Der Bundesrat in Deutschland und Österreich [1 ed.] 9783428505142, 9783428105144

Auf Bundesebene verkörpert sich im Bundesrat das Bundesstaatsprinzip als gleichwertiger Fundamentalgrundsatz neben ander

113 92 18MB

German Pages 186 Year 2001

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Der Bundesrat in Deutschland und Österreich [1 ed.]
 9783428505142, 9783428105144

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Der Bundesrat in Deutschland und Österreich

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 143

Der Bundesrat in Deutschland und Österreich

Herausgegeben von

Detlef Merten

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Der Bundesrat in Deutschland und Österreich I Hrsg.: Detlef Merten. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer; Bd. 143) ISBN 3-428-10514-1

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2001 Duncker & Humb1ot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-10514-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Vorwort Auf Bundesebene verkörpert sich im Bundesrat das Bundesstaatsprinzip als gleichwertiger Fundamentalgrundsatz neben anderen Staatsstrukturprinzipien. Dabei wirkt dieses föderative Staatsorgan als zweite parlamentarische Kammer zugleich gewaltenhemmend. Die unterschiedliche verfassungsgesetzliche Ausgestaltung des Bundesrates in Deutschland und Österreich, Akzentverschiebungen im Verhältnis von Bund und Ländern sowie die durch Verfassungsnovellen in beiden Staaten geregelte Mitwirkung der Länder in Angelegenheiten der Europäischen Union boten Anlaß, verfassungsrechtliche Kompetenzen und politisches Gewicht dieser Institution aus rechtsvergleichender wie rechtshistorischer, verfassungsdogmatischer wie rechtspolitischer Perspektive zu betrachten. Zu einer Tagung über den ,,Bundesrat in Deutschland und Österreich", die unter der wissenschaftlichen Leitung des Herausgebers vom 15. bis 17. September 1999 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer veranstaltet und mit Grußansprachen der Bundesratspräsidenten Österreichs und Deutschlands eröffnet wurde, trafen sich Teilnehmer aus dem Inland und Ausland, die die Referate nicht nur im Plenum, sondern auch in drei Arbeitsgruppen diskutierten und vertieften. Die Vorträge sowie die Berichte aus den Arbeitsgruppen werden im folgenden veröffentlicht. Der Fritz Thyssen-Stiftung, die die Durchführung der Tagung und die Drucklegung ihrer Ergebnisse in entgegenkommender und unbürokratischer Weise gefördert hat, sei an dieser Stelle in besonderer Weise gedankt. Speyer, im Dezember 2000

Detlef Menen

Inhaltsverzeichnis Eröffnung der Tagung Siegtried Magiera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Einführung in das Thema Detlef Merten

13

Grußansprache Roland Koch

19

Grußansprache Jürgen Weiss

27

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe Von Herbert Schamheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

Bundesstaatlichkeil als Element des Verfassungsstaats Von Paul Kirchhaf .. . . .. . .. . .. . . .. .. .. .. .. .. .. . . .. . . .. .. . . . . .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. . . ..

59

Das Finanzsystem im Österreichischen Bundesstaat Von Heinz Schäffe r . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

Kooperativer Zentralismus Von Georg-Berndt Oschatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Die Mitwirkung des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union Von Walter Labuda.. . .... . . ... ... . ...... . .... . ... . ... . ... .. ........ .. .. .. .... . .. ... . 151 Die föderative Verfassung der Europäischen Union Von Peter Badura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Arbeitsgruppe 1: Kooperativer Zentralismus Vorsitz: Hartmut Bauer- Bericht von Horst Risse .. .. . . .. .. . .. . .. . .. . .. .. . .. . .. .. . .. 173 Arbeitsgruppe 2: Finanzsystem im Bundesstaat Vorsitz: Ferdinand Kirchhof- Bericht von Karim Giese .. . . . ........... . ... . . ..... 177 Arbeitsgruppe 3: Deutschland und ÖSterreich in Europa Vorsitz: Rudolf Streinz - Bericht von Michael Holoubek . . .. . .. . .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. . 181 Verzeichnis der Referenten und Berichterstatter .. .. .. . . .. .. . .. .. .. . . . .. . .. . .. .. . .. .. .. . 185

EröffnungderTagung durch den Rektor der Hochschule Universitätsprofessor Dr. Siegfried Magiera Es ist für mich eine besondere Freude, diese Tagung, die sich mit dem Bundesrat in Deutschland und in Österreich befaßt, an unserer Hochschule eröffnen und dazu eine so große Zahl hochrangiger Referenten und Gäste aus dem In- und Ausland, vor allem auch aus unserem Nachbarland Österreich, begrüßen zu dürfen. Ich heiße Sie alle im Namen der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer herzlich willkommen und begrüße besonders die Vortragenden des heutigen Nachmittags, die Präsidenten des deutschen und des Österreichischen Bundesrats, Herrn Ministerpräsidenten Koch und Herrn Bundesminister a.D. Weiss, sowie den ehemaligen Präsidenten des Österreichischen Bundesrats, Herrn Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Schambeck, und den Richter des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Universitätsprofessor Dr. Paul Kirchhof. Ferner begrüße ich herzlich den Oberbürgermeister der Stadt Speyer, Herrn Schineller. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Universitätsprofessor Dr. Dr. Merten dafür, daß er es auf sich genommen hat, die Tagung umsichtig zu organisieren und zu leiten mit der für die Hochschule Speyer charakteristischen Verbindung von Wissenschaft und Praxis möglichst mit Blick über die deutschen Grenzen hinaus, wofür die ausgewählten Themen ebenso wie der Teilnehmerkreis bürgen. Damit setzt die Hochschule eine lange Tradition fort, innerhalb derer sie sich anläßtich von Tagungen und sonstigen Veranstaltungen verschiedentlich und zeitgemäß mit Aspekten des Bundesstaats und in einem weiteren Sinn des Föderalismus beschäftigt hat, so etwa 1961 mit den Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, 1971 mit der Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden, 1974 mit der Politikverflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie - im Rahmen des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung - 1987 mit dem Verhältnis von Bundesländern und Europäischer Gemeinschaft sowie 1995 mit der Stellung der Landesparlamente aus deutscher, österreichischer und spanischer Sicht. In jüngster Zeit waren die Eröffnung des Wintersemesters 1998/99 mit einem Vortrag des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Herrn Teufel, und die Frühjahrstagung 1999 der Hochschule dem Thema Föderalismus gewidmet. Die Aktualität des Themenbereichs kommt auch in den Vortragsthemen dieser Tagung, die sich dem Bundesrat in Deutschland und in Österreich unter vergleichender Perspektive widmet, zum Ausdruck. Dabei ist nicht nur der grenzüber-

10

Siegfried Magiera

schreitende Aspekt zwischen den verschiedenen Staatsverfassungen von Interesse und Bedeutung, sondern ebenso der Bezug zur Europäischen Union. Durch die Verfassungsänderung von 1992 im Zuge der Ratifizierung des Vertrags über die Europäische Union hat der deutsche Bundesrat, auf den ich mich hier beschränken möchte, eine erhebliche Stärkung bei der Mitwirkung in den Angelegenheiten der Europäischen Union erfahren, und zwar gegenüber der Bundesregierung und im Vergleich zum Bundestag ebenso wie im Verhältnis zu den Ländern. Bemerkenswert erscheint mir insoweit, daß die Länder dadurch insgesamt ebenfalls gestärkt worden sind, obwohl sie als einzelne ihre zuvor innegehabte Vetoposition zugunsten des Mehrheitsprinzips im Bundesratsverfahren aufgeben mußten. Bekanntlich ist der Rat der Europäischen Union dem Bundesrat nachgebildet. Wie im Bundesrat kommen im Unionsrat Vertreter der einzelstaatlichen Regierungen zusammen, wie im Bundesrat sind die Stimmen der Einzelstaaten im Unionsrat gewichtet und wie im Bundesrat stimmen die Mitglieder im Unionsrat mehrheitlich ab, allerdings nicht stets mit einfacher, sondern überwiegend mit qualifizierter Mehrheit und teilweise noch einstimmig. Die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union um neue Mitgliedstaaten bedingt eine Reform auch des Unionsrates, insbesondere was das Stimmengewicht und die Abstimmungsmehrheiten anbetrifft, wenn die Europäische Union funktionsfähig bleiben soll. Wie schwierig diese Reformaufgabe ist, zeigt sich daran, daß sie bei den Beratungen anläßlich des Amsterdamer Vertrags, auf dessen Agenda sie stand, letztlich nicht bewältigt werden konnte. Es fragt sich, ob die Erfahrungen mit dem staatlichen Bundesrat auch für den gemeinschaftlichen Unionsrat dienlich sein könnten. Dies erscheint deshalb wichtig, weil es weder ftir die Stimmengewichtung noch für die Mehrheitserfordernisse im Bundesrat wie im Unionsrat allgemein anerkannte Maßstäbe gibt, wie sie etwa ftir ein voll entwickeltes Parlament als Volksvertretung aufgrund des Prinzips "one person - one vote" vorhanden sind. Eine nüchterne Bestandsaufnahme der deutschen und der Österreichischen Verfassungsentwicklung mit ihren Vor- und Nachteilen wäre insoweit hilfreich, wenn auch wegen der unterschiedlichen Strukturen zwischen Bundesstaat und Europäischer Union nicht einfach übertragbar. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Zeitrahmen und Höflichkeit gebieten es, daß ich an dieser Stelle mit meinen Bemerkungen zur sachlichen Thematik einhalte, die ich als Rektor, der zugleich den Lehrstuhl für öffentliches und europäisches Recht innehat, nicht gänzlich vermeiden konnte. Es bleibt mir die angenehme Schlußbemerkung, Ihnen für Ihre Beratungen und Gespräche am Rande der Tagung wie für Ihren Aufenthalt an unserer Hochschule sowie in Speyer und Umgebung alles Gute zu wünschen. Bevor ich jedoch das Wort an den Tagungsleiter, Herrn Kollegen Merten, weiterreiche, möchte ich um Ihre Aufmerksamkeit für eine Amtshandlung bitten, die aus

Eröffnung der Tagung

11

Zeitgründen nicht im Programm angekündigt werden konnte, mit Ihrem Einverständnis jedoch in diesem würdigen Rahmen vorgenommen werden sollte. In seiner Sitzung am 26. Juli 1999 hat der Senat der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer einstimmig beschlossen, dem Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz vorzuschlagen, den Direktor des deutschen Bundesrates, Herrn Minister a.D. Georg-Berndt Oschatz, den ich an dieser Stelle besonders herzlich begrüße, zum Honorarprofessor zu ernennen. In seiner Begründung hebt der Senat hervor, daß Herr Direktor Oschatz, den ich in diesem Kreise nicht näher vorzustellen brauche, seit dem Wintersemester 1992 I 93 als Lehrbeauftragter und Referent erfolgreich an den Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen der Hochschule im Bereich "Theorie und Praxis des Bundesstaates" mitwirkt, einem Bereich, in dem Herr Oschatz über langjährige berufliche Erfahrung im In- und Ausland verfügt und in dem er durch zahlreiche, weit beachtete Veröffentlichungen hervorgetreten ist. Es freut mich sehr, daß Herr Ministerpräsident Beck dem Vorschlag der Hochschule entsprochen und am 2. September 1999 die Ernennungsurkunde unterzeichnet hat. Sehr verehrter Herr Direktor Oschatz, ich darf Sie bitten, die Ernennungsurkunde zum Honorarprofessor an unserer Hochschule für das Gebiet "Theorie und Praxis des Bundesstaates" entgegenzunehmen. Im Namen der Hochschule und auch ganz persönlich gratuliere ich Ihnen herzlich zu Ihrer Ernennung. Als unserem neuen Kollegen wünsche ich Ihnen weiterhin alles Gute für Ihre Tätigkeit an der Hochschule wie in der Praxis des Bundesrates sowie für Ihr persönliches Wohlergehen.

Der Bundesrat in Deutschland und Österreich Einführung in das Thema Von Detlef Merten Anlaß dieser Tagung ist das fünfzigjährige Bestehen des Deutschen Bundesrates, der sich am 7. September 1949 in Bonn konstituiert hatte und dessen Jubiläum vor einigen Tagen mit einem Festakt gefeiert wurde. Damit hat der Bundesrat in der Geschichte des deutschen Staates seit 1871 ein höheres Alter erreicht als der Bundesrat des Kaiserreichs oder gar der Reichsrat der Weimarer Republik. Jubiläen können nur Anlaß, nicht Fundament einer wissenschaftlichen Tagung sein. Die Gründe für eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme und Reformüberlegungen liegen tiefer und reichen teilweise weiter zurück. Es handelt sich um Akzentverschiebungen im parlamentarischen Regierungssystem, die nicht nur auf einer Änderung des Verfassungstextes wie im Falle der Mitwirkung des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union, sondern auch auf einer Änderung der Verfassungsrealität beruhen. Hinzuweisen ist auf das vermehrte Mitspracherecht des Bundesrates durch die gestiegene Zahl der Zustimmungsgesetze, seine Instrumentalisierung für Oppositionszwecke ("Blockadepolitik"), seine Nutzbarkeit als Forum der jungen deutschen Länder und seine Bedeutung in einem Europa mit föderativen Tendenzen. Ungeachtet der über fünfzigjährigen Geltung des Grundgesetzes ist die staatsrechtliche Einordnung des Bundesrates als eines föderativ-demokratischen Organs1 dogmatisch nicht unproblematisch. Während das Grundgesetz in Art. 59 Abs. 2 von den "für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften" spricht, hat das Bundesverfassungsgericht in einer früheren Entscheidung dem Bundesrat die Eigenschaft einer "zweiten Kammer" abgesprochen, allerdings nur einer solchen zweiten Kammer, die "gleichwertig mit der ,Ersten Kammer' am Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist2". In dem schon erwähnten Festakt haben Sie, Herr Bundesratspräsident Koch, den Bundesrat - wie ich meine zu Recht als "zweite parlamentarische Kammer" bezeichnee, und als solche wird der t Vgl. auch BVerjGE 24, 184 (197): .,föderativer Teil der Legislative"; Michael Sachs (FN 5), S. 42: "parlamentarisch-föderaler Verfassungsstaat". 2 BVerjGE 37, 363 (380); kritisch hierzu Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Auf!., 1984, S. 743. 3 Ansprache des Präsidenten des Bundesrates, Ministerpräsident Roland Koch, beim Festakt des Bundesrates am 6. 9. 1999, Pressemitteilung des Bundesrates 106/1999 vom 6. 9. 1999, s. 3.

14

Detlef Merten

allerdings anders zusammengesetzte - Bundesrat auch in Österreich begriffen4 • Demgegenüber hat die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer auf ihrer Tagung 1998 in Potsdam als ein Tagungsthema .,Das parlamentarische Regierungssystem und der Bundesrat"5 gewählt und damit den Bundesrat offensichtlich nicht als internen, sondern als externen Bestandteil des parlamentarischen Regierungssystems begriffen, so daß man konsequenterweise im Bundesrat nicht innerparlamentarische, sondern außerparlamentarische Opposition betriebe. Die Tagung hat sich die Aufgabe des Verfassungsvergleichs gestellt, weil es sich beim Österreichischen und deutschen Bundesrat um vergleichbare, wenn auch nicht gleiche Staatsorgane handelt. Verfolgt man die meist separat verlaufenden Diskussionen in beiden Staaten, so zeigt sich, daß einige deutsche Reformvorstellungen in Österreich seit Jahrzehnten geltendes Verfassungsrecht sind, wobei man dort auch die Mängel erkennt und zu deren Beseitigung auf den deutschen Verfassungszustand weist. Gerade beim Bundesrat hat der Verfassungsvergleich Tradition. Schon bei den Überlegungen für eine Verfassung Deutsch-Österreichs wurde bezüglich des Bundesrates, der nach Adolf Merkf den schwierigsten Punkt einer Verfassungseeform darstellte, die Weimarer Verfassung zum Vergleich herangezogen. Auch anläßlich des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union fand ein intensiver Gedankenaustausch über die Rechte des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union statt, so daß es naheliegt, diese fruchtbare Diskussion fortzuführen. Deren Bedeutsamkeit und Nützlichkeit wird dadurch unterstrichen, daß die beiden Herren Präsidenten des Bundesrates in Deutschland und Österreich uns nicht nur mit ihrer Anwesenheit beehren, sondern sich auch mit Grußansprachen an uns wenden. Deutschland und Österreich sind auf Grund gemeinsamer Geschichte und Kultur, teilweise auch auf Grund gemeinsamer Staatlichkeil in besonderer Weise miteinander verbunden. Ich freue mich, daß aus Österreich so viele herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, geschätzte Kollegen und liebe Freunde gekommen sind. Die föderale Gliederung ist Deutschland und Österreich mit unterschiedlichen Akzentuierungen eigen, und der Bundesrat ist, wenn man seine Wurzeln im Kurfürstenkollegium des alten Reiches sieht, gemeinsames historisches Erbe. Dessen Bedeutung und die Zukunftsaufgaben des Bundesrates wird in einem Eröffnungsvortrag Herr Professor Herbert Schamheck beleuchten, wobei sich im Referenten 4 Adamovich/Funk/Holzinger; Österreichisches Staatsrecht, Bd. 2, 1998, RN 22.001; skeptisch Schick, in: Korinek/ Holoubek (Hg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art. 24 B-VG RN 7; zum Begriff des Parlaments im Österreichischen Staatsrecht auch Herbert Sclwmbeck, Österreichs Föderalismus und Parlamentarismus in der Zeit der Europäischen Union, in: Brauneder /Berger (Hg.), Repräsentation in Föderalismus und Korporativismus, 1998, S. 131 f. s Berichte von Rudolf Dolzer und Miclwel Sachs, in: VVDStRL 58, 1999, S. 7 ff. 6 Deutsch-österreich als Bundesfreistaat, in: ders., Gesammelte Schriften, hrsg. von Mayer-Maly/Schambeck/Grußmann, Bd. 11/1, 1999, S. 239 (242); siehe ferner dens., Staatsrechtseinheit zwischen dem Deutschen Reich und Österreich?, ebenda, S. 619 (622 ff.).

Der Bundesrat in Deutschland und Österreich

15

in glücklicher Weise wissenschaftliche Reputation und langjährige Praxiserfahrung als ehemaliger Präsident des Österreichischen Bundesrates verbinden. Das Bundesstaatsprinzip ist in Deutschland und Österreich ein gleichgewichtiges und gleichwertiges Staatsstrukturprinzip oder Baugesetz neben anderen Prinzipien, insbesondere dem Demokratiegrundsatz. Mit dem Bundesratsprinzip sollte das Grundgesetz "eine Konzentration der totalen Kompetenzfülle bei dem Parlament" vermeiden und "mit Montesquieu" den Gedanken der Gewaltenteilung berücksichtigen, wie es im Parlamentarischen Rat hieß7 . Daneben trägtjedenfalls der Bundesrat in Deutschland einer weiteren Forderung Montesquieus Rechnung. Dieser hatte zur Verhinderung von Despotismus ftir die Exekutive das Recht gefordert, Vorhaben der Legislative Einhalt zu gebieten. Während das Grundgesetz für den Bundestag eine derartige Vetoposition nur im Ansatz bei gesetzlichen Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeverminderungen (Art. 113 GG) kennt, erhalten im Sinne Montesquieus die Landesregierungen die Befugnis, zustimmungspflichtige Gesetzesvorhaben des Bundestages zu blockieren. Dadurch wird auch eine Gewaltenbalance und Gewaltenhemmung zwischen der Legislative und der Gubernative (auf Länderebene) herbeigeführt. Verfassungsillegitim ist allerdings eine Blockade aus parteipolitischen Gründen, die gegen die Pflicht des Bundesrates zur Verfassungsorgantreue verstößt. Da der Bundesrat in Österreich mit den Landesexekutiven nicht verzahnt ist, wird die exekutiv-föderale Funktion von der außerverfassungsrechtlichen "Landeshauptleutekonferenz" übernommen 8 • Sie entspricht der deutschen Ministerpräsidentenkonferenz, die es nach dem Grundgesetz nicht zu geben brauchte und die das prominenteste jener etwa tausend Gremien ist, mit denen sich deutsche Bundesstaatlichkeil selbst fesselt. Der moderne "unitarische Bundesstaat" ist vor allem "unitarische Demokratie", die sowohl in Deutschland als auch in Österreich zu beobachten ist. Damit soll das Phänomen charakterisiert werden, daß Landtags- und Kommunalwahlen vielfach nicht unter landespolitischen, sondern unter bundespolitischen Vorzeichen stehen, von Bundespolitikern mit bundespolitischen Themen geführt werden und als Ergebnis - wie Herbert Schambece formuliert - "seismographisch" die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Wähler mit der Zentralregierung spiegeln, über die Landespolitik oftmals aber nichts aussagen. Schon deshalb erscheint eine Zusammenlegung der Wahlen im Bund und in den Ländern nicht opportun. Sie würde die gewaltenhemmenden Vorteile der föderalen Demokratie beseitigen und die Gefahr 7 So der Abg. Dr. Süsterhenn (CDU) in der 11 . Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates vom 30. 11. 1948, Sten.Ber. S. 124. 8 Zu ihr Herbert Schambeck, Österreichs Föderalismus und Parlamentarismus in der Zeit der Europäischen Union, in: Wilhelm Brauneder/Elisabeth Berger (Hg.), Repräsentation in Föderalismus und Korporativismus, 1998, S. 131 (137 f.). 9 Der schweizerische Bundesstaat aus der Sicht Österreichs, in: Alexander Ruch (Hg.), 1848/1998-150 Jahre schweizerischer Bundesstaat, Zürich 1999, S. 95 (109).

16

Detlef Merten

einer Gleichschaltung beschwören. Denn die Koinzidenz der Wahlen würde dieselben parteipolitischen Mehrheiten im Bundestag und letztlich auch im Bundesrat begünstigen. Über den Bundesstaat als Element des Verfassungsstaates wird Herr Bundesverfassungsrichter Professor Kirchhof den Festvortrag halten. Über den Bundesrat hinaus beschäftigt sich die Tagung mit fundamentalen Problemen des Bundesstaates. Hier steht das Finanzsystem in beiden Staaten, nicht zuletzt aus aktuellen Gründen, an erster Stelle. So sehr die Länder zur Erfüllung ihrer Aufgaben einerseits auf eine finanzielle Leistungsfähigkeit angewiesen sind, so wenig darf andererseits durch ein kaum überschaubares System des Finanzausgleichs jeglicher Wettbewerb zwischen ihnen ausgeschaltet werden. Föderalismus bedingt und bezweckt Vielfalt und Konkurrenz. Deshalb kennt das Grundgesetz kein Staatsziel der "Herstellung gleichwertiger (früher: einheitlicher) Lebensverhältnisse im Bundesgebiet". Diese Formel in Art. 72 Abs. 2 GG ist nicht Ziel, sondern Voraussetzung und damit Schranke für die Bundesgesetzgebung. Sie ist im systematischen Zusammenhang mit der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern zu sehen. Wo die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse es erforderlich macht, soll der Bund, im übrigen sollen die Länder Gesetze erlassen, wobei Kompetenzbestimmungen ohnehin nur ermächtigen, nicht aber zugleich verpflichten. Einheitlichkeit, aber auch Gleichwertigkeit sind für den Einheitsstaat charakteristisch, während der Bundesstaat gerade von landsmannschaftlichen, geschichtlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Unterschieden seiner Glieder lebt. Allerdings führt gerade der Sozialstaat zur Unitarisierung und Egalisierung, weshalb der Direktor des Bundesrates, Herr Professor Oschatz, diese Tendenz sowie die Fremd- und Selbstfesselung der Länder unter der Überschrift "Kooperativer Föderalismus" behandeln wird. Gleichwertigkeit im Bundesstaat herzustellen, erscheint allerdings so utopisch wie der den Berlinern zugeschriebene Wohnungswunsch: Vorne die Friedeichstraße und hinten die Ostsee. Dem Finanzsystem aus der Sicht österreichischer Bundesstaatlichkeil widmet sich Herr Professor Schäffer aus Salzburg. Finanzfragen sowie zunehmende Unitarisierungs- und Zentralisierungstendenzen im Bundesstaat werden auch in Arbeitskreisen behandelt, über deren Ergebnisse im Plenum berichtet wird. Das betrifft auch den letzten Schwerpunkt der Tagung, nämlich die Stellung der Bundesstaaten Österreich und Deutschland in Europa, insbesondere auch die Mitwirkung des Bundesrates in beiden Staaten in Angelegenheiten der Europäischen Union. Trotz gewisser Unterschiede in der Verfassungslage weisen die entsprechenden Regelungen in Österreich und Deutschland so viele Gemeinsamkeiten auf, daß der Direktor des Österreichischen Bundesrates, Herr Dr. Labuda, über den Rechtszustand in beiden Staaten berichten wird. Über den "Föderalismus in Europa" wird Herr Professor Badura den Abschlußvortrag halten. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß durch die Neufassung des Art. 23 GG, soweit ersichtlich, der Begriff des Föderalismus erstmals, wenn auch in adjektivischer Form, in die Verfassung Einzug gehalten hat. Nach Art. 23 Abs. 1 GG darf nämlich die Bundesrepublik Deutschland an der Entwicklung der Europäischen Union nur dann mitwirken,

Der Bundesrat in Deutschland und Österreich

17

wenn diese neben anderen Prinzipien auch den föderativen Grundsatz und den Grundsatz der Subsidiarität beachtet. Für die Mitwirkung der Länder an der Staatsgewalt des Bundes hat sich das Bundesorgan Bundesrat bewährt. Da ein Einstimmigkeitsprinzip - wie die deutschen Erfahrungen mit dem Länderbeteiligungsverfahren in Angelegenheiten der Europäischen Union gezeigt haben - nicht praktikabel ist, stellt die Konstruktion des Bundesrates sowohl in Deutschland als auch in Österreich sicher, daß in den Worten Adolf Merkls "weder die großen Länder majorisiert, noch die kleinen Länder nullifiziert" werden und der - demokratisch im übrigen nicht besser, sondern nur anders legitimierte- Bundestag nicht in den Schatten gestellt wird.

2 Menen

Grußansprache des Präsidenten des Bundesrates der Bundesrepublik Deutschland, Ministerpräsident Roland Koch Erlauben Sie dem Präsidenten des Bundesrates zunächst, daß er seinem Direktor herzlich zur Professur gratuliert. Daß in Zukunft so viel akademische Prominenz neben mir sitzen wird, wird die Sitzungen noch reizvoller machen. Aber hiervon abgesehen ist es auch notwendig, für einen kontinuierlichen Austausch von Theorie und Praxis in der Politik zu sorgen. Bei der mitunter schwierigen Entscheidung über das politisch Sinnvolle und verfassungsrechtlich Mögliche kommt die Politik ohne Wissenschaft und Forschung nicht aus. Für den Bundesrat als Gesetzgebungsorgan ist es auch wichtig zu erfahren, was aus einem Gesetz in der harten Wirklichkeit des Tages wird. Ich bin daher überzeugt, daß es von Nutzen ftir alle ist, wenn der Weg zwischen Bonn und Speyer, künftig zwischen Berlin und Speyer, auf die gleiche Weise fortgeführt wird, wie er in der Vergangenheit angelegt war. Ich habe mich ferner auch für die Wahl unseres Themas zu bedanken. Wir müssen zwischen denjenigen, die in den nächsten Jahren praktische Entscheidungen und Veränderungen durchzusetzen haben und denjenigen, die dabei Konzepte, Maßstäbe und Kontrollmechanismen entwickeln können, den Dialog intensivieren. Wer das Programm des heutigen Tages sieht, dem wird die Notwendigkeit dieses Dialogs klar. Das Thema des heutigen Tages bezieht sich auf Europa. Dieser Bezug ist nicht eindimensional. Es geht um die europäische Einigung und um die institutionellen Aspekte, die Herr Professor Merten eben hier angesprochen und auch Herr Professor Magiera schon genannt hat. Es geht darum, ob man eine ähnliche Konstruktion wie unser föderalistisches System mit Entscheidungsgremien, die mit gewichtigen Stimmen zu entscheiden haben, auf den europäischen Integrationsprozeß übertragen kann. Wir sind ja als Bundesrat nicht regierungsverantwortlich, das unterscheidet uns von europäischen Gremien. Ob diese so bleiben wie bisher, wie stark man Gewichtungen durchsetzen kann, was man in einem solchen System realistischerweise von einstimmig bis mehrstimmig entscheiden kann, sind aber noch offene Fragen. Bei ihrer Klärung kann man sicher auf die Erfahrungen zurückgreifen, die 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland erbracht haben. Es gibt aber noch einen anderen Gesichtspunkt, der mindestens ebenso wichtig ist. Die Frage, wie Europa in Zukunft organisiert sein kann, hängt davon ab, welche Zukunftschancen man organisiertem Föderalismus gibt. Zu organisiertem Föderalismus gehört Teilhabe an der nationalstaatliehen Regierungsgewalt, wie im2*

20

Roland Koch

mer man dies im Einzelnen im nationalstaatliehen Europa der Zukunft noch organisieren mag. Es gibt keinen Föderalismus mit unabhängigen, einigermaßen selbständig operierenden Gemeinwesen, wenn sie nicht eine konstitutive Beteiligung an der Entscheidungstindung auf der jeweils nationalen Ebene haben. Wer glaubt, er könne Länder als Regionen Europas gründen, die zwischen Wirtschaftsförderung und Abwasserreinigung die wichtigen Aufgaben der regionalen Ebene lösen, aber nichts mit Entscheidungen in den nationalen Einheiten der Europäischen Union zu tun haben, der täuscht sich über die Bedeutung des Föderalismus. Insofern ist die Gestaltung des Föderalismus etwa im Spannungsfeld der Erfahrungen zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland bedeutsam. Wo liegen die Grenzen, an denen Föderalismus so wenig Selbstbewußtsein entwickeln kann, als daß er noch weiter arbeitsfähig ist, oder an denen er möglicherweise so stark wird, daß er in einem integrierten Europa die Chance zu gemeinsamem Handeln vernichtet, weil zu viele mitreden. Wenn bei uns in Deutschland im Augenblick der Streit entsteht, wer von den 16 Kultusministern die Länder neben der Bundesregierung repräsentieren darf, wenn wir über die Frage des Hochschulrechts in Europa diskutieren, dann ist das möglicherweise eine der Grenzen. Wenn, was nie geschehen ist, die Österreichische Bundesregierung einen Landeshauptmann ablösen kann, wenn er ihr nicht mehr gefallt, dann ist das möglicherweise die andere Grenze. In der praktischen Wirklichkeit nähert sich allerdings vieles wieder an, was man in der Verfassungstheorie ganz ausgezeichnet miteinander streitig diskutieren kann. Aber der Kern ist wichtig. Der Kern ist die Frage, ob es denn gelingt, auf Dauer Elemente föderaler Strukturen auf einer konstitutiv verankerten Basis in die Europäische Union einzubringen. Das stellt Fragen an die Organisation Europas und an die Souveränität seiner Mitglieder. Damit befinden wir uns mitten in den Diskussionen, die anläßlich des 50jährigen Bestehens des Bundesrates hier in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß es notwendig ist, die Aufgabenstellungen neu zu vermessen. Dabei werden nicht alle das Gleiche behalten können, was sie gegenwärtig haben. Aber wenn man sich über die Zukunft Europas verständigen will, muß man bestimmen, welche Schwerpunkte auf Dauer die europäische Politik haben soll und welche Aufgaben bei den Ländern verbleiben sollen. Die Funktion der Länder hat sich verändert. Sichtbaren Ausdruck findet dies in einem Funktionswandel der Landesparlamente. Sie sind nicht mehr im überwiegenden Teil ihrer Tlitigkeit Gesetzgeber. Ich bin auch skeptisch, ob sie je wieder Aufgaben der Gesetzgebung in vollem Umfang übernehmen sollten. Wer dies erstrebt, redet einer Nonnenflut das Wort, die nicht wiederkommen wird. In unserer sehr schnell sich verändernden Zeit wird der Gesetzgeber, egal auf welcher Ebene, künftig eher dazu neigen, nicht mehr so viele Gesetze zu erlassen wie bisher, weil er mit seinen Gesetzen nicht mehr hinter der Wirklichkeit hinterherkommt. Diese hat sich bei der Verkündung meist schon wieder geändert. Deshalb müssen künftig Nonnen abstrakter, genereller gefaßt werden, um dem Einzelnen die Chance zu geben, sich in diesen Nonnen zu bewegen und sich einer schnelleren Zeitentwicklung

Grußansprache

21

anpassen zu können. Gesetzgebung kann schon aus grundsätzlichen Gründen, aber auch aus konkreten Erwägungen heraus nicht mehr wie im früheren Umfang bei den Ländern liegen. Vor diesem Hintergrund haben die Länderparlamente eine zweite Funktion übernommen, die notwendige Aufgabe der Verwaltungskontrolle. Wenn der Staat dem Bürger gegenübertritt, handelt er, soweit es nicht kommunale Selbstverwaltung ist, in aller Regel durch Landesbeamte. Es ist völlig illusorisch zu glauben, der Deutsche Bundestag, wie groß er auch immer sei, hätte eine Chance, die hundertlausenden von Landesbeamten zu kontrollieren, einem einzelnen Verwaltungsakt noch nachzuspüren. Die Größe unserer Länder enthält gerade eine Chance, auch im Parlament zu erörtern, ob ein Schulleiter den Schulalltag halbwegs vernünftig organisiert oder nicht, oder ob die Straßenbauverwaltung einer Region halbwegs ökonomisch arbeitet oder nicht. ,,Die Länder" erscheinen heute in erster Linie als Landesverwaltungen, als parlamentarisch kontrollierte Administrationen, und ihre Tätigkeit erschöpft sich nicht in der korrekten Gesetzesvollziehung, sondern umfaßt auch die adäquate Anwendung von Ermessensermächtigungen. Diese Funktion wird, wenn mein Bild von Gesetzgebung in Zukunft nicht täuscht, immer bedeutender. Natürlich geht es um demokratisch kontrolliertes Ermessen, das überprüfbar ist in einem demokratischen Rechtfertigungsprozeß. Daher benötigt ein funktionierender Föderalismus auch Länder mit einer übersichtlichen Größe. Andernfalls funktioniert die Verwaltung zwar auch, aber es gibt eben zu viele bürokratische Entscheidungen, die sich jeder parlamentarisch-demokratischen Kontrolle entziehen. Die weitgehende Reduzierung der Länder auf die Ausführung der Bundesgesetze durch die Landesverwaltungen findet ihren Ausgleich darin, daß der Bundesrat im Gegensatz zum Deutschen Bundestag nicht nur ein Mitwirkungsrecht an der Gesetzgebung, sondern auch bei der Verwaltung des Bundes hat. Wer sich die zahlreichen Stellungnahmen des Bundesrates im Laufe seiner Geschichte ansieht, wird bemerken, daß er nicht nur zu fast allen Gesetzen Stellung genommen hat, sondern eben auch zu einer Vielzahl von Rechtsverordnungen. Er hatte immer dann als Bundesrat eine zusätzliche Einflußfunktion, wenn es darum ging, Administrationsentscheidungen zu beeinflussen und zu bestimmen. Es ist ein großer Vorteil des föderalistischen Systems in Deutschland, daß Rechtsverordnungen, die ja praktische Fragen des Gesetzesvollzugs regeln, nicht ohne die Zustimmung der sie vollziehenden Instanzen erlassen werden können. Ich bin davon überzeugt, daß die Verwaltungszuständigkeiten des Bundesrates in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden können und jedenfalls hinter seiner Bedeutung als Gesetzgebungsorgan nicht zurückstehen. Sie geben Antwort auf die Frage, wer unser Land eigentlich administriert. Die Bedeutung des Bundesrates liegt weniger bei den fünf oder sechs Prozent der Gesetze, über die es politischen Streit gibt. Der größte Teil der politischen Veränderung auf Grund seiner Einflußnahme geschieht in Wahrheit an den Stellen, an denen wir über Rechtsverordnungen reden. Wenn dort der Sachverstand der Länder, das eigene Interesse der Länder an nachvollziehbaren Normen, die sie

22

Roland Koch

auch zu vollziehen haben, nicht vorhanden wäre, würde es wahrscheinlich ein ziemliches Chaos in diesem Land geben. Der Zentralstaat kann immer nur politische Rahmenbedingungen vorgeben, während die Länder die Aufgabe haben, eben dann im Gesetzgebungsprozeß zu erklären, ob und gegebenenfalls wie die Gesetze vernünftigerweise vollzogen werden können. Dies ist eine sinnvolle Aufteilung. Sie bedeutete Machtbalance. Wenn Gesetze oder Rechtsverordnungen ohne die Zustimmung des Bundesrates erlassen werden könnten, wäre das Regieren im föderalen System des Grundgesetzes sehr viel komplizierter und würde in vielen Fällen wohl auch gar nicht funktionieren. In Kenntnis dieser Erfahrungen sollten wir uns daher fragen, welche Konsequenzen der europäische lntegrationsprozeß für die föderale Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland haben wird. Wir sehen gerade in den letzten Jahren die starke Tendenz der Europäischen Union, mit dem Hinweis auf den gemeinsamen europäischen Markt eine Vielzahl von Regelungsgegenständen zu normieren und ihre Kompetenzen auszuweiten. Diese Tendenz wird sich abflachen, wie dies immer bei einem Realitätsschock nach einer Anfangseuphorie zu erwarten ist. Inzwischen wissen die europäischen Verwaltungen hinlänglich, daß sie auch keinen Überblick mehr das europäische Normensystem haben. Es ist zwar unbestritten, daß auch in Zukunft die Europäische Union durch ihre Richtlinien Rahmenbedingungen setzen muß, unter denen ein fairer Wettbewerb innerhalb Europas ermöglicht wird. Wie aber funktioniert die staatliche Verwaltung innerhalb dieses Rahmens?

Ich finde den Zweifel berechtigt, ob auch in Zukunft immer das europäische Recht durch nationalstaatliche Gesetze umgesetzt werden muß. Der Zweifel hat eine grundsätzliche Bedeutung für die Frage nach dem Föderalismus in einem künftigen Europa. Wir sehen ja mit großem Interesse, wie sich Länder wie Wales und Schottland in Großbritannien in Zukunft unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung an der Regierung entwickeln werden. Auch in Frankreich wird diese Diskussion weitergeführt. In Spanien kennt jeder die Spannungen innerhalb des Landes. Ich habe dieser Tage Gelegenheit gehabt, mit dem Präsidenten des italienischen Senats über die Frage zu reden, welche Verfassungsänderungen in Italien notwendig sind, um aus den Ereignissen in Südtirol Konsequenzen zu ziehen. Wer sich in den Ländern auskennt, die föderale Strukturen haben könnten, der erkennt, daß es dort einen Trend zum Regionalismus gibt, den zu unterstützen und in eine Systematik zu bringen sich durchaus lohnen könnte. Vor diesem Hintergrund entsteht dann notwendig die Frage, ob jedes staatliche Parlament tatsächlich eigene Gesetze beschließen muß, durch das Richtlinien der Europäischen Union ausgeführt werden. Könnte nicht eine Verfassungsordnung entstehen, nach der zwar die nationalen Regierungen über den Europäischen Rat, ähnlich zusammengesetzt wie der Bundesrat, an den europäischen Richtlinien mitwirken, das europäische Recht aber nicht durch zahlreiche nationalstaatliche Gesetze umgesetzt werden muß, sondern in den Regionen Europas der Vollzug europäischen Rechts mit seinem notwendigen Aufwand an Administration, Ermessensausübung und Konkretisierung sowie

Grußansprache

23

einem eigens dafür demokratisch gewählten regionalen Parlament als Kontrollinstanz selbständig gestaltet wird? Ich möchte diese Frage bejahen und werbe deswegen für den Gedanken, daß es die alten nationalen Grenzen im künftigen Europa nicht mehr geben soll. Für ein Land wie Hessen wäre diese Situation noch relativ überschaubar. Derjenige, der aus unserer Gegend kommt, kennt dieses Syndrom der Hessen: keinen Zugang zum Meer, keinen Blick zu den Alpen und überall von Deutschen umzingelt. Aber das ist ja keine verallgemeinerungsfähige Situation für die Lage der deutschen Länder. Nordrhein-Westfalen steht in einem sehr viel stärkeren Wettbewerb zu Belgien und zu den Niederlanden als zu Thüringen oder Sachsen. Baden-Württemberg hat heute schon Planungs- und Wirtschaftsstrukturen im oberen Rheintal zwischen Deutschland und Frankreich geschaffen, die sehr viel enger vernetzt, sehr viel wettbewerbsabhängiger sind als sein Wettbewerb mit Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern jemals sein kann. Wir werden die gleiche Entwicklung in einem Land wie Sachsen mit Polen und der Tschechischen Republik haben, die sich aufeinander abstimmen müssen, wie es in Bayern heute schon mit dem Vorartberg und bis in Südtiroler Regionen hinein, also mit zwei anderen nationalen Staaten alter Prägung, der Fall ist. Auf die spezifische Situation der Regionen müssen wir reagieren können, indem wir politisches und administratives Ermessen darauf konzentrieren, wie jeweils die regionale spezifische Interessenlage ist. Es gibt keine innere Rechtfertigung dafür, ein europäisches System al/.f nationalstaatlicher Grundlage zu tradieren, wenn wir eine einigermaßen klare Zuständigkeitsverteilung zwischen der Europäischen Union und den Regionen haben. Dann aber ergibt sich die Frage: Was sind in Zukunft die Kernkompetenzen, die auf der nationalen Ebene verbleiben, und welche Funktion hat der Bundesrat noch unter dem Gesichtspunkt des Verwaltungsvollzugs. Ich bin davon überzeugt, daß sich in Zukunft die Stellung des Nationalstaates erheblich ändern wird und möchte mit meinen Ausführungen dazu beitragen, über die künftige Rolle der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nachzudenken. Zur bundesstaatliehen Organisation gehört Gestaltungsspielraum und die Fähigkeit, diesen auch wahrzunehmen. Wenn die Länder abhängig sind, werden sie nicht ftir ihre Bürger den entscheidenden Vorteil von Wettbewerbsentwicklungen nutzen können. Einzelne Länder haben keine Chance, Optionen selbst wahrzunehmen und vorauszugehen, wenn sie keine Verfügungsbefugnis über eigene Finanzmittel haben. Die Diskussion, die wir in diesen Tagen ja mit besonderer Intensität führen, hat daher nicht nur die Neuregelung des Finanzausgleichs, sondern sie auch die Regelungsbefugnis der Länder über ihre originären Einnahmen zum Inhalt. Diese Forderung verlangt nach einer Umgestaltung der derzeitigen Verfassungslage, bei der die Länder jeglicher eigenen Kompetenz über ihre finanziellen Grundlagen enthoben sind. Sie tragen den größten Teil der Last der staatlichen Administration dieser Republik, sie haben deshalb die am wenigsten flexiblen Haushalte, obwohl es gigantische Haushalte sind. Die Summe der Länderhaushalte ist erheblich größer als der Bundeshaushalt, was sich unter anderem aus den Personalkosten ergibt,

24

Roland Koch

die auf Länderseite viel schwerer wiegen als auf der Seite des Bundes. Auf Dauer kann es daher nicht dabei bleiben, daß die Länder keine eigenen Entscheidungskompetenzen bei der Gestaltung ihrer Einnahmen haben. Die Landesparlamente sind heute zu bloßen Verwaltern konkreter Ausgabeverpflichtungen geworden. Sie sind abhängig davon, wie sich die Einnahmemechanismen und Staatsfinanzen des Bundes entwickeln. Wir müssen daher auch die Verantwortlichkeit für die Landesfinanzen neu regeln, indem wir fragen, ob nicht ein Teil der Einnahmen durch die einzelnen Länder mitbestimmt werden kann. Meine Kollegen in Bayern und Baden-Württemberg und ich haben der Öffentlichkeit ein Konzept zur Reform des Föderalismus vorgestellt. Es ist ein offenes Konzept, offen auch, indem wir nicht immer für uns in Anspruch nehmen, schon die Lösung aller Probleme der föderativen Ordnung gefunden zu haben, sondern nur Ansätze einer Reform aufzeigen zu wollen. Am Ende muß man sich aber darüber klar sein: Je stärker die Eigenverantwortung eines Landes für seine Finanzen ist, desto problematischer wird die unterschiedliche Größe der Länder. Wenn ich ein relativ kleines Land habe mit eigenem Steuererhebungsrecht annehme, kann es dazu kommen, daß es immer die höchsten Steuern haben muß, weil eine gleiche staatliche Grundleistung auf eine geringere Bevölkerung umgelegt werden muß. Dies bedeutet aber, daß es im nächsten Jahr noch weniger Wirtschaftskraft als im Vorjahr und noch schwächer wird. Von der Größe der Regionen hängt daher ab, wie stark Föderalismus dauerhaft konstitutionell verankert werden kann. Mehr darf zu diesem Thema ein Bundesratspräsident nicht sagen, und der Hessische Ministerpräsident fügt hinzu, wir leben in einem Land, das das kleinste der großen und eines der größeren von vielen kleinen ist. Wir werden es überleben, wenn die Finanzverfassungsreform nicht die Neuorganisation von Verschiebebahnhöfen ist, sondern die Klärung von Verantwortungsbereichen unter einigermaßen gleichgewichtigen Wirtschaftssubjekten oder jedenfalls Subjekten einer gewissen Größe erstrebt. Meine Damen und Herren, ich habe nicht für alle diese Fragen eine abschließende Antwort. Ich bin bei manchen Antworten, die ich gebe, auch keineswegs sicher. Das finde ich im Dialog zwischen Politik und denen, die sich in Wissenschaft und Forschung mit dieser Frage beschäftigen, auch viel interessanter als ein genau abgestimmtes unverrückbares Konzept. Das Einzige, was wir sicher wissen, ist, daß die Welt nicht so bleibt, wie sie ist. Die Länder im deutschsprachigen Raume wie Österreich, die Schweiz und die Bundesrepublik Deutschland stehen den Problemen des Föderalismus am nächsten. Die Modelle, die sie in den nächsten Jahren finden werden, werden entweder die Modelle sein, die für den europäischen Integrationsprozeß in Zukunft beispielgebend sein werden, oder die Entwicklung der Europäischen Union wird so weit fortschreiten, daß es keine Chance gibt, sie auf eine dauerhaft föderalistische Basis im Sinne von regionaler Entwicklungsfähigkeit zu stellen. Die europäischen Rechtssituationen werden sich spätestens mit dem Beitritt der nächsten Kandidaten der Union verfestigen. Spätestens dann wird die Europäische

Grußansprache

25

Union endgültige Strukturen bekommen. Diese Strukturen haben die Chance, auf regionaler Verantwortung aufzubauen, aber sie müssen es nicht. Die Interessen der nationalen Regierungen sind keineswegs allein auf die Stärkung regionaler Entwicklungen festgelegt. Wenn föderale Strukturen auf der Ebene unserer Nationalstaaten keine Zukunft haben, haben wir keine Chance, in Europa gehört zu werden. Aus Freundlichkeit oder gar rationaler Einsicht von Zentraladministrationen welchen Staates auch immer zu verlangen, daß sie der Meinung sind, es könnten andere besser als sie, unterstellt, daß die Personalauswahl in diesen Institutionen widernatürlich gewesen ist. Jeder ist der Auffassung, daß eine Aufgabe im Prinzip allein bei ihm in guten Händen ist, und das ist ja auch gut so. Die Frage, ob es in Europa eine regionale Verantwortung geben wird, in der Institutionen wie der Bundesrat und die Länder ihren Platz finden, hängt davon ab, ob wir es schaffen, die Organisation unserer Institutionen so attraktiv zu gestalten, daß andere glauben, es riskieren zu können, ein solches System zu übernehmen. Das System des Zusammenschlusses von zentralistischen Nationalstaaten ist einfacher, erprobter und - allerdings nur auf mittlere Sicht - wirkungsvoller. Die Beweislast dafür, daß in einem Europa mit seiner Vielschichtigkeit und Polyzentrik es tatsächlich möglich und sinnvoll ist, eine politische Entscheidungsstruktur zu entwickeln, die dem Anliegen der Regionen Rechnung trägt, tragen die Regionen selbst. Wenn wir es nicht in den Ländern wie Deutschland und Österreich schaffen, die föderalen Strukturen zu modernisieren, wird auch der Föderalismus in Europa keine Chance haben. Es ist daher notwendig, diese Frage auch in der wissenschaftlichen Diskussion und in der Auseinandersetzung zwischen Politik und Wissenschaft weiterzuführen. Diesem Anliegen dient die heutige Tagung. Ihr wünsche ich ein gutes Klima und einen angemessen hitzigen Verlauf.

Grußansprache des Präsidenten des Bundesrats der Republik Österreich Bundesminister a. D. Jürgen Weiss Ich entbiete Ihnen als derzeit für das Land Vorartberg den Vorsitz führender Präsident einen herzlichen Gruß des Bundesrates der Republik Österreich und verbinde dies mit unserem Dank dafür, daß Sie sich unter Beratung hochrangiger Experten mit Fragen der Bundesstaatlichkeil im allgemeinen und der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung im besonderen auseinandersetzen. Über den wissenschaftlichen Wert hinaus ist das heute von aktueller politischer Bedeutung. In dem Maße, in dem sich die Europäische Union einer bundesstaatsähnlichen Ordnung nähert, sind wir mit der Frage konfrontiert, ob sich die Bundesstaaten selbst in ihrem Innenverhältnis nicht immer mehr von den Grundprinzipien des Föderalismus und der Subsidiarität entfernen. Auch die Ländervertretungen in der Bundesgesetzgebung sind aus völlig unterschiedlichen Perspektiven verstärkt in die Diskussion geraten - den einen sind sie als ,,Neinsager" lästig und den anderen als ,,Jasager" überflüssig. Die Verwaltungshochschule Speyer ist für solche Erörterungen ein in mehrfacher Hinsicht geeigneter Boden, nicht zuletzt durch das Zusammenwirken zweier bedeutender Staatsrechtslehrer wie Dr. Detlef Merten und Dr. Herbert Schambeck. Einen Zusammenhang mit der Verwaltungswissenschaft möchte ich besonders thematisieren, das ist die Frage nach der Verwaltungseffizienz bundesstaatlicher Gliederung. In der Bundesrepublik wird das in erster Linie vor dem Hintergrund erheblicher Unterschiede an Größe und Finanzkraft zwischen den einzelnen Ländern und deren Neuordnung diskutiert. In Österreich setzt die Diskussion an der grundsätzlichen Frage an, ob es mit acht Millionen Einwohnern heute nicht überhaupt zu klein für eine bundesstaatliche Gliederung in neun Länder sei. Der ganze Staat habe die Größe europäischer Regionen und vor dem Hintergrund eines zunehmenden Umfangs gemeinschaftlicher Rechtsakte sei es nicht mehr vertretbar, den verbleibenden Rest nationaler Regelungsbefugnis durch elf verschiedene Gesetzgebungsorgane- den Nationalrat und den Bundesrat sowie neun Landtage - wahrzunehmen. Nicht nur auf diesem Gebiet, sondern vor allem in der bundesstaatliehen Verwaltungsorganisation wird ein erhebliches Einsparungspotential gesehen. Es ist zwar richtig, daß Österreich einen überdurchschnittlich hohen Anteil öffentlich Bediensteter an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen hat. Ich stelle aber in Abrede, daß dies eine Folge der Bundesstaatlichkeil wäre und weise darauf hin, daß nach diesem Maßstab die Schweiz der am teuersten verwaltete Staat sein müßte. Es ist aber

28

Jürgen Weiss

evident, daß das Gegenteil zutrifft und zentralisierende Einheitlichkeit mit Bürokratisierung untrennbar verbunden ist. Das Bemühen um gesamtwirtschaftliche Optimierung müßte daher wohl in eine andere Richtung gehen und sich - in Übereinstimmung mit der 1988 beschlossenen Gemeinschaftscharta der Regionalisierung - nicht an der Größe, sondern an der Leistungsfähigkeit einer Region und ihrer Bereitschaft zur Tragung von Verantwortung orientieren. Im staatlichen Bereich gibt es wie in der Wirtschaft eine natürliche Grenze der Problemlösungskapazität großer zentral gelenkter Einheiten. Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen, Führung durch Ziele, gruppenbetonte Strukturierung arbeitsteiliger Prozesse und vieles andere mehr haben sich nicht zuletzt mit Hilfe neuer Möglichkeiten der Informationsverarbeitung im Wirtschaftsleben schon lange durchgesetzt und werden auch in der öffentlichen Verwaltung als notwendige Reformschritte gesehen. Dazu kommt, daß die Innovationskraft des Marktes mit einer Vielzahl von Anbietern und Nachfragern auch für die Politik beispielhaft wird. Ein dezentralisierter oder gar föderaler Staatsaufbau ist unter diesen Gesichtspunkten letztlich nichts anderes als die Übertragung von Marktmodellen auf politische Organisationen, während zentralistische Strukturen auch im politischen Bereich nicht frei von planwirtschaftliehen und innovationsfeindlichen Elementen sind. An der in Österreich geführten Diskussion über den Stellenwert der Länder läßt sich eine interessante Wiederholung der Geschichte beobachten. Hinter dem Staatsgründungskompromiß einer schwachen Ausgestaltung der Bundesstaatlichkeit stand nicht nur ein fundamentaler politisch-ideologischer Gegensatz, sondern auch eine eher pragmatische Überlegung. Der 1918 ursprünglich als Republik Deutsch-Österreich konstituierte Staat sah sich als künftiger bundesstaatlicher Teil des Deutschen Reiches und wollte mit dessen bereits gebildeten Ländern vergleichbar bleiben. Der Schöpfer der Österreichischen Bundesverfassung, Hans Kelsen, sah die Zukunft der Länder in preussischen Provinzen vergleichbaren Selbstverwaltungskörpern. Den Widerstand gegen eine bundesstaatliche Struktur Österreichs begründete er - ich zitiere auszugsweise aus einer 1927 in der Zeitschrift für öffentliches Recht von ihm veröffentlichten Abhandlung - wie folgt:

,,Es scheint zunächst, als ob der Anschluß unmöglich wäre, ohne daß der bundesstaatliche Charakter Österreichs verschwindet oder doch wesentlich modifiziert wird. Ein Bundesstaat im Bundesstaat bedeutet organisationstechnisch eine heillose Komplikation. Nicht nur darum, weil dann statt zweier Schichten von Gesetzen solcher drei, nämlich Reichsgesetze, Österreichische Bundesgesetze und Österreichische Landesgesetze, übereinander gelagert wären; sondern auch darum, weil dabei die Kompetenz der Österreichischen Bundesgesetzgebung auf ein unbeträchtliches Minimum reduziert würde, und dabei doch der recht umfangreiche Gesetzgebungsapparat aufrecht bliebe. Demnach bieten sich zunächst zwei Möglichkeiten: Österreich verwandelt sich in einen Einheitsstaat von der Art wie die anderen deutschen Gliedstaaten, das bedeutet, daß die Österreichischen Länder als Gliedstaaten

Grußansprache

29

mit ihren selbständigen Gesetzgebungskörpern und Regierungen verschwinden. Oder aber der Österreichische Bund mit seinem zentralen Gesetzgebungsorgan und seiner Zentralregierung verschwindet." Wenn wir an die Stelle des deutschen Reiches die Europäische Union setzen, haben Sie eine ziemlich präzise Beschreibung der bei uns eingeleiteten Diskussion. Sie unterscheidet sich von der damaligen Einschätzung Kelsens lediglich dadurch, daß sich die Reduzierung der Gesetzgebungskompetenzen auf ein "unbeträchtliches Minimum" heute nicht für den Bund, sondern eher für die Länder abzeichnet. Wenn man von einem unnötig umfangreichen Gesetzgebungsapparat spricht, meint man heute auch nicht so sehr den Nationalrat, sondern den Bundesrat und die Landtage. In Österreich hat sich während der Sommerflaute ein Aufmerksamkeit heischender Wahlkampf kleiner politischer Gruppen dieses Themas bemächtigt. Unter beifalliger Anteilnahme einzelner Medien wurde in der Abschaffung des Bundesrates ein gewaltiges Umschichtungspotential zugunsten populärer staatlicher Sozialleistungen dargestellt. Ich will jetzt nicht näher darauf eingehen, sondern nur kurz anmerken, wie sehr den Betreffenden nicht nur das Studium Montesquieus, sondern angesichts der Fakten zunächst Adam Rieses zu empfehlen wäre.

Dabei verkenne ich nicht, daß Kritik an der die Interessen der Länder zurückdrängenden bundespolitischen Ausrichtung des Bundesrates und seines den Nationalratsfraktionen nachgebildeten Abstimmungsverhaltens berechtigt ist und auch von den Ländern selbst erhoben wird. In den dreizehn Jahren der seit 1986 bestehenden Koalition von SPÖ und ÖVP gab es einen einzigen von Länderinteressen getragenen Einspruch der Bundesräte von SPÖ und ÖVP und Anträge zur Darstellung von Länderanliegen fielen häufig fehlendem Einvernehmen der Regierungsparteien zum Opfer. In den vorangegangenen Jahren unterschiedlicher Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat und Bundesrat kam es bei über 15% der Gesetzesbeschlüsse zu einem Einspruch. Es darf daher nicht verwundern, daß sich die Länder im außerparlamentarischen oder gar rechtsfreien Raum zunehmend anderer, nämlich unmittelbarer Vertretungs- und Artikulationsmöglichkeiten bediene!l. Die Fortsetzung einer Praxis, die sich in erster Linie an den parteipolitischen Interessen der Regierungsfraktionen des Bundes orientiert, würde am Bundesrat in der nächsten Gesetzgebungsperiode wohl nicht mehr spurlos vorübergehen. Dabei darf man allerdings nicht übersehen, was in der Praxis schwer sichtbar zu machen ist: daß die Zahl von Einsprüchen allein kein vollständiges Bild über die Wirksamkeit des Bundesrates vermittelt. Unter den Bedingungen einer in beiden Kammern der Bundesgesetzgebung wirksamen großen Koalition erfolgt die Einflußnahme nicht erst im Nachhinein durch ein Veto, sondern -durchaus wirksam bereits im Vorfeld der Entscheidungen. In besonderer Weise gilt das für zustimmungspflichtige Verfassungsgesetze, wo allein schon ein mögliches Veto des Bundesrates durch entsprechende Änderungen an den Vorlagen von vomherein vermieden wird.

30

Jürgen Weiss

In der Kritik am Bundesrat sehen viele letztlich auch nur ein Ablenkungsmanöver. In Wahrheit geht es offenkundig darum, die mit dem absoluten Bundesratsveto bei verfassungsrechtlichen Eingriffen in Länderzuständigkeiten 1984 geschaffene Schranke wieder zu beseitigen und die Durchgriffsmöglichkeit des Nationalrates auf die den Landtagen verbliebenen Gesetzgebungszuständigkeiten wieder einzuflihren. Ich vertrete in diesem Zusammenhang die These, daß wir heute Zeugen eines vor dem Hintergrund der zunehmenden Rechtssetzung durch die Europäische Union zu sehenden und bereits von Kelsen vorausgesagten Verdrängungswettbewerbs zwischen dem Bundesgesetzgeber und den Landesgesetzgebern sind. In der Wirtschaft zielen solche Mechanismen auf die Etablierung von Monopolen und in der Politik scheint es nicht anders zu sein. Ich sehe allerdings noch viel zu wenig Bewußtsein dafür, wie sehr damit die Ausgewogenheit und wechselseitige Kontrolle der Staatsgewalten beeinträchtigt würde. Vor dem Hintergrund der in Österreich stark ausgeprägten Mitwirkung des Nationalrates an der Vollziehung, der immer wieder versuchten Zurückdrängung des Bundespräsidenten sowie des nach wie vor großen Parteieneinflusses ist zudem zu bedenken, daß unter Berufung auf Sparsamkeit und Effizienz nahezu absolutistisch anmutender Macht - diesmal im Kleide des Parlamentarismus - der Weg bereitet würde. Das gilt besonders für den Fall, daß die Regierungsfraktionen auch über die Verfassungsmehrheit verfügen. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang erwähnt, daß die nationalen Parlamente die Gesetzgebungsorgane der Gliedstaaten bisher erfolgreich von jeder institutionalisierten Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament ferngehalten haben. Neben der - abgesehen vom Ausschuß der Regionen nach wie vor bestehenden - Länderblindheit der Verträge gibt es auch eine Länderblindheit parlamentarischer Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Bundesstaatlichkeit und institutionalisierte Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung sind kein dem Machterhalt der Länder dienender Selbstzweck. Sie sind ein wesentlicher Faktor bei der Teilung und damit Bändigung staatlicher Macht und wirken der Entfremdung der Bürger vom politischen Geschehen entgegen. Transparenz der Entscheidungen als Voraussetzung flir Einflussnahme darauf, kurze Entscheidungswege und klare Verantwortlichkeit sind leichter herzustellen, wenn die Entscheidungsebene so nah wie möglich beim Bürger liegt. Sich, wie Max Frisch es formulierte, "wieder stärker in seine eigenen Angelegenheiten einmischen zu können" ist in einer Zeit der Globalisierung und des verbreiteten Unbehagens gegenüber Zentralisierung von Politik, Wirtschaft und Verwaltung für viele Bürgerinnen und Bürger ein wichtiges Anliegen geworden. Es ist evident, daß ihm aufkommunaler und regionaler Ebene am besten entsprochen werden kann - auf nationalstaatlicher Ebene nur sehr schwer und auf europäischer Ebene wohl überhaupt nicht. Die außerordentlich geringe Beteiligung an der Wahl des Europäischen Parlaments ist ein deutliches Signal.

Grußansprache

31

Neben der mit Bundesstaatlichkeit und bereits auch mit starker regionaler Selbstverwaltung verbundenen vertikalen Gewaltenteilung darf die mit einem Zweikammersystem verbundene horizontale Gewaltenteilung nicht übersehen werden. Sie hat völlig eigenständige Bedeutung und kann nicht mit anderen Formen der Gewaltenteilung gegengerechnet werden. Ihr kommt umso mehr Bedeutung zu, als der Einfluß der Landesparlamente auf die Gesetzgebung zurückgeht, der Umfang der Rechtsvorschriften insgesamt gesehen aber zunimmt. Es ist bemerkenswert, daß die Zweckmäßigkeit des Vieraugenprinzips bei finanziellen Transaktionen völlig unbestritten ist, es aber ungeachtet der größeren Tragweite der Entscheidungen in der Gesetzgebung immer wieder um seine Anerkennung ringen muß. Ich freue mich mit Ihnen abschließend auf die nun folgenden Referate und die weiteren Beratungen dieser Tagung, der ich in unser aller Interesse einen guten Verlauf wünsche.

Die Bundesstaatlichkeit als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe• Von Herbert Schamheck Die Bundesstaatlichkeit1 ist die staatsrechtliche Form des Föderalismus, also jenes sozialen Ordnungsprinzips, das eine Verbindung von verschiedenen Gemeinwesen zu einer institutionellen Einheit darstellt. Der Föderalismus ist in mannigfaltigen Formen erlebbar, nämlich in Verbindungen sozialer, wirtschaftlicher, politischer, rechtlicher, nationaler und internationaler Natur.

I.

Die BundesstaatlichkeiP zählt zur rechtlichen Form des Föderalismus. Die rechtliche Form des Föderalismus tritt bekanntlich in zwei Prägungen auf, nämlich als Bundesstaat oder Staatenbund. Während der Bundesstaat staatsrechtlicher Natur ist und der Gesamtstaat wie seine Teile Staatscharakter haben, ist dies anders beim Staatenbund. Er ist die völkerrechtliche Prägung des Föderalismus. Staatscharakter hat nicht diese Organisation des Bundes, sondern haben allein die Mitglieder des Bundes.3

Als Beispiel für solche Staatenbünde seien in Erinnerung gerufen: die Hanse vom 13.- 17. Jahrhundert, die Schweizerische Eidgenossenschaft 1291-1848, die Niederlande 1577- 1800 und der Bund der nordamerikanischen Kolonien der Englischen Krone bis zur Gründung der USA durch die 1787 beschlossene und bis 1791 von den Einzelstaaten ratifizierte Bundesverfassung. Derartige Staatenbünde • Für die verständnisvolle Ergänzung der Anmerkungen sei Univ.-Ass. Dr. Dieter Duursma vom Institut für Staatsrecht und Politische Wissenschaften der Universität Linz gedankt. • Dazu Otto Kimminich, Der Bundesstaat, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, Grundlagen von Staat und Verfassung, hrsg. von Josef lsensee und Paul Kirchhof, Heidelberg 1987, S. 1113 ff. und Thomas Fleiner-Gerster; Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Berlin-Heidelberg 1995, S. 183 ff. 2 Beachte Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 6. Neudruck, Darmstadt 1959, S. 769 ff. 3 Vgl. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, 2. Aufl., München 1984, S. 654; siehe zur Abgrenzung zwischen Staatenbund und Bundesstaat insb. auch Hans Kelsen, Allgemeine Staatslehre, Berlin-Heidelberg-New York 1925, S. 207 ff. und Friedrich Koja, Allgemeine Staatslehre, Wien 1993, S. 350 f. 3 Merlen

34

Herbert Schamheck

haben sich zwar nicht immer, aber oft auch zu Bundesstaaten entwickelt, wofür die Vereinigten Staaten von Amerika wohl das beste und bekannteste Beispiel sind, was schon der Name verdeutlicht. 4 Jeder Bundesstaat hat wie auch jeder Staatenbund seine eigene Prägung. Was für den Föderalismus allgemein gilt, ist auch für die Bundesstaatlichkeif richtig. Sie drückt keine Konformität, sondern Pluralität aus. Die Bundesstaatlichkeit spiegelt das Gemeinsame einer Vielheit von Verbindungen von Gemeinwesen zu einer Einheit durch das Verfassungsrecht wider. Ohne Verfassungsrecht keine Bundesstaatlichkeit! Die Voraussetzungen, die Existenzbedingungen, die Strukturen und Wirksamkeiten der jeweiligen Bundesstaatlichkeit werden verschieden sein. Die Merkmale und Einrichtungen der einzelnen Bundesstaaten mögen ähnlich sein, Bedingung und Ursprung des jeweiligen Bundesstaates sind aber unterschiedlich. Sie sind vor allem ethnischer, nationaler, religiöser, sozialer, territorialer und wirtschaftlicher Natur. Bei uns in Österreich ist die Bundesstaatlichkeit besonders auch geographisch bedingt. 5 Dabei denke ich z. B. an den Semmering zwischen Niederösterreich und der Steiermark, die Enns zwischen Niederösterreich und Oberösterreich sowie den Arlberg zwischen Tirol und Vorarlberg. Generalisieren lassen sich diese Merkmale aber nicht. Sie haben alle, wie jeder Bundesstaat, ihre eigenen Bedingtheiten; so manchmal ein Merkmal, manchmal aber auch mehrere. Für das Entstehen eines Bundesstaates können somit ein Umstand oder auch mehrere Umstände bestimmend sein. So sind z. B. in den USA, Österreich und Deutschland vor allem geographische Momente, in Belgien ethnische Gesichtspunkte und in der Schweiz beide Momente ftir die Bundesstaatlichkeit ausschlaggebend gewesen. Bezieht man den Föderalismus in seiner staatsrechtlichen Prägung als Bundesstaat auf den heutigen Verfassungsstaat, so sind für diesen daneben auch die Demokratie, der Rechtsstaat, die Grundrechte und die Gewaltentrennung bestimmend geworden. Das heißt natürlich nicht, daß jeder Verfassungsstaat auch Bundesstaat ist, aber jeder Bundesstaat muß Verfassungsstaat sein, 6 denn ohne die Grundlage im Verfassungsrecht ist ein Bundesstaat nicht existenzfähig! Das Empfinden für die Wertigkeit dieser einzelnen Grundsätze der Verfassungsstaatlichkeit ist verschieden. So haben sich in den letzten beiden Jahrhunderten die Menschen auch in Revolutionen für Humanismus, Demokratismus und Liberalismus eingesetzt, aber kaum, und wenn, dann nicht im gleichen Maß, für 4 Siehe Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, hrsg. von Herbert Scharnbeck, Helmut Widder und Marcus Bergmann, Berlin 1993. s Näher Herbert Schambeck, Föderalismus und Regionalismus in Europa, Landesbericht Österreich, in: Föderalismus und Regionalismus in Europa, hrsg. von Fritz Ossenbühl, Baden-Baden 1990, S. 58 f. und S. 64 f. 6 So auch Josef lsensee, Idee und Gestalt des Föderalismus, in: Handbuch, Band IV, Finanzverfassung - Bundesstaatliche Ordnung, Heidelberg 1990, S. 522.

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

35

den Föderalismus. Als Ausnahme kann der Jurastreit in der Schweiz7 , beendet 1978, und die Bürgerinitiative ftir ein eigenes Statut Vorartbergs in Österreich 19798 genannt werden. Während also das Fordern und Eintreten für die Freiheit und Würde des Menschen und für mehr Demokratie sowie bessere Gewaltenteilung und Kontrolle zu den Zielen der Volksbewegungen zählten, hat sich dies in gleicher Weise nicht für den Bundesstaat ergeben. Erst die Mehrzweckeverwendung des Staates und die Integration Europas, welche zu Zentralisation, Konzentration, Exekutivorientiertheit und auch zu einem Demokratiedefizit geführt haben, ließen den Föderalismus im allgemeinen und die Bundesstaatlichkeit im besonderen bedenken. 9 Bedenkt man Föderalismus 10 und .Bundesstaatlichkeit in ihrer Entwicklung, hat der Föderalismus eine längere Tradition als die Bundesstaatlichkeit, sie ist jüngeren Datums.

II.

Föderationsorientierte Verbindungen sind schon in der Antike feststellbar. Bekanntlich wurden schon im Imperium Romanum die bündnisfahig erkannten Stammeseinheiten als "foederati" bezeichnet. 11 In den Verträgen des Mittelalters wurden für Bund und Länder in Verträgen die Ausdrücke "foedus" und "confoe7 Beachte Daniel Thürer, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker - mit einem Exkurs zur Jurafrage, Bern 1976; Jean Claude Crevoisier, Die Jurafrage im Jahr 1980, Delemont 1980; Jurafrage ungelöst: zur Lage im Südjura - Informationen, Stellungnahmen, Interviews, hrsg. von Carla Piuffuso und Hans Jörg Rieger, Zürich 1981. s Vgl. die Bittschrift der Bürgerinitiative "Pro Vorar1berg" an den Vorarlberger Landtag vom 6. September 1979, 7. Beilage im Jahre 1979 zu den Stenographischen Sitzungsberichten des XXIII. Vorarlberger Landtages und hiezu Siegbert Morscher, Pro Vorarlberg, in: ÖSterreichisches Jahrbuch für Politik 1980, hrsg. von Andreas .Khol und Alfred Stirnemann, München-Wien 1981, S. 31 ff.; Rainer Nick, Österreichs Alemannen -Die ,.besseren" Demokraten? Eine Untersuchung über plebiszitäre Tendenzen, Demokratie und Landesbewußtsein in Vorarlberg, in: Anders als die Anderen? Politisches System, Demokratie und Massenmedien in Vorarlberg, hrsg. von Susanne Dermutz, Peter Klein, Rainer Nick und Anton Pelinka, Bregenz 1982, S. 164 ff.; 5. Bericht über die Lage des Föderalismus in Österreich (t980), hrsg. vom Institut für Föderalismusforschung in Innsbruck, Wien 1982, S. 39 ff.; Elmar Grabherr, Vorarlberger Geschichte- Eine volkstümliche Darstellung, Bregenz 1986, S. 317 ff. 9 Siehe u. a. Detlef Merten, Föderalistische Mitgliedstaaten in einer Europäischen Union, in: Staatsrecht und Staatswissenschaften in Zeiten des Wandels, Festschrift für Ludwig Adamovich zum 60. Geburtstag, hrsg. von Bemd-Christian Funk, Hans R. K1ecatsky, Edwin Loebenstein, Wolfgang Mant1 und Kurt Ringhofer, Wien-New York 1992, S. 446 ff. und Herbert Schambeck, Europäische Integration und österreichischer Föderalismus, Schriftenreihe Niederösterreichische Juristische Gesellschaft, Heft 62, Wien 1993. 10 Dazu Ernst Deuerlein, Föderalismus - die historischen und philosophischen Grundlagen des föderalistischen Prinzips, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 94, Bonn 1972, S. 14 ff. 11 Siehe Max Kaser, Römische Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Göttingen 1967, S. 56 und s. 58 f. 3*

36

Herbert Schamheck

deratio" verwendet. 12 Der Begriff "foedus" erhielt eine besondere Verbreitung durch die sogenannte Föderaltheologie des 16. und 17. Jahrhunderts, 13 die das Rechts- und Staatsdenken dieser Zeit auch besonders beeinflußte. Dies ist bei Johannes Althusius in seinem Werk ,,Politica methodice digesta" 1603 ebenso erkennbar, wie in dem Buch ,,De iure belli ac pacis" von Hugo Grotius 1625. Hervorhebenswert ist es, daß Samuel von Pufendorf (Severinus de Monzambano) 1667 in seinem Werk "De statu imperii Germanici" schrieb: "ad foederatorum aliquod systema ultio vergit", nämlich, daß das Reich ohne föderative Struktur zu Ende gehe. Im 17. Jahrhundert kann man auch einen Weg vom Föderalismus zum Bundesstaat feststellen. So nennt sich die erste Vereinigung der Neuenglandstaaten 1634 "confederation". 1748 hat Charles de Montesquieu bekanntlich im 9. Buch seines Werkes "De 1'esprit des lois" bereits von einer fooerativen Republik geschrieben.

Die erste konkrete Schaffung eines Bundesstaates erfolgte 1787 in Nordamerika durch die Umbildung des 177711781 durch ,,A.rticles of confederation" 14 entstandenen Staatenbundes in den Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Verfassung der USA, die bekanntlich bis heute nur 27mal verändert wurde, ist nicht nur die erste, sondern auch die einflußreichste Verfassung im allgemeinen und eines Bundesstaates im besonderen. Sie ist für das Rechts- und Staatsdenken in der Verbundenheit von Verfassung und Bundesstaatlichkeil in gleicher Weise wegweisend und prägend geworden. Dazu haben entscheidend auch die "Federalist Papers" beigetragen, jenes 1788 veröffentlichte Gemeinschaftswerk von Alexander Hamilton, James Madison und lohn Jay sowie Alexis de Tocqueville mit seinem epochemachenden Werk ,,De Ia democratie en Amerique" 1835- 1840. Neben dem amerikanischen gibt es einen unabhängig davon wirksamen deutschen Einfluß auf die Entwicklung des Föderalismus zur Bundesstaatlichkeit. In diesem Zusammenhang sei auf den Westfälischen Frieden 1648 verwiesen, als das alte Deutsche Reich einen bundesstaatsähnlichen Charakter annahm und das Reich ein lockerer Territorialverband mit ungefähr 300 Gebieten wurde, in dem das Terrtiorialprinzip der Reichseinheit folgte.

Diese neue Ordnung des Deutschen Reiches nützte Ludolph Hugo 1661 in seiner an der Universität Helmstedt verfaßten Dissertation ,,De statu regionum Germaniae", um diesen "zusammengesetzten Staat" zu untersuchen. Er verwendet zwar noch nicht den später gebräuchlichen Ausdruck Bundesstaat, weiß ihn aber gegenüber den Staatenbünden der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der NiederBeachte Heinrich Mitteis, Der Staat des hohen Mittelalters, 5. Aufl., Weimar 1955. V gl. dazu etwa Geschichtliche Grundbegriffe - Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hrsg. von Otto Brunner, Wemer Conze und Reinhart Koselleck, Band I, Stuttgart 1972, S. 627 ff. 14 Abgedruckt in: Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, s. 139 ff. 12

13

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

37

lande zu unterscheiden. Man könnte diese Schrift dem Inhalt nach als erste über den Bundesstaat bezeichnen. Samuel von Pufendoif hat zwar Hugo die Unmöglichkeit des aus Staaten zusammengesetzten Staates vorgeworfen, aber Johann Stephan Pütter hat diese Theorie unter seinem Namen und unter Verschweigung des Namens Hugo 1777 in seinem Buch "Beiträge zum Deutschen Staats- und Fürstenrechte" vertreten. Wie schon Klaus Stern 15 betont hat, wurden die Bezeichnungen Staatenbund und Bundesstaat erst am Beginn des 19. Jahrhunderts allgemein geläufig. Als ihren ersten Autor nennt Siegfried Brie in seinem 1874 erschienen Werk ,,Der Bundesstaat - eine historisch-dogmatische Untersuchung", 16 Carl Salomo Zachariä mit seinem zweibändigen 1867 in 3. Auflage erschienenen Buch "Deutsches Staatsund Bundesrecht".

m. Zur Gründung eigener Bundesstaaten in Europa ist es 1848 mit der Schweiz 11, in Deutschland 1867 mit dem Norddeutschen Bund 18 , 1871 mit dem Deutschen Reich 19 und 1919 mit der Weimarer Republik20 sowie 1918/20 mit der Republik Österreich21 gekommen. Daneben seien noch weitere Bundesstaaten, beispielswei1s Stern, a. a. 0., S. 656. 16 Siegfried Brie, Der Bundesstaat- eine historisch-dogmatische Untersuchung, Leipzig 1874, S. 33 und S. 36. 17 Siehe Jean-Francois Aubert, Traite de droit constitutionell suisse, Band I, Neuchatel 1967, S. 10 ff. und Karl Weber, Kriterien des Bundesstaates- eine systematische, historische und rechtsvergleichende Untersuchung der Bundesstaatlichkeil der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und Österreichs, Wien 1980, S. 51 ff. 18 Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1867, S. 2; beachte Georg A. Grotefend, Grundriß des Verfassungsund Verwaltungsrechts im Norddeutschen Bunde und Preußischen Staate, Arnsberg 1870. 19 Verfassung des Deutschen Reichs, Reichsgesetzblatt 1871, S. 63; siehe Edgar Loening, Grundzüge der Verfassung des Deutschen Reichs, Leipzig 1901 und Paull.Aband, Die geschichtliche Entwicklung der Reichsverfassung seit der Reichsgründung, Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart, Tübingen 1907, S. 1 ff. 20 Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, RGBl. 1919, S. 1383 ff.; Christoph Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, Tübingen 1997; siehe auch Detlef Lehnert, Die Weimarer Republik~ Parteienstaat und Massengesellschaft, Stuttgart 1999. 21 Dazu näher Peter Pemthaler, Die Staatsgründungsakte der Österreichischen Bundesländer- eine staatsrechtliche Untersuchung über die Entstehung des Bundesstaates, Wien 1979; Weber, a. a. 0., S. 60 ff.; Theo Öhlinger, Zur Entstehung, Begründung und zu Entwicklungsmöglichkeiten des Österreichischen Föderalismus, in: Aus Österreichs Rechtsleben in Geschichte und Gegenwart, Festschrift für Ernst C. Hellbling zum 80. Geburtstag, hrsg. von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, Berlin 1981, S. 313 ff. sowie Herherr Schambeck, Zum Werden und zu den Aufgaben des Österreichischen Föderalismus, in: Föderalismus und Parlamentarismus in Österreich, hrsg. von demselben, Wien 1992, 17 ff.

s.

38

Herbert Schamheck

se im außereuropäischen Raum Australien22, lndien23, Kanada24 und Mexiko 25 genannt. Eine Föderationsverfassung nahmen auch die UdSS~6 und Jugoslawien 21 sowie nach der politischen Wende 1989 für wenige Jahre die Tschechoslowakei 28 an. In diesem Zusammenhang der Beachtung der Entwicklung der Bundesstaatlichkeit sei nämlich nicht unerwähnt, daß sich gerade im 20. Jahrhundert Staaten als Bundesstaaten bezeichnet haben, ohne inhaltlich föderalistisch gestaltet zu sein. Diese sogenannten semantischen Bundesstaaten wählten sich derartige Bezeichnungen, weil sie den äußeren Eindruck eines föderalen Verfassungsstaates geben wollten. Die UdSSR und das kommunistische Jugoslawien seien besonders genannt. Sie beinhalten trotz einer Föderalbezeichnung unitaristische-zentralistische Strukturen der Herrschafts- und Machtausübung, vor allem auf Grund der vorran-

gigen Stellung der jeweiligen kommunistischen Partei als politische Monopolisten.

Auch im postkommunistischen Jugoslawien sind derartige Tendenzen feststellbar gewesen, und war die Auflösung dieser Herrschafts- und Machtstrukturen verbunden mit Nationalitätenkämpfen, ethnischen Minderheitenproblemen und religiösen Unterschiedlichkeiten bis heute sehr opferreich.

In der UdSSR war eine Tendenz der Wandlung vom Bundesstaat zum Staatenbund feststellbar. Die heutige Russische Republik29 weist der Verfassung nach ein Föderalsystem mit einer exekutivorientierten Bundesstaatlichkeit auf. Gerade die postkommunistische Zeit nach der sogenannten Wende zeigt vor allem in Mittel- und Osteuropa, daß die Bundesstaatlichkeil sich in keinem einzigen dieser Staaten auf dem Weg zu einer freien Demokratie mit Rechts- und Verfassungsstaatlichkeit behaupten konnte. 30 An die Trennung der Tschechoslowakei Verfassung Australiens vorn 9. Juli 1900. Verfassung der Republik Indien vorn 26. November 1949. 24 Verfassung Kanadas vom 29. März 1867. 25 Verfassung der Vereinigten Mexikanischen Staaten vom 31. Jänner 1917. 26 Verfassung der Sowietunion vom 7. Oktober 1977. 27 Verfassung der Republik Jugoslawien vorn 27. Apri11992. 28 Die Umwälzungen nach dem 17. November 1989 brachten die Forderungen der Republiken nach einer Vergrößerung ihrer Zuständigkeitsbereiche mit sich. Dadurch waren zahlreiche diesbezügliche Änderungen der Verfassung der Tschechoslowakischen Republik 1960 notwendig geworden, wie insbesondere im Dezember 1990 durch das Gesetz Nr. 556/1990 sowie im Herbst 1992 (Nr. 493/1992). 29 Verfassung der Russischen Föderation vom 12. Dezember 1993. 30 So auch Heinrich Neisser, Zukunftsperspektiven des europäischen Parlamentarismus, in: Politik und christliche Verantwortung, Festschrift für Franz-Martin Schmölz, hrsg. von Gertraud Putz, Herbert Dachs, Franz Homer und Ferdinand Reisinger, Innsbruck-Wien 1992, S. 280; dazu Herwig Roggemann, Verfassungsentwicklung und Verfassungsrecht in Osteuropa, Recht in Ost und West, Zeitschrift für Ostrecht und Rechtsvergleichung, Heft 6, August 1996, S. 177 ff. sowie Herbert Schambeck, Politik und Verfassungsordnung postkommunistischer Staaten Mittel- und Osteuropas, in: derselbe, Zu Politik und Recht - Ansprachen, Reden, Vorlesungen und Vorträge, hrsg. von den Präsidenten des Nationalrates und den Präsi22 23

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

39

nach nur wenigen Jahren der Gemeinsamkeit von 1989 bis 1992 in die Tschechische und Slowakische Republik sei ebenso erinnert wie an die menschenrechtsverachtenden Auseinandersetzungen innerhalb der Jugoslawischen Republik. Der einzige Fall der letzten Zeit, in dem die Bundesstaatlichkeil zur Bewältigung von politischen Problemen, es waren hier auch Nationalitätenprobleme, beitragen konnte, war und ist Belgien31 • Nur möge man dabei nicht die integrative Kraft der Krone des Belgisehen Königshauses übersehen. Gleich übrigens Spanien vermag auch in Belgien bei einer pluralen Demokratie die Staatsform der Monarchie eine integrierende konstituierende und stabilisierende Kraft auszuüben, welche diesen Staat mit ermöglicht. Gerade im Vergleich des Staatenaufbaus Belgiens und Spaniens muß aber auf die Differenziertheit der Föderalstruktur Belgiens von der Struktur Spaniens mit seinen autonomen Gemeinschaften32 hingewiesen werden. Es würde den Rahmen des Themas dieses Vortrags und die zur Verfügung stehende Zeit weit überschreiten, jetzt anband näher ausgeführter konkreter Beispiele auf den Unterschied der Provinzen Finnlands, der Regionen Frankreichs, Griechenlands und Italiens, der Grafschaften Großbritanniens und Irlands, der Distrikte Luxemburgs, der Provinzen der Niederlande, der Bundesländer Österreichs, der Distrikte Portugals, der Provinziallandtagsgemeinden und Ortsgemeinden Schwedens sowie der autonomen Gemeinschaften Spaniens hinzuweisen und die Strukturen dieser EU-Mitgliede? 3, vor allem die der Bundesstaaten Belgien, Deutschland und Österreich mit denen der Kantone der Schweiz zu vergleichen. Vergleicht man diese drei neben- und miteinander nachbarschaftlieh und freundschaftlich bestehenden Bundesstaaten Mineleuropas, kann erkannt werden, daß die Schweiz und Deutschland aus einem Staatenbund ein Bundesstaat wurden, hingegen Österreich aus einem dezentralisierten Einheitsstaat. Diese Urdenten des Bundesrates in Zusammenarbeit mit der ÖSterreichischen Parlamentarischen Gesellschaft, Wien 1999, S. 121 ff. 31 Die koordinierte Verfassung Belgiens vom 17. Februar 1994; siehe dazu Andri Alen, Der Föderalstaat Belgien- Nationalismus-Föderalismus-Demokratie, Baden-Baden 1995. 32 Siehe Art. 143 ff. der Verfassung des Königreiches Spanien vom 29. Dezember 1978; vgl. dazu Herbert Schambeck, Weg vom Absolutismus in die Demokratie- Spaniens Verfassung 1978, Wiener Zeitung vom 4. Februar 1979, S. 3; derselbe, Spaniens Weg zum Verfassungsstaat, Neues Volksblatt vom 10. November 1979, S. 3; derselbe, Die Verfassung Spaniens 1978, in: lus Humanitatis, Festschrift zum 90. Geburtstag von A1fred Verdross, hrsg. von Herbert Miehs1er, Erhard Mock, Bruno Simma und Ilmar Tamme1o, Berlin 1980, S. 187 ff.; Albrecht Weber, Die Spanische Verfassung von 1978, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Band 29, Tübingen 1980, S. 240 ff.; Herbert Schambeck, Significacion de 1a Constitucion espanola de 1978 una aportacion austriaca, Revista de Derecho Politico Sumario del u. 14 Verancho Politica, Madrid 1982, S. 137 ff.; Pedro Cruz VillalOn, Zehn Jahre spanische Verfassung, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Band 37, Tübingen 1988, S. 111; Francisco Fernandez Segado, EI Sistema Constitucional Espanol, Madrid 1992, S. 867 ff. und Bernd Pfeifer, Probleme des spanischen Föderalismus, Berlin 1998, S. 63 ff. 33 Näher Heinrich Neisser, Das politische System der EG, Wien 1993, bes. S. 155 ff. und s. 160.

40

Herbert Schamheck

sprünge der drei genannten Bundesstaaten waren auch ausschlaggebend für deren Verfassungsstrukturen. Während sich in Deutschland und der Schweiz selbständige Staaten zu einem Bundesstaat zusammenschlossen, war dies nach dem Ersten Weltkrieg in Österreich anders. Kronländer der Monarchie wurden Bundesländer der Republik. 34 1918 setzte Deutschland seinen föderalen Aufbau fort und wechselte seine Staatsform, nämlich von der Monarchie zur Republik. Österreich wechselte hingegen nicht nur die Staatsform, sondern auch den Staatsaufbau. In dieser Sicht ist die Tradition des Föderalismus in Deutschland älter als in Österreich! Sehr deutlich zeigt sich dies in dem von mir gerne genannten sehr anschaulichen Gemälde des Gratulationsbesuches des deutschen Kaisers Wilhelm ll. mit den vielen Repräsentanten deutscher Staatlichkeit, nämlich Fürsten und Bürgermeister, bei Kaiser Franz Josef zu seinem Regierungsjubiläum 1908 in Wien, er stand ihnen nämlich alleine nur begleitet von seinen Adjutanten gegenüber.

IV.

Österreich verdankt den Weg zu seiner Staatlichkeit, beginnend im 13. Jahrhundert, der jahrhundertelangen klugen Familienpolitik, vor allem Heirats- und Erbpolitik des Hauses Habsburg, 35 dessen Stammvater Rudolf I. mit einigen seiner Angehörigen unweit von hier im Dom von Speyer seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Diese Länder der Habsburger-Donaumonarchie waren zunächst durch eine Personalunion verbunden, die später durch die Pragmatische Sanktion von 1713 zu einer Realunion36 wurde, welche durch den Ausgleich von 1867 die letzte Prägung als staatsrechtliche Einheit erhielt. Der Österreichische Teil dieser Doppe/monarchie, welche das Kaiserreich Österreich und das Königreich Ungarn umfaßte, erhielt in der sogenannten Dezemberverfassung 1867 mit fünf Staatsgrundgesetzen die verfassungsrechtliche Grundlage. 37 Dieser dezentralisierte Einheitsstaat hatte Vgl. u. a. Karl Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 41 ff. Hiezu AdLzm Wandruszka, Das Haus Habsburg -die Geschichte einer europäischen Dynastie, 7. Aufl., Wien 1989 und Alois Niederstätter, Das Jahrhundert der Mitte - An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, ÖSterreichs Geschichte 1400-1522, Band V, hrsg. von Herwig Wolfram, Wien 1996, S. 135 ff. 36 Siehe dazu Ernst C. Hellbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. Auflage, Wien-New York 1974, S. 276 ff. und Wilhelm Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte, 7. Auflage, Wien 1998, S. 73. 37 RGBI. Nr. 141, 142, 143, 144, 145/1867; siehe dazu Die Österreichischen Verfassungsgesetze mit Erläuterungen, hrsg. von Edmund Bematzik, 2. Aufl., Wien 1911, S. 390 ff.; Herbert Schambeck. Der Verfassungsbegriff und die Dezemberverfassung 1867, in: Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik, Festschrift Hermann Eichler, hrsg. von Ursula Floßmann, Wien-New York 1977, S. 549 ff.; beachte auch Wilhelm Brauneder, Der Beitrag des Parlaments zur Entwicklung des Verfassungsrechts vor 1918, in: Parlamentarismus und öffent34 35

Die Bundesstaatlichkeit als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

41

eine übrigens bemerkenswerte Bezeichnung, nämlich "Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder". 38 Damit wurde die Parlamentsbezeichnung Reichsrat Teil der Staatsbezeichnung, und obgleich es sich dabei um keinen Bundes-, sondern um einen Einheitsstaat handelte, wurden die Länder ebenfalls in dieser Staatsbezeichnung genannt. Jedes Kronland hatte seine eigene Landesgesetzgebung und ein bestimmtes Maß an Landesverwaltung, aber - übrigens bis heute - keine Teilnahme an der Ausübung der Gerichtsbarkeit und vor allem keine Teilnahme an der Gesetzgebung des Gesamtstaates. Es gab nur von 1867 bis 1873 insofern einen föderalistischen Ansatz, als die Abgeordneten zum Reichsrat, also zur Volksvertretung des Österreichischen Parlaments, damals von den einzelnen Landtagen entsendet wurden. 39 Dieser dezentralisierte Einheitsstaat Österreich war damals schon von Kronländern mit ganz spezifischer, historisch bedingter Individualität gekennzeichnet, die sehr stark auch national und territorial bedingt war. 1918 trat nach Beendigung des Ersten Weltkriegs und der Ausrufung der Republik das nationale Element dieses Gemeinwesens zurück, und das territoriale Element verblieb als Auftrag für die Neustaatsgründung bis heute! In bestimmter Weise lebt das System der Dezemberverfassung 1867 im Verfassungsrecht der Republik weiter. Neben den übernommenen Grundrechten40 seien die Ansätze der Verfassungs-41 und Verwaltungsgerichtsbarkeit42 und der späteren demokratischen Rechtsstaatlichkeit43 genannt. Daneben wurde aus dem Staatsrecht der Monarchie die gerade für die Bundesstaatlichkeil wichtige Kompetenzverteilung der Ministerien der Monarchie in den Kompetenzkatalog der Republik übernommen. 44 Auf diese Weise ist Österreich zwar 1918 staats-und völkerrechtlich unter Bruch der Rechtskontinuität entstanden, aber materiell in bestimmten Verfassungsgebieten, vor allem auch das Verhältnis von Gesamtstaat und Ländern liches Recht in Österreich. Entwicklungsprobleme und Gegenwartsprobleme, hrsg. von Herbert Schambeck, 1. Teilband, Berlin 1993, S. 43 ff. 38 Siehe § 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 1967, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, RGBJ. Nr. 141/1867; näherErich Zöllner, Der Österreichbegriff - Formen und Wandlungen in der Geschichte, Wien 1988, S. 59 ff. 39 Siehe § 6 des Gesetzes vom 21. Dezember 1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, RGBI. Nr. 141/1867. 40 Art. 149 B-VG; dazu u. a. Karl Korinek/Brigitte Gutknecht, Der Grundrechtsschutz, in: Das Österreichische Bundes-Verfassungsgesetz und seine Entwicklung, hrsg. von Herbert Schambeck, Berlin 1980, S. 291 ff. 41 Vgl. Art. 15 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die Einsetzung eines Reichsgerichtes, RGBI. Nr. 143/1867. 42 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die richterliche Gewalt, RGBI. Nr. 144/1867. 43 Vgl. Art. 11 des Staatsgrundgesetzes vom 21 . Dezember 1867 über die Regierungs- und Vollzugsgewalt, RGBI. Nr. 145 mit Art. 18 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920. 44 Dazu Öhlinger, a. a. 0., S. 319.

42

Herbert Schamheck

betreffend, in Kontinuität zu seiner früheren mehr unitaristischen Staatsrechtsordnung und damit auf Kosten seinesföderalistischen Gehaltes. Zum Unterschied von Deutschland, das seine föderalistische Tradition nach Ausrufung der Republik 1918 von der Monarchie in die Weimarer Verfassung einbrachte, war die Begründung föderalistischer Verfassungselemente in Österreich ein Erfordernis erst nach dem Ende der Monarchie. Es ist daher der Österreichische Bundesstaat anders entstanden als andere, meist als beispielgebend genannte Bundesstaaten wie die USA, die Schweiz und Deutschland. Betrachtet man das B-VG 1920, so erweist es sich zwar fonneU föderalistisch, aber materiell unitaristisch. 45 So hat sich der Bund die wichtigsten Kompetenzen vorbehalten und überläßt nach Art. 15 B-VG den Rest den Ländern. Das Zeitwort "verbleibt" soll Subsidiarität ausdrücken, es fehlt ihm aber der erforderliche Inhalt. Dem mangelnden Föderalgehalt der Österreichischen Verfassung steht die aktive Rolle der Bundesländer bei der Errichtung der Republik Österreich 1918 und auch bei der Wiedererrichtung 1945 bis zu den Initiativen der Teilnahme Österreichs an der Integration Europas zur Seite. Auch in der folgenden Verfassungsentwicklung kam es bis heute nicht zur Stärkung, sondern eher zur Schwächung der Bundesstaatlichkeif Österreichs. Das wird dadurch erleichtert, daß das Österreichische Verfassungssystem von einem Rechtsquellenpluralismus gekennzeichnet ist.46 Neben dem Hauptgesetz, dem B-VG, dessen Entwurf auf Hans Kelsen41 zurückgeht, gibt es andere Verfassungsgesetze des Bundes und der Länder, in einfachen Gesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen und verfassungsändernde Staatsverträge. Im Unterschied zum Bonner Grundgesetz48 kennt das Österreichische B-VG kein lnkorporationsgebot, es kann daher in jedem einfachen Gesetz des Bundes mit Verfassungsbestimmung eine Kompetenzänderung vorgenommen werden. Dies geschieht auch laufend bis heute, und zwar mit qualifiziertem Präsenz- und Konsensquorum des Nationalrates, deutlicher Kennzeichnung und Zustimmung des Bundesrates,49 der durch den Koalitionspakt der beiden Großparteien parteipolitisch mit dem Nationalrat gleichge45 Vgl. Ludwig K. Adamovich/Bernd-Christian Funk/Gerhart Holzinger. Österreichisches Staatsrecht, Band 1: Grundlagen, Wien-New York, 1977, S. 78 und S. 165 f. sowie Theo Öhlinger, Verfassungsrecht, 4. Aufl., Wien 1999, S. 40 f. 46 Siehe Hans R. Klecatsky, Bundes-Verfassungsgesetz und Bundesverfassungsrecht, in: Das Österreichische Bundes-Verfassungsgessetz und seine Entwicklung, S. 83 ff. und Öhlinger, Verfassungsrecht, S. 24 f.; Herbert Schambeck, Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit in Österreich, in: Verfassungsstaatlichkeit, Festschrift für Klaus Stern zum 65. Geburtstag, hrsg. von Joachim Burmeister, München 1997, S. 253 ff. 47 Beachte Georg Schmitz, Die Vorentwürfe Hans Kelsens für die Österreichische Bundesverfassung, Wien 1981 und Die Österreichische Bundesverfassung und Hans Kelsen-Analysen und Materialien - zum 100. Geburtstag von Hans Kelsen, hrsg. von Felix Ermacora, Wien 1982. 48 Art. 79 GG. 49 Art. 44 B-VG.

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

43

schaltet wird. Dabei sei betont, daß dem Österreichischen Bundesrat seit der B-VG-Novelle 198450 das Zustimmungsrecht bei Änderung der Kompetenzen zu Lasten der Länder zusteht. Ohne jetzt auf den föderalen Gehalt der Österreichischen Staatsrechtsordnung im einzelnen eingehen zu können, sei im Rahmen des bundesstaatliehen Grundprinzips51 neben der Kompetenzverteilung52 auf die verfassungsrechtliche Kompetenzkompetenz des Bundes,53 auf die Verfassungsautonomie der Länder, 54 den Bundesrat als eine Form der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung55 und umgekehrt des Bundes an der Landesgesetzgebung in Form des Einspruchsrechtes wegen Wahrung der Bundesinteressen gegen Landesgesetze56 sowie auf den Finanzausgleich57 verwiesen, weiters sei an die Mitwirkung der Länder in der Bundesverwaltung in Form der mittelbaren Bundesverwaltung58, an die doppelfunktionellen, nämlich für Bund und Länder gemeinsamen Organe, wie Bundespräsident,59 Bun-

so BGBI. Nr. 490/1984. Art. 2 B-VG. Siehe insbesondere Art. 10 ff. B-VG, Art. 17 B-VG sowie Art. 82 Abs. 1 B-VG; vgl. dazu Herbert Schambeck, Die Kompetenzzuteilung als rechtsphilosophisches Problem im öffentlichen Recht, Rechtstheorie 1985, 16. Band, Heft 2/3, S. 163 ff., Robert Walter/Heinz Mayer; Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. Aufl., Wien 1996, S. 114 ff.; Heinz Schäffer; Die Kompetenzverteilung im Bundesstaat, in: Bundesstaat und Bundesrat in Österreich, hrsg. von Herbert Schambeck, Wien 1997, S. 65 ff.; Adamovich/ Funk/Holzinger; a. a. 0., S. 278 ff. und Öhlinger; a. a. 0., S. 116 ff. 53 Art. 10 Abs. 1 Z. 1 B-VG; Walter/Mayer; a. a. 0., S. 115 f.; Adamovich/Funk/Holzinger; a. a. 0., S. 162 und Öhlinger; a. a. 0., S. 116. 54 Art. 99 B-VG; dazu Friedrich Koja, Das Verfassungsrecht der Österreichischen Bundesländer, 2. Aufl., Wien-New York-Berlin 1988; Walter/Mayer; a. a. 0., S. 309; Adamovich/ Funk/Holzinger; a. a. 0., S. 327 und Öhlinger; a. a. 0., S. 115. 55 Art. 34 ff. B-VG und Art. 42 B-VG; vgl. dazu Günther Hummer; Der Bundesrat und die Gesetzgebung, in: Bundesstaat und Bundesrat, S. 367 ff.; Walter/Mayer; a. a. 0., S. 186 ff.; Öhlinger; a. a. 0 ., S. 135 ff. sowie auch Herbert Schambeck, Der Beitrag des Bundesrates zur Vorbereitung der EU-Mitgliedschaft Österreichs, in: Zu Politik und Recht, S. 47 ff. 56 Art. 98 Abs. 2 B-VG; siehe Clemens Jabloner; Die Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung, Wien 1989; Walter I Mayer; a. a. 0., S. 306 f. und Öhlinger; a. a. 0., S. 138 f. 57 Art. 13 B-VG; hiezu Johannes Hengstschläger; Der Finanzausgleich im Bundesstaat, in: Bundesstaat und Bundesrat, S. 181 ff.; Walter/Mayer; a. a. 0., S. 128 ff.; Adamovich/ Funk/Holzinger; a. a. 0., S. 292 ff. und Öhlinger; a. a. 0 ., S. 125. 58 Art. 102 Abs. 1 B-VG; dazu Karl Weber; Die mittelbare Bundesverwaltung, Wien 1987; Walter/Mayer; a. a. 0., S. 318 ff. und Öhlinger; a. a. 0., S. 139 ff. 59 Art. 60 ff. B-VG; beachte Klaus Berchtold, Der Bundespräsident- Eine Untersuchung zur Verfassungstheorie und zum Österreichischen Verfassungsrecht, Wien-New York-Berlin 1969; Herbert Schambeck, Der Verfassungsrang des Bundespräsidenten, Österreichische Monatshefte, 1974, 30. Jg., Heft 6, S. 8 ff.; derselbe, Der Bundespräsident und das Parlament, in: Einigkeit und Recht und Freiheit, Festschrift für Karl Carstens, hrsg. von Bodo Börner, Hermann Jahrreiß, Klaus Stern, Band 2, Köln-Berlin-Bonn-München 1984, S. 789 ff.; derselbe, Zum Amtsverständnis des Österreichischen Bundespräsidenten, in: Verantwortung in SI

52

44

Herbert Schamheck

desheer,60 Verfassungs-61 und Verwaltungsgerichtshofl2 , Rechnungshofl3 und für alle Bundesländer mit Ausnahme Tirol und Vorarlberg die gemeinsame Volksanwaltschaft64 erinnert. Es erlaubt die Zeit nicht, die einzelnen Bundesstaatensysteme, etwa Deutschlands, Österreichs und der Schweiz nun miteinander zu vergleichen;65 am Stand einiger Bezüge seien aber Vergleiche erlaubt.

V. Was die Verfassungswerdung nach 1918 betrifft, haben Österreich und Deutschland zwar bekanntlich unterschiedlich geprägte Traditionen ihrer Länder, d. h. Deutschland konnte bekanntlich auf einer Föderaltradition aufbauen, Österreich unserer Zeit, Festschrift für Rudolf Kirchschläger, hrsg. von Alois Mock und Herbert Schamheck, Wien 1990, S. 181 ff.; Walter/Mayer, a. a. 0 ., S. 246 ff.; Manfried Welan, Das Österreichische Staatsoberhaupt - Aufwertung oder Abwertung?, 3. Aufl., Wien 1997 und Öhlinger, a. a. 0., S. 210 ff. 60 Art. 79 ff. B-VG; siehe Gerhard Rauter, Wehrgesetzgebung und Heer 1868-1993, in: Parlamentarismus und Öffentliches Recht in Österreich, Berlin 1993, S. 637 ff.; Walter/Mayer, a. a. 0., S. 281 ff. und Öhlinger, a. a. 0., S. 226 ff. 61 Art. 137 ff. B-VG; vgl. Die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, hrsg. von Hans R. Klecatsky und Theo Öhlinger, Wien 1984; Rudolf Machacek, Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof, 3. Aufl., Wien 1997 sowie Heinz Schäffer, Verfassungsgerlebt und Gesetzgebung, Wien-New York-Berlin 1998; WalteriMayer, a. a. 0 ., S. 391 ff. und Öhlinger, a. a. 0., S. 412 ff. 62 Art. 129 ff. B-VG; beachte Die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, hrsg. von Hans R. Klecatsky und Theo Öhlinger; Rudolf Machacek, Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof; Walter I Mayer, a. a. 0., S. 354 ff. und Öhlinger, a. a. 0 ., s. 262 ff. 63 Art. 121 ff. B-VG; vgl. Johannes Hengstschläger, Der Rechnungshof- Organisation und Funktion der obersten Finanzkontrolle in Österreich, Berlin 1982 sowie derselbe und Andreas Janko, Der Rechnungshof- Organ des Nationalrates oder Instrument der Opposition?, in: 75 Jahre Bundesverfassung, hrsg. von der Österreichischen Parlamentarischen Gesellschaft, Wien 1995, S. 451 ff.; WalteriMayer, a. a. 0., S. 445 ff. und Öhlinger, a. a. 0., s. 148 ff. 64 Art. 148a bis j B-VG; dazu Hans R. KlecatskyiViktor Pickl, Die VolksanwaltschaftRechtsgrundlagen der Österreichischen Volksanwaltschaft, des Tiroler und des Vorarlberger Landesvolksanwalts samt Kommentar, Wien 1989; Walter I Mayer, a. a. 0., S. 456 ff. und Öhlinger, a. a. 0 ., S. 274 ff. 6S Siehe etwa Schweiz-Österreich, Ähnlichkeiten und Kontraste, hrsg. von Friedrich Koja, Wien-Köln-Graz 1986; Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 87 ff. und Herbert Schambeck, Der schweizerische Bundesstaat aus der Sicht Österreichs, in: 1848/1998- 150 Jahre schweizerischer Bundesstaat, hrsg. von Alexander Ruch, Zürich 1999, S. 95 ff. sowie derselbe, Diskussionsbeilrag aus österreichischer Sicht zu: Der deutsche Föderalismus: ein Modell?, in: 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent - Zur Struktur des deutschen Föderalismus, hrsg. vom Bundesrat, Bonn 1999, S. 284 ff.

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

45

aber als ehemals dezentralisierter Einheitsstaat nicht; bei beiden Verfassungswerdungen, sowohl am Weg zum B-VG in Wien 1920 als auch zur Weimarer Verfassung 1919 stand die Bundesstaatlichkeit zur Diskussion und später zur Reform; in Österreich, das 1945 das B-VG 1920 in der Fassung der Novelle 192966 wieder in Kraft setzte67 , besteht diese Reformnotwendigkeit bis heute. 68 In Deutschland war aber die Bundesstaatssituation mit dem Banner Grundgesetz 1949 anders als zur Zeit der Weimarer Verfassung. Die Bundesstaatlichkeil nimmt einen allgemein anerkannten und gesicherten Platz ein.69 Schon die westlichen Militärgouverneure haben im Dokument Nr. l für die Ministerpräsidenten der damals elf Länder Westdeutschlands auf "eine Regierungsform des föderalistischen Typs"70 hingewiesen und sowohl der Herrenchiemseer Konvent als auch der Parlamentarische Rat haben sich für den bundesstaatliehen Staatsaufbau Deutschlands traditionsgemäß ausgesprochen. Auch 1945 haben die Repräsentanten der Österreichischen Bundesländer bei den Länderkonferenzen in Wien71 sich übereinstimmend für den Bundesstaat sowie für die Solidarität der Länder untereinander und dieser mit dem Bund ausgesprochen. Diese Anerkennung der damaligen Provisorischen Staatsregierung Dr. Karl Renner durch alle Bundesländer führte auch zur Anerkennung dieser ersten Nachkriegsregierung durch die Westmächte und verhinderte damit auch eine Teilung Österreichs.72 Was den Stellenwert der Bundesstaatlichkeit im deutschen und Österreichischen Verfassungsrecht betrifft, kann Gemeinsames und Unterschiedliches festgestellt werden. Gemeinsam ist in beiden Verfassungen die ausdrückliche Erwähnung der Bundesstaatlichkeit. Dies ist für Österreich besonders deshalb erwähnenswert, weil im Österreichischen Bundesstaat nur jene Begriffe expressis verbis in den Verfassungstext aufgenommen wurden, die neu waren, wie die demokratische und repuSiehe BGBI. Nr. 392/ 1929. Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945 über das neuerliche Wirksamwerden des BundesVerfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 (1. Verfassungs-Überleitungsgesetz), StGBI. Nr. 4/1945. 68 Beachte Herbert Scluunbeck, Bundesstaatsreform - ein neuer Anlauf tut not, Österreichische Monatshefte, 6-7/1996, S. 25 ff.; derselbe, Europäische Integration und Föderalismus, Österreichische Juristen-Zeitung, 1996, 51. Jg., Heft 14/15, S. 532 ff.; Jü~en Weiss, Der Bundesrat und die Bundesstaatsreform, in: Bundesstaat und Bundesrat in Osterreich, hrsg. von Herbert Schambeck, Wien 1997, S. 497 ff. 69 Dazu Klaus Stern, Föderative Besinnungen, in: derselbe, Der Staat des Grundgesetzes ausgewählte Schriften und Vorträge, hrsg. von Helmut Siekmann, Köln-Berlin-Bonn-München 1992, S. 102 ff. 7(J Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Einleitung, Band I, Heidelberg 1964, S. 41. 71 Siehe Die Länderkonferenzen 1945 - Dokumente und Materialien, hrsg. von Ernst Bezemek und Willibald Rosner, Wien 1995. 72 Dazu Erich Zöllner. Geschichte Österreichs, 7. Aufl., Wien 1984, S. 531 ff. und derselbe, Der Österreichbegriff, S. 84. 66

67

46

Herbert Schambeck

blikanische Staatsform im Art. 1 B-VG. Anders als im Grundgesetz werden im B-VG Österreichs die Begriffe Rechts- oder Gesetzesstaat, Grundrechte oder Freiheit und Würde des Menschen nicht angeführt, weil es bereits diese Prägung der Staatlichkeit, einschließlich der Grundrechte, schon vorher in der Dezemberverfassung 1867 gab?3 Wenngleich die Bundesstaatlichkeit sowohl im Grundgesetz als auch im B-VG entsprechende Erwähnung findet, ist ihr Stellenwert im Grundgesetz doch ein qualifizierterer als in Österreich. In Österreich steht zwar die Bundesstaatlichkeil bereits im Art. 2 B-VG, im Grundgesetz erst im Art. 20 Abs. 1; sie ist aber in Deutschland in allen vier Absätzen des Art. 20 viel mehr mit den übrigen Grundsätzen der Verfassungsstaatlichkeil und den Staatszwecken verbunden als in Österreich. Das Grundgesetz gebraucht im Art. 20 den Begriff "demokratischer und sozialer Bundesstaat" und erklärt im Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz eine Änderung der Bundesstaatlichkeil zusammen mit den im Art. 1 Grundgesetz niedergelegten Grundsätzen, wie dem Schutz der Menschenwürde, für unzulässig, d. h. es handelt sich um absolut starre Bestimmungen und Grundsätze der Verfassung. 14 Anders in Österreich, hier ist mit qualifizierter Rechtsetzung im Nationalrat und Bundesrat und bei Totaländerung nach Art. 44 Abs. 3 B-VG mit Volksabstimmung alles möglich! Diese skizzenhaften Hinweise mögen die jeweils verschiedene Verbindung der Bundesstaatlichkeif mit der Verfassungsstaatlichkeit in Deutschland und Österreich verdeutlichen.

VI. Rückblickend auf die Geschichte der Staaten, ihre Formen, Aufbauprinzipien und politischen Systeme kann allgemein, vor allem auch im Hinblick auf die Staaten des 20. Jahrhunderts, festgestellt werden, daß die Bunde~staatlichkeit als Grundsatz des Staatsaufbaues einerseits sowohl in Monarchien als auch Republiken, andererseits von autoritären sowie demokratischen Staaten verwendet werden kann; die früheren kommunistischen Föderalstaaten mit ihrer semantischen Bundesstaatlichkeil zeigten dies auch. Betrachtet man diese letztgenannten Bundesstaaten autoritären und totalitären Inhalts, dann erweisen sich diese Föderalstrukturen als Selbstzweck im Dienste von politischen Ideologien und sterben ohne freie Demokratie mit der Zeit ab. Das war bei der UdSSR früher genauso wie jetzt mit der jugoslawischen Republik der Fall.75 Es sei auch nicht vergessen, daß der Nationalsozialismus in Deutschland 73 Näher Herbert Schambeck, Möglichkeiten und Grenzen der Verfassungsinterpretation in Österreich, Juristische Blätter 1980, S. 225 ff. 74 Beachte hiezu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 169 ff. 75 Dazu auch Fleiner-Gerster; a. a. 0., S. 193.

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

47

1932 und nach der Okkupation in Österreich im März 1938 die Föderalstruktur beseitigte! 76 Der Bundesstaat bietet auf Bundes- und Landesebene Bereiche des politischen Lebens, welche durch demokratische Meinungs-, Willens- und Urteilsbildung genutzt werden können. Bund und Länder, die den Bundesstaat ermöglichen, werden gemeinsam von einem Staatsvolk im Bundesstaat getragen. Dieses Staatsvolk hat auf der Ebene des Bundes und der Länder, also in zweifacher Weise die Gelegenheit, politische Verantwortung zum Tragen zu bringen. Auf diese Weise steht die Bundesstaatlichkeil in einer Beziehung zur Demokratie. Im Unterschied zum Einheitsstaat vennehrt der Bundesstaat die Demokratie und trägt zur Bürgemähe bei. Dies ist bei den Konzentrations- und Zentralisationstendenzen des heutigen Staates mit seiner Mehrzweckeverwendung von nicht geringer Bedeutung! Die Bundesstaatlichkeit verlangt daher die Verbindung mit dem demokratischen Verfassungsstaat, dieser kann aber dem Föderalsystem nur dann nutzen, wenn er auch das Subsidiaritätsprinzip17 beachtet und die Gewaltenteilung18 ennöglicht.

Setzt man Bundesstaatlichkeit und Subsidiarität miteinander in Verbindung, so handelt es sich um Grundsätze verschiedener, sich aber möglicherweise ergänzender Herkunft. Der Bundesstaat ist staatsrechtlicher Natur, die Subsidiarität ein ethisches Prinzip. Dieses kann, aber muß nicht ausdrücklich im Verfassungstext festgestellt werden. Es kann inhaltlich ausgeführt werden, so z. B. in der Kompetenzverteilung. Gerade diese zeigt in den einzelnen Föderalverfassungen der Bundesstaaten, daß es verschiedene, oft auch kontroversielle Vorstellungen von Subsi-diarität gibt. Je mehr im heutigen Staat, etwa deutlich durch abnehmende bzw. mangelnde Wahlbeteiligung, die Demokratiemüdigkeit und Politikverdrossenheit wächst, um so mehr ist es notwendig, auf den Wegen der Bundesstaatlichkeil unter Ausführung des Subsidiaritätsprinzips den Einzelmenschen zur Mitverantwortung im öffentlichen Leben hinzuführen und ihn an der Politik teilnehmen zu lassen. Die Abgrenzung der Bund- und Landeskompetenzen wird aber immer eine politische Entscheidung sein und wird keine absolute Allgemeingültigkeit erlangen können. Die Subsidiarität alleine wird in einem Bundesstaat nicht wirksam sein können, wenn sie nicht mit einem Grundsatz verbunden ist, der für den demokratischen Verfassungsstaat und seine Kontrollmöglichkeit kennzeichnend ist, nämlich mit der Gewaltenteilung. So wie formaljuristisch gesehen nicht alle das mehr sozial76 Siehe Felix Ermacora, Allgemeine Staatslehre - Vom Nationalstaat zum Weltstaat, Zweiter Teilband, Berlin 1970, S. 637 ff. 77 Hiezu Herherr Sclulmheck, ÖSterreichs Föderalismus und das Subsidiaritätsprinzip, in: Festschrift für Ernst Kolb zum Achtzigsten Geburtstag, Innsbruck 1971, S. 309 ff. und Jürgen Weiss, Die Subsidiarität zwischen Bund und Ländern nach österreichischem Vetfassungsrecht, in: Die Subsidiarität Europas, hrsg. von Detlef Merten, Berlin 1993, S. 53 ff. 78 Näher Herherr Sclulmheck, Föderalismus und Gewaltenteilung, in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, Festschrift flir Willi Geiger zum 65. Geburtstag, hrsg. von Gerhard Leibholz, Hans Joachim Faller, Paul Mikat und Hans Reis, Tübingen 1974, S. 643 ff.

48

Herbert Schamheck

ethische Subsidiaritätsprinzip für den Bundesstaat anerkennen, so wird auch die Bedeutung der Gewaltenteilung für den Bundesstaat nicht von allen anerkannt. Sie wollen die Gewaltenteilung nur bezüglich der drei Staatsfunktionen, also horizontal, aber nicht auch vertikal in der Differenzierung von Bund und Ländern wahrnehmen. 19 Dabei kommt dieser Ergänzung von horizontaler und vertikaler Gewaltenteilung im demokratischen Verfassungsstaat mit seinen beiden Begriffspaaren Zuständigkeit und Verantwortung sowie Verantwortung und Kontrolle eine besondere Bedeutung zu. Das zeigt sich deutlich in der wechselseitigen Kontrolle des Bundes durch die Länder sowie der Länder durch den Bund. Man denke auch an die Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie die Rechnungshofkontrolle von Bund und Ländern. Sie dienen letztlich der Freiheitssicherung. Sowohl der Bundesstaat als auch die klassische Gewaltenteilung gehen von Elementen des Staates aus; aber verschiedenen, nämlich der Bundesstaat vom Staatsgebiet und die klassische Gewaltenteilung von der Staatsgewalt, deren drei Staatsfunktionen getrennt ausgeübt werden sollen. Beide gehen also von verschiedenen Voraussetzungen aus, die eine ist territorial und die andere imperial bedingt. Sie überschneiden sich aber in einer bestimmten Weise insofern, als der Bundesstaat die Kompetenzverteilung als wesentliches Merkmal verlangt. Aus dieser Sicht kann die klassische Gewaltenteilung80 mit als Voraussetzung des Bundesstaates angesehen werden. Beide können zur Kontrolle und zur Friedenssicherung im Staat beitragen, da sie letztlich auch eine Machtverteilung darstellen. Dieser Machtverteilung kommt im heutigen Staat, in dem unabhängig, ob er föderalistisch oder unitaristisch aufgebaut ist, die Gewaltenteilung nur zu oft einen formell organisatorischen Charakter81 hat, eine besondere Bedeutung zu. In einer Zeit, in der in einem parlamentarischen Regierungssystem die Parlamentsmehrheit die Regierung bildet und politische Gewalteneinheit erlebbar ist, verläuft diese Machtverteilung und damit auch Kontrollmöglichkeit82 vor allem zwischen parlamentarischer Mehrheit sowie Minderheit, zwischen parlamentarischer und außerparlamentarischer Meinungs-, Willens- und Urteilsbildung, wobei zu letzterer auch die Massenmedien zu zählen sind, weiters zwischen parlamentarischen und plebiszitär demokratischen Einrichtungen, zwischen Staats- und Selbstverwaltung, zwischen Parteien und Interessenverbänden sowie zwischen politischen Amtsträgern und öffentlichen Bediensteten. All diese Formen der Machtverteilung, deren Nennung nicht taxativ, sondern demonstrativ zu verstehen ist, haben neben dem Föderalismus, aber auch in jedem Bundesstaat, der nicht semantischer Natur ist, son79 Siehe Karl Korinek, Von der Aktualität der Gewaltenteilungslehre, Journal für Rechtspolitik 1995, S. 151 ff. und Herbert Scluunbeck, Zur Idee und den heutigen Formen der Gewaltenteilung im Staat, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 1996, S. 423 ff. 80 Näher Oskßr Werner Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzips- Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte und Verfassungslehre, Zürich 1937. 81 Dazu Walter Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1954, S. 15 f. 82 Vgl. z. B. Herbert Scluunbeck, Regierung und Kontrolle in Österreich, Berlin 1997.

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

49

dem von freier Demokratie getragen ist, eine prägende Kraft für die politische Wirklichkeit. Ihr liegen in verschiedenen Formen zum Tragen kommende Verantwortungen zugrunde. Das gilt aus der Sicht des Verfassungsrechtes nicht bloß zwischen den verschiedenen Machtfaktoren und verschiedenen Staatsfunktionen, wie Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung, das gilt auch innerhalb ein und derselben Staatsfunktion, nämlich der Gesetzgebung, und zwar dann, wenn diese von einem Zweikammerparlament83 gekennzeichnet ist. Das ist im Bundesstaat beim Bundesrat der Fall, der mit auch Thema dieser unserer Tagung ist. Wie immer eine l.iinderkammer konstituiert, rekrutiert und etikettiert ist, sie bezieht sich genauso auf das Staatsganze, wie die Volksvertretung. Beide haben das Staatsgebiet und das Staatsvolk, zwar mit verschiedenen Schwergewichten, zur Voraussetzung. Jede parlamentarische Ländervertretung hat vor allem eine Repräsentations-, Integrations- und mehr oder weniger deutlich bzw. wirksam auch eine Korrekturfunktion. Jedes parlamentarische Zweikammersystem84 drückt ein bestimmtes Spannungsverhältnis aus. Das zeigt sich u. a. besonders auch darin, daß jede Volksvertretung bei einer Zweikammergesetzgebung den Parlamentsbegriff für sich meist alleine in Anspruch nimmt. Das parlamentarische Zweikammersystem ist unabhängig vom Föderalismus und auch der Bundesstaatlichkeit. Genauso, wie es zwischen Staatsund Regierungschefs sowie zwischen Regierungen und Parlamenten eine oft nicht problem- und spannungslose Beziehung gibt, ist eine solche auch zwischen beiden parlamentarischen Einrichtungen gegeben. Ich habe dieses Verhältnis im Zweikammersystem immer gerne mit dem Verhiiltnis von Schwiegermutter und Schwiegertochter verglichen; sie gehören der gleichen Familie an, haben aber unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Im Letzten liegt dem allen die von jedem erlebbare Tatsache zugrunde, daß fast jeder gerne alleine groß ist! Die Problematik des parlamentarischen Zweikammersystems ist eine weltweite. Es sei auch erwähnt, daß nach dem 1986 in 2. Auflage in Brüssel erschienenen zweibändigen Werk ,,Les parlaments dans le monde" von 83 dargestellten Parlamenten 28 zwei Kammern haben und von diesen 12 in Einheitsstaaten, also 16 in Bundesstaaten sind.

Vß. Ohne jetzt im Detail auf die Situation des Zweikammersystems im allgemeinen und von Parlamentarismus und Föderalismus im besonderen einzugehen, wozu zwar mein Thema einladet, aber keinesfalls die Zeit reicht, sei aber doch wenig83 Hiezu Herbert Schamheclc, Zweite Parlamentarische Kammern - Ihre Institution und Repräsentation, in: Zu Politik und Recht, S. 133 ff. sowie derselbe, Der deutsche Bundesrat im Systemvergleich zu Österreich, in: Zu Politik und Recht, S. 149 ff. 84 Beachte Koja, Allgemeine Staatslehre, S. 177 ff.

4 Merten

50

Herbert Schamheck

stens kurz vergleichsweise auf die Situation des deutschen und Österreichischen Bundesrates85 hingewiesen; ein wenig ausführlicher konnte ich dazu vor einem Jahr dank freundlicher Einladung bei der Tagung des deutschen Bundesrates in Seeon aus Anlaß "50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent im Systemvergleich" sprechen.86 Wie für den Bundesstaat gilt auch für den Bundesrat in Deutschland und Österreich Gemeinsamkeit und Unterschiedlichkeit! Gemeinsamkeit, weil der deutsche und Österreichische Bundesrat Liindervenretungen in der Bundesgesetzgebung sind. Dabei ist der deutsche Bundesrat, ich möchte es betonen, dem Österreichischen bis heute prägendes Vorbild in der Verfassungsentwicklung, vor allem nach Ausrufung der Republik in Österreich auf dem Weg zum heute noch geltenden Bundes-Verfassungsgesetz 1920 und in der letzten Zeit im Hinblick auf die Mitwirkung unserer Bundesländer und ihrer Länderkammern an der Rechtsetzung der Europäischen Union. So wurde der Artikel 23 des Grundgesetzes Wegweiser für den späteren Artikel23 e unseres Bundes-Verfassungsgesetzes.87 Die Errichtung beider Bundesräte in Deutschland und in Österreich geht von unterschiedlichen Gegebenheiten aus. Die deutsche Ländervertretung, der Reichsrat88, konnte in der Weimarer Republik an die Ländervertretung, nämlich den Bundesrat der alten Reichsverfassung, anknüpfen89, der Österreichische Bundesrat hingegen nicht an die zweite Kammer der früheren Gesetzgebung der Österreichischen Monarchie, nämlich das Herrenhaus90• Das Herrenhaus Österreichs war nämlich kein föderales, sondern ein konservatives Element. In der Folge sind zwischen dem deutschen und dem Österreichischen Bundesrat noch weitere Unterschiedlichkeilen hinzugetreten. Hiezu muß festgestellt werden, daß der deutsche Bundesrat aus Venretem der Landesregierungen, 91 der Österreichische hingegen aus Paneienrepräsentanten 8S Siehe Fußnote 65 und Bundesstaat und Bundesrat in Österreich, hrsg. von Herbert Schambeck, Wien 1997. 86 Siehe Herbert Schambeck, Der deutsche Bundesrat im Systemvergleich zu Österreich, s. 149 ff. 87 Näher u. a. Heinz Schäffer, Österreichs Beteiligung an der Willensbildung in der Europäischen Union, insbesondere an der europäischen Rechtsetzung, Zeitschrift für öffentliches Recht 1996, S. 3 ff.; Herbert Schambeck, Das Österreichische Regierungssystem, ein Verfassungsvergleich, Opladen 1995, bes. S. 40 ff. und derselbe, Regierung und Kontrolle in Österreich, S. 167 ff. sowie Ruth Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, Berlin 1997. 88 Art. 60 ff. der Verfassung des Deutschen Reichs vom II . August 1919, RGBI. S. 1383 ff. 89 So auch Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, München 1980, S. II4 ff. sowie Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 254 ff. 90 §§ 1 bis 5 des Gesetzes vom 21. Dezember 1967, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, RGBI. Nr. 141/1867. 91 Art. 51 Abs. I GG.

Die Bundesstaatlichkeit als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

51

der Landesparlamente92 besteht, welche den Landesregierungen angehören können, aber nicht müssen. In Deutschland sind Exekutivvertreter mit gebundenem Mandat93 , also weisungsgebunden, im Bundesrat, in Österreich gehören dem Bunc desrat aber mit sogenanntem .,freien" Mandat94 von den Landtagen, also nicht vom Volk direkt gewählte Parlamentarier an. Bei aller Unterschiedlichkeit der Stellung der Mitglieder des Bundesrates in unseren beiden Staaten sei eine Gemeinsamkeit betont, daß nämlich die Bundesräte weder in Deutschland noch in Österreich vom Volk direkt gewählt sind!

Die deutsche Lösung scheint mir mit der Nominierung der Landesexekutivvertreter und dem deutschen gebundenen Mandat föderalistischer; die Österreichische hingegen demokratischer. Die deutsche Lösung erachte ich deshalb als föderalistischer, weil alle Vertreter eines Bundeslandes im deutschen Bundesrat verpflichtet sind, gemeinsam für ihr Bundesland die Stimme einheitlich abzugeben. Anders hingegen in Österreich. In Österreich besteht zwar freies Mandat, dieses ist aber nach dem parteipolitischen Wollen, das in der jeweiligen Parlamentsfraktion zustande kommt, mehr oder weniger einheitlich im Nationalrat und zumeist auch im Bundesrat auszuüben. Das heißt, die Bundesräte der einzelnen Bundesländer stimmen in Österreich nicht nach ihrer Länderzugehörigkeit, sondern nach ihrer Parteizugehörigkeit ab. Man sagte mir, gelegentlich sei dies auch in der Bundesrepublik Deutschland der Fall! Der Österreichische Bundesrat ist daher ein Parteienbundesrat95 , kommt doch auch die liinderrepräsentanz im Bundesrat nach dem Parteienproporz im jeweiligen Landtag zustande. In der Parteiendemokratie eines Bundesstaates, wie es auch in Deutschland der Fall ist, ermöglicht der Föderalismus auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene verschiedene Bereiche politischer Willensbildungen und damit auch unterschiedliche Mehrheitsbildungen. Diese können sich nach der jeweiligen Lebendigkeit des politischen Lebens auch immer wieder ändern. Die allgemeinen Vertretungskörper legitimieren dann die Exekutivorgane zum Handeln, wobei der Einfluß auf die Gesetzgebung ein wechselnder ist.

Da auch in nahezu allen Parlamenten die Gesetzgebung auf Grund der Vielzahl an Regierungsvorlagen von der Regierung und damit von der Exekutive und ihrem Verwaltungsapparat wesentlich bestimmt wird, kommt die deutsche Bundesratssituation - anders als die Österreichs, und wir können auch sagen, die Situation in der Europäischen Union- der Exekutivlastigkeit in der heutigen Politik und damit auch der Bundesstaatlichkeit am nächsten. Art. 35 Abs. l B-VG. Umkehrschluß aus Art. 77 Abs. 2 Satz 3 und Art. 53a Abs. l Satz 3 GG; siehe auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, S. 162 f. 114 Art. 56 Abs. l B-VG. Siehe Herbert Schambeck, Von der Bedeutung des Bundesstaates und Bundesrates in Österreich, in: Bundesstaat und Bundesrat in Österreich, S. 575 ff., bes. S. 577 ff. 92

93

9'

52

Herbert Schamheck

Der deutsche Bundesrat kann daher den jeweiligen Anliegen, Interessen und Standpunkten der Länder besser und konsequenter dienen als der Österreichische Bundesrat, der mehr von dem politischen Wollen der Bundesparteizentralen bestimmt ist. Zur Bedeutung des Bundesstaates und des Bundesrates in Deutschland wie in Österreich zählt es in gleicher Weise, daß während der Legislaturperiode einer Volksvertretung, des Bundestags in Deutschland und des Nationalrats in Österreich, und damit bei einem parlamentarischen Regierungssystem einer Funktionsperiode der Bundesregierung sich der Wählerwille in den jeweiligen Bundesländern ändern kann, d. h. in der Volksvertretung eine andere Mehrheit zum Tragen kommt als in der Ländervertretung.

Die Wahlen zu den einzelnen Landtagen, welche während einer Legislaturperiode des Bundestages in Deutschland und des Nationalrates in Österreich zu verschiedenen Zeiten stattfinden können, erlauben es, den sich unterschiedlich entwickelnden Wählerwillen in den einzelnen Landtagen zu dokumentieren und damit auch in der Zusammensetzung des Bundesrates, der sich nach jeder Landtagswahl auch ändern kann, zu repräsentieren. Geradezu seismographisch zeigt der Bundesrat die politischen Veränderungen in der Demokratie des Bundesstaates an! So vennag der Föderalismus durch den Bundesrat als Länderkammer zur Lebendigkeit der Demokratie beizutragen. Das zeigt sich auch durch den Bundesrat in der deutschen Politik. Diese Form der Gewaltenteilung erlaubt wie jede Form der Gewaltenteilung je nach Kompetenzlage im Rahmen des jeweiligen Parlamentssystems ein Mitdenken, Kontrollieren und Mitentscheiden. Diese Kompetenzausübung des Bundesrates wird dann dem Föderalismus gutgeschrieben, wenn sie in Vertretung der jeweiligen Länderinteressen ausgeübt wird. Anders hingegen, wenn Entscheidungen des Bundesrates nicht auf Grund länderspezifischer Anliegen und Interessen, sondern auf Grund parteipolitischer Grundhaltungen zustande kommen! In diesem Fall nimmt der Bundesstaat einen vermehrt parteipolitischen Charakter an, was dem Föderalismus aber die Glaubwürdigkeit nimmt. Gerade vor Wahlen zur Volksvertretung, sowohl zum Bundestag in Deutschland als auch zum Nationalrat in Österreich, können derartige parteipolitisch erklärliche Nutzungen von bundesstaatlichen Einrichtungen, wie es auch der Bundesrat ist, festgestellt werden. Sie sind von der Demokratie her erklärlich, vom Föderalismus her aber nicht begrüßenswert!

vm. Mit diesem Hinweis auf die Situation des Bundesrates in der Parteiendemokratie wird der Bundesstaat in seiner Verfassungswirklichkeit deutlich. Er ist nicht Selbstzweck und steht im demokratischen Verfassungsstaat in Verbindung u. a. auch mit dem demokratischen Baugesetz, welches in einer Zeit der Pluralität der

Die Bundesstaatlichkeit als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

53

Gesellschaft sich in den einzelnen politischen Parteien repräsentiert. Sie üben auf Grund des Wählerauftrags die Staatsgewalt auf den Ebenen des Bundesstaates aus, der ihnen die Rahmenbedingungen für ihr politisches Wollen bietet. Die politischen Parteien nutzen die Bundesstaatlichkeit zur Erfüllung ihres Wählerwillens. Die jeweiligen durch Wahlen legitimierten Kräfte kommen so auf den Ebenen des Bundes, der Länder und, wenn sie auch nur in Ausnahmefällen, wie z. B. in Berlin, Bremen, Harnburg und Wien, Staatscharakter haben, seien sie in föderalistischer Sicht doch genannt, der Gemeinden, zum Tragen. Auf diese Weise wird der Bundesstaat zum Parteienbundesstaat. Gerade die Verbundenheit von Demokratie und Föderalismus im Verfassungsstaat der Gegenwart ergibt folgerichtig diese Entwicklung; sie hat positive und negative Seiten. Die positive Seite des Parteienbundesstaates liegt in seiner demokratischen Legitimation und in der Möglichkeit eines Beitrages zur Lebendigkeit der Demokratie, zur Gewaltenteilung und Kontrolle. Diese Möglichkeiten sind nicht genutzt und negativ zu beurteilen, wenn nicht eine auf landesspezifische und gemeinwohlgerechte Anliegen auf den verschiedenen Ebenen des Bundesstaates, sondern eine auf eine ausschließlich ideologisch oder sonst begründete Haltung bezogene Meinung vertreten wird, diesbezügliche Forderungen erhoben und Beschlüsse gefaßt werden. In einem solchen Fall wird der Bundesstaat in den Dienst des Parteienstaates gestellt. Gewaltenteilung und Kontrolle sind gefährdet bzw. werden unmöglich.

Welchen Weg Bundes- und Parteienstaat einschlagen, hängt weitgehend auch von den jeweiligen Regierungssystemen ab. Ich habe sie in den fast drei Jahrzehnten meines Parlamentarierlebens alle erlebt und mitvertreten. So können im Parteienbundesstaat Großkoalitionen zu einer Lahmlegung von Parlamentarismus und Föderalismus führen, andere Regierungssysteme zu ihrer Wirksamkeit. Z. B. kann ein auf beide Kammern des Parlaments bezogener Koalitionspakt das Föderalsystem eines Parteienbundesstaates immunisieren; vor allem dann, wenn, wie in Österreich, auf Grund der Klubdisziplin der National- und Bundesräte das freie Mandat gebunden wird, und wenn die Länder, was zwar nicht immer, aber öfters der Fall ist, anderer Meinung als der Bund sind, diese aber nicht zum Tragen kommt. In diesem Fall werden die Länder bei einem lebendigen Föderalismus auf neue Wege geführt, um ihre Länderinteressen vertreten zu können. Diese Wege können im freien Raum des öffentlichen Lebens extrakonstitutionell sein, ohne kontrakonstitutionell werden zu müssen. Österreich bietet hiefür Beispiele. Während im Österreich der Zwischenkriegszeit mannigfache politische Gegensätze bestanden haben, die sich nicht allein zwischen den Parteien, sondern auch auf Länderebene zeigten, wie z. B. damals zwischen dem sozialistisch geführten Wien und den übrigen Bundesländern, entstand nach 1945 ein neues Staatsbewußtsein, das Österreich von einem Staat, den nicht alle wollten, zu einem solchen werden ließ, der nach leidvollen Jahren ersehnt wurde und eine die Grenzen der Parteien und Bundesländer übergreifende politische Zusammenarbeit entste-

54

Herbert Schamheck

hen ließ. Dies führte im Föderalismus zu einer im Verfassungsrecht nicht vorgeschriebenen, aber auch nicht ausgeschlossenen Koordination der Bundesländer, insbesondere in der Verbindungsstelle der Österreichischen Bundeslände,-96, der Konferenz der Regierungschefs, der Mitglieder und Spitzenbeamten der Landesregierungen, deren Beschlüsse empfehlend und beratend die Tätigkeit von Regierung und Parlament begleiteten und im öffentlichen Leben ergänzten. Neben der regelmäßigen Möglichkeit der Landesregierungen, Regierungsvorlagen des Bundes zu begutachten, was unverbindlich für Bundesregierung und Parlament ist, haben die Regierungschefs der Landesregierungen in einer eigenen Landeshauptmännerkonferenz97 sich ein seit Jahrzehnten bewährtes Gremium geschaffen, in dem sie das politische Wollen der Länder ausdrücken und damit empfehlend für die Regierung und die Gesetzgebung des Bundes sind. In diesem Zusammenhang waren die von dieser Landeshauptmännerkonferenz beschlossenen Forderungsprogramme der Österreichischen Bundesländer98 von Bedeutung, wenngleich diese nicht immer vollständig erfüllt wurden. Es sei auch im Zusammenhang mit der von den Österreichischen Bundesländern als erstes verlangten Teilnahme Österreichs an der Integration Europas die von ersten Repräsentanten des Bundes und der Länder 1992 in Perchtoldsdorf getroffene "politische Vereinbarung über die Neuordnung des Bundesstaates" genannt, die freilich bis heute nicht erfüllt wurde. Hingegen hat sich das 1974 eingeführte Recht der Bundesländer, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten untereinander und mit dem Bund nach Art. 15a B-VG sogenannte Gliedstaatsverträge99 abzuschließen, als erfolgreich im Sinne des kooperativen Föderalismus 100 erwiesen. In Fortsetzung dessen erhielten die Bundesländer in Österreich 1988 im Art. 16 B-VG eine in bestimmter Weise eröffnete Vertragsautonomie zum Abschluß von sogenannten Regionalabkommen mit benachbarten Staaten oder deren Teilstaaten; dies erwies sich aber im Hinblick auf die vorgeschriebene Mitwirkung oberster Organe des Bundes beim Abschluß als nicht erfolgreich. 101 Hingegen haben die Österreichischen Bundesländer in Arbeitsgemeinschaften mit benachbarten Staaten, Ländern und Regionen Bedeutendes auf ver96 Beachte Gerhard Holzinger, Der Bundesstaat in der Verfassungswirklichkeit, in: Bundesstaat und Bundesrat in Österreich, S. 235 ff., bes. S. 255 ff. und S. 262. 97 Dazu Holr.inger, a. a. 0 ., S. 258 f. 98 Hiezu Holzinger, a. a. 0., S. 263 ff. 99 Vgl. Heinz P. Rill, Gliedstaatsverträge- eine Untersuchung nach österreichischem und deutschem Recht, Wien-New York-Berlin 1972; Walter/Mayer, a. a. 0., S. 322 ff.; Adamovichl Funk/ Holzinger, a. a. 0., S. 268 ff. und Öhlinger, a. a. 0., S. 145 f. 100 Siehe Felix Ermacora, Österreich als kooperativer Bundesstaat, in: Die Republik Österreich -Gestalt und Funktion ihrer Verfassung, hrsg. von Hans R. Klecatsky, Wien 1968, 219 ff. lOt Näher Friedrich Koja, Die außenpolitischen Möglichkeiten der Österreichischen Bundesländer- Eine Untersuchung aufgrund der Bundesverfassung, in: Die regionale Außenpolitik des Landes Salzburg, hrsg. von Roland Floimair und Herbert Dachs, Salzburg 1993, S. 48 ff.

s.

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

55

schiedenenGebieten geleistet. 102 Die Arge-Alp und Arge Donauländer seien beispielsweise genannt. In diesem Zusammenhang sei auch auf die 1998 auf Grund einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden mit verfassungsänderndem Bundesgesetz erfolgte Einführung eines Konsultationsmechanismus und eines Stabilitätspaktes der Gebietskörperschaften verwiesen. 103 Auf diese Weise wurden Regelungen über die Kostentragung für den Fall getroffen, daß rechtsetzende Maßnahmen einer Gebietskörperschaft andere Gebietskörperschaften (mit)belasten. Sie gehen dabei von dem Grundsatz aus: "Wer anschafft, zahlt!", wollen so einseitig aufgezwungene Belastungen vermeiden und gehen der parlamentarischen Rechtsetzung voran. Mit diesen Beispielen, und es ließen sich noch andere nennen, zeigen sich die Dynamik des Föderalismus und die Möglichkeiten der Bundesstaatlichkeit. Beide verdeutlichen sich durch die Integration Europas, die sie verstärkte und verbreitete. Ursprünglich nahm daran im Rahmen der EG mit Deutschland nur ein Bundesstaat teil, dann mit Belgien nach dessen foderaler Umgestaltung ein zweiter und mit Österreich ein dritter, die übrigen sind nicht föderalisiert, sondern regionalisiert oder zentralistische und dezentrale Einheitsstaaten. In all diesen Staaten mit oder ohne Föderalcharakter nahm mit der Teilnahme an der Europäischen Integration ein in diesem Maße vorher zumeist nicht vorhandenes Veifassungsbewußtsein, vor allem im Hinblick auf die Demokratie, die Gewaltenteilung, den Parlamentarismus und, wo vorhanden, auch den Föderalismus zu. Da in Österreich mit der auch in allen Bundesländern verlangten Teilnahme an der Europäischen Integration grundlegende Verfassungsänderungen verbunden waren, erwies sich eine Volksabstimmung als zwingend erforderlich, die, am 12. Juni 1994 durchgeführt, eine Zustimmung von 66,58% brachte. 104 102 Dazu Andreas Kiefer, Salzburgs Mitwirkung in Regionalinstitutionen, in: Die regionale Außenpolitik des Landes Salzburg, S. 147 ff. und Herbert Schambeck, Europa der Regionen - Regionalpolitische Auswirkungen eines EG-Beitritts, europäische Perspektiven, Eisenstadt 1994, s. 20 ff. 103 Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden betreffend die Koordination der Haushaltsführung von Bund, Länder und Gemeinden (österreichischer Stabilitätspakt) im Bundesgesetzblatt vom 30. Juni 1999, BGBI. Nr. 101/1999 sowie Johannes Hengstschläger, Der Finanzausgleich im Bundesstaat, in: Bundesstaat und Bundesrat in Österreich, S. 196 ff.; Heinz Schäffer, Der Österreichische Konsultationsmechnanismus- Ein Modell für Haushaltsdisziplin im Bundesstaat, Jahrbuch der Universität Salzburg 19951997, Salzburg 1999, S. 149 ff. und Jürgen Weiss, Der Konsultationsmechanismus: Beruhigungspille oder wirksames Instrument, Österreichische Gemeindezeitung Nr. 10/1999, S. 4 ff. 104 Beachte BGBI. Nr. 744/1994: Art. 23d und Art. 23e B-VG und dazu Schäffer, Österreichs Beteiligung an der Willensbildung der Europäischen Union, S. 3 ff.; Matthias Tschiif, Der Bundesstaat und die europäische Integration, in: Bundesstaat und Bundesrat in Österreich, S. 221 ff., bes. S. 226 ff.; Johann Penz. Der Bundesrat und die Europäische Union, in: Bundesstaat und Bundesrat in ÖSterreich, S. 453 ff.; Heinrich Neisser, Die Mitwirkungsbefugnisse des Nationalrates im Entscheidungsprozeß der Europäischen Union, in: Staat- Verfassung - Verwaltung, Festschrift für Friedrich Koja zum 65. Geburtstag, hrsg. von Heinz

56

Herbert Schamheck

Im Zusammenhang mit dieser EU-Mitgliedschaft Österreichs ergab sich für Österreich nach Verfassungsnovellen auf Bundes- und Landesebene eine neue Form des Einvernehmens der zuständigen Repräsentanten des Bundes, der l.iinder und Gemeinden, nämlich in ihrer parlamentarischen Verantwortung der Bundesregierung mit dem Nationalrat und Bundesrat und der Landesregierungen mit den Landtagen in EU-Angelegenheiten. In l.iinderbeteiligungsverfahren wird das Einvernehmen der zuständigen Bundesorgane mit denen der Länder hergestellt; eigene EU-Ausschüsse des Nationalrates, Bundesrates und der Landtage tragen hiezu bei. Außerdem sind alle neun Bundesländer sowie der Gemeinde- und Städtebund im EU-Regionalausschuß vertreten und sind an seiner beratenden Funktion beteiligt. 105 IX.

Diese skizzierten Hinweise auf föderalistische Konsequenzen im Bundesstaat im Hinblick auf die Integration Europas zeigen zwar neue Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Bundesstaatlichkeil auf. Sicher wird der Föderalismus und mit ihm die Bundesstaatlichkeil insbesondere in der Mehrstufigkeil des öffentlichen Lebens, der Subsidiarität, der Verbundenheit von horizontaler und vertikaler Gewaltenteilung sowie ihren Kontrollmöglichkeiten nicht von ab-, sondern zunehmender Bedeutung sein. Es wäre aber falsch, die Bundesstaatlichkeil von der Ebene des Staatsrechts mehr oder weniger spiegelbildlich auf die europäische Ebene zu übertragen und das Entstehen eines europäischen Bundesstaates als Ergebnis europäischer Integration zu erwarten! 106 Dies ist schon deshalb nicht möglich, Schäffer, Walter Berka, Harald Stolzlechner und Josef Werndl, Wien-New York 1998, S. 335 ff.; Herbert ScluJmbeck, Zur Bedeutung der föderalen und regionalen Dimension in der Europäischen Union - ein Beitrag aus österreichischer Sicht, in: Das Recht in Raum und Zeit, Festschrift für Martin Lendi, hrsg. von Alexander Ruch, Gerard Hertig und Urs Ch. Nef, Zürich 1998, S. 445 ff.; Robert Hink, Die Stellung des Österreichischen Gemeindebundes in der Bundesverfassung und der Europäischen Integration, in: Chronik eines Erfolges - 50 Jahre Österreichischer Gemeindebund 1947-1997, Wien 1997, S. 91 ff. und derselbe, Die Österreichischen Gemeinden in Europa, in: Chronik eines Erfolges, S. 99 ff. 10s Siehe dazu Ludwig Bieringer, Der Bundesstaat und die Gemeinden, in: Bundesstaat und Bundesrat in Österreich, S. 171 f.; Manfred Dammeyer, Föderalismus und die Rolle der Regionen in Europa, in: 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent - Zur Struktur des deutschen Föderalismus, hrsg. vom Bundesrat, Sonn 1999, S. 133 ff. und Herbert ScluJmbeck, Die Landtage -Von der Stände- zur Volksvertretung im EU-Zeitalter, in: Zu Politik und Recht, S. 72. 106 In dem Sinne auch Josef lsensee, Nachwort Europa - die politische Erfindung eines Erdteils, in: Europa als politische Idee und als rechtliche Form, hrsg. von Josef Isensee, Berlin 1994, S. 137: ,,Europas Einheit verträgt nicht die staatliche Form, auch nicht die bundesstaatliche"; dazu auch Herbert ScluJmbeck, Das Europa der Regionen als Modell für einen europäischen Bundesstaat?, in: Politik für das dritte Jahrtausend, Festschrift für Alois Mock zum 60. Geburtstag, hrsg. von Erhard Busek, Andreas Khol und Heinrich Neisser, Graz 1994, s. 337 ff.

Die Bundesstaatlichkeil als historisches Erbe und Zukunftsaufgabe

57

weil die EU selbst kein Staat ist und nach der treffend vielzitierten Formulierung des BVerfG die Staaten "die Herren der Verträge" 107 sind. Die EU ist weder mit einem Bundesstaat noch mit einem Staatenbund vergleichbar! Die EU existiert als Rechtsgemeinschaft besonderer Art aus der Rechtsetzung und Rechtsfortbildung durch die einzelnen Mitgliedsländer, welche wieder als Bundes- oder Einheitsstaaten konstituiert sind. Auch nach der Konferenz von Maastricht ist die EU kein Föderalstaat geworden. Sie weist nur Tendenzen auf, welchefür ihre weitere Entwicklung Merkmale und Folgen der Bundesstaatlichkeif beachtenswert erscheinen lassen; wie die differenzierte Kompetenzverteilung, das Subsidiaritätsprinzip, die Gewaltenteilung, vermehrte neue Formen der Demokratie, Ansätze zu möglicher Versachlichung und denkbarer Objektivierung in der politischen Meinungs-, Urteils- und Willensbildung. Hiezu sei auch betont, daß die Bundesstaatlichkeit, wie übrigens der Föderalismus überhaupt, und die europäische Integration auch ein Organisationsprinzip des Pluralismus darstellen und als solche zur Begründung das Gleichgewicht der politischen Kräfte und somit auch in bestimmter Weise das Maßhalten und das Verständnis für das Zurnutbare verlangen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, was schon in der frühen griechischen Antike Resiod von der Eunomia 108 und Solon vom Metron 109 uns zu sagen wußten und wie sie vor der Hybris warnten. Damit möchte ich auch auf die Bedeutung ethischer Grundlagen für die Bundesstaatlichkeit 110 ebenso wie für die europäische Integration hinweisen. Das sind alles Erfordernisse, die bei aller Eigenständigkeit der Bundesstaatlichkeit und der europäischen Integration gemeinsam zu bedenken sind. Daneben sei aber zur Beurteilung der EU aus föderaler Sicht an das erinnert, was Ulrich Scheuner, auch heute ebenso gültig wie damals, schon 1962 bei der damaligen Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer feststellte: ,,Für ein föderales Gebilde genügt nicht eine Einheit des Verfahrens, ein Zusammenbleibenwollen, sondern es muß ein gemeinsames nationales Erleben, ein historischer Vorgang des Zusammenwachsens hinzutreten" 111 und fügte dem noch hinzu: "Der Übergang zu einem föderalen Stadium kann sich nicht gewissermaßen unbemerkt wie beim Überschreiten einer nicht markierten Grenze vollziehen" 112 • Die Integration Europas geht einen eigenständigen Weg, zu dem am Beginn und lange Zeit die sogenannte Exekutivlastigkeit und das Demokratiedefizit zählte, die aber vor allem mit Maastricht mit den Grundsätzen der Subsidiarität und VerhältBVerfGE 89, 155 (190). NäherAlfred Verdross, Abendländische Rechtsphilosophie, 2. Aufl., Wien 1963, S. 2 ff. 109 Verdross, a. a. 0., S. 5 ff. no Siehe Peter Lerche, Föderalismus als nationales und internationales Ordnungsprinzip, Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer 1964, Heft 21, S. 84. lll Ulrich Scheuner, Föderalismus als nationales und internationales Ordnungsprinzip, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1964, Heft 21, S. 123. 112 Scheuner, a. a. 0., S. 124. 107 108

58

Herbert Schamheck

nismäßigkeit 113 sowie mit einem wachsenden Maße parlamentarischer Mitverantwortlichkeit verbunden wird, was auch die Vorgänge um den Wechsel der EUKommission letztens zeigte. Traditionelle Beurteilungskriterien wie die der Bundes- und Verfassungsstaatlichkeil werden sich schwer deckungsgleich von der staatlichen auf die europäische Ebene übertragen lassen. Am Ende seines Lebens hat auch der geistige Vater der Europäischen Integration Jean Monnet in seinen ,,Erinnerungen eines Europäers" geschrieben: " Ich habe niemals daran gezweifelt, daß dieser Prozeß uns eines Tages zu den Vereinigten Staaten von Europa ftihren wird, aber ich versuche nicht, mir heute den politischen Rahmen vorzustellen; denn die Worte, über die man streitet, sind zu ungenau: Föderation oder Konföderation. Was wir durch das Handeln der Gemeinschaft vorbereiten, hat vermutlich keinen Vorgänger." 114 Wo wir heute stehen, hat kürzlich Hans Hugo Klein ausgedrückt, als er feststellte, "daß die Europäische Union die herkömmlichen staatsrechtlichen Kategorien Bundesstaat und Staatenbund hinter sich gelassen und überwunden hat, indem sie Elemente beider zu einer neuen, dem Staatenverbund, verbindet." 115 Mit diesem bekanntlich auf Paul Kirchho/ 16 zurückgehenden Begriff wird wohl die EU am besten gekennzeichnet. Für ihren weiteren Weg in der Zukunft auch als politische Union wird sicher die Erfahrung mit dem Bundesstaat in Geschichte und Gegenwart von Bedeutung sein und den Föderalismus in der Mehrdimensionalität seiner Bedeutung erkennen lassen.

113 Dazu Jürgen Weiss, Föderalismus in einem neuen Europa, in: Föderalismus und Parlamentarismus in Österreich, hrsg. von Herbert Schambeck, Wien 1992, S. 643 ff. ; Fried Esterbauer, Europäische Integration - von den Anfangen zum Vertrag von Maastricht, Wien 1994, bes. S. 89 ff. und Herben Schambeck, Europäische Integration und Föderalismus, Österreichische Juristenzeitung 1996, S. 526 ff. 114 Jean Mannet, Erinnerungen eines Europäers, Baden-Baden 1988, S. 661. I1S Hans H. Klein, Zur Integrationsoffenheit des Modells eines Staatenverbundes, in: Legitimation, Transparenz, Demokratie- Fragen an die Europäische Union, hrsg. von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit München und der Akademie für politische Bildung Tutzing, München 1999, S. 125. 116 Paul Kirr:hhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, in: Handbuch des Staatsrechts, Band VII, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Heidelberg 1992, s. 879 ff.

Bundesstaatlichkeit als Element des Verfassungsstaates Von Paul Kirchhof Wenn wir gegenwärtig in dem immer dichter werdenden Verfassungsdialog unter den Staaten Europas auf die Vorzüge des Grundgesetzes angesprochen werden, gilt das Interesse oft - neben dem gerichtlich durchsetzbaren Menschenrechtsschutz- auch der Bundesstaatlichkeit in Deutschland. Viele junge Verfassungsstaaten in Mittel- und Osteuropa suchen eine Organisationsform, die den staatlichen Zusammenhalt sichert, aber regionale Vielfalt in Politik, Recht und Kultur erlaubt. Häufig wird auch auf die Bewährungsprobe der Bundesstaatlichkeil im Rahmen des Wiedervereinigungsprozesses verwiesen, die das wiedervereinigte Deutschland als staatliche Einheit festigt, weil es ein Bewahren eigenständiger Lebensformen, Sozialstrukturen und kultureller Entwicklungen in den Ländern erlaubt. Zugleich wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion um Dezentralisierung und Föderalismus betont, dass das anhaltende Wirtschaftswachstum - der stetige Anstieg des Durchschnittseinkommens - in Buropa seinen Grund vor allem darin habe, dass der Wettbewerb der politischen Einheiten Europas untereinander und gegenüber der Außenwelt einen problembewussten Einsatz der Ressourcen veranlasst und die - relativ stabile - Kleinräumigkeit und die Freizügigkeit zwischen den Nationalstaaten die Möglichkeit geboten habe, ftir das politische und ökonomische Handeln die jeweils besten Verfahren bereit zu stellen und der Gefahr einer routinierten Monotonie und Überbürokratisierung - wie sie in den Riesenreichen Asiens beobachtet wird - entgegen zu wirken 1• Andererseits trifft der deutsche Bundesstaat gegenwärtig auf die wohl entschiedenste Grundsatzkritik seit seiner Entstehung. Die Untergliederung des Verfassungsstaates in Länder mache die politischen Entscheidungen des Staates schwerfällig und undurchsichtig, verschleiere die Entscheidungsverantwortlichkeiten gegenüber dem Bürger und Wähler, erlaube eine "parteipolitische Blockade" der Bundespolitik, wenn die Mehrheit im Bundesrat eine andere sei als die im Bundestag, verenge die Gestaltungsräume der Länder durch eine Gleichheit auf niedrigem Niveau und ersetze den Wettbewerb durch Aushandeln und Abhängigkeiten, entwickle Organisationsformen und Entscheidungsmaßstäbe eines unitarischen Bundesstaates, die mit der Verflechtung und Vermengung der politischen Verantwortlichkeiten in die Unverantwortlichkeit führe, die Eigenständigkeilen der Länder untereinander abschleife, die Finanzautonomie durch einen übernivellierenden I

Rainer Hildmann, in: Konrad Morath (Hrsg.), Reform des Föderalismus, 1999, S. 9.

60

Paul Kirchhof

Länderfinanzausgleich unterlaufe, in den Ländern eine Scheu vor dem Wettbewerb und - ähnlich wie bei den großen Unternehmen - einen Hang zur Karteliierung fördere, damit schließlich ihre Rechtfertigung in einer europa- und weltoffen gewordenen Struktur von Politik und Wirtschaft verliere2 •

I. Die bundesstaatliche Struktur des deutschen Verfassungsstaates Das Grundgesetz widmet der Gestaltung der Bundesstaatlichkeit besondere Aufmerksamkeit. Gut die Hälfte des Verfassungstextes besteht aus Kompetenz-, Organisations- und Verfahrensvorschriften mit bundesstaatserheblichem Gehalt3 • Die bundesstaatliehen Regelungen des Grundgesetzes sind von einer Dichte, Detailfreude und Prägnanz, dass sie in einem eher fragmentarischen Verfassungstext, der das Gemeinte in der Rechtsidee mehr andeutet als in einer vollzugsfähigen Rechtsfolge formuliert, fast befremdlich erscheinen. Dies erklärt sich einerseits aus der Eigenständigkeit deutscher Bundesstaatlichkeit, die mit dem Hinweis auf eine föderalistische Organisation nicht hinreichend begriffen werden könnte4 ; andererseits aber auch aus der Struktur des Grundgesetzes, das den Verfassungsstaat gerade in seiner Bundesstaatlichkeit festigt, verdeutlicht und wirksam werden lässt. Die moderne Organisationsform für politische Macht und deren rechtliche Mäßigung ist der Verfassungsstaats. Der Staat muss mit politischer Gestaltungsmacht ausgestattet werden, um inneren und äußeren Frieden zu sichern, den Zusammenhalt des ihn legitimierenden demokratischen Staatsvolkes zu festigen, jedem ihm anvertrauten Menschen Existenz und Grundrechte zu garantieren. In dieser seiner Mächtigkeit ist der Staat aber nicht nur Garant, sondern auch potentieller Widersacher von Frieden und Grundrechtsgewähr, begegnet deshalb auch dem Argwohn der Gewaltunterworfenen und gerät damit in ständigen Rechtfertigungszwang6 • Diese Rechtfertigung bietet der Staat in seiner Verfassung, die alle Staatsgewalt auf die Grundrechte verpflichtet, das rechtsstaatliche Friedensgebot in Institutionen, Verfahren und materiellen Bindungen zu festigen sucht, die Staatsgewalt in einer gewaltenteilenden Organisation mäßigt, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der verschiedenen Staatsorgane nach Sachverstand, Problemnähe und Entscheidungsfreudigkeit organisiert, die Aufgabenteilung zwischen freiheitsver2 Vgl. Fritz W. Sclulrpf, Föderale Politikverflechtung: Was muss man ertragen? Was kann man ändern?, in: Reform des Föderalismus, a. a. 0., S. 23 ff.; Ulrich van Suntun, Die Idee des wettbewerbliehen Föderalismus, daselbst, S. 13 ff. 3 Josef Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, HStR, Bd. IV, 1990, § 98 Rn. 5. 4 /sensee, a. a. 0. s Paul Kirchhof, Der Staat als Organisationsform politischer Herrschaft und rechtlicher Bindung, DVBI. 1999, S. 637. 6 Vgl. Josef /sensee, Die alte Frage nach der Rechtfertigung des Staates, JZ 1999, S. 265.

Bundesstaatlichkeil als Element des Verfassungsstaates

61

pflichtetem Staat und freiheitsberechtigter Gesellschaft im Dienste eines Entfaltungsangebots und eines letztlich dem Gemeinwohl dienenden Anspornprinzips regelt. Diese Verfassungsstaatlichkeit findet im Bundesstaatsprinzip eine Grundlage, eine Bestätigung und eine grundgesetzeigene Ausprägung. Bundesstaatlichkeit ist zunächst eine wirksame Form der Gewaltenteilung7 . Während die klassische Gewaltenteilung zwischen Regierung und Parlament sich durch die Dominanz einer Mehrheitspartei oder Mehrheitsfraktion zugleich in Parlament und Regierung abschwächen mag, enthält die Kompetenzaufteilung zwischen Bundesgesetzgebung und Landesvollzug, Bundes- und Landesregierungen mit sachgegenständlich und funktional unterschiedenen Aufgabenbereichen, zwischen Bundeshaushalt und Landeshaushalt, auch zwischen Bundes- und Landespersonal ein Element aktueller Gewaltenbalancierung und Aufgabenteilung. In der demokratischen Legitimationsbedürftigkeit stützt sich der Bundesstaat zwar nicht mehr- wie der "ewige Bund" der deutschen Fürsten und der Senate der freien Städte von 1871 8 - auf einzelne Staaten oder deren Staatsvölker, sondern auf das deutsche Volk. Der Bundesstaat ist kein Bund der Länder, sondern ein Bund des deutschen Volkes9 • Die Bundes- und Landesgewalten erscheinen damit als verschiedene "Werkzeuge und Treuhänder des einen Volkes, ausgestattet mit verschiedenen Kompetenzen und ausgerichtet auf verschiedene Zwecke" 10• Das Staatsvolk gewinnt als Wähler bei der Bundestags- wie bei der Landtagswahl vermehrten Einfluss, kann auch über eine Teilung aktueller politischer Mächtigkeit in Bund und Land entscheiden, ebenso programmatische und personelle politische Alternativen in Bund und Land veranlassen. Die Dezentralisierung der Verwaltungszuständigkeit bietet die Chance eines verbesserten Grundrechtsschutzes und einer problemnäheren Entscheidungsgrundlage. Wenn die Polizeigewalt bei den Ländern liegt, ist der missbräuchliche Zugriff auf dieses Machtpotential erschwert. Wenn die Fragen des Fremdenverkehrs von den Küstenländern zugunsten der Badegäste und von den Alpenländern zugunsten der Bergsteiger entschieden wird, sind die Chancen einer sachkundigen, betroffenengerechten Entscheidung wesentlich verbessert. Die Festspiele in Bayreuth, Schwetzingen und Bad Hersfeld, der Stadionbau in Hamburg, Kaiserslautem und München, die Jugendhilfepolitik in Schleswig-Holstein, Hessen und Baden-Württemberg entfalten sich gerade in ihrer Verschiedenheit, ihrer bewussten Altemativität, ihrer kulturellen Zugehörigkeit zu einer Region in ihrer Tradition und ihrem 7 Herbert Schambeck, Föderalismus und Gewaltenteilung, in: Gerhard Leibholz, u. a. (Hrsg.), FS für Willi Geiger, 1974, S. 643 ff. 8 Ernst Rudolf Huber, Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung, HStR, Bd. I, 1987, § 2 Rn. 9 f. 9 So schon für die Weimarer Reichsverfassung Gerhard Anschütz, Der deutsche Föderalismus in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, VVDStRL 1 (1924), S. 17. 10 Federalist, 1789, No 46, Ausgabe Jacob E. Cooke, 1961, S. 315; dazu /sensee, HStR, Bd. IV, a. a. 0., § 98 Rn. 61.

62

Paul Kirchhof

Zukunftsverständnis. Die Wirtschaftswissenschaften rühmen deshalb die effizientere Versorgung mit öffentlichen Gütern durch einen Bundesstaat, den Erfolg dezentralen Suchens nach neuen Lösungen, die Situations- und Betroffenennähe dezentraler, flexiblerer Entscheidungen 11 •

II. Die Grundlagen der Bundesstaatlichkeit im Test aktueller Angriffe Dieses Bundesstaatsprinzip ist derzeit gegenüber lebhafter Kritik und engagierten Reformvorstellungen zu überprüfen: 1. Autonomie und gleichwertige Lebensverhältnisse Autonomie heißt, sich unterscheiden zu dürfen. Wenn deshalb durch unterschiedliche Landespolitik verschiedene Formen politischer Kultur, von Wohlstand und Wachstum, von Schulen und Hochschulen, von Regionalstruktur und Ansiedlungsbereitschaft in den Ländern entstehen, sind diese Unterschiede im Autonomieprinzip angelegt, von diesem gerechtfertigt und erwünscht. Die "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet", die nach Art. 72 Abs. 2 GG Voraussetzung für die Inanspruchnahme der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes ist, die nach Art. 105 Abs. 2 GG eine Bundessteuergesetzgebungskompetenz begründet und die nach Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG - dort noch in der alten Fassung der ,,Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" - einen Maßstab für die vertikale, variable Umsatzsteuerverteilung bildet, zielt deshalb nicht auf die Nivellierung von Folgen politischer Entscheidungen, die der Wähler zu legitimieren hat, sondern auf einen Ausgleich vorgefundener unterschiedlicher Ausgangsbedingungen der Politik, wie sie die Länder 1949 durch Kriegszerstörung, Demontagen und Flüchtlingsströme zu bewältigen hatten 12, und wie sie heute zwischen den jungen und den alten Bundesländern bestehen. Bundesstaatlichkeit ist also auf Verschiedenheit angelegt, hat aber eine Ähnlichkeit der Lebensbedingungen zur Voraussetzung. 2. Eigenverantwortung und Entscheidungsverflechtung Das Bundesstaatsprinzip formt die Länder als Staaten, als Entscheidungs- und Organisationseinheiten mit eigenständiger Verantwortlichkeit gegenüber dem II Van Suntun, a. a. 0., S. 14 ff.; D. Sauerland, Föderalismus zwischen Freiheit und Effizienz, 1997; H. Zimmermann, Föderalismus und ,,Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse", in: K. Schmidt (Hrsg.), Beiträge zu ökonomischen Problemen des Föderalismus, 1987, S. 35. 12 Scharpf, a. a. 0., S. 25.

Bundesstaatlichkeit als Element des Verfassungsstaates

63

Wähler, dem jeweils zuständigen Parlament, den Kontrollorganen des Rechts und der Rechnungsprüfung. Deswegen liegt die Entscheidungs- und die Folgenverantwortlichkeit grundsätzlich in einer Hand. Die Finanzverfassung beginnt in Art. 104a Abs. 1 GG mit dem Konnexitätsprinzip, baut also auf den Gedanken, dass Aufgaben- und Ausgabenverantwortung grundsätzlich von denselben Körperschaften wahrgenommen werden. Dieses Prinzip - das allerdings in Grundgesetz und Finanzverfassung nicht konsequent durchgehalten ist - ist verallgemeinerungsfähig: Zuständigkeits- und Entscheidungsverflechtungen verschleiern Verantwortlichkeiten, mindern die Entscheidungskraft, verlagern legislative und exekutive Regelungen in Verhandlungssysteme, laden zur Überwälzung von eigenverantwortlich veranlassten Kosten auf andere Gebietskörperschaften ein. Deshalb wird zu Recht gefordert, die Gemeinschaftsaufgaben der Art. 91a und 91b GG abzuschaffen und die Bundesfinanzierungskompetenz des Art. 104a Abs. 4 GG zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet neu zu überdenken. Auch die Entscheidungsverbünde von Ministerpräsidentenkonferenzen, Ministerkonferenzen und Ressortausschüssen finden zwar in ihrer Notwendigkeit Anerkennung, treffen aber in ihrer Handhabung auf Kritik.

3. Demokratische Eigenständigkeif und wirtschaftlicher Wenbewerb

Länder sind demokratisch legitimierte, politische Einheiten, nicht im Wettbewerb stehende Wirtschaftsunternehmen. Wenn demgegenüber die Länder vor allem als Einrichtungen zur Versorgung mit öffentlichen Gütern, als Wettbewerber um Industrieansiedlung und damit um die wirtschaftsfreundlichste Ausgabenpolitik, als konkurrierende Entdecker größtmöglicher Wirtschaftlichkeit und Flexibilität verstanden werden 13 , so müssen diese Wettbewerbsanalysen sich der Wettbewerbsadressaten vergewissern: Die Länder werben und konkurrieren in ihrer Staatlichkeit nicht primär um Steuereinnahmen und Industrieansiedlung, sondern um Wählerstimmen. Allerdings bemessen diese Wähler ihren Wahlentscheid nach dem jeweiligen Arbeitsplatzangebot, ihren Erwerbschancen, den Bildungsmöglichkeiten und der jeweiligen Infrastruktur. Dieser demokratische Wettbewerb aber veranlasst keinen isolierten Steuersenkungswettstreit der Länder im Bemühen um weitere Industrieansiedlung, sondern fordert eine Gesamtpolitik, die eine ruinöse Ausgaben- und Steuerkonkurrenz meidet und eine Gesamtverantwortung für die wirtschaftliche, kulturelle, soziale und politische Entfaltung der Bürger übernimmt.

13

Vgl. van Suntun, a. a. 0 ., S. 14 m.N.

64

Pau1 Kirchhof

4. Gewaltenhemmung durch Gewaltenergänzung

Die parlamentarisch repräsentative Demokratie ereignet sich im Bund wie in Ländern gewaltengeteilt Eine Aufgaben- und Kompetenzzuteilung begrenzt Handlungsmöglichkeiten, ist damit aber auch auf die wechselseitige Ergänzung der jeweiligen Funktionen angewiesen. Die Entscheidungskompetenz des Bundestages ist föderativ gemäßigt und gestützt, die Politik der Bundesregierung auf Vollzug der Länder angelegt, die Aufgaben- und Befugnisteilung zwischen freiheitsverpflichtetem Staat und freiheitsberechtigter Gesellschaft gibt das Gelingen des freiheitlichen Staates in öffentliche und private Hand, das Geldwesen ist einer unabhängigen, aber dem Geldmarkt verpflichteten Zentralbank anvertraut (Art. 88 GG), die Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien begründet ein System privat vervollständigter Gesetzgebung (Art. 9 GG), der Bundesrat wirkt bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit (Art. 50 GG). In dieser Funktionenzuordnung ist es kein Krisenbefund, wenn die Entscheidungskompetenz der Parlamente sich oft auf einen Kompromiss aus BundLänderverhandlungen stützt, wenn Kompetenzen von Bundestag und Bundesrat sich in den Vermittlungsausschuss verschieben, wenn landesübergreifende Landesaufgaben in der "dritten Ebene" von ländergemeinsamen Einrichtungen (ZdF, Zentralstelle für numerus clausus, Verwaltungshochschule Speyer) erfüllt werden. Wenn der Bundesrat - von Bismarck ehemals als Bollwerk gegen die drohende Parlamentarisierung eingesetzt 14 - immer wieder als ,,Blockadeinstrument" der Länder gegen die Bundestagsmehrheit kritisiert worden ist, die unitarisierende Entmachtung von Landesregierungen als Verlust an Bundesstaatlichkeil beanstandet und die Entparlamentarisierung der Landtage als Bedrohung der parlamentarischen Demokratie geriigt wird, bedarf diese Kritik einer differenzierenden Antwort. Zutreffend sind die Einwände, die in den Kompetenzverschränkungen und Entscheidungsverbünden die demokratischen Einheiten gefährdet sehen, die Entscheidungskompetenz, Entscheidungsvollzug und Entscheidungsverantwortung in eine Hand geben, das politische Geschehen sichtbar, verstehbar, konnex und verantwortlich machen wollen. Bundesstaatlichkeil ist jedoch auf Kooperation angelegt und fordert dann gerade in der Untergliederung in Länder eine Klarstellung der Verantwortlichkeit. Wie bei einem Vertragsschluss jeder der Vertragspartner ftir seine Seite voll verantwortlich bleibt, wie bei der gemeinsamen Ausübung von Grundrechten - etwa der Ehe und Familie, der Versammlung und Vereinigung die individuelle Freiheits- und Verantwortungsposition klar definiert und handhabbar bleibt, so hat das Bundesstaatsprinzip -insbesondere durch Letztabstimmungsverlabren in Landesparlament oder Landesregierung - auch in der Länderkooperation die Landesverantwortlichkeit sichtbar und demokratisch einforderbar zu machen. Bedeutsam bleibt auch hier eine Beobachtung, die Kompetenzverlagerungen 14 Lothar Gall, Bismarck, 1980, S. 526 ff., Thomas Nipperdey, Föderalismus in der deutschen Geschichte, in: ders., Nachdenken über die deutsche Geschichte, 1986, S. 60 (83).

Bundesstaatlichkeit als Element des Verfassungsstaates

65

auf die Europäische Gemeinschaft zu Lasten der Parlamente des Bundes und der Länder in den Blick nimmt, aber verallgemeinerungsfähig ist: Für die Parlamente nehme die Bedeutung der Gesetzgebungsfunktion ab, die der Kontrollfunktion hingegen zu 15 • Kontrolle meint hier zutreffend die parlamentarisch mitgestaltende Verantwortlichkeit, nicht die gerichtlich distanzierte Prüfung allein am Maßstab des Rechts. Insoweit ist das Bundesstaatsprinzip auf Entwicklung angelegt: Weniger die Einzelfunktion eines Landes ist verfassungsrechtlich gesichert als dessen Gestaltungsgewicht und politische Verantwortung.

5. Bundesstaatlichkeit und Effizienz

Wenn schließlich beanstandet wird, die bundesstaatliche Untergliederung der Staatsfunktionen schwäche die Entscheidungskraft, verursache unnötige Kosten, erlaube ein Verstecken hinter der Kompetenz des anderen, so stellt sich erneut das Thema von Verfassungsstaat und Effizienz. Der Verfassungsstaat braucht Zeit, verursacht Kosten, bindet Arbeitskraft, verlangsamt Entwicklungen in Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz. Eine Rationalisierung, Organisationsstraffung, Verfahrensvereinfachung und Lockerung der Rechtsbindung ist dennoch möglich, wenn dadurch die Länderautonomie, d. h. deren rechtsstaatliche Verantwortlichkeit und demokratische Kontrolle gestärkt werden. Sachliche Zuständigkeitshereiche sind klar abzugrenzen, die Konnexität von Aufgabe, Aufgabenerftillung, Finanzierung und Kontrolle muss gewahrt oder zurückgenommen werden, Entscheidungsverantwortlichkeiten sollten sichtbarer wahrgenommen werden. Allerdings wird auch eine vermehrte Nichtöffentlichkeit der Verhandlungen empfohlen, um die Darstellung parteipolitischer Machtkämpfe durch das fachverständig konkurrierende Suchen um die richtige Lösung ersetzen zu können. Die "populistische" Überbietungskonkurrenz im Gesundheitswesen mit ihren Kostenfolgen, der "Standortwettbewerb" mit der Ausweitung der Staatshaushalte böten Beispiele, wie die gesetzgebensehe Verständigung zwischen Bundestag und Bundesrat, aber auch die konkurrierende Autonomie unter den Ländern im Veröffentlichungseffekt Schaden leide 16 • Kooperation und Eigenverantwortlichkeit sind im übrigen keine Gegensätze: Aus der Gerichtsbarkeit kennen wir die Möglichkeiten, selbst innerhalb desselben Sachbereichs eine Funktionenordnung von Landesgerichten und Bundesgerichten oder von mitgliedstaatliehen und europäischen Gerichten zu organisieren, in der trotz wechselseitigen Angewiesenseins aufeinander- Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klargestellt sind.

1s Schambeck, Europäische Integration und österreichischer Föderalismus, 1993, S. 24 f. 16

Scharpf. S. 26 f.

5 Merten

Paul Kirchhof

66

m. Erneuerungsbedarf Die Bundesstaatlichkeit ist uns somit aufgegeben, bedarf der Erneuerung, ist jeweils gegenwartsgerecht zu formen und fortzubilden.

1. Gleichheitssatz und Bundesstaatlichkeil Der besondere bundesstaatliche Bedarf, Handlungsmittel der Länder auszugleichen und Lebensverhältnisse anzugleichen, wird im Gleichheitssatz deutlich. Während der Gleichheitssatz, wie auch die Freiheitsrechte, unitarisierend wirken, berechtigen die jeweiligen Landeskompetenzen zu Unterscheidungen unter den Ländern. Anknüpfungspunkt für die Gleichheit ist die Gesetzgebungskompetenz. Der Landesgesetzgeber braucht grundsätzlich nur Gleichheit in seinem Zuständigkeitsbereich herzustellen; nur bei gebietsübergreifenden Sachverhalten - wie der bundesweiten Verteilung von Studienplätzen in numerus clausus-Fächern - wirkt der Gleichheitssatz vereinheitlichend über die Landesgrenzen hinaus 17 . Die gesetzesgebundene Verwaltung stellt Gleichheit grundsätzlich im Hinblick auf das Gesetz her; deswegen wird der Landesvollzug von Bundesgesetzen nicht durch das Ziel bundesstaatlich erwünschter Vielfalt, sondern durch das Gebot eines länderübergreifenden einheitlichen Vollzuges von Bundesgesetzen bestimmt 18 . Zur Sicherung eines bundeseinheitlich gleichen Vollzuges weist das Grundgesetz dem Bund eine Rechtsaufsicht und eine Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsvorschriften zu (Art. 84, 85, I 08). Auch die Rechtsprechung ist darauf angelegt, die Gleichheit jeweils im Rahmen des Geltungsbereiches eines Bundes- oder Landesgesetzes herzustellen 19• Auf dieser Grundlage liegt die Länderdifferenzierungskompetenz im Schwerpunkt bei der Landesgesetzgebung einschließlich der Haushaltsgesetzgebung. Reformansätze erwägen eine Rückgabe von Sachkompetenzen an die Länder, stoßen dabei aber auf deutliche Grenzen. Dies belegt insbesondere der neu gefasste Art. 72 Abs. 3 GG, wonach eine nicht mehr erforderliche (Art. 72 Abs. 2 GG) bundesgesetzliche Regelung aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung durch Landesgesetz ersetzt werden kann: Diese Regelung hat kaum praktische Bedeutung gewonnen. Wirksamer wäre demgegenüber eine Regelung, wonach die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eine bundesgesetzliche Regelung durch Landesgesetz ersetzen oder ergänzen können, wenn nicht der Bundestag innerhalb von 17

Vgl. Paul Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, 1992, § 124

Rn. 178 ff.

18 BVerfGE 11, 6 (18); 76, I (77); Armin Dittmann, Gleichheitssatz und Gesetzesvollzug im Bundesstaat, FS flir Günter Dürig, 1990, S. 221 (235 f.) . 19 Paul Kirchhof, a. a. 0 ., Rn. 183 m.N.

Bundesstaatlichkeil als Element des Verfassungsstaates

67

drei Monaten nach Zuleitung Einspruch erhebt20. Mit diesem Instrument könnte ein Land die Handwerksordnung liberalisieren, ein anderes im Umweltrecht experimentieren, ein drittes den Kündigungsschutz auch für größere Unternehmen modifizieren, ein viertes Studiengebühren einführen21 •

2. Abbau von Mischaufgaben und Mischfinanzierungen Die Gemeinschaftsaufgaben (Art. 9la, 9lb GG) und die Bundesfinanzhilfen für Länderaufgaben (Art. 104a Abs. 4 GG) begründen Mischkompetenzen, bei denen die Verantwortlichkeiten nicht klar und nicht himeichend kontrolliert sind. Deshalb sind diese Zuständigkeiten in konnexe Alleinzuständigkeiten von Bund oder Ländern zu entflechten oder aber anderen Entscheidungs- und Verantwortlichkeitssystemen zu unterwerfen. Würde z. B. die teilweise zu den Gemeinschaftsaufgaben zählende Hochschulfinanzierung sich nach der Zahl der erfolgreichen, am Arbeitsmarkt wirksam gewordenen Abschlussexamina bemessen22, so wäre die Mischfinanzierung durch eine Qualitätshonorierung ersetzt, eine Universität je nach ihrer akademischen Leistungsfähigkeit - unabhängig von der Finanzkraft ihres Landes finanzierbar. 3. Steuergesetzgebung bleibt Bundessache

Die Hoffnung auf einen bundesstaatliehen Steuerwettbewerb23 wird sich - jedenfalls bei dem gegenwärtigen Wirtschaftsgefälle zwischen den jungen und den alten Bundesländern - nicht erfüllen, weil niedrigere Steuersätze Unternehmen und Investoren anlocken, damit eine steuerliche Entlastungskonkurrenz unter den Ländern beginnt, sodann die Länder mit der schwächsten Infrastruktur und deshalb dem höchsten Finanzbedarf weitere Abwanderungen hinnehmen müssen und Neuansiedlungen nicht erreichen können. Deswegen hat der Bundesgesetzgeber auch nicht von der Möglichkeit des Art. 106 Abs. 5 Satz 3 GG Gebrauch gemacht, wonach die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil am Aufkommen der Einkommensteuer festsetzen können. Allerdings wahrt ein regionaler Hebesatz auf die (Bundes-)Einkommensteuer den bundesweit einheitlichen Steuerbelastungsgrund und lässt die allein in den Steuersätzen liegende regionale Differenzierung allgemein sichtbar und verständlich werden. Soweit eine Steuerdifferenzierung durch die Länder nicht dem Wer20 So Enquete-Kommission Verfassungsrefonn 1977, Sondervotum von Senator Dr. Heinsen, daselbst, S. 76. 21 Vgl. auch Scharpf, a. a. 0., S. 34. 22 Vgl. einen ähnlichen Vorschlag bei Scharpf, a. a. 0 ., S. 29. 23 V gl. van Suntun, a. a. 0., S. 20.

s•

Paul Kirchhof

68

ben um die Ansiedlung von Wirtschaftskraft dienen, sondern individuelle Kaufkraft verteilen soll, hindert die Ausweichlichkeit der Steuerlast die Verwirklichung dieses Ziels. Die Steuer auf das Einkommen ist - mit Ausnahme der Lohnsteuer als Instrument für Verteilungsprogramme wenig geeignet; angesichts der zunehmenden Mobilität von Kapital und Arbeit würden vor allem die Besitzer von Immobilien den steuerlichen Belastungstatbeständen unterworfen. Diese mehr für die Steuerstruktur als die Bundesstaatlichkeil schädliche Folge lässt sich allenfalls vermeiden, wenn der Gesetzgeber einer großen Mobilität durch Sollertragsteuern begegnet. Der liberale Gedanke des 19. Jahrhunderts24 , mit den Sollerträgen - auf das Gewerbekapital, Grundbesitz und die Lohnsumme - die erreichbaren Erträge nach Durchschnittssätzen zu besteuern, erscheint auch steuerpolitisch zumindest ein erwägenswertes Hilfskonzept zu bieten: Der wirtschaftlich überdurchschnittlich Erfolgreiche erhält als Anreiz einen Steuernachlass, der überdurchschnittlich Erfolglose hat eine zusätzliche Steuerbelastung zu tragen. Die Ertragsbesteuerung in den weitgehend immobilen Ertragsgrundlagen ist also eher unausweichlich und bietet zugleich ein Anreizsystem, mit den vorhandenen Ressourcen möglichst wirtschaftlich effektiv umzugehen. Eine Belastung der Lohnsumme müsste auch nicht der Arbeitsmarktpolitik widersprechen, wenn sie nicht eine Unternehmersteuer, sondern eine Arbeitnehmersteuer wäre, also den tatsächlich empfangenen Lohn nicht im Istaufkommen, sondern im durchschnittlichen Soll anstelle der Lohnsteuer besteuert.

4. Gemäßigte Verrechtlichung des Verwaltungshandeins

Die Länder könnten in ihrer Domäne, dem Gesetzesvollzug, einen größeren Raum eigenverantwortlichen Handeins gewinnen, wenn die rechtliche Bindung der gesetzesvollziehenden Verwaltung durch teilweise Deregulierung, größere Beurteilungs- und Ermessensräume, aber auch durch eine verminderte gerichtliche Kontrolldichte zurückgenommen würde. Auch hier ist das bundesstaatliche Reformanliegen zugleich ein verfassungsstaatliches: Eine gestärkte Eigenverantwortlichkeit der Verwaltung festigt Landeskompetenzen, begradigt die Verantwortungslinie zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit, eröffnet Räume für eine bürgernahe, gegenwartsgerechte und auch regionale Fallgerechtigkeit Die bundesstaatliche Erneuerung der Ländereigenständigkeiten bleibt damit im Kern ein Problem der Bindungsintensität durch Gesetze. Dieses gilt für die Landesregierungen, den landeseigenen Haushalt und die landeseigene Personalpolitik einschließlich der Besoldung, ebenso aber auch die Landesverwaltung im Vollzug von Bundesgesetzen. Landeshoheit ist insoweit auch partiell eine bundesgesetzesfreie Zone. 24

Vgl. Schremmer, Über "gerechte Steuern", 1994, S. 15 ff.

Bundesstaatlichkeit als Element des Verfassungsstaates

69

5. Der deutsche Bundesstaat im Rahmen der europäischen Integration

Schließlich muss die Frage beantwortet werden, ob die Untergliederung des deutschen Bundesstaates in kleinräumige Länder ihre Berechtigung behält, wenn der Staat staatenübergreifende Aufgaben des Weltfriedens, der rechtlichen Ordnung eines weltweit wirksamen Wirtschaftsmarktes, der Begegnung mit Medien und Informationstechniken ohne Grenzen, der Weltoffenheit handels-und reisewilliger Bürger zu bewältigen hat. Diese Problematik stellt sich am deutlichsten in der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union. Das Grundgesetz hat die Buropaoffenheit des deutschen Staates bisher auf die Bundesstaatlichkeit nur insoweit abgestimmt, als dem Bundesrat beachtlicher Einfluss für europabezogene Entscheidungen des deutschen Staates gegeben werden. Die Abstimmung von bürgernaher Autonomie und großräumigem Staatenverbund hingegen ist bisher nicht in Angriff genommen. Hier bietet sich für eine Erneuerung und Modernisierung der Bundesstaatlichkeit eine ungewöhnliche Chance: Wenn die in Landesautonomie erfüllten Aufgaben für Gesetzgebung, Regierung und Verwaltung wieder sachgerecht definiert sind, damit das Anliegen regionaler Differenzierung, problem- und bürgernahen Entscheidens, betroffenennäherer Verantwortlichkeit und Finanzierungslast verwirklicht ist, bietet das europarechtliche Subsidiaritätsprinzip eine materielle Vorgabe: Was innerhalb eines Mitgliedstaates in die kleinere Einheit der Länder verwiesen werden darf und muss, kann nach dem europarechtlichen Subsidiaritätsprinzip jedenfalls nicht den europarechtlichen Organen vorbehalten werden. Nun springt ins Auge, dass die europarechtlichen Regionen gerade nicht identisch sind mit den deutschen Bundesländern, vielmehr die Bundesländer ganz oder teilweise in europarechtliche Regionen einbezogen werden. Hier ist eine grundsätzliche Neukonzeption in der Kontinuität vorgefundener Föderalstrukturen geboten, die aber auch Neugliederungen innerhalb der Bundesrepublik nahe legen mag, allerdings auch jeden Traum einer Wiederherstellung politischer Gebilde aus dem 19. Jahrhundert verabschiedet. Der Gedanke der Bundesstaatlichkeit ist ein Zukunftskonzept, ist die Antwort des Grundgesetzes auf die offener werdende und fast grenzenlos scheinende Welt.

Das Finanzsystem im Österreichischen Bundesstaat Von Heinz Schäffer I. Kurzcharakteristik des Österreichischen Föderalismus Die Österreichische Bundesverfassung verwirklicht grundsätzlich jene Elemente, die allgemein als essentielle Merkmale eines Bundesstaates angesehen werden. 1 Die typischen Strukturelemente des Österreichischen Föderalismus sind die folgenden: - Der Bundesstaat ist eine staatsrechtliche Staatenverbindung. Innerhalb dieser hat grundsätzlich der Bund die Kompetenzkompetenz. - Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung ist kompliziert und bedarf einer subtilen verfassungsrechtlichen Auslegung. Eine besondere Eigenart des Österreichischen Verfassungsrechts liegt vor allem darin, daß die nichtJtoheitliche Staatstätigkeit nicht der Kompetenzverteilung unterworfen ist, so daß sowohl der Bund als auch die Länder nichthoheitlich (in der sog. Privatwirtschaftsverwaltung) transkompetent handeln können und daher konkurrierende politische Aktivitäten entfalten können. - Das Bundesparlament ist bikameral organisiert. Der Bundesrat als zweite Kammer ist grundsätzlich zur Vertretung der Länderinteressen bestimmt, er kann diese Aufgabe auf Grund seiner Konstruktion jedoch kaum wirksam erfüllen. 2 - Die Länder haben eine durch die Bundesverfassung begrenzte (,,relative") Verfassungsautonomie. I L Adamovich/B.·Ch. Funk, Österreichisches Verfassungsrecht, 3. Auf!. 1985, S. 123 ff.; Christa Altenstätter, Der Föderalismus in Österreich, 1969; T. Öhlinger, Die föderative Verfassung Österreichs, DÖV 1978, 897 ff.; H. Schäffer, Das Föderalismuskonzept der Österreichischen Bundesverfassung und seine praktische Entwicklung, 1987; H. Schäffer, Der Österreichische Föderalismus- Zustand und Entwicklung, in: Stem-FS (1997) 227 ff.; R. Walterl H. Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechts, 9. Auf!. 1998. 2 Dazu zuletzt zusammenfassend H. Schäffer, The Austrian Bundesrat. Constitutiona1 Law - Political Reality - Reform Ideas, in: U. Karpen (Hrsg.) Ro1e and Function of the Second Chamber, 1999, 25 ff. - Verfassungspolitisch gefordert wird daher schon länger eine umfassende Reform des Bundesrates mit dem Ziel, ihn als Länderkammer aufzuwerten. Dabei ist u. a. ein Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Beschlüssen des Nationalrates, welche die Länder oder Gemeinden neu belasten, sowie ein imperatives Mandat vorgeschlagen worden (letzteres zumindest für Fälle, in denen die Kompetenzbestimmungen zu Lasten der Länder geändert werden).

72

Heinz Schäffer

Innerhalb der Bundesverfassung ist die Rolle des Bundes und der Länder in mancherlei Beziehung formell paritätisch ausgebildet (es existieren zum Teil gemeinsame Organe und spiegelbildliche Institutionen). Hinsichtlich der Realverfassung ist festzuhalten: Der kooperative Föderalismus hat gewisse Fortschritte gemacht, die Institutionen könnten aber durchaus noch weiter entwickelt werden. - Im Rahmen der Europäischen Union haben sowohl der Bund als auch die Länder Kompetenzverluste erlitten. 3 Zur Kompensation sind komplizierte Beteiligungsverfahren entwickelt worden, deren Anwendung in der Praxis bisher noch nicht ausreichend erprobt ist.4 Eine bedeutende Rolle im politischen System Österreichs und daher auch im Föderalismus spielen informelle Kooperationen.

II. Die Österreichische Finanzverfassung 1. Grundstruktur

Finanzverfassungsrechtliche und finanzausgleichsrechtliche Regelungen sind in jedem Bundesstaat von besonderer Bedeutung. Sie bilden die finanziellen Voraussetzungen für die Ausübung der Kompetenzen.5

3 Dazu schon H. Burtscher; EG-Beitritt und Föderalismus. Folgen einer EG-Mitgliedschaft für die bundesstaatliche Ordnung Österreichs, 1990; später umfassend H. Schäffer; Europa und die Österreichische Bundesstaatlichkeit. Gedanken zur Bewahrung und Weiterentwicklung des Föderalismus im werdenden Europa, in: Tomuschat/ Kötz/von Maydell (Hrsg.), Europäische Integration und nationale Rechtskulturen, 1995, S. 269 ff. 4 Dazu nun eingehend H. Schäffer; Österreichs Beteiligung an der Willensbildung in der Europäischen Union, insbesondere an der europäischen Rechtssetzung, ZÖR 50 (1996), 1 ff. s K. Weber. Kriterien des Bundesstaates (1980) 168 ff.; P. Saladin, Schweizerischer und österreichischer Föderalismus im Vergleich, in: F. Koja/G. Stourzh (Hrsg) Schweiz-Österreich (1986) 125 ff.; H. Schambeck. Der schweizerische Bundesstaat aus der Sicht Österreichs, in: A.Ruch (Hrsg), 1848/1998, 150 Jahre Schweizerischer Bundesstaat, 1999, S. 95 (100 ff.). Zur Österreichischen Finanzverfassung siehe grundsätzlich: E. Melichar; Die Österreichische Finanzverfassung, in: C. A. Andreae (Hrsg) Handbuch der Österreichischen Finanzwirtschaft (1970) 13 ff.; H. Schäffer. Die Österreichische Finanzverfassung, in: W Weigel/ E. LeithnerIR. Windisch (Hrsg), Handbuch der Österreichischen Finanzpolitik, Wilhelm Weber-FS (1986) 87 ff.; P. Pernthaler. Die Österreichische Finanzverfassung (1984); J. Werndl, Die Finanzverfassung - aktueller Stand und Reforrntendenzen, in: H. Schäffer/ H. Stolzlechner (Hrsg.), Reformbestrebungen im Österreichischen Bundesstaatssystem (1993) 29 ff.; L Admnovich/B.-Ch. Funk/G. Holzinger; Handbuch des Österreichischen Staatsrechts, RZ 19.030 ff.

Das Finanzsystem im Österreichischen Bundesstaat

73

a) Zum Begriff der Finanzverfassung in der Legalordnung und in der (finanz-)politischen Praxis Österreichs In der Österreichischen Bundesverfassung (Stammgesetz: B-VG) fehlt es im Gegensatz zu anderen, insb. bundesstaatliehen Verfassungen an Aussagen und Normierungen über die Verteilung der Finanzierungsverantwortung und für das Finanzaufkommen im Bundesstaat sowie an - über das traditionelle parlamentarische Budgetbewilligungsrecht hinausgehenden - Direktiven und Prozeduren sowie planensehen Vorkehrungen für die staatliche Finanzpolitik6 . Art. 13 Abs. 1 B-VG verweist auf ein besonderes Finanz-Verfassungsgesetz (F-VG), das die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auf dem Gebiete des Abgabenwesens regeln soll. Über diese Promesse hinausgehend regelt das Finanz-Verfassungsgesetz (F-VG) 1948 öBGBl. 45 "den Wirkungsbereich des Bundes und der Länder auf dem Gebiete des Finanzwesens"(§ 1) überhaupt, denn es enthält außer kompetenzverteilenden Normen(§§ 5 -11) auch solche über den Finanzausgleich(§§ 2-4), über Finanzzuweisungen und Zuschüsse(§§ 12 und 13) und über Fragen des Kreditwesens (§§ 14 und 15) sowie des Haushaltsrechts und der Finanzstatistik (§ 16). Die offene Flanke der öffentlichen Finanzwirtschaft, nämlich die Haushaltsdisziplin, wird heute (seit dem Vertrag von Maastricht 1992) durch die gemeinschaftsrechtlichen Konvergenzkriterien regiert. 7

b) Verbundene Finanzwirtschaft und Finanzausgleich Die Finanzierung öffentlicher Haushalte kann im Prinzip auf dem System getrennter Finanzwirtschaft8 , auf dem System der Dotation "nachgeordneter" oder "eingegliederter" Körperschaften durch einen ,,höheren" Rechtsträger beruhen oder ein System der verbundenen Finanzwirtscha.{f darstellen, wie in Österreich. 6 Dieser regelungstechnische und finanzpolitische Mangel haftet dem Österreichischen Bundesstaatsrecht von Anfang an. Zur historischen Entwicklung des österr. Finanzverfassungsrechts H. Schäffer, Die Verfassungsgrundlagen für Staatsaufgaben und Finanzbeziehungen, in: H. Schäffer (wiss.Gesamtredaktion), Salzburger Symposion zum Jubiläum 60 Jahre Bundesverfassung (1980), 67 ff. - Vgl. jedoch mittlerweile den sehr allgemein gehaltenen Stabilitätsauftrag in Art. 13 Abs. 2 B-VG (in die Stammfassung der Bundesverfassung eingefügt mit BVG 4. 4. 1986 öBGBI. 212). 7 Siehe dazu vor allem H. Schäffer, Europäische und nationale Wirtschaftsverfassung, in: G. Winkler-FS (1997) 933 ff. s Im Trennsystem sind jeder (selbständigen) territorialen ,,Ebene" bestimmte Steuerquellen zugewiesen. 9 Das Verbundsystem besteht darin, daß sämtliche Abgaben nicht von den zur Verfügung über den Abgabenertrag berechtigten Gebietskörperschaften selbst, sondern durch eine Gebietskörperschaft auch für Zwecke anderer Gebietskörperschaften erhoben werden und die Aufteilung der Ertragsanteile nach bestimmten Prozentsätzen oder bestimmten Schlüsseln erfolgt.- P. Pernthaler, Finanzverfassung (1984) 34 ordnet im Rahmen seiner Begriffsbildung

74

Heinz Schäffer

Erweisen sich sogar in Bundesstaaten mit Trennsystem finanzielle Ausgleiche als notwendig, so gilt dies umsomehr bei der komplizierten Verflechtung der öffentlichen Haushalte im Verbundsystem und der starken Abhängigkeit der Länder und Gemeinden von der überragenden Finanzkraft des Bundes in Österreich.

c) Dominanz des Bundes Auf dem Gebiet der fiskalischen Grundordnung dominiert in Österreich der Bund. aa) Für die Seite der Staatsausgaben gilt der Grundsatz, daß die Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) "den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt", selbst zu tragen haben (§ 2 Finanz-Verfassungsgesetz). Diese scheinbar saubere Rückkoppelung zu den verfassungsrechtlich festgelegten Kompetenzen wird in mehrfacher Weise durchbrochen. Zum einen kann der einfache Gesetzgeber Ausnahmen normieren. Außerdem wird in der Praxis durch Finanzzuweisungen und Zweckzuschüsse einerseits, aber auch durch Kostenübernahme auf privatrechtlicher Basis der Zusammenhang zwischen der Aufgabenverantwortung und der Ausgabenverpflichtung vielfach zerstört. bb) Noch deutlicher wird das Übergewicht des Bundes auf der Seite der Staatseinnahmen. Hier ist die Kompetenzkompetenz noch weiter dem Einfluß der Länder entrückt, weil sie durch das Finanz-Verfassungsgesetz an den einfachen Bundesgesetzgeber delegiert ist, der sie i.d.R. in der Form des sog. Finanzausgleichsgesetzes (FAG) ausübt. Wahrend in anderen Bundesstaaten normalerweise die Verfassung zumindest eine grundsätzliche Verteilung der konkreten Besteuerungsrechte trifft, ist diese Aufgabe in Österreich dem einfachen Bundesgesetzgeber überlassen.10 Zwar bindet § 4 F-VG den Bundesgesetzgeber an die Übereinstimmung mit den Lasten der öffentlichen Verwaltung und verpflichtet zur Bedachtnahme auf die auch das Dotationssystem unter die Verbundsysteme ein, obwohl es in Wahrheit eine völlige Abhängigkeit der empfangenden Körperschaft ohne Anspruch auf Ertragsanteile (und somit ohne eine auch nur partielle Ertragshoheit) bedeutet. to Die dadurch bedingte Kompetenzkompetenz des einfachen Bundesgesetzgebers kann vom Standpunkt der Bundesstaatstheorie als "grundlegender staatsrechtlicher Systembruch" bezeichnet werden; so in der Tat H. G. Ruppe, in: Neuordnung der Kompetenzverteilung (hrsg vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, Wien o.J., Mai 1991) 289 ff. - Wahrend etwa in der Schweiz die Kantone weitgehend selbst verhindem können, daß ihnen Einnahmequellen vom Bund entzogen werden, ist die rechtliche Stellung der Österreichischen Bundesländer in dieser Hinsicht wesentlich schwächer ausgeprägt. Die unterschiedliche Haltung zur finanziellen Autonomie der Gliedstaaten in den beiden erwähnten Verfassungssystemen findet sich klar herausgearbeitet bei H. Schambeck, a. a. 0 . 100 ff. Vom verfassungspolitischen Standpunkt plädiert P. Pemthaler, Österreichische Finanzverfassung (1984) 204, 207 ff. für eine "eigene" Abgabenhoheit der Länder und für einen Abbau der ,,Bevormundungen" durch die Bundesgesetzgebung.

Das Finanzsystem im Österreichischen Bundesstaat

75

Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften (Grundsatz der Finanzausgleichsgerechtigkeit). Lange Zeit hat man dies als einen nichtjustitiablen Programmsatz angesehen. Erst in neuerer Zeit hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) eklatante Verstöße gegen diese Grundsätze für verfassungswidrig erklärt und damit den genannten Verfassungsgrundsatz justitiabei gemacht. Während in Deutschland das Bundesverfassungsgericht jüngst die Auffassung vertritt, die Finanzverfassung verpflichte den Gesetzgeber, das verfassungsrechtlich nur in unbestimmten Begriffen festgelegte Steuerverteilungs- und Ausgleichssystem durch anwendbare, allgemeine, ihn selbst bindende Maßstäbe gesetzlich zu konkretisieren und zu ergänzen, 11 setzt die Österreichische Staatspraxis seit jeher mehr auf Verhandlungs- und Konsensmechanismen. Die neuere Österreichische Rechtsprechung billigt solchen Pakten durchaus einen gewissen Vertrauensschutz und die Vermutung einer Richtigkeitsgewähr zu, was aber keineswegs die verfassungsgerichtliche Prüfung finanzausgleichsgesetzlicher Regelungen auf ihre Sachlichkeit noch deren mögliche Änderung durch den Bundesgesetzgeber ausschließe. 12 In der Österreichischen Staatspraxis hat sich der Brauch entwickelt, vor der Erlassung des Finanzausgleichsgesetzes Verhandlungen zwischen den Gebietskörperschaften über die Verteilung der Finanzmasse zu führen. Ein Versprechen des Bundes, vor jeder Änderung der Verteilungsmasse mit den politischen Partnern Verhandlungen zu führen, ist freilich nur einfachgesetzlich verankert und daher im Hinblick auf die Kompetenzkompetenz des Bundes letztlich sanktionslos. Durch die Zuweisung der einzelnen Besteuerungsgegenstände zu den Steuertypen (ausschließliche, geteilte oder gemeinschaftliche Abgaben) hat der Bund gewissermaßen ein "Vorgriffsrecht"; nur die von ihm nicht beanspruchten Besteuerungsobjekte können von den Ländern für Landes- und Gemeindeabgaben in Anspruch genommen werden (nur insofern kann man von einem "Steuerfindungsrecht" der Länder sprechen). De facto hat sich der Bund die bedeutendsten und vor allem ertragreichsten Steuern entweder zur Gänze oder zum Teil vorbehalten. Er hebt die ausschließlichen Bundesabgaben, aber auch die zwischen dem Bund und den Ländern geteilten Abgaben ein. Von letzteren erhalten die Länder die ihnen zustehenden Ertragsanteile, die je nach Steuerart oft nach komplizierten Schlüsseln berechnet und verteilt werden. Darüber hinaus sind die Länder ermächtigt, einen Teil ihres Finanzbedarfs im Wege einer sog. Landesumlage von den Gemeinden zu finanzie-

11 BVerfG (2. Senat) 11. 11. 1999-2 BvF 2/98 u. a. = EuGRZ 1999, 617 ff. - Zu den Maximen, an die ein solches Maßstäbegesetz gebunden ist, meint das BVerfG u. a.: "Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die ,notwendigen' von den im Haushalt veranschlagten Ausgaben zu unterscheiden, also in einer Erforderlichkeits- und Dringlichkeitsbewertung von Ausgabenstrukturen der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern eine Grenze des Finanzierbaren vorzugeben...." t2 VfSlg. 12.505/1990, 12.784, 12.832/1991, 14.262/1995, zuletzt VfGH. 4. 12. 1999, G481/97.

76

Heinz Schäffer

ren. Insgesamt kam es im Laufe der Jahre jedoch zu keiner finanziellen Aushungerung der Länder, was auf dem politisch "paktierten" Finanzausgleich beruht. cc) Ein besonderes Problem resultiert daraus, daß in Österreich- wie schon gesagt - das nichthoheitliche Handeln der Gebietskörperschaften nicht an die Kornpelenzverteilung gebunden ist. Daher kann die Wahrnehmung dieser Aufgaben auch nicht als Erfüllung von Pflichtaufgaben i.e.S. bezeichnet werden, bei denen die Finanzierungsverantwortung den Regeln der Kompetenzverteilung folgen würde. In der Staatspraxis hat sich die Methode entwickelt, über die Kompetenz-Grenzen der Finanzverfassung hinweg die Erfüllung von Aufgaben, für die der Bund allein verantwortlich wäre, von finanziellen Leistungen der Länder abhängig zu machen. Dies gilt sowohl für viele Bereiche der Subventionsverwaltung als auch zum Teil für die Vergabe öffentlicher Großaufträge und Projekte. Tatsächlich entlastet sich der Bund auf diese Weise durch Überwälzung von Kosten; praktisch denaturiert dieser sog. "graue Finanzausgleich" den Bundesstaat und zehrt an der finanziellen Eigenständigkeit der Länder. Erst in allerjüngster Zeit hat der VfGH die Existenz von- verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen - "Gemeinschaftsaufgaben" zur Kenntnis genommen und Hinweise zu ihrer rechtlichen Einordnung gegeben (Näheres bei den Grundsätzen der Kostentragung; siehe unten II. 2. a).

d) Finanzsystem und Finanzausgleich 13 Das öffentliche Finanzwesen wird - wie schon gesagt - gemäß Art 13 B-VG durch ein eigenes, die finanziellen Beziehungen aller Gebietskörperschaften betreffendes ,,Finanzverfassungsgesetz 1948" (F-VG) geregelt, dessen § 6 abstrakt verschiedene Abgabenformen (und zwar ausschließliche, geteilte und gemeinsame Abgaben sowie bestimmte Mischformen) unterscheidet. Mittels einfacher, zeitlich begrenzter Bundesgesetze werden die konkreten Steuern diesen Formen dann im "primären" Finanzausgleich zugerechnet bzw. das jeweilige Aufkommen gemäß verschiedener Schlüssel an die Gebietskörperschaften verteilt. Dazu kommt noch ein "sekundärer", hauptsächlich aus intergouvernementalen Transfers bestehender, sowie ein sog. "stiller" und ein sog. "grauer" Finanzausgleich, der teilweise im privatwirtschaftliehen Bereich vorgenommen wird und den offiziellen Finanzausgleich modifiziert. Verfassungsrechtlich bedeutet dieses System eine Kompetenzkompetenz des einfachen Bundesgesetzgebers im Bereich der Besteuerungs- und Abgabenertrags13 Dazu aus politikwissenschaftlicher Sicht K. R. Luther; Abschnitt VIII.7, Bund-LänderBeziehungen: Formal- und Realverfassung, in: H. Dachs et al. (Hrsg.), Handbuch des politischen Systems Österreichs, 3. Auf!. (1997), 907 (909 f.). Vgl. ferner Schanovsky (Hrsg), Der Finanzausgleich aus der Sicht der Gemeinden (1984); B. Hüttner; Der Finanzausgleich 1993, ÖGemZ 1993/l, 2 ff.

Das Finanzsystem im ÖSterreichischen Bundesstaat

77

rechte. Wenn dieser auch formal durch § 4 F-VG beschränkt ist, der eine Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften erfordert, so besteht die Mitwirkung der Länder und Gemeinden am Finanzausgleich lediglich in einer Verhandlungsposition. Insofern erweist sich deren Stellung als eine gegenüber dem Bund untergeordnete, was für einen Bundesstaat ungewöhnlich ist. Zu den Auswirkungen dieses Systems wird im finanzwissenschaftliehen und politologischen Schrifttum bemerkt, daß das Gesamtergebnis ausgesprochen stabil ist. Seit 1973 bewegen sich die Änderungen der Anteile der ordentlichen Einnahmen der Gebietskörperschaften an den Gesamteinnahmen sowie ihrer Anteile am Gesamtabgabenertrag in einer Größenordnung von selten mehr als + /-1 % 14 . Die weitaus wichtigste Finanzquelle der Länder ist ihr Anteil an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben, während Landesabgaben nur einen sehr geringen Anteil der Einnahmen ausmachen. 15 (Siehe dazu die folgenden Tabellen). Inwiefern das Ergebnis dieses Verteilungssystems dem Bund und den Ländern eine am Prinzip der eigenen Kostentragung (§ 2 F-VG) orientierte sachgerechte Erfüllung ihrer Aufgaben ennöglicht, ist umstritten. 16

14 Im Jahre 1987 waren die erstgenannten Anteile wie folgt: Bund: 58,7%, Länder ohne Wien: 18,8%, Wien als Land und Gemeinde: 11,7% und Gemeinden ohne Wien: 10,8% (Farny et al. 1990, 13). Die letztgenannten Anteile betrugen 1993: Bund: 69,4%, Länder ohne Wien: 11,1 %, Wien als Land und Gemeinde: 7,3% und Gemeinden ohne Wien: 12,2% (ÖStZ 1995c, 395). 1s 1993 betrugen die Einnahmen der Länder (ohne Wien) im Rahmen des Finanzausgleichs 67% ihrer ordentlichen Einnahmen, insgesamt 136,6 Mrd. öS. Davon entfielen nur 2,5 Mrd. öS (d.i. 1,9%) auf ausschließliche Landesabgaben und Anteile an geteilten Landesabgaben, 64,6 Mrd. öS (d.i. 47,3%) auf Anteile an gemeinschaftlichen Bundesabgaben und 69,5 Mrd. öS (d.i. 50,8%) aufFinanzzuweisungen, Zuschüsse, Umlagen und Beiträge (Gebarungsübersichten 1993, 24). 16 Kritisiert wird insb. der abgestufte Bevölkerungsschlüssel sowie die Tatsache, daß die Länder auch für die mit der mittelbaren Bundesverwaltung verbundenen Personalkosten aufkommen müssen. So argumentieren z. B. die Föderalismusberichte des Instituts für Föderalismusforschung ( 1977- 1995) sowie die finanzwissenschaftliche Literatur, daß realistischerweise Verschiebungen von +/-10 % des Einnahmenvolumens durch Finanzausgleichsveränderungen auch über längere Zeiträume praktisch nicht durchsetzbar sind. Die Ausklammerung der Finanzverfassung aus den jüngsten Anläufen zu einer Bundesstaatsreform scheint diese pessimistische Einschätzung zu bestätigen.

132,947

142,566

155,085

202,94814

223,818

238,023 255,556

282,513 286,484

319,117

390,305

416,198

401,044

-

7,8 11,2!

7,8 11,1 100%

7,9 11,5 100%

8,1 11,2 100%

8,0 11,3 100%

8,2 11,1 100%

8,4 11,0 100%

8,1 10,9 100%

8,5 11.1

100%

8,5 11,4 100%

8,3 11,4 100%

8,3 11 ,4

9,56

12,21

100%

9,6

12,05

100%

9,61

12,06

100%

10,46

13,29

100%

Wien (als Land und Gemeinde)

Gemeinden ohne Wien 100%

100%

14,7

14,8 15,3 16,0 16,0 16,1 15,9 15,8

I

66,3

66,3 65,2 64,7 64,7

64,6 64,7 65,2

64,0 16,7

1997

63,7

1996

16,6

1995

63,5

1994

16,3

1993

64,0

1990

• 16,3

1989

17,31

1988

60,92

1987

17,31

1985

60,97

1984

17,36

1983

60,97

1980

18,68

1979

57,57

1978

469,524

Bundesländer ohne Wien

1973

455,835

52,359 50,761 46,231

46,799

44,104

35,588

Ertragsanteile der einzelnen Gruppen von Gebietskörperschaften am Ertrag der gemeinschaftlichen Bundesabgaben in den Rechnungsjahren (Prozentverteilung)

73,127

36,699 35,535

31,871

33,745

31,160

26,245

Bund

ProzentVerteilung

Summe der Gemeinsch. Bundesabg. (Absolut)

27,045

31,606

25,316

30,695

23,199

28,425

18,940

17,176

16,027

9,716

Gemeinden ohne Wien

24,057

22,960

21,740

20,100

18,566

16,824

14,826

13,793

12,780

7,652

Wien (als Land und Gemeinde)

62,325

68,996

51,289

67,241

1997

61,475

1996

66,601

1995

45,424

1994

44,778

1993

42,531

1990

39,611

1989

36,586

32,985

26,841

24,680

23,079

13,659

1988

311 ,470

1987 302,298

1985 261,467

1984 162,860 184,080 185,397 205,995 252,726 269,053

1983 129,940 143,350 151,267

Länder ohne Wien

1980

94,478

1979

86,917

Bund

1978

81,061

1973

42,100

in Mrd. öS

Ertragsanteile der einzelnen Gruppen von Gebietskörperschaften am Ertrag der gemeinschaftlichen Bundesabgaben in den Rechnungsjahren (Absolute Zahlen)

::s N

~

~

:r

(")

Vl

::c

!!.

00

-..1

5.417

12.375

18.799

Wien als Land und Gemeinde

Gemeinden ohne Wien

Summe der Landes(Gemeinde)abgaben 1)

100,0

65,8

28,8

5,4

24.233

15.927

6.809

1.497

65,7

28,1

6,2

%

100,0

Mio. öS

1983

25.131

16.504

7.043

1.584

65,1

28,0

5,3

%

100,0

Mio. öS

1984

26.480

17.343

7.449

1.888

65,6

28,1

Quelle: ÖSTAT, Gebarungsübersichten

6,4

%

100,0

Mio. öS

1985

I) ohne die Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen

1.007

Mio. öS%

1979

Bundesländer ohne Wien

Gebietskörperschaft

33.341

21.673

9.597

2.071

65,0

28,8

6,2

%

100,0

Mio. öS

1989

41.833

27.504

11.807

2.522

Mio. öS 5,5

%

91,4

60,1

25,8

1993

Landes(Gemeinde)abgaben nach Gebietskörperschaften

45.788

30.112

12.965

2.711

Mio. öS

5,8

%

98,2

64,6

27,8

1995

46.621

30.917

12.948

2.756

66,3

27,8

5,9

%

100,0

Mio. öS

1996

47.650

31.296

13.467

2.887

28,3

6,1

%

100,0

65,7

Mio. öS

1997

0

~

\Q

-.1

~

~

c :s

l:l;l

:s

n

:r

I.

o:

§'

~

"'

"' '