nicht ins Gewicht. Macht der Bund von diesen Kompetenzen Gebrauch, so pocht er nicht auf die verfassungsrechtliche Einordnungspflicht, er übt vielmehr selbst Verwaltung aus. Von dieser leitenden Aufsicht läßt sich deshalb i n der Tat sagen, daß sie auf Ziele außerhalb der Verfassung gerichtet ist, eben weil sie selbst sich als Verwaltung darstellt. Darin liegt der entscheidende Unterschied gegenüber der Aufsicht nach A r t . 84 Abs. 3 GG. Aufsichtsstreitigkeiten i m gleichen Sinn wie i n A r t . 84 GG entstehen hier erst, wenn das Land der Ausübung der leitenden Aufsichtsbefugnisse Widerstand leistet. Dann macht der Bund die verfassungsrechtliche Einordnungspflicht geltend, indem er verlangt, daß seine Weisungen zur Ausführung des Gesetzes befolgt werden, und übt auch hier kontrollierende Aufsicht aus. I I I . Der Begriff der Verfassungsaufsidit
Die Aufsicht des Bundes über die Einzelstaaten ist — von der leitenden Aufsicht abgesehen — stets Verfassungsaufsicht i n dem Sinn, daß Sie darauf zielt, die spezifisch bundesstaatliche Verfassung zu gewährleisten. Davon zu unterscheiden ist der engere Begriff der Verfassungs11
Vgl. genauer unten S. 81. Bereits Preuß, Amtsrecht, S. 196, hat Aufsicht u n d eigene Tätigkeit streng unterschieden. 13 Aber eben n u r i m „InnenVerhältnis"! Vgl. auch Schulte-Frohlinde, S. 10. Deshalb ist das Urteil des BGH v. 19. 4. 1956, M D R 1956, S. 603 ff., wonach f ü r den F a l l der Nichtausübung des Aufsichtsrechts u. U. eine H a f t u n g nach außen eintreten soll, zweifelhaft. 14 Z u Recht hat Anschütz, K o m m . A r t . 14, 4, S. 111, v o n einer „Leitungsgewalt" gesprochen, w e n n sie auch der Dienstaufsicht nicht i n allem gleichgestellt werden kann. 12
§ 1: Der Begriff der Bundesaufsiht
17
aufsieht, wie Hechel 15 ihn geprägt hat. Heckel versteht unter der Verfassungsaufsicht nur die Aufsicht, die eingreift, wenn Fortbestand oder Untergang der bundesstaatlichen Ordnung insgesamt oder doch i n ihren derzeitigen wesentlichen Grundzügen infolge der Pflichtverletzung durch ein Land i n Frage steht. Die Verfassungsaufsicht Heckelscher Prägung ist „ein außerordentlicher Behelf für den bundesstaatlichen casus extremus" 1 6 . Sie ist genau genommen die Aufsicht, die unter den Voraussetzungen der Bundeszwangsmaßnahmen ausgeübt wird. Neuerdings hat Fr owein darzulegen versucht, die Verfassungsaufsicht Heckelscher Prägung sei als Aufsicht über die Beachtung der einzelnen Verfassungsnormen zu verstehen 17 . Da, so folgert Frowein außerdem, Zwangsmaßnahmen nur das schärfste M i t t e l der Aufsicht darstellten, müßten alle vorhergehenden schwächeren ebenso zulässig sein und zwar i n eben dem Umfang, i n dem auch das Recht zu Zwangsmaßnahmen selbst statthaft sei; kurz: Bundesaufsicht und Bundeszwang müßten sich decken. Diese zunächst rein theoretische Argumentation verfolgt ein praktisch sehr bedeutsames Ziel. Soweit die Aufsicht nicht als Aufsicht über die Ausführung der einfachen Bundesgesetze i n Art. 84 GG geregelt ist, ergibt sie sich dieser Auffassung zufolge als Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen aus Art. 37 GG selbst. A u f diese Weise muß Frowein jedoch zu einem Begriff der Verfassungsaufsicht gelangen, der jeglichen Verstoß gegen jegliche Verfassungsnorm umfaßt. Damit ist allerdings ein ganz anderer als der von Heckel geprägte Begriff der Verfassungsaufsicht geschaffen worden. Heckel hat auf der einen Seite nicht die Beachtung aller, auf der anderen Seite nicht nur die Beachtung der Verfassungsnormen von der Verfassungsaufsicht erfaßt gesehen, vielmehr auf einen materiellen Begriff der Verfassung abgestellt, der das Mark der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt 18 . Damit verbunden ist ein ebenso grundlegendes Merkmal: Wenn Heckel scheinbar ganz allgemein als Gegenstand der Verfassungsaufsicht die gliedstaatliche Einordnungspflicht bezeichnet, so doch mit der Einschränkung, daß nur eine schwerwiegende, vor allem eine prinzipielle Negierung der Folgepflicht die Verfassungsaufsicht auf den Plan rufen sollte 19 . Keinesfalls sollte die Ver15 Heckel, AöR N F 23, 1933, S. 183 ff., insbes. S. 202 ff.; vgl. aber auch Fröhlich, insbes. S. 18 ff. 16 Heckel, AöR N F 23,1933, S. 218. 17 Frowein, S. 40 ff., 50 f. Die Gleichsetzung m i t der selbständigen Aufsicht w i r d unten, S. 45, noch zu erörtern sein. 18 Heckel, AöR N F 23, 1933, S. 212 i n Verbindung m i t AöR N F 22, 1932, S. 265 ff. 19 Heckel, AöR N F 23,1933, S. 213, 218.
2
Dux
18
Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht
fassungsaufsicht als Einrichtung des normalen Verfassungslebens angesehen werden, vielmehr auf die „hochpolitischen" — und zwar die wirklich aktuell hochpolitischen — Aufgaben beschränkt sein. Nur so erklärt und rechtfertigt sich die Herleitung der Verfassungsaufsicht aus dem Exekutionsrecht. Wie immer aber Heckel auch verstanden werden mag, entscheidend ist, daß ein aus der Bundeszwangskompetenz abgeleiteter Begriff der Verfassungsaufsicht, der generell jegliche Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen erfaßt und von der Aufsicht über die (verwaltungsmäßige) Ausführung der übrigen Gesetze scheidet, nicht sinnvoll erscheint: Es ist bereits dargelegt, daß — von der leitenden Aufsicht über die Verwaltung abgesehen — alle Aufsicht auf die Einordnungspflicht der Länder zielt 20 . Diese Einordnungspflicht kann demnach sowohl dadurch verletzt werden, daß Verfassungsnormen als auch dadurch, daß einfache Gesetze nicht richtig ausgeführt bzw. beachtet werden. Der Unterschied zwischen beiden Fällen soll nicht verkannt werden. Während i n den ersteren Fällen sich der Widerspruch direkt gegen eine Verfassungsnorm richtet, wendet er sich i n den letzteren zunächst und eigentlich gegen das auszuführende einfache Gesetz. Auch soll hier keineswegs der verfehlten Auffassung das Wort geredet werden, das Grundgesetz unterscheide sich nur durch seine erschwerte Abänderbarkeit von anderen Gesetzen 21 . Die Frage ist nur, ob für die Systematik und rechtliche Ausgestaltung der Aufsicht der verschiedene Rang allein schon Bedeutung gewinnt. Vielfach w i r d die Verletzung einer Verfassungsnorm allerdings schon wegen ihrer Bedeutung als Verfassungsnorm das Bund-Länder-Verhältnis besonders berühren. Aber eben nur vielfach und — wenn man ausnahmslos alle Verfassungsnormen und jeden Verstoß einbezieht — nicht einmal i n der Regel. A u f der einen Seite ist eine Aufsicht gerade über die Beachtung derjenigen Verfassungsnormen, die unmittelbar ausführbar sind 22 , mit Fällen befaßt, die das Bund-Länder-Verhältnis in konkreto nicht ernsthaft berühren, auch keineswegs prinzipielle Verfassungsleugnungen darstellen. Es wäre durch nichts be20 Dieser Ansicht ist auch Frowein, S. 52, w e n n er die abhängige als T e i l der selbständigen Aufsicht bezeichnet. Vgl. auch Spieß, S. 5 f. 21 So Bullinger, AöR 83,1958, S. 303; ausdrücklich auch Bayer, S. 96; dagegen m i t Recht Frowein, S. 36. 22 Daß es auch u n m i t t e l b a r vollzugsfähige Grundgesetznormen gibt, ist allgemein anerkannt; vgl. Scheuner, vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1142; Krüger, Gutachten, S. 1072, Fußnote 48; Frowein, S. 38; ausführbar ist beispielsweise A r t . 9 Abs. 2 GG nicht weniger als das z. T. einschlägige RG v. 19.4.1908, RGBl., S. 151 (vgl. BVerwGE 4, S. 188, U r t . v. 6. Dez. 1956).
§ 1: Der Begriff der Bundesauf sieht
19
gründet, hier eine i m Gedränge der alltäglichen Verwaltung geschehene Säumnis, aber auch eine i n einem Einzelfall zu Unrecht angenommene Auslegung einer besonderen, von der übrigen Aufsicht über die Verwaltung unterschiedenen Verfassungsaufsicht zu unterwerfen. Auf der anderen Seite gilt gerade i n dem versorgungslenkenden Staat der Gegenwart, daß die Verletzung der Einordnungspflicht infolge mangelnder Ausführung eines einfachen Gesetzes sehr viel schwerwiegender sein und alsbald Bundeszwangsmaßnahmen erfordern kann. Wenn man — zu Recht — für die Systematik der Aufsichtskomp etenz die Bedeutung der Pflichtverletzung für das Bund-Länder-Verhältnis für ausschlaggebend erachtet, dann zeigt sich bereits an Hand dieser Erwägungen, daß es nicht sinnvoll ist, den abstrakten Rang der Norm für einen engeren Begriff der Verfassungsaufsicht ausschlaggebend sein zu lassen. Sinnvoll ist dann allein, darauf abzustellen, ob die Pflichtverletzung eine konkrete Gefahr für die bestehende verfassungsmäßige Ordnung darstellt. Diese konkrete Gefährdung t r i t t auf der einen Seite nicht stets dann ein, wenn unmittelbar eine Verfassungsnorm verletzt ist, es kann auf der anderen Seite aber auch dann geschehen, wenn unmittelbar die Ausführung eines einfachen, aber bedeutsamen Gesetzes i n Frage steht. Erst die konkrete Gefährdung stellt auch den Bezug zur Bundeszwangskompetenz her, die als Grundlage der Verfassungsaufsicht angesehen wird. Erst sie erlaubt Aufsichtsmaßnahmen aus ihr zu begründen, die sonst nicht vorgesehen sind; denn die besondere Situation erfordert besondere Rechtssätze zu ihrer Beurteilung 2 3 . Art. 37 GG trägt diesen Überlegungen Rechnung, indem er von dem „Grundgesetz und anderen Bundesgesetzen" spricht, obwohl eigentlich Schutzobjekt stets die Verfassung selbst ist. Selbst wenn man diesen Bedenken nicht Rechnung tragen w i l l , erweist sich, daß die Unterscheidung von Verfassungsaufsicht als Aufsicht über die Beachtung aller Verfassungsnormen und sonstiger Aufsicht zu unlösbaren Schwierigkeiten führt: Fr owein rechnet die Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte durch die Verwaltung zur Verfassungsaufsicht 24 . Das scheint konsequent. Aber eine reguläre Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte führt zu einer lückenlosen, bis ins einzelne gehenden Aufsicht über die Verwaltung. Das w i r d in anderem Zusammenhang noch zu zeigen sein 25 . Soll auch diese gesamte Aufsicht i n der Bundeszwangskompetenz ihren Grund finden? 23 24 25
2*
Das w a r das Anliegen Heckeis, AöR N F 23,1933, S. 202 ff. Fr owein, S. 69. Vgl. unten S. 56 ff.
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Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht
Unter dem Grundgesetz steht dieser Annahme schon Art. 84 Abs. 3 entgegen: Soweit die Grundrechte bei der Ausführung von Bundesgesetzen Bedeutung erlangen, unterliegt ihre Beachtung der Aufsicht nach Art. 84 Abs. 3 GG. Daran kann kein Zweifel bestehen, und das w i r d auch von Frowein nicht verkannt 2 6 . Soll also die Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte nur insoweit als Verfassungsaufsicht angesprochen werden, als die Grundrechte bei der Ausführung landeseigener Gesetze oder bei der Verwaltung i m nicht gesetzesakzessorischen Bereich Bedeutung erlangen? Frowein rechnet die Aufsicht, solange eine Verfassungsverletzung i m Rahmen der Ausführung von Bundesgesetzen nach A r t . 84 Abs. 3 GG verbleibt, zur „abhängigen" Aufsicht i m Gegensatz zu der von i h m mit der Verfassungsaufsicht identifizierten selbständigen Aufsicht 2 7 . Aber das ist begrifflich nicht konsequent, wenn man die Verfassungsaufsicht als Aufsicht über die Beachtung der einzelnen Verfassungsnormen ansieht; darüber hinaus hat eine solche Differenzierung eben gegenüber der Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen bei der Ausführung landeseigener Gesetze oder i m nicht gesetzesakzessorischen Bereich keinen Sinn. Es bleibt nach dieser Begriffsbestimmung nur ein Ausweg: Die Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte auch insoweit als Verfassungsaufsicht zu bezeichnen, als sie nach Art. 84 Abs. 3 GG ausgeübt wird. Diese Konsequenz nötigt jedoch dazu, i n den Fällen der Aufsicht über die Gesetzesausführung i n ein und derselben Aufsichtsmaßnahme sowohl einen A k t der Verfassungsaufsicht wie der regulären Aufsicht zu sehen. Denn einmal ist vielfach die Grundrechtsverletzung erst eine Folge der gesetzwidrigen Ausführung des betreffenden Bundesgesetzes. Schon deshalb ist die Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte ununterscheidbar verbunden mit der Aufsicht über die Ausführung des Gesetzes selbst. Zum andern aber muß die Aufsicht über die Gesetzesausführung deshalb notwendig zugleich Verfassungsaufsieht i n diesem Sinn sein, weil erst die Beachtung der interpretativen Wirkung der Grundrechte den wirklichen Gesetzesinhalt erkennen läßt. Diese Schwierigkeiten sind keineswegs technischer Art. Sie lassen sich deshalb auch nicht dadurch lösen, daß der Aufsicht des Art. 84 GG 26 27
Frowein,
S. 52.
Frowein, S. 53. Auch Hechel, AöR N F 23, 1933, S. 218 f., zählt diese A u f sicht zur regulären Aufsicht des A r t . 15 WRV. Das ist konsequent! Denn f ü r Heckel ist — anders als f ü r F r o w e i n — das entscheidende M e r k m a l der V e r fassungsaufsicht nicht der Verstoß gegen die einzelne Verfassungsnorm. F ü r Heckel zählt deshalb auch sonst die Aufsicht über die Beachtung der G r u n d rechte durch die V e r w a l t u n g nicht zur Verfassungsaufsicht — von Fällen der prinzipiellen Negierung abgesehen.
§ 1: Der Begriff der Bundesaufsiht
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ein Vorrang vor der Verfassungsaufsicht eingeräumt wird 2 8 , offenbaren vielmehr, daß es prinzipiell verfehlt ist, für die Systematik des Aufsichtsrechts den abstrakten Rang der Norm ausschlaggebend sein zu lassen und die Beachtung der Verfassungsnormen schon wegen ihrer Eigenart als Verfassungsnormen der regulären Aufsicht zu entziehen und dem besonderen Institut der Verfassungsaufsicht einzuordnen. Selbst wenn man gleichwohl die Aufsicht, soweit sie die Beachtung der Grundrechte i m Auge hat, theoretisch von der sonstigen Aufsicht über den richtigen Gesetzesvollzug sonderte und auch sonst jegliche Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen zur Verfassungsaufsicht rechnete, bliebe die Frage, was mit dieser Begriffsbildung gewonnen wäre. Das, worauf es Frowein ankommt, nämlich zu zeigen, daß die Verfassungsaufsicht gar nicht i n A r t . 84, dafür aber in Art. 37 GG geregelt ist, läßt sich bei dieser Begriffsbildung gerade nicht begründen. So richtig es ist, daß A r t . 84 Abs. 3 GG nur einen bestimmten Ausschnitt der Länderverwaltung erfaßt 29 und sich aus der dem deutschen Bundesstaat eigentümlichen Inkongruenz von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz auf Seiten des Bundes erklärt, so wenig richtig ist es, zu dieser Aufsicht eine aus der Bundeszwangskompetenz hergeleitete Verfassungsaufsicht als reguläre Aufsicht über alle einzelnen Verfassungsnormen i n einen inhaltlichen Gegensatz zu setzen. Bei dieser Begriffsbildung geht der inhaltliche Gegensatz zwischen der Aufsicht nach Art. 84 und der Verfassungsaufsicht nach Art. 37 GG gerade verloren: Art. 84 Abs. 3 GG umfaßt danach begrifflich auch die Verfassungsaufsicht, insofern nämlich, als bei der Ausführung von Bundesgesetzen Grundgesetznormen, insbesondere Grundrechte, zu beachten sind, andererseits erfaßt Art. 37 GG eine reguläre Aufsicht über die Verwaltung, insofern nämlich, als auch bei der Ausführung landeseigener Gesetze sowie bei der nicht gesetzesausführenden Verwaltung Grundgesetznormen, vor allem Grundrechte, zu beachten sind. Nach dieser Begriffsbestimmung läßt sich auch nicht sagen, was Heckel i n einem ganz spezifischen Sinn sagen konnte, wenn er darauf abstellte, ob die Verletzung das Bund-Länder-Verhältnis ernsthaft beeinträchtigte, daß nämlich die reguläre Aufsichtskompetenz 30 i m Gegensatz zur Verfassungsaufsicht auf Interessen außerhalb der Verfassung gerichtet 28
So versucht Frowein, S. 53, die begrifflichen Schwierigkeiten zu lösen. Vgl. dazu ausführlich unten S. 50 ff. 30 Heckel, AöR N F 23, 1933, S. 219, sah sie übrigens keinesfalls auf die V e r w a l t u n g beschränkt, w i e aus seinen Überlegungen zu A r t . 13 W R V geschlossen werden muß. Vgl. oben S. 15, Fußnote 10. 29
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Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht
sei. Rein sachlich, d. h. von der beaufsichtigten Tätigkeit her gesehen, wäre die Aufsicht i m einen wie i m andern Fall mit Tätigkeiten der Verwaltung befaßt, die auf Interessen außerhalb der Verfassung zielen, ja, Art. 37 GG würde weitgehend dazu dienen, jene Lücken der Aufsicht über die Landesverwaltung auszufüllen, die Art. 84 Abs. 3 GG gelassen hat 3 1 . Die Differenzen, die bei der Ausführung eines Bundesgesetzes und bei der Ausführung eines Landesgesetzes hinsichtlich der Frage entstehen können, ob Grundrechte, etwa der Gleichheitssatz bei der Ermessensausübung, verletzt sind, sind völlig gleichartig; sie sind gleich sachlich und i n der Regel ohne nachhaltige Bedeutung für das Bund-Länder-Verhältnis. Endlich aber fehlt diesem Begriff die innere Beziehung zum Bundeszwang, der doch Grundlage der Verfassungsaufsicht sein soll. Zugleich w i r d damit auch der Unterschied der regulären Aufsichts- zur außerordentlichen Bundeszwangskompetenz verwischt. Wenn man einen auf die Bundeszwangskompetenz gestützten besonderen Begriff der Verfassungsaufsicht schaffen w i l l , bleibt gar keine andere Möglichkeit, als für diesen Begriff allein den konkreten Grad der Bestandsgefährdung der bundesstaatlichen Ordnung ausschlaggebend sein zu lassen und nicht schon den Rang der Norm, die nicht richtig ausgeführt oder nicht beachtet wurde. Damit, daß ein besonderer Begriff der Verfassungsaufsicht als Aufsicht über alle einzelnen Verfassungsnormen abgelehnt wird, ist selbstverständlich noch nicht die Frage entschieden, ob und i n welchem Sinn Art. 37 GG als Grundlage einer Aufsicht über die Beachtung der Normen des Grundgesetzes neben Art. 84 Abs. 3 GG i n Frage kommen kann, insbesondere ob es sinnvoll ist, die Bundeszwangskompetenz weiter reichen zu lassen als die reguläre Aufsichtskompetenz 32 . Diese Frage ist i m späteren Zusammenhang zu erörtern. Zurückgewiesen werden soll hier lediglich der Versuch, den Begriff der Verfassungsaufsicht, wie ihn Heckel geprägt hat, umzuwandeln zu einer allgemeinen Aufsicht über die Beachtung der einzelnen Verfassungsnormen und diese Aufsicht von vornherein inhaltlich mit der Bundeszwangskompetenz verbunden zu sehen. Diese inhaltliche Verknüpfung besteht nicht — ganz i m Gegensatz zu Heckeis Begriff. Sie trifft auch nicht den Kern der Unterscheidung von Art. 37 und Art. 84 Abs. 3 GG. 31 I n welchem Ausmaß eine Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte zu einer Aufsicht über die Landesverwaltung führen muß oder jedenfalls führen kann, w i r d unten noch zu zeigen sein. Vgl. unten S. 56 f. 32 D a r i n liegt i n Wahrheit das p u n c t u m pruriens aller aus A r t . 37 G G begründeten Deduktionen; vgl. Schneider , Gutachten, S. 1027; Bullinger , AöR 83, 1958, S. 305; Frowein, S. 50.
§ 1: Der Begriff der Bundesaufsiht
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I V . Bundesaufsicht und Rechtsprechung durch Bundesgerichte
Vielfach w i r d auch die Überprüfung einzelstaatlichen Verhaltens durch Bundesgerichte als eine Form der Aufsicht angesehen33. So erscheint etwa die Revisionsinstanz i n Zivilsachen als Aufsichtsinstanz des Bundes über die Rechtspflege der Länder 34 . Erst recht w i r d danach die Entscheidung eines Verfassungsgerichtes des Bundes in Verfassungsstreitigkeiten zwischen Bund und Land über eine Pflichtverletzung des Landes als Aufsichtsentscheidung angesehen35. Diese Auffassung ist zweifelhaft. Es besteht zwar gerade unter dem Grundgesetz Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß Aufgaben, die bislang der Bundesaufsicht zugeschrieben wurden, dem Bundesverfassungsgericht übertragen werden konnten. Aber die durch das Nebeneinander von Aufsicht und Bundesverfassungsgerichtsbarkeit aufgeworfene Frage der verfassungsrechtlichen Koordination läßt das Augenmerk gleich dringlich auf ihre Verschiedenartigkeit gerichtet sein. Die Entscheidung für eine politischen Organen des Bundes übertragene Aufsichtskompetenz liegt letzten Endes darin begründet, daß mit ihr eine — wie verschieden auch immer geartete — politische Aufgabe verbunden ist, die den Gerichten nicht übertragen werden konnte. Es ist irrig, sie einfach als Emanation der Überordnung des Bundes über die Länder anzusehen 86 . Die strukturell notwendige Überordnung des Bundes läßt ebenso Platz für eine nach beiden Seiten gerichtete verfassungsgerichtliche Kontrolle. A m ehesten könnte die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes i n föderalen Streitigkeiten als Aufsicht angesprochen werden. Ihrer Aufgabe, verfassungsrechtliche Streitigkeiten zu entscheiden, kommt nicht nur tatsächlich eine politische, vor allem i m Bund-Länder-Verhältnis auch eine integrierende Bedeutung zu 87 , sie läßt sich auch ohne ein gewisses Maß an gestaltender politischer Entscheidung nicht wahrnehmen. Ausschlaggebend aber ist, daß die Entscheidung durch ein Verfassungsgericht des Bundes in richterlicher Unabhängigkeit von einem Organ gefällt wird, das außerhalb des Verfassungsstreits steht. Die vielfach übertriebene Betonung 88 , es handele sich bei der verfassungsge33
Vgl. v o r allem Triepel, Reichsaufsicht, S. 135 ff. So Kiefer, S. 69 ff.; Cohn, S. 5, 24 f. 35 So f ü r die W R V Poetzsch-Heffter, K o m m . A r t . 15, I I I , 7, S. 137; ders., JöR Bd. 17,1929, S. 31, e; Servos, S. 50; gegenwärtig Krüger, Gutachten, S. 1072,ff. (1080). 36 Börner, S. 20; Kiefer, S. 2 f. 37 Vgl. Smend, Verf. u. Verf. R, S. 240. 38 Vgl. etwa Glocker, S. 87. 34
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Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht
richtlichen Kontrolle eben u m eine Kontrolle durch ein Bundesorgan, übersieht den Charakter des Gerichts als eines Verfassungsorgans, das doch i n dem Sinne ein „pouvoir neutre" darstellt, als es seiner Aufgabe nach i n das politische Kräftespiel zwischen Bund und Ländern nicht einbezogen ist 39 . I n dem Kräftespiel zwischen Bund und Ländern muß von jeglicher Bundesgerichtsbarkeit gesagt werden, was Montesquieu — freilich mit anderen Vorstellungen — von der Rechtsprechung überhaupt gesagt hat: „Des trois puissances... celle de juger est en quelque façon nulle 4 0 ." Das bedeutet, daß ihr Bundesorgancharakter nicht i n Rechnung gestellt werden darf 4 1 . Es ist bezeichnend, daß der Verfassungsgerichtsbarkeit auch die Einseitigkeit der Kontrolle, die der Aufsicht innewohnt, fehlt. Sie erstreckt sich i n gleicher Weise auf das Verhalten der Länder wie des Bundes 42 . Deutlich w i r d i n ihr nicht wie i n der den politisch gestaltenden Organen übertragenen Aufsichtskompetenz das Subordinationsverhältnis, sondern das verfassungsrechtliche Koordinationsverhältnis zwischen Bund und Ländern hervorgekehrt. Seit ihrem Ursprung sind ihr beide Aufgaben gleichermaßen erwachsen: die Kontrolle über die Einzelstaaten wie der Schutz der Einzelstaaten gegenüber dem Bund 4 3 . Beide Aufgaben mußten zu einer inhaltlichen Einheit verschmelzen, waren sie letzten Endes doch auf das gleiche Ziel gerichtet: die Respektierung der bundesstaatlichen Ordnung. Es scheint jedenfalls heute 44 verfehlt, der Kontrolle nach der Seite der Länder eine besondere Bedeutung beizumessen45. Zugespitzt: verfassungsgerichtliche Kontrolle gliedstaatlicher Maßnahmen ist nicht Aufsicht des Bundes über die Länder, sondern „Auf39
Rechtsvergleichend zur tatsächlichen Abhängigkeit Wheare, pp. 62—64. Montesquieu, De L'Esprit Des Lois, L i v r e X I , Chapitre V I . Z u r Lehre Montesquieus von der d r i t t e n Gewalt vgl. Drath, Gewaltenteilung, S. 99 ff. 41 Es ist aber keinesfalls nötig, deshalb auf ein dreigliedriges Bundesstaatsmodell zurückzugreifen u n d das B V e r f G als Organ eines B u n d u n d Länder zusammenfassenden Gesamtstaats anzusehen, so aber Ermacora, JöR N F 8, 1959, S. 61. 42 So bereits § 126 Ziff. a der Verf. v. 28. März 1849 u n d § 124 Ziff. a des E r furter Verfassungsentwurfs (Text: E. R. Huber, Dokumente I , S. 316, 440). 43 Vgl. Scheuner, DVB1. 1952, S. 295, 1. Sp.; ders., Bereich der Regierung, S. 295 f. 44 Unter der W R V konnte m a n wegen A r t . 13 Abs. 2 zweifeln. Aber dieser „ T r u m p f " (Wittmayer, S. 210 f.) gegenüber den Ländern auch innerhalb der Verfassungsgerichtsbarkeit w u r d e durch A r t . 19 weitgehend zunichte gemacht, vgl. Anschütz, K o m m . A r t . 15, 9; A r t . 19,12. 45 Wheare , p. 66, sieht i n dieser nach beiden Seiten gleichmäßig ausgeübten K o n t r o l l e geradezu ein unerläßliches Erfordernis des föderativen Prinzips: „ W h a t is essential for federal government is that some i m p a r t i a l body, indépendant of general and regional governments, should decide upon the meaning of the division of powers." 40
§ 2: Verfassungsgeschichtliche Wandlungen der Bundesaufsicht
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sieht" einer neutralen Instanz über die Beachtung der Verfassung, die sowohl gegenüber dem Land wie gegenüber dem Bund geübt wird. Noch weniger vertretbar erscheint es, die übrige Bundesgerichtsbarkeit, insbesondere die Revisionsgerichtsbarkeit, als Aufsicht über die einzelstaatliche Rechtsprechung zu bezeichnen 40 . Bundesaufsicht und gerichtliche, insbesondere verfassungsgerichtliche, Überprüfung hoheitlicher Akte der Länder sollen deshalb auch terminologisch i m folgenden unterschieden werden 47 . V. Zusammenfassung
Die Bundesaufsicht ist ein Mittel, die spezifische Form des Bundesstaates zu gewährleisten und zu aktualisieren. Sie zielt auf die Einordnung der Einzelstaaten i n das bundesstaatliche Gefüge. Das gilt auch für die kontrollierende Aufsicht über die Verwaltung. Anderes gilt für die leitende Aufsicht, die mit ihrem durchgreifenden Weisungsrecht auch i n Ermessensfragen i n die Nähe einer eigenen Verwaltung gerückt ist. Der besondere Begriff der Verfassungsaufsicht, wie Heckel ihn prägte, zeichnet sich dadurch aus, daß er die Aufsicht i n den Fällen einer konkreten Gefahr für die bundesstaatliche Ordnung erfaßt. Eben deshalb ist die Bundeszwangskompetenz die sedes materiae der Verfassungsaufsicht. Es ist nicht sinnvoll, die Verfassungsaufsicht als allgemeine Aufsicht über die Beachtung sämtlicher Verfassungsnormen zu verstehen. Bundesaufsicht und Rechtsprechung durch Bundesgerichte sind zu unterscheiden. § 2: Verfassungsgeschichtliche Wandlungen der Bundesaufsicht Die Darstellung der Bundes aufsieht unter dem Grundgesetz sieht sich einerseits genötigt, weitgehend an die verfassungsgeschichtliche Überlieferung anzuknüpfen. A u f der anderen Seite ist es jedoch wichtig, 46
Richtig Krauss, S. 37 f. I n der älteren Lehre sind denn auch richterliche u n d aufsehende T ä t i g keit des Reichs k l a r unterschieden worden, vgl. K . F. Eichhorn, S. 2. I n der j ü n geren L i t e r a t u r vgl. Laband, AöR Bd. 26, 1910, S. 364 f.; Thoma, Verhandlungen, S. 71; Forsthoff, AöR N F 19, 1930, S. 69; Stier-Somlo, I , S. 392; Frowein, S. 19 u n d die dort genannten. Graubaum, S. 50 m i t einer f ü r die Rechtsaufsicht k a u m zutreffenden Begründung. Das BVerfG scheint von einem umfassenderen Aufsichtsbegriff auszugehen, vgl. BVerfGE 3, S. 49, Beschl. v. 11. Nov. 1953; Geiger, Bay. VB1.1957, S. 307. 47
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Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht
darauf zu achten, daß darüber nicht die vielfachen Besonderheiten der gegenwärtigen Regelung verlorengehen. Das gilt nicht nur für die Frage nach dem Umfang der Aufsicht, es gilt ebenso für die Stellung und Aufgabe der Aufsichtsorgane, gerade auch für die Beteiligung des Bundesrates. Ein kurzer verfassungsgeschichtlicher Überblick, auf den zurückzugreifen sich allerorts als notwendig erweisen wird, erscheint daher erforderlich. I . Die Bedeutung der Reichsaufsicht unter der R V v. 1871
Die RV v. 1871 kannte i n Übereinstimmung mit ihrem i m wesentlichen auf eine organisatorische Ordnung beschränkten Gesamtcharakter überhaupt nur eine Aufsicht des Reiches über die Einzelstaaten als eine den politischen Organen des Reiches verliehene Kompetenz. Die bedeutendste Kompetenz, der Mängelfeststellungs- und damit i n einem der Mängelabstellungsbeschluß, war dem Bundesrat übertragen. Triepel hat diesen Beschluß — jedenfalls für den Bereich der abhängigen Aufsicht nach Art. 7 Ziff. 3 RV v. 1871 — als „richterliche Feststellung einer mangelhaften Gesetzesausführung und richterlichen Befehl an die Einzelstaaten" bezeichnet1. Nun wurde auch unter der RV v. 1871 nicht verkannt, daß der Bundesrat für ein Richteramt denkbar ungeeignet war, insbesondere nicht die Unabhängigkeit besaß, die von einem Gericht gefordert werden muß 2 . Wichtiger ist in diesem Zusammenhang, daß durch eine derartige Charakterisierung die verfassungsrechtlichen Entscheidungen, die durch die Übertragung dieser i m Aufsichtsverfahren zentralen Entscheidung auf ein politisches, seiner Herkunft nach föderatives Organ getroffen wurden, leicht verkannt und damit auch Aufgabe und Bedeutung der Aufsicht selbst nicht richtig eingeschätzt werden. Keinem Verfassungsgesetzgeber kann es entgehen, daß die Kompetenz zur Entscheidung verfassungsrechtlicher Streitigkeiten i n der Hand eines politischen Organs die Gewähr der ausschließlichen Bindung an das Gesetz nicht enthält, daß vielmehr damit die politische Lösung der Streitfragen i n den Vordergrund gerückt wird. Darin ist nicht eine vom Verfassungsgesetzgeber i n Kauf genommene Unvollkommenheit zu sehen. Hätte i h m das Leitbild richterlicher Tätigkeit vor Augen ge1 Triepel, Reichsaufsicht, S. 141; vor Triepel bereits Arndt, Staatsrecht, S. 107, I I I ; Wunder, S. 56, 76 f.; Köhler, S. 77. 2 Vgl. insbesondere Binding, D J Z 1899, S. 69 if. (72), der meinte, der B u n desrat stelle „als Richter ein welthistorisches U n i k u m " dar; v. Mohl, S. 270; auch Hänel, Staatsrecht, S. 769 f.; Laband, H i r t h s - A n n a l e n 1873, Sp. 486; gegen die Kennzeichnung als Richterspruch überhaupt Herwegen, S. 76, Fußnote 4.
§ 2: Verfassungsgeschichtliche Wandlungen der Bundesaufsicht
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standen, wäre es leicht gewesen, es zu verwirklichen. Es ist auch nicht eine gewollte oder nicht gewollte verfassungsrechtliche Anomalie 3 . I n Wahrheit enthält jede Zuweisung an ein politisches Organ zugleich den Auftrag, eine politische Aufgabe zu erfüllen, sei es auch i m Gewände von Rechtsprechung i m streng materiellen Sinne 4 . Auch der Art. 7 Ziff. 3 RV v. 1871 traf nicht nur eine Zuständigkeitsverteilung, sondern enthielt zugleich prinzipielle, das Institut der Reichsauf sieht bestimmende Entscheidungen materiell-rechtlicher A r t 5 : Zunächst machte die Zuweisung der i m Aufsichtsverfahren ausschlaggebenden Entscheidungsbefugnis über das Vorliegen einer Pflichtverletzung an den Bundesrat deutlich, daß auch die Lösung von Aufsichtsstreitigkeiten i m politischen Bereich und damit auch i m Bereich der Macht, aber auch zugleich und vor allem: des Kompromisses und der gegenseitigen Zugeständnisse vorgenommen werden sollte 6 . Es erweist sich damit weiter, daß es nur eine Teilwahrheit ist, wenn gesagt wird, der Bundesrat habe sich bei seiner Entscheidung „wie ein urteilender Richter an die vom Gesetz vorgenommenen Interessenabwägungen" anzuschließen gehabt 7 . Gewiß gilt für alle Verfassungsorgane und insbesondere i m förderalen Bereich das Gebot, sich an das bestehende Recht zu halten. Recht und Politik schließen sich nicht aus. Aber in jeder Verfassung stellt sich das Problem der Kollision zwischen dem Integrations- und dem Rechtswert 8 . Die Bismarcksche RV hatte diese Kollision für den föderalen Bereich in Übereinstimmung mit ihrem Gesamtcharakter als ein i m wesentlichen auf dem Grundsatz der Vertragstreue basierendes „System funktioneller Integration" ohne detaillierte inhaltliche Bestimmungen 9 , unzweideutig zugunsten des Integrationswertes entschieden, auch und gerade indem sie die zentrale Entscheidungsbefugnis i n Aufsichtsstreitigkeiten dem Bundesrat zuwies. I n der Ausgestaltung der Aufsicht des Reiches über die Einzelstaaten spiegelte sich danach deutlich die Auffassung des Schöpfers der RV v. 3
Das hat beispielsweise Seydel, K o m m . S. 189, verkannt, wonach bei einem Streit u m den I n h a l t des Rechts eine authentische Gesetzesauslegung, m i t h i n ein A k t der Gesetzgebung, notwendig sein sollte. 4 Vgl. Smend, Verf. u. Verf.R, S. 214; oben S. 23. 5 Uber die Herleitung fundamentaler Verfassungsprinzipien aus K o m p e tenzzuweisungen vgl. Smend, Ungeschr. Verfassungsrecht, S. 39 ff. 6 Vgl. die Äußerungen Bismarcks i n der Sitzung des Reichstages v o m 16. 3. 1869, Ges. Werke Bd. 11, S. 34. 7 Vgl. Triepel, Reichsaufsicht, S. 399. 8 Vgl. Smend, Verf. u. Verf.R, S. 272 f. 9 Vgl. Smend, Verf. u. Verf.R, S. 229; Scheuner, Bereich der Regierung, S. 292.
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Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht
1871 über die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Gesamtstaat und Einzelstaaten wider. Bismarck lehnte es bereits i n der Sitzung des Reichstages vom 16. März 1879 ab, „den Bund i n seiner tiefsten prinzipiellen Grundlage durch Anregung der Kompetenzfrage zu beunruhigen" 1 0 . Die Struktur des Bundesrates, sein föderalistischer Ursprung und seine Zusammensetzung auf der einen, seine Stellung als „ w i r k licher Souverän i n seiner Gesamtvertretung" 11 auf der anderen Seite, ermöglichten jenen besonderen Charakter der Aufsicht, die nicht auf einen streng rechtsgebundenen Richterspruch beschränkt war. Der Bundesrat konnte einerseits Kompromisse schließen, wo ein Gericht den Einzelstaat zur völligen Unterwerfung hätte verurteilen müssen, und andererseits „auch außerhalb der eigentlichen Kompetenzsphäre des Reiches Majoritätsbeschlüsse über gemeinnützige Anordnungen" fassen, um das „politisch Erwünschte" zu erreichen 12 . I m engen Zusammenhang mit dem zuletzt Gesagten enthält die Regelung der Aufsichtskompetenz i n der RV v. 1871 eine dritte prinzipielle Entscheidung: Verfassungen sind keine starren Gesetze. Sie sind sowohl i m ganzen wie i n ihren einzelnen Instituten zum Teil tiefgreifenden Wandlungen unterworfen. Nur so läßt sich ihr Anspruch auf Dauer angesichts der Geschichtlichkeit der K u l t u r begründen. Alle Verfassungen enthalten deshalb das Ventil einer formellen Verfassungsänderung. Daneben aber vollzieht sich i m Verlauf und Vollzug des verfassungsmäßigen Lebens jener stetige Prozeß der VerfassungsWandlung, der zu nicht weniger tiefgreifenden Verfassungsänderungen führen kann. Indem die Verfassung von 1871 die letzte Entscheidung über Streitigkeiten i m förderalen Bereich dem Bundesrat übertrug, begründete sie damit zugleich seine Zuständigkeit zur Fortentwicklung der Verfassung, m i t h i n — um es zugespitzt zu sagen — eine Möglichkeit inexpliziter, aber nicht unbedeutender Verfassungsänderungen auf einem begrenzten Gebiet 13 » 14 . Dazu waren die weitgehenden Ermessensentscheidungen, die der Bundesrat i m Rahmen der abhängigen Aufsicht für sich i n Anspruch nahm 1 5 , besonders aber die selb10
Bismarcks Ges. Werke, Bd. 11, S. 35. Vgl. auch die Äußerungen Bismarcks i m Reichstag am 17. Nov. 1871, Bismarcks Ges. Werke, Bd. 11, S. 214. 11 Bismarck i m Reichstag am 27. März 1879, Ges. Werke, Bd. 12, S. 50. 12 Vgl. — auch zum Vorhergehenden — Kaufmann, Bismarcks Erbe, S. 34. 13 S. Binding , D J Z 1899, S. 69 ff. (71), der diese Möglichkeit nachhaltig beklagte. 14 Treffend bemerkt Wheare, Federal Government p. 67: „ B u t i t is i m p o r t a n t that w h e n these alternatives to j u d i c a l review are discussed, i t should be realized clearly that w h a t is involved i n the last resort is the method of alteri n g the constitution." 15 Triepel, Reichsaufsicht, S. 399. Als Beispiel für die ganz außerordentlich weitgehende „Exekutionsgewalt", die dem Reich m i t der Aufsicht eingeräumt sein sollte, vgl. Endemann, S. 43.
§ 2: Verfassungsgeschichtliche Wandlungen der Bundesaufsicht
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ständige Aufsicht, hervorragend geeignet. Darauf ist noch zurückzukommen. I I . Wandlungen der Bundesaufsicht
Es ist nicht möglich, hier die Wandlungen der Reichsaufsicht der RV v. 1871 bis zur Bundesaufsicht des Grundgesetzes vollständig darzulegen. Dazu ist sie zu sehr mit der Verfassungsordnung insgesamt, insbesondere mit der Stellung ihrer Organe i m Verfassungsaufbau, verknüpft. Bereits die vorausgegangene knappe Charakterisierung der Aufsichtsbefugnisse des Bundesrates der RV v. 1871 ist als Versuch eines Vergleichs und damit als eine Methode der schärferen Darstellung 18 der Bundesaufsicht unter dem Grundgesetz auf zwei ihrer wesentlichen Merkmale zugeschnitten: das Bestehen einer Verfassungsgerichtsbarkeit in föderalen Streitigkeiten neben der Aufsicht — mit der die Kontrolle der Aufsichtsmaßnahmen selbst verbunden ist — und die grundsätzliche Beschränkung der Aufsicht auf eine Rechtsaufsicht. Ungeachtet der Frage, in welchem Sinn und i n welchem Maße auch den Gerichten, besonders aber dem Bundesverfassungsgericht, eine gestaltende, d. h. i m Wege der bloßen Kognition inhaltlich nicht mehr zu verifizierende, Entscheidungsbefugnis eingeräumt ist 17 , läßt sich sagen, daß gerade die inhaltlich weitgehende Regelung des Bund-Länder-Verhältnisses den auftretenden Streitigkeiten eine hohe Justiziabilität sichert und es einer gerichtlichen Kontrolle besonders zugänglich macht 18 . Der Maßstab, nach dem das Bundesverfassungsgericht entscheidet, ob eine vom Bund gerügte Rechtsverletzung seitens des Landes vorliegt, ist ein rechtlicher. Dann aber ist auch die Aufsicht selbst i n feste, prinzipiell i m voraus festliegende und damit kontrollierbare rechtliche Schranken gewiesen 19 . Sie ist zwar nicht schon deshalb auf eine Rechtsaufsicht i m spezifischen Sinn beschränkt, allein jener weite Spielraum der Entscheidung und Einflußnahme nach politischen Gesichtspunkten, der den Aufsichtsorganen der RV v. 1871 zur Verfügung stand, mußte schon durch die verfassungsgerichtliche Überprüfung weitgehend eingeengt werden. 16 Über Sinn u n d Möglichkeit eines historischen Vergleichs u n d einer Analogie vgl. R. Wittram, Das Interesse an der Geschichte, S. 46 ff. 17
Vgl. neuerdings Scheuner, Rechtsstaat, S. 259.
18
Vgl. Scheuner, Der Bereich der Regierung, S. 296, Fußnote 114.
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Vgl. Urteil des StGH v. 25. Okt. 1932 i n „Preußen contra Reich", S. 492 ff., 511 (unten) f. Vgl. auch Preuß, Berichte u. Protokolle d. 8. Ausschusses, S. 288.
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Erstes Kapitel: Begriff und Bedeutung der Bundesaufsicht Damit sind weitreichende Konsequenzen verbunden:
Das Aufsichtsverfahren, insbesondere i n seiner zentralen Entscheidung, dem Feststellungsbeschluß des Bundesrates, ist nicht mehr ein Mittel, i m Schöße eben des föderativen Organs das Bund-Länder-Verhältnis politisch zu ordnen. Der politische Ausgleich zwischen Bund und Land ist zwar nicht aus dem Bund-Länder-Verhältnis überhaupt verschwunden 20 , wohl aber aus den förmlichen Entscheidungen des Aufsichtsverfahrens. Verfassungen, die eine ausnahmslose verfassungsgerichtliche Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern kennen, schließen eine autoritative Aufsichtsentscheidung eines politischen Organs aus. Das Kernstück des Aufsichtsverfahrens der RV v. 1871: die bindende Entscheidung des Bundesrats, was rechtens war, ist damit fortgefallen. Selbst ein beiderseitiges Einvernehmen kann nur dort die wirkliche Rechtslage dahingestellt sein lassen, wo die Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß das Bundesverfassungsgericht auf anderem Wege mit der Sache befaßt wird. Das Aufsichtsverfahren ist kein geeignetes Institut mehr der Verfassungsgestaltung und Verfassungswandlung i m föderalen Bereich. Neben der Verfassungsgerichtsbarkeit verliert es seine selbständige Bedeutung und w i r d zu einer bloßen Vorstufe eines verfassungsgerichtlichen Austrags der Streitigkeit. Nur i n der Möglichkeit einer sofortigen Exekution ohne vorheriges verfassungsgerichtliches Urteil äußert sich i n der gegenwärtigen Bundesaufsicht noch jene die Aufsicht unter der RV v. 1871 kennzeichnende volle Suprematie des Bundes; und selbst diese Möglichkeit steht unter der Kuratel der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung und w i r d so zu einer nur vorläufigen Zwangsbefugnis. Nichts wäre verfehlter, als diese Entwicklung zu beklagen. Sie ist lange und immer wieder gefordert 21 . M i t Recht! Denn auch das Verfassungsleben kann sich i n den Schranken des Rechts bewegen. Wichtig ist jedoch, diesen Veränderungen bei der Erörterung der Aufsicht im einzelnen Rechnung zu tragen. So erscheint es beispielsweise von vornherein verfehlt, dem Bundesrat i m Verfahren nach A r t . 84 Abs. 4 GG eine allgemeine, den Bereich der Verwaltung und Gesetzgebung gleichermaßen umfassende politische Ausgleichsaufgabe zuzuweisen 22 , obgleich er sie angesichts der Überprüfbarkeit seiner Entscheidung nur i n einem sehr begrenzten Umfang wahrnehmen kann. 20
Vgl. die Darlegungen Scheuners, Politische Meinung, 1956, Heft 7, S. 31 ff., über die Wandlungen der bundesstaatlichen Ordnung. 21 Thudichum, S. 98; Binding, D J Z 1899, S. 69 ff., Triepel, Reichsauf sieht, S. 693 ff. 22 Vgl. Schneider, Gutachten, S. 1043; Bullinger, AöR 83,1958, S. 306 f.; Krüger, Gutachten, S. 1080, A n m . 70; Bayer, S. 96.
§ 2: Verfassungsgeschichtliche Wandlungen der Bundesaufsicht
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Die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern mußte zwar zu einer rechtlich enger umgrenzten und gerichtlich nachprüfbaren Aufsicht führen, nicht aber auch zur Beschränkung auf eine Rechtsaufsicht. Für die gerichtliche Kontrolle ist es ohne Belang, wer innerhalb der rechtlichen Grenzen letzten Endes die Ermessensentscheidung zu treffen hat, ob Bund oder Land. Das Grundgesetz hat jedoch, soweit die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, die Aufsicht auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt, Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte i n den Grenzen eines etwaigen Entscheidungsspielraumes kann der Bund nur bei der Bundesauftragsverwaltung kraft ausdrücklicher Anordnung des Art. 85 Abs. 4 S. 1 GG geltend machen. Das Grundgesetz hat damit die Selbständigkeit der Länder bedeutend gestärkt, da der Bund auch nicht das Recht hat, durch einfaches Bundesgesetz die Ausführung i m Auftrag des Bundes anzuordnen. Es hat damit jedoch auf der anderen Seite dem Bund die Möglichkeit abgeschnitten, auf die Ausführung dort Einfluß zu nehmen, wo die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung sie dringend erfordert. Das mußte den Bund dazu veranlassen, von den wenigen leitenden Aufsichtsbefugnissen, die i h m auch insoweit, als die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, eingeräumt worden sind, einen verstärkten Gebrauch zu machen 23 . Das gleiche gilt für den Rückgriff auf die Kompetenz zur Errichtung von selbständigen Bundesoberbehörden (Art. 87 Abs. 3 GG). I I I . Zusammenfassung
Aufgabe und Bedeutung der Aufsicht haben seit der RV v. 1871 einen grundlegenden Wandel erfahren. Die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit in föderalen Streitigkeiten und die damit verbundene verfassungsgerichtliche Kontrolle der Aufsichtsmaßnahmen haben die Aufsicht rechtlich enger umgrenzt und sie als ein M i t t e l der Rechtsund Verfassungsgestaltung ausscheiden lassen. Diesem Wandel ist bei der Erörterung der Ausgestaltung der Aufsicht unter dem Grundgesetz i m einzelnen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus hat das Grundgesetz die Aufsicht i m Bereich der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit der Länder grundsätzlich auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt.
23 Das g i l t vor allem i m H i n b l i c k auf A r t . 84 Abs. 5 (vgl. dazu unten S. 93 ff.), weniger f ü r A r t . 84 Abs. 2 G G (vgl. dazu unten S. 83 ff.).
Zweites Kapitel
Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz § 3: Abhängige und selbständige Aufsicht I. Der Begriff der abhängigen und selbständigen Aufsicht
Die Unterscheidung von abhängiger und selbständiger Aufsicht gehört zum Bestand einer wissenschaftlichen Systematik des Hechts der Bundesaufsicht, seit Triepel sie i n seiner bekannten Monographie prägte 1 . Der Unterscheidung war jedoch von Anfang an eine begriffliche Unsicherheit eigen, die es nicht erlaubt hat, verläßliche Konsequenzen an sie zu knüpfen. Es ist weder klar, wie selbständige und abhängige Aufsicht exakt gegeneinander abzugrenzen sind, noch ob es sich bei der selbständigen Aufsicht um eine Hechtsaufsicht handelt. Die Unterscheidung geht von der Feststellung aus, daß sowohl nach A r t . 4 RV v. 1871 als auch nach A r t . 15 Abs. 1 WRV, der Umfang der Aufsichtskompetenz sich mit der Gesetzgebungskompetenz des Reiches deckte. „Abhängig" nannte Triepel jene Aufsicht, die durch die vorausgehende Anwendung des Rechts zur Gesetzgebung bedingt war; „selbständig" hingegen die Aufsicht über solche Gebiete, auf denen dem Reich die Gesetzgebungskompetenz zwar zustand, das Reich aber von ihr noch keinen Gebrauch gemacht hatte 2 . Es ist eine unumgängliche Konsequenz dieser Begriffsbildung, daß i n den Bereich der abhängigen Aufsicht nicht die kompetenzregelnden Verfassungsnormen selbst gehören. Da abhängige Aufsicht per definitionem nur dann ausgeübt wird, wenn von der verfassungsmäßigen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht worden ist, können die Normen, deren Ausführung der abhängigen Aufsicht unterworfen ist, nicht die 1 Triepel , Reichsaufsicht, S. 370, ausführlich S. 371 ff., 411 ff. Über die W i r k u n g auf den Verfassungsgesetzgeber vgl. f ü r die W R V Berichte u. Protokolle des 8. Ausschusses S. 80, 82; f ü r das Grundgesetz Füsslein, JöR N F 1, 1951, S. 628. 2 Triepel, Reichsauf sieht, S. 370. Triepel folgte insoweit einer gerade am A n fang des Reiches naheliegenden u n d verbreiteten Unterscheidung. Vgl. Härtel, Staatsrecht I , S. 305; Köhler, S. 29 ff.
§ 3: Abhängige und selbständige Aufsicht
33
kompetenzregelnden Bestimmungen der Verfassung selbst sein; es muß sich vielmehr u m die erst auf Grund der Verfassung getroffene (oder übernommene) nähere gesetzliche Regelung einer zur Gesetzgebungskompetenz des Gesamtstaats gehörigen Materie handeln. Die Unterscheidung stellt von vornherein darauf ab, ob neben den Normen der Verfassung noch andere, i n Übereinstimmung mit der Verfassung bundesrechtlich geltende Normen vorhanden sind. Es läge ganz i m Sinne dieser Logik, wenn die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes i n der Entscheidung vom 26. März 19573 dahin zu verstehen wären, daß die Aufsicht des Bundes über die Beachtung der Normen des Grundgesetzes insgesamt der selbständigen Aufsicht zuzuweisen seien4. Verständlich w i r d von hierher auch, weshalb neuerdings die abhängige Aufsicht mit der Aufsicht über die verwaltungsmäßige Ausführung der Bundesgesetze gleichgesetzt wird 5 . Die wiedergegebene Begriffsbestimmung ist unzweideutig auf die Aufsicht über die Verwaltung zugeschnitten. Für eine Aufsicht über den Gesetzgeber ist es wenig sinnvoll, danach zu unterscheiden, ob bereits ein Gesetz erlassen ist oder nicht. Seine Rechte und Pflichten ergeben sich ganz überwiegend unmittelbar aus der Verfassung 6 . Allein m i t den dargelegten Konsequenzen würde zwar dem logischen Gehalt der wiedergegebenen Begriffsbestimmung, nicht aber dem historisch überlieferten Gehalt dessen, was unter selbständiger resp. unter abhängiger Aufsicht zu verstehen ist, Rechnung getragen. Sowohl unter der RV v. 1871 wie unter der WRV ging die ganz überwiegende Meinung dahin, daß auch die Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen der abhängigen Aufsicht zuzuordnen sei 7 . So hat der StGH wiederholt seine Zuständigkeit i n einem Streit u m die Auslegung einer Verfassungsnorm aus Art. 15 Abs. 3 WRV begründet, der aber unbestritten nur die abhängige Aufsicht erfaßte. I n seiner Entscheidung vom 9. Dezember 1929 heißt es: 8
BVerfGE 6/309 ff. (329). Die Annahme, daß das B V e r f G dieser Ansicht sei, ist nicht ganz zweifelsfrei. I n der L i t e r a t u r w i r d sie so aufgefaßt, vgl. Bullinger, AöR 83, 1958, S. 298. 5 BVerfGE 6/309 f. Ziff. 5, 329. 8 Wenn man von dieser Begriffsbildung ausgeht, ist es deshalb auch wenig sinnvoll, unter dem Grundgesetz zwar n u r eine (abhängige) Aufsicht nach E r laß eines Gesetzes zuzulassen, gleichwohl aber eine umfassende Aufsicht über den Gesetzgeber zu bejahen, vgl. etwa Schäfer , AöR 78, 1952/53, S. 7, 13. Wenn m a n aber den A k t der Verfassungsgebung bereits als Erlaß eines Gesetzes i n diesem Sinne ansieht, w i r d diese Unterscheidung überhaupt sinnlos! 7 Vgl. f ü r die R V v. 1871 Triepel, Reichsaufsicht, S. 412, Fußnote 2; f ü r die W R V Anschütz, K o m m . A r t . 15,1 b, S. 114. 4
3
Dux
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
„ I n d e m das Reich geltend macht, daß die Verleihung von Ehrentiteln, w i e sie von der Bayerischen Staatsregierung vorgenommen werde, gegen jene Verfassungsvorschrift verstoße, übt es die i h m nach A r t . 15 Abs. 1 RVerf. zustehende Aufsicht i n einer Angelegenheit aus, i n der es v o n seiner Befugnis zur Gesetzgebung eben durch den A r t . 109 Abs. 4 RVerf. bereits Gebrauch gemacht hat" 8 .
Allgemeiner noch ist die Zuständigkeit zur Entscheidung nach Art. 15 Abs. 3 WRV gegenüber einem A k t der abhängigen Aufsicht i n der Entscheidung vom 11. J u l i 1930 (Thüringische Schulgebete) umschrieben: „Daß dieses Recht der Aufsicht u n d des Verlangens der Mängelbeseitigung sich auch auf die Vorschriften erstreckt, die i n der Reichsverfassung selbst enthalten sind, versteht sich v o n selbst, da doch gerade sie die Grundlage und den Rahmen abzugeben bestimmt sind, innerhalb deren sich die Gesetzgebung und die V e r w a l t u n g des Reiches u n d der Länder zu halten h a b e n . . ." 9 .
Die Begründung dieser Urteile konnte kaum überzeugen 10 . Gegenüber dem ersten Urteil vom 9. Dezember 1929 hätte schon geltend gemacht werden können, daß bereits i n der Verfassung enthaltene spezielle Regelungen nicht ergangen sind, weil der (Verfassungs-)Gesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz einen ersten Gebrauch gemacht hat, sondern weil der Verfassungsgesetzgeber ungeachtet, ja möglicherweise entgegen aller übrigen Kompetenzverteilung diese Materie i n bestimmter Weise vorweg regeln wollte. Immerhin wäre es vertretbar gewesen, die Beachtung einer inhaltlich so begrenzten, i n sich abgeschlossenen und unmittelbar ausführbaren Norm wie Art. 109 Abs. 4 WRV der Ausführung einfacher Gesetze gleichzustellen und damit i n den Bereich der von der abhängigen Aufsicht kontrollierten Tätigkeit einzubeziehen. Die Ansicht des StGH ging jedoch, wie vor allem die Entscheidung vom 11. J u l i 1930 zeigt, dahin, unterschiedslos die Beachtung aller Verfassungsnormen der abhängigen Aufsicht zu unterwerfen. Diese Auffassung war aber nach der auch vom StGH übernommenen oben wiedergegebenen Unterscheidung von abhängiger und selbständiger Aufsicht inkonsequent. Wenn diese Begriffsbestimmung einen Sinn haben, d. h. für die systematische Erfassung des Aufsichtsrechts von Bedeutung sein sollte, dann konnte sie nur darauf abzielen, ob außer den i m wesentlichen organisatorischen Verfassungsnormen noch andere, die Materie näher regelnde Normen erlassen worden waren. Ein anderer Gegensatz läßt sich, wenn man darauf abstellt, ob der Gesetzgeber von seinem Recht bereits Gebrauch gemacht hat oder nicht, gar nicht denken. 8 9
(18).
Lammers-Simons, Lammers-Simons ,
Bd. 2, 1930, S. 25 ff. (28) = RGZ 127, Anhang S. 25 (30). Bd. 4, 1932, S. 104 ff. (111) = RGZ 129, Anhang S. 9 ff.
10 I m Ergebnis zu Recht bereits unter der W R V k r i t i s i e r t von Fröhlich, gegenwärtig von Frowein, S. 36.
S. 14,
§ 3: Abhängige und selbständige Aufsicht
35
Man muß dem Staatsgerichtshof allerdings zugute halten, daß Triepel selbst sich um die seiner anfänglichen Begriffsbestimmung innewohnende Logik nicht gekümmert hat. Ausdrücklich bezieht er auch die Überwachung der Verfassungsartikel i n den Bereich der abhängigen Aufsicht ein. So äußert er: „ W e n n es ein solches (selbständiges Aufsichtsrecht) gibt, so bezieht es sich gerade auf Dinge, die noch gar nicht gesetzlich, gleichviel ob i n der V e r fassung oder sonstwo, geregelt sind" 1 1 .
Triepel hat daher endlich als Fälle selbständiger Aufsicht nur die angesehen, bei denen das Verhalten des Landes allein an der ungeschriebenen „verfassungsmäßigen Bundespflicht, die Interessen des Reiches oder andere von der Reichsverfassung anerkannte Gemeininteressen" zu wahren, gemessen wurde 1 2 . Damit erst war das eigentlich unterscheidende K r i t e r i u m beim Namen genannt. Die Aufsicht vor Erlaß 'eines die Materie regelnden Reichsgesetzes war als Maßstab auf die allgemeine verfassungsrechtliche Pflicht, die Interessen des Reichs zu beachten, verwiesen 13 . Das war auch der Anknüpfungspunkt für Triepel. Die letztere Begriffsbestimmung ist jedoch insofern weiter, als nach ihr die Aufsicht darüber, daß die Länder das Interesse des Reiches beachten, in Wahrheit an die Gesetzgebungskompetenz nicht gebunden ist. Denn durch dieses bundesstaatliche Prinzip ist schlechthin j ede Kompetenz beschränkt 14 . Die selbständige Auf sicht der letzteren Prägung ist letztlich nichts anderes als das bereits von Kiefer aus dem allgemeinen bundesstaatlichen Prinzip hergeleitete „allgemeine Aufsichtsrecht" 15 . Die Aufsicht auf den Gebieten, auf denen dem Reich eine Gesetzgebungskompetenz zwar zustand, es von ihr aber noch keinen Gebrauch gemacht hatte, war nur ein Teil, wenn auch der wesentlichste 16 . 11
Triepel , Reichsaufsicht, S. 412, Fußnote 2. Triepel , Reichsaufsicht, S. 451. 13 So bereits — als erster — Wunder , S. 68 f.; die Ansicht Hänels , Staatsrecht I , S. 305 — ebenso Köhlers , S. 31, unter der W R V noch Hubrichs , S. 38 — Maßstab sei i n diesem F a l l das Landesrecht, hat Triepel , Reichsaufsicht, S. 438 ff., überzeugend widerlegt. 14 So der Sache nach bereits Herwegen, S. 77, 83 f., freilich noch ohne die Pflicht als grundlegende bundesstaatliche Verfassungsnorm k l a r zu erkennen. Triepel selbst, Reichsaufsicht, S. 363 ff., insbes. 368 f., hat verkannt, daß diese Pflicht nicht n u r als bloße kompetenzregelnde Norm, w i e die übrigen i n A r t . 4 R V v. 1871 genannten Materien, zu verstehen ist. Deshalb geht seine K r i t i k an Kiefer (s. Fußnote 15) letztlich fehl. Treffend bereits Fröhlich , S. 13; gegenwärtig Fr owein, S. 31 f. 15 Kiefer, S. 37 ff., 40 ff., hat zutreffend die Frage, ob dem Reich schon vor Erlaß eines Reichsgesetzes auf den Gebieten seiner Gesetzgebungskompetenz nach A r t . 4 R V v. 1871 eine A u f sichtskompetenz zustehe, von der anderen unterschieden, ob es ein allgemeines Aufsichtsrecht auch außerhalb dieses Bereiches ausüben könne. Bemerkenswert k l a r bereits auch Wunder, S. 68 f. 16 Zutreffend Wollenberg, S. 36. 12
3*
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz I I . Bedeutung der Unterscheidung von abhängiger und selbständiger Aufsicht
Die Bedeutung der selbständigen Aufsicht zeigt sich, wenn man das eigentlich unterscheidende Kriterium, den Maßstab, näher ins Auge faßt. Die verfassungsrechtliche Pflicht der Einzelstaaten, die Interessen des Reiches zu beachten, entspricht i m wesentlichen dem, was seit Smend als die Bundestreuepflicht bezeichnet wird 1 7 . Sie äußert sich i n dreifacher Richtung 18 : Einmal verbietet sie den Ländern, nur scheinbar eigene Kompetenzen wahrzunehmen, i n Wirklichkeit aber i n den Kompetenzbereich des Bundes einzudringen. — I n diesem Sinn dient sie lediglich dazu, das Land auf die Grundlage des Bundesstaats, die Pflicht zur Respektierung der Kompetenzverteilung, hinzuweisen, erlangt aber sonst keine eigenständige Bedeutung, nicht einmal als Auslegungsregel. Sie ist hier nicht weiter von Interesse. Zum anderen gebietet sie den Ländern, bei der Ausübung unzweifelhaft eigener Kompetenzen die Auswirkungen auf den Bundesbereich i n Rechnung zu stellen 19 . Man mag die Pflicht i n dieser Ausprägung deshalb als eine „unselbständige Nebenpflicht" bezeichnen, weil sie Bedeutung nur i m Zusammenhang m i t der Ausübung anderweitig verliehener Kompetenzen erlangt 20 . Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß erst der Inhalt dieser Pflicht die nähere Abgrenzung der interdependenten Kompetenzen zwischen Bund und Ländern bringt; aus der bloßen Kompetenzverteilung allein folgt sie noch nicht. I n diesem Sinn ist sie selbständiger Rechtsgrund. Das rechtfertigt auch, sie prozessual selbständig geltend zu machen 21 . Schließlich aber gebietet die Treuepflicht den Ländern i n besonderen Fällen sogar, von eigenen Kompetenzen Gebrauch zu machen, u m Bundesinteressen i n Schutz zu nehmen. I n diesem Fall ist sie unzweifel17 Die Treuepflicht äußert Rechtswirkungen auch f ü r den Bund. Hier interessiert aber vorwiegend die Pflichtseite der Länder. Uber die Unterscheidung gegenüber der (umfassenderen) Pflicht zum b u n desfreundlichen Verhalten vgl. Scheuner, v o r dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1645 f. 18 Vgl. außer Smend, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 39 ff., insbes. S. 42 f., 51 f. Krüger, Festgabe f ü r E. Kaufmann, S. 240 f.; ders., Gutachten, S. 1081 (aber entschieden zu eng); Kaiser, Z.f.ausl.ö.R.u.VR, Bd. 18, 1957/58, S. 542 ff.; Spanner, D Ö V 1961, S. 481 ff.; Hertl, S. 17 ff.; Bayer, insbes. S. 55 ff., der aber die Bedeutung der Treuepflicht als selbständiger Rechtsgrund v e r kennt. 19
Vgl. BVerfGE
20
So Schule, vor dem BVerG, Konkordatsprozeß, S. 1616 f.; Bayer, S. 63 ff.
21
Vgl. bereits Scheuner, v o r dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1644 f.
4/115 ff. (140 f.), Urt. v. 1. Dez. 1954.
§ 3: Abhängige und selbständige Aufsicht
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haft selbständiger Rechtsgrund wie die geschriebenen Verfassungsnormen auch 22 . Die Aufsicht darüber, daß die Einzelstaaten i n dieser Weise die Interessen des Reiches beachteten, gaben dem Bundesrat eine außerordentliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Einzelstaaten an die Hand. Zwar sollten die Bestimmungen der RV den Anhalt dafür bieten, um festzustellen, welches überhaupt Reichsinteressen sein konnten, allein was i m einzelnen m i t dem Interesse des Reiches vereinbar war oder nicht, ließ sich außerhalb einer gesetzlichen Fixierung nur dann sagen, wenn die nächstliegenden konkreten Entscheidungen und Ziele der politischen Entwicklung zugrunde gelegt wurden. Offensichtliche, i n der Verfassung selbst erklärte oder vorausgesetzte Wertungen, so das Interesse des Reiches an seinem Bestand, an der Funktionsfähigkeit der Organe, an der politischen Geheimsphäre, erfaßten nur Grenzsituationen. Der Bundesrat war aber keinesfalls darauf beschränkt, nur offenbar schädliches Verhalten abzustellen. Es stand — wenn man Triepel glauben darf 2 3 — i m Belieben des Bundesrates, wann er einschritt, und es lag i n seiner Macht, zu bestimmen, welche Maßnahmen i m Einzelfall zu ergreifen waren. Die selbständige Reichsaufsicht, die für die Beachtung der Interessen des Reiches auch außerhalb einer gesetzlichen Regelung Sorge trug, war damit das Mittel, auch politische Entscheidungen des Reiches gegenüber den Einzelstaaten zur Geltung zu bringen. Es wäre gewiß verfehlt, die Vorstellung zu hegen, unter der RV v. 1871 habe das Reich mittels der selbständigen Aufsicht schrankenlos in den Bereich der Einzelstaaten hineinregieren können. Die Stellung der Einzelstaaten war so stark, daß daran nicht zu denken war. Insbesondere aber lagen der Reichsregierung derartige Absichten fern. Die wiederholt aufgezeigte Inkonsequenz, m i t der sie i n einem Fall von einem selbständigen Aufsichtsrecht Gebrauch machte, während sie es i m anderen verneinte 24 , ist Ausdruck dieser klugen Zurückhaltung. Entscheidend aber ist, daß dem Reich m i t der selbständigen Aufsicht jedenfalls die Möglichkeit dieser Einflußnahmen nach politischen Gesichtspunkten geschaffen worden war 2 5 . Die Fälle, i n denen das Reich 22
I n dieser Ausprägung w i r d sie überhaupt verkannt v o n Schule , v o r dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1616 f.; Bayer, S. 63 ff. Bereits die Rechtsprechung des B V e r f G bietet dafür eine Reihe v o n Beispielen, vgl. die Zusammenstellung bei Geiger , Bay. VB1., S. 338 ff.; außerdem treffend BVerfGE 8/122 ff. (138 f.), U r t . v. 30. J u l i 1958; vgl. auch das Beispiel unten S. 47. 23 Triepel , Reichsaufsicht, S. 451; vgl. auch Vonficht, S. 29. Über die so gut w i e ausnahmslose Anerkennung einer selbständigen A u f sicht unter der R V v. 1871 i n der L i t e r a t u r vgl. Triepel , Reichsaufsicht, S. 436, A n m . 2; über die zwiespältige Handhabung i n der Praxis ebd., S. 416 ff. 24 Vgl. Triepel , Reichsaufsicht, S. 416 ff. 25 Unmißverständlich i n diesem S i n n Kiefer, S. 45.
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
— vorwiegend i n den Anfängen, als es die eigene Gesetzgebungskompetenz noch wenig ausgeübt hatte — von ihr Gebrauch gemacht hat, sind bekannt 26 . Die bis heute offene Frage 27 , ob es sich bei der selbständigen Aufsicht um Rechts- od6r Zweckmäßigkeitsaufsicht handelte, ist von hierher zu entscheiden. Triepel selbst hat einerseits die selbständige Aufsicht als Rechtsaufsicht bezeichnet, er hat andererseits erklärt, daß es sich bei der selbständigen Aufsicht „niemals um eine bloße Kontrolle der Legalität, sondern ganz ausschließlich um eine Überwachung der Zweckmäßigkeit des gliedstaatlichen Verhaltens" handele 28 . Dieser scheinbare Widerspruch läßt sich kaum damit erklären, Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte hätten hier nicht anders als bei der abhängigen Aufsicht nur insoweit geltend gemacht werden können, als die Zweckmäßigkeit Inhalt der Pflicht sei 29 . Dort, wo die Frage zweckmäßigen Handelns überhaupt Bedeutung gewinnt, wie vor allem bei der Ausübung des Handlungsermessens, ist zweckmäßiges Handeln immer Inhalt der Pflicht; die Frage ist lediglich, wer darüber entscheidet, was zweckmäßig ist. Wichtiger aber ist, daß der Maßstab der selbständigen Aufsicht den Einzelstaaten einen Raum für Zweckmäßigkeitserwägungen i n der Weise, wie vorzugsweise beim Handlungsermessen der abhängigen Aufsicht, nicht einräumte. Die selbständige Aufsicht überwachte nicht die Einhaltung eines Ermessens, sondern die Beachtung eines — freilich unbestimmten — Rechtsbegriffs 30 . Triepel hatte daher Recht, wenn er argumentierte, die Erfüllung der Treuepflicht sei „Erfüllung der Reichs Verfassung selbst, genauer: . . . der verfassungsmäßigen Bundespflicht, die Interessen des Reiches... zu achten", die Aufsicht über ihre Beachtung deshalb Rechtsauf sieht 31 . Die selbständige Aufsicht war Rechtsauf sieht. Der Inhalt der Pflicht wies jedoch eine Besonderheit auf: er war noch unbegrenzt und verwies zu seiner Konkretisierung auf die Entscheidung des Reiches und damit des maßgeblichen Aufsichtsorgans, des Bundesrates, selbst. Was Inhalt dieses unbestimmten Rechtsbegriffs war, wurde i m Einzelfall vom Reich festgelegt. Dem Reich — und nur dem Reich — stand die Entscheidung zu, was seinem Interesse entsprach. Den Einzelstaaten konnte i n keinem 26
Vgl. die Beispiele bei Triepel , Reichsaufsicht, S. 424 ff. S. Bullinger , AöR 83, 1958, S. 299 ff.; Frowein , S. 25 f. 28 Triepel , Reichsaufsicht, S. 451, A n m . 2, 453 einerseits u n d S. 706 f. andererseits. I m letzteren Sinne auch Wittmayer , S. 210, 249 f. 29 So Frowein, S. 25. 30 Der strukturelle Unterschied zwischen beiden ist gut herausgearbeitet bei Jesch, AöR 82, 1957, S. 163 ff., 204 ff. 31 Triepel, Reichsauf sieht, S. 451 f. Zumindest ungenau deshalb Nawiasky, Grundgedanken, S. 43. Zutreffend Frowein, S. 26. 27
§3: Abhängige und selbständige Aufsicht
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Fall ein Spielraum i n der Beurteilung darüber eingeräumt sein, was das Interesse des Gesamtstaates verlangte. Wenn man deshalb darauf abstellt, inwieweit die Einzelstaaten an die von Fall zu Fall ergehenden politischen, i m Gegensatz zu inhaltlich bereits gesetzlich festgelegten, Entscheidungen gebunden waren, so läßt sich kaum eine stärkere Form der „Zweckmäßigkeitsaufsicht" denken 32 . Das kommt nicht nur i n den scheinbar widersprüchlichen Äußerungen Triepels deutlich zum Ausdruck; aus eben diesem Grunde suchte Triepel auch die selbständige Aufsicht der Verfassungsgerichtsbarkeit zu entziehen bzw. richtiger, sie auf eine Nachprüfung von Willkürmaßnahmen zu begrenzen 33 . Die Bedeutung der selbständigen Aufsicht liegt auf der Hand: das Reich sicherte sich damit nicht nur das Recht einzuschreiten, solange es von seiner Gesetzgebungskompetenz noch keinen Gebrauch gemacht hatte, sondern angesichts seiner beschränkten Zuständigkeiten die Möglichkeit, Einfluß auch auf den Gebieten auszuüben, die an sich i n den Kompetenzbereich der Länder fielen, auf denen aber — nach Ansicht des Bundesrates — Gemeininteressen berührt werden konnten. Insofern kannte auch die RV v. 1871 als „monarchischer Bundesstaat" ein Hineinwirken des Gesamtstaates i n die Sphäre der Einzelstaaten 34 . Gerade die selbständige Aufsicht umschloß danach jene Möglichkeiten, die notwendig waren, um das sehr empfindliche Verhältnis zwischen Reich und Einzelstaaten gestaltend zu entwickeln 35 . Deutlich trat darin der Integrationscharakter der Aufsicht zutage 38 . Es bestätigt sich damit nur, was jedenfalls i m Hinblick auf die selbständige Aufsicht fast rechtslogisch hätte deduziert werden können, daß sie als ein Mittel, die Beachtung der Bundestreuepflicht durch die Einzelstaaten zu gewährlei32 Rosin , S. 108, hat i m H i n b l i c k auf die insoweit vergleichbare Staatsaufsicht über die Genossenschaften die strukturelle Besonderheit der „Pflicht zur Wahrung der öffentlichen Interessen" trefflich erkannt, w e n n er feststellt, daß die Aufsicht über ihre Beachtung es an der „Abgrenzung der Staatsaufsicht gegenüber der Selbstbetätigung" fehlen lasse. Frowein, S. 23 ff., schätzt die Bedeutung dieser strukturellen Andersartigkeit der von der selbständigen Aufsicht überwachten Pflicht gegenüber anderen, inhaltlich bestimmten Normen nicht richtig ein, w e n n er meint, m i t dem Nachweis, daß die selbständige Aufsicht Rechtsaufsicht gewesen sei, verbiete sich eine Unterscheidung gegenüber den anderen Verfassungsnormen. Die selbständige Aufsicht w a r Rechtsaufsicht, aber nicht alle Rechtsaufsicht selbständige Aufsicht (so aber Frowein , S. 52). 33 Triepel , Reichsaufsicht, S. 706; ders., Streitigkeiten, S. 100; Wittmayer , S. 249 f. Bereits unter der W R V w u r d e dieses Verhältnis von Rechtsauf sieht u n d Zweckmäßigkeitserwägung häufig verkannt, was zu Unklarheiten über die selbständige Aufsicht führte, vgl. etwa Braasch , S. 69, 73 f. 34 Vgl. Smend, Ungeschr. Verf. Recht, S. 58. 35 Vgl. i m einzelnen oben S. 27 ff. 36 I n dieser Sicht erweist sie sich als das eigentliche Pendant zu der Beteiligung der Einzelstaaten an der Gesamtwillensbildung; s. aber Smend, Verf. u. Verf. R., S. 239.
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
sten, eben denselben Charakter tragen mußte wie der Rechtssatz selbst, nämlich — nach einem Wort Smends 37 — Schlußstein des Integrationssystems zu sein. Es ist nicht zweifelhaft, daß Triepel diese Bedeutung der selbständigen Aufsicht als K e r n der Unterscheidung von der abhängigen ansah. Von Anfang an 38 hat Triepel die Verfassung nur insoweit als Gegenstand der selbständigen Aufsicht angesehen, als die Erfüllung der verfassungsmäßigen Bundespflicht, die Interessen des Reiches zu achten, i n Frage stand 39 . Die strukturelle Verschiedenartigkeit dieser Pflicht gegenüber allen übrigen Verfassungsnormen ließ Triepel auch zögern, ihre Beachtung als Ausführen eines Reichsgesetzes i. S. der Art. 7 Ziff. 3, 17 RV v. 1871 (Art. 15 Abs. 3 WRV) anzusehen 40 . Zwar waren auch die übrigen Verfassungsnormen mehr oder weniger unbestimmt, aber jede war doch auf die Regelung einer sachlich umschriebenen Materie begrenzt, ganz i m Gegensatz zu dieser Pflicht, die das Verhältnis des Reiches zu den Einzelstaaten i n seiner Gesamtheit erfaßte. Eben deshalb behandelte er die selbständige Aufsicht als Aufsicht über die Beachtung dieser zentralen Pflicht lediglich i n Analogie zu den genannten Vorschriften, während er die Aufsicht über die Beachtung der übrigen Verfassungsnormen ohne jeden Zweifel dort mit geregelt sah 41 . Aber selbst denjenigen Autoren, die sich entschieden gegen eine selbständige Aufsicht wandten, war es ebensowenig zweifelhaft, daß die Aufsicht über die Beachtung der einzelnen Normen der RV v. 1871 selbst zur (abhängigen) Aufsicht des Art. 7 Ziff. 3 gerechnet werden mußte 42 . Die Literatur unter der WRV ist i h m darin weitgehend gefolgt 43 . 87
Smend, Verf. u. Verf.R., S. 203. Triepel , Reichsaufsicht, S. 412, A n m . 2 (oben S. 35, Fußn. 11), S. 451; Frowein , S. 27, i r r t , w e n n er w o h l m i t Bezug auf Triepel , Streitigkeiten, S. 73, meint, die Einschränkung sei erst nachträglich erfolgt. 39 Nachdrücklich klargestellt: Triepel , Streitigkeiten, S. 73. V o n dieser Begriffsbestimmung ist auszugehen, w e n n m a n dem Sinn der selbständigen A u f sicht nähertreten w i l l . Frowein, S. 26 u n d öfters, versäumt das, indem er die selbständige Aufsicht an die Konsequenzen der anfänglichen Begriffsbestimm u n g bindet, wonach die Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen allerdings nicht zur abhängigen gezählt werden könnte (vgl. oben S. 32 f.). 40 So unter der R V v. 1871 noch Smend, D J Z 1913, Sp. 1347 ff. 41 Vgl. Triepel, Reichsaufsicht, S. 544; ders., Streitigkeiten, S. 75. Dabei w a r es Triepel am wenigsten fraglich, daß es sich i m einen w i e i m andern Falle u m die Beachtung einer Rechtspflicht handelte. 42 So Dambitsch, S. 104 ff., 232; vgl. i m übrigen v. Roenne I , S. 216; Arndt, K o m m . A r t . 7,5, S. 107; ders., Staatsrecht, S. 109. 43 Vgl. Anschütz, HdbDStR I , S. 368, 3a, ausdrücklich; Poetzsch-Heffter, K o m m . Vorbem. A r t . 15, 3, S. 132; sehr deutlich auch Cohn, S. 47 f.; Höchst, S. 76 ff.; auch Wittmayer, S. 209, 234 f., betonte zwar, daß es sich um die K o n trolle der Reichs Verfassung, aber doch eben n u r dieses zentralen Satzes handelte. 38
§ 3: Abhängige und selbständige Aufsicht
41
Auch der Staatsgerichtshof rechnete die Aufsicht über die einzelnen Verfassungsnormen zur abhängigen Aufsicht 44 . Nur vereinzelt wurde der Kern der Unterscheidung verkannt 4 5 und die Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen insgesamt zur selbständigen Aufsicht gerechnet. m . Die selbständige Aufsicht i m Grundgesetz
Das Grundgesetz hat die Bestimmung des Art. 4 RV v. 1871 und des entsprechenden Art. 15 Abs. 1 WRV nicht aufgenommen. Es bedient sich i n Art. 84 Abs. 3 S. 1 eben jener Formel, die i n der RV v. 1871 in Art. 7 Ziff. 3 und i n der WRV i n Art. 15 Abs. 2 u. 3 enthalten war und dort nach ganz überwiegender Lehre nur für die abhängige Aufsicht galt 46 . Damit sollte nach der bereits i m Zuständigkeitsausschuß geäußerten Auffassung zum Ausdruck gebracht werden, daß die i n A r t . 84 GG begründeten Aufsichtsbefugnisse enger sein und jedenfalls die selbständige Aufsicht nicht mit umfassen sollten 47 . Nach einer von Zinn und neuerdings von Frowein geäußerten Ansicht soll allerdings die gegenüber Art. 4 RV v. 1871 und Art. 15 WRV veränderte Fassung des Art. 84 GG diese Folgerung nicht rechtfertigen. Während Zinn die selbständige Aufsicht unmittelbar aus dem Bundesstaatsprinzip herzuleiten sucht 48 , sieht Frowein die sedes materiae der selbständigen Aufsicht i n Art. 37 GG 49 . Da, so folgert Frowein, weder Art. 4 RV v. 1871 noch Art. 15 Abs. 1 WRV i n Wahrheit Grundlage für Hie von der Gesetzgebungskompetenz ganz unabhängige selbständige Aufsicht hätten sein können, so könne auch der Fortfall einer dem Art. 4 RV v. 1871 und dem Art. 15 Abs. 1 WRV vergleichbaren Fassung i n Art. 84 GG nicht den Sinn haben, eine selbständige Aufsicht unter dem Grundgesetz nicht anzuerkennen. Diese Argumentation ist zunächst i n der Begründung fraglich: Art. 4 RV v. 1871 und Art. 15 Abs. 1 WRV erfaßten die selbständige Aufsicht wenigstens insoweit, als sie auf Gebieten ausgeübt wurde, auf 44
Vgl. oben S. 34. So Giese, Reichsverfassung, A r t . 15, I I , S. 86. I h m schloß sich Krebs , S. 35 ff. an, jedoch ohne Einsicht i n die Problematik. Das letztere g i l t auch f ü r Groscurth , S. 89 ff. Wie Giese auch Hatschek , I , S. 94. Es ist danach nicht richtig, w e n n Frowein, S. 27, meint, Triepels Begriff der selbständigen Aufsicht habe sich nicht durchgesetzt. 4G Vgl. f ü r die R V v. 1871 Hänel, Staatsrecht I , S. 315; f ü r die W R V Anschütz, K o m m . A r t . 15, 12, S. 124; Lammers, S. 65; aber auch Triepel, Streitigkeiten, S. 75. 47 Füsslein , JöR N F Bd. 1,1951, S. 628. 48 Zinn, D Ö V 1950, S. 524; zustimmend Werr, S. 55 f. Unter der R V v. 1871 i n diesem Sinne Zorn, Staatsrecht I, S. 140 f.; ders., H i r t h s A n n a l e n 1884, S. 476; auch Kiefer, S. 40 ff. 49 Frowein, S. 40 ff. 45
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
denen dem Reich die Gesetzgebungskompetenz zustand, und zwar die selbständige Aufsicht über die Landesverwaltung so gut wie über die Landesgesetzgebung. Diese Annahme darf, wie ein Vergleich der Art. 7 Ziff. 3, 17 mit der weiteren Fassung des Art. 4 RV v. 1871 und des Art. 15 Abs. 3 mit Art. 15 Abs. 1 WRV zeigt, als gesichert gelten 50 . Auch wenn man danach dem Umstand Rechnung trägt, daß Art. 84 GG i m Abschnitt über die Verwaltung steht, müßte danach dem absichtlichen Wegfall einer dem Art. 4 RV v. 1871, Art. 15 Abs. 1 WRV entsprechenden Bestimmung die Bedeutung zugemessen werden, das Grundgesetz kenne eine (selbständige) Aufsicht über die Verwaltung auf Gebieten seiner Gesetzgebungskompetenz vor Erlaß eines Bundesgesetzes nicht. Entscheidend aber ist, daß trotz der systematischen Bedenken zumindest seit Triepels Monographie Art. 4 RV v. 1871 und wenig später Art. 15 Abs. 1 WRV i m vollen Umfang als Grundlage der selbständigen Aufsicht angesehen wurden. Unter der WRV konnte nach der Entstehungsgeschichte kein Zweifel sein, daß diese Auffassung auch dem Willen des Verfassungsgesetzgebers entsprach, der damit die unter der RV v. 1871 noch umstrittene Frage 51 klären und der i n der Literatur entwickelten Unterscheidung Rechnung tragen wollte 5 2 . Von dieser überlieferten Verfassungsrechtslage mit samt ihrer Interpretation ging der Grundgesetzgeber aus. Daran ist die verfassungsgeschichtliche Interpretation gebunden. Sie läßt danach erkennen, daß die Fassung des Art. 84 GG, die eine dem Art. 4 RV v. 1871, Art. 15 Abs. 1 WRV vergleichbare Vorschrift nicht kennt, den Sinn hat, die selbständige Aufsicht nicht i n das Grundgesetz zu übernehmen. Dieser deutlich zum Ausdruck gebrachte Wille des Verfassungsgesetzgebers steht auch dem Versuch Zinns entgegen, die selbständige Aufsicht aus ungeschriebenem Bundesstaatsrecht herzuleiten. Eine andere Frage ist, ob und inwieweit Art. 37 GG diesem i n Art. 84 GG zum Ausdruck gebrachten Willen deshalb zwingend i m Wege steht, weil eine selbständige Aufsicht in dem Exekutionsrecht notwendig enthalten ist. Auch andere Verfassungsnormen stehen untereinander in einem Spannungsverhältnis und bedürfen der ausgleichenden Interpretation. Zunächst ist hier ebenso wie bei der Erörterung der Verfassungsaufsicht der Auffassung Froweins entgegenzutreten, die selbständige Auf50
Vgl. Laband, Staatsrecht, I, S. 108. Dambitsch, S. 104 ff. u n d Seydel, Blätter f ü r administrative Praxis, Bd. X L V , 1895, S. 93, ließen vor einer näheren gesetzlichen Regelung eine A u f sicht n u r zum Zwecke der Unterrichtung über die bestehenden Verhältnisse zu. So auch Thudichum, S. 241. Vgl. i m übrigen Triepel , Reichsauf sieht, S. 416 ff. 52 Vgl. Anschütz, K o m m . A r t . 15, l a , S. 113; Cohn, S. 43; Wittmayer , S. 234. 51
§3: Abhängige und selbständige Aufsiht
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sieht finde als Aufsicht über jede einzelne Verfassungsnorm i n A r t . 37 GG ihren Grund. Es ist bereits dargelegt, daß nicht nur Triepel die selbständige Aufsicht zu keiner Zeit als Aufsicht über die einzelnen Verfassungsnormen verstanden hat, ebensowenig die i h m ganz überwiegend folgende Literatur, daß vielmehr damit der Sinn der Unterscheidung völlig verkannt wird. Es ist aber für die systematische Erfassung des Aufsichtsrechts auch nicht sinnvoll, einen derartigen Begriff der selbständigen Aufsicht zu schaffen. Er ist allen Einwänden ausgesetzt wie der gleiche Versuch, den Begriff der Verfassungsaufsicht in dieser Weise zu bestimmen; es fehlt i h m vor allem der innere Bezug zur Bundeszwangskompetenz 53 . Gleichwohl ist ein Teil Wahrheit in der Ansicht, das Grundgesetz kenne eine selbständige Aufsicht i n Art. 37: Der Grundgesetzgeber hat aus gutem Grund das Exekutionsrecht nicht auf die Verletzung bestimmter Pflichten beschränkt. Jede Pflichtverletzung, gleich aus welchem Anlaß sie geschehen und i n welchem Gesetz sie ihren nächstliegenden Grund findet, kann zur Anwendung des Bundeszwanges führen. Kein Bereich der Landestätigkeit ist danach der Aufsicht vollständig entzogen, auch nicht die Beachtung der Bundestreuepflicht. Die Bundeszwangskompetenz schafft ein Aufsichtsrecht, das über jeder Staatshandlung der Länder schwebt. Aber der Bundeszwang ist gedacht als ein Aufsichts- und Eingriffsrecht für den Notfall. Er ist neben einer Bundesverfassungsgerichtsbarkeit mehr denn zuvor ein Mittel für den „casus extremus", in dem die bundesstaatliche Ordnung i m ganzen oder in ihren einzelnen tragenden Grundlagen auf dem Spiele steht. Es genügt nicht die allgemeine Störung der bundesstaatlichen Ordnung, die i n jeder Pflichtverletzung liegt. Es genügt danach auch nicht die abstrakte Möglichkeit, daß die Pflichtverletzung sich zu einer ernsthaften Störung entwickeln kann. Notwendig ist vielmehr eine sichtbar konkrete Gefährdung der Geltung der bundesstaatlichen Ordnung 54 . A u f die Abwehr dieser äußersten Gefahren ist auch die Ausübung des „logischen Rechts zur ständigen Überwachung" 55 beschränkt, sofern es zu irgendwelchen Maßnahmen gegenüber dem Land führen soll. 53
Vgl. oben S. 16 ff. Vgl. Heckel, AöR N F 23, 1933, S. 226 f.; nachdrücklich Triepel, D J Z 1932, Sp. 1503; auch Bilfinger, DJZ 1933, Sp. 145; vgl. unten S. 122 ff. Renitente Weigerung, eine verfassungsgerichtlich festgestellte Pflicht zu erfüllen, ist stets eine schwerwiegende, w e i l prinzipielle Pflichtverletzung. Das übersieht Spieß, S. 7 f. 65 Maunz i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 37, I I I , Rdnr. 8. — Maunz betont übrigens ebenfalls, daß aus A r t . 37 GG eine Erweiterung der sonst vorhandenen Aufsichtsrechte nicht hergeleitet werden könne. — Lechner, Bay. Bgmstr. 1949, S. 171. 54
44
Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
A r t . 37 GG legt allerdings ein Argument nahe, das für die Auffassung, er begründe ein sehr viel umfassenderes Recht zur selbständigen Aufsicht, letztlich ausschlaggebend ist: das argumentum a maiore ad minus. Bereits Schneider hat gefolgert, da der Zwang zulässig sei, müßten alle schwächeren M i t t e l ebenfalls zulässig sein 58 . Darauf fußt auch Frowein 5 7 . Dagegen ist kaum etwas einzuwenden. Wenn der Bund zum Bundeszwang schreiten will, steht i h m als schwächeres M i t t e l auch die Mängelrüge zur Verfügung, ja er muß sie sogar zunächst erheben — wie gegenüber anderslautenden Ansichten noch zu zeigen sein wird 5 8 . Fraglich ist jedoch die damit verbundene Konsequenz, soweit das Recht zur Anwendung des Zwanges für den Notfall reiche, müßten die schwächeren Aufsichtsmittel auch schon dann zur Verfügung stehen, wenn eine ernsthafte Störung noch nicht drohe, an die wirkliche Anwendung des Bundeszwanges deshalb auch nicht gedacht sei. Diese Auffassung besagt, wenn sie wirklich sein w i l l , was sie vorgibt: zwingend, nicht weniger, als daß der Grundgesetzgeber, wollte er nicht widersinnig handeln, die Aufsichtskompetenz gar nicht beschränken konnte, solange er nicht gleichermaßen die Bundeszwangskompetenz beschränkte. Es wäre weder möglich gewesen, eine selbständige Aufsicht auszuschließen, noch — worauf noch einzugehen ist — eine Aufsicht über den Landesgesetzgeber. Es ist fast immer bedenklich, der Gestaltungsfreiheit des Verfassungsgesetzgebers derartige Fesseln anzulegen. Entscheidend aber ist, daß dieses Argument a maiore ad minus ein anderes, gewiß nicht weniger elementares Gebot jeder Interpretation außer acht läßt: Ausnahmekompetenzen nicht zur Regelkompetenz auszudehnen 59 . Der Verfassungsgesetzgeber von 1871, 1919 und 1949 folgte einer sehr richtigen Einsicht, wenn er die Bundeszwangskompetenz von der regulären Aufsichtskompetenz unterschied 60 . Und es muß i h m freistehen, die reguläre Aufsichtskompetenz enger zu fassen als das Notrecht des Bundeszwanges. Art. 37 GG kann danach als Grundlage einer selbständigen Aufsicht i n Frage kommen; aber eben nur als Bundeszwangsmaßnahme und nur 56 Schneider , Gutachten, S. 1027; ebenso Bullinger , AöR 83, 1958, S. 305; zuvor bereits Graubaum, S. 104. 57
Frowein,
68
Vgl. unten S. 128 f.
59
Richtig Schaub, S. 92 f.
60
S. 44, 50.
Dies auch gegen Triepel, Reichsauf sieht, S. 374, 490, 666; ders., K o m p e tenzen, S. 288; dort findet sich der Schluß a maiore ad minus ebenfalls, gewann freilich noch keine Bedeutung.
§ 3: Abhängige und selbständige Aufsicht
45
i n dem vorgesehenen Verfahren 61 , also mit Zustimmung des Bundesrates. I n den übrigen Fällen bleibt allein die Möglichkeit eines verfassungsgerichtlichen Austrags der Streitigkeiten. Es ist sowohl verfehlt, jegliche Streitigkeit entweder i n die Bundeszwangskompetenz nach A r t 37 GG oder i n die Aufsichtskompetenz nach A r t . 84 GG einzuordnen als auch bei einer engeren Begrenzung dieser Kompetenzen die verfassungsgerichtliche Kontrolle i n gleicher Weise einzuengen 62 . Darin, daß allen aus Art. 37 GG begründeten Maßnahmen, auch den schwächeren als der Zwang selbst, dieses Tatbestandsmerkmal der Bestandsgefahr zugrunde liegen muß, weist sich die aus der Bundeszwangskompetenz abgeleitete Aufsicht als Verfassungsaufsicht aus 63 . Die selbständige Aufsicht ist dagegen keineswegs stets zur Verfassungsaufsicht zu zählen 84 . Sie kann auch auf Fälle i m Verwaltungs- wie i m Gesetzgebungsbereich gerichtet sein, die von untergeordneter Bedeutung sind und bleiben 65 . Die Verfassungsgeschichte kennt zahlreiche Fälle selbständiger Aufsicht, i n denen das Verhältnis zwischen Reich und Einzelstaat als solches gar nicht ernsthaft berührt wurde und eine Gefahr für die bundesstaatliche Ordnung weder eingetreten ist noch auch nur einzutreten drohte 66 . Für Verfassungsaufsicht und Exekutionsrecht ist nicht die Norm maßgebend, deren Ausführung kontrolliert wird, sondern der konkrete Grad der Gefährdung der bundesstaatlichen Ordnung. Für die selbständige Aufsicht dagegen ist nicht die Bestandsgefährdung maßgebend, sondern die Norm, deren Beachtung sichergestellt werden soll. Zu Recht hat daher Heckel Verfassungsaufsicht und selbständige Aufsicht nicht identifiziert, vielmehr die letztere i n A r t . 15 Abs. 1 WRV begründet gesehen, obwohl er Art. 15 i n scharfen Gegensatz zur Verfassungsaufsicht des A r t . 48 Abs. 1 WRV stellte 67 . 61 I m gleichen Sinn treffend f ü r die W R V Heckel , AöR N F 23, 1933, S. 221; f ü r das Grundgesetz vgl. Spieß , S. 30 f. — Gegenüber der Ansicht Froweins, S. 56, der Bundesrat habe das Vorliegen der Pflichtverletzung ohnehin nicht zu prüfen, vgl. unten S. 125 ff. 62 I m letzteren Sinn aber Schule, vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1615 ff. (1621); dagegen m i t Recht Scheuner, ebd., S. 1646 ff.; ders., Z e v K R , 7,1959/60, S. 260. 63 Vgl. oben S. 16 ff. 64 So aber Frowein, S. 40 ff. (43 f.), infolge der unzutreffenden Gleichsetzung sowohl von Verfassungsaufsicht als auch v o n selbständiger Aufsicht m i t der Aufsicht über alle einzelnen Verfassungsnormen. 65 Treffend Heckel, AöR N F 23, 1933, S. 208, Fußnote 94. Vgl. auch Triepel, Reichsaufsicht, S. 441, Fußnote 2. 66 Vgl. den ersten F a l l der selbständigen Aufsicht bereits zur Zeit des N o r d dt. Bundes bei Triepel, Reichsaufsicht, S. 424 f. 67 Heckel, AöR N F 23,1933, S. 208, insbes. Fußnote 94.
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
I n der Literatur ist der Ausschluß der selbständigen Aufsicht weitgehend anerkannt 68 . Wenn man den Darlegungen folgt, wonach der Sinn der Unterscheidung von abhängiger und selbständiger Aufsicht nur dann erfaßt wird, wenn den inhaltlich bestimmten, gleich ob i n einem einfachen Gesetz oder i n der Verfassung enthaltenen Normen die Generalnorm der Bundestreuepflicht entgegengestellt wird 6 9 , so ist es nicht zweifelhaft, daß mit diesem Ausschluß nur die Beachtung der letzteren Pflicht der Aufsicht des Art. 84 GG entzogen worden ist, damit zugleich allerdings der Aufsicht außerhalb der nur i n außerordentlichen Fällen anwendbaren Bundeszwangskompetenz überhaupt 70 . I V . Sinn des Ausschlusses der selbständigen Aufsicht
Es liegt nahe, den Ausschluß der selbständigen Aufsicht darauf zurückzuführen, daß der Verfassungsgesetzgeber dem Bund jene i n der selbständigen Aufsicht begründeten Einwirkungsmöglichkeiten i n den Landesstaatsbereich 71 nicht gewähren wollte. Bullinger hat die Auffassung vertreten, der Grundgesetzgeber habe überhaupt nur die i n der selbständigen Aufsicht enthaltene Möglichkeit, Zweckmäßigkeitserwägungen zur Geltung zu bringen, treffen, i m übrigen aber die Aufsicht über die Beachtung der Bundestreuepflicht nicht ausschließen wollen 7 2 . Zu Unrecht! Die überlieferte Begriffsbestimmung von abhängiger und selbständiger Aufsicht läßt sich keineswegs i n den Gegensatz von Rechts- und Zweckmäßigkeitsaufsicht pressen 78 . Zweckmäßigkeitsaufsicht i m eigentlichen Sinn war die selbstän68 Vgl. Nachweis bei Frowein , S. 30, Fußnote 1; außerdem v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 4, S. 455; Jerusalem , Zentralismus, S. 48; Krüger, Gutachten, S. 1073; Spieß, S. 9, 28; Haas, S. 15 f., aber ohne Einsicht i n die Problematik; Hertl, S. 89 ff. 89 Deutlich erkannt v o n Spieß, S. 9, Fußnote 22 (der aber übersieht, daß deshalb die Begrenzung auf den Bereich der Gesetzgebungskompetenz des Reiches i n Wahrheit fortgefallen war, S. 29 f.). 70 Die weitgehenden Unklarheiten über das Wesen der selbständigen A u f sicht haben dazu geführt, daß von vielen zwar der Ausschluß der selbständigen Aufsicht anerkannt, die Beachtung der Bundestreuepflicht aber gleichwohl der Aufsicht unterworfen w i r d . Vgl. v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 4, S. 455 f.; Schneider, Gutachten, S. 1028 f.; Bullinger, AöR 83, 1958, S. 295 ff. (303), 305; Bayer, S. 92 ff.; Wessel, D V 1949, S. 328. Vgl. auch Schröcker, DVB1. 1954, S. 488; s. auch die Äußerungen des Abg. Dr. Menzel, Sten. Ber. H A , S. 433. V e r läßliche Schlüsse lassen sich aus den Materialien nicht gewinnen, w e n n man nicht den Fehler begehen w i l l , die eine oder andere Äußerung der Abg. als W i l l e n des Gesetzgebers auszugeben. 71 Vgl. oben S. 37 ff., auch S. 27 ff. 72 Bullinger, AöR 83, 1958, S. 295 ff. Auch Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 14, scheint auf diesen Gegensatz abzustellen. 73 Dagegen auch Anschütz, HdbDStR I , S. 368 f. u. K o m m . A r t . 15, l b , Fußnote 1, S. 114, freilich ohne K l a r h e i t zu schaffen, w i e die Verbindung von Rechts- u n d Zweckmäßigkeitsaufsicht zustande kam. Vgl. dazu oben S. 38 f.
§ 3: Abhängige und selbständige Aufsicht
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dige Aufsicht nie 74 . Soweit aber in der ausfüllungsbedürftigen Norm, die Interessen des Reiches zu beachten, die Möglichkeit enthalten ist, die Einzelstaaten an die wechselnden, gesetzlich nicht manifestierten politischen Entscheidungen des Bundes zu binden, ist unter dem Grundgesetz diese Möglichkeit i n Anbetracht der umfassenden Verfassungsgerichtsbarkeit i n föderalen Streitigkeiten ohnehin enger begrenzt. Denn justiziabel sind nur von vornherein inhaltlich begrenzte Normen. Die Frage ist lediglich, ob diese Grenzen enger oder weiter zu stecken sind; eine Entscheidung, die je nach der mehr oder weniger betont föderalen Struktur verschieden ausfallen kann 7 5 . A u f der anderen Seite aber können, soweit die Bundestreuepflicht reicht, auch gegenwärtig Zweckmäßigkeitserwägungen i n dem Sinn mit ihr verknüpft sein, daß der Bund für die Länder bindend entscheidet, was seine Interessen verlangen. Denn auch unter dem Grundgesetz besteht die Bundestreuepflicht, sich mit den fundamentalen Grundsätzen der vom Bund getroffenen politischen Entscheidungen nicht i n W i derspruch zu setzen 78 . Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Es ist eine Verletzung der Bundestreuepflicht, w e n n eine Landesregierung nicht gegen politisch aktive Emigranten nach Maßgabe der Ausl.Pol.Vo. v o m 22. 8. 1938 (RGBl. I S. 1053) vorgeht, obwohl sie die Außenpolitik der Bundesregierung erheblich stören 7 7 . Ob sie aber die P o l i t i k der Bundesregierung erheblich stören, richtet sich nach ihren außenpolitischen Beziehungen. So k a n n i h r die Betätigung der Emigrantengruppe eines Landes genehm u n d die gleiche Betätigung der eines anderen Landes nicht genehm sein. Insoweit ist das L a n d an die Feststellung seitens des Bundes gebunden; selbst das Bundesverfassungsgericht k a n n die Feststellung des Bundes zwar überprüfen, müßte sie aber insoweit, als es sich darum handelt, welchem Staat gegenüber der B u n d sich mehr oder weniger freundlich verhalten w i l l , seiner Entscheidung zugrunde legen.
Die Frage, inwieweit die Länder an die politischen Entscheidungen gebunden sind, ist demnach neben einer Verfassungsgerichtsbarkeit 74
Vgl. oben S. 38. Das B V e r f G hat erklärt, es sei bei der Prüfung, ob ein L a n d sich b u n destreuewidrig verhalten habe, auf die K o n t r o l l e der äußersten Grenzen beschränkt, BVerfGE 4/115 ff. (140); ebenso BVerfGE 6/309 (361); es hat dam i t genau genommen die Bundestreuepflicht als Rechtspftilcht insoweit eingeengt. 76 Vgl. BVerfGE 4/115 ff. (140) = DVBI. 1955, S. 50 ff. (56). Das B V e r f G hat zutreffend festgestellt, daß diese Pflicht insbesondere soweit, als es die auswärtigen Beziehungen des Bundes betrifft, besonders ernst zu nehmen ist, BVerfGE 6, 309 (362). Z u r K r i t i k an der Entscheidung vgl. die Literaturangabe bei Kaiser , Z. f. ausl. ö. R. u. VR, 18,1957/58, S. 526, Fußnote 3. 77 Gegenüber etwaigen Bedenken aus A r t . 5 GG vgl. Ridder, S. 269, der zutreffend Nicht-Deutschen (i. S. des A r t . 116 Abs. 1 GG) das Grundrecht der Teilnahme am Prozeß der politischen Willensbildung nicht zugesteht. 75
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
ganz unabhängig von der Frage, ob eine selbständige Aufsicht als eine den politischen Organen verliehene Kompetenz besteht oder nicht. Dieses Argument vermag danach den Sinn des Ausschlusses der selbständigen Aufsicht nicht zu erklären. I n Wahrheit kommt dem Ausschluß der selbständigen Aufsicht eine ganz andere Bedeutung zu: Interessen des Bundes können auch dort berührt werden, wo der Bund sein Gesetzgebungsrecht bislang noch nicht ausgeübt hat oder i h m ein Gesetzgebungsrecht nicht zusteht. Diese Möglichkeit ist u m so größer, je umfangreicher die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ist. Die selbständige Aufsicht hätte m i t h i n als Titel dienen können, jeglichen Vorgang i m Bereich der Länderhoheit einer Kontrolle zu unterwerfen. Zwar wäre auch i n diesen Fällen Maßstab der Aufsicht Bundesrecht gewesen. Aber nicht auf den Maßstab, sondern auf das Objekt der Aufsicht kommt es i n diesem Zusammenhang an. Zum Objekt der Aufsicht aber hätte prinzipiell jedes Verhalten des Landes gemacht werden können. Die Befürchtung, das Land werde sich nicht bundesfreundlich verhalten, wäre ein kaum jemals versagender Titel gewesen 78 . Wenn also das Grundgesetz die selbständige Aufsicht auch insoweit ausgeschlossen hat, als sie als eine, wenn auch gegenüber der RV v. 1871 dezimierte, Rechtsauf sieht hätte weiter bestehen können, so enspricht das der starken Betonung ihres föderalen Charakters. Es ist ein notwendiger Schritt zu dem, wie noch zu zeigen sein wird, auch sonst verfolgten Ziel, die Aufsichtskompetenz einzuschränken und den Ländern einen autonomen, von der regulären, d. h. außerhalb der außerordentlichen Bundeszwangskompetenz bestehenden, Aufsicht freien Raum zu sichern. Die Beachtung dieser bedeutenden verfassungsrechtlichen Pflicht ist deshalb nicht ungesichert. Es ist bereits darauf hingewiesen, daß dem Bund i n jedem Fall der direkte Weg vor das Bundesverfassungsgericht offensteht 79 ; äußerstenfalls kann er zum Bundeszwang greifen 80 . Anderes und mehr kann aus dem Wegfall der selbständigen Aufsicht nicht hergeleitet werden. Insbesondere ist es nicht richtig, daraus die Beschränkung der Aufsicht auf die verwaltungsmäßige Ausführung 78 Vgl. Herrfahr dt, B K A r t . 84, I I , 1; Hertl, S. 92; eine unrichtige Akzentverschiebung bedeutet es aber, w e n n Hertl , S. 89 ff., entscheidend auf den Gegensatz v o n geschriebenen u n d ungeschriebenen Pflichten abstellt; ähnlich unscharf auch Maunz, Staatsrecht, S. 206. 79 Vgl. auch Scheuner , Erfolge u n d Schwächen, Schweizer Monatshefte, 39, 1959, S. 725; Maunz , DÖV1959, S. 1. 80 A u f diese beiden Wege weist auch Mosler, Z. f. ausl. ö. R. u. V R 16, 1955/ 1956, S. 33 h i n ; vgl. auch Scheuner, Gutachten, Konkordatsprozeß, S. 710.
§ 3: Abhängige und selbständige Aufsicht
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herzuleiten 81 . Zu keiner Zeit sind die Begriffe abhängige und selbständige Aufsicht i m Sinne eines Gegensatzes von Aufsicht über Verwaltung und Gesetzgebung verstanden worden. Richtigerweise ist die Frage vielmehr die, ob nicht der Grundgesetzgeber neben dem Wegfall der selbständigen Aufsicht auch die abhängige Aufsicht noch weiter eingeengt hat. Das gilt insbesondere i m Hinblick auf die Frage, ob die Beachtung der übrigen Normen des Grundgesetzes der Aufsicht unterliegt. Diese Untersuchung erfolgt zunächst i m Rahmen der Erörterung der Aufsicht über die Verwaltung (§ 4). Zu berücksichtigen ist dabei auch jene exekutive Tätigkeit, die zum Bereich der Regierung gerechnet werden muß. Die weitere Frage, ob das Grundgesetz eine Aufsicht auch über den Landesgesetzgeber kennt, ist davon zu unterscheiden. Sie w i r f t jedenfalls dann, wenn man die Möglichkeit offenläßt, daß das Grundgesetz selbst i n mancher seiner Vorschriften als Bundesgesetz i. S. des Art. 84 Abs. 3 und 4 anzusehen ist, durchaus eigene Fragen auf und macht besondere Überlegungen notwendig (§ 5). V. Zusammenfassung
Die begriffliche Unklarheit der Unterscheidung von abhängiger und selbständiger Aufsicht ist zu einem großen Teil auf die doppelte, i n ihren logischen Konsequenzen inkongruente Begriffsbestimmung bei Triepel zurückzuführen. Zweckmäßigerweise sollte die anfängliche Begriffsbestimmung, wonach es darauf ankommt, ob der Bund von dem Gesetzgebungsrecht bereits Gebrauch gemacht hat oder nicht, fallengelassen werden. Der entscheidende Unterschied ist i m Maßstab zu sehen: inhaltlich bestimmte, auf die Regelung eines umgrenzten Sachverhalts gerichtete Pflichten auf der einen, das allgemeine bündische Prinzip, der Bundestreuepflicht Rechnimg zu tragen, auf der anderen Seite. Das Grundgesetz bringt i n A r t . 84 zum Ausdruck, daß es eine selbständige Aufsicht nicht kennt. Es verfolgt damit den Zweck, den Ländern einen eigenen Wirkungsbereich zu schaffen, der von einer Einwirkungsmöglichkeit der den politischen Organen des Bundes übertragenen Aufsichtskompetenz frei ist. A r t . 37 GG durchbricht den Ausschluß der selbständigen Aufsicht für die Fälle, i n denen eine konkrete sichtbare Bestandsgefahr für die bundesstaatliche Ordnung insgesamt oder ihrer wesentlichen Grundlagen vorliegt. I n diesem Sinne ist Art. 37 GG Grundlage der Verfassungsaufsicht Heckelscher Prägung, die jedoch von der selbständigen Aufsicht sorgsam zu unterscheiden ist. 81
1958. 4
Dux
So BVerfGE
6, S. 309, 329 Ziff. 10; BVerfGE
8, S. 122, 131, U r t . v. 30 J u l i
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
M i t dem Ausschluß der selbständigen Aufsicht ist nur die Aufsicht über die Beachtung der Bundestreuepflicht ausgeschlossen, soweit sie als selbständiger Pflichtgrund anzusehen ist. I n einem solchen Fall bleibt dem Bund der direkte Weg an das Bundesverfassungsgericht. I m übrigen ist zu fragen, ob nicht aus anderen Gründen auch die abhängige Aufsicht noch weiter eingeengt worden ist.
§ 4: Umfang und Maßstab der Aufsicht des Bundes über die Verwaltung der Länder Die Verwaltungskompetenz der Länder greift weit i n den Bereich hinein, in dem dem Bund die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebung zusteht. Auch unter dem Grundgesetz ist die Verwaltungstätigkeit der Länder deshalb die Domäne der Aufsichtskompetenz des Bundes. I m einzelnen ist allerdings sehr zweifelhaft, wie weit das Aufsichtsrecht reicht. Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG, die Grundlage der Bundesaufsichtskompetenz, räumt dem Bund nur ein Aufsichtsrecht darüber ein, daß die Länder die Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß ausführen. Die Kernfrage lautet demnach: Was ist unter „Bundesgesetz" i. S. dieser Vorschrift zu verstehen? Genauer w i r d man fragen müssen: Welche Bundesgesetze werden i. S. dieser Vorschrift ausgeführt 1 ? Denn wenn überhaupt, dann soll gerade i n diesem Merkmal das einschränkende Kriter i u m liegen. I . Die überwiegende Ansicht in der Literatur
Ausgeführt i m Sinne des Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG w i r d nach der i n der Literatur ganz überwiegend vertretenen Ansicht jede Bundesnorm, die als Maßstab für die Verwaltung überhaupt in Frage kommt. Bundesgesetze i m Sinne dieser Vorschrift sind danach nicht nur die vom Bundesgesetzgeber erlassenen einfachen Bundesgesetze sowie die Rechtsverordnungen, sondern ebenso generell die Normen des Grundgesetzes selbst 2 . 1 Die von Triepel , Reichsaufsicht, S. 371 ff., insbesondere S. 378 ff., geprägte u n d i n der L i t e r a t u r übernommene Unterscheidung v o n Handhaben u n d E r füllen der Reichs-(Bundes-)Gesetze w i r d f ü r den Maßstab praktisch nicht relevant. Auch bei der Handhabung von Gesetzen ist Maßstab das Gesetz selbst. N u r so läßt sich beurteilen, ob die allgemeine verfassungsrechtliche Pflicht zur richtigen Ausführung verletzt ist. Treffend jetzt Frowein , S. 21, Fußn. 23. 2 Vgl. Schneider , Gutachten, S. 1026 ff.; Wessel , D V 1949, S. 328; Bayer , S. 97; Graubaum , S. 96; Ahlert , S. 42 f.; Krause, S. 65 ff.; Werr, S. 84 f.; Haas, S. 15.
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Die Konsequenz dieser Ansicht ist, daß die gesamte Verwaltung des Landes der Aufsicht insoweit unterworfen wäre, als Bundesnormen für das Verwaltungshandeln Bedeutung erlangen oder auch nur erlangen können. Ohne Bedeutung wäre es danach, ob die Maßnahme ihre unmittelbare Rechtsgrundlage i m Bundes- oder i m Landesrecht findet. So wäre beispielsweise die gesamte Landesverwaltung der Aufsicht darüber unterworfen, daß sie die Grundrechte beachtet. Denn ausgeführt würden nach dieser Begriffsbestimmung insoweit auch die Grundrechte. I m gleichen Maße wäre außer der Verwaltung jene exekutive Tätigkeit der Länder, die zum Bereich der Regierung gerechnet werden muß, der Bundesaufsicht nach Art. 84 Abs. 3 GG unterworfen 3 . I I . Kritische Stellungnahme
1. Wortinterpretation Geht man zunächst von einer Wortinterpretation des Begriffs „Ausführen" aus, so kann es sich bei den Gesetzen, die ausgeführt werden, nur um solche handeln, die ein bestimmtes Tun des Landes zur Verwirklichung fordern und damit ausführungsbedürftig und ausführungsfähig sind. Ausgeführt werden sie dann und nur insoweit, als das Verwaltungshandeln darauf abzielt, diesen erstrebten Erfolg zu realisieren. Genauer w i r d man sagen müssen: ausgeführt werden Gesetze insoweit, als sie als unmittelbare Rechtsgrundlage des Verwaltungshandelns dienen. Wo die fragliche Norm nicht als Rechtsgrundlage des konkreten Verwaltungshandelns, sondern lediglich als begrenzender Auslegungsmaßstab in Frage kommt, kann man lediglich davon sprechen, daß sie beachtet, nicht aber, daß sie ausgeführt wird 4 . Dieser Sprachgebrauch liegt etwa der herkömmlichen Unterscheidung in „gesetzesausführende" und „schöpferische" Verwaltung 5 zugrunde. Auch dort, wo die Verwaltung aus eigener Initiative selbst schöpferisch tätig wird, ist sie nicht frei von gesetzlichen Bindungen, aber sie führt keine Gesetze aus, ist nicht Werkzeug legislativer Gestaltung, sondern beachtet sie lediglich als Schranke und Auslegungsmaßstab bei iher eigengestaltenden Tätigkeit. Prinzipiell gleichgültig für die Frage, ob es sich um die „Ausführung" einer Norm oder nur um ihre „Beachtung" handelt, ist, ob sie in einem einfachen Bundesgesetz oder i m Grundgesetz selbst enthalten ist. So3 Gegen diese weite Auslegung vor allem Herrfahrdt, B K , A r t . 84, 1; neuerdings entschieden Maunz i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 83, Rdnr. 22 ff., ders bereits zuvor i n Staatsrecht, S. 206; Frowein, S. 35 ff. 4 Vgl. BVerfGE 6, S. 309 ff. (329). 5 Vgl. Laforet, D Ö V 1949, S. 221.
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fern eine Norm des Grundgesetzes als unmittelbare Rechtsgrundlage des Verwaltungshandelns i n Frage kommt, w i r d auch sie i n diesem Sinne ausgeführt. Ebensowenig ist es von Bedeutung, ob das Gesetz sich lediglich an das Land wendet oder Außenwirkung gegenüber dem Bürger äußert 6 . 2. Historisch vergleichende
Interpretation
Die juristische Begriffsbildung ist an die gewöhnliche Bedeutung des Begriffes nicht gebunden, die dargelegte Lehre m i t einer nur philologischen Interpretation m i t h i n noch nicht widerlegt. Eine historisch vergleichende Interpretation scheint denen Recht zu geben, die als „Ausführen eines Bundesgesetzes" auch die bloße Beachtung einer Verfassungsnorm ansehen. Sowohl A r t . 7 Ziff. 3 der RV v. 1871 als auch Art. 15 Abs. 3 S. 1 WRV wurden i n diesem Sinne verstanden 7 . Zwar sah man i n ihnen nur die abhängige Aufsicht geregelt; das beeinträchtigte die Lehre jedoch nicht, da nach ganz überwiegender Lehre die Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen von der abhängigen Aufsicht erfaßt wurde — mit Ausnahme der allgemeinen Pflicht, die Interessen des Reiches zu beachten. Verfassungsgeschichtlich gesehen ist es danach auch keineswegs zutreffend, daß jene Aufsicht, die aus der vor allem dem deutschen Bundesstaat eigentümlichen Inkongruenz von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz auf seiten des Bundes resultiert, von der sonstigen Aufsicht getrennt worden wäre — jedenfalls nicht nach der völlig unbestrittenen Auffassung ihrer damaligen Interpreten 8 . 3. Die Unterscheidung von Gesetz und Recht Die Frage ist jedoch, ob nicht die gegenüber Art. 7 Ziff. 3 RV v. 1871 und Art. 15 Abs. 3 WRV gleichwohl veränderte Fassung des Art. 84 Abs. 3 GG die Berufung auf die historische Kontinuität verbietet. Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG zwingt i n der Gegenüberstellung von Gesetz und Recht dazu, scharf zwischen dem Gegenstand und dem Maßstab der Aufsicht zu unterscheiden. Das Grundgesetz umschreibt den Gegenstand und damit den Umfang der Aufsichtskompetenz dadurch, daß es die Aufsicht nur auf die Ausführung von Bundesgesetzen erstreckt, 6
Anders Maunz, i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 83, Rdnr. 25. Vgl. f ü r die R V v. 1871 oben S. 40, Fußnote 41, 42. — Bedenken bestanden wegen des gleichen Begriffs i n A r t . 7, Ziff. 2, vgl. Rosenberg, Reichseisenbahnen, S. 14 f., auch wegen A r t . 36 Abs. 3 R V v. 1871. — Vgl. f ü r die W R V oben S. 40, Fußnote 43, sowie S. 33 f. 8 Vgl. f ü r viele Smend, D J Z 1913, Sp. 1349 u n d oben S. 40 f. 7
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während es als offenbar umfassenderen Maßstab das geltende Recht bezeichnet9. Die logische Prämisse dieser Unterscheidung ist, daß es neben dem ausgeführten Gesetz Bundesnormen geben muß, die zwar zu beachten sind, die aber damit ihrerseits noch keine Aufsichtskompetenz begründen. Denn wenn jede Bundesnorm auch insoweit, als sie i m dargelegten Sinn nur zu beachten ist, zugleich selbst i m Sinne dieser Vorschrift ausgeführt würde, dann unterläge ihre Beachtung schon für sich allein genommen der Aufsicht, und es wäre nicht nötig, sie bei der Ausführung eines anderen Gesetzes durch einen ausdrücklichen Hinweis (Recht) eigens heranzuziehen. Bei einer Auslegung, die als Ausführen eines Bundesgesetzes die Beachtung jeglichen Bundesrechts ansieht, würde demnach die mit Bedacht gewählte Formulierung des Grundgesetzes sinnlos. Der Verfassungsgesetzgeber hätte dann richtiger formuliert: Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus, daß die Länder das geltende Bundesrecht beachten. 4. Die Bedeutung des Art. 84 Abs. 5 GG für die vorliegende Frage A r t . 84 Abs. 5 GG verwendet den fraglichen Begriff ebenfalls. Die Entstehungsgeschichte des A r t . 84 Abs. 5 GG zeigt ebenso wie die i h m immanente Logik, daß der Grundgesetzgeber jenen engeren Begriff der Aufführung von Bundesgesetzen gemeint hat. Art. 84 Abs. 5 GG muß deshalb insoweit bereits hier herangezogen werden 10 . Die auf Vorschlag des Abg. Dr. Strauß vom Zuständigkeitsausschuß i n seiner 20. Sitzung vom 2. 12. 1948 als Art. 114 a beschlossene und vom Hauptausschuß i n der 16. Sitzung vom 13. Dezember 1948 übernommene erste Fassung verfolgte den Zweck, der Bundesregierung i n Krisenzeiten gerade dann eine Eingriffsmöglichkeit zu verschaffen, wenn noch kein vom Bundesgesetzgeber erlassenes Gesetz vorhanden war 1 1 . Konsequenterweise war demnach von einem Weisungsrecht „zur Ausführung von Bundesgesetzen" nicht die Rede; vielmehr war alleinige Voraussetzung, daß dem Bund das Recht der Gesetzgebung auf dem fraglichen Gebiet zustand. I n der zweiten Lesung des Hauptausschusses lag eine Fassung des Redaktionsausschusses — als Art. 114 — vor, wonach 9 Der konkrete Anlaß dieser auf einen Vorschlag des Abg. Dr. v. Mangoldt zurückgehenden F o r m u l i e r u n g (Sten. Ber. H A , S. 435) w a r der E i n bezug der allgemeinen VerwaltungsVorschriften des A r t . 84 Abs. 2 GG als Maßstab der Aufsicht, vgl. Sten. Ber. HA, S. 432 ff.; es sollten damit aber zugleich „sämtliche Rechtsnormen, die der B u n d zu dieser M a t e r i e . . . erlassen konnte u n d erlassen h a t " einbezogen werden, Abg. Dr. Schmidt, ebd., S. 433. 10 Vgl. i m übrigen unten S. 93 ff. 11 Vgl. Füßlein, JöR, N F 1,1951, S. 630; Sten. Ber. HA, S. 194.
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die Möglichkeit, Einzelweisungen an die Länder zu richten, eingeschränkt war. Sie sollte nur „zur Ausführung von Bundesgesetzen" erteilt werden dürfen 12 . Der Unterschied gegenüber der ersten Fassung liegt auf der Hand. Während mit der ersten Fassung ein selbständiges Weisungsrecht begründet werden sollte, um Krisen — etwa i m Bereich der Gesundheitspolizei — begegnen zu können, wurde mit dem Weisungsrecht dieser Fassung nach ein ganz anderer Zweck verfolgt: die Effektivität der Ausführung der legislativen Anordnungen sicherzustellen 13 . Es konnte daher nur ausgeübt werden, um ein bereits auf eine bundesgesetzliche Norm gestütztes Verwaltungshandeln zu dirigieren und nur, soweit dazu die Norm die Möglichkeit bot. Die i n der zweiten Lesung endgültig angenommene Fassung sah dagegen die Begrenzung auf die „Ausführung der Bundesgesetze" nicht vor, ebensowenig die i n dritter Lesung angenommene Fassung 14 . I n der vierten Lesung des H A erhielt die Vorschrift auf Antrag des Abg. Dr. Zinn den jetzigen Inhalt des Art. 84 Abs. 5 GG, wonach also die Befugnis nur „zur Ausführung von Bundesgesetzen" verliehen werden darf 15 . Diese wechselnde Fassung macht deutlich, daß der Verfassungsgesetzgeber sehr genau unterschied zwischen Weisungen „zur Ausführung von Bundesgesetzen" und solchen, die nicht lediglich dazu dienen sollten, eine bereits vorhandene ausführungsfähige und ausführungsbedürftige Bundesnorm auf den Einzelfall anzuwenden. Soweit i n den Beratungen Wert darauf gelegt wurde, daß sie auch ohne Vorliegen eines die Materie bereits regelnden Bundesgesetzes ergehen sollten, wurde diese Begrenzung konsequenterweise weggelassen. Selbst wenn man die unterschiedlichen Vorstellungen, die i n den verschiedenen Fassungen zum Ausdruck kamen, außer acht lassen, ja i m Gegenteil die wechselnden Fassungen als Beweis dafür ansehen wollte, daß der Verfassungsgesetzgeber einen unterschiedlichen Sinn mit ihnen nicht verbunden habe, so würde doch die notwendige Begrenzung der Befugnis zum Erlaß von Einzel Weisungen dazu zwingen, unter den Bundesgesetzen i m Sinne dieses Begriffes nur solche zu verstehen, die als unmittelbare Rechtsgrundlage einer fraglichen Landesmaßnahme dienen: Das Gesetz, das die Bundesregierung zu Einzelweisungen ermächtigt, hat keine andere Aufgabe, als die Entscheidungsbefugnis über die Ausführung des fraglichen Bundesgesetzes i m Innenverhältnis zwischen 12 Füsslein , JöR, N F 1, 1951, S. 632; Sten. Ber . HA, S. 436—441, 445; i n die gleiche Richtung zielte der Vorschlag des Abg. Dr. Greve, Sten. Ber. H A , S. 441. 13 Vgl. Füsslein, JöR, N F 1,1951, S. 632. 14 Vgl. Sten. Ber. HA, S. 593, 661. 15 S. Sten. Ber. HA, S. 756.
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Bund und Land ausnahmsweise vom Land auf den Bund zu übertragen. Rechtsgrundlage des Verwaltungshandelns bleibt nach außen hin immer das Gesetz, zu dessen Ausführung die Einzelweisung ergeht. Da aber der Bund i n gar keinem Fall die Entscheidungsbefugnis aus Landesnormen für sich i n Anspruch nehmen kann, muß i n jedem Fall, i n dem er von einem Weisungsrecht Gebrauch macht, das Bundesgesetz, zu dessen Ausführung die Weisungen ergehen, die unmittelbare Rechtsgrundlage für das angewiesene Handeln abgeben. Nur solche Gesetze sind danach „auszuführen". Würde man die Befugnis zu Einzelweisungen auch auf den Gebrauch von Landesnormen erstrecken, so würde sie damit einen ganz unbeabsichtigten und unzulässigen Grad der A l l gemeinheit erreichen. Jedenfalls i m Sinne des Art. 84 Abs. 5 GG können demnach nur solche Maßnahmen als „Ausführung von Bundesgesetzen" angesehen werden, die darauf zielen, ausführungsfähige und ausführungsbedürftige Bundesnormen zur Geltung zu bringen; ausgeführt werden m i t h i n nur solche Normen, die unmittelbar als Rechtsgrundlage des fraglichen Handelns anzusehen sind. Nichts spricht aber dafür, daß der Begriff „Ausführung von Bundesgesetzen" i n Abs. 5 des Art. 84 GG anders zu verstehen ist als i n Abs. 3 desselben Artikels. 5. Ausführen als eigene Angelegenheit und im Auftrag des Bundes Die Annahme, daß nur solches Verwaltungshandeln als Ausführung eines Bundesgesetzes zu verstehen ist, das seine unmittelbare Rechtsgrundlage in einem Bundesgesetz findet, w i r d weiter dadurch erhärtet, daß der V I I I . Abschnitt des Grundgesetzes, soweit die Bundesgesetze durch die Länder ausgeführt werden, beherrscht w i r d von der Unterscheidung zwischen der Ausführung als eigener Angelegenheit und der Ausführung i m Auftrage des Bundes. Eine dieser beiden Formen ist gemeint, wenn das Grundgesetz von einem Ausführen der Bundesgesetze durch die Länder spricht 16 . Auch die Regelung über die Bundesaufsicht ist i n diesen Gegensatz einbezogen 17 . Die Unterscheidung von Ausführen als eigener Angelegenheit und i m Auftrag des Bundes hat aber offensichtlich solche Gesetze i m Auge, auf deren Ausführung die Tätigkeit der Verwaltung primär zielt. Sofern man es allein auf den Begriff des „Ausführens" abstellt, ließe es sich noch als eine spezifisch juristische Begriffsbildung vertreten, als „Ausführen" i. S. des 16
Vgl. Abg. Dr. Laforet, Sten. Ber. H A , S. 432. Das wurde ausdrücklich betont i n dem Vorschlag des Redaktionsausschusses i n der 16. Sitzung des H A v o m 13. Dezember 1948: Füsslein, JöR, N F 1, 1951, S. 631; Sten. Ber. HA, S. 193; vgl. auch BVerfGE 6/309 (329), BVerfGE 8/122 ff. (131). 17
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A r t . 84 Abs. 3 GG auch die Beachtung der Normen des Grundgesetzes, insbesondere der Grundrechte, zu verstehen. Die Merkmale der „Ausführung als eigene Angelegenheit" oder „ i m Auftrage des Bundes" verlieren aber ihren Sinn, wenn sie auf solche Normen angewendet werden, die bei einer auf die Ausführung anderer Normen gerichteten Tätigkeit nur beachtet werden. Es hat keinen Sinn, ja ist geradezu falsch, zu sagen, die Verwaltung führe, wenn sie bei der Ausführung landeseigener Gesetze die Grundrechte beachtet, diese als eigene Angelegenheit aus. Auch an diesen Merkmalen erweist sich demnach deutlich, daß die Beachtung der Normen des Grundgesetzes, insbesondere der Grundrechte, soweit sie nur als Auslegungsnormen bei einem primär auf eine anderweitige gesetzliche Ausführung gezielten und rechtlich gestützten Verwaltungshandeln i n Frage kommen, nicht selbst als „Ausführung von Bundesgesetzen" i m Sinne des Art. 84 Abs. 3 GG zu verstehen ist. I I I . Bundesaufsicht und autonomer Bereich
Bei der Erörterung der Frage, welchen Umfang der Aufsichtskompetenz beizumessen ist, hat seit je der Anspruch der Einzelstaaten auf einen sog. „autonomen Wirkungsbereich" eine Rolle gespielt. Dabei soll — bis zu einer genaueren Klärung — als autonomer Wirkungsbereich jener Bereich verstanden werden, i n dem dem Bund entweder überhaupt keine Gesetzgebungskompetenz zusteht oder aber eine konkurrierende, von der er aber noch keinen Gebrauch gemacht hat. Welche Bedeutung einer Aufsicht über die Beachtung des Grundgesetzes i n seinen einzelnen Bestimmungen i n diesem Zusammenhang beizumessen ist, soll am Beispiel der Grundrechte erörtert werden, da sie zuvörderst und ganz überwiegend als solche Normen anzusehen sind, die nur zu beachten, nicht aber auszuführen sind. I m gesetzesausführenden Bereich der Verwaltung erlangen die Grundrechte Bedeutung dadurch, daß die mit der Ausführung verbundene Interpretation des auszuführenden Gesetzes von den Grundrechten beeinflußt wird. Die Bindung der Verwaltung an die Grundrechte bedeutet hier aber endlich zugleich eine Bindung an das — richtig verstandene — Gesetz. Auch dort, wo die Grundrechte nicht eine lediglich interpretative Bedeutung erlangen, wie etwa der Gleichheitssatz für die Ermessensausübung, ist ihre Bedeutung eng mit der gesetzlichen Regelung verknüpft. Soweit demnach die Tätigkeit der Landesverwaltung darauf gerichtet ist, ein Gesetz i n jenem spezifischen Sinne „auszuführen", stellt eine Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte streng genommen zugleich eine Aufsicht der zutreffenden Ausführung des Gesetzes selbst dar.
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Diese Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte ist gänzlich unproblematisch, sofern es sich um die i m engeren Sinn des Begriffs verstandene Ausführung von Bundesgesetzen handelt, ja mit der Aufsicht über die Ausführung der Bundesgesetze selbst muß die Aufsicht über die damit inhaltlich zusammenhängenden anderen Bundesnormen notwendig verbunden sein, gleich welcher A r t diese Normen sind. Der Inhalt des ausgeführten Gesetzes läßt sich ohne Beachtung der interpretativen Wirkung der die gleiche Materie berührenden Normen nicht feststellen. Problematisch w i r d die Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte erst dort, wo die Tätigkeit der Landesverwaltung primär darauf gerichtet ist, landeseigene Gesetze auszuführen. I n diesen Fällen müßte eine Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte dazu führen, unmittelbar die richtige Ausführung der Landesgesetze zu kontrollieren. Denn auch insoweit gilt, daß erst die unrichtige Ausführung eines (verfassungsmäßigen) Landesgesetzes ein Grundrecht verletzen kann. Es ist unrichtig, demgegenüber zu betonen, daß Maßstab der Aufsicht auch i n diesen Fällen ausschließlich Bundesrecht sei. Einmal w i r d dabei übersehen, daß für den Umfang der Aufsichtskompetenz der Gegenstand und nicht der Maßstab maßgebend ist. Gegenstand der Aufsicht wäre aber i n diesen Fällen die Verwaltung bei der Ausführung landeseigener Gesetze, ja selbst bei der Betätigung i n dem ihr zur eigenen gestaltenden Tätigkeit überlassenen Wirkungsbereich. Hinzukommt, daß vielfach die Frage, ob eine Grundrechtsverletzung vorliegt, sich von der anderen, ob zugleich ein Landesgesetz verletzt ist, nicht trennen läßt, die Verletzung des Landesrechts vielmehr konstitutiv ist für die Verletzung des Bundesrechts, eben der Grundrechte. Das gilt beispielsweise nicht nur für Art. 2 Abs. 1 GG, wenn man der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes folgt, wonach Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG jegliche Freiheit von jedweder unberechtigter staatlicher Beschwer garantiert 18 , es gilt ebenso für Art. 3, wenn man der Auffassung folgt, wonach das Grundrecht der Gleichheit die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht i n sich beschließt 19 , jede Rechtsverletzung mithin zugleich eine Verletzung des Gleichheitssatzes darstellen soll. Nichts anderes würde schließlich i n all den Fällen gelten, i n denen Landesgesetze ausgeführt werden, die Vorbehaltsgesetze zu einem Grundrecht sind. Wie immer man aber auch die der Rechtsprechung entlehnten Beispiele beurteilen mag, daran kann kein Zweifel bestehen, daß die gesamte Landesverwaltung einer lückenlosen Aufsicht unterworfen würde, wenn der Bund mit der Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte Ernst machte. 18 19
BVerfGE 9, S. 83 ff. (88), Beschl. v. 8. Jan. 1959. Vgl. OVG Lüneburg, Verw. Rspr. Bd. 4,1952, Nr. 204, S. 894 ff. (896).
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Die letzte Frage, der die Auslegung des Art. 84 Abs. 3 GG durch die noch überwiegende Lehre, abgesehen von allen übrigen Bedenken, ausgesetzt ist, ist demnach, ob es i m Sinne des Grundgesetzes liegt, durch einen uneingeschränkten Einbezug der Normen des Grundgesetzes in die Bundesgesetze des Art. 84 Abs. 3 GG die Landesverwaltung in dieser Weise in toto der Aufsicht zu unterwerfen. Triepel betonte entschieden, die Aufsicht habe vor der Autonomie der Länder haltzumachen 20 . Allerdings stellte er zugleich fest, soweit auch hier bundesrechtliche Schranken beständen, könne von einem autonomen Bereich nicht die Rede sein; ihre Beachtung unterliege daher ebenfalls der Aufsicht 21 . Dieses Argument ist prinzipiell zutreffend. Unter der an inhaltlichen Bestimmungen sparsamen RV v. 1871 blieb den Einzelstaaten gleichwohl ein weiter unbeaufsichtigter Raum. Zu bedenken ist aber, daß unter einer Verfassung mit einem Grundrechtskatalog die gleiche Argumentation 2 2 dazu führen muß, einen von Aufsicht freien Bereich überhaupt wegfallen zu lassen 23 . Die Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte würde die Verwaltung zumindest potentiell in jeder ihrer einzelnen Maßnahmen der Einflußnahme des Bundes aussetzen. Wenn der Kernsatz der Triepelschen Lehre, daß ein aufsichtsfreier Raum bestehenbleiben muß, weitergelten soll, dann muß in einer an inhaltlichen Bestimmungen reichen Verfassung mit einem Grundrechtskatalog jede Aufsicht, soweit sich die Verwaltung primär auf die Ausführung von Landesgesetzen richtet oder sich i m Bereich der nicht gesetzesausführenden Verwaltung bewegt, verwehrt sein. Auch unter der Flagge einer Aufsicht über die Beachtung der Grundrechte darf sie nicht geübt werden 24 . Anders als die RV v. 1871 mußte das Grundgesetz von vornherein nach diesem Ausgleich des SpannungsVerhältnisses von Autonomie und Aufsicht suchen. Aus eben diesem Grunde 20
Triepel , Reichsaufsicht, S. 359 ff. Triepel , Reichsaufsicht, S. 364 f. Bündiger noch hat Zorn, Staatsrecht I, S. 140 f., ders., H i r t h s Annalen 1884, S. 476, m i t weiteren Nachweisen, erklärt, die Totalität der Staatsaufgaben erfordere ein Oberaufsichtsrecht auch i m v e r bliebenen autonomen Wirkungskreis. 22 Unter der W R V Cohn, S. 37 ff.; Servos, S. 11 f.; gegenwärtig Schneider, Gutachten, S. 1028 f.; ebenso Bullinger, AöR 83,1958, S. 304; Frowein, S. 44 f. 23 Diese Konsequenzen werden aber von den Autoren übersehen, die zwar einerseits eine Aufsicht i m autonomen Bereich der Länder ablehnen, aber gleichwohl eine Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen, insbes. der Grundrechte, bejahen. S. v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 2, S. 453, 456; SeifertGeeb, A r t . 84, S. 152; Werr, S. 52, 79 ff., 84 f. 24 Über die Gefährdung der Staatlichkeit der Länder bei einem Übergewicht an Aufsichtskompetenzen vgl. Bornhak, AöR, Bd. 26, S. 373 ff. (393 f.) ; wobei allerdings zwischen Aufsicht u n d Rechtsprechung gerade i n diesem Zusammenhang hätte unterschieden werden müssen. 21
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hat es eine reguläre allgemeine Aufsicht über die Beachtung der Verfassungsnormen, insbesondere der Grundrechte, ausgeschlossen. Es konnte das um so unbedenklicher, als der einzelne Bürger i n der Verwaltungsgerichtsbarkeit einen weitgehenden Schutz findet, der Bund selbst aber in Fällen schwerer offenkundiger Mißachtung auf Grund des Art. 37 GG einzugreifen berechtigt ist. Mehr denn zuvor kann gegenwärtig die Frage nach einem aufsichtsfreien Bereich der Länder erst auf der Grundlage der Erkenntnis gestellt werden, daß auch insoweit bundesrechtliche Schranken bestehen. — Eben deshalb unterwirft die abgewogene Fassung des Art. 84 Abs. 3 GG nur die Ausführung von Bundesgesetzen und nicht schlechthin die Beachtung jeglichen Bundesrechts der Aufsicht. Letzten Endes dient danach der Ausschluß der Aufsicht über die Beachtung der einzelnen Vorschriften des Grundgesetzes, soweit sie nicht bei der Ausführung anderer Bundesgesetze Bedeutung erlangen oder selbst als unmittelbare Rechtsgrundlage der Verwaltungstätigkeit anzusehen sind, demselben Zweck wie der Ausschluß der selbständigen Aufsicht: nicht jede Tätigkeit einer Einflußnahme von Seiten des Bundes auszusetzen. I V . Aufsicht im Bereich der Rahmengesetzgebung
M i t dieser Begrenzung der Aufsicht ist zugleich die Antwort auf die Frage gegeben, ob eine Aufsicht auch i m Bereich der Rahmengesetzgebung zulässig ist 25 . Rahmengesetze des Bundes engen den Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers ein, aber sie schließen ihn nicht aus. I m Gegenteil! Sie sind darauf angelegt, erst i m Zusammenhang mit einer weiteren landesgesetzlichen Regelung eine Ordnung der betreffenden Materie herbeizuführen 26 . Die Frage, ob eine Aufsicht über die Beachtung der in Rahmengesetzen enthaltenen Normen erlaubt ist, ist demnach in erster Linie eine Frage nach der Zulässigkeit der Aufsicht über den Landesgesetzgeber. Darüber ist alsbald zu handeln (§ 5). Es ist dem Bund allerdings nicht verwehrt, in einem Rahmengesetz einzelne sofort ausführbare Bestimmungen mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung zu treffen, sofern nur das, was den Ländern zu regeln 25
Unter der W R V w u r d e die Frage der Aufsicht über die Grundsatzgesetzgebung v i e l diskutiert, vgl. Cohn, S. 42 f., 44 f.; Wittmayer, S. 235; Burkhardt, S. 62 f. 26 Vgl. BVerfGE 4, S. 115 ff. (129); BVerfGE 8, S. 186 ff., (193), Beschl. v. 14. Okt. 1958.
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übrigbleibt, von substantiellem Gewicht ist 2 7 . Auch hier gilt der oben entwickelte Grundsatz, daß eine Aufsicht nur insoweit und über solche Maßnahmen der Verwaltung ausgeübt werden darf, die ihre unmittelbare Rechtsgrundlage i n den Rahmenvorschriften finden. Unzulässig ist eine Aufsicht danach- über solche Maßnahmen der Landesverwaltung, die ihre unmittelbare Rechtsgrundlage i m Landesrecht finden, das i n Übereinstimmung m i t dem von der Bundesgesetzgebung vorgezeichneten Rahmen erlassen worden ist 2 8 . Die gegenteilige Ansicht, die eine Aufsicht daraufhin für zulässig erachten wollte, ob die Bestimmungen der Rahmengesetze auch bei der Ausführung der i n Übereinstimmung m i t ihnen erlassenen Landesgesetze von der Verwaltung beachtet werden, würde auch hier dazu führen, daß zwar der Maßstab der Aufsicht Bundesrecht wäre, nämlich die Rahmenvorschriften; Gegenstand der Aufsicht würde dagegen die Verwaltung bei der Ausführung landeseigener — wenn auch unter Berücksichtigung der Bundesrahmengesetze erlassener — Gesetze sein. V. Die Bedeutung des Art. 37 GG für eine Aufsicht über die Beachtung des Grundgesetzes
Das umfassende Recht zur Anwendung des Bundeszwanges w i r d vielfach als Beweis dafür angesehen, daß der Umfang der Aufsichtskompetenz i n Art. 84 Abs. 3 GG ebensoweit gespannt sei. 1. Die Feststellung der Pflichtverletzung durch den Bundesrat
Es liegt nahe, diesen Schluß von dem Umfang der Bundeszwangskompetenz i n A r t . 37 GG auf die Bundesaufsichtskompetenz i n Art. 84 GG damit zu begründen, daß auch der Bundesrat das Vorliegen einer Pflichtverletzung festgestellt haben müsse, ehe Zwangsmaßnahmen eingeleitet werden dürften. Bullinger ist m i t diesem A r gument vornehmlich der Auffassung entgegengetreten, wonach eine Aufsicht des Bundes nach A r t . 84 Abs. 3 GG über die Gesetzgebung der Länder ausgeschlossen sei 29 . Der Einwand besteht jedoch gegenüber einer jeglichen i m Vergleich zu A r t . 37 GG einschränkenden Auslegung des A r t . 84 Abs. 3 — und damit auch 27 28
BVerfGE 4, S. 115 ff. (129).
Die Frage, ob Landesrecht, welches das i n einem Rahmengesetz i n einzelnen Vorschriften enthaltene unmittelbar anwend- u n d ausführbare B u n desrecht wiederholt, trotz A r t . 31 GG w i r k s a m ist, möchte ich wegen des u n trennbaren Sachzusammenhanges bejahen. A u f die vielfältig umstrittene A u s legung des A r t . 31 GG i m allgemeinen, vgl. Maunz i n Maunz-Dürig, A r t . 31, Rdnr. 14, k a n n hier nicht eingegangen werden. 29 Bullinger , AöR 83,1958, S. 292 f.
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des A r t . 84 Abs. 4 GG; er ist deshalb bereits an dieser Stelle zu erörtern. Es wäre in der Tat eine wenig einleuchtende Regelung, würde das Grundgesetz nur i n einigen wenigen Fällen eine Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Bundeszwanges durch den Bundesrat vorsehen, i n anderen dagegen nicht. Denn kommt es zum Äußersten, zur Anwendung des Zwanges, wäre die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen i m einen Fall so wichtig wie i m anderen 80 . Aber diese Annahme ist unrichtig, sie w i r d durch A r t . 37 GG selbst widerlegt: Art. 37 GG verlangt, daß der Bundesrat dem Bundeszwang zustimmt. Der Bundesrat w i r d und darf aber seine Zustimmung nicht geben, wenn er eine Pflichtverletzung verneint 8 1 . Gerade das Zustimmungserfordernis erlaubt es also, Bundeszwangsmaßnahmen zu ergreifen, ohne daß ein Feststellungsverfahren i m Sinne des Art. 84 Abs. 4 GG hätte durchgeführt werden müssen. Bullinger ist allerdings der Meinung, die vor jeder Zustimmung zu einer Exekution notwendige Prüfung, ob eine Pflichtverletzung vorliege, sei nichts anderes als die notwendigerweise vorhergehende Entscheidung gem. Art. 84 Abs. 4 GG. A l l e i n es ist — wie noch näher nachgewiesen w i r d — zwar richtig, die Zustimmung davon abhängig zu machen, daß eine Pflichtverletzung bejaht wird, aber nicht, daß diese Feststellung i n dem Verfahren des Art. 84 Abs. 4 GG erfolgt. Die Notwendigkeit zu prüfen, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, ist Bestandteil des A r t . 37 GG selbst. 2. Das argumentum
a maiore ad minus
Ein unüberwindbares Hindernis für eine Beschränkung der regulären Aufsicht des Bundes über die Länder scheint das aus Art. 37 GG gewonnene argumentum a maiore ad minus zu sein. Das gilt nicht nur für jene Autoren, die A r t . 37 GG als Beweis für eine ebenso ausgedehnte Aufsichtskompetenz nach A r t . 84 Abs. 3 GG ansehen 32 , es gilt ebenso für jene, die die Kongruenz von regulärer Aufsichts- und Bundeszwangskompetenz dadurch herzustellen suchen, daß sie ein reguläres Aufsichtsrecht außerhalb einer für die Anwendung des Zwanges selbst kennzeichnenden Krisensituation als ein Minus i n dem Recht zum Bundeszwang selbst enthalten sehen 33 . I n welchem Sinn dieses letztere Argument gerechtfertigt ist und i n welchem nicht, ist bereits dargelegt. Dar30
Vgl. i m einzelnen unten S. 127 f. Der Nachweis dieses von einem T e i l der Lehre bestrittenen Rechts k a n n i m einzelnen erst unten S. 125 ff., erbracht werden. 32 Schneider, Gutachten, S. 1027; Bullinger, AöR 83,1958, S. 292 f. 33 So Frowein, S. 44, 50. 31
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
auf kann verwiesen werden 34 . Wie notwendig und berechtigt es ist, jegliche auf Art. 37 GG gestützte Maßnahme nur als M i t t e l zur Bewältigung eines „casus extremus" anzusehen, erweist sich jedoch besonders deutlich an der Aufsicht über die Verwaltung: Wenn die Verwaltung bei der Ausführung landeseigener Gesetze oder bei der Betätigung in dem ihrer eigenen Initiative überlassenen Bereich i m einzelnen Fall rechtswidrig handelt und dabei sehr häufig zugleich Grundrechte verletzt, dann w i r d dadurch das Bund-Länder-Verhältnis i n der Regel nicht berührt. Der Bürger, selbst genießt aber einen ausreichenden Schutz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es ist also nur konsequent, wenn das Grundgesetz i n solchen Fällen eine Aufsicht des Bundes i m Interesse der Selbständigkeit der Länder nicht zuläßt. Freilich können aus Grundrechtsverletzungen auch ernsthafte Störungen des Bund-Länder-Verhältnisses entstehen; die wiederkehrende ungleiche Behandlung einer bestimmten Personengruppe wie überhaupt eine prinzipielle Mißachtung eines Grundrechtes rufen das Interesse des Bundes an der Beachtung seiner Normen auf den Plan. Art. 37 GG trifft für diese Fälle Vorsorge. A l l e i n es ist unrichtig, aus der Möglichkeit, daß i n Ausnahmefällen aus einer solchen Verletzung eine ernsthafte, zum Bundeszwang berechtigende Störung eintreten kann, bereits vorbeugend eine reguläre Aufsicht außerhalb einer außerordentlichen Gefahrensituation anzuerkennen. Dazu aber verleitet das argumentum a maiore ad minus 35 . Richtig ist vielmehr zu betonen, daß das Grundgesetz außerhalb der Aufsicht über die Ausführung von Bundesgesetzen i n jenem engeren Sinn eine Aufsicht unter normalen Verhältnissen nicht kennt. Nur i n Fällen einer zum Bundeszwang berechtigenden außerordentlichen Gefahr für die bundesstaatliche Ordnung lassen sich Aufsichtsmaßnahmen auf Art. 37 GG stützen. Ob ein solcher Fall vorliegt oder auch nur deutlich sichtbar droht, ist zunächst der pflichtgemäßen Beurteilung der Bundesregierung überlassen. Jegliche auf Art. 37 GG gestützte Maßnahme bedarf jedoch der Zustimmung des Bundesrates, auch schwächere als der unmittelbare Zwang 3 6 . Auch wenn man danach dem Bund einen breiten Spielraum hinsichtlich der Entscheidung, ob Maßnahmen nach Art. 37 GG notwendig sind, 34
Vgl. oben S. 42 ff. Das g i l t sicher f ü r jene Autoren, nach denen A r t . 84 Abs. 3 GG wegen A r t . 37 G G ausdehnend interpretiert werden soll; es ist jedoch auch die K o n sequenz, w e n n m a n A r t . 37 GG selbst als Grundlage einer Aufsicht über die Beachtung der einzelnen Verfassungsnormen ansieht. Das f ü h r t dazu, „jede kleine Abweichung" von i h r der Aufsicht zu unterfen, vgl. Frowein , S. 69; unten S. 65. 38 Die gegenteilige, auch von Frowein, S. 56 f. vertretene Auffassung fußt darauf, daß der Bundesrat bei seiner Zustimmungserklärung die tatbestandlichen Voraussetzungen ohnehin nicht zu prüfen habe, vgl. dazu unten S. 125 ff. 35
§ : Die Aufsicht über die e t u n g der Länder
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einräumt, steht zu erwarten, daß von dieser außerordentlichen Aufsichtskompetenz um so zurückhaltender Gebrauch gemacht wird, je deutlicher bei allen auf sie gestützten Maßnahmen ihr Charakter als ultima ratio erkannt wird. V I . Die Bedeutung des Art. 28 Abs. 3 G G für eine Aufsicht über die Beachtung des Grundgesetzes
Ein Einwand gegen die hier vertretene Auffassung w i r d aus Art. 28 Abs. 3 GG hergeleitet: der Bund habe nicht die Garantie über die Beachtung der dort genannten Verfassungsbestimmungen übernehmen können, wenn ihm nicht zugleich die entsprechenden Aufsichtsmittel zur Verfügung gestellt worden wären 37 . Dieser Schluß erscheint zwingend. Strittig ist i n der Literatur deshalb auch nur, worauf sich die Gewährleistung des Bundes erstreckt. Die wohl überwiegende Lehre geht davon aus, der Bund habe nicht nur die Übereinstimmung der nominellen verfassungsmäßigen Ordnung der Länder, sondern auch die der sog. Verfassungswirklichkeit mit jenen i n Art. 28 Abs. 3 GG genannten Bestimmungen zu gewährleisten 38 . Um die damit vielfach verbundene Folgerung, die Aufsicht erfasse die gesamte Landesverwaltung, zu vermeiden, lehren dagegen andere, die Verfassungswirklichkeit werde von der Garantie nicht erfaßt 39 . Die Beantwortung der Frage, ob nur die nominelle verfassungsmäßige Ordnung oder auch die sog. Verfassungswirklichkeit gewährleistet werden soll, w i r d auf diese Weise davon abhängig, wie weit man dem Bund ein Aufsichtsrecht zugestehen will. Ein ähnliches B i l d zeigten auch die Beratungen i m Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates. Bereits dort tauchten Bedenken auf, durch eine Gewährleistung der Verfassungswirklichkeit die damit verbundene Aufsicht zu einer Aufsicht über die gesamte Tätigkeit der Länder ausarten zu lassen 40 . A u f Antrag des Abg. Dr. Laforet wurden deshalb in der zweiten Lesung die bisherigen Absätze 3 und 4 41 , von denen 37 v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 2, 4, S. 453, 456; vgl. auch BVerfGE 3, S. 45 ff. (49); Müthling, D Ö V 1951, S. 34. 38 Wernicke, B K A r t . 28, I I , 3 b; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 28, 5, S. 181; Giese, K o m m . z. GG A r t . 28, I I , 1; Maunz, Staatsrecht, S. 175; Kollmann, D Ö V 1951, S. 148 (mit Einschränkungen). Galperin, R d A 1953, S. 7; Rohwer-Kahlmann, AöR, 79,1953/54, S. 220. 39 v. Mangoldt-Klein, K o m m . A r t . 28, I I I , 1 b, S. 699; Maunz i n MaunzDürig, K o m m . A r t . 28, Rdnr. 45. 40 Vgl. zum folgenden Sten. Ber. HA, S. 59 ff.; Abg. Dr. Laforet S. 63. 41 „(3) Die Übereinstimmung der verfassungsmäßigen Ordnungen der L ä n der m i t den Vorschriften dieses Grundgesetzes w i r d v o m B u n d gewährleistet. (4) Der B u n d gewährleistet, daß das staatliche Leben der Länder den G r u n d rechten u n d den Bestimmungen der Absätze 1 u n d 2 entspricht." (Sten. Ber. HA, S. 323).
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
Abs. 3 die geschriebene, Abs. 4 die wirkliche Übereinstimmung gewährleisten sollte, geändert und zu dem jetzigen A r t . 28 Abs. 3 GG zusammengezogen42. Der Verfassungsgesetz gewordene Text des Art. 28 Abs. 3 GG entspricht danach, soweit er i n diesem Zusammenhang interessiert, eben jenem Absatz 3 der i n der ersten Lesung angenommenen Fassung, nach dem die Garantie auf die geschriebene Verfassung beschränkt war. Dagegen wurde Absatz 4 der Fassung aus der ersten Lesung, der zu einer lückenlosen Aufsicht über die Länder i n allen ihren hoheitlichen Betätigungen hätte führen können, ebenso abgelehnt wie der Vorschlag des Redaktionsausschusses, nach dem die verfassungsmäßige Ordnung i n den Ländern ganz allgemein und ohne Bezug auf die Grundsätze des jetzigen Art. 28 Abs. 1 GG gewährleistet werden sollte. Man mag — wie bei einem Rückgriff auf die Materialien fast stets — darüber rätseln, welcher Ansicht der Verfassungsgeber wirklich war, hier, ob er seine i n der ersten Lesung geäußerte Meinung, es solle auch die Verfassungswirklichkeit garantiert werden, überhaupt fallengelassen hat. Es ist aber eine einseitige Auswahl der Materialien, die der Entwicklung der Gewährleistungsübernahme zu ihrer jetzigen Form in A r t . 28 Abs. 3 GG kaum Rechnung trägt, wenn vielfach ausgerechnet die Entstehungsgeschichte als Begründung für die Auffassung angeführt wird, die Gewährleistung erfasse auch die Verfassungswirklichkeit 4 3 . Welchen Schluß man jedoch auch immer aus der Entstehungsgeschichte ziehen mag, i n Wahrheit bedarf bereits die Frage, ob A r t . 28 Abs. 3 GG nur die nominelle oder auch die sog. Verfassungswirklichkeit erfasse, wenn sie sinnvoll gestellt sein soll, einer Korrektur. Auch die Entstehungsgeschichte erscheint dann i n einem anderen Licht: Eine Bundesstaatsverfassung, die Wert darauf legt, daß ein gewisses, i n A r t . 28 GG näher festgelegtes, Maß an Homogenität zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten besteht, kann diese Homogenität nicht auf die nominelle Ordnung beschränken. Es ist ja gerade das Ziel der nominellen Ordnung als normative Ordnung, die Wirklichkeit in Einklang mit sich zu setzen bzw. zu halten. Es wäre zutiefst widersinnig, wollte der Bund für die nominelle Übereinstimmung die Garantie übernehmen, sich aber u m die tatsächliche nicht weiter sorgen. Aus eben diesem Grunde ist es letztlich auch nicht überzeugend, darauf zu verweisen, A r t . 28 GG wende sich an den Verfassungsgesetzgeber des Landes und nicht an die Exekutive 4 4 . Die Frage ist nicht, ob überhaupt, 42
Sten.Ber.HA, S.325. So z. B. Wernicke, B K A r t . 28, I I , 3 b. 44 v. Mangoldt-Klein, K o m m . A r t . 28, V, 2 a, S. 714; Maunz i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 28, Rdnr. 47. 43
§ : Die Aufsicht über die e t u n g der Länder
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sondern i n welchem Sinne die Verfassungswirklichkeit i n die Gewährleistung einbezogen worden ist. Ihre Beantwortung ergibt sich, wenn man die Eigenart des A r t . 28 GG näher ins Auge faßt. A r t . 28 GG ist eine A r t Kollisionsnorm i n Anbetracht der Verfassungshoheit von Bund und Ländern. Er legt die Grundsätze eines einheitlichen Verfassungssystems fest und zieht damit der landesstaatlichen Verfassungshoheit Schranken 45 . I m Hinblick auf dieses Ziel eines gewissen Mindestmaßes an Homogenität der Verfassungsordnungen i n Bund und Ländern erscheint eine einzelne Grundrechtsverletzung i m Bereich der Verwaltung völlig belanglos. Sie schafft keine Verfassungswirklichkeit, wie sie i n diesem Zusammenhang nur i n Frage stehen kann; erst die grundsätzliche Negierung durch die Verwaltung könnte als auch für die Homogenität relevante Verfassungsverletzung angesehen werden. Nur sie wäre an Gewicht einer abweichenden normativen Regelung vergleichbar. Die Auffassung, nach der dem Bund nach Art. 28 Abs. 3 GG die Verpflichtung auferlegt ist, „gegen jede Grundrechtsverletzung durch Landesorgane einzuschreiten", weil „die Verfassung bereits jede kleine Abweichung von diesen Grundsätzen als besonders schwerwiegend ansieht" 46 , läßt das xeXog des Art. 28 GG außer acht. Die Aufnahme der Grundrechte i n A r t . 28 Abs. 3 GG muß i n einem ganz anderen Licht gesehen werden als dem, (zusätzliche) Sanktion eines recht- und gesetzmäßigen Handelns der Exekutive darzustellen: Zunächst hat der Verfassungsgesetzgeber i n Art. 28 Abs. 3 GG erneut zum Ausdruck gebracht, welche überragende Bedeutung er den Grundrechten zugemessen hat als solchen Rechtsüberzeugungen, i n denen — u m mit einem bekannten Worte Smends zu sprechen — das Volk sich einig sein w i l l 4 7 . Die Grundrechte mußten — so gesehen — i n den A r t i k e l aufgenommen werden, der die Homogenität zwischen Bundesverfassung und Länderverfassung zum Gegenstand hat, ungeachtet der Frage, ob damit über Art. 1 Abs. 3, Art. 31 GG hinaus konkrete Rechtsfolgen verbunden waren oder nicht. Der Verfassungsgeber hatte aber darüber hinaus einen konkreten Anlaß, i n A r t . 28 Abs. 3 GG ebenfalls die Grundrechte zu nennen. Bevor das Grundgesetz i n K r a f t trat, hatten bereits die Länder umfangreiche und i m einzelnen nicht wenig differierende Grundrechtskataloge i n ihre Verfassungen aufgenommen. Das Inkrafttreten der noch ausstehenden Länderverfassungen stand bevor. Die weitgehenden Verschiedenheiten der 45 Unter diesem Gesichtspunkt i n s t r u k t i v Gross, D V 1950, S. 5 ff. Vgl. auch Dennewitz, DÖV1949, S. 341 (342). 46 So Fr owein, S. 69 (zurückhaltender allerdings S. 66). 47 Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung, S. 91.
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Dux
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
Grundrechtskataloge der Länder drohten der Einheit des Bundes gefährlich zu werden. Zwar traten mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes die den Bundesgrundrechten widersprechenden Landesgrundrechte oder sonstige Landesnormen nach Art. 31 GG außer Kraft; erfahrungsgemäß 48 waren sie deshalb aber noch nicht aus der Welt. Die konkrete Bedeutung der Gewährleistungspflicht liegt darin, daß der Bund nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, die Feststellung grundrechtswidriger Landesnormen gem. A r t . 93 Abs. 1 Ziff. 2 oder Ziff. 3 GG vor dem Bundesverfassungsgericht zu betreiben, bzw. m i t dem Bundeszwang gegen das Land vorzugehen 49 . Die gleiche Pflicht mag man aus A r t . 28 Abs. 3 GG dann herleiten, wenn die Landesverwaltung die Geltung der Grundrechte prinzipiell negiert. Darüber hinaus ist aber für die Frage, inwieweit eine Aufsicht über die Verwaltung besteht, aus Art. 28 Abs. 3 GG nichst herzuleiten. Nichts anderes kann gelten, soweit die Garantie der Bestimmungen der Abs. 1 und 2 des A r t . 28 GG i n Frage steht. Diese grundlegenden Verfassungsprinzipien werden i n aller Regel weniger durch die Verwaltung denn durch solche exekutiven Maßnahmen berührt, die dem Bereich der Regierung zuzurechnen sind. Auch ihre Beachtung ist, ebensowenig wie die der übrigen Grundgesetznormen, weder einer regulären Aufsicht aus Art. 84 GG noch aus einer anderen Bestimmung unterworfen. U m gegen Störungen der bundesstaatlichen Homogenität einzuschreiten und der Garantiepflicht nachkommen zu können, reicht in aller Regel die Möglichkeit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, i m äußersten Fall aber der Bundeszwang aus 50 . V I L Zusammenfassung
„Ausgeführt" i m Sinne des Art. 84 Abs. 3 und 4 GG w i r d nur das Bundesgesetz, das als unmittelbare Rechtsgrundlage des Verwaltungshandelns dient. I m übrigen kommt Bundesrecht lediglich als Maßstab der Aufsicht des Art. 84 GG i n Betracht, insoweit nämlich, als es bei der Ausführung anderer Bundesgesetze zu berücksichtigen ist. Verwaltungshandeln, das i m Landesrecht seine Rechtsgrundlage findet, unterliegt auch insofern nicht der Aufsicht des A r t . 84 GG, als dabei Bundesrecht zu beachten ist. Normen des Grundgesetzes werden danach nur inso48
Vgl. f ü r die W R V Gross , DV1950, S. 7. So zutreffend Maunz, i n Maunz-Dürig, A r t . 28, Rdnr. 43. 50 So zutreffend v. Mangoldt-Klein, A r t . 28, V, 2 a, S. 714; Maunz i n MaunzDürig, K o m m . A r t . 28, V I , 1, Rdnr. 42. Krüger , DVB1. 1951, S. 367, meint zwar, die Bundesaufsicht sei das M i t t e l , u m die bundesstaatliche Homogenität herzustellen. Doch bezieht K r ü g e r i n den Begriff der Bundesaufsicht die Verfassungsgerichtsbarkeit ein (vgl. oben S. 23, Fußnote 35). 49
§ 5: Die Aufsicht des Bundes über die Gesetzgebung der Länder
67
weit ausgeführt, als das Verwaltungshandeln unmittelbar auf sie gestützt wird. Dieser Fall ist zwar selten, aber nicht ausgeschlossen. Zutreffend ist zwar, daß Aufsichtsmaßnahmen auch über die i n Art. 84 GG gesteckten Grenzen hinaus auf A r t . 37 GG gestützt werden können. Dabei darf jedoch der Bezug — und damit auch die Begrenzung — auf die ultima ratio des Bund-Länder-Verhältnisses nicht außer acht gelassen werden. Für alle auf A r t . 37 GG gestützten Maßnahmen ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Aus Art. 28 Abs. 3 GG kann die gegenteilige Ansicht nicht begründet werden. Für die Homogenität der Verfassungsordnungen zwischen Bund und Ländern ist die einzelne Rechtsverletzung i m Bereich der Verwaltung ohne Belang. Sie w i r d daher auch nicht von der Gewährleistungspflicht des Bundes erfaßt. Der Bund kann seiner Gewährleistungspflicht dadurch nachkommen, daß er das Bundesverfassungsgericht anruft, i m äußersten Fall kann er Bundeszwangsmaßnahmen ergreifen.
§ 5: Die Aufsicht des Bundes über die Gesetzgebung der Länder I . Verfassungsgeschichtliche Uberlieferung und überwiegende Lehre unter dem Grundgesetz
Unter der RV v. 1871 erstreckte sich die Aufsicht des Reiches nach der überwiegenden Meinung auch auf die Gesetzgebung der Einzelstaaten 1 . Auch unter der WRV wurde die Aufsicht des Reiches über die Gesetzgebung der Länder nicht i n Zweifel gezogen2. Da auch die Beachtung der Verfassungsnormen als Ausführen eines Reichsgesetzes i. S. der A r t . 7 Ziff. 3 RV v. 1871, A r t . 15 Abs. 3 WRV angesehen wurde, stellte sich die Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder weithin als abhängige Aufsicht dar. Angesichts dieser verfassungsgeschichtlichen Überlieferung ist es verständlich, daß die überwiegende Lehre auch das Gebrauchmachen von der Gesetzgebungskompetenz als „Ausführen eines Bundesgesetzes", eben des Grundgesetzes, versteht und auch insoweit ein Aufsichtsrecht 1 Vgl. Triepel, Reichsauf sieht, S. 486 ff. Über die Besonderheiten wegen der mangelnden E i n w i r k u n g auf die Landtage ebd., S. 488 f. Siehe aber auch Seydel, Blätter f ü r administrative Praxis X L V , 1895, S. 92; ders., K o m m . A r t . 4, I I , S. 60. 2 Vgl. Anschütz, K o m m . A r t . 15, 2 a, S. 115 f.; Triepel, Streitigkeiten, S. 65; Cohn, S. 31 ff.
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
des Bundes nach Art. 84 Abs. 3 GG bejaht 3 , obwohl der übliche Sprachgebrauch nicht als „Ausführen" bezeichnet, was ganz überwiegend der Gestaltungsfreiheit des Beaufsichtigten anheimgestellt ist. I I . Kritik4
Die Frage ist jedoch, ob das Grundgesetz nicht trotz des überlieferten Wortlauts eine Abkehr von der verfassungsgeschichtlichen Überlieferung zum Ausdruck gebracht hat. 1. Die Einordnung der Bundesaufsicht in Abschnitt VIII des Grundgesetzes Der Abschnitt V I I I des Grundgesetzes regelt die Zuständigkeiten i m Bereich der Verwaltung. Der systematischen Stellung des Art. 84 Abs. 3 GG nach ist daher der Schluß unabweislich, daß die Aufsicht auf die Verwaltung beschränkt sein soll 5 . Schneider und Bullinger 6 haben dem m i t dem Hinweis widersprochen, daß i n der Überschrift des V I I I . Abschnittes zwar von Bundesverwaltung, nicht aber von Landesverwaltung, sondern allgemein von einer „Ausführung der Bundesgesetze" gesprochen werde. Gerade aus dieser Fassung leiten sie her, daß die Aufsicht auch die Gesetzgebung erfasse. Für den Wortlaut der Überschrift des V I I I . Abschnittes gibt es jedoch eine sehr viel naheliegendere Erklärung: Die Verwaltung erschöpft sich nicht i n der Ausführung von Gesetzen. I h r bleibt vielmehr ein Raum zur eigenen Initiative und Gestaltung überlassen. Während aber die Landesverwaltung nur insoweit erfaßt werden sollte, als sie i n Ausführung von Bundesgesetzen tätig wird, war die Verwaltung des Bundes i n ihrer Gesamtheit einzubeziehen 7 . Auch i n den Beratungen des Parlamentarischen Rates ist man stets davon ausgegangen, daß die Regelung des jetzigen V I I I . Abschnittes 3 Schäfer , AöR 78, 1952/53, S. 12; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 4, S. 456 f.; Schneider, Gutachten, S. 1029 ff.; Reetz, S t u K V , 1957, S. 226; Graubaum, S. 90 f.; Werr, S. 92. 4 Es w i r d i m folgenden zunächst die Gesetzgebung i m formellen S i n n ins Auge gefaßt. 5 So BVerfGE 6/309 ff. (329). Scheuner, vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1142 ff.; Kollmann, D Ö V 51, S. 147, 1. Sp. unten. Zweifelnd Maunz, Staatsrecht, S.206. 6 Schneider, Gutachten, S. 1030 f.; Bullinger, AöR 83,1958, S. 284 f. 7 Vgl. Laforet, D Ö V 1949, S. 221, der allerdings zu übersehen scheint, daß die V e r w a l t u n g i m sog. eigenschöpferischen Bereich n u r als Bundesverw a l t u n g i n den V I I I . Abschnitt einbezogen worden ist. v. Mangoldt, K o m m . A r t . 83, 3, S. 446; Bettermann, Veröff. V D S t R L , 17, 1959, S. 137. Ausdrücklich jetzt auch BVerfG, U r t . v. 28. 2. 1961, JZ, S. 217 ff. (223 1. Sp.).
§ 5: Die Aufsicht des Bundes über die Gesetzgebung der Länder
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sich nur auf die Verwaltung erstrecke. Das beweisen nicht nur zahlreiche Äußerungen 8 , es zeigt sich auch daran, daß der ursprünglich ebenfalls i n diesem Abschnitt befindliche A r t i k e l über den Bundeszwang i n den Abschnitt „Bund und Länder" eingeordnet wurde, weil der Bundeszwang auch andere als die Erfüllung von Pflichten der Verwaltung sichern sollte 9 . Eine Einordnung der Regelung über die Bundesaufsicht i n den Abschnitt „Bund und Länder", wohin sie bei einer Aufsicht auch über die Legislative systematisch gehört hätte 10 , ist dagegen nicht erfolgt. 2. Ausführen als eigene Angelegenheit und im Auftrag des Bundes Es muß auch i n diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß die Bundesaufsicht i n den Gegensatz zwischen der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit oder i m Auftrage des Bundes einbezogen ist. Dieser Gegensatz ist aber unzweideutig auf die Verwaltung und nicht auf die Gesetzgebung zugeschnitten 11 . 3. Die Unterscheidung von Gesetz und Recht Auch die Unterscheidung von Gesetz und Recht i n Art. 84 Abs. 3 u. 4 GG läßt sich zwar für eine Aufsicht über den Landesgesetzgeber verwerten, gewinnt aber ihre eigentliche Bedeutung nur i m Rahmen der Aufsicht über die Landesverwaltung 12 . 4. Verfassungsgeschichtliche
Wandlungen
Bei näherem Hinsehen zeigt sich auch, daß der Verfassungsgesetzgeber guten Grund hatte, die verfassungsgeschichtliche Überlieferung nicht fortzusetzen. Es darf nicht übersehen werden, daß eine entscheidende Funktion der Aufsicht über den Landesgesetzgeber unter der RV v. 1871: die definitive Klärung der Rechtslage, heute auf das Bundesverfassungsgericht übergegangen ist: Unter der RV v. 1871 war eine Aufsicht über die Legislative schon deshalb notwendig, weil eine andere Möglichkeit der Kontrolle und 8
S. beispielsweise Abg. Dr. Höpker-Aschoff, Sten. Ber. H A , S. 432. • Vgl. Matz, JöR N F 1,1951, S. 339. 10 Vgl. A r t . 15 WRV, der i m ersten H a u p t t e i l i m 1. Abschnitt „Reich u n d Länder" eingeordnet war. 11 Vgl. auch Scheuner, v o r dem BVerfG, Konkordatsprozeß S. 1144 f., der das gleiche aus dem f ü r die Bundesaufsicht nach A r t . 84, 85 G G kennzeichnenden Gegensatz v o n Rechts- u n d Zweckmäßigkeitsprüfung hergeleitet hat. 12
Vgl. oben S. 52 f.
70
Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
der verbindlichen Entscheidung über eine Verletzung von Bundesrecht durch die Landesgesetzgebung nicht bestand 13 . Die Vorschrift des Art. 2 Abs. 1 RV v. 1871, nach der die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgingen, war mehr verfassungstheoretischer Art. Sie klärte zwar das Rangverhältnis von Reichs- und Landesgesetzen, ließ aber die Frage offen, wer die Streitfrage, ob widersprechendes Landesrecht vorlag, zu entscheiden hatte. Sie schaffte darüber hinaus auch ein reichsgesetzwidriges Landesgesetz praktisch nicht aus der Welt. Diese Aufgabe fiel unter der RV v. 1871 dem i m Aufsichtsverfahren ergehenden Beschluß des Bundesrates zu. Heute dagegen würde eine definitive Klärung der Rechtslage i m Aufsichtsverfahren nicht erreicht. Sie kann nur durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes herbeigeführt werden. Schließlich ist auch eine andere unter der RV v. 1871 wesentliche Aufgabe der Aufsicht des Reiches über die Gesetzgebung der Einzelstaaten weggefallen: die Interessen des Reiches auf den Gebieten zur Geltung zu bringen, auf denen dem Reich eigene Gesetzgebungskompetenzen nicht zustanden oder zwar zustanden, es von ihnen aber noch keinen Gebrauch gemacht hatte. I n Anbetracht dessen, daß die RV v. 1871 nur wenig inhaltliche Bindungen enthielt, erlangte die selbständige Aufsicht über den mit weitgehender Gestaltungsfreiheit versehenen Gesetzgeber besondere Bedeutung. Vor allem als präventive Aufsicht ermöglichte sie dem Reich, seine Interessen rechtzeitig, d. h. vor oder während des Gesetzgebungsverfahrens, zur Geltung zu bringen. Dadurch wurde dem Reich einerseits ein Einfluß eingeräumt, der i n Einzelfällen fast schon an die Grenze eines eigenen Bestätigungsrechtes reichte 14 , andererseits den Einzelstaaten i m Ernstfall ersparte, ein Gesetz zu erlassen, dessen Wirksamkeit alsbald würde vom Reich i m Wege der repressiven selbständigen Aufsicht verhindert werden. Es ist bereits dargelegt, daß dem Bund Einwirkungsmöglichkeiten vom gleichen Umfang heute nicht mehr gegeben sind 15 . Sie konnten fehlen, einmal weil die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gewachsen ist und der Bund die Gesamtbelange weitgehend auf Grund eigener Kompetenzen wahrnehmen kann, zum andern, weil der Bund die zu seiner Zuständigkeit gehörigen Materien vor allem durch die Übernahme älteren Rechts bereits weitgehend geregelt hat. 13 Auch darauf hat bereits Scheuner , vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1143, hingewiesen. 14
Vgl. die bei Triepel , Reichsaufsicht, S. 627 ff., m i t zahlreichen Beispielen belegte Praxis der Einzelstaaten, einen Gesetzentwurf zunächst dem Bundesrat vorzulegen. 15
Vgl. oben S. 29 ff.
§ 5: Die Aufsicht des Bundes über die Gesetzgebung der Länder
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Damit ist ein weiterer Grund für den Fortfall der Aufsicht über den Landesgesetzgeber genannt. Wenn eine Bundesstaatsverfassung sich durch jene spezifische Form der Aufsicht über die Einzelstaaten zu sichern sucht, so deshalb, weil vornehmlich von ihnen die Bedrohung des Bundesstaatsgefüges ausgeht. Das ist so lange zutreffend, als bei ihnen die Fülle der bedeutenden Kompetenzen liegt, wie es in der RV v. 1871 trotz der von Rehm und Triepel aufgezeigten unitarischen Tendenzen der Fall war 1 8 . I n diesem Fall bewirkt nicht nur die starke Stellung der Gliedstaaten, daß der jeder Kompetenz und Machtposition innewohnende Drang der Ausdehnung sich leichter realisiert und für den Gesamtstaat gefährlicher verwirklicht, wichtiger ist noch, daß das Übergewicht der Kompetenzen infolge der Interdependenz der verschiedenen Bereiche staatlicher Betätigung notwendigerweise leichter zu einer Kompetenzüberschreitung führt 1 7 . Liegt jedoch das Übergewicht der gesetzgeberischen Kompetenzen beim Bund und sieht die Verfassung einen nach beiden Seiten gerichteten Schutz der bundesstaatlichen Ordnung durch eine Bundesverfassungsgerichtsbarkeit vor, so fehlt es daneben für eine besondere Form der Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder an Aufgaben. I I I . Einwände gegen den Ausschluß der Aufsicht über den Landesgesetzgeber
Der Umstand, daß die Funktion der Bundesaufsicht, jedenfalls zu einem Teil, von der Verfassungsgerichtsbarkeit übernommen worden ist 18 , w i r d weitgehend verkannt, soweit Einwände gegen die dargelegte Ansicht geltend gemacht werden. 1. Der Einwand, die Aufsicht richte sich gegen die Länder als geschlossene Einheiten Einen Einwand gegen die hier dargelegte Ansicht, wonach die Aufsicht des Art. 84 Abs. 3 GG nicht die Gesetzgebung der Länder erfaßt, haben Schneider und Bullinger daraus hergeleitet, daß der Bund sich m i t der Aufsicht an das Land als solches wende, es als eine geschlossene Einheit anspreche 10. Schneider und Bullinger folgern daraus, die Aufsicht könne von der Aufgliederung der Staatstätigkeit als von einer 16 Rehm, Unitarismus u n d Föderalismus i n der Deutschen Reichsverfassung, Dresden 1898; Triepel, Unitarismus u n d Föderalismus i m Deutschen Reiche, Tübingen 1907. 17 Vgl. Rümelin, S. 206. 18 Scheuner, Rechtsstaat, S. 251, Fußnote 102, hat zu Recht betont, daß dem richterlichen Prüfungsrecht auch diese politische Seite zukommt. 19 Schneider, Gutachten, S. 1031; Bullinger, AöR 83,1958, S. 285 ff.
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
häuslichen Angelegenheit des Landes keine Kenntnis nehmen, ohne die Länder zu Regierungsbezirken zu degradieren. Man kann zunächst schon den Schluß, die Staatlichkeit der Länder werde um so mehr degradiert, je geringer der Umfang der Aufsicht sei, nur schwer nachvollziehen. Der Grundsatz, daß die Länder dem Bund als geschlossene Einheiten gegenüberstehen, besagt zunächst einmal nur, daß eine Rechtsverletzung durch irgendeine Landesbehörde dem Land als solchem zugerechnet wird, der Bund sich also an die oberste Landesbehörde selbst halten kann und muß. Mehr kann er i n diesem Zusammenhang schon deshalb nicht bedeuten, weil das Grundgesetz selbst die Gliederung der Staatstätigkeit des Landes i m Verhältnis zur Staatstätigkeit des Bundes sehr wohl zur Kenntnis nimmt. So ist etwa die Aufsicht über die Verwaltung unzweifelhaft verschieden, je nachdem, ob es sich um eine Ausführung als eigene Angelegenheit oder i m Auftrag des Bundes handelt, m i t h i n eine Regelung getroffen, die unzweifelhaft die Besonderheiten der verwaltungsmäßigen Ausführung berücksichtigt. Überdies sind gerade insoweit, als eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder i n Frage steht, seit je besondere Formen und Beschränkungen gültig gewesen. Es wäre völlig unverständlich, wenn die Verfassung nicht diesen Besonderheiten Rechnung tragen und die Aufsicht i n den Formen und Verfahren des Art. 84 Abs. 3 und 4 GG auf die Verwaltung beschränken dürfte, ohne die Eigenstaatlichkeit der Länder anzutasten. Auch wenn die Aufsicht des Bundes auf die Verwaltung des Landes beschränkt wird, bleibt Adressat aller Aufsichtsmaßnahmen das Land als solches. Wie wenig begründet die von Schneider und Bullinger vorgetragene Argumentation ist, erweist sich auch, wenn man bedenkt, daß es sich ja nicht u m die Frage handelt, ob Kontrolle der Landesgesetzgebung oder nicht, sondern — trotz der grundsätzlichen Verschiedenheiten von Aufsicht und Verfassungsgerichtsbarkeit — um die Frage, ob nicht die Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder durch eine verfassungsgerichtliche Kontrolle ersetzt ist. Daß aber für die Kontrolle der Gesetzgebung der Länder nicht die gleichen M i t t e l und das gleiche Verfahren adäquat sein muß wie für die Verwaltung, jedenfalls aber der Verfassungsgesetzgeber dieser Ansicht sein kann, ohne damit die Eigenstaatlichkeit der Länder i m geringsten zu degradieren, sollte nicht bestritten werden. 2. Die Forderung nach einer Beteiligung
des Bundesrates
Vielfach w i r d die Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder um deswillen bejaht, weil auch hier der Bundesrat beteiligt werden müsse. Es ist bereits dargelegt, daß der Bundesrat eine allgemeine Schiedsfunktion gar nicht erfüllen kann 2 0 . Welche Aufgabe er i m Verfahren
§ 5: Die Aufsicht des Bundes über die Gesetzgebung der Länder
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nach Art. 84 Abs. 4 GG zu erfüllen hat, w i r d noch zu erörtern sein. Soviel scheint jedoch sicher, daß seine Entscheidung eine verfassungsgerichtlich nachprüfbare Rechtsentscheidung darstellen muß. Würde man auch i n den Fällen, i n denen streitig ist, ob ein Landesgesetz verfassungsmäßig ist, eine Entscheidung des Bundesrates herbeiführen, so würde das zu nichts anderem führen, als zu einem leerlaufenden Verfahren vor der allein maßgeblichen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht 21 . Hinzu kommt, daß es gerade unter dem Grundgesetz eine kaum verständliche Regelung wäre, wollte man annehmen, das Grundgesetz habe ein politisches Organ zum erstinstanzlichen „Richter" über den Landesgesetzgeber setzen wollen 2 2 . Etwas anderes könnte der Bundesrat aber gar nicht sein, wenn man die Entscheidung über die Vereinbarkeit von Landesgesetzen mit dem Bundesrecht i n die Aufsichtskompetenz nach Art. 84 Abs. 3 und damit in das Verfahren nach Abs. 4 GG einbezöge. Schließlich und endlich sollte aber auch nicht verkannt werden, daß die von einer solchen Aufgabe des Bundesrates erhoffte Integrationswirkung bis zu einem gewissen Grade auch von dem Spruch des Bundesverfassungsgerichtes ausgehen kann. Es ist sehr gut möglich, daß dort, wo von vornherein nur über Rechte gestritten wird, die Entscheidung eines unabhängigen Gerichts leichter einen Streit gütlich beendet als der Beschluß eines politischen Organs 23 . Bereits Smend hat darauf hingewiesen, daß die Verfassungsgerichtsbarkeit ebenfalls nur als ein Mittel der Verständigung anzusehen ist 24 . 3. Die Bedeutung des Art 28 Abs. 3 GG für eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder Auch i n diesem Zusammenhang könnte darauf verwiesen werden, daß die Aufsichtskompetenz über die Landesgesetzgebung das notwendige M i t t e l für den Bund darstelle, um seiner Gewährleistungspflicht aus A r t . 28 Abs. 3 GG nachzukommen. 20
Vgl. oben S. 30. Eine Entscheidung des Bundesrates wäre deshalb auch k a u m geeignet, dem B V e r f G zu ersparen „ t o take jurisdiction i n h i g h l y controversial cases" — w i e Cole, JöR N F 8,1959, S. 38, anzunehmen scheint. 22 Vgl. auch die Bedenken Scheuners, vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1144. Wenn m a n den Umfang der Aufsicht nach A r t . 84 Abs. 3 G G so w e i t spannte, hätte Graubaum, S. 70, m i t seiner K r i t i k an der Beteiligung des Bundesrates jedenfalls insoweit Recht, vgl. unten S. 106, Fußnote 5. 23 So schon Binding, D J Z 1899, S. 69 ff. (75), am Beispiel des Lippischen Thronfolgestreits. 24 Smend, Verf. u. Verf.R, S. 240. 21
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
Zu Unrecht! Die in der Aufsicht enthaltene Ermittlungskompetenz ist für eine Aufsicht über die Legislative ohne Bedeutung. Die legislativen Akte liegen offen. Selbst i m Stadium der Beratung können sie dem Bund nicht verborgen bleiben. Es möchte zwar gelegentlich wünschenswert sein, einen Gesetzesentwurf, der von der Landesregierung zwar verabschiedet, i m Landtag aber noch nicht eingebracht worden ist, bereits auf seine Vereinbarkeit m i t dem Bundesrecht zu prüfen, doch dürfte ein irreparabler Schaden aus dem Verlust der Zeitspanne bis zum Einbringen des Gesetzesentwurfs in den Landtag nicht entstehen. Diese Fälle sind jedenfalls so exzeptioneller Art, daß sie außer Betracht bleiben müssen. Soweit aber das bereits geschriebene Recht i n Frage steht, ist die einzige Frage, die i m Zusammenhang mit der Gewährleistungspflicht auftreten kann, die einer rechtlichen Beurteilung: zu entscheiden, ob der legislative A k t mit den i n Abs. 3 des Art. 28 GG genannten Grundsätzen vereinbar ist. Selbst wenn das Grundgesetz eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder kennte, diese Aufgabe würde letzten Endes vom Bundesverfassungsgericht wahrgenommen werden. Eine Aufsicht, deren Ermittlungskompetenz ohne Bedeutung ist, der aber auch keine definitive Entscheidungskompetenz zukommt, konnte der Verfassungsgesetzgeber mit Fug weglassen. 4. Die Bedeutung des Art. 37 GG für eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder Auch eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder w i r d aus Art. 37 GG zu begründen versucht. Es ist bereits dargelegt, i n welchem Sinn Art. 37 GG als Grundlage einer Aufsicht angesehen werden kann und i n welchem nicht. Entsprechendes gilt auch für eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder. A u f die Ausführungen kann daher verwiesen werden 25 . Nachdrücklich zu betonen ist jedoch auch i n diesem Zusammenhang, daß es neben einer Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes durchaus sinnvoll erscheint, die Bundeszwangskompetenz weiter reichen zu lassen als das Recht einer regulären Aufsicht durch politische Organe 28 . I V . Die Aufsicht über den Erlaß von Ausführungsgesetzen durch die Länder
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß das Grundgesetz eine den politischen Organen des Bundes übertragene reguläre Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder nicht kennt, kann auch insofern nicht gel25 26
Vgl. oben S. 42 ff., 60 ff. Vgl. auch unten S. 123.
§ 5: Die Aufsicht des Bundes über die Gesetzgebung der Länder
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ten, als die Länder verpflichtet sind, bestimmte „Ausführungsgesetze" zu erlassen 27 . Zwar wäre es möglich, i n diesen Fällen deshalb von einem „Ausführen des Bundesgesetzes" i. S. des Art. 84 GG zu sprechen, weil das Gesetz zwingend ein Tun verlangt; aber schon wenn man für den Begriff des Ausführens einen vorgegebenen, fest umrissenen inhaltlichen Rahmen verlangt, bestehen selbst gegenüber dieser nur philologischen Interpretation Bedenken angesichts der auch hier gegebenen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. I m übrigen sprechen alle Gründe, die überhaupt der Auffassung, die Aufsicht erstrecke sich auch auf die Gesetzgebung der Länder, entgegenstehen 28 , dagegen, insoweit eine Ausnahme zu machen. Auch hier ist — von den Fällen des Bundeszwanges abgesehen — der Bund auf den verfassungsgerichtlichen Austrag der Streitigkeiten verwiesen. V. Die Aufsicht über den Erlaß von Rechtsverordnungen
Die Frage ist jedoch, ob nicht insoweit, als die Länder Rechtsverordnungen auf Grund bundesgesetzlicher Delegation erlassen, etwas anderes gelten muß. Rechtsverordnungen sind inhaltlich engere Schranken gezogen als Gesetzen. Ihr Inhalt, Zweck und Ausmaß muß i n dem Gesetz festgelegt sein, Art. 80 GG. Es steht danach nichts i m Wege, den Erlaß von Rechtsverordnungen auf Grund eines (einfachen) Bundesgesetzes als Ausführung dieses Gesetzes zu bezeichnen 29 . Darauf weisen auch die Termini „Ausführungsverordnung", „Durchführungsverordnung" etc. deutlich hin. Auch die übrigen Argumente, die gegen die Annahme einer Aufsicht über die Landesgesetzgebung sprechen, gelten nicht gleichermaßen für die Rechtssetzungsbefugnis der Exekutive. Wesentlich ist, daß der Zusammenhang zwischen der verwaltungsmäßigen Ausführung und der Verordnungsbefugnis, die sich materiell als Gesetzgebung darstellt, so eng ist, daß es nicht angeht, diese beiden Tätigkeiten auseinanderzureißen 30 . Vielfach w i r d es zweifelhaft sein, ob die gerügte Gesetzesverletzung nicht schon i n der ausführenden Rechtsverordnung ihren Grund hat. Es würde zu einer unnötigen Komplizierung führen, wenn diese Frage nicht i m gleichen Verfahren geprüft werden könnte. Richtiger scheint es daher, auch jene Tätigkeit der Exekutive, die sich materiell als Rechtssetzung darstellt, der Aufsicht des Art. 84 GG zu unterwerfen. 27 S. aber Scheuner, vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1142; später jedoch ausdrücklich f ü r eine Beschränkung auf die Landesverwaltung (1144). 28 Vgl. oben S. 68 ff. 29 So auch der A l l g . Redaktionsausschuß, Füsslein, JöR N F 1, 1951, S. 629. 80 Zutreffend Bullinger, AöR 83, 1958, S. 294; dagegen Maunz i n MaunzDürig, K o m m . A r t . 83 Rdnr. 24, weitere Nachweise ebd.
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
Soweit dagegen die Landesregierung Rechtsverordnungen erläßt, die nicht auf bundesrechtliche, sondern auf landesrechtliche Ermächtigung zurückgehen, handelt es sich nicht um Ausführung von Bundesrecht, sondern um Ausführung von Landesrecht. Insofern sind die Länder ebensowenig wie i n den übrigen Fällen, in denen Rechtsgrundlage der Landesmaßnahmen das Landesrecht ist, der durch die politischen Organe des Bundes ausgeübten Bundesaufsicht unterworfen — auch hier mit Ausnahme der für außerordentliche Gefahren gedachten Bundeszwangskompetenz.
V I . Zusammenfassung
Die Einordnung der Aufsichtskompetenz i n den V I I I . Abschnitt des Grundgesetzes zeigt, daß das Grundgesetz eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder nicht kennt. Die Unterscheidung der Ausführung als eigene Angelegenheit und i m Auftrage des Bundes bestätigt diese Annahme ebenso wie die Unterscheidung von Gesetz und Recht, die ebenfalls auf die Verwaltung zugeschnitten ist. Auch die Entstehungsgeschichte spricht dafür. Diese Annahme steht i m Einklang mit den verfassungsrechtlichen Wandlungen seit der RV v. 1871, insbesondere der Einführung einer umfassenden Verfassungsgerichtsbarkeit. Die Einwände gegenüber einem Ausschluß der Aufsicht des Bundes über die Gesetzgebung der Länder stellen die Möglichkeit eines verfassungsgerichtlichen Austrags von Streitigkeiten nicht zutreffend in Rechnung: Der Einwand, die Aufsicht des Bundes richte sich gegen die Länder als geschlossene Einheiten, ist ebensowenig zutreffend wie die Ansicht, es sei ratsam, auch i n diesen Fällen zunächst die Entscheidung des Bundesrates herbeizuführen. Der Bundesrat könnte i n einem vorrichterlichen Verfahren eigene Aufgaben nicht erfüllen. Weder Art. 28 Abs. 3 noch Art. 37 GG vermag den Schluß zu rechtfertigen, Art. 84 Abs. 3 GG umschließe auch eine Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder. A r t . 37 GG kann auch nicht selbst als Grundlage einer regulären Aufsicht über die Gesetzgebung der Länder dienen. Eine Kongruenz von Aufsichts- und Bundeszwangskompetenz hinsichtlich ihres Umfanges zu verlangen, hat Sinn, solange die Aufsicht das einzige M i t t e l der Kontrolle ist, u m die Erfüllung der Bundespflichten sicherzustellen. Wo dagegen Aufsicht und Verfassungsgerichtsbarkeit nebeneinander bestehen, da kann ein bestimmter Bereich von der Aufsichtskompetenz ausgespart und allein einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterworfen werden. Die weitergehende Bundeszwangskompetenz w i r d dadurch nicht sinnlos.
§ : Die Aufsicht über die e s e g e der Länder
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Auch soweit der Landesgesetzgeber kraft bindender Zuweisung „Ausführungsgesetze" erläßt, ist die Gesetzgebung der Länder der Aufsicht des Art. 84 GG nicht unterworfen. Soweit dagegen die Landesregierungen ermächtigt werden, zur Ausführung von Bundesgesetzen Rechtsverordnungen zu erlassen, unterliegen sie der Aufsicht des Art. 84 GG.
§ 6: D i e Aufsicht über die Rechtspflege der Länder
Sowohl unter der RV v. 1871 wie unter der WRV wurde eine Aufsichtskompetenz des Reiches über die Rechtspflege der Länder bejaht 1 . Übereinstimmend wurden jedoch wegen der Antinomie zwischen einer Aufsicht und der Unabhängigkeit der Gerichte bedeutende Einschränkungen gemacht. Während i m Bereich der Rechtsprechung (im materiellen Sinn) die Aufsicht auf eine beobachtende Aufsicht beschränkt sein sollte 2 , wurde der Bereich, der sich materiell als Verwaltungstätigkeit darstellt, i n vollem Umfang der Aufsicht unterworfen. Auch unter dem Grundgesetz w i r d eine Aufsicht über die Rechtspflege i n gleicher Weise bejaht 3 . Gegen diese Annahme bestehen keine Bedenken, soweit die Tätigkeit der Rechtspflege materiell der Verwaltung zuzurechnen ist und von dem Grundsatz der Unabhängigkeit nicht erfaßt wird 4 . Darüber hinaus ist aber fraglich, ob das Grundgesetz eine wenn auch nur beobachtende Aufsicht über die Rechtsprechung zuläßt. Auch in diesem Zusammenhang könnten Bedenken aus der Einordnung der Aufsicht i n den V I I I . Abschnitt hergeleitet werden. Immerhin ließe sich i m Sinne der überlieferten Staatsrechtslehre, wonach Rechtsprechung und Verwaltung unter einem Oberbegriff der Vollziehung zusammengefaßt werden, die gesetzesanwendende Tätigkeit der Gerichte durchaus als „Ausführung der Bundesgesetze" bezeichnen 5 . 1 Vgl. f ü r die R V v. 1871 Hänel, Staatsrecht I , S. 464, Fußnote 1; Arndt, K o m m . A r t . 4,1, S. 62; Triepel, Reichsaufsicht, S. 494 ff.; f ü r die W R V Anschütz, A r t . 15, S. 116. 2 Vgl. noch Thoma, Verhandlungen, S. 70 f. 8 Vgl. v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 4, S. 456 f.; Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 13, unter B i l l i g u n g der v o n Triepel entwickelten Lehre; ebenso Reetz, S t u K V , 1957, S. 226. 4 Es ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit, diese Grenzen i m einzelnen festzulegen. Hier genügt es, allgemein festzustellen, daß die Aufsicht dort i h r Ende finden muß, w o die Unabhängigkeit der Gerichte beginnt. Das I n s t i t u t der Unabhängigkeit der Gerichte ist dem der Aufsicht des Bundes verfassungsrechtlich übergeordnet. 5 I m anderen Zusammenhang ist das auch geschehen, vgl. Süsterhenn, DVB1.1956, S. 741.
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Zweites Kapitel: Der Umfang der Bundesaufsichtskompetenz
Gegen eine beobachtende Aufsicht über die Rechtsprechung sprechen jedoch prinzipielle Bedenken. Jeder Aufsicht ist begriffsnotwendig das Ziel eigen, das Verhalten des Landes in Einklang mit dem Bundesrecht zu setzen. Auch als beobachtende Aufsicht ist sie niemals nur Kenntnisnahme von Fakten. Präventiv soll die bloße Tatsache einer zunächst nur beobachtenden Aufsicht das Land daran hindern, Bundesgesetze bundesrechtswidrig auszuführen — repressiv aber auch dazu veranlassen, geschehene Gesetzesverletzungen zu beseitigen. Anders als bei einer Beobachtung mit dem Ziel bloßer Kenntnisnahme wohnt demnach der beobachtenden Aufsicht untrennbar die Tendenz der Einwirkung inne 6 . Daraus folgt jedoch, daß auch die beobachtende Aufsicht über die rechtsprechende Tätigkeit der Länder nicht zulässig ist. Denn die Unabhängigkeit der Gerichte verbietet jedwede Einflußnahme auf ihre Tätigkeit. Die überlieferte Lehre hat denn auch eine beobachtende Aufsicht über die Rechtsprechung nur zu dem Zwecke zugelassen, u m Material für eine Aufsicht über die Verwaltung zu sammeln 7 . Die Richtung der Einflußnahme richtete sich also gar nicht gegen die Rechtsprechung, sondern gegen die Verwaltung. — Sie konnte sich ebensogut gegen den Landesgesetzgeber richten, wenn es für die Beurteilung der Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit dem Reichsrecht darauf ankam, welcher Sinn einer Landesnorm durch die Gerichte beigelegt wurde. — Daraus ergibt sich, daß das, was man als die „beobachtende Aufsicht über die Rechtsprechung" bezeichnet hat, eher als eine beobachtende Aufsicht über die Verwaltung — bzw. die Gesetzgebung — zu bezeichnen ist, allerdings m i t der Besonderheit, daß das Material dazu den richterlichen Erkenntnissen entnommen wird. Die Frage ist danach nicht, ob eine nur beobachtende Aufsicht über die Rechtsprechung zulässig ist — sie ist unzulässig —, die Frage ist vielmehr, ob dem Bund auch ohne eine Aufsichtskompetenz über die Rechtsprechung die Kompetenz zusteht, zum Zwecke der bloßen Materialsammlung für die Wahrnehmung eigener Kompetenzen die Einsichtnahme bestimmter Gerichtsurteile oder auch Berichte über die Rechtsprechung der Landesgerichte i n bestimmten Angelegenheiten zu verlangen 8 . Auch wenn man — anders als unter der RV v. 18719 — eine ganz allgemeine Offenheitspflicht der Länder unter dem Grundgesetz nicht 8 7 8 9
Vgl. Triepel, Reichsaufsicht, S. 121 ff. Triepel, Reichsaufsicht, S. 498 f.; deutlich auch Dambitsch, S. 112. Tatsächlich sind Rechtsprechungsberichte dieser A r t sehr häufig. Vgl. Triepel, Reichsaufsicht, S. 123.
§ : Die Aufsicht über die e s e g e der Länder
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für gegeben hält, ist die Frage zu bejahen. Die Bundestreuepflicht gebietet den Ländern auch heute, unterstützend dort einzugreifen, wo der Bund andernfalls seine Kompetenzen nicht sachdienlich wahrnehmen könnte 10 . Eine Beeinträchtigung der Interessen der Länder kann darin kaum gesehen werden. Die bloße, nicht einmal i n der Absicht einer K r i t i k an der Rechtsprechung selbst erfolgende, Kenntnisnahme durch den Bund beeinträchtigt auch die richterliche Unabhängigkeit nicht, jedenfalls nicht mehr als die Kenntnisnahme durch die obersten Landesbehörden. I n beider Hinsicht bewirkt die selbständige Stellung der Gerichte auch hier eine weitgehende Neutralität gegenüber der bundesstaatlichen Gliederung.
10 Aus A r t . 35 G G k a n n diese Auskunftspflicht nicht hergeleitet werden. A r t . 35 G G ist mehr f ü r Ausnahmefälle gedacht. Vgl. Dreher, S. 21 ff. (24), auch Kratzer, D Ö V 1950, S. 534.
Drittes
Kapitel
Das Aufsichteverfahren § 7: D e r äußere Gang und die Organe des Aufsichtsverfahrens I . Präventive und leitende Aufsicht
Ebenso wie die RV v. 1871 und die WRV kennt auch das Grundgesetz eine präventive wie eine repressive Aufsicht. Die präventive Aufsicht ist bereits als bloß unterrichtende Mitteilung, wie ein Gesetz nach Ansicht der Bundesregierung auszuführen ist, möglich. Sie ist i n diesen Fällen jedoch mehr eine Ankündigung, wie künftig die Aufsicht gehandhabt werden wird, als bereits selbst Aufsicht. Die präventive Aufsicht kann aber auch die Gestalt der Mängelrüge annehmen, dann nämlich, wenn sich die Gefahr einer Rechtsverletzung bereits konkretisiert hat 1 . Das Schwergewicht der präventiven Aufsicht liegt i n der leitenden Aufsicht, die i n bestimmten Formen auch vorgesehen ist, soweit die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen: Art. 84 Abs. 2 GG verleiht der Bundesregierung das Recht, mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Nach A r t . 84 Abs. 5 GG kann der Bundesregierung durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Befugnis verliehen werden, i n besonderen Fällen Einzelweisungen zu erteilen. M i t der i n beiden Befugnissen 2 enthaltenen Weisungsgewalt gegenüber den Landesbehörden greift der Bund über den Rahmen einer bloß kontrollierenden Aufsicht hinaus 3 . Die Frage liegt deshalb nahe, inwieweit diese Rechte überhaupt zur Aufsicht gezählt werden können. 1 Vgl. Triepel, Reichsauf sieht, S. 627 f.; s. auch Scheuner, i m Konkordatsprozeß, S. 1146 f. Sieht m a n allerdings i n der konkretisierten Gefahr bereits eine Pflichtverletzung, dann läßt sich sagen, die Mängelrüge sei stets repressives M i t t e l der Aufsicht, so Forsthoff, AöR N F 19,1930, S. 79. 2 Die Frage, i n w i e w e i t die allgemeinen Verwaltungsvorschriften i n gleicher Weise w i e die Einzelweisungen i n das I n s t i t u t der Aufsicht selbst einzubeziehen, m i t h i n als M i t t e l u n d nicht bloß als Maßstab der Aufsicht anzusehen sind, w i r d unten noch erörtert, s. S. 83 ff. 8 Trefflich Röttgen, JöR N F 3,1954, S. 99 f.
§ 7: Der äußere Gang und die Organe des Aufsichtsverfahrens
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Für den Einbezug spricht die verfassungsgeschichtliche Überlieferung: Welche Beschränkung man auch immer durch den Gegensatz von positiver und negativer Aufsicht zu fassen suchte4, es war nicht zweifelhaft, daß der Aufsichtskompetenz nicht nur das Recht innewohnte zu bestimmen, was nicht, sondern auch, was zu geschehen habe. Das Reich hatte also i n dem einfachen Aufsichtsakt der Mängelrüge ein Mittel an der Hand, ein Weisungsrecht für den Einzelfall auszuüben. Zwar erweist sich das Wesen des Weisungsrechtes als Leitungsgewalt am deutlichsten dort, wo es auf Ermessensentscheidungen Einfluß nehmen kann, aber auch außerhalb der Ermessensentscheidungen w i r d mit jeder bindenden Weisung, besonders wenn sie präventiv erfolgt 5 , eine gewisse Leitungsbefugnis ausgeübt 6 . Verfassungsgeschichtlich gesehen ist der Aufsichtsbegriff also keineswegs durch eine scharfe begriffliche Trennung von bloßer Kontrolle auf der einen und einer i n die Nähe der eigenen Ausführung rückenden Leitungsgewalt auf der anderen Seite gekennzeichnet. Auch ein systematischer Gesichtspunkt spricht dafür, die an eine Leitungsgewalt heranreichenden Einwirkungsmöglichkeiten nach A r t . 84 Abs. 2 u. Abs. 5 GG i n den Aufsichtsbegriff einzubeziehen. Es besteht zwar ein qualitativer Unterschied zwischen Maßnahmen nach Art. 84 Abs. 2 u. Abs. 5 GG einerseits und Art. 84 Abs. 3 GG andererseits. Er w i r d jedoch überdeckt von dem gemeinsamen Zweck, den Vollzug der Bundesgesetze durch die nach außen i m einen wie i m andern Fall allein zur Ausführung berechtigten Länder sicherzustellen. Eine scharfe Grenze zwischen Aufsicht und eigener Verwaltung des Bundes läßt sich erst dort ziehen, wo der Bund sich m i t seiner Tätigkeit unmittelbar nach außen wendet 7 . Das Grundgesetz selbst hat keinen Anstand genommen, auch i m Rahmen der Bundesauftragsverwaltung, wo es eine sehr weitgehende Leitungsgewalt vorsieht, den Begriff der Bundesaufsicht zu verwenden. Das i n dem Erlaß der allgemeinen Verwaltungsvorschriften enthaltene Mitentscheidungsrecht des Bundes steht dem Einbezug i n das Institut 4
Vgl. Triepel, Reichsaufsicht, S. 481 ff. Bereits Gierke, Genossenschaftsrecht I , S. 745, hat Querverbindungen z w i schen einer repressiven u n d Rechtsaufsicht einerseits u n d einer präventiven u n d leitenden Aufsicht andererseits gezogen. Freilich sind damit n u r Akzente gesetzt! 6 Bis zu einem gewissen Grad zu Recht hat deshalb Poetzsch-Heffter, Komm., Vorbem. zu A r t . 15, 1, S. 130, die präventive Aufsicht als eine „oberste Leitung der zu erwartenden Landesmaßnahmen" gekennzeichnet; vgl. auch Triepel, Reichsaufsicht, S. 622, der eben deshalb vor einem Ubermaß an A u f sicht warnt. Die begriffliche Unterscheidung von Aufsicht u n d L e i t u n g bei Schoenborn, S. 34 f., ist letzten Endes ebenfalls eine Frage des Maßes. 7 Vgl. Seydel, Blätter f ü r administrative Praxis, X L V , 1895, S. 91 ff. 5
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Dux
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
der Aufsicht deshalb nicht mehr entgegen als die Zusammenfassung der kontrollierenden und leitenden Aufsicht unter ein gemeinsames Institut überhaupt 8 . I I . Repressive und kontrollierende Aufsicht
Das Schwergewicht der kontrollierenden Aufsicht liegt i n den repressiven Maßnahmen. Anders als die WRV, die diese Aufsichtsbefugnisse vollständig i n die Hand der Reichsregierung gelegt hatte 9 , hat der Grundgesetzgeber sich bei der Regelung des Aufsichtsverfahrens näher an die RV v. 1871 angelehnt. Nach Art. 17 der RV v. 1871 oblag dem Kaiser die Überwachung, d. h. das Recht der Kenntnisnahme, der Ermahnung und der Mängelrüge, nach A r t . 7 Ziff. 3 war es Sache des Bundesrates, i m Falle eines Konfliktes Beschluß darüber zu fassen, ob ein Mangel vorlag 1 0 . Nach dem Grundgesetz liegt die Überwachung der Ausführung der Bundesgesetze i n der Hand der Bundesregierung. Sie umfaßt in gleicher Weise nicht nur die rein beobachtende Funktion, sondern ebenfalls das Recht der Mängelrüge. Dabei ist die Überwachung i m einzelnen Sache des zuständigen Bundesministers. Es ist dem Bundesminister auch nicht verwehrt, seine Auffassung über die richtige Ausführung eines Bundesgesetzes präventiv wie repressiv den obersten Landesbehörden mitzuteilen. Er ist auch befugt, Beauftragte zu den obersten Landesbehörden zu entsenden. H i l f t das Land dem nach Ansicht des Bundesministers vorliegenden Mangel nicht ab, so muß allerdings die für die Fortführung des Aufsichtsverfahrens notwendige Mängelrüge auf einem Beschluß der Bundesregierung beruhen 11 . Weigert sich das Land weiterhin, den Mangel zu beseitigen, so kann die Bundesregierung das Aufsichtsverfahren dadurch fortführen, daß 8
Das übersieht Maunz i n Maunz-Dürig, A r t . 84, Rdnr. 48; vgl. oben S. 15 f. Eine Beteiligung des Reichsrates w u r d e weniger f ü r A r t . 48 Abs. 1 denn f ü r den nach vorwiegender Ansicht die Länder ebenfalls betreffenden A r t . 48 Abs. 2 W R V gefordert. Vgl. Nawiasky, Recht, 1924, Sp. 459 ff.; i m übrigen Cohn, S. 56 f. — V o r allem der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften bedurfte der Zustimmung des Reichsrates, A r t . 77 WRV. 10 Nach Triepel, Reichsaufsicht, S. 544, galt das gleiche f ü r die selbständige Aufsicht; w o h l auch Rümelin, S. 229; Börner , S. 31. Demgegenüber kamen andere zu dem Ergebnis, die selbständige Aufsicht werde durch den Bundesrat allein ausgeübt; Hänel , Staatsrecht, S. 314; Bornhak , Berliner Festgabe, S. 120 ff.; neuerdings Schäfer , AöR 78, 1952/53, S. 3; andere zu der ausschließlichen Zuständigkeit des Kaisers, Köhler , S. 85. 11 Diese Ansicht dürfte sowohl den Anforderungen der Praxis als auch der Bedeutung der Mängelrüge Rechnung tragen. Wie hier unter der W R V bereits Cohn, S. 53 ff. (55); Flad, S. 24; dem näherte sich Anschütz, HdbDStR I, S. 374. Unter dem GG Schäfer , AöR 78,1952/53, S. 17 f., aber zu allgemein. Auch das B V e r f G k a n n n u r durch einen Beschluß der Bundesregierung als Kollegialorgan angerufen werden, BVerfGE 6, 309 ff. (323). 9
§ 8: Der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften
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sie den Bundesrat anruft. Ob sie sich statt dessen alsbald an das Bundesverfassungsgericht wenden kann, ist strittig und w i r d noch zu erörtern sein. Der Bundeszwang gilt als das letzte Mittel, u m die Durchsetzung der Aufsichtsmaßnahmen sicherzustellen. Es ist aber zweifelhaft, ob er deshalb nur nach Abschluß des Aufsichtsverfahrens angewendet werden kann. Darauf ist noch zurückzukommen. I m folgenden werden die einzelnen M i t t e l und Stadien des Aufsichtsverfahrens, soweit eine Beteiligung des Bundesrates vorgesehen ist, näher ins Auge gefaßt.
§ 8: Der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften A r t . 84 Abs. 2 und A r t . 85 Abs. 2 GG 1 geben der Bundesregierung das Recht, m i t Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen. I . Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften als Maßstab und Mittel der Aufsicht
Die Frage, ob die allgemeinen Verwaltungsvorschriften lediglich als Maßstab 2 oder aber als M i t t e l der Aufsicht anzusehen sind, ist nicht nur von theoretischem Interesse, sondern auch von praktischer Bedeutung. Die Literatur der WRV hat die allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die von der Reichsregierung gemäß A r t . 77, 179 Abs. 2 3 erlassen werden konnten, übereinstimmend als Maßstab der Aufsicht bezeichnet. Sie setzte sie i n Gegensatz zu den allgemeinen Anweisungen des A r t . 15 Abs. 2 S. 1 WRV, die als M i t t e l der Aufsicht angesehen wurden 4 . Es gelang aber nicht, zwischen den allgemeinen Verwaltungsvorschriften und den allgemeinen Anweisungen einen faßbaren Unterschied i m I n halt festzustellen 5 . 1 S. auch A r t . 87 b Abs. 2 S. 2 u n d A r t . 129 GG. Z u m Sinn des A r t . 87 b Abs. 2 S. 2 vgl. Meyer-Dalheuer, DVB1.1957, S. 191. 2 So etwa Schäfer, AöR 78,1952/53, S. 25. 3 Z u A r t . 179 Abs. 2 W R V vgl. Jacobi, AöR Bd. 39, 1920, S. 329 ff. (331, 332). 4 Triepel, Streitigkeiten, S. 84 f.; vgl. auch Forsthoff, AöR N F 19, 1930, S. 79; Poetzsch-Heffter, K o m m . A r t . 15, I I I , 8, S. 137; Stier-Somlo, I, S. 390; Anschütz, K o m m . A r t . 15, 5, S. 119 f. (besonders widersprüchlich, da sie auch seiner A n sicht nach die rechtl. Natur allgem. VerwaltungsVorschriften teilen sollten); ders., HdbDStR I, S. 376. 5 Schoen, AöR N F 6, S. 178 ff.; auch Nawiasky, Grundprobleme, S. 58, v e r neinte einen inhaltlichen Unterschied. Ebenso W. Jellinek, Verf. u. Verw., S. 25. Vgl. auch Bornhak, Verfassung A r t . 15; Wittmayer, S. 237 f.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
Geht man von einer Begriffsbestimmung dessen, was Maßstab und M i t t e l ist, aus, so läßt sich feststellen: Maßstab der Aufsicht ist jedes i m voraus festgelegte Richtmaß, mit dem das Verhalten des Landes übereinzustimmen hat, an dem die Gesetzesausführung mithin i m Einzelfall gemessen wird. M i t t e l der Aufsicht ist jedes Einwirken auf das Verhalten des Landes, das zum Ziel hat, das Land i n Übereinstimmung mit einem vorher festgelegten Maßstab zu setzen. Schon danach w i r d deutlich, daß die Begriffe Maßstab und M i t t e l der Aufsicht von einem verschiedenen Blickwinkel aus gesehen werden: der Maßstab von dem ausführenden Landesorgan, das M i t t e l von dem auszuführenden Gesetz bzw. dem aufsichtführenden Bund her. Es ist danach denkbar, daß Vorschriften, die zur Ausführung eines Gesetzes an die Länder gerichtet werden und sich insofern als M i t t e l der Aufsicht darstellen, für die weisungsgebundenen Adressaten selbst zum Maßstab der weiteren Ausführung und damit auch zum Maßstab einer späteren Aufsicht werden. Dieses Verhältnis von Maßstab und M i t t e l kommt i n den allgemeinen Verwaltungsvorschriften sehr deutlich zum Ausdruck. Von ihren verschiedenen Arten interessieren i n diesem Zusammenhang i n erster Linie solche auf den Gesetzesvollzug gerichteten Ausführungsvorschriften, die bereits bestehende gesetzgeberische Entscheidungen für den verwaltungsmäßigen Vollzug konkretisieren 6 . Verwaltungsvorschriften dieser A r t können eine verschiedene Aufgabe haben. Sie dienen einmal dazu, die Ausübung des der Verwaltung vom Bundesgesetzgeber eingeräumten Ermessens einzuengen, indem sie die Landesverwaltung verpflichten, Ermessensentscheidungen i n einem bestimmten Sinn zu treffen 7 . Selbständiger Maßstab der Aufsicht sind sie insoweit, als sie für die Landesverwaltung innerhalb der gesetzlichen Ermessensschranken engere Bindungen schaffen, die bis dahin noch nicht bestanden. Von der Warte des aufsichtführenden Bundes aus gesehen, dient aber der Erlaß derartiger Verwaltungsvorschriften dazu, die Ausführung durch die Landesbehörden sicherzustellen. Er ist danach zugleich auch M i t t e l der Aufsicht 8 » 9 . Hinzu kommt, daß eine das Ermessen der Lan6 Z u r Typisierung der Verwaltungsverordnungen nach dem praktischen Zweck vgl. Jacobi, HdbDStR I I , S. 262. Z u den Ausführungsverordnungen vgl. noch G. Jellinek, Gesetz u n d Verordnung, S. 378 ff. — Soweit allgemeine V e r waltungsvorschriften Verfahrensregelungen enthalten, über die das Gesetz nichts sagt (vgl. Bettermann , Veröff. V D S t R L , 17, 1959, S. 153), sind sie i n diesem Zusammenhang v o n Maßstab u n d M i t t e l weniger v o n Interesse. 7 Vgl. Abg. Dr. Schmid, Sten. Ber. H A , S. 433; Abg. Dr. Laforet, ebd., S. 436. 8 Selbst Verfahrensregelungen, deren Beachtung ebenfalls beaufsichtigt w i r d u n d die insofern Maßstab der Aufsicht sind, lassen sich i n diesem Sinn zugleich als M i t t e l verstehen.
§ 8: Der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften
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desverwaltung einengende Verwaltungsvorschrift des Bundes immer zugleich den Zweck verfolgt, die Überschreitung der Ermessensgrenzen zu verhindern und sich insofern unzweifelhaft als ein präventives M i t tel der auf die gesetzestreue Ausführung gerichteten Aufsicht ausweist. Inhalt und Zweck der allgemeinen Verwaltungsvorschriften als Ausführungsverordnungen ist aber nicht nur, das Verwaltungsermessen zu binden 10 . Ihre Aufgabe ist auch, eine gesetzliche Regelung i m ganzen sowie allgemeine und unscharfe Rechtsbegriffe i m einzelnen für die Gesetzesausführung erläuternd zu konkretisieren. I n dieser Ausprägung sind sie eine Folge der mit jeder abstrakt begrifflichen Regelung verbundenen Mehrdeutigkeit. Stellt man auf ihren Inhalt ab, so brauchten Verwaltungsvorschriften dieser A r t nicht i n der Form der allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG zu ergehen. Die Bundesregierung ist bereits auf Grund des Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG — also ohne Zustimmung des Bundesrates — berechtigt, den Ländern mitzuteilen, i n welcher Weise nach ihrer Ansicht Bundesgesetze auszuführen sind. Wenn die Bundesregierung gleichwohl sich auch insoweit der allgemeinen Verwaltungsvorschrift nach Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG bedient, so vor allem deshalb, weil sie sich nur so unmittelbar verbindlich an die nachgeordneten Landesbehörden wenden kann 11 » 12 . Hinzu kommt, daß es zwar theoretisch leicht ist, zwischen den nur nach Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG möglichen allgemeinen Ermessensbindungen und der auch nach Art. 84 Abs. 3 GG möglichen präventiven Interpretation von Rechtsbegriffen zu unterscheiden, praktisch aber ist es häufig äußerst schwierig festzustellen, ob eine Ausführungsvorschrift zu einem Ermessensbegriff noch Interpretation des Begriffes selbst, m i t h i n Festlegung der Ermessensgrenze, oder bereits Ausübung des Ermessens bedeutet. Diese interpretativen Verwaltungsvorschriften weisen sich danach unzweideutig als ein präventives M i t t e l der Aufsicht aus. 9 Das ist auch der K e r n der v o n Wittmayer, S. 186 f., angesichts der Grundsatzgesetzgebung wieder aufgegriffenen alten Lehre, Aufsichtsmittel könne auch der Erlaß von Gesetzen sein. Diese Lehre ist allerdings k a u m zutreffend. Die rechtsetzende Einengung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch Grundsatz- oder Rahmengesetze ist sehr verschieden v o n der v e r waltungsmäßigen Einengung des exekutiven Ermessens. 10 Einseitig Röhrs, S. 136 ff. 11 Die v o n der Rechtsprechung sanktionierte Praxis hat sich allerdings an diese Verfassungsrechtslage nicht i m m e r gehalten, vgl. BVerwG, DVB1. 1956, S. 445 f. (446), U r t . v. 26. 1. 1956; DVB1. 1957, S. 321 f. (322), U r t . v. 18. 10. 1956. 12 Die P u b l i k a t i o n sog. Rundschreiben über die Ausführung von Bundesgesetzen i n den Ministerialblättern ist — w i e bereits Röttgen, JöR N F 3, 1954, S. 87 festgestellt hat — allerdings ein geschickter Versuch einer direkten E i n flußnahme; auch sie läßt die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zahlenmäßig zurücktreten, vgl. auch Neunreither, S. 90.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
Es läßt sich allerdings nicht verkennen, daß sowohl die Landesverwaltung wie auch der Bund bei späteren Aufsichtsmaßnahmen auch sie insofern als Maßstab der Aufsicht ansieht, als die Gesetzesausführung an ihnen gemessen wird. I n Wahrheit bleibt aber auch jetzt Maßstab das auszuführende Gesetz selbst, nur daß in der bis zur endgültigen Subsumtion erforderlichen Kette der Konkretisierungen des gesetzlichen Tatbestandsmerkmales die erste Konkretisierung in der bereits vorliegenden Verwaltungsvorschrift gesehen wird 1 3 . Auch vom Standpunkt rechtslogischer Gesetzesanwendung zeigt sich deshalb eindrücklich, daß die Verwaltungsvorschriften in dieser interpretativen Ausprägung nicht Maßstab, sondern M i t t e l der Aufsicht sind, nämlich Mittel zur richtigen Subsumtion des Verwaltungssachverhaltes unter das auszuführende Gesetz14. Der neuralgische Punkt der Lehre, die die allgemeinen Verwaltungsvorschriften als bloßen Maßstab und i n keinem Fall als Mittel der Aufsicht ansieht, ist darin zu sehen, daß nach ihr nur die Maßnahmen M i t tel der Aufsicht sein können, die auf einzelne konkrete Mängel bezogen sind, mögen sie nun einmal oder mehrfach auftreten. Man könnte mit Fug behaupten, es handele sich hier um eine definitorische Einengung, die i m Hinblick auf das Ziel der Aufsicht, das Land i n Übereinstimmung mit dem Bundesrecht zu halten, nicht zu vertreten sei. Warum soll dieses Ziel nur mit einzelnen Verfügungen, Hinweisen i m konkreten Fall und nicht präventiv wie repressiv mit allgemeinen Vorschriften erreicht werden können 15 ? Entscheidend aber ist, daß diese Unterscheidung auch systematisch nicht haltbar ist. Anschütz hat zu der Eigenschaft der Verwaltungsvorschriften als „allgemeine" Vorschriften ausgeführt, dieses Merkmal wolle nicht verhindern, die Verwaltungsvorschriften „beliebig zu spezialisieren" 16 . Die bis ins letzte vorgenommene spezielle, also sachlich begründete, Glie13
Über die Notwendigkeit einer speziellen Fassung des Obersatzes bei der Gesetzesanwendung vgl. Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 2. Aufl., Heidelberg, 1960, S. 13 ff. 14 Über die Folgen fehlerhafter VerwaltungsVorschriften k a n n hier nicht gehandelt werden. Röhrs, insbes. S. 136 ff., läßt die Besonderheit, die sich aus dem Bund-Länder-Verhältnis ergibt, v ö l l i g außer Betracht. 15 Richtig Wittmayer, S. 186, wonach das Aufstellen v o n Grundsätzen ein vorzügliches M i t t e l der Aufsicht bedeutet. — I r r i g Graubaum, S. 72, wonach die allgemeinen Verwaltungsvorschriften deshalb nicht M i t t e l der Aufsicht sein können, w e i l f ü r ihren Erlaß nicht die fehlerhafte Ausführung der Gesetze Voraussetzung sei. Als gäbe es keine präventive Aufsicht! 16 Anschütz, K o m m . A r t . 77, 3, S. 412; ebenso für das geltende Recht v. Mangoldt, A r t . 84 A n m . 3, S. 455; auch Wessel, D V 1949, S. 327. I m einzelnen unten S. 88 f.
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derung führt aber zu einer Regelung, deren Generalität nur i n ihrer äußeren Fassung besteht, sachlich aber nicht größer ist als die des einzelnen Falles 17 . Die abstrakte Fassung einer vollständig spezialisierten Vorschrift führt zwar dazu, daß nicht nur dieser eine Fall so zu behandeln ist, sondern alle gleichliegenden Fälle jetzt und i n Zukunft i n gleicher Weise; das gleiche gilt aber bei der Regelung eines einzelnen Falles wegen der interpretativen Wirkung jeder Subsumtion i n demselben Maße. Auch durch die Regelung eines Einzelfalles w i r d i m Bereich der gesetzesausführenden Verwaltung — von Ermessensentscheidungen abgesehen — der Inhalt des Gesetzes dahingehend festgelegt, daß fortan in diesen Fällen diese Auffassung des Gesetzes Gesetz sein soll. Auch die Verfügung erschöpft, sofern sie der Gesetzesausführung dient und interpretativer A r t ist, ihre Kraft nicht am Einzelfall 18 » 19 . — Ja selbst Ermessensentscheidungen sind nicht frei von einer W i r kung für zukünftige gleichliegende Fälle. — Die soweit nur irgend möglich spezialisierte interpretative allgemeine Verwaltungsvorschrift bildet die Nahtstelle zur Weisung für den Einzelfall und macht deutlich, daß das K r i t e r i u m von allgemeinen Regelungen und solchen, die der Form nach für den speziellen Fall ergehen, kein geeignetes Merkmal der Abgrenzung zwischen M i t t e l und Maßstab der Aufsicht ist. Es wäre auch verfehlt, zwar die interpretativen allgemeinen Verwaltungsvorschriften als Mittel der Aufsicht anzusehen, den ermessensbindenden Verwaltungsvorschriften aber ihre Doppelnatur als Maßstab und Mittel der Aufsicht eben wegen des Merkmals der Allgemeinheit abzusprechen. Auch soweit ermessensbindende allgemeine Verwaltungsvorschriften als Maßstab der Aufsicht anzusehen sind, folgt dieser Charakter nicht daraus, daß sie Bindungen für eine Mehrzahl von Fällen bewirken, sondern daraus, daß sie Bindungen setzen, die bislang noch nicht vorhanden waren. Gerade insoweit besteht aber kein grundsätzlicher Unterschied gegenüber der Einzelweisung, denn auch sie schafft als Ermessensentscheidung eine Bindung und damit einen Maßstab, der bislang nicht vorhanden war — nur vornehmlich i m Blick auf den einen Fall. Auch das Merkmal der Allgemeinheit hindert danach nicht, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften in dem dargelegten Sinn als M i t t e l der Aufsicht anzusehen. 17 Über das Verhältnis rechtlicher Allgemeingültigkeit zu sachlicher D i f ferenzierung vgl. auch Hesse, AöR 77,1951/52, S. 167 f. (176). 18 So aber m i t einer w o h l auf Schulze, Preuß. Staatsrecht I I , S. 206, zurückgehenden Formulierung Anschütz, K o m m . A r t . 179, 3, S. 766. 19 Das ist der richtige K e r n der zu A r t . 7 Ziff. 3 R V v. 1871 geäußerten Ansicht Labands, H i r t h s - A n n a l e n 1873, Sp. 485, wonach sich die Wirksamkeit der Mängelrüge auch auf alle zukünftigen Fälle u n d auch auf andere Einzelstaaten erstrecke.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren I I . Verfassungsrechtliche Voraussetzungen der Zustimmung durch den Bundesrat
Erst die Kennzeichnung der allgemeinen Verwaltungsvorschriften als M i t t e l der Aufsicht schafft die Grundlage zur Entscheidung der Frage, was i m Sinne der Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG unter den Begriff der „ A l l gemeinheit" und der „Bundesregierung" zu verstehen ist. 1. Der Begriff
der Allgemeinheit
Die Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2, 85, Abs. 2 GG sind als „allgemeine" Vorschriften i n einen deutlichen Gegensatz zu den Einzelweisungen des Art. 84 Abs. 5 und den Weisungen des Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG gesetzt 20 . Allgemein heißt danach sicher Allgemeinheit der Form i n dem Sinne, daß die Verwaltungsvorschrift sich begrifflich genereller Merkmale bedienen muß und nicht einen einzelnen Fall direkt regeln darf 2 1 . Darüber hinaus aber läßt sich das Merkmal nicht i m Sinne einer verbotenen sachlichen Differenzierung verstehen. Es trifft allerdings kaum den Kern, den Grund dafür darin zu sehen, daß die Grenze zwischen allgemeinen und speziellen Vorschriften i n diesem Sinne ohnehin nicht gezogen werden könne 22 . Entscheidend ist, daß es gerade der Zweck der allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist, die Kette der zur Ausführung eines Gesetzes bis zum Vollzugsakt rechtslogisch notwendigen Konkretisierungen aufzuzeigen. Ihnen wohnt daher schon ihrer Aufgabe nach die Tendenz inne, so konkret wie möglich zu sein. Freilich rücken die allgemeinen Verwaltungsvorschriften durch die Möglichkeit einer beliebigen sachlichen Spezialisierung dicht an die Einzelweisungen heran 23 . Sie sind von ihnen aber getrennt durch den ausgesprochen konkreten Bezug auf den Einzelfall, dessen Individualität auch durch weitgehend sachlich spezialisierte allgemeine Verwaltungsvorschriften i m voraus nur begrenzt erfaßt werden kann. Zweifelhaft ist dagegen, ob die Verwaltungsvorschriften nur für alle Länder gemeinsam oder auch für einzelne Länder erlassen werden können. 20 Es ist w e n i g glücklich, w e n n f ü r A r t . 85 Abs. 3 G G der alte Gegensatz zwischen allgemeinen Anweisungen u n d allgemeinen Verwaltungsvorschriften wieder aufgegriffen w i r d , so Schäfer, D Ö V 1960, S. 648. Gemeint sind v i e l mehr auch hier Einzelweisungen. Zutreffend Maunz i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 85, Rdnr. 28. 21 Unter der R V v. 1871 Dambitsch, S. 217; unter der W R V Anschütz, A r t . 77, 3, S. 412; unter dem GG Kratzer, Bayer. Staatsanz. 1950, Nr. 13, B I I , S. 5. 22 So Anschütz, A r t . 77, 3, S. 412; auch Schön, AöR N F 6,1924, S. 174 f. 28 Vgl. oben S. 86 f. E i n Formmißbrauch läßt sich n u r aus außerhalb der Entscheidung liegenden Umständen ermitteln, vgl. RGZ 128, S. 165 ff. (169), Beschluß v o m 3. Dezember 1929.
§ 8: Der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften
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Die Streitfrage ist alt. Unter der RV v. 1871 knüpfte man an A r t . 37 Ziff. 2 der Verfassung des Norddeutschen Bundes 24 an und verstand „allgemein" i m Sinne einer Geltung für alle Einzelstaaten 25 . Unter der WRV war die Frage ebenso zweifelhaft wie heute 28 . Soweit die einzelnen Verwaltungsvorschriften nur eine interpretative Konkretisierung der gesetzlichen Regelung darstellen, ergibt sich zwingend, daß sie für alle Länder gemeinsam gelten müssen. Bei gleichem Sachverhalt muß der gleiche rechtslogische Subsumtionsschluß hier so gut wie dort gelten. Rechtlich notwendige Differenzierungen können lediglich i n den i n einzelnen Ländern möglicherweise verschiedenen Sachverhalten ihre Ursache finden und durch eine entsprechende Differenzierung der tatbestandlichen Voraussetzungen auch erreicht werden. Es ist insoweit nicht notwendig, partielle Verwaltungsvorschriften des Bundes zu erlassen — es sei denn, daß das Gesetz selbst partielles Bundesrecht enthält. I m Gegenteil! Sie widersprechen der ratio ihrer verfassungsmäßigen Grundlage, gerade eine einheitliche Verwaltung sicherzustellen. Ähnliches gilt, soweit die Verwaltungsvorschriften eine Bindung des Ermessens enthalten. Soweit i n den einzelnen Ländern gleiche Sachverhalte vorliegen, ist auch das Ermessen der Verwaltung in gleicher Weise zu binden. Soweit dagegen verschiedene Sachverhalte zu regeln sind, ist insofern eine Differenzierung i n den Voraussetzungen, unter denen das Ermessen des Landes eingeengt wird, möglich. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß Situationen i n einzelnen Ländern auftreten können, deren Einmaligkeit außer Frage steht. Auch i n diesen Fällen den Erlaß für alle Länder fordern, hieße geradezu, einen Formmißbrauch verlangen. I m Ergebnis ist daher festzustellen, daß die Geltung der allgemeinen Verwaltungsvorschriften für alle Länder die Regel sein muß, aber nicht zwingend ist 27 . 2. Der Begriff der „Bundesregierung" in Art 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG Auch für die insbesondere zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat streitige Frage, ob unter dem Begriff Bundesregierung i n 24
S. Preuß. GS. 1867, S. 817. Arndt, Verordnungsrecht, S. 92; Hänel, Staatsrecht, S. 288 f. 26 Anschütz, K o m m . A r t . 15, 5, S. 119, vertrat die Ansicht, sie könnten sich auch an einzelne Länder richten; Triepel, Streitigkeiten, S. 85, sah dagegen das „Allgemeine" — zumindest i n A r t . 15 Abs. 2 — i n der Geltung f ü r alle Länder; ebenso Forsthoff, AöR N F 19,1930, S. 79; Hubrich, S. 40. 27 Den Erlaß auch f ü r einzelne Länder halten f ü r zulässig: v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 3, S. 455; Herrfahrdt, B K A r t . 84, I I , 3; Schulte-Frohlinde, S. 48. 25
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG nur das Kollegium (Art. 62) oder auch der einzelne Bundesminister zu verstehen ist 28 , ist es nicht ohne Bedeutung, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften auch als Mittel der Aufsicht anzusehen. Die Gründe, die für die Auffassung sprechen, unter der „Bundesregierung" i n Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG auch den einzelnen Bundesminister zu verstehen, sind von dem Vertreter der Bundesregierung, Dr. Strauß, i n der 79. Sitzung des Bundesrates 20 am 29. Februar 1952 weitgehend dargelegt. A u f sie kann verwiesen werden. Hier gilt es, zwei Einwänden grundsätzlicher A r t zu begegnen: Der erste Einwand resultiert daraus, daß die Aufsicht das Bund-Länder-Verhältnis betrifft; der Erlaß allgemeiner VerwaltungsVorschriften sei — so könnte man meinen — daher per se von so allgemeiner politischer Bedeutung, daß nur die Bundesregierung als Kollegium zuständig sein könne. Diese Ansicht verkennt, daß mit der leitenden Aufsicht in Art. 84 Abs. 2 GG die Schranken zwischen einer Ausführung durch den Bund und einer Ausführung durch die Länder durchbrochen worden sind. Der Bund ist i m Innenverhältnis zwischen Bund und Länder an der Ausführung selbst beteiligt 3 0 . Allgemeine Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen dienen nicht wie die lediglich kontrollierenden Aufsichtsmaßnahmen dazu, das Bund-Länder-Verhältnis zu ordnen, die Länder an ihre Bundespflichten zu erinnern, sie sind vielmehr Teil einer laufenden, wenn auch auf das Innenverhältnis zwischen Bund und Ländern beschränkten Ausführung durch den Bund selbst. Für die laufende Verwaltung ist aber nach Art. 65 S. 2 GG der einzelne Minister zuständig, sofern es sich nicht auch dem Inhalt nach um Regelungen von allgemeiner politischer Bedeutung handelt 31 . Der Auffassung, wonach auch der einzelne Minister zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften zuständig ist, scheint sodann die terminologische Unterscheidung i n Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG einerseits und Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG andererseits entgegenzustehen. Man w i r d nicht fehlgehen, wenn man annimmt, das Grundgesetz habe mit dieser Unterscheidung dem Umstand, daß allgemeinen Vorschriften i n aller 28 I m ersten Sinn Kratzer, D Ö V 1952, S. 231 ff.; ders., D Ö V 1953, S. 172; Holtkotten, B K , A r t . 119, I I , 4 b ; Schäfer, Bundesrat, S. 121 ff.; ders., D Ö V 1960, S. 648; Maunz, Staatsrecht, S. 205; Plaum, DVB1. 1958, S. 453. I m letzteren Sinn v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84 A n m . 3, S. 455; Herrfahrdt, B K A r t . 84, I I , 3; Redeker, D Ö V 1952, S. 235 f., Seifert-Geeb, A r t . 84, S. 152; Schulte-Frohlinde, S. 47 f. Zweifelnd Wessel, D V 1949, S. 327. 29 BR-Sitzungsbericht, S. 69 ff. 30 Vgl. oben S. 80 ff. 31 Vgl. § 15 Abs. 1 Ziff. c GeschOBReg.
§ 8: Der Erlaß allgemeiner Verwaltungsorschriften
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Regel eine größere Bedeutung zukommt als Weisungen für den Einzelfall, Rechnung tragen wollen. Allein es ist wenig sinnvoll, eine erhöhte Bedeutung schon in der bloßen Tatsache zu sehen, daß die allgemeinen Verwaltungsvorschriften von vornherein eine Mehrzahl von gleichen Fällen zu regeln suchen, mögen ihre Gegenstände noch so unbedeutend sein. Nicht nur, daß eine Einzel Weisung, jedenfalls soweit sie interpretativer A r t ist, ebenfalls für alle weiteren Fälle gleicher A r t von Bedeutung ist, unbedeutende Einzelheiten, etwa technische Details, erlangen nicht schon dadurch Bedeutung, daß sie sich öfters wiederholen. Gerade wenn man der Unterscheidung des Art. 85 Abs. 2 und Abs. 3 GG auf den Grund geht, erscheint es danach gerechtfertigt, nur dann den Erlaß der allgemeinen Verwaltungsvorschriften durch das Kollegium für erforderlich zu erachten, wenn es sich um Gegenstände von allgemeiner politischer Bedeutung handelt. Auch die Interessen der Länder werden durch diese Regelung nicht berührt. Sie sind dadurch genügend gewahrt, daß der Bundesrat ein Mitspracherecht hat. Der Bundesrat hat sich gleichwohl auf den entgegengesetzten Standpunkt gestellt und einem Entwurf einer Allgemeinen Verfügung des Bundesministers der Justiz aus diesem Grunde die Zustimmung verweigert 32 . I n dem Verfahren, das daraufhin von der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht worden ist — 2 BVE 2/52 — ist eine Entscheidung nicht ergangen 33 , da ein Einvernehmen darüber erzielt werden konnte, daß es sich nicht um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift, sondern um einen Organisationsakt innerhalb der Bundesverwaltung handele. Die Streitfrage selbst ist offen geblieben. Unzuträglichkeiten werden dadurch vermieden, daß nach Auffassung des Bundesrats durch ein Zustimmungsgesetz nach Art. 84 Abs. 1 GG auch ein einzelner Bundesminister zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften ermächtigt werden kann 3 4 . 32 Vgl. Stellungnahme des BR i n der 79. Sitzung v. 29. 2.1952, B R - S i t zungsbericht, S. 68 ff. (71 f.); Gutachten des Rechtsausschusses des BR, Drucks. 377/52 v. 18. Sept. 52, dazu Beschl. i n der 92. Plenarsitzung v. 26. 9. 1952, BR-Sitzungsbericht, S. 422; Gutachten des BR-Rechtsausschusses, Drucks. 17/53 v. 14. 1. 53; Plenarbeschluß i n der 99. Sitzung v. 30. Jan. 53, B R - S i t zungsbericht, S. 17/18. 33 M i t t e i l u n g des B V e r f G v. 27. A p r i l 1961 sowie des B M J v. 3. J u l i 1961. 34 Vgl. etwa § 17 Abs. 3 des Umsiedlungsgesetzes v. 22. M a i 1952 (BGBl. I , S. 350). — A l l e i n als Verfahrensvorschriften läßt sich allenfalls ein T e i l der allgemeinen Verwaltungsvorschriften ansehen, vgl. Bettermann, Veröff. V D S t R L , 17, 1959, S. 153. Über die Bedenken gegen diese Auslegung des A r t . 84 Abs. 1 GG vgl. auch Kratzer, D Ö V 1952 S. 233; Schäfer, Bundesrat, S. 123; auch Köttgen, D Ö V 1952 S. 424; Maunz i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 84, Rdnr. 17, 18. Z u r Frage der Abgrenzung des A r t . 84 Abs. 1 von A r t . 84 Abs. 2 G G k a n n hier jedoch nicht Stellung genommen werden. — Wenn die
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren I I I . Bedeutung des Zustimmungserfordernisses
Hier wie auch sonst ist die Zustimmung des Bundesrates einmal um deswillen eingeführt worden, weil der Bund nicht ohne das Plazet der Länder oder doch ihrer Mehrheit i n einen Bereich staatlicher Betätigung eingreifen soll, der grundsätzlich ihnen vorbehalten ist 35 . Gerade der Umstand, daß sich der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften als ein Teil der Ausführung selbst erweist, läßt das deutlich werden. Aber die Aufgabe des Bundesrates ist keinesfalls nur negativer A r t ; sie besteht nicht nur darin, den Einfluß des Bundes möglichst abzuwehren 36 . Die M i t w i r k u n g des Bundesrates ist vielmehr ebenso sehr als Pendent für den Einbruch i n den Aufgabenbereich der Länder anzusehen und hat eine wesentlich positive Aufgabe: dem Bund die administrative Erfahrung der Länder nutzbar zu machen 37 . Indem der Bundesrat den i h m von der Bundesregierung vorgelegten Verwaltungsvorschriften nicht nur en bloc zustimmt oder ablehnt, sie vielmehr i m einzelnen seiner K r i t i k unterzieht und u. U. sehr detaillierte Abänderungsvorschläge macht, nimmt er diese Aufgabe zutreffend wahr. I V . Zusammenfassung
Soweit allgemeine Verwaltungsvorschriften das der Verwaltung vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessen einengen, sind sie zwar Maßstab, vom auszuführenden Gesetz und den auf die richtige Ausführung bedachten Aufsichtsorganen her gesehen zugleich aber auch M i t t e l der Aufsicht. Soweit sie lediglich interpretativer A r t sind, sind sie ausschließlich M i t t e l der Aufsicht, auch wenn ihnen infolge ihrer stärkeren Konkretheit tatsächlich die Bedeutung eines Maßstabes zukommt. Die Zustimmung des Bundesrats setzt voraus, daß die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Allgemein sind Verwaltungsvorschriften dann, wenn sie sich nicht auf einen konkreten Fall beziehen, sich m i t h i n genereller Merkmale bedienen. Es muß zwar die Regel sein, ist aber nicht notwendig, daß sie für alle Länder gelten. Bundesregierung i. S. der Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG ist auch der einzelne Bundesminister. Die Aufgabe und Bedeutung der Zustimmung des Bundesrates besteht negativ i n der Abwehr einer nicht erforderlichen Einwirkung Auffassung Schäfers, ebd., „Bundesregierung" sei das Kollegium, richtig wäre, erschiene aber der Versuch, i n A r t . 84 Abs. 2 selbst einen Vorbehalt für den einfachen Gesetzgeber einzubauen, ebenfalls bedenklich. 35 Aus diesem Grunde erstreckt sich das Zustimmungserfordernis auch auf A r t . 85 Abs. 2 S. 2 GG; vgl. Schulte-Frohlinde, S. 48. 36 So Haas, AöR 80,1955/56, S. 84. 37 Vgl. Kern, D Ö V 1951, S. 261.
§ 9: Die Befugnis zum Erlaß von Einzelweisungen
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durch den Bund. Ihre positive Aufgabe besteht darin, dem Bund die Verwaltungserfahrung der Länder nutzbar zu machen. Sie stellt das Pendant 'für den Einbruch des Bundes i n den grundsätzlich den Ländern überlassenen Verwaltungsbereich dar.
§ 9: Die Befugnis zum Erlaß von Einzelweisungen Der Bundesregierung kann durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Befugnis verliehen werden, zur Ausführung von Bundesgesetzen i n besonderen Fällen Einzelweisungen zu erteilen, A r t . 84 Abs. 5 GG 1 . I . Die Einzelweisung als Mittel der leitenden Aufsicht
Die i n A r t . 84 Abs. 5 GG vorgesehenen Einzelweisungen gleichen insofern den allgemeinen Verwaltungsvorschriften, als auch sie dazu dienen, die gesetzgeberischen Entscheidungen i m Einzelfall, sei es interpretativ, sei es durch eine Ermessensentscheidung, zu konkretisieren. Es ist auch bereits hervorgehoben, daß durch eine inhaltlich weitgehend spezialisierte „allgemeine VerwaltungsVorschrift" trotz genereller Fassung annähernd derselbe Effffekt erzielt werden kann wie m i t der Einzelweisung 2 . Auch noch so spezialisierte Verwaltungsvorschriften versagen jedoch gegenüber der unvorhersehbaren Mannigfaltigkeit der Verwaltungspraxis. Nur die Befugnis zu einer Weisung von Fall zu Fall verschafft hier die Möglichkeit der Einflußnahme. Das Recht, i m einzelnen konkreten Fall zu entscheiden, welche Maßnahme der ratio wie dem Buchstaben des Gesetzes am ehesten gerecht wird, ist der eigentlich schöpferische Anteil an der gesetzesausführenden Verwaltung. Wenn deshalb Art. 84 Abs. 5 GG der Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet, durch Einzelweisungen auf solche Entscheidungen einzuwirken, so w i r d ihr damit auch außerhalb eigentlicher Ermessensentscheidungen eine leitende Aufsichtsbefugnis eingeräumt, die i n die Nähe einer durch die bundesstaatlichen Verhältnisse eigenartig modifizierten eigenen Ausführungskompetenz rückt. A r t . 84 Abs. 5 GG sieht deshalb auch für die Begründung dieses Rechtes eine besonders erschwerte Form vor: es kann nur durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, verliehen werden. 1 Vgl. auch A r t . 119 u n d § 34 des BVF-Gesetzes v o m 19. M a i 1953 (BGBl. I, S. 201), i. d. Neufass. v. 14. Aug. 1957 (BGBl. I, S. 1215). Soweit i m vorkonstitutionellen, nach A r t . 128 GG fortgeltenden Recht E i n zelweisungsrechte vorgesehen sind, ist eine M i t w i r k u n g des Bundesrates nicht vorgesehen, so richtig Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 29, weitere Nachweise ebd.
Vgl. oben S. 8 f.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren I I . Verfassungsrechtliche Voraussetzungen der Zustimmung durdi den Bundesrat
1. Bundesgesetz i. S. des Art. 84 Abs. 5 GG Es ist bereits dargelegt, daß die Befugnis, Einzelweisungen zu erlassen, nur erteilt werden kann zur Ausführung solcher Bundesgesetze, die nach außen als unmittelbare Rechtsgrundlage der angewiesenen Vollzugsmaßnahmen i n Frage kommen 3 . Ein Weisungsrecht zur Ausführung von Landesnormen — vornehmlich der polizeilichen Generalklausel — kann der Bund nach A r t . 84 Abs. 5 GG nicht i n Anspruch nehmen. Einem Gesetz, das ein solches Weisungsrecht vorsähe, müßte der Bundesrat die Zustimmung versagen. 2. Die Beschränkung der Weisungsbefugnis auf besondere Fälle Z u Recht ist allgemein anerkannt, daß i n dem Gesetz die „besonderen Fälle" des A r t . 84 Abs. 5 GG tatbestandlich festgelegt sein müssen4. Nur so w i r d ein allgemeines Weisungsrecht, das die Grenze zur Auftragsverwaltung verwischt, verhindert. Man w i r d an die tatbestandliche Fixierung allerdings auch nicht allzu große Anforderungen stellen dürfen. Denn Ausnahmefälle lassen sich i m voraus nur schwer erfassen. I n Gesetzen von inhaltlich beschränkter Regelung w i r d man ein allgemeines Weisungsrecht noch am ehesten für zulässig erachten. Das mochte etwa gelten für § 4 der Umsiedlungsverordnung vom 29. November 1949 (BGBl. I, S. 4)5. Für zulässig w i r d man es auch erachten, wenn der Gesetzgeber das Weisungsrecht auf die Ausführung bestimmter Vorschriften beschränkt, gleichwohl aber auch davon nur die Fälle von grundsätzlicher Bedeutung erfaßt wissen w i l l 6 . 3. Der Erlaß der Weisungen durch die Bundesregierung I n der Literatur w i r d unter der Bundesregierung auch i n Art. 84 Abs. 5 GG das Kollegium (Art. 62) verstanden 7 . Der Gesetzgeber hat 8
Vgl. oben S. 53 ff. I m Ergebnis ebenso Kratzer, Bayer. Staatsanz. 1950, Nr. 13, S. 5; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 5, S. 459; Katzenstein, D Ö V 1958, S. 602. 5 Anders Holtkotten, B K A r t . 119, I I , 4 e. Zulässig deshalb auch § 34 des BVF-Gesetzes i. d. Neufass. v. 14. Aug. 1957 (BGBl. I , S. 1215). 6 Bedenklich w e i t aber § 4 des 1. Überleitungsgesetzes v. 28. Nov. 1950 (BGBl. I, S. 773) i. d. Fassung des 4. Überleitungsgesetzes v. 27. A p r i l 1955 (BGBl. I, S. 189). 7 Holtkotten, B K A r t . 119, I I , 4 b; Zweigert, DVB1. 1958, S. 734; Kratzer, AöR 77, 1952/53, S. 269; Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 27; Köttgen, JöR N F 3, 1954, S. 86; ebenso der Vertreter der Bundesregierung Dr. Strauss i n der 79. Sitzung des Bundesrates v. 29. Februar 1952, BR-Sitzungsbericht, S. 69, D. Neuerdings Maunz i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 84, Rdnr. 37, Fußn. 5. 4
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dieser Auffassung überwiegend Rechnung getragen 8 , allein nicht immer 9 . Besonders dort, wo er eine Einwirkung i n Form einer Genehmigung bzw. eines Einvernehmens vorgesehen hat, ist gelegentlich auch der betreffende Bundesminister für zuständig erklärt worden 10 . Doch ist es fraglich, ob der Gesetzgeber als Rechtsgrundlage dieser Einwirkungen überhaupt Art. 84 Abs. 5 GG angesehen hat. Gegen die Auffassung, nach der i n Art. 84 Abs. 5 GG nur die Bundesregierung als Kollegium gemeint sein soll, sprechen zunächst alle Bedenken, die gegen die gleiche Auslegung i n A r t . 84 Abs. 2 GG sprechen, vor allem also, daß die Weisungen eine A r t eigener Verwaltung des Bundes darstellen, die laufende Verwaltung aber zum Ressort des einzelnen Ministers gehört 11 . Dagegen spricht auch die Parallele zur Bundesauftrags Verwaltung: Soweit die Befugnis, Einzelweisungen zu erlassen, reicht, unterscheidet sich die Ausführung des betreffenden Gesetzes nicht von der i m Auftrag des Bundes. Hier aber erklärt Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG ausdrücklich die obersten Bundesbehörden als weisungsberechtigt. Eine Interpretation, die lediglich auf dem verschiedenen Wortlaut des Art. 84 Abs. 5 GG einerseits und des Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG andererseits fußt, ist methodisch unzulänglich, da sie bei einer vergleichenden Wortinterpretation stehenbleibt, und sachlich verfehlt, da sie gleiches verschieden regelt. Schließlich ist zu bedenken, daß es zwar sinnvoll ist, der Bundesregierung die Rechte nur dort zu gewähren, wo sie notwendig sind, insbesondere durch eine tatbestandliche Umgrenzung eine uferlose Ausdehnung zu verhindern. Darauf zu achten ist die besondere Aufgabe des Bundesrates. Wo aber die Notwendigkeit anerkannt wird, da entspricht es einer falsch verstandenen föderalen Rücksichtnahme, die Ausübung sachwidrig zu erschweren. Der flexibleren Auslegung, wonach die Einzelweisungen nur dann von der Bundesregierung als Kollegium erlas8 Als Beispiele vgl. § 6 des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf e i n zelnen Gebieten der gewerbl. Wirtschaft v. 9. März 1951 (BGBl. I , S. 163); § 16 des Umsiedlungsgesetzes v. 21. M a i 1951 (BGBl. I , S. 350); zuvor § 4 der V O v. 29. Nov. 1949 (BGBl. 1950 I, S. 4); § 4 des Gesetzes über das Paßwesen v o m 4. März 1952 (BGBl. I, S. 290). 9 Vgl. z. B. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 27. J u l i 1957 (BGBl. I, S. 1081), §§ 44 Abs. 2, S. 2,102, Abs. 2—4. 10 Vgl. § 18 Abs. 1 d. M i l c h - u. Fettgesetzes v. 28. Febr. 1951 (BGBl. I , S. 135); § 4 Abs. 2 des 1. Überleitungsgesetzes v. 21. Aug. 1951, i. d. Fassung des 4. Überleitungsgesetzes v. 27. A p r i l 1955 (BGBl. I, S. 189). §§ 44 Abs. 2, 102 Abs. 2—4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (BGBl. I, S. 1081) v. 27. J u l i 1957.
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Vgl. oben S. 89 ff.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
sen werden müssen, wenn sie von allgemeiner politischer Bedeutung sind, ist daher der Vorzug zu geben 12 . 4. Die Genehmigung als gesetzgeberische Modifikation des Weisungsrechtes Strittig ist i n der Literatur, ob die Befugnis zum Erlaß von Einzelweisungen dahingehend modifiziert werden kann, daß für besondere Fälle an Stelle der Einzelweisungen das Recht einer Genehmigung durch die obersten Bundesbehörden tritt. Der Bundesgesetzgeber hat gelegentlich derartige, i m einzelnen noch variierte Formen der Beteiligung an der Ausführung geschaffen 13. Die grundsätzlich gleiche Frage ergab sich i m Rahmen der Bundesauftragsverwaltung i n den Fällen, i n denen der Gesetzgeber das Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3, 108 Abs. 2 GG i n ein Zustimmungsrecht verwandelte 14 . Lägen hier verfassungsrechtliche Modifikationen vor, die weder von Art. 84 Abs. 5 GG noch sonst gedeckt würden 1 5 , so hätte der Bundesrat die Zustimmung zu diesen Gesetzen nicht erteilen dürfen. Die Frage, ob auch Genehmigungen unter den Begriff der Aufsicht fallen, ist alt 1 6 . Begrifflich bestehen keine Bedenken, die Genehmigung als präventive Aufsicht anzusehen17. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die Verfassung sie auch als zulässiges Aufsichtsmittel verstanden wissen w i l l . Die Genehmigung weist als Aufsichtsform Besonderheiten auf. Einmal verpflichtet sie das Land zu einer Selbstanzeige. Die Zulässigkeit dieser Anzeigepflicht ist nicht zweifelsfrei. Als allgemeine Pflicht, den Bund über wichtige oder zweifelhafte Maßnahmen vorher zu unterrich12 So i m Ergebnis auch Krönig , M D R 1952, S. 28 f.; ders., DVB1. 1951, S. 754 f.; Seifert-Geeb, A r t . 84, S. 153. 13 Vgl. § 4 Abs. 2 des 1. Überleitungsgesetzes v. 28. Nov. 1950 (BGBl. I , S. 773); § 18 Abs. 1 S. 3 des M i l c h - u n d Fettgesetzes v. 28. Febr. 1951 (BGBl. I, S. 135); §§ 6, 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde v. 31. März 1952 (BGBl. I, S. 221). 14 Vgl. § 1 Abs. 3 des 2. Finanzverwaltungsgesetzes v. 15. M a i 1952 (BGBl. I, S. 293). 15 So w o h l Köttgen , JöR N F 3, 1954, S. 88, 96; Rohwer-Kahlmann, AöR 79, 1953/54, S. 223, aber ohne die i n A r t . 84 Abs. 5 G G beschlossenen Möglichkeiten ersichtlich i n Betracht zu ziehen. 16 Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 652, A n m . 3, hat sie bejaht. Rosin, S. 103, 116, hat sie verneint — aber n u r w e i l er eine Zweckmäßigkeitsüberprüfung m i t i h r verbunden sah, die er schon begrifflich f ü r die Aufsicht nicht gelten lassen wollte. 17 So auch Triepel, Reichsauf sieht, S. 624; Poetzsch, JöR 13, 1925, S. 43; Schaub, S. 189 ff.
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ten, wäre sie verfassungswidrig. Art. 84 Abs. 5 GG geht jedoch dadurch, daß er der Bundesregierung eine Leitungsgewalt verleiht, mit Bedacht über den Rahmen einer kontrollierenden Aufsicht hinaus. Der Absicht des Verfassungsgesetzgebers, dem Bund i n den Grenzen des Art. 84 Abs. 5 GG weitergehende Einwirkungsmöglichkeiten zu verschaffen, ist auch hier Rechnung zu tragen. Denn soweit dem Bund nur eine kontrollierende Aufsicht eingeräumt worden ist, erscheint eine ständige Überwachung nicht vonnöten. Soweit i h m aber die Leitungsgewalt zusteht, muß er auch dafür Sorge tragen können, daß er laufend i n Kenntnis gesetzt wird. I n eben dem Umfang und unter den Kautelen, unter denen auch die Befugnis zu Einzelweisungen erteilt werden kann, ist daher auch das Recht der ständigen Überwachung zulässig. Die Regelmäßigkeit der Überwachung ist dadurch, daß die Pflicht auf besondere, tatbestandlich umgrenzte Fälle eingeengt wird, i n Grenzen gehalten 18 » 19 . Der wesentlichste Einwand gegenüber der Genehmigung als einer gesetzgeberischen Variante des Weisungsrechtes rührt daher, daß diese Form der Mitsprache des Bundes einem gemeinsamen Vollzug des Gesetzes durch Bund und Länder sehr nahe kommt. Es ist jedoch die Frage, ob nicht trotz der grundsätzlichen Trennung der staatlichen Betätigungen von Bund und Ländern i n den Grenzen des Art. 84 Abs. 5 GG ein derartig kooperatives Handeln vorgesehen werden kann. Art. 84 Abs. 5 GG hat — ebenso wie das Institut der Bundesauftragsverwaltung — die starre Grenzziehung zwischen dem administrativen Bereich des Bundes und der Länder zugunsten einer beweglicheren, den Erfordernissen des modernen Staates angepaßten Regelung durchbrochen. Es kann nicht behauptet werden, daß die Einzelweisung, vor allem wenn sie präventiv erfolgt, die Schranke zwischen den beiden administrativen Bereichen weniger außer acht läßt als die Genehmigung. Die Genehmigung setzt allerdings begrifflich voraus, daß der Ausführungsakt von dem Land selbst geformt wird, während die Einzelweisung sich direkt m i t einem allein vom Bund geformten Ausführungsbefehl an das Land wendet. Daher scheint bezüglich der Trennung der beiden Verwaltungsräume die Einzelweisung die reinere Form darzustellen. Aber der Schein trügt! Entscheidend ist, daß es dem Land i m einen wie i m anderen Fall verwehrt ist, allein i n eigener Regie das Gesetz auszuführen. Die Genehmigung verzahnt die beiden Verwaltungsbereiche nicht mehr als die Einzelweisung. Die Stellung des Landes ist bei der Genehmigung insofern noch stärker, als auch der Bund 18 Deshalb bestehen gegen § 13 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die A u s übung der Zahnheilkunde v. 31. März 1952, (BGBl. I , S. 221), keine Bedenken. 19 Auch eine m i t einem Weisungsrecht verbundene Anzeigepflicht ist danach zulässig, ebenso Köttgen, JöR N F 3,1954, S. 86 f.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
ohne die Zustimmung des Landes die A r t der Ausführung nicht bestimmen kann. Füsslein leitet eben daraus, daß das Weisungsrecht von einem Subordinations-, das Einvernehmen aber von einem Koordinationsverhältnis ausgeht, Bedenken dagegen her, die Genehmigung als mögliche Form des Weisungsrechts anzusehen 20 . — Die Vorstellung, die übergeordnete Stellung des Bundes, die A r t . 84 Abs. 5 GG allerdings zum Ausdruck bringt, könnte nicht i n eine nebengeordnete verwandelt werden, ist jedoch von einer konstruktiven Starre, deren Sinn nicht ersichtlich ist. Dieses Argument läßt vor allem außer acht, daß mit Art. 84 Abs. 5 GG lediglich der Zweck verfolgt wird, dem Bund i n bestimmten Fällen eine für notwendig erachtete Möglichkeit des Eingriffs einzuräumen. Wenn aber der Gesetzgeber das schwächere M i t t e l der Genehmigung für ausreichend erachtet, dann ist nicht einzusehen, weshalb er genötigt sein soll, stets das stärkere M i t t e l der alleinigen Entscheidung anzuwenden 21 . Die Befugnis zur Genehmigung, zum Widerspruch etc. w i r d daher einerseits von A r t . 84 Abs. 5 GG gedeckt, kann andererseits grundsätzlich aber auch nur i n der Form und dem Umfang wie dort vorgesehen erlassen werden. Ob eine allgemeine Ausnahme insoweit gemacht werden muß, als die Auswirkungen der Verwaltung nicht auf das Gebiet eines Landes beschränkt bleiben 22 , ist zunächst eine grundsätzliche Frage der Kompetenzverteilung und bedarf einer differenzierten Lösung. Darauf kann hier nicht eingegangen werden 23 . I I I . Gegenstand der Zustimmung des Bundesrates
Es ist nicht notwendig, aber die Regel, daß die Befugnis der Bundesregierung, Einzelweisungen zu erteilen, bereits i n dem Gesetz enthalten ist, zu dessen Ausführung sie ergehen sollen. Es ist deshalb zu fragen, ob die Zustimmung des Bundesrates lediglich zu der einen Bestimmung, die der Bundesregierung diese Befugnis einräumt, erforderlich ist oder zu dem Gesetz insgesamt: 20
Füsslein , DVB1.1956, S. 3. E i n Beispiel f ü r die Vertauschbarkeit ist § 4 Abs. 2 des 1. Uberleitungsgesetzes v o m 28. Nov. 1950 (BGBl. I , S. 773). I m 4. Überleitungsgesetz v o m 27. A p r i l 1955 (BGBl. I, S. 189) wurde die bis dahin vorgesehene Zustimmung der zuständigen Bundesbehörden durch ein Weisungsrecht der obersten B u n desbehörden ersetzt. 22 Vgl. etwa §§ 8, 18 Abs. 1 S. 3 M i l c h - u n d Fettgesetz v. 28. Febr. 1951 (BGBl. I, S. 135); § 3 des Heimarbeitsgesetzes v o m 14. März 1951 (BGBl. I, S. 191). 23 Vgl. dazu v. Mangoldt , K o m m . A r t . 84, 5, S. 459; Füsslein , DVB1. 1956, S. 3. 21
§ 9: Die Befugnis zum Erlaß von Einzelweisungen
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Die gleiche Frage ist bei der Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG aufgetreten. Sie ist außerordentlich umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat sich der ersten Ansicht angeschlossen, wonach das Zustimmungserfordernis das ganze Gesetz in allen seinen Vorschriften erfaßt 24 . Es kann i n diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die zu Art. 84 Abs. 1 GG ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes i m Ergebnis deshalb zu bejahen ist, weil materielles und Verfahrens-Recht sich nicht trennen lassen, m i t h i n auch i n verschiedenen Gesetzen nicht geregelt werden könnten, ohne daß der Zusammenhang zerstört würde. Die formale Begründung dieser Entscheidung, aus Art. 78 GG ergebe sich, daß „Gesetz" nicht i m Sinne einer einzelnen Norm, sondern als gesetzestechnische Einheit zu verstehen sei, legt jedoch die Befürchtung nahe, daß die Frage für Art. 84 Abs. 5 GG nicht anders entschieden werden würde. Allein es ist äußerst zweifelhaft, ob diese Ansicht zutrifft. I n A r t . 84 Abs. 5 GG ist die Zustimmung deswegen vorgesehen, weil der Bund i n die Ausführung eines Bundesgesetzes eingreift, obwohl sie grundsätzlich den Ländern als eigene Angelegenheit vorbehalten ist. Daraus folgt notwendig, daß die Zustimmung auch nur insoweit erteilt werden muß, als der Eingriff selbst, also das Recht zu Einzelweisungen, i n Frage steht 25 . Dem Bundesrat soll durch Art. 84 Abs. 5 GG in keiner Weise ein Einfluß auf den Inhalt des Gesetzes eingeräumt werden, und zwar auch nicht auf den Inhalt der Normen, zu deren Ausführungen die Einzelweisungen ergehen sollen. Gewiß ist es für die Zustimmung nicht gleichgültig, welchen Inhalt eine Vorschrift hat, die durch eine Weisung ausgeführt werden soll; aber die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 5 GG ist nicht vorgesehen, u m Vorsorge gegenüber einer dem Land vielleicht unerwünschten inhaltlichen Regelung zu treffen. Der Bundesrat könnte auf den Inhalt auch dann keinen Einfluß nehmen, wenn Einzelweisungen zur Ausführung nicht notwendig oder zweckmäßig erschienen. Nur mit der Ausführungsmodalität eines inhaltlich feststehenden Gesetzes w i r d der Bundesrat i m Verfahren nach Art. 84 Abs. 5 GG befaßt. Dagegen kann nicht eingewandt werden, der Bundesrat übernehme mit der Zustimmung die Verantwortung für das ganze Gesetz28. Dieses 24 BVerfGE 8, S. 274 ff. (294 f.), Beschluß v o m 12. Nov. 1958. Vgl. i m ü b r i gen Held, AöR 80,1955/56, S. 57 ff. u n d die i m folgenden Genannten. 25 Insoweit i m Grundsätzlichen überzeugend Schneider, DVB1. 1953, S. 257 ff.; zu der vergleichbaren Frage i n A r t . 59 Abs. 2 GG vgl. Backsmann, DVB1.1956, S. 319. 26 Kutscher, D Ö V 1952, S. 713.
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Argument erweist sich als Zirkelschluß: die Verantwortung des Bundesrates reicht nicht weiter als sein Zustimmungsrecht. Die ganze Unhaltbarkeit der gegenteiligen Auffassung, wonach sich die Zustimmung auch auf die übrigen Vorschriften erstreckt, zeigt sich darin, daß sie zu einem verfassungsrechtlichen Unterschied kommen muß, je nachdem, ob die Befugnis i n eben dem Gesetz enthalten ist, zu dessen Ausführung die Einzelweisungen ergehen sollen, oder in einem davon unterschiedenen Gesetz27. Auch wenn man die strikte Begrenzung der Zustimmung des Bundesrates auf die Befugnis zum Erlaß von Einzelweisungen selbst bejaht, darf allerdings nicht übersehen werden, daß sie i m äußeren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens keinen sichtbaren Niederschlag finden kann: Ruft der Bundesrat den Vermittlungsausschuß nur wegen solcher Bestimmungen an, die nicht seiner Zustimmung bedürfen, so steht es ihm frei, wie immer das Vermittlungsverfahren ausgehen mag, am Ende noch seine Zustimmung zu der Befugnis zum Erlaß von Einzelweisungen zu verweigern. Denn einmal läßt sich möglicherweise erst nach Abschluß des Vermittlungsverfahrens feststellen, ob und inwieweit Einzelweisungen zur Ausführung notwendig sind, zum andern ist der Bundesrat, soweit es die zustimmungsbedürftigen Vorschriften betrifft, nicht gezwungen, den Vermittlungsausschuß anzurufen, er kann also nicht dadurch seiner Rechte verlustig gehen, daß er ihn wegen anderer Vorschriften anruft 2 8 . Da aber der Bundesrat auch nicht veranlaßt werden kann, die wahren Gründe seiner Entscheidung offen mitzuteilen, hat er praktisch i n dem Zustimmungsrecht ein M i t t e l i n der Hand, auf die übrigen inhaltlichen Vorschriften einzuwirken. Diese Einwirkungsmöglichkeit ist u m so größer, als die Verweigerung der Zustimmung nicht nur die Befugnis zum Erlaß von Einzelweisungen, sondern — letzten Endes aus verfahrenstechnischen Gründen — das Gesetz insgesamt zu Fall bringt. Für den Bundestag, der sowohl über den Inhalt als auch über die Ausführung nach Weisung des Bundes zu entscheiden hat, ist das Gesetz eine Einheit 2 9 . Diese Einheit der gesetzlichen 27 Widersprüchlich i n sich deshalb auch Haas, AöR 80, 1955/56, S. 85, w e n n er dem Bundesrat das Recht zugesteht, die Z u s t i m m u n g zu den zustimmungsbedürftigen Vorschriften zu benutzen, u m auf die an sich nicht zustimmungsbedürftigen einen Einfluß zu gewinnen. 28 I m einzelnen m i t weiteren überzeugenden Gründen Wessel, AöR 77, 1951/52, S. 310 ff. 29 Das spricht nicht gegen die Ansicht, den Bundesrat auf die Z u s t i m m u n g zum Erlaß v o n Einzelweisungen zu beschränken. Denn daß f ü r den Bundestag I n h a l t u n d Ausführung eine Einheit bilden, sagt nichts dagegen, dem Bundesrat n u r die Frage vorzulegen, ob er bei dem i h m vorgegebenen I n h a l t des Gesetzes Einzelweisungen f ü r notwendig erachtet u n d der Befugnis daher zustimmen w i l l .
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Regelung verbietet es, für den Fall, daß der Bundesrat die Zustimmung verweigert, das Gesetz einfach ohne die Befugnis, Einzelweisungen zu erteilen, auszufertigen und zu verkünden 30 . Die Vorschriften des Grundgesetzes über das Gesetzgebungsverfahren sehen aber weder vor noch nach dem Vermittlungsverfahren des A r t . 77 Abs. 2 eine Möglichkeit vor, daß der Bundestag i n einer vierten Lesung i n eine erneute Debatte über die Annahme des Gesetzes ohne die Befugnis zu Einzelweisungen oder eine anderweitige Änderung eintritt. Diese mehr verfahrenstechnischen Schwierigkeiten führen dazu, daß trotz der Begrenzung des Zustimmungsrechtes das ganze Gesetz nicht zustande kommt, wenn der Bundesrat die Zustimmung zu den einzelnen Vorschriften, die das Weisungsrecht betreffen, verweigert. Angesichts dieses Ergebnisses liegt es nahe zu fragen, welche Bedeutung der Begrenzung des Zustimmungserfordernisses noch beizumessen ist. Einmal w i r d allein die hier vorgetragene Ansicht dem Sinn des Art. 84 Abs. 5 GG gerecht, der ausschließlich die Ausführung des Gesetzes und nicht die inhaltliche Bestimmung i m Auge hat. Sie vermeidet den Widerspruch, für den Fall, daß die Verleihung der Befugnis in dem auszuführenden Gesetz selbst vorgesehen ist, die Zustimmung auf die inhaltliche Regelung zu erstrecken, für den Fall dagegen, daß sie in einem besonderen Gesetz enthalten ist, nur die eine Vorschrift der Zustimmung zu unterwerfen. Zum andern zeigen die Darlegungen nicht nur, daß es ratsam ist, die Befugnis i n einem besonderen Gesetz zu verleihen, sie machen vielmehr deutlich, daß damit dem eigentlichen Sinn des Art. 84 Abs. 5 GG Rechnung getragen und nicht etwa die Rechte des Bundesrates umgangen werden würden 3 1 . Nicht die Bundesregierung würde sich i n einem solchen Fall einer Verfassungsverletzung schuldig machen, sondern der Bundesrat, wenn er darauf mit einer grundsätzlichen Verweigerung der Zustimmung reagierte. Endlich aber zeigt sich, daß jedes Änderungsgesetz, welches das Recht zu Einzelweisungen nicht selbst betrifft, nicht der Zustimmung bedarf 3 2 . Werden jedoch Vorschriften geändert, zu deren Ausführung Einzelweisungen bislang ergehen konnten, oder Vorschriften, welche die 30 So Schneider, DVB1. 1953, S. 261 r. Sp.; gegen Schneiders Vorstellung einer analogen Behandlung zur Teilnichtigkeit zutreffend Haas, AöR 80, 1955/56, S. 85, insbesondere Fußn. 13. 31 So Kutscher, D Ö V 1952, S. 713, r. Sp. 32 Spätestens hier sehen sich auch die Vertreter der gegenteiligen Auffassungen genötigt, zwischen „ a n sich zustimmungsfreien" u n d „zustimmungsbedürftigen" Vorschriften zu unterscheiden, schon u m der Konsequenz zu entgehen, auch solche Gesetze, die n u r mittelbare A u s w i r k u n g e n auf irgendwelche Vorschriften i n derartigen Gesetzen haben, als zustimmungsbedürft i g anzusehen; vgl. Kratzer, AöR 77,1951/52, S. 269.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
Einzelweisungen nach Inhalt, Zeit oder Gelegenheit beeinträchtigen, so w i r d die alte Zustimmung hinfällig und es bedarf einer erneuten gesetzlichen Ermächtigung mit Zustimmung des Bundesrates. Es besteht danach Grund genug, auch wegen der praktischen Folgen die Beschränkung der Zustimmung des Bundesrates auf jene einzelnen Vorschriften, die das Weisungsrecht selbst betreffen, deutlich herauszustellen. I V . Bedeutung der Zustimmung des Bundesrates
Streng genommen bedeutet die Zustimmung des Bundesrates nicht eine Beteiligung an der Bundesaufsicht selbst, sondern an einem legislativen Akt, der der Bundesregierung ausnahmsweise besondere Aufsichtsbefugnisse beimißt 8 3 . Daraus ergibt sich auch eine andere Bedeutung der Zustimmung als etwa i m Rahmen des Art. 84 Abs. 2 GG. M i t der Zustimmung nach A r t . 84 Abs. 5 GG ist weder eine Einflußnahme auf die Gestaltung des auszuführenden Gesetzes noch auf die Ausführung selbst verbunden. Die Verwaltungserfahrung des Bundesrates ist nur insofern von Bedeutung, als er zu entscheiden hat, ob ein Weisungsrecht des Bundes erforderlich erscheint. Seine Aufgabe ist hier daher vorwiegend als eine Vorkehrung gegenüber einem zu weitgehenden Gebrauch dieser Einwirkungsbefugnis i n den Landesbereich zu verstehen. V. Zusammenfassung
Wie der Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften, so bedeutet auch die Befugnis, Einzelweisungen zu erteilen, eine begrenzte Leitungsbefugnis der Ausführung. Sie darf nur zur Ausführung solcher Gesetze vorgesehen werden, die als Rechtsgrundlage der Ausführungsmaßnahme dienen. Die „besonderen Fälle", in denen eine Weisung zulässig sein soll, müssen tatbestandlich umgrenzt sein. Die Befugnis, Einzelweisungen zu erlassen, kann auch einem einzelnen Bundesminister eingeräumt werden. Statt des Weisungsrechts kann der Bundesregierung i n den Grenzen und unter den Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 5 GG auch das Recht der Genehmigung oder des Widerrufes eingeräumt werden. Die Befugnis zu dem Erlaß von Einzelweisungen kann sowohl i n dem Gesetz enthalten sein, zu dessen Ausführung die Weisungen ergehen sollen, wie auch i n einem besonderen Gesetz. I n beiden Fällen erstreckt sich das Recht der Zustimmung nur darauf, ob der Erlaß von Einzelweisungen erlaubt sein soll. Allerdings bringt die Verweigerung der Zustimmung das Gesetz insgesamt zu Fall. 33
Ähnliches g i l t f ü r A r t . 87 b Abs. 2 S. 2 GG.
§ 10: Entsendung von Beauftragten zu nachgeordneten Landesbehörden
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Die Bedeutung der Zustimmung erschöpft sich i m wesentlichen i n einer Abwehr gegenüber einem zu weitgehenden und unnötigen Gebrauch dieses Eingriffs i n das grundsätzlich den Ländern zustehende eigenverantwortliche Ausführungsrecht.
§ 10: D i e Entsendung von Beauftragten zu den nachgeordneten Landesbehörden
Ein wirksames Mittel, sich die Kenntnis von bestimmten Vorgängen i m Bereich der Landesverwaltung zu verschaffen, ist das Recht der Bundesregierung, zu diesem Zweck Beauftragte zu den Landesbehörden zu entsenden. Art. 84 Abs. 3 S. 2 GG hebt es ausdrücklich hervor. Es entspricht dem Grundsatz, daß die Aufsicht des Bundes über die Länder als Oberaufsicht zu führen ist, daß auch die Beauftragten grundsätzlich zu den obersten Landesbehörden zu entsenden sind 1 . Der Parlamentarische Rat war der Ansicht, die Begrenzung der Aufsicht auf eine Oberaufsicht bedeute insofern eine Gefahr für ihre Wirksamkeit, als der Bund damit auf das Wohlwollen der obersten Landesbehörden angewiesen sei, eine bestimmte Angelegenheit im Bereich der unteren Landesbehörden zu untersuchen und darüber die nötigen Auskünfte zu erteilen 2 . Diese Befürchtung lag insofern nahe, als es zunächst Sache der Bundesregierung ist, den Vorgang aufzuklären. Der Bundesrat besitzt keine eigene Beobachtungs- und Untersuchungskompetenz. Seine Rechte beginnen erst dort, wo die Aufsichtsbefugnisse der Bundesregierung enden. Gleichwohl war die Ansicht, ohne diese Vorschrift sei die Effektivität der Aufsicht gefährdet, kaum begründet. Die Unterwerfung der Länder unter die Aufsicht des Bundes begründet für die Länder die Pflicht, dem Bund die zur Ausübung seiner Aufsichtskompetenz notwendigen Auskünfte zu erteilen. Kommen die Länder dieser Pflicht nicht nach, klären die obersten Landesbehörden Vorgänge bei den unteren Landesbehörden nicht auf und teilen sie nicht wahrheitsgetreu und vollständig der Bundesregierung mit, so 1 U n t e r der R V v. 1871 w u r d e vielfach eine Entsendung v o n Beauftragten zu den nachgeordneten Behörden ohne V e r m i t t l u n g des Einzelstaats f ü r zulässig erachtet. Vgl. Vonficht, S. 18; Kiefer, S. 53; auch sonst wurde der Grundsatz vielfältig durchbrochen, vgl. Triepel, Reichsauf sieht, S. 298 ff. 2 S. die Äußerungen der Abg. Dr. Menzel u n d Dr. Schmid, Sten.Ber.HA, S. 433 ff., allerdings m i t Bezug auf eine zunächst angenommene Beweislast des Bundes i m verfassungsgerichtlichen Verfahren. Die gleiche Forderung wurde bereits i n der Weimarer Nationalversammlung von dem Berichterstatter D. Dr. Kahl gestellt, Berichte u. Protokolle des 8. Ausschusses, S. 83.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
kann die Bundesregierung die Erfüllung dieser Pflicht i m Wege des Bundeszwanges erzwingen, indem sie sich durch Entsendung von Beauftragten zu den unteren Landesbehörden die Kenntnis selbst verschafft 3. Die Bundesregierung wäre damit auf keinen anderen Weg verwiesen als auf den, den sie auch dann beschreiten muß, wenn eine oberste Landesbehörde einer anderen Auskunftspflicht, etwa der, eine bestimmte Akte vorzulegen, nicht nachkommt. Bei andauernder Renitenz, etwa bei einer durch die obersten Landesbehörden veranlaßten Weigerung der Auskunftserteilung oder der Akteneinsicht durch die unteren Landesbehörden, ist die Bundesregierung letzten Endes ohneh i n genötigt, zum Bundeszwang zu greifen. Soweit deshalb die Entsendung von Beauftragten zu den unteren Landesbehörden angeordnet wird, u m der Bundesregierung die Kenntnisse zu verschaffen, die ihr auch die obersten Landesbehörden hätten geben können, aber nicht gegeben haben, ist das Verfahren eine spezielle Form des Bundeszwanges. Gleichwohl ist die besondere Regelung i n Art. 84 Abs. 3 S. 2 GG zu begrüßen. Sie trägt der Bedeutung des Art. 37 GG Rechnung, der für schwerwiegendere Störungen gedacht ist. Der Bund würde sich vielfach scheuen, bereits i m Vorfeld der Aufsichtsmaßnahmen auf den Bundeszwang selbst zurückzugreifen. Die Frage liegt nahe, ob die Entsendung von Beauftragten zu den unteren Landesbehörden gegen den Willen der obersten Landesbehörden nur bei Verletzung der Aufklärungs- und Auskunftspflicht oder jederzeit erlaubt ist. Die Vorschrift hat nicht den Sinn, den Bund in die Lage zu versetzen, die Oberaufsicht allgemein zugunsten einer unmittelbaren Aufsicht durchbrechen zu können. Sie soll lediglich die Effektivität der Aufsichtskompetenz sichern. Sofern daher die Bundesregierung die nötigen Auskünfte auch von den obersten Landesbehörden erhalten kann, ist es i h r nicht erlaubt, sie sich durch Entsendung von Beauftragten zu den unteren Landesbehörden zu verschaffen 4. A u f der anderen Seite liegt es i m Zweck der Vorschrift, dieses Recht der Bundesregierung nicht nur dann zuzugestehen, wenn das Land tatsächlich eine Auskunftspflicht verletzt hat, sondern schon, wenn die begründete Befürchtung besteht, die gegebene Auskunft sei unvollkommen oder unrichtig. Auch w i r d man es ihr i n den Fällen zubilligen müssen, i n denen infolge besonderer Umstände nur die unmittelbare Kenntnisnahme der Vorgänge an Ort und Stelle ein zutreffendes B i l d ergibt. I n diesen tatbestandlichen Voraussetzungen geht das der Bun8
Vgl. Triepel, Reichsaufsicht, S. 669; Richter , S. 53. Bereits Triepel, Reichsaufsicht, S. 626, hat die Ansicht vertreten, daß andere u n d schärfere Aufsichtsmittel verboten seien, w e n n A u s k u n f t auf A n frage genüge. 4
§ 11: Der Beschluß des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 4 GG
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desregierung in Art. 84 Abs. 3 S. 2 GG verliehene Recht über die Möglichkeit hinaus, die ihr auch der Bundeszwang liefern würde. Praktisch w i r d man es daher dem pflichtgemäßen Ermessen von Bundesregierung und Bundesrat überlassen müssen, wann sie die Entsendung von Beauftragten zu den nachgeordneten Behörden gegen den Willen der betreffenden obersten Landesbehörde für notwendig erachten. Es ist zu erwarten, daß der Bundesrat seine Zustimmung nur zurückhaltend erteilen wird, um unnötige Eingriffe zu vermeiden. Ebenso wichtig ist jedoch, die Wirksamkeit der Aufsicht nicht zu beeinträchtigen. Gedacht ist die Beteiligung des Bundesrates als ein ausgleichender Faktor i m Spannungsfeld zwischen Bund und Ländern und keineswegs als eine einseitig verstandene Interessenvertretung der Länder. § 1 1 : D e r Beschluß des Bundesrates nach A r t . 84 Abs. 4 G G
Das Schwergewicht der M i t w i r k u n g des Bundesrates i m Verfahren der Bundesaufsicht liegt in der Entscheidung, ob ein Land Bundesgesetze bundesrechtswidrig ausgeführt hat, Art. 84 Abs. 4 GG. Diese Entscheidung ist nur vorgesehen, soweit die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen 1 . I. Die Mängelrüge als Vorverfahren
Die Entscheidung des Bundesrates ergeht nur auf Antrag der Bundesregierung oder der Regierung des betreffenden Landes 2 . W i r d der A n trag von der Bundesregierung gestellt, so muß sie zuvor die Mängelrüge erhoben haben. Es wäre ein der Bundestreuepflicht widersprechendes Verhalten, das Land m i t einem Verfahren vor dem Bundesrat zu überfallen und dadurch einen Mangel möglicherweise unnötig aufzubauschen. Zweifelhafter erscheint, ob auch der Antrag durch das betreffende Land nicht eher gestellt werden kann, als bis die Bundesregierung die Mängelrüge erhoben hat. Unter der RV v. 1871 entsprach es Praxis und Lehre 3 , daß ein Einzelstaat ein Aufsichtsverfahren unmittelbar vor dem Bundesrat gegen sich selbst anhängig machen konnte. Das Bemühen, sich vorher zu vergewissern, ob ein bestimmter Staatsakt, vor allem ein Gesetz, beanstandet werden würde, lag nahe, da der Bundesrat das letztlich entscheidende Organ i m Aufsichtsverfahren war. 1 Ob diese Beschränkung sinnvoll ist, k a n n m i t Fug bezweifelt werden. Die Situation ist k a u m anders, w e n n die Landesbehörden die Weisungen bei der Bundesauftragsverwaltung nicht befolgen. 2 Anders unter der R V v. 1871, w o der Bundesrat auch aus eigener I n i t i a tive — auf A n t r a g irgendeines Bundesgliedes h i n — tätig werden konnte. Vgl. Triepel, Reichsaufsicht, S. 528 u n d 651 f.; Wunder, S. 71 f. 3 Vgl. Triepel, Reichsaufsicht, S. 653.
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Drittes Kapitel: Das Aufsichtsverfahren
Dieses Entscheidungsrecht ließ den Bundesrat zum bedeutendsten Träger der Aufsichtskompetenz werden. Daraus erklärt sich, daß der Bundesrat auch ohne vorausgegangene Mängelrüge durch den Kaiser über die Frage, ob eine Rechtsverletzung vorlag, entscheiden konnte. Eine ganz andere Stellung und Aufgabe hat der Bundesrat heute. Er ist zwar am Aufsichtsverfahren beteiligt, aber nicht eigentlich Träger der Aufsichtskompetenz, nicht einmal neben der Bundesregierung. Träger der Aufsichtskompetenz ist die Bundesregierung. Sie allein ist der eigentliche Widerpart des Landes i n Aufsichtsstreitigkeiten. I n ihrer Hand muß danach auch Beginn und Fortgang des Aufsichtsverfahrens Dieses Entscheidungsrecht ließ den Bundesrat zum bedeutendsten Träger der Aufsichtskompetenz werden. Daraus erklärt sich, daß der Bunliegen. Nur so w i r d für die Bundesregierung die Gefahr vermieden, bei jeder vorerst noch rein beobachtenden Maßnahme ganz gegen ihren Willen einem Verfahren vor dem Bundesrat ausgesetzt zu werden und bei ungünstigem Ausgang einen Prestigeverlust zu erleiden. Wenn also der Art. 84 Abs. 4 S. 1 GG von Mängeln spricht, die „die Bundesregierung . . . festgestellt hat", so ist unter dieser Feststellung weder die Äußerung des Verdachtes noch die Stellungnahme des zunächst zuständigen Ministers zu verstehen. Gemeint ist vielmehr, daß i n jedem Fall die von der Bundesregierung als Kollegialorgan beschlossene Mängelrüge erhoben worden sein muß. Sofern das nicht der Fall ist, muß der Bundesrat den Antrag aus formellen Gründen zurückweisen. I L Art und Aufgabe des Feststellungsverfahrens nach Art. 84 Abs. 4 G G
I n der Literatur w i r d das Verfahren nach Art. 84 Abs. 4 GG als ein gerichtliches Verfahren 4 vor einer letztinstanzlichen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht angesehen. Aus eben diesem Grunde w i r d für die Bundesratsmitglieder i n diesem Verfahren die Freiheit von Weisungen entgegen Art. 51 Abs. 3 S. 2 GG verlangt 5 . Der Wortlaut des A r t . 84 Abs. 4 GG, der den Bundesrat auf eine reine Rechtsentscheidung verpflichtet, legt diese Ansicht nahe. Gleichwohl lassen sich gegen die Charakterisierung als richterliches Verfahren schon aus der Ausgestaltung dieses Verfahrens eine Reihe von Einwendungen erheben: Selbst wenn man von einem Verbot an die Landesregierungen, Weisungen i n diesem Verfahren zu erteilen, ausginge, stände die für ein 4
So nachdrücklich Scupin , B K vor A r t . 50, 3. v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84 A n m . 4, S. 458; Giese, K o m m . A r t . 84, I I , 8, S. 138; s. auch Lechner , K o m m , zum BVerfGG, § 70; Haas, S. 33 (aber unklar). Folgerichtig sieht Graubaum, S. 70, i n der Zuständigkeit des Bundesrates eine Entgleisung der sonst auf „Rechtsstaatlichkeit" bedachten Verfassung. 5
§ 11: Der Beschluß des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 4 GG
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richterliches Verfahren unerläßliche Unabhängigkeit auf schwachen Füßen. Dazu sind die Mitglieder des Bundesrates i n ihrer Stellung als Mitglieder der Landesregierung zu stark politisch engagiert 6 . Zwar hat sich i m Bundesrat nicht eine gleich starke parteipolitische Gliederung ergeben wie i m Bundestag, aber i n Angelegenheiten von eminent politischer Bedeutung ist eine gewisse Ausrichtung, zumindest aber eine vorsichtige Zurückhaltung zugunsten der Bundespolitik der betreffenden Partei kaum zu vermeiden, selbst wenn dabei föderale Interessen berührt werden 7 . Selbst aus administrativen Angelegenheiten kann aber ein derartiges Politikum entstehen. Nicht selten ist der Bundesrat bereits i m Gesetzgebungsverfahren mit der Norm befaßt gewesen, deren Ausführung jetzt fraglich erscheint. Allzu leicht könnte die richterliche Objektivität dadurch beeinträchtigt sein, daß die jetzigen Rechtsfragen mit den politischen Fragen von einst verquickt werden. Ebenso wichtig ist, daß dem Bundesrat die für ein richterliches Verfahren i n Verfassungsstreitigkeiten unerläßliche Sachaufklärungsbefugnis fehlt. Der Bundesrat ist auf den Vortrag der Parteien angewiesen. I h m stehen keinerlei Ermittlungsrechte, keine prozessualen Befugnisse, etwa das Recht der Zeugenvernehmung, der Vereidigung etc. zur Verfügung. Die Offizialmaxime und der Grundsatz der materiellen Wahrheitserforschung sind aber Essentiale eines Verfassungsstreitverfahrens 8 , i n dem letzten Endes nicht um das Interesse der Parteien, sondern um das Interesse des Staatsganzen gestritten wird 9 . Entbehrt sonach das richterlichen Verfahren müssen, so ist erst recht besondere Aufgabe des scheidung zu treffen.
Verfahren selbst der Kautelen, die i n einem i n Verfassungsstreitigkeiten vorhanden sein zu fragen, ob es sinnvollerweise überhaupt die Bundesrates sein kann, eine richterliche Ent-
Eine eigenständige Aufgabe kann die Entscheidung des Bundesrates nur dann erfüllen, wenn ihr eine Aufgabe zugewiesen wird, die von der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht erfüllt werden kann. Ein Teil der Literatur sieht diese Aufgabe darin, als schlichtende, möglichst einen Kompromiß vermittelnde Instanz vor der letzten Möglichkeit, der 6 Über die Bedeutung richterlicher Unabhängigkeit Bockelmann, Richter u n d Gesetz, S. 23 ff. (33). 7 Vgl. Scheuner, Erfolge u n d Schwächen, Schweizer Monatshefte, 39, 1959/ 60, S. 729 f.; aber auch W. Weber, Bewährung, S. 18. 8 Zutreffend Leibholz, JöR, N F 6, 1957, S. 123; anders aber Abg. Dr. Menzel, Sten.Ber.HA, S. 435. 9 Die Bedeutung der eigenen Sachaufklärungsbefugnis ist i n dem Prozeß Preußens gegen das Reich v o r dem S t G H i m Okt. 1932 deutlich geworden. I h r e Notwendigkeit w i r d i n dem U r t e i l des S t G H v. 25. Okt. 1932, i n „Preußen contra Reich", S. 511, ausdrücklich hervorgehoben.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht, tätig zu sein. Gerade diese Auffassung dient ihr dazu, den Umfang der Aufsichtskompetenz so weit wie nur irgend möglich zu spannen 10 . Die Auffassung ist jedoch so allgemein zweifelhaft. Sie kann auf zweierlei Vorstellungen beruhen: entweder man nimmt an, es sei die Pflicht des Bundesrates, auf einen Kompromiß hin zu arbeiten, bevor er den i n Art. 84 Abs. 4 GG vorgesehenen Beschluß faßt, oder aber man verlangt, der Beschluß selbst habe den Kompromißvorschlag zu enthalten, also eine vermittelnde Rolle zu spielen. Die erste Ansicht würde von dem Bundesrat alle nur erdenklichen Anstrengungen verlangen, um seinen eigenen Beschluß unnötig zu machen. Ziel müßte sein, den Antragsteller auf Grund eines Kompromisses zu veranlassen, seinen Antrag zurückzunehmen. Denn da wirkliche Kompromisse die Rechtsfrage offenlassen, wäre es ein Unding, wenn der Bundesrat den gerade gefundenen Kompromiß mit der wirklichen Rechtslage konfrontieren sollte. Es mag bezweifelt werden, ob das Verfahren vor dem Bundesrat geeignet ist, die u. U. sehr mühsame und m i t viel Geduld zu bewältigende Aufgabe, einen Kompromiß zu finden, zu bewältigen. Selbst wenn man nur eine Anregung erhoffte, wäre es fraglich, ob mehr zu erreichen wäre, als außerhalb des Verfahrens möglich war und wozu die Parteien ohnehin willens waren. Aber ganz davon abgesehen sagt Art. 84 Abs. 4 GG, der Bundesrat habe Beschluß zu fassen und nicht — um es überspitzt zu sagen — der Bundesrat habe dafür zu sorgen, daß er keinen Beschluß zu fassen brauche. Wenn schon ein Einlenken der streitenden Parteien mit dem Verfahren nach A r t . 84 Abs. 4 GG erstrebt ist, so soll es nicht vor dem — dann nicht ergehenden — Spruch, sondern auf Grund des ergangenen Spruches erreicht werden. Die zweite Annahme, der Beschluß des Bundesrates habe selbst den Kompromiß zu enthalten, verlangt aber geradezu etwas rechtlich Unmögliches: A r t . 84 Abs. 4 GG verlangt vom Bundesrat, festzustellen, ob das Land das Recht verletzt hat. Es ist bereits darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit der verfassungsgerichtlichen Kontrolle des Bundesratsbeschlusses die Begrenzung auf ausschließlich rechtliche Kriterien als Maßstab der Beurteilung erzwingt 11 . Der Beschluß selbst kann demnach keinen Kompromißcharakter i n dem Sinne tragen, daß er die wirkliche Rechtslage offenläßt. I n einer schlichtenden Tätigkeit i n diesem Sinne kann danach die Aufgabe des Bundesrates nicht bestehen. 10 Schneider , Gutachten, S. 1043; Bullinger , auch Krüger , Gutachten, S. 1080, Fußn. 70.
11
Vgl. oben S. 29 ff.
AöR 83, 1958, S. 306 f.; vgl.
§ 11: Der Beschluß des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 4 GG
109
Die wirkliche Aufgabe w i r d nur richtig erfaßt, wenn man sich vergegenwärtigt, welche besonderen Schwierigkeiten der Aufsicht über die Verwaltung gegenwärtig erwachsen. Eine Aufsicht über die Verwaltung kann ohne eine genaue Kenntnis der soziologischen Verhältnisse einerseits und einer genauen Übersicht über die Erfahrungen und Auswirkungen, die bei der Ausführung eines Gesetzes gemacht worden sind, andererseits nicht wirksam geübt werden. Denn einmal fordert das Ziel der Aufsicht, zugleich mit der rechtmäßigen die einheitliche Gesetzesausführung i n den Ländern zu gewährleisten, einen genauen Einblick i n die Praxis, zum andern läßt sich die Frage, wie das Gesetz anzuwenden ist, erst an Hand der praktischen Erfahrungen vollständig beurteilen. Unter der RV v. 1871 war das Aufsichtsrecht häufig derart organisatorisch ausgestaltet, daß ständige, den Landesbehörden beigeordnete Aufsichtsbeamte bestimmte einzelne Landesverwaltungsangelegenheiten zu überwachen hatten 12 . A u f diese Weise ließ sich eine allgemeine Übersicht über die Ausführungen der betreffenden Bundesgesetze i n den Ländern erzielen. Das Grundgesetz kennt die Einrichtung ständiger Aufsichtsbeamter nicht, erlaubt sie auch nicht. Dabei ist die Schwierigkeit, die richtige Ausführung eines Gesetzes zu gewährleisten, nach gestiegen. Der Gesetzgeber sieht sich allenthalben vor die Aufgabe gestellt, Sozialverhältnisse zu regeln, deren durchdringende Analyse fehlt. Schon das bringt für die Vorhersehbarkeit der Auswirkungen eines Gesetzes ein großes Moment der Unsicherheit mit sich 13 . Hinzu kommt, daß die Kompliziertheit der Materie ebenfalls nicht selten die Auswirkungen der Gesetze nur i n Umrissen vorhersehbar sein läßt 14 . Insoweit verlagert sich — i n Übereinstimmung mit der gegenwärtigen Bedeutung der Verordnungsbefugnis 15 — notwendig das Schwergewicht der Entscheidung auf die ausführende Exekutive. Berücksichtigt man diese Schwierigkeiten, die der Aufsicht entgegenstehen, so rückt die Beteiligung des Bundesrates ins rechte Licht: Der Bundesrat zeichnet sich dadurch aus, daß seine Mitglieder — wie auch die qualifizierten Beamten i n den Bundesratsausschüssen — insgesamt über eine große, mit ihrer politischen Tätigkeit Hand i n Hand gehende administrative Erfahrung verfügen 18 . Wie kein anderes Organ hat der 12
Vgl. dazu Vonficht, S. 18 ff. Vgl. Drath, Gewaltenteilung, S. 132. 14 E i n bemerkenswerter gesetzgeberischer Niederschlag dieser Situation findet sich i n § 1 Abs. 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes v. 5. Nov. 1957 (BGBl. I, S. 1747). 15 S. schon Hellpach, Neue Rundschau, 1927 I I , S. 1 ff., bes. S. 5. 16 Vgl. auch Lechner, DÖV1952, S. 421, r. Sp. 13
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
Bundesrat die Möglichkeit, die Erfahrungen, die bei der Ausführung eines Bundesgesetzes gemacht worden sind, zusammenzutragen, Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten zu registrieren und unter dem Eindruck dieser Erfahrungen zu einer Entscheidung über die Auslegung und Anwendung des Gesetzes zu gelangen 17 . Wenn der Bundesrat i m Verfahren nach A r t . 84 Abs. 4 GG eine Schiedsfunktion zu erfüllen hat, so erwächst auch sie aus seiner besonderen Fähigkeit, eine umfangreiche administrative Erfahrung und Urteilskraft i n die Waagschale legen zu können. Nur sie kann der Grund der Vermittlung sein. — Deutlich zeigt sich auch hier, daß es sinnvoll ist, die Beteiligung des Bundesrates nur an einer Aufsicht über die Verwaltung vorzusehen. Damit kommt auch der Wortlaut des Art. 84 Abs. 4 GG wieder zu Ehren. Der Bundesrat entscheidet i n einem Rechtsstreit, und er entscheidet ausschließlich nach rechtlichen Kriterien. — Er hat auch keine Ermessensentscheidungen zu treffen, selbst dort nicht, wo das beanstandete Landesverhalten einen Ermessensakt darstellt — aber er trifft ebensowenig eine richterliche Entscheidung 18 . Zwar ist die ausschließliche Bindung an Gesetz und Recht i m einen wie i m andern Fall gesollt. Die richterliche Entscheidung ist jedoch dadurch gekennzeichnet, daß versucht wird, die Verwirklichung ihres Leitbildes, der Gerechtigkeit, institutionell dadurch zu sichern, daß die Richter sowohl sachlich wie persönlich unabhängig sind und i n den das verfassungsmäßige Leben sonst geradezu konstituierenden Streit der Meinungen und der Macht nicht einbezogen sein dürfen 19 . A u f diese so weit wie nur mögliche institutionelle Garantie einer gerechten Entscheidung, die dem richterlichen Urteil inhaltlich anhaftet, w i r d beim Beschluß des Bundesrates nach A r t . 84 Abs. 4 GG verzichtet zugunsten der Äußerungen kompetenter, wenn auch i n ihren Vorstellungen befangener Fachleute. Es ist die vornehmliche Aufgabe des Bundesrates, an Hand der Erfahrungen bei der Ausführung des fraglichen Gesetzes, der übrigen Ver17 Diese Aufgabe des Bundesrates ist danach m i t der positiven Seite des Zustimmungsrechtes nach A r t . 84 Abs. 2 G G verwandt. Unter der R V v. 1871 ist auf den vergleichbaren Zusammenhang zwischen der Entscheidung nach A r t . 7 Ziff. 2 u n d Ziff. 3 mehrfach hingewiesen, vgl. Kliemke, S. 43. 18 Dagegen auch Geiger, K o m m . z. B V e r f G G § 70, 1; Maunz i n MaunzDürig, K o m m . A r t . 84, Rdnr. 66; Werr, S. 100 f.; Werr verzeichnet aber seinerseits Züge der Beteiligung des Bundesrates an der Aufsicht, w e n n er i n i h m den eigentlichen Träger der Aufsichtskompetenz sieht. — K a u m läßt sich deshalb auch sagen, es handele sich bei der Tätigkeit des Bundesrates nach A r t . 84 Abs. 4 u m eine Selbstüberwachung der Länder, Krüger, D Ö V 1952, S. 553,1. Sp. 19 Deshalb braucht ihre rechtsfortbildende Aufgabe nicht i n Frage gestellt zu werden. Vgl. auch oben S. 29.
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waltungskenntnis und der damit verbundenen politischen Urteilskraft zu beurteilen, wie das Gesetz verstanden werden muß. Insofern trägt der Beschluß des Bundesrates eher gutachterliche Züge eines politischen Sachverständigen-Gremiums denn richterliche. Diese Charakterisierung des Beschlusses ist nicht ohne praktische Folgen. Die i n der Literatur überwiegend geäußerte Ansicht, die Mitglieder des Bundesrates seien i m Verfahren gemäß A r t . 84 Abs. 4 GG nicht weisungsgebunden, ist abzulehnen. Es mag hier wie anderwärts i m Einzelfall schwierig sein, die für eine sinnvolle Arbeit i m Bundesrat notwendige Grenze zwischen Freiheit und Weisung festzulegen 20 . Wenn aber eine Landesregierung etwa unter dem Einfluß des zuständigen Ministers glaubt, feste Weisungen erteilen zu müssen, so widerspricht das nicht der Aufgabe des Bundesrates nach A r t . 84 Abs. 4 GG, es trägt ihr vielmehr insofern Rechnung, als damit die sachliche Erfahrung bei der Ausführung des Gesetzes gerade dieses Landes zur Geltung gebracht wird. Es ist auch nicht widersinnig, wenn das betreffende Land i m Bundesrat selbst stimmberechtigt ist 2 1 . Seine Erfahrung und Urteilskraft zählt so gut wie die der anderen. Vor allem aber w i r d das Verfahren i m Bundesrat für den Fall, daß er eine Entscheidung nach A r t . 84 Abs. 4 GG zu fällen hat, dieser besonderen Aufgabe Rechnung tragen müssen. Es wäre einerseits verfehlt, wollte er m i t allen M i t t e l n versuchen, einen Kompromiß zwischen den streitenden Parteien zustande zu bringen, uneingedenk seiner Aufgabe, eine Rechtsfrage zu entscheiden. Und es wäre ebenso verfehlt, wollte er i n abstrakter juristischer Deduktion Rechtsfragen erörtern, ohne die praktische Erfahrung und die Beurteilung aus der Perspektive der gesetzesausführenden Landesbehörden gebührend zu berücksichtigen. Gerade darin muß der Schwerpunkt der Erörterung i m Bundesrat liegen. I I I . Die Verbindlichkeit der Aufsichtsentscheidungen
Die Frage, welche Rechtswirkungen von dem Feststellungsbeschluß des Bundesrates ausgehen, ist eng verknüpft m i t der, welche Rechtswirkungen der vorhergehenden Mängelrüge beigemessen werden müssen. 1. Die Verbindlichkeit
der
Mängelrüge
Unter der RV v. 1871 hatte die vom Kaiser erlassene Mängelrüge verbindliche Kraft. Die Verbindlichkeit war allerdings nur vorläufiger 20
21
Vgl. dazu Strickrodt,
D Ö V 1949, S. 321 ff.; K e r n , DÖV1951, S. 260 ff.
So aber Ahlert, S. 63.
112
Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
Art. Der Einzelstaat war bis zur endgültigen Entscheidung durch den Bundesrat verpflichtet, „sich jeder Maßregel zu enthalten, welche der endgültigen Entscheidung vorgreift, insbesondere also bis dahin auf Verlangen die vorläufige Aussetzung der Verfügung zu veranlassen" 22 . Die WRV, die eine organisatorische Trennung der beobachtenden von der berichtigenden Aufsicht nicht kannte, legte der Mängelrüge ausdrücklich eine verbindliche Kraft zu, Art. 15 Abs. 3 S. 1 WRV. Sie ließ allerdings offen, ob die Anrufung des Staatsgerichtshofes einen Suspensiveffekt bewirkte. Das Grundgesetz sagt über die Mängelrüge ausdrücklich gar nichts. Es erwähnt sie lediglich als Voraussetzung des Feststellungsverfahrens i n Art. 84 Abs. 4 GG 23 . Daraus, daß A r t . 84 Abs. 4 GG lediglich von der Feststellung eines Mangels spricht, kann kaum die Auffassung hergeleitet werden, der Mängelrüge komme keine verbindliche K r a f t zu 24 . Die deutschen Bundesstaatsverfassungen haben sich stets i n der Terminologie des Aufsichtsrechts einer bundesstaatlichen Courtoisie befleißigt. Gleichwohl bestand daran kein Zweifel, daß die Pflicht, einen gerügten Mangel zu beseitigen, das notwendige Korrelat der Aufsicht war 2 5 . Es bestehen jedoch anderweitig begründete Bedenken, bereits der von der Bundesregierung ausgesprochenen Mängelrüge verbindliche Kraft beizumessen. Nach Art. 84 Abs. 4 S. 1 GG beschließt der Bundesrat dann, ob das Land das Recht verletzt hat, wenn die gerügten Mängel nicht beseitigt werden. Wenn das Land bereits auf Grund der Mängelrüge verpflichtet wäre, sein Verhalten zu ändern, so wäre i n einem Aufsichtsstreit, i n dem das Land pflichtgemäß den gerügten angeblichen Mangel zunächst einmal abstellte, der Bundesrat jedenfalls dem Wortlaut des Art. 84 Abs. 4 S. 1 GG nach zur Entscheidung nicht berufen, obwohl der Streit doch andauert und die Abstellung des Mangels nur als Interimslösung verstanden werden soll. Es ist aber kaum anzunehmen, das Grundgesetz habe hier lediglich eine Sonderregelung für die Fälle getroffen, i n denen das Land pflichtwidrig handele. Näher liegt die Auffassung, das Grundgesetz gehe davon aus, daß vor der Entscheidung des Bundesrates der Mängelrüge keine einseitig verbindliche Kraft zukommt 2 6 . Diese Annahme w i r d auch dadurch bestätigt, daß anders der Bundes22
Härtel, I, S. 312; vgl. auch Triepel, Reichsaufsicht, S. 659 f. Zutreffend Frowein, S. 60. 24 Dagegen auch Scheuner, vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1147. 25 Vgl. Kahl, Berichte u n d Protokolle des 8. Ausschusses, S. 84. 26 Vgl. Wessel, D V 1949, S. 329; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 4, S. 457; Maunz, Staatsrecht, S. 207; Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 32; Werr, S. 71 ff. 23
§ 11: Der Beschluß des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 4 GG
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rat eine Pflichtverletzung i n jedem Fall, i n dem die wörtlich genommenen Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 4 GG vorliegen, feststellen müßte, nämlich die, der Mängelrüge nicht nachgekommen zu sein; ein Verdikt, das selbst, wenn es wegen der Entscheidung über den eigentlichen Streitgegenstand praktisch keine Bedeutung hätte, nicht leicht wöge. 2. Die Verbindlichkeit
des
Feststellungsbeschlusses
Die Frage ist danach, ob nicht der Mängelrüge jedenfalls dann verbindliche Kraft zukommt, wenn die gerügte Pflichtverletzung durch den Beschluß des Bundesrates bestätigt worden ist, die Verbindlichkeit m. a. W. durch den Beschluß des Bundesrates erst begründet wird. .Eine Anlehnung an den Abstellungsbefehl, den der Bundesrat gemäß Art. 7 Ziff. 3 RV v. 1871 faßte, verbietet sich deshalb, weil die Verbindlichkeit des Bundesratsbeschlusses der RV v. 1871 daraus resultierte, daß i h m die letztinstanzliche Entscheidungskompetenz übertragen worden war. Eher läßt sich eine Verbindlichkeit des Bundesratsbeschlusses damit begründen, daß mit i h m das Aufsichtsverfahren i. e. S. abgeschlossen ist, die abschließende Feststellung für die Länder aber verbindlich sein muß, wenn anders das Aufsichtsverfahren nicht seine Bedeutung verlieren soll. Immerhin könnte zweifelhaft sein, ob nicht neben der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit das Aufsichtsverfahren i n der Tat seine eigenständige Bedeutung verloren hat, zumal eine ausdrückliche Vorschrift wie Art. 15 Abs. 3 S. 1 WRV weggelassen wurde. Die Frage ist jedoch, ob dem nicht Art. 37 GG entgegensteht. A r t . 37 GG gibt dem Bund das Recht, den Bundeszwang auch ohne vorheriges verfassungsgerichtliches Urteil durchzuführen 27 . Dem Bund steht damit die Befugnis zu, seine in der Regel vom Land bestrittene Auffassung wenigstens vorläufig durchzusetzen. Wenn die Ansicht des Bundes der wirklichen Verfassungsgrundlage entspricht, tut das Land damit nichts anderes, als was es von Verfassungs wegen zu tun verpflichtet ist. Eine Verfassung, die eine Exekution ohne vorherige verfassungsgerichtliche Feststellung der Pflichtverletzung zuläßt, nimmt jedoch das Risiko i n Kauf, auch rechtsirrige Auffassungen des Bundes i m Wege der Exekution zu erzwingen. Indem sie es gestattet, verpflichtet sie auch insoweit das Land, sich der Auffassung des Bundes zu beugen. Die Pflicht, sich selbst in diesen Fällen beugen zu müssen, wo ausweislich der späteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes die von der Bundesregierung geltend gemachte Pflicht nicht be27 Der Nachweis, daß dieses Recht besteht, k a n n i m einzelnen erst unten S. 124 f. geführt werden.
8 Dux
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Drittes Kapitel: Das Aufsichtsverfahren
stand, folgt hier allein aus dem Umstand, daß dem Bund ein vorläufiges Entscheidungsrecht m i t der Exekutionsbefugnis verliehen worden ist. Es wäre gekünstelt zu argumentieren, in diesen Fällen bestehe zwar das Recht des Bundes, seiner Entscheidung alsbald Geltung zu verschaffen, aber eine Verpflichtung des Landes, sich nach der vermeintlichen, aber nicht wirklichen Verfassungsrechtslage zu richten, bestehe hier nicht. Denn mindestens ist das Land verpflichtet, die ordnungsmäßig beschlossene Exekution zu dulden. Ein Widerstand wäre verfassungswidrig. Das heißt aber nichts anderes, als das Land für verpflichtet zu erachten, vorläufig zu akzeptieren, was der Bund, gestützt auf sein Exekutions- und Entscheidungsrecht verlangt. Spätestens mit dem Exekutionsbeschluß selbst muß danach die Verbindlichkeit der Mängelrüge eintreten. Es muß aber auch genügen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Bundeszwanges von den am Bundeszwangsverfahren beteiligten Organen festgestellt worden sind, ohne daß der Exekutionsbeschluß selbst bereits gefaßt wurde. Es ist bereits erwähnt, daß erst die mit dem Feststellungsbeschluß des Bundesrates eingetretene Verbindlichkeit der Mängelrüge dem Aufsichtsverfahren eine eigenständige Bedeutung neben der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit sichert. Der Bund kann sich darauf beschränken, das Aufsichtsverfahren nach Art. 84 Abs. 4 GG durchzuführen. Wenn das Land nicht i n den Verruf kommen w i l l , verfassungswidrig zu handeln, muß es das gerügte Verhalten ändern, wenn der Bundesrat ebenfalls eine Rechtsverletzung bejaht. Der Bund kann es dem Land überlassen, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Die Möglichkeit, gegen die verbindlich gewordene Mängelrüge das Bundesverfassungsgericht anzurufen, gibt der Verbindlichkeit nur einen vorläufigen Charakter. Versäumt es das Land, das Bundesverfassungsgericht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach der Beschlußfassung durch den Bundesrat anzurufen, so w i r d damit die Mängelrüge endgültig verbindlich, § 70 BVerfGG. Auch jetzt bleibt dahingestellt, ob die Auffassung des Bundes zutreffend ist, das Land also wirklich Bundesrecht verletzt hat. A l l e i n entscheidend für die endgültige Verbindlichkeit des Landes, den Mangel abzustellen, ist, daß gegen die zwangsweise Durchsetzung des Beschlusses jedenfalls insoweit nicht mehr angegangen werden kann, als geltend gemacht werden soll, eine Rechtsverletzung liege gar nicht vor. Denn wenn § 70 BVerfGG einen Sinn haben soll, dann verbietet er nicht nur eine Klage nach Ablauf der Frist gegen den Feststellungsbeschluß des Bundesrates, sondern auch gegen die Durchführung des Bundeszwanges mit der gleichen Begründung. Andernfalls könnte das Land die Frist verstreichen lassen, ohne irgendeinen Nachteil zu haben.
§ 11: Der Beschluß des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 4 GG
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Zweifelhaft ist allerdings, ob die Ausschlußfrist auch für die i m Verfahren vor dem Bundesrat obsiegende Partei gilt. Praktisch w i r d die Frage dann, wenn der Bund zwar obsiegt, aber vor Anwendung des Bundeszwanges nach Fristablauf sich noch eine stärkere Rückendekkung verschaffen will. Die Ausschlußfrist hat den Sinn, die Streitfrage möglichst bald aus der Welt zu schaffen und damit die Beziehungen zwischen Bund und Ländern zu normalisieren. Unterliegt das Land i m Verfahren vor dem Bundesrat und läßt es die Frist verstreichen, ohne das Bundesverfassungsgericht anzurufen, so ist dieser Zweck erreicht. Das Land ist verpflichtet, sein Verhalten zu ändern. Wenn der Bund gleichwohl noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes herbeizuführen beabsichtigt, so steht dem der Sinn der Ausschlußfrist nicht entgegen. Der Wortlaut des § 70 BVerfGG trägt dem Rechnung, indem er nur für die Anfechtung eine Frist setzt und damit unzweideutig auf die unterlegene Partei abstellt und nicht auf die obsiegende, die eine Bestätigung erstrebt.
I V . Zusammenfassung
Das Verfahren nach Art. 84 Abs. 4 GG ist kein Gerichtsverfahren, der Beschluß des Bundesrates kein Richterspruch. Seine Bedeutung ist i m engen Zusammenhang mit der Beschränkung der Aufsicht auf die Verwaltung des Landes und der besonderen Qualifikation des Bundesrates auf administrativem Gebiet zu sehen. Die Aufgabe des Bundesrates i m Verfahren nach Art. 84 Abs. 4 GG läßt sich am ehesten als gutachterliche Äußerung eines politischen Sachverständigen-Gremiums umschreiben. Die Entscheidung ist ausschließlich nach rechtlichen Kriterien zu treffen. Nur insoweit, als der Bundesrat seine administrative Sachkunde und Erfahrung i n die Waagschale legen kann, w i r k t er auch vermittelnd. M i t der Entscheidung des Bundesrates, durch die eine Rechtsverletzung festgestellt wird, erlangt die Mängelrüge für das Land verbindliche Kraft. Das ergibt sich daraus, daß der Bund, jedenfalls nach dem Abschluß des Feststellungsverfahrens nach A r t . 84 Abs. 4 GG, gegen das Land mit dem Bundeszwang vorgehen kann. Läßt das Land die Frist des § 70 BVerfGG ungenützt verstreichen, w i r d die Mängelrüge der Bundesregierung endgültig verbindlich. Das Land w i r d dann mit dem Einwand, eine Bundesrechtsverletzung liege nicht vor, auch i m Bundeszwangsverfahren nicht mehr gehört. Die Ausschlußfrist des § 70 BVerfGG gilt nur für die i m Verfahren vor dem Bundesrat unterlegene Partei. 8*
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren § 12: Aufsichtsverfahren und Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nebeneinander
Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 GG erwähnt ausdrücklich, daß auch Aufsichtsstreitigkeiten Gegenstand des dort vorgesehenen Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht sein können. Zugleich bestimmt Art. 84 Abs. 4 GG, daß gegen den Beschluß des Bundesrates das Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann. Damit entsteht die Frage, ob das Grundgesetz den Art. 84 Abs. 4 S. 2 i n dem Sinne als eine lex specialis zu Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 ansieht, daß ein Verfahren, sofern es sich um eine Aufsichtsstreitigkeit i m Sinne des Art. 84 GG handelt, überhaupt nur gegen den Beschluß des Bundesrates anhängig gemacht werden kann. Diese Frage gilt gleichermaßen für ein von der Bundesregierung wie für ein von einer Landesregierung alsbald nach der Mängelrüge anhängig gemachtes Verfahren. I. Die Ansichten in der Literatur
Die überwiegende Ansicht i n der Literatur geht dahin, die Entscheidung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 4 GG als Prozeßvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anzusehen1. Demgegenüber vertritt vor allem Geiger 2 die Ansicht, die Bundesregierung könne frei wählen, ob sie den Bundesrat oder das Bundesverfassungsgericht anrufen wolle. I h m hat Scheuner 3 zugestimmt. Schließlich w i r d eine vermittelnde Meinung diskutiert, nach welcher der Bundesregierung die Wahlmöglichkeit nur so lange einzuräumen ist, als sie eine Mängelrüge nicht erhoben hat 4 . 1 Friesenhahn , D V 1949, S. 485, Fußn. 65; Holtkotten, B K A r t . 93, I I , B, 3 b; Schäfer , AöR 78, 1952/53, S. 34; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 84, 4, S. 457; Schätzet Gutachten, S. 1119; Schneider , Gutachten, S. 1039 ff.; Bullinger , AöR 83, 1958, S. 280; Maunz i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 84, Rdnr. 71; Haas, S. 35; Graubaum , S. 69. S. auch Abg. Dr. Menzel u n d Dr. Schmid , Sten.Ber. H A , S. 435 f. Diese Auffassung hat auch die Zustimmung des B V e r f G gefunden, vgl. BVerfGE 6, S. 309 (329); 7, S. 372; 8, S. 131. 2 Geiger , K o m m . z. B V e r f G G § 70, 4. Die Begründung Geigers enthält allerdings einen regelrechten Denkfehler: Geiger f ü h r t aus: „Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichtes nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 3 GG w i r d durch A r t . 84 Abs. 4 nicht eingeschränkt, sondern u m diesen Spezialfall erweitert". Eine Vorschrift k a n n aber nicht durch eine andere erweitert werden, die selbst n u r als Spezialfall dieser Vorschrift anzusehen ist. 3 Scheuner , vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1145 ff., scheint dieser Ansicht allerdings n u r f ü r den F a l l gewesen zu sein, daß das Gericht der Auffassung folgen sollte, die Aufsicht erfasse auch die Gesetzgebung, ebd., S. 1166. Mehr w a r jedoch i m Prozeß auch nicht von Interesse. 4 Ob diese Ansicht w i r k l i c h aus den anscheinend widersprüchlichen Äußerungen Lechners , K o m m . z. B V e r f G G § 13, Ziff. 7, 4 c, § 70, herausgelesen werden kann, ist zweifelhaft. Ebenso zweifelhaft ist, ob Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 34, dieser Ansicht ist.
§ 12: Aufsichts- und verfassungsgerichtliches Verfahren
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I I . Kritik und eigene Stellungnahme
Die Auffassung, wonach i n Aufsichtsstreitigkeiten das Bundesverfassungsgericht nur gegen den Beschluß des Bundesrates angerufen werden kann, erscheint vertretbar, wenn man wie hier die Bundesaufsicht auf eine Aufsicht über die Verwaltung beschränkt 5 . Ihr stehen aber gleichwohl gewichtige Bedenken entgegen. Die Vorschaltung des Bundesrates w i r d weitgehend deshalb für notwendig erachtet, um die Länder gegen ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu schützen6. Es ist jedoch insofern prekär A den Schutzgedanken i n den Vordergrund zu rücken, als es gerade gegenüber jenem Organ geschieht, das i n Aufsichtsstreitigkeiten selbst als Schutz der Länder gedacht ist. Jenes Risiko aber, durch ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit der Weigerung, einen gerügten Mangel zu beseitigen, i n das helle Licht der Öffentlichkeit gestellt zu werden, müssen die Länder tragen, wenn sie gegenüber dem Bund auf ihrer Rechtsansicht beharren. Aber selbst wenn man dieser Begründung folgte, so wäre es inkonsequent, nicht wenigstens den Ländern selbst anheimzustellen, sich unter Übergehung des Bundesrates direkt an das Bundesverfassungsgericht zu wenden. Sehr viel näher liegt es, den Feststellungsbeschluß des Bundesrates als Prozeßvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anzusehen, wenn man — wie hier — die Absicht der Verfassung dahin versteht, durch die Beteiligung des Bundesrates in dem Aufsichtsstreit die Erfahrung der Länder auf administrativem Gebiet zur Geltung zu bringen und so die Perspektiven des Rechtsstreits zu erweitern. Es ist jedoch zu bedenken, daß auch die Verwaltungspraxis sehr vielfältige und verschiedenartige Streitigkeiten hervorzubringen vermag: solche, in denen die Verwaltungserfahrung bei der Ausführung des Gesetzes eine große Rolle spielen kann und solche, bei denen von vornherein nur eine klare und übersichtliche Rechtsfrage zu entscheiden ist; solche, bei denen es ratsam erscheint, auf eine gütliche Einigung i m Wege der Verhandlung hinzuarbeiten und solche, bei denen das strikte Beharren auf dem Rechtsstandpunkt geboten ist; solche, bei denen die Vorschaltung des Bundesrates den Streit wahrscheinlich beendet und solche, bei denen der alsbaldige Spruch des Verfassungsgerichts klärender w i r k t als der Umweg über das Verfahren vor dem Bundesrat. Es ist der entscheidende Vorteil jener Auslegung, die das Auf sichtsverfahren nach Art. 84 Abs. 3 und 4 GG und das Verfassungsgerichts5
Sie steht i m eklatanten Widerspruch zur Möglichkeit eines Normenkontrollverfahrens nach A r t . 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG, w e n n m a n die Aufsicht auch auf die Gesetzgebung der Länder erstreckt. Darauf hat Scheuner, vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1145 f., 1167, hingewiesen. 6 Schneider, Gutachten, S. 1043; Bullinger, AöR 83,1958, S. 294.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
verfahren nach A r t . 93 Abs. 1 Ziff. 3 GG selbständig nebeneinanderstellt, daß sie dieser Vielfalt der Möglichkeiten Rechnung trägt und damit den politischen Organen eine größere Elastizität ermöglicht. Auch sonst stellt das Grundgesetz mehrere Verfahrensarten nebeneinander zur Wahl 7 . Bedenken gegenüber der Annahme, der Bundesregierung stehe die freie Wahl zwischen beiden Verfahrensarten zu, könnten einmal daraus hergeleitet werden, daß damit die Möglichkeit parallel laufender Verfahren vor dem Bundesrat und Bundesverfassungsgericht begründet werde 8 . Der bloße Umstand, daß beide Verfahren zugleich anhängig sind, bringt jedoch weder theoretische noch praktische Schwierigkeiten mit sich. Entscheidet das Bundesverfassungsgericht früher, so ist damit auch das Verfahren vor dem Bundesrat erledigt. Das Bundesverfassungsgericht w i r d von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch machen, wenn nicht besondere Gründe dafür sprechen; i n aller Regel w i r d es vielmehr die Entscheidung des Bundesrates abwarten. Entscheidet der Bundesrat früher, so t r i t t allerdings die Frage auf, ob nunmehr die unterlegene Partei genötigt ist, binnen eines Monats (§ 70 BVerfGG) gegen den Beschluß des Bundesrates das Bundesverfassungsgericht anzurufen, wenn er nicht endgültig verbindlich werden soll. Diese Annahme wäre allerdings i n Anbetracht des bereits nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 GG anhängigen Verfahrens widersinnig. Aber sie ist nicht richtig: W i r d nach Art. 84 Abs. 4 GG der Beschluß des Bundesrates vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten, so ist der eigentliche Streitgegenstand dieses Verfahrens nicht der Beschluß des Bundesrates, sondern das Verhalten des Landes. Wenn das Bundesverfassungsgericht bereits zuvor durch die Bundesregierung mit eben diesem Verhalten befaßt worden ist, dann fehlt der Bundesregierung für den Fall, daß sie i m Bundesrat unterliegt, für eine weitere Klage das Rechtsschutzbedürfnis. Der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht entscheidet der Sache nach zugleich über den Beschluß des Bundesrates. Das gleiche gilt aber auch dann, wenn nicht der Bund, sondern das Land i m Bundesrat unterliegt. Auch für eine Klage des Landes gegen den Bundesratsbeschluß vor dem Bundesverfassungsgericht ist kein Platz mehr. Der Sache nach würde mit dieser Feststellung nur das genaue Gegenteil der vom Bund begehrten Feststellung verlangt. Darüber hat das Bundesverfassungsgericht ohnehin zu entscheiden. Der Beschluß des Bundesrates kann demnach für das unter7 Darauf hat Scheuner , vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1139 f., ebenfalls hingewiesen; vgl. BVerfGE 1, S. 14 ff. (30), U r t . v. 23. Okt. 1951; 7, S. 305 ff. (310 f.), U r t . v. 5. März 1958. 8 Schneider , Gutachten, S. 1041.
§ 12: Aufsichts- und verfassungsgerichtliches Verfahren
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legene Land nicht verbindlich werden, wenn das Bundesverfassungsgericht mit der Sache, dem umstrittenen Verhalten des Landes, schon befaßt ist. Das i m Bundesrat unterlegene Land läuft auch nicht Gefahr, die Verbindlichkeit des Bundesratsbeschlusses dadurch herbeigeführt zu sehen, daß die Bundesregierung die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zurücknimmt, nachdem die Frist des § 70 BVerfGG verstrichen ist. Denn i n diesen Fällen ist eine Klagerücknahme nur mit Zustimmung des betroffenen Landes möglich 9 . Ist es danach zulässig, eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig zu machen, obgleich von der anderen Partei bereits der Antrag an den Bundesrat gestellt ist, warum sollte es nicht zulässig sein, den Bundesrat noch anzurufen, wenn das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bereits anhängig ist 10 ? I m einen Fall so wenig wie i m andern t r i t t eine wirkliche Kollision mit dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Sie kann nicht eintreten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist der des Bundesrates unzweideutig übergeordnet 11 . Das Bundesverfassungsgericht ist ja gerade berufen, den Beschluß des Bundesrates zu überprüfen. Das Verfahren vor dem Bundesrat kann deshalb auch nicht gegen das vor dem Bundesverfassungsgericht ausgespielt werden. Auch Würde und Ansehen des Gerichtes leiden nicht darunter. Es macht kaum einen Unterschied, welches Verfahren zuerst anhängig gemacht wird. Entscheidend ist, daß mit dem Spruch des Bundesverfassungsgerichtes auch das Verfahren vor dem Bundesrat erledigt wird. — Gerade die Möglichkeit, auch in diesen Fällen den Bundesrat noch anrufen zu können, ist aber geeignet, wesentliche Bedenken gegen die Wahlmöglichkeit zu zerstreuen: Bund oder Land w i r d die Möglichkeit genommen, den Bundesrat i n den Fällen auszuschalten, i n denen nach Auffassung der anderen Partei seine Sachkunde zur Klärung des Verfassungsstreits beitragen könnte. Hier kann sie die Entscheidung des Bundesrates herbeiführen. I m Ergebnis führt danach die hier vertretene Auffassung dazu, daß gegen den Willen der anderen Partei der Bundesrat nur dann ausgeschaltet werden kann, wenn das Bundesverfassungsgericht aus besonderen Gründen die Entscheidung des Bundesrates nicht abwarten will. Dagegen eröffnet sie die Möglichkeit einer alsbaldigen verfassungsrechtlichen Entscheidung, wenn beide Parteien ohnehin entschlossen sind, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. 9 Z u r Klagrücknahme i m allgemeinen vgl. Geiger, K o m m . z. B V e r f G G § 52,1; Lechner, K o m m . z. B V e r f G G vor § 17, B, I I , 2 a, cc. 10 Dagegen Scheuner, vor dem BVerfG, Konkordatsprozeß, S. 1148. 11 Schon unter der W R V w a r die Annahme Kelsens, S. 170, die Entscheidungskompetenz der politischen Aufsichtsorgane könne die des S t G H v e r drängen, wenig überzeugend, sie fand auch keinen Anhang.
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Drittes Kapitel: Das Auf sichtsverfahren
Abschließend ist noch die Frage zu erörtern, ob die Bundesregierung den Weg des Art. 84 Abs. 4 GG jedenfalls dann beschreiten muß, wenn sie die Mängelrüge einmal erhoben hat. Auch wenn die Bundesregierung eine Klage gegen das Land vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig machen will, muß sie zunächst das Land auffordern, den Mangel zu beseitigen 12 . Diese Aufforderung unterscheidet sich jedenfalls nach außen durch nichts von der Mängelrüge nach Art. 84 Abs. 3 GG. Wenn man der oben dargelegten Auffassung folgt, wonach der Mängelrüge nach Art. 84 Abs. 3 GG vor der Feststellung der Pflichtverletzung durch den Bundesrat noch keine Verbindlichkeit zukommt, so ist sie auch ihrer rechtlichen Wirkung nach von jener Aufforderung, den Mangel zu beseitigen, die auch außerhalb der von Art. 84 GG erfaßten Aufsichtsstreitigkeiten möglich und vor einer Klageerhebung notwendig ist, nicht verschieden. I m einen wie i m andern Falle kann sie die Ankündigung enthalten, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Da die Einleitung beider Verfahren demnach gleich ist, kann sich die Bundesregierung durch sie noch nicht festlegen. Aber selbst wenn die Bundesregierung bei der Aufforderung, den Mangel abzustellen, zu erkennen gibt, daß sie das eine oder das andere Verfahren einzuschlagen beabsichtige, welchen Sinn soll es haben, sie an dieser Äußerung festzuhalten? Daß ein Vertrauensschutz notwendig wäre, ist nicht ersichtlich. Erforderlich ist es allerdings, die andere Partei über eine Sinnesänderung und die nunmehr vorgesehenen Maßnahmen rechtzeitig zu unterrichten. Unzulässig ist es selbstverständlich, daß eine Partei beide Verfahren zugleich einleitet. Wer den Bundesrat anruft, gibt zu erkennen, daß er seine Entscheidung vor der des Bundesverfassungsgerichts für sachdienlich erachtet. Damit kann er sich nicht in Widerspruch setzen. I I I . Zusammenfassung
Der Beschluß des Bundesrates nach A r t . 84 Abs. 4 GG ist keine Prozeßvoraussetzung für ein Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 GG. Beide Verfahren stehen dergestalt nebeneinander, daß Bund und Land die Wahl haben, ob sie den einen oder anderen Weg gehen wollen. Daraus, daß unter Umständen ein Verfahren vor dem Bundesrat und Bundesverfassungsgericht gleichzeitig anhängig ist, entstehen weder theore12 Es ist nicht i m m e r k l a r ersichtlich, ob unter der W R V lediglich die v e r pflichtende Mängelrüge oder überhaupt jede vorherige Aufforderung an das L a n d f ü r entbehrlich gehalten wurde, vgl. Entsch. des S t G H v o m 9. Dez. 1929, Lammers-Simons, Bd. I I , S. 25 ff., 29; Anschütz, K o m m . A r t . 15, 11, S. 124. Auch Friesenhahn, HdbDStR I I , S. 542, schränkt das Erfordernis der Mängelrüge noch auf den F a l l der abhängigen Aufsicht nach A r t . 15 Abs. 3 W R V ein. Dagegen aber zutreffend v. Jan, Bay. VB1. 1930, S. 69. Unter dem G r u n d gesetz zutreffend Frowein, S. 37, Fußn. 27.
§ 12: Aufsichts- und verfassungsgerichtliches Verfahren
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tische noch praktische Schwierigkeiten. Das Bundesverfassungsgericht kann auch dann noch angerufen werden, wenn die andere Partei bereits den Bundesrat angerufen hat. Umgekehrt kann der Bundesrat noch angerufen werden, wenn die andere Partei bereits ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht hat. Dadurch w i r d die Möglichkeit einer Ausschaltung des Bundesrates gegen den Willen der anderen Partei beseitigt. Ist zugleich ein Verfahren vor dem Bundesrat anhängig gemacht, so w i r d das Bundesverfassungsgericht den Beschluß des Bundesrates abwarten, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen. Eine vorzeitige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erledigt auch das Verfahren vor dem Bundesrat. Durch die Aufforderung an das Land, den Mangel abzustellen, ist die Bundesregierung nicht an das Verfahren nach Art. 84 Abs. 4 GG gebunden.
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Kapitel
Zwangsmaßnahmen gegen die Länder § 13: D e r Bundeszwang I. Das Verhältnis von Bundeszwang und Bundesaufsicht
Der Begriff der Bundesaufsicht umfaßt in einem weiteren Sinne auch den Bundeszwang. Diese Begriffsbildung rechtfertigt sich aus dem gemeinsamen Zweck: das Verhalten der Länder i n Einklang mit dem Bundesrecht zu halten. Verschieden sind zunächst die Mittel. Soweit der Bund Aufsicht (i. e. S.) ausübt, sucht er gütlich auf die eigene Willensbildung der obersten Landesbehörden einzuwirken. Soweit der Bund dagegen m i t dem Bundeszwang gegen ein Land vorgeht, beugt er entweder den Willen der Landesregierung 1 , oder handelt selbst unmittelbar für das Land. I m einen wie i m andern Fall w i r d der entgegenstehende Wille des Landes gebrochen. Es entspricht diesem Verhältnis der verschiedenen Mittel von Bundesaufsicht und Bundeszwang, wenn der Bundeszwang i n der Regel als die ultima ratio am Ende des Aufsichtsverfahrens steht 2 . Der Bundeszwang w i r d allgemein als die unerläßliche Garantie für die Wirksamkeit der Aufsicht angesehen. Dieses Verständnis des Bundeszwanges war zutreffend, solange die Verfassung lediglich eine den politischen Organen des Gesamtstaates übertragene Aufsichtskompetenz kannte. M i t der Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit i n föderalen Streitigkeiten ist dieses Moment jedoch in den Hintergrund getreten. Solange ein Land bereit ist, die Verfassung selbst zu achten, unterw i r f t es sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Zwar war die Entscheidung des Bundesrates der RV v. 1871 ebenfalls verbindlich, sie wäre aber in einem ernsthaften Streit immer die Entscheidung der anderen Partei geblieben und deshalb ohne den dahinter stehenden Zwang leichter der Mißachtung ausgesetzt gewesen. I n eben 1 So i n der Regel nach A r t . 32 der Wiener Schlußakte v o m 15. M a i 1820 u n d A r t . 6 der Exekutionsordnung des Deutschen Bundes v o m 3. Aug. 1820 (Text: E. R. Huber, Dokumente I, S. 81, S. 105 ff.), dazu Maurenbrecher, S. 180 f. 2 Vgl. A r t . 31 der Wiener Schlußakte v. 15. M a i 1820: „ . . . nach Erschöpfung aller anderen bundesverfassungsmäßigen M i t t e l . "
§13: Der Bundeszwang
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dem Maße, i n dem den Ländern — ganz i m Gegensatz etwa zu den Souveränen des Deutschen Bundes — die Unterwerfung unter das Urteil eines Gerichtes leichter erscheint als unter das der politischen Organe des Bundes, t r i t t die allgemeine Bedeutung des Bundeszwanges als Garantie der Wirksamkeit der Aufsicht zurück. Die Fälle eines erklärten Verfassungsbruches, i n denen auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht mehr anerkannt wird, sind noch seltener als die A n wendung des Bundeszwanges ohnehin 3 . Neben der Verfassungsgerichtsbarkeit ist eine andere Komponente des Bundeszwanges i n den Vordergrund gerückt: das Recht, schnell und wirksam Maßnahmen zu ergreifen, um die Geltung des Bundesrechts zu sichern. Der Bundeszwang ist gegenwärtig weniger als das Vollstrekkungsverfahren der Bundesaufsicht denn als Verfahren einstweiliger Regelung anzusehen. Damit t r i t t der Ausnahmecharakter des Bundeszwanges als unterscheidendes Moment gegenüber der regulären Bundesaufsicht noch deutlicher hervor: es muß nicht nur eine motivierende Einwirkung auf den eigenen Landeswillen versagt haben, sondern darüber hinaus auch ein unmittelbares Handeln ohne vorherige verfassungsrechtliche Entscheidung der Streitfrage unaufschiebbar erscheinen. Die Frage ist allerdings, ob damit nur eine tatsächliche, dem Gebot politischer Vernunft entsprechende Begrenzung wiedergegeben worden ist oder aber eine verfassungsrechtliche Norm 4 . Art. 37 GG erwähnt expressis verbis derartige Begrenzungen nicht. Es dürfte auch schwer sein, hier die dem Bund sicherlich nicht eng gezogenen Ermessensgrenzen allgemein festzulegen. Wo eine Erledigung durch Zeitablauf droht, da w i r d man dem Bund stets das Recht geben müssen, seine A n sicht durch Zwang durchzusetzen 5. Das gebietet der Vorrang des übergeordneten Gesamtstaates. Sollte der Bund jedoch ohne Not zum Bundeszwang greifen, so wäre die Maßnahme vom Bundesverfassungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt eines Formmißbrauchs zu prüfen. Der Bund hat jedoch bereits zu erkennen gegeben, daß er äußerst zurückhaltend mit dem Mittel des Bundeszwanges umzugehen gewillt ist 6 . 3 Menzel, D V 1949, S. 313, sieht den Bundeszwang jedoch vorwiegend u n ter diesem Gesichtspunkt. Der Bundeszwang w ü r d e hier w o h l vielfach von der Vollstreckungsanordnung nach § 35 B V e r f G G überdeckt. 4 I m ersteren Sinn unter der W R V Anschütz, K o m m . A r t . 48, 4, S. 273; anders Triepel, D J Z 1932, Sp. 1503: „ T a t u n d Rechtsfrage", freilich sollte der S t G H sie nicht nachprüfen können; anders auch Flad, S. 122. Vgl. ebenfalls W. Jellinek, Verf. u. Verw., S. 25. 5 Vgl. BVerf GE 3, S. 52 ff., U r t . v. 10. Dez. 1953. 6 Der B u n d hat unter dem Grundgesetz zwar gelegentlich m i t dem Bundeszwang gedroht (vgl. Gross, DVB1. 1954, S. 52), i h n aber bisher nicht angewandt.
124
Viertes Kapitel: Zwangsmaßnahmen gegen die Länder I I . Die Feststellung der Pflichtverletzung
Materiell ist Voraussetzung des Bundeszwanges, daß ein Land die ihm nach dem Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt. Anders als i m Aufsichtsverfahren genügt also die Verletzung irgendeiner Pflicht, die das Land i n seiner Stellung als Gliedstaat des Bundes trifft. Unwesentlich ist sowohl, i n welcher Bundesnorm die Pflicht begründet ist als auch, ob die Pflichtverletzung i n der Verwaltung oder Gesetzgebung des Landes begründet liegt 7 . Zweifelhaft ist, wer darüber zu entscheiden hat, ob diese Voraussetzung vorliegt. Unter der RV v. 1871 faßte der Bundesrat den Exekutionsbeschluß. I h m oblag dabei auch die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Der Kaiser hatte den Beschluß lediglich zu vollstrecken 8 . — Unter der WRV stand das Exekutionsrecht dem Reichspräsidenten zu. Er bedurfte aber der Gegenzeichnung nach Art. 50 WRV 9 . Äußerst umstritten war, ob die Reichsexekution erst dann eingeleitet werden durfte, wenn der StGH oder das sonst zuständige Gericht die Pflichtverletzung durch das Land festgestellt hatte 10 . Unter dem Grundgesetz ist die Frage, ob zunächst das Bundesverfassungsgericht die Pflichtverletzung festgestellt haben muß, ebenfalls aufgetreten, jedoch kaum noch umstritten 1 1 . Sie ist auch zu verneinen. Der Grund dafür ist zwar nicht — wie Nölting meint — darin zu sehen, daß die vorherige Feststellung der Pflichtverletzung durch das Bundes7 Richtig an der Auffassung, wonach Rechtsverordnungen u n d Gewohnheitsrecht als Gesetz i. S. des A r t . 37 GG ausscheiden sollen — so Wernicke, B K A r t . 37, I I , 1 b ; v. Mangoldt-Klein, A r t . 37, I I I , 2 c, S. 857 — ist, daß die Pflichtverletzung i n aller Regel nicht schwerwiegend genug ist, u m zum B u n deszwang zu greifen. Das gleiche gilt bei Pflichtverletzungen durch die V e r waltung, vgl. Thoma, Verhandlungen, S. 67. Aber die Regel g i l t nicht ausnahmslos! Vgl. schon Arndt , K o m m . A r t . 19, 1, sowie Ransohoff, S. 49 (für Rechtsverordnungen); Anschütz, i n „Preußen contra Reich", S. 128 (hinsichtlich des Gewohnheitsrechtes). 8 Vgl. Börner, S. 36 ff.; über eine Verlagerung des politischen Schwergewichts zwischen Bundesrat u n d Kaiser insgesamt Bornhak, AöR, Bd. 26, 1910, S. 373 ff. 9 Vgl. dazu Pohlmann, S. 107 ff. 10 Ablehnend unter der W R V : Anschütz, HdbDStR I, S. 379; W. Jellinek, Verf. u. Verw., S. 25; Weinschel, Z.f.öff.R., 7,1928, S.282ff.; Pohlmann, S. 96 ff.; Ransohoff, S. 59. Dafür: Triepel, Streitigkeiten, S. 59 ff.; Poetzsch-Heffter, K o m m . A r t . 48, I, 3, S. 231 f.; Giese, Reichsverfassung, A r t . 15, 4; ders., „Preußen contra Reich", S. 143; Nawiasky Politische Zeitfragen, 3, 1921, S. 154; Lammers, Staatsgerichtshof, S. 67 f.; Hugelmann, Z.f.öff.R., 6,1927, S. 522 (anders, w e n n die Pflicht v o m L a n d nicht bestritten wurde) ; Braasch, S. 68 f. 11 Dafür Pfeiffer, D Ö V 1949, S. 265. Dagegen bereits Grewe, DRZ 1949, S. 350 f.; widersprüchlich Schäfer, AöR 78,1952/53, S. 34, 43 f. Vgl. verfassungsgeschichtlich zu dieser Frage E. R. Hub er, AöR 79, 1953/54, S. 7 f.
§13: Der Bundeszwang
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Verfassungsgericht der „Natur der Verfassungsgerichtsbarkeit" zuwiderlaufe, weil die Verfassungsgerichtsbarkeit auf eine Nachprüfung bereits geschehener Akte und auf einen geforderten Rechtsschutz begrenzt sei 12 . Da der Streit bereits vor den Zwangsmaßnahmen beginnt, fehlt es daran nicht. Der Verfassungsgesetzgeber hätte sehr wohl die Anwendung des Bundeszwanges davon abhängig machen können, daß das Bundesverfassungsgericht zuvor eine Pflichtverletzung durch das Land festgestellt hat, ohne damit die „Natur der Verfassungsgerichtsbarkeit" zu verletzen. Der eigentliche Grund, weshalb es nicht geschehen ist, ist bereits genannt: Der Bund sollte in die Lage versetzt werden, gegenüber pflichtwidrigem Verhalten notfalls schnell und wirksam eingreifen zu können 13 . Die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts hätte nur einen höchst unvollkommenen und bedenklichen Ersatz darstellen können 14 . Die Beteiligung des Bundesrates am Bundeszwangsverfahren bestätigt diese Annahme. Die Zustimmung des Bundesrates ist als Schutz der Länder gegen ein allzu schneidiges, möglicherweise ungerechtfertigtes Vorgehen des Bundes gedacht. Es wäre aber sinnlos, wollte man einem Land gegenüber der Vollstreckung einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung noch einen besonderen Schutz gewähren. Die Zustimmung ist nicht als ein Mittel gedacht, die zwangsweise Erfüllung bereits verfassungsgerichtlich festgestellter Pflichtverletzungen doch noch zu verhindern 15 . Sehr viel umstrittener ist die Frage, ob neben der Bundesregierung — als Kollegium — auch der Bundesrat zu prüfen hat, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Bundeszwanges vorliegen. I n der Literatur w i r d vielfach die Ansicht vertreten, der Bundesrat sei auf die bloße Erklärung beschränkt, ob er seine Zustimmung erteilen wolle oder nicht. Die Prüfung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien, sei — sofern nicht ein Fall des Art. 84 Abs. 4 GG vorliege — allein Sache der Bundesregierung und i h m verwehrt 1 0 . 12
Nölting, S. 168 ff. Siehe oben S. 123. Aus demselben Grunde k a n n der A n r u f u n g des Bundesverfassungsgerichtes auch keine aufschiebende W i r k u n g zugemessen werden; anders Maunz, Staatsrecht, S. 207. 14 BVerfGE 3, S. 52 ff. 15 Vgl. i m übrigen Spieß, S. 23 ff., f ü r die W R V noch Bilfinger, i n „Preußen contra Reich", S. 155. 16 Z i n n , AöR 75, 1949, S. 304 f.; Wernicke, B K A r t . 37, I I , 1 d; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 37, 2, S. 221. Ebenso Seifert-Geeb, A r t . 37, S. 137 f.; Frowein, S, 56, 59. Hertl, S. 106; w o h l auch Reetz, S t u K V 1957, S. 226. Dagegen Maunz i n Maunz-Düring, K o m m . A r t . 37, Rdnr. 40; auch Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 44. 13
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Viertes Kapitel: Zwangsmaßnahmen gegen die Länder
Diese Auffassung erscheint zweifelhaft. Wenn Art. 37 GG die Zustimmung des Bundesrates zu den von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen verlangt, so muß vorausgesetzt werden, daß diese Zustimmung nur erteilt werden darf, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Bundeszwanges gegeben sind. Denn die Zustimmung zu einem verfassungswidrigen A k t ist selbst verfassungswidrig. Es wäre demnach allenfalls denkbar, daß die Feststellung der Bundesregierung für den Bundesrat verbindlich und der Bundesrat aus der Verantwortung für die Verfassungsgemäßheit seines Handelns insoweit entlassen worden wäre. Von einer Feststellungswirkung des Beschlusses der Bundesregierung ist i m Grundgesetz jedoch nicht die Rede. Die Bundesregierung ist zwar richtiger Auffassung nach der eigentliche Träger der Bundeszwangskompetenz. Aber daraus folgt nicht, daß sie deshalb auch allein über die Frage der Pflichtverletzung als tatbestandliche Voraussetzung des Bundeszwanges zu entscheiden hätte. Würde man die FeststellungsWirkung bejahen, so könnte der Bundesrat auch kaum entscheiden, welche M i t t e l notwendig sind. Denn was notwendig ist, richtet sich vielfach danach, wieweit die Pflichtverletzung reicht. Konsequenterweise w i r d danach dem Bundesrat auch dieses Recht versagt 17 . Die M i t w i r k u n g des Bundesrates erlangt auf diese Weise keinen anderen Sinn als den, trotz einer durch die Bundesregierung festgestellten Pflichtverletzung, die zu überprüfen i h m nicht zusteht, die zwangsweise Erfüllung dieser Pflicht zu verhindern. Das ist nicht gemeint! Es muß vielmehr angenommen werden, daß das Zustimmungserfordernis auch u m deswillen vorgesehen ist, damit außer der Bundesregierung noch der Bundesrat prüfe, ob eine Pflichtverletzung vorliegt. Gegenüber der hier vertretenen Auffassung kann kaum geltend gemacht werden, dadurch werde das eilige Verfahren verzögert. — Ohne die notwendige Unterrichtung über die Fakten kann der Bundesrat die Zustimmung i n keinem Fall erteilen. Mehr ist aber auch für die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, nicht erforderlich. — Tatsächlich, darüber sollte kein Zweifel bestehen, w i r d der Bundesrat die eine Frage von der anderen nicht trennen. Der Bundesrat w i r d unter keinen Umständen dem Bundeszwang zustimmen, wenn er selbst eine Pflichtverletzung verneint. Eine ganz andere Frage ist, ob der Bundesrat das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen i n einem gesonderten, der eigentlichen Zustimmung vorausgehenden Beschluß feststellen muß. Für diese A n 17
Darüber unten S. 129 ff.
§13: Der Bundeszwang
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nähme bietet der A r t 37 GG keine Handhabe. Sie ist auch nicht gerechtfertigt, denn der Bundesrat kann seinem Beschluß eine Begründung beifügen 18 . Andererseits ist aber auch nicht einzusehen, weshalb der Bundesrat nicht der rechtslogischen Struktur dieses Beschlusses auch i m äußeren Verfahren sollte folgen und zunächst das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen gesondert feststellen können. Der Bundesrat hat sich bei der Prüfung der Frage, ob ein pflichtwidriges Verhalten vorliegt, allein von rechtlichen Kriterien leiten zu lassen. Für Ermessensentscheidungen selbst ist hier kein Raum 19 . Auch das Bundesverfassungsgericht hat bei der Nachprüfung exekutorischer Maßnahmen die ursprüngliche Frage zu entscheiden, ob das Land mit seinem Verhalten die Grenze des verfassungsmäßig Erlaubten überschritten hat 2 0 . Diese Rechtslage kann i n Zweifelsfällen zu einer sehr prekären Lage führen. Die Verfassung bürdet dem Bund insofern das Risiko des verfassungswidrigen Handelns auf, mit ihm aber bis zu einem gewissen Grade unvermeidlich auch das Recht des Irrtums. I I I . Das Bundeszwangsverfahren in den Fällen der Bundesaufsicht nach Art. 84 G G
Soll der Bundeszwang durchgeführt werden, weil das Land einem Mangel bei der Ausführung eines Bundesgesetzes i m Sinne des Art. 84 Abs. 3 GG nicht abhilft, so ist nach der — soweit ersichtlich — einhelligen Auffassung i n der Literatur erforderlich, daß zunächst das Feststellungsverfahren des Art. 84 Abs. 4 GG durchgeführt werden muß 21 . Nur wenn es sich um die Verletzung solcher Pflichten handelte, deren Erfüllung nicht der Aufsicht des Art. 84 GG unterliegt, wäre die Bundesregierung i n der Lage, unmittelbar m i t dem Bundeszwang i m Verfahren des Art. 37 GG vorzugehen. Diese Auffassung beruht zum Teil auf der Annahme, A r t . 37 GG selbst erlaube eine Prüfung der Pflichtverletzung durch den Bundesrat nicht. Selbst wenn man dieser Annahme zustimmte, wäre die Auffassung wenig überzeugend. So richtig es ist, die Aufsichtskompetenz i n 18
A . A . Wernicke, B K A r t . 37, I I , 2 d ; v. Mangoldt-Klein, A r t . 37, I V , 6 f., S. 864. 19 Vgl. schon f ü r die W R V Abg. Dr. Preuß, Berichte u. Protokolle des 8. Ausschusses, S. 288. A. A., allerdings m i t Bezug auf die Tatbestandsfeststellung der Bundesregierung, v. Mangoldt-Klein, A r t . 37, I I I , 4 a, S. 858: „vornehmlich (?) auf rechtliche Wertungen gründende Tatbestandsfeststellung". 20 So m i t Nachdruck f ü r die W R V Anschütz, „Preußen contra Reich", S. 127 f.; ebenso Jellinek, R u P r V B l . 53,1932, S. 683. 21 Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 43; v. Mangoldt-Klein, K o m m . A r t . 37, I I I , 4 b, S. 859; Held, K , Küster, O., J Z 1953, S. 543; Maunz, i n Maunz-Dürig, Komm. A r t . 37, Rdnr. 29; Spieß, S. 26, 32; Nölting, Bundeszwang, S. 186.
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Viertes Kapitel: Zwangsmaßnahmen gegen die Länder
Art. 84 GG eng zu begrenzen, so fragwürdig ist es, diese Abgrenzung i n irgendeiner Weise auf die Ausgestaltung des Bundeszwangsverfahrens zu übertragen. Auch hier ist der grundlegenden Unterscheidung zwischen der regulären Aufsichtskompetenz und dem Ausnahmerecht nach Art. 37 GG Rechnung zu tragen. Für die reguläre Aufsichtskompetenz ist eine Beteiligung des Bundesrates nur i n dem engen Rahmen des Art. 84 Abs. 4 GG sinnvoll. Für den Bundeszwang ist es jedoch gleich, i n welchem Bereich die Pflichtverletzung geschehen ist. Wenn es zum Äußersten, zur Anwendung des Zwanges, kommt, dann ist die Feststellung der Pflichtverletzung durch den Bundesrat i m einen Fall so wichtig wie i m andern 22 . Es wäre nur schwer verständlich, wenn der Bundesrat für den Fall, daß es wegen einer Pflichtverletzung bei der Ausführung eines wichtigen Bundesgesetzes zur Anwendung des Bundeszwanges kommt, das Vorliegen dieser Pflichtverletzung selbst beurteilen, i n anderen Fällen diese Feststellung dagegen der Bundesregierung überlassen müßte. Für diese Differenzierung ist ein plausibler Grund nicht ersichtlich. Erst recht kann der überwiegenden Auffassung i n der Literatur nicht gefolgt werden, wenn man — wie hier — der Beteiligung des Bundesrates die Aufgabe zuweist, das Vorliegen der Pflichtverletzung zum Schutze der Länder m i t zu überprüfen — und die Kompetenz dazu in Art. 37 GG selbst enthalten sieht. Würde man gleichwohl darauf bestehen, dem Bundeszwangsverfahren das Verfahren nach A r t . 84 Abs. 4 GG vorzuschalten, so würde dadurch nicht mehr erreicht, als daß die jeder Zustimmungserklärung nach A r t . 37 GG vorausgehende Feststellung einer Pflichtverletzung nun i n einem förmlichen Beschluß erscheinen müßte, der als Feststellungsbeschluß nach Art. 84 Abs. 4 GG anzusehen wäre. Ein sachlicher Grund, i m einen Fall einen förmlichen, i m andern dagegen einen nur inzidenten Feststellungsbeschluß zu verlangen, ist nicht ersichtlich. Erteilt der Bundesrat seine Zustimmung, so kommt darin i m einen wie i m andern Fall seine Ansicht, eine Pflichtverletzung liege vor, deutlich zum Ausdruck, selbst wenn i n der Debatte kein Wort über diese Frage verloren sein sollte. Verweigert der Bundesrat die Zustimmung, weil nach seiner Ansicht eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, so kann er das i n einer dem Beschluß beigefügten Begründung zum Ausdruck bringen. Manche Autoren glauben allerdings, einen Grund, zunächst das Verfahren nach Art. 84 Abs. 4 GG durchzuführen, darin zu finden, daß damit zugleich die Pflicht der Bundesregierung begründet werde, die Mängelrüge zu erheben, während sonst die Exekution bereits das erste Stadium bundesstaatlichen Vorgehens gegen pflichtsäumige Länder bilden 82
Vgl. oben S. 61.
§13: Der Bundeszwang
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könne 23 . Es ist jedoch irrig anzunehmen, die Bundesregierung könne ein Land jemals mit dem Bundeszwang überfallen, ohne zunächst das Land um Abhilfe ersucht zu haben 24 . Die bereits i n Art. 3 der Exekutionsordnung des Deutschen Bundes vom 3. August 1920 enthaltene Regelung, nach der bereits vor dem Exekutionsbeschluß der betreffende Bundesstaat aufgefordert werden mußte, den Mangel zu beseitigen, ist i m Kern Ausdruck der i m Staatenbund wie i m Bundesstaat geltenden Treuepflicht, mögen i m einzelnen die Modalitäten auch verschieden sein 25 . I n aller Regel w i r d auch die vorherige Androhung der Exekution selbst erforderlich sein. Der Rückgriff auf Art. 84 Abs. 3 GG ist zur Begründung dieser Pflicht nicht erforderlich. Sieht man i n dem Zustimmungserfordernis das Recht und die Pflicht des Bundesrates, auch die Frage zu prüfen, ob und inwieweit eine Pflichtverletzung seitens des Landes überhaupt vorliegt, so liegt es nahe, auf das Verhältnis von Aufsichts- und Exekutionsverfahren unter der RV v. 1871 hinzuweisen. Die ganz überwiegende Ansicht ließ einen Exekutionsbeschluß des Bundesrates gemäß Art. 19 RV v. 1871 auch dann zu, wenn zuvor nicht der formelle Mängelfeststellungsbeschluß gemäß Art. 7 Ziff. 3 RV v. 1871 gefaßt worden war, sah vielmehr die Kompetenz zur Feststellung der Pflichtverletzung i n Art. 19 RV v. 1871 selbst enthalten 26 . I V . Die Zustimmung des Bundesrates zu den vorgesehenen Maßnahmen
Die Zustimmung des Bundesrates muß i n einem formellen Beschluß festgestellt werden. I n Übereinstimmung mit der überlieferten A n sicht 27 ist nach § 9 Abs. 2 GeschOBR das betroffene Land stimmberechtigt. Umstritten ist, worauf sich die Zustimmung zu erstrecken hat: nur auf die Durchführung des Bundeszwanges an und für sich 28 oder auch auf die einzelnen Maßnahmen 29 . 28
Frowein,S. 59; Nölting,S. 187. Dagegen bereits Laband, H i r t h s - A n n a l e n 1873, Sp. 486; auch Anschütz, „Preußen contra Reich", S. 129; vgl. auch BVerfGE 8, S. 122 ff. (139). 25 Vgl. auch Schilling, AöR 20,1906, S. 65. 26 Triepel, Reichsaufsicht, S. 6691; Thudichum, S. 97; Laband, H i r t h s Annalen 1873, Sp. 486; Meyer-Anschütz, Staatsrecht, S. 937; Arndt, Staatsrecht, S. 110; Westerkamp, S. 70; Fleischer, S. 72 f.; vgl. auch Wunder, S. 67 (allerdings m i t Einschränkungen). 27 Vgl. f ü r die R V v. 1871 Pritsch, S. 48, u n d die dort Genannten. 28 v. Mangoldt-Klein, A r t . 37, I V , 5, vor a), S. 861 u n d I V , 6 a, S. 863. 29 Zinn, AöR 75, 1949, S. 305; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 37, 2, Abs. 3, S. 221; Schäfer, Bundesrat, S. 111; Maunz i n Maunz-Dürig, K o m m . A r t . 37, Rdnr. 32, 40. 24
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Dux
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Viertes Kapitel: Zwangsmaßnahmen gegen die Länder
Der Wortlaut des Art. 37 GG läßt sich für die eine wie für die andere Auffassung heranziehen. Liegt auch die erstere Interpretation näher, so ist sie doch allein nicht überzeugend. Ausschlaggebend muß vielmehr sein, welche Konsequenzen mit der einen und anderen Ansicht verbunden sind. Die Ansicht, den Bundesrat auf eine Zustimmung zur Durchführung des Bundeszwanges überhaupt zu beschränken, führt dazu, daß der Bundesrat sich bei einem Antrag der Bundesregierung vor die radikale Frage gestellt sieht, en bloc zuzustimmen oder abzulehnen. Ist er der Ansicht, daß der Bundeszwang zwar eingeleitet werden soll, aber nicht mit den vorgesehenen Maßnahmen, etwa einer alsbaldigen Sequestration, so bliebe i h m keine andere Wahl, als entweder die Anwendung des Bundeszwanges überhaupt abzulehnen oder seine Bedenken fallenzulassen. Allenfalls i n einer dem Beschluß beigefügten Begründung könnte er zum Ausdruck bringen, daß die Ablehnung wegen der vorgeschlagenen Maßnahmen erfolgt sei. Aber selbst die soll i h m versagt sein 30 . Versagt man also dem Bundesrat die Befugnis, seine Zustimmung auch zu den Maßnahmen i m einzelnen zu erteilen, so erreicht man damit nichts anderes, als daß sehr wahrscheinlich die Ablehnung der einzelnen Maßnahmen i n der Ablehnung des Bundeszwanges überhaupt ihren Niederschlag findet. Damit aber ist der zumeist zu schnellem Handeln genötigten Bundesregierung am wenigsten gedient. Sieht man dagegen von vornherein von der Zustimmung des Bundesrates auch die vorgesehenen Maßnahmen selbst erfaßt, so kann der Bundesrat einzelne Maßnahmen ablehnen, der Einleitung des Bundeszwanges überhaupt aber zustimmen. Die Bundesregierung w i r d i n die Lage versetzt, den Bundeszwang sofort durchzuführen, und kann über die weiteren Maßnahmen mit dem Bundesrat verhandeln. Ungleich prekärer würde — wenn man der herrschenden Lehre folgen wollte — die Situation, wenn der Bundesrat während der Durchführung des Bundeszwanges mit bestimmten Maßnahmen der Bundesregierung nicht einverstanden ist. Nach unbestrittener Ansicht ist die Zustimmungserklärung widerruflich 3 1 . Besteht der Bundesrat darauf, daß eine bestimmte Maßnahme nicht durchgeführt wird, bliebe i h m nach der von Klein vertretenen Auffassung nichts anderes übrig, als die Zustimmung überhaupt zu widerrufen. Eine solche Auslegung riskiert Konsequenzen, die letztlich zu einer schweren Schädigung der Verfassung führen können. Darüber hinaus aber ist sie irreal, wenn sie 30 Vgl. oben S. 127. Dieser Rigorismus verstärkt n u r die Schwierigkeiten, i n die Bundesrat u n d Bundesregierung bei divergierenden Meinungen über die Notwendigkeit der Maßnahmen geraten würden. 31 v. Mangoldt-Klein, A r t . 37, I V , 6 g, S. 864.
§13: Der Bundeszwang
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meint, sie könne die Zustimmung zum Bundeszwang überhaupt von der Zustimmung zu den einzelnen Maßnahmen trennen. Das Recht der Zustimmung zum Bundeszwang überhaupt muß dazu führen, daß auch die A r t und Weise, wie er durchgeführt werden soll, zur Diskussion gestellt wird. Weder die Bundesregierung noch der Bundesrat werden sich i m Ernstfall die Rigorismen, die i n der gegenteiligen Ansicht liegen, leisten können. Endlich aber muß darauf hingewiesen werden, daß das Zustimmungserfordernis des Art. 37 GG zum Schutze der Länder eingeführt worden ist. Für diesen Schutz ist aber die A r t der Durchführung sehr wesentlich. Gegenüber der Annahme, die Zustimmung des Bundesrates habe sich auch auf die einzelnen Maßnahmen selbst zu erstrecken, könnte eingewandt werden, damit werde die Gefahr heraufbeschworen, daß die Durchführung an Schnelligkeit und Schlagkraft verliert. Zu Unrecht! Wenn Art. 37 GG die Zustimmung zu den notwendigen Maßnahmen verlangt, so kann er nur die i m Auge haben, die grundsätzlicher A r t sind und i m voraus überhaupt festgelegt werden können. Soweit der Bundesrat keine Vorbehalte macht, überläßt er die Maßnahmen i m einzelnen der Bundesregierung. Hier genügt es, daß er die insoweit notwendig generell erteilte Zustimmung i n einzelnen Punkten widerrufen bzw. konkretisieren kann und damit die Möglichkeit hat, von der Bundesregierung zu verlangen, daß einzelne Maßnahmen — soweit möglich — rückgängig gemacht werden. Es ist ein Ausfluß dieses Widerrufsrechts, daß die Bundesregierung dem Bundesrat über den Verlauf der Exekution bis ins einzelne laufend zu informieren hat. V. Ausübung und Bedeutung des Zustimmungsrechtes
Während der Bundesrat sich bei der inzidenten Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen von streng rechtlichen Erwägungen leiten zu lassen hat, ist die Zustimmung selbst i n das Ermessen des Bundesrates gestellt. Auch dieses Ermessen kennt Schranken. Es ist die Aufgabe des Bundesrates, ein Land davor zu bewahren, ungerechtfertigt und ohne Not mit dem Bundeszwang überzogen zu werden. Das ist oben deutlich gegenüber anderen Lehrmeinungen, die ein Prüfungsrecht verneinen, herausgestellt. Aber es wäre völlig verfehlt, wenn der Bundesrat seine Zustimmungsbefugnis dazu benutzen würde, um den Bundeszwang zu verhindern oder ihn zu einem stumpfen Schwert werden zu lassen, sollte je die bedauerliche Notwendigkeit, ihn anzuwenden, sich ergeben. Ja, die Verweigerung der Zustimmung könnte selbst einmal einen verfassungswidrigen Mißbrauch bedeuten, wenn sie etwa dazu dienen sollte, den Bund auseinander brechen zu lassen. Aber praktikable Schranken diesseits des offenen Verfassungsmißbrauchs lassen sich 9*
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Viertes Kapitel: Zwangsmaßnahmen gegen die Länder
kaum aufstellen. Insoweit ist das Verfassungsleben letzten Endes auf die Verfassungstreue seiner Organe angewiesen. Der Einfluß, der damit dem Bundesrat auf die Durchführung des Bundeszwanges eingeräumt ist, ist beachtlich 32 . Er ist zwar nicht die „eigentlich entscheidende Instanz" 33 . Das eigentliche, die Exekution durchführende Organ bleibt die Bundesregierung. Aber die Bedeutung seiner M i t w i r k u n g steht der der Bundesregierung nicht nach. Denn wo zwei nur einvernehmlich handeln können, ist der eine so wichtig wie der andere 34 . V I . Zusammenfassung
Der Bundeszwang trägt deutlich die Züge einer Ausnahmekompetenz zur Sicherung der bundesstaatlichen Ordnung. Neben der Verfassungsgerichtsbarkeit ist er weniger als Vollstreckungsverf ahren der Bundesaufsicht denn als Verfahren einer einstweiligen Regelung anzusehen. Eine vorherige Feststellung der Pflichtverletzung durch das Bundesverfassungsgericht ist nicht erforderlich. Das Vorliegen einer zum Bundeszwang berechtigenden Pflichtverletzung w i r d neben der Bundesregierung auch vom Bundesrat geprüft. Diese Prüfung kann inzidenter erfolgen. Soll der Bundeszwang durchgeführt werden wegen einer Pflichtverletzung, die i m Wege der Aufsicht nach A r t . 84 Abs. 3 GG gerügt werden kann, so ist gleichwohl ein vorheriges Verfahren nach A r t . 84 Abs. 4 GG nicht notwendig. Immer aber ist zunächst eine Aufforderung erforderlich, den Mangel abzustellen — abgesehen von den Fällen des offenen Verfassungsbruchs. Die Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung des Bundeszwanges erfaßt auch die einzelnen Maßnahmen, soweit sie i m voraus festlegbar sind. Die Erteilung der Zustimmung steht i m Ermessen des Bundesrates.
§ 14: Bundeszwang und außerordentliche Gefahrenabwehr nach A r t . 91 G G
Es ist abschließend die Frage aufzuwerfen, ob die Beteiligung des Bundesrates an den Abwehrmaßnahmen des A r t . 91 Abs. 2 GG als 32
Bedenken dagegen: W. Weber, Spannungen u n d Kräfte, S. 83 ff. So v. Brentano, D Ö V 1949, S. 271; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 37, 2, S. 220; ebenso Nölting, S. 181. 34 Die Kontroverse, die sich an die Äußerung v. Brentanos angeschlossen hat (vgl. v. Mangoldt-Klein, A r t . 37, I V , 6 b, S. 863), ist deshalb v ö l l i g u n fruchtbar. 33
§ 14: Bundeszwang und Gefahrenabwehr nach Art. 91 GG
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eine Beteiligung an Maßnahmen des Bundeszwanges und damit der Bundesaufsicht anzusehen ist 1 . I . Bundeszwang und Notstand
Die historischen Wurzeln des Art. 91 GG sind i n den Notstandsvorschriften der Art. 68 RV v. 1871, 48 Abs. 2 WRV zu suchen und nicht i n den Bundeszwangskompetenzen der Art. 19 RV v. 1871, Art. 48 Abs. 1 WRV 2 . Die Frage ist daher zunächst, wodurch sich Bundeszwang und Notstand unterscheiden. Unter der WRV hat Hechel zunächst i n einer Abhandlung über D i k tatur, Notverordnungsrecht, Verfassungsnotstand 3 , dann i n einer K r i t i k an dem Urteil des Staatsgerichtshofs i n dem bekannten Rechtsstreit zwischen Preußen und dem Reich i m Jahre 1932 Reichsexekution und außerordentliche Gefahrenabwehr nach A r t . 48 Abs. 2 WRV (Diktatur) danach unterschieden, daß i m Falle der Reichsexekution gegen eine aus dem Innern des Verfassungsaufbaus resultierende (verfassungsinterne) Störung i m Falle einer Gefahrenabwehr nach Art. 48 Abs. 2 WRV gegen einen Störer außerhalb der Verfassungssphäre eingeschritten werde 4 . Gegenüber der ganz überwiegenden abweichenden Auffassung, wonach sich Notstandsmaßnahmen nach Art. 48 Abs. 2 WRV auch gegen die Länder richten konnten 5 , besaß die Heckelschie Unterscheidung schon damals den Vorzug, daß sie zu einer sauberen dogmatischen Unterscheidung führte 8 . Aus eben diesem Grunde empfiehlt sie sich — wie immer die Rechtslage unter der WRV auch gewesen sein mag — auch heute. Dieser Unterscheidung steht nicht entgegen, daß es vertretbar erscheint, für Zeiten eines derartigen Notstandes die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu verschieben; für zulässig ist es auch zu erachten, den Ländern für den Fall eines derartigen Notstandes besondere verfassungsrechtliche Hilfspflichten aufzuerlegen, etwa die, dem Bund Polizeieinheiten zur Verfügung zu stellen. Dadurch werden sie nicht eigentlich zu Adressaten der Notstandsmaßnahmen, sie werden daher auch nicht als „jedermann" behandelt, wie Heckel meinte 7 , viel1
So Fr owein, S. 47 ff. Vgl. v. d. Heydte, Staatsnotstand, S. 79 f. 3 Hechel, AöR N F 22,1932, S. 257 ff. (269). 4 Hechel, AöR N F 23, 1933, S. 184 ff.; neuerdings Hesse, D Ö V 1955, S. 741 ff. 5 Vgl. Anschütz, K o m m . A r t . 48, 1, S. 269 f.; Jellineh, R u P r V B l . 53, 1932, S. 681; Bilfinger, D J Z 1933, Sp. 145 ff. 6 Z u den einzelnen Argumenten vgl. Hechel, AöR N F 23, 1933, S. 184 ff. 7 Hechel, AöR N F 23,1933, S. 187. 2
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Viertes Kapitel: Zwangsmaßnahmen gegen die Länder
mehr gerade i n ihrer Eigenschaft als Gliedstaaten des Bundes auf eine verfassungsrechtliche Beistandspflicht hin angesprochen 8. I n keinem Fall aber erscheint es berechtigt, auf Grund des Notstandes Maßnahmen gegen das Land selbst zu treffen, etwa die Landesregierung abzusetzen. Das Mittel, um gegen ein Land selbst vorzugehen, ist allein der Bundeszwang. Seine Anwendung setzt eine Pflichtverletzung voraus. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese für einen Bundesstaat naheliegende Unterscheidung sollte außer acht gelassen werden. Solange das Land eine Pflicht nicht verletzt, vielmehr alles Gebotene tut, ist es auch nicht gerechtfertigt, Maßnahmen gegen es zu richten. Störungen von außen müssen — gegebenenfalls i m Verein mit der Landesregierung — auch durch Maßnahmen nach außen bekämpft werden. Verletzt das Land aber seine Pflicht, etwa durch mangelnde A k t i v i t ä t bei der Bekämpfung der Störung, dann bietet der Bundeszwang die gegeeigneten Mittel, um gegen das Land vorzugehen. Gerade solange das Grundgesetz eine ausreichende Notstandsregelung nicht kennt, i m Ernstfall daher auf ein ungeschriebenes Notstandsrecht zurückgegriffen werden muß 9 , ist diese Unterscheidung von Bedeutung. I I . Die Regelung des Art. 91 G G
Die dargelegte Unterscheidung zwischen Bundeszwang und Notstand bewährt sich an der von Art. 91 GG getroffenen Regelung. Art. 91 GG geht davon aus, daß die Gefahr durch Störer außerhalb der Verfassungssphäre hervorgerufen wird. Ist das Land von vornherein Urheber der eigentlichen Gefahr, dann können Maßnahmen gegen das Land ausschließlich auf Grund des Art. 37 GG ergriffen werden. Dadurch entstehen dem Bund hinsichtlich der M i t t e l zur Bekämpfung der Gefahr keine Nachteile. Auch Art. 37 Abs. 2 GG erlaubt es der Bundesregierung, die Polizeikräfte sämtlicher Länder nach eigener Weisung einzusetzen 10 . Erforderlich ist allerdings die vorherige Zustimmung des Bundesrates 11 . Eigentlicher und letzter Adressat aller auf Grund des A r t . 91 GG getroffenen Maßnahmen sind demnach auch die außerhalb des Verfassungsaufbaus stehenden Störer. Die Unterstellung der Polizeikräfte der Länder unter die Weisungsgewalt des Bundes ist nicht als ein gegen die 8
Vgl. dazu Krüger, D Ö V 1960, S. 725 ff. Vgl. Scheuner, Verfassungsschutz, S. 318. 10 Zinn, AöR 75, 1949, S. 305; v. Mangoldt, K o m m . A r t . 37, 2, S. 221; Schäfer, AöR 78, 1952/53, S. 46; v. Mangoldt-Klein, A r t . 37, V, 1, S. 865; s. auch die Äußerungen der Abg. Dr. Kleindienst, Wagner u n d Dr. Hoch bei Matz, JöR N F 1, S. 336 f. 11 Vgl. aber auch unten S. 136. 9
§ 14: Bundeszwang und Gefahrenabwehr nach Art. 91 GG
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Länder gerichteter Zwangsakt zu verstehen, gegen das betroffene Land so wenig wie gegen die übrigen Länder. Art. 91 Abs. 2 GG begründet vielmehr eine eigenartige Form der Mitwirkungspflicht bei der außerordentlichen Gefahrenabwehr, die ausschließlich den Sinn hat, dem Bund die Mittel zur Bekämpfung der Gefahr zu beschaffen. — Diese Regelung erklärt sich bekanntlich daraus, daß dem Bund bei dem Erlaß des Grundgesetzes eine eigene bewaffnete Macht nicht zur Verfügung stand. — Zwar trifft das betroffene Land ohnehin die Pflicht, die Gefahr zu bekämpfen — aber nur i n eigener Regie. Die Pflicht, dem Bund die Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen, beruht auch für das betroffene Land allein auf Art. 91 Abs. 2 GG. Die Feststellung, daß es sich bei den auf Art. 91 Abs. 2 GG gestützten Maßnahmen lediglich um das Gebrauchmachen von einer verfassungsrechtlichen Unterstützungspflicht handelt, ist wesentlich für die K r i t i k jener Ansicht, nach der A r t . 91 Abs. 2 GG als Unterfall der Bundeszwangskompetenz anzusehen ist. Art. 91 Abs. 2 GG regelt die Nahtstelle zwischen den Bundeszwangsund Notstandsmaßnahmen. Ist ein Land nicht in der Lage, die Gefahr wirksam zu bekämpfen, scheiden allerdings Bundeszwangsmaßnahmen gegen das Land aus. Es ist zwar zutreffend, daß eine zum Bundeszwang berechtigende Pflichtverletzung kein schuldhaftes Handeln voraussetzt; vorausgesetzt ist aber, daß das Land seine Pflicht verletzt hat. Auch eine nur objektive Pflichtverletzung liegt aber nicht vor, wenn das Land alles i n seiner Macht befindliche getan hat, sowohl um die Entstehung solcher Gefahren zu verhindern, als auch, u m ihrer Herr zu werden. Ultra posse, nemo obligatur! Dieser Satz ist Inhalt des Pflichtbegriffes 12 . Er gilt daher auch für das Bund-Länder-Verhältnis 1 3 . Eine Erfolgshaftung jenseits des Könnens 14 geht nicht nur über den Pflichtbegriff hinaus, sie ist für eine Bundeszwangskompetenz auch sinnlos: was nicht erfüllbar ist, kann auch nicht erzwungen werden 15 . I n einem solchen Fall, i n dem die M i t t e l des betroffenen Landes nicht ausreichen, steht dieses Land selbst nicht anders da als die übrigen Länder, deren Polizeikräfte den Weisungen der Bundesregierung unterstellt werden. Der Bund muß hier tun, was das Land nicht t u n kann. 12 So schon Kant, Z u m ewigen Frieden, A n h a n g I i n : Kleinere Schriften zur Geschichtsphilosophie, E t h i k u n d P o l i t i k , Philosoph. Bibliothek, Bd. 47, 1959, S. 151. 13 Vgl. auch Spieß, S. 13 (aber auch S. 19). Nicht scharf genug unterschieden w i r d die objektive Pflichtverletzung v o m Verschulden auch bei Sauberzweig, S. 44. 14 So Frowein, S. 48; vgl. zur W R V auch Bilfinger, D J Z 1933, Sp. 146, der aber w o h l lediglich ein Verschulden ausschließen wollte. 15 Während des Deutschen Bundes forderte Klüber, § 178, S. 216 ein „ u n 4 begründetes Nichterfüllen" als Voraussetzung der Exekution. Richtig zur R V v. 1871 Schilling, AöR 20,1906, S. 60 f.; für die W R V Richter, S. 57.
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Viertes Kapitel: Zwangsmaßnahmen gegen die Länder
Die Frage, ob A r t . 91 Abs. 2 GG als Unterfall des Bundeszwanges anzusehen ist, w i r d erst problematisch, wenn das Land nicht bereit ist, die Gefahr zu bekämpfen. I n einer solchen Weigerung liegt unzweifelhaft eine zum Bundeszwang berechtigende Pflichtverletzung. Die von außen kommende außerordentliche Gefahrensituation w i r d hier u m die i m inneren Gefüge des Verfassungsaufbaues begründete Pflichtwidrigkeit vermehrt. I n diesem und nur i n diesem Fall gehen Maßnahmen zur Bekämpfung der außerordentlichen Gefahr und Bundeszwangsmaßnahmen praktisch ununterscheidbar ineinander über. Die Unterstellung der Polizei des betroffenen Landes unter die Weisungsgewalt des Bundes kann jetzt als eine gegen das Land gerichtete Maßnahme des Bundeszwanges erfolgen, aber sie muß es nicht. Es steht nichts i m Wege, wenn der Bund die Pflichtwidrigkeit des Landes zunächst oder überhaupt auf sich beruhen läßt und von dem i h m ganz unabhängig von einer Pflichtwidrigkeit des Landes verliehenen Mittel, die Polizeikräfte des betroffenen Landes oder aller Länder seinen Weisungen zu unterstellen, Gebrauch macht. Der Bund ist nicht gezwungen, Bundeszwangsmaßnahmen zu ergreifen. Der bloße Umstand, daß i h m die M i t t e l i n dem Verfahren nach Art. 91 Abs. 2 GG auch dann zur Verfügung gestellt werden, wenn zugleich eine zum Bundeszwang berechtigende Pflichtverletzung vorliegt, macht die auf Art. 91 Abs. 2 GG gestützte Maßnahme noch nicht selbst zu einer Maßnahme des Bundeszwanges. Es heißt die klare dogmatische Unterscheidung zwischen Bundeszwang und Notstand außer acht lassen, wenn man aus der möglichen Überlagerung beider Institute das eine i n das andere hineinzuinterpretieren sucht 16 . m . Die Zustimmung des Bundesrates
Für die auf Art. 91 Abs. 2 GG gestützten Maßnahmen ist die vorherige Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich. I n den Fällen, i n denen zugleich eine Pflichtverletzung des Landes vorliegt, w i r d die Bundesregierung deshalb ihre Maßnahmen eher auf Art. 91 Abs. 2 GG als auf A r t . 37 stützen, sofern sie mit dem M i t t e l der Polizeikonzentration des A r t . 91 Abs. 2 GG die Gefahr beseitigen zu können glaubt. Auch hier ist dem Bundesrat ein bedeutendes Mitwirkungsrecht dadurch gesichert, daß er nachträglich die Aufhebung der getroffenen Maßnahmen verlangen kann. Überdies w i r d man es für zulässig erachten müssen, daß der Bundesrat bereits zuvor erklärt, bestimmte Maßnahmen dürften nicht ergriffen werden. A u f diese Weise kann er sein Mitwirkungsrecht auch i m Rahmen des Art. 91 Abs. 2 GG präventiv zur Geltung bringen. 16
K l a r unterschieden bei Spieß, S. 14; bedenklich Geiger, Bay. VB1. 1957,' S. 307.
Schluß Überblickt man die Beteiligung des Bundesrates an der Bundesaufsicht insgesamt, so ist festzustellen, daß die Bundesregierung für die Länder unmittelbar verbindliche Maßnahmen ohne die M i t w i r k u n g des Bundesrates überhaupt nicht treffen kann. Es liegt auf der Hand, daß damit schon verfahrensmäßig eine gewisse Beeinträchtigung der W i r k samkeit der Aufsicht eintritt. I n ruhigen Zeiten w i r d daraus i m Bereich der kontrollierenden Rechtsaufsicht kaum ein Schaden entstehen. Die umfassende Verwaltungsgerichtsbarkeit hat ohnehin den einzelnen Fall der Obhut der Aufsicht entrückt. Wo es gleichwohl zu einer ernsteren Spannung zwischen Bund und Länder kommen sollte, hat die Möglichkeit eines verfassungsgerichtlichen Austrags der Meinungsverschiedenheit die praktische Bedeutung der Bundesaufsicht auch in den ihr verbliebenen ohnehin enger gezogenen Grenzen weiter zurückgedrängt. Kritisch w i r d die M i t w i r k u n g des Bundesrates erst i n Krisenzeiten. Ob das Zustimmungsrecht des Bundesrates zum Bundeszwang sich als hinderlich erweist, w i r d allein von seiner staatsmännischen Klugheit abhängen. Ganz anders liegen die Verhältnisse i m Bereich der leitenden Aufsicht. Die Polemik, die sich vielfach gegen die dem Bund mit der leitenden Aufsicht verliehenen Einwirkungsmöglichkeiten i n den Länderbereich richtet 1 , scheint zu übersehen, daß sie nur das unerläßliche Gegengewicht darstellen gegenüber der rigorosen Beschneidung der eigenen Verwaltungskompetenzen des Bundes i n den unteren und mittleren Verwaltungsstufen. Angesichts der die Ländergrenzen vielfach übergreifenden Auswirkung der Verwaltung, vor allem auch angesichts der vielfach auftretenden Notwendigkeit der einheitlichen Ausführung gerade auch i n Ermessensentscheidungen, mußten diese Aufsichtsformen eine gesteigerte Bedeutung erlangen. Das gilt insbesondere für das Weisungsrecht nach A r t . 84 Abs. 5 GG. Dem Bundesrat ist damit auch hier eine nicht einfache Aufgabe des Ausgleichs übertragen: Es ist seine besondere Aufgabe, einen zu weitgehenden Einfluß des Bundes auf die den Ländern zustehende Ausführung abzuwehren, ohne die sich für den Bund als notwendig erweisenden Einwirkungen zu hindern.
1
Vgl. Nawiasky,
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