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German Pages 304 [305] Year 1972
JüRGEN WOLTER
Alternative und eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage im Strafrecht
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser ord. Professor der Re.nte an der Universitit Hambnrg
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtsiehrem der deutschen Universitäten
Band 10
Alternative und eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage im Strafrecht Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit
Von
Dr. Jürgen Wolter
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Hans-Joachim Rudolphi, Bonn
Alle Rechte vorbehalten @ 1972 Duncker & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1972 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 02688 8
Vorwort Die Arbeit hat im Wintersemester 1970/71 der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen als Dissertation vorgelegen. Für den Druck sind Rechtsprechung und Literatur bis September 1971, zum Teil auch darüber hinaus, berücksichtigt worden. Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich bei der Abfassung und Drucklegung der Arbeit unterstützt haben; vor allen meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Claus Roxin, der die Abhandlung angeregt und in steter Anteilnahme vielfältig gefördert hat; sodann Herrn Professor Dr. Friedrich Schaffstein, der neben den Berichterstattern den Text begutachtet und die Veröffentlichung befürwortet hat; weiterhin Herrn Professor Dr. Hans-Joachim Rudolphi (Bonn), der die kurzfristige Ergänzung des Manuskripts für die Veröffentlichung unter Zurückstellung meiner Assistentenaufgaben ermöglicht hat; nicht zuletzt Herrn Professor Dr. Eberhard Schmidhäuser, der die Arbeit in die vorliegende Reihe aufgenommen und die rasche Drucklegung betreut hat; schließlich der Universität Göttingen und der dortigen Juristischen Fakultät, die die Abfassung und den Druck der Abhandlung durch eine großzügige Beihilfe und einen erheblichen Druckkostenzuschuß gefördert haben. Hannover / Bonn, im Februar 1972 JÜTgen WolteT
Inhaltsverzeichnis 1. Teil
Allgemeine Grundlagen
15
1. Abschnitt: Die Problemstellung. .. . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . . . .. . .. . . ..
15
2. Abschnitt: Die geschichtliche Entwicklung der Wahlfeststellung ......
20
3. Abschnitt: Die Reichweite und das Verhältnis der "Wahlfeststellungs"und "in dubio pro reo"-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
24
A. Anklage und Verurteilung bei der sogenannten "reinen Tatsachenalternativität" .................................................. 24
B. Die Tatidentität (§ 264 StPO) ....................................
29
C. Das Verhältnis von "Wahlfeststellung" und "in dubio pro reo" ....
38
D. Die Herleitung und der rechtliche Charakter des Grundsatzes "in dubio pro reo" ("in dubio mitius") ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 42 E. Der rechtliche Charakter der Wahlfeststellung ..................
46
F. Kritik an den extremen Auffassungen zur Wahlfeststellung ......
46
G. Die Abgrenzung zulässiger und unstatthafter Wahlfeststellungen von unbeachtlichen Alternativitäten ............................ 52 4. Abschnitt: Zusammenfassung und Ausblick ........................
57
2. Te il
Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten 1. Abschnitt: Die Alternativität von Modalitäten und Qualifikationen
61
einer Eigentums- bzw. Vermögensstraftat ..........................
61
A. Die Parallele des § 265 I Stpo ....................................
61
B. Einzelfälle ......................................................
66
I. Modalitäten einer Eigentums- bzw. Vermögensstraftat . . ......
66
8
Inhaltsverzeichnis H. Qualifikationen einer Eigentums- bzw. Vermögensstraftat
69
1. § 243 Ziff. 1 i. V. m. § 243 Ziff. 2, 4, 5, 6 n. F. .. . . . . . . . . . . . . ..
70 2. § 244 I Ziff. 1, 2 n. F. und § 244 I Züf. 3 n. F. . . . . . .. . . . . . . . .. 71 3. § 250 I Züf. 1 und § 250 I Ziff. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4. § 250 I Züf. 3 und § 250 1 Ziff. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 72 2. Abschnitt: Die Alternativität von kumulativen Mischtatbeständen und
mehreren Strafgesetzen ............................................
74
A. Die beschränkt zulässige Wahlfeststellung bei mehreren Strafgesetzen .......................................................... 74 I. Kritik an den Lösungswegen der Rechtsprechung und herrschenden Lehre ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 78 1. Kritik an der Formel der "rechtsethischen und psychologi-
schen Vergleichbarkeit" ................ ~ . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Kritik an der Lehre vom Auffangtatbestand .............. 3. Kritik an der analogen oder direkten Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" bei normativ-ethischen Stufenverhältnissen ...................................... 4. Zusammenfassung........................................
79 85 91 98
11. Kritik an der Formel der "Identität des Unrechtskerns" ...... 100 1. Die Fassung der Urteilsformel ............................ 2. Die Berücksichtigung des Handlungsunwertes ............ 3. Die untaugliche Parallele der mitbestraften Taten ........ 4. Die Reichweite der Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion im Rahmen der Alternativitätsproblematik ..........
101 106 109 110
IH. Ansatzpunkte für die eigene Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 113 1. Kritik an den Auffassungen von Fleck und Eb. Schmidt .... 114 2. Die Parallele des Fortsetzungszusammenhanges ............ 114 3. Die Lösung von nicht ausdiskutierten Einzelproblemen .... 118
IV. Kritik an der "materiellrechtlichen Theorie" und die eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 122 1. Zur beachtlichen und untauglichen Kritik an Mayer, Oetker
und Legien .............................................. 2. Die eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Einzelfälle ..................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Raub - räuberischer Diebstahl .............. . ...... . .. b) Raub - Erpressung .................................. c) Erpressung - räuberische Erpressung ................ d) Diebstahl - Unbefugter Gebrauch von Kraftfahrzeugen e) (Schwere) Amtsunterschlagung - Diebstahl (bzw. Betrug) f) Sachbeschädigung - Diebstahl (Unterschlagung) ........
123 129 130 133 134 134 136 137 138
B. Die Lösung bei den kumulativen Mischtatbeständen .............. 138
Inhaltsverzeichnis 1. Gewerbsmäßige oder gewohnheitsmäßige Hehlerei (§ 260)
9 139
H. Mißbrauchs- oder Treubruchstatbestand (§ 266) ..... . . . . . . . . . .. 139 IH. Gewerbsmäßiger Diebstahl (§ 243 ZUf. 3) oder sonstiger schwerer Diebstahl (§ 243 ZUf. 1,2,4 - 6) ............................ 139 IV. Raub mit Waffen bzw. Bandenraub (§§ 250 I Ziff. I, 2) oder Straßenraub bzw. Raub zur Nachtzeit (§§ 250 I ZUf. 3, 4) 140 V. Inbrandsetzen oder Strandenmachen im Sinne von § 265 ...... 141 VI. Persönliche oder sachliche Begünstigung (§ 257) .............. 141 3. Abschnitt: Zusammenfassung
......... . ............................ 142
3. Teil Die Alternativität bei Körperverletzungs- und Tötungsdelikten
146
1. Abschnitt: Das Verhältnis von Mord und Totschlag .................. 147 2. Abschnitt: Das Verhältnis von Tötung und Körperverletzung ........ 149 3. Abschnitt: Einzelfälle objektiven Gehalts .......................... 151 A. Gefährliche Körperverletzung - einfache Körperverletzung ...... 151
B. Qualifikationen innerhalb des § 223 a ............................ 151 C. Einfache Körperverletzung - schwere Körperverletzung . . . . . . . . .. 151 D. Totschlag - Tötung auf Verlangen (Kindestötung) ................ 152 E. Totschlag -
Aussetzung ........................................ 152
F. Totschlag - Giftbeibringung .................................... 152 G. §§ 218; 212, 43; 74 - §§ 218; 212; 73 .............................. 152
H. Abtreibung -
Kindestötung .................................... 153
4. Teil Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
154
1. Abschnitt: Der Meinungsstand und erste Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 154
A. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand .. 154 I. Die eindeutige Verurteilung mit Hilfe der "in dubio pro reo"Regel wegen eines normativ-ethischen sowie zum Teil auch logisch-begrifflichen Stufenverhältnisses .................... 154
10
Inhaltsverzeichnis 11. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand bei begrifflichem Ausschließungs- und normativem Umfassungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 157 1. Das logisch-begriffliche Ausschließungsverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit .................................. 158
2. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand .................................................. 159 a) Das Reichsgericht und der Lösungsversuch von Fuchs, Tröndle und Schneider ................................ 160 b) Der Rückgriff auf das Stufenverhältnis im Schuldgehalt oder im Strafrahmen .................................. 162 III. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand trotz Annahme eines sowohl begrifflichen als auch normativen Ausschließungsverhältnisses ................................ 1. Das normativ-ethische Ausschließungsverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand .................................................... a) Grünhut und v. Schack ................................ b) Städtler ............................... . .............. c) Die Lehre vom Auffangtatbestand ......... . ..........
164 165 165 166 166 167
B. Die Grundsätze der Wahlfeststellung ............................ 167 I. Die wahldeutige Entscheidung oder der Freispruch bei alleiniger Hervorhebung des logisch-begrifflichen Ausschließungsverhältnisses oder bei Betonung des normativ-ethischen aliudVerhältnisses .............................................. 167 1. Freispruch ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 168 2. Wahldeutige Verurteilung ................................ 169 II. Die wahldeutige Entscheidung trotz der Annahme eines logischbegrifflichen Stufenverhältnisses ............................ 170 2. Abschnitt: Die Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit und
die Konsequenzen für das Alternativitätsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 172 A. Vorsatz und Fahrlässigkeit ...................................... 174 1. Das einfache Ernst- bzw. Leichtnehmen der Deliktsverwirklichung oder einer Vorbedingung ....................... " ... 176 1. I?ie. Gr1;lndsätze zur Abgrenzung von Vorsatz und Fahr-
lasslgkeIt ................................................ 2. Die Skala der Fallvarianten .............................. a) Die Obergrenze des dolus directus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die Untergrenze des dolus directus .................... c) Die Obergrenze des dolus eventualis .................. d) Die Untergrenze des dolus eventualis .................. e) Die Obergrenze der bewußten Fahrlässigkeit .......... f) Die Untergrenze der bewußten Fahrlässigkeit .......... g) Die unbewußte Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Obergrenze und Zwischenbereich ..................
176 182 183 183 184 184 184 188 191 191
Inhaltsverzeichnis
11
bb) Die "irrationale" Parallele ........................ 191 ce) Die Untergrenze der unbewußten Fahrlässigkeit . . .. 194 H. Das abgewogene Ernst- bzw. Leichtnehmen der Deliktsverwirklichung oder einer Vorbedingung ........................ 195 1. Die Bedeutung der Gegenfaktoren ........................ 195
2. Die psychologischen Sachverhalte der Schuldformen . . . . . . .. 196 B. Die Absicht
.................................................... 198
I. Die direkte Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 198 H. Die Eventualabsicht
........................................ 199
HI. Die Absichtsparallele zur bewußten Fahrlässigkeit .......... 200 C. Die Stufenverhältnisse innerhalb von Vorsatz, Fahrlässigkeit und Absicht ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 201 I. Die Begründung der Stufenverhältnisse .......... . ........... 202 1. Die Absichtsparallele .................................... 202 2. Die Gefährdungsparallele ................................ 202 3. Der Gesichtspunkt der Abgrenzungsschwierigkeiten ...... 203
4. Materialsammlung und Stoffsichtung innerhalb des Willensbildungsprozesses ........................................ 204 5. Die Finalitätsparallele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 205 H. Der Einwand des qualitativen Sprungs ...................... 206
m. Zusammenfassung
und abschließende Rechtfertigung ........ 210
IV. Abschließende Kritik an Rechtsprechung und Schrifttum .... 214 D. Die Wahlfeststellung zwischen Absicht und Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit ...................................................... 215 E. Das Ergebnis im Schaubild ...................................... 219 F. Die Alternativitätsproblematik bei zwei äußeren Geschehensabläufen .......................................................... 219 G. Sonderfälle in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ...... 220 I. Die Alternativität von Mord (Totschlag) und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 220 II. Der Drei-Schüsse-Fall
221
1. Der Meinungsstand 222 2. Kritik und eigene Lösung ................................ 224
H. Die Skizzierung der Irrtumsproblematik ........................ 227
3. Abschnitt: Die verbleibenden Fälle der Absicht und der unbewußten Fahrlässigkeit und die Konsequenzen für das Alternativitätsproblem .. 229 A. Absichtliche Affekttat und unbewußte Fahrlässigkeit ............ 229
Inhaltsverzeichnis
12
I. Die absichtliche Affekttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 231 II. Die unbewußte Fahrlässigkeit .............................. 231 1. Affekttat ohne Zielvorstellung .......................... 2. Die automatisierte Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Die Fälle des Vergessens .................................. a) Das qualifizierte Vergessen ............................ b) Das einfache Vergessen (die Unbewußtheit) ............
231 231 232 232 232
B. Die Konsequenzen für das Alternativitätsproblem ................ 233 C. Ergebnis und Ergänzung des Schaubildes ..... . ........ . ......... 235
5. Te i 1
Die Alternativität bei Täterschaft und Teilnahme
236
1. Abschnitt: Allgemeine Grundsätze .................................. 236 2. Abschnitt: Die einzelnen Alternativitäten ............................ 238
A. Beweiszweifel innerhalb der Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 238 I. Alleintäterschaft -
Mittäterschaft .......................... 238
II. Mittäterschaft - mittelbare Täterschaft ...................... 239 III. Alleintäterschaft - mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 B. Mittelbare Täterschaft - Anstiftung ............................ 240 I. Beweiszweifel innerhalb von mittelbarer Täterschaft bzw. Anstiftung .................................................... 240 II. Mittelbare Täterschaft - Anstiftung ........................ 241 1. Die Varianten von Drohung und Gewalt .................. 241 2. Die Variante des Irrtums ................................ 242 3. Verschiedene Ausführungsarten bei Willensherrschaft und Anstiftung .............................................. 242
C. Mittäterschaft - Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 243 I. Beweiszweifel innerhalb der Beihilfe ........................ 243 II. Mittäterschaft -
Beihilfe .................................. 243
1. Der Meinungsstand ...................................... 243 2. Das Umfassungsverhältnis von Mittäterschaft und Gehilfenschaft .................................................... 245 3. Die Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe. . . . . . . . .. 248
Inhaltsverzeichnis D. Anstiftung -
13
Beihilfe .......................................... 249
E. Mittäterschaft -
Anstiftung .................................... 251
F. Mittelbare Täterschaft - Beihilfe ............ " ................... 251 G. Alleintäterschaft - Anstiftung .................................. 251 H. Alleintäterschaft -
Beihilfe .................................... 253
3. Abschnitt: Das Ergebnis im Schaubild ............... . .............. 256
6. Teil Verbleibende Alternativitäten und Einzelprobleme
257
1. Abschnitt: Die Alternativität bei den Konkurrenzen ................ 259 2. Abschnitt: Die Alternativitätsproblematik beim Vollrauschtatbestand 265 3. Abschnitt: Die Alternativität bei Sexualdelikten .................... 269 4. Abschnitt: Einzelprobleme .......................................... 272
A. Zur Teilnahme an wahlweise festgestellter Tat .................... 272 B. Zum Vollrauschtatbestand
...................................... 273
C. Zur Tatsachenalternativität
273
D. Zur Alternativität von Tun und Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 274 E. Zur Alternativität von Jugendstrafrecht und Erwachsenenstrafrecht .......................................................... 274 F. Besonderheiten zwischen Strafantrag und Wiederaufnahme ...... 275
7. Te i I Ergebnisse der Untersuchung und Vorschläge an den Gesetzgeber
277
Zitier- und Literaturverzeichnis
285
Abkürzungsverzeichnis Die nachstehend nicht abgedruckten Abkürzungen sind dem "Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache" von Hildebert Kirchner (2. Aufl. Berlin 1968) entnommen. abgedr. Abh. Alt. arg. AT bearb. bei Fußn.; (bei) Fußn. bes.
B'E
bzw. ders., dens. Diss. (Jur.)
erw.
fortgef. Fußn. hrsg. Hinw. insbes. i. V.m. Komm. Lehrb. LK Nachw. Nr. (Rdnr.) s. (0., u.) Sen. sog. Sp.
u.
unveränd.
v.
vgl. Vor weit. z.B. zit. z.T. zust. z.Z.
abgedruckt Abhandlung Alternative argumentum Allgemeiner Teil bearbeitet(e) Text bei Fußnote; Text bei Fußnote und Fußnote selbst besonders Besonderer Teil beziehungsweise derselbe, denselben Dissertation (Juristische) erweitert(e) fortgeführte e) Fußnote(n) herausgegeben Hinweis(en) insbesondere in Verbindung mit Kommentar Lehrbuch Leipziger Kommentar N achweis(en) Nummer (Randnummer) siehe (oben, unten) Senat sogenannt(e) Spalte und unverändert(e) von,vom vergleiche Vorbemerkung weiteren zum Beispiel zitiert zum Teil zustimmend zur Zeit
1. Teil
Allgemeine Grundlagen* 1. Abschnitt
Die Problemstellung Das Thema der Arbeit macht eine Reihe von VerdeutlicllUngen erforderlich. Zunächst ist mit dem Begriff der "alternativen Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage" eine Problematik umschrieben, die ungenau und mißverständlich, aber prägnant als "Wahlfeststellung" bezeichnet wird 1• Ausgangspunkt dabei ist eine Beweislage, die dem Gericht nach Ausschöpfung aller Erkenntnis- und Beweismittel (§ 244 II StPO)2 die überzeugung vermittelt, der Angeklagte habe sich strafbar gemacht3 ; die genau umschriebenen und mehrdeutig festgestellten Sachverhaltsgestaltungen erfüllen jedoch völlig verschiedene Strafgesetze'.
*
§§ ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB. Willms (S. 628) und Geier (in Löwe-Rosenberg, § 267 Anm. 3 C, S. 1097 und LM § 230 StGB Nr. 13) weisen zu Recht darauf hin, daß der Richter in diesen Fällen ohne Wahl gehalten ist, nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" aus 1
dem mildesten Gesetz zu verurteilen (falls nicht sogar ein Freispruch zu Gebote steht); sie machen ferner deutlich, daß es auch keine unzulässige Wahlfeststellung geben kann, sondern nur eine hinzunehmende mehrdeutige Tatsachenfeststellung, an die sich die Rechtsfrage anschließt, wie der Richter auf einer solchen Grundlage zu entscheiden hat. (Da der Begriff "Wahlfeststellung" aber eingebürgert und praktikabel ist, soll er mit den aufgezeigten Vorbehalten weiterhin verwendet werden; vgl. auch Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 4; Kienapfel, S. 524 Fußn. 37.) 2 Vgl. zu dieser einhellig anerkannten Voraussetzung der Wahlfeststellung etwa J escheck, Lehrb., § 16 III 2 a, S. 104; Maurach AT, § 10 III 3, S. 96; SchönkeSchröder, § 2 b Anm. 5; Fuchs, Diss., S. 15; Schwarz, S. 13; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 18; OLG Zweibrücken, NJW 1968, S. 1829. 3 Es versteht sich von selbst, daß bei der zusätzlichen Möglichkeit einer straflosen Handlung der Grundsatz "in dubio pro reo" einen Freispruch gebietet (einhellige Meinung, vgl. nur BGHSt 12, 386 [389]; Maurach AT, § 10 III 3, S. 96; Henkel, § 91 IV 2, S. 354; Fuchs, Diss., S. 16; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 6; Jagusch in LK, § 2 b Anm. 1, S. 65; Mezger-Blei I, § 11 II 2; Zaum, S. 10; Schwabe, S. 11; näher Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 19, der mit Recht auf diese vorrangige, im Fortgang der Arbeit aufzufächernde prozessuale Problematik hinweist). , Diese Feststellungen müssen dabei in dem Verhältnis einer sog. "exklusiven Alternativität" stehen, d. h. der Tatrichter muß davon überzeugt sein, daß bei Nichtvorliegen des einen Tatbestandes notwendig der andere erfüllt ist - und
16
1. Teil: Allgemeine Grundlagen
Es ist z. B. zweifelhaft, ob der Täter die bei ihm aufgefundene gestohlene Sache durch Diebstahl oder durch Hehlerei an sich gebracht hat. Derartige Beweisschwierigkeiten sind vor allem in dem begrenzten menschlichen Erkenntnisvermögen begründet5 • Es kann aber nicht stark genug betont werden, daß solche Beweislagen auch geradezu eine Funktion der verfassungsrechtlich gebotenen Tatbestandsbestimmtheit sind6 , "indem desto mehr tatsächliche Zweifel irrelevant werden, je weiter und unbestimmter ein Tatbestand ist"7. Hier klingt bereits eine Voraussetzung an, die mit dem Begriff "mehrdeutige Tatsachengrundlage" verdeutlicht werden soll: Alle Aufklärungsschwierigkeiten müssen sich auf Umstände tatsächlicher Art beziehen8 ; die Rechtsfrage ist stets der eindeutigen Lösung fähig und bedürftig (iura novit curia)9. Wollte man jetzt die Fälle der "eindeutigen Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage" sachlich umreißen, so wäre wiederum von verschiedenen Sachverhaltsgestaltungen auszugehen, die sich jedoch auf einen einheitlichen Sachverhaltskern zurückführen lassen. Man ist verumgekehrt (vgl. dazu BGHSt 12, 386 [389]; Schom, S. 49; Jagusch in LK, § 2 b Anm. 1, S. 65; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 6; Fuchs, Diss., S. 16); weitere, nur vage umschriebene Gesetzesverletzungen müssen demnach definitiv ausscheiden, schon um § 267 I StPO Genüge zu tun (vgl. noch das Urt. des BGH v. 13.9.1966 - 1 StR 311/66 - MDR 1967, S. 548/549 bei DaHinger). 5 Vgl. RGSt 66, 163 (164); Fuchs, Diss., S. 1; Geier in Löwe-Rosenberg, § 267
Anm 3 c, S. 1097.
6 "Nulla poena sine lege scripta", Art. 103 11, 104 I 1 GG; siehe näher dazu etwa Maurach AT, § 10 I, S. 88/89. 7 Mezger-Blei I, § 11 111, S. 35; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 3. a Vgl. nur Fuchs, Diss., S. 4; ders., Wahlfeststellung, S. 68; Mezger-Blei I, § 11 11 I, S. 31; nicht von ungefähr erkennt man lediglich eine Tatsachenalternativität (auf die Streitfragen hierzu wird im 3. Abschnitt einzugehen sein) oder eine mit der Tatsachenalternativität kombinierte Gesetzesalternativität als Muster der Wahlfeststellung an (vgl. Fuchs, Diss., S. 73; siehe auch Sax, S. 747). 9 Fast einhellige Meinung; vgl. etwa BGHSt 14,68 (73); Geier in Löwe-Rosenberg, § 261 Anm. 4, S. 1068; Jescheck, Lehrb., § 16 I I, S. 101 Fußn. 1; Fuchs, Diss., S. 4; Kern-Roxin, § 15 D 3 d, S. 60; Mezger-Blei I, § 1111 I, S. 31; GTÜnhut, S. 333; Lochmilller, S. 132; Klatte, S. 13; Stahl, S. 25; Tröndle in LK, nach § 2, Rdnr. 5; Hruschka, Logik, S. 639; Dörr, S. 11; Schwarz, S. 5; Ehrhardt, S. 6; Gerig, S. 12; Hauck, S. 4; a. A. aber Strobach, S. 20 und Mannheim, Tatsachenfeststellung, S. 442 (Verurteilung aus dem mildesten Gesetz). Das gilt sowohl für den Einzelrichter als auch für das Kollegialgericht (a. A. Roos, S. 2; Kugelmeier, S. 71; Nilse, Diss., S. 3; Schwabe, S. 78/79). Auch wenn es bei letzterem im Einzelfall schwierig sein mag, bei verschiedenen Rechtsansichten die erforderliche Zweidrittelmehrheit (§ 263 I StPO) zu erlangen, so ist doch zu bedenken, daß das Gericht nach außen als Ganzes in Erscheinung tritt und seinen Urteilsspruch einheitlich zu vertreten hat. Abgesehen davon ist es unverständlich, zwischen Kollegialgericht und Einzelrichter zu düferenzieren, wenn man den schwerlich angreifbaren Satz "iura novit curia" überhaupt anerkennt (vgl. dazu Fuchs, Diss., S. 72/73; Dörr, S. 12; Egle, S. 15). Nach Ancker (S. 46) kommt eine Wahlfeststellung nur in Betracht, wenn die Richter auch hinsichtlich der zugrunde liegenden Tatsachen untereinander uneinig sind.
1. Abschn.: Die Problemstellung
17
sucht, hier als Beispiel den Beweiszweifel heranzuziehen, ob der Täter einen einfachen oder unter Verwendung eines falschen Schlüssels einen schweren Diebstahl begangen hat. Bei diesem sog. "Stufenverhältnis"IO gebietet der Grundsatz "in dubio pro reo"l1 nach einhelliger Meinung12 die eindeutige Verurteilung aus § 242 13 ,14. Aber dieses Beispiel ist bei genauerer Betrachtung nur bruchstückhaft: Hinsichtlich des Diebstahlstatbestandes liegt nämlich keine mehrdeutige, sondern eine eindeutige Tatsachengrundlage vor, und es stellt sich nur die weitere Frage, ob der Täter die Qualifikation verwirklicht hat oder nicht. Natürlich muß bei solcher Sachlage der Grundsatz "in dubio pro reo"15 zur Annahme der strafrechtlich irrelevanten Alternative führen. Von einer mehrdeutigen Tatsachengrundlage, die wegen eines einheitlichen Sachverhaltskerns eine eindeutige Verurteilung zulassen könnte, kann man erst bei einer Erweiterung des obigen Beispiels sprechen; bei dem Beweiszweifel etwa, ob der Täter am 30. 3. die abhanden gekommene Sache durch einfachen oder am 31. 3. durch schweren Diebstahl an sich gebracht hat l6 • Auf diese 10 Vgl. zum Begriff etwa BGHSt (GS) 9, 390 (397); BGHSt 11, 100 (101); BGHSt 22, 154 = NJW 1968, S. 1888 f. (1888); BGH NJW 1970, S. 668 f. (668); BayObLG NJW 1967, S. 361 ff. (362); Jescheck, Lehrb., § 16 111, S. 103; SchwarzDreher, § 2 b Anm. 2; Schwarz-Klein knecht, § 261 Anm. 8 C; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 5. 11 Diese Regel dient ebenso wie die der "Wahlfeststellung" lediglich der überwindung von Zweifeln tatsächlicher Art, vgl. nur BGH NJW 1970, S. 668 (669); Baumann, Lehrb., § 14 Ib, S.147; Mezger-Blei I, § 11 112, S. 32; MüllerSax, Vor § 48, S. 215; Peters, Lehrb., § 37 111, S. 247; Geier in Löwe-Rosenberg, § 261 Anm. 4, S.1067; Fuchs, Anmerkung I, S. 739; ders., Diss., S. 9; Nowakowski, S. 381; Eb. Schmidt, Teil I, Nr. 371, S. 206; Henkel, § 91111 I, S. 352; Jescheck, Lehrb., § 16 111, S.103; Spendel, S. 473; vgl. auch Holtappels, S. 5/6; Stree, S. 5. 12 BGHSt 22, 154ff. = NJW 1968, S. 1888f. (1888); BGH NJW 1970, S. 668; BGH MDR 1970, S. 520; BayObLG NJW 1967, S. 361 ff. (362); Niethammer in v. Ol.shausen, § 2 b Anm. B 10 a, S. 57; Legien, S. 10; Fox, S. 33; Strobach, S. 19; Klatte, S. 15; Nowakowski, S. 382; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 1; Christians, S. 75; Dörr, S. 13; Siever, S. 29; Hauck, S. 2; Schulze, S. 72; Zaum, S. 8; Gerig, S. 53; Ancker, S. 7; v. Wickede, S. 1. 13 Unangefochten ist deshalb der allgemeinere Satz, daß das der Spezialität zugehörige Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation bei Beweisschwierigkeiten die eindeutige Verurteilung aus dem allgemeinen Tatbestand zuläßt; vgl. etwa Roxin, Strafprozeßrecht, Fall 352, S. 236; Baumann, Lehrb., § 1411 2; Heinitz, Verhältnis, S. 127; Peters, Lehrb., § 37111 1 a, S. 247; MezgerBlei I, § 11 11 3 b, S. 33; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 5; Henkel, § 91 IV 5, S. 354; Maurach AT, § 10111 2, S. 95/96; Fuchs, Diss., S. 10/11; Weber, S. 50; Ostern, S. 76; Prinz zu Wied, S. 3; v. Dassel, S. 10; Ancker, S. 7; Gerig, S. 53; Schwabe, S. 11. 14 Da die "in dubio pro reo"-Regel hier allerdings nicht zum Freispruch führt, spricht man gemeinhin von dem Unterfall "in dubio mitius", vgl. etwa Müller-Sax, Vor § 48 Anm. 1 f (3) aa, S. 215; Roxin, Strafprozeßrecht, Fall 352, S.236. 15 Insofern ist auch der in der vorherigen Fußn. angesprochene Ausdruck "in dubio mitius" hier noch überflüssig. 18 Ob man hier wirklich eindeutig verurteilen kann, wird die spätere Diskussion (3. Abschnitt) ergeben.
2
W~Iter
18
1. Teil: Allgemeine Grundlagen
Weise wird auch die Parallelität zur alternativen Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei gewahrt, da auch hier von zeitlich verschiedenen Tathandlungen ausgegangen werden muß.
Im Vordergrund der Untersuchungen zur eindeutigen Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage werden allerdings die Fälle stehen, in denen Rechtsprechung und Lehre gerade uneinig darüber sind, ob das Urteil eindeutig oder alternativ abgefaßt werden muß. Diese Auswahl führt mitten in die Alternativitäten von Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie Täterschaft und Teilnahme; ihre besondere Berücksichtigung im Rahmen der Arbeit bietet sich vor allem deshalb an, weil das Zweite Strafrechtsreformgesetz17 durch eine Neuregelung im letzteren bzw. durch eine bewußte Definitionslücke im ersteren Fall Anlaß zu einer weiterführenden Diskussion gibt. Andererseits werden in der Untersuchung, die auf das Strafrecht18 beschränkt bleibt, die in Rechtsprechung und Literatur behandelten Fallkonstellationen nahezu ausgeschöpft und im jeweiligen Sachzusammenhang aufgefächert und ergänzt. Man mag abschließend die Frage stellen, ob angesichts einer großen Zahl von Dissertationen19 und Abhandlungen, einer verbreiteten Resignation in der Lehre20 und einer überwiegend den Forderungen der GerechDaß solche Sachverhalte zur Entscheidung anstehen können, erweist sich etwa an BGH MDR 1970, S. 520. 17 In Kraft ab 1. 10. 1973. 18 Eine Wahlfeststellung wird z. B. auch im Zivilverfahren (Zeiler, Verurteilung, S. 179/80) und verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren für möglich gehalten (etwa Bundessozialgericht NJW 1961, S. 94/95; im Rahmen einer Verpflichtungsklage). 18 Vor 1939 erschienen die Arbeiten von Ancker, Dünhaupt, Erhardt, v. Dassel,
Fox, Gerig, Hauck, Klatte, Ostern, Nüse, v. Schack, Schulze, Schwabe, Schwarz, Stahl, Strobach, Urban, v. Wickede, Prinz zu Wied und Zaum; vgl. noch die Nachw. bei Gerland, ZStW 55, S. 910. Nach dem Kriege wurden veröffentlicht die Dissertationen von Christians, Dörr, Egle, Fuchs (Vorsatz-Fahrlässigkeit, 1962), Hänsel, Kugelmeier, Lazi, Legien, Lochmüller, Roos (§ 330 a), Siever, Städtler und Weber. (Fast alle Autoren bleiben übrigens in Literatur und
Rechtsprechung unerwähnt.) 20 So meinen etwa Schaffstein (S. 726) und Heinitz (Verhältnis, S. 127), daß jede Diskussion um das grundsätzliche Für und Wider der Wahlfeststellung in Anbetracht der ausgiebigen Erörterungen vor 1935 (und damit vor der Einführung des § 2 b, der die Wahlfeststellung unbeschränkt zuließ) nur auf eine bloße Wiederholung der alten Argumente hinauslaufen müßte; eine allen Anforderungen gerecht werdende Lösung sei nicht zu finden, und auch das von der Rechtsprechung entwickelte, die Zulässigkeit von Wahlfeststellungen einschränkende Kriterium der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" bringe allenfalls den Vorteil, unter mehreren Übeln ein kleineres zu erhalten (Schaffstein, S. 729). Zudem harre diese dehnbare Formel der Präzisierung (Mezger-BLei I, § 11 III, S. 34); Sax (S. 746) meint dazu resignierend, daß die Praxis durch alte und neue Argumente kaum beinflußt werden könne; vgl. andererseits Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 3.
1. Abschn.: Die Problemstellung
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tigkeit und Kriminalpolitik verpflichteten Rechtsprechung eine derartige Untersuchung angezeigt ist. Das Vorhaben scheint berechtigt, wenn man die Neuerungen der Strafrechtsreformgesetze einbezieht, wenn man erkennt, daß die aufgeführten Dissertationen veraltet21 und keineswegs befriedigend sind, und wenn man daran erinnert, daß die Praxis - abgesehen von den die Rechtssicherheit gefährdenden dogmatischen Ansätzen - zum Teil auch unbillige Urteile gefällt hat22 • Es gilt, aufbauend auf der lebhaften und in Monographien zusammengefaßten Diskussion von 1900 -195'6 und unter besonderer Berücksichtigung der weg- und irrwegweisenden neueren Rechtsprechung und wissenschaftlichen Auseinandersetzung von 1957 -1971, den Gerichten einen rechtsstaatlich einwandfreien Lösungsschlüssel zu liefern. Es muß sich erweisen, ob die angestrebten Maßstäbe ungerecht erscheinende Freisprüche in solcher Vielzahl ermöglichen, daß ein Appell an die Legislative unausweichlich scheint23 , 24.
%1 Die Nachkriegsdissertationen reichen abgesehen von der Spezialarbeit von Jürgen Fuchs über die Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit aus dem Jahre 1962 - nur bis 1956. Die erst in diesem Jahre entstehende "Lehre von den Auffangtatbeständen" (§ 330 a = BGHSt (GS) 9, 390; Fahrlässigkeitstatbestand = BGHSt 17, 210; § 226 = BGH Urt. v. 6. 9.1962 - 1 StR 162/62; Beihilfedelikt = BayObLG NJW 1967, S. 361) und der neuerliche Weg über eine "analoge Anwendung des Grundsatzes ,in dubio pro reo'" bei der Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe (BGHSt 23, 203) mußten zwangsläufig unberücksichtigt bleiben (lediglich Roos äußert sich in seinem Kurzanhang zu der Entscheidung des Großen Senats). Die Gegenwartsdiskussion kann auch ohne einige weiterführende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (etwa BGHSt 11, 26; 15, 63; 15, 266; 16, 184; 20, 100; 21, 152; 22, 12; 22, 154; 23, 360) und die neueren Beiträge in der Literatur nicht auskommen. 2! z. B. alternative Verurteilung bei Unaufklärbarkeit von Diebstahl und Hehlerei (RGSt 68, 257; BGHSt I, 304, 328; 15, 63, 266; 16, 184); hingegen Freispruch bei dem zusätzlichen Zweüel, ob der Täter die Sache gewaltsam weggenommen oder wiederum gehehlt hat (BGHSt 21, 152 ff.). Kritisch neuerdings Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 29, 37 (Art. 3 GG!). 23 Trotz der abgeschlossenen Neukodifizierung des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches und trotz der früheren Parallelregelung im Straf- und Strafverfahrensrecht (§ 2 b StGB; § 267 b StPO) könnte ein etwaiger Aufruf noch rechtzeitig kommen, da die Große Strafrechtskommission das Problem der Wahlfeststellung (wenn auch nur zum Teil zutreffend) als prozessuale Frage der Neuregelung der Strafprozeßordnung vorbehalten hat; vgl. Niederschriften Bd. V, S. 285 Fußn. 5. (Bemerkenswerterweise schweigt auch der AE zur Frage der Wahlfeststellung.) U Zum ausländischen Recht (siehe zunächst Zeiler, Frage, S. 21 - 23; Rumpf, S. 221 - 226) finden sich folgende Stellungnahmen: Frankreich (Städtler, S. 29 31; Schönke, S. 49; zur Entwicklung auch Weber, S. 4 -16); Österreich (Städtler, S. 31- 33; Schönke, S. 49; Weber, S. 17 - 20; vgl. auch Nowakowski, S. 380 ff.; beachte noch die Diss. von Gerig); Niederlande (Weber, S. 21 - 31); Italien (Weber, S. 32-40); Rußland (Städtler, S. 34f.); England (Städtler, S. 36-39); Vereinigte Staaten (Städtler, S. 40 - 43).
2"
2. Abschnitt
Die geschichtliche Entwicklung der Wahlfeststellung Die Dogmengeschichte25 ist weitgehend mit den Handlungen und bewußten Unterlassungen der Legislative verknüpft. So ließ der Gesetzgeber bei der Strafprozeßordnung von 1877 das Problem der Wahlfeststellung bewußt offen26 • (Die Problematik selbst tauchte zuerst um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf, als in Deutschland nach französischem Vorbild die Schwurgerichte eingeführt wurden27 • Bei der Entscheidung, ob die an die Geschworenen zu richtende Frage alternativ gestellt werden konnte oder aber eindeutig zu fassen war 2B , hat der Französische Kassationshof und ihm folgend das Preußische Obertribunal eine weitgehend restriktive Haltung eingenommen29 .) 25 Auf Einzelheiten einzugehen verbietet sich angesichts der Fülle guter und ausführlicher Darstellungen; vgl. etwa Legien, S. 16 - 65; Hänsel, S. 13 - 42; Stahl, S. 4 -15; v. Schack, S. 9 - 28; Prinz zu Wied, S. 7 - 43; Nüse, Diss., S. 529; Fuchs, Diss., S. 74 - 83. 26 Nach Hahn (zu § 250, S. 223/224) verweisen die Motive auf den noch unentschiedenen Streitstand in der Wissenschaft; vgl. dazu S. 223 Fußn. 5. 27 Das ältere deutsche Strafrecht unterlag noch dem formalen Beweisrecht, bei dem man mit Hilfe des Gottesurteils, des Zweikampfs, der Eideshelfer und des oftmals durch Folter erzwungenen Geständnisses ohne große Schwierigkeiten einen der weitgefaßten Tatbestände eindeutig feststellen konnte (vgl. dazu Fuchs, Diss., S. 2, der zu Recht darauf hinweist, daß der zugleich als Untersuchungsbehörde tätig werdende und dem Herrscher verantwortliche Richter im Interesse des Fürsten eine überführung des Angeklagten erreichen mußte). Erst die Zeit der Revolutionen und insbesondere die Französische Revolution verhalf im Interesse der persönlichen Freiheit des einzelnen dem Prinzip der materiellen Wahrheit zum Durchbruch; gleichzeitig machten die besonders von Feuerbach genau gegeneinander abgegrenzten Tatbestände ausgiebige Feststellungen des Richters erforderlich (vgl. auch Fuchs, Diss., S. 3). 28 Nach richtiger Auffassung besteht zwischen der alternativen Fragestellung an die Geschworenen und der alternativen Feststellung im Rahmen von § 267 StPO kein rechtlicher Unterschied (vgl. Wertheimer, S. 15; Prinz zu Wied, S. 4; Zaum, S. 2; Hänsel, S. 65; Ehrhardt, S. 32; Nüse, Diss., S. 45; Urban, S. 16). Zur Rechtsvergleichung bei der alternativen Fragestellung an die Geschworenen vgl. v. Tippelskirch, S. 452 f.; zur Zulässigkeit der Fragestellung Rubo,
S.385.
29 Zur nicht ganz einheitlichen Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals vgl. v. Tippelskirch, S. 452 - 462; zum französischen Recht eingehend Weber, S. 4 - 16; vgl. ansonsten Jescheck, Lehrb., § 16 III 1, S. 103/104; Fuchs, Diss., S. 75; ders., Vergleichbarkeit, S. 16. (Die einschlägigen preußischen Gesetzesbestimmungen behandelten das Problem der Wahlfeststellung nicht; demgegenüber enthielten Art. 371 der Württembergischen Strafprozeßordnung und
2. Abschn.: Die geschichtliche Entwicklung der Wahlfeststellung
21
Das Reichsgericht beschränkte die Zulässigkeit der Wahlfeststellung zunächst auf verschiedene, aber gleichwertige Ausführungsarten desselben Verbrechens30 • Später trat eine mehr extensive Neigung insofern hervor, als auf das Erfordernis ein und desselben Tatbestandes verzichtet und auch die Alternativität verschiedener Tatbestände, sofern sie als gleichrangige Qualifikationen einer Straftat auftraten, zugelassen wurde31 • Im praktisch wichtigsten Fall der Unaufklärbarkeit von Diebstahl und Hehlerei hingegen wurde die Zulässigkeit der alternativen Verurteilung stets abgelehnt32 • Erst die letzte Entscheidung der Vereinigten Strafsenate in der Geschichte des Reichsgerichts3S brachte bei dieser Alternative (unter Mitwirkung des Reichsgerichtsrats Zeiler und unter Heranziehung der Thesen Nüses) mit der Einführung des später sog. Kriteriums der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" eine Wende s4 • Die Zulassung der Wahlfeststellung zwischen diebischer und hehlerischer Erlangung entsprach dem stets hervorgehobenen kriminalpolitischen Bedürfnis und der Erfahrung, daß die Instanzgerichte bei Mehrdeutigkeit nicht freisprachen, sondern mehr oder weniger gewaltsam zu einer eindeutigen Feststellung zu gelangen suchten35 • § 54 des Strafprozeßgesetzes für das Königreich Sachsen (Gesetz vom 1. 10. 1868) wenigstens eine Erwähnung der alternativen Fragestellung; vgl. dazu Fuchs, Diss., S. 75; ders., Vergleichbarkeit, S.17). 30 Vgl. RGSt 11, 103 (104) (Gewalt oder Drohung mit empfindlichem Übel; § 253); RGSt 22, 213 (216); RGSt 23, 47 (48); RGSt 35, 299 (300); RGSt 53, 231 (232); vgl. auch RGSt 56, 61 (61) (Verheimlichen oder Ansichbringen; § 259). Das Erfordernis desselben Verbrechens war dabei auch dann gewahrt, wenn erst die Heranziehung verschiedener Vorschriften den Verbrechensbegriff ausschöpfte (vgl. RGSt 35, 299 (301) zu § 267 und § 270 a. F.; zust. Wertheimer, S.20). 31 Vgl. RGSt 55, 44 (45) (Alternativität von Einsteige- und Nachschlüsseldiebstahl; die Richtigkeit von RGSt 23, 47, 49 (siehe die vorherige Fußn.) bleibt dahingestellt, da es sich in dieser Entscheidung bei der ersten Alternative um einen Einbruchsdiebstahl gehandelt hat; die Gleichwertigkeit zwischen Einsteigediebstahl und Nachschlüsseldiebstahl ergebe sich daraus, daß jeweils die Unversehrtheit des Gebäudes erhalten geblieben sei.) Diese Nuancierung und damit die Entscheidung des Reichsgerichts im 23. Band wird aber vollends aufgegeben in RGSt 55, 228 (229/230). Vgl. demgegenüber RGSt 56, 35 (36), wo die Wahlfeststellung zwischen den Ziffern 1 und 4 des schweren Raubes (§ 250) abgelehnt wird. II! Vgl. etwa RGSt 53, 231 (232). Demgegenüber trat die Lehre teilweise für die unbegrenzte Zulassung der Wahlfeststellung ein; vgl. etwa Zeiler, Verurteilung, S. 181; Nüse, Diss., S. 68; R. 'V. Hippel, Strafrecht, § 3 VI, S. 44; 'V. Dassel, S. 12; Fox, S. 33. - Auf der Tagung des deutschen Richtervereins von 1913 haben sich die versammelten Richter bis auf eine Stimme der Forderung von Rumpf (S. 147 und 197 mit Gesetzesvorschlag) nach unbeschränkter Zulassung der Wahlfeststellung angeschlossen; vgl. dazu OGHSt 2, 89 (91) mit Hinw. auf DRZ 1913 Sp. 792/812. Dagegen ablehnend zur Wahlfeststellung: Gerland, S. 316; Lobe, Tatbestände, S. 170/171. 33 RGSt 68, 257 ff. 3t Weitergehend war der voreilig und versehentlich (vgl. RGSt 69, 369, 371) in JW 1934, S. 294 bekanntgegebene Entwurf des Reichsgerichts. 3S Vgl. die Nachw. bei Zeiler, Verurteilung, S. 168 ff., insbes. S. 181; Niet-
22
1. Teil: Allgemeine Grundlagen
Der Gesetzgeber von 1935 ging mit der Einführung der bereits erwähnten §§ 2 b StGB, 267 b StP036 einen erheblichen Schritt weiter und ließ die Wahlfeststellung unbeschränkt ZU37 , 38. Durch Kontrollratsgesetz 39 wurde Anfang 1946 § 2 b wieder aufgehoben. Die aufgerissene Gesetzeslücke versuchte man mit allen in der Entwicklungsgeschichte aufgetauchten Auffassungen zu füllen. Während die Rechtsprechung'° und die h. L.41 im großen und ganzen zu der Judikahammer, S. 168; eine solchermaßen getroffene eindeutige Feststellung mußte nicht immer die günstigere Möglichkeit sein, vgl. Deubner, Grenzen, S. 21 Fußn. 9; Maurach AT, § 10 III 2, S. 94; Schaffstein, S. 729; Tröndle in LK, nach §2Rdnr.3. 36 Durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches (RGBI. I, S. 839) und das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes (RGBI. I, S. 844) v. 28. 6. 1935. Wortlaut des § 2 b: "Steht fest, daß jemand gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat, ist aber eine Tatfeststellung nur wahlweise möglich, so ist der Täter aus dem mildesten Gesetz zu bestrafen. ce Wortlaut des § 267 b StPO: "Trifft das Gericht eine Wahlfeststellung (§ 2 b StGB), so ist der Angeklagte in der Formel nur der Verletzung des anzuwendenden Strafgesetzes schuldig zu sprechen. Die Urteilsgrunde müssen angeben, welche Gesetze als verletzt in Betracht kommen. Die Tatsachen, die den Verstoß ergeben, sind festzustellen; es ist darzutun, weshalb eine eindeutige Feststellung nicht möglich ist. - Sieht das Gericht entgegen einem in der Hauptverhandlung gestellten Antrage von einer Wahlfeststellung ab, so müssen die Grunde dafür dargelegt werden. ce 37 Dieses Ergebnis hatte das Reichsgericht in RGSt 69, 369 (371) bei der AIternativität von Beihilfe zur versuchten Abtreibung und Betrug bereits vorweggenommen. 38 Damit war der Weg frei für Wahlfeststellungen zwischen in jeder Beziehung unvergleichbaren Tatbeständen wie Beihilfe zur versuchten Abtreibung und Betrug (RGSt 71, 44, 44); Beihilfe zum Mord und Nichtanzeige drohender Verbrechen (§§ 138, 139) (RGSt 73, 52, 60). Bemerkenswerterweise versuchte die überwiegende Lehre, den § 2 b restriktiv i. S. der bahnbrechenden Reichsgerichtsentscheidung im 68. Band auszulegen; vgl. etwa Niethammer in v. Olshausen, § 2 b Anm. 2, S. 51 mit weit. Nachw.; vgl. auch Oetker, Reform, S. 218. 39 Nr. 11 vom 30. 1. 1946. 40 OLG Celle DRZ 1947, S. 64 f. (64); OLG Freiburg DRZ 1947, S. 65; OGHSt 2, 89 (93); BGHSt 1, 127 (128); BGHSt 1, 302 (304); BGHSt (GS) 9, 390 (393); BGHSt 11, 100 (101); BGHSt 15, 63 (66); BGHSt 15, 266 (267); BGHSt 16, 184 (187); BGSt 21,152 (153); BGHSt 22,12 = NJW 1968, S. 659 f. (660); BGHSt 22,154 = NJW 1968, S. 1888 f. (1888); vgl. auch BayObLGSt 1958, 12 (17); neuerdings BGH NJW 1970, S. 668; BGHSt 23, 360 (361). 41 Baumann, Lehrb., § 14 II 1; Mezger-Blei I, § 11 III; Müller-Sax, § 260 Anm. 6 Ad, S. 837; Jagusch in LK, § 2 b Anm. 3 d, S. 67; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 9; Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 2; Schwarz-Kleinknecht, § 260 Anm. 5 B; Fuchs, Diss., S. 132; etwas einschränkend Jescheck, Lehrb., § 16 III 3, S. 106; Peters, Lehrb., § 37 IH, S. 250; vgl. neuerdings auch Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 14 f.; ein Teil der Lehre versucht, die dehnbare Formel der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" durch das Kriterium der "Identität des Unrechtskerns" zu ersetzen (vgl. etwa Deubner, Anmerkung I, S. 738; ders., Verhältnis, S. 95; Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28; ihm folgend Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. B, S. 39 (30. Aufl.); vgl. auch Henkel, § 91 IV 4, S. 354 Fußn. 18; ähnlich auch Sax, S. 748; neuerdings Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 63; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 37).
2. Abschn.: Die geschichtliche Entwicklung der Wahlfeststellung
23
tur der Vereinigten Strafsenate zurückkehrten, hielt man zum Teil nur die Richtlinien der alten reichsgerichtlichen Rechtsprechung für rechtsstaatlich einwandfrei42 ; daneben finden sich extreme Positionen, nach denen entweder der Wahlfeststellung überhaupt43 oder aber jeglicher Einschränkung der alternativen Verurteilung eine Berechtigung abgesprochen wird44 , 45. Wird sich das bewußte Schweigen des StPO-Gesetzgebers von 1877, das sich 1953 wiederholte48 , rund ein Jahrhundert später wegen des immer noch unentschiedenen Streitstandes in Rechtsprechung und Lehre noch aufrecht erhalten lassen?
U Eb. Schmidt, Teil H, § 244 Anm. 17; Heinitz, Grenzen, S. 102; Scham, S. 49; LochmilUer, S.151 und 164; vgl. auch Mayer, Lehrb., S. 417 (Standpunkt der an-
fänglichen Reichsgerichts-Rechtsprechung). U So insbes. Maurach AT, § 10 IH 2, S. 94; Schmidhäuser AT 5/44. 44 Vgl. etwa E. v. HippeZ, S.1535; Nilse, Zulässigkeit, S. 39; ders., Anmerkung I, S. 29; Anmerkung H, S. 66; Anmerkung IH, S. 24; Roos, S. 98; KugeZmeier, S.100. 45 Fuchs (Diss., S. 15) ist deshalb zuzustimmen, wenn er der Wahlfeststellung allenfalls als Institution, nicht aber bezüglich des Umfangs ihrer Zulässigkeit eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung zuzubilligen bereit ist. 41 In der amtlichen Begründung zum Entwurf des 3. Strafrechts-Änderungsgesetzes meinte man, die Frage der Wahlfeststellung weiterhin Rechtsprechung und Lehre zur Lösung überlassen zu müssen; vgl. dazu Nüse, Zulässigkeit, S. 33; Fuchs, Diss., S. 102 Fußn. 4; Dreher, S. 424; vgl. näheres zur Entwicklung von 1950 - 1960 bei Schom, S. 45/46.
3. Abschnitt
Die Reichweite und das Verhältnis der "Wahlfeststellungs"- und "in dubio pro reo"-Regeln Die Beantwortung der zuletzt gestellten Frage wird zunächst einmal davon abhängen, inwieweit das geltende Recht bei Beweiszweifeln überhaupt der Heranziehung der "Wahlfeststellungs"- oder "in dubio pro reo"-Grundsätze bedarf und wie das Verhältnis beider Regeln zueinander zu bestimmen ist. A. Anklage und Verurteilung bei der sogenannten "reinen Tatsachenalternativität" Die Unaufklärbarkeit von Tatsachen kann auf zwei Ebenen hervortreten. Die Beweiszweifel können einerseits für die Feststellung und Begründung einer tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung 47 , d. h. für die sog. "subsumenda" (vgl. § 267 lIStPO), bedeutsam sein 48 • 49; es können aber andererseits auch Tatsachen unaufgeklärt bleiben, die allenfalls für die Strafzumessung Relevanz besitzen oder sogar auch insoweit eine völlige Gleichartigkeit aufweisen. Läßt sich z. B. nicht eindeutig nachweisen, ob der Täter am 30. März in X oder am 31. März in Y eine identische Sache gestohlen hat, steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, daß der Angeklagte und kein anderer rechtswidrig und schuldhaft den Diebstahl begangen hat, so ist er eindeutig aus § 242 zu verurteilen50 • 47 Die z. T. streitigen Fragen hinsichtlich der Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" bei Zweifeln über Strafaufhebungsgrunde (§ 46), den Fall der Kompensation (§ 199), über Strafausschließungsgründe (z. B. § 247 II) und über Prozeßvoraussetzungen (vgl. dazu die Nachw. etwa bei Jescheck, Lehrb., § 16 II 1, S. 103; Sax, in dubio pro reo, S.162 -169; Stree, S. 53 ff.; Zaum, S. 10/11) können hier schon um deswillen unerörtert bleiben, weil eine Alternative stets Straffreiheit begründet. 48 Vgl. zu dieser Unterscheidung etwa Fuchs, Diss., S. 4 und S. 71; Kugelmeier, S. 5; beachte auch Mezger-Blei I, § 11 II 3 a, S. 32/33. 49 Man denke wiederum an die Alternativität von Diebstahl und Hehlerei. 50 Vgl. nur Mezger-Blei I, § 11 II 3 a, S. 32/33; siehe auch Fuchs, Diss., S. 71; Roos, S. 2; Dörr, S. 9; wohl auch Deubner, Grenzen, S. 21 bei engstem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang. Dagegen spricht Jagusch in LK, § 2 b Anm. 4 a, S. 68 von zulässiger "Wahlfeststellung"; vgl. auch RGSt 26,155 (157); Schwarz, S.4.
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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Man ist versucht, gerade mit dieser Überlegung im Handstreich eine Verwirrung stiftende Kontroverse zu bereinigen: Bei dem weitgehend parallel liegenden Beweiszweifel, ob der Täter am 30. März bei seiner Zeugenvernehmung in erster Instanz oder aber kurze Zeit später bei seiner Aussage in der Berufungsinstanz einen Meineid geschworen hat, sollte eigentlich die eindeutige Verurteilung aus § 154 nicht zweifelhaft sein. Und doch wird dieser Schluß nur zum Teil gezogen51 . Eine beachtliche Stimmenzahl in Rechtsprechung und Lehre gelangt hier wegen der "reinen Tatsachenalternativität"52 zu einer zulässigen sog. gleichartigen Wahlfeststellung"53. Und es fehlt auch nicht an Stimmen, die hier den Freispruch als das einzig richtige Ergebnis herausstellen54 • Weitgehend übereinstimmend glaubt man dabei, die Zulässigkeit der Wahlfeststellung schon um deswillen verneinen zu müssen, weil bei einer Tatalternativität auch bei unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang die Grenzen der Tatidentität (§ 264 StPO) überschritten seien55 . Der geplante Handstreich wächst sich also bei näherem Zusehen in eine kritische Überprüfung der Meinungen nach zwei Seiten aus: Es gilt darzulegen, daß einerseits die einfache "Tatalternativität" der Wahlfeststellungsgrundsätze im eigentlichen Sinne gar nicht bedarf, und daß andererseits der prozessuale Tatbegriff für sämtliche mehrdeutigen Tatsachengrundlagen eine einheitliche Geltung beansprucht. Zum Verständnis der "Wahlfeststellungsproblematik" sei zunächst kurz auf die Entstehungsgeschichte des § 2 b zurückverwiesen. Der Ge51 BGH MDR 1951, S. 464 (bei Dallinger) (keine echte Wahlfeststellung) ; BGHSt 2, 351 (352 f.); OLG Braunschw. NJW 1952, S. 38 (keine eigentliche Wahlfeststellung); Mezger-Blei I, § 11 II 3 a, S. 33; vor allem auch Lochmüller, S. 180/181; vgl. auch Lang-Hinrichsen, S. 381 (keine echte alternative Verurteilung); Stahl, S. 24, Prinz zu Wied, S. 2 u. Strobach, S. 19 (unter Geltung des § 2 b); siehe ferner Eb. Schmidt, Teil II, § 244 Anm. 18. 52 Zum Begriff vgl. etwa Jescheck, Lehrb., § 16 III 2 b, S. 105; v. Schack, S. 72; Schwarz, S. 3; Gerig, S. 40; Dünhaupt, S. 32; Ehrhardt, S. 5. Z. T. spricht man auch von "Tatalternativität", da jeder Wahlfeststellungsproblematik eine Tatsachenalternativität zugrunde liegt; vgl. dazu Sax, S. 747; Lackner-Maassen, § 2 b Anm. 1 C, S. 15; vgl. auch Schwarz, S. 44. 53 BayObLG .TZ 1965, S. 773 ff. (773); OLG Braunschw. JZ 1951, S. 235 f. (235) mit zust. Anmerkung von Schänke, S. 236; Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 A, S. 39; Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 3 a, S. 78. Für Wahlfeststellung auch: Egle, S. 193; Städtler, S. 82; Hänsel, S. 88; Jescheck, Lehrb., § 16 III 2 b, S. 105; Deubner, Grenzen, S. 21; Jagusch in LK, § 2 b Anm. 4 a, S. 68; Schmitt, S. 1887; Fuchs, Diss., S. 73; Roos, S. 2; Dörr, S. 7, 75 und 77; Ancker, S. 6 und 47; vgl. auch Schulze, S. 91 f.; Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 9; Schwarz-Kleinknecht, § 267 Anm. 2 B; Trändle in LK, nach § 2 Rdnr. 6. 54 So zunächst das RG in RGSt 26, 155 (157) wegen Unzulässigkeit der alternativen Fragestellung; Legien, S. 102 (arg. § 267 IStPO). 55 v. Schack, S. 67 - 74 (unter Geltung des § 2 b); Sax, S. 747 und 749; Schaffstein, S. 728 Fußn. 13; Heinitz, Grenzen, S. 102/103; Christians, S. 93; Rumpf, S. 218. Schwarz (S. 44) nimmt zwar einen Verstoß gegen § 264 StPO an, gelangt aber über die §§ 2, 2 b zu einer Verurteilung.
1. Teil: Allgemeine Grundlagen
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setzgeber von 1935 wollte anfangs in seinem Bestrafungsüberschwange auch den Fall der "reinen Tatsachenalternativität" kodifizieren, nahm aber später von diesem Vorhaben Abstand, "weil der Richter auch ohne ausdrückliche Gesetzesbestimmung zu einer Verurteilung gelangen konnte"56. Schon daraus ergibt sich hinreichend, daß die Möglichkeit einer eindeutigen Verurteilung die Frage nach dem Freispruch wegen unzulässiger Wahlfeststellung gar nicht auftauchen lassen durfte57 • Unter den Begründungen für die Heranziehung von Wahlfeststellungsregeln sind einige diskussionsbedürftig: So unterscheiden das Reichsgericht58 und ROOS59 zwischen Zweifeln über unwesentliche und solchen über wesentliche Tatteile. Im Diebstahlsfall soll z. B. die Unaufklärbarkeit der Tatzeit (etwa 30. oder 31. März), des Tatorts und des verwendeten Werkzeugs unbeachtlich sein6o . Dagegen wird im Meineidsfall bereits ein wesentlicher Zweifel angenommen61 • Einer der Gründe für diese Unterscheidung liegt dabei mehr oder weniger versteckt in der Behauptung, daß im Meineidsfall der Täter zweimal gehandelt habe, wobei jede Handlung denselben Tatbestand hätte verwirklichen können62 . Bei näherer Betrachtung ist dieser Gesichtspunkt jedoch nicht entscheidend, weil sich auch der Diebstahlsfall in seinem äußeren Ablauf dem Meineidsfall völlig angleichen ließe63 . Man bilde etwa das Beispiel, daß der Dieb, einmal unterstellt, er habe am 31. März in Y gestohlen, am 25. März am alternativen Tatort X als Gast an einer Party teilgenommen und handgreifliches Interesse an dem später abhanden gekommenen Gegenstand bezeugt hat. Bei gleicher zeitlicher und örtlicher Verschie58 Vgl. dazu Strobach, S. 19; Stahl, S. 23 mit Hinw. auf die "amtlichen Begründungen" zu den Strafrechtsnovellen v. 28. 6. 1935 (S. 32). - Zum Wortlaut des § 2 b siehe oben Fußn. 36. - Schulze (S. 91) folgert aus dieser Begründung allerdings die Gleichstellung der Tatalternativität mit der "echten" Wahlfeststellung. 57 Das Reichsgericht hat allerdings einmal (RGSt 72, 339, 342) unter Berufung auf § 2 beine Wahlfeststellung zugelassen. Es ist aber durchaus denkbar, daß § 2 b als unkomplizierter Ausweg in einer nicht abgeklärten Streitfrage erschien. Als Begründung führt das Reichsgericht an, daß .. Mehrheit der Strafgesetze" in § 2 b ähnlich wie in § 73 nicht ihre Verschiedenheit bedeute und daß ferner die weniger schwerwiegende Alternativität von Meineid und eidesstattlicher Versicherung ohne weiteres unter § 2 b falle. 56 RGSt 26, 155 (157). 50
S.2.
Das bedeutet für Roos (S. 2) die Möglichkeit der eindeutigen Verurteilung, für das Reichsgericht (a.a.O.) die Zulässigkeit einer alternativen Fragestellung. 11 Mit der Konsequenz der zulässigen Wahlfeststellung wegen .. reiner Tatsachenalternativität" (Roos, S. 2) bzw. des Freispruchs wegen Unzulässigkeit der alternativen Fragestellung (RG a.a.O.; das RG nimmt allerdings einen etwas größeren Zeitabstand an). G2 Vgl. Roos, S.1I2 und bes. deutlich Kugelmeier, S. 5; ebenso Schwabe, S. 18. IS Vgl. auch Fall 3 bei Schwabe, S. 52/53. 10
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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bung liegen auch hier zwei selbständige, zur strafrechtlichen Relevanz aufsteigungsfähige Handlungen vor. Daß die Unaufklärbarkeit beim Diebstahl mehr im äußeren Handlungsgeschehen, beim Meineid dagegen vorwiegend im inneren Wissen des Täters begründet liegt, ergibt sich allein aus der Natur der Tatbestände. Trotz dieser möglichen Parallelität entbehrt die dargestellte Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Tatteilen nicht jeder Berechtigung. Beim Diebstahlsfall kann durchaus einmal zweifelhaft bleiben, wann und wo der Täter die Sache gestohlen hat. Sofern man hier eine Verurteilung wegen ausreichender Konkretisierung der Tat überhaupt für möglich hält64, kann man unbestreitbar - und im Gegensatz zum Meineidsfall - nur von einer Tat sprechen65 • Entscheidend ist aber, daß man diesem Fall ebenso unbestritten den weiteren (oben dargestellten) Beweiszweifel gleichsetzt, ob der Diebstahl am 30. 3. in X oder am 31. 3. in Y verübt wurde. Eine solchermaßen genau bestimmte Tat setzt zwangsläufig konkrete Anhaltspunkte für das eine wie das andere Geschehen und damit ebenso wie der Meineidsfall mehrere Taten voraus". Als Zwischenergebnis ist mithin festzuhalten, daß man in den Fällen "wesentlicher" Tatsachenalternativität trotz mehrerer (alternativer) Geschehnisse eindeutig verurteilen muß. Das Erfordernis des eindeutigen Urteilsspruchs wird denn auch von niemandem verkannt, weil stets ein und derselbe Tatbestand geprüft wird. Großenteils nicht erkannt wird aber der Umstand, daß es sich hier trotz der mehrdeutigen Tatsachengrundlage nicht um einen Fall der (sog. "gleichartigen") Wahlfeststellung handelt6T • Es geht nicht um die "wahlweise Verurteilung wegen zweier " Vgl. zu diesem Erfordernis etwa Zaum, S. 14; Ostern, S. 46; siehe auch
Ancker, S. 7 Fußn. 6.
15 Vgl. dazu auch Rumpf, S. 218 (Schwarz, S. 4 spricht auch hier von einer Wahlfeststellung). Hier werden Tatumstände einer Tat offengelassen, die im Rahmen von § 267 I StPO noch nicht von Bedeutung sind. Es ist für die einheitliche Tat "Sachbeschädigung" etwa völlig gleichgültig, ob der Täter einen Stock oder einen Stein benutzt hat (eine Wahlfeststellung verneinen insoweit zu Recht deshalb auch Legiert, S. 6; Prinz zu Wied, S. 3; Ancker, S. 7 Fußn. 6; Gerig, S. 13; a. A. aber Nowakowski, S. 383). Sammelbegriffe wie "gefährliches Werkzeug" oder "nachts" genügen der Tatbestimmung grundsätzlich vollauf (vgl. dazu Schwarz, S. 3/4; Zaum, S.14; Ostern, S. 46; Gerig, S.13). Angemerkt sei an dieser Stelle, daß dieser Gesichtspunkt auch dann zutrifft, wenn bereits ein Tatbestandsmerkmal von dem Beweiszweifel betroffen wird; die Unaufklärbarkeit von "Stock oder Stein" berührt etwa die eindeutige Feststellung des Merkmals "gefährliches Werkzeug" im Rahmen von § 223 a nicht (richtig Zaum, S.14; Ancker, S. 7). 88 Das ergibt sich bereits aus dem Erfordernis der "exklusiven Alternativität". 87 Bezeichnend Sax (S. 747), wenn er von der wahldeutigen Tatsachengrundlage auf das Vorliegen einer Wahlfeststellung (mit eindeutiger Urteilsformel) schließt.
1. Teil: Allgemeine Grundlagen
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Aussagedelikte"68, sondern um ein eindeutiges Urteil auf der Grundlage alternativer Geschehnisse89 • Die subsumenda sind nicht nur gleichartig oder deckungsgleich, sondern identisch. Dieser IZusammenhang wird eigenartigerweise nur beim entsprechenden Diebstahlsfall gesehen, aber auch nur deshalb, weil man ihn dem einfachen Beweiszweifel gleichstellt, ob der Täter vor oder nach Mitternacht gestohlen hat, weil er gegen 24 Uhr in der Nähe des Tatorts gesehen wurde. Es kann also zur Erlangung eines endgültigen Ergebnisses nur darum gehen, etwaige Unterschiede zwischen dem Meineidsfall und den parallel liegenden Diebstahlsgeschehnissen aufzudecken. Zu widerlegen sind zwei Gesichtspunkte: Man könnte sich einerseits auf die Erwägung stützen, daß die Zweifel im Diebstahlsfall nur - im Rahmen von § 267 I StPO unbeachtliche Tatumstände betreffen, während die Widersprüchlichkeit der Eide gerade für das Tatbestandsmerkmal "falsch" konstituierende Bedeutung besitzt7°. Dieser Einwand verschlägt jedoch nichts. Zunächst ist an der eindeutigen Verurteilung schon deshalb nicht zu rütteln, weil der Meineidsfall bei solcher Betrachtung gen au der oben71 angesprochenen Konstellation entspricht, in der die Art des gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 223 a unaufgeklärt bleibt72 • Zum anderen sind das handgreifliche Interesse des Party-Gastes an dem später abhanden gekommenen Gegenstand und das verdächtige Verhalten desselben Mannes an dem alternativen Tatort zwar nicht wegen ihrer Gegensätzlichkeit, so doch aber wegen ihrer überzeugungsbildenden Häufung für das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme gleichermaßen konstituierend. Ebenfalls unbeachtlich ist der zweite Einwand, der darauf abhebt, daß man für die Strafzumessung nicht wissen könne, mit welcher Motivation der falsche Eid geleistet worden sei (wollte sich der Täter etwa verteidigen oder andere schädigen?73). Auch für den Diebstahlsfall ließen sich ohne weiteres verschiedenartige Motive des Täters denken (Schädigungsabsicht in dem einen, Vorteilsabsicht in dem anderen Fall). Die hier vorliegende mehrdeutige Grundlage der Strafzumessungstatsachen kann auch nicht eine Wahlfeststellung begründen. Vielmehr ist bei Alle Versuche zwischen 1935 und 1946, die Tatalternativität entweder direkt oder analog unter § 2 b fallen zu lassen oder wegen seiner Unanwendbarkeit für Freispruch zu plädieren, wurden an untauglichem Objekt vorgenommen. 6S Vgl. nur Koffka, S. 430. 69 Richtig vor allem Lochmüller, S. 180/181; Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn.47.
70 Ein derartiger Einwand klingt an bei Zaum (S. 14), da er auch Fall 18 (Tatalternativität) in die Erörterung einbezieht. 71
Fußn. 65 a. E.
So auch Hauck, S. 3 und Lochmüller, S. 180/181. 73 Vgl. Heinitz, Grenzen, S. 103; siehe dazu auch Koffka, S. 430 und (grundsätzlich) v. Schack, S. 69. 7!
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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solcher Sachlage nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" das Geschehnis heranzuziehen, das das geringere Strafmaß zuläßt7 4, 75. Nach alledem erscheinen sämtliche Vorwürfe gegen die eindeutige Verurteilung, die in der "versteckten Wahldeutigkeit und Unehrlichkeit des Urteils" gipfeln76 und die echte alternative Verurteilung als "rein technisches Problem der Urteilsformel" abqualifizieren 76 , als gegenstands10s77.
B. Die Tatidentität (§ 264 StPO)
Nicht beseitigt ist jedoch der Einwand, daß eine Verurteilung in den Fällen der reinen Tatsachenalternativität (zu denen der Meineidsfall ebenso wie der Diebstahlsfall gehören) um deswillen nicht erfolgen dürfe, weil stets gegen den Grundsatz der Tatidentität (§ 2'64 StPO) verstoßen werde78 • Man unterscheidet dabei - grundsätzlich einleuchtend - zwischen der Tatalternativität, der Gesetzesalternativität (die sich im Gegensatz zur Tatalternativität durch die Identität der Tat und die Verschiedenheit der Gesetze auszeichnen soll) und schließlich der Kombination von Tat- und Gesetzesalternativität79 • Als Fall einer in engen Zulässigkeitsgrenzen möglichen alternativen Verurteilung wird dabei lediglich die "reine 7.
Vgl. - bezogen auf die echte alternative Verurteilung - RGSt 68, 257 (263);
Schaffstein, S. 727; näher Bruns, S. 278; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 39 ff.
75 Dabei soll nicht verkannt werden, daß eine eindeutige Verurteilung (bei rechtzeitigem Erkennen der mehrdeutigen Tatsachengrundlage) eine alternative Anklage mit entsprechendem Eröffnungsbeschluß erforderlich machen kann, da § 200 StPO neben der Bezeichnung der subsumenda und Strafvorschriften auch die Darstellung der zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten erfordert. (Eine alternative Anklage wird heute weitestgehend anerkannt: vgl. die Nachw. unten Fußn. 112; und zwar mit Recht, da das Gericht auch bei eindeutiger Anklage verpflichtet wäre, im Rahmen von § 264 StPO bei der Urteilsfindung die Alternativität in die Erörterungen einzubeziehen. Eine Kenntlichmachung dieser Pflicht in der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluß ist deshalb unbedenklich; vgl. dazu Fuchs, Diss., S, 97; Egle, S. 135; a. A. noch v. Schack, S. 74). Sollte hingegen die Mehrdeutigkeit der Tatsachengrundlage nicht rechtzeitig erkannt werden, so kommt im Rahmen der Tatidentität ein Hinw. nach § 265 StPO in Betracht (vgl. Jagusch in LK, § 2 b Anm. 3 a, S. 66; Eb. Schmidt, Teil II, § 265 Anm.l0; Gerig, S. 61). 7t Vgl. v. Schack, S. 74; ihm weitgehend folgend Sax, S. 747. 77 Insoweit handelt es sich auch bei dem eingangs angesprochenen bundessozialgerichtlichen Urt. (vgl. Fußn. 18) nicht um eine echte Wahlfeststellung, da die alternativen Geschehensabläufe denselben Verpflichtungsgrund (d. h. denselben zur Versorgung berechtigenden Tatbestand) ergeben. 78 v. Schack, S. 67 - 74; Schäfer, Einzelheiten, S. 995; Sax, S. 747 - 749; Schaffstein, S. 728 Fußn. 13; Heinitz, Grenzen, S. 102/103; Christians, S. 93; Rumpf,
S.218. 78 Sax, S. 747; Lackner-Maassen, § 2 b Anm. 1 c, S. 15; vgl. auch v. Schack, S, 62 -75.
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1. Teil: Allgemeine Grundlagen
Gesetzesalternativität"BO angesehenB!; d. h. man verleugnet den Rahmen der Tatidentität bereits dann, wenn zwischen den Alternativtaten engster zeitlicher und räumlicher Zusammenhang bestehtB2, während die h. M. die Grenzen eines historischen Vorgangs grundsätzlich in beiden Hinsichten ziemlich weit ausdehntB3 . Selbst wenn man einmal von diesem für das Alternativitätsproblem nicht stets zutreffenden GesichtspunktB4 absieht, hält die dargestellte These einer kritischen Überprüfung nicht stand. Sie läuft nämlich darauf hinaus, daß bei allen Gesetzesalternativitäten, die - von der Tatbestandsnatur der in Frage kommenden Delikte her gesehen - zwangsläufig einen zeitlichen oder (und) örtlichen Auseinanderfall bedingen, schon wegen der deshalb vorliegenden Tatalternativität eine Wahlfeststellung unzulässig sein müßte B5 . Diebstahl und Hehlerei, Diebstahl und 80 Diese beruht naturgemäß auf einer Tatsachenalternativität, da es sich sonst um eine Rechtsfrage handeln würde. 8! Sax, S. 748 und 749. 82 Sax (S. 747) bildet etwa das Beispiel, daß der Angeklagte von zwei gleichzeitigen Einbrüchen (man mag hinzufügen: in unmittelbarer Nachbarschaft) einen unzweifelhaft begangen haben muß, jedoch ungeklärt bleibt welchen. 8S Vgl. bes. zunächst das Reichsgericht in RGSt 71, 339 (340) mit zahlreichen Hinw., z. B. auf RGSt 56, 324 (325); sodann ausführlich Eb. Schmidt, Teil I, Nr. 295 ff.: (Tatidentität auch bei Realkonkurrenz möglich, Nr. 300 [vgl. dazu auch Henkel, § 89 II 1, S . 337; BGHSt 23, 141 [144]; RGSt 71, 339 [340]), Tatidentität ebenso denkbar bei übergang von Anstiftung zur Begünstigung, Nr. 299, d. h. bei Delikten, die zumindest zeitlich auseinander liegen); vgl. auch dens., Teil II. § 264 Anm. 8; Lazi, S. 116; Fuchs, Diss., S. 96 mit ausführlichen Hinw.; Schmitt, S. 1887. Dörr (S. 71) weist zudem zu Recht darauf hin, daß § 265 IV StPO den Schluß zuläßt, daß die Tatsachengrundlage Veränderungen erfahren kann, ohne daß dadurch die Tatidentität berührt wird. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch das Urteil des BGH v. 21. 5. 1951 - 3 StR 219/51 - in MDR 1951, S. 464 (bei DaZZinger): Hier unterlagen "zwei alternative uneidliche Falschaussagen" (am 22. 5. bzw. 5. 6.) schon deswegen § 264 StPO, weil beide Verhaltensweisen eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat bilden sollten. 84 Bei der Wahlfeststellung kann es nämlich bei nicht allzu geringem zeitlichen und örtlichen Abstand oftmals zweifelhaft sein, ob auch die jeweils alternativen "Vorkommnisse und Umstände nach der natürlichen Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bilden" (vgl. zu dieser Definition etwa BGHSt 13, 21, 26); in diesem Sinne äußert sich wohl auch der BGH in NJW 1957, S. 1886 f . (1887). Letztlich aber kann es kein entscheidender Unterschied sein, ob man von der angeklagten Hehlerei ohne Verletzung des § 264 StPO zum Diebstahl übergeht (zugelassen von RGSt 8, 135 (141); RGSt 12, 187, 189) oder aber den Diebstahl nur alternativ einbezieht (so auch Dörr, S. 74). Erwähnenswert ist auch die Auffassung von Schulze (S. 86), der die Geltung der Tatidentität bei der Alternativität (im Gegensatz zur Konkurrenz und damit zur Kumulation) völlig ableugnet, da nur wegen einer strafbaren Handlung ein staatlicher Strafanspruch entstehe. 85 Schon um deswillen braucht auch nicht (entgegen Lobe, S. 135) der Gesamtvorgang als mit der historischen Wirklichkeit übereinstimmend festgestellt zu werden; vielmehr kommt es darauf an, daß die "gedachten" alternativen Geschehnisse dem Begrüf des historischen Vorgangs (§ 264 StPO) genügen (Dörr, S.74).
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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räuberischer Diebstahl, Diebstahl (Unterschlagung, Erpressung, Raub) und sachliche Begünstigung weisen notwendig zeitliche und großenteils auch räumliche Verschiedenheiten auf. Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch finden zeitlich vor oder nach den Eigentums- und Vermögensdelikten statt88 • Soll nun schon deswegen bei einer Alternativität derartiger Tatbestände stets eine zulässige Wahlfeststellung entfallen müssen? Ein für viele sicherlich unerträgliches Ergebnis! Man kann dagegen auch nicht - wie etwa v. Schack87 - einwenden, daß bei der Alternative Diebstahl - Hehlerei im Gegensatz zum Meineidsfall nur einmaL in Richtung auf den vorliegenden Erfolg gehandelt werde und daß nur einer der Möglichkeiten ein tatsächliches Geschehen zugrunde liege. Er verkennt dabei, daß sich sowohl für den Diebstahl als auch für die Hehlerei tatsächliche Anhaltspunkte für den Richter ergeben haben müssen; anderenfalls wären bereits die beweisrechtlichen Voraussetzungen der Wahlfeststellung zu verneinen. Der Täter wurde etwa von Zeugen sowohl in der Nähe des diebischen Tatorts als auch später in einer Hehlerkneipe gesehen8s • Wegen der exklusiven Alternativität von § 242 und § 259 steht spiegelbildlich-alternativ fest, daß der Angeklagte entweder zur Diebstahlszeit ein harmloser Spaziergänger oder beim Hehlertreffen ein gemütlicher Trinker war. Diese strafrechtlich irrelevanten Taten bilden die unverrückbare Parallele zu dem richtigen Eid im Meineidsfall. Auch der weitere Einwand, daß die mögliche Hehlerei nur eine zwangsläufige Anschlußtat und damit Teil einer Tat sei89 , besitzt keine Überzeugungskraft. Die Hehlerei kann zeitlich so spät und örtlich so entfernt begangen werden, daß sie eine ähnliche Selbständigkeit aufweist wie der - mit dem ersten stets zusammenhängende - "zweite Meineid"90. Bei beiden Alternativen - und nicht nur beim Meineidsfall - handelt es sich demnach entgegen v. Schack um mehrere Taten91 • 88 Zur Alternativität von Diebstahl und Hehlerei vgl. auch die entsprechenden Ausfürungen des OLG Braunschw. in NJW 1952, S. 38; siehe auch Lazi, S. 116; Nii.se, Diss., S. 54/55; Gerland, S. 317 Fußn. 24; neuerdings Jakobs, Wahlfeststellung, Fußn. 9. 87 S. 67; insoweit falsch auch Christians, S. 92; Schwabe, S. 52; Schulze, S. 85;
Niedereuther, S. 636.
88 Hätte der Richter diese Anhaltspunkte nicht, dann könnte neben Diebstahl genau so gut Unterschlagung, Betrug, Raub oder Erpressung vorliegen; vgl. hierzu das Urt. des Bundesgerichtshofes v. 13. 9. 1966 - 1 StR 311/66 - MDR 1967, S. 548/549 bei Dallinger, in dem der BGH wegen einer solchen Unbestimmtheit und damit wegen Verstoßes gegen § 267 I StPO eine Verurteilung ablehnt (die Entscheidung findet sich auch in GA 1967, S. 184 f.). 89 Vgl. RumPf, S. 218. 00 Vgl. dazu auch Zaum, S. 41; Ancker, S. 41; Hauck, S. 3; das wird verkannt von Legien, S. 10 - 12. • 1 Wenn auch nur eine Straftat (vgl. nur Schulze, S. 85), die im Meineidsfall identische, bei der Unaufklärbarkeit von Diebstahl und Hehlerei verschieden-
1. Teil: Allgemeine Grundlagen
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Eine "reine" Gesetzesalternativität im Sinne von Sax und v. Schack bleibt nur bei den Delikten denkbar, die äußerlich eine identische Handlung und nur im subjektiven Wissen des Täters eine Zweifelhaftigkeit aufweisen. Bei genauerer Betrachtung laufen also die Thesen von Sax und v. Schack auf eine ungerechtfertigte Differenzierung nach Tatbestandsarten und auf eine Kette ungerechtfertigter Freisprüche hinaus, ein Ergebnis, das beide Autoren niemals akzeptieren würden: v. Schack92 hält denn auch - in Erwartung möglicher Kritik - eine Zusatzlösung für die Alternativität von Diebstahl und Hehlerei bereit. Tatidentität sei nicht nur bei einheitlicher Tat, sondern auch - den Thesen von Schwinge folgend 93 - bei einheitlicher Rechtsgutsverletzung gegeben. Hier fällt v. Schack augenscheinlich in das andere Extrem; denn die Grenzen von § 264 StPO sind wegen der Einheitlichkeit des verletzten Rechtsguts auch dann noch gewahrt, wenn eine große, nach h. M. den Rahmen der Tatidentität sprengende Zeitspanne zwischen beiden denkbaren Deliktsverwirklichungen liegt94. Sax95 andererseits möchte die artige subsumenda aufweist. Man könnte sogar sagen, daß geradezu umgekehrt die Alternativität von § 242 und § 259 eine Mehrheit der Straftaten insofern zeigt, als die Hehlerei zwingend eine begangene Vortat voraussetzt. Nur kommt es nicht auf die Handlungen eines anderen Täters, sondern allein auf die strafrechtlich irrelevante Parallel tat desselben Täters an. Außerdem wäre die Parallelität bei beiden Alternativitäten sofort wieder gewahrt, wenn man den von Sax gebildeten Fall der gleichzeitigen Einbrüche heranzöge (s. o. Fußn. 82). Vgl. neuerdings Hruschka, Logik, S. 642 Fußn. 28; Jakobs, Wahlfeststellung, Fußn. 9 (ohne daß es auf einen mehrfachen Angriff des Täters auf das Vermögen ankäme; dazu vielmehr 2. Teil Fußn. 412). S.68. S. 203 ff., insbes. S. 236; dem sich Grünhut, S. 336; Hänsel, S. 75 und Klatte, S. 57/58 angeschlossen haben; ähnlich auch Zaum, S. 43; Dünhaupt, S. 38; Ehrhardt, S. 54. 94 Das wird besonders deutlich bei den Ausführungen von Hänsel, S. 87. Unter der Geltung des § 2 b konnte man allerdings - von der materiell92
93
rechtlichen Tragweite der Vorschrift her gesehen - die überkommenen Grenzen der Tatidentität außer acht lassen (vgl. dazu Dohna, S. 578; Niederreuther, S. 635; Hauck, S. 31 mit Hinw. auf die amtliche Begründung, S. 31). Das Gesetz eröffnete nämlich die Wahlfeststellung auch zwischen solchen Straftatbeständen, die zwangsläufig zeitlich sehr weit auseinanderliegen (z. B. Alternativität von Verführung und Verunglimpfung Verstorbener; vgl. dazu Schulze, S. 85). Sofern man nun § 264 StPO für unmaßgeblich ansah - was sicherlich bestritten werden konnte (vgl. Schaffstein, S. 728 Fußn. 13; Schulze, S. 86; OLG München, DJ 1936, S. 1499) -, so bot sich eine Gleichbehandlung der "reinen Tatsachenalternativität" geradezu an (vgl. nur die Begründung des Reichsgerichts in RGSt 72, 339, 342 [siehe oben Fußn. 57]; für das arg. a maiore ad minus auch Schulze, S. 91/92; vgl. auch Mezger, Strafrecht, S. 603 [Analogie]; ZeUer, Grenzen, S. 149; a. A. Schäfer, Einzelheiten, S. 995). - Wollte man andererseits dem von Schwinge und v. Schack (und anderen) vertretenen normativen Begriff der Tatidentität folgen, so müßte im Meineidsfall ebenfalls eine Bestrafung schon um deswillen erfolgen, weil das jeweils gleiche Gesetz zwangsläufig eine "Gleichheit der Rechtsgutsverletzung" aufweist (insoweit richtig Dünhaupt, S. 38 Fußn. 35 und Hauck, S. 32). Man kommt um die Feststellung nicht herum: Entgegen v. Schack müssen die Alternativität von Diebstahl und Hehlerei und der Meineidsfall bei jeder Be-
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Wahlfeststellung vornehmlich bei Vergehen mit gleichem Rechtsgut und modal unterschiedlichen Tatvollzügen zulassen; d. h. genau bei den Delikten, die wegen ihres großenteils vorliegenden zeitlichen und örtlichen Sprungs bei konsequenter Durchführung seiner Ausgangsthese einer zulässigen Wahlfeststellung überhaupt nicht zugänglich wären. Nach alledem gilt es allein, den in der wissenschaftlichen Diskussion zu großer Wichtigkeit erstarkten § 264 StPO in seinen Grenzen abzustecken81 und die sich daran anschließende bedeutsame Frage zu klären, ob und gegebenenfalls mit welchen prozeßrechtlichen Mitteln über den Rahmen der prozessualen Tat hinausgegriffen werden darf; es bedarf keiner Erläuterung mehr, daß die Antwort für die Fälle der Tatalternativität und die zahlreichen Konstellationen der mit ihr kombinierten Gesetzesalternativität gleichermaßen gültig ist. Dabei ist die Grenzbestimmung für die vorliegende Untersuchung jedenfalls dann von untergeordneter Bedeutung, wenn überhaupt über den Rahmen von § 264 StPO hinausgegangen werden darf. Nach den bisherigen Erörterungen ist der äußerste Rahmen von § 264 StPO positiv und negativ etwa folgendermaßen zu bestimmen: Entgegen einer starken Mindermeinung können auch äußerlich verschiedene Alternativtaten dem prozessualen Tatbegriff genügen, sofern sie nur einen engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang aufweisen97 • Wollte man anders entscheiden, dann müßte bei der Alternative von z. B. Diebstahl und Hehlerei stets gefragt werden - und niemand tut das bisher _98, ob hier überhaupt eine einheitliche Tat im Sinne des Prozeßrechts vorliege. Demgegenüber ist nach fast einhelliger Auffassung der Tatrahmen stets trachtungsweise zum gleichen Ergebnis führen. Zudem wurde in Wahrheit mit dem neuen normativen Begriff der Tatidentität ein ganz anderer Nutzen erstrebt. Man wollte unter der Geltung des § 2 b über einen neu verstandenen § 264 StPO die unerträglichen Verurteilungen bei völlig verschiedenartigen Alternativdelikten als prozeßrechtlich unzulässig in den Griff bekommen (davon legen die Ausführungen von KZatte, S. 56 - 58 und 'V. Schack, S. 66 - 69 beredtes Zeugnis ab; vgl. vorher bereits auch Dünhaupt, S. 38 Fußn. 35); dazu auch Dohna, S. 579. 95 Vgl. S. 748. 01 Das erkennen richtig Koffka, S. 430; Schmitt, S. 1887; TröndZe in LK, nach §2Rdnr.16. 07 Vgl. etwa zu eng aufeinanderfolgenden Aussagen im gleichen Rechtsstreit EgZe, S. 133; Fuchs, Diss., S. 97 Fußn. 2; vgl. ferner das OLG Braunschw. in JZ 1951, S. 235 f. (235) = 11 Tage Zwischenraum; vgl. auch das OLG Braunschw. in NJW 1952, S. 38 = 1'/2 Monate Zwischenraum. Dies wird auch von Autoren anerkannt, die die Überschreitung der Tatgrenzen im Sinne von § 264 StPO als unzulässig ablehnen; so etwa Koffka, S. 430 und Schmitt, S. 1887. Beachte noch die einschränkende Interpretation von Fuchs, Anmerkung IV, S. 2391. 08 Beachtlich allerdings der Hinweis des OLG Celle NJW 1968, S. 2390 ff. (2392). 3 Wolter
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gesprengt, wenn die Aussagen fast ein Jahr oder mehr auseinander liegen und in verschiedenen Instanzen gemacht werden99 • Es ist nun aber außerordentlich streitig, ob man bei einer Wahlfeststellung, gerade weil man die Grenze des § 264 StPO entgegen einer starren Mindermeinung einigermaßen flexibel und locker hält, die Hürde der Tatidentität überwinden darf10o • Unter den Befürwortern einer Grenzüberschreitung101 , die vielfach den Gesichtspunkt der Gerechtigkeit für ausschlaggebend halten102 , lassen sich zwei Gruppen ausmachen. Die eine hält bei fehlender Tatidentität jegliche prozessuale Zusatzschritte für überflüssig103 • Zur Begründung einer Verurteilung auch in dem Fall, daß nur eine der 11/2 Jahre auseinander liegenden Aussagen angeklagt ist, wird dabei neben dem angesprochenen Gerechtigkeitsgesichtspunkt im wesentlichen folgender Gedankengang herangezogen: Zunächst wird im Ausgangspunkt zutreffend auf die wechselseitige Beziehung der Umgestaltung der Strafklage innerhalb von § 264 StPO, des Verbrauchs der Strafklage (Rechtskraftwirkung) und der in Art. 103 III GG verankerten Sperrwirkung der rechtskräftigen Entscheidung hingewiesen104 • Der daraus vor allem vom BayObLG gezogene Schluß aber, die Rechtskraft eines den Täter von dem Vorwurf der einen (allein angeklagten) Falschaussage freisprechenden Urteils könne, da sie anderenfalls weiter reichen würde als die Umgestaltungsbefugnis des Gerichts, einem nunmehr auf wahldeutige Verurteilung gerichteten Strafverfahren nicht entgegenstehen, 99 Vgl. nur BGH NJW 1955, S. 1240; BGH NJW 1957, S. 1886 f. (1887); TröndZe in LK, nach § 2 Rdnr. 17; BayObLG JZ 1965, S. 773; Schmitt, S. 1887; Fuchs, Diss., S. 97; ders., Tatidentität, S. 1110; a. A. noch der BGH in NJW 1952, S. 755 f. (756) = BGHSt 2, 351 (hier allerdings insoweit nicht enthalten). 100 Dagegen etwa das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung; vgl. z. B. das bei Nüse (Diss., S. 14/15) ausführlich zit. Urt. RRG 3, 93; vgl. ferner RGSt 12, 347 (352); siehe insbes. auch das Reichsgericht im Urteilsentwurf in JW 1934, S. 294 ff. (300) und stillschweigend wohl auch in RGSt 68, 257 ff. (vgl. dazu Fuchs, Diss., S. 96 Fußn. 1); - zu erinnern ist aber daran, daß das Reichsgericht den Tatbegriff außerordentlich weit faßte (vgl. nur RGSt 56, 324, 325). Gegen eine überschreitung der Grenzen von § 264 StPO ferner auch Kojjka, S. 430; Sarstedt, S. 158 Fußn. 8; Schmitt, S. 1887; Ostern, S. 57/58; Oetker, S. 417; Christians, S. 92, Urban, S. 18; Nüse, Alternativschuldfeststellungen, S. 465; H. Mayer, Anmerkung, S. 300; vgl. noch die Nachw. bei Niederreuther, S. 634 Fußn. 6. Hauptargument ist dabei die fehlende Bestimmtheit und Konkretisierung der Tat. 101 Vgl. grundsätzlich zunächst Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 A, S. 39 und DaZIinger in MDR 1967, S. 549 mit Hinw. auf BGH - 5 StR 421/65 - v. 2. 11. 1965. 102 Vgl. nur das BayObLG JZ 1965, S. 773 ff. (774);; Fuchs, Tatidentität, S.1111. 103 So vor allem das BayObLG in JZ 1965, S. 773 ff. = NJW 1965, S. 2211 = JR 1965, S. 428 ff.; zust. Schwarz-KZeinknecht, § 260 Anm. 5 B; vgl. noch OLG Celle NJW 1968, S. 2390 ff. (2392) für den vergleichbaren Fall des nicht erweislichen Anklagevorwurfs; kritisch dazu Fuchs, Anmerkung IV, S. 2391. 104 Vgl. BayObLG a.a.O., S. 773; zust. Sax, S. 746; Fuchs, Tatidentität, S. 1111; beachte auch OLG Celle NJW 1968, S. 2390 ff. (2392).
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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ist nicht mehr als eine bloße Behauptung. Es ist zwar richtig, daß eine mit der obigen Begründung erfolgende Verurteilung gegen Art. 103 m GG verstoßen müßte; aber diese Folgerung setzt erst einmal den Beweis darüber voraus, daß sich die Umgestaltungsbefugnis nach § 264 StPO auf die weitere, nicht angeklagte Tat mit entsprechender Ausweitung der Sperrwirkung des Art. 103 III GG erstreckt105. Deshalb zwingt auch die weitere Folgerung des BayObLGl08 nicht, daß der Zusammenhang von § 2'64 StPO und Art. 103 III GG schlechthin nur im Rahmen einer prozessualen Tat zulässig sein könne, sofern man nicht - wie es das Gericht tut - über § 264 StPO hinausgreift107 . Die vom BayObLGI08 zur Stützung seiner Auffassung herangezogene Parallele der Behandlung des Fortsetzungszusammenhanges trägt bei näherer Betrachtung ebenfalls nicht. Die Fortsetzungstat ist im Rahmen strenger Voraussetzungen (zeitlicher und räumlicher Zusammenhang; Gesamtvorsatz - strittig -) in ihren Teilakten von der Sache her zu einer Handlung im Sinne von § 73 verklammert und bildet daher auch gemäß § 264 StPO nur eine Tat. Dagegen fehlt es im Meineidsfall - wie das BayObLGI01 zudem selbst ausführt schon wegen der mangelnden zeitlichen und örtlichen Nähe an einer in der objektiven Sachlage fundierten BrückellO . Die Beweislage als solche, wie sie der Wahlfeststellung eigen ist, rechtfertigt eine parallele Verklammerung nichtlli. Es spricht also schon insoweit viel für die zweite Gruppe der Befürworter einer Grenzüberschreitung von § 264 StPO, die generell folgende prozessuale Absicherungen vorschlagen: Entweder werden bereits Anklage und Eröffnungsbeschluß alternativ gefaßt112 oder es wird in der Hauptverhandlung in erster Instanz versucht, den Weg der Nachtragsklage (§ 266 StPO) zu beschreiten113 • Sollte der Angeklagte seine Zustim105 überzeugend Fuchs, Tatidentität, S. 1111; vgl. auch Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 51 - 53; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 17. 101 a.a.O., S. 774. 107 Treffend Fuchs, Tatidentität, S. 111l. 108 a.a.O., S. 774. 10U a.a.O., S. 773. 110 So Sax, S. 746; Koffka, S. 430; Fuchs, Tatidentität, S.1111. 111 Schmitt, S. 1887; Sax, S. 746; Fuchs, Tatidentität, S. 1111; vgl. auch Koffka, S. 430; Jakobs, Wahlfeststellung, Fußn. 54; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr.17. 112 BGH NJW 1957, S. 1886 f. (1887); Fuchs, Tatidentität, S. 1111; ders., Diss., S. 97; vgl. auch Dallinger in MDR 1967, S. 549; Jagusch in LK, § 2 b Arun. 3 a, S. 66; Nilse, Diss., S. 51; ders., Zulässigkeit, S. 39; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 16; vgl. noch Geier in Löwe-Rosenberg, § 200 Anm. 4; Dörr, S. 76; Kohlhaas, Anklageschrift, S. 282, 315; früher: Gerig, S. 59; Urban, S. 26; Dohna, S. 581; Niederreuther, S. 639; - a. A. aber v. Schack, S. 74/76. Zur Besonderheit des alternativen Eröffnungsbeschlusses nach eindeutiger Anklage vgl. BGHSt 23,304 (305); zur alternativen Anklage ohne Vorliegen "exklusiver Alternativität" OLG Celle NJW 1968, S. 2390 ff. (2392). 113 Insoweit auch noch übereinstinunend das BayObLG a.a.O., S. 773; vgl.
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mung im Sinne von § 266 StPO verweigern, kann die Hauptverhandlung ausgesetzt, eine weitere selbständige Anklage erhoben und dieses neue Verfahren mit dem bereits anhängigen verbunden werden 1l4 • Sofern sich sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht decken, kann eine Verbindung der Verfahren nach §§ 2, 4 bzw. 13 StPO herbeigeführt werden1l5 • In der zweiten Tatsacheninstanz sollte man - entgegen der h. M. - eine Nachtragsanklage für möglich halten 116• Bei fehlender Zustimmung des Angeklagten und Unmöglichkeit einer Verbindung im Sinne der §§ 2, 4, 13 StPO sind dagegen die Schwierigkeiten nicht mehr zu verkennen1l7 ; hier sollte man freimütig die Unmöglichkeit der Verurteilung des Angeklagten hinnehmen: In einem selbständigen Verfahren, in dem nur die zweite Aussage zur Debatte stünde, müßte nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" - ebenso wie im Verfahren wegen der ersten Aussage - freigesprochen werden. Für die Revisionsinstanz sind die aufgezeigten Wege nicht gangbar, jedoch hat der Bundesgerichtshof118 das angegriffene Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, um die Möglichkeit der Nachtragsanklage mit entsprechendem Gerichtsbeschluß zu schaffen119 • Bei Einhaltung dieser prozessualen Sicherungen läßt sich gegen eine alternative Verurteilung über die Grenzen des § 2'64 StPO hinweg nichts Entscheidendes mehr sagenl20 . Für diese Ausdehnung spricht allerdings nicht zwingend der eingangs erwähnte Gesichtspunkt, daß ein Freispruch dem Rechtsempfinden gröblich widersprechen müßte; das Gerechtigkeitsargument könnte nämlich bei jeder mehrdeutigen Tatsachengrundlage (Wahlfeststellung) eine Verurteilung erfordern121 und wird deshalb von den wenigsten verwendet. Andererseits verbietet § 200 StP0122 ein Hinausgreifen über die prozessuale Tat nicht; sonst wären nämlich zahlansonsten Jagusch in LK, § 2 b Anm. 3 a, S. 66; Dallinger in MDR 1967, S. 549; Fuchs, Tatidentität, S. 1111; ders., Diss., S. 98; Kugelmeier, S. 90 ff.; Egle, S. 138; Dörr, S. 79; Dohna, S. 580; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr.16. tu Jagusch in LK, § 2 b Anm. 3 a, S. 66; Fuchs, Tatidentität, S. 1111; Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 49; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 16; kritisch OLG
Celle NJW 1968, S. 2392. 115 Fuchs, Tatidentität, S. 1111; Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 50. 118 Fuchs a.a.O., S. 1111; vgl. auch Geier in Löwe-Rosenberg, § 266 Anm. 3 b; a. A. Schwarz-Kleinknecht, § 266 Anm. 3; Eb. Schmidt, TeilII, § 266 Anm. 5 mit dem anfechtbaren Argument, daß dem Angeklagten dadurch eine Instanz genommen würde. Diesem ist nämlich unbenommen, sich durch die Verweigerung seiner Zustimmung den weiteren Rechtszug zu erhalten; vgl. dazu näher Geier, a.a.O. 117 Vgl. auch Fuchs a.a.O., S. 1111. 118 In NJW 1955, S. 1240; NJW 1957, S. 1886 f. (1887). 118 Vgl. dazu auch Fuchs a.a.O., S. 1111. 120 Vgl. auch neuerdings das Urt. des BGH v. 21. 2.1967 - 5 StR 667/66 - in MDR 1967, S. 549 bei Dallinger. 121 Vgl. auch Sax, S. 748/749. m Vgl. dazu Koiika, S. 430.
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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reiche alternative Verurteilungen wegen zeitlich und örtlich unterschiedlicher Taten (z. B. auch Diebstahl und Hehlerei) schon deswegen abzulehnen123 ; außerdem wären bei einer Nachtragsklage die Erfordernisse des § 200 StPO eingehalten (vgl. § 266 II Satz 2 StPO). Darüber hinaus müßte es oftmals vom Zufall und vom gewaltsamen Ziehen eines Trennungsstriches abhängen, ob zeitlich und räumlich unterschiedliche Alternativtaten noch als tatidentisch oder als zwei historische Vorgänge im Sinne von § 264 StPO aufzufassen sind124. Die Ausdehnung über § 264 StPO hinaus rechtfertigt sich letztlich auch aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift: Bereits aus den Motiven125 wird ersichtlich, daß allein die Identität von Anklage- und Urteilsgegenstand maßgebend sein soll; dem damit bezweckten Schutz des Angeklagten wird aber mit den dargestellten prozessualen Schritten vollauf genügt128. Nach alledem bleibt festzuhalten: § 264 StP0127 besitzt für die Zulässigkeit von Verurteilungen auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage keine Aussagekraft128. Bei Überschreitung seiner Grenzen vermögen verschiedene prozeßrechtliche Schritte die Identität von Anklage- und Urteilsgegenstand wiederherzustellen. Lediglich eine insoweit nicht zu erlangende Identität, nicht aber mangelnde Tatidentität erfordert letztlich einen Freispruch. Die zukünftigen Erörterungen werden allerdings unter dem Vorbehalt stehen, daß auch die in lockeren Grenzen gehaltene Tatidentität gewahrt ist1l!9. Vgl. hierzu treffend auch Nüse, Diss., S. 54/55. Siehe dazu auch Nüse, Diss., S. 55/56; Zaum, S. 41; v. Wickede, S. 29, der allerdings daraus die völlige Unbeachtlichkeit der Abgrenzung folgert; vgl. auch Schwabe, S. 54, der schon deshalb bei mehreren historischen Ereignissen (im Sinne des Reichsgerichtes), die er selbst aber nur als ein einheitliches Geschehen auffaßt, stets die Zulässigkeit einer Verurteilung bejaht. 1!5 Hahn zu § 223, S. 206. 128 Vgl. dazu Fuchs, Diss., S. 98; Dörr, S. 77; Fox, S. 27. So sprechen sich außer den bereits vielfach erwähnten Autoren auch Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 16; Baumann, Lehrb., § 14 II 1, S. 151 und Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. I 5, S. 45 für eine Verurteilung im Meineidsfall aus. 1!7 § 264 StPO gehört in eine ganze Reihe von Vorschriften, die das Prinzip des einheitlichen Prozeßgegenstandes verwirklichen, vgl. die §§ 155, 179, 191,200, 207,265,266 und 267 StPO (siehe dazu auch Dörr, S. 69; Dohna, S. 578). 128 Vgl. auch die neuerlichen Erörterungen bei Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 54 - 58. lH Dörr (S. 75) vertritt die Auffassung, daß nach dem weiten Tatbegriff der Rechtsprechung und h. L. der Identität der Tat praktisch in allen Fällen denkbarer AIternativitäten genügt ist. Bei einer sehr weiten Auslegung hat man allerdings das allgemeine Argument zu gewärtigen, daß damit auch der Anwendungsbereich des Grundsatzes "ne bis in idem" bedenklich vergrößert werde (vgl. nur Christians, S. 92/93). Beachtlich ist in diesem Zusammenhang die einengende Begriffsbestimmung von Oehler (S. 139 ff., insbes. S. 154 und 158/159). Es handelt sich aber insoweit um ein allgemeines, nicht nur für die Wahlfeststellung bedeutsames Problem und kann deshalb weitgehend unerörtert bleiben (vgl. jetzt Bertel, S. 134 ff.). 123
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C. Das Verhältnis von "Wahlfeststellung" und "in dubio pro reo" Sofern mit der Billigung der Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage auch über die Grenzen von § 264 StPO hinweg eine uferlose Ausweitung der Bestrafungsmöglichkeiten befürchtet wird130 , läßt sich dem nicht beipflichten. Die entscheidende Sperre bleibt stets der - wie auch immer zu bestimmende - Rahmen der zulässigen Wahlfeststellung131 • Bevor jedoch eine derartige Abgrenzung vorgenommen wird, ist der ganz am Anfang gebildete Fall zu lösen, in dem unaufgeklärt blieb, ob der Täter am 30. März die abhanden gekommene Sache durch einfachen oder am 31. März durch schweren Diebstahl an sich gebracht hat. Da § 243 Ziff. 1 n. F. und § 242 in einem Stufenverhältnis stehen, ist hier über den Grundsatz "in dubio pro reo" eindeutig wegen einfachen Diebstahls zu verurteilen. Ein solches Verfahren132 unterscheidet sich nicht maßgeblich von der Lösung des Beweiszweifels, ob der Dieb am letzten Märztag gegen Mitternacht einen Nachschlüssel verwendet hat. In beiden Fällen stehen die Tatbestandsmerkmale des § 242 eindeutig fest; die Unterschiede zeigen sich erst bei der Tatsachengrundlage des Urteilsspruchs, die einmal ebenfalls eindeutig, das andere Mal hingegen mehrdeutig ist. Es bedarf keiner Wiederholung, daß es für die eindeutige Verurteilung nicht auf die Einheit der Mehrheit der Tatsachengrundlage, sondern allein auf die Identität der subsumenda ankommt. Neu in diesem Zusammenhang ist lediglich die Heranziehung des Grundsatzes "in dubio pro reo" zur Erlangung einer eindeutigen Urteilsgrundlage133 • Alle Äußerungen, nach denen hier ein Zusammengreifen der Wahlfeststellungsregeln mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" vorliegen sol1134 , sind deshalb mit entsprechendem Vorbehalt zu lesen. Wenn Vgl. dazu Koffka, S. 430. Richtig BayObLG JZ 1965, S. 773 ff. (774). 131 Für den parallelen Fall der Alternativität von § 154 und § 153 zugelassen vom Bundesgerichtshof in BGH NJW 1957, S. 1886 f. (1887); vgl. ferner BayObG JZ 1965, S. 773 ff. (774/775); Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 16; Fuchs. Diss., S. 18; Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a. Daß § 154 und § 153 in einem Stufenverhältnis stehen, hat der Große Senat des Bundesgerichtshofes in BGHSt 8, 301 (309) zutreffend begründet; anders noch BGHSt 1, 241 (244). Zum Stufenverhältnis vgl. noch BGHSt 13, 70; BGHSt 22,154 = NJW 1968, S. 1888 f. (1888); BayObLG NJW 1967, S. 361 ff. (362); und die h. L.: etwa nochmals Fuchs, Diss., S. 48 Fußn. 1; Schönke-Schröder, § 154 Anm. 1 und Vor § 153 Anm. 5; Kohlrausch-Lange, § 154 Anm. I; Maurach BT, § 75 II BI, S. 682; Schwarz-Kleinknecht, § 261 Anm. 8 C; zweifelnd Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 9 (dazu aber unten 4. Teil, 2. Abschnitt, F., bei Fußn. 342 ff.). Durch die eidliche Bekräftigung wird die Falschaussage richtigerweise nur um ein Sachverhaltsteil vermehrt. 133 Vgl. nochmals BGH NJW 1957, S. 1886 f. (1887). 134 Vgl. etwa das BayObLG JZ 1965, S. 773 ff. (775); Fuchs, Diss., S. 18; 130 131
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Deubner135 in diesem Zusammenhang bemängelt, daß der Grundsatz "in
dubio pro reo" in sein Gegenteil verkehrt werde, wenn man mit ihm trotz Unvergleichbarkeit der Ausgangstatbestände die Voraussetzungen einer "zulässigen Wahlfeststellung" schaffe, so spricht er zwei grundsätzliche Probleme an. Die erste Frage, ob man mit Hilfe des Grundsatzes "in dubio pro reo" wegen der Ungleichartigkeit der Ausgangstatbestände zu einer wahldeutigen Verurteilungsgrundlage mit Bestrafungsmöglichkeit gelangen darf, ist nach dem Gesagten hier noch nicht berührt13G • Die vorrangige These, daß man sich mit der Regel "im Zweifel für den Angeklagten" über unvergleichbare Oberdelikte hinwegsetzen und aus dem milderen Delikt eindeutig verurteilen kann, wird hingegen (durchweg stillschweigend) als selbstverständlich vertreten und neuestens lediglich im Ansatz von Jakobs 137 in Frage gestellt. Die These setzt zunächst die allgemeine Erkenntnis voraus, daß ein (logisch-begriffliches) Stufenverhältnis, wie es zwischen Grundtatbestand und Qualifikation unangefochten besteht, die Entscheidung über die Verschiedenheit im Unrechtsgehalt und Schuldvorwurf der in Frage stehenden Delikte nicht beeinfiußt138 • Auf die etwaige qualitative Unterschiedlichkeit kommt es aber im Falle des begriffslogischen Umfassungsverhältnisses richtigerweise nicht an: Nun lassen Deubner und Jakobs ihre eingangs gestellte kritische Frage letztlich offen, da sie von verschiedenen, aber vergleichbaren Standpunkten her nur auf die Identität der Rechtsnormverletzung abheben und insoweit zu einer zulässigen Wahlfeststellung gelangen139 ; bei den beSchönke-Schröder, § 2 b Anm. 16; Deubner, Grenzen, S. 22 Fußn. 25; beachte auch BGHSt 13, 70 (72). 135 Grenzen, S. 22 Fußn. 25 (bezogen auf die Alternativität von Meineid und Falschaussage). 13S Dazu unten 2. Teil, bei Fußn. 371 ff. m Wahlfeststellung, bei Fußn. 18 - 21 sowie Fußn. 21 (bezogen auf das Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit). 138 Dazu Städtler, S. 87; Hardwig, Vollrauschtatbestand, S. 147 (zum Verhältnis von Raub und Diebstahl); auch für die Alternativität von Meineid und Falschaussage ließe sich mithin ohne dogmatischen Schaden qualitativ gesehen ein aliud-Verhältnis begründen (so ja auch Deubner, Grenzen, S. 22 Fußn. 25); ähnliches mag bei den Alternativen Vollendung - Versuch; Mord - Totschlag; Vorsatz - Fahrlässigkeit; Täterschaft - Teilnahme und nicht zuletzt schwerer Diebstahl - einfacher Diebstahl geIten. 139 Deubner (etwa Grenzen, S. 23/24; Anmerkung I, S. 738; ganz ausdrücklich zur Alternativität von § 177 und § 182: Anmerkung H, S. 147; dazu unten 2. Teil, bei Fußn. 455 ff.) geht dabei mit einer im Vordringen begrüfenen Lehre von der Mißbilligungswirkung des Schuldspruchs gegenüber dem Angeklagten aus, die bei Identität des Unrechtskerns noch nicht eintrete (näher unten 2. Teil, bei Fußn. 77 ff., 263 ff.). - Jakobs (Wahlfeststellung, bei Fußn. 29/30, 45, 63) entwickelt sein Ergebnis von der Alternativität der Strafzwecke her: soweit eine Strafzweckersetzung von der Vergeltung (soweit diese überhaupt Geltung beanspruchen kann) und insbesondere der Spezialprävention zur Generalprävention zulässig sei, könne man sowohl bei Alternativ- als auch bei faktischen und beweismäßigen Stufenverhältnissen (etwa Meineid - Falschaussage, bei Fußn. 60; Vorsatz - Fahrlässigkeit, bei Fußn. 16; Täterschaft - Teilnahme, bei Fußn.
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1. Teil: Allgemeine Grundlagen
griffslogischen Stufenverhältnissen handelt es sich fast ausnahmslos um eine identische Rechtsnormverletzung. Die hier vertretene Lösung über den Grundsatz "in dubio pro reo" ist hingegen mit der strafprozessualen Forderung nach einer eindeutigen Verurteilungsgrundlage zu rechtfertigen140, 141. Nicht von ungefähr ist deshalb nach völlig h. M. insoweit von einem Vorrang der "in dubio pro reo"-Regel gegenüber den Grundsätzen der Wahlfeststellung auszugehen142 • Dies gilt um so mehr, wenn man - wie es rechtsstaatlichen Erfordernissen zu entsprechen scheint - die Grenze der Wahlfeststellung äußerst eng zieht. Wollte man jetzt die Priorität des Beweisgrundsatzes verneinen, so wäre eine vom Standpunkt der Gerechtigkeit und Kriminalpolitik unerträgliche Fülle von Freisprüchen die Folge, die nicht - wie ebenfalls noch zu zeigen sein wird - mit einer weitherzigen Zulassung von Wahlfeststellungen ausgefüllt werden kann. Anzumerken bleibt, daß dieser Vorrang in den Fällen "echter" alternativer Verurteilung (z. B. Unaufklärbarkeit von Diebstahl und Hehlerei) nicht gilt. Die konsequente Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" auf jede der in Betracht kommenden Straftaten müßte zum Freispruch mangels Beweises führen, da bei jeder Tatbestandsprüfung das jeweils alternative Tatgeschehen zu unterstellen wäre14s• Insofern läßt sich lediglich von dem jeweiligen Vorrang des mit Sicherheit (im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit) zur Verurteilung führenden Grundsatzes sprechen. Die zuvor erwähnte Alternativität von uneidlicher Falschaussage (3.3.) und Meineid (31.3.) gibt Anlaß, auf einen weiteren Anwendungsbereich des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" aufmerksam zu machen: Zwar ist hier in primärer Verwendung der "in dubio pro reo"Regel eindeutig aus § 153 zu verurteilen, der Grundsatz kann sekundär ("in dubio mitius") für die Straffrage jedoch zu der Fiktion führen, daß gerade die beeidete Aussage falsch war, weil nach den konkreten Umständen nur in diesem Fall § 157 zur Anwendung gelangen kann I4'. 42,45) zur Verurteilung gelangen; der generalpräventive Strafzweck sei dabei stets dann zu erfüllen, wenn nur ein Rechtsgut in konkreter oder doch gattungsmäßiger Bestimmung betroffen sei (wobei allerdings anzumerken ist, daß der von Jakobs skizzierte Rechtsgutsbegriff einer genaueren Umgrenzung bedarf). 140 Diese Funktion spricht Peters (Lehrb., § 37 III 1, S. 248) nachdrücklich dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu. Ut Kritik und Thesen werden im Fortgang der Arbeit zu konkretisieren sein. 142 Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 15; Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 2 a; Siever, S. 26; Fuchs, Wahlfeststellung, S. 68; ders., Diss., S. 8; vgl. auch BGH NJW 1968, S. 1888 f. (1888) = BGHSt 22, 154. 143 Vgl. nur Roxin, Strafprozeßrecht, Nr. 352, S. 236/237; Hruschka, S. 266; Deubner, Grenzen, S. 21; BGH NJW 1968, S.1888 f. (1888). U4 So lag es im Fall von BGHSt 13, 70 (72); zust. Fuchs, Diss., S.18; TröndLe in LK, nach § 2 Rdnr. 40; Schäfer in DaLcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a;
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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Dieser Gesichtspunkt leitet über zu der weiteren Überlegung, daß die konsequente Anwendung des "in dubio mitius"-Grundsatzes nicht stets zur Verurteilung aus dem in seinen Tatbestandsmerkmalen feststehenden Delikt zu führen braucht. Ein solches Hinausgreifen auf den Schuldspruch selbst wird besonders an dem Verhältnis von Grundtatbestand und Privilegierung deutlich146 : Bleibt z. B. zweifelhaft, ob der Täter von sich aus oder erst auf ausdrückliches und ernstes Verlangen des Getöteten tätig geworden ist (Alternativität von § 212 und § 216)146, so ist eindeutig festgestellt der Totschlag; der Grundsatz "in dubio mitius" fordert aber richtigerweise einen Schuldspruch aus der "Tötung auf Verlangen"147. Die Gegenmeinung von Oetker 148 entspricht sicherlich der materiellen Wahrheit, sie läßt aber die durch den richtig verstandenen Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" gebotene Gerechtigkeit149 und auch die allgemein anerkannte Tragweite einer jeden Privilegierung außer Betracht150. Ähnliches gilt für das Verhältnis von einfachem Diebstahl und Mundraub 151, obwohl man hier daran denken könnte, schon wegen der feststehenden "geringeren Menge", des "weniger bedeutenden Wertes" oder der "kürzer andauernden Aufbewahrung zum Verzehr" eindeutig aus dem privilegierten Delikt zu verurteilen. Auf jeden Fall ist aber im Rahmen der Tötungsdelikte streng zu unterscheiden zwischen dem Rechtsgrund der Verurteilung, der in der nachweisbaren Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes liegt152, und der Auswirkung der Maurach AT, § 10 III 3, S. 96; vgl. auch das OLG Braunschweig, NJW 1952, S. 38.
Dies ist die notwendige Konsequenz aus dem schon oben bei der Alternativität "zweier Meineide" gewonnenen Ergebnis, daß der Grundsatz "in dubio mitius" die Feststellung der milderen Strafzumessungstatsachen gebietet. 145 Man findet hier weitgehend den Hinweis, daß es sich dabei um ein dem Grundsatz "in dubio pro reo" ("in dubio mitius") zugängliches Stufenverhältnis handele; vgl. nur Hubernagel, S. 331; Siever, S. 34; Prinz zu Wied, S. 3; Klatte, S.16/17. ue Zum Stufenverhältnis von § 212 und § 216 vgl. etwa Klatte, S. 16/17; Stahl, S. 34. Diese Frage ist allerdings strittig und soll hier nicht näher behandelt werden (vgI. den 3. Teil): Für Privilegierung etwa noch Kohlrausch-Lange, § 216 Anm. I; Maurach BT, § 2 IV B, S. 39; a. A. z. B. Schönke-Schröder, § 216 Anm.2 (selbständiges Delikt). U7 Klatte, S. 17; Siever, S. 35; Hruschka, S. 266; Stahl, S. 34; Zaum, S. 8; Schwabe, S. 12; Christians, S. 80; Zeiler, Strafrichter, Sp. 576. ua S.422. UD Klatte, S. 17 und Siever, S. 35 nehmen deshalb auch den Verlust der materiellen Wahrheit als "kleineres Übel" in Kauf. 150 So ist z. B. weitgehend anerkannt, daß das wegen Gesetzeskonkurrenz verdrängte allgemeine Delikt nicht wiederaufleben darf, wenn der privilegierte Tatbestand verjährt ist (vgI. dazu Baumann, Lehrb., § 38 II 3 C, S. 631 und Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 85). 151 Vgl. Klatte, S. 17 Fußn. 4; Hruschka, S. 266 Fußn. 4; Siever, S. 36; Schulze, S.73. 152 Vgl. dazu treffend Hruschka, S. 266; ders., Logik, S. 642.
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1. Teil: Allgemeine Grundlagen
Regel "in dubio mitius" im konkreten Fall, die über die Straffrage hinaus auch für den Schuldspruch Bedeutung gewinnen kann. Auf dieser Grundlage läßt sich auch ohne Schwierigkeiten die weitere Alternativität von Qualifikation und Privilegierung lösen i53 : Der qualifizierte Tatbestand ist zunächst wegen des vorliegenden Stufenverhältnisses auf den Grundtatbestand zu verkürzen, der insoweit auch als sicher festgestellt angesehen werden kann. Hier zeigt sich wieder die primäre Funktion des Grundsatzes "in dubio pro reo" zur Schaffung einer eindeutigen Urteilsgrundlage. Die Regel "in dubio mitius" erfordert aber (sekundär) - wie oben begründet - den Schuldspruch aus dem privilegierten Deliktl54 • Erkennt man diese Zweispurigkeit des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten", dann wird deutlich, daß die Auffassung von Peters 155 , nach der eine mehrfache Anwendung der Beweisregel innerhalb eines Geschehnisses die (vermutete) Eindeutigkeit der Urteilsgrundlage wieder verloren gehen lasse l56 , in diesem Zusammenhang noch nicht zum Tragen kommt. In den bisher erörterten Fällen bedurfte es nämlich nur einer einmaligen Heranziehung des Grundsatzes, um eine eindeutige Verurteilungsgrundlage zu erhalten. Die Berücksichtigung des § 157 bzw. des privilegierten Delikts betrifft nicht das Erfordernis einer eindeutigen Urteils grundlage , sondern die gerichtliche Pflicht zur Heranziehung der milderen Alternative wegen der mehrdeutigen Tatsachengrundlagel57 • D. Die Herleitung und der rechtliche Charakter des Grundsatzes "in dubio pro reo" ("in dubio mitius") Die aufgezeigten Möglichkeiten und weitreichenden Konsequenzen des Grundsatzes "in dubio pro reo" ("in dubio mitius") geben Anlaß zu der Frage, ob diese Regel vom Gericht als Rechtsnorm zwingend zu beachten ist. 153
z. B. Mord und Tötung auf Verlangen (unter Außerachtlassung aller - erst
im 3. Teil zu behandelnden - Streitfragen). 154 a. A. Stahl, S. 34, der hier eine (unter § 2 b zulässige) Wahlfeststellung ein-
greifen lassen will. Das erscheint deshalb nicht ganz konsequent, weil er bei den Alternativen Grundtatbestand - Privilegierung und QualifikationGrunddelikt stets über "in dubio pro reo" auf den milderen Tatbestand zurückgreift. 155 Lehrb., § 37 III 1, S. 248. m Bezogen auf den im 4. Teil zu besprechenden Drei-Schüsse-Fall (BGH GA 1958, S. 109 ff.). 157 Dieser Pflicht wird ja auch bei jeder alternativen Verurteilung insofern genügt, als nur aus dem milderen Gesetz bestraft wird; vgl. etwa RGSt 68,257 (263); Schaffstein, S. 727.
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
43
Die Strafprozeßordnung regelt diese Beweisfrage nicht ausdrücklich. Dennoch ist mit Recht die Auffassung des Reichsgerichts158 in den Hintergrund getreten, daß es sich hierbei nicht um eine Rechtsnorm, sondern lediglich um eine von der Wissenschaft aufgestellte Beweisregel handele. Streit besteht vornehmlich darüber, ob es sich um einen materiellen158 oder prozessualen1oo Rechtssatz handelt. Die Vertreter der prozeßrechtlichen Lösung leiten den Satz dabei entweder aus dem Prozeßgewohnheitsrecht101 oder aus den §§ 2'61, 267 StP0182 her. Zum Teil wird er nicht als selbständiger Rechtssatz, sondern als selbstverständliche prozessuale Kehrseite der materiellrechtlichen Garantiefunktion der Straftatbestände163 oder des materiellen Schuldgrundsatzes164 angesehen. Dagegen entnimmt namentlich Sarstedt 1fJ5 den materiellrechtlichen Gehalt des Rechtssatzes aus den einzelnen Vorschriften des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches. Derjenige etwa, der nur verdächtig ist, einen Diebstahl begangen zu haben, könne nicht unter den Tatbestand des § 242 fallen, der verlangt, daß eine fremde bewegliche Sache wirklich weggenommen worden ist. Schließlich wird noch auf Art. 6 II MRK166 verwiesen 167. Diese Gesichtspunkte sind nur zum Teil zutreffend. Art. 6 II MRK spricht aus, daß bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld vermutet wird, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Es muß also für einen Verstoß gegen die MRK zunächst festgestellt werden, daß eine Entscheidung "in dubio contra reum" gegen ein gesetzliches Verbot verstößt108. Außerdem betrifft Art. 6 II MRK nur die Schuldfrage, während nach heute im Vordringen begriffener Auffassung der Grundsatz "in dubio pro reo" auch bei Prozeßvoraussetzungen und für die Maßregeln der Sicherung und Besserung gilt1 69 . 158
RGSt 52, 319 (319).
Schwarz-KZeinknecht, § 261 Anrn. 8; Geier in Löwe-Rosenberg, § 261 Anrn. 4, S. 1067; Sarstedt, S. 240; BGH 4 StR 263/54 v. 30. 9.1954, zit. bei Sarstedt, S. 240 Fußn. 8. 180 Henkel, S. 405/406 (1. Aufl.); Eb. Schmidt, Teil I, Anrn. 376, S. 212; Baumann, Lehrb., § 14 I 1 b, S. 147. 111 z. B. Baumann, Lehrb., § 14 11 b, S. 147; vgl. auch Kern-Roxin, § 15 D 2 a, S. 58; Fuchs, Diss., S. 9. IS2 Etwa Geier in Löwe-Rosenberg, § 261 Anrn. 4, S. 1067. 1B3 Mezger-BZei I, § 11 I; Jescheck, Lehrb., § 16 I 2, S. 102/103. m Müller-Sax, Vor § 48 Anrn. 1 f. (3), S. 214. IS5 S. 240; zust. Stree, S. 18/19. 168 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950, die durch Zustimmungsgesetz vom 7. 8. 1952 (BGBl. H, S. 685) innerdeutsches Recht geworden ist. 187 Baumann, Lehrb., § 14 I 1 b, S. 147. 188 So zu Recht Stree, S. 7 Fußn. 24. m Vgl. Sarstedt, S. 243 und 245 mit Nachw.; siehe ferner oben Fußn. 47. 15.
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1. Teil:
Allgemeine Grundlagen
Auch die Entwicklungsgeschichte170 des Grundsatzes verleiht der Beweisregel nicht ausreichend feste Konturen l7l , wenngleich seine kontinuierliche Anwendung seit der Einführung des Prinzips der freien Beweiswürdigung im 19. Jahrhundert (mit Ausnahme der Jahre 1933 bis 1945) unangefochten ist172 • § 2'61 StPO verankert zwar das Prinzip der freien Beweiswürdigung, erklärt dabei aber nicht, wie der Richter bei unbehebbaren Zweifeln über den tatsächlichen Geschehensablauf entscheiden soll. § 267 StPO läßt sich durchaus als eine bloße Regel für den Urteilsinhalt auffassen173 •
Demgegenüber ist es zutreffend, für die Geltung und Reichweite des Beweisgrundsatzes "in dubio pro reo" das Rechtsstaatsprinzip zugrunde zu legen. In Art. 103 II GG sind die Prinzipien "nullum crimen sine lege" und "nulla poena sine lege" verfassungsrechtlich verankert, um den einzelnen vor willkürlicher Strafgewalt des Staates zu schützen. Der hierdurch geforderten Rechtssicherheit als wesentlichem Teil des Rechtsstaatsprinzips wird auf der materiellrechtlichen Seite einerseits durch das Gebot erschöpfend aufgezählter und mit bestimmter Strafe bedrohter Tatbestände und andererseits durch das Verbot strafbegründender Analogie genügt174 • Verfahrensrechtlich wirkt sich diese Garantiefunktion der Straftatbestände als das Erfordernis des sicheren Nachweises der Tat und der Tatmodalitäten aus175 • Der Strafe unterliegt grundsätzlich nur derjenige, der eine bestimmte, ihm konkret nachgewiesene Straftat begangen hat. - Der Rechtsstaatlichkeit und der nach Art. 1 GG unantastbaren Menschenwürde wird nur das unser Strafrecht beherrschende Schuldprinzip gerecht176• Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz "nulla poena sine culpa" entspricht auf prozessualer Ebene das Erfordernis des ausreichenden Nachweises der Schuld. Ohne die vollständige richterliche Gewißheit über die schuldhafte Verletzung eines konkreten Straftatbestandes erführe der Täter letztlich eine schuldgelöste Strafe177 • Demgegenüber haben kriminal politische Forderungen nach einem gelockerten Schuldnachweis außer Betracht zu bleiben. Mit dem Schuldprinzip eng verknüpft ist das ebenfalls dem Rechtsstaatsprinzip immanente Gerech170 Vgl. dazu Peters, § 37 III C, S. 249 und neuerdings die Monographie von Holtappels. 171 Vgl. Stree, S. 9; Kern-Roxin, § 15 D 2 a, S. 58. m Vgl. Kern-Roxin, § 15 D 2 a, S. 58. 173 Dazu Stree, S. 8 mit Nachw. 174 Maurach AT, § 10 I, S. 89. 175 Ebenso Stree, S. 18; Maurach AT, § 10 I, S. 89; Mezger-Blei I, § 11 I.
176 Nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist das Schuldprinzip ein aus der Rechtsstaatlichkeit abzuleitender Verfassungsrechtssatz, vgl. JuS 1967, S. 182. 177 So überzeugend Stree, S. 16 mit weit. Nachw.; ebenso Müller-Sax, Vor § 48
Anm. 1 f. (3), S. 214.
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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tigkeitsgebot. Diesem liefe es zuwider, wenn der Staat aus kriminalpolitischen Erwägungen eine Verdachtsstrafe verhängen würde178• In diesen Zusammenhang gehört auch die in Art. 6 II MRK und Art. 1 GG anklingende Ausgangsvermutung zugunsten des Menschen. In einem Rechtsstaat, dem die Menschenwürde unantastbar ist, ist bis zur Beseitigung des letzten Zweifels davon auszugehen, daß sich der einzelne im Einklang mit der Rechtsordnung verhalten hat179• - Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist schließlich auch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verbunden. Diesem Gebot wird man nur dann gerecht, wenn man die Straftatbestände des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches dahin auslegt, daß nur der zweifelsfreie Verstoß eine Straffolge nach sich zieht180 • Nach alledem kann unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden, daß das Gericht bei seiner Entscheidung den Rechtssatz "in dubio pro reo" unbedingt und umfassend zu beachten hat. Dazu gehört die ebenso konsequente Berücksichtigung des Untersatzes "in dubio mitius". Beide Rechtssätze haben dabei sowohl materiellen als auch prozessualen Charakter 181 • Ihre Anwendung bestimmt sich nämlich zunächst nach dem materiellrechtlichen Verhältnis der Tatbestände zueinander182 • Ferner erkennen selbst die Vertreter der prozessualen Lösung an, daß die Verletzung des Beweisgrundsatzes Revisionsgrund im Sinne von § 337 StPO ist (§ 344 II 2 StPO gilt nicht)183. Andererseits liegt das Schwergewicht jedoch auf der prozessualen Seite. Das ergibt sich aus der dargestellten prozeßrechtlichen Spiegelbildlichkeit der Garantiefunktion der Straftatbestände und des Schuldgrundsatzes, d. h. aus der stets zu treffenden Entscheidung, bis zu welchem Grade die im Verfahren getroffenen Tat-
178
170 180
Stree, S. 15. Maunz-Dürig, Art. 1 Rdnr.15, S.10; Stree, S. 17. Zutreffend Sarstedt, S. 242 und 244; zust. Stree, S. 18/19, der daraus die
Eigenschaft der Beweisregel "in dubio pro reo" als Rechtssatz folgert (S. 19 Fußn.19). 181 Vgl. Jescheck, Lehrb., § 16 I 2, S.102/103; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr.l. 18t Vgl. dazu Jescheck, Lehrb., § 16 I 2, S. 102; Geerds, S. 3. Da z. B. das Konkurrenzverhältnis der Spezialität nach einhelliger Auffassung ein dem Grundsatz "in dubio pro reo" zugängliches Stufenverhältnis begründet, bestimmen hier materiellrechtliche Erwägungen die Anwendung der "Beweisregel". Deshalb ist auch Hilde Kaufmann (S. 166/167) zu widersprechen, die den allein fonnellrechtlichen Charakter der Beweisregel daraus folgert, daß der Grundsatz bei Wegdenken des Prozesses belanglos sei und keine Rechtsfolge auf einen bestimmten Sachverhalt ausspreche. Auch ohne Strafverfahren ergibt sich die Rechtsfolge der Strafbarkeit oder Straflosigkeit bei bestimmtem Sachverhalt (exklusive Alternativität oder Mehrdeutigkeit) aus materiellrechtlichen Vorfragen (Straflosigkeit bei Unvergleichbarkeit exklusiv-alternativer Tatbestände; Bestrafung aus dem milderen Gesetz bei Stufenverhältnissen). 183 Vgl. BGH 4 StR 263/54 (Urt. v. 30. 9. 1954), zit. bei Sarstedt, S. 240; Eb. Schmidt, Teil I, Anm. 376, S. 212.
46
1. Teil: Allgemeine Grundlagen
sachenfeststellungen bestimmt sein müssen, um eine Verurteilung zu tragenl84 •
E. Der rechtliche Charakter der Wahlfeststellung Eine ähnliche Zweispurigkeit gilt für den Charakter der Wahlfeststellung185 • Das zeigt sich notwendig an der dargestellten Ausnahmefunktion der Wahlfeststellung gegenüber dem Grundsatz "in dubio pro reo". So finden sich dann auch die oben herangezogenen Gesichtspunkte bei der Erörterung der Wahlfeststellung wieder186 • Für das entscheidende prozeßrechtliche Gepräge mögen bei der alternativen Verurteilung zudem der Ursprung des Problems im schwurgerichtlichen Verfahren und die Auswirkung der Problematik bei der alternativen Anklage, dem entsprechenden Eröffnungsbeschluß, der Fassung des Tenors und den besonderen Anforderungen an die Urteilsbegründung sprechen187• Der Doppelspurigkeit hat schließlich auch der Gesetzgeber von 1935 Rechnung getragen, als er § 267 b StPO neben § 2 b zur Rechtsnorm erhob.
F. Kritik an den extremen Auffassungen zur Wahlfeststellung Wurden die bisherigen Erörterungen insbesondere unter dem Blickwinkel der eindeutigen Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage sowie der Reichweite und Funktion der Grundsätze "in dubio pro reo" und "in dubio mitius" vorgenommen, so stellt sich nunmehr das Problem der Grenzbestimmung zwischen alternativer Verurteilung und Freispruch. Diese Fragestellung nimmt ein Zwischenergebnis vorweg: Jegliche extreme Position, nach der entweder die stets zulässige Wahlfeststellung oder aber der uneingeschränkte Freispruch mangels Beweises als alleinige Lösung angeboten wird, ist als rechtsstaatlich nicht bedenkenfrei abzulehnen. 184
Treffend etwa Jescheck, Lehrb., § 16 I 2, S. 102; Tröndle in LK, nach § 2
Rdnr.1.
185 Zust. Fuchs, Diss., S. 104; Prinz zu Wied, S. 4; Jescheck, Lehrb., § 16 I 2, S. 102/103; Peters, Lehrb., § 37 III d 2, S. 250; Jagusch in LK, § 2 b Anm. 1, S. 65; Rumpf, S. 196; Schwabe, S. 85; Schmidhäuser AT 5/44. - Dagegen sprechen sich für die materiellrechtliche Lösung aus: Mayer, Lehrb., S. 417; NiLse, Diss., S. 66; ders., Zulässigkeit, S. 41; Zeiler, Tatsachenfeststellung, S. 665; vgl. auch dens., Tatsachengrundlage, S. 161 Fußn. 4 (vorwiegend materiellrechtlich) ; ders., Frage, S. 26/27; 'V. DasseI, S. 8; Lazi, S. 7; Christians, S. 59 (weitgehend materiellrechtlich); Egle, S.100; Dörr, S. 52 (überwiegend materiellrechtlich). Die prozessuale Ansicht vertreten neben der früher zit. Großen Strafrechtskommission (Niederschrüten Bd. V, S. 285 Fußn. 5): Baumann, Lehrb., § 14, S. 146; Heinitz, Grenzen, S. 100; Nowakowski, S. 381 Fußn. 3; LochmiLller, S. 187; Koffka, S. 430; Dreher, S. 424; Lobe, S. 134; Lilcking, S. 164; Gerig, S. 44 Fußn. 151, S. 52 Fußn. 183 a; Ancker, S. 36. 186 Bes. deutlich bei Fuchs, Diss., S. 103/104. 187 Vgl. dazu Fuchs, Diss., S. 103.
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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Man vergegenwärtige sich die wichtigsten Argumente der gegensätzlichen Auffassungen: Nach der engsten - namentlich von MauTach 188 und SchmidhäuseT189 vertretenen - Ansicht muß jegliche alternative Verurteilung schon wegen Verstoßes gegen den Grundsatz "nullum crimen, nulla poena sine lege" entfallen19o • Daneben stützt man sich auf die Vorschrift des § 267 StPO, nach der das Gericht gehalten ist, die "für erwiesen erachteten Tatsachen" und die "strafbare Handlung" {Abs. 1)191 sowie das zur "Anwendung zu bringende Strafgesetz" {Abs. 3)181 anzugeben. Weiterhin sei ein Verstoß gegen § 261 StPO gegeben, da die erforderliche richterliche Überzeugung fehle 1u2 • Trotz Anerkennung der kriminalpolitischen Notwendigkeit einer alternativen Verurteilung im konkreten Fall verbiete mithin die strenge Rechtsstaatlichkeit eine Wahlfeststellung selbst bei gleichwertigen Erscheinungsformen ein und desselben Tatbestandes1911 • Diese Argumentation ist schon im Ausgangspunkt verfehlt: Nicht Kriminalpolitik und Rechtsstaatlichkeit geraten bei einer Wahlfeststellung in Konflikt194 , sondern RechtssicheTheit und materielle Einzelfallgerechtigkeit stehen als fast gleichberechtigte Komponenten des Rechtsstaatsprinzips195 in einem Spannungsverhältnis196• Die Lösung dieses Konflikts kann nur in einer begrenzten Zulassung der alternativen Verurteilung liegen197 • Das dabei stärker akzentuierte Gebot, Strafurteile mit Verdachtscharakter zu vermeiden198 , weist allerdings auf äußerst enge Zulässigkeitsgrenzen der Wahlfeststellung hin 1U9 , 200. Eine zweite, ebenfalls dem Rechtsstaatsprinzip entnommene Erwägung kommt hinzu. Der von MauTach zur Ablehnung der WahlfeststelAT, § 10 111 2, S. 114 (4. Aufl.). AT 5/44. 1841 Vgl. auch RGSt 22, 213 (214, 216); Schorn, S. 49; Mayer, Lehrb., S. 417; Legien, S. 92, 99. 181 Hierzu LochmülZeT, S.137; Ostern, S. 78/79. 192 Schorn, S. 49. 183 So vor allem Maurach AT, § 10111 2, S. 94; Schmidhäuser AT 5/44. 184 So aber Maurach a.a.O.; Heinitz, Verhältnis, S. 127; Dörr, S. 127; Schorn, S.48. 185 Vgl. nur das Bundesverfassungsgericht in NJW 1967, S. 195 f. (196). 181 Richtig Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 3; vgl. auch Deubner, Grenzen, S. 21; Jescheck, Lehrb., § 16 1113, S.105. 187 Vgl. etwa die Anmerkung von SchriLbbers in LM § 267 I StPO (Nr. 2); DeubneT, Grenzen, S. 21. 198 Schönke-SchrödeT, § 2 b Anm. 3; Jescheck, Lehrb., § 16 111 3, S. 106. 198 So zeigt auch Schaffstein (S. 728) grundsätzlich zutreffend auf, daß es trotz des Verbots der Verdachtsstrafe paradox erscheine, daß "gerade der Verdacht der schwereren Schuld im Ergebnis auch von dem leichteren Vorwurf entlastet". 24141 Wie noch näher zu begründen sein wird, ist der Ausgleich von Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit im Lichte der Kriminalpolitik zu treffen. 188
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1. Teil: Allgemeine Grundlagen
lung herangezogene Grundsatz "nulla poena sine lege" läßt nämlich auch einen gegenteiligen oder doch einschränkenden Schluß zu. Bekanntlich entspringt diesem Prinzip die Garantiefunktion der Straftatbestände und mithin das Gebot an den Gesetzgeber, ausreichend bestimmte und im einzelnen gegeneinander abgegrenzte Tatbestände zu schaffen. Eine derartige Aufsplitterung, der besonders im Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte sowie der Körperverletzungs- und Tötungstatbestände fast im übermaß genügt ist, darf dem Täter nicht in jedem Fall zugute kommen201 • Die räuberische Erpressung verbindet etwa den Raub mit der Erpressung202 , die Veruntreuung steht im konkreten Fall zwischen Unterschlagung und Untreue 203 • Zudem stellen Abgrenzungsschwierigkeiten oftmals eine tragende Verbindung zwischen zwei Straftatbeständen her. So bestimmt sich nach h. L. die Feststellung von Raub oder räuberischer Erpressung allein nach der Willensrichtung des Opfers; die Gewahrsamsverhältnisse mehrerer Personen bzw. der Todeszeitpunkt des ausgeplünderten und zunächst bewußtlosen Opfers entscheiden andererseits die Ermittlung von Diebstahl oder Unterschlagung. Bereits diese Erwägung läßt den Schluß zu, daß die einseitige Betonung der Garantiefunktion der Straftatbestände jedenfalls dann eine alternative Verurteilung in enge Grenzen zulassen muß, wenn dieses Prinzip in solcher Schärfe verwirklicht ist, daß sich die Beweislage der Wahlfeststellung geradezu zur Funktion der verfassungsrechtlich gebotenen Tatbestandsbestimmtheit auswächst204 • Die Heranziehung des Grundsatzes "nulla poena sine lege" trägt aber auch aus einem weiteren - namentlich von Sa:r;2°5 vorgetragenen Grunde nicht in vollem Umfang: "Die materiellrechtliche Frage, wann die Strafbarkeit einer Tat zur Zeit ihrer Begehung gesetzlich bestimmt war, hat nichts zu tun mit der ganz andersartigen prozessualen Frage, welche Anforderungen an die Feststellung ihrer Begehung zu stellen sind." Es sei andererseits aber nachdrücklich betont, daß der Verstoß gegen den "nulla poena sine lege"-Satz unausweichlich wird, wenn die Zulässigkeitsgrenzen der Wahlfeststellung zu weit ausgedehnt werden 206 • Dann 201 So zu Recht Baumann, Lehrb., § 14 I 2; Sax, S. 748; Mezger-Blei I, § 11 111; Hruschka, S. 267. 202 Vgl. auch Schaffstein, S. 726. 203 Entwicklungsgeschichtlich ist außerdem bemerkenswert, daß die Unterschlagung (und die Hehlerei) aus dem Diebstahlstatbestand, die Untreue aus dem Unterschlagungstatbestand herausgewachsen ist; vgl. Sax, S. 748 Fußn. 22. 204 Vgl. nochmals Mezger-Blei I, § 11 111, S. 35 und oben bei Fußn. 6. 205 S. 748 Fußn. 17 mit Hinw. auf R. v. Hippel, Strafrecht, S. 44; vgl. grundsätzlich auch Zaum, S. 25; Dilnhaupt, S. 29. 20B Waiblinger, S. 164; a. A. Städtler, S. 67; Hänsel, S. 68; Lochmilller, S. 135; Heinitz, Grenzen, S. 100; vgl. früher auch Fox, S. 31; Zaum, S. 25; Nilse, Alter-
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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nämlich kann das namentlich von H. Mayer2° 7 vorgetragene Bedenken, daß mit der alternativen Verurteilung aus verschiedenen Delikten in Wahrheit aus einem allgemeinen Tatbestand bestraft werde, den das Gesetz gar nicht kenne, seine volle Berechtigung erlangen. Auf diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund erscheint der oftmals zu heftig geführte Streit um § 267 StPO mit sehr geringem Stellenwert. Dennoch sei in aller Kürze auf ihn eingegangen. Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß § 267 StPO mit seinen mehrfach verwendeten Singularen208 ("strafbare Handlung"; "Strafgesetz") auf die Alternativitätsproblematik nicht paßt; anderenfalls hätte es 1935 des § 2'67 b StPO nicht zwingend bedurft208 • Alle Versuche, die Begriffe des § 267 StPO zweckentsprechend zu dehnen21o , waren richtigerweise zum Scheitern verurteilt, da diese Vorschrift auf die eindeutige Verurteilung auf eindeutiger Tatsachengrundlage zugeschnitten ist21l • Bei dieser Sachlage bleibt zu bedenken, daß die Gesetzgeber von 1877, 1953 und 1969 jeweils eine (mindestens in sehr engen Grenzen) zulässige Wahlfeststellung anerkannt, eine Normierung aber wegen des unausgefochtenen Streitstandes stets hinausgeschoben haben212• Die Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts haben dann auch in § 267 StPO ein Hindernis zur Wahlfeststellung nicht erblickt213• Bei näherem Zusehen hat sich sogar die gesamte reichs- und bundesgerichtliche Rechtsprechung und die fast einhellige Lehre über § 267 StPO insofern hinweggesetzt, als bei der Wahlfeststellung zwischen gleichwertigen Erscheinungsformen desselben Tatbestandes214 die gemäß Abs. 1 "für erwiesen erachteten Tatsachen" nicht angenativschuldfeststellungen, S. 465; ders., Diss., S. 43; Ancker, S. 37; Erhardt, S. 29; GeTig, S. 47/48; Schwabe, S. 61; Urban, S. 17; Dünhaupt, S. 29; Schulze, S. 53/54; Rumpf, S.187. 207 Lehrb., S. 417. 208 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt LochmüUer, S.137; Ostern, S. 78/79. ZOg So LochmüUer, S. 139; vgl. auch Eb. Schmidt, Teil I, § 267 Anm. 12. 210 Vgl. nur Erhardt, S. 31- 33; Nüse, Diss., S. 47 ff.; Rumpf, S. 139; vgl. auch die Darstellung bei Hauck, S. 15 - 17. 211 Nach Schwabe (S. 63) spricht § 267 StPO weder für noch gegen die Wahlfeststellung; vgl. ansonsten Dörr, S. 61- 63; richtig vor allem auch Schaffstein, Zulässigkeit, S. 532. 212 Vgl. Urban, S. 16 und Erhardt, S. 32; siehe dazu auch oben 2. Abschnitt. 213 Das wird ausdrücklich in RGSt 69, 369 (371) festgestellt. Schaffstein (Anmerkung I, S. 2053) vertritt dabei die Auffassung, daß die Vereinigten Strafsenate die §§ 2 StGB und 267 StPO schon um deswillen unerwähnt gelassen haben, weil sich insoweit der beschrittene Mittelweg gerade nicht begründen ließ; gleiches soll auch für den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) gelten (vgl. aber RGSt 68, 257, 261), für den im folgenden ähnliche Erwägungen zutreffen wie für § 267 StPO (vgl. llazu BGH LM § 261 StPO Nr. 16 und Geier in Löwe-Rosenberg, § 261 Anm. 5, S. 1068/1069). 214 Im Sinne der älteren reichsgerichtlichen Abgrenzung; siehe oben bei Fußn.30. 4 Wolter
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geben wurden. Es finden sich nämlich neben Maurach und Schmidhäuser keine Stimmen von Gewicht, die in solchen Fällen eine Wahlfeststellung jemals konsequent abgelehnt hätten. Hinzu kommt, daß bei der nach dem Reichsgericht ebenso zulässigen alternativen Verurteilung aus § 267 und § 270 a. F.215 sogar verschiedene Vorschriften herangezogen wurden. Diese Hinweise auf Legislative, Judikative und Schrifttum vermögen eine tragende Begründung für die Außerachtlassung des § 267 StPO naturgemäß nicht zu geben; sie ist allerdings nach den bisherigen Ausführungen auch nicht mehr notwendig, da eine nähere Betrachtung des Rechtsstaatsprinzips das materiellrechtliche Gebot ergeben hat, eine Wahlfeststellung in sehr engen Grenzen zuzulassen: Insoweit muß § 267 StPO einer entsprechenden, das Verfassungsrecht verwirklichenden Auslegung unterworfen werden, nach der die "strafbare Handlung", "das Strafgesetz" und die "für erwiesen erachteten Tatsachen" im Einzelfall auch alternativ angegeben werden können216 • Erkennt man an, daß das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtssicherheit und die Vorschrift des § 2'67 StPO einer alternativen Verurteilung nur engsten Spielraum gewähren, so erwartet man gelassen die Argumente aller derer, die eine Wahlfeststellung unbeschränkt zulassen wollen. Im wesentlichen wird dabei geltend gemacht, daß der Grundsatz "nulla poena sine lege" nur dann Anwendung finden müsse, wenn der Täter überhaupt kein Strafgesetz verletzt habe 217 • Sodann folgen die Hinweise, daß der Gesetzgeber die Frage der Wahlfeststellung bewußt der Wissenschaft zur Lösung überlassen habe218 , und daß der Regelsatz "in dubio pro reo" nicht verletzt werde, wenn aus dem jeweils milderen Gesetz verurteilt werde219 ; insoweit könne sich der Täter auch nicht diffamiert fühlen 220 • Weiterhin erfordere der Schutz der Gemeinschaft vor dem Rechtsbrecher das Institut der Wahlfeststellung221 , und nur durch ihre unbeschränkte Zulassung könne der Richter ehrliche und überzeugungsgetreue Urteile fällen 222 • Schließlich dürfe der Angeklagte, der m Siehe dazu oben Fußn. 30. 216 Vgl. vor allem Eb. Schmidt, Teil I, § 267 Anm. 12; Dörr, S. 64; Hänsel, S. 66; siehe früher auch Rumpf, S. 139; GTÜnhut, S. 334; Nüse, Zulässigkeit, S. 37; Schaffstein, Zulässigkeit, S. 532; grundsätzlich auch Ancker, S. 36; Schwabe, S. 64. Es ist deshalb Sax (S. 746) nicht zuzugeben, daß die Entwicklung der Wahlfeststellung in jedem Falle praeter legern angesetzt hat. 217 R. v. Hippel, Strafrecht, § 3 VI, S. 44; E. v. Hippel, S. 1535; vgl. auch wenn auch etwas einschränkend - Städtler, S. 67; früher noch Ehrhardt, S. 30. 218 Vgl. nur Nüse, Zulässigkeit, S. 33. m So etwa Nüse, Zulässigkeit, S. 38; ders., Diss., S. 44; vgl. auch Städtler, S. 67; Lochmüller, S. 136; früher auch Ancker, S. 37; Ehrhardt, S. 29/30; Gerig, S.48.
uo E. v. Hippel, S. 1535. Nüse, Zulässigkeit, S. 36. 2!! Zeiler, Verurteilung, S. 170; ders., Tatsachengrundlage, S. 181; Nüse,
221
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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durch gegensätzliche Angaben über Verurteilung und Freispruch entscheiden könne223, nicht noch für seine Unglaubwürdigkeit prämüert werden22'. Diese Begründungen vermögen ausnahmslos nicht zu überzeugen. Die These, daß nur der Täter Straffreiheit verdiene, der überhaupt kein Strafgesetz verletzt habe, wird zu Recht als moderne Auferstehung des "versari in re illicita" gebrandmarkt225 . Die Aufhebung des § 2 b spricht strikt gegen eine unbeschränkte Zulassung der Wahlfeststellung220 • Zudem haben sich die wissenschaftlichen Lösungen ohne Vorbehalt am Rechtsstaatsprinzip zu orientieren. - Es bedarf nicht der Wiederholung, daß die unbeschränkt zulässige alternative Verurteilung den verfassungsrechtlich außerordentlich weitreichenden Grundsatz "in dubio pro reo" aushöhlt, da seine konsequente wechselseitige Anwendung stets zum Freispruch führen müßte. So versteht es sich auch von selbst, daß bei Zulassung einer Wahlfeststellung im Einzelfall der Grundsatz "in dubio pro reo" zumindest in seiner sekundären Ausprägung227 voll ausgeschöpft werden muß. Der Ausnahmecharakter der Wahlfeststellung gegenüber dem Grundsatz "in dubio pro reo" läßt auch den weiteren Schluß zu, daß eine alternative Verurteilung den Täter stets bemakeln muß. Diese Diffamierung steigert sich bis zur Unzumutbarkeit, wenn die alternativen Straftatbestände völlig verschiedenartig sind (z. B. Alternativität von Beihilfe zur versuchten Abtreibung und Betrug)228. Diese unzumutbare Belastung und die dargestellten weiteren rechtsstaatlichen Bedenken drängen den übermäßig betonten Schutz der Gemeinschaft vor dem Rechtsbrecher weitgehend in den Hintergrund. Selbst mit der vereinzelten Freisprechung wirklich Schuldiger droht der Rechtsordnung noch nicht der Verfall229 • - Die immer wiederholte und anhand von Urteilen belegte These der Unwahrhaftigkeit des Richters ist - von einer ungerechtfertigten Diffamierung des Richterstandes einmal abgeseZulässigkeit, S. 38; Schaffstein, s. 728/729 (im Ergebnis allerdings zu Recht einschränkend); dagegen Hänsel, S. 60, 62 mit weit. Nachw. 223 Vgl. RGSt 69, 369 (372). 224 E. v. Hippel, S.1535; so auch Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 37. 225 Maurach AT, § 10 III 2, S. 94; vgl. auch Grilnhut, S. 340. 228 So auch Mayer, Lehrb., S. 417; OLG Braunschw. JZ 1951, S. 235 f. (235); vgl. im übrigen die zahlreichen Angaben oben Fußn. 40 und 41, wo stets aus der Abschaffung des § 2 b gefolgert wird, daß die Wahlfeststellung nur in dem begrenzten Rahmen wie vor 1935 zulässig sein könne; ebenso Schäfer in DalckeFuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a. 227 Vgl. auch oben (bei) Fußn.157. t28 BGH MDR 1958, S. 739 (bei Dallinger); Deubner, Grenzen, S. 23 Fußn. 35; ders., Anmerkung I, S. 738; ähnlich Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 9; Schaffstein, s. 726. Niethammer in v. Olshausen, § 2 b Anm. 2, S. 51 hat das selbst während der Geltung des § 2 b ausdrücklich betont; siehe auch oben Fußn. 38. tU Stree, S.15; beachtlich auch Gerland, S. 318. • 0
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1. Teil: Allgemeine Grundlagen
hen230 - jedenfalls dann völlig unhaltbar, wenn man dem Gericht - wie es im folgenden versucht werden soll - eine befriedigende Bestrafungsmöglichkeit anstelle der wirklich als ungerecht empfundenen Freisprüche an die Hand gibt. Bei den verbleibenden Fällen, in denen ein freisprechendes Urteil dem überwiegenden Rechtsempfinden nicht mehr zuwiderläuft, wird die These der richterlichen Unehrlichkeit mehr als brüchig; in Wirklichkeit läuft sie allenfalls auf die beschränkte Zulassung von Wahlfeststellungen hinaus. - Die Anprangerung des möglichen Querulantentums eines Angeklagten schließlich weist keinen anderen Weg. Zudem bildet sie - in der dargestellten Schärfe vorgetragen - einen unzulässigen Angriff auf die Rechte des Angeklagten und das Prinzip der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO). Eine nähere Betrachtung aller Aspekte des Rechtsstaatsprinzips und eine kritische Überprüfung der "extremen Argumente" lassen mithin nur einen eindeutigen Schluß zu: Auch nach geltendem Recht muß die alternative Verurteilung zugelassen, dabei aber in äußerst engen Grenzen gehalten werden. Die weiteren Erörterungen - insbesondere zur Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten - werden über die Absteckung dieser Grenzen hinreichenden Aufschluß geben. G. Die Abgrenzung zulässiger und unstatthafter Wahlfeststellungen von unbeachtlichen Altemativitäten Abschließend bleibt in aller Kürze die Frage zu erörtern, wie das Feld der statthaften oder unzulässigen Wahlfeststellungen von unmaßgeblichen Alternativen abzugrenzen ist231 • Man sollte drei Beweiszweifel bzw. scheinbare Unaufklärbarkeiten aus dem Bereich der echten alternativen Verurteilung verbannen: 1. Tautologien (z. B. "Besitz oder Gewahrsam" im Sinne von § 246)232; nicht hierzu gehört das Begriffspaar "Leib oder Leben" (vgl. etwa die §§ 176 Ziff. 1, 177,249,252,255)233, da mit Leibesgefahr eine nahe Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, mit Lebensgefahr eine Wahrscheinlichkeit des Todes umschrieben wird234 • 2. Die sogenannte Beweisalternative des § 259 235 . 230 Nach Hänsel (S. 60) dient die begrenzt zulässige Wahlfeststellung der Objektivität und der Vermeidung von Schleichwegen. 231 Vgl. bereits zu "Stock oder Stein" im Rahmen von § 303 einerseits und § 223 a andererseits oben Fußn. 65. 282 So Legien, S. 13; Fuchs, Diss., S. 71/72; Prinz zu Wied, S. 3; v. Schack, S. 4; dagegen für eine erlaubte alternative Feststellung: Oetker, Verfahren, S. 285 (zit. bei Legien, S. 48); v. Tippelskirch, S. 513. 233 a. A aber Fuchs, Diss., S. 71/72; Prinz zu Wied, S. 3; v. Schack, S. 4; Oetker, Verfahren, S. 285 (zit. bei Legien, S. 48); richtig Dörr, S. 9/10. 234 Vgl. nur Schönke-Schröder, § 52 Anm. 11. 215 Vgl. Fuchs, Diss., S. 72; Prinz zu Wied, S. 3/4 (keine echte Wahlfeststellung);
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
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3. Die Alternativität solcher im Gesetz aufgeführter Tatumstände, die entweder die Eindeutigkeit eines Tatbestandsmerkmals oder den Handlungs- und Erfolgsunwert des einheitlichen Tatbestandes nicht berührt. Hierhin gehört der Beweiszweifel "Leib oder Leben", da das Tatbestandsmerkmal "Drohung mit gegenwärtiger Gefahr" nicht beeinflußt wird und der Richter auch nicht zu einer Entscheidung aufgerufen ist. Bereits zweifelhaft ist allerdings die Unaufklärbarkeit von "in oder gleich nach der Geburt" im Rahmen von § 217 236 • Immerhin spricht für ihre Unbeachtlichkeit der Umstand, daß man statt dieses alternativ gefaßten Merkmals ohne dogmatischen Schaden auch "bei der Geburt" sagen könnte. Weiterhin wird von dem Merkmal weder der Erfolgsnoch der Handlungsunwert berührt; und schließlich braucht das Gericht wiederum die Alternative in keiner Weise zu konkretisieren. - Ähnlich liegt die Alternativität von "Messer oder ein anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne von § 223 a. - Demgegenüber ist die echte alternative Verurteilung nicht mehr auszuschließen, wenn Modalitäten wie "Gewalt oder Drohung" sowie "List" (vgl. etwa die §§ 234, 249 ff.) zweifelhaft bleiben237 • Diese Tatbestandsmerkmale können scharf gegeneinander abgegrenzt werden238 und üben einen gewissen Einfluß auf den Handlungsunwert der Tat aus. Zudem muß daran erinnert werden, daß die ältere reichsgerichtliche Rechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen stets Anlaß zu einer Wahlfeststellung sah2sD • Nach diesen Abgrenzungen ließe sich positiv die Spannweite zulässiger und vor allem auch unstatthafter alternativer Verurteilungen in zweifacher Weise darstellen. Zunächst ist man versucht, eine Gliederung im Gleichschritt mit der Entwicklung der Wahlfeststellung vorzunehmen: Legien, S. 13; v. Schack, S. 3; Hänsel, S. 6; Christians, S. 5. Auf die Streitfragen hierzu (vgl. den guten Überblick bei Schönke-Schröder, § 259 Anm. 49/50) soll
nicht eingegangen werden; nur so viel sei gesagt, daß nach unangefochtener und richtiger Auffassung nicht auch eine fahrlässige Hehlerei poenalisiert werden sollte (Schönke-Schröder, § 259 Anm. 49 mit Hinw.). Faßt man aber die Wendung in § 259 nur als Modifizierung der Beweisführung auf (zu den Differenzierungen vgl. wiederum Schönke-Schröder a.a.O.), dann erscheint eine Alternativität von Wissen und Annehmenmüssen schlechterdings nicht möglich. - Vgl. aber noch das bei Nüse (Diss., S. 18) zit. Urt. des Reichsgerichts in RRG 1, 777, wo eine Wahlfeststellung für zulässig gehalten wird; siehe auch Oetker, Verfahren, S. 284/285 (zit. bei Legien, S. 48). 238 Für die Unbeachtlichkeit im Rahmen der Wahlfeststellungsproblematik etwa Dörr, S. 9/10; Fuchs, Diss., S. 72; für ihre Beachtlichkeit dagegen Oetker, Verfahren, S. 276 (zit. bei Legien, S. 46); Legien, S. 8; Kugelmeier, S. 6; vgl. auch
v. Tippelskirch, S. 512. 237 a. A. Fuchs, Diss., S. 72; Dörr, S. 9110; richtig Oetker, Verfahren, S. 287 (zit. bei Legien S. 47); wohl auch Kugelmeier, S. 6. Z38 Vgl. etwa Schönke-Schröder, Vor § 234 Anm. 6 - 27. Z3a Vgl. RGSt 11, 103 (104) (Gewalt oder Drohung mit empfindlichem Übel im Rahmen von § 253); RGSt 56, 61 (61) (Verheimlichen oder Ansichbringen im Sinne von § 259); vgl. ansonsten oben Fußn. 30.
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1. Teil: Allgemeine Grundlagen
1. Alternativität von Ausführungsarten ein und desselben Tatbestandes im Sinne der restriktiven älteren Reichsgerichtsentscheidungen240 (z. B. Gewalt oder Drohung im Rahmen von § 253).
2. Unaufgeklärtheit von gleichrangigen, tatbestandlich gesondert behandelten Alternativen einer Straftat etwa im Rahmen der mehr extensiven älteren Reichsgerichtsrechtsprechung241 (z. B. Alternativität bei den einzelnen Ziffern des § 243). 3. Beweiszweifel hinsichtlich verschiedener Strafgesetze etwa im Sinne des§ 2 b. Bei einer derartigen Aufschlüsselung könnte man daran denken, dem Gebot der Gerechtigkeit drei - allmählich abnehmende - Intensitätsgrade zu verleihen: Während in der ersten Gruppe wegen der unwiderleglichen Wertung des Gesetzgebers die Frage nach der Unstatthaftigkeit der Wahlfeststellung gar nicht auftreten darf242 , erzwingt das Prinzip der Rechtssicherheit in der zweiten Gruppe in Ausnahmefällen einen Freispruch243 • In der dritten Gruppe schließlich kehrt sich das Verhältnis um; das freisprechende Urteil wird aus Gründen der Rechtssicherheit zur Regel, und nur eine enge Verzahnung der Alternativdelikte 244 vermag eine Verurteilung zu ermöglichen. Bei näherer Betrachtung ist diese Dreiteilung aber nicht konsequent durchführbar. Das sei an den Vorschriften der §§ 223 a, 211, 243 a. F. und n. F., 132 und 348 demonstriert: Drohung und Gewalt (erste Gruppe) sind im Rahmen der §§ 234, 249 ff. Mittel auf dem Wege zum strafrechtlichen Erfolg. Eben diese Funktion haben aber auch die Ausführungsarten des § 223 a. Dennoch wird hier zum Teil245 und dann mit guten Gründen eine Wahlfeststellung abgelehnt. - § 243 legt zunächst eine Aufteilung in die ersten beiden Gruppen durchaus nahe; Ziffer 2 a. F. enthält die Alternative "Einbrechen oder Einsteigen" und ist selbst von der alternativen Qualifikation der "Verwendung falscher Schlüssel" (Ziffer 3 a. F.) abge140
Vgl. die vorherige Fußn. und oben Fußn. 30.
zu Siehe oben Fußn. 31. zu Vgl. etwa Kugelmeier, S. 6; ebenso neben der anfänglichenRechtsprechung des Reichsgerichts Lazi, S. 113; Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 3 a, S. 77;
Legien, S. 8; Christians, S. 75. - Fuchs (Diss., S. 72) und Dörr (S. 9/10) erkennen dies schon insofern an, als sie eine echte alternative Verurteilung noch gar nicht für gegeben erachten (siehe auch oben Fußn. 237). Z43 Man denke an die Unzulässigkeit der Wahlfeststellung zwischen den Ziffern 1 und 4 des § 250; RGSt 56, 35 (36) (siehe auch oben Fußn. 31). Z44 Siehe die Erörterungen bei Fußn. 203 (etwa zur Alternativität von Raub und räuberischer Erpressung sowie Diebstahl und Unterschlagung). Zt5 Vgl. etwa Legien, S. 113 zur Alternativität von: mittels "eines gefährlichen Werkzeugs" und "gemeinschaftlicher Ausführung". Unerörtert bleibt hier die Möglichkeit der eindeutigen Verurteilung aus dem Grundtatbestand § 223 (vgl. Legien, S. 114).
3. Abschn.: Verhältnis von Wahlfeststellung und in dubio pro reo
55
grenzt248 • Ein Blick auf § 243 Ziff. 1 n. F. zeigt aber, daß diese Qualifikationen nur noch wie Ausführungsarten im Sinne der ersten Gruppe behandelt werden. - Hinzu kommt, daß man früher nicht ohne jede Überzeugungskraft zwischen den einzelnen Qualifikationen des § 243 a. F. zu differenzieren versuchte und dabei einzelne von ihnen sogar der dritten Fallgruppe zuschlug247 • Zudem glaubte namentlich Stah1 248 , die einzelnen Qualifikationen als verschiedene Strafgesetze im Sinne von § 2 b behandeln zu müssen. - Schließlich bleibt anzumerken, daß zahlreiche Vorschriften des Strafgesetzbuches anerkanntermaßen mehrere Strafgesetze im Sinne des § 2 b enthalten249 • Die ursprüngliche Dreiteilung ist mithin wegen der engen Verzahnung der Gesichtspunkte und insbesondere wegen des Hinausgreifens der mittleren Gruppe sowohl auf den ersten250 als auch auf den dritten Fallkreis auf zwei Bereiche zu reduzieren: 1. Alternativität von Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat, die nach der Wertung des Gesetzgebers und weiteren - noch zu erarbeitenden - Kriterien als gleichartig behandelt werden müssen und eine Wahlfeststellung ohne weiteres zulassen 251 • 248 Ein ähnliches Bild ergibt sich etwa bei § 211, ohne daß die Qualifikationen in verschiedenen Ziffern untergebracht sind: Zur ersten Gruppe gehört etwa die Alternative "aus Mordlust" - "aus Habgier"; zur zweiten Gruppe der Beweiszweifel "aus niedrigen Beweggründen" - "zur Verdeckung einer Straftat" (vgl. dazu neuerdings BGHSt 22, 12 ff. = NJW 1968, S. 659 f.). 247 Vgl. Wertheimer, S. 51: Ziffern 1,4,5,6,7 a. F. einerseits (dritte Gruppe), Ziffern 2, 3 a. F. andererseits (zweite Gruppe); Stahl, S. 34; Baumann, Lehrb., § 14 II 1: Ziffern 2, 3, 7 a. F. (zweite Gruppe), Ziffern I, 4 a. F. (dritte Gruppe); BGH LM § 243 I Ziff. 7 StGB Nr. 1: Ziffern 2, 3, 7 a. F. (zweite Gruppe), Ziffern 1,4,7 a. F. (dritte Gruppe); vgl. auch das Reichsgericht (RGSt 56, 35, 36) zu den Ziffern 1 und 4 des § 250 (dritte Gruppe), die sich fast deckungsgleich in § 243 a. F. (Ziffern 5 und 7) wiederfinden, einerseits - und § 243 Ziff. 2 und 3 a. F. (RGSt 55, 228, 229/230) andererseits (siehe auch oben Fußn. 31); beachte noch v. Tippelskirch, S. 516 mit Hinw. auf die Rechtsprechung des Preußischen Obertribunals. - Demgegenüber sprechen sich Schönke-Schröder (§ 2 b Anm. 11) gegen eine Differenzierung aus; Fuchs (Diss., S. 72) zählt gar die Alternativität verschiedener Ziffern des § 243 I a. F. überhaupt nicht zur Problematik der Wahlfeststellung. 248
S.34.
Vgl. etwa § 132 (Legien, S. 8; RGSt 32, 85, 86); § 257 (Stahl, S. 30, sofern man in persönlicher und sachlicher Begünstigung verschiedene Rechtsgüter geschützt sieht); § 348 (Mezger-Blei I, § 94 c, S. 309 mit Hinw. auf das Urt. des RG vom 14. 3. 1938 - D 1009/37). 250 Beide Gruppen werden deshalb auch gleich behandelt von Oetker, Verfahren, S. 287 (zit. bei Legien, S. 47); Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 3 a, S. 77; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 11. 251 Innerhalb dieser Gruppe wie immer sie zu bestimmen ist - lassen auch Mayer (vgl. Lehrb., S. 417 und AT, S. 152) und Legien (S. 8) eine Wahlfeststellung ohne weiteres zu; a. A. aber Schmidhäuser AT 5/44; Maurach AT, § 10 II!, S. 94. - Insoweit bedurfte es auch 1935 der Vorschrift des § 2 b nicht. Vgl. ansonsten auch Sax, S. 748; Eb. Schmidt, Teil II, § 244 Anm. 14; Schom. S. 49; LochmüZZer, S. 151. teD
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1. Teil: Allgemeine Grundlagen
2. Alternativität von Qualifikationen, die verschiedene Strafgesetze beinhalten, sowie von mehreren Strafvorschriften25!. Hier ist die Zu-
lässigkeit der Wahlfeststellung stets eingehend zu prüfen und aus Gründen der Rechtssicherheit von der Unstatthaftigkeit als Regelfall auszugehen. Bei Bejahung der Zulässigkeit sind neben der engen tatbestandlichen Verzahnung der verschiedenen Delikte weitere objektive Kriterien aufzustellen. Besondere Schwierigkeiten werden bei dieser Zweiteilung die sog. "Mischtatbestände" aufwerfen; mithin diejenigen Delikte, die in sich Alternativen enthalten und entweder der ersten oder zweiten Fallgruppe zugeordnet werden müssen. Für die hier notwendig werdende Differenzierung hat namentlich Wertheimer253 bereits 1903 wertvolle Vorarbeiten insofern geleistet, als er die Strafvorschriften in sogenannte "alternative" und "kumulative" Mischgesetze einteilte. Bei den alternativen Mischgesetzen sei Wahlfeststellung 254 sowie Fortsetzungszusammenhang2fi5 möglich und Idealkonkurrenz ausgeschlossen254 ; bei den kumulativen Mischtatbeständen hingegen verbiete sich eine alternative Verurteilung254 und sei andererseits die Feststellung von Ideal- 2M und Realkonkurrenz255 statthaft. Die weiteren Erörterungen - insbesondere zur Alternativität bei den Eigentums- und Vermögensdelikten256 - werden über die Tragweite und Konkretisierung dieser Abgrenzung hinreichenden Aufschluß geben.
25! Nach Abschaffung des § 270 a. F. ist der (umgekehrte) Fall einer einzigen Straftat bei mehreren Vorschriften (vgl. dazu oben Fußn. 30 a. E.) im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches nicht mehr aufzufinden. 253 In seiner Monographie: "Die Mischgesetze des Deutschen Strafgesetzbuches"; zu dieser Fragestellung zuletzt Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 66 unter dem Blickwinkel gattungsmäßig gleicher Rechtsgutsverletzung. 254 S. 3 Fußn. 1. 255 S.l1. 256 Vgl. den 2. Teil der Arbeit.
4. Abschnitt
Zusammenfassung und Ausblick Wollte man sämtliche bisher gewonnenen Ergebnisse mit ihren möglichen Fortentwicklungen thesenartig zusammenfassen, so käme man zu folgendem Katalog: I. Das Problem der Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage setzt begrifflich eine Alternativität von Tatsachen oder Geschehnissen voraus (iura novit curia)257.
H. Bei Vorliegen einer solchen Grundlage sind - soweit jede Geschehensalternative für sich betrachtet überhaupt eine Strafbarkeit begründen könnte258 - vier Ergebnisse denkbar: 1. Eindeutige Verurteilung bei der sog. "reinen Tatsachenalternativität" oder "Tatalternativität" (Diebstahlsfall, Meineidsfall) wegen identischer subsumenda259 • Bei Verschiedenheit der zugrunde liegenden (mehrdeutigen) Strafzumessungstatsachen greift der Grundsatz "in dubio mitius" ein260•
2. Eindeutige Verurteilung mit Hilfe des Grundsatzes in dubio pro reo" aus dem milderen Tatbestand in dem Fall der mit der Tataltemativität kombinierten Gesetzesalternativität, soweit die in Frage stehenden Delikte ein "Stufenverhältnis" bilden (Alternativität von Qualifikation und Grundtatbestand; z. B. uneidliche Falschaussage am 13. 3. - Meineid am 31. 3.)281: Rechtsgrund für die eindeutige Verurteilung ist dabei wiederum die Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes, d. h. hier des Grundtatbestandes (primärfunktion der Regel "in dubio pro reo")262. - Dabei vermag der Grundsatz "in dubio mitius" sekundär seine Wirksamkeit in zweifacher Weise zu entfalten: a) im Rahmen der Straffrage (arg. § 157)263, !n Siehe dazu oben Fußn. 9. 258 Siehe dazu oben Fußn. 3 und Fußn. 47. !58 Entgegen einer verbreiteten Ansicht ist eine Anwendung von Wahlfeststellungsgrundsätzen hier irreführend oder sogar falsch (siehe im einzelnen 3. Abschnitt, A.). 180 Siehe oben bei Fußn. 74. m Siehe oben bei Fußn. 132 ff. Später wird insbesondere die Frage zu erörtern sein, ob neben der Spezialität (vgl. dazu Fußn. 13) auch andere Gesetzeskonkurrenzen ein Stufenverhältnis zu begründen vermögen. !8! Siehe oben bei Fußn. 152 fi. 213 Siehe oben bei Fußn. 144.
58
1. Teil: Allgemeine Grundlagen
b) im Rahmen der Schuldfrage (Alternativität von Qualifikation und Privilegierung) - Verurteilung aus dem privilegierten Delikt, obwohl damit die über "in dubio pro reo" eindeutig bestimmte Urteilsgrundlage (Grundtatbestand) entfällt264 •
3.4. Alternative Verurteilung oder Freispruch in den Fällen der "einfachen Gesetzesalternativität" (Beihilfe zur versuchten AbtreibungBetrug) und der mit dieser kombinierten Tatalternativität (Diebstahl Hehlerei): Der Unterschied zur eindeutigen Verurteilung offenbart sich in der Unmöglichkeit, einen der denkbaren Tatbestände wegen eines Stufenverhältnisses mit Hilfe des Grundsatzes "in dubio pro reo" auf den anderen zu verkürzen und damit eine Identität der subsumenda zu erlangen. - Die Grenzen einer alternativen Verurteilung 265 sind nach Überprüfung der verfassungs- und strafprozeßrechtlichen Aspekte außerordentlich eng zu ziehen288 . - Bei Unzulässigkeit der Wahlfeststellung erfolgt zwingend Freispruch mangels Beweises mit Hilfe einer wechselseitigen Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo"2lI7. III. Die alternative Verurteilung ist mithin als Ausnahme der konsequenten Heranziehung der "in dubio pro reo"-Regel zu begreifen. 1. Folgerung: Beide Grundsätze besitzen denselben rechtlichen Charakter, d. h. sie bestehen aus einer prägenden prozeßrechtlichen und einer schwächeren materiellrechtlichen Komponente 288 . Ebenfalls beide Regeln sind vom Gericht als Rechtsnormen zwingend zu beachten289 .
2. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis indiziert dagegen nicht den Vorrang der "in dubio pro reo"-Regel. Vielmehr läßt sich nur eine Vorherrschaft des mit Sicherheit (im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit) zur Verurteilung führenden Beweisgrundsatzes erkennen270 : Jede zulässige Wahlfeststellung hat Vorrang vor dem sonst unabweisbaren "Freispruch Siehe oben bei Fußn. 145 ff. Zu unmaßgeblichen Alternativen, die das Problem der Wahlfeststellung noch nicht berühren, siehe oben Fußn. 65 und bei Fußn. 232 ff. - Zu den Erfordernissen der "Ausschöpfung aller Beweismittel" (§ 244 II StPO) und der "exklusiven Alternativität" vgl. oben Fußn. 2 und 4. 268 Siehe dazu oben 3. Abschnitt, F. - Zu dem weiteren Fallkreis der WahIfeststellung, der durch die Alternativität von Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat gebildet wird, siehe oben bei Fußn. 239 - 255. 287 Siehe oben bei Fußn. 143. 268 Siehe oben bei Fußn. 181 - 187. 269 Für die Grundsätze "in dubio pro reo" und "in dubio mitius" vgl. zur Begründung oben bei Fußn. 158 -180; gleiches gilt aber auch für die zulässige Wahlfeststellung, sofern sie - wie sich noch erweisen wird - einen verfassungsrechtlich und kriminalpolitisch unangreifbaren Ausgleich zwischen den Rechtsstaatlichkeitskomponenten der Rechtssicherheit und der Gerechtigkeit im Einzelfall ermöglicht. 270 Siehe oben bei Fußn. 143. 284 285
4. Abschn.: Zusammenfassung und Ausblick
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zugunsten des Angeklagten". - Umgekehrt verbietet sich allerdings die zulässige Wahlfeststellung stets dann, wenn die in Betracht kommenden Delikte in einem Stufenverhältnis stehen und deshalb dem Grundsatz "in dubio pro reo" zugänglich sind271 • Dieser Gesichtspunkt setzt die allgemeine Erkermtnis voraus, daß das Stufenverhältnis und die Gleichartigkeit der Delikte auf verschiedenen Ebenen geprüft werden, nämlich im logisch-tatsächlichen Bereich der Tatbestände einerseits und auf dem Gebiet der Qualität des Unrechtsgehalts und Schuldvorwurfs andererseits272 • - Dies wiederum läßt die weitere Auffassung zu, daß man auch bei Unvergleichbarkeit zweier Delikte wegen des vorliegenden Stufenverhältnisses über den insoweit vorrangigen Grundsatz "in dubio pro reo" zu einer Verurteilung gelangen kann273 • IV. Die Feststellungen zu II und IIr geben zu einigen bisher noch nicht erarbeiteten Gesichtspunkten Anlaß: 1. Man kann die Frage stellen, ob die "in dubio pro reo"- und "Wahlfeststellungs"-Grundsätze zur Schaffung einer alternativen Urleilsgrundlage kumulativ herangezogen werden dürfen, um einen wegen der Unvergleichbarkeit der Delikte sonst unvermeidlichen und ungerecht empfundenen Freispruch zu umgehen274 • Als Beispiel diene die Alternativität von Raub und Hehlerei. Darf man also - konkret formuliert - über "in dubio pro reo" den Raubtatbestand auf den einfachen Diebstahl verkürzen, um auf diese Weise zu einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei275 zu gelangen27G ? Gilt mithin auch hier der "Vorrang der Verurteilung"? 2. Man kann die weitere Frage aufwerfen, ob man zur Erlangung einer
eindeutigen Urteilsgrundlage den Grundsatz "in dubio pro reo" zweimal
anwenden darf, weil die Alternativdelikte als solche eine Wahlfeststellung wegen Ungleichartigkeit nicht zulassen. Zu denken ist etwa an die Alternativität von versuchtem Raub und versuchter Notzucht277 • - Hier taucht das oben angesprochene Problem auf, ob man mit einer zweiSiehe auch oben bei Fußn.137. Siehe oben (bei) Fußn. 138. - Man denke etwa an das Kriterium der "rechtsethischen" Vergleichbarkeit. %73 Siehe oben bei Fußn. 137 ff. 214 Vgl. dazu oben Fußn. 22. m Die grundsätzliche Statthaftigkeit bei der Alternativität von § 242 und § 259 kann an dieser Stelle allerdings nur unterstellt werden. !78 So im Ergebnis DeubneT, Anmerkung I, S. 739. Schönke-SchTödeT, § 2 b Anm. 14 a und Baumann, Lehrb., § 14 II 2, S. 152 sprechen sich ausdrücklich für diesen Weg aus (vgl. auch OelZeTs, S. 506). 277 Für die Ungleichartigkeit der Delikte sprechen sich aus: Legien, S. 139; Schaffstein, S. 728; Mezger-Blei I, § 11 III, S. 35; Zaum, S. 43. Eine Verurteilung aus den §§ 240, 43 befürworten: Legien a.a.O.; Mezger-Blei a.a.O.; vgl. auch Zaum, S. 43 Fußn. 34. 271
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1. Teil: Allgemeine Grundlagen
fachen Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" die prlmare Funktion dieser Regel, eine eindeutige Urteilsgrundlage zu schaffen, nicht in ihr Gegenteil verkehrt278 • Diese Frage verliert auch nicht dadurch an Schärfe, daß man in den Fällen unzulässiger Wahlfeststellung mit Hilfe einer wechselseitigen Heranziehung des Grundsatzes zu einem ebenfalls eindeutigen Spruch - dem Freispruch - gelangt, da insoweit der maßgebende Schutz des Angeklagten voll verwirklicht wird. 3. Eine dritte Frage ergibt sich zwangsläufig: Darf man mit Hilfe einer zweifachen Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel die Grundlage für eine alternative Verurteilung legen? Erwähnt sei etwa die Alternativität von Raub und gewerbsmäßiger Hehlerei, die auf den Beweiszweifel von einfachem Diebstahl und einfacher Hehlerei zurückgeführt werden könnte. V. Die Tatidentität bildet für die Zulässigkeit von (eindeutigen und insbesondere alternativen) Verurteilungen auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage keine Sperre279 • 1. Innerhalb eines historischen Vorgangs kommt entweder eine alternative Anklage mit entsprechendem Eröffnungsbeschluß oder - nach Eröffnung der Hauptverhandlung - ein Hinweis nach § 265 StPO in Betracht280 •
2. Bei überschreitung der Tatidentitätsgrenzen ergibt sich wiederum die Möglichkeit einer alternativen Anklage mit ebensolchem Eröffnungsbeschluß; nach Eintritt in die Hauptverhandlung kann andererseits der Weg der Nachtragsklage (§ 266 StPO) beschritten werden281 •
So vor allem Peters, Lehrb., § 37 III 1, S. 248; vgl. auch oben bei Fußn. 155. Siehe dazu die Erörterungen 3. Abschnitt, B. und C. 280 Siehe oben Fußn. 75. 281 Vgl. im einzelnen bei Fußn. 112 ff., insbes. zur Ergreifung weiterer prozessualer Maßnahmen sowie zu der im Einzelfall auftretenden Konsequenz des Freispruchs. %78
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2. Teil
Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten 1. Abschnitt
Die Altemativität von Modalitäten und Qualifikationen einer Eigentums- bzw. Vermögensstraftat Die Erörterungen im ersten Teil der Arbeit haben zu einer ganzen Reihe von Problemen geführt, die sich zwar in präzisen Fragestellungen umreißen, aber ohne konkreten Hintergrund noch nicht endgültig lösen ließen. Am besten geeignet für eine solche Konkretisierung erscheint dabei der Bereich der Eigentums- und Vermögensdelikte. Diese Alternativität bietet sich schon deshalb an, weil das Reichsgericht erstmals bei der Unaufklärbarkeit von Hehlerei und Diebstahl die jahrzehntelang selbst angelegten Fesseln gesprengt und eine alternative Verurteilung zugelassen hat. Es war dabei kein Zufall, daß das später sogenannte Kriterium der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" an Vermögensdelikten entwickelt wurde; denn diese bilden die weitaus größte und wichtigste Gruppe für das Problem der Wahlfeststellung1 • - Geht es mithin im wesentlichen um die Grenzziehung zwischen zulässiger und unstatthafter Wahlfeststellung im Rahmen mehrerer Strafgesetze, so ist doch zunächst das vorgeschaltete Problem zu lösen, mit Hilfe welcher Kriterien die Alternativität von Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat sachlich umrissen werden kann!. A. Die Parallele des § 265 I StPO Es sei daran erinnert, daß das Reichsgericht und ein Teil der Lehre bis zur Entscheidung der Vereinigten Strafsenate eine Wahlfeststellung nur im Rahmen einer Straftat zulassen wollten 3 und gerade im Bereich der Qualifikationen eine fast übermäßige Differenzierung gepflegt habenc;
Christians, S. 73; Schwarz, S. 93; Hauck, S. 5. Vgl. zu dieser Abgrenzung der Problematik oben 1. Teil, bei Fußn. 250 ff. a Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 30 f. , Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 247. 1
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
es mag auch wiederholt werden, daß es gerade bei dieser Fallgruppe des späteren § 2 b gar nicht bedurfte und daß auch die Gegner der Wahlfeststellung hier noch eine alternative Verurteilung ohne Vorbehalt befürworten 5 • Zur Begründung wird weitgehend auf die Wertung des Gesetzgebers verwiesen6 ; aber dieses formale Argument erweist sich als brüchig, wenn man bei einigen Ziffern des § 243 I a. F. eine Wahlfeststellung zuläßt, bei anderen hingegen nicht. Man hat deshalb daneben versucht, ein materielles Kriterium einzuführen, das sich am besten mit der Gleichwertigkeit, Gleichrangigkeit oder Gleichartigkeit der Qualifikationen umschreiben läßt7. Wie dehnbar und damit unverwendbar diese Formel ist, zeigt sich aber an einigen Entscheidungen des Reichsgerichts: Wurde anfangs die Alternativfeststellung von Einbruchsdiebstahl und Nachschlüsseldiebstahl schon deswegen abgelehnt, weil es sich nicht um gleichwertige Ausführungsarten desselben Verbrechens handelte8 , so wurde die Verurteilung später zumindest bei der Unaufklärbarkeit von Einsteigediebstahl und Nachschlüsseldiebstahl für statthaft erklärt, da beide Male die Unversehrtheit des Gebäudes erhalten geblieben seiD. Letztlich wurde die Wahlfeststellung aber auch zwischen Einbruchsdiebstahl und Nachschlüsseldiebstahl wegen der Gleichartigkeit der Ausführungsarten und Tatbestände zugelassen1o , während es bei der Unvergleichbarkeit zwischen den Tatbeständen des nächtlichen Diebstahls und des Waffendiebstahls trotz der Gleichwertigkeit der Ausführungsarten verbliebl l. Worauf kommt es also an? Sicherlich auf eine materielle Abgrenzung; andererseits aber ebenso gewiß nicht auf die Qualität des Diebstahlsobjekts. Es geht nicht an, eine Wahlfeststellung zwischen § 243 I Ziff. 1 a. F. (Diebstahl einer dem Gottesdienst dienenden Sache) und § 243 I Ziff. 4 a. F. (Diebstahl eines Reserverads) deshalb abzulehnen, weil die Fälle in ihrem Unrechtsgehalt nicht gleich zu bewerten seien12• § 243 ist ein Eigentumsdelikt, und es kann - gerade in einem Staat mit GlaubensVgl. oben 1. Teil, (bei) Fußn. 251; a. A. nur Maurach AT, § 10 III, S. 94. Vgl. nur Mayer AT, S. 192; siehe auch Kugelmeier, S. 6. 7 Vgl. nur das Reichsgericht in RGSt 11, 103 (104) und die weit. Angaben oben 1. Teil, Fußn. 30 f. 8 Vgl. RGSt 22, 213 (216) und oben 1. Teil, Fußn. 30. 8 RGSt 55, 44 (45) und oben 1. Teil, Fußn. 31. 10 RGSt 55, 228 (229/230) und oben 1. Teil, Fußn. 31; neuer Oberbegrüf wäre etwa die "ordnungswidrige Gelangung zu den gestohlenen Sachen" (vgl. Wertheimer, S. 51). - Nach § 243 Ziff. 1 n. F. sind alle Ausführungen in einer Qualifikation zusammengefaßt (siehe auch oben 1. Teil, bei Fußn. 246). 11 RGSt 56, 35 (36) bezogen auf § 250; siehe oben 1. Teil, Fußn. 31. 12 So aber Baumann, Lehrb., § 14 II 1, S. 150; Wertheimer, S. 51; BGH LM § 243 I Züf. 7 StGB Nr.l; a. A. Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 11. Vgl. aber auch Ostem, S. 103. 5
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1. Abschn.: Modalitäten und Qualifikationen einer Tat
63
freiheit - auf die kirchliche Verehrung eines gestohlenen Gegenstandes nicht primär ankommen. Ähnlich untauglich wäre das Abheben auf den materiellen oder künstlerischen Wert der Sache. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Maßstab bei der Abgrenzung kann nur die GZeichwertigkeit des HandZungsunwertes bei identischem ErfoZgsunwert sein. Damit ist festgestellt, daß bereits der Intensitätsgrad einer jeden Wahlfeststellung erreicht sein muß, nämlich die Beachtlichkeit des Beweiszweifels für den Handlungsunwert13 ; weiterhin ist deutlich gemacht, daß es sich wegen der Identität des Erfolgsunwertes (jeweilige Verletzung des Eigentums bzw. des Vermögens) um eine Straftat handeln muß. Dem Vorwurf schließlich, wiederum das konturlose Kriterium der Gleichwertigkeit verwendet zu haben, wird dadurch entgangen, daß eine vollkommene Parallele zu den Abgrenzungen im Rahmen von § 265 I StPO geschlagen wird. Nach dieser Vorschrift ist der Angeklagte nämlich nur dann auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen, wenn er wegen eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden SOll14. So hält namentlich Eb. Schmidt 15 einen Hinweis nach § 2'65 I StPO stets dann noch nicht für erforderlich, "wenn ein und derselbe Tatbestand verschiedene Begehungsformen gleichgeordnet zur Verfügung stellt". Nun mag der Kenner der Materie vortragen, daß dieser Gesichtspunkt in der Diskussion um 1900 und 1935 schon einmal eine Rolle gespielt hat l6 • Nur, diese Diskussion war deshalb nicht fruchtbar, weil sie mit großenteils falscher Argumentation geführt wurde. Zwar hat besonders Wertheimer17 die Parallelität der Wahlfeststellung zur (mangelnden) Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes herausgestelltl8 ; aber seine Folgerung, daß jenseits des alternativen Mischgesetzes eine Wahlfeststellung nicht mehr möglich sei, war - wie bereits Ostern19 vorgebracht hat - zu eng. Zumindest ist heute eine Wahlfeststellung (in engstem Rahmen) auch bei einer Mehrheit von Strafgesetzen zulässig; es mag Siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 236 ff. Der BGH unterscheidet neuerdings (BGHSt 23, 95 = NJW 1969, S. 2246 mit zust. Anmerkung von Martin LM § 265 StPO Nr. 29) zwischen "andersartigen Begehungsformen desselben Strafgesetzes" (Hinweispflicht, wenn "im Wesen verschiedene, andersartige Straftatbestände") und "gleichartigen, auswechselbaren Erscheinungsformen desselben Tatbestandes". 16 Teil II, § 265 Anm. 11; vgl. auch Geier in Löwe-Rosenberg, § 265 Anm. 4, S. 1083, der von "wesensgleichen Begehungsformen derselben strafbaren Handlung" spricht; gute Darstellung bei Martin LM § 265 StPO Nr. 29. 18 Vgl. Wertheimer, S. 20/21; Ostern, S. 99; GeTig, S. 44 - 46. 17 S.20/21. 18 Und zwar im umgekehrten Sinne: Die von ihm herausgearbeiteten kumulativen Mischgesetze sollten den Hinw. nach § 264 Stpo a. F. (= § 265 StPO) obligatorisch machen (vgl. S. 21). 1. S. 99 mit Hinw. auf die §§ 267, 269 a. F.; vgl. auch GeTig, S. 45. 13 14
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
allerdings vorerst dahinstehen, ob diese Feststellung auch für die kumulativen Mischgesetze gilt. Andererseits ist entgegen Ostern20 der umgekehrte Schluß nicht statthaft: Bei verschiedenartigen Qualifikationen, die eine Mehrheit von Straftatbeständen ergeben, ist auch ein Hinweis auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt unbedingt geboten. Wenn weiterhin namentlich von Ostern 20 und Gerig21 die Parallelität zwischen der Wahlfeststellung innerhalb einer Straftat und der Vorschrift des § 265 I StPO deshalb verleugnet wird, weil hier ganz verschiedene Zwecke verfolgt würden, so besitzt diese Feststellung keine Aussagekraft. Es ist zwar richtig, daß die alternative Feststellung der Verurteilung bei unaufgeklärtem Sachverhalt, § 265 StPO hingegen dem Schutze des Angeklagten gegen Überrumpelung und Erschwerung seiner Verteidigung dient22 ; die entscheidende Parallelität liegt aber gerade darin, daß dann, wenn dem Angeklagten noch nicht einmal der Schutz gegen eine etwaige Überrumpelung und Erschwerung seiner Verteidigung gewährt werden muß, auch ohne Gefahr für die Rechtssicherheit und im Einklang mit der materiellen Einzelfallgerechtigkeit eine Wahlfeststellung zulässig sein kann und muß. Die Alternativen liegen vom Handlungsunwert und damit vom Unrechtsgehalt und auch vom Schuldvorwurf her betrachtet so dicht beisammen, daß dem Angeklagten die tatumstandliche oder tatbestandliche Aufschlüsselung in keiner Weise zugute kommen darf. Die Parallele liegt mithin in der verfassungsrechtlich einwandfreien Versagung des Schutzes. Eine gewisse überzeugungskraft besitzt dagegen der weitere Einwand von Ostern23 , nach dem mit der Parallele des § 265 StPO gar nichts gewonnen sei, weil diese Stütze selbst auf tönernen Füßen stehe. In der Tat ist der Umfang der Hinweispflicht gemäß § 265 I StPO heftig umstritten und harrt einer klaren Leitlinie24 • Bei näherem Zusehen kommt es darauf jedoch nicht an: Es wurde oben eingehend dargestellt, daß die Konturen der Rechtsprechung bei der Bestimmung der Gleichwertigkeit von Ausführungsarten und Qualifikationen einer Straftat nur scheinbar gefestigt waren und nach den erzielten Ergebnissen eher Willkür als Präzision offenbarten. Ein solcher Vorwurf läßt sich im übrigen bei der späteren Diskussion über die Alternativität bei einer Mehrheit von Strafgesetzen ohne weiteres erhärten, wenn die Auswirkungen des Kriteriums der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" kritisch untersucht werden. Es gilt mithin allein, das im Ansatz richtige materielle Kri20 21
U
23
S.99. S.45. So etwa Gerig, S. 45. S.99.
f' Darüber legen die Ausführungen bei Eb. Schmidt, Teil II, § 265 Anm. 9 - 11 und Geier in Löwe-Rosenberg, § 265 Anm. 5, S. 1083 - 1085 beredtes Zeugnis ab.
1. Abschn.: Modalitäten und Qualifikationen einer Tat
65
terium der "Gleichwertigkeit" mit Inhalt zu füllen. Der einzig beschreitbare Weg ist dabei die Heranziehung der parallelen Abgrenzung im Sinne von § 265 I StPO. Man muß sich bei der Zulassung der Wahlfeststellung innerhalb einer Straftat immer bewußt sein, daß man bei entsprechender Sachlage ebenso auf den Hinweis der rechtlichen Veränderung verzichten müßte oder - anders ausgedrückt - daß man mit der Versagung des Schutzes im Rahmen der alternativen Verurteilung gegebenenfalls auch die schützende Funktion des § 265 I StPO verneinen müßte. Dies gilt auch umgekehrt: Der Vorsitzende des Gerichts sollte sich bei seiner Erklärung jeweils im klaren darüber sein, daß die Annahme der rechtlichen Veränderung im Falle eines Beweiszweifels eine außerordentlich sorgfältige Prüfung der Zulässigkeit einer Wahlfeststellung erforderlich macht, und daß das Verfassungsrecht in der überwiegenden Mehrheit der Fälle die Feststellung ihrer Unstatthaftigkeit gebietet. In entsprechender Weise vermag der unterlassene Hinweis bei einer etwaigen Unaufklärbarkeit die Außerachtlassung einer solchen Prüfung zu tragen bzw. eine Diskussion um die Zulässigkeit einer alternativen Verurteilung erst gar nicht zu rechtfertigen. Es ist eine aus dem Strafrecht gar nicht wegzudenkende Methode der Aufschlüsselung von normativen Merkmalen und rechtlichen Instituten, daß man auf bereits gesetzlich oder wissenschaftlich herausgearbeitete Strukturen zurückgreift. Diese Methode begegnet bei allgemeinen Fragestellungen so häufig25 , daß hier nur die Fälle näher herausgestellt werden sollen, die mit der Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage in gewissem Zusammenhang stehen: Es wurde im ersten Teil der Arbeit herausgestellt, daß eine eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage immer dann zulässig ist, wenn die in Frage stehenden Delikte ein Stufenverhältnis bilden. Zur Begründung eines solchen Stufenverhältnisses wird nun aber konsequent auf die Lehre der Gesetzeskonkurrenz zurückgegriffen. Nicht nur die bisher behandelten Fälle der Spezialität26 , sondern auch die weiteren Konstellationen der Konsumtion und Subsidiarität27 sollen nach kaum bestrittener Auffassung die 25 Vgl. nur Roxin, Täterschaft, S. 161 -163 zu der Frage, wann bei der Beteiligung am Selbstmord eine strafbare mittelbare Täterschaft vorliegt (Roxin wählt zu Recht die Grenze des § 52); ebenso zustimmenswert ist die Heranziehung der Frankschen Formel zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, um das parallel liegende Problem der Abschichtung von Beihilfe und Mittäterschaft zu lösen (Roxin, Täterschaft, S. 304/305); vgl. ferner die Nutzbarmachung der §§ 228, 229, 904 BGB im Rahmen der Unrechtslehre und die Strukturierung der Garantenstellungen im Bereich der Unterlassungslehre; vgl. neuerdings noch Roxin, Kriminalpolitik, S. 25 ff. 25 Siehe dazu oben 1. Teil, Fußn. 13 und bei Fußn. 132 f. 27 Fuchs, Diss., S.l1; ders., Anmerkung I, S. 739; Klatte, S. 16 Fußn. 3; Siever, S. 37/39/41; Dörr, S. 40; Weber, S. 50; Schwarz, S. 8 Fußn. 22 - 24; vgl. auch
v. Schack, S. 4. 5 Wolter
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
Verurteilung bei mehrdeutiger Tatsachengrundlage ermöglichen28 • Als zweites Beispiel diene die Lehre vom Exzeß des Haupttäters gegenüber der vom Anstifter gewollten Tat. Hier wird zum Teil 29 und wohl zu Recht die Anstifterstrafbarkeit in dem Umfange ausgedehnt, in welchem die wahlweise Feststellung zulässig ist.
B. Einzelfälle Steckt mithin die Vorschrift des § 265 I StPO die Grenzen der zulässigen Wahlfeststellung bei einer Straftat ab, so soll nunmehr mit dieser Leitlinie in der gebotenen Kürze 30 der Bereich der Vermögens- und Eigentumsdelikte auf gleichwertige Modalitäten und Qualifikationen durchgemustert werden. I. Modalitäten einer Eigentums- bzw. Vermögensstraftat
Keine Schwierigkeiten bereitet der Fall der Unaufklärbarkeit von Modalitäten der Tatausführung, obwohl wiederholt sei, daß die Grenze zwischen Ausführungsarten und Qualifikationen flüssig und letztlich unbeachtlich ist31 , 32. Als Ausführungsarten, die keinesfalls einen Hinweis nach § 2'65 I StPO begründen, müssen richtigerweise gelten3s : 28 So findet sich etwa bei Legien (S. 114) der Hinw., daß es sich bei der Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage insoweit um die gleichen Schwierigkeiten handele, "mit denen sich auch die Konkurrenzlehre auseinanderzusetzen hat". - Das Problem des Zusammenhanges zwischen Alternativitäts- und Konkurrenzlehre wird im 2. Abschnitt kritisch zu untersuchen sein. 2D Baumann, Lehrb., § 37 I 3 c, S. 579. 30 Eine Neuregelung des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches in seiner Gesamtheit steht noch bevor; bes. zu berücksichtigen sind allerdings die seit dem 1. 4. 1970 in Kraft befindlichen §§ 243, 244. 31 Siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 245 ff. 32 Sofern im Ausnahmefall bereits der übergang von einer Ausführungsart zur anderen eine Hinweispflicht nach § 265 I StPO begründen soll (vgl. BGHSt 23, 95 [97] mit zust. Anmerkung von Martin in LM § 265 StPO Nr. 29 beim Wechsel von "Haß" auf "Befriedigung des Geschlechtstriebs" im Rahmen von § 211) ist jedenfalls ein kumulatives Mischgesetz gegeben. Diese Entscheidung ist jedoch angreifbar (vgl. Eb. Schmidt, Teil H, § 265 Anm. 11, der die Hinweispflicht verneint, wenn vom Mord aus Habgier zum Mord aus Rachsucht übergegangen wird; beachte auch BGH MDR 1970, S. 382 bei Dallinger für den Sonderfall der eingehenden Erörterung der Fallalternativen in der Hauptverhandlung). 33 Auszuscheiden sind vorher solche Alternativen, die den Handlungsunwert oder die Eindeutigkeit des Tatbestandsmerkmals nicht berühren und den Richter auch nicht zu einer Entscheidung aufrufen. (Insofern wird innerhalb der alternativen Mischgesetze im Sinne von Wertheimer differenziert.) - Als Beispiel wurde bereits oben (1. Teil, bei Fußn. 235 f.) die Alternative "Leib oder
1. Abschn.: Modalitäten und Qualifikationen einer Tat
67
1. Gewalt oder Drohung im Sinne der §§ 244 I Ziff. 2 n. F., 249, 252, 253, 255 34
2. Einbrechen, Einsteigen, Eindringen mit einem falschen Schlüssel usw. (§ 243 Ziff. 1 n. F.)35 3. Eindringen oder Sich-Verborgen-Halten (§ 243 Ziff. 1 n. F. und § 250 I Ziff.4)36 Leben" im Rahmen der §§ 249, 252, 255 herausgestellt. Ferner gehören hierin (wobei ein Hinweis nach § 265 I StPO erst recht entfällt): 1. Gebäude, Wohnung, Dienst- oder Geschäftsraum (§ 243 Züf.l n. F.) 2. falscher Schlüssel oder ein anderes nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmtes Werkzeug (§ 243 Züf.l n. F.) 3. verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung (§ 243 Züf. 2 n. F.); zur Unbeachtlichkeit im Rahmen von § 265 I StPO vgl. Eb. Schmidt, Teil 11, § 265 Anm. 11; Geier in Löwe-Rosenberg, § 265 Anm. 4 b, S. 1084; Wertheimer, S. 52 4. Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude (§ 243 Züf.4n.F.) 5. Gebäude oder Raum (§ 243 Züf. 4 n. F.) 6. dem Gottesdienst gewidmet oder der religiösen Verehrung dienend (§ 243 Züf.4n. F.) 7. Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung (§ 243 Ziff. 5 n. F.); für alternatives Mischgesetz Wertheimer, S. 63 bei der Erörterung des § 304 8. allgemein zugängliche Sammlung oder öffentlich ausgestellt (§ 243 Züf. 5 n.F.) 9. Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel (§ 244 I Ziff. 2 n. F.) 10. Raub oder Diebstahl (§ 244 I Ziff. 3 n. F.) 11. öffentlicher Weg, Straße, Eisenbahn, öffentlicher Platz, offene See oder Wasserstraße (§ 250 I Züf. 3); für alternatives Mischgesetz Wertheimer, S.52 12. Handlung, Duldung oder Unterlassung (§ 253 I) 13. Verbrechen oder Vergehen (§ 257); diese Alternative ist deshalb unbeachtlich, weil der Täter die konkrete strafbare Handlung nicht zu kennen braucht (vgl. Schönke-Schröder, § 257 Anm. 35). Daß die Hinweispfiicht im Sinne von § 265 I StPO aus diesem Grunde entfällt, spricht aus Geier in Löwe-Rosenberg, § 265 Anm. 4 b, S.1084; vgl. auch Wertheimer, S. 55. 34 Siehe dazu oben 1. Teil, (bei) Fußn. 237 und 239; für alternatives Mischgesetz Wertheimer, S. 53. 35 Erinnert sei hier an die Kontroverse im Rahmen der alten Qualifikationen von § 243 I Ziff. 2 und 3; siehe oben (bei) Fußn. 8 - 11. - Die Einstufung als Modalitäten in § 243 Ziff. 1 n. F. sollte richtigerweise eine Hinweispfiicht nach § 265 I StPO entbehrlich machen; a. A. aber sogar für die Alternativität von "Einsteigen" und "Einbrechen" Geier in Löwe-Rosenberg, § 265 Anm. 4 b; richtig dagegen Wenheimer, S. 52. 38 Auch hier wird wieder die Herabstufung alter Qualifikationen (§ 243 I Ziff. 2 und Züf. 7 a. F.) in Modalitäten deutlich. (Damit ist § 243 Züf. 1 n. F. insoweit dem § 250 I Züf. 4 sachlich angepaßt.) Allerdings gelangte Wertheimer (S. 51) hier zu einem kumulativen Mischgesetz (mit dem Erfordernis des Hinw. nach § 265 IStPO); a. A. aber zu Recht Baumann, Lehrb., § 14 11 1, S. 150.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vennögensdelikten
4. Ausnutzen der Hilflosigkeit eines anderen, eines Unglücksfalls oder einer gemeinen Gefahr (§ 243 Ziff. 6 n. F.)37 5. der Täter oder ein anderer Beteiligter führt eine Waffe bei sich (§ 244 I Ziff. 1 und 2 n. F.)38 6. zu verhindern oder zu überwinden (§ 244 I Ziff. 2 n. F.)
7. Schußwaffe oder Waffe (Werkzeug) zur Überwindung (Verhinderung) eines Widerstandes (§ 244 I Ziff. 1 und Ziff. 2 n. F.)39 8. um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern (§§ 253, 263)40 9. die Modalitäten des § 259 141 10. die Modalitäten des § 263 (durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung bzw. Unterdrückung wahrer Tatsachen; einen Irrtum erregen oder unterhalten)42 11. die geschützten Gegenstände des § 30443 12. Automatenmißbrauch oder die Möglichkeiten zum Erschleichen freien Eintritts (§ 265 a). Demgegenüber bildet § 260 mit seinen Alternativen der gewerbs- oder gewohnheitsmäßigen Hehlerei nach richtiger Auffassung ein kumulatives 37 Es kann zweifelhaft sein, ob diese Alternativen überhaupt schon dem Problemkreis der Wahlfeststellung zugehörig sind; für ihre Beachtlichkeit spricht aber, daß die dargestellten Situationen bei Ausnutzung zum Diebstahl einen zwar geringen, aber doch nicht übersehbaren Unterschied im Handlungsunwert offenbaren. 3B Gewisse Unterschiede im Handlungsunwert und in der Gefährlichkeit für den Eigentümer bzw. Gewahrsamsinhaber zeigen sich zumindest dann, wenn der (am Tatort) Beteiligte nur Anstifter oder Gehilfe ist; anderes mag beim Mittäter wegen der Beteiligung im Ausführungsstadium und der gegenseitigen Zurechnung gelten, sofern die Mittäterschaft überhaupt unter den Begriff der Beteiligung fällt; für alternatives Mischgesetz Wertheimer, S. 52. 38 Hier offenbart sich wiederum deutlich der fließende Übergang zwischen Modalitäten und Qualifikationen. Richtigerweise hätten die beiden Waffenarten nicht in verschiedenen Ziffern untergebracht werden dürfen. Zwar wollte man die alten Streitfragen zum Waffendiebstahl auf diese Weise elegant lösen, hat aber zweierlei übersehen: Erstens verringert die begrüßenswerte Einbeziehung und Beschreibung der "anderen Waffen" den Abstand zur Schußwaffe ganz beträchtlich (die ohne jeden Kraftaufwand mögliche, aber nicht unbedingt gewollte Verwendung einer Pistole wird in ihrer Gefährlichkeit kompensiert durch die erforderliche Motivation beim Tragen einer anderen Waffe), so daß allein die gleichwertige Modalität die richtige Einordnung gewesen wäre - und zweitens ist diese Auffassung ja immer noch in § 250 I Ziff. 1 verwirklicht (vgl. dazu auch Schönke-Schröder, § 250 Anm. 2). '0 Für alternatives Mischgesetz Wertheimer, S. 54. '1 Für alternatives Mischgesetz Stahl, S. 31; Wertheimer, S. 56. Eine Hinweispflicht nach § 265 I StPO verneint denn auch Eb. Schmidt, Teil II, § 265 Anm. 11; a. A. aber Geier in Löwe-Rosenberg, § 265 Anm. 4 b, S. 1084 mit Hinw. U Für alternatives Mischgesetz Wertheimer, S. 57; vgl. auch Gerig, S.14. U a. A. Wenheimer, S. 63 (kumulatives Mischgesetz).
1. Abschn.: Modalitäten und Qualifikationen einer Tat
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Mischgesetz 44 • Beide Spielarten setzen eine vollkommen verschiedene Motivation sowie eine unterschiedliche zeitliche Intensität voraus45 • Ein Hinweis nach § 265 I StPO erscheint deshalb auch zwingend geboten411 • Es bleibt anzumerken, daß die Alternativität von "Beschädigen oder Zerstören" im Sinne von § 303 nicht in diesen Zusammenhang gehört, weil beide Formen in einem Stufenverhältnis stehen und insoweit der Grundsatz "in dubio pro reo" zum Zuge kommt47 • 11. Qualifikationen einer Eigentums- bzw. Vermögensstraftat
Nach dieser Zusammenstellung von Modalitäten einer Straftat bleiben die Alternativitäten zu erörtern, die zwar eine Mehrheit von Tatbeständen (Qualifikationen) ergeben, die Einheitlichkeit der Straftat aber unberührt lassen48 • Daß die Vorschrift des § 265 I StPO auch in diesen Fällen eine Hinweispflicht nicht zu gebieten braucht, sei zur Entkräftung möglicher Vorwürfe sogleicl1 an dem Beispiel des § 266 demonstriert: Namentlich Eb. Schmidt 49 hält beim Übergang vom Mißbrauchstatbestand zum Treubruchstatbestand eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes noch nicht für gegeben. Nun erscheint gerade dieser Fall deshalb fraglich, " a. A. Wertheimer (S. 56) mit der fehlgehenden Begründung, daß sich Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit verbinden könnten und erstere die letztere oftmals umfassen würde. Zumindest für den Bereich der Alternativität wäre mit dieser These nichts gewonnen, da bei einer Verbindung oder Umfassung die Gewerbsmäßigkeit eindeutig festgestellt werden könnte. 45 Vgl. dazu richtig das Reichsgericht in RGSt 27,138 (139): bei der Gewerbsmäßigkeit müsse eine Bereicherungsabsicht vorliegen und könne andererseits eine einmalige Handlung ausreichen; die gewohnheitsmäßige Hehlerei als Hangdelikt (vgl. nur Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 53) erfordert dagegen neben der wiederholten Begehung eine anders geartete Seelenlage. 46 RGSt 27, 138 (138); Geier in Löwe-Rosenberg, § 265 Anm. 4 b, S. 1084;; a. A. Eb. Schmidt, Teil 11, § 265 Anm. 11. 47 Richtig Wertheimer, S. 63; Legien, S. 48; EgZe, S. 16 Fußn. 14. Ähnliches könnte für "schwere Körperverletzung oder Tod" im Rahmen von § 251 gelten, sofern beide Erfolge in einem Stufenverhältnis stehen (vgl. dazu den 3. Teil der Arbeit). Falls die alternative "Marterung" nicht bereits zu einer schweren Körperverletzung führt, könnte auch insoweit ein Plus-minus-Verhältnis zu bilden sein. - Für Wahlfeststellung im Rahmen von § 303 hingegen Christians, S. 75; ebenso fälschlich ders. a.a.O., bei § 274 I Ziff. 1 ("überhaupt nicht oder nicht ausschließlich"). 48 Es ist unverständlich, daß man die Fälle der Wahlfeststellung innerhalb einer Straftat oftmals auf die Modalitäten beschränkt (vgl. nur Christians, S. 5; Hänsel, S. 6; beachte auch Eb. Schmidt, Teil 11, § 244 Anm. 14); denn abgesehen von den dargestellten fließenden übergängen zwischen Ausführungsarten und Qualifikationen will etwa Eh. Schmidt (von zusätzlichen Sonderfällen - vgl. Anm. 18 - abgesehen) eine Wahlfeststellung im Rahmen der Rechtsprechung des Reichsgerichts vor der Entscheidung der Vereinigten Strafsenate und damit auch in einem präzise abgesteckten Bereich von Qualifikationen einer Straftat zulassen (wie Eb. Schmidt auch Schorn, S. 49). 48 Teil 11, § 265 Anm. 11.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
weil die beiden Tatbestände in ihren Voraussetzungen derartige Unterschiede aufweisen50, daß sie besser dem Gebiet des kumulativen Mischgesetzes zugeordnet werden sollten; er vermittelt aber zumindest den allgemeinen Aspekt, daß die Parallelität von zulässiger Wahlfeststellung und statthafter Unterlassung eines Hinweises gemäß § 265 I StPO auch im Bereich der Qualifikationen aufrecht erhalten werden kann. Welches sind nun derartige Qualifikationen? Eine kritische Durchmusterung der Eigentums- und Vermögens straftaten ergibt folgenden Katalog:
1. § 243 Ziff.1 i. V. m. § 243 Ziff. 2,4,5 und 6 n. F. Die Gemeinsamkeit aller Qualifikationen liegt - wenn man einmal den Gedanken des religiösen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Wertes als bei einem Eigentumsdelikt zumindest zweitrangig abtut51 hier darin, daß der Täter die Sache nicht einfach ergreift, sondern vor der Wegnahme einen Schutzwall einreißen muß52. Das geschieht entweder durch überwinden faktischer Hindernisse oder durch Ausnutzen entgegengebrachten Vertrauens. Das Einbrechen oder Nachschließen steht insofern dem Zunutzemachen des offenstehenden Gotteshauses 53 oder der allgemein zugänglichen Sammlung gleich. Auch der Täter, der sich in 50 Vgl. dazu etwa Schönke-Schröder, § 266 Anm. 2 ff. und 20 ff. und BGH NJW 1954, S. 1616 (anders als der Treubruchstatbestand setzt der Mißbrauchstatbestand rechtsgeschäftliche und nicht deliktische Handlungen voraus und verzichtet andererseits auf das Erfordernis der nach Dauer und Intensität erheblichen Interessenwahrung; zudem braucht die Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis nicht zwingend die Pflicht zur Vermögensfürsorge zu enthalten; vgl. BGH a.a.O.). - Mit Recht hält Wertheimer (S. 58) deshalb ein kumulatives Mischgesetz für gegeben und verlangt Geier (in Löwe-Rosenberg, § 265 Anm. 4 b, S. 1084) einen Hinw. nach § 265 IStPO. 51 Dazu bereits oben bei Fußn. 12 und grundsätzlich auch Christians (S. 73), nach dem bei einer Straftat mit mehreren Rechtsgütern das primäre Rechtsgut entscheidend ist. 52 Vgl. auch Schönke-Schröder, § 243 Anm. 36, der in Ziffer 5 neben dem Schutz des Eigentums auch das Interesse der Allgemeinheit hervorhebt und die Einkleidung in ein Eigentumsdelikt mit dem erforderlichen Zustand der relativen Schutzlosigkeit rechtfertigt. Den Gedanken des Schutzwalls hat auch das Reichsgericht in RGSt 55, 228 (230) verwendet, als es erstmals (vgl. oben Fußn. 10) die Wahlfeststellung zwischen Einbruchsdiebstahl und Nachschlüsseldiebstahl zuließ, weil es sich um die gleiche Schutzwehr gegen diebisches Eindringen handelte (keiner Erwähnung bedarf allerdings das weitere Argument des Reichsgerichts, daß oftmals neben dem Weg des Einbruchs ein Nachschlüssel genommen werde, da insoweit der Nachschlüsseldiebstahl bei einem etwaigen Beweiszweifel eindeutig festgestellt werden könnte). 53 Es mag hier die Frage auf sich beruhen, ob man dann nicht auch die Wegnahme von z. B. Gesangbüchern entgegen der h. M. (vgl. nur SchönkeSchröder, § 243 Anm. 34) unter Ziffer 4 fallen lassen müßte. Immerhin mag ja der dargestellte Sekundärzweck des Kirchendiebstahlstatbestandes eine BeSchränkung rechtfertigen.
1. Abschn.: Modalitäten und Qualifikationen einer Tat
71
einem Raum zur Ausführung eines Diebstahls verborgen hält, überwindet eine solche Vertrauensbarriere. - Schließlich gehört auch das Ausnutzen einer Hilflosigkeit oder Gefahr (Ziffer 6) in diese Reihe, da der Eigentümer in solchen Fällen auf die Integrität der anderen zwangsläufig angewiesen ist und insofern ebenfalls ein (hoffnungsvolles) Vertrauen entgegenbringt. Nun mag man einwenden, daß es trotz aller Gemeinsamkeiten rechtlich etwas Verschiedenes sei, ob der Täter aus einer Kirche oder nach einem Einbruch aus einem Dienstgebäude stehle, ob er die Sache wegnehme, obwohl sie durch ein verschlossenes Behältnis gesichert sei, oder ob er sich die relative Schutzlosigkeit der Sache in einer öffentlichen Ausstellung zunutze mache. Dieser Einwand ist aber bei näherer Betrachtung nicht stichhaltig. Sofern überhaupt derartige Zweifel auftreten, die entweder nicht beseitigt werden können (Wahlfeststellung) oder nur zugunsten einer anderen Qualifikation ausgeräumt werden (problem des § 265 I StPO), basieren sie doch auf einem konkreten Hintergrund. Der Dieb jagt etwa monatelang hinter einem Heiligenbild her, das eine wahre Kette von Aufenthaltsorten durchwandert. Von seinem Standort in einer Kirche gelangt es zum Transport in ein verschlossenes Behältnis und schließlich in eine öffentliche Ausstellung; drei Tage nach Eröffnung erweist sich das Bild als gutes Imitat. Hier muß es doch für die Problematik der Wahlfeststellung und der Hinweispfiicht nach § 265 I StPO völlig unmaßgeblich sein, ob der Täter das Duplikat rechtzeitig in die Kirche gehängt, in die Transporttruhe gelegt oder aber in den Ausstellungsraum verbracht hat. Gegenüber den zusammenhängenden Qualifikationen der Ziffern 1, 2, 4, 5, 6 bildet der gewerbsmäßige Diebstahl der (neuen) Ziffer 3 einen Sonderfall und ergibt mit jeder anderen Qualifikation des § 243 n. F. ein kumulatives Mischgesetz, wie wegen der neuen Regelbeispiel-Technik unten noch näher zu begründen sein wird. 2. § 2441 Ziff. 1,2 n. F.54 und § 2441 Ziff. 3 n. F. Die Gemeinsamkeit bei der Qualifikationen liegt hier in der Gefährlichkeit, die ein Waffen- bzw. Bandendiebstahl für den Eigentümer oder Gewahrsamsinhaber mit sich bringt55 • 54 Es sei daran erinnert. daß die Ziffern 1 und 2 nur Modalitäten sind und insofern in sich nur eine Qualifikation bilden (siehe oben Fußn. 39). 55 Vgl. nur Schönke-Schröder, § 244 Arun. 3, 10 und 11; daß der Bandendiebstahl daneben auch wegen der Gefährdung der Allgemeinheit scharf geahndet wird (vgl. etwa Schönke-Schröder, § 244 Arun. 11), hat nur eine hier nicht ausschlaggebende Sekundärbedeutung.
72
2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten 3. Für § 250 I Zijj.l und § 250 I Zijj. 2 gilt dieselbe Erwägung. 4. § 250 I Zijj. 3 und § 250 I Zifj. 4
Beiden Qualifikationen ist gemeinsam, daß die Rechtsgüter an öffentlichen Orten56 und zur Nachtzeit schwerer zu schützen sind57 . Demgegenüber bilden die Ziffern 1 und 2 im Verhältnis zu den Ziffern 3 und 4 des schweren Raubes nur kumulative Mischgesetze58 ; ein Ergebnis, das nach dem heutigen (recht unbefriedigenden) Rechtszustand zumindest bruchstückhaft dadurch gerechtfertigt werden kann, daß die entsprechenden Fälle des schweren Diebstahls in den verschiedenen Vorschriften des § 243 und des § 244 n. F. untergebracht sind59 • Als kumulative Mischgesetze sind ferner kurz die Vorschriften der §§ 265, 257 zu erwähnen. - Beim Versicherungsbetrug ergibt sich die Ungleichwertigkeit bei der Unterfälle aus der vollkommenen Verschiedenheit der Handlungen: Inbrandsetzen einer Sache auf der einen, Sinkenoder Strandenmachen eines Schiffes auf der anderen Seite60 • - Sofern die Begünstigung überhaupt im Bereich der Vermögensdelikte Berücksichtigung finden soll, folgt das kumulative Mischgesetz bereits aus der Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter und der damit verbundenen ungleichwertigen Motivation des Täters61 • Unangefochten ist nämlich die persönliche Begünstigung als Rechtspflegedelikt aufzufassen; der Streit geht lediglich darum, ob man die sachliche Begünstigung entgegen der wohl h. L.62 nicht ebenfalls als Delikt gegen die Rechtspflege, sondern als Vermögenstatbestand63 begreifen soll. Vgl. dazu etwa Schönke-Schröder, § 250 Anm. 5. Es ist allerdings nur schwer verständlich, weshalb der Gesetzgeber den § 243 I Ziff. 7 a. F. aufgehoben (und nur z. T. in Ziff. 1 n. F. eingearbeitet), dagegen aber den entsprechenden § 250 I Ziff. 4 bestehen gelassen hat (vgl. dazu auch Schönke-Schröder, § 250 Anm. 6). 58 Insoweit besteht im Ergebnis übereinstimmung mit RGSt 56, 35 (36); siehe oben 1. Teil, Fußn. 31 (keine Wahlfeststellung zwischen den Ziffern 1 und 4 des § 250); a. A. etwa Lücking, S. 164. 59 Mithin läßt sich als allgemeines Ergebnis bei der Betrachtung der §§ 243, 244,250 feststellen, daß an der Notwendigkeit einer Differenzierung innerhalb der Qualifikationen nicht gezweifelt werden sollte (a. A. aber Lücking, S. 164; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 11; Schönke, S. 48); wenngleich die in Rechtsprechung und Literatur vorgenommenen Unterscheidungen (siehe oben 1. Teil, Fußn. 247) nicht durchweg der Zustimmung wert sind. 50 Für kumulatives Mischgesetz auch Wertheimer, S. 57. 61 So auch Wertheimer, S. 54; Stahl, S. 30. 62 Vgl. nur Schönke-Schröder, § 257 Anm. 1 mit zahlreichen Hinw. (Schröder spricht präziser von Restitutionsvereitelung) ; beachte noch BGH JZ 1971, 55
57
S.597.
63 Vgl. nur WetzeZ, Lehrb., § 58 I, S. 393 mit weit. Nachw. und überzeugender Begründung.
1. Abschn.:
Modalitäten und Qualifikationen einer Tat
73
Weder in den Rahmen des kumulativen noch in den des alternativen Mischgesetzes paßt der Beweiszweifel von Unterschlagung (§ 246 1. Alt.) und Veruntreuung (§ 246 2. Alt.). Wertheimer6 4 entnimmt die Selbständigkeit der Delikte aus den verschiedenen Strafrahmen. Entscheidend aber dürfte sein, daß beide Tatbestände ein Stufenverhältnis bilden65 und deshalb dem Grundsatz "in dubio pro reo" zugänglich sind. Nach alledem bleibt festzuhalten: Entgegen einer im älteren Schrifttum geäußerten Auffassung lassen sich die im Rahmen von § 265 I StPO erarbeiteten Strukturen bei der parallel liegenden Frage der Wahlfeststellung von Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat nutzbar machen. Daß das Problem der Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes (§ 265 I StPO) selbst zum Teil umstritten ist, vermag dieser Parallelität keinen Abbruch zu tun. Vielmehr müßte gerade die innere Abhängigkeit beider Problemkreise zu einer Vereinheitlichung der Ergebnisse beitragen. Sollte dennoch Kritik an diesem Lösungsweg laut werden, so ist darauf zu verweisen, daß mit der Verwerfung des alternativen Mischgesetzes nicht zwingend über den Freispruch entschieden ist. Vielmehr könnte noch für den Fall, daß eine Wahlfeststellung bei kumulativen Mischtatbeständen stets ausgeschlossen werden muß, der Weg zur eindeutigen Verurteilung aus dem Grundtatbestand offenstehen".
8'
S.53.
§ 246 2. Alt. ist ein qualifizierter Fall der einfachen Unterschlagung; vgI. nur Schönke-Schröder, § 246 Anm. 26. 68 z. B. § 242 bei der Unaufklärbarkeit von Qualifikationen des § 244; diese Problematik wird im nächsten Abschnitt zu erörtern sein; dazu neuerdings auch Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 66. 65
2. Abschnitt
Die Alternativität von kumulativen Mischtatbeständen und mehreren Strafgesetzen A. Die beschränkt zulässige Wahlfeststellung bei mehreren Strafgesetzen Die Lösung bei der Alternativität von kumulativen Mischtatbeständen setzt eine endgültige Untersuchung über die Frage voraus, wie die Zulässigkeitsgrenzen der Wahlfeststellung bei mehreren selbständigen Strafgesetzen zu ziehen sind. Es bedarf dabei keiner Wiederholung, daß der Rahmen der Statthaftigkeit von alternativen Verurteilungen unter dem primären Gebot der Rechtssicherheit äußerst eng abzustecken ist und daß der materiellen Einzelfallgerechtigkeit als der zweiten Komponente des Rechtsstaatsprinzips nur begrenzter Spielraum gewährt werden kannil7 • - Es wurde auch bereits angedeutet, daß Rechtsprechung und überwiegende Lehre nach Aufhebung des § 2 b an die Judikatur der Vereinigten Strafsenate anknüpften, während eine beachtliche Stimmengruppe in der Wissenschaft mit der Formel der "Identität des Unrechtskerns" einen weiterreichenden Mittelweg beschreitet68 • Beide Lösungsversuche lassen sich in ihren unterschiedlichen Argumentationen und Ergebnissen am besten an dem eingangs hervorgehobenen FallilD aufzeigen, in dem einerseits lediglich die Tatbestände über Diebstahl und Hehlerei unaufgeklärt blieben und andererseits der zusätzliche Zweifel auftrat, ob der Täter - wenn er nicht Hehler war - die Sache gar gewaltsam weggenommen hatte. Die Vereinigten Strafsenate begründeten die Zulässigkeit der Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei, die ohnehin nur als schwerwiegende Ausnahme zu begreifen sein sollte, vornehmlich damit, daß insoweit die Sicherheit der Urteilsfindung und die Gerechtigkeit der Urteilswirkung noch nicht preisgegeben würden. Nach allgemeinem Rechtsempfinden werde den Taten eine ähnliche sittliche Bewertung zu67 Vgl. dazu die Erörterungen im 1. Teil, bei Fußn. 188 ff. So bemerken Fuchs (Tatidentität, S. 1110) und Deubner (Grenzen, S. 21/22) zu Recht, daß heute nur noch die Frage nach dem Umfang der Wahlfeststellung gestellt werden könne; vgl. auch Jescheck, Lehrb., § 16 III 3, S. 106. 68 Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 40 f. 69 Vgl. oben 1. Teil, Fußn. 22.
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
75
teil; sie setzten ferner eine verschiedene seelische Beziehung des Täters nicht voraus70 . Bei dieser festen stofflichen Beschränkung werde zudem die Gefahr gebannt, die durch die Ungewißheit des Richters heraufbeschworen werde, wenn er nur negative Abgrenzungen zu den nicht vorliegenden Möglichkeiten treffe 71 • Die Obergerichte und der Bundesgerichtshof sowie die h. L. haben sich im wesentlichen diese Gedanken zu eigen gemacht und mit der Formel der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" umschrieben72 . Von diesem Standpunkt aus folgerichtig 73 wird die Wahlfeststellung zwischen Raub und Hehlerei abgelehnt74, da die beiden Tatbestände wegen der Verletzung der persönlichen Freiheit in § 249 nach dem allgemeinen Rechtsempfinden eine unterschiedliche sittliche Bewertung erführen und eine verschiedenartige seelische Beziehung des Täters zu seiner Tat erforderten75 . Der deswegen ausgesprochene Freispruch wird von den Autoren, die auf die "Identität des Unrechtskerns" abheben wollen, als grob unbillig, lebensfremd und rechtsstaatlich bedenklich empfunden7e . In der Tat erscheint es als nur schwer nachvollziehbares Ergebnis, daß sich der Straffällige nur um deswillen Straffreiheit verdient, weil er die Sache möglicherweise sogar mit Gewalt weggenommen hat. So wird als allgemeine Lösung vorgeschlagen, den Angeklagten stets dann aus dem milderen Gesetz zu verurteilen, wenn sich in dem schwereren Tatbestand ein gleicher oder gleichartiger "Mindestvorwurf"77 ausmachen lasse 78 . Im RGSt 68, 257 (261). RG a.a.O., S. 260/261. 72 Die Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei wird deshalb zugelassen vom OLG Hessen in NJW 1947/1948, S. 696 f. (697); OLG Freiburg in DRZ 1947, S. 65; OLG Celle in DRZ 1947, S. 64 f. (64); vom OGH in OGHSt 2, 89 (93); vom BGH in BGHSt 1, 302 (304); BGHSt 11, 26 (28); BGHSt 15, 63 (65); BGHSt 15, 266 (268); BGHSt 16, 184 (187); von Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 3 C, S. 77; Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 8; Schaffstein, S. 727; Baumann, Lehrb., § 14 II 1, S. 150; Mezger-Blei I, § 11 IH, S. 34; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 11; Jescheck, Lehrb., § 16 III 2 a, S. 104 Fußn. 16; Peters, Lehrb., § 37 III 2, S. 250; Brießmann, S. 202; Städtler, S. 82. - Vgl. auch: Lazi, S. 80 und 113 (gleiche sittliche Mißbilligung); Hänsel, S. 85 (Verletzung des gleichen Rechtsguts); Schönke, S. 48 (innere Verwandtschaft der Tatbestände); Sax, S. 748 (genetisch-sachlich und damit in mehr objektivem Sinne rechtsethisch und psychologisch vergleichbar); Grünhut, S. 338. 73 Fuchs, Anmerkung II, S. 17; OeHers, S. 506; vgl. auch Willms in LM Nr. 30 zu § 267 IStPO. 74 BGHSt 21, 152 ff.; zust. Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 4 a, S. 78; vgl. auch Mezger-Blei I, § 11 IH, S. 34; Fuchs, Anmerkung II, S.17. 75 BGHSt 21, 152 (154) - urt. v. 11. 11.1966, 4 StR 387/66 = NJW 1967, S.359. 76 Vgl. etwa Deubner, Anmerkung I, S. 738. 77 Der Ausdruck stammt von Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28. 78 Deubner, Grenzen, S. 23/24; ders., Verhältnis, S. 96; ders., Anmerkung I, 70 71
76
2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
konkreten Fall der Alternativität von Raub und Hehlerei liege der Kerngehalt in der rechtswidrigen Zueignung fremden Gutes 79 • Eine Diffamierung des Täters trete bei einem solchen Vorgehen deshalb nicht ein, weil nur der Hehlereitatbestand im Tenor zu erscheinen brauche. Daß der Täter in den Urteilsgründen auch des Raubes verdächtigt werde, könne der Gerechtigkeit der Urteilswirkung nicht entgegenstehen, da auch bei einem Freispruch mangels Beweises sämtliche in Betracht gezogenen Tatbestände erörtert werden müssen (§ 267 V StPO)BO. Eine unzumutbare Bemakelung des Täters trete erst bei mangelnder Identität des Unrechtskerns auf. Einen Weg zwischen den aufgezeigten Lösungen der Straflosigkeit und der alternativen Verurteilung wegen Raubes oder Hehlerei beschreiten die Autoren, die einerseits an dem zum Freispruch führenden Kriterium der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" festhalten, andererseits aber den Raub auf den Rumpftatbestand des einfachen Diebstahls zurückführen und danach - mit der h. M. - eine Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei zulassenB1 . - Diese zum Teil auf Kritik gestoßene ArgumentationB2 führt zu der oben aufgeworfenen Frage83 , ob die "in dubio pro reo"- und Wahlfeststellungs-Grundsätze zur Schaffung einer alternativen Urteils grundlage kumulativ herangezogen werden dürfen, um einen als ungerecht empfundenen Freispruch zu umgehen84 • S. 738 (vorsichtig beipflichtend Dallinger MDR 1967, S. 548); Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28 (zust. Dreher in Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. B, S. 39, 30. Aufl.; Dreher geht neuestens - Wahlfeststellung, S. 371 - allerdings andere Wege, siehe dazu unten); vgl. auch Henkel, § 91 IV 4, S. 354 Fußn. 18; ähnlich auch Sax, S. 748 (Wahlfeststellung bei gleichem Rechtsgut und modal unterschiedlichen Tatvollzügen) ; Hruschka, S. 268 (Verstoß gegen dieselbe "Norm", die den Vermögensdelikten zugrunde liege; vgl. auch S. 267); Fleck, S. 336; neuerdings Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 63, 69, näher oben 1. Teil, Fußn. 139; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 37, 44; Otto, S. 334. 79 Vgl. etwa Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28; Deubner, Grenzen, S. 24. 80 Vgl. etwa Deubner, Anmerkung I, S. 738; ders., Grenzen, S. 23. 81 Baumann, Lehrb., § 14 II 2, S. 152; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 14 a; Willms, LM § 267 I StPO Nr. 30; Oellers, S. 506 in seiner Hilfslösung unter b (auf seine Hauptlösung wird unten einzugehen sein). 82 Vgl. Deubner, Grenzen, S. 22 mit Fußn. 24; Maurach AT, § 10 III, S. 96. 83 1. Teil, bei Fußn. 274 ff. 84 Richtiger Auffassung nach besteht zwischen § 249 und § 242 Spezialität (Fall der Gesetzeskonkurrenz); vgl. Schönke-Schröder, § 249 Anm. 13. - Das Sonderproblem, ob der Raub ein selbständiges Delikt (so die h. M.; vgl. etwa Schönke-Schröder, § 249 Anm. 1 mit Nachw.) oder nur ein erschwerter Diebstahl ist, vermag die bei Spezialität stets gebotene Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel nicht auszuschließen; a. A. aber Christians, S. 76, der zur zulässigen Wahlfeststellung zwischen § 242 und § 249 gelangt. - Auch hier gilt der bereits herausgearbeitete Grundsatz, daß qualitativ verschiedene Unwertgehalte ein Stufenverhältnis und damit additive Momente im logisch-begrifflichen Bereich nicht beseitigen können (vgl. auch Hardwig, Vollrauschtatbestand, S. 147).
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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Bemerkenswerterweise hat auch der Bundesgerichtshof zunächst versteckt und später ganz offenbar diesen Weg gewählt, ohne bei der Alternativität von Raub und Hehlerei die immerhin naheliegenden Konsequenzen zu ziehen. - Allerdings tut OeHers8 5 dem Bundesgerichtshof unrecht, wenn er als eine solche Parallele den oben eingehend besprochenen Fall der sich widersprechenden Aussagen nach § 153 und § 15486 heranzieht. Es bedarf nicht der Wiederholung, daß der Grundsatz "in dubio pro reo" hier nur seine eigentliche Funktion mit der Erlangung einer eindeutigen Urteilsgrundlage erfüllt. - Anders lag es aber bereits bei der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Alternativität von schwerem Diebstahl, Hehlerei und UnterschlagungB7. Hier gelangt das Gericht nur dadurch zu einer zulässigen Wahlfeststellung, daß es bei dem Vergleich des schweren Diebstahls mit der Unterschlagung bzw. der Hehlerei das Wort "schwer" in Klammern setzt88 , 88. - Vollends deutlich wird dieser methodische Weg aber an einer der jüngsten Entscheidungen90 : Bei der Alternativität von gewohnheitsmäßiger Hehlerei und schwerem Diebstahl verkürzt der Bundesgerichtshof des § 2'60 auf die einfache Hehlerei81 und gelangt auf diese Weise zu einer Wahlfeststellung zwischen § 259 und § 243 a. F.92, 83. 85
S. 506; ebenso Deubner, Grenzen, S. 22 Fußn. 25.
BGH NJW 1957, S. 1886 f.; siehe dazu oben 1. Teil, bei Fußn. 132 ff. BGHSt 16, 184 (Urt. v. 26. 7.1961 - 2 StR 190/61). 88 BGHSt 16, 184 (187); vgl. neuerdings BGHSt 23, 360 (361) für die Alternativität von schwerem Diebstahl und sachlicher Begünstigung; Deubner, Anmerkung I, S. 739 spricht hier treffend von einem juristischen Prokrustes. 89 Allerdings hat der Bundesgerichtshof in NJW 1952, S. 114 (4 StR 337/51, Urt. v. 2. 11. 1951), BGHSt 1, 302 (304) (4 StR 533/51, urt. v. 12. 9. 1951) und BGHSt 15, 63 (66) (2 StR 275/60, urt. v. 30. 6. 1960) - jeweils zit. in BGHSt 16, 184 (187) - sowie neuerdings MDR 1970, S. 899 bei Dallinger (in einem obiter dictum) und MDR 1971, S. 547 bei Dallinger (Urt. v. 16. 2. 1971 - 2 StR 58/7l) ausdrücklich (wenn auch ohne nähere Begründung) eine Wahlfeststellung zwischen schwerem Diebstahl und einfacher Hehlerei zugelassen; ebenso OLG Hamm SJZ 1950, S. 54 f. (54) und JMBINRW 1967, S. 139; OLG Hamburg MDR 1950, S. 57. Demgegenüber vermag der Bundesgerichtshof (BGHSt 16, 184, 187) für die Alternativität von schwerem Diebstahl und Unterschlagung nur eine Entscheidung des BayObLG (NJW 1958, S. 560 f. = BayObLGSt 1958, 12) zu zitieren, in der es - für eine Verweisung nicht verwertbar - um leichten Diebstahl und (schwere Amts-)Unterschlagung ging. Die weitere Begründung (Tatbestandsverwandtschaft; gleicher Täterwille wegen des beidermaligen Strebens nach eigener Sachherrschaft unter Mißachtung fremden Eigentums) paßt lediglich auf die Alternativität von einfachem Diebstahl und einfacher Unterschlagung. 90 BGH Urt. v. 8. 7. 1969 - 1 StR 224/69 - bei Dallinger MDR 1970, S. 13 zu § 260. D1 Die Gewohnheitsmäßigkeit als qualifizierender Umstand (Schönke-Schröder, § 260 Anm. 1) ermöglicht die Heranziehung der "in dubio pro reo"-Regel (vgl. auch Dallinger MDR 1970, S. 14). 92 Die beiden letztgenannten Entscheidungen geben zu einer grundsätzlichen Bemerkung Anlaß: In Fußn. 89 wurde eine Entscheidungskette aufgezeigt, nach der die alternative Verurteilung von einfacher Hehlerei und schwerem Diebstahl vom Bundesgerichtshof stets als zulässig erachtet wurde. Das Endergebnis 88 87
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten I. Kritik an den Lösungswegen der Rechtsprechung und herrschenden Lehre
Folgt man diesem methodischen Pfad des höchsten Gerichts, so bleibt es schlechterdings unerfindlich, weshalb der Bundesgerichtshof bei der Alternativität von Raub und einfacher Hehlerei nicht die Vorschrift des § 249 auf den Rumpftatbestand des einfachen Diebstahls zurückgeführt und danach die alternative Verurteilung aus § 242 und § 259 zugelassen hat93a • Immerhin findet sich in einer noch nicht genannten früheren Entseiner jüngsten Entscheidung ist mithin insoweit gerechtfertigt. Der BGH zitiert aber in BGHSt 16, 184 (187) neben den genannten Urt. auch die Entscheidung in BGHSt 11, 26 (Urt. v. 17. 10. 1957, 4 StR 73/57 = JR 1958, 64 = MDR 1958, 48 = NJW 1957, 1933 mit zust. Anmerkung von Krumme LM § 242 StGB Nr. 22). Hier stand ganz ähnlich die Alternativität von gewerbsmäßiger Hehlerei und schwerem Diebstahl im Rückfall zur Debatte. Der Bundesgerichtshof löste diesen Beweiszweifel in einer (begrüßenswerten) konkreten Betrachtungsweise derart, daß er die alternative Verurteilung zwischen Diebstahl und gewerbsmäßiger Hehlerei zuließ, weil auch § 242 in einer "gleichgerichteten, in erhöhtem Maße strafwürdigen Absicht und Gesinnung" (Erlangung laufender Einnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts) begangen wurde wie § 260 (ebenso BGH 5 StR 722/53, Urt. v. 23. 2. 1954 = BGH NJW 1954, S. 931 f [932] Nr. 21; Urt. v. 7.9.1954 - BGH 5 StH 370/54; BGH 5 StR 623/55, Urt. v. 14. 2. 1956 = jeweils zit. in BGHSt 11, 26 [29]; vgl. auch bereits RG HRR 1934 Nr. 1569 zur Alternativität von gewerbsmäßiger Hehlerei und fortgesetztem Diebstahl). - Bei solcher Sachlage komme es auf die weiter verwirklichten Erschwerungsgründe des Einbruchs und des Rückfalls nicht mehr an (BGHSt 11, 26 [29]; vgl. ferner BGH JR 1959, S. 305 - Urt. v. 29. 5. 1959, 5 StH 135/59 - zur Alternativität von § 242 und § 260; BGH 4 StR 1/69, Urt. v. 21. 2. 1969 = zit. bei Damnger MDR 1970, S. 13; BGH 5 StR 421/65, Urt. v. 2. 11. 1965 = zit. bei Damnger MDR 1967, S. 549 zur Alternativität von fortgesetzter gewerbsmäßiger Hehlerei und schwerem Rückfalldiebstahl in acht Fällen). Mit DaHinger ist zu Recht festzustellen, daß bei dieser einheitlichen Rechtsprechung in der neu esten Entscheidung (= MDR 1970, S. 13) die Prüfung der Frage fehlt, ob nicht auch der Diebstahl gewohnheitsmäßig begangen worden ist, so daß eine alternative Verurteilung zwischen § 260 und § 243 a. F. (bzw. unter Außerachtlassung der Erschwerungsgründe - vgl. BGHSt 11, 26 [29] § 242) ermöglicht werden konnte. Weiterhin entpuppt sich bereits die Entscheidung in BGHSt 11, 26 als Schrittmacher für die "Lehre vom Rumpftatbestand": die Qualifikation des Diebstahls wird beiseite gesetzt, um zu einer - nur im Wege einer konkreten Betrachtungsweise zulässigen - Wahlfeststellung mit der qualifizierten Hehlerei zu gelangen. Geht man jetzt - wie es nahe liegt - davon aus, daß die konkreten Fallumstände in der jüngsten Entscheidung eine alternative Verurteilung aus § 260 und § 242 nicht zuließen, so wird vollends deutlich, daß je nach Sachlage ein anderer - jedenfalls zur Verurteilung führender - Weg gewählt werden kann und auch benutzt wird. Mithin läßt die Rechtsprechung nicht nur die kumulative Anwendung von "in dubio pro reo"- und Wahlfeststellungs-Regeln zu, sondern sie setzt auch Zeichen für die Lösung der weiteren Frage nach einer beidseitigen und gleichzeitigen Reduzierung der Alternativdelikte auf ihre Rumpf tatbestände (siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 277 f.). 9S übrigens hat Nüse (Anmerkung IV, S. 305) bereits im Anschluß an BGH JR 1959, S. 305 (siehe die vorherige Fußn.) den Rückgriff auf die einfache Hehlerei als unumgängliche Folge für den BGH in dem Fall vorausgesagt, daß der Diebstahl nicht die Züge der Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßigkeit aufweist. USa Vgl. jetzt auch Trändle in LK, nach § 2 Rdnr. 31.
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scheidung94 für einen vergleichbaren Fall eine diskussionswürdige Begründung. Der Hehlerei auf der einen Seite stand hier der Diebstahl in Tateinheit mit Verwahrungsbruch, Untreue, Verletzung des Postgeheimnisses und Urkundenunterdrückung gegenüber. Das Gericht kürzt die Diebstahlsalternative um die tateinheitlichen Straftaten mit der Argumentation, daß hier in einem Sonderfall die Folgerungen aus dem Grundsatz der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" gezogen würden, die für einen Teilbereich zweifelsfrei gegeben sei, und daß anderenfalls der Angeklagte in unverständlicher Weise gegenüber einem Täter begünstigt werde, bei dem die Verwirklichung zusätzlicher Tatbestände aus Rechtsgründen ausscheiden müsse; zudem könne der Angeklagte durch ein solches Verfahren in keiner Weise beschwert sein. Paßt diese Begründung - so möchte man fragen - nicht ohne entscheidenden Abstrich auch auf die Alternativität von gewaltsamem Diebstahl (Raub) und Hehlerei?
1. Kritik an der Formel der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" Selbst wenn man das insoweit freisprechende Urteil beiseite läßt, bietet das in den übrigen Urteilen mühsam verteidigte Kriterium der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" genügend Angriffsflächen. Nicht von Gewicht ist dabei die These Deubners95 , daß beim Rückgriff auf den Rumpftatbestand die Vergleichbarkeitsformel völlig aufgegeben werden müsse~. Es ist zwar richtig, daß hier ein qualifizierender Umstand, der zur Unvergleichbarkeit der Ausgangsdelikte führt und mithin den Freispruch veranlassen müßte, ignoriert wird 97 ; aber dadurch wird noch nicht das Kriterium der "rechtsethischen und psychologischen Gleichartigkeit" in Frage gestellt. Wie bereits deutlich gemacht, geht es vielmehr um die grundsätzliche Frage, ob man die Beweisregel "in dubio pro reo", die zugunsten des Angeklagten eine eindeutige Urteilsgrundlage ermöglichen soll, auch dann heranziehen darf, wenn man mit ihr - zur Vermeidung eines als ungerecht empfundenen Freispruchs - lediglich einen alternativen Verurteilungsgrund erhält98 • Erst die Lösung dieses 9' BGHSt 15, 266 (267) - Urt. v. 7. 12. 1960, 2 StR 50S/60 = NJW 1961, S. 790 mit zust. Anmerkung von Busch in LM § 267 I StPO Nr. 25; vgl. auch BGH GA 1970, S. 24 f. (24). 15 Grenzen, S. 22 mit Fußn. 24; vgl. auch Maurach AT, § 10 III, S. 96. 98 Gegen Deubner auch OeHers, S. 506. 97 Deubner, Grenzen, S. 22 mit Fußn. 24. 98 Immerhin ist bereits herausgearbeitet, daß sich der Grundsatz "in dubio pro reo" über die rechtsethische Unvergleichbarkeit zweier Tatbestände zur Erreichung einer eindeutigen Urteilsgrundlage hinwegzusetzen vermag; siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn.13S.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
Problems wirft die weitere Frage auf, inwieweit bei einer derart erlangten doppeldeutigen Urteilsgrundlage eine Wahlfeststellung vorgenommen werden kann; und hier vermag die Formel der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" zumindest grundsätzlich Gleichartiges zu leisten wie ähnliche Kriterien99 • - Eine Kumulation von Wahlfeststellungs- und "in dubio pro reo"-Grundsätzen erscheint jedenfalls dann als nicht sehr problematisch, wenn man die alternative Verurteilung generell in äußerst engen Grenzen hält. Auf diese Weise werden nur Fälle betroffen, die von der Tathandlung und Rechtsgutsverletzung aus betrachtet eine nahezu eindeutige Urteilsgrundlage ergeben10o • Auf diesem Hintergrund ist auch dem Bundesgerichtshof mit seinem Hinweis auf die Gerechtigkeit und mangelnde Diffamierung des Täters vollauf beizupfiichten101 • Nach alledem kommt einem zweiten Einwand Deubners 102 , der sich namentlich auch bei Maurach 103 findet, das größere Gewicht zu: Beide Autoren folgern aus dem - auch vom Bundesgerichtshof vertretenen 104 Gebot der konkreten Betrachtungsweise, daß das Geschehen erst gar nicht verzeichnet werden dürfe 105 • Läßt man hier einmal das bereits angesprochene Problem der Kumulation beiseite, so erfordert in der Tat der Maßstab der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" eine konkrete Würdigung106 , 107. Wenn nun aber der Bundesgerichtshof in sei99 Allerdings bedarf Deubner mit seiner weitreichenden Lösung im Sinne der .. Identität des Unrechtskerns" eines solchen Doppelschritts nicht. Nur sollte man nicht mit der Aufnahme lediglich des milderen Delikts in den Tenor (Grenzen, S. 23; zur Kritik siehe unten II.) zwei Stufen auf einmal nehmen und danach die Existenz der Treppe oder doch einer Zwischenstufe negieren. 100 Erst mit einer solchen generellen Abgrenzung (siehe dazu den weiteren Fortgang der Arbeit) läßt sich auch auf die in BGHSt 16, 184 (schwerer Diebstahl - Hehlerei - Unterschlagung) zusätzlich entstandene Problematik eingehen, inwieweit bei einer Mehrheit von Alternativen noch dem Prinzip des § 261 StPO und damit der Sicherheit der Urteilsfindung genügt wird (vgl. dazu kritisch etwa RGSt 68, 257 [261] und Maurach AT, § 10 III 2, S. 94; vgl. andererseits etwa Geier in Löwe-Rosenberg, § 261 Anm. 5, S. 1069 und BGHSt 16, 184, 186/187). 101 BGHSt 15, 266 (267); siehe oben bei Fußn. 94. 102 Grenzen, S. 22. 103 AT, § 10 III 3, S. 96. 104 Siehe oben Fußn. 92; ähnlich auch das BayObLG in NJW 1958, S. 560 = BayObLGSt 1958, 12 bei dem Beweiszweifel, ob der Täter amtlichen Alleingewahrsam (§ 351) oder amtlichen Mitgewahrsam (§ 242) verletzt hat; das Gericht erblickt die konkrete Gemeinsamkeit darin, daß sich der Täter die Vorteile der Tat durch Falschbuchungen gesichert hat. 105 Maurach a.a.O. entnimmt das Gebot der konkreten Betrachtungsweise allerdings der oben dargestellten Sekundärfunktion der .. in dubio pro reo"Regel (vgl. 1 .Teil, bei Fußn. 144 ff.). Bei der Ermittlung der milderen Alternative ist die konkrete Würdigung selbstverständlich (vgl. etwa Schaffstein, S. 727); es hätte hier einer Begründung für die primäre Geltungskraft, also bei der Feststellung der Alternativdelikte, bedurft. 108 Deubner, Grenzen, S. 22. Die entschiedene Gegenmeinung begründet
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ner mehrfach zitierten Entscheidung108 eine Wahlfeststellung zwischen schwerem Diebstahl, Hehlerei und Unterschlagung zuläßt10W, obwohl im konkreten Fall die Unterschlagung nicht die qualifizierenden Umstände des Diebstahls aufwies, so verstößt er entweder gegen das selbst formulierte Gebot der konkreten Würdigung oder aber raubt der Formel der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" einen großen Teil ihrer Uberzeugungskraltllo• Es steht außer Frage, daß der schwere DiebSchaffstein (S. 727) mit der Gefahr einer Düfamierung des Täters, die vornehm-
lich durch die Autnahme der A!ternativdeükte in den Tenor und in das Strafregister heraufbeschworen werde. Wenn man eirunal der Gestaltung des Tenors zustimmt (a. A. etwa Deubner, Grenzen, S. 22 Fußn. 18 und S. 23) - und vieles spricht dafür -, dann will dennoch nicht einleuchten, daß der Täter, der in rachsüchtiger Bosheit eine Sache entweder weggenommen oder aber zerstört hat, ~tra11reiheit gegenüber dem Angeklagten verdienen soll, der entweder aus Habgier gestohlen oaer aber aus unelgenntitziger Freundschait gehehlt hat (so Schaftstem, S. 727). - Nicht das Nebeneinanaerstellen von Strartatbeständen, die allgemein zwar erhebliche Unterschiede aufweisen, im konkreten Fall aber nur äußerst schwer abzuschichten sind (man denke etwa an die Abgrenzungsschwierigkeiten bei Trickdiebstahl und Betrug), wirkt diffamierend für den Delinquenten; unzumutbar bemakelt wird er erst dann, wenn er trotz einer völlig unterschiedlichen Motivation und eines verschiedenartigen Tathergangs nur deshalb verurteilt wird, weil der Gesetzgeber in abstracto typische Ahnlichkeiten der Tatbestände nicht ausgeschlossen hat (erwähnt sei etwa der uneigennützige schnelle Diebesgrüf im Kaufhaus und die langfristig und raffiniert eingefädelte Unterschlagung). Man hat bei dieser Argumentation natürlich sofort den Einwand zu gewärtigen, daß mit einer derart konkretisierenden Würdigung aller Einzelfälle der Rechtssicherheit schwerer Schaden drohe (vgl. nur Nüse, Anmerkung ll, S. 65). Ohne endgültige Stellungnahme sei dem aber entgegengehalten, datl mit der angestrebten engsten Beschränkung einer alternativen Verurteilung der RechtsSIcherheit letztlich der wichtigere Dienst erwiesen wird. Vor allem vermag nur eine weitgehende übereInstimmung der Strafzumessungsgrundlagen eine gerechte Entscheidung des Gerichts zu tragen (vgl. dazu Heinitz, Grenzen, S.101; Jescheck,Lehrb., § 16llI 3, S.106). 107 Bekennt man sich zu einer konkreten Betrachtungsweise, so wird ersichtlich, daß die Strafrahmen der Delikte allenfalls anzeigende Bedeutung besitzen (vgl. BGHSt 11, 26 [28]; zust. Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 8; ebenso auch Schaffstein, S. 727; Hänsel, S. 63 [Bestrafung erfolge aus mildestem Gesetz]; Nüse, Diss., S. 62/63 [gleicher Strafrahmen komme selten vor, zudem Bestrafung aus mildestem Gesetz]; Zaum, S. 40; Urban, S. 20; Roos, S. 73; a. A. aber Lücking, S. 164; kritisch auch Schorn, S. 48). Auch die Änderung des Deliktscharakters vermag eine Wahlfeststellung im konkreten Fall nicht auszuschließen (BGHSt 11, 26 [28] = Alternativität von § 260 und § 242; Schaffstein, S. 727; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 20; a. A. entschieden SchönkeSchröder, § 2 b Anm. 14, der stets auf den Rumpftatbestand zurück.greüt; vgl. auch Kugelmeier, S. 63). - Umgekehrt läßt die Gleichheit der Strafrahmen keinen Schluß auf die Vergleichbarkeit zu (richtig Schaffstein, S. 727 und der Große Senat in BGHSt 9. 390, 394); insofern rechtfertigt sich bereits an dieser Stelle die Unterscheidung von alternativen und kumulativen Mischgesetzen. lOB BGHSt 16, 184. 108 Trotz der Einklammerung des Wortes "schwer" verurteilt der BGH wahldeutig aus den §§ 243, 259, 246. 110 Vgl. dazu Deubner, Grenzen, S. 22; Maurach AT, § 10 III 2, S. 95 hält die Formel hier für weit überspannt; vgl. auch Eb. Schmidt, Nachtragsband, § 244 Anm. 19; zweüelnd auch FränkeZ LM § 267 I StPO Nr. 27; kritisch neuerdings TröndZe in LK, nach § 2 Rdnr. 31; Otto, S. 333. 6 Wolter
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stahl, der nicht nur typischerweise, sondern auch im konkreten Fall mit der Verletzung des Hausrechts einen Angriff auf ein freiheitsähnliches Recht enthielt, im allgemeinen Rechtsempfinden anders bewertet wird als eine Unterschlagung111 • Die beim Einbruchsdiebstahl verstärkt entfaltete kriminelle Energie läßt darüber hinaus auch auf psychologischer Ebene eine Vergleichbarkeit entfallen112• Man ist sich ohnehin weitgehend darüber einig, daß eine psychologische Gleichartigkeit nur in den wenigsten der anerkannten Fälle vorliegt. Diebe und Hehler - die Akteure des Paradefalls einer zulässigen Wahlfeststellung - stellen durchaus voneinander verschiedene kriminologische Tätertypen dar 113 • Das gilt natürlich verstärkt bei der Alternativität von schwerem Diebstahl und Hehlerei114 • Man sollte sich in Anerkennung des heute geltenden Tatstrafrechts115 zudem im klaren darüber sein, daß die Teilformel der "psychologischen Vergleichbarkeit" im Grunde in der "rechtsethischen Gleichartigkeit" aufgeht oder sich doch in der Funktion erschöpft, auch subjektive Unrechts- und Schuldmerkmale in die Vergleichbarkeitsprüfung einzubrin111 Deubner (Grenzen, S. 22) hält dann auch den Einbruchsdiebstahl für verwerflicher. Demgegenüber wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHSt 16, 184 unter dem Aspekt der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" gebilligt von Baumann, Lehrb., § 14 II 1; Mezger-Blei I, § 11 II 3 b; Müller-Sax, § 260 Anm. 4, S. 837; vgl. ansonsten Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. I 3, S. 45. 112 Deubner, Grenzen, S. 22. 113 Vgl. nur Schaffstein, S. 726; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 31; Schom, S. 48; Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28; Heinitz, Grenzen, S.101; Dreher, Wahlfeststellung, S. 369; Geier in Löwe-Rosenberg, § 267 Anm. 3 c, S. 1098; Kugelmeier, S. 63; vgl. auch die Bedenken von Oellers, S. 506, der nicht ohne Berechtigung auf die Entscheidung des Großen Senats in BGHSt 7,134 (140) hinweist, in der die zusätzliche Bestrafung des Vortatteilnehmers aus den Hehlereibestimmungen mit dem Hinweis gerechtfertigt wird, nach Recht und Rechtsempfinden sei der Hehler schlimmer als der Stehler (eingehend dazu Oellers, Hehler, S. 6 - 18 mit dem umgekehrten Ergebnis, daß der Stehler der Schlimmere sei; vgl. etwa S. 10 und S. 12); vgl. noch Otto, S. 333/334, der sich grundsätzlich gegen die "Wertung in der Laiensphäre" ausspricht. 114 Insofern weist auch die Ausgangsentscheidung (Alternativität von § 260 und § 243 a. F. führt zur Wahlfeststellung zwischen § 259 und 243) - auch wenn man die These des Rückgriffs auf den Rumpftatbestand gutheißt - einen Mangel auf. Eb. Schmidt, Nachtragsband, § 244 Anm. 19, S. 399 hält denn auch die vom BGH zugelassene Wahlfeststellung für sehr anfechtbar; kritisch auch Dreher, Wahlfeststellung, S. 369 und Nüse, Zulässigkeit, S. 34; zweifelnd auch Fränkel LM § 267 I StPO Nr. 27; Roos, S. 72. - Dagegen wird die Wahlfeststellung unter dem Aspekt der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" gebilligt von Mezger-Blei I, § 11 II 3 b; Schaf/stein, S. 727 (ihm folgend Egle, S. 205 Fußn. 42); Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 8; Baumann, Lehrb., § 14 II 1; Müller-Sax, § 260 Anm. 4, S. 837; Schönke, Anmerkung I, S. 55; Busch LM Nr. 30 zu § 259; vgl. auch Grünhut, S. 338. 115 Schaffstein, S. 726; Baumann, Lehrb., § 3 III 3; Hänsel, S. 78; a. A. Lazi, S. 79.
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gen116 • - Abzulehnen ist jedenfalls die Auffassung von Lange117 , der den personalen Tätertyp im Sinne eines Persönlichkeitsbildes maßgebend sein läßt118• Liegt demnach das Schwergewicht auf der "rechtsethischen Vergleichbarkeit" der Straftatbestände, so läßt sich auch insoweit nicht bestreiten, daß dieses Kriterium jeder konkreten Faßbarkeit mangelt11B • Ohne ein im Gesetz oder in Rechtsprechung und Lehre vorgezeichnetes Strukturgefüge und mithin ohne objektivierbaren Maßstab droht die Handhabung dieser Formel das Gebot der Rechtssicherheit bis zu seiner völligen Aufhebung auszuhöhlen120 • Es ist in der Tat nicht einsichtig, weshalb schwerer Diebstahl und einfache Hehlerei l2l bzw. einfacher Diebstahl und schwere HehlereP22 vergleichbar, räuberischer und hehlerischer Erwerb aber stets ungleichwertig sein sollen123, 124. Auch bleibt es schwerlich nachvollziehbar, wenn die Wahlfeststellung bei Betrug und Untreue zugelassen126, bei Untreue und Hehlerei hingegen abgelehnt wird126 • ue Treffend Schaffstein, S. 726; vgl. auch Hänsel, S. 79. In Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. I 2, S. 44; beachte auch Lazi, S. 79 und 103 f., der auf die gleichartige Unwertgesinnung abhebt. 118 So auch Maurach AT, § 10 IH 2, S. 94; Schaffstein, S. 726; Eb. Schmidt, Teil H, § 244 Anm.16; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 4; Kugelmeier, S. 59; Lochmüller, S.149; Hänsel, S. 78. 118 Schom, S. 48; Christians, S. 57; Hänsel, S. 77; Otto, S. 333. Kugelmeier (S. 61) weist nicht ohne Berechtigung darauf hin, daß dieses Merkmal landschaftlichen, zeitlichen und persönlichen Schwankungen unterworfen ist. Dieser Vorwurf trifft auch parallel liegende Abgrenzungsversuche, z. B. "innere Verwandtschaft der Tatbestände" (Schönke, S. 48); "Identität des materiellen Unrechtsgehalts der Tat" (Städtler, S. 82). - Es findet sich hier eine ähnliche Konturlosigkeit wie bei der sogenannten Gleichwertigkeit von Ausführungsarten und Qualifikationen einer Straftat (siehe oben bei Fußn. 7 ff.). 120 Vgl. auch Fuchs, Anmerkung H, S.17; Fleck, S. 335/336. 121 BGHSt 16, 184; vgI. auch die Angaben oben Fußn. 89. 1!! BGH LM § 261 StPO Nr. 16 (Urt. v. 23. 2. 1954, 5 StR 722/53); kritisch Nüse, Zulässigkeit, S. 34; ders., Anmerkung H, S. 65; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 14, 3I. 123 BGHSt 21, 152; kritisch Dreher, Wahlfeststellung, S. 369. - Die eingangs fonnulierte kritische Frage, ob es billig sei, denjenigen Täter straffrei ausgehen zu lassen, der die Sache - sofern er nicht Hehler war - sogar gewaltsam weggenommen hat, gewinnt insofern noch an Schärfe. Es ist nur ein kleiner Schritt von demjenigen Delinquenten, der das vom Eigentümer ausdrücklich geltend gemachte Hausrecht und damit ein freiheitsähnliches Recht mißachtet, zu dem anderen Täter, der durch Drohungen die persönliche Freiheit des Hausherrn als solche angreift; vgl. jetzt auch Otto, S. 333. 1!4 So sind auch für Jescheck, Lehrb., § 16 HI 2 a, S. 1041105 mit Fußn. 16 und 17 die Ergebnisse der Rechtsprechung nicht immer einleuchtend, obwohl er grundsätzlich der Fonnel der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" das Wort redet; vgl. im übrigen Dreher, Wahlfeststellung, S. 369; Schom, S. 48. 1!5 BGH 5 StR 125/62, Urt. v. 14. 5. 1962 zit. bei Schwarz-Dreher, § 2 b Anm.3Ba. 128 BGHSt 15, 266 (267). 117
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Hinzu kommt, daß auch die vom Bundesgerichtshof127 und vom Reichsgericht128 immer wieder betonte Sicherheit der Urteilsjindung durch das Kriterium der "rechtsethischen Vergleichbarkeit" nicht zu gewährleisten ist. Ohnehin überzeugt die Argumentation der Vereinigten Strafsenate nicht, daß der Richter bei einer Wahlfeststellung durch eine verneinende Stellungnahme einer Täuschung und einem Übersehen mehr ausgesetzt sei, als bei der Bejahung eines eindeutig festgestellten Delikts. Auch bei eindeutiger Verurteilung muß der Richter alle anderen in Betracht kommenden Möglichkeiten ausschließen129 ; zudem ist auch der konkrete Lebensvorgang, der eine Wahlfeststellung zuläßt, einer bejahenden Schlußweise zugänglich und bedarf auch ihrer 130 • Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde sich diese scheinbare Gefahr dann verringern soll, wenn die in Frage stehenden Tatbestände rechtsethisch gleichwertig sind131• Was andererseits die stets hervorgehobene Gerechtigkeit der UTteilswirkung angeht132, so ist zuzugeben, daß bei Aufnahme aller Alternativ-
delikte in den Tenor die Diffamierung des Täters mit der Steigerung der Unvergleichbarkeit der Straftaten anwächst133 • Man kann diese These auch nicht dadurch erschüttern, daß man einfach das schwerere Delikt in der Urteilsformel unterschlägt und lediglich in den Gründen abhandelt134• - Der Gerechtigkeit der Urtellswirkung ist es aber andererseits abträglich, wenn der Bundesgerichtshof nur schwerlich vergleichbare Straftaten einer alternativen Verurteilung zuführt135 • Auf diesem Hintergrund gerät Geier136 im Anschluß an eine vereinzelt gebliebene Entscheidung des Bundesgerichtshofes137 an eine sehr vage Abgrenzung, wenn er als einzige Richtlinie für eine alternative VerurteiVgl. etwa BGHSt 21, 152 (153/154). RGSt 68, 257 (260); vgl. auch Niethammer, S. 168. 128 Deubner, Anmerkung I, S. 738. 130 Schaffstein, Anmerkung I, S. 2053; außerdem birgt auch ein Indizienbeweis großenteils die vom RG herausgestellten Gefahren in sich (Schaffstein a.a.O.). 131 Vgl. Heinitz, Verhältnis, S.126; Deubner, Anmerkung I, S. 738; Schaffstein, Anmerkung I, S. 2053. 132 RGSt 68, 257 (261/262); BGHSt 21, 152 (153). 188 RGSt 68, 257 (261). 134 So etwa Deubner, Anmerkung I, S. 738; siehe auch oben Fußn. 99. 1~ Zudem läßt sich allgemein sagen, daß die vom Reichsgericht befürchtete Minderung der Eindruckskraft des Urteils (RGSt 68, 257, 261) auch bei einem Freispruch oder bei einer eindeutigen Verurteilung (auf doppeldeutiger Tatsachengrundlage) zutage tritt; so Schaffstein, Anmerkung I, S. 2053; Hänset, S.62f. 136 In Löwe-Rosenberg, § 267 Anm. 3 c, S. 1098; vgl. auch in LM § 230 StGB Nr.13. 187 BGHSt 4,340 (342) - Urt. v. 22. 9. 1953, 5 StR 331/53 -. 127 128
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lung fordert, daß die Gerechtigkeit der Urteilswirkung und die Sicherheit der Urteilsfindung einen nennenswerten Schaden nicht erleiden dürften. Es bleibt zudem unerfindlich, wann der (offenbar in Kauf zu nehmende) Schaden nennenswert zu werden beginnt1 37a • Faßt man zusammen, dann wird bereits aus diesen einleitenden Erwägungen zu den Richtlinien der Rechtsprechung und der ihr nahe~ stehenden h. L. deutlich, daß die Formel der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" nicht nur grundlegend überprüft138 , sondern mangels konkreter Faßbarkeit und gerechter Handhabung vollends aufgegeben werden sollte139 • Die zwingende Berechtigung dieser Forderung liegt letztlich in der Tatsache begründet, daß die Rechtsprechung ihrem Gleichwertigkeitskriterium gleich zwei weitere Lösungswege zur Seite gestellt hat, die stets dann beschritten werden sollen, wenn die ohnehin überspannte Formel der "rechtsethischen Vergleichbarkeit" nicht zum Ziel der Verurteilung führen kann: Entweder konstruiert man ein Alternativdelikt als Auffangtatbestand140 oder man gelangt gleichermaßen zu einer Verurteilung aus dem milderen Gesetz mit Hilfe einer analogen Anwendung des GTundsatzes "in dubio pTO Teo"141. - Bei rechtsstaatlicher Betrachtung sind diese Stützpfeiler142 jedoch in sich brüchig.
2. Kritik an deT LehTe vom Auffangtatbestand Die Lehre vom Auffangtatbestand wurde 1956 vom Großen Senat14S an der Vorschrift des § 330 a für den Fall entwickelt, daß der Richter nicht feststellen kann, ob die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustande der 137a
Eb. Schmidt, Teil II, § 244 Anm. 16; kritisch auch Baumann, Lehrb.,
§ 14 II 2, S. 152.
13S Heinitz, Verhältnis, S. 128 Fußn. 31; DTeher, Anmerkung, S. 180 ("theoretisches Dogma, das der Gerechtigkeit im Wege steht"). 188 So Deubner, Anmerkung I, S. 738; Dreher, Wahlfeststellung, S. 371; Otto, S. 333/334; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 29; vgl. noch Fußn. 78. 140 § 330 a: BGHSt (GS) 9, 390 = Beschluß v. 15. 10. 1956, GSSt 2/56; Fahrlässigkeitstatbestand: BGHSt 17, 210 = Urt. v. 17.4.1962,1 StR 132/62; § 226: BGH Urt. v. 6. 9. 1962, 1 StR 163/62 zit. in BGH GA 1967, S. 182 f. (183) = Urt. v. 19. 4. 1966, 5 StR 44/66; Beihilfedelikt: BayObLG NJW 1967, S. 361. - Fuchs, Anmerkung II, S. 17 schätzt die Möglichkeit, weitere Auffangtatbestände zu finden, als gering ein; vgl. auch BGH GA 1967, S. 182 f. (183). tu So neuestens der BGH bei der Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe: NJW 1970, S. 668 f. = Urt. vom 16. 12. 1969, 1 StR 339/69 = BGHSt 23, 203 - 208. 142 Willms (S. 629) spricht von einem Beiseitesetzen des Kriteriums der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" durch die Lehre vom Auffangtatbestand; ebenso Dreher, Wahlfeststellung, S. 371; vgl. auch Hruschka, S. 268; Geier inLM § 230 StGB Nr.13; Jakobs, Wahlfeststellung, Fußn. 32. 143 BGHSt 9, 390.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
Angetrunkenheit (§ 51 II) oder der Volltrunkenheit begangen wurde. Da sich mangels eines Stufenverhältnisses die Heranziehung der "in dubio pro reo"-Regel verbieten144 , andererseits aber das festgestellte aliudVerhältnis den Rahmen der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" sprengen sollte145 , verstand der Bundesgerichtshof - dem dringenden kriminalpolitischen Bedürfnis sowie der angeblichen Entstehungsgeschichte und dem vermeintlichen Gesetzeszweck von § 330 a folgend - das Vollrauschdelikt als Auffangtatbestand, aus dem bei dem genannten Beweiszweifel unabhängig von der Beweisregel "im Zweifel für den Angeklagten" zwingend zu bestrafen sei148 • Eine ähnliche Argumentation fand sich später beim Fahrlässigkeitstatbestand, bei der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 226) und beim Beihilfedelikt147 • "Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Wahlfeststellung heiß"; mit diesen Worten soll, so erzählt man sich nach Dreher148 , ein prominentes Mitglied des Großen Senats aus der damaligen Sitzung gegangen sein. Und hier setzt auch die Kritik ein. die sich prompt und massiv zu Wort meldete: Treffend charakterisiert Roxin 149 das Verfahren der Rechtsprechung als die Um deutung eines Beweisproblems in eine Tatbestandsalternative15O , die auf einem Umweg doch zu einer Wahlfeststellung führe 151 . Mithin lasse der Große Senat nicht nur eine strafbegründende Analogie 152 und damit einen Verstoß gegen Art. 103 II GG, § 2 StGB153 zu, sondern er mute dem Gesetz mit dieser Erweiterung genau das zu, was 144 BGHSt 9, 390 (395 - 397). BGHSt 9, 390 (394/395). 148 BGHSt 9, 390 (397/398); ebenso BGH NJW 1961, S. 2028 f. (2029); OLG Hamburg NJW 1958, S. 1246 f. (1246); OLG Schleswig DAR 1965, S. 136 f. (136); OLG Celle MDR 1970, S. 162 f. (162). 147 Siehe oben Fußn. 140. 148 Wahlfeststellung, S. 369. In Strafprozeßrecht, Nr. 353, S. 238. 150 Arthur Kaufmann (Unrecht, S. 427) spricht von einer Vermengung materiellrechtlicher und prozessualer Fragen; vgl. auch Dreher, Wahlfeststellung, S. 370 (die Rücksicht auf Beweissituationen sei dem materiellen Recht grundsätzlich fremd); siehe auch Lange, S. 247. 151 Maurach AT, § 10 III 2, S. 95 und Schwarz-Dreher, § 330 a Anm. 1 A (30. Aufl.) sprechen von einer verkappten Wahlfeststellung; ebenso Hruschka, S. 268/269; vgl. auch Schwarz, S. 402; Lange, S. 247; Arthur Kaufmann, Unrecht, S. 427; Kern, § 49 A I 1, S. 208; Rheinen, S. 943; kritisch neuerdings Schmidhäuser AT 10/118; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 28; ders., S. 4; Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 27, 32; vgl. auch - trotz grundsätzlicher Anerkennung der Rechtsprechung zum Fahrlässigkeitsdelikt als Auffangtatbestand - Willms, S. 629 (Beiseitesetzen des Kriteriums der "rechtsetischen und psychologischen Vergleichbarkeit") und Geier in Löwe-Rosenberg, § 267 Anm. 3 C, S. 1098 (der Sache nach Verurteilung auf doppelseitiger Grundlage); siehe auch Zeiler, Anmerkung, S. 58 mit Fußn. 2. 1St Maurach AT, § 10 III, S. 95; Fuchs, Wahlfeststellung, S. 66. 153 Schneidewin, S. 327; Schwarz, S. 402; Arthur Kaufmann, Unrecht, S. 427. 145
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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er in demselben Atemzug für einen Richterspruch mißbilligt habe1s4 : die Zusammenfassung von Handlungsweisen in einem einzigen Tatbestand mit einer einzigen Strafdrohung, die gerade nicht rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sein sollen155 • Zudem laufe das Verfahren des Bundesgerichtshofs auf einen Vermutungstatbestand "in dubio contra reum" hinaus l56 , der, wenn er überhaupt in dem früheren § 254 a 1S7 und dem noch geltenden § 186158 eine Parallele besitzt, im Gegensatz zu diesen Vorschriften gerade nicht als regelwidriger Tatbestand gekennzeichnet seP59. Schon diese Gesichtspunkte160 lassen die Berufung des Bundesgerichtshofs auf das kriminalpolitische Bedürfnis, die Entstehungsgeschichte und 1M Treffend Schneidewin, S. 327; vgl. auch Dreher, Wahlfeststellung, S. 369; ders., Anmerkung, S. 180. 155 Eine solche Zusammenfassung findet sich allerhöchstens in den oben bei Fußn. 44 ff., 58 ff. herausgearbeiteten kumulativen Mischtatbeständen, die aber ausdrücklich normiert und (bis auf § 260) auch äußerlich sichtbar voneinander geschieden sind. m Vgl. Schneidewin, S. 327; Hardwig, Studien, S. 483 mit Fußn. 27; siehe auch Arthur Kaufmann, Unrecht, S. 427. 157 So Schneidewin, S. 327 mit weit. Hinw. auf § 20 II PresseG; vgl. auch Schönke-Schröder, § 245 a Anm. 10 (11. AufI.). 158 Immerhin erscheint die Problematik des § 186 insofern in einem milderen Licht, als die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung nicht Tatbestandsmerkmal ist; vgl. Hardwig, Studien, S. 483 Fußn. 27; allgemeine Nachw. bei SchönkeSchröder, § 186 Anm. 10 ff. Allerdings ist nach Baumann (Lehrb., § 14 II 2, S. 152) auch die Unzurechnungsfähigkeit kein echtes Tatbestandsmerkmal, das unter allen Umständen festgestellt werden müßte. 150
Schneidewin, S. 327.
Anders jetzt aber § 31 OWiG (" ... weil er infolge des Rausches nicht vorwerfbar gehandelt hat oder weil dies nicht auszuschließen ist") und § 351 1 E 62 (Bundestagsdrucksache IV 650, S. 538; zit. bei DaZZinger MDR 1967, S. 369); von allen allgemeinen Bedenken gegen derartige Bestimmungen einmal abgesehen (Arthur Kaufmann, Unrecht, S. 427 sieht in § 351 I E 62 die Einführung einer Verdachtsstrafe, weil sich das Unrecht nach dem Entwurf in dem Sichberauschen erschöpfen soll), spricht diese Sanktionierung der Rechtsprechung durch die Legislative eher gegen als für die Lehre vom Auffangtatbestand, da diese gerade ohne ausdrücklichen Zusatz auszukommen glaubt. 180 Kritisch ferner Welzel, Lehrb., § 68 II c, S. 474; Kohlrausch-Lange, § 330 a Anm. VIII 2; Heinitz, Verhältnis, S. 129; Müller-Sax, § 260 Anm. 4 (111), S. 837/ 838; Eb. Schmidt, Nachtragsband, § 244 Anm. 19 (Begründung in BGHSt 17, 210 sei klassisches Beispiel für die Unsicherheit und Grundsatzlosigkeit bezüglich der ganzen Problematik); Peters, Lehrb., § 37 111 1 a, S. 248 (in seltsamer Weise und mit Hilfe unhaltbarer Konstruktion werde der Täter verurteilt, obwohl kein Tatbestand passe); Hardwig, Vollrauschtatbestand, S. 146/147 (Notlösung und gänzlich mißverstandene Subsidiarität); ders., Studien, S. 483 (Absurdität); Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 34 (näher dazu der 4. Teil der Arbeit); Nüse, Anmerkung 11, S. 65; Maurach, Fragen, S. 382. - Zustimmung findet die Rechtsprechung dagegen bei Cramer, S. 362 (aus kriminalpolitischen und aus Gründen der Praktikabilität trotz erheblicher dogmatischer Bedenken) zu § 330 a; Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 4 d, S. 78 zu § 330 a und Anm. 5 b, S. 78 zum Fahrlässigkeitstatbestand; Schönke-Schröder, § 330 a Anm. 28 (kriminalpolitisch begrüßenswert und der ratio legis folgend); Mühlhaus, S. 14 zum Fahr-
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
die ratio legis als zweitrangig erscheinen. Die Kriminalpolitik sollte zwar aus sozialpsychologischen und kriminologischen Einsichten heraus den Rahmen für die eigentlich dogmatische Erfassung abstecken161 , sie darf jedoch keinesfalls sämtlichen dogmatischen Abgrenzungsmöglichkeiten161a zuwiderlaufen und (auch bei höchster Vordringlichkeit) verbürgte Verfassungsprinzipien überspielen162 und insoweit das Eingreifen der Legislative überflüssig machen. Die Entstehungsgeschichte und der Gesetzeszweck sind weitgehend unrichtig oder doch mißverständlich interpretiert worden. Zwar wollte man mit der Vorschrift des § 330 a 183 eine Gesetzeslücke schließenl84 ; erfaßt werden sollte aber lediglich der Sachverhalt, daß sich jemand erwiesenermaßen schuldhaft in einen Vollrausch versetzt und in diesem Zustand eine Straftat begeht166 • Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus der amtlichen Begründung168 und aus dem klaren Wortlaut167 , sondern sie wurde auch vom Reichsgericht168 und anfänglich vom Bundesgerichtshof selbst169 getroffen170• Es ist mißverständlich, wenn der Große Senat ausführt, daß die zu schließende Lücke lässigkeitstatbestand: Da1H11.aer MDR 1967, S. 369 (Dallinaer gibt allerdings eine Gesetzeskorrektur zu): Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 330 a Anm. 4 (mit dem Geset7eswortlaut nicht unvereinbar): Bal/mann, Lehrb., § 14 II 2, S. 152: grundsätzlich auch OLG Celle JZ 1961, S. 57 f. (58). 111 Roxin. Krim;nalpolitik, S. 40 (auf diese Weise werden Kriminalpolitik und Strafrecht in überwindung der Gegensätzlichkeit bei v. Liszt - dazu Roxin a.a.O .. S. 1 f.-zu einer Synthese gebracht); vgl. auch Melzer, S. 58 zum Aspekt der .. Entjuridisierung" in der Neuen Sozialverteidigung (mit Hinw. auf Ancel, S. 217 f.). 181a Etwa dpm Grundsatz "in dubio pro reo" oder der rechtsstaatlich einwandfrei bestimmten "Vergleichbarkeit" im Rahmen der Wahlfeststellung; näher zu diesem Problem unten bei Fußn. 233 ff. 182 Besonners deutHch Schwarz, S. 402; so auch noch der Bundesgerichtshof selbst in BGHSt 1, 275 (278). 113 Eingefügt durch Gesetz v. 24. 11. 1933, RGBI. I 995. 184 Roos, S. 66/67; BGHSt (GS) 9, 390 (397/398). 185 Vgl. RGSt 70, 85 (85 und 87); Hardwig, Studien. S. 483; Schwarz, S. 402; siehe auch Heinitz, Verhältnis, S. 129; Lange (S. 426), der die Funktion der Lückenausfüllung damit begründet, daß man damals eine Diskussion über die Erfolgshaftung vermeiden wollte; beachte auch Kohlrausch-Lange, § 330 a Anm. VIII 2; wie der BGH hingegen Cramer, S. 362. 118 Vgl. die Ausführungen bei Schwarz, S. 402 und in RGSt 70, 85 (86 Fußn. 1) mit Hinw. auf RAnZ 1933, Nr. 277. 187 Heinitz. Verhältnis, S. 129; Scheidewin, S. 327; vgl. etwa auch den ausdrücklichen Hinw. auf § 51 I (dazu Arthur Kaufmann, Unrecht, S. 427). 188 RGSt 70, 42 (43); RGSt 70, 85 (87); das Reichsgericht spricht in RGSt 70, 42 (43) deshalb ausdrücklich aus, daß man nach der früheren Rechtsprechung zum Freispruch gelangt wäre, folgt im Ergebnis allerdings der weitreichenden Entscheidung in RGSt 69, 369 (siehe dazu oben 1. Teil, Fußn. 37). 118 BGHSt 1, 275 (277); das Gericht gelangt deshalb folgerichtig zum Freispruch; ebenso BGHSt 1, 327 (329) mit grundsätzlich zust. Anmerkung von Jagusch in LM § 330 a Nr. 5. 170 Hatte man bisher tatsächlich nicht "den Wald vor Bäumen gesehen"? (VgI. Schneidewin, S. 326 und Fuchs, Wahlfeststellung, S. 66).
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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"dadurch gegeben war, daß der Trinker, der im Zeitpunkt der Tat nicht einmal mehr vermindert zurechnungsfähig war, wegen erwiesener oder möglicher Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen werden mußte"171.
Ohne Zweifel fordert der Grundsatz "in dubio pro reo" auch dann einen Freispruch, wenn eine straflos gelassene Verhaltensweise nicht erwiesen, sondern nur möglich ist; zudem ist bei denkbarem Vollrausch auch die verminderte Zurechnungsfähigkeit lediglich möglich. - Schon die ins rechte Licht gerückte Entstehungsgeschichte läßt (neben dem eindeutigen Wortlaut) den Schluß auf den Gesetzeszweck zu, der allein auf die Vermeidung eines Freispruchs bei erwiesener Zurechnungsunfähigkeit gerichtet ist172 •
Faßt man zusammen, so stellt sich die Lehre vom Auffangtatbestand in der Tat als eine "Austreibung des Teufels mit dem Beelzebub" dar17ll• Dabei ist es nur eine Betrachtung von verschiedenen Seiten, wenn man das Verfahren der Rechtsprechung mit dem Hauptfeld der Kritiker als verkappte Wahlfeststellung oder mit einer Mindermeinung der Gegner als analoge Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo"IU, die sich letztlich zur Formel "in dubio contra reum" auswächst175, bezeichnet. Auf der normativ-ethischenl76 Ebene setzt sich der Große Senat über die ausdrücklich hervorgehobene rechtsethische und psychologische Unvergleichbarkeit der Tatbestände hinweg; auf der logisch-begrifflichen Ebene ignoriert er das ebenso definitiv ausgeschlossene Stufenverhältnis und verurteilt "zwingend" und "unabhängig von der allgemeinen Beweisregel ,im Zweifel für den Angeklagten' "177 aus § 330 a 178• Das BayObLG179 spricht denn auch von einer "eindeutigen Verurteilung auf Grund doppeldeutiger Feststellung" und mithin von einer Konstellation, wie sie bisher allein bei der sog. "reinen Tatsachenalternativität" begegnet ist l80 • Wäh171 BGHSt 9, 390 (397/398) mit Hinw. auf die Begründung zum Abschnitt "Mißbrauch von Rauschgiften" im Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches von 1925 und 1927. 17! Vgl. Heinitz, Verhältnis, S. 129; Hardwig, Studien, S. 483. Lange, S. 246 spricht denn auch in aller Deutlichkeit aus, daß der vom Großen Senat eingeschlagene Ausweg weder im Zweck noch in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes einen Anhalt findet. 173 Dreher, Anmerkung, S.180; Maurach AT, § 10 III 2, S. 95. 174 So neuerdings Dreher, Wahlfeststellung, S. 369; Hardwig, Vollrauschtatbestand, S. 146 ("merkwürdige Subsidiarität"); vgl. auch Mezger-Blei I, § 11 II 3b,S. 33. 175 Hardwig, Vollrauschtatbestand, S. 147. 178 Der Ausdruck geht zurück auf Siever, vgl. etwa S. 45 - 48. 177 BGHSt 9,390 (398); vgl. auch BGHSt 17, 210 (212/213) ("zumindest" fahrlässige Verletzung des geschützten Rechtsguts). 178 Dreher, Wahlfeststellung, S. 369. m In NJW 1967, S. 361 ff. (363). 180 Siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 47 ff.; einbezogen sind auch die Fälle, in
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
rend man insoweit wegen der identischen subsumenda und bestimmten Urteilsgrundlage181 vor der Heranziehung von Wahlfeststellungsgrundsätzen warnen mußte, ist hier umgekehrt eine ausdrückliche Verwahrung gegen die konstruierte Eindeutigkeit des Urteils und ein Inslichtrücken der versteckten Wahlfeststellung am Platze. Zusammengefaßt ist der Lehre vom Auffangtatbestand eine bisher unbekannte Mischung von eindeutig überdehnten Wahlfeststellungs- und "in dubio pro reo"-Regeln eigen, die dadurch zustande kommt, daß die (unzulässige) Wahlfeststellung nicht zwischen den beiden im Strafgesetzbuch getrennt normierten Straftatbeständen, sondern innerhalb einer Variante des milderen Alternativtatbestandes vorgenommen wird l82 • Auf diesem Hintergrund sieht E. v. Hippezt 83 zu Recht die Gefahr, daß mit Hilfe derartiger Auffangtatbestände schlechthin jede Konstellation zu lösen wäre. Zum Beispiel ließe sich die - hier unterstellte - Unzulässigkeit einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Betrug dadurch umgehen, daß man § 242 als Auffangtatbestand für den Fall auffaßt, daß unbewiesen bleibt, ob der Täter die Sache diebisch oder betrügerisch an sich gebracht hat. Das Fehlen jeglichen gesetzgeberischen Willens wäre kein zugkräftiger Einwand, da eine solche Motivation spätestens bei der Konstruktion des Fahrlässigkeitsdelikts als Auffangstrafdrohung zur reinen Fiktion geraten ist1 84• Und das BayObLG erkennt dies auch an, wenn es bei der Alternativität von Täterschaft und Beihilfe der Strafdrohung gegen den Gehilfen (mit Rücksicht auf die enge Verwandtschaft und die auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten) in ihrer praktischen Bedeutung nur noch die Funktion eines Auffangtatbestandes zuspricht185 • Nach dieser Entwicklung186 war es beinahe spannend, auf welche Weise der Bundesgerichtshof die angesprochene Alternativität von Mittäterdenen die in Betracht kommenden Alternativdelikte ein logisch-begriffliches Stufenverhältnis bilden (oben 1. Teil, Fußn. 132 ff. und 149 ff.). 181 Siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 152. 182 Zur Rechtfertigung kann dabei auch nicht die Wahlfeststellung zwischen zwei Alternativen eines Straftatbestandes dienen, da in solchen Fällen niemals die eine Variante außerhalb des konkreten Gesetzes als selbständiger Straftatbestand normiert ist. 188 S. 1534 Fußn. 9. 184 Vgl. dazu auch Fuchs, Wahlfeststellung, S. 66; Dreher, Wahlfeststellung, S. 370; dagegen aber BGHSt 17, 210 (212); Geier in Löwe-Rosenberg, § 267 Anm. 3 c, S. 1098. 185 NJW 1967, S. 361 ff. (363); vgl. auch Geier in Löwe-Rosenberg, § 267 Anm. 3 c, S. 1099, der diese Alternativität wegen ihrer grundsätzlichen Ähnlichkeit mit der Problematik des § 330 a vergleicht. - Das BayObLG weist zu Recht darauf hin, daß es anderenfalls für den Gesetzgeber näher gelegen hätte, auf die Unterscheidung zwischen den einzelnen Beteiligungsformen zu verzichten. 188 Rheinen (S. 943) will im Anschluß an BGHSt 9, 390 einen sog. "Auffang der Alternativität" mit Hilfe eines Abwägens der "Wertigkeit der Argumente" für
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schaft und Beihilfe einer Lösung zuführen wollte. Seine neuerliche Entscheidung187 (im Anschluß an Nowakowski1 88 ) macht die Lehre der Wahlfeststellung wahrlich zu einem "Irrgarten"189. Nicht der Freispruch, nicht das logisch-begriffliche Stufenverhältnis (in dubio pro reo), nicht die Wahlfeststellung, auch nicht - wie nach der Entscheidung des BayObLG jedenfalls denkbar - der Auffangtatbestand, sondern die analoge Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" soll als neuer - und immerhin fünfter - Weg zum Ziele der eindeutigen Verurteilung aus dem Beihilfetatbestand führen 190.
3. Kritik an der analogen oder direkten Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" bei normativ-ethischen Stufenverhältnissen Sieht man zunächst von der widerlegbaren Einzelbegründung des Bundesgerichtshofes ab, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß das Gericht einerseits einen neuen Typ des Auffangtatbestandes vermeiden, andererseits aber die praktischen Vorteile eines solchen erhalten wollte l9l • Mutete man bei der Lehre von der Auffangstrafdrohung dem Gesetz selbst die Auswirkung der "in dubio pro reo"- Regel auf Tatbestände zu, die gerade nicht in dem - selbst nach dieser neuesten Entscheidung gebotenen192 - logisch-begrifflichen Stufenverhältnis stehen, so verlagert man nun eine solche Heranziehung im Wege der Analogie das eine oder andere Geschehen bilden. Dieser Vorschlag, der die - auch vom Bundesgerichtshof bejahte - "exklusive Alternativität" (siehe oben 1. Teil, Fußn. 4; abwägend Schom, S. 49) verkennt, läuft auf einen Verstoß gegen § 261 StPO (und auch § 267 I StPO) und mithin gegen die für die materielle Wahrheit zu fordernde richterliche Gewißheit hinaus (vgl. Fuchs, Diss., S. 5 mit Fußn. 2). Wer eindeutig aus dem einen Alternativdelikt bestrafen will, weil die Argumente für das andere - für sich genommen - die Eröffnung der Hauptverhandlung nicht gerechtfertigt hätten (Rheinen, S. 943), muß sich den Vorwurf gefallen lassen, durch die Hintertür die Verdachtsstrafe einzulassen (Fuchs, Diss., S. 5; vgl. auch oben 1. Teil, Fußn. 88). 187 In NJW 1970, S. 668 f. = BGHSt 23, 203 - 208; zust. Schröder, Anmerkung, S. 422 f.; Kleinknecht, § 261 Anm. 8 C; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 5. 188 S.383. 189 Vgl. Dreher, Wahlfeststellung, S. 371. 190 Nowakowski als Wegbereiter dieser BGH-Entscheidung lehnt allerdings zwei dieser Wege (Auffangtatbestand, S. 383 Fußn. 24; echte Wahlfeststellung, S. 387) ab. 191 Fuchs (Anmerkung !II, S. 1053) glaubt den Willen zur Vermeidung eines neuen Falles der Wahlfeststellung zu erkennen. Hruschkas Interpretation des Urteils (Logik, S. 642) geht allerdings fehl, wenn er glaubt, der BGH treffe eine Wahlfeststellung und wende die "in dubio pro reo"-Regel in ihrer Sekundärfunktion nur fälschlich analog anstatt unmittelbar an; der Beweisgrundsatz wird vielmehr in seiner primären Funktion verwendet. Mißverständlich auch Maurach AT, § 10 !II 2, S. 115 (4. Aufl.), der von einem begriffslogischen Stufenverhältnis auszugehen scheint. 192 BGHSt 23, 203 (207).
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auf die richterliche Tätigkeit. Zu diesem Schritt glaubt man sich befugt, weil hier nicht wie bei den Auffangkonstellationen ein rechtsethisches aliud-Verhältnis193 , sondern ein normativ-ethisches Stufenverhältnis gegeben sein solllg,. Man sollte sich durch eine derartige Differenzierung jedoch nicht täuschen lassen. Im Grunde erfährt hier die Lehre vom Auffangtatbestand nur eine unmaßgebliche Variante. So nimmt es auch nicht wunder, daß das BayObLG trotz der Anerkennung eines normativ-ethischen Umfassungsverhältnisses von Mittäterschaft und Beihilfe195 in dieser Alternativität einen weiteren Fall eines Auffangtatbestandes mit Berufung auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu § 330 a und zum Fahrlässigkeitsdelikt erblickt; wenn man so will, hat das BayObLG hier einen zweiten Typ einer Auffangstrafdrohung entwickelt, die der eigentlichen Konzeption dieses Instituts sogar einen Schritt näher gerückt ist: Hier handelt es sich nämlich wirklich einmal um ein - wenn auch normativethisches - Stufenverhältnis, das das Ergebnis der eindeutigen Verurteilung rechtfertigt198. Jedenfalls vermag auch das Institut der analogen Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel mit der Konstruktion eines normativ-ethischen Stufenverhältnisses die grundsätzlichen Bedenken nicht zu überwinden. Ein solches Verfahren ist und bleibt eine verdeckte Wahlfeststellung197, eine Analogie zum Nachteil des Täters198 und ein Verstoß gegen § 261 StP0199. Man verkehrt den rechtsstaatlichen Fundamentalsatz "in dubio pro reo" in sein Gegenteil, wenn man ihn analog auf Fälle anwendet, die man zuvor zu Recht aus seinem unmittelbaren Wirkungskreis gezogen hat200 ; und man trifft nichts anderes als eine rechtsstaatlich unzulässige Wahlfeststellung, wenn man das zuvor festgestellte aliud-Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme201 noch nicht einmal auf den ohnehin sehr 113 Vgl. BGHSt 17, 210 (211) mit Hinw. auf BGHSt 4,340 (341) zur Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit; BGHSt (GS) 9,390 (394/395) zur Problematik bei § 330 a. 194 Vgl. BGH NJW 1970, S. 669: der Angeklagte habe für den "geringeren der beiden Unwertgehalte" einzustehen; die Beihilfe sei gegenüber der Mittäterschaft die "minderschwere Teilnahmefonn". 185 NJW 1967, S. 363: "rechtlich gesehen ein Weniger-Mehr". 198 Insofern kann dem Bundesgerichtshof mit seiner Lehre von der Auffangstrafdrohung auch ein letzter Vorwurf nicht erspart bleiben: Er ringt sich zu einem eindeutigen Urteil durch, obwohl weder auf logisch-begrifflicher noch auch nur auf nonnativ-ethischer Ebene ein Stufenverhältnis begründet, ein solches vielmehr ausdrücklich abgelehnt wird. 187 Vgl. im Ansatz Fuchs, Anmerkung IH, S. 1053; bes. deutlich Dörr, S. 41. 198 Im Grundsatz Dreher, Wahlfeststellung, S. 370. 199 200 201
Dörr, S. 41.
BGH NJW 1970, S. 669; Nowakowski, S. 383; Schröder, Anmerkung, S. 423. BGH NJW 1970, S. 668 f. (668/669); Schröder, Anmerkung, S. 422/423.
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unzureichenden Prüfstand der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" zu stellen wagt202. Im Ergebnis ist dieses Verfahren ebenso wie die Konstruktion eines Auffangtatbestandes eine (unzulässige) eindeutige Verurteilung auf doppeldeutiger Tatsachengrundlage203 . "Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Wahlfeststellung heiß"; dieser Satz hätte auch hier seine Berechtigung. Und die entsprechende Warnung, daß man mit einem solchen Verfahren schlechthin jede Alternativität zu lösen vermöge, käme hier bereits zu spät. Namentlich Dreher204 benutzt die Entscheidung des Bundesgerichtshofes schon jetzt als Ariadnefaden aus dem "Irrgarten der Wahlfeststellung". Er glaubt, mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel schlechtweg jede Alternativität von Tatbeständen lösen zu können, die mit verschieden schwerer Strafe bewehrt sind. Ausgenommen sind nach Dreher nur die sog. "gleichartige Wahlfeststellung" - die richtigerweise ohnehin zum Bereich der eindeutigen Verurteilung gehört - und die Alternativität von Delikten, die mit gleich schwerer Strafe bedroht sind205 ; dieser zweite Fall betrifft allerdings - wie Dreher selbst erkennt - im Grunde nur den Bereich der Modalitäten und Qualifilrationen einer Straftat und mithin Konstellationen, die von Anfang an unproblematisch waren206. Mit anderen Worten: Dreher beseitigt das gesamte Problem der Wahlfeststellung207 , indem er den Grundsatz "in dubio pro reo" zum Sammelbecken einer jeden Alternativität erweitert; ein Ergebnis, das Dreher selbst als "ketzerisch" zu bezeichnen gezwungen ist207 . Hier gehen die schon wegen § 2 notwendigen Eingrenzungsversuche eines ganzen Jahrhunderts über Bord. Es ist müßig, jetzt erneut auf das Rechtsstaatsprinzip, auf das Analogieverbot, auf das Ergebnis einer verkappten Wahlfeststellung und auf die Grenzen des § 261 StPO verweisen zu wollen; nur so viel sei zu der Auffassung von Dreher gesagt: Er geht einerseits von der schon eingangs in Frage gestellten These aus208 , daß der Grundsatz "in dubio pro reo" auch werthafte Stufenverhältnisse erfaßt209 ; er möchte nämlich die Beweisregel 202 Unter diesem Aspekt wurde die Wahlfeststellung allerdings zugelassen von BGH 5 StR 602/52 - Urt. v. 28. 8. 1952 - bei Dallinger MDR 1953, S. 21 (in einem die Entscheidung nicht tragenden Satz); offengelassen in BGHSt 15, 63 (65); vgl. auch Schröder, Anmerkung, S. 422. :03 Das ergeben die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in NJW 1970, S. 669 selbst: "doppeldeutige Feststellungen" einerseits und "Verurteilung lediglich wegen Beihilfe" andererseits; vgl. auch Nowakowski, S. 383 (der Schuldspruch sei sachverhaltsmäßig zwar alternativ, aber doch eindeutig begründet); siehe auch BayObLG NJW 1967, S. 361 ff. (363). 204 Wahlfeststellung, S. 371; vgl. neuestens auch Otto, S. 334 Fußn. 245. 205 Wahlfeststellung, S. 371. 20B Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 251. 207 Vgl. Blei JA 1970, S. 403; Dreher selbst (Wahlfeststellung, S. 371). 208 Siehe oben 1. Teil, Fußn. 11. 20D Vgl. kritisch noch EgLe, S. 66 (keine echten Stufenverhältnisse, weil nicht
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
mit Berufung auf Jescheck2 10 nicht nur analog, sondern direkt anwenden. - Dem ist entgegenzuhalten, daß der Grundsatz "in dubio pro reo" - der ohnehin zu Recht als Beweisregel begriffen wird211 - als Kehrseite des Schuldprinzips stets dann eingreift, wenn die die Schuld begründenden Tatsachen nicht zweifelsfrei erwiesen sind212 . Ferner ist daran zu erinnern, daß auch jede Wahlfeststellung als Ausnahme der Regel "im Zweifel für den Angeklagten" Beweisschwierigkeiten tatsächlicher Art zu lösen bestimmt ist213 • Diese Grundsätze zu verleugnen, wagt selbst der Bundesgerichtshof in seiner neu esten Entscheidung nicht und greift dehalb zur lediglich analogen Anwendung der Beweisregel214 • Andererseits muß (entgegen Dreher) der richtig verstandene Grundsatz "in dubio pro reo" bei jeder Alternativität zweimal - und zwar wechselseitig - angewendet werden, damit seine Funktion zum Schutze des Angeklagten vollständig erfüllt wird215 ; schon um deswillen begreift man die Wahlfeststellung gemeinhin als einschneidende Ausnahme des solchermaßen erzielten Freispruchs. Ein derartiges Verfahren ist auch nicht - wie Dreher meint216 - ein nicht zu Ende geführter Grundsatz "in dubio contra reum", sondern die vollständig zum Ziele geführte Regel "in dubio pro reo". - Daß bereits der Gesichtspunkt der wechselseitigen Heranziehung der Beweisregel das Ende der Theorie vom Auffangtatbestand bedeuten soll217, weil sie dem Gesetz in durchaus adäquaten notwendig mindestens der Tatbestand des Minus erfüllt ist); Fuchs, Diss., S. 12; Dörr, S. 41; vgl. auch Hruschka, S. 268/9. 210 Lehrb., § 16 II, S. 103 (zur Würdigung vgl. den fortlaufenden Text); die Berufung Drehers auf Schröder (für das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme; in Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 15) ist durch Schröders Befürwortung der Entscheidung in BGHSt 23, 203 (Anmerkung, S. 422 f.) nicht mehr zu-
treffend. 211 Vgl. nur BGHSt 23, 203 (207). m Vgl. etwa Müller-Sax, Vor § 48, S. 214; vgl. auch das OLG Braunschweig NJW 1957, S. 1938 f. (1938), das ausdrücklich von einer schwerer wiegenden Tatsache spricht. 213 Siehe oben 1. Teil, Fußn. 8. Diese Beschränkung auf die Wahldeutigkeit der Tatsachengrundlage wird allerdings überdeckt durch die Prüfung der rechtsethischen Vergleichbarkeit; in der Tat ist die Warte der Vorwerfbarkeit und des Unrechtsgehalts ein möglicher Maßstab, um vom Tatsachenkomplex her exklusive Alternativen auf ihre Gleichwertigkeit hin zu prüfen. Dennoch hat bisher noch niemand den nächsten Schritt gewagt und wegen eines Stufenverhältnisses der Vorwerfbarkeit von Hehlerei und Diebstahl oder von Betrug und Beihilfe zur versuchten Abtreibung die Grundsätze der Wahlfeststellung verleugnet (so im Ergebnis jetzt aber Dreher, wenn er auf die Schwere der Strafdrohung abhebt; vgl. auch Oellers, S. 506 und dazu unten Fußn. 232). 2U BGHSt 23, 203 (207). 215 Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 143; dagegen genügt nach Dreher (Wahlfeststellung, S. 371) die Anwendung auf die schwerere Tat, womit man zugunsten des Täters unterstelle, daß er sie nicht begangen habe. 218 Wahlfeststellung, S. 371. 217 Dreher, Wahlfeststellung, S. 371.
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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Fällen die Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" nur in der einen Richtung unterstelle, spricht jedenfalls nicht für die Theorie der allzeitigen Verwendung der Beweisregel218• Schließlich bietet es sich auch bei dem anfechtbaren Ausgangspunkt Drehers geradezu an, zwischen Stufen- und allud-Verhältnissen innerhalb des Unrechtsgehaltes und der Vorwerfbarkeit zu unterscheiden; ein Weg, der ganz betont von dem von Dreher219 zitierten Nowakowski 220 und der als Vorbild herausgestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes221 beschritten wird. Allerdings trifft die grundsätzlich an Dreher geübte Kritik auch diejenigen Autoren, die eine direkte Heranziehung der "in dubio pro reo"Regel nur für einen Teilbereich von Alternativitäten befürworten, namentlich solchen, für die die Rechtsprechung keinen anderen Weg als die Konstruktion eines Auffangtatbestandes wußte. - Die entscheidenden Vorarbeiten für die "Lehre von den normativ-ethischen Stufenverhältnissen" haben Siever2 22 und lange Zeit vor ihm bereits Klatte 223 geleistet. Zu den normativ-ethischen Stufenverhältnissen zählen nach Siever etwa die Alternativitäten vor Vorsatz und Fahrlässigkeit22', Täterschaft und Teilnahme225, aber auch von Diebstahl und Unterschlagung22G,227. Zur Begründung für die ausschlaggebende wertende Betrachtungsweise führt Siever Parallelen an, bei denen ebenfalls faktische Begriffe durch normative Gesichtspunkte umrissen werden; so verweist er auf die Adäquanztheorie, die finale Handlungslehre und die Identität der Tat, die auch dann vorliegen soll, wenn ein einheitlicher Angriff gegen dasselbe Rechtsgut verschiedenen Handlungen den gleichen rechtlichen Unwert verleiht228• So sei auch bei dem Alternativitätsproblem "richtiges Wert!18 Im übrigen ist deutlich gemacht, daß die Lehre vom Auffangtatbestand ohnehin gegen sämtliche abgesicherten Beweisregeln verstößt. 21' Wahlfeststellung. S. 370. 220 S.383. m Unterscheidung von rechtsethischen aliud-Verhältnissen (Auffang- und Wahlfeststellungsgrundsätze) und normativ-ethischen Stufenverhältnissen ("in dubio pro reo" analog). 222 Mit seiner Diss. aus dem Jahre 1950; vgl. S. 45 ff. 223 S. 27/28 zum Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie Täterschaft und Teilnahme (wenn auch mit knapperer Begründung); vgl. auch das Reichsgericht in RGSt 41, 389 (391/392) zum Verhältnis von Vorsatz und unbewußter Fahrlässigkeit (näher dazu im 4. Teil der Arbeit). 224 S. 48 ff. 225 S. 55 ff. 228 S. 87 ff. m Ferner sind zu erwähnen: Enteignungsdelikte - Gebrauchsanmaßung (S. 89 f.); schuldhafte Tatbegehung - § 330 a (S. 70); echtes Unterlassungsdelikt - unechtes Unterlassungsdelikt; Teilnahme am Verbrechen - unterlassene Anzeige. 128 S. 45 - 48.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentwns- und Vermögensdelikten
fühlen ein zuverlässigerer Führer als kritisch-logische Erwägungen"229. Ganz ähnlich läßt sich Weber 230 vernehmen, wenn er "den Notwendigkeiten des praktischen Lebens und dem überwiegenden Wertverständnis des plus-minus Vorrang vor der normgebundenen, wirklichkeitsfremden Logik" einräumt. Diese Sätze müßten für sich sprechen. Jedoch scheint eine abschließende Würdigung dieser Auffassung angebracht. Zunächst ist die Lehre vom normativ-ethischen Stufenverhältnis für den Bereich der "Auffangkonstellationen" und für das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme inzwischen zur absolut herrschenden231 geworden 232 , mithin nur schwer aus den Angeln zu heben. Vor allem scheint diese Lehre der neuen Forderung nach einer Synthese von Dogmatik und Kriminalpolitik233 zu entsprechen234• Wie jedoch oben an der Erörterung der Reichweite des Grundsatzes "in dubio pro reo" erwiesen wurde 236, stellen sich die kriminalpolitisch sicher begrüßenswerten Ergebnisse als Mißbrauch der Beweisregel und mithin der Dogmatik dar. Synthese kann nur bedeuten, kriminalpolitische Forderungen in rechtlich zulässige Formen unter Wahrung dogmatisch unantastbarer Grenzen und unter Beachtung des Analogieverbots zu gießen. Für das Problem der Wahlfeststellung geht es etwa S.48. S. 54/55 und Fußn. 3 auf S. 54 (Vorsatz - Fahrlässigkeit); vergleichbar auch Schwarz (S. 96/97), wenn er die Fahrlässigkeit nach dem Volksempfinden als minus auffaßt. 231 Der Auffassung von Siever hat sich Peters für die Auffangkonstellationen angeschlossen (Lehrb., § 37 III 1 a, S. 248; allerdings ohne Siever zu zitieren), dem wiederwn Sax (in Milller-Sax, § 260 Anm. 2 d [III] ce, S. 837/838; ausdrücklich für das Verhältnis von Vorsatz - Fahrlässigkeit) und Eb. Schmidt (Teil II, § 244 Anm. 11 für Vorsatz - Fahrlässigkeit) gefolgt sind; - vgl. ferner Baumann, Lehrb., § 14 H 2, S. 153 (Vorsatz - Fahrlässigkeit; Mittäterschaft Beihilfe; Anstiftung - Beihilfe; anders für § 330 a: Auffangtatbestand im Sinne des Großen Senats); Kleinkneeht, § 261 Anm. 8 C (Vorsatz - Fahrlässigkeit); Jescheek, Lehrb., § 16 H, S. 103 (Vorsatz - Fahrlässigkeit; MittäterschaftBeihilfe; Täterschaft - Anstütung; § 330 a); Schmidhäuser AT 10/118 (Vorsatz - Fahrlässigkeit; näher im 4. Teil der Arbeit); Heinitz, Verhältnis. S. 128 (Vorsatz - Fahrlässigkeit; näher im 4. Teil der Arbeit). 232 Vgl. ferner OeHers (S. 506 unter a) für das Verhältnis von Vortat und Hehlerei; mithin auch für die Ausgangsalternativität von Raub und Hehlerei (mit Hinw. auf die Entscheidung des BayObLG in NJW 1967, S. 361 ff. zur Wahldeutigkeit von Mittäterschaft und Beihilfe). - In der Argwnentation von OeHers stecken zwei falsche Prämissen: Erstens ist das als Parallele herangezogene Plus-minus-Verhältnis von § 242 und § 243 auch streng logisch gegeben (ein Umstand. der das gleichzeitig vorliegende rechtsethische Stufenverhältnis nicht ausschließt. siehe oben 1. Teil, Fußn. 138); zweitens verwirklicht der Haupttäter nach der Wertung des Gesetzes trotz der Aufrechterhaltungstheorie auch nicht sachlich den Unrechtsgehalt der Hehlerei (richtig deshalb BGHSt 15. 63, 64/65). 233 Roxin, Kriminalpolitik. S. 40; Melzer, S. 58. 234 Dazu bereits oben bei Fußn. 161 ff. 235 Bei Fußn. 211 ff. 228
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2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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darum, de lege lata23e und ferenda 237 dogmatisch haltbare und abgesicherte Kriterien für die "Vergleichbarkeit" mehrerer Straftatbestände zu finden, die sich zu kriminalpolitisch befriedigenden Ergebnissen verwerten lassen237a • Dabei mag der Grundsatz "in dubio pro reo" im Rahmen begriffslogischer Stufenverhältnisse herangezogen werden. Diese Beweisregel für normativ-ethische Umfassungsverhältnisse unmittelbar238 oder auch nur analog anzuwenden, heißt, um es zu wiederholen, eine Entscheidung contra reum bzw. eine Analogie zuungunsten des Straftäters zu befürworten. Es bleibt abschließend auf die Auffassungen Nowakowskis 23D , Schröders23D und des Bundesgerichtshofs240 einzugehen, die dennoch die Grenzen unmittelbarer Heranziehung des "in dubio pro reo"-Satzes durch eine analoge Anwendung der Beweisregel zu umgehen suchen. Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, es handele sich bei der Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe nicht um verschiedene tatbestandliche Unrechtssachverhalte; vielmehr seien der äußere Sachverhalt hinreichend festgestellt und nur verschiedene Beteiligungsformen am gleichen Tatbestand betroffen. Die möglichen Teilnahmeformen richteten sich gegen dasselbe Rechtsgut und beträfen als verschiedene Typen des gleichen Verbots nur die innere Tatseite. Zur Lösung sei deshalb der Gesichtspunkt der analogen Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" zugrunde zu legen, da er den Besonderheiten des Falles am nächsten komme 241 • - Bisher hat aber weder die tatbestandliche Gleichheit noch die Alternativität von inneren Tatsachen242 der Heranziehung von Wahlfeststellungsregeln entgegengestanden. Man denke nur an die QualifikaDazu unten bei Fußn. 347 fi. Dazu unten 7. Teil. 237a Es mag dahinstehen, ob kriminalpolitische überlegungen bei allen dogmatischen Abgrenzungen Eingang finden müssen (dagegen Dreher, Rezension, S. 218 etwa für die Abschichtung von Vorsatz und Fahrlässigkeit; vgl. aber Roxin, Kriminalpolitik, S. 34). Das Problem der Wahlfeststellung jedenfalls ist ohne "kriminalpolitische Vermittlung" zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit und mithin ohne Verzahnung der drei Komponenten der Rechtsidee nicht zu lösen. Anstelle des Gesetzgebers muß der Richter auch Strafwürdigkeitserwägungen in seine Entscheidung einfließen lassen. :38 Wenn einige Autoren dessen ungeachtet den Beweisgrundsatz zur überwindung von Zweifeln tatsächlicher Art heranziehen wollen (siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 11), so ist dies mithin nur mit Vorbehalt und hauptsächlich als Abgrenzung zur reinen Rechtsfrage zu lesen. 23D Nowakowski, S. 383; Schröder, Anmerkung, S. 422 f. !40 BGHSt 23, 203. 241 BGHSt 23, 203 (207); Nowakowski, S. 383; grundsätzlich zust. Schröder, Anmerkung, S. 422 f. (zur weit. Begründung siehe unten bei Fußn. 326 fi.). !4! Dieser Begriff wird anerkannt von Ambrosius, S. 19; Mezger-BZei I, § 63 IV 2, S. 184; KZatte, S. 23; Strobach, S. 42 (subjektive Tatsache); Nüse, Vorsatz, S. 1188 spricht von der Gleichsetzung der subjektiven Merkmale mit den objektiven. 238
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1 Wolter
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
tionen einer Straftat243 einerseits und an die Alternativität von Beihilfe zur versuchten Abtreibung und Betrug244 andererseits245, 246.
4. Zusammenfassung Die Ablehnung der Lehren vom "normativ-ethischen Stufenverhältnis" und vom "Auffangtatbestand" gerät zur Vollkommenheit, wenn man prima facie noch erkennen muß, daß beide geradezu überflüssig waren. Hätte der Bundesgerichtshof beim FahrZässigkeitsprobZem den grundsätzlich akzeptierten Wink 247 im vierten Bande248, daß der Beweis des Meineids gegenüber dem unbewußt fahrlässigen Falscheid "allenfalls weitere Beweisanzeichen" erfordere, zum Anlaß für die Prüfung eines logisch-begrifflichen Stufenverhältnisses genommen, dann wäre er möglicherweise zu einer rechtsstaatlich einwandfreien Lösung über "in dubio pro reo" gelangt249. Bei der Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe hätte es für den Bundesgerichtshof nahegelegen, mit dem Urteil des 5. Senats250 die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit zu bejahen251 , gerade weil sich mit dem normativ-ethischen Stufenverhältnis und mit Rücksicht auf U3 Darauf weist Fuchs, Anmerkung !II, S. 1053 zu Recht hin; unrichtig ist jedoch die Erwähnung der reinen Tatsachenalternativität, da selbst der BGH hier eine echte Wahlfeststellung ablehnt (vgl. BGHSt 2, 351 (352 f.) und oben 1. Teil, Fußn. 51). 144 BGH MDR 1958, S. 739 (bei Dallinger); vgl. auch die Alternativität von Raub- und Notzuchtsversuch (dazu Nüse, Zulässigkeit, S. 37); vgl. auch Schröder, Anmerkung, S. 423 zu § 212 und § 225. 245 Vgl. Fuchs, Anmerkung III, S. 1053, der zudem zu Recht für unbeachtlich erklärt, daß im gegebenen Fall beide Gesichtspunkte zusammenkommen. 246 Allerdings sollte man dem Bundesgerichtshof nicht vorwerfen, daß er den hier beschrittenen Weg noch nicht bei der Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit (Lehre vom Auffangtatbestand) gewählt habe; wie bereits deutlich gemacht (siehe oben (bei) Fußn. 193), begreüt das Gericht trotz aller sonstigen Parallelen (eindeutige Feststellung des äußeren Sachverhaltes, dasselbe Rechtsgut, innere Tatseite) die Unwert- und Schuldgehalte nicht als Stufen, sondern als alia. 247 BGHSt 17, 210 (211) = grundsätzliche Zustimmung zu BGHSt 4,340. 248 BGHSt 4, 340 (343). 249 Die endgültige Lösung bedarf allerdings noch eines weiteren Schritts; vgl. dazu ausführlich den 4. Teil der Arbeit. - Beide Gerichte legen fälschlicherweise ihr Hauptaugenmerk auf die Widerlegung der Entscheidung in RGSt 41, 389, wo das Reichsgericht ein normativ-ethisches Stufenverhältnis der Schuld gebildet hat. Das rechtsethische aliud-Verhältnis schließt aber das logischbegriffliche Umfassungsverhältnis nicht aus; siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn.138. 150 5 StR 602/52 - urt. v. 28. 8. 1952 - bei Dallinger MDR 1953, S. 21; offengelassen in BGHSt 15, 63 (65). m So etwa Dreher, Wahlfeststellung, S. 370; Geier in Löwe-Rosenberg, § 267 Anm. 3 c; Schönke, S. 49; Rumpf, S. 65; Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. II 3 (38. Aufl.).
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die Abgrenzungsschwierigkeiten252 eine rechtliche Nähe oder Gleichartigkeit begründen ließe. Wenn man noch hinzunimmt, daß das logischbegriffliche Umfassungsverhältnis als Diskussionspunkt einen viel größeren Stellenwert besitzen müßte258 , dann erweckt es doch erhebliche Zweifel, ob die analoge Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel den "Besonderheiten des Falles am nächsten kommt"2M. Ebenso ließe sich auch beim Problem des § 330 a - selbst wenn man den Thesen des Großen Senats zu den verschiedenen Unwertsgehalten folgt255 und andererseits einen Freispruch25G vermeiden will - durchaus noch intensiver fragen, ob nicht etwa doch eine rechtsethische Vergleichbarkeit zu befürworten ist257 oder gar die bei der Tatsachenerkenntnis fließenden Grenzen den Schluß auf ein logisch-begriffliches Stufenverhältnis erzwingen258 • Ganz gleich jedoch, wie für die drei genannten Konstellationen die Lösung aussehen muß - nach Auslotung der gesamten Problematik steht fest, daß sowohl die Lehre vom Auffangtatbestand als auch die Theorie vom normativ-ethischen Stufenverhältnis wegen der in ihnen versteckten unzulässigen Wahlfeststellung, wegen Verstoßes gegen das Analogieverbot (in dubio contra reum) und wegen Aushöhlung der Vorschrift des § 261 StPO zum Scheitern verurteilt ist. Die Beschreitung dieser beiden Notwege führt aber auch die grundsätzliche Lösung über das Kriterium der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" ad absurdum. Einerseits erweckt es schon erhebliche Zweifel, wenn die ohnehin überspannte und auch gar nicht konkretisierbare Formel nur dadurch am Leben erhalten wird, daß man ihr gleich zwei andere Lösungen zur Stützung an die Seite stellt; andererseits aber muß man bei kritischer Überprüfung feststellen, daß diese Stützen genau das Prinzip zum Einsturz m BayObLG NJW 1967, S. 361 ff. (363). Vgl den 5. Teil der Arbeit. m So der BGH in NJW 1970, S. 668 f. (669); kritisch dazu auch Fuchs, Anmerkung III, S. 1053. 255 Dagegen für normativ-ethisches Stufenverhältnis: Peters, Lehrb., § 37 III 1 a, S. 248; Schneider, S. 13; Siever, siehe oben Fußn. 227; Heinitz, Verhältnis, S.129; für eindeutige Verurteilung noch Legien, S.140 (ratio legis). 251 Für Freispruch etwa: Maurach BT, § 56 II A 5, S. 515; Schwarz, S. 402; Schaffstein, S. 728; Lazi, S. 115; BGHSt 1, 275 (277); BGHSt 1, 327 (329) mit grundsätzlich zust. Anmerkung von Jagusch in LM § 330 a Nr. 5; Schrubbers LM § 267 I StPO Nr. 2; Hänsel, S. 83. 257 Vgl. Schneidewin, S. 326; Lange, S. 426; Welzel, Lehrb., § 68 II 4 c, S. 476; Krumme LM § 267 I StPO Nr. 3; vgl. auch Schwarz-Dreher, § 330 a Anm. 1 A (30. Aufi.) ; a. A. Roos, S. 97 (selbst vom weiten Standpunkt in BGHSt 4, 340 aus). Für eine zulässige Wahlfeststellung sprechen sich noch aus: Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 33; Hruschka, S. 268; Christians, S. 100; Roos, S. 98 (vom Standpunkt unbegrenzter Statthaftigkeit). 258 Vgl. Schneidewin, S. 326; Busch LM § 330 a Nr. 10; beachte auch Henkel, S. 408 Fußn. 23 (1. Aufl.) und den 6. Teil der Arbeit. 253
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bringen, das sie zu halten geschaffen sind: die einer verkappten Wahlfeststellung zugänglich gemachten Alternativdelikte sind nämlich (bei § 330 a ganz ausdrücklich) gerade nicht rechtsethisch und psychologisch vergleichbar. Es ist dringend an der Zeit, die Rechtsprechung und die ihr nahestehende herrschende Lehre259 zur Umkehr aufzurufen. Mit dieser Mahnung ist eine Warnung an die Legislative zu verbinden, nach Einführung des § 31 OWiG nicht noch weitere Vorschriften materiell-prozessualer Mischung in Gesetzeskraft erwachsen zu lassen. Wo die Lösung bei den angesprochenen Problemkreisen liegen könnte, wurde oben angedeutet und ist im weiteren Verlauf der Arbeit eingehend dargestellt. Sollte man sich mit diesen Vorschlägen nicht einverstanden erklären, so wäre bis zum generellen Eingreifen des Gesetzgebers für den Gesamtkomplex der Wahlfeststellung ein Freispruch eher hinzunehmen als eine versteckte Ablösung der in der offenen Auseinandersetzung so mühsam verteidigten Eingrenzungskriterien. II. Kritik an der Formel der "Identität des Unredltskerns"
Erinnert man sich nach alledem an das Ausgangsbeispiel der Alternativität von Raub und Hehlerei, so bleibt festzuhalten, daß der Freispruch des Bundesgerichtshofes schon deshalb nicht befriedigt, weil er mit Hilfe des anfechtbaren Kriteriums der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" erzielt wird. - Ebenso wenig überzeugt die grundsätzlich mit Vorzügen ausgestattete "Lehre vom Rumpftatbestand ", da die reduzierten Delikte ebenfalls am Maßstab der rechtsethischen Gleichwertigkeit verglichen werden. - Abzulehnen ist schließlich auch die Lösung von Drehe-,260 und Oellers 28 1, die im Wege einer wertenden Betrachtungsweise über die "in dubio pro reo"-Regel aus dem Hehlereitatbestand verurteilen wollen 282 • Einer Überprüfung bedarf dagegen der weitere Vorschlag, mit Hilfe der Formel der "Identität des Unrechtskerns" ("Mindestvorwurfs") wahldeutig aus dem Hehlereitatbestand zu bestrafen263 • Diese Lösung, die der materiellen Einzelfallgerechtigkeit gewiß näher kommt als ein Freispruch und die von der Rechtsstaatlichkeit nicht ganz so entfernt steht 258 Siehe oben Fußn. 160 und bei Fußn. 222 - 238; festzustellen ist dabei lediglich, daß einige Autoren (Eb. Schmidt, Peters, Baumann, Sax, Heinitz) mindestens z. T. von der Theorie des Auffangtatbestandes zugunsten des Dogmas des nonnativ-ethischen Stufenverhältnisses abrücken. 26U Ganz ausdrücklich in Wahlfeststellung, S. 371; vgl. ansonsten oben bei Fußn. 104 fi. 261 Siehe oben Fußn. 232. 262 Nicht haltbar ist auch die Auffassung von Rheinen, siehe oben Fußn. 186. 263 Zur Begründung siehe oben bei Fußn. 77 ff.
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wie jegliche "Lehre vom normativ-ethischen Stufenverhältnis" , basiert auf zwei Prämissen, die zu einer kritischen Stellungnahme Anlaß geben: Einerseits sieht man sich gezwungen, nur das mildere Delikt in den Tenor aufzunehmen; andererseits bleibt der Handlungsunwert der in Frage stehenden Delikte vollkommen unbeachtet, wenn man ihren Kerngehalt stets in der identischen RechtsgutsverZetzung erblickt264 . 1. Die Fassung der UrteiZsformeZ
Nach der Aufhebung der Vorschrift des § 267 b StP0266, in der die Aufnahme nur des mildesten Gesetzes in den Tenor statuiert wurde, haben sich die Meinungen um die Gestaltung der Urteilsformel wieder geteilt. Die Gegner eines wahldeutigen Tenors26G können immerhin auf § 267 b StPO als ursprüngliche legislatorische Entscheidung verweisen267 ; hauptsächlich berufen sie sich allerdings auf die Natur der Sache267 und die Eindruckskraft des Urteils, die bei einer unbestimmt und weitläufig klingenden Fassung des Spruchs geschwächt würde268 . Zudem werde jegliche Diffamierung und Schlechterstellung269 des Täters vermieden, da die Verdachtsbelastung lediglich in den Gründen erfolge und hier nicht schwerer 28' Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28 (Wahlfeststellung zwischen Untreue und Betrug, wenn jeweils eine Vermögensbereicherung vorliegt); Deubner, Grenzen, S. 24 (Wahlfeststellung zwischen Raub und Hehlerei, da sich jeweils fremdes Gut zugeeignet werde); bes. deutlich auch Sax, S. 748 (Verletzung des gleichen Rechtsguts auch bei modal unterschiedlichen Tatvollzügen); Hruschka, S. 267/268 (Verletzung derselben Norm bzw. des Unrechtskerns, z. B. Gruppe der Vermögensdelikte oder Gruppe der Tötungs- und Körperverletzungsdelikte) ; GTÜnhut, S. 338; vgl. auch OLG Hamm SJZ 1950, S. 54 f. (55): die §§ 243 I Ziff. 2 a. F. und 259 seien in Anbetracht desselben Grundcharakters nicht so verschieden, daß sie die Wahlfeststellung ausschlössen; beachte auch Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 60 - 63 und dazu oben 1. Teil, Fußn. 139, der in der Frage der Tenorierung eine differenzierende Haltung einzunehmen scheint (Wahlfeststellung, bei Fußn. 70), jedoch bei dem weiten Begriff des "zusätzlichen Schutzumfangs" im Ergebnis fast durchweg die mildere Vorschrift in den Schuldspruch nehmen muß. 265 Zum Wortlaut siehe 1. Teil, Fußn. 36. 288 BGHSt 4, 340 (343); BGH NJW 1959, S. 1140; grundsätzlich auch BGH GA 1954, S. 22 ff. (23); BayObLG JZ 1965, S. 773 ff. (775); OLG Hamburg NJW 1950, S. 57; OLG Neustadt NJW 1953, S. 1443 f. (1444); OLG Kassel NJW 1948, S. 697; Deubner, Grenzen, S. 22 Fußn. 18 und S. 23; ders., Anmerkung I, S. 738; Henkel, § 91 IV 6, S. 355; Jagusch in LK, § 2 b Anm. 6, S. 69/70; Maurach AT, § 10 Irr 3, S. 96; Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. c, S. 9; SchönkeSchröder, § 2 b Anm. 18; Jescheck, Lehrb., § 16 Irr 2 c, S. 105; Geier in LöweRosenberg, § 260 Anm. 5, S. 1055; Dörr, S. 153. - Vor 1935: Rumpf, S. 137/138; Fox, S.l1. 267 Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. c, S. 9. 288 Henkel, S. 411 (1. Aufl.); Dörr, S. 153; früher vor allem Rumpf, S. 137/138 (Urteilsformel habe knapp und bestimmt zu sein). 268 Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. c, S. 9; Schönke, Anmerkung I, S. 55; vgl. auch Jagusch in LK, § 2 b Anm. 6, S. 69; Dörr, S.153; Schäfer, Gedanken, S. 992.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vennögensdelikten
wiege als jede Taterörterung bei einem Freispruch mangels Beweises27o • Sofern sich die Verurteilung aus dem mildesten Gesetz wegen einer Rückfallbegründung271 oder einer Nebenfolge ungünstig auswirken konnte, ließ man entweder einen wahldeutigen Tenor ZU 272 oder versah die Formel mit einem Zusatz ("Wahlfeststellung" oder "nicht rückfallbegründend ")273. Dem ist aber mit den Befürwortern einer stets wahldeutigen Urteilsforme1 274 entgegenzuhalten, daß ein eindeutiger Tenor dem Prinzip der materiellen Wahrheit275 und Gerechtigkeit276 sowie der Rechtssicherheit277 widerspricht und daß ein unwahrer Eindruck erweckt278 und die Eindeutigkeit des Urteils lediglich fingiert wird279 und mithin ein innerer 170 BGHSt 4, 340 (343); BayObLG JZ 1965, S. 773 ff. (775); Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 38, 44; Deubner, Grenzen, S. 23; ders., Anmerkung I, S. 738 (Deubners Hinw. auf die Vorschriften des § 467 IV und V a. F. StPO, nach denen die
bemakelnde Wirkung der Entscheidung über die Auslagenerstattung beseitigt wurde, erledigt sich bereits durch ihren Wegfall.). 271 Dieses Problem ist durch das 1. StrRG mit § 17 n. F. entfallen (näher Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 46); heute kann auch eine Wahlfeststellung zur Rückfallverurteilung führen (vgl. auch Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 18 a). Mit Vorbehalt sind deshalb auch die Stimmen zu lesen, die lediglich wegen der Rückfallproblematik generell einen wahldeutigen Tenor fordern; vgl. etwa OLG Hamm SJZ 1950, S. 54 f. (55); OLG Celle Nds. Rpfl. 1951, S. 91; Ancker, S.43. !72 BGH GA 1954, S. 22 ff. (23); Müller-Sax, § 260 Anm. 6 Ad IV, S. 838. 173 Jagusch in LK, § 2 b Anm. 6, S. 70; Geier in Löwe-Rosenberg, § 260 Anm. 5, S. 1055; Roos, S. 106; Lochmüller, S. 196; (Heinitz, Verhältnis, S. 127 Fußn. 23 hält diesen Weg wegen der indirekten Verdächtigung für einen nicht glücklichen Ausweg); vgl. noch Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 47. Bemerkenswert ist noch die Auffassung von Bruns (S. 286), der unter Geltung des § 267 b StPO die rückfallbegründende Wirkung des milderen Gesetzes stets befürwortethat. m BGH NJW 1952, S. 114; vgl. auch BGHSt 15, 63 (66); OGHSt 2, 89 (93); OLG Hamm MDR 1950, S. 57; OLG Celle Nds. Rpfl.. 1951, S. 91; Schaffstein, S. 727; Heinitz, Verhältnis, S. 127 Fußn. 23; ders., Grenzen, S. 101 Fußn. 22; SchwarzKleinknecht, § 260 Anm. 5 B b; Brießmann, S. 202; Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 B c (30. Aufl.; für Drehers neueste Auffassung entfällt die Problematik der Tenorierung fast vollständig); Eb. Schmidt, Teil II, § 260 Anm. 13; Lazi, S. 87 und 125; Städtler, S. 97; Christians, S. 67. - Vgl. vor 1935 auch: RG JW 1934, S. 294 ff. (300); RGSt 68, 257 (261) (Jagusch in LK, § 2 b Anm. 6 zitiert das RG und auch den OGH - siehe oben -, der sich der Auffassung in RGSt 68, 257 anschließt, unzutreffend für die Gegenmeinung); Zaum, S. 46; Zeiler, Strafrichter, Sp. 574; ders., Strafurteile, S. 902; Niethammer, S. 170; Dünhaupt, S. 50; Urban, S. 23; Gerig, S. 64/65; Schwabe, S. 81; Ancker, S. 43. - Unter der Geltung des § 267 b StPO de lege ferenda (!): v. Schack, S. 81/82 mit weit. Nachw.; Schwarz, S. 93; Strobach, S. 58; Schaffstein, Anmerkung II, S. 196; Klatte, S. 80/81; Lobe, S. 132. 275 Lazi, S. 87; Städtler, S. 95, Hänsel, S. 92. 278 Schwarz, S. 92. !77 Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 B c (30. Aufl.); Roos, S. 93. :78 BGH NJW 1952, S. 114; Schwarz, S. 93; Dünhaupt, S. 50; Lobe, S. 132; Christians, S. 66/67; Roos, S. 93; Dohna, S. 586; dagegen Lehmann, S.1001. !7t Klatte, S. 81; Schwarz, S. 92; Hänsel, S. 92.
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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Widerspruch280 zwischen den grundsätzlich gleichwertigen Urteilsteilen281 von Tenor und Gründen auftritt. Was die klare Fassung und die Eindruckskraft des Urteils angeht, so ist auch ein wahldeutiger Tenor einer klaren und knappen Gestaltung zugänglich282 und andererseits die Eindrucksstärke eines eindeutigen Urteils - von seiner Widersprüchlichkeit bereits abgesehen - zumindest für den Angeklagten als äußerst gering zu veranschlagen 283. Blickt man auf den Haupteinwand, daß ein wahldeutiger Tenor den Täter schlechter stelle und diffamiere, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Wegbereiter dieser These bei der Zulassung von Wahlfeststellungen mutig mehrere Schritte vorangehen, um dann bei der Tenorierung in einem großen Sprung zurück die allzu heftigen Folgen einer Bemakelung des Täters abzumildern oder gar zu vertuschen. Nicht von ungefähr bestimmte § 267 b StPO unter der Geltung von § 2 b die Eindeutigkeit der Urteilsformel; zu sehr fürchtete man groteske und in der Meinung des Volkes lächerliche Urteilsformeln (Mord oder grober Unfug)2M. Und so nimmt es auch nicht wunder, wenn man in dem 1933 voreilig bekanntgegebenen Urteilsentwurf des Reichsgerichts285 liest, daß der grundsätzlich wahldeutigen Urteilsformel bei Straftaten, zwischen denen in gesetzlicher und sittlicher Beziehung ein weiter Abstand vorhanden sei 286 , eine schonendere Fassung gegeben werden könne. Diese Schonung sollte man dem Angeklagten schon bei der Frage der Verurteilung angedeihen lassen! Es ist deshalb auch kein Zufall, daß die" Theorie des Mindestvorwurfs" stets Wert darauf gelegt hat, eine eindeutige Tenorierung zu begründen, um die Gerechtigkeit der Urteilswirkung zu gewährleisten 287 ; auch in ihrem Verurteilungskatalog finden sich Straftatbestände mit weitem sittlichen und gesetzlichen Abstand288. Umgekehrt nimmt man gleichsam bestätigend zur Kenntnis, daß diejenigen Autoren, die - wie z. B. Eb. Schmidt - eine Wahlfeststellung aus streng rechtsstaatlichen Erwägungen nur in engsten Grenzen zulassen wollen, zur Aufrechterhaltung der 280 281 182
28S
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Lazi, S. 87; Christians, S. 66/67; Schwabe, S. 81. Christians, S. 66/67. Vgl. Urban, S. 23. Lazi, S. 87; Klatte, S. 80; Hänsel, S. 92. Treffend Städtler, S. 93. RG JW 1934, S. 294 ff. (300); siehe auch oben 1. Teil, Fußn. 34.
285 286 So etwa bei Mordversuch und Körperverletzung; Meineid und fahrlässigem Falscheid (bei dieser Alternative entschließt sich auch der Bundesgerichtshof - BGHSt 4,340 (343) - zu einer eindeutigen Urteilsformel; bemerkenswerterweise enthält gerade diese Entscheidung eine Überdehnung des Kriteriums der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit"). 287 Vgl. nur Deubner, Anmerkung I, S. 738; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 38. 288 z. B. Raub - Hehlerei.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
materiellen Wahrheit und Richtigkeit konsequent eine wahldeutige Urteilsformel vorschreiben289 . - Und ein derartig wahldeutiger Tenor vermag den Täter auch nicht zu bemakeln, weil bereits die Auswahl der Alternativdelikte unter dem Gebot mangelnder Diffamierung steht. Es überzeugt nicht, wenn man dieses Gebot im Wege einer eindeutigen Urteilsformel außer acht zu lassen sich befugt glaubt, weil auch beim Freispruch mangels Beweises eine Verdächtigung in den Urteilsgrüoden ausgesprochen werde. Beim Freispruch mangels Beweises stellt sich der Grundsatz "in dubio pro reo" jedoch schützend vor den Angeklagten, während bei der Verurteilung kraft eines "Mindestvorwurfs" die Grenzen der strafbaren Wahlfeststellung weit über die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit hinausgeschoben werden290 . Es läßt sich dabei gerade nicht sagen, daß ein aus dem milderen Delikt Verurteilter sich nicht bemakelt zu fühlen brauche291 , wenn er in Wahrheit den schwereren Straftatbestand verwirklicht habe 292 . Bei Tatbeständen mit nahezu gleichem Strafrahmen kommt hinzu, daß die Tenorierung bei erstrebter Eindeutigkeit oftmals geradezu ein Zufallsergebnis sein muß292a. Es ist unangefochten, daß das Gericht bei Ausmittlung des milderen Delikts für jede Alternativität rechnerisch die Strafe ins Auge zu fassen hat, die bei eindeutiger Feststellung zu verhängen wäre293 • Nichts könnte einen Richter hindern, je nach den konkreten Fallumständen bei der Alternativität von Diebstahl und Betrug einmal die Vorschrift des § 242, das andere Mal hingegen den Betrugstatbestand in die Urteilsformel aufzunehmen294 , 296. Eb. Schmidt, Teil II, § 260 Anm.13; vgl. auch Waiblinger, S.164 Fußn. 33. Lazi (S. 86) erblickt in dem Ausspruch eines Freispruchs mangels Beweises zudem überhaupt kein Werturteil. !81 So aber der BGH in BGHSt 4, 340 (343) für das Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit. 292 Richtig Fuchs, Diss., S. 131 gegen BGHSt 4,340; vgl. auch Schorn, S. 49. 28!a Vgl. auch Dohna, S. 587. 293 Vgl. RGSt 70, 281 (282); JagusCh in LK, § 2 b Anm. 5, S. 68; Maurach AT, § 10 III, S. 96; Christians, S. 64; Niethammer in v. Olshausen, § 2 b Anm. 6. 214 Diese Zufallsergebnisse vermeidet Hruschka (S. 269), wenn er bei gleichwertigen Alternativen einen wahldeutigen Tenor bilden und über "in dubio pro reo" lediglich die Strafe aus dem in concreto günstigeren Straftatbestand entnehmen will. Dem muß zugestimmt werden; jedoch verläßt Hruschka den richtigen Lösungsweg, wenn er bei von der Strafdrohung aus betrachtet ungleichwertigen Alternativstraftaten nur das mildere Delikt (das er als "Auffangstrafdrohung" bezeichnet) in die Urteilsformel aufnehmen will (S. 269) und den Einwand, daß der Tenor somit von den Urteilsfeststellungen abweiche, damit abtut, daß auch bei der Alternativität von § 370 I Nr. 5 und § 242 lediglich aus dem Mundraubtatbestand verurteilt werde (siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 151), obwohl nur die Tatbestandsmerkmale des Diebstahls eindeutig erwiesen seien (Hruschka, S. 269 Fußn. 24). Hruschka verkennt, daß die Frage des wahldeutigen Tenors bei eindeutiger Verurteilungsgrundlage gar nicht auftauchen kann. Insofern sind auch die oben Fußn. 266 zit. Entscheidungen BGH NJW 288
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Auf diesem Hintergrund bedarf es weder einer unrichtigen oder nicht zwingenden Begründung für die Wahldeutigkeit des Tenors noch einer vermittelnden Lösung: Unrichtig ist der Vergleich mit § 73 a. F.298, da nur bei der Tateinheit, nicht aber bei der Wahlfeststellung die Verletzung mehrerer Strafgesetze feststeht 297 . Unmaßgeblich ist der Verweis des Bundesgerichtshofes298 auf mögliche Rechtsnachteile (z. B. unrichtige Registerauskunft bei Straffreiheit, Verbrauch der Strafklage, berufsrechtliche Folgen), da sich hier auftretende Fragen weitgehend nur mit Hilfe der Gründe und Akten verläßlich beantworten lassen289 , 300. - Überflüssig und den vorgetragenen Bedenken ausgesetzt ist auch die anfangs vom Bundesgerichtshof301 vertretene Mittellösung, nach der aus dem Schweigen des Gesetzes gefolgert werden dürfe, daß die Fassung der Urteilsformel gemäß § 260 IV S. 4 StPO in das Ermessen des Gerichts gestellt sei302, 303. 1959, S. 1139 f. (1140) = BGHSt 13, 70 (72) und BayObLG JZ 1965, S. 773 ff. (775), nach denen bei der Alternativität von Meineid und uneidlicher Falschaussage der Tenor nur den milderen § 153 erfassen dürfe, nur mit Vorbehalt zu lesen; richtiger Auffassung nach wird der Täter bei derartigen Beweiszweifeln entgegen der angeführten Rechtsprechung nicht auf wahldeutiger, sondern auf eindeutiger Verurteilungsgrundlage wegen uneidlicher Falschaussage bestraft (siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 132 ff.). zu Die Fassung der Urteilsformel ist auch bei den Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat unproblematisch, da hier einerseits der Bereich der echten Wahlfeststellung und mithin des alten § 2 b noch gar nicht betroffen ist (vgl. oben 1. Teil, (bei) Fußn. 216) und andererseits stets allgemein auf das verletzte Strafgesetz als solches erkannt werden kann (vgl. dazu auch Eb. Schmidt, Teil Ir, § 260 Anm. 13). Z" Vgl. BGH NJW 1952, S. 114. !87 Richtig Jagusch in LK, § 2 b Anm. 6, S. 70; Schwarz, S. 93 Fußn. 15. 28S In NJW 1952, S. 114. Z98 Jagusch in LK, § 2 b Anm. 6, S. 70; Trändle in LK, nach § 2 Rdnr. 47. 800 Umgekehrt darf man nicht - wie das OLG Hamburg in MDR 1950, S. 57 und das OLG Kassel (Hessen) NJW 1948, S. 696 f. (697) - die eindeutige Tenorierung damit begründen, daß auf diese Weise Unklarheiten für das Strafregister darüber vermieden würden, auf welchem Strafgesetz die Verurteilung abschließend beruhe. Die Verurteilungsgrundlage bilden stets beide Delikte in ihrer Wahldeutigkeit; der mildere Tatbestand stellt lediglich den Strafrahmen zur Verfügung (vgl. auch Schwabe, S. 80/81). Ähnlich wie bei der eindeutigen Verurteilung auf doppeldeutiger Tatsachengrundlage (vgl. dazu oben 1. Teil, bei Fußn. 145 ff.) ist auch bei der Wahlfeststellung zwischen dem Rechtsgrund der Verurteilung und dem für das Urteil zugrunde zu legenden Strafgesetz zu unterscheiden (treffend Hruschka, S. 269; vgl. auch Hänsel, S. 92). Inkonsequent ist deshalb auch die Auffassung von Jagusch (in LK, § 2 b Anm. 6, S. 69), nach der der Schuldspruch bei der Wahlfeststellung nur noch Sinn als ein der Straffrage und Vollstreckung zugrunde liegender Titel besitze, weil er die Tat ihrem rechtlichen Unwert nach nicht exakt und ohne Verdachtsbelastung kennzeichnen könne. Man kann nicht zunächst die Wahlfeststellung zulassen, um dann den daraus resultierenden Schuldspruch zu verleugnen. 301 BGHSt 1, 302 (304). 302 Ebenso aber Krumme LM § 260 StPO Nr. 6; Schwarz-Kleinknecht, § 260 Anm. 5 B; Mezger-Blei I ,§ 11 IV, S. 35; vgl. auch Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten 2. Die Berücksichtigung des Handlungsunwenes
Die Erörterungen zur Fassung der Urteilsformel sind nicht abgeschlossen, ohne daß auf die Bedeutung des Handlungsunwertes (der Handlungsmodalität) für das Problem der Zulassungsgrenzen der Wahlfeststellung grundsätzlich eingegangen wird; glaubt sich doch die "Lehre vom Mindestvorwurf" zur eindeutigen Tenorierung schon um deswillen befugt, weil die für sie entscheidende Verletzung des Unrechtskerns und mithin die Rechtsgutsverletzung als solche grundsätzlich vollständig aus der Urteilsformel hervorgeht. Umgekehrt läßt man die wahldeutige Fassung des Tenors konsequent und ohne Mißbehagen schon deshalb zu, weil man bereits die Auswahl der Wahlfeststellungsdelikte unter dem Blickwinkel der gleichwertigen Handlungsmodalitäten und demnach unter dem umfassenden Gebot der mangelnden Diffamierung des Täters vornimmt. Die Berücksichtigung der Ausführungsarten innerhalb der Alternativdelikte findet sich besonders deutlich bei der Prüfung der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" durch die einhellige Rechtsprechung und überwiegende Lehre. Während man mit dem Erfordernis der gleichgearteten seelischen Haltung des Täters in den Grenzen des Tatstrafrechts subjektive Unrechts- und Schuldelemente in die Vergleichbarkeitsprüfung einbringen möchte804 , begründet man die ähnliche sittliche Bewertung einer Straftat und mithin ihren Unrechtsund Schuldgehalt durch eine Gegenüberstellung sowohl der jeweiligen Rechtsgutsverletzung als auch der entsprechenden Handlungsmodalitäten30S • - Dabei bezieht man in konsequenter Verfolgung des Grundsatzes einer konkreten Betrachtungsweiseso6 auch solche Ausführungsarten, Absichten und Motive in die Vergleichbarkeitsprüfung ein, die nicht Eingang in den Gesetzestext gefunden haben. So begründet etwa der Bundesgerichtshof307 die psychologische Gleichwertigkeit von "Mord zur Ermöglichung einer Straftat" und "Mord aus niedrigen Beweggründen" im konkreten Fall damit, daß dem Täter beide Male vom Opfer kein unmittelbarer Anlaß zur Tötung gegeben wurde. - Eine derartig III, S. 44; Jagusch in LK, § 2 b Anm. 6, S. 69; Dörr, S. 151; kritisch Eb. Schmidt, Teil 11, § 260 Anm. 14; Heinitz, Grenzen, S. 101 Fußn.22. aoa § 260 IV S. 1 StPO ist übrigens unanwendbar, da sich diese Vorschrift nur auf Schuldsprüche bezieht, die auf eindeutigen Feststellungen beruhen (§ 260 IV S. 1 StPO ist erst unter Geltung des § 267 b StPO eingefügt worden: vgl. BGHSt 1, 302 (304); Jagusch in LK, § 2 b Anm. 6, S. 69; Lochmüller, S. 188; Dörr, S.151). 304 Schaffstein, S. 726; Egle, S. 205; eingehend oben bei Fußn.112 ff. aos Vgl. etwa Schaffstein, S. 727; Fleck, S. 334/335; Egle, S. 205; bes. deutlich auch BGHSt 20, 100 (101). 308 Siehe dazu oben Fußn. 92, (bei) Fußn. 106; ablehnend Schaffstein, S. 727; Roos, S. 70; vgl. auch BGHSt 20, 100 (103). 307 In NJW 1968, S. 659 f. (660) = BGHSt 22, 12.
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umfassende Würdigung der Unwert- und Schuldgehalte steht jedenfalls dann zu Gebote, wenn man mit der h. M. die Zulässigkeit der alternativen Verurteilung an dem generellen Maßstab mangelnder Diffamierung des Angeklagten mißt308. Im Grunde wählt auch die "Lehre vom Unrechtskern" diesen methodischen Ausgangspunkt, wenn sie eine nicht zumutbare Bemakelung des Täters bei verschiedenartigen Handlungsmodalitäten der in Frage stehenden Alternativdelikte dadurch zu umgehen sucht, daß sie der eindeutigen Urteilsformel das Wort redetSo9 . Nur widerlegt sich diese Lehre selbst, wenn sie glaubt, die Gefahr der Diffamierung sei damit gebannt. Es muß hier in aller Deutlichkeit wiederholt werden, daß als Grundlage der Verurteilung und mithin des Schuldspruchs beide Alternativdelikte in ihrer Verzahnung zu werten sind und daß die angebliche Parallele des Freispruchs mangels Beweises in keiner Weise für eine eindeutige Urteilsformel und eine fehlende Diffamierung (des verurteilten Täters) in den Gründen zu sprechen geeignet istS10 . Insofern kann sich ein Angeklagter - abgesehen von dem Problem der Tenorierung - durchaus in nicht mehr zumutbarem Maße bemakelt fühlen, wenn er (auch bei ähnlicher oder gar identischer Rechtsgutsverletzung) einer Tat bezichtigt wird, die in ihrer Ausführungsart keinesfalls seiner Persönlichkeit entspricht. Es geht nicht an, daß ein Täter einer raffinierten und langfristig eingefädelten Täuschung und damit eines Angriffs auf die Willensfreiheit des Opfers schuldig gesprochen wird, während er möglicherweise statt des Betruges eine einfache Unterschlagung oder einen einfachen Diebstahl311 begangen hatSl!. Die Bedenken steigern sich, wenn dem schlichten Ansichbringen des Hehlers die gewaltsame Wegnahme des Räubers gegenübersteht. Umgekehrt muß jedoch unter dem Gebot der konkreten Betrachtungsweise eine Verurteilung stets dann zulässig sein, wenn die Ausführungsarten große Ähnlichkeit aufweisen oder gar identisch sind. Die Verurteilung als Betrüger belastet den Täter nicht maßgeblich, wenn als Alternativdelikt der ohnehin schwer abgrenzbare Trickdiebstahl zur Debatte stehtSl3 • Handlungsmodalität und Rechtsgutsverletzung sind Etwa BGHSt 4,340 (343); Schaffstein, S. 726. Bes. deutlich Deubner, Anmerkung I, S. 738 (zur Alternativität von Raub und Hehlerei): "die Bemakelung lasse sich unschwer dadurch vermeiden, daß die Wahlfeststellung nicht im Tenor, sondern in den Gründen erfolgt"; ders. Grenzen, S. 23 mit Fußn. 27. 310 Siehe oben bei Fußn. 290 ff. und Fußn. 300. m Dazu auch BGHSt 20, 100 (104). 312 Wie oben bei Fußn. 292 ff. ausgeführt, ist es ohne weiteres denkbar, daß bei eindeutiger Urteilsformel der Betrugstatbestand in den Tenor aufgenommenwird. 313 Vgl. dazu etwa Baumann, Strafrechtsfälle, Fall 25, S. 147; zur Abgrenzun&.a08
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigenturns- und Vermögensdelikten
gleichartig. - Die Wahlfeststellung muß ebenso zulässig sein, wenn bei der Alternativität von Diebstahl und Unterschlagung lediglich zweifelhaft bleibt, ob das zunächst bewußtlose Opfer vor oder nach dem Griff in die Rocktasche gestorben ist. Besonderes Kennzeichen dieser Fälle ist, daß bei fast vollkommener Identität des Handlungs- und Erfolgsunwertes SU der Beweiszweifel außerhalb der Einflußsphäre des Täters seinen Ursprung hat. Auch die alternative Verurteilung wegen Raubes oder räuberischer Erpressung besitzt keinen diffamierenden Charakter, weil lediglich im Dunkeln bleibt, ob das Opfer angesichts der vorgehaltenen Pistole gerade noch eine Vermögensverfügung treffen konnte oder sich die Brieftasche - bar jeglicher Willensfreiheit - wegnehmen lassen mußte. Dabei läßt sich die Parallelität des alternativen Geschehens wenn man einmal die zweifelhafte "Theorie des äußeren Erscheinungsbildes"315 außer acht läßt - so weit vorantreiben, daß der Beweiszweifel auf die schwerlich nachvollziehbare innere Reaktion des Opfers beschränkt bleibtS1e • Bei gleicher Handlungsmodalität und gleichartiger Rechtsgutsverletzung geschieht dem Täter kein Unrecht, wenn die Urteilsformel etwa auf "Diebstahl oder Betrug" lautet. Schon die Zulässigkeit der Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage gibt nach außen kund, daß der Täter im konkreten Fall vergleichbares Unrecht und gleichwertige Schuld auf sich geladen hat; und der Hinweis auf den betrügerischen Diebstahl als Alternativdelikt zu § 263 wird in den Gründen verbindlich von Betrug und Diebstahl beachte auch die Diss. von Dieter Leibrock ("Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl"), Saarbrücken, 1968; siehe auch Wolfgang Bittner, MDR 1970, S. 291 - 293 (Die Abgrenzung von Diebstahl, Betrug und Unterschlagung); Bernd Schünemann GA 1969, S. 46 - 56 (Methodenprobleme bei der Abgrenzung von Betrug und Diebstahl in mittelbarer Täterschaft); beachte auch Weber (S. 46), der von "fließenden Übergängen" zwischen den §§ 242263, 249 - 253 und 242 - 246 im konkreten Fall spricht. 314 Daß der Dieb zusätzlich den Gewahrsam des Bewußtlosen bricht, fällt bei der Regungs- und Wehrlosigkeit des Opfers nicht sonderlich ins Gewicht. Auch in weiterem Rahmen läßt sich die tatbestandliche Nähe des Diebstahlsund Unterschlagungstatbestandes nicht ableugnen, vgl. etwa Weber, S. 46; so entscheiden oftmals schwer abgrenzbare Gewahrsamsverhältnisse über die Anwendung von § 242 oder § 246, wobei bekanntlich der Bruch des gleichgeordneten Mitgewahrsams noch Diebstahl begründet (Maurach BT, § 26 II B 4); vgl. auch Deubner, Grenzen, S. 22 Fußn. 20. 315 Vertreten vom Bundesgerichtshof in BGHSt 7, 252 (255); dagegen etwa Schönke-Schröder, § 253 Anm. 31 mit Hinw. 316 Die Wahlfeststellung zwischen § 255 und § 249 wird zugelassen in BGHSt 5, 280 (281); zust. Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 8; Eb. Schmidt, Nachtragsband, § 244 Anm.18; Baumann, Lehrb., § 14 II I, S.151; Mezger-Blei I, § 11 II 3 b, S. 34; Müller-Sax, § 260 Anm. 4, S. 837; Henkel, § 91 IV 4, S. 354 Fußn. 19; Fränkel LM § 249 StGB Nr. 10; Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 3 d, S. 77; vgl. auch BayObLG NJW 1954, S. 1257 f. (1258) zur Alternativität von Verabredung (§ 49 a) eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung; - a. A. Legien, S. 139 (eindeutige Verurteilung aus § 240; vgl. dazu unten IV.).
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze 109 konkretisiert. - Außerdem darf dem Täter, dem etwa bei der Alternativität von Raub und räuberischer Erpressung das gesamte Handlungsund Erfolgsunrecht lückenlos nachgewiesen werden kann, die unter dem Gebot der Tatbestandsbestimmtheit erfolgte Aufsplitterung der Delikte um der Einzelfallgerechtigkeit willen nicht zugute kommen317 . - Sucht man einen letzten tragenden Grund für eine derartig konkretisierende Betrachtungsweise, so ist einerseits zusammenfassend zu sagen, daß die allseits anerkannte Obergrenze der unzumutbaren Diffamierung des Täters nur dann eingehalten werden kann, wenn auch die Handlungsmodalitäten, Absichten und Motive tatbestandlicher und außertatbestandlicher Art berücksichtigt werden; andererseits ist mit allem Nachdruck darauf zu verweisen, daß nur eine weitgehende Übereinstimmung sämtlicher Strafzumessungsgrundlagen eine gerechte Entscheidung des Gerichts zu tragen vermag318. Die "Lehre vom Unrechtskern" ist nach alle dem rechtsstaatlich anfechtbar3 18 • - Angemerkt sei noch, daß sie ohnehin in Schwierigkeiten gerät, wenn das Schwergewicht der Alternativität bei gleicher Rechtsgutsverletzung von vornherein auf dem Handlungsunwert liegt. Zu denken ist etwa an die Unaufklärbarkeit von Vorsatz und Fahrlässigkeit oder Vollrausch und Rauschtat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit. Letztlich läuft die hier ohne Zögern ausgesprochene (wahldeutige) Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitsdelikt oder aus § 330 a 320 auf die Bildung eines normativ-ethischen Stufenverhältnisses321 und mithin auf einen umfassenden Verstoß gegen unverrückbare Verfassungsprinzipien hinaus.
3. Die untaugliche Parallele der mitbestraften Taten Besonderer Erwähnung bedürfen in diesem Zusammenhang noch die Auffassungen von GTÜnhut322 und Schröder3 23 • Ausgehend von dem Begriff der Tatidentität im Sinne von Schwinge3 24 will GTÜnhut eine Wahlfeststellung im Rahmen der Einheit der Rechtsgutsverletzung zulassen, die bei den Vermögensdelikten in weitem Umfang durch VorbereitungsSiehe bereits oben 1. Teil, (bei) Fußn. 169. Dazu Heinitz, Grenzen, S. 101; Jescheck, Lehrb., § 16 HI 3, S. 106; Blei, S. 500; und bereits oben Fußn.l06. 318 Vgl. noch die allgemein gehaltene Kritik von Fuchs, Anmerkung H, S. 17. 320 Etwa Deubner, Grenzen, S. 24. 3%1 Bezeichnend Deubner, Grenzen, S. 24 ("Bestrafung aus dem milderen Strafgesetz"); Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28 (Erhebung eines Mindestvorwurfs trotz qualitativer Verschiedenartigkeit). 32% S.338. 323 Anmerkung, S. 422 f. 326 S. 236; siehe dazu oben 1. Teil, (bei) Fußn. 93. 317 318
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
und Verwertungshandlungen hergestellt werde. - Dem ist wiederum entgegenzuhalten, daß der Bereich der mitbestraften Vor- und Nachtat nur an dem Aspekt ähnlicher Rechtsgutsverletzung orientiert ist und deshalb auch verschiedenartige Handlungsmodalitäten beim Vergleich von bestrafter und mitbestrafter Tat zuläßt; man denke an Diebstahl oder Unterschlagung in Verbindung mit Sicherungsbetrug325. Der neuerliche und grundsätzlich vergleichbare Gedankengang von Schröder macht dabei deutlich, wie eng sich die These Grünhuts mit der Lehre vom normativ-ethischen Stufenverhältnis berührt. In einer grundsätzlich zustimmenden Anmerkung zum neuesten Urteil des Bundesgerichtshofes326 , in dem die Lehre vom normativ-ethischen Umfassungsverhältnis für die Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe übernommen und nur im Sinne einer analogen Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel modifiziert wird327 , begründet Schröder diese Sonderbehandlung mit der Subsidiarität der Teilnahmeformen328 • - Sieht man genauer hin, dann ist mit diesem Verweis nicht die logisch-begriffliche Seite der Subsidiarität gemeint, wie sie etwa zwischen Versuch und Vollendung zu erkennen ist329 , sondern eine hinsichtlich des Zwecks und des Zusammenhanges der Vorschriften gewertete Konkurrenz330 • Das ergibt sich zwangsläufig daraus, daß die Subsidiarität als Aufhänger dafür dient, das von Schröder33 1 selbst zugegebene begriffslogische aliud-Verhältnis von Mittäterschaft und Beihilfe zu überspielen332 • Es ist dabei nur ein verschiedenes Etikett, ob man mit Grünhut insoweit eine Wahlfeststellung für zulässig erklärt oder wie Schröder die Beweisregel "in dubio pro reo" analog heranzieht. 4. Die Reichweite der Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion im Rahmen der Alternativitätsproblematik Es besteht Anlaß zu einer grundsätzlichen Bemerkung zur Gesetzeskonkurrenz und mitbestraften Tat: Als Domäne des Grundsatzes "im Etwa Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 68 mit Nachw. BGHSt 23, 203. 327 Siehe oben bei Fußn. 191 ff. 328 Anmerkung, S. 423 mit Hinw. auf Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 6I. 829 Zur Subsidiarität etwa SchwaTZ-Dreher, Vor § 73 Anm. 2 A b; SchönkeSchröder, Vor § 73 Anm. 63. 830 Vgl. Schröder selbst (in Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 61). 331 Anmerkung, S. 423. 882 Konsequenterweise müßte Schröder jetzt auch bei der Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit von der bisherigen Forderung nach einem Freispruch abgehen, da er auch die erst fahrlässige und später vorsätzliche Tat dem Verhältnis der Subsidiarität zuordnet (Anmerkung, S. 423 mit Hinw. auf Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 61). Er ginge dann weiter als der Bundesgerichtshof, der wegen psychologischer und rechtsethischer Unvergleichbarkeit 325
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2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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Zweifel für den Angeklagten" zählt bekanntlich allein das begriffslogische Stufenverhältnis. Für seine Ermittlung gelten uneingeschränkt die Regeln der Spezialität3S3• - Die gemeinhin als subsidiär eingestuften Delikte sind dagegen vorab darauf zu untersuchen, ob ihr Konkurrenzcharakter einem begriffslogischen Erfordernis oder lediglich einer Wertung entspringt. Das der Subsidiarität zugrunde liegende Verhältnis der Interferenz {Überschneidung)334 läßt logisch-begrifflich sowohl ein Umfassungsverhältnis mit Spezialitätsnähe als auch ein aliud-Verhältnis zu. Die hier im Gegensatz zur Spezialität stets erforderliche Wertung bezieht sich dabei lediglich darauf, ob statt der Real- bzw. Idealkonkurrenz die Gesetzeskonkurrenz begründbar ist335 ; es ist einsichtig, daß im Falle des logisch-begrifflichen Ausschließungsverhältnisses für die Feststellung der Subsidiarität allein der teleologische Aspekt nachbleibt. Gerade darauf vermag die Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel aber nicht gestützt zu werden. Die verschiedenen Möglichkeiten der Subsidiarität ziehen sich dabei sowohl durch die unechten Fälle der Idealkonkurrenz (Gesetzeskonkurrenz) als auch durch die gemeinhin als mitbestrafte Vor- und Nachtaten bezeichneten Konstellationen der unechten Realkonkurrenz336 . Zu letzteren gehören als logisch-begriffliche Varianten neben der bereits angesprochenen Verbindung von Versuch und Vollendung337 die Fälle von Mordkomplott und Mord338, von Vorbereitung und Versuch339 sowie von Gefährdung und Verletzung340. - Demgegenüber zählen zur allein gewerteten und mithin unbeachtlichen Subsidiarität im Rahmen der mitbestraften Vor- und Nachtaten die schon bei der Erörterung der Auffassung GTÜnhuts herangezogenen Fälle von Diebstahl oder Unterschlagung in Verbindung mit Sicherungsbetrug oder Sachbeschädigung. Was die ebenso untaugliche normative Subsidiarität im Sinne der Gesetzeskonkurrenz anlangt, so gehören hierhin die von Schröder be(ebenso Schröder in Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 12) nicht zur analogen Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel, sondern zum Auffangtatbestand gelangt (siehe dazu oben Fußn. 246). 333 So namentlich auch Schröder, Anmerkung, S. 423; vgl. ansonsten die zahlreichen Nachw. oben 1. Teil Fußn. 13; der Spezialität liegt das Verhältnis der Subordination zugrunde (Klug, S. 404). 8M Dazu Klug, S. 406. 385 Vgl. Klug, S. 409 und 413 888 Beachte etwa das Konkurrenzschema von Baumann (Lehrb., § 38 III 3, S. 646), das hier zugrunde gelegt wird. 387 Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 63; vgl. auch Kleinknecht, § 261 Anm. 8 C; TröndZe in LK, nach § 2 Rdnr. 5. 838 Baumann, Lehrb., § 38 III 3, S. 646. 1I38 Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 62, 66 ff. MO Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 63.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vennögensdelikten
schriebenen Fälle von Täterschaft und Teilnahme341 oder Vorsatz und Fahrlässigkeit. - Eine verwertbare begriffslogische Subsidiarität im Sinne der Gesetzeskonkurrenz ist demgegenüber in richtiger Lösung einer weitreichenden Kontroverse etwa zwischen Treubruch (§ 266 2. Alt.) und Veruntreuung (§ 246 2. Alt.) anzunehmen, soweit sich die Untreue ebenfalls durch eine Vermögensbereicherung auszeichnet342 • Insoweit wird das bei der Veruntreuung vorausgesetzte Vertrauensverhältnis regelmäßig von der Treuebindung des § 2'66 2. Alt. umfaßt. Bekanntlich versuchen eine Reihe von Autoren343 , auch die Konsumtion als dritten Fall der Gesetzeskonkurrenz für die Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel fruchtbar zu machen. Richtigerweise bilden diese Fälle aber keine eigenständige Gruppe, sondern sind in die Subsidiarität integriert344 • Die gemeinhin der Konsumtion zugängliche Sachbeschädigung beiIllEinbruchsdiebstahl kann im Rahmen der Alternativität, die stets eine konkrete Betrachtungsweise erfordert, nur dann zugunsten des Angeklagten angenommen werden, wenn sie nicht nur typischerweise, sondern tatsächlich (exklusiv-alternativ) vorliegt. Insoweit ist jedoch mindestens Subsidiarität, wenn nicht sogar Spezialität gegeben345 • 841 In Vorwegnahme der ausführlichen Erörterungen im 5. Teil der Arbeit sei schon in diesem Zusammenhang festgestellt, daß die von Schröder (in Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 61 und Vor § 47 Anm. 120) zit. Reichsgerichtsentscheidungen keinen anderen Schluß zulassen. Täterschaft und Teilnahme wurden stets - wenn auch im Rahmen einheitlicher Tat - als Teilstücke der Gesamttat nacheinander verwirklicht; RGSt 63, 133 (134); RGSt 70, 293 (296); vgl. ferner RGSt 10, 406 (410); RGSt 26, 198 (199); RGSt 48, 206 (210); ähnlich RGSt 62, 74 (75) für das Verhältnis von Anstiftung und Beihilfe, mit Nachw.; vgl. auch BGHSt 4, 244 (247). Niemals wurde demnach die Beihilfe als in der Täterschaft begriffslogisch mitenthalten angesehen; so ausdrücklich auch RGSt 70, 138 (140). Dies wird zwingend durch die vom Reichsgericht vertretene subjektive Theorie bestätigt. Auf diesem Hintergrund ist auch die Entscheidung in RGSt 71, 364 (365) zu sehen, in der das Gericht lediglich ein nonnativ-ethisches Umfassungsverhältnis von Mittäterschaft und Beihilfe zu bilden vermochte. 342 Das gilt sowohl für den Fall, daß die Tathandlung zum Gewahrsam führt (OLG Köln NJW 1963, S. 1992 ff. (1993); vgl. auch BGHSt (GS) 14, 38 (47/48) unter der Voraussetzung einer "vennittelnden oder berichtigenden Auslegung" des § 246) als auch für den weiteren sehr streitigen Fall, daß der Gewahrsam vor der deliktischen Handlung bereits bestand (so überzeugend Schröder, Konkurrenzprobleme, S. 1960; ders. in Schönke-Schröder, § 266 Anm. 63 a; Baumann, Sicherungsrechte, S. 255; Nagler in LK (7. Aufl.), § 266 Anm. IX, S. 479; a. A. die h. M.: vgl. etwa RGSt 69, 58 (64); RG JW 1938, S. 2336 f. (2337); BGH GA 1955, S. 271 f. (272); Welzel, Lehrb., § 56 CI 2; Mezger-Blei 11, § 62 VIII; Schwarz-Dreher, § 266 Anm. 5 B; Maurach BT, § 3911 B 2; Jagusch in LK, § 266 Anm. 8, S. 482). 343 Siehe die oben in Fußn. 27 Genannten. 344 So nachdrücklich Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 77 mit weit. Nachw.; vgl. auch Baumann, Lehrb., § 38 11 3, S. 627/628; Hruschka, S. 266 Fußn. 4; grundlegend die Ausführungen von Klug, S. 408 - 414. 345 Insofern kann Baumann (Lehrb., § 38 11 3, S. 627) nicht uneingeschränkt zugestimmt werden, wenn er die Spezialität deshalb ausschließt, weil die
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Liegt umgekehrt ein Einbruchsdiebstahl vor, der gerade nicht die nur typischerweise verwirklichten Straftatbestände des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung in sich enthält, und steht dem § 243 als Alternativtat ein zwangsläufig bei anderer Gelegenheit begangener § 303 oder § 123 gegenüber, dann darf der Gedanke der Subsidiarität - wie ausgeführt - weder ein normativ-ethisches Stufenverhältnis begründen (Schröder) noch ein Indiz für die Zulässigkeit der Wahlfeststellung (GTÜnhut) abgeben348 • Demgegenüber spielen sowohl die logisch-begriffliche als auch die normativ-ethische Subsidiarität eine gewichtige Rolle für die eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage. Enthält zum Beispiel der Einbruchsdiebstahl begrifflich-subsidiär eine Sachbeschädigung oder geht der Mittäterschaft normativ-subsidiär eine Beihilfe voraus, und steht diesen Alternativtaten eine eigenständige Sachbeschädigung bzw. Beihilfe an anderer Haupttat gegenüber, dann kann - wie später noch näher begründet wird - ohne weiteres wegen des aliud-Charakters und bei etwaiger Unvergleichbarkeit der Ausgangstatbestände eine eindeutige Verurteilung wegen Sachbeschädigung bzw. Beihilfe (auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage) erfolgen. IU. Ansatzpunkte für die eigene Lösung
Kehrt man zum Ausgangspunkt der überlegungen zurück, so bleibt die Frage zu beantworten, wie bei der Absteckung der Grenzen zulässiger Wahlfeststellungen die Gebote der mangelnden Diffamierung des Täters und der Schaffung gerechter Strafzumessungsgrundlagen mit Konturen versehen werden können. Diesen Prinzipien widerstreitet nach den bisherigen Erörterungen die Lehre von der Identität des Unrechtskerns genauso wie die Sonderauffassung von GTÜnhut, der den Gesichtspunkt der mitbestraften Nachtat entscheidend sein läßt. - Nun glaubt man vielfach, zur Erfüllung dieser Gebote das Kriterium der "rechtsethischen Sachbeschädigung nicht stets unterschwellig tatbestandsmäßig erfüllt wird. Im konkreten Fall ist das begriffslogische Umfassungsverhältnis erfüllt, und die Einordnung in die Gruppe der Spezialität oder Subsidiarität wird hauptsächlich davon abhängen, inwieweit man das verdrängte Delikt bei Unmöglichkeit der Bestrafung aus dem Oberdelikt wiederaufleben zu lassen bereit ist (dazu Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 81 ff.); beachte auch die Auffassung von Klug, der mit Baumann das Verhältnis der Interferenz = Subsidiarität bejaht (S. 409), andererseits den Spezialitätscharakter im konkreten Fall nicht verkennt (S. 408 und 415); die endgültige Einordnung in die Subsidiarität begründet Klug zu Recht damit, daß hier im Gegensatz zur Spezialität eine wertende Abwägung zwischen Ideal- bzw. Realkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz zu erfolgen habe (S. 415). 3fG Vgl. auch Stahl (S. 37/38), der allerdings den Gesichtspunkt der Subsidiarität generell für die Wahlfeststellungsproblematik ausschließt. 8 Wolter
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und psychologischen Vergleichbarkeit" am Leben erhalten zu müssen347• Indessen vermag bekanntermaßen gerade diese Formel für einen konkreten und objektivierbaren Maßstab bei der Feststellung gleichartiger Ausführungsarten und Rechtsgutsverletzungen und mithin bei der Begründung eines ähnlichen Unwert- und Schuldgehaltes keine Zeichen zusetzen.
1. Kritik an den Auffassungen von Fleck und Eb. Schmidt Ebenso unbefriedigend ist auch die These von Fleck3 48 , nach dem die wahldeutige Verurteilung bei gleichem Rechtsgut dann rechtlich möglich sein soll, "wenn die Handlungsmodalitäten nicht so erheblich voneinander abweichen, daß sie eine Verschiebung des Unrechtskerns bewirken". Einmal bleibt Fleck die Antwort auf die Frage schuldig, wann der Grad der erheblichen Abweichung erreicht ist. Andererseits erweist sich die These als zu eng, daß bei nur gleichwertigen Ausführungsarten die Rechtsgutsverletzung identisch sein muß. Man denke hier wiederum an die Alternativität von Trickdiebstahl und Betrug. Der Hinweis auf die Parallele der mitbestraften Tat im Sinne von Grünhut349 schießt demgegenüber über das Ziel hinaus, da nicht nur ähnliche Rechtsgutsverletzungen, sondern auch ungleichwertige Handlungsmodalitäten in den Bereich zulässiger Wahlfeststellungen einbezogen werden. Ein richtiger Ansatzpunkt findet sich für die mehrfach angesprochene Alternativität von Raub und räuberischer Erpressung bei Eb. Schmidt;350, wenn er auf die weitgehend unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten hinweist, die zum Beispiel auch zu einer Aufhebung des Unterschiedes beider Straftatbestände im Strafsatz geführt hätten. Allerdings erweist sich diese These als zu bruchstückhaft, wenn man bedenkt, in welchem Maße etwa die erwähnten Beweiszweifel von Diebstahl und Unterschlagung im Falle des bewußtlosen Opfers oder von Betrug und Trickdiebstahl der Unaufklärbarkeit von § 249 und § 255 nahekommen. 2. Die Parallele des Fortsetzungszusammenhanges
Geht man nach alledem auf die Suche, wo das Gebot der Gleichartigkeit der Handlungsmodalität und der Gleichwertigkeit der Rechtsgutsverletzung in ausgewogenem Maße berücksichtigt wird, so gelangt man Etwa Jescheck, Lehrb., § 16 III 3, S.106; Blei, S. 500. S. 336; entsprechendes gilt bei gleicher Handlungsmodalität und unterschiedlichem Rechtsgut. 349 Fleck, S. 336 Fußn. 15 für die Alternativität von Diebstahl und Hehlerei. 350 Nachtragsband, § 244 Anm. 18. 347
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wie so oft in der Alternativitätsproblematik zur Konkurrenzlehre361 , genauer gesagt zum Fortsetzungszusammenhang. - Überprüft man die einschlägigen Entscheidungen und Lehrbücher nach den Voraussetzungen der juristischen Handlungseinheit, so klingen Teile von ihnen wie eine lückenlose Definition der Zulässigkeit der Wahlfeststellung: Stets werden die Gleichartigkeit des Rechtsguts und die Gleichwertigkeit der Begehungsform als unabdingbare Bestandteile des Fortsetzungszusammenhanges genanntS52 ; in umfassender konkreter Würdigung finden dabei auch Tatmomente Berücksichtigung, die keine Ausformung zum Tatbestandsmerkmal erfahren haben353• 351 Wie sehr sich hier richtige und falsche Gesichtspunkte mischen, zeigt die Erörterung zur Reichweite und Bedeutung der Gesetzeskonkurrenz sowie der mitbestraften Tat; siehe oben 11. 3 und 4. Beachtlich scheint der Hinw. von Legien (S. 114), daß es sich bei der Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage insoweit um die gleichen Schwierigkeiten handele, "mit denen sich auch die Konkurrenzlehre auseinanderzusetzen hat", siehe dazu bereits oben Fußn. 28; ähnlich spricht NiLse (Diss., S. 66) von etwas den "Konkurrenzverhältnissen Nahestehendes"; Rumpf (S. 181 und 197) faßt die wahldeutige Feststellung mehrerer Tatbestände als Konkurrenzfall auf und stellt seinen Gesetzesvorschlag (§ 90 a) zwischen die Bestimmungen von Idealkonkurrenz (§ 90) und Realkonkurrenz (§ 91); ähnlich v. Dassel, S. 9 (§ 37 a bei den Konkurrenzen); Christians, S. 104 ff. (§ 74 a). Zu letzterem sei bemerkt, daß die Wahlfeststellung wegen der Alternativität kein eigentlicher Konkurrenzfall (Kumulation) ist; es kann allein darum gehen, einige Grundsätze der Konkurrenzlehre für das Problem der wahldeutigen Verurteilung fruchtbar zu machen. Nur mit dieser Einschränkung ist es sinnvoll, die Alternativität methodisch im Anschluß an die Konkurrenz zu erörtern (vgl. etwa Mayer AT, 7. Kap.); dabei ist die Alternativität nicht mit der gleichnamigen Konkurrenzform (vgl. dazu Baumann, Lehrb., § 38 III 3, S. 646/647) zu verwechseln, die heute zu Recht als überflüssig (Schröder, Sicherungsbetrug, S. 399; ders. in Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 79; Klug, S. 412) und - sofern überhaupt noch erwägenswert (einziger Fall wohl § 311 und § 5 SprengstoffG a. F.) - als gesetzgeberische Fehlleistung (Klug, S. 412 ff.) begriffen wird. Anfechtbare Parallelen zur Konkurrenzlehre werden gezogen, wenn man etwa im Rahmen der Problematik um die Tatidentität auf den Fortsetzungszusammenhang verweist (siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 108 ff.) oder bei der gleichartigen Wahlfeststellung den Seitenblick auf die "gleichartige Idealkonkurrenz" wirft (oben 1. Teil, Fußn. 57; Schönke, Anmerkung, S. 236); ferner, wenn man das begriffslogische aliud-Verhältnis mit der Unzulässigkeit des Fortsetzungszusammenhanges begründet (etwa BGH NJW 1970, S. 668 f. [669] = BGHSt 23, 203 zum Verhältnis von Mittäterschaft und Beihilfe oder BGHSt 12,146 [148] zum Verhältnis von § 331 und § 332) - siehe dazu den fortlaufenden Text; weiterhin, wenn man den Fortsetzungszusammenhang nur beim alternativen Mischgesetz und umgekehrt die Ideal- und Realkonkurrenz lediglich beim kumulativen Mischtatbestand für begründbar erachtet (Wertheimer, S. 3 Fußn. 1 und S. 11; siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 254 f.) ; schließlich, wenn man bei der Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit die Parallele der Idealkonkurrenz heranzieht (GriLnhut, S. 337; siehe dazu den 4. Teil der Arbeit). 35t Statt vieler Schwarz-Dreher, Vor § 73 Anm. 3 A bund c. Jescheck, Lehrb., § 66 V 2 a, S. 474 spricht bei der gleichartigen Begehungsweise von der "Einheit des objektiven Handlungsunrechts"; gerade diese Einheit schließt eine Diffamierung des Täters im Rahmen der Wahlfeststellung aus. 853 Etwa Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 21.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
Fragt man, aus welchem Grunde die Literatur diese Parallele nicht nutzbar gemacht hat, so fällt die Antwort zunächst einmal leicht: Die Hauptfälle des Fortsetzungszusammenhanges weisen entweder identische subsumenda - wie etwa beim fortgesetzten Betrug - oder ein begriffslogisches Stufenverhältnis - zum Beispiel bei fortgesetztem schwerem Diebstahl mit den Tatgliedern der §§ 242 und 243 a. F. auf354 und besitzen demnach für die Wahlfeststellungsproblematik keine Aussagekraft. - Dieser erste Eindruck täuscht jedoch. Befürwortet man die Wahlfeststellung aus rechtsstaatlichen Gründen nur in engsten Grenzen 355 , so entdeckt man, daß Rechtsprechung und Schrifttum in den verbleibenden Fällen der Wahldeutigkeit auch den Fortsetzungszusammenhang zu bejahen bereit sind. Das Paradebeispiel bildet dabei das Deliktspaar von Raub und räuberischer Erpressung356 • Und es fällt auf, wenn Baumann 357 - allerdings im Gegensatz zur h. L. - die Wahlfeststellung zwischen Trickdiebstahl und Betrug wegen der Ähnlichkeiten in der Handlungsmodalität zulassen will und dabei auf seine Lehre vom Fortsetzungszusammenhang verweist358 • Hier stellt Baumann vollkommen zu Recht heraus, daß die Unterscheidung der Tatbestände oftmals von Umständen abhängt, die vom Täterwillen losgelöst sind. Folgerichtig hält er auch die juristische Handlungseinheit bei Unterschlagung und Diebstahl in dem Fall des bewußtlosen Opfers für möglich359 • Für die rechtliche Wertung kann es in der Tat keine Rolle spielen, ob das ohnmächtige Opfer während einer Mehrzahl von Tathandlungen verstirbt. Ist bei dieser Argumentation auch offenkundig, daß die möglichen Fälle einer wahldeutigen Verurteilung der allgemeinen Intention entsprechend von geringer Zahl sein müssen, so gilt es dennoch, einigen denkbaren Einwänden zu begegnen. - Man könnte die Parallele des 354 Vgl. nur BGHSt 12, 146 (147); Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 21 mit zahlreichen Nachw. 355 Siehe oben 1. Teil, 3. Abschnitt, F. 356 Schwarz-Dreher, Vor § 73 Anm. 3 A c; Lackner-Maassen, Vor § 73 Anm. IV 2 a aa mit Hinw. auf DaLLinger MDR 1968, S. 727; a. A. allerdings Maurach AT, § 54 III B 2 b aa, S. 632, der von seinem engen Standpunkt auch die Wahlfeststellung ablehnt. Sofern man darauf verweisen wollte, daß der Bundesgerichtshof in BGHSt 14, 386 (390) ein Stufenverhältnis der Straftatbestände gebildet hat, muß entgegengehalten werden, daß das Gericht im Widerspruch dazu die Wahlfeststellung in BGHSt 5, 280 (281) zugelassen hat (vgl. SchönkeSchröder, § 255 Anm. 3). Zumindest Schwarz-Dreher (§ 253 Anm. 2) und Lackner-Maassen (§ 253 Anm. 2) gehen mit der Forderung einer Vermögensverfügung innerhalb der §§ 253/255 von einem aliud-Verhältnis aus; vgl. auch BGH NJW 1967, S. 60 f. (61), der - wenn auch in anderem Zusammenhang davon spricht, daß der Raubversuch durch die räuberische Erpressung .. lediglich fortgesetzt" werden könne. 357 Strafrechtsfälle, Fall 25, S. 147. 358 Lehrb., § 38 II 4 b, S. 635. 359 Ablehnend RGSt 58, 228 (229); vgl. auch BGH GA 1962, S. 78 ff. (79/80).
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Fortsetzungszusammenhanges verwerfen, weil sie neben den hier interessierenden Fällen auch begriffslogische Stufenverhältnisse oder Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat einschließt360 • Außerdem so ließe sich fortfahren - werde der Fortsetzungszusammenhang bei allzu großen Unterschieden in der Ausführungsart trotz identischer subsumenda verneint (etwa bei zwei sehr unterschiedlichen Betrugsfällen). - Das Übergreifen in andere Problemkreise - so sollte man erwidern - ist insofern von geringer Bedeutung, als diese Sonderfragen festumrissener Lösungsmöglichkeiten zugänglich gemacht werden können. So werden etwa die tatsächlichen Stufenverhältnisse ohne große Schwierigkeit mit der Spezialität und begriffslogischen Subsidiarität ermittelt; bei den unterschiedlichen Betrugsfällen ergibt sich zwingend eine eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage ; die doppelte Erfassung der Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat mit den Gesichtspunkten des § 265 StPO und des Fortsetzungszusammenhanges ist nur ein Gewinn361 • Gewichtiger ist demgegenüber der bei der Parallele des § 265 StPO entsprechend aufgetauchte Einwand s62 , daß die Grundsätze des Fortsetzungszusammenhanges keineswegs abgesichert seien und die Frage der Wahlfeststellung stets dann offenbleibe, wenn der vergleichbare Fall der juristischen Handlungseinheit noch nicht geklärt sei; es fehle mithin nach wie vor an einem sicheren Maßstab zur Ermittlung der Gleichartigkeit von Handlungsmodalität und Rechtsgutsverletzung. - Richtigerweise ist jedoch der eigentliche Maßstab bereits weitgehend bloßgelegt. Fortsetzungszusammenhang und Wahlfeststellung erfordern einerseits die Ähnlichkeit der Rechtsgutsverletzung, wobei sich etwa die Grundsätze der mitbestraften Nachtat heranziehen lassens63 , andererseits die Gleichartigkeit der Handlungsmodalität, wobei eine derartige Ähnlichkeit oder Deckungsgleichheit zugrunde zu legen ist, daß die Erfüllung des konkreten Tatbestandes außerhalb der Einflußsphäre und des Willens des Täters liegt. Falls diese Richtlinie nicht genügt, sollte man sich weiter vor Augen halten, daß dem Richter mit der Parallelität von Fortsetzungs160 Dazu Wertheimer (S. 11), der allerdings den Fortsetzungszusammenhang nur beim alternativen Mischgesetz zulassen will. 361 Demgegenüber vermag allein die Parallele des Fortsetzungszusammenhanges der Alternativität mehrerer Strafgesetze Strukturen zu verleihen; eine eigenständige Bedeutung des § 265 StPO bleibt auf der anderen Seite insofern bestehen, als man in diesem Rahmen des legislatorischen Einschreitens nicht bedarf, ähnlich wie die alte Reichsgerichtsrechtsprechung außerhalb des späteren § 2 b angesiedelt war. S62 Siehe oben bei Fußn. 23 ff. S63 Für den Fortsetzungszusammenhang z. B. Geerds, S. 207 und 303; vgl. auch Baumann, Lehrb., § 38 II 4 b, S. 635 (der Eigentumsschutz etwa sei nur ein Teil des im StGB enthaltenen allgemeinen Vermögensschutzes); Warda, S. 92 Fußn.73.
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zusammenhang und Wahlfeststellung ein Korrektiv selbst für den Fall an die Hand gegeben wird, daß die Frage der juristischen Handlungseinheit noch nicht abgeklärt ist. Das Gericht muß sich bei der Zulassung des Fortsetzungszusammenhanges zugunsten des Täters stets im klaren darüber sein, daß es gegebenenfalls zuungunsten des Täters eine Wahlfeststellung bejahen müßte - und umgekehrt; entsprechend schließt es mit der Statuierung der Realkonkurrenz im gegebenen Fall die wahldeutige Verurteilung aus. Denkbar bliebe jetzt der weitere Einwand, daß die Ansatzpunkte für Fortsetzungszusammenhang und Wahlfeststellung diametral verschieden seien; die juristische Handlungseinheit wirkt zugunsten, die wahldeutige Verurteilung zu Lasten des Täters. Dem ist entgegenzuhalten, daß beide Institute als Entwicklung der Rechtsprechung zu qualifizieren sind, die letztlich der richterlichen Tätigkeit im Falle von Unaufklärbarkeiten, sei es die Zahl, sei es die Art der Tatbestände betreffend, zu dienen bestimmt sind36'. Außerdem hat sich an der Verwertung der Gesichtspunkte von Spezialität und begriffslogischer Subsidiarität erwiesen, daß die Kumulation zugunsten (Wegfall des konkurrierenden Delikts) und die Alternativität zuungunsten des Täters (Strafbarkeit trotz normativethischer Unvergleichbarkeit) ausschlagen kann. Zusammenfassend vermögen mithin die objektiven Kriterien des Fortsetzungszusammenhanges verwertbare Strukturen für die Wahlfeststellungsproblematik aufzuzeigen364a•
3. Die Lösung von nicht ausdiskutierten Einzelproblemen Macht man sich nach alle dem noch einmal klar, daß die Wahlfeststellung nach der verfassungsrechtlichen und strafprozessualen Lage nur in engsten Grenzen zugelassen werden kann, ein Umstand, der im Spiegelbild der Fortsetzungstat nur bestätigt wird, dann lösen sich eine ganze Reihe von bisher noch nicht endgültig diskutierten Problemen wie von selbst: 3&4 Zum Fortsetzungszusammenhang vgl. Schwarz-Dreher, Vor § 73 Anm. 3; Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 16. 364a Im nachherein fällt eine kurze Bemerkung von Christians (S. 58) mit Hinw. auf Gerig (S. 52 mit Fußn. 183) zur Parallele des Fortsetzungszusammenhanges auf; beide Autoren bieten allerdings nichts Neues. Sie versagen den Grundsätzen der Fortsetzungstat als Schrittmacher für die Wahlfeststellung ebenso wie es die h. M. tun müßte - schon deshalb ihre Zustimmung, weil ohnehin nur Grundtatbestände und Qualifikationen in den Rahmen des Fortsetzungszusammenhanges zu stellen seien (dagegen oben bei Fußn. 354 ff). Die seit dem 1. 4. 1970 in Kraft befindlichen Konkurrenzbestimmungen stellen wegen der - kritisch zu würdigenden (vgl. AE, Begründung, S. 213) - Beibehaltung der Unterscheidung von Ideal- und Realkonkurrenz Rechtsprechung und Lehre auch weiterhin vor die Aufgabe, die Reichweite des Fortsetzungszusammenhanges zu bestimmen.
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1. Das Gebot der konkreten Betrachtungsweise365 verliert viel von seiner Umstrittenheit, wenn man erkennt, daß es im Rahmen der Wahlfeststellung nur in sehr wenigen Fällen seine Wirksamkeit entfaltet366 . Die generelle Beschränkung der wahldeutigen Verurteilung leistet der als Gegenargument bemühten Rechtssicherheit einen größeren Dienst als die Verfechtung eines stets abstrakten Blickwinkels und verfolgt zudem das Ziel einer gerechten Strafzumessung.
2. Von diesem strengen Standpunkt aus diffamiert ein wahldeutiger Tenor in keiner W eise387 . 3. Mit konkreter Betrachtungsweise, Parallelität des Fortsetzungszusammenhanges und wahldeutigem Tenor sind auch die Sicherheit der Uneilsfindung und vor allem die Gerechtigkeit der Urteilswirkung ge-
währleistet388. Vorwürfe wie "Entfernung von der Wahrheit"368 oder "Strafzumessung unter stillschweigender oder unbewußter Berücksichtigung des schwereren Alternativdelikts"870 verlieren ihre Bedeutung. 4. Das Problem der Kumulation von "in dubio pro reo"- und WahlfeststeUungsgrundsätzen871 verliert ebenfalls entscheidend an Schärfe, weil
die Anwendung der Beweisregel "im Zweifel für den Angeklagten" zu einer Verurteilungsgrundlage führt, die vom Handlungs- und Erfolgsunwert aus betrachtet nahezu eindeutig ist872 • - Man hat bei dieser Argumentation allerdings mit Sicherheit den Einwand zu gewärtigen, daß letztlich - wie auch bei anderen extensiven Theorien - eine Verurteilung selbst bei unterschiedlichsten Ausgangsalternativtaten ermöglicht wird. Jedoch ist hier nur in leicht abgewandelter Form die bereits gelöste 385 Siehe oben (bei) Fußn. 92; Fußn. 106; bei Fußn. 306 - 318. 388 Selbst der Paradefall der Unaufklärbarkeit von Raub und räuberischer Erpressung kann einmal derart unterschiedliche Ausführungsarten aufweisen, daß Wahlfeststellung und Fortsetzungszusammenhang abgelehnt werden müßten. 3B7 Siehe bereits oben bei Fußn. 316 f. 368 Siehe oben bei Fußn. 127 !f. S88 Sieskind DJZ 1913, S. 1262 zit. bei Hänsel, S. 59. 370 Heinitz, Grenzen, S. 100; SchoTn, S. 49; dagegen Hänsel (S. 62), der diese Gefahr auch bei Eindeutigkeit des Urteils sieht und zudem auf die Objektivität des Richters vertraut; dagegen vor allem auch BGHSt 4, 340 (343). 371 Siehe oben bei Fußn. 83 f. und 98 ff. sn Die Kumulation wird übrigens auch in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 15, 63 [65/66]; zust. Hruschka, S. 269; Busch LM § 259 StGB Nr. 30; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 10 a; Mezger-Blei I, § 11 II 3 b; Baumann, Lehrb., § 14 II; MülleT-Sax, § 260 Anm. 4, S. 837) anerkannt, in der neben (schwerem) Diebstahl und Hehlerei als "dritte Alternative" Beihilfe zum Diebstahl in Realkonkurrenz mit Hehlerei in Betracht gezogen wurde. Das Gericht reduziert die beiden letzten Geschehensmöglichkeiten über "in dubio pro reo" auf den Hehlereitatbestand und gelangt letztlich zu einer Wahlfeststellung zwischen § 243 und § 259.
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Frage372a angeschnitten, ob man sich mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" über die rechtsethische Unvergleichbarkeit der Ausgangsdelikte hinwegsetzen kann. Eben wegen der Erzielbarkeit einer nahezu eindeutigen, vom Täterverhalten geradezu unabhängigen Verurteilungsgrundlage muß auch hier in Abwägung von Kriminalpolitik, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit der Vorrang der "in dubio pro reo"-Regel beibehalten werden 372b . 5. Weiterhin erscheint es als unproblematisch, in die endgültige Verurteilungsgrundlage mehr als zwei Alternativen einzubeziehen373 • Der Einwand Maurachs 374 , daß der Richter hier wegen einer Straftat verurteile, die nach seiner überwiegenden Überzeugung vom Täter gerade nicht begangen wurde, trifft nicht mehr, da die Straftat hinsichtlich des verwirklichten Handlungs- und Erfolgsunwertes eine nahezu eindeutige Überzeugungsbildung zuläßt. § 261 StPO und mithin die Sicherheit der Urteilsfindung werden auf diese Weise nicht beeinträchtigt375.
6. Macht man sich den Grundgedanken der Kumulation von "in dubio pro reo"- und Wahlfeststellungsgrundsätzen (4.) sowie der Zulassung mehrerer Alternativen (5.) zu eigen, erkennt man mithin, daß es hauptsächlich darauf ankommen muß, eine eindeutige oder nahezu eindeutige Verurteilungsgrundlage unter Ausschöpfung der "in dubio pro reo"Regel bei Vermeidung eines kriminalpolitisch und verfassungsrechtlich unerwünschten Freispruchs zu erzielen, so muß es auch möglich sein, die Beweisregel kumulativ innerhalb jeder Alternative anzuwenden378 • Der Oben 1. Teil, bei Fußn. 137 ff. 37!b Dabei ist der Vergleich mit den extensiven Theorien schon deshalb nicht stets zutreffend, weil man mit diesen gemeinhin zur Bestrafung aus dem milderen Ausgangsdelikt gelangt. Der Parallele wird jedoch auch - darauf sei vorab hingewiesen - dadurch der Boden entzogen, daß nach der hier vertretenen endgültigen Auffassung in den meisten Fällen eine eindeutige Verurteilung (etwa wegen Unterschlagung) auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage begründet werden wird, wobei für die Strafzumessung entgegen der h. M. die mildere Tatsachengrundlage herangezogen werden muß. 373 Zum Meinungsstand vgl. bereits oben Fußn. 100; zur Vervollständigung seien für die Befürwortung der Ausweitung auf mehr als zwei Alternativen genannt: Zeiler, Strafrichter, Sp. 575; Tröndle, S. 5; Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 B a, S. 40 (30. Aufl.); Fränkel, § 267 I StPO Nr. 27 in Anmerkung zu BGHSt 16, 184; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 10 a; vgl. auch Fuchs, Diss., S. 16 Fußn. 1; BayObLG NJW 1967, S. 361 ff.; konkludent mit der Befürwortung von BGHSt 16, 184 zust. Baumann, Lehrb., § 14 II 1; Mezger-Blei I, § 11 II 3 b, S. 33; Müller-Sax, § 260 Anm. 4, S. 837; kritisch hingegen Scham, S. 48/49 (Aushöhlung des § 261 StPO); Heinitz, Verhältnis, S. 128; Eb. Schmidt, Nachtragsband, § 244 Anm. 19 (konkludent). 374 AT, § 10 III 2, S. 94. 375 Es bedarf keiner Hervorhebung, daß auch insoweit die Grundsätze der exklusiven Alternativität (vgl. dazu oben 1. Teil, Fußn. 4) streng zu beachten sind. 378 Zur doppelten Heranziehung der "in dubio pro reo"-Regel mit dem Ziel einer eindeutigen Urteilsgrundlage siehe bereits oben 1. Teil, bei Fußn. 277 f. 87l!a
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Einwand von Peters377 , daß die primäre Funktion des Beweisgrundsatzes, eine eindeutige Urteilsgrundlage zu schaffen, in ihr Gegenteil verkehrt werde, trifft hier im Grundsätzlichen nicht mehr ZU378; es ist nicht einzusehen, aus welchem Grunde man die Alternativen von Raub- und Notzuchtsversuch nicht auf die ohne Zweifel verwirklichte versuchte Nötigung sollte verkürzen dürfen. Hier handelt es sich noch um den einheitlichen Vorgang, auf den Peters seinen Einwand ohnehin beschränkt sehen möchte. Bei mehreren Geschehensalternativen wäre es nicht mehr einsichtig, weshalb man etwa bei der Alternativität von § 260 und § 243 mit dem Bundesgerichtshof lediglich die schwere Hehlerei auf ihren Rumpftatbestand (zur Ermöglichung einer weitherzigen Wahlfeststellung mit dem schweren Diebstahl) sollte reduzieren können 379 , wenn die gleichzeitige Rückführung des § 243 den Täter günstiger stellt380 • Vielmehr ist die Funktion der "in dubio pro reo"-Regel, sofern man mit der Doppelanwendung des Grundsatzes eine eindeutige Verurteilungsgrundlage erzielt, bei verfassungsrechtlich unerwünschtem Freispruch geradezu erfüllt. - Allgemein erkennt man auch hier wieder, daß die Autoren, die die Wahlfeststellung in verfassungsrechtlich unzulässigem Maße ausdehnen, am ehesten die Stimme erheben, wenn man bei entscheidend engerem und eher verfassungskonformem Standpunkt andere Wege zu gehen versucht. Es ist selbstverständlich, daß man bei Annektion des straflosen Bereichs zugunsten der zulässigen Wahlfeststellung allein mit dem Grundsatz der Kumulation von "in dubio pro reo"- und Wahlfeststellungsgrundsätzen gut zurechtkommt und einer doppelten Anwendung der Beweisregel schwerlich bedarf. Es ist ebenso deutlich, daß man die streng konkrete Betrachtungsweise als der Rechtssicherheit abträglich ablehnen kann, wenn man zugleich die Zulässigkeitsgrenzen der Wahlfeststellung - übrigens in grober Mißachtung der Rechtssicherheit - ins Unendliche ausdehnt381 • Auf die gesetzliche Unzulässigkeit eines wahlund 2. Teil, Fußn. 66; die eindeutige Verurteilung kann dabei auf eindeutiger Tatsachengrundlage (die Alternativität von Raub- und Notzuchtsversuch führt über "in dubio pro reo" zur versuchten Nötigung; zum Meinungsstand oben 1. Teil, Fußn. 277) oder auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage (Unaufklärbarkeit von Raub und Notzucht, wobei die Tatbestände zu verschiedenen Zeitpunkten verwirklicht worden sind, der Täter aber nur einmal beteiligt sein konnte) erfolgen. Zur zweIfachen Anwendung der Beweisregel mit dem Ziel einer alternativen Verurteilungsgrundlage siehe oben 1. Teil, bei Fußn. 277 f. unter 3; 2. Teil, Fußn. 92. 377 Lehrb., § 37 III 1, S. 248. 378 Der Drei-Schüsse-Fall, auf den sich Peters bezieht, bedarf einer eingehenden Würdigung im 4. Teil der Arbeit; vorab kann dabei festgestellt werden, daß die Kritik von Peters in concreto zwar richtig ist, daß es aber auch hier bei einer doppelten Anwendung der Beweisregel sein Bewenden haben muß. 370 Siehe oben (bei) Fußn. 90 ff. 380 Die Zulässigkeit der Wahlfeststellung zwischen Hehlerei und Diebstahl einmal unterstellt. 381 Vgl. dazu oben Fußn. 106 und bei Fußn. 365 f.
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deutigen Tenors schließlich versucht man sich erst dann zu berufen, wenn man dem Täter bei der unhaltbaren Ausdehnung der Wahlfeststellung die offizielle Bescheinigung der Verdachtsalternativen nicht mehr zumuten kann. 7. Bei der dargestellten festen stofflichen Beschränkung sind die Grundsätze der Wahlfeststellung - ähnlich wie die "in dubio pro reo"Regeln - vom Gericht als Rechtsnorm zwingend zu beachten, da auf diese Weise ein kriminalpolitisch haltbarer Ausgleich zwischen den Rechtsstaatskomponenten der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit geschaffen wird38l!. Wollte man nach alledem den Standort der vertretenen Lösung, die im folgenden noch einer Verfeinerung und Konkretisierung bedarf, bestimmen, so wäre er nahe bei dem etwas strengeren Standpunkt von Eb. Schmidt und weit genug entfernt von der Mittellösung im Sinne- der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit"383 festzusetzen. IV. Kritik an der "materiellrechtlichen Theorie" und die eigene Auffassung
Blickt man jetzt auf die sog. "materiellrechtliche Lösung", wie sie namentlich von Oetker, Mayer und Legien vertreten wird384, so kennt man bereits den Haupteinwand: Die Ablehnung jeder Wahlfeststellung zwischen mehreren Strafgesetzen verstößt gegen den Rechtsstaatssatz der Einzelfallgerechtigkeit. - Wenn diese Lehre hier dennoch näher betrachtet wird, so deshalb, weil sie bei aller Anfechtbarkeit in der Einzelbegründung weitgehend wertvolle Hinweise gibt, wie man mit Hilfe der bereits herausgearbeiteten Aspekte der Spezialität und begriffslogischen Subsidiarität, des Fortsetzungszusammenhanges, der Doppelanwendung der "in dubio pro reo"-Regel und der kumulativen Anwendung dieses Beweissatzes mit den Wahlfeststellungsgrundsätzen zu befriedigenden Lösungen gelangt.
Siehe dazu bereits oben 1. Teil, Fußn. 269. Noch extensiver sind die Lehren vom "normativ-ethischen Stufenverhältnis" und "Auffangtatbestand", von der "Identität des Unrechtskerns" sowie der "mitbestraften Tat". 18C Auf dieser Linie wenn auch ohne materiellrechtIiche Zusatzlösung liegen die Auffassungen von Schom (8. 49: Rückführung der zulässigen Wahlfeststellung auf die Grenzen der alten reichsgerichtIichen Rechtsprechung) und Lochmiiller; noch enger Maurach und Schmidhäuser, die sogar eine Wahlfeststellung zwischen Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat ablehnen; siehe im einzelnen oben 1. Teil, 3. Abschnitt, F. 38r
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1. Zur beachtlichen und untauglichen Kritik an Mayer, Oetker und Legien Das Beispiel der Unaufklärbarkeit von Diebstahl und Hehlerei mag dabei verdeutlichen, inwieweit die Ansätze der materiellrechtlichen Lösung verfehlt oder korrekturbedürftig sind. - Stets wird von den Vertretern dieser Theorie versucht, zu einer eindeutigen Verurteilung zu gelangen. Dabei wollte Mayer3 86 früher aus dem Hehlereitatbestand bestrafen, da der Täter, wenn er nicht tatsächlich Hehler war, als Dieb regelmäßig eine Anschlußtat begehe, die unter § 259 subsumierbar sei. - Begrüßenswert ist der allgemeine Gedanke, bei Unvergleichbarkeit der alternativen Oberdelikte auf mitbestrafte Nachtaten zurückzugreifen386 • Im konkreten Fall ist der Lösung jedoch entgegenzuhalten, daß der Dieb nach der Wertung des Gesetzes auch bei Zugrundelegung der Aufrechterhaltungstheorie nicht den Tatbestand und den Unrechtsgehalt der Hehlerei verwirklichen kann887 • Demgegenüber will Oetker3 88 eindeutig wegen Unterschlagung verurteilen, weil sowohl der Diebstahl als auch die Hehlerei begriffslogisch eine Unterschlagung in sich begreifen sollen. Auch hier müssen die Nutzbarmachung der begriffslogischen Subsidiarität im Falle der Hehlerei und der Rückgriff auf die durch Spezialität verdrängte Unterschlagung bei der Diebstahlsalternative388 im Grundsatz gutgeheißen werden. Es bleibt jedoch der Vorwurf einer unstatthaften Verwertung der sog. "berichtigenden Auslegung" des § 246 im Rahmen des unerweislichen Diebstahls. Allerdings hätte Oetker mit seiner Auffassung, daß der Unterschlagungstatbestand jede Zueignung ohne Gewahrsamsbruch erfasse, heute sogar die h. L.390 hinter sich: Die Kennzeichnung des § 246 als Grundtatbestand läßt sich dabei nur damit begründen, daß man das Moment "in Gewahrsam haben" nicht 3M Anmerkung, S. 299; Lehrb., § 78 111, S. 418. ase Siehe bereits oben bei (nach) Fußn. 347. 387 BGHSt 15, 63 (64/65); Lazi, S. 93; Schwarz, S. 11; siehe auch oben Fußn. 232. Kritisch Oetker, S. 415 Fußn. 9; Legien, S. 116; Mayer (AT, § 53 II 2, S. 193) hat diese Lösung jetzt selbst verworfen (siehe dazu den fortlaufenden Text). Soweit Schwarz (S. 10/11) der älteren Ansicht von Mayer die Bildung eines normativ-ethischen Stufenverhältnisses vorwirft, geht er an der Sache vorbei; nur im Ergebnis ist deshalb sein Vorwurf eines Verstoßes gegen § 261 StPO berechtigt (S. 11). 388 S. 415; ders., Reform, S. 218; vgl. auch Siever, S. 88. 388 Oetker (S. 415) stellt jedenfalls die Alternativitäten von einfachem oder schwerem Diebstahl sowie Unterschlagung oder Diebstahl als dem Grundsatz "in dubio pro reo" zugänglich nebeneinander. 380 Schönke-Schröder, § 246 Anm. 1; Maurach BT, § 27 I A 2, S. 236; Wetzel, Lehrb., § 47 1 b, S. 345; Baumann, Amtsunterschlagung, S. 1143; ders., Sicherungsrechte, S. 254; Mezger-Blei 11, §44 11 3, S.129.
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als Tatbestandsmerkmal, sondern lediglich als Abgrenzungsformel zu den Diebstahls- und Raubtatbeständen auffaßt3 91 • Auf diese Weise werden die beiden Strafbarkeitslücken geschlossen, die bei der Fundunterschlagung und bei der Aneignung einer Sache, die der Täter nicht mehr in Gewahrsam hat, zutage treten. - Dieser Ansicht wird aber zu Recht vorgeworfen, daß sie sich aus kriminalpolitischen Gründen über den ausdrücklichen Wortlaut, an dem jede Auslegung haltzumachen hat, hinwegsetze und die Strafbarkeit in unzulässiger Weise zuungunsten des Täters ausdehne392 • Da auch eine historische Auslegung keinen hinreichenden Aufschluß gibt393 , ist die "berichtigende" Auffassung wegen Verstoßes gegen die in Art. 103 II GG verankerte Maxime "nullum crimen, nulla poena sine lege" abzulehnen. Damit ist über die Reichweite des § 24'6 noch nichts entschieden. Man kann einerseits konsequent fordern, daß die Gewahrsamsbegründung der Zueignung grundsätzlich vorauszugehen hat 394, andererseits aber zur Einbeziehung der Fundunterschlagung ein zeitliches Zusammenfallen von Gewahrsamserlangung und Zueignung ausreichen lassen39 &. Richtigerweise ist der "vermittelnden Auslegung" der Vorzug zu geben. Diese Auffassung deckt sich zwar nicht vollständig mit dem Wortlaut der Bestimmung, steht ihm aber auch nicht entgegen. Erforderlich wird diese ausdehnende Interpretation, wenn man sich den Zweck des Unterschlagungstatbestandes vergegenwärtigt, der durch die Fassung hinreichend offenbart wird. § 246 wird als einziger Zueignungstatbestand nicht durch eine besondere Angriffsrichtung, wie etwa Gewahrsamsbruch oder gewaltsame Wegnahme, sondern lediglich durch sein geschütztes Rechtsgut gekennzeichnet. Dadurch erlangt der Tatbestand eine solche Weite, daß man ihm überwiegend die Funktion der Lückenschließung zuordnen kann. Der umfassende Eigentumsschutz darf deshalb erst bei einem eindeutigen Verstoß gegen den Wortlaut des § 246 seine Grenze finden 386 • Da der Unterschlagungstatbestand insofern nicht jede Zueignung ohne Gewahrsamsbruch erfaßt, bildet er auch nicht den Grundtatbestand zu
3D1 39!
(319).
So ausdrücklich Welzel, Lehrb., § 47 1 b; Schönke-Schröder, § 246 Anm. 1. Bockelmann, Auslegung, S. 8; Schünemann, S. 116; vgl. auch BGHSt 2, 317
Vgl. Schünemann, S. 116; Bockelmann, Auslegung, S. 6. SO noch BGHSt 2, 317 (319); ebenso Bockelmann, Auslegung, S. 8; Schünemann, S. 116; (sog. "strenge Auslegung"). 895 BGH LM § 242 Nr. 3; BGHSt 4, 76 (77). 398 Offenbleiben kann die Frage, ob die verbleibenden Fälle der Aneignung einer Sache, die nicht mehr im Gewahrsam des Täters steht, bei Gutgläubigkeit des Dritten als Beihilfe zu unvorsätzlicher Unterschlagung gewertet werden können, vgl. dazu Maurach BT, § 27 IA 2; nach § 27 I 2. StrRG ist eine Verurteilung jedenfalls nicht mehr möglich. S8S
8U
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§ 242, sondern stellt sich als begrifflich verschiedenes Delikt dar397 • Die Lösung von Oetker scheint demnach nur insoweit akzeptabel398 , als er den Hehlereitatbestand auf die subsidiäre und im Wege der "vermittelnden Auslegung" erzielbare Unterschlagung verkürzt399 • Einen im Ergebnis mit Oetker übereinstimmenden, aber in der Methode unterschiedlichen Lösungsweg schlagen schließlich Legien400 und (neuerdings) Mayer4° 1 ein, wenn sie eindeutig wegen Unterschlagung verurteilen wollen, weil der Täter - sei er nun Dieb oder Hehler - durch Verbrauchen, Verschenken, Anbieten zum Kauf, Beseitigung der Eigentumsmerkmale, Leugnen des Besitzes gegenüber dem Eigentümer, Verstecken, Vermieten, Verpfänden oder Verarbeiten regelmäßig eine Zueignung im Sinne des § 246 verwirkliche 402 • Diese Lösung besitzt jedenfalls eine ganze Reihe von Vorzügen gegenüber den bisher vorgetragenen Möglichkeiten; zumindest ergänzungsbedürftig ist aber auch sie. Zunächst bleibt allerdings festzuhalten, daß die Rechtsprechung des Großen Senats, nach der eine nachfolgende "Zueignung" noch nicht einmal tatbestandsmäßig ist403, der Widerlegung nicht bedarf 404 • Der Bundesgerichtshof schließt nämlich die Tatbestandsmäßigkeit der nachfolgenden Zueignung nur dann aus, wenn die Vortat zu einer schuldhaften und strafbaren Begründung des Eigenbesitzes unter Ausschluß des Berechtigten geführt hat. Der Täter ist nach der hier vertretenen Lösung aber gerade nicht wahldeutig wegen Diebstahls oder Hehlerei strafbar4°5• Es ist dabei mehr als zweifelhaft, ob das Gericht bei seiner Einschränkung SD7 Vgl. auch BGHSt 16, 184 (187); BayObLGSt 1958, 12 (17); zur Begründung des aliud-Verhältnisses wird wiederholt darauf hingewiesen, daß in § 242 gegebenenfalls eine Personenverschiedenheit von Gewahrsamsinhaber und Eigentümer vorliege; vgl. etwa Dörr, S. 14; Kugelmeier, S. 9. S98 Vgl. auch die Kritik Legiens, S. 116 f. SDD Die Frage wird letztlich offengelassen vom Großen Senat in BGHSt 14, 38 (46 f.); jedenfalls schließt das Gericht für den Fall der "berichtigenden Auslegung" die Idealkonkurrenz entschieden aus. Für Subsidiarität etwa Schröder in Schönke-Schröder, § 246 Anm. 34; ders., Anmerkung I, S. 308; Baumann, Amtsunterschlagung, S. 1143; Bockelmann, Konkurrenz, S. 622. 400 S.120. 401 AT, § 53 II 2, S. 193. 402 Vgl. auch BGHSt 14, 38 (41 und 43). 403 BGHSt 14, 38 (42 - 46). 404 Zur grundsätzlichen Kritik vgl. etwa Schönke-Schröder, § 246 Anm. 34; Bockelmann, Konkurrenz, S. 624. 405 Es sei schon an dieser Stelle statuiert, daß der klassische Fall der Wahlfeststellung nach eigener Auffassung ohne den Weg über die materiellrechtliche Lösung straflos gelassen werden müßte (zur überwältigenden Gegenmeinung siehe oben Fußn. 72). Wegen des verschiedenartigen Handlungsunrechts wird zu Recht der Fortsetzungszusammenhang zwischen Diebstahl und Hehlerei abgelehnt; vgl. Wetzel, Lehrb., § 29 II 4 a, S. 228; Petters-Preisendanz, Vorbemerkungen, J IV 2 b, S. 70.
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die Problematik der Wahlfeststellung in irgendeiner Weise bedacht hat; immerhin wird deutlich, daß die Forderung von Sax4° 6 im Anschluß an die Entscheidung des Großen Senats, die Wahlfeststellung zwischen Unterschlagung und jedem anderen Vermögensdelikt - so auch etwa Raub, Erpressung und Betrug - zuzulassen, mehr als voreilig war. Sax beruft sich dabei auf Deubner4°7 , der diesen Weg an der konkreten Alternativität von Abzahlungsbetrug und (nachfolgender) Unterschlagung vorgezeichnet hat. Deubners These, daß zugunsten des Täters einerseits unterstellt werden müsse, daß er nur einen Betrug und darauffolgend im Sinne des Großen Senats eben keine tatbestandsmäßige Unterschlagung begangen habe, daß andererseits jedoch der Satz "in dubio pro reo" erfordere, bei Annahme einer tatbestandlichen Unterschlagung den Betrug zu verneinen, ist nicht richtig. Wenn man die Wahlfeststellung zwischen Betrug und Unterschlagung ablehnt 408 , was wegen des unterschiedlichen Handlungsunwertes durchaus gerechtfertigt ist409 , dann kann man ohne weiteres auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu einer eindeutigen Verurteilung wegen Unterschlagung gelangen: Der Betrug ist (wegen Wahldeutigkeit) nicht strafbar, so daß die nachfolgende Unterschlagung tatbestandsmäßig, wenn auch als mitbestrafte Nachtat grundsätzlich subsidiär ist. Die Alternative von Abzahlungsbetrug und späterer Unterschlagung schmilzt mithin zusammen auf die eindeutige Verurteilung wegen der feststehenden "Anschlußtat" im Sinne des § 246 41 Dabei läßt sich wiederum ein Grundsatz der Konkurrenzlehre für die Alternativitätsproblematik nutzbar machen: Ebenso wie man die gesetzeskonkurrierende oder mitbestrafte Tat für den Fall der Nichterweislichkeit oder Nichtstrafbarkeit des Oberdelikts wiederaufleben läßt411 , muß der Rückgriff auf die Subsidiärtaten für
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In MüHer-Sax, § 260 Anm. 4, S. 837. Verhältnis, S. 95; vgl. auch Baumann, Lehrb., § 14 II 1, S. 151. 408 Die Wahlfeststellung wird allerdings - von Deubner und Sax abgesehen - zugelassen von Grünhut, S. 338 (Lehre der mitbestraften Nachtat); Baumann, Lehrb., § 14 II 1, S. 151; ders., Strafrechtsfälle, Fall 25, S. 147 ("Grenzfall"). 409 Deubner (Verhältnis, S. 95) verneint zu Recht die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit, da der Betrug einen arglistigen Angriff auf die Willensentschließungsfreiheit enthält. 410 Vgl. auch Legien, S. 130; nicht möglich wäre allerdings der Rückgriff auf eine subsidiär im Betrug selbst begriffene Unterschlagung: richtigerweise ist § 246 erst dann zu verwirklichen, wenn der Betrug bereits vollendet ist; vgl. Deubner, Verhältnis, S. 95 mit Fußn. 5; Schröder, Anmerkung I, S. 308. 411 BGH MDR 1955, S. 269 bei Dallinger; BGH JZ 1968, S. 710 (Verjährung des Oberdelikts) ; Geerds, S. 229; Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 71 mit Nachw.; Baumann, Lehrb. § 38 !II 3 c, S. 650; Stree, S. 28. Nicht von Interesse ist hier, daß der Grundsatz des Wiederauflebens bei Prozeßvoraussetzungen, Prozeßhindernissen und persönlichen Strafausschließungsgründen durchbrochen werden kann; dazu Baumann, Lehrb., § 38 III 3 C, S. 650/651; Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 70. 406 407
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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zulässig gehalten werden, wenn das Oberdelikt nur wahldeutig erweislich und für eine Bestrafung untauglich ist412 • m Die Frage wird im Schrifttum nicht eingehend behandelt; ein Hinw. findet sich lediglich bei Baumann (Strafrechtsfälle, Fall 25, S. 147) mit Verweis auf die nicht ausdrückliche Gegenansicht von Stree, S. 29. Baumann macht aber auch hier zu Unrecht eine Verwerfung der Entscheidung in BGHSt 14, 38 zur Voraussetzung. Die jüngste Entwicklung der Rechtsprechung - (nach BGHSt 23, 360 [361] ist Wahlfeststellung zwischen schwerem Diebstahl in Mittäterschaft und sachlicher Begünstigung zulässig - dazu bereits oben Fußn. 88 -, wobei ein Mitwirken am Absatz in jedem Falle verwirklicht worden ist, jedoch bei vorausgegangenem Diebstahl als Selbstbegünstigung straflos wäre; dem BGH zust. Schröder, Anmerkung V, S. 142 und Kleinknecht, § 260 Anm. 5 B; ablehnend Hruschka, Wahlfeststellung, S. 1392 f.) - macht ein klärendes Wort zu diesen sog. "Postpendenzfeststellungen" (Hruschka, Logik, S. 640; neuestens ders .• Wahlfeststellung. S. 1392) erforderlich (vgl. noch OLG Hamm JMBlNRW 1967, S. 139; OGHSt 2,89 [90]; BGH NJW 1955, S. 350f. [350]; BGH JR 1959, S. 305; BGHSt 11, 26; BGHSt 15, 63 [64] zur zulässigen Wahlfeststellung zwischen möglichem [schweren] Diebstahl in Mittäterschaft und in jedem Falle verwirklichter Hehlerei, die bei voraufgegangenem Diebstahl ebensowenig wie die sachliche Begünstigung tatbestandsmäßig wäre). Entsprechend der hier zur Alternativität von Abzahlungsbetrug und Unterschlagung entwickelten Auffassung wäre der Täter eindeutig wegen sachlicher Begünstigung bzw. Hehlerei zu verurteilen. Ein Ausschluß der Tatbestandsmäßigkeit dieser Delikte kommt nicht zum Tragen, da es mangels Vergleichbarkeit der jeweiligen Ausgangsalternativtatbestände mit ihren unterschiedlichen Handlungsunwerten (zu §§ 243 a. F. - 257 vgl. Hruschka, Wahlfeststellung, S. 1392; a. A. jedoch vom Standpunkt rechtsethischer Vergleichbarkeit BGHSt 23, 360, 361; Schröder, Anmerkung V, S. 142; Kleinknecht, § 260 Anm. 5 B; dazu noch unten Fußn. 448; zu §§ 243 a. F. - 259 s. o. [bei] Fußn. 114) an einer erweislich-rechtswidrigen Vortat fehlt. Von diesem Standpunkt aus bedarf es auch nicht der neuerlichen, im Ergebnis vergleichbaren Lösung von Hruschka (Wahlfeststellung, S. 1393 f.; ders., Logik, S. 641 mit Fußn. 26). der von vornherein ausschließlich auf die jeweilige Nachtat als zweifelsfreie Verurteilungsgrundlage abhebt und dabei auf den Nachweis der Tätertauglichkeit (Nichttäterschaft beim vorangegangenen Diebstahl) als negatives Merkmal der Strafbarkeit verzichtet. Im Unterschied zu Hruschka wird nach der hier vertretenen Auffassung von der alternativen Verurteilungsgrundlage ausgegangen (insoweit auch richtig Schröder, Anmerkung V, S. 141 f .• der jedoch trotz Erkennens der .. Postpendenzproblematik" letztlich dem BGH folgt). Hruschka (Wahlfeststellung. S. 1394) verweist bei seiner Lösung zu Recht auf die Parallele der - oben angesprochenen - wiederauflebenden mitbestraften Nachtat im Falle der Nichterweislichkeit oder Nichtstrafbarkeit des Oberdelikts (siehe [bei] Fußn. 411); diese Parallele bleibt auch für die eigene Auffassung nicht ohne Bedeutung. Daß der Bundesgerichtshof insoweit eine Wahlfeststellung .. nicht einmal erwogen" hat (so Hruschka, Wahlfeststellung, S.1394; Schröder, Anmerkung V, S. 142). ist allerdings selbstverständlich, da es sich nicht um Alternativitätsprobleme gehandelt hat. Dagegen wirft Hruschka (Wahlfeststellung, S. 1392; Logik, S. 638; vgl. auch Schröder, Anmerkung V, S. 141) dem Bundesgerichtshof zu Recht vor. daß er mit der getroffenen Wahlfeststellung in den Postpendenzfällen die selbst gesteckten Grenzen der .. exklusiven Alternativität" (dazu BGHSt 12. 386, 389 und oben 1. Teil. [bei] Fußn.4) gesprengt hat. Hiernach müßte etwa der Zweifel daran. daß der Täter selbst Dieb ist, allein darauf beruhen. daß er BegÜDstiger oder Hehler sein könnte. Nach der von Hruschka und der hier vertretenen Auffassung bedarf es allerdings einer Erweiterung der "exklusiven Alternativität" nicht; (dies gilt auch hinsichtlich der grundsätzlichen, der Logistik entstammenden Ausführungen
128
2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögens delikten
Blickt man jetzt zurück auf den Ausgangsfall der Unaufklärbarkeit von Diebstahl und Hehlerei, so bleibt die Lösung von Legien und Mayer, die auf die mitbestrafte Unterschlagung zurückgreifen, methodisch richtig und unantastbar. Dennoch muß sie versagen, wenn der Hehler ausnahmsweise nicht noch einmal seinen Zueignungswillen manifestiert;41s. Hier hilft nur der Rückgriff auf die subsidiäre Unterschlagung, die unmittelbar in der Hehlerei steckt. Zusammen mit der mitbestraften Unterschlagung im Rahmen der Diebstahlsalternative läßt sich wiederum eine eindeutige Verurteilung aus § 246 - wenn auch jetzt auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage - statuieren. Sollte auch der Dieb keine weitere Zueignungshandlung begangen haben, bliebe immer noch die in Ausnahmefällen mögliche Wahlfeststellung zu prüfen. Erst wenn diese Mittel erschöpft sind, wird der Freispruch unentbehrlich. Zusammengefaßt bietet somit die "materiellrechtliche Theorie" durchaus brauchbare Ansätze, die nur im einzelnen zu korrigieren oder zu ergänzen sind. Aber auch die generelle Linie dieser Lehre ist nicht unangefochten414 . Dabei wird geltend gemacht, daß die materiellrechtliche Lösung die sittliche Eindruckskraft wegen der Eindeutigkeit des Urteils mindere415 , daß die unterscheidenden Merkmale verwischt würden416 , daß es der Rechtssicherheit widerspreche und das Vertrauen in die Rechtsprechung schmälere, wenn man je nach Gegebensein oder Nichtvorliegen einer Anschlußtat zur Verurteilung oder zum Freispruch gelange417 ; vor allem aber beklagt man den Verstoß gegen § 261 StP0418 und die Unwahrhaftigkeit des Urteils für den Fall, daß der Verdacht der Ausgangsdelikte in den Gründen verschwiegen wird419 , 420. Hruschkas; ihm bleibt einzuräumen [Logik, S. 639/640], daß die Formel des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch begrüfslogische Stufenverhältnisse umgreüt, was jedoch wegen des Vorrangs der "in dubio pro reo"-Regel unschädlich ist; der von Hruschka [Logik, S. 640] weiter herausgearbeitete Fall der sog. "Präpendenzfeststellung" unterliegt ähnlichen Grundsätzen wie die hier behandelte Postpendenzfeststellung; die vierte Prozeßlage der sog. "Disjunktion" schließlich [etwa Alternativität von § 249 - § 255 - §§ 249, 255, 74] war vom Bundesgerichtshof nicht beschrieben und ließe sich zudem auf die Alternativität "Raub oder räuberische Erpressung" verkürzen). 413 Das gibt Legien (S. 127) selbst zu; vgl. etwa das Beispiel bei Nüse, Diss., S. 91; beachte auch HänseZ, S. 55; Dörr, S. 41; Siever, S. 28 f. 414 Nowakowski (S. 384 Fuß. 25 a) hält Mayers Lösung zumindest für zu optimistisch. 415 Schaffstein, Zulässigkeit, S. 532; Städter, S. 51. 418 GTÜnhut, S. 335; Lazi, S. 93; Hänsel, S. 55; StädtZer, S. 51. m Hänsel, S. 55. Schaffstein, Zulässigkeit, S. 532; Dörr, S. 41. m Hänsel, S. 55.
418
420 Zu gewärtigen ist noch der Einwand, daß bei den "entleerten Auffangtatbeständen" im Strafvollzug nicht gezielt auf den Täter eingewirkt werden könne. Fraglich ist bereits, ob die damit vorausgesetzte unterschiedliche Be-
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze 129 Diese Gegenargumente sind jedoch von geringer Aussagekraft. Natürlich mindert die eindeutige Verurteilung wegen Unterschlagung im Falle der Unaufklärbarkeit von Diebstahl und Hehlerei die sittliche Eindruckskraft des Urteils und ist der Individualisierung der Straftat in gewissem Grade abträglich; aber das ist der selbstverständliche Preis für den doppelten Vorteil, einerseits eine der Rechtssicherheit und dem Gebot mangelnder Diffamierung des Täters zuwiderlaufende Verurteilung aus den Ausgangsdelikten zu umgehen und andererseits den kriminalpolitisch unerwünschten und dogmatisch auch gar nicht erforderlichen Freispruch zu vermeiden. - Nicht wiederholt zu werden braucht, daß das Gebot einer konkreten Betrachtungsweise zwangsläufig verschiedene Ergebnisse zeitigt, wenn sich die Gesamthandlungen in der Begehung oder Nichtverwirklichung einer mitbestraften Nachtat unterscheiden. Inwiefern dabei die Bestrafung aus dem eindeutig vorliegenden Unterschlagungstatbestand gegen die Rechtssicherheit oder § 261 StPO verstoßen soll, bleibt unerfindlich. - Da der Verdacht hinsichtlich der Ausgangsdelikte zwangsläufig in den Gründen erörtert wird - schon deshalb, weil begründet werden muß, weshalb das Gericht auf subsidiäre Straftaten zurückgreifen will - entfällt auch der Einwand der Unwahrhaftigkeit. 2. Die eigene Auffassung Der Weg zur eigenen Lösung ist nach alledem geebnet, das Instrumentarium vervollständigt: Sind zwei Eigentums- oder Vermögensdelikte wahldeutig verwirklicht, so ist zur Vermeidung eines Freispruchs über die wechselseitige Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel zunächst zu prüfen, ob die Ausgangstatbestände einer Wahlfeststellung zugänglich sind. Vergleichbarer Maßstab ist insoweit die Lehre vom Fortsetzungszusammenhang. - Soweit die wahldeutige Verurteilung abgelehnt werden muß, ergeben sich mannigfache Möglichkeiten, durch einfachen oder doppelten Rückgriff auf spezielle bzw. durch Spezialität verdrängte sowie begriffslogisch-subsidiäre Taten ("in dubio pro reo") oder gegebenenfalls durch eine Verwertung normativ-mitbestrafter Delikte421 (materiellrechtliche Lösung) eine eindeutige oder alternative Verurteilungsgrundlage zu schaffen. Dabei fungiert der "vermittelnd ausgelegte" handlung überhaupt im Einzelfall durchgeführt werden kann. Selbst dann wäre es geradezu resozialisierungsfeindlich, auf den Täter hinsichtlich beider Ausgangstatbestände oder auch nur in Richtung auf das mildere, möglicherweise gar nicht begangene Alternativdelikt einzuwirken. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang die Argumentation von Jakobs zur Strafzweckersetzung (dazu oben 1. Teil, Fußn. 138); jedoch wird nur in wenigen Ausnahmefällen der spezialpräventive Aspekt gänzlich durch den generalpräventiven Strafzweck (der nach Jakobs ohnehin ausreicht) verdängt, da der Täter stets mit dem Blick auf ein ausgeprägtes Grunddelikt behandelt werden kann. 421 So neuerdings auch Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 70. 9 Wolter
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
Unterschlagungstatbestand mit seiner weiten Fassung als "echter Auffangtatbestand", ohne daß die Rechtsprechung des Großen Senats zum Zueignungsbegriff die Reichweite dieser Bestimmung einschränken könnte. Bevor die auf dieser Grundlage 422 erreichbaren Ergebnisse mit dem Meinungsstand zu den bisher entschiedenen Einzelfällen in Beziehung gesetzt werden, sei ein letztes Wort zur Strafzumessung gesagt. Man findet wiederholt den Hinweis, daß die eindeutige Verurteilung wegen versuchter Nötigung im Falle der Alternativität von Raub- und Notzuchtsversuch423 die Ausschöpfung des Strafrahmens der §§ 240, 43 ermögliche oder gar gebiete 424 , da der Täter erschwerende Umstände verwirklicht habe. - Dem kann deshalb nicht gefolgt werden, weil die Ausgangsdelikte für eine Bestrafung überhaupt nicht in Betracht kommen, sondern Freispruch verlangen. Die Differenz zwischen Normalstrafe und voll ausgeschöpftem Strafrahmen würde durch eine reine Verdachtsstrafe gebildet; die Höchstbestrafung müßte den Eindruck erwecken, als wollte man den Täter den Unmut über die unzulässige Wahlfeststellung spüren lassen. Umgekehrt muß man unter Berücksichtigung der Sekundärfunktion der "in dubio pro reo"-Regel sogar so weit gehen, bei eindeutiger Verurteilung wegen Unterschlagung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage425 dasjenige Geschehen heranzuziehen, das die mildere Bestrafung zuläßt426 • 3. Einzelfälle
Abschließend sei ein Katalog derjenigen Alternativitäten von Vermögens- und Eigentumsdelikten aufgeführt, die bisher Rechtsprechung und Literatur beschäftigt haben. Dem Meinungsstand werden dabei stichwortartig die Möglichkeiten der eigenen Lösung gegenübergestellt: 422 Zur Vervollständigung sei noch die Möglichkeit erwähnt, daß ideal- oder realkonkurrierende Delikte, die mit der gegenüberstehenden Alternativtat nicht vergleichbar sind, in Wegfall geraten können; siehe oben (bei) Fußn. 94; BGHSt 15, 266 (267); zust. Busch LM § 267 I StPO Nr. 25; Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 B a, S. 40; Schwarz-Klein knecht, § 260 Anm. 5 B; Fuchs, Diss., S. 55 Fußn. 3 mit Hinw. auf RG HRR 1936 Nr. 1377; MüHer-Sax, § 260 Anm. 4, S. 837; Mezger-Blei I, § 11 II 3 b; vgl. OLG Braunschweig NJW 1957, S. 1938 f. (1938) zum Verhältnis von Betrug und Betrug in Verbindung mit Urkundenfälschung; zust. TrändIe in LK, nach § 2 Rdnr. 5; BGH GA 1970, S. 24 f. (24); ablehnend Schom, S. 48 (Verstoß gegen § 73; dem ist entgegenzuhalten, daß jeder Rückgriff auf generelle oder subsidiäre Delikte ebenso ein Verstoß gegen Konkurrenzregeln sein müßte). 423 Zum Meinungsstand siehe oben 1. Teil, Fußn. 277. 424 Legien, S. 139; Mezger-Blei I, § 11 III, S. 35; ähnlich BGHSt 20, 104. m Die in der Hehlerei begriffene Unterschlagung einerseits; der nach dem Diebstahl verwirklichte § 246 andererseits. 426 Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 260.
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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Bei den im Zuge der bisherigen Erörterungen schon angesprochenen Altemativitäten von schwerem Diebstahl und Hehlerei 427 , von einfachem Diebstahl und schwerer Hehlerei 428 , von schwerem Diebstahl und schwerer Hehlerei 428 , von Unterschlagung und schwerem Diebstahl430 , von Unterschlagung und Hehlerei'31, von Unterschlagung und Betrug'32 sowie von Raub und Hehlerei 433 lassen sich ähnliche Erwägungen anstellen wie bei der Ausgangsalternative von einfachem Diebstahl und Hehlerei 434 ,435. Dabei braucht nicht noch einmal begründet zu werden, daß man den schweren Diebstahl über den Grundsatz "in dubio pro reo" auf die einfache Begehung4S8 , den Raub auf seine Elemente der Nötigung437 oder des einfachen Diebstahls438 , die schwere Hehlerei auf § 259 439 zurückführen kann. - Nicht wiederholt zu werden braucht ferner die Zulässigkeit der Wahlfeststellung bei der Unaufklärbarkeit von Raub und räuberischer Erpressung'4°, Diebstahl und Unterschlagung (in Sonderfällen wie dem des anfänglich bewußtlosen Opfers)441 sowie von Trickdiebstahl und Betrug442 • - Auf das Stufenverhältnis von Treubruch und Ver427 Zum Meinungsstand: (bei) Fußn. 89, Fußn. 92 und (bei) Fußn. 109 -114; zur ersten Kritik: bei Fußn.113 f. 428 Zum Meinungsstand: Fußn. 92, (bei) Fußn. 122. m Zum Meinungsstand: (bei) Fußn. 90. 430 Zum Meinungsstand: (bei) Fußn. 89, (bei) Fußn. 109 - 114; zur ersten Kritik: bei Fußn. 108 ff. m Zum Meinungsstand: bei Fußn. 87 ff.; für zulässige Wahlfeststellung: Lazi, S.113. 432 Zum Meinungsstand: Fußn. 408 und 409; zur eigenen Lösung: bei Fußn. 407 ff.; vgl. auch bei Fußn. 311. n3 Zum Meinungsstand: bei Fußn. 74 ff., Fußn. 123; zur ersten Kritik: bei Fußn. 93 a ff. m Zum Meinungsstand: Fußn. 72, bei Fußn. 385 - 410; zur ersten Kritik: bei Fußn. 113; zur eigenen Lösung: bei Fußn. 413; vgl. auch Fußn. 405. 435 Ähnliches gilt auch für die Alternativität von Mundraub und Hehlerei; die Wahlfeststellung wird dagegen zugelassen von Schäfer in Datcke-FuhrmannSchäfer, § 2 b Anm. a, S. 8; OLG Neustadt NJW 1953, S. 1443 f. (1444) mit Hinw. auf die zulässige Wahlfeststellung zwischen § 242 und § 259. 436 Oben 1. Teil, Fußn. 12. 437 1. Teil, Fußn. 277; zur eigenen Lösung: bei Fußn. 423 f. 438 Fußn. 84 und Schröder, Anmerkung, S. 423; BayObLG NJW 1954, S. 1258. 4S8 Oben Fußn. 91. 440 Oben bei Fußn. 314 f.; vgl. auch bei Fußn. 356 und bereits Fußn. 106; zum Meinungsstand: Fußn. 316. 441 Oben bei Fußn. 314; demgegenüber wird bei der allgemeinen Alternativität von Diebstahl und Unterschlagung nach der hier vertretenen Auffassung (oben Fußn. 345 ff.) weitgehend auf den Auffangtatbestand der Unterschlagung zurückzugreifen sein (vgl. auch Legien, S. 129). Die Wahlfeststellung zwischen § 242 und § 246 wird zugelassen von denjenigen Stimmen, die sie schon bei dem Alternativverhältnis von schwerem Diebstahl und Unterschlagung bejahen; siehe oben S. 154 Fußn. 430; ferner: Christians, S. 73; Dörr, S. 14/15; Schäfer in Datcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 8. 441 Oben bei Fußn. 313; vgl. auch bei Fußn. 357 und bereits Fußn. 106; bei der
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
untreuung443 wurde bereits hingewiesen. Ein ebensolches Umfassungsverhältnis besteht zwischen Veruntreuung und Unterschlagung444 . - Auf
diesem Hintergrund scheinen die verbleibenden Beweiszweifel zwischen
Vermögensdelikt und Unterschlagung445 ebenso unproblematisch wie die Unaufklärbarkeit von Betrug und Untreue 446 sowie Untreue und Hehlerei 447 . Auch hier wird man letztlich auf den Auffangtatbestand der
Unterschlagung oder gegebenenfalls auf die Veruntreuung zurückgreüen können. - Zu der Alternativität von sachlicher Begünstigung und schwerem Diebstahl ist bereits Stellung genommen worden448 • - Betonter Erwähnung bedürfen noch folgende Alternativitäten449 : allgemeinen Alternativität von Diebstahl und Betrug (vgl. bereits bei Fußn. 311) wird man hingegen wegen des Angriffs auf die Willensfreiheit in § 263 die Zulässigkeit der Wahlfeststellung verneinen müssen; hier gilt Ähnliches wie bei der Unaufklärbarkeit von Betrug und Unterschlagung, siehe oben Fußn. 432; konsequent wird deshalb auch der Fortsetzungszusaromenhang abgelehnt von Petters-Preisendanz, Vorbemerkungen J IV 2 b, S. 70. Die Wahlfeststellung wird verneint von Baumann, Strafrechtsfälle, Fall 25, S. 147; dagegen würde Maurach (AT, § 10 III 1, S. 93) vom Standpunkt der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" die wahldeutige Verurteilung zulassen. Die richtige Lösung wird auch hier in dem Rückgriff auf die mitbestrafte Unterschlagung liegen. U3 Oben bei Fußn. 342. Bei Wahldeutigkeit wird man deshalb, sofern die Veruntreuung in concreto im Treubruch steckt, zu einer eindeutigen Verurteilung aus § 246 2. Alt. (auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage) gelangen. Demgegenüber wird die Wahlfeststellung zugelassen vom OLG Braunschweig JZ 1951, S. 235 f. (235/236); zust. Schönke, Anmerkung, S. 236; ders., S. 48; DalckeFuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 8; Hänsel, S. 85; Lazi, S. 114; Städtler, S. 82; Henkel, § 91 IV 4, S. 354 Fußn. 19; Schaffstein, S. 726; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 11; Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. I 3, S. 45; Müller-Sax, § 260 Anm. 6 A d, S. 837 (arg. BGHSt 14, 38); Bedenken äußert demgegenüber Fleck, S. 336; wohl ablehnend BGH GA 1970, S. 24 f. (24), urt. v. 24. 7.1968 - 3 StR 173/68. 4U Als qualifizierten Fall sieht etwa Schröder (in Schönke-Schröder, § 246 Anm.26) die Veruntreuung an; für Wahlfeststellung dagegen Lazi, S. 113; ansonsten bereits oben bei Fußn. 64 f. 445 Sax (in Müller-Sax, § 260 Anm. 4, S. 837) will bekanntlich im Anschluß an BGHSt 14, 38 die Wahlfeststellung stets zulassen, siehe oben bei Fußn. 406 ff. 446 Die wahldeutige Verurteilung wird bejaht von BGH 5 StR 125/62 - Urt. v. 14.5.1962 zit. bei Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 Ba; BGH GA 1970, S. 24 f. (24) (Kritik: die Alternativität von Betrug in Verbindung mit Veruntreuung einerseits und Untreue andererseits hätte zur eindeutigen Verurteilung wegen Veruntreuung - die Untreue enthält bekanntlich subsidiär eine Veruntreuung führen müssen; der BGH läßt demgegenüber die Veruntreuung auf der Betrugsseite wegfallen und bejaht die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit von § 263 und § 266; gerade diese erscheint jedoch wegen des Angriffs auf die Willensfreiheit im Betrugstatbestand als zweifelhaft). Für Wahlfeststellung ferner: OLG Hamburg JR 1956, S. 28; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 11; Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28; Baumann, Lehrb., § 14 II 1, S. 151 ("nahe an der Grenze"). 447 Die Wahlfeststellung wird abgelehnt in BGHSt 15, 266 (267). 448 Siehe Fußn. 412 mit Meinungsstand; vgl. auch bereits Fußn. 88. Hervorzuheben ist lediglich, daß die Argumentation des Bundesgerichtshofes (BGHSt 23,360,361) und Schröders (Anmerkung V, S. 142) zur rechtsethischen Vergleichbarkeit fragwürdig ist, soweit die sachliche Begünstigung als Rechtspflegedelikt
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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a) Raub - räuberischer Diebstahl Man ist versucht, ein Umfassungsverhältnis deshalb zu bejahen, weil die Lösung des Beweiszweifels allein von dem nur quantitativ abstufbaren Zeitgesichtspunkt abzuhängen scheint. Richtigerweise liegt hier aber wegen der verschiedenen Gewahrsamsverhältnisse (der räuberische Dieb begeht im Grunde Diebstahl und gewaltsame Unterschlagung) ähnlieh wie im Fall des zunächst bewußtlosen Opfers ein aliud-Verhältnis vor. Man mag hier ebenfalls in Sonderfällen die Wahlfeststellung anerkennen460 , etwa wenn der Täter von vornherein eine Waffe eingesteckt hatte und es allein dem Zufall anheimgegeben war, ob der Diebangesehen wird (dazu neuerdings auch Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 68). Die tatbestandliche Nähe der sachlichen Begünstigung zum Diebstahl wegen der unmittelbaren Verstärkung und Vertiefung des Vermögensschadens, der Artverwandtschaft mit der Hehlerei und der Verklammerung von Begünstigung und Hehlerei in § 258 ändert nichts daran, daß hier Delikte aus verschiedenen Normkreisen in eine Vergleichbarkeit gestellt werden. Man kann nämlich insoweit entscheidend auf das primäre Schutzobjekt abstellen (so Christians, S. 73 und dazu oben Fußn. 51); a. A. BGH a.a.O., Schröder a.a.O. Eine Wahlfeststellung zwischen Tatbeständen verschiedener Normkreise muß dann jedoch als unzulässig angesehen werden (dazu Hruschka, S. 267 - 269; Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 60 - 63; näher 1. Teil, Fußn. 138 und die Lehre von der Identität des Unrechtskerns; vgl. noch unten 7. Teil, bei Fußn. 18). Es mag auf sich beruhen, ob man nicht auch umgekehrt dem sekundären, aber konkret betroffenen Rechtsgut Vorrang vor dem abstrakten Primärschutzobjekt geben sollte. Das Prinzip der konkreten Betrachtungsweise könnte dem Gesichtspunkt der nicht vollkommen generalpräventiven Strafzweckersetzung (dazu Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 68) den Rang ablaufen. Richtigerweise sollte man allerdings aus der tatbestandlichen Verwandtschaft bereits de lege lata die Konsequenz ziehen, die sachliche Begünstigung den Vermögensdelikten zuzuordnen (dazu oben bei Fußn. 61; letztlich auch der 2. Sen. in BGHSt 23, 360, 361 mit Hinweis auf §§ 289, 447 E 62). Unter dieser Voraussetzung spricht sich Christians (S. 76) für eine zulässige Wahlfeststellung zwischen sachlicher Begünstigung und anderen Vermögensdelikten aus; vgl. auch OLG Hamburg, Urt. v. 23. 5. 1951 zit. bei Lochmüller, S. 96 Fußn. 1 (Wahlfeststellung zwischen §§ 242259 - 257). 44D Nicht von großer Tragweite sind hingegen die Alternativitäten von 1. Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei (dazu die Nachw. bei Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 22): für zulässige Wahlfeststellung etwa BGHSt 4, 128 (129); BFH JZ 1952, S. 119 (Urt. v. 14. 2. 1951); RG JW 1936, S. 409 f. (410); BayObLG NJW 1952, S. 395; Hänsel, S. 85; Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 8; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 11; Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. I 4, S. 45; dagegen wird ("regelmäßig") der Fortsetzungszusammenhang abgelehnt in BGHSt 8, 34 (36/37); und von Lackner-Maassen, Vor § 73 Anm. IV 2 a aa. 2. Wilderei und Diebstahl: für zulässige Wahlfeststellung Christians, S. 77 (daß § 292 neben dem Vermögen auch den Wildbestand schützt - vgl. SchönkeSchröder, § 292 Anm. 1 mit Nachw. -, hält Christians für unbeachtlich, da es auf das primäre Rechtsgut "Vermögen" ankomme; ähnlich Hänsel, S. 85). 3. Wilderei und Hehlerei: für zulässige Wahlfeststellung Hänsel, S. 85; für Freispruch Grünhut, S. 337 und Legien, S. 140. - Richtig dürfte jeweils der Freispruch sein; eine materiell-rechtliche Lösung im Sinne von § 246 ist nicht möglich, da die Wilderei subsidiär keine Zueignung enthalten kann. 450 Für zulässige Wahlfeststellung Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 3 d, S. 77.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vennögensdelikten
stahl unmittelbar vor dem Ergreifen oder erst beim Einstecken der Beute vom Eigentümer entdeckt wurde 451 • b) Raub - Erpressung Zunächst tendiert man - ähnlich wie bei der Alternativität von Raub und räuberischer Erpressung - zur Wahlfeststellung aus den Oberdelikten452 • Richtig dürfte jedoch eine Verurteilung wegen (einfacher) Nötigung sein. Beide Tatbestände weisen eine unterschiedliche Intensität im Angriffsmittel auf; der Erpreßte wird stets in völliger Willensfreiheit eine Vermögensverfügung treffen. Es besteht mithin nicht die tatbestandliche Nähe wie bei der Alternativität von Raub und räuberischer Erpressung. Erforderlich ist deshalb der beidseitige Rückgriff auf die subsidiäre Nötigung. Da die Angriffsmittel in einem Stufenverhältnis stehen - die Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben etwa ist als qualifizierter Fall der Drohung mit empfindlichem Übel zu begreifen458 lautet das Ergebnis in zusätzlicher und sekundärer Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel auf "einfache Nötigung" bei mehrdeutiger Tatsachengrundlage. c) Erpressung - räuberische Erpressung Mit eben der Erwägung des Umfassungsverhältnisses im Angriffsmittel sollte man die eindeutige Verurteilung wegen einfacher Erpressung befürworten 454 • Das ergibt sich von selbst bei eindeutiger Verurteilungsgrundlage, wenn mithin lediglich zweifelhaft ist, ob der Täter neben der Drohung mit empfindlichem Übel oder einer geringfügigen Gewalt eine Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben ausgesprochen oder Gewalt ernstlicher Natur angewendet hat. Aber auch soweit die Intensität des Angriffsmittels völlig ungeklärt ist, wird die eindeutige Verurteilung - auf nunmehr mehrdeutiger Tatsachengrundlage - ermöglicht durch den Rückgriff auf die in dem stärkeren Angriffsmittel 461 Im übrigen wäre zumindest eine eindeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder wegen Nötigung, richtigerweise sogar wegen Nötigung in Verbindung mit Diebstahl (die Nötigung dabei auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage) möglich. 45! So Städtler, S. 82; Hänsel, S. 85; Christians, S. 75; Schönke, S. 48; dagegen erkennt Roos (S. 72) eine rechtsethische und psychologische Verschiedenheit. 45S Konsequent der AE (person, Begründung zu § 117, S. 67), wenn er mit dieser Abstufung die einfache neben die schwere (qualifizierte) Nötigung stellt (§§ 116, 117). 454 Ebenso Gerig, S. 53; a. A. das Reichsgericht in RGSt 11, 103 (104), das eine Wahlfeststellung ablehnt; demgegenüber bejaht Schorn (S. 46) selbst von seinem engen Standpunkt aus die Zulässigkeit der wahldeutigen Verurteilung, indem er verschiedene Ausführungsarten ein und desselben Tatbestands untergebracht in zwei verschiedenen Vorschriften - angesprochen sieht.
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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subsidiär steckende geringere Ausführungsart. Man darf hier nicht wie Deubner4 55 bei der Alternativität von Verführung und Notzucht dem Fehler unterliegen, in einer wechselseitigen Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel sowohl das stärkere als auch das mildere Angriffsmittel zu verneinen und den Ausweg in einer Wahlfeststellung zu suchenm. Mit Recht begreift der Bundesgerichtshof in der von Deubner besprochenen Entscheidung457 die Notzucht wegen der stärkeren Gewaltanwendung oder Drohung als das die Verführung qualifizierende Delikt'58. Man könnte bei dieser Überlegung dem Einwand ausgesetzt bleiben, daß hier die subsidiäre Verführung bzw. Erpressung schlechthin fingiert sei; die Parallele zur Unaufklärbarkeit von Meineid und uneidlicher Falschaussage bei verschiedenen Terminen 459 trüge nicht, da der Meineid begriffslogisch auch die Falschaussage enthalte. Vielmehr erinnere die Argumentation an die oben ausdrücklich verworfene These, ein Stufenverhältnis zwischen schwerem Diebstahl und in concreto gerade nicht begangenem Hausfriedensbruch oder nicht verwirklichter Sachbeschädigung zu begründen 460 • Dem wäre jedoch entgegenzuhalten, daß auch die Falschaussage im Ansatz bereits fiktiven Charakter besitzt, da die Aussage mit einer der "exklusiven Alternavitität" entsprechenden Sicherheit beeidet worden ist; ferner wurde ausdrücklich herausgearbeitet, daß die Rückgriffsmöglichkeit auf durch Spezialität verdrängte und begriffslogisch-subsidiäre Taten von gleicher Reichweite ist481 : die starke Drohung und die ernstliche Gewalt enthalten nun aber begrifflichsubsidiär den minderen Angriff, während der schwere Diebstahl im Einzelfall tatsächlich ohne Rechtsbeeinträchtigung des Hauseigentümers und ohne Sachbeschädigung begangen werden kann. - Die hier vorgetragene Lösung ändert sich auch nicht in entscheidendem Maße, wenn etwa die Erpressung gewaltsam und die alternative räuberische ErpresAnmerkung II, S. 147. So auch Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 67. 4S7 In NJW 1968, S. 1888 f. (1888) = BGHSt 22, 154; zust. Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 5; Schröder, Anmerkung II, S. 572; Mezger-Blei I, § 11 111, S. 35 (14. Aufl.); Kleinknecht, § 261 Anm. 8 C; kritisch Hruschka, Logik, S. 642; zweifelnd Dreher, § 2 b Anm. 2. 458 Insoweit zust. auch Deubner, Anmerkung II, S. 147. Folgerichtig gipfeln Deubners "überlegungen in der These, daß eine Wahlfeststellung unter dem Gesichtspunkt des "Unrechtskerns" stets dann zu bejahen sei, wenn die Alternativtatbestände in einem Stufenverhältnis stehen. Gegen ein begriffslogisches Stufenverhältnis Jakobs, Wahlfeststellung, Fußn. 67. 458 Bekanntlich wurde hier mit dem BGH (NJW 1957, S. 1886 f., 1887) die eindeutige Verurteilung aus § 153 als das allein richtige Ergebnis herausgestellt (näher oben 1. Teil, [bei] Fußn. 134 ff.) und der von Deubner vorgebrachte Vorwurf einer verdeckten Wahlfeststellung entkräftet. 480 Siehe oben bei Fußn. 344 ff. m Siehe oben bei Fußn. 333 ff. 455
458
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
sung im Wege einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben verwirklicht wurde. Die Drohung wird wiederum auf ihr Grundmaß verkürzt, so daß nunmehr eine Wahlfeststellung innerhalb des Erpressungstatbestandes zwischen Gewalt und Drohung mit einem empfindlichen Übel getroffen werden kann. - Weitere Lösungsmöglichkeiten - wiederum in Richtung auf eine eindeutige Verurteilung zeichnen sich ab, wenn man in Rechnung stellt, daß die vis compulsiva subsidiär das Element der Drohung enthalten kann462 . d) Diebstahl - Unbefugter Gebrauch von Kraftfahrzeugen Sofern lediglich zweifelhaft ist, ob der mit dem fremden Wagen weggefahrene Täter das Fahrzeug wirklich zurückbringen wollte, ergibt sich über "in dubio pro reo" die eindeutige Verurteilung aus § 248 b (auf eindeutiger Tatsachengrundlage)463. Bleibt dagegen die Absicht des vor der Tat gefaßten Angeklagten im Dunkeln, so ist zu differenzieren: Die unbefugte Ingebrauchnahme ist in der Zueignung begriffslogisch stets dann enthalten, wenn der Täter die Sache auch als Quasi-Eigentümer hätte gebrauchen wollen. § 242 und § 248 b unterscheiden sich hier hauptsächlich durch die Dauer im Entzug der Sache. Insoweit läßt sich in Anlehnung an die Erörterungen zu c) eindeutig wegen (versuchter) Gebrauchsanmaßung (auf nunmehr wahldeutiger Tatsachengrundlage) verurteilen464 . - Demgegenüber sind auch Fälle denkbar, in denen die Zueignung den Gebrauch der Sache nicht zur Voraussetzung hat, z. B. wenn der Täter den Gegenstand sofort verschenken Will466 . Hier stellt sich die Frage nach Wahlfeststellung oder Freispruch466 ; sie wäre in diesem Ausnahmefall zugunsten der Straflosigkeit zu beantworten467 • 462 BGHSt 23, 126 (127) - Urt. v. 27. 8. 1969,4 StR 268/69; Schönke-Schröder, Vor § 234 Anm. 10. 463 Dazu Hruschka, S. 266 Fußn. 4; vgl. auch Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 15. 464 Eine solche Möglichkeit entstünde auch dann, wenn der Täter, sofern er nicht den § 248 b verwirklichen wollte, die Sache nach Beendigung des Gebrauchsinteresses zu vernichten plante (vgl. auch Schönke-Schröder, § 242 Anm. 54: kein "bloßer" Gebrauchsdiebstahl). Die Diebstahlsalternative enthält auch hier als subsidiären Kern das unbefugte Ingebrauchnehmen. 465 § 248 b ist deshalb bei entsprechender Sachlage nicht das spezielle, sondern wegen Interferenz das subsidiäre Delikt; dazu Hruschka, S. 266 Fußn. 4; vgl. auch Legien, S. 133; Schönke-Schröder, § 248 b Anm. 13. 466 Generell für Wahlfeststellung: Schönke-Schröder, § 242 Anm. 78 (vgl. aber § 2 b Anm. 15, wo Schröder ein Stufenverhältnis wegen der lediglich quantitativ unterschiedenen Angriffe auf das gleiche Rechtsgut bildet); Christians, S. 78; Schönke, S. 48; Hruschka, S. 266 Fußn. 4. Siever (S. 89/90) nimmt wegen des geringeren oder größeren Bruchs der Eigentumsordnung ein normativethisches Stufenverhältnis an und bejaht mithin eine verdeckte Wahlfeststellung; für eindeutige Verurteilung aus anderer Sicht Legien, S. 133. 467 Entsprechende Erwägungen gelten für die Alternativität von § 246 und § 248 b; zur Gleichstellung etwa Siever, S. 89.
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
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e) (Schwere) Amtsunterschlagung - Diebstahl (bzw. Betrug) Bleibt zweifelhaft, ob der Inhaber amtlichen Mitgewahrsams an der Kasse von vornherein das angeeignete Geld nicht in die Kasse gelegt (§ 350) oder erst nachträglich aus ihr entnommen hat (§ 242(68), und versucht er anschließend, den Fehlbetrag durch Falschbuchungen zu decken (§§ 350, 351 bzw. §§ 242; 2'63, 43 = subsidiär), so ist entgegen der h. M.489 eine Wahlfeststellung zwischen schwerer Amtsunterschlagung und Diebstahl abzulehnen 470 • Das ergibt sich zwar nicht zwingend daraus, daß dem einfachen Diebstahl ein (unechtes) Amtsdelikt gegenübersteht, weil ja der Täter jeweils als Beamter handelt. Entscheidend dürfte auch hier die Unterschiedlichkeit von Gewahrsamsbruch und "Gewahrsamsausnutzung" sein; anders als im Sonderfall des bewußtlosen Opfers unterscheiden sich die in Frage stehenden Handlungen auch äußerlich. Bei dieser Betrachtungsweise hilft es demnach nicht weiter, die schwere Amtsunterschlagung als zweifach qualifiziertes Delikt471 über "in dubio pro reo" auf die einfache Unterschlagung zu reduzieren und wahldeutig mit dem Diebstahl in Beziehung zu setzen. Gangbar wäre andererseits der Weg, nach der Rückführung des § 351 auf § 246 eine dem Diebstahl nachfolgende (mitbestrafte) Unterschlagung zu ermitteln und eindeutig aus dem Auffangtatbestand des § 246 zu verurteilen. - Vollkommen befriedigend ist diese Lösung allerdings nicht. Man könnte wegen der Unzulässigkeit der Wahlfeststellung zwischen den Ausgangsdelikten noch daran denken, auf die beiderseits (subsidiär verwirklichtem) Falschbuchung und mithin auf den versuchten Sicherungsbetrug abzuheben473 • 488 a. A. etwa Maurach (BT, § 82 IV A 1, S. 766/767), der den Amtsdiebstahl unter § 350 subsumiert; zur h. M. vgl. dagegen etwa Schönke-Schröder, § 350 Anm. 12 mit zahlreichen Nachw. 480 BayObLG NJW 1958, S. 560 f. = BayObLGSt 1958, 12 (zur Begründung wird in konkreter Betrachtungsweise darauf verwiesen, daß sich der Täter beide Male die Vorteile der Tat durch Falschbuchungen gesichert habe; siehe oben Fußn. 104); bestätigend BGHSt 16, 184 (187); zust. Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 11; Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. I 4, S. 45. 470 Kritisch auch Eb. Schmidt, Nachtragsband, § 244 Anm. 19. 471 Die schwere Amtsunterschlagung ist gegenüber § 350 das qualifizierte Delikt; etwa Schönke-Schröder, § 351 Anm. 1. - Die Amtsunterschlagung enthält gesetzeskonkurrierend eine einfache Unterschlagung; vgl. KohlrauschLange, § 2 b Anm. I 4, S. 45; Schönke-Schröder, § 350 Anm. 32 mit Hinw. auf RG HRR 1938 Nr. 1375. 47! Hinsichtlich der Qualifikation in § 351 handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Sicherungsbetruges; vgl. RGSt 61, 202 (203); SchönkeSchröder, § 351 Anm. 18; Legien, S. 132. Ganz ähnlich ist auch die Falschbuchung nach dem Diebstahl als versuchter Betrug zu werten, der wegen seines Sicherungscharakters grundsätzlich gegenüber § 242 zurücktritt. 473 Vgl. auch den ähnlichen Fall in RGSt 61, 202: Hier war entweder eine schwere Amtsunterschlagung oder ein versuchter Betrug begangen, da der Verdacht des Diebesgriffs in die Kasse gar nicht bestand; das RG verneinte die
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
Als beste Lösung erscheint demgegenüber gegebenenfalls eine Verbindung beider Gedankengänge. Sollte dem Diebstahl eine Unterschlagung nachfolgen, so böte sich eine eindeutige Verurteilung wegen Unterschlagung in Realkonkurrenz mit versuchtem Betrug an. Zu erinnern ist an den bereits herausgearbeiteten Leitsatz, daß subsidiäre und mitbestrafte Taten dann wiederaufleben können, wenn die Oberdelikte nur wahldeutig erweislich und einer Wahlfeststellung unzugänglich sind. § 351 enthält sowohl eine einfache Unterschlagung als auch einen (versuchten) Sicherungsbetrug; dem ebenso wahldeutig nicht strafbaren Diebstahl folgt subsidiär eine einfache Unterschlagung gleichermaßen wie ein versuchter Betrug nach. f) Sachbeschädigung - Diebstahl (Unterschlagung) Man wird eine Wahlfeststellung abzulehnen haben474 • Beschädigen (Zerstören) einer Sache und eigentliches Zueignen unterscheiden sich grundsätzlich. Zwar wird man entgegenhalten können, daß es ebenfalls eine eigentÜffiergemäße Handlung sei, eine Sache zu zerstören; der Normalfall ist dies indessen nicht. Deshalb erwägt man ganz zu Recht, § 303 noch nicht einmal zur mitbestraften Nachtat zu erklären, sondern in Ideal- oder Realkonkurrenz zu einem Zueignungsdelikt treten zu lassen. Insofern wäre noch nicht einmal die selbstverständliche Voraussetzung einer jeden Wahlfeststellung und jeglichen Fortsetzungszusammenhanges erfüllt: die Gleichartigkeit des Erfolgsunwertes475 • B. Die Lösung bei den kumulativen Mischtatbeständen Nach der umfangreichen Lösung der denkbaren Alternativitäten bei jeweils mehreren Eigentums- bzw. Vermögensstraftaten ist der Weg frei zur Klärung von Beweiszweifeln innerhalb kumulativer Mischgesetze. Zahl und Art dieser Straftatbestände wurden dabei bereits festgestellt"': Es handelt sich um die Alternativen innerhalb der qualifizierten Hehlerei, der Untreue, des Versicherungsbetruges, der Begünstigung sowie um die Unaufklärbarkeit des § 243 Ziff. 3 bzw. der §§ 250 I Ziff. 1 und 2 gegenüber den jeweils anderen Qualifikationen. Wahlfeststellung zwischen den Ausgangsdelikten und gelangte zum Freispruch (S. 206); Legien (S. 132) will demgegenüber zu Recht eindeutig wegen versuchten Betruges verurteilen. m So Schaffstein, S. 727 (§ 242 - § 303); a. A. Hänsel, S. 84 (§ 242 - § 303);
Christians, S. 77 (§ 246 - § 303).
475 Zur Begründung siehe oben (bei) Fußn. 363; dagegen für Einheitlichkeit der Rechtsgutsverletzung (Entziehung des Eigentums) Hänsel, S. 84. 471 Siehe oben bei Fußn. 44 - 63.
2. Absehn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
139
Methodisch ist dabei zunächst nach der Möglichkeit des Fortsetzungszusammenhanges als Gradmesser der zulässigen Wahlfeststellung zu fragen und bei Ablehnung mit Hilfe einer zweifachen Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel auf etwaige Grundtatbestände (§§ 259; 242; 249)477 oder begrifflich-subsidiäre Taten (§ 246 2. Alt.) zurückzugreifen; in Betracht kommt ferner die Verwertung normativ-mitbestrafter Delikte (etwa § 246 oder § 263). I. Gewerbsmäßige oder gewohnheitsmäßige Hehlerei (§ 260)
Die unterschiedliche Motivation und anders geartete Seelenlage478 lassen Fortsetzungszusammenhang und Wahlfeststellung ausgeschlossen erscheinen. Ohne weiteres möglich ist dagegen die eindeutige Verurteilung wegen einfacher Hehlerei. D. Mißbrauchs- oder Treubruchstatbestand (§ 266)
Der Ausschluß juristischer Handlungseinheit und wahldeutiger Verurteilung ergibt sich aus der bereits festgestellten Unterschiedlichkeit der Tatbestände478 • Denkbar erscheint jedoch im konkreten Fall der Rückgriff auf subsidiäre oder mitbestrafte Verstöße gegen § 246 1. oder 2. Alt. und mithin eine eindeutige Verurteilung aus dem Unterschlagungstatbestand.
m.
Gewerbsmäßiger Diebstahl (§ 243 Zlff. 3) oder sonstiger schwerer Diebstahl (§ 243 Ziff. 1, 2, 4 - 6)
Für § 243 n. F. als neuartige Strafzumessungsvorschrift mit Regelbeispielen480 ist die Feststellung des kumulativen Mischgesetzcharakters481 näher zu begründen. Schröder'82 etwa hält eine Wahlfeststellung im engeren Sinne zwischen den einzelnen Ziffern nicht für erforderlich, da es sich nicht mehr um eigenständige Tatbestände handele; er gelangt zu einer zwar wahldeutigen, aber einheitlichen Bestrafung aus § 243. Demgegenüber billigen Lackner-Maassen483 und Dreher'84 den Regelbeispielen zum Teil Tatbestandscharakter zu und halten deshalb auch m Vgl. bereits oben bei Fußn. 66. 478
47'
480
Näher oben (bei) Fußn. 44 - 46. (Bei) Fußn. 50. So BGHSt 23, 254 (256); BGH NJW 1970, S. 2120; Schröder, Anmerkung IV,
S. 388; Bönzler, S. 682. 481 482
4U 484
Oben bei Fußn. 51 ff. In Schönke-Schröder, § 243 Anm. 47. § 243 Anm. 6 b. § 243 Anm. 12 A.
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2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vennögensdelikten
eine Wahlfeststellung zwischen den einzelnen Ziffern für zulässig. - In der Tat offenbart sich eine gewisse Selbständigkeit der Regelbeispiele als Qualifikationen, wenn man die §§ 303 und 123 dann durch § 243 Ziff. 1 verdrängt sehen will, wenn das Gericht einen schweren Fall annimmt485 ; oder, wenn man den Anfang der Ausführung bereits in dem Beginn der Verwirklichung des Erschwerungsgrundes erblickt486 , 487. Diese Selbständigkeit ist auch auf die Alternativitätsproblematik zu erstrecken. Eine Wahlfeststellung zwischen gewerbsmäßigem Diebstahl und den übrigen Qualifikationen des § 243 488 ist dann jedoch wegen der dargestellten Unterschiedlichkeit der Alternativen (Überwindung eines faktischen oder moralischen Schutzwalls gegenüber der Gewerbsmäßigkeit) nicht statthaft. Es bleibt die eindeutige Verurteilung aus § 242 als Grundtatbestand mit der Konsequenz daß aus dieser Vorschrift die Strafe zu entnehmen und für den Tenor ebenfalls auf den "einfachen Diebstahl" zurückzugreifen ist489 • Wollte man anders entscheiden und mit Schröder alle Folgerungen aus der Regelbeispieltechnik als "Mischform von Qualifikation und unbenannter Strafschärfung" ziehen, dann gäbe man dem Gesetzgeber die zweifelhafte Freiheit, im Wege dieser Regelbeispieltechnik 490 die Grenzen der Wahlfeststellung zu sprengen. IV. Raub mit Waffen bzw. Bandenraub (§§ 250 I Ziff. 1, 2) oder Straßenraub bzw. Raub zur Nadltzeit (§§ 250 I Ziff. 3, 4)
Die unterschiedlichen Grundgedanken bei der Tatbestandsgruppen (Gefährlichkeit der Handlung einerseits, erhöhte Gefährdung des Rechtsguts andererseits491 und demgemäß der unterschiedliche Handlungsunwert lassen Wahlfeststellung und Fortsetzungszusammenhang nicht zu; ohne weiteres statthaft ist wiederum die eindeutige Verurteilung aus dem Grundtatbestand des Raubes.
Heimann-Trosien in LK, § 243 Rdnr. 50; Dreher, § 243 Anm. 12 A. Lackner-Maassen, § 243 Anm. 5 b (die Regelbeispiele typisieren "rechtlich relevante und gegenüber § 243 spezialisierte Diebstahlshandlungen"). 487 Gegen eine vollkommene Selbständigkeit spricht allerdings, daß in § 243 485
488
eine Vorschrift über die Strafbarkeit des Versuchs nicht eingefügt worden ist; vgl. Bönzler, S. 682 Fußn. 2. 488 Unter der Voraussetzung, daß beide Alternativen als "schwerer Fall" angesehen werden müssen. 489 Nach BGHSt 23, 254 (256) braucht § 243 (als Strafzumessungsvorschrift) nicht im Schuldspruch erwähnt zu werden; BGH NJW 1970, S. 2120 stellt die Tenorierung in das Ennessen des Gerichts (§ 260 IV S. 4 StPO). 490 Zu Recht grundsätzlich kritisch zu diesem Regelungsverfahren Baumann, Strafrechtsrefonngesetz, S. 23/24 (mit Hinw. auf die Schwierigkeiten in der Versuchs- und Teilnahmelehre und das Analogieverbot). 491 Siehe dazu bei Fußn. 56 ff.
2. Abschn.: Kumulative Mischtatbestände und mehrere Strafgesetze
141
V. Inbrandsetzen oder Strandenmachen im Sinne von § 265
Diese Alternative besitzt keine große Tragweite; gegebenenfalls ist wegen der unterschiedlichen Handlungen492 Freispruch geboten. Denkbar bleibt allerdings die eindeutige Verurteilung wegen versuchten oder vollendeten Betruges, da der Täter in den meisten Fällen seine betrügerische Absicht verwirklicht. Das ergibt sich von selbst, sofern man mit Schröder4 93 Idealkonkurrenz zwischen den §§ 265, 263 annimmt494; keiner Diskussion bedarf allerdings auch das Wiederaufleben des Betrugstatbestandes, sofern man ihn bei eindeutiger Erweislichkeit als mitbestrafte Nachtat zurücktreten läßt. VI. Persönliche oder sachliche Begünstigung (§ 257)
Der Freispruch wird schon dadurch geboten, daß einmal die Rechtspflege, das andere Mal das Vermögen geschützt wird 485 •
m Siehe oben bei Fußn. 60. ns In Schönke-Schröder, § 265 Anm. 18 mit Nachw. (auch über die Gegenauffassung). 04 Nach richtiger Auffassung können ideal- oder realkonkurrierende Alternativdelikte, soweit sie für eine Verurteilung nicht verwertet werden können, in Wegfall geraten; siehe oben Fußn. 422. Zu § 154 a StPO vgl. TröndZe in LK, nach § 2 Rdnr. 20. 05 Sofern man jeweils für einen Tatbestand gegen die Rechtspflege plädiert, gehört die Beweisfrage nicht in den hier zu besprechenden Problemkreis der Vermögensdelikte; siehe dazu oben, bei Fußn. 61 ff. Für Unterschiedlichkeit im Rechtsgut und mithin für Freispruch noch Christians, S. 95; Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 63/64.
3. Abschnitt Zusammenfassung Wollte man den gesamten Erkenntnisstand in Ergänzung der Ergebnisse zum 1. Teil der Arbeit496 knapp zusammenfassen, so ließen sich anknüpfend an die Zwischenresultate im Fortgang des 2. Teils 497 - folgende Thesen aufstellen: I. Zu den Stufenverhältnissen, die über "in dubio pro reo" die Mög-
lichkeit einer eindeutigen Verurteilung aus dem milderen Tatbestand eröffnen, gehört neben der Spezialität auch die begriffslogische Subsidiarität (im Sinne von Gesetzeskonkurrenz und mitbestrafter Tat)48s. - In diesem Zusammenhang unverwertbar sind hingegen die Gesichtspunkte der Konsumtion499 sowie der normativen Subsidiarität50o •
11. Die Gradmesser der zulässigen Wahlfeststellung, die beim Nichtvorliegen eines begriffslogischen Umfassungsverhältnisses zu prüfen ist, sind die Bestimmung des § 265 I StP050l und die Lehre des Fonsetzungszusammenhanges 502 • Dabei beschränkt sich der Maßstab der "Veränderung des rechtlichen Gesichstpunktes" auf die Modalitäten und Qualifikationen einer Straftat: Soweit der Schutz des § 265 I StPO versagt wird oder nicht zu gewähren wäre, ist eine Wahlfeststellung ohne weiteres zulässig; eine gesetzliche Regelung der wahldeutigen Verurteilung scheint in diesem Bereich zudem entbehrlich503 • - Das Spiegelbild des Fortsetzungszusammenhanges gilt zwar auch im Bereich einer Straftat; seine entscheidende Wirksamkeit entfaltet es jedoch im Rahmen der Alternativität mehrerer Strafgesetze. oe Vgl. den 4. Abschnitt.
Bei Fußn. 66, 247 ff., 365 ff., 421 ff. Oben Fußn. 333 ff.; zur Fragestellung im 1. Teil vgl. Fußn. 261. Die rechtsethische Unvergleichbarkeit der Delikte vermag an der Anwendung der Beweisregel nichts zu ändern, siehe oben bei Fußn. 372 a f. m Bei Fußn. 343 fi. 500 Bei Fußn. 328 fi. 501 Bei Fußn.13 fi. 502 Bei Fußn. 351 ff. 501 1. Teil, Fußn. 251; 2. Teil, bei Fußn. 5 und Fußn. 361. 4t7 408
3. Abschn.: Zusammenfassung
143
!Ir. Die
vorstehenden Grundsätze der WahZfeststellung sind vom Gericht als Rechtsnorm zwingend zu beachten, da sie allein den erforderlichen und kriminalpolitisch unangreifbaren Ausgleich von Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit gewährleistenSO..
IV. Mithin haben sich folgende Lehren und Kriterien zur Wahlfeststellung als verfassungsrechtlich nicht haltbar herausgestellt505 : 1. 2. 3. 4.
Die Lehre der "mitbestraften Tat" (GTÜnhut)506. Die Thesen von Eb. Schmidt und Flecks07 . Die Lehre von der "Identität des Unrechtskerns"508. Die verschiedenen Lehren vom "normativ-ethischen Stufenver-
hältnis""5ot.
5. Die Lehre vom "Auffangtatbestand"510. 6. Das Kriterium der "rechtsethischen und psychologischen Ver-
gleichbarkeit"511.
V. Die stark begrenzende Parallele des Fortsetzungszusammenhanges macht die Begründung oder Absicherung folgender Prinzipien zur Wahlfeststellung möglich: 1. Umfassende Verwirklichung einer konkreten Betrachtungsweise, die sich auch auf außertatbestandliche Merkmale erstreckt512 • Insofern werden auch die Sicherheit der Urteilsfindung und die Gerechtigkeit der Urteilswirkung gewährleistet513 • 2. Erfüllung der Gebote mangelnder Diffamierung des Täters und
gerechter Strafzumessung514 •
Bei Fußn. 382; vgl. auch bereits 1. Teil, Fußn. 269. Der angesprochene Ausgleich von Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit wird sowohl durch die generelle Ablehnung der Wahlfeststellung (zur Kritik an der "materiellrechtlichen Lösung" im besonderen vgl. bei Fußn. 384 ff., ansonsten 1. Teil, bei Fußn. 188 ff.) als auch durch ihre uneingeschränkte Zulassung von vornherein verhindert (vgl.1. Teil, bei Fußn. 188 ff.). 506 Zur Kritik bei Fußn. 324. 507 Zur Kritik bei Fußn. 348 - 350. 508 Zur Kritik 2. Abschnitt, H. 50t Zur Kritik 2. Abschnitt, I. 3; zur Synthese von Dogmatik und Kriminalpolitik vgl. bei Fußn. 233. 610 Zur Kritik 2. Abschnitt, I. 2; in diesem Zusammenhang ergab sich der Grundsatz, daß die Erforschung des kriminalpolitischen Feldes auf der Grundlage empirischer Ermittlungen im allgemeinen den Rahmen für die nachfolgende dogmatische Erfassung abstecken soll, ohne daß dabei eine jede dogmatische Abgrenzungsmöglichkeit verleugnet werden dürfte (vgl. bei Fußn. 161 und 233). 511 Zur Kritik 2. Abschnitt, I. 1. 511 Bei Fußn. 304 ff. mit Nachw., 353. 513 Bei Fußn. 368 ff. m Bei Fußn. 318. 604
505
144
2. Teil: Die Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten
3. Einhaltung des Gebots eines wahldeutigen Tenors515 •
4. Kumulation von Wahlfeststel1ungs- und "in dubio pro reo"Grundsätzen516 .
5. Die Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel innerhalb beider Alternativen zur Erlangung einer eindeutigen oder wahldeutigen Verurteilungsgrundlage517 • 6. Die Einbeziehung von mehr als zwei Alternativen in die Verurteilungsgrundlage518 . VI. Eine eindeutige oder wahldeutige Verurteilung519 wird weiterhin ermöglicht durch die korrigierte und ergänzte "materiellrechtliche Theorie"520: 1. In entsprechender Verwertung eines Grundsatzes der Konkurrenzlehre521 leben - neben speziellen bzw. durch Spezialität verdrängten sowie begriffslogisch-subsidiären Taten - auch normativ-subsidiäre Delikte wieder auf, wenn die Obertatbestände nur wahldeutig erweislich und wegen Unvergleichbarkeit nicht strafbar sind522 . Dabei ergibt sich in den meisten Fällen eine eindeutige Verurteilung aus dem Unterschlagungstatbestand, der nach "vermittelnder Auslegung"523 die Funktion der Lückenschließung und mithin die Rolle eines echten Auffangtatbestandes wahrnimmt524 .
515 Bei Fußn. 265 ff.; richtiger Auffassung nach ist hier ebenso wie bei der eindeutigen Verurteilung auf doppeldeutiger Tatsachengrundlage zwischen dem Rechtsgrund der Verurteilung (beide Alternativdelikte) und dem für das Urteil zugrunde zu legenden Strafgesetz (der mildere Tatbestand) zu unterscheiden (oben Fußn. 300). 516 Bei Fußn. 371 ff. 517 Bei Fußn. 376 ff. 518 Bei Fußn. 373 ff.; bei dem hier vertretenen engen Standpunkt ist die Tragweite dieses Grundsatzes allerdings gering (denkbar ist die Alternativität von Raub, räuberischer Erpressung und räuberischem Diebstahl). m Zu den Einzelfällen siehe bei Fußn. 427 ff. 520 Bei Fußn. 384 ff. 5%1 Die weitreichenden Parallelen zur Konkurrenzlehre ergeben sich aus der vorstehenden Zusammenfassung; zu untauglichen Konkurrenzgesichtspunkten siehe oben Fußn. 351. 522 Vgl. bei Fußn. 411 f., 459 ff., 473; Unterschiede, die beim Rückgriff im Rahmen eindeutiger Verurteilung zwischen Spezialität und Subsidiarität gemacht werden (vgl. Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 81 ff.), entfallen bei der Wahlfeststellungsproblematik. 523 Bei Fußn. 390 ff. 524 Bei Fußn. 421; die Rechtsprechung des Großen Senats zum Zueignungsbegriff (BGHSt 14, 38) steht nicht entgegen (oben bei Fußn. 403 ff.). Zur entsprechenden Problematik bei den §§ 259, 257 ("Postpendenzfeststellung") vgl. oben Fußn. 412.
3. Abschn.: Zusammenfassung
145
2. Sofern die eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage erfolgt, ist richtiger Auffassung nach unter Berücksichtigung der Sekundärfunktion der "in dubio pro reo"-Regel das mildere Geschehen heranzuziehen; eine Ausschöpfung des Strafrahmens verbietet sich525 • VII. Ideal- oder realkonkurrierende Alternativdelikte, die für eine Verurteilung nicht verwertbar sind, können in Wegfall geraten526 • VIII. Bei den kumulativen Mischtatbeständen vermögensrechtlicher Art ist eine wahldeutige Bestrafung zu verneinen; durchweg möglich ist allerdings die eindeutige Verurteilung aus dem generellen oder begrüflich-subsidiären Delikt, gegebenenfalls auch aus wiederauflebender mitbestrafter Tat527 •
515
Bei Fußn. 423 ff.
Oben Fußn. 422 und (bei) Fußn. 494. Siehe oben 2. Abschnitt, B.; zur Problematik des § 243 n. F. als Mischform von Qualifikation und unbenannter Strafschärfung vgl. oben 2. Abschnitt, B. bei Fußn. 480 ff. 618
627
10 Wolter
3. Teil
Die Alternativität bei Körperverletzungs- und Tötungsdelikten Die Auffächerung und Lösung der Gesamtproblematik um die eindeutige und alternative Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage - exemplifiziert an der Alternativität bei Eigentums- und Vermögensdelikten - läßt eine erneute Aufschlüsselung der Einzelfragen bei den Körperverletzungs- und Tötungstatbeständen entbehrlich erscheinenl • Die Strukturen sind herausgearbeitet und mittels ihres objektiven Charakters ohne weiteres übertragbar. Eine gewisse dogmatische Abstinenz rechtfertigt sich um so mehr, als die Systematik in diesem Bereich zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Umbruch begriffen ist; dem noch geltenden Recht steht der E 62 und der - Barrieren einreißende - AE zu den Straftaten gegen die Person gegenüber. - Hinzu kommt, daß die eigentlich wichtigen Einzelprobleme erst im nachfolgenden 4. Teil der Untersuchung über die Unaufklärbarkeit von Vorsatz (Absicht) und Fahrlässigkeit einer Lösung zugeführt werden können; beispielhaft genannt seien die Fragen nach dem Verhältnis von vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung, nach der Alternativität von Absicht und Vorsatz im Rahmen der §§ 224, 225, nach dem angeblichen Auffangcharakter des § 226 oder nach dem Verhältnis von Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz. - Die Konzentration ist mithin auf einige ausgewählte Probleme objektiven Gehalts zu beschränken, die aller Voraussicht nach auch ein neuer Besonderer Teil des Strafgesetzbuches zur definitiven Lösung freilassen wird. Zu denken ist hier zunächst an das Verhältnis von Mord und Totschlag sowie an die Abschichtung von Tötung und Körperverletzung. 1 Z. T. finden sich bereits in den bisherigen Erörterungen Bezugnahmen auf diesen Deliktskreis: Zur konkreten Betrachtungsweise bei "Mord zur Ermöglichung einer Straftat" und "Mord aus niedrigen Beweggründen" vgl. oben 2. Teil, bei Fußn. 307; zur Anwendbarkeit der "in dubio pro reo"-Regel wegen eines begriffslogischen Stufenverhältnisses zwischen Mord und Totschlag (trotz etwaiger rechtsethischer Unvergleichbarkeit) oben 1. Teil, Fußn. 138, vgl. auch 2. Teil, bei Fußn. 372 a f.; zu der Frage, wo die Grenze zwischen Wahlfeststellung und unbeachtlicher Alternativität zu ziehen ist (verdeutlicht an den §§ 217, 223 a) siehe 1. Teil, bei Fußn. 236 f.; zu den alternativen und kumulativen Mischdelikten innerhalb des Mordtatbestandes vgl. 1. Teil, Fußn. 246, 2. Teil, Fußn. 32 und bei Fußn. 307; zur eindeutigen Verurteilung aus den privilegierten Tatbeständen der §§ 216, 217 bei der Alternativität von Grundtatbestand bzw. Qualifikation und privilegiertem Delikt vgl. 1. Teil, bei Fußn. 145 ff.
1. Abschnitt
Das Verhältnis von Mord und Totschlag Im Grundsatz besteht Einigkeit, daß der Beweiszweifel über "in dubio pro reo" zur eindeutigen Verurteilung aus § 212 führen muß. Dies erreicht man dadurch, daß man entweder den Mord als Qualifikation! oder den Totschlag als Privilegierungll ansieht. Richtiger Auffassung nach enthält der Mord als qualifiziertes Delikt den Totschlag begriffslogisch stets in sich. Vereinzelt findet sich allerdings der Hinweis, daß man mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, nach der die Tötungstatbestände als selbständig und im Unwertgehalt unterschiedlich betrachtet werden', im Falle des Beweiszweifels zur weitreichenden Wahlfeststellung5 oder zum Freispruch' gelangen müßte. Wenn man sich allerdings erinnert, daß die Selbständigkeit von Raub und Diebstahl nicht das Stufenverhältnis hindert7 und daß die rechtsethische Unvergleichbarkeit bei begriffslogischem Einschluß die Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel ebenso unberührt läßt8 , dann erweisen sich diese Schlußfolgerungen als gegenstandslos. Der Bundesgerichtshof spricht zudem ausdrücklich aus, daß die vorsätzliche Tötung als Merkmal des § 211 anzusehen ist8 • Anzumerken bleibt, daß die §§ 134, 135 E 62 die Unterscheidungen der herkömmlichen Regelung im Grundsatz beibehalten, während der AE die erschwerenden Tötungsumstände im Abs. 2 des einheitlichen § 100 auf! Schaffstein, S. 728; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 15 und Vor § 211 Anm. 4; Henkel, § 91 IV 5, S. 354 Fußn. 20; Mezger-Blei I, § 11 II 3 b, S. 33; Heinitz, Verhältnis, S. 127; Kugelmeier, S. 11; ChTistians, S. 79/80; Dörr, S. 17/18, Siever, S. 29/30; - zum Verhältnis der Subordination vgl. auch Klug, S. 404; Maurach BT, § 2 III A 2, S. 28; Lange in Kohlrausch-Lange, § 212 Anm. II 2, S. 471; ders., S. 171; Welzel, Systematik, S. 74; - für ein Stufenverhältnis nach der alten Fassung der Tötungstatbestände: Zeiler, Strafrichter, Sp. 576; Nilse, Vorsatz, S.1186 Fußn. 9; Klatte, S. 16; Zaum, S. 8; GeTig, S. 53; Schwabe, S. 11. a Eckstein GS 83, S. 414 zit. bei Welzel, Systematik, S. 73; Eb. Schmidt,
Anmerkung, Sp. 562. , So BGHSt I, 368 (370); BGHSt 6, 329 (330). 5 Heinitz, Verhältnis, S.127 Fußn. 23. 8 Schaffstein, S. 728. 7 Oben 2. Teil, Fußn. 84; dazu noch Schröder, Anmerkung, S. 423. 8 Oben 1. Teil, (bei) Fußn. 138. e BGHSt 1 ,368 (370). 10"
148
3. Teil: Alternativität bei Körperverletzungs- und Tötungsdelikten
führt und an dem Umfassungsverhältnis von einfacher und qualifizierter Tötung keinen Zweifelläßtl°. - Nach der heutigen Gesetzeslage und der Zukunftsvision des E 62 wäre bei der Alternativität innerhalb der kumulativen Mischdelikte des Mordes wegen der Unvergleichbarkeit der Ausführungsarten und wegen der unterschiedlichen Grundgedanken bei den Erschwerungsgruppenl l eindeutig aus dem Totschlagstatbestand zu verurteilen.
10
11
Vgl. auch AE, Person (Begründung vor und zu § 100, S. 17). 1. Mordlust, Geschlechtstriebbefriedigung, Habgier (niedrige Beweggründe) 2. Heimtücke, Grausamkeit, Gemeingefährlichkeit (Gefährlichkeit des Angriffs)
3. Ermöglichung oder Verdeckungeiner Straftat (Mittelbarkeit). (Bei den Ausführungsarten innerhalb der drei Gruppen handelt es sich um alternative Mischtatbestände, die eine Wahlfeststellung ohne weiteres zulassen).
2. Abschnitt
Das Verhältnis von Tötung und Körperverletzung Bei der Lösung des Beweiszweifels von Körperverletzung und Tötung erwartet man eigentlich die Schlichtung des Streits um Gegensatz- und Einheitstheorie und mithin Erwägungen auf subjektiver Ebene. Wie neuerdings namentlich Jakobs deutlich gemacht hat, kann man sich jedoch weitgehend auf eine objektive Betrachtung beschränken1!, wobei der angesprochene Theorienstreit als großenteils unbeachtlich in den Hintergrund tritt. - Ausschlaggebend ist für Jakobs die Überlegung, daß die Körperverletzungs- und Tötungsvorsätze, soweit bei den entsprechenden objektiven Tatbeständen eine (Teil)identität bejaht werden kann, kongruent sind13 • Eine (begrenzte) Declrungsgleichheit bestehe nun aber hinsichtlich des "typischen Quantums" an Körperverletzung, das sich bei jeder Tötung als tatsächliches und begriffliches Erfordernis nachweisen lasse1'; daraus sei zu folgern, daß das typische Körperverletzungsunrecht vom Tötungsunrecht konsumiert werde15 und daß nur das überschießende Quantum16 an Körperverletzung in echter Konkurrenz (weitgehend Realkonkurrenz)!7 seinen Ausdruck finde 18 • Für die Alternativitätsproblematik ist dieser Gedankengang in abgewandelter Form in hohem Maße verwertbar: Hebt man nicht auf das typischerweise verwirklichte Unrecht, sondern auf die konkret-begrifflich eingeschlossene Körperverletzung als Unterstufe der Tötung ab, so 11 Jakobs, S. 119; dabei weist Jakobs nach, daß die These der "gegensätzlichen Vorsätze" vor dem StGB von 1871 und in dessen Anfangszeit nur als "formelhaft in den Vorsatz verlagerter Ausspruch der Gesetzeskonkurrenz" zu verstehen ist, für den nach dem gegenwärtigen Stand der Konkurrenzlehre kein Bedürfnis mehr besteht (S. 120). 11 Jakobs, S.119 - 122, insbes. S. 122; vgl. auch Stratenwerth, Rezension, S. 418. 14 S. 101,110, 114. 15 S.114. 11 Zu den Einzelfällen Jakobs, S.112. 17 Jakobs, S. 113; vgl. auch Schönke-Schröder, § 212 Anm. 14. 18 Allerdings braucht das objektiv gegebene überschießende Quantum an Körperverletzung nicht stets von einem entsprechenden Vorsatz getragen zu sein. Bedeutsam erscheint hier der jeweilige soziale Sinngehalt: Der auf Verlangen Tötende wollte dem Getöteten bei seiner von Hilfsbereitschaft bestimmten Tätigkeit nur das absolut notwendige Maß an körperlicher Pein zufügen; ganz anders der Mörder, dessen Intention oftmals einen verzögerlichen, schmerzbehafteten Todeskampf einbeziehen wird.
150
3. Teil: Alternativität bei Körperverletzungs- und Tötungsdelikten
läßt sich ein Spezialitäts-!9 oder zumindest ein Subsidiaritätsverhältnis20 begründen. über den Satz "in dubio pro reo" vermag man dann - in ähnlicher Vollkommenheit wie beim entsprechenden Unterschlagungsdelikt - auf die Auffangstrafdrohung des § 223 als Grundtatbestand einer jeden Individualverletzung zurückzugreifen2!.
1. Vgl. Baumann, Lehrb., § 38 II 3 b, S. 626.
BGHSt 16, 122 (123) mit Nachw. über die unterschiedliche Rechtsprechung des Reichsgerichts und mit Hinw. auf BGH 5 StR 553/53, Urt. v. 25. 5. 1954; Schönke-Schröder, § 212 Anm. 14 mit Nacl1w.; ähnlich auch Cramer (Neuregelung, S. 1837), der das Verhältnis von Tötungsvorsatz und Körperverletzungsvorsatz mit der Subsidiarität zwiscl1en Verletzungs- und Gefährdungsvorsatz vergleicht; anders hingegen WeZzeZ, Verhältnis, S. 243/244. Z1 Es bedarf nicht der Wiederholung, daß die wegen überschießenden Quantums ideal- oder realkonkurrierenden Körperverletzungen gegebenenfalls auf Grundfonnen verkürzt oder bei Unvergleichbarkeit in Wegfall geraten können. 10
3. Abschnitt
Einzelfälle objektiven Gehalts A. Gefährliche Körperverletzung - Einfache Körperverletzung Der Beweissatz "in dubio pro reo" erfordert die eindeutige Verurteilung aus § 223, da die Körperverletzung in § 223 a durch die Verwendung eines die Gefährdung erhöhenden Werkzeugs oder anderen Angriffsmittels qualifiziert wird22 , 23. B. Qualifikationen innerhalb des § 223 a Soweit man in den Ausführungsarten des § 223 a Unterschiede im Sinne eines kumulativen Mischdelikts erblicken sollte, wäre nach dem Gesagten der Rückgriff auf die einfache Körperverletzung möglich2'. Richtigerweise enthält § 223 a aber wegen der stets erhöhten Gefährdung des Betroffenen lediglich alternative Mischtatbestände, so daß die wahldeutige Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung als ohne weiteres zulässig angesehen werden kann25 •
c. Einfache Körperverletzung -
Schwere Körperverletzung
Ein Beweiszweüel objektiver Art wird selten vorkommen; gegebenenfalls ist eindeutig aus § 223 zu verurteilen26 • Ebenso Zaum, S. 8; Gerig, S. 53; Schwabe, S.12; Christians, S. 82. Ein ebensolches Stufenverhältnis besteht wegen des mehr oder weniger schweren Eingriffs (vgl. auch AE, Person, Vorbemerkung vor § 108, S. 45) zwischen körperlicher Mißhandlung und Gesundheitsbeschädigung; diesem Umstand trägt der AE äußerlich auch dadurch Rechnung, daß er zwei getrennte Tatbestände (§§ 108, 109) mit einfachen oder qualifizierten Straffolgen aufstellt. - Keine Erörterung bedarf auch das Umfassungsverhältnis von § 226 und stellt. - Keiner Erörterung bedarf auch das Umfassungsverhältnis von § 226 und § 223 (dazu Strobach, S. 19). IC SO etwa Legien (S. 113/114) bei der Alternativität von Gemeinschaftlichkeit und Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs. IB Dagegen handelt es sich bei dem entsprechenden § 109 IV AE insoweit um ein kumulatives Mischgesetz, als der Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs als Alternative die Zufügung erheblicher körperlicher und seelischer Qualen gegenübersteht. 18 Christians, S. 82. U
11
152
3. Teil: Alternativität bei Körperverletzungs- und Tötungsdelikten D. Totschlag - Tötung auf Verlangen (Kindestötung)
Es wurde bereits dargestellt, daß hier als eindeutige Urteilsgrundlage der Totschlag festgestellt ist, daß jedoch der Grundsatz "in dubio mitius" (in seiner Sekundärfunktion) den eindeutigen Schuldspruch aus dem privilegierten Delikt erfordert27 , 28. E. Totschlag - Aussetzung Da es sich bei § 221 nach richtiger Auffassung um einen konkreten Lebensgefährdungstatbestand handelt29 und da die Gefährdung nur eine begriffslogische Vorstufe der Verletzung darstellt3o , ist die eindeutige Verurteilung wegen Aussetzung möglichs1 • F. Totschlag - Giftbeibringung Sofern man § 229 als Delikt der Lebensgefährdung ansieht32 , ergibt sich wiederum die eindeutige Verurteilung aus dem Tatbestand der Giftbeibringungaa. Entsprechendes gilt jedoch auch dann, wenn man die Giftbeibringung als Gefährdungsdelikt für die Körperintegrität begreift". Die vollendete oder versuchte Verletzung des Lebens enthält begriffslogisch auch die versuchte Gefährdung des Körpers86 • G. §§ 218; 212,43; 74 - §§ 218; 212; 73 Nimmt der Täter an einer infolge seiner Abtreibungshandlung zu früh geborenen Leibesfrucht, die er für lebend hält, eine Tötungshandlung vor, so kommt, wenn nicht festgestellt werden kann, ob das Kind lebte oder tot 27 Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 145 -147; zum Verhältnis von § 212 und § 217 vgl. noch Christians, S. 80. Daß Schröder (in Schönke-Schröder, § 216 bzw. § 217 Anm. 2) die §§ 216, 217 als selbständige Delikte charakterisiert, hindert die eindeutige Verurteilung nicht; der AE gibt übrigens auch äußerlich die Selbständigkeit der Kindestötung auf (§ 100 III Züf. 2).
28 Stufenverhältnisse objektiver Art liegen etwa vor, wenn unaufgeklärt bleibt, ob die Tötung bei der Geburt oder erst geraume Zeit später erfolgte oder ob das Verlangen des Getöteten ernstlicher oder nicht erheblicher Natur war. n Schönke-Schröder, § 221 Anm. 1 mit Nachw. 30 Roos, S. 49; Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 63 und oben 2. Teil, (bei) Fußn. 340; Siever, S. 42 und 44; Cramer, Neuregelung, S.1837. 31 Roos, S. 49. 31 Kohlrausch-Lange, § 229 Anm. I, S. 510. 33 Schwarz, S. 8 Fußn. 23; Siever, S. 44. 34 So Schönke-Schröder, § 229 Anm. 1; Maurach BT, § 11 II 1, S. 104. 35 Im übrigen enthält § 229 als spezielles Delikt je nach Sachlage die §§ 223 225 in sich; vgl. auch Schönke-Schröder, § 229 Anm. 15.
3. Abschn.: Einzelfälle objektiven Gehalts
153
war, nach dem Bundesgerichtshof36 eine Wahlfeststellung zwischen vollendeter Abtreibung in Tatmehrheit mit versuchter Tötung und vollendeter Abtreibung in Tateinheit mit vollendeter Tötung in Betracht. - Dieses Ergebnis befriedigt nicht. Da der Täter das Kind beide Male für lebend hält, hängt die rechtliche Wertung allein von dem nur quantitativ bestimmbaren Todeszeitpunkt ab. Erwägengswert ist deshalb schon von der tatsächlichen Seite her die eindeutige Feststellung der Abtreibung in Verbindung mit einer versuchten Tötung. Das wird dadurch bestätigt, daß man nach den bisherigen Erörterungen ohne weiteres auf die in dem vollendeten Totschlag subsidiär befindliche versuchte Tötung zurückgreifen darf17 • Da es sich nach dieser Rückführung um identische subsumenda mit wahldeutiger Tatsachengrundlage handelt, ist in zusätzlichsekundärer Anwendung des "in dubio mitius"-Satzes dasjenige äußere Geschehen zugrunde zu legen, das die mildere Bestrafung zuläßt; den Vorzug verdient mithin der in Idealkonkurrenz stehende Ablauf, so daß als endgültiges Ergebnis eine (eindeutige) Verurteilung wegen Abtreibung in Tateinheit mit versuchter Tötung festzustellen ist. H. Abtreibung - Kindestötung Obwohl hier beweisrechtlich allein der Handlungszeitpunkt zweifelhaft zu sein braucht, ist weder eine Anwendung des "in dubio pro reo"-Satzes noch eine Wahlfeststellung38 möglich, vielmehr Freispruch geboten: Die Täterin verletzt nämlich exklusiv-alternativ zwei verschiedene Rechtsgüter'. Alle weiteren Einzelfälle von Wichtigkeit sind entscheidend von der subjektiven Alternativität innerhalb der Schuldformen von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit geprägt; sie erfahren in dem unmittelbar folgenden 4. Teil der Untersuchung eine eingehende Erörterung.
3& BGHSt 10, 291 (294); vgl. auch Schäfer in Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 9. Dabei seien die rechtlichen Einzelwertungen als richtig unterstellt. 37 Siehe oben 2. Teil, bei Fußn. 333 ff. und 458 ff. 38 So aber Städtler, S. 82. 3V Dazu auch BGHSt 11, 15 (17).
4. Te i I
Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten In der Frage der Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten besteht in Rechtsprechung und Lehre eine tiefgreifende Uneinigkeit, die durch eine weitgehende Unsicherheit über die Strukturen von Vorsatz und Fahrlässigkeit, durch eine unzulässige Ausdehnung oder Einschränkung des Grundsatzes "in dubio pro reo" und durch eine mangelnde Differenzierung innerhalb der Schuldformen geprägt ist1 • 1. Abschnitt
Der Meinungsstand und erste Kritik Auf dem Hintergrund der Vierteilung in logisch-begriffliche und normativ-ethische Stufen- und aliud-Verhältnisse gelangt man mit den fünf großen Gruppen einer anfänglich verwirrenden Fülle von Auffassungen zu drei unterschiedlichen Ergebnissen: Eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand, Wahlfeststellung, Freispruch. A. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand Zunächst gibt es zahlreiche und in der Begründung durchaus voneinander unabhängige Versuche, zu einer eindeutigen Entscheidung im Sinne des fahrlässig begangenen Delikts zu gelangen. I. Die eindeutige Verurteilung mit BUfe der "in dubio pro reo"-Regel wegen eines normativ-ethisdlen sowie zum Teil audllogisdl-begrifflidlen Stufenverhältnisses
Das Reichsgericht! und ein Teil der Lehre3 sehen in Vorsatz und Fahrlässigkeit zwei Schuldstufen, die wegen ihres Umfassungsverhältnisses 1 Mit Recht bemerken Mezger-BZei (1, § 11 II 3 b, S. 34, 12. Aufl.) und Heinitz (Verhältnis, S. 127), daß dieses Einzelproblem seiner Lösung harrt. I RGSt 41,389 (3911392), zust. Schwarz, Strafrechtsnovellen, S. 258 und Niethammer in v. Olshausen, § 2 b Anm. B 10 a, S. 57; RGSt 59, 83 (84); vgl. auch bereits RG Rspr. 4, 198 (Leitsatz); ob das Reichsgericht diese Auffassung aufgegeben hat, als es unter der Geltung des § 2 b die Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zuließ - vgl. etwa RG DStR 38, S. 57, Urt. v. 18. 10.
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
155
dem Grundsatz "in dubio pro reo" zugänglich sind. Im Vorsatz zeige sich der höhere Grad von Gleichgültigkeit und damit das höhere Maß der Schuld'. Namentlich für Peters5 durchläuft die Kette des Vorwurfs von der unbewußten Fahrlässigkeit über die bewußte Fahrlässigkeit und den dolus eventualis bis hin zum unbedingten Vorsatz nur quantitativ verschiedene Grade. Aber auch soweit man Vorsatz und Fahrlässigkeit bereits auf der Unrechtsebene scheidete, gelangt man teilweise zu einer eindeutigen Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand, indem diesem wegen geringerer Gefährdung des geschützten Rechtsguts der mindere Unrechtsgehalt zugewiesen und damit neben der Schuldstufe eine Unrechtsstufe gebildet wird 7 • Einen andersartigen, wenn auch vergleichbaren Gesichtspunkt bringt Mayer'l mit der Erhebung eines Mindestschuldvorwurfs ins Spiel. Er fordert die eindeutige Verurteilung wegen z. B. fahrlässigen Falscheids deshalb, weil der Täter die Falschaussage zumindest vermeiden konnte. Vermöge der "in dubio pro reo"-Regel stehe demgegenüber unbedingt fest, daß er keinen Meineid geleistet habe. Eine Alternativfeststellung komme einer unerlaubten üblen Nachrede gleicht. Allen Auffassungen ist gemeinsam, daß sie den Unrechtsgehalt und den Schuldvorwurf (Schuldgrad) zum alleinigen oder entscheidenden Kriterium erheben. - Vorsatz und Fahrlässigkeit bilden aber auf der Grundlage der heute völlig herrschenden normativen SchuldauffassunglO auch Begriffe, die die Voraussetzungen einer bestimmt gearteten Vorwurfs1937, 3 D 654/37 - (so Schaffstein, S. 729), mag zweifelhaft sein, da sich § 2 b damals jedenfalls als bequemer Ausweg aus der theoretisch immerhin noch unklaren Situation anbot (so Blei, S. 500). a Baumann, Lehrb., § 14 II 2, S. 153; Nowakowski, S. 382; Roos, S. 44; Hänsel, S. 9; Peters, Schüsse, S. 104; Sax, S. 748 Fußn. 16; vgl. auch Eh. Schmidt, Teil II, § 244 Anm.ll; Oetker, Verfahren, S. 298 ff. (zit. bei Legien, S. 48). 4 Roos, S. 44. S Schüsse, S. 104. • Vgl. z. B. Heinitz, Verhältnis, S.128; Ambrosius, S. 95; Nowakowski, S. 382; Jescheck, Aufbau, S. 488; Mezger-Blei I, § 66 I 2, S. 208; Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28. 7 So vor allem Jescheck, Lehrb., § 16 II 2, S. 103; vgl. auch dens., Aufbau, S. 487; WeZzelAT, S. 25. 8 AT, S. 193; vgl. auch Lehrb., S. 418 und bereits Anmerkung, S. 299; ihm folgend Hubernagel, S. 331; beachte auch Mannheim, S. 2516 ("mindestens fahrlässig"). • Eine ähnliche Erwägung klingt bei Eb. Schmidt an (Teil II, § 244 Anm. 11), wenn er ausführt, daß der Angeklagte sich jedenfalls die Unwahrheit seiner Aussage hätte vorstellen sollen und können. 10 Vgl. nur BGHSt 2,194 (200); Schönke-Schröder, Vor § 51 Anm. 79; WeZze!. Das neue Bild, S. 40; Fuchs, Diss., S. 20.
156
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
begründung bezeichnenl l • Damit ergibt sich eine Trennung dieser Begriffe in die tatsächlichen Vor gegebenheiten und den Schuldvorwurf, in das Objekt der Wertung und die Wertung des Objekts12 • Diese Zweispurigkeit findet sich zumindest beim Vorsatz sowohl in der kausalen als auch zwingend in der finalen Handlungslehre. Während man in der kausalen Handlungslehre etwa zwischen Vorsatz-Sachverhalt und Vorsatz-Werturteil unterscheidet13 , während z. B. Schröder14 den Vorsatz als Schuldform vom Vorsatz im natürlichen Sinne trennt, ist die finale Handlungslehre gehalten, zwischen den psychologischen, dem Tatbestande zugehörigen Vorgegebenheiten des Vorsatzes und seiner innerhalb der Schuld vorgenommenen Wertung zu differenzieren15 • Diese Trennung und damit auch die Möglichkeit eines aliud-Verhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit im faktischen Bereich wird jedoch entweder einfach ignoriert oder man stellt konsequent beide Formen auch insoweit in ein Stufenverhältnis16 • So verweist namentlich Nowakowski l1 auf das zusätzliche Vorsatzelement einer bestimmten emotionalen Einstellung zur Rechtsgutsverletzung; durch diese sachverhaZtsmäßige Unterscheidung werde der (bedingte) Vorsatz von der (bewußten) Fahrlässigkeit abgegrenzt18 . Für Hänse11 9 widerlegt die enge Nachbarschaft von dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit die Annahme einer "auseinanderklaffenden Wesensverschiedenheit"20. Mayer 1 grenzt die beiden Fälle mit Hilfe der nur quantitativ abstufbaren Wahrscheinlichkeitstheorie ab. Das Reichsgericht schließlich spricht von dem Grenzgebiet zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, auf dem die sichere Unterscheidung häufig der menschlichen Erkenntnis entzogen sei!!; noch deutlicher wird in einer sehr frühen und begrüßenswert differenzierenden Engisch, Untersuchungen, S. 31; Fuchs, Diss., S. 20. Mezger-Blei I, § 62 2, S. 178 (12. Aufl.); Fuchs, Diss., S. 21; vgl. auch Hall, Fahrlässigkeit, S. 9. IS Mezger AT, S.164; ebenso Mezger-Blei I, § 62 2, S.178 (12. Aufl.). 14 In Schönke-Schröder, § 59 Anm. 75. 15 Maurach AT, § 42 I A, S. 453. 18 Vgl. etwa Hall, Fahrlässigkeit, S. 57. 17 S.382. 18 Vgl. auch S. 382 Fußn. 13; siehe auch Ostern, S. 77, der das Plus des Vorsatzes in dem Wissen der Normwidrigkeit im Gegensatz zum unbewußten Wollen bei der Fahrlässigkeit sieht, - ferner stecke in der Annahme der Voraussicht implizite auch das Voraussehenmüssen, da der Täter das Vorhersehen sonst nicht besessen hätte (ähnlich v. Bar, S. 145 Fußn. 30); vgl. auch Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 15 - 18. 1D S.9. 20 Vgl. auch Legien, S. 113. 21 Vgl. insbes. AT, § 27 IV 2, S. 121; auf diesen Zusammenhang weist auch Nowakowski, S. 382 Fußn. 12 hin. 22 RGSt 41, 389 (391). 11
12
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
157
Entscheidung das Stufenverhältnis von. bewußter Fahrlässigkeit und dolus eventualis herausgestellt, wenn in dem Willen zur Gefährdung des Rechtsguts nur eine Vorstufe zur Rechtsgutsverletzung selbst erblickt wird23,2'. U. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand bei begrifflichem Ausscb.1ießungs- und normativem Umfassungsverhältnis Die h. M. begreift nun aber Vorsatz und Fahrlässigkeit im tatsächlichen Bereich nicht als Stufen, sondern als alia25 • Dem steht nach der überwiegenden Auffassung die mögliche Bildung eines normativ-ethischen Umfassungsverhältnisses im Unwert- und Schuldgehalt nicht entgegen26 • So formuliert etwa Maurach27 : "Strukturell sind die fahrlässigen Verbrechen gegenüber den Vorsatztaten, wenn auch in Vorwerfbarkeit und Gefährlichkeit minder schwerwiegend, dennoch eine in sich geschlossene, selbständige Erscheinung, kein bloßes minus, sondern ein aliud." 13 RG Rspr. 4, 198 (199/200); insofern ist das Zitat von Klatte, S. 24 Fußn. 24 irreführend. U Andererseits wird in dieser Entscheidung ausdrücklich ein tatsächliches Umfassungsverhältnis zwischen Vorsatz und unbewußter Fahrlässigkeit verneint (S. 200/201); nicht ausgeschlossen sei aber - bei Vorliegen aller Voraussetzungen - die Feststellung der unbewußt fahrlässigen Schuld bei zweifelhaftem Vorsatz (S. 202); ebenso RGSt 41,389 (391); RGSt 59, 83, 84. Schon an dieser Stelle sei auf den bedenklichen Versuch des Reichsgerichts hingewiesen, die verschiedenartigen Fälle der bewußten und unbewußten Fahrlässigkeit als jeweiliges Alternativdelikt zur Vorsatztat der einheitlichen Lösung einer eindeutigen Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand zuzuführen. U Maurach AT, § 42 I B, S. 453; Fuchs, Diss., S. 39/40 und S. 64; ders., Wahlfeststellung, S. 71; Schneider, S.12; GTÜnhut, S. 337; Lazi, S.108, v. Schack, S. 37; Egle, S. 21; Dörr, S. 16; Christians, S. 69; LochmüHer, S. 153; Weber, S. 54; Siever, S. 49; Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 2, S. 38 und § 59 Anm. III B, S. 310; vgl. auch Geier in Löwe-Rosenberg, § 261 Anm. 5, S. 1068/69; ders., LM § 230 StGB Nr. 13; Kugelmeier, S. 10; Zeiler, Vorsatz, S. 252; Schwarz, S. 10 und S. 95; Nüse, Zulässigkeit, S. 36; ders., Vorsatz, S. 1185; ders., Tatbestandsfeststellung, S. 21/22; Rumpf, S. 113; Mühlhaus, S. 13; Schäfer, Anmerkung, S. 56; Scham, S. 47; Klatte, S. 27; Schwabe, S. 24; Fox, S. 34 (obwohl nicht ganz entschieden bei ein und derselben Tätigkeit, vgl. Fußn. 102); Stahl, S. 43; Zaum, S. 9; Gerig, S. 62; wohl auch Prinz zu Wied, S. 1 Fußn. 2; vgl. auch das Reichsgericht in RG Rspr. 4, 198 (200/201) für die Alternativität von Vorsatz und unbewußter Fahrlässigkeit; RGSt 41, 389 ff. - Die Entwürfe E 60 und E 62 lassen die Frage ausdrücklich offen (Begründung zu § 16, S. 123 bzw. S. 130); auch der AE schweigt. Die Streichung der §§ 16 ff. des E 62 durch den Sonderausschuß des Deutschen Bundestages (Entwurf eines Strafgesetzbuches - Drucksache V/32) ist mit dem 2. StrRG (siehe dazu oben 1. Teil, Fußn. 17) Gesetz geworden. Damit wird die Beantwortung der Frage vollends der Rechtsprechung und Lehre überlassen. !I Maurach AT, § 42 I B, S. 453; Fuchs, Diss., S. 64; Egle, S. 21; Kugelmeier, S. 10; Lazi, S. 107; Dörr, S. 15/16; Siever, S. 51 und 54; Christians, S. 69; Mühlhaus, S. 13; Klatte, S. 27; wohl auch LochmüHer, S. 154; Schäfer, Anmerkung, S. 56; Schwarz, S. 10 (in aller Regel) - vgl. demgegenüber aber S. 93 (im sittlichen Unrechtsgehalt weitgehend auseinanderfallend). zr AT, § 42 I B, S. 453.
158
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
1. Das logisch-begriffliche AusschließungsverhäLtnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit
Zur Begründung des aliud-Verhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit im tatsächlichen Bereich werden drei eng miteinander verbundene Gesichtspunkte herangezogen: Man sagt, die Abgrenzung beider Schuldformen erfolge mit Hilfe des Wissens- und des Wollens-Elementes; Vorsatz als psychologischer Begriff sei als Wissen und Wollen, bedingter Vorsatz als Kenntnis und billigendes Inkaufnehmen der Tatbestandsverwirklichung zu begreifen28 • Demgegenüber sei die unbewußte Fahrlässigkeit durch den entsprechenden Vorstellungs- und Willensmangel, die bewußte Fahrlässigkeit zumindest durch den fehlenden Willen gekennzeichnet2D • Die Vorstellung der Tatbestandsverwirklichung könne nun aber niemals das Nichtwissenso, das Einverstandensein mit dem Erfolg oder seine Inkaufnahme31 niemals das Vertrauen auf sein Ausbleiben, das Wollen nicht das Nichtwollen in sich schließen. Ganz ähnlich wird von denen argumentiert, die den Vorsatz mit aktueller Finalität, die (bewußte) Fahrlässigkeit mit potentieller Finalität oder blinder Kausalität gleichsetzen32 • Es fehle hier einfach an dem Umfassungsverhältnis von aktueller und nur potentieller Finalität. Schließlich zeige sich das fehlende Umfassungsverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit auch darin, daß bei Nichterweislichkeit der Vorsatzvoraussetzungen nicht zwangsläufig Fahrlässigkeit vorliege. Diese müsse vielmehr von der Wertungsseite her gegen die Schuldlosigkeit abgegrenzt und selbständig begründet werden3s . 34. Fuchs, Diss., S. 23. Vgl. etwa Fuchs, Diss., S. 31 und 34. 80 Siever, S. 49; Egle, S. 22/23; ChTistians, S. 70; LochmüUer, S. 153; Schulze, S. 76; Zaum, S. 9; Hauck, S. 36; Zeiler, Vorsatz, S. 252; Rumpf, S. 113; Nüse, Zulässigkeit. S. 36; v. Schack, S. 37; vgl. auch das Reichsgericht in RG Rspr. 4, 28
29
198 (200/201).
31 Schwarz-Dreher, § 59 Anm. III B, S. 310 und § 59 Anm. II B 4 b, S. 294; Siever, S. 51; Lazi, S. 108; Dörr, S. 16; LochmüUer, S. 153; Schwarz, S. 10 und S. 95; Kugelmeier, 8.10; Klatte, 8. 27; nur im Grundsatz auch Städtler, S. 88. 3! Vgl. Weber, S. 54 Fußn. 2; ChTistians, S. 59. 33 Mezger-Blei I, § 67 I, S. 197 (11. Aufl.); Fuchs, Diss., S. 39/40; Maurach AT, § 42 I B, 8.453; Siever, S. 50; im Grundsatz auch Roos, 8.44; vgl. auch Geier in Löwe-Rosenberg, § 261 Anm. 5, 8.1068/1069; grundsätzlich auch Lobe, S.136. 34 Zudem seien Fälle denkbar, wo zwar Vorsatz möglich, Fahrlässigkeit aber wegen der mangelhaften Begabung und geringen Erfahrung des Angeklagten ausgeschlossen ist; vgl. Zeiler, Vorsatz, S. 252 Fußn. 3; Grünhut, S. 337; Fuchs, Diss., S. 40; vgl. auch Roos, S. 44; Strobach, 8.17; RG Rspr. 4, 198 (201 f.) - Dies relativiert die Auffassung Osterns (siehe oben Fußn. 18), der aus der Voraussicht zwingend auf das Vorhersehenmüssen schließen zu können vermeint; vgl. aber Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 18.
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
159
Gerade dieser Gesichtspunkt führt einige Autoren zu der Auffassung, daß allein beim Vorsatz die Trennung in eine faktische und eine normative Seite wirklich zum Tragen komme36 , die Fahrlässigkeit in den Erscheinungsformen des bewußten und unbewußten Sorgfaltsverstoßes hingegen ein reines Normativum darstelle36 • Begründet wird das mit der Erwägung, daß sich die unbewußte Fahrlässigkeit in der völligen Negation des Vorsatzbegriffsinhaltes, nämlich als Nichtwissen und Nichtwollen erschöpfe. Dem Täter fehle mithin jede psychologische Beziehung zu seiner Tat37 • Erst nach Feststellung der Vorhersehbarkeit des Deliktserfolgs und der durch Pflichtwidrigkeit eintretenden Rechtsgutsverletzung könne dem Täter der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden38• Der Vergleich der Handlung am Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sei aber nichts anderes als eine Wertung38. Da bei der Abgrenzung von der Schuldlosigkeit lediglich normative Gesichtspunkte für die unbewußte Fahrlässigkeit konstitutiv seien, stelle die Fahrlässigkeit selbst ein Normativum dar40 • Die Trennung in das Objekt der Wertung und die Wertung selbst sei insofern nicht möglich und besitze allenfalls insoweit Bedeutung, als man die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt zur Unrechtsseite rechne und erst nach deren Bejahung in die Prüfung der Schuldfrage eintrete41 • Ähnliches gelte auch für die bewußte Fahrlässigkeit. Zwar sei hier wie beim bedingten Vorsatz das intellektuelle Moment und mithin ein faktisches Element gegeben; den Fahrlässigkeitsformen sei aber die Pflichtwidrigkeit des Handelns gemeinsam. Dieser Sorgfaltsverstoß könne ebenfalls lediglich durch eine Bewertung des wissensmäßigen Handelns festgestellt werden. Die Unterscheidung in bewußte und unbewußte Fahrlässigkeit stelle somit vornehmlich eine begriffliche Klärung zweier Normativa dar4!.
2. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand Die Herausstellung eines logisch-begrifflichen aliud-Verhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit müßte bei einem Rückblick auf die Domänen U Schneider, S. 12; Fuchs, Diss., S. 26; ders., Wahlfeststellung, S. 70; Maurach AT, § 42 I A, S. 453. se Schneider, S. 12; Fuchs, Diss., S. 43; ders., Wahlfeststellung, S. 71; Maurach AT, § 42 I A, S. 453. 37 Fuchs, Wahlfeststellung, S. 70; ders., Diss., S. 31. as Fuchs, Diss., S. 32; vgl. auch Tompert, S. 47 Note 2; Stahl, S. 43. 38 Fuchs, Wahlfeststellung, S. 71; ders., Diss., S. 32; Schneider, S. 12; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 35. 40 Fuchs, Diss., S. 32; ders., Wahlfeststellung, S. 71; vgl. auch Maurach AT. § 42 I A, S. 453. 41 Fuchs, Diss., S. 33 mit Hinw. auf Welzel, Das neue Bild, S. 32 (3. Auf!.). 4! Fuchs, Wahlfeststellung, S. 71; ders., Diss. S. 34/35.
160
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
der Wahlfeststellungs- und "in dubio pro reo"-Regeln43 die zwingende Konsequenz haben, hier die Grundsätze der wahldeutigen Verurteilung für allein verbindlich zu erklären. Bemerkenswerterweise wird dieser Schluß von einem gewichtigen Teil der Autoren und auch vom Reichsgericht nicht gezogen. a) Das Reichsgericht und der Lösungsversuch von Fuchs, TröndZe und Schneider Aufbauend auf der dargestellten Grundkonzeption, daß der Vorsatz ein faktisch-normativer, die Fahrlässigkeit ein lediglich normativer Begrüf sei, verweisen Fuchs, (im Anschluß an ihn: TröndZe) und Schneider bei ihrem Lösungsversuch zunächst auf den stets von der Rechtsprechung und Lehre vertretenen Standpunkt, daß beim Verdacht der vorsätzlichen Begehung eine Verurteilung aus der Fahrlässigkeitstat möglich sei, sofern sie nur nachgewiesen werde 44 • - Die bestehenden Zweifel über das Vorhandensein der tatsächlichen Vorgegebenheiten des Vorsatzes seien mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel dahingehend zu beseitigen, daß bei der unbewußten Fahrlässigkeit vom Nichtwissen und Nichtwollen der Deliktsverwirklichung, bei der bewußten Fahrlässigkeit entsprechend lediglich vom Fehlen des emotionalen Elements45 auszugehen sei46 • Unter Bezugnahme auf die feststehenden und erwiesenen Tatsachen müsse der Richter weiter prüfen, ob sich aus dem Verhalten des Täters der Vorwurf der Fahrlässigkeit rechtfertigen lasse 47 • Da die Fahrlässigkeit ein Normativbegriff sei, könne eindeutig entschieden werden, ob Schuldlosigkeit oder Fahrlässigkeit vorliege47 • Bei dieser Prüfung wirke die Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel insofern weiter, als man die Negation der psychologischen Vorsatzmerkmale als Grundlage für die Fahrlässigkeitssubsumtion und die nachfolgende eindeutige Entscheidung heranziehe.s. Ganz ähnlich argumentiert das Reichsgericht (zumindest für die unbewußte Fahrlässigkeit), wenn es ausdrücklich der Ausklammerung der Verdachtsgründe für den Vorsatz das Wort redet, um zu einer eindeutigen Siehe etwa oben 2. Teil, bei Fußn. 211 ff. z. B. RG Rspr. 4, 198 (202 ff.); RGSt 41, 389 (391); RGSt 59, 83 (84); BGHSt 4, 340 (341); Maurach AT, § 42 I B, S. 453; Schönke-Schröder, § 59 Anm. 148; Schewe, S. 36; Schäfer, Gesetz, S. 2326; Mühlhaus, S. 14; KZeinknecht, § 261 Anm.8 C; Jescheck, Lehrb., § 54 I 2, S. 374. 45 Fuchs, Diss., S. 40. 46 Fuchs, Wahlfeststellung, S. 73; ders., Diss., S. 43; Schneider, S. 12 (Schneider erwähnt die "in dubio pro reo"-Regel nicht ausdrücklich). 47 Fuchs, Diss., S. 43; ders., Wahlfeststellung, S. 73; Schneider, S. 12; TröndZe in LK, nach § 2 Rdnr. 34. 48 Fuchs, Diss., S. 40; TröndZe in LK, nach § 2 Rdnr. 35. 43
e(
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
161
Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand oder gegebenenfalls zum Freispruch zu gelangen'8. Nach Fuchs und Schneider verbietet sich ein wahldeutiges Urteil um deswillen, weil eine gegenseitige Unabhängigkeit von Wirklichkeit und Wert bestehe und somit ein Glied der "wahlweisen Feststellung" immer bestimmbar und nicht notwendig hypothetisch sei50 • Die Alternativität von V orsa tz und Fahrlässigkeit erweise sich mithin als juristisches Scheinproblem51 •
Kritik: Augenscheinlich wird hier der Ausgangspunkt einer jeden Wahlfeststellung verkannt, der oben als "exklusive Alternativität" umschrieben wurde 52 : Die Möglichkeit der Nichtschuld wird stets in einem Vorstadium der überlegungen definitivausgeschaltet53 • - Zum anderen kann richtiger Auffassung nach54 die Anwendung der "in dubio pro reo"Regel nicht darauf beschränkt werden, z. B. bei der unbewußten Fahrlässigkeit "zugunsten" des Angeklagten definitiv von einem Nichtwissen und Nichtwollen auszugehen; erforderlich ist vielmehr eine wechselseitige Heranziehung der Beweisregel: Bei der Prüfung der Vorsatztat ist - unter Zugrundelegung der vereinfachten Strukturbestimmung von Fuchs - Nichtwissen und Nichtwollen, bei der Subsumtion des unbewußt fahrlässigen Delikts hingegen zum wirklichen Vorteil des Täters Wissen und Wollen zu unterstellen. Bei Annahme eines logisch-begrifflichen Ausschließungsverhältnisses gelangt man mithin entgegen Fuchs, Tröndle und Schneider zu den Grundsätzen der Wahlfeststellung55 • 48
50
RG Rspr. 4, 198 (202); RGSt 41, 389 (392). Vgl. etwa Fuchs, Diss., S. 40.
Schneider, S. 12. 1. Teil, Fußn. 4; vgl. auch Hauck, S. 34; die Alternativität bezieht sich dabei allein auf subjektive Tatsachen. 53 Vgl. auch Egle, S. 22. 54 Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 143; 2. Teil, bei Fußn. 215; vgl. auch Schmidhäuser AT 5/44. 55 Ebenso Fuchs selbst (Diss., S. 48/49) und Tröndle (in LK, nach § 2 Rdnr. 36) bei zwei äußeren Geschehensabläufen (vgl. auch Schäfer, Gesetz, S. 2326; Peters, Schüsse, S. 104; Strobach, S. 17 mit Fußn. 12; v. Schack, S. 68): Nähme man mit 51
5!
Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel die Vorsatztat als nicht geschehen an, so bliebe für die Fahrlässigkeitsprüfung an Fakten nichts übrig, da sich dann der gesamte Vorgang nicht abgespielt habe (Fuchs, Diss., S. 47). - Diese Differenzierung verändert richtigerweise die Problematik nicht einschneidend: Sofern man Vorsatz und Fahrlässigkeit als logisch-begriffliches Stufenverhältnis begreüen sollte, ginge es allein (entsprechend der Problemstellung bei § 242 und § 243; siehe dazu oben 1. Teil, bei Fußn. 10 ff.) um die Unterscheidung der eindeutigen Verurteilung auf eindeutiger bzw. mehrdeutiger Tatsachengrundlage; soweit man dagegen mit Fuchs und Tröndle ein begriffliches aliud-Verhältnis bilden wollte, bliebe es sich für die gebotene Heranziehung der Grundsätze zur wahldeutigen Verurteilung letztlich gleich, ob der exklusiven Alternativität der subjektiven Tatsachen ein einheitlicher oder ein verschiedenartiger objektiver Urgrund eigen ist. Der von Fuchs (Diss., S. 50) gebildete Bei11 Woiter
162
4. Teil: Die Alte:rnativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten b) Der Rückgriff auf das Stufenverhältnis im Schuldgehalt oder im Strafrahmen
Es wurde bereits erörtert, daß die verschiedenen Spielarten der verfassungsrechtlich anfechtbaren "Lehre vom normativ-ethischen Stufenverhältnis" geradezu erdacht wurden, um die Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit trotz des logisch-begrifflichen aliud-Verhältnisses der kriminalpolitisch befriedigenden Lösung einer eindeutigen Verurteilung aus dem fahrlässig begangenen Delikt zuzuführen56 • Besonderer Erwähnung bedürfen in diesem Zusammenhang - abgesehen vom Reichsgericht57 - Dreher, Schmidhäuser und Heinitz. Während Dreher bis vor kurzem unter Mißachtung des dogmatisch anerkannten Ausschließungsverhältnisses im tatsächlichen Bereich letztlich auf das Stufenverhältnis der Vorwerfbarkeit abhob, um die Praxis nicht vor "unüberwindbare Schwierigkeiten" zu stellen58 , gelangt er neuerdings 59 schon wegen des geringeren Strafrahmens beim Fahrlässigkeitstatbestand (wiederum mit Hilfe der direkten Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel) zur eindeutigen Verurteilung aus diesem Delikt. Schmidhäuserfi° gibt folgende Begründung für die alleinige Relevanz des "Wertwidrigen im geistigen Verhalten" und mithin für die "teleo-
spielsfall des Beweiszweüels, ob die Mutter das getötete Kind absichtlich ins Wasser gestoßen oder aber nur fahrlässig nicht genügend beaufsichtigt hat, weist schon wegen der Absichtsalte:rnativtat eine eigenständige, im Fortgang der Arbeit zu lösende Problematik auf. 56 Hierher gehören diejenigen Autoren, die sich ganz ausdrücklich über das begriffliche Ausschließungsverhältnis hinwegsetzen, wie Klatte, S. 27; Schwarz, S. 10 und S. 95 ff. (de lege ferenda!) und Sax in Müller-Sax, § 260 Anm. 2 b (III) ce, S. 837/838 (näher dazu oben 2. Teil, bei Fußn. 222 ff.). In diese Reihe zu stellen sind aber auch die oben 2. Teil, bei Fußn. 222 ff. und 4. Teil, Fußn. 3 ff. erwähnten Stimmen, die nur implizite das logisch-begriffliche aliud-Verhältnis beiseite lassen: Baumann, Lehrb., § 14 II 2, S. 153 (das Ausschließungsverhältnis ergibt sich etwa aus den allgemeinen Erörterungen zum Fahrlässigkeitsbegriff im Lehrb., § 28 II 3, S. 438 und aus der Abgrenzung des dolus eventualis von der bewußten Fahrlässigkeit im Lehrb., § 26 III 2 b, S. 390 ff., wo allein auf die Beachtlichkeit der gegensätzlichen voluntativen Elemente abgestellt wird); Siever; Weber; Peters; Eb. Schmidt; Jescheck; Kleinknecht. 57 Auch das Reichsgericht setzt sich in RG Rspr. 4, 198 (202) implizite über das ausdrücklich angenommene begrüfliche aliud-Verhältnis von Vorsatz und unbewußter Fahrlässigkeit hinweg (siehe auch oben bei Fußn. 49), während es ergänzend und rückverweisend in RGSt 41, 389 (392) ausdrücklich ein normativethisches Stufenverhältnis zur Umgehung des nur verdeckt ausgesprochenen Ausschließungsverhältnisses dieser beiden Schuldformen im tatsächlichen Bereich bildet. 58 In Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 2, S. 38 und § 59 Anm. III D, S. 310 (mit Hinw. auf RGSt 41,389). 59 Wahlfeststellung, S. 369 - 371; vgl. dazu die eingehende Kritik im 2. Teil, bei Fußn. 204 ff. 60 AT 10/118; zum normativ-ethischen Stufenverhältnis vgl. auch AT 10/75 und 10/77.
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
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logische" und normativ-ethische Lösung der Beweisfrage61 : Auf die begriffliche Verschiedenheit von Vorsatz und Fahrlässigkeit "im psychischen Material"62 ("Gegebensein und Fehlen des Unrechtsbewußtseins"63) sei deshalb nicht abzustellen, weil bei dem Beweiszweifel über beide Schuldformen die Fahrlässigkeit nicht mehr negativ gegenüber dem Vorsatz abgegrenzt zu werden brauche; vielmehr könne man sich bei der Beweisfrage auf die positive Seite der Fahrlässigkeit und mithin "die Erlangbarkeit des Unrechtsbewußtseins, eventuell schon des Tatbewußtseins" beschränken64 • - Dieser Erwägung muß entgegengehalten werden, daß hier aus kriminalpolitischen Gründen65 in rechtsstaatlich nicht zu verantwortender Umkehrung des "in dubio pro reo"-Grundsatzes das logisch-begriffliche aliud-Verhältnis übergangen wird66 •
81
389.
AT 10/118; er verweist dabei auf Schwarz-Dreher, Jescheck und RGSt 41,
AT 10/118 und 10/78. In der Mehrzahl der Fälle zeigt sich die Gegensätzlichkeit im psychischen Material auch in dem zusätzlichen Gegebensein oder Fehlen des Tatbewußtseins: Schmidhäusers neue Konzeption zur Vorsätzlichkeit (zum Begrüf vgl. Vorsatzbegriff, S. 22) und Fahrlässigkeit, die die Gegensätze der herkömmlichen Lehre und der finalen Handlungslehre in einer Synthese überwinden soll (vgl. zunächst Schmidhäuser, Vorsatzbegrüf, S. 22 ff., bes. S. 25/26 und S. 37 und neuerdings AT 10/46 - 10/118), ist auf dem Hintergrund der These zu betrachten, daß die Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit erst jenseits der herkömmlichen bewußten Fahrlässigkeit (vgl. dazu bereits Schmidhäuser, Fahrlässigkeit, S. 314 und AT 10/46, 10/47 und 10/86) verläuft (siehe dazu auch Trechsel, S. 109). Da das Unrechtsbewußtsein zudem niemals einen größeren Grad an Sicherheit erlangen könne als das Tatbewußtsein (AT 10/52) und ersteres einer entsprechenden Abgrenzung unterworfen werden kann wie das Tatbewußtsein (AT 10/68; vgl. auch Rudolphi, S. 120 ff., insbes. S. 133), ist auf der Grundlage der von Schmidhäuser im Ergebnis vertretenen Vorsatztheorie (AT 10/60) die Parallelität von Tat- und Unrechtsbewußtsein nur in dem Fall aufgehoben, in dem das erstere noch nicht den Grad der Unbewußtheit erreicht, das letztere hingegen diesen Grad noch nicht zum relevanten Bewußtsein hin überschritten hat. Demgegenüber bekommen die herkömmlichen Lehren die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit nur dadurch in den Griff, daß sie voluntative oder gar emotionale Elemente in die Erörterung einbeziehen. - Die Lehre Schmidhäusers, die derartiger Momente für die Schuldmerkmale von Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht bedarf (vgl. Vorsatzbegriff, S. 21 und 25/26) und die das Willensmoment im Rahmen des Unrechtstatbestandes auf das finale Wollen beschränkt (Vorsatzbegrüf, S. 25), wird im Fortgang der Arbeit näher zu würdigen sein. Zur allgemeinen Kritik vgl. neuerdings Roxin, Bild, S. 390 f., 399, 6!
63
404.
AT 10/118. Das gibt Schmidhäuser mit seinem "teleologischen Vorgehen" auch selbst zu (AT 10/118) • .. In letztlich unbeachtlicher Üherspitzung könnte man dann auch den Beweiszweifel von Diebstahl und Betrug wegen Unbeachtlichkeit des negativen Abgrenzungsmerkmals des Gewahrsamsbruchs mit der Schaffung des positiven Normativoberbegriffs der "wertwidrigen Erlangung fremden Gutes" lösen. 14
U
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Und eben dieser Einwand gilt auch gegenüber Heinitz6 7 , wenn er entgegen seinen früheren Äußerungen68 nicht mehr zu den Grundsätzen einer (unzulässigen) Wahlfeststellung gelangt, sondern ein Subsidiaritätsverhältnis der Schuldformen bilden zu können glaubt. Seiner Auffassung nach ist die moderne Schuldlehre, vor allem auch die finale Handlungslehre, um den Nachweis bemüht, "daß die Fahrlässigkeit trotz ihrer psychologischen Andersartigkeit mit dem Vorsatz kommensurabel ist". Die Gemeinsamkeit liege in dem Gattungsbegriff der Schuld als Vorwerfbarkeit des rechtswidrigen Handlungswillens69 • Die zu bewertende finale Steuerung bzw. der vorwerfbare Mangel der Finalität sei in Beziehung auf das gleiche Rechtsgut gegeben. In jedem Falle sei die Vorsatzschuld nicht nur die schwerere, sondern sie absorbiere auch ihrem Wesen nach die leichtere Schuldform der Fahrlässigkeit69a • 111. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand trotz Annahme eines sowohl begrifflichen als auch normativen Ausschließungsverhältnisses
Ein gewichtiger Teil der Lehre70 und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes71 heben nun allerdings bei der Begründung des aliud-Verhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht so sehr auf die ebenfalls anerkannte Strukturverschiedenheit, als vielmehr auf die gleichzeitige Andersartigkeit im Unrechtstyp und Schuldvorwurf ab 72 • Dem steht bei Verhältnis, S. 128. Grenzen, S.102. 69 Verhältnis, S. 128 mit Hinw. auf WeLzel, Das neue Bild (3. Aufl.), S. 40/41. 6ga Kritisch hierzu neuerdings Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 20. 70 Vgl. HaTdwig, Studien, S. 484 Fußn. 28; Schaffstein, S. 729; Roxin, Abgrenzung, S. 61; ders., Strafprozeßrecht, Nr. 353, S. 237; Schönke-SchTödeT, § 2 b Anm. 12 und § 59 Anm. 146; Heinitz, Grenzen, S. 102; MezgeT-Blei I, § 61, S. 178/179; Blei, S. 500; Niese, S. 321; KohlTausch-Lange, § 2 b Anm. I 3, S. 44; ZeileT, Vorsatz, S. 254; Nüse, Zulässigkeit, S. 36/37; ders., Anmerkung III, S. 24. 71 BGHSt 4,340 (341); BGHSt 9,390 (393); BGHSt 17, 210 (213). 72 Das geschieht nur zum Teil ausdrücklich. So legen etwa die einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGHSt 4, 340 [341]; BGHSt 17, 210 [211 u. 213]; vgl. auch BGHSt 9, 390, 393) ihr Hauptaugenmerk auf die Widerlegung des vom Reichsgericht in RGSt 41, 389 (391/392) gebildeten normativethischen Stufenverhältnisses (siehe bereits oben 2. Teil, Fußn. 249), während hinsichtlich des begrifflichen aliud-Verhältnisses zumindest bei Vorsatz und unbewußter Fahrlässigkeit Einigkeit zu bestehen scheint (vgl. BGHSt 4, 340 [344]: insbes. zwischen diesen beiden Skuldformen gebe es "keine Grenze"). Die Betonung des normativ-ethischen aliud-Verhältnisses ergibt sich aber von selbst aus der verbreiteten Prüfung und Ablehnung der psychologischen und rechtsethischen Vergleichbarkeit von Vorsatz und Fahrlässigkeit (vgl. etwa Schönke-SchTödeT, § 2 b Anm. 12; Heinitz, Grenzen, S. 102; Niese, S. 321; KohlTausch-Lange, § 2 b Anm. I 3, S. 44). Wegen des objektiv gleichen Erfolgs und Geschehens trägt der Beweiszweifel von Vorsatz und Fahrlässigkeit nach der herkömmlichen Betrachtungsweise allerdings den Maßstab zur Ermittlung der Vergleichbarkeit geradezu in sich, da die rechtsethische Beurteilung aus 67
68
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
165
einigen Stimmen nicht entgegen, daß der Schuldvorwurf daneben auch quantitativ abstufbar ist73 •
1. Das normativ-ethische A usschlie ßungsverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit Eine wirkliche Begründung für das Ausschlußverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit in normativer Sicht geben im Zusammenhang mit dem Alternativitätsproblem die wenigsten. Stets wird nur der jeweils verschiedene Unrechtstyp 74 oder der andere Unrechtsgehalt76 , die Verschiedenartigkeit der sittlichen Wertung 7G oder der jeweils eigene Charakter77 behauptet. Beachtlich erscheint nur die These Jaguschs 78 , der den Schritt über die Grenze von der bewußten Fahrlässigkeit zum dolus eventualis, ganz wie das Überwinden der letzten Hemmung, als Schritt auf das Gebiet eines qualitativ anderen Schuldvorwurfs begreift79 •
2. Die eindeutige Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand Man erwartet nun bei der Annahme eines aliud-Verhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit sowohl im logisch-begrifflichen als auch im normativ-ethischen Bereich, daß konsequent die Grundsätze der Wahlfeststellung herangezogen werden. Dennoch wird in dreifacher Weise versucht, auch hier zu einer eindeutigen Verurteilung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand zu gelangen, um den wegen rechtsethischer und psychologischer Unvergleichbarkeit80 gebotenen, vom Gerechtigkeitsgefühl her aber unerträglichen Freispruch zu vermeiden. dem Vergleich aller psychologischen Momente folgt (vgl. dazu Fuchs, Diss., S. 130). Daß dennoch das Vorwerfbare an den verglichenen seelischen Einstellungen im Vordergrund steht, ergibt sich aus Wendungen wie "völlig anderer Unwertgehalt" (Lazi, S. 107) oder "eigener Charakter der fahrlässigen Schuld" (Heinitz, Grenzen, S. 102). 71 Schaffstein, S. 729 (nicht nur quantitativ, sondern qualitativ verschieden); Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 12 (nicht nur Intensitätsunterschiede, sondern etwas qualitativ Verschiedenes); Heinitz, Grenzen, S. 102 (nicht einfach quantitativ vergleichbar); Lazi, S. 107 (nicht nur "Mehr" des verwirklichten Unwertgehaltes, sondern etwas völlig anderes); vgl. auch Mezger-Blei I, § 61, S. 175 (12. Aufl.); Geier in LM § 230 StGB Nr. 13. 74 Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28; zum verschiedenen Unrechtsgehalt etwa auch Mezger-Blei I, § 66 12, S. 208. 75 Lazi, S. 107. 76 v. Schack, S. 37. 77 Heinitz, Grenzen, S. 102. 78 In LK, § 2 b Anm. 3 bund 4 b, S. 68. 78 Bemerkenswert dabei ist, daß Jagusch im logisch-begrifflichen Bereich wegen der engen Nachbarschaft von bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit einem Stufenverhältnis zuneigt; vgl. LK, § 2 b Anm. 3 b, S. 68. 80 Vgl. etwa BGHSt 4, 340 (341); BGHSt 9, 390 (393); BGHSt 17, 210 (213);
166
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten a) Grünhut und v. Schack
GTÜnhut81 und v. Schack82 gelangen zu dieser eindeutigen Verurteilung ohne Heranziehung der "in dubio pro reo"-RegeL - Dabei vertritt GTÜnhut die These, daß im Rahmen der Einheitlichkeit der Handlung für alternative Feststellungen kein Raum sei. Er zieht dabei eine Parallele zur Idealkonkurrenz, wenn er nicht nur bei einem kumulativen, sondern auch bei einem eventualen Verhältnis eine lediglich rechtlich verschiedene Beurteilung für möglich, andererseits aber eine eindeutige Entscheidung für notwendig hält83 • - Ähnlich argumentiert auch v Schack, wenn er bei der Ausdeutung eines einzigen äußeren Geschehens eine besonders sorgfältige rechtliche Subsumtion fordert. Kritik: Auch diese Auffassungen verkennen den oben dargestellten Ausgangspunkt der exklusiven Alternativität. Trotz eines einheitlichen äußeren Geschehens unterscheidet sich die Lage durch die verschiedenartige geistige und seelische Verfassung des Täters84 ; und gerade die sorgfältige rechtliche Subsumtion wird zu einer Mehrdeutigkeit von rechtlichen Schlüssen führen 85 • Eine eindeutige Entscheidung ist nur dann möglich, wenn der schuldbegründende Tatsachenkomplex feststeht; nur handelt es sich dann nicht mehr um ein Beweis- und Alternativitätsproblem, sondern eindeutig um eine Rechtsfrage. b) Städtler
Demgegenüber zieht Städtler8 6 nach der Bildung eines Subsidiaritätsverhältnisses eigener Art im logisch-begrifflichen Bereich den Grundsatz "in dubio pro reo" heran. Neben dem ohnehin befürworteten normativethischen aliud-Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit geht er im Grundsatz auch von einem fehlenden Umfassungsverhältnis im begrifflichen Bereich aus, weil das Einverstandensein mit dem Erfolg nicht das Nichtwollen und die Vorstellung nicht das Nichtwissen umfassen könne87 ; das arteigene Subsidiaritätsverhältnis ergibt sich seiner Auffassung nach aber aus der engen Verzahnung von unbewußter und bewußter Fahrlässigkeit und von bedingtem und unbedingtem Vorsatz88 : Entweder sei Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 12; Niese, S. 321; Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. 13, S. 44; Fuchs, Diss., S.129 fi. BI S.337. 8! S.64. 83 Ähnlich Strobach, S. 17; vgl. auch Oetker, S. 416. 84 So auch Nüse, Zulässigkeit, S. 37; Stahl, S. 42. 85 Vgl. dazu auch Klatte, S. 23. 86 S.89. B7 S.88. 88 Der Hinw. auf das Rechtsgefühl des Volkes und auf § 59 II (S. 88) erscheint demgegenüber nur als nebensächliches Argument.
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
167
das Wissens- oder das Wollenselement stets wieder in gleicher Form Voraussetzung bei der Begründung der nächsthöheren Schuldform. So hätten etwa die unbewußte und bewußte Fahrlässigkeit die Nichteinwilligung als Element gemeinsam; die Vorstellung der Möglichkeit zeichne dolus eventualis und bewußte Fahrlässigkeit aus, beide würden hingegen unterschieden durch das Element der Einwilligung. Bei dieser engen Beziehung dürfe es keine Rolle spielen, wenn jedes neue Merkmal, das gegenüber der vorherigen Schuldform ein Plus sei, ein für diese Form erforderliches Element ausschließe 89 • c) Die Lehre vom Auffangtatbestand Keiner näheren Erörterung mehr bedarf der verfassungsrechtlich unzulässige Notweg zum Fahrlässigkeitsdelikt als Auffangtatbestand80 , den der Bundesgerichtshof zur Vermeidung des kriminalpolitisch unerwünschten Freispruchs schließlich beschritten hat, weil seine anfängliche Überdehnung des Kriteriums der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" zur Ermöglichung einer Wahlfeststellung91 kein Wohlwollen im Großen Senat fand 92 • B. Die Grundsätze der Wahlfeststellung I. Die wabldeutige Entscheidung oder der Freispruch bei alleiniger Hervorbebung des logisch-begrifßlchen Ausschließungsverbiltnisses oder bei Betonung des normativ-etbischen aliud-Verbiltnisses
Die Grundsätze der Wahlfeststellung sind Sammelbecken für zwei Gruppen von Stimmen: Die eine legt konsequent trotz Anerkennung eines normativ-ethischen Stufenverhältnisses das entscheidende Gewicht auf das begriffliche aliud-Verhältnis der beiden Schuldformen83 ; die andere bejaht zwar ebenfalls das aut-aut im faktischen Bereich, betont aber vornehmlich das gleichzeitig vorliegende normativ-ethische Ausschließungsverhältnis 9'. - Wegen der bekannten Meinungsverschiedenheiten in der 88 Eine kritische Würdigung der Aufassung Städtlers ist erst nach eingehender Untersuchung der Strukturen von Vorsatz und Fahrlässigkeit möglich. 80 BGHSt 17, 210; zum Meinungsstand und zur eingehenden Kritik siehe oben 2. Teil, bei Fußn. 143 fi. 11 BGHSt 4,340. I! BGHSt 9, 390 (393). 88 z. B. Maurach AT, § 42 I B; Christians, s. 71; Lochmüller, S. 155/156; Dörr, S. 127; Fuchs, Diss., S. 129 ff. 84 z. B. BGHSt 4,340; Heinitz, Grenzen, S. 102; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 12; Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28; Schaffstein, S. 729; Kohlrausch-Lange, § 2b Anm. I 3, S. 44; Lazi, S. 109 u. 114; Niese, S. 321; Nüse, Zulässigkeit, S. 36; Zeiler, Vorsatz, S. 252 und 255.
168
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Frage der Reichweite einer zulässigen Wahlfeststellung finden die möglichen Ergebnisse der wahldeutigen Verurteilung bzw. des Freispruchs Anhänger in beiden Gruppen.
1. Freispruch Maurach 95 , Heinitz (in seiner ersten Stellungnahmege), Lochmüller97 und Schorn 98 lehnen schon wegen ihrer strengen Auffassung eine Wahlfeststellung ab.
Mangels rechtsethischer und psychologischer Vergleichbarkeit sprechen sich ebenfalls für den Freispruch aus: Schröder99 , Schaffstein 100 , Lange10t, Niese 102, Jagusch103 , Fuchs 104 , Lang-Hinrichsen105 und Fleck1oe, 107. Ganz ähnlich wendet sich LazP08 gegen die Möglichkeit einer wahldeutigen Verurteilung, weil Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat nicht dieselbe Unwertgesinnung aufwiesen. Schäfer 109 schließlich bejaht die Vergleichbarkeit lediglich bei bestimmten Rechtsgütern, so bei Wahldeutigkeit von § 223 und § 230, nicht dagegen bei den Alternativen von § 212 und § 222 oder § 154 und § 1'63. da hier das kriminelle Gewicht derVorsatztat ein gänzlich anderes sei l1o •
AT, § 10 III 2, S. 95. Grenzen, S. 102; anders Verhältnis, S. 128 (dazu oben bei Fußn. 67 ff.). 97 S. 155/156. 88 S.47. 99 In Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 12; siehe aber oben 2. Teil, Fußn. 332. 100 S.729. 101 In Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. I 3, S. 44. 102 S.321. 103 In LK, § 2 b Anm. 3 d, S. 67. lOt Diss., S. 129 ff.; ders., Wahlfeststellung, S. 75 (beschränkt auf zwei Vorgänge). 105 S.38l. 106 S. 336 Fußn. 14. 107 Ohne die Konsequenz des Freispruchs wird die fehlende rechtsethische und psychologische Gleichwertigkeit übrigens anerkannt von Hardwig (Studien, S. 484 Fußn. 28), Deubner (Grenzen, S. 23 Fußn. 34), Blei (S. 500), Nüse (Zulässigkeit, S. 36; ders., Anmerkung II, S. 66), Roos (S. 74) und dem Bundesgerichtshof (BGHSt 4, 340 [342]; BGHSt 17, 210, 213); vgl. auch Roxin, Strafprozeßrecht, Nr. 353, S. 237; Busch LM § 330 a StGB Nr.10; Geier LM § 230 StGB Nr.13. 108 S. 109 und 114. 109 In Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. 1 a. 110 Zu Recht ablehnend gegenüber dieser unhaltbaren Differenzierung Fuchs, Diss., S. 131/132 (es komme auf die Art der Vorwürfe an, nicht auf das verletzte Rechtsgut). 95
96
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
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2. Wahldeutige Verurteilung Nach Christians ist demgegenüber die Wahlfeststellung zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat trotz des logisch-begrüflichen aliud-Verhältnisses stets zulässig, weil die Grenzen der Schuldarten vielfach flüssig seien111 ; beide Taten unterlägen objektiv der gleichen sittlichen Mißbilligung und erforderten subjektiv eine gleiche seelische Verfassung des Täters11!. Mit der Zulässigkeit der Wahlfeststellung erweise man der Strafrechtspflege einen großen Dienst, da sie anderenfalls auf dem Gebiet der Körperverletzungs-, Tötungs- und Eidesdelikte vollkommen lahmgelegt würde113 • - Diese Auffassung verdient schon um deswillen keine Zustimmung, weil sie die Zulässigkeitsgrenzen der Wahlfeststellung weit über das bereits bedenkliche Gebiet der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit ausdehnt. Keiner Wiederholung bedarf deshalb auch die Ablehnung der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes114 und der daran anschließenden Auffassung von Geier115 , die diesen Maßstab ebenfalls verleugnen. Einen anderen, jedoch ebenso unbefriedigenden Weg beschreiten Hardwig ll8 und Blei116 , wenn sie trotz des anerkannten Fehlens der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit zu einer Bestrafung wegen des Mindestvorwurfs der Fahrlässigkeit gelangen117 • - Nach Hardwig sind Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat in ihrem Kerngehalt identisch, da der Täter dieselbe Vermeidepflicht und dasselbe Rechtsgut verletzt habe. - Ähnlich argumentiert Blei, wenn er eine "Mindestgrenze des Schuldgehaltes" bildet. Seiner Ansicht nach kann regelmäßig und ohne große Schwierigkeit festgestellt werden, "welches Maß an verfehlter Einstellung gegenüber den Anforderungen des Rechts der Täter wenigstens aufgebracht haben muß, um den Verstoß zu begehen"; denn der Täter werde das, was anderen den Verdacht der Vorsätzlichkeit nahelegt, nur unter gröblicher Außerachtlassung der einfachsten Sorgfaltspflichten nicht erkannt haben. - Es wurde bereits erörtert, daß auch die "Theorie des Mindestvorwurfs" wegen der übermäßigen Betonung der gleichS.70/71. Vgl. S. 55. 113 S.72. 114 BGHSt 4, 340; vgl. auch oben 2. Teil, bei Fußn. 137, 286, 291 und 4. Teil, bei Fußn. 91; kritisch zu diesem urt. z. B. auch Niese, S. 321 (recht zweifelhaft); Eb. Schmidt, Teil II, § 244 Anm. 16 (unscharfe, konturlose Richtlinie); Hall, Fahrlässigkeit, S. 63 Fußn. 277 (zu weitgehend); Busch in LM § 330 a StGB Nr. 10 (kein sicherer Maßstab). 115 LM § 230 StGB Nr. 13 und 2. Teil, (bei) Fußn. 136. 118 Hardwig, Studien, S. 484 Fußn. 28; Blei, S. 500. 117 Vgl. auch Deubner, Grenzen, S. 24; ähnlich neuerdings Jakobs, Wahlfeststellung, bei Fußn. 16, 63 und dazu eingehend oben 1. Teil, Fußn. 139; zum begriffslogischen Stufenverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit oben Fußn. 18. 111
11!
170
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
artigen Rechtsgutsverletzung und wegen der versteckten Bildung eines normativ-ethischen Stufenverhältnisses nicht den Weg zur richtigen Lösung ebnet118• Vom Standpunkt einer unbegrenzten Zulässigkeit der Wahlfeststellung wird die wahldeutige Verurteilung aus Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat ohne weiteres bejaht von Nüse 119 , Dörrl2O, Zeiler l2 t, E. v. HippeP22, Kugelmeier123 und FOX I24 . Sammelt man nach dieser Durchmusterung die verbleibenden Stimmen, so wird man sowohl denjenigen, die eine Straflosigkeit mit der grundsätzlichen Ablehnung einer jeden wahldeutigen Entscheidung begründen, als auch denen, die die Verurteilung schon wegen der generellen Befürwortung einer Wahlfeststellung bejahen, kritisch begegnen müssen l25 . Im Grunde müssen selbst diejenigen Auffassungen aus der Diskussion ausscheiden, die eine Wahlfeststellung zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat lediglich mit Hilfe des zu weit und vage gefaßten Kriteriums der "rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit"l!8 ablehnen. Andererseits wäre es verfrüht, die Alternative "Verurteilung oder Freispruch" mit der Frage nach der Zulässigkeit des Fortsetzungszusammenhanges zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat lösen zu wollen, da noch völlig offen ist, ob die Strukturen der Schuldformen nicht den Schluß auf ein logisch-begriffliches Stufenverhältnis rechtfertigen. D. Die wahldeutige Entscheidung trotz der Annahme eines logisch-begrifflichen Stufenverhiltnlsses
Das erstrebte Spiegelbild des Gesamtmeinungsstandes wird abgerundet durch die Auffassung von Jagusch l27 , der entscheidend auf den qualitativ verschiedenen Schuldvorwurf bei Vorsatz und Fahrlässigkeit abstellt und wegen rechtsethischer und psychologischer Unvergleichbarkeit zum Freispruch gelangt, obwohl er andererseits wegen der engen Nachbarschaft von dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit einem Stufenverhältnis im logisch-begrifflichen Bereich zuneigtl28, 120. 118
11t 120 1!1
IH 123
Siehe oben 2. Teil, (bei) Fußn. 319. Zulässigkeit, S. 36. S.127.
Vorsatz, S. 254. S.1534. S.100.
lU S. 34 Fußn. 102 (vor Einführung des § 2 b); ebenso Stahl, S. 47; Hauck, S. 34 und Schulze, S. 76 (nach Inkrafttreten des § 2 b). 125 Siehe dazu oben 1. Teil, bei Fußn. 188 ff. 1" Siehe oben 2. Teil, bei Fußn. 95 fi. 127 In LK, § 2 b Anm. 3 d und 4 b, S. 68. 128 Anklänge an diese Betrachtungsweise finden sich auch versteckt und
1. Abschn.: Der Meinungsstand und erste Kritik
171
Kritik: Eine solche Auffassung widerspricht der bereits oben angesprochenen Regel des Vorranges des "in dubio pro reo"-Grundsatzes130 in denjenigen Fällen, in denen mit seiner Anwendung auf dogmatisch einwandfreiem, kriminalpolitisch erstrebenswertem und verfassungsrechtlich unantastbarem Wege eine Verurteilung aus der milderen Beweisalternative ermöglicht wird. Für Wahlfeststellungen ist stets dann kein Raum mehr, wenn der innerhalb zweier Tatmöglichkeiten feststehende Tat- und Tatsachenteil eine strafrechtliche Verantwortung ergibt131 • Die dringende Forderung nach der Eindeutigkeit des Urteils132 wird auch hier erfüllt. Daß sich die konsequente Anwendung der "in dubio pro reo"Regel hier letztlich zuungunsten des Angeklagten auswirken kann, weil bei Akzentuierung des normativ-ethischen aliud-Verhältnisses wegen Unzulässigkeit der Wahlfeststellung möglicherweise freigesprochen würde, ist demgegenüber unbeachtlich. Entscheidungen zuungunsten des Angeklagten mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel sind auch bei anderen Alternativitäten nicht unbekannt; man denke an den Beweiszweifel von Meineid und uneidlicher Falschaussage oder an die Unaufklärbarkeit von Mord und Totschlag133 •
letztlich ungewollt in der mehrfach angesprochenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHSt 4,340 (343), wenn dort ausgeführt wird, daß der Beweis des qualitativ verschiedenen Meineids gegenüber dem unbewußt fahrlässigen Falscheid "allenfalls weitere Beweisanzeichen" erfordere. 1!9 Jagusch erklärt mithin im Gegensatz zu Städtler (siehe oben bei Fußn. 86 ff.) nicht das tatsächliche Umfassungsverhältnis, sondern das normativethische Ausschließungsverhältnis für allein beachtlich. 130 1. Teil, (bei) Fußn. 138. 131 Vgl. auch Schönke-Schröder, § 2 b Anm.15; Nowakowski, S. 382. m Peters, Lehrb., § 37 IH, S. 250 weist grundsätzlich darauf hin, daß die ausgedehnte Anwendung des Satzes "in dubio pro reo" dem Urteilsspruch als autoritäre Sachentscheidung die erforderliche Klarheit und Sicherheit gibt. 133 Siehe dazu bereits oben 1. Teil, Fußn. 138 und 3. Teil, bei Fußn. 7 ff.; z. T. wurde im Rahmen dieser Arbeit die "in dubio pro reo"-Regel sogar zur Ermöglichung einer nur wahldeutigen Verurteilung herangezogen, siehe oben 2. Teil, bei Fußn. 373 ff.
2. Abschnitt
Die Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit und die Konsequenzen für das Alternativitätsproblem Die Aufschlüsselung des Meinungsstandes zum Problem der Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten mitsamt der vorab erfolgten kritischen Würdigung des Hauptfeldes der Auffassungen134 macht den Weg frei zu der entscheidenden Fragestellung und einer abschließenden Auseinandersetzung mit den verbleibenden Stimmen: Eindeutige Verurteilung, Freispruch oder Wahlfeststellung - das richtige Ergebnis hängt entscheidend von einer eingehenden Differenzierung innerhalb der ohnehin vorzunehmenden Abschichtung von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit ab. - Nicht von ungefähr steht dabei die logisch-tatsächliche Abgrenzung von dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit im Vordergrund. Einerseits verläuft zwischen diesen beiden Schuldformen die für den Strafrahmen und das anzuwendende Strafgesetz entscheidende Grenze; andererseits glauben die in der Diskussion verbleibenden Stimmen des Reichsgerichts, Mayers, Hänsels, Nowakowskis und Städtlers weitgehend nur ein strukturelles Stufenverhältnis zwischen Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit befürworten zu können130 • 134 Abschließend sei bemerkt, daß die Fülle der Meinungen anfänglich zur Verwirrung gerät, weil das Schrifttum streckenweise die Differenzierung in die logisch-begriffliche und die normativ-ethische Seite der Alternativitäten gar nicht ausreichend erkennt. So zitiert z. B. Schröder (in Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 12) zur Untermauerung seiner These des aliud-Verhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit sowohl Jagusch (LK, § 2 b Anm. 3 b, S. 68), der ein aut-aut nur im normativ-ethischen Bereich annimmt, als auch Fuchs (Wahlfeststellung, S. 65), der lediglich zu einem logisch-begrifflichen Ausschließungsverhältnis gelangt (vgl. Wahlfeststellung, S. 71 und Diss., S. 64). Fuchs selbst hingegen meint etwa, Städtler (S. 89) vertrete der Sache nach den Standpunkt von Siever (faktisches aliud-Verhältnis, normativ-ethisches Umfassungsverhältnis; S. 48 und 51); richtigerweise nimmt Städtler im Grundsatz in beiden Bereichen ein AusschlußverhäItnis an, konstruiert aber letztlich ein logisch-begriffliches Subsidiaritätsverhältnis und kommt, weil er im Gegensatz zu Siever auf dieses abstellt, nur im Ergebnis ebenfalls zur Bestrafung aus dem Fahrlässigkeitstatbestand (S. 88/89). 135 Siehe oben bei Fußn. 16 ff.; weitergehend (Einschluß der unbewußten Fahrlässigkeit) wohl Nowakowski und ausdrücklich Städtler, bei Fußn. 86 ff. Dabei sei bemerkt, daß zumindest die Auffassung von Mayer - oben bei Fußn. 8 - im Grundsatz abzulehnen ist, da er das entscheidende Gewicht auf das ebenfalls vorliegende Stufenverhältnis im normativ-ethischen Bereich legt.
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
173
Die generelle Auffächerung der drei Schuldarten von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit wird vor allem deshalb erforderlich, weil die bisherige Diskussion entscheidend an dem Mangel der bereits vom Reichsgericht vorgezeichneten Differenzierung136 krankt137 und weil zum anderen die Frage der Wahlfeststellung stets (erst) dann auftaucht, wenn es sich um verschiedene subsumenda innerhalb der Beweisalternative handelt. Auf diese Weise unterscheidbar sind dabei jedenfalls die Möglichkeiten der Absicht, des dolus directus 138 und des dolus eventualis, weil diese im Gesetz selbst Ausdruck gefunden haben139 und mithin letztlich Einfluß auf die Strafbarkeit bzw. den Handlungsunwert und die Strafzumessung ausüben. Da diese drei Möglichkeiten gemeinhin unter dem Oberbegriff "Vorsatz" zusammengefaßt werden und stets innerhalb eines Straftatbestandes auftauchen, stellt sich hier die Frage, ob dieser Mischtatbestand alternativer Art (mit dem Ergebnis zulässiger Wahlfeststellung) oder kumulativer Natur (mit der möglichen Folge des Freispruchs) ist. Ähnliche Erwägungen gelten für die Unterscheidung von bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit, obwohl dieser Unterschied im Gegensatz zur Regelung in § 18 E 62 im geltenden und künftigen Recht (2. StrRG) nicht zum Ausdruck kommt (vgl. auch § 18 AE). - Zur Begründung mag angeführt werden, daß Rechtsprechung und Lehre einhellig diese beiden Schuldformen unter verschiedene Voraussetzungen subsumieren14o ; andererseits wird bei den beachtlichen überlegungen zu einer Eindämmung der Fahrlässigkeitstat als Kriminalunrecht stets an diese Differenzierung angeknüpft und dementsprechend erwogen, die unbewußte Fahrlässigkeit aus der herkömmlichen Poenalisierung zu entlassen141 • Weitere Gesichtspunkte bieten sich an, wenn man an die Kontroverse um die Reichweite der Verletzungsfinalität oder an die Abschichtung von vorsätzlichen und fahrlässigen Gefährdungsdelikten denkt142 • 13& RG Rspr. 4,198 ff.; RGSt 41,389 (391); vgl. ansonsten im Ansatz BGHSt 4, 340 (344). 137 Vgl. nur Heinitz, Verhältnis, S. 128; Maurach AT, § 42 I AlB, S. 453; bezeichnend auch Fuchs, Diss., S. 35; Siever, S. 51; LochmillZer, S. 153. m Zur Terminologie vgl. etwa WeLzel, Lehrb., § 13 I 2 c. 131 Für die Strafbarkeit nach den §§ 145 d, 164, 187, 225, 229, 274, 278 genügt der dolus eventualis nicht; z. B. erfordern die §§ 242 (Zueignungsabsicht), 253 (Bereicherungsabsicht), 257 (Strafvereitelungsabsicht), 252 die Absicht unter Ausschluß des dolus directus (eventualis); vgl. weiterhin etwa die Differenzierung in § 164 a. F. !Co Vgl. nur Ambrosius, S. 86; Binavince, S. 154; Fuchs, Diss., S. 35; Maurach AT, § 42 A II 1, S. 455/456; Mezger-Blei I, § 66 III, S. 216; R. v. Hippel, Vorsatz, S. 143; RG Rspr. 4, 198; RGSt 41,389 (392); BGHSt 4, 340 (344). 141 Für eine Differenzierung innerhalb der unbewußten Fahrlässigkeit hingegen etwa Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 158 und 162 (beachte dazu auch den Fortgang der Arbeit). Bei Entpoenalisierung bliebe jedenfalls der Fragenkreis der Rückfäller problematisch. !C! Auf diese Problematik wird im Fortgang der Arbeit einzugehen sein.
174
4.
Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Sofern Vorsatz (im weiteren Sinne) und Fahrlässigkeit untereinander wahldeutig sind, handelt es sich - das logisch-begriffliche aliud-Verhältnis unterstellt - bei der grundsätzlich gegebenen Verschiedenheit der Straftatbestände um einen echten Fall der Wahlfeststellung; bei Einheitlichkeit des Gesetzes tritt das Problem im Gewand eines kumulativen Mischtatbestandes auf. A. Vorsatz und Fahrlässigkeit Den Ausgangspunkt für die Untersuchung bilden nach dem Gesagten die zahlreichen Fälle, die bei der Diskussion um die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewußten Fahrlässigkeit (luxuria) herangezogen worden sind. Dazu gehören auch die nächsthöhere Konstellation des direkten Vorsatzes einerseits und die der luxuria benachbarten Fälle der unbewußten Fahrlässigkeit andererseits. Außer Betracht bleiben hier zunächst die Sonderkonstellationen der unbewußten Fahrlässigkeit, die sich durch das Fehlen jeglichen Beurteilungsmoments beim Täter auszeichnen, sowie die Absichtsproblematik. Bemerkenswerterweise hat jeder der Autoren, der die Diskussion um die Abgrenzung von dolus eventualis und luxuria vorangebracht hat143 , lediglich diejenigen Ausschnitte aus dieser Fallsammlung aufgezeigt, die sich lückenlos in die jeweilige Konzeption einfügen ließen; das fertige Mosaik steht aus. Bei seiner Zusammensetzung ist eine Unterscheidung zu treffen, die sich nur im Ansatz in der Literatur findet 144 : Zu betrachten sind einerseits die Fälle, in denen der Täter die Erfolgsnähe sieht, ohne daß er dabei die Verwirklichungsgefahr vermindernde Gegenbetrachtungen anstellt oder anstellen kann bzw. ohne daß er an die Wirksamkeit höchstpersönlicher Steuerungsfaktoren denkt oder zu denken vermag; in die Erörterung einzubeziehen sind andererseits die Konstellationen, in denen der Angeklagte seine Erfahrungen, Wissensbeziehungen und eigenen Machtmittel in Hinblick auf den deliktischen Erfolg (oder eine Vorstufe der Tatbestandsverwirklichung) abwägt. H3 Vgl. insbes. R. v. Hippel, Vorsatz; Engisch, Untersuchungen; ders., Anmerkung; Schröder, Vorsatzbegriff; Schmidhäuser, Fahrlässigkeit; ders., Vorsatz; Armin Kaufmann, Deliktsaufbau; StratenweTth; Gessner; Germann; Jescheck, Aufbau; ders., Lehrb., § 29 III; Welzel, Lehrb., § 13 I. - Eine gründliche Zusammenfassung dieses Meinungsstandes, auf die hier aufgebaut wird, und eine eigene Lösungskonzeption gibt Roxin, Abgrenzung. - In die Erörterungen einbezogen werden müssen Tompert; Maihofer; Platzgummer; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip; neuerdings ders., Handlungslehre; Binavince; Ambrosius; Schmidhäuser, Vorsatzbegriff; neuerdings ders., AT; Gössel; Vetter;
Schewe; Baumanns.
lU Vgl. vor allem Tompert, S. 108 Note 26; beachtenswert auch StratenweTth, S. 69 Fußn. 63; vgl. neuerdings auch Schmidhäuser AT 10/86.
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
175
Diese Differenzierung unterscheidet sich maßgeblich von dem Abgrenzungsversuch Armin Kaufmanns 145 und Welzels 146 , die von ihrem finalen Ausgangspunkt her auf die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der Deliktsverwirklichung von der Art des täterschaftlichen Handelns abstellen147• Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Die Altersgrenze von 14 Jahren in § 176 I Ziff. 3 ist unabhängig von der konkreten Steuerung des Täters; dennoch ist die Einschätzung der Erfolgsnähe regelmäßig nicht davon losgelöst, inwieweit der Täter die Gefahr der Kindhaftigkeit aufgrund eigener Überlegungen zur Körperverfassung und zum Verhalten des Mädchens ausgeschlossen oder vermindert hat; ebenso können persönliches Erfahrungswissen oder eigene Erkundigungen über das Alter des Mädchens eine Rolle spielen 148 • Zwar stellen auch WelzeP48 und Armin Kaufmann 150 auf ein Wahrscheinlichkeitsurteil ab, sie beschwören mit ihrer dargestellten Unterscheidung aber die Gefahr herauf, die Anforderungen an dieses Erfolgsnäheurteil herunterzuschrauben, sobald der Täter Gegenmaßnahmen ergreifen kann und sie auch konkretisiert l5l • Diese Gefahr bewahrheitet sich neuerdings bei der Lösung von Baumanns l52 , der, ohne Finalist zu sein, im Grundsatz den Thesen von Armin Kaufmann folgt und folgerichtig den Vorsatz immer dann ausschließt, wenn der Täter nur irgendwelche fruchtlosen, wenn auch ernsthaften Anstrengungen unternimmt, den drohenden Deliktserfolg zu vermeiden153 • 145
U8 147 148
S.87. 148
150 151
sein.
Deliktsaufbau, S. 73 ff. und 79 ff.; ihm folgend Gössel, S.118. Lehrb., § 13 I 2 C, S. 69 mit Hinw. auf RGSt 16, 25 (28). Vgl. auch Mezger, § 45 II 2, S. 345 - 347. Vgl. dazu auch Germann, S. 373; Mayer AT, § 27 IV 2, S.121; Platzgummer, Lehrb., § 13 I 2 C, S. 68. Deliktsaufbau, S. 80/81; vgl. auch Mezger, § 45 II 2, S. 346/347. Vgl. Roxin, Abgrenzung, S. 59; das wird unten eingehender zu erörtern
Vgl. etwa S. 53 Fußn. I, S. 59, S. 95 Fußn. 3 und S. 155/156. Mit der Absage an die Unterscheidung Welzels und Armin Kaufmanns ist deshalb keineswegs eine Entscheidung gegen die finale Handlungslehre gefallen. In der Diskussion um die Abgrenzung von dolus eventualis und luxuria zeigt sich vielmehr, daß Finalisten (vgl. etwa die in Fußn. 143 zit. Arbeiten von Welzel, Armin Kaufmann, Stratenwerth und Tompert) und Nichtfinalisten trotz des verschiedenen Denkansatzes zu durchaus ähnlichen Ergebnissen gelangen, während sich andererseits innerhalb der gegensätzlichen Gruppen divergierende Lösungen auffinden lassen; vgl. hierzu auch Roxin, Abgrenzung, S. 58 Fußn. 46 mit weit. Hinw. Im folgenden soll deshalb auch versucht werden, zunächst unabhängig von der verschiedenen Herleitung der Lösungsversuche ein Fallmosaik zu schaffen; das schließt nicht aus, daß bei der hier angestrebten Konzeption die Gegensätze z. T. wieder aufbrechen; man denke an die später zu behandelnde Reichweite der Finalität oder an die Irrtumsproblematik. Keiner Wiederholung bedarf es hier, daß schon unter dem Gesichtspunkt des begrenzten Anwendungsbereichs der "in dubio pro reo"-Regel der psychologische Vorsatzbegriff der Schuldtheorien zur Debatte steht. Zur vertieften Durchdringung der psychologischen Grundlagen (vgl. etwa den Ausblick Roxins, 162
153
176
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
I. Das einfache Ernst- bzw. Leichtnehmen der Deliktsverwirklichung oder einer Vorbedingung
1. Die Grundsätze zur Abgrenzung von Vorsatz und FahrLässigkeit
Die obere Grenze des Vorsatzes wird durch das sichere Wissen um die Verwirklichung der deliktischen Nebenfolge gebildet. Ihm gleich und der Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens Tribut zollend steht der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretende Nebenerfolg l54 • - Einhellig anerkannt ist ferner, daß sich der dolus eventualis durch den Zweifel hinsichtlich der Rechtsgutsverletzung auszeichnet156 ; die (praktische) Gewißheit fällt ab zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit oder zur Möglichkeit der Deliktsverwirklichung. - Darüber hinaus ist nicht zu leugnen, daß es zwischen dolus directus und dolus eventualis Zwischenbereiche je nach der Intensität der subjektiven Wahrscheinlichkeit und der Ernstnahme· des Erfolgseintritts gibt; die Grenzen sind flüssig und insoweit nur quantitativ abstufbar 156 • - Weiterhin zeichnet sich nach fast einhelliger Auffassung auch die bewußte Fahrlässigkeit dadurch aus, daß beim Täter Zweifel hinsichtlich der Erfolgsnähe auftauchen. Die Frage, ob dieses Vorstellungselement bei dolus eventualis und luxuria identisch ist oder identisch sein kann, führt mitten in die Diskussion zur Abgrenzung dieser beiden Schuldformen. - Nach der "EinwiHigungstheorie"151 und der "GLeichgüUigkeitsthese" von Engisch158 kann die Vorstellung der Deliktsverwirklichung sehr wohl die gleiche Intensität besitzen159 • - Der E 62 160 verwendet für die intellektuelle Seite Abgrenzung, S. 61; den Ausgangspunkt von Ambrosius, S. 19/20; die Anmerkungen Germanns, S. 363; die Hinw. Armin Kaufmanns, Deliktsaufbau, S. 66/67 und vor allem die Arbeiten von PZatzgummer, GösseZ, Vetter und Schewe) ist eine Einzelfallbetrachtung unerläßlich. 154 Vgl. bes. Tompen, S. 37/38 mit zahlreichen Hinw.; ferner Mezger-BZei I, § 63 IV 1, S. 184; vgl. auch WeZzeZ, Lehrb., § 13 I 2 c, S. 67: "praktisch gewiß"; Baumanns, S. 47. A. A. nicht überzeugend Binavince, S. 180/181, der die Unzweüelhaftigkeit damit begründet, daß Kausalfolgen entweder antizipiert werden oder eben nicht in die "Verwirklichungsentscheidung" (vgl. S. 183) aufgenommen werden. Binavince verkennt, daß man sowohl sehr wahrscheinliche als auch unsichere Kausalfolgen antizipieren kann. 155 Vgl. nur Mezger-BZei I, § 63 IV 1, S. 184; Schröder, Vorsatzbegriff, S. 216. 156 Schröder, Vorsatzbegrüf, S. 226; Tompert, S. 37; Ambrosius, S. 64. 157 Dolus eventualis dann, wenn der Täter in den Nebenerfolg einwilligt (ihn billigt), vgl. etwa Baumann, Lehrb., § 26 III 2 b, S. 391; vgl. grundlegend R. v. HippeZ, Vorsatz, S. 132 -143; ansonsten die Nachw. bei Roxin, Abgrenzung, S. 54; Ambrosius, S. 33 ff. 158 Vgl. zusammenfassend Anmerkung, S. 1689; vgl. auch die Darstellung von Roxin, Abgrenzung, S. 54 und 57, der zu Recht klarstellt, daß Engisch eine "absolute" Gleichgültigkeit zum Kriterium erhebt, nach der es dem Täter auf den Umstand, daß die Tatbestandsverwirklichung ebenso gut ausbleiben wie eintreten kann, in keiner Weise ankommt; beachte auch Ambrosius, S. 42 ff. 158 Instruktiv das Beispiel von Baumann, Lehrb., § 26 III 2 b, S. 391: Wirft der
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
177
von dolus eventualis und luxuria den identischen Begriff des "FÜImöglichhaltens der Verwirklichung". Anders hingegen der AE, der, obschon die bewußte Fahrlässigkeit nicht ausdrücklich definiert wird (vgl. § 18 AE), für den dolus eventualis das ernstliche Fürmöglichhalten for-
dert.
Weiterführend kann man bei sämtlichen "Einschätzungstheorien"181 eine Gemeinsamkeit feststellen: Das intellektuelle Moment ist im individuellen Fall zur Zeit des Tatentschlusses beim dolus eventualis ausgeprägter als bei der bewußten Fahrlässigkeit. Täter einen Ziegel auf einen Passanten, wobei er die Tötungsmöglichkeit sieht, so kommt es nach Baumann für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des dolus eventualis allein auf die Inkaufnahme des Erfolgs an. !GO Vgl. § 16 und § 1811 E 62. 181 Der Begriff "Einschätzungstheorien" wird deshalb verwendet, weil es nicht - wie bei der "Einwilligungstheorie" oder bei der "Gleichgültigkeitsthese" Engischs - auf die emotionale Haltung zum Erfolg, sondern auf die intellektuell oder (und) voluntativ begründete Erwartung in Hinblick auf den voraussichtlichen Kausalverlauf ankommt. (Hinsichtlich der Einordnung der verschiedenen Auffassungen bestehen allerdings Meinungsverschiedenheiten, vgl. nur Jescheck, Aufbau, S. 483, der zu den Einschätzungstheorien auch die Einwilligungstheorie zählt; vgl. auch Maurach AT, § 22 111 B 2 b, S. 226/227, der die Einwilligungstheorie als Oberbegriff wählt.) Die Einschätzungstheorien lassen sich (im Rahmen der "einfachen Ernstnahme") folgendermaßen aufschlüsseln: 1. Die Wahrscheinlichkeitstheorie (vertreten von Mayer AT, § 27 IV 2, S. 121; Sauer, S. 177 ff.; teilweise von Mezger, Armin Kaufmann und WeZzel, siehe oben (bei) Fußn. 149 ff.; z. T. auch von Hall, S. 236 und Fahrlässigkeit, S. 11: nämlich hinsichtlich der extremen Wahrscheinlichkeit, während im Rahmen der bloßen Möglichkeit die Einwilligungstheorie gelten soll; eine modifizierte Wahrscheinlichkeitstheorie vertritt auch Tompert, vgl. S. 33). - Wahrscheinlichkeit heißt nach Mayer "mehr als möglich und weniger als überwiegend wahrscheinlich" oder nach Sauer (S. 179) "Rechnen mit der nahen Möglichkeit". (Vgl. ansonsten die Darstellungen von Roxin, Abgrenzung, S. 54 und Ambrosius, S. 31 f.). 2. Stratenwerth nimmt Vorsatz an, wenn der Täter die Gefahr in einem präzisen Sinn ernst nimmt (S. 55) und damit den deliktischen Erfolg in seinen Verwirklichungswillen aufnimmt (Gegensatz: Leichtnehmen) ; vgl. dazu Roxin, Abgrenzung, S. 54 und Ambrosius, S. 40 f. An Stratenwerth knüpft vornehmlich Ambrosius an, vgl. S. 47 ff.; beachte auch RudoZphi, S. 126/127 und S. 129 (für das Unrechtsbewußtsein). 3. Germann folgt zunächst Stratenwerth (S. 370 und S. 374), sieht aber die Ernstnahme nur als Vorentscheid an (S. 368); die wirkliche Entscheidung charakterisiert er mit dem Begriffspaar "Sich abfinden mit" - "Vertrauen auf" (S. 377); vgl. dazu Roxin, Abgrenzung, S. 54 und Ambrosius, S. 50/51. (Dieses Begriffspaar verwendet bekanntlich auch der E 62; ähnlich Noll, S. 26; Jescheck, Aufbau, S. 486; ders. jetzt auch Lehrb., § 29 111 3 a, S. 201; WesseZs, § 3 V 5, S. 25; jetzt auch Stratenwerth AT 325). 4. Schröder und Schmidhäuser ziehen sämtliche Fälle der Möglichkeitsvorstellung zum dolus eventualis. Die Grenze bilden nur die Konstellationen, in denen die erkannte Möglichkeit der Deliktsverwirklichung vom Täter als unbeachtlich gering veranschlagt wird (Schröder, Vorsatzbegriff, S. 244 f.; Schmidhäuser, Fahrlässigkeit, S. 314 und neuerdings AT 10/86). Hinsichtlich des intel12 Wolter
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Man darf sich dabei allerdings nicht auf den Standpunkt stellen, daß die subjektiv empfundene Wahrscheinlichkeit der Deliktsverwirklichung das entscheidende Kriterium ist; anderenfalls sieht man sich zu Recht sofort dem Einwand ausgesetzt, daß es ängstliche und streng kalkulierende Täter gibt, die auch bei relativ geringer Wahrscheinlichkeit die Erfolgsnähe noch ernst nehmen, und daß auf der anderen Seite auch Angeklagte zu finden sind, die trotz einer hohen Wahrscheinlichkeitsquote von einem Ausbleiben der Rechtsgutsverletzung ausgegangen sind162 • Entscheidend ist - so viel kann hier schon als richtiges Ergebnis der neueren Diskussion gesagt werden - nicht die Vorstellung der Gefahr, sondern die individuelle Stellungnahme zu dieser Gefahr im Sinne einer Ernstnahme der für möglich befundenen Deliktsverwirklichung163, 164. - Man kann diese Stellungnahme mit Stratenwerth165 als lektuellen Elementes zust. Maihojer, S. 191/192; weitgehend übereinstimmend auch Gessner, S. 94 H. Zu Schmidhäuser und Schröder vgl. Roxin, Abgrenzung, S. 55 und Ambrosius, S. 32 f.; ferner Binavince, S.147 - 149. 162 Roxin, Abgrenzung, s. 60/61; Ambrosius, S. 61; Jescheck, Aufbau, S. 483; ders., Lehrb., § 29 III 3 d, S. 202; vgl. auch Germann, S. 36; Baumanns, S. 140 Fußn. 1; Rudolphi, S. 127/128; Stratenwerth AT 321. m So vor allem Ambrosius, S. 50; Stratenwerth, S. 58; vgl. auch Germann, S. 370; Rudolphi, S. 126/127. Man denke an die ängstlich kalkulierte Unfallgefahr im Straßenverkehr, die keineswegs die Ernstnahme der körperlichen Verletzung eines Passanten zu beinhalten braucht. 164 Die beiden weiteren Einwände der h. L. gegen die Wahrscheinlichkeitstheorie tragen allerdings nicht. So wird vorgebracht, daß man bei einer schwerwiegenden Operation mit wahrscheinlichem schlechten Ausgang den Vorsatz ausschließen müsse (Mezger-Blei I, § 63 IV 2 b, S. 185; Maurach AT, § 22 III B 2 b, S. 226; Schwarz-Dreher, § 59 Anm. II B 4 a, S. 294; ders., Niederschriften, S. 104; Jescheck, Aufbau, S. 483; Baumanns, S. 142). Die Lösung des Operationsfalles liegt aber auf der Ebene der Sozialadäquanz (Schröder, Vorsatzbegriff, S. 242) oder der Rechtswidrigkeit (Roxin, Abgrenzung, S. 58 Fußn. 51: Güterabwägungsprinzip, bei Irrtum über die Notwendigkeit der Operation entfällt der Vorsatz wegen der angenommenen Rechtfertigungsvoraussetzungen (Stratenwerth, S. 66 verweist auf die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen); Schmidhäuser, Fahrlässigkeit, S. 307 und AT 10/99; Schröder, Vorsatzbegriff, S. 242 f.). - Eine Besonderheit ist noch darin begründet, daß die vom Arzt herbeigeführte Lebensgefahr der Abwendung einer noch ernsteren Lebensgefahr dient (Welzel, Niederschriften, S. 108). Zudem versagt die Einwilligungstheorie auch in dem Fall, daß der völlig lege artis operierende Arzt mit dem Tod des Patienten, der sein Feind oder Nebenbuhler ist, innerlich einverstanden ist; hier muß ebenfalls eine Strafbarkeit mangels Rechtswidrigkeit entfallen (Welzel, Niederschriften, S. 107). Zum zweiten trägt man vor, daß auch ein sehr unwahrscheinlicher Erfolg erstrebt werden könne (vgl. etwa Baumann, Lehrb., § 26 III 2 b, S. 391; Maurach AT, § 22 III B 2 b, S. 226; Schönke-Schröder, § 59 Anm. 57; Mezger-Blei I, § 63 IV 2 b, S. 185; Armin Kaujmann, Deliktsaufbau, S. 72; Welzel, Lehrb., § 13 12; Schmidhäuser AT 10/95; Stratenwerth, S. 53; vgl. auch die Hinw. Tomperts, S. 41 Note 82). Die Absichtsproblematik unterliegt aber eigenen Grundsätzen, auf die unter B. einzugehen sein wird. 165 S. 55; dabei weist Stratenwerth (AT 326) zu Recht entgegen Tompert (S. 112) darauf hin, daß Vorsatz auch dann anzunehmen sei, wenn dem Täter an dem gefährdeten Gut nichts gelegen sei.
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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"Ernstnahme" oder mit Welze11 66 als "Rechnen mit dem Deliktserfolg" bezeichnen. Man kann auch auf die sich aus der Ernstnahme zwangsläufig ergebende zweite Stellungnahme167 - etwa das "Sichabfinden"168 - abstellen; denn es ist im Grunde nicht denkbar, daß ein Täter, der trotz Ernstnahme der etwaigen Deliktsverwirklichung handelt, sich nicht auch mit der Rechtsgutsverletzung abfindet1 69 . Ausschlaggebend ist demnach ein enges Zusammenwirken von subjektivem Wahrscheinlichkeitsurteil, der daraus resultierenden ersten Stellungnahme des Ernst- oder Leichtnehmens der Deliktsverwirklichung und der über die Ausführung der Handlung entscheidenden zweiten Stellungnahme des Sichabfindens mit dem Erfolg bzw. Vertrauens auf sein Ausbleiben. - Man sollte beim Wahrscheinlichkeitsurteil vom intellektuellen und beim Sich abfinden vom voluntativen Element des Vorsatzes sprechen170. Die erste Stellungnahme des Ernstnehmens gehört dabei richtigerweise auf die intellektuelle Seite; erst dann, wenn der Täter die mehr oder weniger wahrscheinliche Rechtsgutsverletzung ernst nimmt, steht er vor der Frage, ob er handeln will oder nicht17oa. Mit Nachdruck ist andererseits darauf zu verweisen, daß die immer wieder herausgestellte Willensseite des Vorsatzes171 mit dem oben angesprochenen voluntativen Element nicht identisch ist. Richtiger Auffassung nach vermag das Wollen der Tat überhaupt keine Funktion bei der Abgrenzungsproblematik auszuüben 172. Die Aussage der Willensbeziehung erschöpft sich vielmehr in einem formalen "Ja" oder "Nein" zur Handlungsausführung; die strukturellen Vorgegebenheiten der beiden Schuldformen kann sie nicht erklären 173. Die Entscheidung über Vorsatz und Lehrb., § 13 I 2, S. 68. 187 Darauf weist zu Recht Ambrosius hin (S. 55). 168 Germann, S. 377; Jescheck, Aufbau, S. 486; § 16 E 62. 188 Welzel, Lehrb., § 13 I 2; Roxin, Abgrenzung, S. 61; vgl. auch Mayer AT,
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§ 27 IV 6, S. 123.
170 In der Terminologie bestehen zahlreiche Unstimmigkeiten. So wird vielfach statt vom voluntativen Element (anstelle vieler WeZzel, Lehrb., § 13 I 2) von der emotionalen Seite (vgl. etwa Fuchs, Diss., S. 35; Roxin, Abgrenzung, S. 57) gesprochen. Im Rahmen dieser Untersuchung soll der Begriff "emotional" auf wertende Stellungnahmen (etwa im Sinne des positiven Billigens, des Gleichgültigseins oder des Hoffens) beschränkt werden (vgl. auch Tompert, S. 118 Note 41 und S. 28; Roxin, Abgrenzung, S. 57). 170a Vgl. auch neuestens Stratenwerth AT 325. 171 Vgl. nur Maurach AT, § 22 III B 2 b, S. 226. 172 So meinen etwa Schröder, Vorsatzbegriff, S. 221 und 231 sowie Engisch, Untersuchungen, S. 229/230, daß der Täter einen als sicher vorgestellten und erst recht einen nur als möglich vorhergesehenen Nebenerfolg niemals will; vgl. neuerdings auch Schmidhäuser, Vorsatzbegrtlf, S. 11 und bereits Rezension, S. 373; zu der Auffassung Tomperts beachte den fortlaufenden Text. 173 So überzeugend Ambrosius, S. 27. 12°
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Fahrlässigkeit fällt bei genauer Betrachtung vor dem Willensakt174 • Überzeugend haben dieses Strukturgefüge Gössel 175 und Ambrosius176 unter Einbeziehung der neueren Psychologie 177 aufgezeigt: Man müsse unterscheiden zwischen dem Willensbildungsprozeß einerseits, in dem - verursacht durch einen der Tiefenschicht entstammenden Antrieb 178 eine Stoffsammlung und -sichtung stattfinde, und der durch einen Willensruck gekennzeichneten Entschlußfassung mit dem Ergebnis des Handlungsentschlusses andererseits, in dem die Inhalte der Willensbildung und damit der Wissensbestand fixiert würden179 • Vorsatz und Fahrlässigkeit ließen sich nur voneinander trennen, wenn man die Inhalte des Handlungsentschlusses untersuche; der Wille besitze lediglich eine Kontrollund Steuerungsfunktion180 ; die inhaltliche Fülle und Thematik des Gewollten entstamme den endothymen Antrieben181 • Da das Wollen selbst demnach für den Vorsatz keinen Anknüpfungspunkt biete182 , sei letztlich Vgl. auch Stratenwerth. S. 54. S. 52 - 90 unter Zugrundelegung der heute herrschenden Personpsychologie, insbesondere der schichtentheoretischen Systeme von Rothacker, WelZek, Thomae und Lersch. Die älteren Systeme der Bewußtseins- und Elementenpsychologie (Darstellung S. 38 - 51) lehnt Gössel zu Recht ab (S. 83) und folgt (S. 84) vornehmlich der Theorie vertikaler Personschichten im Sinne von Philipp Lersch (Aufbau der Person, 8. Aufl., München 1962). Der Ausgangspunkt der Personpsychologie rechtfertigt sich vor allem aus der Einbeziehung des "Unbewußten" und damit der Tiefenpsychologie (vgl. näher Gössel, S. 59 mit Hinw. auf Freud und Adler) sowie der Ganzheitseigenschaften der seelischen Vollzüge (vgl. näher Gössel, S. 60 mit Hinw. auf Lewin, Gelb, Koffka, Köhler und Stern). Die vertikale Personpsychologie im besonderen gewinnt ihre Üherzeugungskraft aus der Philosophie (vgl. die Hinw. Gössels, S. 64 auf das "überbauungsverhältnis" Nicolai Hartmanns), aus den Ergebnissen der neueren Hirnforschung (Gössel, S. 65) und Psychiatrie sowie aus der Psychoanalyse Freuds, der neben dem Bereich des Unbewußten (dem Es) noch einen darüber gelagerten Bereich des Ich annahm (Gössel, S. 65). Dabei bleibt festzuhalten, daß die neuere Psychologie durchaus nicht mehr den wissenschaftlichen Modellcharakter dieser Schichtentheorie verkennt (vgl. Gössel, S.82). 176 S. 21 ff. unter Zugrundelegung der Lehre Philipp Lerschs. 177 Es bedarf keiner eingehenden Begründung, daß die Erkenntnisse anderer Wissenschaften berücksichtigt werden müssen, soweit sie auf den gleichen Gegenstand bezogen sind (vgl. dazu eingehend Gössel, S. 29 - 33 und S. 35); bedenklich deshalb der Hinweis von Baumanns (S. 33/34) auf den pragmatischen Charakter des Rechts und die Verschiedenheit der psychologischen Lehrmeinungen. 178 Vgl. dazu auch Platzgummer, S. 25 mit Fußn.lO. 179 S. 24/25; anschließend erfolgt die Willensverwirklichung in der Außenwelt. Gössel (S. 106) rechnet dabei den Erfolg nicht zur Handlung. 180 Vgl. die experimentellen Nachw. im Bereich der Psychopathologie, mitgeteilt bei Gössel, S. 86/87. 181 Ambrosius, S. 27; vgl. auch Platzgummer, S. 25 Fußn. 10; Gössel, S. 77, 83, 86 und insbes. die experimentellen Nachw. dieser These auf S. 84/85. 182 So weist Jescheck (Aufbau, S. 485 Fußn. 47) daraufhin, daß die Dogmengeschichte ein allmähliches Herauslösen des dolus eventualis aus dem Willensbegriff zeige (vgl. auch die weiteren Hinw.); ebenso Ambrosius, S. 27 Fußn. 12. 174
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entscheidend, daß sich der Täter trotz der Vorstellung und Ernstnahme des Erfolgsrisikos von der Tat nicht abhalten lasse183 • Die entscheidende Weichenstellung erfolge durch diese Einschätzung des Erfolgsrisikos. Schon - und erst - ab dieser Weggabelung innerhalb des Willensbildungsprozesses ließen sich die Strukturen von Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat unterscheiden184, 185. Demgegenüber vermag der Lösungsweg Tomperts nicht vollauf zu überzeugen, nach dem das maßgebende psychische Element das sog. Beurteilungsmoment sein soll1 ee . Zwar stellt auch Tampen insoweit richtig auf die Einschätzung der möglichen Rechtsgutsverletzung ab, meint aber andererseits von seinem finalistischen Standpunkt her, daß sich dieses Beurteilungsmoment erst während der gesteuerten Handlung auswirke187• Dem Willen billigt er keine eigenständige Bedeutung zu; seiner
18S 184
185
S. 70; Ambrosius folgt damit weitgehend der Auffassung Stratenwerths. Ambrosius, S. 56. Bei dieser Betrachtungsweise verliert auch die These Schmidhäusers,
daß die Schuldmerkmale der Vorsätzlichkeit und Fahrlässigkeit von voluntativen Elementen befreit werden müßten (siehe dazu bereits oben Fußn. 63 sowie Vorsatzbegriff, S. 21; AT 10/99), beträchtlich an Schärfe. Ebenso wie bei Schmidhäuser selbst verläuft die psychische Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit im intellektuellen (bewußthaften) Bereich: Während Schmidhäuser diese Grenze zwischen konkretem (unter Einbeziehung der traditionellen bewußten Fahrlässigkeit) und abstraktem Gefahrbewußtsein (bzw. fehlender Gefahrkenntnis) zieht (Fahrlässigkeit, S. 314; AT 10/85 und 86), wird sie hier zwischen dem zur Ernstnahme des Deliktserfolgs führenden Gefahrbewußtsein (unter Außerachtlassung der herkömmlichen bewußten Fahrlässigkeit) und der die Nichternstnahme nach sich ziehenden Gefahrkenntnis gezogen. Dabei wird sich am Fallmosaik erweisen, daß die von Schmidhäuser gestellte Frage nach der weitgehenden Identität dieser Grenze (AT 10/99) negativ zu beantworten ist. Jedenfalls finden beide Abgrenzungen ohne jegliches voluntative Merkmal statt; das Sichabfinden mit dem Deliktserfolg, das hier als das voluntative Element des Vorsatzes bezeichnet wurde, ist nichts anderes als die genaue und frei von emotionalen Wertungen vorgenommene Beschreibung des Entschlusses zur Handlung, der im Zeitpunkt der Ernstnahme der Deliktsverwirklichung noch völlig offen ist. Nichts stände auch bei der Lösung Schmidhäusers im Wege, das Handeln im Tatbewußtsein als das Sichabfinden mit dem möglichen Deliktserfolg zu bezeichnen. Insofern wird auch die grundsätzliche Kritik Schmidhäusers relativiert, die der Bildung des Begriffspaares "Sichabfinden - Vertrauen" vorhält, hier würden die beiden Schuldformen nicht analytisch und unmittelbar aneinander angrenzend bestimmt (Vorsatzbegriff, S. 22; AT 10/98) und zudem das psychische Material in keiner Weise gekennzeichnet (vgl. AT 10/98). Die hier entscheidenden Primärstellungnahmen der Ernst- und Nichternstnahme der Deliktsverwirklichung grenzen sehr wohl aneinander; und mit ihnen werden auch treffend die psychischen Momente beider Schuldformen bezeichnet, indem nicht auf die Vorstellung der Gefahr als solcher, sondern auf die subjektiv empfundene Gefährdung des Rechtsguts abgestellt wird. Man kann deshalb auch nicht dem Kriterium der Ernstnahme der Deliktsverwirklichung eine fehlende Kennzeichnung der psychischen Momente entgegenhalten (so Schmidhäuser AT 10/99). 188 S. 16 f., S. 36/37. 187 S. 24/25, S. 37, vgl. auch S. 5.
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Auffassung nach wird der rechtlich relevante finale Wille, den er mit dem Vorsatz gleichsetzt l88 , durch das Beurteilungsmoment selbst bestimmt und geprägtl89. - Die Begründungen dieser These und vornehmlich das Kriterium des Beurteilungsmoments im Sinne eines Wahrscheinlichkeitsurteils geben weitgehend wertvolle Hinweise. Nicht überzeugend ist aber die von Tompert behauptete Unbeachtlichkeit des Willensbildungsprozesses. Ohne Rückgriff auf den Motivationsvorgang läßt sich der entscheidende Handlungsentschluß und damit der Strukturunterschied von Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht rechtzeitig aufzeigen l90. Auch wenn man nach alledem das Zusammenspiel von subjektivem Wahrscheinlichkeitsurteil und Ernstnahme des etwaigen deliktischen Erfolgs für ausschlaggebend hält, hat die Wahrscheinlichkeitstheorie brauchbare Grenzen abgesteckt: Ein Täter, der das Urteil sehr hoher Wahrscheinlichkeit fällt, muß die Deliktsverwirklichung ernst nehmenl91 , es sei denn, dieses Urteil wird schon vor dem eigentlichen Handlungsentschluß durch Übermut oder frivolen Leichtsinn revidiert l92 . Andererseits darf ein verschwindend geringes Wahrscheinlichkeitsurteil auch dem ängstlichsten und strengstens kalkulierenden Täter nicht die Vorsatzstrafe einbringen.
2. Die Skala der Fallvarianten Diese knappen Bemerkungen machen endgültig den Weg frei für die angestrebte Skala von Fallvarianten: Auf der Grundlage der Einschät188 S. 31/32. 189 S.34. 190 Treffend Ambrosius, S. 30; abzulehnen deshalb auch Baumanns, S. 37. m Vgl. etwa Welzel, Lehrb., § 13 I 2 b, S. 70; vgl. neuerdings auch den Bundesgerichtshof in NJW 1968, S. 660 ff. (661), der das "Vertrauen auf" bereits bei der als naheliegend erkannten Möglichkeit der Deliktsverwirklichung ausschließt. 192 Oben wurde dargestellt, daß vor dem Handlungsentschluß sämtliche innerseelischen Vorgänge der Endgültigkeit entbehren. Neue Umstände treten hinzu und werden wieder verworfen (Ambrosius, S. 24; Schmidhäuser AT 10/100). So ist es auch ohne weiteres denkbar, daß der Täter trotz anfänglich hohen Wahrscheinlichkeitsurteils die Gefahrvorstellung gleichsam überlagert mit der Stellungnahme "gerade mir wird schon nichts passieren" (man denke an leichtsinnige Autofahrer). Dieses Beispiel, das immer wieder gegen die Wahrscheinlichkeitstheorie vorgebracht wird (vgl. etwa Roxin, Abgrenzung, S. 61; Stratenwerth, S. 57), vermag über die Tragfähigkeit dieser Theorie nichts auszusagen. Entscheidend ist, wie auch von der h. L. anerkannt wird, der Zeitpunkt der Tat (vgl. etwa Maurach AT, § 22 11 B 3, S. 222/223; Schönke-Schröder, § 59 Anm. 15; Ambrosius, S. 29; Germann, S. 353; Tompert, S. 27 und bes. nachdrücklich Schmidhäuser AT 10/86 und 10/100). Man bedenke, daß auch umgekehrt der dolus subsequens unzulässig ist (Maurach a.a.O., Germann a.a.O.). - Vgl. dazu aber auch Gessner (S. 112), der dem Fall der nahen Wahrscheinlichkeit und Ernstnahme im Zeitpunkt der Handlung das oben gebildete Beispiel des übermütigen Autofahrers wegen der Rücksichtslosigkeit des Täters als gleichwertig gegenüberstellt und mithin allein aus Vorwerfbarkeitserwägungen zur Vorsatzbestrafung gelangt.
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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zungstheorien1t3 zeichnet sich jede Variante durch einen anderen Grad des Wahrscheinlichkeitsurteils mit einer entsprechenden ernsthaften oder leichtsinnigen Stellungnahme aus 194 • a) Die Obergrenze des dolus directus Der Nebenerfolg wird als sicher oder als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretend betrachtet und schon um deswillen ernst genommen. b) Die Untergrenze des dolus directus Die Deliktsverwirklichung wird z. Z. des Handlungsentschlusses mit derart hoher Wahrscheinlichkeit gesehen, daß Zweifel hinsichtlich der Rechtsgiiterverletzung ernstlich nicht auftauchen und der Nebenerfolg schon deshalb ernst genommen wird. 113 Die Widerlegung der echten EinwilligungstheoTie, die z. T. auch vom BGH vertreten wird - (vgl. etwa das urt. v. 22. 11. 1957, 2 StR 432/57; vgl. andererseits das mehrfach zit. Urt. BGHSt 7, 363 ff. = Lederriemen-Fall, wo der BGH im Widerspruch dazu ein Billigen im Sinne eines einfachen Sichabfindens ausreichen läßt; dazu insbes. SchmidhäuseT, Vorsatz, S. 163 ff.; vgl. auch Jescheck, Aufbau, S. 484 f.; beachte neuerdings auch BGH NJW 1968, S. 660 ff. (661); den Begriff "billigendes Inkaufnehmen" verwendet ohne Präzisierung der BGH in BGHSt 22, 67 [74]; - ähnlichen Schwankungen hat die Rechtsprechung des Reichsgerichts unterlegen; vgl. dazu Roxin, Abgrenzung, S. 56 Fußn. 43) -, hat sich im Zuge der bisherigen Erörterung gleichsam von selbst ergeben: Negativ, als der zur Begründung immer wieder herangezogene Operationsfall anderen Rechtsgrundsätzen unterliegt (siehe oben Fußn. 164); die Frage der Sozialadäquanz oder der fehlenden Rechtswidrigkeit stellt sich nämlich bei Vorsatz und Fahrlässigkeit gleichermaßen, also unabhängig davon, ob der Arzt in den Nebenerfolg einwilligt oder nicht (so vor allem auch SehTödeT, Vorsatzbegriff, S. 242; vgl. auch Baumanns, S. 134 Fußn. 1). - Positiv, als deutlich gemacht wurde, daß der Wille keinen Anknüpfungspunkt für den (bedingten) Vorsatz abgibt; vgl. oben bei Fußn. 171 ff. Weiterhin sei angemerkt: Die Einwilligungstheorie ist in den Fällen untauglich, in denen sich angestrebter Erfolg und für möglich gehaltene Nebenfol~e ausschließen (vgl. Jescheck, Aufbau, S. 484). Sie paßt von vornherein nicht für Tatumstände, die vom "Willen" des Täters unabhängig sind, wie etwa das Schutzalter in § 176 I Züf. 3 (siehe auch AmbTosius, S. 60 und Germann, S. 365). Weiterhin will das am Rechtsgüterschutz orientierte Strafrecht unabhängig von jeder inneren Einstellung des Täters im Sinne der Billigung oder der Gleichgültigkeit (Engisch) jede Deliktsverwirklichung verhindern, deren Nähe sich dem Täter ernstlich aufdrängt (so vor allem Roxin, Abgrenzung, S. 58; der Gesinnungsunwert wird allein für die Strafzumessung relevant, Roxin a.a.O.). Umgekehrt ist im Rahmen der Fahrlässigkeit der Begriff des Hoffens ebenfalls emotional-wertend (vgl. Tompen, S. 28) und deshalb untauglich (vgl. auch Roxin, Abgrenzung, S. 57). Die Gleichgültigkeit schließlich ist wie das Wollen kein Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des dolus eventualis; vielmehr wird auch insoweit die Unterscheidung im faktisch-seelischen Geschehen schon vorausgesetzt und nur noch angegeben, wohin der Täter in seinem Verhalten zu verstehen ist (überzeugend Schmidhäuser, Fahrlässigkeit, S. 313 Fußn. 28). IN Vgl. auch Roxin, Täterschaft, S. 224/225.
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c) Die Obergenze des dolus eventualis Der Eintritt des Nebenerfolges wird als ziemlich wahrscheinlich - wenn auch mit Zweifeln behaftet - eingeschätzt und ernstlich für möglich gehalten. d) Die Untergrenze des dolus eventualis Die subjektiv empfundene Wahrscheinlichkeit der Deliktsverwirklichung ist vergleichsweise gering. Dennoch ist der Täter, der das Ausbleiben des Erfolges (mangels der Möglichkeit oder Durchführung von Gegenüberlegungen und Gegenmaßnahmen) dem Glück und dem Zufall anheimstellen muß, von der Nähe der Rechtsgutsverletzung noch solchermaßen beeindruckt, daß von einer Ernstnahme gesprochen werden muß. Diese Untergrenze ist nun sicherlich bei jedem Individuum je nach Charakter195 (und auch je nach Straftatbestand l96 ) verschieden. Der Richter ist dennoch verpflichtet, bei jedem einzelnen Angeklagten U7 - so schwierig das sein mag 198 - diese Grenze zu bestimmen. e) Die Obergrenze der bewußten Fahrlässigkeit Die Obergrenze der bewußten Fahrlässigkeit ergibt sich jetzt fast zwangsläufig: Ein Täter, für den die Wahrscheinlichkeitsquote so absinkt, daß er den Erfolg nicht mehr in seinen Verwirklichungswillen einbezieht, sondern vielmehr auf einen guten Ausgang vertraut, handelt - da er sich die Deliktsverwirklichung immerhin noch vorstellt - bewußt fahrlässig. Der Täter nimmt nicht mehr die Verletzung als solche ernst, sondern allerhöchstens das Risiko, die Zweifelhaftigkeit des Ausgangs, die AlterVgl. Schmidhäuser, Fahrlässigkeit, S. 314; Tompert, S. 36. m Beachte etwa die Versuche Tompens, S. 61 ff. 197 Von vornherein ist hier der mögliche Einwand abzutun, daß der über das Normalmaß gewissenhafte und kalkulierende Täter, der die konkrete Deliktsverwirklichung eher als andere ernst nimmt, schlechter behandelt wird. Nach richtiger Auffassung kommt es auf den sog. Normalmaßstab nicht an. So bemerkt Schröder (in Schönke-Schröder, § 59 Anm. 176 und 183) im Rahmen der Fahrlässigkeitslehre zu Recht, daß der Täter mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Privilegierung auch überdurchschnittliche Pflichten zu tragen habe; einer ähnlichen Bestimmung unterliegt das Kriterium der Vorhersehbarkeit. 188 Es sei hier darauf hingewiesen, daß es zunächst nur um das Sachproblem als solches geht; die Schwierigkeiten beim Beweis des jeweiligen Vorstellungsbildes des Täters kann keine Theorie ganz umgehen (vgl. Armin Kaufmann, Deliktsaufbau, S. 77 Fußn. 45; Ambrosius, S. 56 Fußn. 9). Außerdem steht die gesamte Untersuchung unter der Leitfrage, ob und wie die auftauchenden Beweiszweifel durch die Anwendung der "in dubio pro reo"- oder Wahlfeststellungsregeln zu meistern sind. 195
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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native 19t • Er handelt nicht mehr mit einem Verletzungs-, sondern nur noch mit einem Gefährdungsvorsatz 2oo • Er entscheidet sich nicht mehr für die Rechtsgüterverletzung, sondern handelt, wenn auch nicht rechtsgutsfreundlich, so doch ohne Rechtsgutsfeindschaft201 • Der bewußt fahrlässige Täter erlebt nicht die Konfliktssituation des bedingt vorsätzlich Handelnden, der wegen der Ernstnahme der möglichen Deliktsverwirklichung über die Vornahme der Tat entscheiden muß; er handelt nicht trotz der Ernstnahrne, sondern gerade wegen der Nichternstnahme der Rechtsgutsverletzung202 • Nun betrachten allerdings Schröder und Schmidhäuser diesen Fall als einen solchen des dolus eventualis, weil die Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung immerhin noch nicht als unbeachtlich gering veranschlagt wird203 • Dieser - wie sich im Rahmen der Absichtsproblematik noch erweisen wird - konsequenten und mit Vorzügen ausgestatteten Ansicht204 kann jedoch aus zwei - voneinander abhängigen - Gründen nicht gefolgt werden: Einerseits wird die allseits anerkannte bewußte Fahrlässigkeit (im herkömmlichen Sinne) vom dolus eventualis weitestgehend aufgesogen 205 ; andererseits fallen Varianten der unbewußten 199 a. A. Schröder, Vorsatzbegriff, s. 232, der diese Differenzierung als Haarspalterei abtut; ablehnend auch Binavince, S. 1561157; Schmidhäuser AT 10/100. 20G Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 154 (mit zahlreichen weit. Nachw.) wertet die bewußte Fahrlässigkeit ausdrücklich als Gefährdungsvorsatz ("ein vorsätzliches, durch den Erfolg konstituiertes Gefährdungsdelikt") ; vgl. bes. auch Germann, S. 391; wie Kaufmann auch Engisch, Untersuchungen, S. 408/409; grundsätzlich zust. NoH, S. 28; für die Gleichstellung auch Schaffstein, Tatbestandsirrtum, S. 180; Tompert, S. 83 Note 95 und S. 84; Baumanns, S. 57 mit Fußn.1. 201 Zu diesem Begriffspaar Roxin, Abgrenzung, S. 61; hierbei ist darauf hinzuweisen, daß mit dieser Gegenüberstellung nicht eine emotionale Stellungnahme betrachtet wird, sondern lediglich eine die Situation beleuchtende Wertung von außen stattfindet. to! Vgl. dazu Ambrosius, S. 62/63; Stratenwerth, S. 60; unberührt bleibt die Frage nach einer - wenn auch anders gearteten - Konfliktslage auch beim bewußt fahrlässigen Täter. - Die Bewußtseinsform der luxuria vermag dabei durch das von PZatzgummer (S. 63 ff.) herausgearbeitete "Bewußtsein am Rande" erhellt zu werden (dazu Roxin, Literaturbericht, S. 256). tOS Der Auffassung Schmidhäusers (AT 10/100), daß in den von der h. L. für die luxuria gebildeten Fällen im Zeitpunkt der Tat weitgehend nur ein abstraktes Gefahrbewußtsein im Sinne der unbewußten Fahrlässigkeit vorliege, kann dabei - wie zu begründen sein wird - nicht zugestimmt werden. rot Man denke auch an die verbreitet befürwortete Möglichkeit, den Teilnehmer an der (eigentlich) bewußt fahrlässigen Tat zu bestrafen; eine solche Verurteilung ist nach den §§ 26, 27 2. StrRG wegen des Erfordernisses vorsätzlicher Haupttat ausgeschlossen. 205 So vor allem Dreher, Niederschriften, S. 104; ablehnend auch Ambrosius, S. 46 (unerträgliche und zu ungerechten Entscheidungen führende Ausdehnung); Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 155; Armin Kaufmann, Deliktsaufbau, S. 72 f., insbes. S. 73 Fußn. 83 a; Jescheck, Aufbau, S. 482 f. (Verstoß gegen das Rechtsgefühl wegen übergroßer Strenge); ders., Lehrb., § 29 III 3 d, S. 202
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Fahrlässigkeit in den Bereich der bewußten Fahrlässigkeit im Sinne Schröders und Schmidhäusers!Ofl.
Schröder begründet die Identität von dolus eventualis und luxuria vornehmlich damit, daß sich beide Schuldformen gleichzeitig durch ein Gefährdungs- und ein eventuales Verletzungsbewußtsein auszeichnen würden, und es demnach als mehr oder weniger willkürlich erscheinen müßte, einen Teil dieses Gefährdungsvorsatzes, nämlich den bedingten Vorsatz, nicht als solchen zu bezeichnen207 • Da die an den einzelnen gerichtete Norm neben der Verletzung auch die Gefährdung geschützter Interessen verbiete, begründe jede bewußte Übertretung dieses Verbots den Vorsatz208• - Bei dieser Argumentation wird verkannt, daß das Verbot in den vorsätzlichen und fahrlässigen Verletzungstatbeständen im Gegensatz zu den reinen Gefährdungsdelikten nicht an die Gefährdung, sondern stets an die Verletzung eines Rechtsguts anknüpft209 • Das ergibt sich allein schon aus dem Wortlaut der "Verletzungstatbestände"210 und aus der Existenz eigenständiger, vorsätzlich und fahrlässig zu verwirklichender Gefährdungsdelikte 211 • Die Parallele des Gefährdungsvorsatzes bei den Verletzungsdelikten fungiert allein als Hilfserwägung; sie entfaltet ihre Wirksamkeit vornehmlich bei der Abgrenzung der bewußten von der unbewußten Fahrlässigkeit. Sie im Bereiche des dolus eventualis heranzuziehen, heißt, sie zu überspannen: Bereits die Obergrenze der bewußten Fahrlässigkeit enthält die stärkste Form des Gefährdungsvorsatzes, nämlich das sichere Vorhersehen des Risikos, der Gefahr als solcher. Die Abgrenzung zum dolus eventualis kann nur über das gleichzeitig vorliegende Verletzungsbewußtsein erfolgen21!; und hier kommt es richtigerweise darauf an, ob der Täter die nahe Verletzung ernst genommen hat oder nicht. Da die Ernstnahme nun ihrerseits von der Höhe des Wahrscheinlichkeitsurteils (widerspricht zudem der ständigen Rechtsprechung zum bedingten Vorsatz);
Baumanns, S. 139 (Vorsatzbereich viel zu sehr ausgeweitet); Germann, S. 355 Fußn. 8; Binavince, S. 153; Rudolphi, S. 126/127. Hinsichtlich des intellektuellen Elementes zust. Maihofer, S. 191/192; weitgehend übereinstimmend Gessner, s. 94 ff., 103.
Davon wird unten zu handeln sein. Vorsatzbegriff, S. 227 und 239; vgl. dazu auch Gessner, S. 96. t08 Vgl. vor allem Schröder, Vorsatzbegriff, S. 238. !OI Weitergehend meint Tompert (S. 85 Note 96), daß auch bei den vorsätzlichen Gefährdungsdelikten nicht schon die Gefahrsituation, sondern erst die Verletzung mit einem Unwerturteil behaftet sei. Nur subjektiv soUe das Bewußtsein einer Gefahr ausreichen, um die Handlung von jenem Unwert geprägt erscheinen zu lassen. 210 Vgl. den Hinw. auf GaUiner in Engisch, Untersuchungen, S. 408. !11 Vgl. die Hinw. Germanns, S. 394. m Beachte dazu den fortlaufenden Text. t08
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abhängt, müßte der Gefährdungsvorsatz im dolus eventualis eine paradoxe "mehr als sichere Voraussicht" des Risikos enthalten213 • Zudem bleibt die Lösung Schröders und Schmidhäusers deshalb undifferenziert und unbefriedigend, weil das intellektuelle Zusatzmoment der Ernstnahme und das voluntative Element der Schuldformen außer acht gelassen werden. Man kann eben nicht sagen, wer die konkrete Möglichkeit der Verletzung sehe, nehme sie zwangsläufig ernst und in Kauf214 , so daß das "Vertrauen" auf das Ausbleiben des Erfolgs zur Farce werde und nichts an der Bewertung im Vergleich zum Nichtvertrauen ändere 2U • Beide Autoren verkennen218 , daß man trotz der Ernstnahme der Gefahr die nahe Verletzung noch nicht ernst zu nehmen und in Kauf zu nehmen braucht, sondern sehr wohl auf ein Ausbleiben der Deliktsverwirklichung vertrauen kann217 • Zwischen den Fronten von dolus eventualis und luxuria soll nun allerdings der Fall liegen, in dem der Täter die Deliktsverwirklichung "schlicht für möglich" hält, ohne mit ihr zu rechnen, ohne andererseits auf einen guten Ausgang zu vertrauen. Welzel 218 schlägt ihn der bewußten Fahrlässigkeit zu, da der Täter nicht mit dem Erfolg gerechnet habe; der E 62!19 hält die Vorsatzstrafe für angebracht, da der Angeklagte nicht auf ein Ausbleiben des Erfolgs vertraut habe. - Der Streit ist salomonisch zu schlichten: Den Fall des "einfachen Fürmöglichhaltens" gibt es gar nicht. Richtigerweise schließen die Begriffspaare "Ernstnahme - Vertrauen auf" oder "Rechnen mit - Vertrauen auf" lückenlos aneinander2!o. Ein Täter, der das Urteil schlichter Möglichkeit fällt und dann handelt, wird Z18 Bemerkenswert NoH (S. 27), der Gefährdungsvorsatz und bewußte Fahrlässigkeit vom dolus eventualis dadurch scheidet, daß nur bei letzterem die Verletzung gewollt ist. Der dolus eventualis enthält demnach keinen Gefährdungsvorsatz. tU So Schrödef' in Schönke-Schröder, § 59 Anm. 152; zur begrifflichen Zulässigkeit allerdings Welzel, Niederschriften, S. 107. m Schmidhäusef' AT 10/100. m Ebenso Germann, S. 369; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 170; Jescheck, Aufbau, S. 482 f.; vgl. dagegen überzeugend Ambrosius, S. 48 - 52. !17 Vgl. dazu AmbTosius, S. 49 - 52. 218 Lehrb., § 13 I 2, S. 68. m Vgl. den Hinw. Roxins, Abgrenzung, S. 55. 2!O Genau genommen besteht dieser fugenlose Zusammenhalt nicht erst und nicht unbedingt bei dem voluntativen Begriffspaar des Sichabftndens und des Vertrauens auf das Ausbleiben des Erfolgs (so aber der E 62, S. 130; Jescheck, Aufbau, S. 485; ders., Lehrb., § 29 III 3 c, S. 202), sondern bereits im intellektuellen Element der Ernstnahme und Nichternstnahme (siehe oben Fußn. 185). Auch wenn in den in Frage stehenden Fällen die deliktische Handlung stets vorliegt, bleibt doch die allgemeine Feststellung, daß, wer sich nicht abfindet, nicht zwangsläufig vertrauen, sondern in der Mehrzahl der Fälle von der Tat Abstand nehmen wird.
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jedenfalls - wenn auch schwer nachvollziehbar:!:1 - eine innerseelische Stellungnahme zur möglichen Deliktsverwirklichung erleben. f) Die Untergrenze der bewußten Fahrlässigkeit Für die Bestimmung der Untergrenze der bewußten Fahrlässigkeit arbeitet man am besten mit dem Gefährdungsvorsatz. Man kann sagen, solange der Täter die Gefährdung des Rechtsguts, die Alternative als solche oder die Zweifelhaftigkeit des Ausgangs wirklich noch ernst nimmt und somit in seinen Verwirklichungswillen einbezieht222 , solange er sich trotz der Ernstnahme der Gefährdung von der Tat bewußt nicht abhalten läßt, ist die bewußte Fahrlässigkeit zu bejahen. Die Gefahr als solche wird vom Täter immer noch konkret und ernstlich nahe gesehen. Dabei sind hier noch nicht die Fälle von Schröder und Schmidhäuser angesprochen, in denen sie (bei grundsätzlicher Ablehnung) allenfalls eine bewußte Fahrlässigkeit annehmen wollen: Die Gefahr wird gerade noch nicht als unbeachtlich gering veranschlagt223 und demnach noch nicht als nur abstrakte224 erkannt. Die bewußte Fahrlässigkeit als Ganzes umfaßt demnach, da sie gleichzeitig als Gefährdungsvorsatz angesprochen werden kann, den gesamten Bereich von der sicheren Annahme der Gefährdung bis hin zum noch ernstlichen Fürmöglichhalten des Risikos; genau wie beim Verletzungsvorsatz gibt es einen direkten und einen eventualen Gefährdungsvorsatz225 • Die Untergrenze der bewußten Fahrlässigkeit läuft derjenigen des 221 Der Vorbehalt schwieriger Nachvollziehbarkeit ist dabei generell zu machen. Mit Recht bemerkt Roxin (Abgrenzung, S. 60), daß der psychische Akt der Stellungnahme nur annäherungsweise umschrieben werden kann, da er in seiner dichtgedrängten Heranbildung der begrifflichen Fixierung weitgehend enträt (vgl. auch Tompert, S. 38). Schmidhäuser (Vorsatz, S. 167 Fußn. 10 und vor allem AT 10/50; vgl. auch Welzel, Lehrb., § 13 I 2, S. 65) nennt die Spontaneität der psychischen Stellungnahme ein Sachdenken des Täters, das hinsichtlich der beanspruchten Zeitspanne der sprachlich-gedanklichen Erfassung des komplexen Sachverhaltes weit überlegen und zudem völlig anders geartet ist. Das Sprechen über die Gedanken des Täters im Strafprozeß stellt mithin bereits eine Verfälschung dar. Von einem anderen Ausgangspunkt gelangt auch Schewe zu diesem psychischen Phänomen, wenn er dem "nicht ausdrücklich beachteten Orientiert-Sein" weitgehend den Bereich des Vorsprachlichen zuweist (vgl. etwa S. 142); ähnlich bereits Platzgummer zum Mitbewußtsein (S. 81 ff.); zusammenfassend und für das Unrechtsbewußtsein die Konsequenzen ziehend neuerdings Rudolphi, S. 150 ff. 22! Vgl. Germann, S. 391 und 394. !!3 Vgl. Schröder, Vorsatzbegriff, S. 244. 2!4 Siehe Schmidhäuser, Fahrlässigkeit, S. 312 und 314; AT 10/86. !!5 So auch R. v. Hippel, Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, 1906 ff., S. 532 Ziff. 5, zit. bei Engisch, Untersuchungen, S. 405; theoretisch anerkannt auch von Noll, S. 30; vgl. auch den Bundesgerichtshof in BGHSt 22, 67 (74), der den vom Verletzungsvorsatz im Rahmen von
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dolus eventualis parallel; nur die Blickrichtung ist verschieden: Nicht allein der Verletzungserfolg, sondern auch die Gefährdung des Rechtsguts wird betrachtet. Nun meinen allerdings Arthur Kaufmann 226 und Engisch 227 , die Vorstellung der Möglichkeit der Möglichkeit eines Erfolgseintritts sei etwas in sich Widersinniges 228 • Arthur Kaufmann spricht damit zwar die abstrakte Gefahr im Sinne von Schmidhäuser an und führt richtig aus, daß insoweit der Täter im Grunde von der Ungefährlichkeit der Tat ausgehe und deshalb nur unbewußte Fahrlässigkeit in Betracht komme; der Einwand trifft aber auch die hier dargestellte Untergrenze der bewußten Fahrlässigkeit. So fordert EngisCh22U für den Gefährdungsvorsatz eine "nicht zu geringe Möglichkeit" der Verletzung. Zwar seien verschiedene Grade des Risikos denkbar, sie unterstünden aber nicht noch einmal den modalen Formen des Verletzungsvorsatzes, mit anderen Worten: das Gesamturteil230 könne sich so sehr abschwächen, daß der Gefährdungsvorsatz und mit ihm die bewußte Fahrlässigkeit entfielen 231 • Engisch bleibt allerdings die Antwort auf die Frage schuldig, wann die Grenze zur unbewußten Fahrlässigkeit überschritten ist. Kriterium für die Grenzbestimmung ist nun aber der eventuale Gefährdungsvorsatz. Für die Gleichsetzung des bedingten Gefährdungsvorsatzes mit der Untergrenze der bewußten Fahrlässigkeit spricht unausweichlich, daß das Risiko immerhin noch in den maßgeblichen Willensentschluß einbezogen wird232 • Es ist niemandem unbekannt, wenn er bei der Abschätzung einer Gefahr für ein Rechtsgut sagt: "An eine Verletzung glaube ich nicht ernst§ 315 b richtig abgegrenzten Gefährdungsvorsatz bis zum "billigenden Inkauf-
nehmen der Gefahrenlage" reichen läßt. 221 Schuldprinzip, S. 155. 227 Untersuchungen, S. 405. 228 Ablehnend auch Tompert, S. 84 (vornehmlich bezogen auf das konkrete Gefährdungsdelikt). 229 Untersuchungen, S. 406. 230 Das Kahnfahrt-Unwetter-Beispiel (S. 406/407), das Engisch richtig selbst widerlegt, indem er auf die Gesamtwahrscheinlichkeit abstellt, ist für eine ablehnende Argumentation nicht tauglich. 231 Demgegenüber meint Binavince (S. 156), daß das Wissen und Wollen der Gefahr (d. h. der Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung) identisch ist mit dem Wissen und Wollen der Deliktsverwirklichung selbst. Damit unterscheidet er zwar grundsätzlich zwischen direktem und eventualem Gefährdungsvorsatz und erkennt auch richtig, daß Gefährdung und nahe Verletzung zugleich betrachtet werden müssen; er verkennt aber, daß bei alleiniger Ernstnahme der Gefahr das Gesamturteil zur nahen Rechtsgutsverletzung schwächer wird (vgl. dazu treffend Engisch, Untersuchungen, S. 408; richtig auch der BGH in BGHSt 22, 67 (73/74). Entgegen Binavinces weiterer Argumentation (S. 157) vertragen sich Ernstnahme des Risikos und Leichtnahme der Rechtsgutsverletzung sehr gut miteinander; vgl. dazu den weiteren Text. 232 Germann, S. 393; vgl. auch die Hinw. Germanns (S. 396 mit Fußn. 26) auf das Englische Recht.
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haft, aber das Risiko ist mir zu grOß238." Hier taucht doch gerade trotz des Ausschlusses einer Verletzung und trotz des Ausbleibens einer entsprechenden Konfliktssituation eine neue Konfliktslage auf: Der Täter muß sich ~ntscheiden, ob er das ernstgenommene Risiko eingehen will oder nicht2.'4. In jedem Fall bleibt - wenn auch unter verschiedenem Blickwinkel der Satz von Arthur Kaufmann und Engisch richtig, daß unter dem Vorbehalt des Erfolges zwischen bewußter Fahrlässigkeit und Gefährdungsvorsatz Deckungsgleichheit besteht235 .
233 Vgl. auch Germann (S. 369), der es als möglich ansieht, daß man "über das Risiko hinaus auch den tödlichen Ausgang als solchen in Kauf nimmt"; beachte auch Ambrosius (S. 49), der neben der Ernstnahme der Gefahr ein Vertrauen auf das Ausbleihen des Erfolgs anerkennt. Insofern werden 'auch die Abgrenzungsschwierigke:i.ten gemeistert, die NoH (S. 31) befürchtet. 234 Diese gestaffelten Konfliktssituationen treten besonders bei den Tatbeständen der Tötung und Körperverletzung in Erscheinung, da diese Rechtsgüterverletzungen durch starke Tradition im Bewußtsein der meisten Menschen des hiesigen Kulturkreises tief verankert sind (vgl. Germann, S. 394). Andererseits ist diese Differenzierung auch im Rahmen der Einwilligungsproblematik geläufig, da man gemeinhin sagt, der Betroffene habe zwar in die Gefährdung, nicht aber in die Verletzung eingewilligt. (Diese Parallele findet sich bei Gessner, S. 99 Fußn. 278; allerdings mit anderer Intention.) 235 Engisch, Untersuchungen, S. 408/409; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 154; vgl. auch Tompert, S. 83 Note 95; a. A. fälschlich Germann, S. 394 (eine Widerlegung dieser Ansicht wird unter II. möglich). Diese Feststellung der Kongruenz ist auch für die im Vordringen begriffenen konkreten Gefährdungsdelikte (vgl. z. B. die §§ 311, 315, 315 a, 315 b, 315 c; vgl. ferner die Angaben von Schröder, Gefährdungsdelikte, S. 7) von großer Bedeutung, da weitgehend neben der vorsätzlichen auch die fahrlässige Verursachung der Gefahr poenalisiert wird und wegen der geringeren Strafandrohung eine exakte Grenzbestimmung dringend erforderlich ist. Dessen ungeachtet weisen die Gefährdungsdelikte eine eigenständige Problematik auf, wie namentlich Welzel mit der Aufstellung eines doppelten Gefahrbegriffs herausgearbeitet hat (Lehrb., § 18 I 2 b, S. 137; ders., Das neue Bild, S, 37/38; vgl. auch Schröder, Gefährdungsdelikte, S. 27; ablehnend Tompert, S. 84, der den Gefährdungsvorsatz nur als abgeschwächten Verletzungsvorsatz begreift, vgl. im einzelnen S. 83 ff. mit Noten 95 ff.). Zur Problematik der konkreten Gefährdungsdelikte vgl. im übrigen Engisch, Untersuchungen, S. 408/409; Lackner, insbes. S. 16 - 22 und NoH. Im Unterschied zu dieser doppelten Gefahrbestimmung können bei den Verletzungstatbeständen Risikogröße und Erfolgsnähe nicht nacheinander und ineinander verschachtelt, sondern nur zugleich gesehen werden; mit Recht bemerkt NoH (S. 23), daß die eventuelle Verletzung im Gefährdungsvorsatz stets enthalten sei. - Die Eigenständigkeit der konkreten Gefährdungsdelikte erfordert aber keinesfalls eine unterschiedliche Grenzbestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit, im Gegenteil: Wollte man die Grenze von vorsätzlicher und fahrlässiger Gefährdung nicht parallel zu der Trennungslinie von bedingt vorsätzlicher und bewußt fahrlässiger Verletzung ziehen, so müßte man sich den Vorwurf gefallen lassen, die Schuldformen von Vorsatz und Fahrlässigkeit je nach Erfolgsunwert unterschiedlich zu umschreiben. Bei einheitlicher Grenzziehung hingegen ist gleichzeitig auch die wichtige Trennungslinie von bewußt und unbewußt fahrlässiger Verletzungshandlung (siehe dazu oben bei Fußn. 140 f.) bestimmt: eine bewußt fahrlässige Gefähr-
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g) Die unbewußte Fahrlässigkeit aa) Obergrenze und Zwischenbereich Die Obergrenze der unbewußten Fahrlässigkeit ergibt sich jetzt fast zwangsläufig: Auch das Risiko als solches wird nicht mehr ernst genommen, die Gefahr erscheint in der Tat nur noch als abstrakte, sie wird als unbeachtlich gering veranschlagt, so daß die Tat letztlich für ungefährlich gehalten wird236 , die Gefährdung des Rechtsguts wird nicht mehr in den Verwirklichungswillen des Täters aufgenommen237 • - Die unbewußte Fahrlässigkeit reicht jedenfalls hin bis zu dem Fall, daß der Täter die Gefahr (kraft überlegung) mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit oder gar Sicherheit ausschließt238 , 231. bb) Die "irrationale" Parallele Dem rational-unbewußt fahrlässigen Verletzungsdelikt parallel liegt der immer wieder angeführte, aber nicht in die richtige Ordnung gebrachte Fall240 , daß der Täter anfangs die Gefahr sieht, ja sogar ausgesprochen ernst nimmt, möglicherweise gar eine Verletzung ernstlich für möglich hält und dann in höchstem Maße unvernünftig das Risiko dung kann im Falle des Erfolgs nicht mehr die Verurteilung wegen luxuria nach sich ziehen. !36 So zu Recht Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 155. 237 Es wurde bereits erwähnt, daß Schröder (Vorsatzbegrüf, S. 231: "vielleicht") und Schmidhäuser (AT 10/86) diese Konstellation zwar der bewußten Fahrlässigkeit zurechnen wollen, daß diese jedoch im Grunde der unbewußten Fahrlässigkeit im herkömmlichen Sinne entspricht (zugegeben von Schmidhäuser, Fahrlässigkeit, S. 312; vgl. auch AT 10/87). - Für bewußte Fahrlässigkeit aber fälschlich Gessner, S. 113; richtig (unbewußte Fahrlässigkeit) hingegen Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 155 und 170; zwangsläufig auch Engisch, Untersuchungen, S. 4041405. 238 Es ist also noch nicht der Fall der völligen Unbewußtheit einer Gefahrsituation gemeint. 2311 Ohne die Parallelität zu weit vorantreiben zu wollen, ließe sich sagen, daß hier insoweit die theoretischen Konstellationen des bewußt und unbewußt fahrlässigen Gefährdungsdelikts zusammengefaßt werden; a. A. Tompert, S. 83 Note 95, der im Rahmen der Gefährdungsdelikte nur die unbewußt fahrlässige Gefährdung neben dem Gefährdungsvorsatz anerkennt. Eine Unterscheidung des bewußt fahrlässigen vom hier sog. rational-unbewußt fahrlässigen Gefährdungsdelikt erscheint allerdings nicht mehr sinnvoll; allein die Ernstnahme oder die Nichternstnahme des Risikos bleibt rational erfaßbar und nachvollziehbar. Man ist versucht, innerhalb der "intellektuellen Gefährdungsdelikte" entgegen Tompert lediglich die bewußt fahrlässigen anzuerkennen und eine subjektiv empfundene "abstrakte Gefahr der Gefährdung" als Gedankenspielerei abzutun. Daneben sollte diskutiert werden, ob man die (bewußt) fahrlässigen Gefährdungsdelikte überhaupt dem Kriminalunrecht zuordnen darf; zu der ähnlichen Fragestellung bei den unbewußt fahrlässigen Verletzungstatbeständen siehe unten Fußn. 319. 240 Vgl. allerdings im Ansatz Stratenwerth, S. 55.
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beiseite schiebt. Zu denken ist etwa an den übermütigen Autofahrer, der in frivolem Leichtsinn ein überaus riskantes Überholmanöver wagt und sich dabei in einer weitgehend irrational gefärbten Zuversicht wiegt. Sofern dieses Beispiel gegen die Wahrscheinlichkeitstheorie241 oder gegen die intellektualistische Auffassung Schröders und Schmidhäusers242 verwendet wird, wird die Bedeutung des Falles verkannt. Er stellt keine Theorie in Frage, sondern bereichert eine jede um eine selbständige Variante. Da es stets auf den Augenblick der Entschlußfassung ankommt243 , liegt auf jeden Fall dolus eventualis nicht vor. Aber auch das ernstliche Fürmöglichhalten einer Gefährdung muß richtigerweise ausgeschlossen werden. Um es zu wiederholen - ebenso wie die Fälle des dolus eventualis zeichnen sich auch die Konstellationen der bewußten Fahrlässigkeit dadurch aus, daß der Täter eine Konfliktssituation erlebt; er muß Stellung beziehen zum Risiko, er läßt sich beim Handeln vom Bewußtsein der konkreten Gefahr als solcher nicht abhalten. Ganz anders ist jedoch die psychische Situation des übermütigen Autofahrers zu beurteilen. Im Zeitpunkt des Handlungsentschlusses und bereits vorher in der entscheidenden Einschätzungsphase ist das Bewußtsein um die Gefahr überlagert durch eine unvernünftige Zuversicht; der Fahrer entscheidet sich nicht trotz des Risikos, sondern handelt konfiiktslos wegen Geringschätzung und irriger Verkennung der Gefahr. - Entgegen einer verbreiteten Ansicht244 handelt es sich somit hier um eine Fallvariante der unbewußten Fahrlässigkeit245 • Es bleibt die Frage, inwieweit diese Konstellation in den Rahmen der hier zunächst angestrebten intellektuellen Fallsammlung gehört. - Man könnte vordergründig erwidern, daß der Täter immerhin während des Willensbildungsprozesses ein (hohes) Wahrscheinlichkeitsurteil gefällt hat und insofern eine rationale Stellungnahme - wenn auch nur vorübergehend - vorhanden war. Entscheidend ist jedoch etwas anderes. Etwa Roxin, Abgrenzung, S. 60/6l. Vgl. Stratenwerth, S. 57; Roxin, Abgrenzung, S. 60; ders., Bild, S. 39l. 243 Siehe oben (bei) Fußn. 192; richtig bemerkt Roxin, Abgrenzung, S. 60, daß der Handlungsentschluß vom Bewußtsein der Gefahr nicht berührt wird. U4 Roxin, Abgrenzung, S. 60; wohl auch Stratenwerth, S. 57; es bleibt allerdings einzuräumen, daß hier eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist: Das von Roxin a.a.O. gebrachte Beispiel des Lehrers, der seine Schüler trotz eines Verbots im gefährlichen Fluß baden läßt, kann ein Fall der bewußten Fahrlässigkeit sein. 245 Richtig Schröder, Vorsatzbegriff, S. 231 (Verneinung des Vorsatzes bedeutet für Schröder - vgl. auch Vorsatzbegriff, S. 245 - grundsätzlich die Zuweisung des Falles zur unbewußten Fahrlässigkeit im herkömmlichen Sinne); richtig auch Schmidhäuser (AT 10/86), der diesen Fall gleichberechtigt neben die rational-unbewußte Fahrlässigkeit stellt, beide Konstellationen allerdings von seinem Standpunkt aus als bewußt fahrlässige Handlungen bezeichnet (vgl. dazu oben Fußn. 237). 241 242
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Die immer wieder behaupteten irrationalen Gründe246 beim waghalsigen und übermütigen Handeln können jedenfalls zum Teil in Frage gestellt werden. Dabei muß vorweg nochmals klargestellt werden, daß der eigentliche Antrieb zur Willensbildung ein ursprünglich-letztes seelisches Phänomen ist247 , das nicht auf andere seelische Vorgänge, intellektueller oder emotionaler Art, zurückgeführt werden kann248 • Aber nicht um diese "pathischen" , der Tiefenschicht entstammenden Anregungen geht es, sondern um eine etwaige Steuerung und Kontrolle dieser Antriebe bereits im Unterbewußtsein, d. h. um die Gründe für die abschließende übermütige Stellungnahme innerhalb des Willensbildungsprozesses: "Mir kann nichts passieren." Mit Recht weist WelzeP49 darauf hin, daß sich zwischen Tiefenschicht und Ichzentrum des Menschen eine Persönlichkeitsschicht befindet, die als Reservoir zahlreicher bereits früher vollzogener Entscheidungen angesehen werden kann 250 • Da das Ichbewußtsein nicht jede "pathische" Anregung wachbewußt erledigen könne 251 , kontrolliere und steuere die Persönlichkeitsschicht die menschlichen Antriebe, indem aufgrund oft wiederholter Entscheidungen die eine Anregung zurückgedrängt und die andere zugelassen wird252 • - So ist es auch bei dem übermütigen Autofahrer denkbar, daß seine dem objektiven Betrachter völlig unvernünftig erscheinende Zuversicht dadurch zustande kommt, daß das Unterbewußtsein bzw. Halbbewußtsein253 zahlreiche ähnliche Fahrsituationen aktiviert, die dem Fahrer ein gewisses Sicherheitsgefühl geben, ohne daß der seelische Vorgang ins Ichzentrum gelangt. Andererseits vermag die pathische Anregung, etwa der Tatendrang des Jugendlichen25 4, auch so gewichtig zu sein, daß sie gegen die Erfahrungsentscheidung im Bereich der Persönlichkeitsschicht die Verwirklichung 2«8 Tompert, S. 36; Stratenwerth, S. 57; Roxin, Abgrenzung, S. 60; Ambrosius, S. 56 (er geht sogar so weit, auch die Gründe der Ernstnahme als irrational zu bezeichnen; ähnlich Baumanns, S. 73). 247 Siehe bereits oben bei Fußn. 171 ff. und Ambrosius, S. 24, 27. 248 Treffend Welzel, Lehrb., § 13 I 2, S. 69; vgl. auch Platzgummer, S. 25 Fußn.l0. 2411 Lehrb., § 20 H, S. 149/150; vgl. auch Arthur Kaufmann, Unrechtslehre, S.109. 250 Siehe bereits oben Fußn. 175. 251 Dazu bes. Gössel, S. 66/67 mit Hinw. auf Rothacker. 252 Arthur Kaufmann (Handlungslehre, S. 152 und Unrechtslehre, S. 111/112) stellt richtig klar, daß diese Argumentation nicht erst in die Schuldlehre (so aber Welzel), sondern bereits in die Handlungslehre gehört. 253 Zur unterschiedlichen Terminologie vgl. etwa Arthur Kaufmann, Unrechtslehre, S. 110. 254 Stratenwerth, S. 27 Fußn. 25; Gössel, S. 70 mit Hinw. auf Lersch.
13 Wolter
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erzwingt und somit die anfangs erkannte ernstliche Gefahrsituation in den Hintergrund des Bewußtseins abdrängt255.
Im Grundsatz kann mithin die Einbeziehung der Variante des übermütigen Autofahrers in das Fallmosaik gerechtfertigt werden. Diese Berechtigung wird vollauf wirksam, wenn man bedenkt, daß beim Täter im entscheidenden Zeitpunkt der Nichternstnahme der Gefahr und dem zwingend darauf folgenden Handlungsentschluß ein bestimmtes (außerordentlich geringes) Wahrscheinlichkeitsurteil vorhanden ist256• ce) Die Untergrenze der unbewußten Fahrlässigkeit Die Untergrenze der unbewußten Fahrlässigkeit charakterisiert ein von Gessner257 herangezogenes Beispiel: Jemand putzt unvorsichtig ein Gewehr, das, wie er weiß, geladen ist; er kommt nicht zu der Vorstellung, daß in der Richtung des Gewehrlaufs ein Mensch steht, weil er die Vorstellungsreihe, daß er am Hahn operiert, vorschnell durch die Vorstellung kupiert, ein Schuß könne bei der normalen Berührung nicht losgehen. In diesem Fall kommt dem Täter weder die mögliche Verletzung noch auch nur das Risiko ins Bewußtsein. Und dennoch liegt hier eine noch typische Konstellation der unbewußten Fahrlässigkeit vor258 , da der Täter (pflichtwidrig) durch Überlegung zu einem - wenn auch nichtigen Wahrscheinlichkeitsurteil gelangt ist. Es läßt sich insoweit von einer Vorstufe der anderen Fallvarianten sprechen, da nicht der tatbestand255 Weiterhin ist eine intellektualistische Argumentation auch in den unten zu behandelnden Fällen der antriebsunmittelbaren Handlung unzutreffend, bei Taten also, bei denen die Funktionen von Persönlichkeitsschicht (und Ichzentrum) regelrecht übergangen werden (dazu auch Platzgummer, S. 29). Von dieser bedeutungsvollen Konstellation abgesehen ist aber das menschliche Verhalten entgegen Arthur Kaufmann (vgl. Handlungslehre, S. 152; Unrechtslehre, S. llO) einer rationalen Aufschlüsselung zugänglich. Es ist nicht so, daß der Mensch, "vor neue, noch nie erlebte Situationen gestellt, auf Anhieb unwillkürlich zielstrebig" (von dem Erfahrungsreservoir der Persönlichkeitsschicht völlig unabhängig) handeln kann; vielmehr aktiviert das Halbbewußtsein in kleinsten Bruchteilen von Sekunden und mithin rein sachgedanklich parallele, ähnliche und gegensätzliche Erfahrungen und trüft aufgrund dieser Stoffsammlung und Materialsichtung eine wertende, der festgelegten Persönlichkeit entsprechende neue Entscheidung. Dieser Vorgang geht weit über die von Arthur Kaufmann angeprangerte Computer-Tätigkeit hinaus; vgl. insgesamt hierzu auch Platzgummer, S. 28/29. - Andererseits entspringen die "schöpferischen Eingebungen des Menschen" entgegen Arthur Kaufmann a.a.O. nicht der Persönlichkeitsschicht, sondern letztlich den ihr vorgelagerten Gestimmtheiten, Gefühlsregungen und Antriebserlebnissen der Tiefenschicht (vgl. dazu Gössel, S. 70 mit Hinw. auf Lersch). In der geheimnisvollen, aber grundsätzlich rational erfaßbaren Welt des Unter- und Halbbewußten wird lediglich das Streben nach "Schönheit und Poesie" im Sinne der durch Erfahrungen festgelegten Persönlichkeit zur endlichen schöpferischen Verwirklichung gelenkt. 250 V gl. Tompert, S. 36/37. 257 S. 90 Fußn. 260 mit weit. Hinw. 258 Vgl. Gessner, S. 90.
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liche Erfolg, sondern eine Vorbedingung der möglichen Rechtsgutsverletzung ins Auge gefaßt wird259 .
u. Das abgewogene Ernst- bzw. Leicbtnebmen der Deliktsverwirklicbung oder einer Vorbedingung
1. Die Bedeutung der Gegenfaktoren Zeichnete sich die vorstehende Fallreihe dadurch aus, daß der Täter aufgrund einfacher Abschätzung der Kausalfaktoren zu einem subjektiven Wahrscheinlichkeitsurteil gelangte, das sich mit einer individuellen Stellungnahme des Ernst- oder Leichtnehmens der Rechtsgutsverletzung oder des Risikos verband, so sind jetzt die entsprechenden Falltypen zu untersuchen, bei denen der Täter verschiedene, den abgeschätzten Kausalverlauf behindernde Gegenfaktoren in Rechnung stellt. Man muß berücksichtigen, daß ein Täter oftmals bei der Abgabe des Wahrscheinlichkeitsurteils sein Erfahrungswissen, seine Geschicklichkeit, seine Erkundigungen und andere Faktoren zu dem erwarteten Kausalverlauf in Beziehung setzt und auf diese Weise glaubt, die anfängliche Wahrscheinlichkeitsquote herabschrauben zu können28o. Nochmals sei vermerkt, daß sich diese "sachgedankliche" Stoffsammlung und Materialsichtung während des Willensbildungsprozesses nur sehr unvollkommen nachvollziehen läßt, auch wenn sie weitgehend rational erfaßbar ist281 . Noch eher als bei dem sogenannten "einfachen Wahrscheinlichkeitsurteil" wird sich allerdings der Einschätzung der Gefahr eine Stellungnahme zur möglichen Rechtsgutsverletzung anschließen. Und gerade beim abgewogenen Ernstnehmen taucht das Phänomen der Änderung des Handlungsentschlusses auf. Zu prüfen ist dann - man denke etwa an den mehrfach angesprochenen Lederriemen-Fall des Bundesgerichtshofes282 - jeweils der neue Willensbildungsprozeß283.
259 Dieser Fall könnte daneben auch die intellektuelle Untergrenze eines etwaigen konkreten Gefährdungsdelikts bilden (vgl. etwa Art. 129 des Schweizerischen StGB; siehe auch AE, Person, S. 21). 260 Vgl. dazu auch Germann, S. 369, insbes. auch S. 363 zu den psychologischen Vorgängen. !81 Die rationale Erfaßbarkeit der Bewußtseinsphase ist dabei im Lichte der neueren Psychologie zu betrachten, die mit Nachdruck darauf verweist, daß die Überlegungen und Bewußtseinsinhalte durch die individuelle Erfahrung und die Art der Persönlichkeit geprägt werden, die einer echten Abwägungsfreiheit nur einen begrenzten Spielraum lassen (vgl. dazu etwa PZatzgummer, S. 28/29). 282 BGHSt 7, 363 ff. 283 Vgl. auch Ambrosius, S. 25; Armin Kaufmann, Deliktsaufbau, S. 77.
13·
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2. Die psychologischen Sachverhalte der Schuldformen Eine weitreichende Aufschlüsselung der denkbaren Konstellationen in Fallgruppen scheint dabei entbehrlich. Man erkennt ohne weiteres, daß sich abgeschätzte Kausalfaktoren und in Rechnung gestellte Gegenüberlegungen gleichsam wie auf zwei Waagschalen in einem Wechselspiel befinden. Die Voraussetzungen eines jeden Schuldbereichs lassen sich anhand der gefundenen Kriterien leicht positiv und negativ bestimmen. So ist zum Beispiel der dolus directus positiv dadurch bestimmt, daß der Nebenerfolg für sicher gehalten wird; negativ dadurch, daß ebenso sicher die etwaigen Gegenfaktoren nach Ansicht des Täters nicht die geringste Wirksamkeit entfalten können. Dem im Wagen fliehenden und von der Polizei verfolgten Räuber etwa nützt bei der waghalsigen Autofahrt - wie er erkennt - auch seine gesamte Geschicklichkeit nichts, wenn die ihn allein rettende Verletzung eines Passanten auch bei größtmöglicher Fahrkunst unvermeidbar ist.
Bedingter Vorsatz ist immer dann anzunehmen, wenn der Täter einen Fehlschlag ernst nimmt. Dieses ernstliche Fürmöglichhalten ist dabei nur das Spiegelbild der Einschätzung sämtlicher Gegenfaktoren; sie besitzen zwar eine gewisse Überzeugungskraft, sind letztlich aber so schwach, daß der Täter ihre Wirkungslosigkeit immer noch ernstlich in Rechnung stellt. Umgekehrt entbehren sie dieser Übe-rzeugungskraft im Falle der bewußten Fahrlässigkeit nicht mehr. Sie beeindrucken den Täter vielmehr so sehr, daß er auf das Ausbleiben des deliktischen Erfolgs vertraut und ein Versagen der Gegenfaktoren nicht mehr ernstlich für möglich hält264 • Mit dieser Betrachtungsweise ist auch ohne weiteres der Streit um den von Armin Kaufmann 265 gebildeten Fall zu lösen, daß der Täter seiner eigenen Geschicklichkeit eine reelle Chance einräumt, andererseits aber immer noch mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts rechnet266 • Trotz der Ernstnahme der Rechtsgutsverletzung gelangt Armin Kaufmann hier zur bewußten Fahrlässigkeit267 und verweist dabei auf Welzel, der ebenfalls den Vorsatz schon dann verneint, wenn der Täter im Vertrauen darauf handele (d. h. es sich zutraue), durch seine Geschicklichkeit, seine Geistesgegenwart, seine Sorgfalt oder Vorsicht den Erfolg vermeiden zu können268 • Demgegenüber erachtet Roxin 269 die Vorsatzstrafe für angezeigt, Vgl. auch Binavince, S. 183 und 185. Deliktsaufbau, S. 77; vgl. jetzt auch Baumanns, S. 53 Fußn. 1, 59, 95 Fußn. 3 und 155/156. 2GB Deliktsaufbau, S. 74. 287 Deliktsaufbau, S. 77. 288 Lehrb., § 13 I 2, S. 68; ebenso Germann, S. 362 Fußn. 6 und 394; im Ansatz auch Jescheck, Aufbau, S. 487; neuerdings bes. deutlich auch Baumanns (S. 53 2M
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da sich der Täter für die mögliche Rechtsgutsverletzung entschieden habe. - In der Tat ist das Vertrauen auf die Gegenfaktoren zu wenig. Zu fordern ist vielmehr, daß der Täter seine Geschicklichkeit (und ähnliches) so ernsthaft in Rechnung stellt, daß er zwangsläufig auf einen guten Ausgang vertraut. Anderenfalls entscheidet er sich letztlich für die Deliktsverwirklichung, da er nicht umhin kann, die mögliche Rechtsgutsverletzung noch sehr ernst zu nehmen270 • Fußn. 1, 59 und 155/156), für den bereits die ernsthafte Anstrengung des Täters zur Erfolgsvermeidung ausnahmslos die Fahrlässigkeitsstrafe nach sich zieht. Baumanns begründet das ohne große überzeugungskraft mit einem Umkehrschluß aus der Absichtsverwirklichung (S. 61): Der Täter versuche mit ähnlicher Entschlossenheit, mit der der Absichtsdelinquent den Erfolg erstrebt, eine Nebenfolge abzuwenden. Baumanns ist entgegenzuhalten, daß das Strafrecht bei eingetretenen Erfolgen wegen des Prinzips des Rechtsgüterschutzes nicht auf die verbrecherische Energie (S. 61), sondern auf die mißachtete Erfolgsnähe abheben muß. Es ist ein unhaltbares Ergebnis, daß ein nicht sehr geübter Schütze, der einem Mann aus größerer Entfernung die Pfeile aus dem Mund schießen will und den Kopf des Mannes trüft, allein deshalb mit der unscheinbaren Fahrlässigkeitsstrafe belegt werden soll, weil er sich immerhin redlich bemüht hat, sein eigentliches Ziel zu treffen (so aber Baumanns, S. 62). Daß bei Höchstwahrscheinlichkeit des deliktischen Erfolgs bzw. völliger Unerfahrenheit des Schützen anderes gelten soll (Baumanns, S. 63) versteht sich von selbst: Hier ist bereits die nächste Stufe des dolus directus erreicht. - Umgekehrt soll nach Baumanns der Täter, der die möglichen, die Chance des Erfolgseintritts vermindernden Gegenmaßnahmen nicht ergreift, schon um deswillen - abgesehen von jeder objektiven und subjektiv empfundenen Erfolgsnähe - wegen seiner rücksichtslosen Gesinnung Vorsatztäter sein (S. 128); gerade in der Unterlassung jedweder Gegenanstrengung sei die vorsatzbestimmende Antizipation zu erblicken (S. 128/129). Dieser Gesinnungsunwert müsse sogar dann gelten, wenn der Täter in einem Fall, in dem sich tatbestandsloser Haupterfolg und deliktische Nebenfolge ausschließen, das Hauptziel nicht "nach besten Kräften" verfolgt - wiederum unter Außerachtlassung der Ernst- oder Leichtnahme der möglichen Deliktsverwirklichung (S. 129). Diese von Baumanns selbst so benannte pragmatische Lösung, die Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkte, willenstheoretische und vor allem gesinnungsbetonte 'überlegungen miteinander vermischt (S. 155), trüft neben der Ungerechtigkeit in den Ergebnissen der Vorwurf, die Arbeiten von Roxin, Abgrenzung; Gessner; Germann; Tompert; Maihofer; Gössel; Platzgummer; Schewe u. a. unberücksichtigt zu lassen. tel Abgrenzung, S. 59; vgl. auch Stratenwerth, S. 61; Jescheck, Lehrb., § 29 III 3 d, S.203.
170 Daß die Lösung Armin Kaufmanns (ihm folgend Gössel, S. 118) auch vom finalistischen Standpunkt aus verfehlt ist, haben Stratenwerth (Finalist), S. 61 und Roxin, Täterschaft, S. 188 f. überzeugend nachgewiesen; vgl. auch Ambrosius, S. 66 f.; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 169. Mit Recht stellt auch Tompert (Finalist), S. 1081109 nicht auf den Vermeidungswillen, sondern auf das übrigbleibende Wahrscheinlichkeitsurteil ab. Auch soweit der Täter während der Tatausführung die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt (vgl. dazu Jescheck, Aufbau, S. 487), kommt es richtigerweise nicht auf die Manifestation des Vermeidungswillens, sondern auf das (revidierte) Wahrscheinlichkeitsurteil einschließlich der verbleibenden Stellungnahme zum Deliktserfolg an. Die Forderung Armin Kaufmanns nach einem manifestierten, d. h. betätigten Vermeidungswillen (Deliktsaufbau, S. 76; vgl. auch Baumanns, S. 64 Fußn. 1), überzeugt nicht. Wie mehrfach begründet, kommt es allein auf den vor der Handlungsausführung liegenden Willensbildungsprozeß an (vgl. Ambrosius, S. 67);
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Unbewußte Fahrlässigkeit schließlich liegt vor, wenn der Täter seinen Gegenmaßnahmen eine solche Kraft zumißt, daß das Risiko des deliktischen Erfolgs als unbeachtlich gering und abstrakt erscheint. Denkt man an das Bild der Waage, dann besitzen die Gegenfaktoren eine solche subjektiv empfundene Sicherheitsquote, daß sie als Faktoren dem Bereiche des dolus directus zugehörig wären.
Auch im Rahmen des hier sog. "abgewogenen Leichtnehmens" gibt es Parallelfälle zu dem oben aufgezeigten "irrationalen" Phänomen einerseits und dem Schußwaffen-Fall andererseits: Der übermütige Autofahrer gewinnt seine frivole Zuversicht aus einer völligen Fehleinschätzung seiner fahrerischen Qualitäten; der Gewehrreiniger drängt das unmittelbar bevorstehende Bewußtsein eines Verletzungsrisikos rechtzeitig dadurch ab, daß er gerade seine Fingerfertigkeit für ausreichend hält, einen Schuß zu vermeiden.
B. Die Absicht Bei den Absichtsfällen sind zunächst die Affekttaten außer Betracht zu lassen. Die hier zu untersuchenden Intellekttaten können in drei Gruppen aufgeteilt werden. I. Die direkte Absidlt
Völlige übereinstimmung besteht insoweit, als Absicht immer dann vorliegt, wenn der deliktische Erfolg erstrebt und entweder als gewiß oder als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretend angesehen wird. Der erstrebte Erfolg im Rahmen dieser "direkten Absicht"271 kann dabei Triebfeder272 und Alleinziel, gleichgeordnetes Mitziel oder Zwischenziel278 sein. Demgegenüber weist der bekannte FahrkartenFall entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofesm richtigerweise keine Absichtsproblematik auf. Wird der Vermögensvorteil als sichere und nicht unerwünschte Nebenfolge angesehen, so liegt dolus directus vorm. Die Nebenfolge liegt gerade nicht im Zielstreben des Täters; vielzudem ist es zumindest nicht bei jeder Fallkonstellation möglich, den Vermeidungswillen des Täters objektiv zu erkennen (vgl. Gessner, S. 64; Germann, S. 363 Fußn. 7). Annin Kaufmanns Kriterium besitzt demnach allenfalls Indizfunktion (richtig Ambrosius, S. 68; Germann, S. 363 Fußn. 7; Jescheck, Aufbau, S. 483; ders., Lehrb., § 29 III 3 d, S. 203). 271 Als Parallele zum direkten Vorsatz. m RGSt 55, 257 (260); vgl. dazu aber Wetzel, Vorteilsabsicht, S. 21, der nicht auf die vor dem Handlungsentschluß liegenden Regungen, sondern auf den zu erreichenden Zweck: abhebt. 273 Vgl. etwa Schönke-Schröder, § 59 Anm. 49; Engisch, Untersuchungen, S.145. Z74
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BGHSt 16, 1 (6). Richtig etwa Welzel, Vorteilsabsicht, S. 22: Mezger-Blei I, § 63 H, S. 182.
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mehr wäre es ihm lieber gewesen, wenn er den vom Gericht bejahten Betrug der Bundesbahn vermieden hätte. D. Die Eventualabsicht
Denkbar ist die weitere Konstellation, daß der Täter die erstrebte Folge aufgrund seines Wahrscheinlichkeitsurteils nicht für sicher eintretend, sondern nur ernstlich für möglich hält. Insoweit könnte man parallel zum dolus eventualis von Eventualabsicht sprechen276 . Die völlig h. M.277 erkennt die Eventualabsicht als echten Absichtsfall an, stellt sie dabei allerdings wie die "direkte Absicht" weitgehend unter den Oberbegriff des dolus directus278 • Es ist an der Zeit, diese Zusammenfassung der unterschiedlichen Fälle von Vorsatz und Absicht aufzugeben. Zwar ist dazu nicht notwendig, den Vorsatz mit Schmidhäuser279 jeden voluntativen Elementes zu berauben; erforderlich ist jedoch die Einsicht, daß das finale Wollen eine Doppelfunktion innehat: Einerseits umfaßt es ein finales Moment, das auch für die Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten280 eine handlungs- und tatbestandsbegründende (nach Schmidhäuser281 : unrechtstatbestandsbegründende) Funktion besitzt; andererseits charakterisiert es in Entsprechung (wenn auch in weitgehender Unterschiedlichkeit282 ) zu den voluntativen Elementen von Vorsatz und Fahrlässigkeit die Qualität des Handlungsentschlusses und besitzt deshalb auch eine schuldtypisierende (nach Schmidhäuser283 : schuldbegründende) Eigenschaft 284 . !78 Vgl. Germann, S. 355 Fußn. 6 mit Hinw. auf die Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, z. B. BGE 80 IV 121. Dabei ist zu wiederholen, daß die Eventualabsicht nach der Wertung des Gesetzes nicht (wie der bedingte Vorsatz gegenüber dem dolus directus) als eine von der direkten Absicht zu unterscheidende Schuldart gekennzeichnet werden kann; sie stellt vielmehr nur einen Anwendungsfall der Absicht dar (siehe oben (bei) Fußn. 139). 177 Vgl. etwa Baumann, Lehrb., § 26 Irr 2, S. 388/389; Maurach AT, § 22 Irr B 2 b, S. 226; Dreher, Niederschriften, S. 103; NoII, S. 25; Schönke-Schröder, § 59 Anm. 51; Schröder, Vorsatzbegriff, S. 212; Mezger-Blei I, § 63 IV 2 b, S. 185; Wetze I, Vorteilsabsicht, S. 21; vgl. auch Oehler, Probleme, S. 1634; nicht einheitlich der BGH, so z. B. ablehnend in BGHSt 16, 1 (5), zust. in BGHSt 21, 283 (284/285) und BGHSt 18, 246 (248). !78 Vgl. etwa Schröder, Vorsatzbegriff, S. 212; WelzeI, Vorteilsabsicht, S. 21; BGHSt 18, 246 (248). !7I Vorsatzbegriff, S. 21; vgl. dazu eingehend bereits oben Fußn. 63 und 185. !SO Zumindest im Sinne einer Handlungsfinalität; vgl. Schmidhäuser, Vorsatzbegriff, S. 25 und AT 8/28; siehe auch Arthur Kaufmann, Handlungslehre, S. 151/152 und Unrechtslehre, S. 108; - weitgehend auch im Sinne einer Verletzungsfinalität; siehe dazu unten. t81 Vorsatzbegriff, S. 25. !8! Siehe oben bei Fußn. 178 ff. t8B Vorsatzbegriff, S. 26. 184 Vgl. auch Schmidhäuser AT 10/26.
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
In. Die Absichtsparallele zur bewußten Fahrlässigkeit Die Auffassungen in dem weiteren Fall, daß hinsichtlich des Erfolgseintritts nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil entsprechend dem bei der bewußten Fahrlässigkeit vorliegt, sind nicht ganz einheitlich und klar. Ausdrückliche Übereinstimmung besteht nur für den weitergehenden Grenzfall: Wird der Eintritt des erstrebten Erfolgs nur als Zufall angesehen, ist die Wahrscheinlichkeit also so gering, daß man die Gefahr für das Rechtsgut als abstrakt (im erörterten Sinne) ansehen könnte, kann demgemäß der Täter nur auf den Eintritt des Erfolgs hoffen, dann schließt die h. L. mit Recht die Absicht aus285 • Zu denken ist etwa an den Erbonkel-Fall, in dem der Neffe den zukünftigen Erblasser in der Hoffnung auf einen Flugzeugabsturz zu einer Reise überredet; weiterhin muß die strafrechtlich relevante Absicht auch dann ausscheiden, wenn der Täter seinen Widersacher aus außerordentlicher Entfernung (kraft Zufalles) zu erschießen trachtet. Fraglich bleibt, ob der Bereich zwischen Eventualabsicht und Straflosigkeit von den Absichtsfällen ausgefüllt werden kann. Die Strafbarkeit in diesem sonst der bewußten Fahrlässigkeit zugehörigen Bereich wird zwar von niemandem ernstlich und ausdrücklich angezweifelt286 , die Frage stellt sich aber vornehmlich wegen der unausweichlichen Konsequenz, daß man je nach Intention des Täters bei gleichem Wahrscheinlichkeitsurteil mit entsprechend gleicher ernstlicher oder nichternstlicher Stellungnahme einmal zur Vorsatzstrafe (wegen Absichtsverwirklichung), das andere Mal zum Fahrlässigkeitsurteil gelangt. - Nur Schröder, Schmidhäuser und Maihofer umgehen diese Diskrepanz, indem sie mit einer hier abgelehnten Argumentation die bewußte Fahrlässigkeit zum bedingten Vorsatz ziehen. Bleibt man aber bei der Trennung von dolus eventualis und luxuria, dann muß man Tompert 287 zugeben, daß sich Absicht und bewußte Fahrlässigkeit nur durch eine wertende Stellungnahme unterscheiden lassen; das Vorsatzstrafmaß wird gleichsam durch die Verwerflichkeit des Erstrebens erfordert. Man muß sich dann weiter auch der schärfsten Waffe der h. L.288 gegen die Wahrscheinlichkeitstheorie 285 Vgl. etwa Tampen, S. 43; Welzel, Lehrb., § 13 I 2; Dreher, Niederschriften, S. 103. Nach richtiger Auffassung ist der Ausschluß der Absicht allerdings nur ein Sekundärphänomen; es fehlt mangels Risikoerhöhung ("objektiver Zweckhaftigkeit") bereits an der objektiven Erfolgszurechnung; so Roxin, Zurechnung, S. 137 und Schaffstein, Risikoerhöhung, S. 170. 2B8 Stillschweigend ablehnend allein wohl Germann, S. 355 Fußn. 6; ansonsten findet sich häufig der Hinw., daß eine Möglichkeitsvorstellung ausreiche, vgl. z. B. BGHSt 18, 246 (248) und BGHSt 21, 283 (284/285); gerade dies deutet auf die Einbeziehung des Zwischenbereichs hin. !B7 S.12O; vgl. auch Schröder, Vorsatzbegriff, S. 212. !BB Mezger-Blei I, § 63 IV 2 b, S. 185; Maurach AT, § 22 III B 2 b, S. 226; Schröder in Schönke-Schröder, § 59 Anm. 57; ders., Vorsatzbegriff, S. 212 und 216; Dreher, Niederschriften, S. 104; ders. in Schwarz-Dreher, § 59 Anm. II B 4 a,
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beugen: Könnten nämlich recht unwahrscheinliche Erfolge - so wird argumentiert - beabsichtigt sein und die Heranziehung des Vorsatzstrafrahmens rechtfertigen, dann spiele die Wahrscheinlichkeit für die Bestimmung des Vorsatzes keine Rolle. Tompert selbst, der - wie eingehend dargelegt - eine "finalistische Wahrscheinlichkeitstheorie" vertritt, glaubt nun allerdings, dieser Konsequenz entrinnen zu können, indem er statt auf eine "absolute" Wahrscheinlichkeit auf eine "relative" Erfolgsnähe abstellt. Ein Beispiel mag das erläutern: Will der Täter aus großer Entfernung einem Mann die Pfeife aus dem Mund schießen, dann liegt absolut gesehen eine ziemlich geringe Wahrscheinlichkeit vor, daß der Mann selbst getroffen wird. Die Tötung als Nebenfolge ist nach Tompert289 aber relativ sehr wahrscheinlich, da die Verletzung auf das engste mit dem Ziel, das Treffen der Pfeife, verknüpft ist. Tompert will in diesem Falle Vorsatz annehmen 290 ; Absicht und Vorsatz reichen also gleich weit. - Es bleibt nicht verborgen, daß Tompert im Ergebnis insoweit der abgelehnten Schröderschen Konzeption nahekommt. Andererseits stellt Tompert ausdrücklich klar, daß eine relative Unwahrscheinlichkeit gleichzeitig eine absolute bedeutet291 • Damit wird deutlich, daß zumindest in diesem Rahmen die aufgezeigten Konsequenzen der verschiedenen Reichweite von Vorsatz und Absicht wiederaufleben. Ist der abzuschießende Gegenstand so weit entfernt, daß nur die konkrete Gefahr (im Sinne der bewußten Fahrlässigkeit) eines Querschlägers besteht, dann müßte man im Falle des Deliktserfolgs bei Beabsichtigung der Tötung ein Absichtsdelikt mit Vorsatzstrafrahmen, bei erstrebtem "Kunstschießen" hingegen eine bewußt fahrlässige Erfolgsverursachung annehmen292 •
c. Die Stufenverhältnisse innerhalb von Vorsatz, Fahrlässigkeit und Absicht
Das Teilmosaik der intellektuellen Absichts-, Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten rechtfertigt bereits jetzt ein unausweichliches Ergebnis: Die Absichtsfälle einerseits und die Vorsatz- und Fahrlässigkeitskonstellationen (insbesondere dolus eventualis und luxuria) andererseits stehen in einem Stufenverhältnis.
s. 294; vgl. dazu aucl;1 Annin Kaufmann, Deliktsaufbau, S. 72; Welzel, Lehrb.,
r 2, S. 70; Stratenwerth, S. 53; beachte auch die Hinw. Tomperts, S. 41; vgl. auch Beting, § 28 r, S. 48. tSD S. 43 und 46. 299 S. 46; ebenso Hall, S. 236; Welzel, Vorteilsabsicht, S. 21 Fußn. 7; vgl. dagegen den völlig gegensätzlichen Standpunkt von Baumanns, S. 62 und dazu oben Fußn. 268. § 13
m S.40.
tDt Die aufgeworfene Problematik bleibt somit bestehen und wird später mit allen Konsequenzen kritisch zu würdigen sein.
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
I. Die Begründung der Stufenverhältnisse
Die Begründung dieser Behauptung ergibt sich großenteils zwangsläufig aus den bisher angestellten Überlegungen.
1. Die AbsichtsparaHele Es wurde aufgezeigt, daß die Grenzen zwischen dolus directus und dolus eventualis wegen der feinen Abstufungen der Wahrscheinlichkeitsurteile flüssig sind. Schröder bleibt bei dieser Feststellung trotz seiner eigenen Konzeption, nach der die herkömmliche bewußte Fahrlässigkeit im dolus eventualis aufgeht. Diese These des Umfassungsverhältnisses von direktem Vorsatz, dolus eventualis und luxuria wird vor allem dadurch unterstützt, daß die gleitenden Übergänge bei der Absicht ebenso weit reichen, da insoweit stets die "Vorsatzqualität" bestehen bleibt. Es wäre nun willkürlich, das Stufenverhältnis zwischen dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit im Gegensatz zu den entsprechenden Absichtsfällen nur deshalb zu verneinen, weil man entgegen Schröder und Schmidhäuser den herkömmlichen Fällen der luxuria die Vorsatzqualität abspricht. Wohlgemerkt geht es dabei nur um das Stufenverhältnis im stellungbeziehenden Wahrscheinlichkeitsurteil; über etwaige Qualitätsunterschiede zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit läßt sich daraus unmittelbar noch nichts ableiten.
2. Die GefährdungsparaHele Als zweiter Gesichtspunkt spricht die Gefährdungsproblematik für ein Stufenverhältnis. Vergegenwärtigt man sich, daß dem dolus directus der Gefährdungsvorsatz und dem bedingten Vorsatz der eventuale Gefährdungsvorsatz entspricht, erinnert man sich weiter, daß es sowohl eine bewußte Verletzungsfahrlässigkeit als auch eine entsprechende Gefährdungsfahrlässigkeit gibt, berücksichtigt man noch die Tatsache, daß der Gefährdungsvorsatz mit der bewußten Fahrlässigkeit (vorbehaltlich der deliktischen Verwirklichung) identisch ist, und erkennt man schließlich an, daß die Gefährdung selbst nur eine Vorstufe der Verletzung bildet, dann drängt sich die quantitative Abstufung zwischen den einzelnen Fällen geradezu auf. Vereinfachend läßt sich sagen: Wenn ein Stufenverhältnis zwischen dolus directus und dolus eventualis, zwischen bewußter Fahrlässigkeit und unbewußter Fahrlässigkeit sowie zwischen Gefährdung und Verletzung293 anerkannt ist, dann läßt es sich nicht mehr zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ableugnen2Ut • !Da Vgl. dazu Schönke-Schröder, § 311 Anm. 11; Siever, S. 42 und 44; Roos, S. 49; Cramer, Neuregelung, S. 1837; zu erwähnen ist auch das einhellig anerkannte Umfassungsverhältnis von Vollendung und Versuch (dazu Kleinknecht,
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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3. Der Gesichtspunkt der Abgrenzungsschwierigkeiten Auch die hinreichend aufgezeigten (logisch-begrifflichen) Abgrenzungsschwierigkeiten295 deuten auf ein Stufenverhältnis im strukturellen Bereich hin. Es hat sich erwiesen, daß teilweise Fälle der bewußten Fahrlässigkeit zum dolus eventualis und Konstellationen der unbewußten Fahrlässigkeit zur luxuria gezogen werden - und umgekehrt. § 261 Anm. 8 C; Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 5). - An dieser Stelle sei ein klärendes Wort zum Verhältnis von konkretem und abstraktem Gefährdungsdelikt gesagt. Volz (S. 17/18) verneint ein begriffslogisches Stufenverhältnis, weil zwischen den Gefahrtypen mit einem verschiedenen Grad der Abstraktion in der ontologischen Urteilsbasis differenziert werde. Allenfalls ließe sich nach Volz ein umgekehrtes Stufenverhältnis begründen, da abstrakt gefährliche Handlungen vom Gesetzgeber deshalb für strafwürdig gehalten worden sind, weil sie mit großer Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen führen können, während bei konkret gefährlichen Handlungen die Verletzungsmöglichkeit von vornherein als fragwürdig erscheint, und die Gefahr aus diesem Grunde in den Tatbestand aufgenommen worden ist. Diese Interpretation des gesetzgeberisehen Willens mag zutreffend sein, doch läßt sich ein begriffslogisches Stufenverhältnis von einer konkreten Gefahr zu einer im konkreten Fall weniger wahrscheinlichen abstrakten Gefahr dennoch nicht verleugnen (vgl. auch Lackner, S. 20/21; KreylSchneider, S. 641): Wenn die Gefahrnähe derart abnimmt, daß ein Rechtsgut im tatbestandlichen Sinne nicht mehr konkret gefährdet wird, dann gelangt man entweder zum abstrakten Gefährdungsdelikt (etwa von § 315 c Züf. 1 a zu § 316) oder zur Straflosigkeit. Wie diese Grenze zu bestimmen ist, bedarf der näheren Erörterung im Rahmen dieser Arbeit nicht. Ein überzeugender Versuch für diese Abgrenzung fehlt auch bisher. Skizzenhaft sei lediglich vorgeschlagen, auch hier eine Grenzziehung mit dem Kriterium der "Ernstnahme" vorzunehmen, wobei im objektiven Bereich an die Stelle des Angeklagten ein sachverständiger Beobachter (versehen mit dem bestmöglichen Erfahrungswissen) zu treten hätte; vgl. dazu Schröder (Gefährdungsdelikte, S. 9), der zu Recht den generalisierenden Adäquanzgedanken in diesem Zusammenhang ablehnt (S. 10 ff.); die Streitfrage, ob auch nachtatliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sind (so Schröder, Gefährdungsdelikte, S. 131 14; a. A. Lackner, S. 18 f.), muß hier ebenso unerörtert bleiben wie das Problem, inwieweit die Prüfung der Schuldvoraussetzungen wegen der Institute der Sozialadäquanz oder des erlaubten Risikos entfallen müßte (vgl. den Hinw. NoZls, S. 31). Bei Zweüeln tatsächlicher Art gelänge man jedenfalls mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" zum abstrakten Gefährdungsdelikt oder zur Straflosigkeit. Im Grunde sind hier also nur die subjektiven Stufenverhältnisse der Schuldformen in den objektiven Bereich verlagert. Entsprechendes gilt etwa auch für die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch. Kann man den Versuch nach den subjektiven Abgrenzungstheorien als subjektiv empfundene konkrete Gefährdung des Rechtsguts bezeichnen, nach der vorzuziehenden objektiven Theorie (überzeugend Spendel, Stock-Festschrift, S. 89 mit Nachw.; R. v. Hippel, Strafrecht, S. 425 f.; vgl. auch Rudolphi, Maurach-Festschrift, bei Fußn. 65 ff.) als objektive konkrete Gefährdung, so erscheint die Vorbereitungshandlung als straflos abstrakte Gefährdungshandlung. tu( Vgl. insbes. nochmals RG Rspr. 4, 198 (199/200) zum Verhältnis von Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit. !85 Vgl. auch den Hinw. von Heinitz, Verhältnis, S.127 Fußn. 17 auf die Schuldlehre der Glossatoren und Postglossatoren; beachte insbes. auch RGSt 41, 389 (391); Hall (Fahrlässigkeit, S. 20), der in dolus eventualis und luxuria gleichermaßen Fahrlässigkeitsmerkmale aufspürt.
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4. Teil: Die AItemativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
4. Materialsammlung und Stoffsichtung innerhalb des Willensbildungsprozesses Auch die dargestellte Materialsammlung und Stoffsichtung während des Willensbildungsprozesses legt ein Umfassungsverhältnis sehr nahe. Verwendet sei nochmals das Beispiel des riskanten Autofahrens: Im Lichte des "Sachdenkens" läßt sich grundsätzlich ein wogendes Auf und Ab der Wahrscheinlichkeitsurteile und der daraus resultierenden Stellungnahmen zur Rechtsgutsverletzung bis hin zum die Beurteilungskette abbrechenden "Willensruck" nachvollziehen. Kurz vor einem objektiv riskanten Manöver stürzen auf den Täter Ausschnitte einer Vielzahl gegensätzlicher Gesichtspunkte und Informationen ein: Die äußeren Umstände werden mit der Qualität der Fahrbahn, des Wagens (Reifen, Bremsen), mit dem Wetter und der Geschwindigkeit kombiniert, das Erfahrungswissen hinsichtlich ähnlicher oder gar gleicher Situationen "meldet sich zu Wort", der Fahrer spürt ein gewisses Sicherheits- oder auch Unsicherheitsgefühl, er vertraut auf seine fahrerische Praxis, denkt (sachgedanklich oder mitbewußt) an die bestehende Reisezeit und die damit erhöhte Verkehrsdichte, an seine eigene Körperverfassung (Ermüdung, Alkohol), und er erhält schließlich "innere Informationen" über die Gefährlichkeit des Nebels oder der Nacht, über gerade passierte Warnverkehrszeichen und vieles andere mehr. Nun unterliegt es keinem Zweifel, daß stets nur ein Teil dieser Gesichtspunkte von dem Täter vor der Stellungnahme zur Rechtsgutsversetzung verarbeitet wird, oft schon aus Zeitmangel. Zudem mag auch die Zusammensetzung der Informationen individuell oder sogar in jedem Einzelfall für denselben Täter verschieden sein. Nicht zu leugnen aber ist, daß während des Willensbildungsprozesses je nach "Informationsstand" das Wahrscheinlichkeitsurteil und die daraus folgende Stellungnahme Schwankungen unterliegen können 296 • Berücksichtigt man dann noch bei kürzesten Zeitspannen den Gesichtspunkt des Zeitablaufs, dann wird deutlich, daß weitgehend ein "Mehr" oder "Weniger" der angestellten überlegungen, der erhaltenen Informationen, des persönlichen Erfahrungswissens und der eigenen Körperkonstitution 297 über Ernstnahme oder Leichtsinn hinsichtlich der Deliktsverwirklichung entscheidet. Es läßt sich nicht bestreiten, daß manchmal eine einzige weitere innere Information (z. B. die noch nicht aufgetauchte Tatsache der schlechten Bremsen) das Wahrscheinlichkeitsurteil heraufgeschraubt und den Leichtsinn in H8
192.
Vgl. nochmals Ambrosius, S. 25; Schmidhäuser AT 10/100; und oben Fußn.
m Es ist nicht unbekannt, daß jeder Mensch je nach augenblicklicher Konstitution (Schlafmenge, seelischer Zustand, Krankheit) zur Unter- oder 'überschätzung seiner Fähigkeiten neigt und andererseits nur bedingt dieser Tatsache einsichtig wird.
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eine Ernstnahme verwandelt hätte. Bestehen bei dem Richter Zweilel allein über das Vorliegen dieser inneren Information, dann muß er richtigerweise zugunsten des Leichtsinns entscheiden. 5. Die FinaHtätsparaZlele Die These des Stufenverhältnisses wird durch einen letzten, bisher noch nicht angesprochenen Gesichtspunkt unterstützt. Unter Vorwegnahme der Lösung einer weitreichenden Kontroverse läßt sich behaupten: Auch die Finalität reicht in das Gebiet der Fahrlässigkeit. Man kann darüber streiten, ob der Finalitätsbegriff überhaupt außerhalb der Absichtsfälle Geltung beanspruchen so1l288. Roxin299 führt dazu aus, daß zunächst der dolus directus in den Finalbegriff eingefügt werden müsse, da hinsichtlich der Nebenfolge eine Lenkung des Kausalverlaufs vorliege30o• Erkennt man aber den dolus directus als finalbehaftet an, dann findet sich kein überzeugendes Argument mehr gegen die These, daß auch die bewußt fahrlässige Handlung als final angesehen werden muß; der entsprechende Absichtsfall nämlich ist nach einhelliger Auffassung finalitätsgetragen 301 • Die These der Finalisten, die Finalität mit Vorsatz gleichsetzen302 , ist demnach verfehlt303 oder lediglich auf die Gleichstellung von Absicht, Verletzungsvorsatz und Gefährdungsvorsatz zu beziehen. Außer Betracht bleiben kann hier die Frage, ob auch die unbewußtrationale Fahrlässigkeit mit einer Restfinalität behaftet ist. Dem steht jedenfalls nicht entgegen, daß der parallele Absichtsfall bereits straflos ist, da die Straffreiheit nicht auf mangelnder Finalität, sondern auf zu geringer Verletzungsnähe beruht304 • m Gegen eine solche Ausweitung etwa HaTdwig, vgl. die Nachw. bei Roxin, Täterschaft, S. 182/183. Zgg Täterschaft, S. 186. 300 Insoweit ebenso AmbTosius, S. 79 und 81, der aber den dolus eventualis bereits außerhalb des Finalitätszusammenhangs stellt, allerdings insoweit eine "Steuerung" (im Gegensatz zur Finalsteuerung) anerkennt (S. 85); vgl. auch MaihofeT, S.192 Fußn.108; Baumanns, S. 53 Fußn.l. 801 überzeugend Roxin, Täterschaft, S. 187; angreifbar hingegen die Begründung von Arthur Kaufmann, Handlungslehre, S. 148, da er bei Zugrundelegung der Einwilligungstheorie von einem gleichen Grad der Möglichkeit bei dolus eventualis und luxuria ausgeht. SO! Vgl. etwa Welzel, Lehrb., § 13 I 2, S. 66 ff.; ders., Dogmatik, S. 424; Armin Kaufmann, Deliktsaufbau, S. 81; StTatenwerlh, S. 60; Niese, Finalität, S. 12; ansonsten die Nachw. bei Arthur Kaufmann, Handlungslehre, S. 148 Fußn. 30; siehe auch Tompert (S. 46), der aber einräumt, daß bei der bewußten Fahrlässigkeit eine (unbeachtliche) Restfinalität vorhanden ist (S. 46 Note 87). 103 Ebenso Roxin, Täterschaft, S. 189 mit Nachw.; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 167 - 170; Engisch, Handlungsbegriff, S. 155/156. 30' Unerörtert bleibt ferner die Möglichkeit, eine Handlungsfinalität (im
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Auch ohne die endgültige Fruchtbarmachung der Finalitätsparallele läßt sich mit Hilfe der verbleibenden Gesichtspunkte der Gefährdungsproblematik, der Abgrenzungsschwierigkeiten und vor allem des Fortschreitens des Willensbildungsprozesses statuieren, daß das Stufenverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit vom dolus directus bis hin zur rational-unbewußten Fahrlässigkeit reicht. Es bedarf nicht der Wiederholung, daß die quantitative Abstufung von luxuria und unbewußtrationaler Verletzungsfahrlässigkeit auf der Unterstufe der Gefährdung der Abschichtung von eventualem Gefährdungsvorsatz und bewußter Gefährdungsfahrlässigkeit entspricht. Ferner kann es keinen Unterschied machen, ob die zunächst erkannten übergroßen Gefahren durch Gegenbetrachtungen und Sicherheitsfaktoren des Täters auf konkrete oder abstrakte Gefahren im Sinne der bewußten bzw. unbewußten Fahrlässigkeit herabgemindert werden. Richtigerweise können daneben auch die weiteren Fälle der unbewußten Fahrlässigkeit, d. h. die "irrationale Parallele" und der "SchußwaffenFall", in das Umfassungsverhältnis einbezogen werden, obwohl diese Einordnung für das Alternativitätsproblem keinen großen Stellenwert besitzt. Für die Gleichbehandlung der irrationalen Parallele spricht etwa, daß sich das entscheidende endgültige und nur quantitativabgrenzbare Wahrscheinlichkeitsurteil aus rationalen und irrationalen Komponenten zusammensetzen kann. Der Schußwaffen-Fall kann trotz Fehlens jeder Erfolgsvorstellung deshalb in die Fallreihe einbezogen werden, weil der Täter immerhin eine Vorbedingung und damit eine Vorstufe der Schußverletzung bewußt und abwägend ausschließt. 11. Der Einwand des qualitativen Sprungs
Bevor auf die Konsequenzen der festgestellten Stufenverhältnisseso6 eingegangen werden soll, muß ein mit Sicherheit zu erwartender Einwand beseitigt werden; der Vorwurf nämlich, zwischen den beiden UnGegensatz zur Verletzungsfinalität) auch im Rahmen der vollkommen unbewußt fahrlässigen Delikte festzustellen (vgl. dazu Arthur Kaufmann, Handlungslehre, S. 151/152; ders., Unrechtslehre, S.108). 305 Das bisherige Ergebnis der Untersuchung kommt im Grundsatz den Schlußfolgerungen von Tompert (vgl. nur S. 131 ff.) nahe, da auch er - bei Zugrundelegung einer gleitenden Skala von Wahrscheinlichkeitsurteilen (etwa S. 131) - von einem Umfassungsverhältnis ausgeht. Die Gegensätze zu Tompert sind dabei dennoch einschneidend: vgl. die Frage der Beachtlichkeit des Willensbildungsprozesses, oben bei Fußn. 190; die Frage der Finalität, oben Fußn. 302; die Problematik der absoluten und relativen Wahrscheinlichkeit, oben bei Fußn. 289 ff.; vgl. auch den folgenden Text zur Frage des qualitativen Sprungs. Nicht überzeugend ist auch die Stufenlösung (de lege ferenda) von Gessner, S. 114 ff., da er das entscheidende Gewicht auf ein wertendes (emotionales) Zusatzmoment (z. B. Leichtfertigkeit, Rücksichtslosigkeit, Böswilligkeit) legt.
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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rechts- bzw. Schuldformen von Vorsatz und Fahrlässigkeit bestehe, entgegen der gesetzgeberischen Intention30e und der fast einhelligen Meinung307 , kein qualitativer Sprung308 • Tomperfl°9 weist nun zu Recht darauf hin, daß dieser Einwand gegenüber sämtlichen Abgrenzungsformeln eine gewisse Berechtigung besitzt. Auch die Ernstnahme bzw. Billigung der Deliktsverwirklichung könne derart abnehmen, daß fast unmerklich der Schritt zur Leichtnahme bzw. zum Hoffen auf einen guten Ausgang erfolgen könne. Die von Tompen daraus gezogene Schlußfolgerung, daß nur die Enden der gleitenden Skala psychischer Sachverhalte qualitative Gegensätze darstellenS1o, ist aber verfehlt. Der unterste Bereich des dolus eventualis steht auf gänzlich andersartigem Gebiet als der unmittelbar angrenzende oberste Fall der bewußten Fahrlässigkeit; sie unterscheiden sich wie a und non a31l • Dennoch bedeutet die gleichzeitige Annahme eines Stufenverhältnisses und eines qualitativen Sprungs nicht die Quadratur des Zirkels: Vielmehr liegt die Lösung des Gegensatzes darin, daß der Anwendungsbereich des Grundsatzes "in dubio pro reo" vor der endgültigen Willensentscheidung endet und mithin die voluntativen Abgrenzungsmerkmale ausklammert. Im Ursprung tatsächlich zweifelhaft sind nämlich nur die Gründe der abschließenden Stellungnahmen des Sichabfindens oder des Vertrauens auf das Ausbleiben der Deliktsverwirklichung. Es wurde oben aufgezeigt, daß die Grenze von Ernst- und Leichtnahme bei jedem Täter an einer anderen Stelle verlaufen kann; es wurde aber auch ebenso deutlich gemacht, daß das diese erste Stellungnahme begründende Wahrscheinlichkeitsurteil auf jeden Fall eine verschiedene Intensität besitzen muß. Die Alternative Ernstnahme oder Nichternstnahme kann richtigerweise niemals auftauchen, wenn der zugrunde liegende intellektuelle Teil des Willensbildungsprozesses, d. h. der die erste Stellungnahme begründende Tatsachenkomplex, bei demselben Täter unzweifelhaft bzw. identisch ist. Insoweit würde es sich um eine dem Grundsatz "im Zweifel zugunsten des Angeklagten" unzugängliche Rechtsfrage handeln. Vielmehr taucht die Alternative Ernstnahme oder Nichternstnahme nur dann auf, wenn der Richter Zweifel über das Voranschreiten des Willensbildungsprozesses und damit Zweifel tatsächlicher Art nicht auszuräumen vermag. aoe
Vgl. etwa Roxin, Abgrenzung, S. 61; siehe auch Schröder, Vorsatzbegriff,
S.230.
307 Vgl. nur R. v. Hippel, Vorsatz, S. 142; Rudolphi, S. 128; und die oben zum logisch-begrifflichen und normativ-ethischen aliud-Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit aufgezeigte Literatur. 308 Vgl. dazu Tompert, S. 131; Baumanns, S. 138; Stratenwerth AT 322 (allerdings bezogen auf die Wahrscheinlichkeitstheorie).
aot alO 311
S. 131/132. S.130. Vgl. Ambrosius, S. 62/63; Roxin, Abgrenzung, S. 61.
208
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Man kann dagegen auch nicht einwenden, man bürde dem Richter, der den nur sehr schwer nachvollziehbaren und komplexen intellektuellen Willensbildungsprozeß erforschen soll, eine unlösbare Aufgabe auf. Es ist nämlich ungleich einfacher, die Tatsachen des intellektuellen Teils im Motivationsvorgang festzustellen als - wie es nach der Einwilligungstheorie der Rechtsprechung häufig genug geschieht - die emotionalwertende Stellungnahme des Täters; ein Verfahren, das zudem mit dem geltenden Tatstrafrecht nicht stets zu vereinbaren ist3 12 • Für die Tatsachenfeststellung findet der Richter Anhaltspunkte in der Intelligenz, dem Erfahrungswissen, der Sinnesschärfe, in etwaigen Sicherheitsvorkehrungen, in den persönlichen Verhältnissen und in der körperlichen und seelischen Verfassung des Täters313 • Außerdem wurde deutlich gemacht, daß höchste Wahrscheinlichkeit nicht die Ernstnahme, geringste Wahrscheinlichkeit nicht die Nichternstnahme auszuschließen vermögen. Auch insofern ist ein verläßlicher objektiver Maßstab gegeben314 • Außerdem soll dem Richter die Aufgabe geradezu erleichtert werden, wenn man ihm einen dogmatisch und rechtsstaatlich einwandfreien Weg weist, bei verbleibenden Zweifeln tatsächlicher Art mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel einen in der Tat vom Gerechtigkeitsgefühl her unerträglichen Freispruch zu vermeiden. Man kann deshalb als Zwischenergebnis feststellen, daß der behauptete qualitative Sprung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit im intellektuellen Teil des Willensbildungsprozesses, der bis zur ersten Stellungnahme des Ernst- bzw. Leichtnehmens reicht, noch nicht aufzufinden ist. Ein Qualitätsunterschied wird erst im voluntativen Teil des Motivationsvorganges sichtbar. Nimmt der Täter die nahe Rechtsgutsverletzung ernst, dann muß er sich entscheiden, ob er handeln will oder nicht315 • Gerade die Entscheidung für den deliktischen Erfolg in dieser Konfliktslage qualifiziert den Vorsatz. Mit der Handlungsentscheidung, die bei einer Alternativität vor Vorsatz und Fahrlässigkeit stets gefallen ist, findet sich der 31: Man denke auch an das hypothetische Urteil im Sinne der 1. Frankschen Formel; vgl. dazu Ambrosius, S. 65; Jescheck, Aufbau, S. 484. 313 Beachte auch Tompert, S.134; Ambrosius, S. 65; NoH, S. 28. 314 Daneben stehen dem Richter natürlich andere Hilfsmittel und Indizien zur Verfügung, die in diesem Zusammenhang keiner näheren Erörterung bedürfen. Zur Aufhellung des intellektuellen Motivationsvorganges ist in schwierigen Fällen an die Heranziehung eines Sachverständigen zu denken. Anhaltspunkte werden ferner die Tatgestaltung (näher dazu Baumanns, S. 181), die "Natur der Handlung" (dazu Baumanns, S. 119) und die verschiedenen Interessenlagen (vgl. etwa Roxin, Abgrenzung, S. 61; Baumanns, S. 119/120) liefern. Baumanns (S. 121/122) will auch Rückschlüsse aus dem Charakter des Täters ziehen, erkennt dabei aber richtig die Grenzen, die das heutige Tatstrafrecht zieht. Indizfunktion besitzen schließlich auch die Eigengefährdung (Autofahrer) und die soziale Rolle (Eltern) des Täters. 315 Nicht zu Unrecht weist Germann, S. 368, darauf hin, daß die Ernstnahme nur einen Vorentscheid zum eigentlichen Willensentschluß bildet.
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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Täter (in einer zweiten Stellungnahme) zwangsläufig mit der Deliktsverwirklichung ab. Nimmt der Täter die nahe Rechtsgutsverletzung hingegen nicht ernst, dann veranlaßt ihn gerade das Fehlen einer Konfliktslage und der falsche Einblick in den Kausalverlauf zur Tatausführung. (Daß sich der bewußt fahrlässige Täter hinsichtlich des Risikos als solchem ebenfalls in einer Konfliktssituation befindet, soll hier zwar nicht außer acht gelassen werden; da es aber letztlich immer auf die Entscheidung für die Verletzung des Rechtsguts ankommt und der Täter im Falle der bewußten Fahrlässigkeit eine Verletzung gerade nicht in Rechnung stellt, wird der qualitative Unterschied zum Vorsatz hinreichend deutlich.) Der vorsätzliche Täter verstößt gegen das Verbot, ein Rechtsgut zu verletzen; der bewußt fahrlässige Täter verletzt lediglich das Gebot, die Denkregeln und damit gewisse Sorgfaltspfiichten einzuhalten316, 317; trotz der Identität von Gefährdungsvorsatz und bewußter Fahrlässigkeit läßt sich entgegen einer verbreiteten Ansicht im Rahmen der Verletzungsdelikte das Verbot, ein Rechtsgut vorsätzlich zu gefährden, nicht konstruieren318• In abgemilderter Form besteht auch zwischen den Schuldformen der bewußten und unbewußten Fahrlässigkeit ein qualitativer Sprung. Darauf deutet schon die Parallele von Gefährdungsvorsatz und bewußter Gefährdungsfahrlässigkeit hin. Nicht zu Unrecht werden bewußte und unbewußte Fahrlässigkeit deshalb auch in Rechtsprechung und Literatur scharf voneinander getrennt. Die Begründung liegt darin, daß der bewußt fahrlässige Täter immerhin noch das Risiko ernst nimmt und sich aus der Konfliktslage hinsichtlich des Erfolgsrisikos als solchem zu Lasten des Rechtsguts befreit. Demgegenüber sieht der unbewußt fahrlässige Täter den deliktischen Erfolg als außer halb jeder vernünftigen Betrachtung und abseits seiner persönlichen Reichweite an. Er entscheidet sich in keiner Weise mehr gegen das Rechtsgut; vielmehr wird er oftmals wegen seiner subjektiv sicheren Gegenmaßnahmen das Rechtsgut geradezu erhalten wollen. Bedeutsam erscheint auch der Hinweis, daß der entsprechende Absichtsfall bereits straflos istS19 • Daß trotz der qualitativen Unterschied318 So Binavince, S. 228/229, dessen Auffassung zumindest für die Intellekttaten zutrifft. 317 Die verschiedenen Inhalte des "Handlungswillens" vennögen nach verbreiteter Auffassung schon einen verschiedenen Unwertcharakter von Vorsatz und Fahrlässigkeit zu begründen; vgl. dazu Ambrosius, S. 94/95, und Jescheck, Aufbau, S. 487/488. A. A. Baumanns, S. 75 Fußn. 1, der nur einen unterschiedlichen schuldbegründenden Charakter anerkennt; die daraus gezogene Folgerung, Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht bereits im Motivationsvorgang, sondern nach der Schwere des begangenen Unrechts abzugrenzen (S. 74), ist nicht zwingend. 318 Siehe dazu oben bei Fußn. 208 ff. und Baumanns, S. 133. m Es erscheint deshalb diskutabel, entweder die Absichtsfälle bis zur parallelen Obergrenze der unbewußten Fahrlässigkeit auszudehnen (zumindest -
14 Wolter
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
lichkeit eine Zusammenfassung der bei den Schuldarten unter den Begriff der Fahrlässigkeit stattfindet, hat seine Berechtigung darin, daß hinsichtlich der Verletzung des Rechtsguts beide Male ein entscheidender Abstand im Vergleich zum Vorsatzdelikt besteht. UI. Zusammenfassung und abschließende Rechtfertigung
Unter Berücksichtigung neuerer psychologischer und strafrechtsdogmatischer Erkenntnisse läßt sich demnach das bisherige Ergebnis folgendermaßen zusammenfassen: Die der Tiefenschicht entstammenden Antriebe und Strebungen geben den Anstoß zu jeder Willensbildung und interessieren schon wegen ihrer rationalen Unfaßbarkeit im Rahmen dieser Untersuchung nicht320• Die zweite Phase der ausgeprägten Willenshandlung ist als der "intellektuelle Teil des Willensbildungsprozesses" zu umschreiben321 • Dieser Bereich der Stoffsammlung und Materialsichtung ist wegen seiner tatsächlichen Gegebenheiten die Domäne des Grundsatzes "in dubio pro reo", da er aus einer gleitenden Skala von nur quantitativ abstufbaren Wahrscheinlichkeitsurteilen besteht, die auf der jeweiligen Intensität der inneren Informationen, Überlegungen und Gegenbetrachtungen des Täters basieren. Der intellektuelle Teil des Willensbildungsprozesses endet mit einer ersten Stellungnahme des Täters, die hier als Ernstnahme oder Nichternstnahme der Deliktsverwirklichung bezeichnet wird322 • zur Abminderung der hohen Strafrahmen - durch Gefährdungstatbestände, mit denen man auch die Gefährdungsabsicht, die der unbewußten Fahrlässigkeit und damit zugleich der bewußten Gefährdungsfahrlässigkeit parallel läuft, erfassen könnte) oder vorzugsweise der unbewußten Fahrlässigkeit trotz Pflichtwidrigkeit den Schuldcharakter abzusprechen. Es will nicht einleuchten, daß ein aus größter Entfernung abgegebener tödlicher Schuß nicht poenalisiert wird, wenn der Täter die Tötung erstrebt hat, hingegen fahrlässige Schuld begründen soll, wenn der Angeklagte pfiichtwidrig in Verfolgung eines außerstrafrechtlichen Zweckes gehandelt hat. Jedenfalls erweist sich gerade an dem qualitativen Sprung von bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit die generelle Berechtigung der These nach der Kriminalstraffreiheit der letzteren Schuldart. Richtiger Auffassung nach verläuft zwischen luxuria und unbewußter Fahrlässigkeit die Grenze zwischen Strafbarkeit und Straflosigkeit. Ähnlich wie bei dem der unbewußten Fahrlässigkeit entsprechenden Absichtsfall könnte man die Strafbarkeit bereits wegen mangelnder objektiver Zurechnung ausschließen (dazu oben Fußn. 285). 320 Dazu oben bei Fußn. 178; PZatzgummer, S. 25 mit Fußn. 10; Ambrosius, S.24,27. 321 Siehe dazu bei Fußn. 179 ff.; Ambrosius, S. 24; PZatzgummer, S. 25/26. 322 Nicht zugestimmt werden kann Ambrosius (S. 56) und Baumanns (S. 73), wenn sie meinen, daß auch die Gründe des Ernst- oder Leichtnehmers im Dunkel des Unbewußten liegen. Vielmehr sind die aufgezeigten tatsächlichen Gegebenheiten des Willensbildungsprozesses in ihrer Zusammenfassung zur Zeit des Willensrucks grundsätzlich (arg. Sachdenken) rational erfaßbar. Soweit - auch hier anerkannte - irrationale Gründe (vgl. den übermütigen Auto-
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Die dritte Phase der Willensbildung, die hier als der "voluntative Teil des Motivationsvorganges" gekennzeichnet wird, offenbart erst - und endlich - den qualitativen Sprung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Für die Alternative des Vorsatzes findet erst an dieser Stelle der "Kampf der Motive"323 statt, und fällt erst jetzt die Entscheidung für die Rechtsgüterverletzung324 • Der voluntative Teil des Motivationsvorganges und damit der gesamte Willensbildungsprozeß enden mit der zweiten Stellungnahme des Täters, in der er sich mit der Deliktsverwirklichung abfindet. Demgegenüber fließen im Rahmen der Fahrlässigkeit intellektueller und voluntativer Teil des Motivationsvorganges ohne Unterbrechung durch einen Motivkampf ineinander über; aber auch hier ist die Unterscheidung von Bedeutung. Es bedarf nämlich der abschließenden Rechtfertigung, weshalb die Ausräumung von Beweiszweüeln bei der Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel erfolgt; immerhin wurde oben bei der Begründung der Unbeachtlichkeit des normativ-ethischen Stufenverhältnisses stillschweigend davon ausgegangen, daß dieser Grundsatz im gesamten Bereich der psychologischen Vorgegebenheiten beider Schuldformen seine Wirksamkeit entfalten könnte. Nur bei näherer Überprüfung hat sich herausgestellt, daß ein Stufenverhältnis allein im intellektuellen Feld des Willensbildungsprozesses aufzufinden ist. Man kann deshalb zu Recht die Frage stellen, aus welchen Gründen das aliud-Verhältnis im voluntativen Bereich des Motivationsvorganges und damit die Grundsätze der Wahlfeststellung beiseite geschoben werden. Es ist unausweichlich, so könnte man die Frage weiter präzisieren, daß zumindest beim Vorsatz das Hauptgewicht auf der voluntativen Seite liegt, da die Ernstnahme der Deliktsverwirklichung allein noch nicht die Handlungsentscheidung erzwingt. Diese Frage erweist sich im Ergebnis als irrelevant. Zunächst ist bei der Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit die Entscheidung zur Tatausführung stets gefallen, so daß die Ernstnahme der Rechtsgutsverletzung die deliktische Handlung keineswegs verhindert hat. Das hat zur Folge, daß bei dem individuellen Täter allein die Intensität des Wahrscheinlichkeitsurteils für Vorsatz und Fahrlässigkeit entscheidend gewesen sein kann. Weiterhin liegt bei der Fahrlässigkeit im Gegensatz zum fahrer) das anfängliche Wahrscheinlichkeitsurteil herab schrauben, kann der Richter immer noch teilweise rational werten, da es auf das Wahrscheinlichkeitsurteil zur Zeit der Tat ankommt, das sich sehr wohl aus rationalen und irrationalen Komponenten zusammensetzen kann (vgl. Tompert, S. 36/37). Unrichtig auch Ambrosius (S. 63), wenn er bereits Ernstnahme bzw. Nichternstnahme als echte alia begreüt. Als Endpunkte des intellektuellen Motivationsvorganges stehen sie vielmehr genau wie die zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeitsurteile in einem Stufenverhältnis. 323 Vgl. Platzgummer, S. 26; Gössel, S. 78. 324 In der seelischen Wirklichkeit können allerdings intellektuelle und voluntative Komponente zusammenfallen; vgl. Platzgummer, S. 101.
212
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Vorsatz das Prägegewicht auf der intellektueLlen Seite des Motivationsvorganges. Unrechts- und schuldtypisierend ist hier der Verstoß gegen die Denkregeln, der zwangsläufig zu einer optimistischen Stellungnahme und damit zur Handlung führt. Die Akzente können demnach gleichermaßen im intellektuellen und voluntativen Bereich des Motivationsvorganges gesetzt werden. - Entscheidend für die Priorität des intellektuellen Teils spricht nun aber aucll hier der Gesichtspunkt des unbedingten Vorranges des "in dubio pro reo"-Grundsatzes in denjenigen Fällen, in denen mit seiner Anwendung auf dogmatisch einwandfreiem, kriminalpolitisch erstrebenswertem und verfassungsrechtlich unantastbarem Wege eine Verurteilung aus der milderen Beweisalternative ermöglicht wird325. Die subjektiv empfundene geringere Wahrscheinlichkei1;326 steht jedenfalls mitsamt der Entscheidung zur Handlung als allein erhebliches Beweismaterial eindeutig fest. Es ist nochmals darauf zu verweisen, daß der Ursprung der tatsächlichen Beweiszweifel nicht in der Alternativität des Sichabfindens und des Vertrauens auf das Ausbleiben der Dellktsverwirklichung liegt, sondern allein in der verschiedenen Spannweite der Stoffsammlung und Materialsichtung. Der Richter wird bei der Formulierung der Beweisalternative nicht auf die rechtlich relevanten Schlußfolgerungen aus den abgestuften Wahrscheinlichkeitsurteilen mit dem Ergebnis der Ernst- oder Leichtnahme und mithin auf die voluntative Alternativität abstellen, sondern vielmehr auf die tatsächlichen Gründe dieser Mehrdeutigkeit verweisen. Die voluntativen Merkmale der Schuldformen nehmen bei richtiger Betrachtung eine eigenartige Doppelstellung ein: Einerseits gehören sie entgegen Schmidhäuser zu den psychologischen Vorgegebenheiten von Vorsatz und Fahrlässigkeit; andererseits kennzeichnen sie per se den verschiedenen Unwert- und Schuldgehalt von Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat. Es ist hier an die frühere Feststellung zu erinnern, daß beide Schuldformen den Maßstab für die gemeinhin geprüfte rechtsethische Vergleichbarkeit geradezu in sich tragen327 . - Hieraus schöpft die These von Schmidhäuser, das logisch-begriffliche Grundverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit auf das psychische Material zu beschränken, ihre grundsätzliche Überzeugungskraft. Daß Schmidhäuser aber zu Unrecht wegen des von ihm befürworteten tatsächlichen aliud-Verhältnisses beider Schuldformen das entscheidende Gewicht auf das hier ebenfalls verneinte reine normativ-ethische Umfassungsverhältnis legt, braucht genausowenig wiederholt zu werden wie der Umstand, daß die Bedeutung Siehe oben 1. Teil, (bei) Fußn. 138 und 4. Teil, bei Fußn. 130. Man denke an das oben angeführte Beispiel, daß allein der nicht beweisbare Gedanke an die schlechten Bremsen eine leichtsinnige Stellungnahme in eine Ernstnahme der Deliktsverwirklichung verwandelt hätte. 327 Siehe oben Fußn. 72; Fuchs, Diss., S.130. 325
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2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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der herkömmlichen bewußten Fahrlässigkeit die Einbeziehung voluntativer Elemente in die psychologischen Vorgegebenheiten von Vorsatz und Fahrlässigkeit unentbehrlich macht328 • Demgegenüber ließe sich der Fortsetzungszusammenhang zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat - ebenso wie es bei der Wahlfeststellung gemeinhin geschieht - nur unter Einbeziehung der voluntativen Merkmale prüfen. Der Schluß vom logisch-begrifflichen Stufenverhältnis auf den Fortsetzungszusammenhang wäre unzulässig, da sich die Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Handlung nicht mit der alleinigen Betrachtung des intellektuellen Motivationsvorganges ausmachen ließe; der Handlungsunwert der Vorsatztat wird vornehmlich durch die Entscheidung gegen das Rechtsgut geprägt. - Die Frage nach der Zulässigkeit des Fortsetzungszusammenhanges detailliert zu beantworten, besteht allerdings kein Anlaß, da sich das Problem der Wahlfeststellung gar nicht stellt. Im Ergebnis müßte man allerdings die Möglichkeit des Fortsetzungszusammenhanges wegen der dargestellten qualitativen Unterschiede im voluntativen Bereich in Abrede stellen329 und befände sich damit im Gleichklang mit der h. L., die auch eine Wahlfeststellung wegen rechtsethischer Unvergleichbarkeit nicht zu bejahen bereit ist3 30 • Dem voluntativen Teil des Motivationsvorganges schließt sich als letzte Phase der ausgeprägten Willenshandlung die Verwirklichung der Willensentscheidung in der Außenwelt an. aZ8 Siehe dazu oben bei Fußn. 60 - 66; (bei) Fußn. 185 und bei Fußn. 203 - 217. an So auch die h. M.; vgl. etwa Schönke-Schröder, Vor § 73 Anm. 31 mit Hinw. (es fehle an der fortlaufenden psychischen Linie); Petters-Preisendanz, Vorbemerkungen, S. 70 (.. auch wenn es sich um denselben oder einen strukturell verwandten Tatbestand handelt"); Geerds, S. 306/307; Maurach AT, § 42 I B 4, S. 455; BGH JR 1952, S. 445; OLG Köln NJW 1953, S. 676 f. (677) mit Hinw. auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts. Demgegenüber hält es Weber (S. 54 Fußn. 1) zu Unrecht für widerspruchsvoll, daß das Reichsgericht einerseits ein Stufenverhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit bejaht (RGSt 41, 389), andererseits aber zum Fortsetzungszusammenhang nur bei vorsätzlichen Delikten (Gesamtvorsatz) gelangt, dagegen selbst bei fahrlässigen Delikten untereinander ausschließt (RGSt 41, 98 [102]; RGSt 47, 332 [334]; RGSt 53, 226, 227); das vom Reichsgericht allein begründete normativ-ethische Stufenverhältnis läßt gerade nicht den Schluß auf die Zulässigkeit des Fortsetzungszusammenhanges zu. 330 Unbeantwortet bleiben kann auch die weitere Frage, welche Folgerungen aus dem voluntativen aliud-Verhältnis von bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit zu ziehen sind. Die Zu lässigkeit der Wahlfeststellung wäre jedenfalls unproblematisch. Das ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Verschmelzung beider Schuldarten im Alternativ-Entwurf sowie im geltenden und künftigen Recht (2. StrRG). Nach dem E 62 läge demgegenüber ein alternatives Mischgesetz vor, so daß die entscheidende Parallele der fehlende Schutz im Sinne von § 265 Stpo wäre, nicht aber der im Bereich der intellektuellen Fahrlässigkeitstaten immerhin denkbare Fortsetzungszusammenhang (ablehnend die Rechtsprechung mit ihrem generellen Erfordernis des Gesamtvorsatzes; dagegen etwa Maurach AT, § 42 I B 4, S. 455 mit Hinw. auf die Judikatur) im Rahmen eines dann etwa zu begründenden kumulativen Mischgesetzes.
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Die festgestellten Stufenverhältnisse von Vorsatz und Fahrlässigkeit führen - das sei abschließend bemerkt - zu der Konsequenz, daß der Richter bei Unklarheit über die Intensität der innerseelischen Vorgänge dasjenige Tatsachenmaterial und das Wahrscheinlichkeitsurteil (mit den rechtlich relevanten Stellungnahmen des Täters zur Deliktsverwirklichung) als eindeutig festzustellen hat, das in seiner psychologischen Struktur Voraussetzung der geringsten Schuldform ist. Erscheint zum Beispiel zweifelhalt, ob der Täter seinen Gegenmaßnahmen und Gegenüberlegungen eine solche Kraft beigemessen hat, daß er auf ein Ausbleiben des deliktischen Erfolgs vertraute, oder nur eine solche, daß er auf eine wirkungsvolle Gegensteuerung des Kausalverlaufs vertraute, dann ist er - "in dubio pro reo" - wegen bewußt fahrlässiger Tat zu verurteilen. IV. Abschließende Kritik an Rechtsprechung und Schrifttum
Vergegenwärtigt man sich jetzt noch einmal die noch nicht abschließend gewürdigten Stimmen von Hänsel, Nowakowski, Städtler und vom ReichsgeTicht331 , so wird deutlich, daß keine der hier verfochtenen Lösung Ausdruck zu verleihen vermag. Soweit ein Stufenverhältnis im faktischen Bereich von Vorsatz und Fahrlässigkeit anerkannt wird, liegt stets gleichzeitig eine ausdrückliche Begründung für ein Umfassungsverhältnis im normativen Feld dieser Schuldformen vor. Dabei wird bereits der voluntative Aspekt unberücksichtigt gelassen. Bei seiner Anerkennung ist aber mit guten Gründen nicht bestreitbar, daß Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn sie schon innerhalb des voluntativen Teils des Willensbildungsprozesses einen qualitativen Sprung aufweisen, auch normativ-ethisch ein aliud-Verhältnis bilden332 ,333. Siehe oben bei Fußn. 135 ff. Daß daneben die Schuldschwere auch quantitativ abstufbar ist (vgl. etwa Schaffstein, S. 729; Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 12; Heinitz, Grenzen, S. 102; Lazi, S. 107; und dazu bereits oben (bei) Fußn. 73), ist ohne weiteres zuzugeben. 33S Insofern läßt sich auch die bisher nur wegen allgemeiner Gesichtspunkte zur Wahlfeststellung mögliche Ablehnung der h. M. (siehe oben bei Fußn. 125 f.) konkretisieren. Soweit von der h. M. sowohl ein begriffslogisches als auch ein normativ-ethisches aliud-Verhältnis begründet wird (siehe oben [bei] Fußn.94), ist verkannt, daß sedes materiae für das Alternativitätsproblem allein der intellektuelle Motivationsprozeß ist; sofern gar - bei Befürwortung eines begrifflichen Ausschlußverhältnisses - dem normativen Umfassungsverhältnis das Wort geredet wird (siehe oben [bei] Fußn. 93), kommt hinzu, daß die voluntative Gegensätzlichkeit den Schluß auf ein ethisches aliud-Verhältnis unausweichlich macht. - Gegen Mayer (vgl. bereits die Kritik Fußn. 135) läßt sich noch vorbringen, daß der ohnehin viel zu allgemein gehaltene Schuldoberbegriff des Vermeidenkönnens (genauso könnte man Täterschaft und Teilnahme unter "Beitrag oder Willen zur Tat" zusammenfassen) deshalb nicht überzeugend ist, weil der Täter bei richtiger Antizipation immerhin noch ein Vorsatzdelikt hätte begehen können; richtig Binavince, S. 229. 331 332
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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Demgegenüber ist die Lösung Städtlers zumindest vom Ergebnis her diskutabel. Immerhin erblickt er trotz grundsätzlicher Anerkennung eines begrifflichen und ethischen aliud-Verhältnisses im tatsächlichen Bereich ein Stufenverhältnis eigener Art 334 • Abgesehen davon, daß sich mit Rücksicht auf die Beweissituation sehr wohl von einem artgleichen Umfassungsverhältnis sprechen läßt, ist die Begründung für das Subsidiaritätsverhältnis völlig unzureichend. Mit Nachdruck muß darauf verwiesen werden, daß die Wissenselemente bei anderen Schuldformen gerade nicht stets in gleicher Form wieder auftauchen. Zudem müssen die Begriffe des "Einverstandenseins" und der "Nichteinwilligung" richtigerweise aus jeder Argumentation ausgeschlossen werden. Man macht es sich viel zu einfach, wenn man mit den Begriffspaaren "Wissen - Nichtwissen" und "Wollen - Nichtwollen" arbeitetS35 • Bemerkenswert erscheint schließlich auch die beiläufige Bemerkung in der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, daß der Beweis der Vorsatztat trotz ihres voluntativen und rechts ethischen Qualitätsunterschiedes gegenüber dem unbewußt fahrlässigen Delikt nur weiterer Beweisanzeichen bedürfe3se . D. Die Wahlfeststellung zwischen Absicht und Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit Die Gliederung der Absichtstat in die Handlungen mit direkter, eventualer und der bewußten Fahrlässigkeit paralleler Absicht diente dem Aufriß ähnlicher Strukturen zwischen dolus directus, bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit. Wie bereits deutlich gemacht, ändern die verschiedenen Wahrscheinlichkeitsurteile an der Schuldart "Absicht" nichts. Immerhin vermag man mit Hilfe einer sekundären und für die Strafzumessung beachtlichen Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" bei der Alternativität zweier Wahrscheinlichkeitsurteile im Rahmen Siehe oben bei Fußn. 86 - 89. Ebenso hat es sich als falsch herausgestellt, die bewußte und rationalunbewußte Fahrlässigkeit als reine Normativa zu begreüen. Die Fahrlässigkeit zeichnet sich insoweit ebenso wie der Vorsatz durch psychologische Vorgegebenheiten aus und ist nicht allein die anteilige oder vollkommene Negation des Vorsatzinhaltes (so aber Fuchs, Diss., S. 31132, siehe oben bei Fußn. 37; richtig dagegen Binavince, S. 144). Der Mangel psychologischer Voraussetzungen läßt sich allenfalls für die vollkommen unbewußt fahrlässige Handlung begründen. 338 BGHSt 4, 340 (343) zum Verhältnis von Meineid und unbewußt fahrlässigem Falscheid (siehe bereits oben Fußn. 128); da man jedoch hier von der vollkommen unbewußten Fahrlässigkeit (im Gegensatz zur rational-unbewußten Fahrlässigkeit) ausgehen muß, ist die Bemerkung des BGH - wie sich erweisen wird - letztlich unrichtig. Andererseits erscheint schon im dargestellten Bereich der Intellekttaten die Lehre vom Auffangtatbestand - von ihrer rechtsstaatlichen Unhaltbarkeit abgesehen - als durchaus überflüssig. 314
33&
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
einer Absichtstat die weniger gewichtig empfundene Erfolgsnähe zugrunde zu legen. Sollte die geringere Wahrscheinlichkeit gar der unbewußt-rationalen Fahrlässigkeit entsprechen, ergäbe der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" in seiner Primärfunktion den Freispruch. Sobald dem Absichtsdelikt ein vorsätzliches oder fahrlässiges Alternativdelikt gegenübersteht, kann man bei gleichzeitiger Verschiedenheit der subjektiv empfundenen Erfolgsnähe wiederum mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel das Wahrscheinlichkeitsurteil vereinheitlichen; dabei erfüllt die Beweisregel ihre sekundäre Funktion, wenn eine Reduzierung im Rahmen der Absicht, und ihre primäre Funktion, wenn diese Rückführung im Rahmen der Schuldarten von Vorsatz und Fahrlässigkeit vorgenommen wird. Auf dieser Grundlage bleiben zwei Alternativitäten zu erörtern: Absicht und Vorsatz (im Sinne von dolus directus und dolus eventualis) sowie Absicht und Fahrlässigkeit (im Sinne von bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit). In jedem dieser Fälle handelt es sich um ein Problem der Wahlfeststellung. Hinsichtlich des intellektuellen Motivationsvorganges besteht - wie gesagt - anfängliche oder nachträgliche ("in dubio pro reo") Gleichheit; demgegenüber läßt die voluntative Betrachtung nur den Schluß auf ein aliud-Verhältnis zu. Beginnt man mit der Alternativität von Absicht und Vorsatz, so zeichnet sich der Absichtstäter dadurch aus, daß er die Deliktsverwirklichung um ihrer selbst willen erstrebt, während sich der Vorsatztäter zur Erreichung eines meist außerstrafrechtlichen Zweckes mit dem Erfolg zwangsläufig abfindet. Es wurde bereits deutlich gemacht, daß die Verschiedenartigkeit dieser voluntativen Elemente darin zu erblicken ist, daß man nur im Bereich der Absicht von einem echten Wollen sprechenkann337 .Dennoch stellt sich die Frage des Freispruchs nicht. Da Absicht und Vorsatz stets innerhalb eines Straftatbestandes auftauchen, ist sogar richtigerweise statt von einem kumulativen Mischtatbestand von einem alternativen Mischdelikt auszugehen: Der Täter hat sich beide Male für die Rechtsgüterverletzung entschieden338 ; der Wille zur Deliktsverwirklichung braucht nicht verwerflicher zu sein als das Sichabfinden mit der Rechtsgüterverletzung, er wird vielmehr oftmals eine Gleichartigkeit aufweisen338 ; Gesetzgeber und Rechtsprechung fassen nicht selten Absicht und Vorsatz unter den Be337 Angreifbar ist deshalb die Auffassung von Hall (Fahrlässigkeit, S. 62), der in der Absicht einen "verstärkten Vorsatz" sieht; ebenso fälschlich nimmt auch Schwabe (S. 11) ein Umfassungsverhältnis dieser Schuldformen an. 338 Vgl. auch Schröder, Vorsatzbegriff, S. 223. 389 Bei einem berechtigt eifersüchtigen oder gedemütigten Täter etwa ist eine Tötung eher verständlich als bei einem Angeklagten, der zur Erreichung eines völlig nebensächlichen außerstrafrechtlichen Zweckes ein Menschenleben aufs Spiel setzt.
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griff des Vorsatzes zusammen; Motiv und Verwirklichung einer Nebenfolge sind zudem des öfteren schwer abgrenzbar; eine Hinweispflicht nach § 265 StPO im Falle des übergangs von Absicht zu Vorsatz scheint zum Schutze des Angeklagten nicht erforderlich und wurde bisher auch nicht statuiert. - Selbst wenn man sich der Begründung für einen alternativen Mischtatbestand verschließen sollte, so sprechen doch die aufgeführten Gesichtspunkte zumindest für die Zulassung der Wahlfeststellung im Rahmen des dann vorliegenden kumulativen Mischdeliktes. Der Fortsetzungszusammenhang zwischen Absichts- und Vorsatztaten ließe sich auch unter dem Gesichtspunkt des "Gesamtvorsatzes" bejahen. Im Lichte der Alternativität von Absicht und Fahrlässigkeit verkehren diese Perspektiven das Ergebnis in sein Gegenteil: Der Freispruch scheint geboten, weil nur der Absichtstäter das geschützte Rechtsgut um jeden Preis vernichten will, während der bewußt fahrlässig Handelnde die Deliktsverwirklichung nicht ernsthaft in seine Willensentscheidung einbezieht. Der voluntative Unterschied ist noch gravierender als bei der Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit, da die beiden letzteren Schuldformen trotz aller Verschiedenartigkeit einen gleichen strukturellen Ausgangspunkt insofern aufweisen, als ein deliktischer Wille gerade nicht vorliegt. Ist aber oben bereits die Möglichkeit der Wahlfeststellung und des Fortsetzungszusammenhanges zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ernstlich in Frage gestellt worden340 , so kann der Freispruch bei der Unaufklärbarkeit von Absichts- und Fahrlässigkeitstat nicht mehr zweifelhaft sein. Die Straflosigkeit bei der Alternativität von Absicht und bewußter Fahrlässigkeit ist mithin der Preis für die Anerkennung der bewußten Fahrlässigkeit im herkömmlichen Sinne. Hier erweist sich ein letztes Mal ein Vorteil der Auffassungen von Schröder und Schmidhäuser. Allerdings muß auch diese Konzeption den Freispruch bei Absichts- und unbewußtrationaler Fahrlässigkeitstat zugestehen. Das ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung schon aus der Straflosigkeit in dem Fall der bewußten Fahrlässigkeit als Alternativdelikt; man braucht deshalb nicht zu erwägen, ob sich der Freispruch auf anderem Wege dadurch ergeben könnte, daß man mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel die subjektiv empfundene Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Absicht auf eine solche parallel zur unbewußt-rationalen Fahrlässigkeit und damit bis hin zum Bereich der Straflosigkeit reduzieren könnte 341 • Bei Fußn. 328 - 330. Es versteht sich von selbst, daß bei der Ausgangsalternativität von unbewußt-rationaler Fahrlässigkeit und "Absichtstat" mit entsprechendem Wahrscheinlichkeitsurteil wegen der Straflosigkeit der letzteren Freispruch geboten 340
341
ist.
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Ein abschließendes Wort sei zu der verbleibenden Alternativität von Vorsatz (dolus directus oder dolus eventualis) und Absicht parallel zur bewußten Fahrlässigkeit gesagt. Man darf hier nicht etwa über das Umfassungsverhältnis von Vorsatz und luxuria mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel die zum Freispruch führende Alternative von Absicht und bewußter Fahrlässigkeit bilden. Es läßt sich insoweit auf den Grundsatz verweisen, daß die zusätzliche Anwendung des Satzes "im Zweifel für den Angeklagten" nur bei Unzulässigkeit der Wahlfeststellung aus den Oberdelikten möglich wird. Die grundsätzliche Anerkennung der Wahlfeststellung soll gerade ungerecht erscheinende Freisprüche vermeiden, die sich zwingend aus dem wechselseitig angewandten Grundsatz "in dubio pro reo" ergeben müßten. Es bleibt mithin bei der Regel, daß die verfassungsrechtlich abgesicherten und begrenzten Grundsätze der Wahlfeststellung zuungunsten des Angeklagten Vorrang vor dem Satz "in dubio pro reo" besitzen, um die unter den Aspekten der Einzelfallgerechtigkeit und der Kriminalpolitik erwünschte Verurteilung zu gewährleisten.
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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E. Das Ergebnis im. Schaubild Das bisherige Gesamtergebnis läßt sich in einem Schaubild folgendermaßen zusammenfassen: X
+ dolus directus X - - - - - - - - - - - - - - - + -.-.-.-. -.-.-.-.-.-.-.-.-.-. X Eventualabsicht + dolus eventualis X - - - - - - - - - - ----------------------1 direkte Absicht
11
Absicht parallel zur bewußten Fahrlässigkeit
1-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.
X 11
X
bewußte Fahrlässigkeit
11
X
= = = = = = = = = = = = = = . rational-unbewußte Fahr!. und irrationale Parallele
Straflosigkeit Schußwaffen-Fall Zeichenerklärung: Stufenverhältnis innerhalb einer Schuldart (SekundäTfunktion der "in dubio pro reo"-Regel) -.-.-.-.- Stufenverhältnis innerhalb mehrerer Schuldarten bzw. zwischen Strafbarkeit und Straflosigkeit (PrimäTfunktion der "in dubio pro reo"-Regel) Stufenverhältnis (intellektueller Aspekt) mit qualitativem Sprung (voluntativer Aspekt), der die Wahlfeststellung nicht ausschlösse (Primärfunktion der "in dubio pro reo"-Regel) Stufenverhältnis (intellektueller Aspekt) mit qualitativem Sprung (voluntativer Aspekt), der die Wahlfeststellung ausschlösse (primärfunktion der "in dubio pro reo"-Regel) X+X+X+ aliud-Verhältnis; zulässige Wahlfeststellung =X=X=X aliud-Verhältnis; unzulässige Wahlfeststellung
F. Die Altemativitätsproblematik bei zwei äußeren Geschehensabläufen Vergegenwärtigt man sich jetzt noch einmal die These von vor allem
Fuchs und Tröndle, daß bei zwei äußeren Geschehensabläufen die Pro-
blematik der Alternativität von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit eine
220
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
einschneidende Veränderung erfahre842 , so erkennt man, daß die Abweichungen unbeachtlicher Natur sind. Soweit die Alternitivität im Bereich von Stufenverhältnissen auftritt, läuft dem Übergang von einem Geschehensablauf zu zwei äußeren Vorgängen der Schritt von der eindeutigen Verurteilung auf eindeutiger zu dem eindeutigen Urteil aufgrund mehrdeutiger Tatsachengrundlage parallel. Ist zum Beispiel zweifelhaft, ob der Täter das Opfer am 1. 4. bedingt vorsätzlich erschossen oder nur bewußt fahrlässig getötet hat, so ändert es an der eindeutigen Verurteilung wegen bewußt fahrlässiger Tat nichts, wenn die Alternativtat nicht wegen allein subjektiver Alternativtatsachen im gleichen Augenblick, sondern einen Tag später begangen wurde 348 • Sofern eine Absichtstat als Alternativhandlung in Frage kommt, ist bekanntlich der Fragenkreis der Wahlfeststellung angesprochen. Für die wahldeutige Verurteilung, die ohnehin nur bei vorsätzlichen Handlungen als Zweittaten in Betracht kommt344 , bleibt es aber in ähnlicher Weise gleich, ob der entscheidenden Alternativität im Motivationsvorgang zusätzlich eine Mehrdeutigkeit objektiver Tatsachen zugrunde liegt. Auch hier ließe siclJ. allenfalls und ohne jeden Gewinn zwischen einer wahldeutigen Verurteilung auf eindeutiger oder mehrdeutiger objektiver Tatsachengrundlage unterscheiden. G. Sonderfälle in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Es bleibt in aller Kürze auf zwei Sonderfälle einzugehen, die den Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit beschäftigt haben. I. Die Alternativität von Mord (Totschlag) und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang Bei dem Beweiszweifel von § 211 (§ 212) und § 226 glaubt der erste Senat des Bundesgerichtshofes345 zwei Monate nach der Entscheidung sn Siehe oben Fußn. 55; Fuchs gelangt hier wegen psychologischer und rechtsethischer Unvergleichbarkeit zum Freispruch (Diss., S. 129 f.; Wahlfeststellung, S. 75); ebenso Baumann, Strafrechtsfälle, Fall 7, S. 42; demgegenüber bejaht Peters (Schüsse, S. 104/105) die Zulässigkeit der Wahlfeststellung (ebenso v. Schack, S. 64/65; Strobach, S. 17 Fußn. 12; Schäfer, Gesetz, S. 2326 unter der Geltung des § 2 b); Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 36, macht die zuläSSige Wahlfeststellung seinem Standpunkt entsprechend von der "Identität des Unrechtskerns" abhängig. 843 Methodisch kann auf den gesamten 1. Teil der Arbeit verwiesen werden; vgl. etwa zum Eid-Fall bei Fußn. 130 ff. 844 Der von Fuchs (Diss., S. 50) gebildete Beispielsfall des Beweiszweüels, ob die Mutter das getötete Kind absichtlich ins Wasser gestoßen oder nur fahr-
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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im 17. Bands", in der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang einen weiteren Auffangtatbestand erblicken zu können. Es bedarf nicht der Wiederholung, daß dieser Weg rechtsstaatlich unhaltbar und daneben auch durchaus überflüssig ist. Soweit vorsätzliche und fahrlässige Tötung als Alternativtaten betrachtet werden, gelangt man auf dem eingehend dargestellten Wege über "in dubio pro reo" entweder zur eindeutigen Verurteilung wegen rational-unbewußter Fahrlässigkeit oder gegebenenfalls zu einer Wahlfeststellung zwischen dieser und der völlig unbewußten Fahrlässigkeit. Die Besonderheit des entschiedenen Falles liegt allerdings darin, daß das Alternativdelikt des Totschlagg347 in doppelter Weise mit Hilfe der "in dubio pro reo"-Regel reduziert werden muß: Einerseits steckt in einer vorsätzlichen Tötung subsidiär eine vorsätzliche Körperverletzung348 (erster Teil von § 22'6), andererseits ist die Vorsätzlichkeit der Tötung auf ihre fahrlässige Begehung (zweiter Teil des § 226) rückfÜhrbar. Besondere Schwierigkeiten birgt dieser Lösungsweg allerdings nicht in sich, wenn man bedenkt, daß § 226 von seiner tatbestandlichen Anlage her doppelgliedrig ist und daß die Körperverletzung als objektive Vorstufe des Todes noch nichts darüber aussagt, ob die begriffslogisch nachfolgende Tötung subjektiv in die "Willensentschließung" einbezogen wurde oder nicht. - Zielt mithin der Täter mit Körperverletzungsvorsatz auf die Beine des Opfers, trifft er aber das Herz348 , und bleibt zweifelhaft, ob er diese Nebenfolge ernst genommen hat oder nicht, so ist er eindeutig wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (bewußt oder unbewußt-rational fahrlässig verursacht) zu verurteilen.
n. Der Drei-Schösse-Fall Der Sachverhalt des vergleichsweise schwierigen Drei-Schüsse-Falles350 ist kurz folgender: Der verfolgte Dieb entsichert seine Pistole und gibt einen scharfen Warnschuß in die Luft ab; beim darauffolgenden Handlässig nicht genügend beaufsichtigt hat, führt demnach auch nach der hier vertretenen Auffassung ohne weiteres zum Freispruch. 345 BGH 1 StR 163/62 Urt. v. 6.9.1962; zit. in BGH GA 1967, S. 182 f. (183) und Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 2, S. 38 (30. Auf!.). M8 BGHSt 17, 210 - 1 StR 132/62 - Urt. v. 17.4.1962 (§ 230 als Auffangtatbestand gegenüber § 223). M7 Sofern in dieser Alternative Mord gegeben wäre, vermag man wiederum übser "in dubio pro reo" zum Totschlag zu gelangen; oben 3. Teil, bei Fußn. 2 ff. M8 Siehe oben 3. Teil, bei Fußn. 13 ff. 348 Hinsichtlich der Streitfragen zu diesem Fall vgl. die Nachw. bei SchönkeSchröder, § 226 Anm. 4; unstrittig würde das gebildete Beispiel etwa dann, wenn sich der Zweifel auf die Ernstnahme des tödlichen Sturzes nach der Schußverletzung bezöge. 350 BGH GA 1958, S. 110 - 112 (Urt. v. 23. 8. 1957 - 4 StR 342/57).
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
gemenge mit den zwei Verfolgern löst sich für den Täter unerwartet und ungewollt ein zweiter Schuß, der als unbewußt-rational fahrlässig abgegeben qualifiziert werden muß; zwei Sekunden später fällt der dritte Schuß, hinsichtlich dessen bedingter Tötungsvorsatz unzweifelhaft ist. Fest steht ferner, daß nur einer der beiden letzten Schüsse einen Verfolger getroffen und tödlich verletzt hat; unaufgeklärt bleibt lediglich welcher.
1. Der Meinungsstand Zur Lösung dieses Falles werden vier Ergebnisse auf sieben Wegen angeboten: 1. Der Bundesgerichtshof verurteilt wegen versuchten Mordes. Er gelangt - ähnlich wie Deubner 51 - zu seiner Entscheidung, indem er zugunsten des Täters annimmt, daß der vorsätzlich abgegebene Schuß nicht getroffen hat. Diese Unterstellung reiche allerdings gemäß § 261 StPO nicht aus, den zweiten Schuß zur Grundlage einer Verurteilung wegen zusätzlich fahrlässiger Tötung zu machen352 •
2. Schröder 53 und Dreher 54 gelangen zwar ebenfalls über "in dubio pro reo" zu einer Verurteilung wegen versuchten Mordes, betrachten dabei aber nicht wie der Bundesgerichtshof die beiden letzten Schüsse isoliert, sondern heben auf die Geschehensalternativen als solche ab. Bei beiden Eventualitäten liege mindestens versuchte Tötung vor. - Die Bestrafung wegen Tötungsversuchs ist von diesem Standpunkt aus richtig, da einmal versuchter Mord in Verbindung mit fahrlässiger Tötung, das andere Mal vollendeter Mord anzunehmen ist, in dem subsidiär ("in dubio pro reo") die versuchte Tötung steckt355 • 3. PreisendanzS 5G gelangt mit gleichen Erwägungen zu einer sog. "gleichartigen Wahlfeststellung" und vermag dabei wiederum Schröder 57 und Dreher 58 zu zitieren, die mißverständlich sowohl eine eindeutige359 als Grenzen, S. 21 mit Fußn. 4. GA 1958, S.l11. 353 In Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 15. 354 In Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 B b, S. 40 (30. Auf!.). 356 Allgemeine Meinung; vg!. etwa RGSt 41, 352 (353); BGHSt 22, 154 ff. = NJW 1968, S. 1888 f. (1888); BayObLG NJW 1967, S. 361 ff. (362); Fuchs, Diss., S.l1 und S. 54 Fußn. 1; Legien, S. 106; Weber, S. 52; Lazi, S. 112; Niethammer in v. Olshausen, § 2 b Anm. B 10 a, S. 57; Fox, S. 34; Stahl, S. 34; Strobach, S. 19; Klatte, S. 19; Nowakowski, S. 382; Ostern, S. 76; Rumpf, S. 80; Mayer, Anmerkung, S. 299; Prinz zu Wied, S. 3; Zaum, S. 9; Schwabe, S. 13; Hauck, S. 2. 358 In Petters-Preisendanz, § 2 b Anm. 3 a, S. 78. 351 In Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 10. 358 In Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 A, S. 39 (30. Auf!.). 351 Siehe oben unter 2. 351
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2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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auch eine gleichartig wahldeutige Entscheidung wegen versuchten Mordes befürworten. Diese Lösung muß schon um deswillen aus der Diskussion ausscheiden, weil die gleichartige Wahlfeststellung bekanntermaßen als eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage zu qualifizieren ist. Daß Preisendanz daneben noch den Lösungsweg des Bundesgerichtshofes als Beleg heranzieht, zeugt allerdings von mangelnder Differenzierung. 4. Im Ergebnis kommen auch Fuch,s360 und Baumann361 zur Verurteilung wegen versuchten Mordes. Ihr Lösungsweg, der wiederum auf einer Gesamtbetrachtung der Geschehensmöglichkeiten aufbaut, ist aber ein völlig anderer, wenn sie zum versuchten Delikt im Wege der "in dubio pro reo"Regel gelangen und hinsichtlich des vollendeten Tatbestandes (§ 222 oder § 211) die Grundsätze der Wahlfeststellung heranziehen und nur wegen rechtsethischer und psychologischer Unvergleichbarkeit den Tötungserfolg nicht in das Urteil einfließen lassen können. Beide Autoren betonen mithin die Verflechtung von "in dubio pro reo"- und Wahlfeststellungsgrundsätzen. 5. Auch im Ergebnis schlägt sich ein von Peters862 erwogener, letztlich allerdings abgelehnter Lösungsversuch nieder: Wenn man schon - wie der Bundesgerichtshof es tut - die letzten Schüsse isoliert betrachte363, so sollte man beide Geschehensmöglichkeiten alternativ gegenüberstellen und eine Wahlfeststellung zwischen versuchtem Mord in Verbindung mit fahrlässiger Tötung und vollendetem Mord zulassen364• 6. Das Schwurgericht gelangt im entschiedenen Fall zu einem vergleichbaren Ergebnis. Es verurteilt wegen versuchten Mordes und fahrlässiger Tötung365, weil es in einer Gesamtschau der Geschehensalternativen über "in dubio pro reo" denjenigen Vorgang als Urteilsgrundlage heranzieht, der den Angeklagten günstiger stellt. Vorteilhafter sei hier die Verurteilung wegen versuchten Mordes und fahrlässiger Tötung, da diesem Urteilsspruch die Annahme zugrunde liege, daß der zweite Schuß getroffen habe und nicht der dritte, der für sich genommen die Bestrafung mit lebenslangem Zuchthaus wegen vollendeten Mordes gerechtfertigt hätte. Diss., S. 54 - 58; vgl. auch Wahlfeststellung, S. 74 Fußn. 83. Strafrechtsfälle, Fall 7, S. 40 - 42. 30Z Schüsse, S. 104. 383 Was Peters (Schüsse, S. 103/104) ablehnt. 314 Peters, Schüsse, S. 104/105; entweder Herbeiführung des Todes durch den zweiten Schuß und der mit Tötungsvorsatz auf die Leiche abgegebene dritte Schuß oder Fehlgehen des zweiten Schusses und die Todesherbeüührung durch den dritten gezielten Schuß. 385 Vgl. die Darstellung in BGH GA 1958, S. 111; und bei Peters, Schüsse, S.103/104. 310 311
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4. Teil: Die Altemativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
7. Zu eben dieser eindeutigen Verurteilung wegen vollendeten Mordes gelangt nun schließlich Peters366 • Ausgehend von einer vollständigen Gesamtbetrachtung, die auch den ersten, nur warnenden Schuß in die rechtlichen Erwägungen einbezieht, argumentiert Peters, daß der Angeklagte mit dem Abgeben des Warnschusses seine Tötungsbereitschaft kundgetan habe. Diese Bereitschaft ziehe sich als gerade Linie bis zum dritten Schuß durch, der sie auf besonderes schlagende Weise dokumentiere. Der zweite Schuß sei also nicht zufälliger Art, sondern liege auf dieser Linie. Unter diesen Umständen sei es unerheblich, ob der Tod durch den zweiten oder dritten Schuß herbeigeführt sei. Sollte er durch den zweiten Schuß verursacht worden sein, so würde das innerhalb des vom Täter zu verantwortenden Geschehens nur eine unerhebliche Abweichung darstellen367 • Im Ergebnis hält Peters mithin einen Umkehrschluß zu den Fällen für möglich, die man früher unter dem Stichwort" dolus generalis" erörtert hat368 • 2. Kritik und eigene Lösung Blickt man auf die zuletzt dargestellte Lösung von Peters (7.), so ist entgegenzuhalten, daß die im Warnschuß zutage getretene "Tötungsbereitschaft" kein Tötungsvorsatz ist369 ; für die Zurechnung des Tötungserfolges über die Lehre von der unerheblichen Abweichung des Kausalverlaufes ist jedoch notwendig, daß der Vorsatz zu Anfang des Gesamtgeschehens vorhanden ist, in dessen Verlauf der Erfolg eintritt370 • Bei dieser Betrachtungsweise wirkt auch der Versuch von Peters, den zwingenden Einwand einer unzulässigen Wiederbelebung des dolus subsequens zu entkräften371 , als nicht überzeugend37l!. Die Hilfslösung von Peters (5.), die auf eine zulässige Wahlfeststellung zwischen Mord und fahrlässiger Tötung in Verbindung mit Mordversuch hinausläuft, trifft vor allem der von Peters selbst gemachte Vorwurf einer isolierten Betrachtungsweise. Zumindest die beiden letzten Schüsse sind hier nur als Sinneinheit zu begreifen373 ; eine Wahlfeststellung zwischen den rechtlichen Schlußfolgerungen aus den verselbständigten Schüssen Schüsse, S. 98 - 102. Schüsse, S. 102. a08 Schüsse, S. 100; Peters hält dabei mit der heute h. M. den Begriff des dolus generalis für durchaus überflüssig. 30U Baumann, Strafrechtsfälle, Fall 7, S. 41; Fuchs, Diss., S. 60. 370 Baumann, Strafrechtsfälle, Fall 7, S. 41 mit Hinw.; beachte auch Fuchs, Diss., S. 60. 371 Peters, Schüsse, S. 102. 372 Fuchs, Diss., S. 60; vgl. auch Baumann, Strafrechtsfälle, Fall 7, S. 42. 173 Peters, Schüsse, S.103; Fuchs, Diss., S. 54. 388
317
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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böte sich erst bei größerer zeitlicher Differenz an374• - Die Forderung nach einer Gesamtschau drängt dabei das weitere Problem in den Hintergrund, daß eine Wahlfeststellung zwischen Mord und fahrlässiger bzw. versuchter Tötung mangels rechtsethischer Vergleichbarkeit gar nicht zulässig und daneben wegen logisch-begrifflicher Stufenverhältnisse auch überhaupt nicht möglich wäre. Bekennt man sich zu einer Gesamtbetrachtung, dann kann schon um deswillen die Lösung des Bundesgerichtshofes (1.) keine Anerkennung finden, da sie den Trennungsgedanken in Reinform verwirklicht. Es geht nicht an, über"in dubio pro reo" den dritten Schuß als Tötungsversuch zu werten, um dann die zwingende Konsequenz der fahrlässigen Tötung beim zweiten Schuß zu verleugnen. Anderenfalls müßte man in dem abgewandelten Fall, daß statt des Tötungserfolgs nur eine gefährliche Körperverletzung vorliegt, schon deshalb zum Freispruch kommen, weil man zugunsten des Täters den dritten Schuß als straflosen Körperverletzungsversuch zu qualifizieren hätte, was den Schluß auf die fahrlässige Körperverletzung beim zweiten Schuß dennoch nicht zuließe. - Weitergehend wäre auch in den bekannten Meineids-Fällen, die nun tatsächlich eine isolierte Betrachtungsweise gebieten, auf diesem Wege entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Freispruch zu erzielen; ein unhaltbares Ergebnis375 • Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Möglichkeit der Verurteilung wegen Mordversuchs in dem entschiedenen Sonderfall den Blick für die allgemeinen Konsequenzen der vertretenen These nicht freigegeben hat. - Dem Bundesgerichtshof ist bei seiner Lösung ferner vorzuwerfen, daß er den Tötungserfolg nicht berücksichtigt376 • Der Hinweis des Gerichts877 auf eine Rekhsgerichtsentm Allerdings wird der Bundesgerichtshof von Fuchs (Diss., S. 58 Fußn. 3) und Peters (Schüsse, S. 98) mißverstanden, wenn sie ihm die Begründung einer Wahlfeststellung für den gedachten Fall vorwerfen, daß beide Schüsse gezielt waren. Der Bundesgerichtshof (GA 1958, S. 111) nimmt - wie Fuchs und Peters selbst - in diesem Fall eine eindeutige Verurteilung wegen vollendeten Mordes - wenn auch auf wahldeutiger Tatsachengrundlage - an (darauf deutet auch der Hinw. auf BGHSt 2, 351 hin, wo der Bundesgerichtshof die echte Wahlfeststellung bekanntlich gerade verneint). Daß die Sinneinheit des tatsächlichen Geschehens die Feststellung einer wahldeutigen Tatsachengrundlage (bei eindeutigem Urteilsspruch) nicht ausschließt, erkennt auch Peters an (Schüsse, S. 98). - Ähnlich und vergleichsweise noch einfacher liegt der vom OGH in OGHSt 1, 110 (111) zugunsten einer eindeutigen Verurteilung entschiedene Beweiszweifel, welcher der beiden Mittäter den tödlichen Schlag geführt hat (für gleichartige Wahlfeststellung Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 3 A; für Wahlfeststellung auch LochmüUer, S. 96; dagegen richtig für eindeutige Verurteilung Jagusch in LK, § 2 b Anm. 3 b, S. 67). Das eindeutige Urteil (auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage) ergibt sich hier schon von selbst durch die gegenseitige Zurechnung der Tatbeiträge (vgI. etwa Schönke-Schröder, Vor § 47 Anm. 23), so daß insoweit sogar eine Identität der Handlungen besteht. 375 VgI. dazu die Erörterungen oben 1. Teil, bei Fußn. 51 ff. 376 Siehe dazu auch Fuchs, Diss., S. 54/55; Peters, Schüsse, S.105. 377 BGH GA 1958, S. 112. 15 Wolter
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
scheidung378 , nach der zwei Angeklagte jeweils wegen Beihilfe verurteilt werden können, wenn nicht beweisbar ist, wer Täter und wer Gehilfe war, trägt als Parallele nicht. Das Reichsgericht selbst spricht zu Recht aus, daß hier nicht festgestellt werde, daß keine Haupttat vorliege (die Beihilfe setzt stets eine Haupttat voraus), sondern nur, daß der Haupttäter nicht zu ermitteln sei. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall steht aber die Todesverursachung durch den Angeklagten eindeutig fest379 • - Demgegenüber vermag ein letzter, von Peters380 vorgebrachter Einwand gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht zu überzeugen; die zweifache Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel innerhalb eines Lebensvorganges zur Erlangung einer eindeutigen Verurteilungsgrundlage widerspricht nämlich zumindest dann nicht ihrer Funktion, wenn das Urteil milder ausfällt als bei ihrer einmaligen Heranziehung oder bei einer Lösung mit Hilfe der Wahlfeststellungsgrundsätze381 • Auf diesem Hintergrund ist man zunächst versucht, die Lösung des
Schwurgerichts (6.) zu befürworten, das in einer Gesamtbetrachtung zu-
gunsten des Angeklagten davon ausgeht, daß der dritte Schuß nicht getroffen hat, was - entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofes notwendig zur Folge habe, daß neben der eindeutigen Feststellung des Mordversuchs auf fahrlässige Tötung (zweiter Schuß) zu erkennen ist. Insoweit verdient aber die These des Bundesgerichtshofes382 uneingeschränkte Zustimmung, daß die Unterstellung des Fehlgehens des dritten Schusses nicht in § 261 StPO ausschöpfendem Maße die Überzeugung der fahrlässigen Tötung durch den zweiten Schuß begründet. Erinnert man sich jetzt an die Lösung von Schröder und Dreher (2.), so ergibt sich Zustimmung und Kritik von selbst: Zu befürworten ist die Gesamtbetrachtung des Geschehens, die als feststehenden Tatteil über "in dubio pro reo" den versuchten Mord statuiert; abzulehnen ist auch hier die Außerachtlassung des Todeserfolgs383 • RGSt 71, 364 (365). Feters, Schüsse, S. 105. - Ganz ähnlich liegt auch der später vom Bundesgerichtshof entschiedene sog. Bratpfannen-Fall in NJW 1966, S. 1823 ff. (Urt. v. 12.7.1966 - 1 StR 291/66): da hier nicht bewiesen werden konnte, ob die Toch378 379
ter oder die Mutter die tödlichen Schläge geführt hatte, waren beide über "in dubio pro reo" zu Recht nur wegen versuchter Tötung zu verurteilen, obwohl der Deliktserfolg gegeben war (S. 1824). Wenn Schröder (in Schönke-Schröder, § 2 b Anm. 10) diese Entscheidung mit dem Drei-Schüsse-Fall auf eine Stufe stellt, so fehlt die erforderliche Differenzierung. 380 Lehrb., § 37 III 1, S. 248. 381 Vgl. dazu bereits oben 2. Teil bei Fußn. 376 ff., wo die doppelte Anwendung der Beweisregel generell und mithin sogar zur Erlangung einer nur wahldeutigen Verurteilungsgrundlage zugelassen wird. 382 BGH GA 1958, S. 111; zust. Fuchs, Diss., S. 6I. 383 Das gilt auch für die vorab abgelehnte Lösung von Freisendanz im Sinne einer gleichartigen Wahlfeststellung (3.).
2. Abschn.: Hauptfälle von Absicht, Vorsatz und Fahrlässigkeit
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Den im Ansatz methodisch richtigen Weg scheinen nach alledem Fuchs und Baumann (4.) beschritten zu haben. Der Grundsatz "in dubio pro reo" erfordere, den dritten Schuß nicht als vollendeten Mord zu werten. Diese Unterstellung schließe zwar die eindeutige Feststellung der fahrlässigen Tötung neben dem verbleibenden Mordversuch aus, nicht aber die Prüfung der - wenn auch im Ergebnis unzulässigen - Wahlfeststellung zwischen § 222 und § 211384 • Weg und Lösung sind dennoch nicht bedenkenfrei. In Wirklichkeit handelt es sich hier wegen des Stufenverhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht um eine Verflechtung von Wahlfeststellungs- und "in dubio pro reo"-Regeln, sondern um eine zweifache Anwendung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten". Nur auf diese Weise ist auch der Tötungserfolg im Urteilsspruch sichtbar zu machen: Die Verurteilung wegen versuchten Mordes und fahrlässiger Tötung liegt im Grunde auf der Hand. Der entschiedene Fall zeichnet sich durch eine doppelte Alternativität aus; unaufklärbar ist sowohl die Kausalität der letzten beiden Schüsse, was sich zugunsten des Täters in der Statuierung des versuchten Mordes niederschlagen muß, als auch die Schuldform, hinsichtlich derer die Beweisregel "in dubio pro reo" die eindeutige Feststellung unbewußt-rationaler Fahrlässigkeit (auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage) gebietet. Bedenkt man dabei die enge Zusammengehörigkeit der letzten beiden Schüsse, so drängt sich sogar zur Stützung dieses Ergebnisses die Parallele zu dem zuerst besprochenen Sonderfall der Alternativität von Mord und Körperverletzung mit Todesfolge auf: Auch im Drei-Schüsse-Fall vermag die Alternative des vollendeten Mordes in zweifacher Weise als Oberdelikt zu fungieren; für den vorsätzlichen Tötungsversuch einerseits und für die fahrlässige Tötung andererseits. Das richtige Ergebnis lautet demnach: Eindeutige Verurteilung wegen Mordversuchs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung (auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage)385. H. Die Skizzierung der Irrtumsproblematik Abschließend soll die Irrtumsproblematik skizziert werden. Da hier ausdrücklich von den Schuldtheorien ausgegangen wird, stellt sich vornehmlich die Frage nach den Auswirkungen der "Eingeschränkten Schuld384 Beide Autoren bejahen bekanntlich die Wahlfeststellungsgrundsätze nur bei zwei Lebensvorgängen, die im gegebenen Fall demnach auch nicht durch die erforderliche Gesamtbetrachtung in Frage gestellt werden. 385 Geben mithin allein Fuchs und Baumann bei angreifbarem Ergebnis einen ersten Fingerzeig für den richtigen Lösungsweg, so kommt lediglich das SchwuTgericht - wenn auch auf falschem Wege - dem Endergebnis nahe, wenn es die §§ 211, 43; 222 als in TatmehTheit (vgl. PeteTs, Lehrb., § 37 III 1, S. 248) begangen begreift.
15°
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
theorie". Im Lichte der "Strengen Schuldtheorie" ergibt sich keine Änderung, da die aufgezeigten psycholgischen Vorgegebenheiten von Vorsatz und Fahrlässigkeit den Inhalt dieser Begriffe voll ausschöpfen. Demgegenüber wird der Vorsatzbegriff bei der "Eingeschränkten Schuldtheorie" um das Merkmal der "Nichtannahme eines Gegentatbestandes" erweitert386 und mithin die Grenze von Tat- und Unrechtsbewußtsein verschoben. Auch insoweit handelt es sich, da mit dem Gegentatbestand nur die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes oder der Garantenpflicht bezeichnet werden, um Zweifel tatsächlicher Art. Deshalb lassen sich auch etwa im Rahmen einer Putativnotwehrlage durchaus ähnliche Gesichtspunkte heranziehen wie bei der bisher aufgetretenen Abgrenzungsproblematik. Auch in Bruchteilen von Sekunden387 wird der Täter das Vorliegen des Gegentatbestandes - ähnlich spiegelbildlich wie das Vorhandensein von Gegenfaktoren - ernst oder leicht nehmen; auch hier gibt es nlcht lediglich eine sichere Annahme und einen ebenso gewissen Ausschluß der tatsächlichen Vorbedingungen eines Rechtfertigungsgrundes. Berücksichtigt man diese psychologische Struktur, die im Falle einer irrtümlichen Schwangerschaftsunterbrechung noch verstärkt zutage treten mag, dann läßt sich im Rahmen der Irrtumsproblematik ebenso ein Stufenverhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit statuieren wie in den bisherigen Fällen. Der Anwendungsbereich des Grundsatzes "in dubio pro reo" bleibt auf die tatsächlichen Vorgegebenheiten beider Schuldformen beschränkt388 • 386 Vgl. im einzelnen Roxin (Kritik, S. 550 ff., insbes. S. 554 und 556/557), der mit guten Gründen bei einer derartigen Ausfonnung des Vorsatzbegriffes auch Vorwerfbarkeitsgesichtspunkte einfließen läßt und den subjektiven Tatbestand als Schuldtypus begreift (S. 558); kritisch dazu GösseZ (S. 118 Fußn. 36), der die seiner Auffassung nach unhaltbare Konsequenz anprangert, daß dann alle straferschwerenden Tatbestandsmerkmale als Schuldfonnen bezeichnet werden müßten. 387 Auch insoweit gelten die Ausführungen zum Sachdenken (siehe oben Fußn. 221), deren Bedeutung im übrigen von Schmidhäuser (AT 10/72; Vorsatzbegriff, S. 19) und RudoZphi (S. 159) ohne weiteres sogar auf das Unrechtsbewußtsein übertragen wird. 388 Im übrigen lassen sich sogar für das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, das nach der Vorsatztheorie als Vorsatzelement zu begreifen ist, ähnliche Abgrenzungen zugrunde legen wie bei der Abschichtung von dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit (so neuerdings eingehend RudoZphi, S. 124 - 129). Hierbei tauchen die oben für das Tatbewußtsein angesprochenen Meinungsverschiedenheiten wieder auf. So zieht Schmidhäuser zwangsläufig und im Ergebnis die Vorsatztheorie befürwortend (AT 10/60) die Grenze zwischen Gegebensein und Fehlen des Unrechtsbewußtseins (siehe bereits oben Fußn. 63); das hat etwa zur Konsequenz, daß Schmidhäuser den Vorsatz dort bejahen muß und will, wo die Schuldtheorien und auch die herkömmliche Vorsatztheorie ohne weiteres zur Fahrlässigkeit gelangen: wenn nämlich Tat- und Unrechtsbewußtsein (das nie ausgeprägter sein kann als das Tatbewußtsein; Schmidhäuser AT 10/52; näher RudoZphi, S. 129 - 133) lediglich den Intensitätsgrad der herkömmlichen bewußten Fahrlässigkeit besitzen. Die Abgrenzung des Unrechtsbewußtseins nach den für die Abschichtung
3. Abschnitt
Die verbleibenden Fälle der Absicht und der unbewu&ten Fahrlässigkeit und die Konsequenzen für das Alternativitätsproblem A. Absichtliche Affekttat und unbewußte Fahrlässigkeit Das bisher zusammengesetzte Fallmosaik wäre in grobem Maße unvollständig, wenn man es auf die rationalistischen und intellektualistischen Konstellationen beschränken wollte. Es ist das Verdienst der modernen Psychologie, mit Nachdruck darauf hingewiesen zu haben, daß eine große Fortsetzung der Anm. 388 von Seite 228:
von Vorsatz und Fahrlässigkeit geltenden Regeln macht zudem einen Weg frei für die nach den Schuldtheorien vorzunehmende Unterscheidung der größeren oder geringeren Vermeidbarkeit (§§ 51 II, 44 analog) des Verbotsirrtums. Als Grenze fungiert hier die oben eingehend herausgearbeitete Linie zwischen bewußter und unbewußt-rationaler Fahrlässigkeit, sofern überhaupt der Fragenkreis der "Bewußtseinsform der Unrechtskenntnis" betroffen ist (zur Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums hat neuestens Rudolphi, S. 193 ff. eine überzeugende Gesamtkonzeption entwickelt; das Schwergewicht liegt dabei auf dem zur vorwerfbaren Tat führenden Nicht-Erkennen der Rechtswidrigkeit; insoweit ist die Grenze zu Recht - vgl. Rudolphi, S. 193 - identisch mit dem potentiellen Unrechtsbewußtsein im Sinne der Ernstnahme und nicht erst mit dem als Parallele herangezogenen Einschnitt zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit). - Sollte man künftig die unbewußt-rationale Fahrlässigkeit (neben der völlig unbewußten Fahrlässigkeit) aus dem Kriminalunrecht verbannen, wäre mithin auch eine Grenze zum dann "straflosen Verbotsirrtum" gefunden. Abschließend sei noch ein Wort zu der These Halls (Fahrlässigkeit, S. 59) gesagt, daß gerade die Schuldtheorie die von ihm mannigfach aufgespürte latente "Fahrlässigkeit im Vorsatz" offenbare, da der durch Fahrlässigkeit verursachte und damit vermeidbare Verbotsirrtum den Vorsatz unberührt lasse: Auf dem Hintergrund der hier herausgestellten Gesichtspunkte ist entgegenzuhalten, daß Vorsatz und Fahrlässigkeit (Erlangbarkeit des Unrechtsbewußtseins) zwar mit Hilfe gleicher Kriterien und Strukturmittel, aber auf völlig unabhängigen Ebenen (Tatbewußtsein einerseits, Unrechtsbewußtsein andererseits) ermittelt werden. Insofern enthält nicht der Vorsatz ein Fahrlässigkeitselement, sondern die vorsätzliche Straftat entfällt nur nicht, wenn statt der positiven Unrechtskenntnis lediglich eine "bewußt oder (rational-)unbewußt fahrlässige Unrechtskenntnis" vorliegt. Mit ebensolchem Recht ließe sich im übrigen auch (vom Gesichtspunkt des Gefährdungsvorsatzes in der bewußten Verletzungsfahrlässigkeit bereits abgesehen) der Vorsatz in der Fahrlässigkeit nachweisen, indem man nach der "Eingeschränkten Schuldtheorie" im Rahmen der Putativnotwehr für das fahrlässig begangene Delikt mindestens den bedingt vorsätzlich angenommenen Gegentatbestand verlangt.
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4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Anzahl gerade der immer noch strafrechtlich relevanten Taten einer rationalen Grundlage entbehren388 . Entweder ist der Willensbildungsprozeß mit seiner intellektuellen und voluntativen Komponente stark verkürzt (sog. limitatives Wollen)390 oder Antrieb und Deliktsverwirklichung sind gleichsam kurzgeschlossen unter völliger übergehung der zweiten und dritten Phase der ausgeprägten Willenshandlung (Trieb- und Affekttaten)391,392. Eine zweite Fallgruppe kommt hinzu. Der Täter kann entweder zur Zeit der Tat in einer vollkommenen Unbewußtheit hinsichtlich des Erfolgsrisikos oder doch aufgrund ständiger Wiederholung gleichsam automatisiert handeln393 . Es gilt, aus diesen Erkenntnissen neue Fallkonstellationen zu entwickeln und einer Lösung innerhalb der Alternativitätsproblematik zuzuführen. Eines läßt sich dabei vorab feststellen: Bereichert werden nur die Absichtsfälle einerseits und die Konstellationen der unbewußten Fahrlässigkeit andererseits. Hat der Affektäter ein Ziel vor Augen, dann liegt Absicht, anderenfalls unbewußte Fahrlässigkeit vor; Nebenfolgen werden im Affekt nicht gesehen394. Innerhalb der automatisierten Handlungen (Autofahren, Spazierengehen) gibt es keinen strafrechtlich relevan388 VgI. vor allem Platzgummer, S. 31 ff., insbes. S. 34 mit Hinw. auf Kurt Schneider (Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, 3. Auf I. , 1956) u. a.; Ambrosius, S. 71 ff.; Arthur Kaufmann, Unrechtslehre, S.108. 390 Platzgummer, S. 94; vgI. auch S. 34. 891 VgI. Ambrosius, S. 71; Platzgummer, S. 33; Hall (Fahrlässigkeit, S. 41) mit Hinw. auf H. Ehrhardt ("Zur Problematik der forensischen Beurteilung von
Affekthandlungen unter Alkoholeinfluß". In: "Richter und Arzt", S. 61/62; hrsg. von K. Kleist, 1956). Beachte auch die von Hall berichtete Unterscheidung der Affekttaten durch E. Kretschmer ("Medizinische Psychologie". 11. Auf1., S. 233 mit weit. Hinw. auf U. Undeutsch in Ponsolds Lehrbuch der Gerichtlichen Medizin, 2. Aufl., 1957, S. 133): Den "Explosivreaktionen" ohne irgendeine willentliche Kontrolle (z. B. dem sog. "Zuchthausknall" der Gefangenen) stehen die "Kurzschlußhandlungen im engeren Sinne" gegenüber, in denen die "Ichfunktion zu spät, zu zögernd und zu schwach auftritt" (z. B. Brandstiftung als Heimweh-Reaktion). Zur Unterscheidung von Antriebs- und Eindrucksaffekten (letztere sind im hier gegebenen Zusammenhang unbeachtlich) vgI. Vetter, S. 96 - 102. Der Antriebsaffekt kann sich sowohl elementar in tätlicher Rücksichtslosigkeit als auch reflektiert im sprachlichen Angriff ("Schimpfkanonade entladen (Vetter, S.98). Zur Unterscheidung von Trieb- und Affekttat vgI. Platzgummer, S. 31 Fußn. 32 mit weit. Nachw.; zur Geschichte der Affektenlehre beachte Vetter, S. 94 f. 382 Anzumerken bleibt an dieser Stelle, daß gerade die Triebhandlungen und Impulsakte einen Beweis für die Unvollkommenheit der finalen Handlungslehre (auch bereits im Vorsatz- bzw. Absichtsbereich) liefern: Mangels jeglicher Zäsur zwischen Antrieb und Verwirklichung fehlt jede willentliche Steuerung des Antriebserlebnisses. Mit Recht fordert Gössel (S. 110/111) aus diesem Grunde mindestens eine Erweiterung dieser Handlungslehre. - Vorsichtiger Roxin, Literaturbericht, S. 256. 393 Dazu Ambrosius, S. 71 und 74 f.; Gössel, S. 78. 394 Richtig Ambrosius, S. 72/73; vgI. auch Platzgummer, S. 33 Fußn. 42. U
)
3. Abschn.: Restfälle der Absicht und unbewußten Fahrlässigkeit
231
ten Vorsatz. Der Täter wird sich bei der Deliktsverwirklichung schwerlich einer automatisierten Handlung bedienen3u5 • Insoweit kommt ebenfalls höchstens unbewußte Fahrlässigkeit in Betracht. Überhaupt ist der Bereich von dolus eventualis und luxuria wegen der komplizierten Vorgänge im Willensbildungsprozeß Domäne der ausgeprägten Willenshandlung 396• Auf dieser Grundlage lassen sich vier weitere Fälle der unbewußten Fahrlässigkeit und ein zusätzlicher Absichtsfall aufzeigen. I. Die absichtliche Affekttat
Sticht jemand "in blinder Wut" mit einem Messer auf seinen Widersacher ein und hat er dabei immerhin den Gedanken "den mache ich fertig", dann zieht diese Affekthandlung nach immer noch h. M. die Vorsatzstrafe nach sich317 • 11. Die unbewußte Fahrlässigkeit
1. Affekttat ohne Zielvorstellung Schlägt jemand in heftigem Disput mit seinem Gastgeber mit der Faust auf den Tisch, so daß ein Weinglas umstürzt und zerbricht, so liegt allenfalls eine unbewußt fahrlässige und damit straflose Sachbeschädigung
vor'8 .
2. Die automatisierte Handlung Verursacht jemand beim automatisierten Autofahren ohne Vorstellung jeglicher Gefahr einen Unfall, so ist bei Pflichtwidrigkeit unbewußte Fahrlässigkeit anzunehmen399 •
Ambrosius, S. 75 Fußn. 21. Ambrosius, S. 75. aD7 Vgl. Ambrosius, S. 72; außer Betracht bleibt hier die Frage fehlender oder verminderter Schuldfähigkeit; vgl. dazu Platzgummer, S. 100. Nicht diskutiert werden kann ferner die beachtenswerte Forderung, die absichtliche Affekttat im Schuldvorwurf mit den Fahrlässigkeitsdelikten gleichzustellen; vgl. etwa Hall, Fahrlässigkeit, S. 36, 44, 59 und 61. Hingegen vermag man nach Roxin (Literaturbericht, S. 252) mit den von Platzgummer (S. 81 ff.) herausgearbeiteten Bewußtseinsformen des "ständigen Begleitwissens" und des "Mitbewußtseins" die Affekt- und Augenblickstaten ohne Fiktionen unter den Vorsatz zu subsumieren. 3D8 Ebenso Ambrosius, S. 72. alt Vgl. auch Ambrosius, S. 75. Das Handeln selbst verläuft allerdings entgegen einer häufig im psychologischen Schrifttum geäußerten Auffassung stets unter einer gewissen Kontrolle des Bewußtseins; so Gössel (S. 78) mit Hinw. auf Düker (Untersuchungen zur Theorie der Willenshandlung; in: Bericht über den 17. und 18. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, S. 39 ff., Göttingen 1953); Lersch bezeichnet die Bewußtseins stufe als "unrefiektiert-unbewußt". weil zwar ein feststellendes Bewußtsein gegeben, dagegen aber keine stellungnehmende Bewußtheit vorhanden ist (vgl. dazu Gössel, S. 58/59). 305
38&
232
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
3. Die Fälle des Vergessens Es gibt weiterhin zahlreiche Versuche, die Fälle des Vergessens der unbewußten Fahrlässigkeit einzugliedern. Dabei geht es vor allem um die Begründung des Schuldcharakters dieser Handlungen4OO • Mit Recht unterscheidet Arthur Kaufmann 401 zwischen einem "qualifizierten Vergessen" und einem "einfachen Unbewußtsein", wobei er allenfalls ersterem aus dem Gedanken der "actio libera in causa" einen Schuldcharakter zusprechen will. Er befindet sich insoweit trotz beachtlicher Gründe in völligem Gegensatz zur h ..L., die im Falle der Pflichtwidrigkeit stets die Schuld zu bejahen bereit ist402 • a) Das qualifizierte Vergessen Vergißt jemand bei Dienstschluß, ein Gefäß mit ätzender Flüssigkeit zu verschließen und wegzuräumen, obwohl er sich morgens bei Benutzung der Flüssigkeit der Gefahr im Falle des Vergessens bewußt war, und verletzt sich später eine Putzfrau, so liegt eine unbewußt fahrlässige Körperverletzung wegen qualifizierten Vergessens vor. Schuldbegründend kann insoweit die mangelnde Konzentration auf den zu reproduzierenden Bewußtseinsgegenstand sein 403 • Liegt die mangelnde Konzentration allerdings zeitlich sehr weit zurück (der Arzt hat sich als Student Lehrgut nicht genügend eingeprägt), so läßt sich richtigerweise von einem qualifizierten Vergessen nicht mehr sprechen404 • b) Das einfache Vergessen (die Unbewußtheit) Ist demgegenüber dem Täter gar nicht zu Bewußtsein gekommen, daß die ätzende Flüssigkeit in Richtung auf ein geschütztes Rechtsgut bedeutsam werden konnte, dann liegt ein einfaches Vergessen bzw. ein 400 Vgl. dazu etwa Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 156 -165; Gessner, S. 86 ff. mit zahlreichen weit. Nachw. 401 Schuldprinzip, S. 158 und 162 mit Hinw. auf Sigrid Fischer, Das Vergessen,
S. 64 ff.
402 Wegen der Einzelheiten ist auf Arthur Kaufmann a.a.O. und Gessner a.a.O. zu verweisen; die Frage bedarf hier keiner vertieften Erörterung. 403 Vgl. Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 158. 404 Überzeugend Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 158. Scheint es mithin auf der einen Seite erforderlich, bei der vollkommen unbewußt fahrlässigen Handlung auf einen Zeitpunkt zurückzugreifen, in dem das Bewußtsein des Täters eingeschaltet war, so bleibt es andererseits problematisch, mit dem schwer faßbaren Kriterium des Zeitablaufs (Arzt-Fall) zu arbeiten. Immerhin ist mit der neuesten Entscheidung des Bundesgerichtshofes auf gewisse "Alarmzeichen" beim Täter (BGHSt 23, 156 [166]; Ermüdung am Steuer) abzustellen und folglich ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Deliktsverwirklichung zu fordern, der beim Medizinstudenten keinesfalls begründet werden kann.
3. Abschn.: Restfälle der Absicht und unbewußten Fahrlässigkeit
233
vollkommenes Unbewußtsein vor, dessen Schuldcharakter bei Pflichtwidrigkeit bekanntlich heftig umstritten ist405 , 408. B. Die Konsequenzen für das Alternativitätsproblem Das fertige Fallmosaik bereichert die Alternativitätsproblematik hauptsächlich um die Fragen nach dem Verhältnis von Intellekt- und Affektabsicht sowie von rational-unbewußter Fahrlässigkeit und den oben aufgezeigten Restfällen dieser Schuldform. Was die Unaufklärbarkeit von Affekt- und Intellektabsicht angeht, so ist das wegen der verschiedenartigen Struktur der Willenshandlung'°1 auftauchende Problem der Wahlfeststellung zugunsten der Zulässigkeit der wahldeutigen Verurteilung zu lösen. Dafür sprechen sowohl das beidermalige Vorliegen eines echten Wollens der Tat als auch die mannigfachen Übergänge zwischen reiner Affekttat und ausgeprägtem intellektuellen Absichtsdelikt, insbesondere das dargestellte Zwischeninstitut des sog. limitativen Wollens'08, 409; zwingend ist letztlich der Gesichtspunkt der tabestandlichen Verschmelzung bei der Schuldarten zur Absichtstat. 405 Vgl. hierzu vornehmlich Gessner, S. 93; Arthur Kaufmann, Schuldprinzip, S. 158 und 162. 4" Deutlich wird hier der Unterschied zum Schußwaffen-Fall, da der völlig unbewußt handelnde Täter auch nicht über eine Vorstufe (Vorbedingung) der Rechtsgutsverletzung reflektiert. 407 Anteiliges oder sogar vollkommenes Fehlen des Willensbildungsprozesses und mithin der Finalität im Falle der Affekttat. 40B Vgl. dazu gut Ambrosius, S. 72. 401 Man darf dabei aus der Möglichkeit dieser Zwischenbereiche nicht den Schluß eines Stufenverhältnisses ziehen: Zwischen Gegebensein und Fehlen des Willensbildungsprozesses oder der Finalität des Handeins besteht genauso wie zwischen dem Vorliegen und dem Mangel des Bewußtseins im Rahmen der unbewußten Fahrlässigkeit mit ihren Komponenten des Rational-Unbewußten und des vollkommen Unbewußten ein Ausschließungsverhältnis. Diese Feststellung leitet über zu einer allgemeinen Erwägung. Erinnert man sich, daß Wahlfeststellung und Fortsetzungszusammenhang im Rahmen der Vermögensdelikte (siehe oben 2. Teil, bei Fußn. 313 - 317 und 356 - 359) gerade wegen bestehender Abgrenzungsschwierigkeiten und Zwischenbereiche zugelassen wurden, so stellt sich auch insoweit die eigentliche Vorfrage nach einem begriffslogischen Stufenverhältnis. Raub oder räuberische Erpressung bei vorgehaltener Pistole etwa hängen allein von der psychischen Verfassung des Opfers ab; Trickdiebstahl und Betrug oder Diebstahl und Unterschlagung im konkreten Fall allein von den Gewahrsamsverhältnissen, Diebstahl oder Unterschlagung etwa auch lediglich von dem Todeszeitpunkt des zunächst bewußtlosen Opfers. Richtigerweise vermögen diese nur scheinbar fließenden Übergänge im Gegensatz zur Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit ein Stufenverhältnis nicht zu begründen. Im Falle der "räuberischen Erlangung" ergibt sich das Ausschließungsverhältnis aus dem Gegebensein oder Fehlen der Willensfreiheit. Trotz beweisrechtlicher Nähe von Vermögensverfügung und Zulassen der Wegnahme im Einzelfall tut sich hier ein ebensolcher Abgrund auf wie zwischen Affektabsicht und Intellektabsicht oder rational-unbewußter und
234
4. Teil: Die Alternativität bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten
Ähnliches gilt für das Verhältnis der bei den Gruppen der unbewußten Fahrlässigkeit. Das aliud-Verhältnis ergibt sich daraus, daß dem vollkommen unbewußt handelnden Täter im Gegensatz zum rational-unbewußt vorgehenden Delinquenten im Zeitpunkt der Tat jegliche psychologische Beziehung zur Handlung fehlt41O • Die Gleichwertigkeit läßt sich wiederum aus der tatbestandlichen Zusammenfassung und aus dem stets fehlenden Bewußtsein einer konkreten Erfolgsnähe ableiten. Bei der Alternativität von Vorsatz und völlig unbewußtem Handeln - etwa der Unaufklärbarkeit von Meineid zur Verdeckung einer Straftat und unbewußt fahrlässigem Falscheid - gelangt man nach alledem zu einem befriedigenden Ergebnis. Die vorsätzliche Tat wird über den Grundsatz "in dubio pro reo" auf die rational-unbewußte Fahrlässigkeit verkürzt, um die wahldeutige Verurteilung mit der Tat in völliger Unbevollkommen unbewußter Fahrlässigkeit. Die Gewahrsams-Fälle andererseits weisen trotz "äußerlicher Herrschaftsstufen" klar faßbare unterschiedliche Voraussetzungen auf. Selbst der Fall des bewußtlosen Opfers, in dem man wegen des fiießenden Todeszeitgesichtspunktes schließlich doch einmal ein Umfassungsverhältnis zu bejahen bereit sein könnte, erscheint im Lichte der Wahlfeststellung, wenn man bedenkt, daß der Täter - bei Ausschluß der Irrtumsfälle - um die Ohnmacht oder den Tod des Eigentümers wissen muß und sich mithin nicht nur die Gewahrsamsverhältnisse, sondern auch die subjektiven Merkmale sowie der Deliktscharakter mit dem Eintritt des Todes entscheidend verschieben (vgl. im übrigen 2. Teil, bei Fußn. 450 f. zum Verhältnis von Raub und räuberischem Diebstahl). Man hat in diesen Fällen von vornherein nicht wie bei Vorsatz und Fahrlässigkeit die Möglichkeit, zwischen allein beweiserheblichem Stufenverhältnis und daraus folgendem rechtlich relevanten aliud-Verhältnis zu differenzieren. Die beweisrelevanten Vorfragen nach der Willensfreiheit, dem Willensbildungsprozeß, den Herrschaftsverhältnissen oder dem Todeszeitpunkt enthalten anders als die Frage nach der Ernstnahme der Deliktsverwirklichung mit der noch offenen Entscheidung für die Rechtsgutsverletzung die Verschiedenheit (zur Willensfreiheit, Affekttat, mangelnden Herrschaft oder Bewußtlosigkeit) bereits in sich. Erst die Vorfrage der Vorfrage könnte den Weg zu beweisrechtlichen Umfassungsverhältnissen ebnen (von dem psychischen Material hängt etwa die Willensfreiheit ab, die wiederum über Gewahrsamsbruch oder Vermögensverfügung entscheidet; ähnlich beeinftußt der Todeszeitpunkt die Herrschaftsverhältnisse, die wiederum die Subsumtion unter die Begriffe des Fremd- oder Eigengewahrsams ermöglichen). Eine derart weitläufige Rückführung der Alternativitätsfragen würde aber das notwendige Institut des aliud-Verhältnisses überftüssig machen und den Zusammenhang mit den Straftatbeständen vollkommen auflösen. Ein letzter Unterschied zeigt sich in folgendem: Im Rahmen von Vorsatz und Fahrlässigkeit liegt die Unbeweislichkeit innerhalb der Täterpsyche; bei den Vermögensdelikten hingegen stets außerhalb der Einftußsphäre des Täters. 410 Nur insoweit ist mithin Fuchs zuzustimmen, der die Fahrlässigkeit stets als Normativum begreift (Diss., S. 31 f.; Wahlfeststellung, S. 71). Wenn Fuchs von seinem Standpunkt aus folgerichtig ein Ausschließungsverhältnis zwischen psychologisch-normativem Vorsatz und Fahrlässigkeit für begründet erachtet (Diss., S. 39/40 und 64; Wahlfeststellung, S. 71), so läßt sich dieser Gesichtspunkt für das hier angesprochene Verhältnis der "normativen Fahrlässigkeit" zur psychologisch-normativen (unbewußt-rationalen) Fahrlässigkeit fruchtbar machen.
3. Abschn.: Restfälle der Absicht und unbewußten Fahrlässigkeit
235
wußtheit zu gewährleistenm. Wegen der tatbestandlichen Verschmelzung lautet der Tenor auf (unbewußt) fahrlässigen Falscheid. Ohne große praktische Tragweite sind die verbleibenden Alternativitäten von Affektabsicht und Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit. Wegen ihrer tatbestandlichen Zusammenfassung mit der Intellektabsicht und der zulässigen Wahlfeststellung zwischen dieser und dem Vorsatz, läßt sich die Zulässigkeit einer wahldeutigen Verurteilung auch wegen Affektabsichtsund Vorsatztat nicht ableugnen. - Demgegenüber wäre eine Wahlfeststellung zwischen Affektabsicht und Fahrlässigkeit und mithin auch zwischen Affekttat mit und ohne Zielvorstellung wegen der verschiedenartigen Struktur der Handlung genau so unzulässig wie zwischen Intellektabsicht und Fahrlässigkeit. C. Ergebnis und Ergänzung des Schaubildes
Im Gesamtergebnis ist das oben412 erstellte Schaubild folgendermaßen zu ergänzen413 :
+ X direkte Absicht +
+X dolus directus
X
+
XEventualabsicht
~ dolus eventualis
~ ~f!t
X
~----------+ -.-.-.-.-.-.----~
~b~~l\-
~----------~
~AbSicht parallel zur
~
Xb ßt Fahrr· . k.t X bewußten Fahrlässigkeit 11 ewu e asslg el 11 X X .-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-. 11 = = = = = = = = = = 11 = X = X = X rational-unbewußte X Fahrlässigkeit und + (irrati~ale~~allele __ ~ ~~~~te Straflosigkeit I. X (Restfälle) I. Schußwaffen-Fall ~
+
r r
411 MethodisdJ., d. h. hinsichtlich des Zusammengreüens von "in dubio pro reo"- und Wahlfeststellungsgrundsätzen kann auf den 2. Teil der Arbeit verwiesen werden; vgl. insbes. bei Fußn. 371 ff. m 2. Abschnitt, E., bei Fußn. 341 f. (mit Zeichenerklärung). ua Offen bleiben kann die Frage, ob zwischen qualifiziertem und einfachem Vergessen ein Stufenverhältnis angenommen werden kann; dafür könnte jedenfalls der nur quantitativ abstufbare Zeitgesichtspunkt sprechen.
5. Teil
Die Alternativität bei Täterschaft und Teilnahme 1. Abschnitt
Allgemeine Grundsätze Die Behandlung der Alternativität von Täterschaft und Teilnahme in unmittelbarem Anschluß an die Erörterungen um die Unaufklärbarkeit von Vorsatz und Fahrlässigkeit bietet sich geradezu an. Zahlreiche Autoren gelangen für beide Problemkreise zu übereinstimmenden Lösungent; dies gilt insbesondere für die Bildung eines normativ-ethischen Stufenverhältnisses2 oder eines Auffangtatbestandes3. Weiterhin entbehren die nachfolgenden Ausführungen wegen des bereits ausgefertigten Zweiten Strafrechtsreformgesetzes - anders als die Untersuchungen zum Besonderen Teil - ebensowenig der Endgültigkeit wie die vorstehende Abgrenzung der Schuldformen. Schließlich hat die weitgehende Unsicherheit oder Uneinigkeit um die Alternativität von Täterschaft und Teilnahme in vergleichbarer Weise ihren Ursprung in der mangelnden Differenzierung innerhalb der zahlreichen Beteiligungsformen4 , 6. 1 Städtler, S. 90; Zeiler, Grenzen, S. 150; Niethammer in v. Olshausen, § 2 b Anm. 10 a, S. 57; Mayer, Anmerkung, S. 298/299; Hubernagel, S. 331; Schwarz, Strafrechtsnovellen, S. 258. ! Vgl. etwa Klatte, S. 28; ansonsten die zahlreichen Nachw. oben 2. Teil, bei Fußn. 222 ff. Die mannigfachen weiteren Parallelen werden im Fortgang des Textes sichtbar. a BayObLG NJW 1967, S. 361 ff., siehe dazu oben 2. Teil, bei Fußn. 195 f.; differenzierend hingegen der BGH (Vorsatz - Fahrlässigkeit: Auffangtatbestand; Mittäterschaft - Beihilfe: "in dubio pro reo" analog), dazu oben 2. Teil, Fußn.246. , Man sollte zumindest unterscheiden zwischen Alleintäterschaft, Mittäterschaft, mittelbarer Täterschaft (z. B. kraft Irrtums oder kraft Nötigung), Anstiftung (z. B. kraft Täuschung oder kraft Nötigung) und Beihilfe (physischer und psychischer Art). fi Ansätze einer Differenzierung finden sich etwa beim Bundesgerichtshof: BGHSt 1, 127 (zulässige Wahlfeststellung zwischen Selbsttäterschaft und Anstütung); BGHSt 23, 203 (eindeutige Verurteilung wegen Beihilfe im Wege einer analogen Anwendung der "in dubio pro reo"-Regel bei der Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe); ähnlich MüHer-Sax (§ 260 Anm. 4 II, S. 837 bzw. Anm. 4 III 2, S. 837/838) und Jagusch (LK, § 2 b Anm. 4 a, S. 68 bzw. Anm. 3 b, S.67).
1. Abschn.: Allgemeine Grundsätze
237
Die Vorarbeiten zur Offenlegung der zentralen Probleme sind bereits geleistet. So ist deutlich gemacht, daß die überwiegend angenommene Subsidiarität der Teilnahme für die Alternativität keinen oder doch nur den Stellenwert besitzt, daß auf die neben der Täterschaft subsidiär verwirklichte Teilnahmeo zurückgegriffen werden kann, sofern die Ausgangsalternative von Täterschaft und einem weiterem Fall gleichwertiger Teilnahme einer Wahlfeststellung unzugänglich sein sollte; insoweit gelangt man zu einer eindeutigen Verurteilung wegen Anstiftung bzw. Beihilfe auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage7 • Demgegenüber muß es als unzulässig angesehen werden, für die eindeutige Verurteilung aus der Teilnahmeform im Falle der "reinen Alterativität" nur deshalb zu plädieren, weil sich für die etwaige kumulative Verwirklichung der Beteiligungsformen ein Subsidiaritätsverhältnis begründen lieBeS. Der eindeutige Schuldspruch wegen Anstiftung bzw. Beihilfe setzt vielmehr voraus, daß etwa in der Mittäterschaft simultan-subsidiär eine Beihilfe steckt oder daß die mittelbare Täterschaft ebenso begriffslogisch eine Anstiftung in sich begreift. Gerade diese - allein relevanten - Fragen bleiben jedoch in der Regel unbeantwortet.
e Eine Analyse der Rechtsprechung des Reichsgerichts hat ergeben, daß die subsidiäre Teilnahme (so auch die Beihilfe) stets zeitlich und tatsächlich von der Täterschaft abgehoben war; oben 2. Teil, (bei) Fußn. 341. 7 Keiner Erwähnung bedarf der weitere Beweiszweüel, ob der Täter über die feststehende Teilnahme hinaus auch Täter war; der Satz .. in dubio pro reo" fordert die eindeutige Verurteilung aus dem .. eindeutigen Sachverhaltskern" (vgl. Nowakowski, S. 383); dazu auch Legien, S. 111. 8 Für ein eindeutiges Urteil mit dieser Begründung aber Schröder, Anmerkung, S. 423; zur Kritik siehe oben 2. Teil, bei Fußn. 326 ff.; einem ähnlichen Fehler wie Schröder unterliegt Maurach (AT, § 49 IV 4, S. 563), wenn er mit Hinw. auf RGSt 48, 206; RGSt 63, 134; RGSt 70, 296 glaubt, die Mittäterschaft enthalte tatbestandstechnisch zusätzlich noch die Merkmale der Anstütung oder Beihilfe; im Grundsatz methodisch richtig hingegen Baumann, Täterschaft, S. 126.
2. Abschnitt
Die einzelnen Alternativitäten A. Beweiszweifel innerhalb der Täterschaft Vorab sind allerdings die Alternativfragen innerhalb der verschiedenen Möglichkeiten einer Täterschaft zu betrachten. Während das noch geltende Recht nur die Mittäterschaft regelt, findet sich in § 25 2. StrRG (übereinstimmend mit § 27 AE) sowohl eine Definition der unmittelbaren und mittelbaren Täterschaft (Absatz 1) als auch eine solche der Mittäterschaft (Absatz 2). Es bleibt zu prüfen, inwieweit daraus der Schluß eines alternativen Mischgesetzes und damit der ohne weiteres zulässigen Wahlfeststellung gezogen werden kann. I. Alleintäterschaft - Mittäterschaft
Zum Teil will man eindeutig wegen Mittäterschaft verurteilen. Zur Begründung wird angeführt, daß der Vorwurf der Alleintäterschaft wegen des intensiveren verbrecherischen Willens schwerer wiege9 , daß mit der alleinigen Tatausführung ein objektiv schwererer Tatbeitrag gegeben sepo oder daß der Mittätervorsatz stets im Alleintätervorsatz enthalten sei l1 • - Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung12 und Schrifttum13 hält demgegenüber die zulässige Wahlfeststellung für die richtige Lösung, da es sich um verschiedene, aber gleichwertige Ausführungsarten derselben Straftat und mithin um einen Fall des alternativen MischeLegien, S.107/108; Siever, S. 63. 10 Hänsel, S. 10; vgl. auch Jagusch in LK, § 2 b Anm. 3 b, S. 67 (Jagusch zit. einige unten in Fußn. 12 genannte Entscheidungen des RG zu Unrecht für seine eigene Aufassung); beachte noch Oetker, Verfahren, S. 298 ff. (zit. bei Legien, S. 48); Tröndle in LK, nach § 2 Rdnr. 5. 11 RG HRR 1940 Nr. 1099; zust. Niethammer in v. Olshausen, § 2b Anm. B 10 a, S.57. 12 BGHSt 11, 18 (18); BGHSt 9, 390 (392 f.); RGSt 12, 347 (352); RGSt 36, 18 (20); RGSt 37, 215, 216 (zulässig ist danach auch die Wahlfeststellung zwischen Anstiftung eines Alleintäters oder eines Mittäters, S. 217); RG Recht 1916 Nr.1821; RG JW 1930, S. 2567 f. (2567) = RGSt 63, 430; OLG Düsseldorf DAR 1970, S. 190 (Allein-, Mit-, Nebentäter). 13 Lazi, S. 110; Schönke, S. 49; Köhler, S. 2568; Städtler, S. 90/91; Henkel, § 91 IV, S. 354 Fußn. 19; Fox, S. 34; Prinz zu Wied, S. 1; Legien, S. 9; GrUnhut, S. 337; Zaum, S.10; Schwabe, S. 50; Kleinknecht, § 267 Anm. 2 B.
2. Abschn.: Die einzelnen Alternativitäten
239
gesetzes handele, der auch der älteren Rechtsprechung des Reichsgerichts den Weg zur alternativen Verurteilung freigab. Richtig dürfte die überwiegende Auffassung sein. Es läßt sich weder in objektiver noch in subjektiver Sicht von einem "Mehr" auf seiten der Alleintäterschaft sprechen. Zwei Mittäter arbeiten nur deshalb zusammen, weil mit dem jeweiligen Tatbeitrag des anderen die deliktische Handlung steht und fällt; die Tatsituation ist demnach eine gänzlich andere als bei alleiniger Täterschaft14 • Eben deshalb wird auch nicht die Rede davon sein können, daß der Alleintätervorsatz den dolus des Mittäters umfaßt; die Angeklagten werden sich gemeinhin nur deshalb zu einer Gruppentat entschlossen haben, weil sie den Vorsatz zur Alleintat wegen Unlösbarkeit der Aufgabe nicht zu fassen vermochten. Zudem muß bedacht werden, daß sich die Mittäter die Tatbeiträge gegenseitig zurechnen lassen müssen, so daß insoweit ein Gleichmaß und nicht ein Umfassungsverhältnis der Ausführungshandlungen eintrittl5 • Die Verschiedenartigkeit beider Täterschaftsformen schließt dabei eine Wahlfeststellung nicht aus; beide Male besitzt der Delinquent die Herrschaft über die Tat verbunden mit dem Wissen um die täterschaftsbegründenden Merkmale. Dabei ist für die künftige Gesetzesbestimmung der Charakter eines alternativen Mischgesetzes mit (drei) verschiedenen Qualifikationen der Täterschaft zu befürworten, so daß gegebenenfalls ein Hinweis nach § 265 I StPO entbehrlich wird l6 • 11. Mittäterschaft - mittelbare Tätersdlaft
Ähnliche Erwägungen treffen für das Verhältnis von Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft zu 17 , wobei die Gleichartigkeit durch die jeweilige Personenmehrheit noch verstärkt zutage tritt. Dagegen darf aus der verbreiteten These, daß die Mittäterschaft als Sonderfall der mittelbaren Täterschaft zu begreifen seilS, nicht der Schluß des Stufen14 Soweit hingegen beide Täter jeweils sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllen, bedarf es der Figur der Mittäterschaft nicht; vgl. auch Schönke-Schröder, Vor § 47 Anm. 43. 15 Das hält Siever (S. 63) allerdings für unbeachtlich. 11 a. A. Eb. Schmidt, Teil II, § 244 Anm. 10 mit Hinw. auf RGSt 22, 367; zumindest der Fortsetzungszusamrnenhang und damit jedenfalls eine die Zulässigkeit der Wahlfeststellung begründende Gleichartigkeit wird anerkannt von Lackner-Maassen, Vor § 73 IV 2 a aa; Maurach AT, § 54 III B 2 b aa, S. 632. 17 Für zulässige Wahlfeststellung: RG Recht 1916 Nr. 1821; RG JW 1930, S. 937; RG JW 1930, S. 3087; BGH 2 StR 30/50, Urt. v. 19.2.1950 in MDR 1951, S. 179; Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. I 4, S. 45 bzw. Anm. II 3, 38. Aufl.; Eb. Schmidt, Nachtragsband, § 244 Anm. 18, S. 399; Baumann, Lehrb., § 14 II 1, S. 151; Jagusch in LK, § 2 b Anm. 4 a. 18 So etwa Schönke-Schröder, Vor § 47 Anm. 43 mit Nachw.
240
5. Teil: Die Alternativität bei Täterschaft und Teilnahme
verhältnisses gezogen werden. Die Zurechnung der jeweiligen Tat in ihrer Gesamtheit bewirkt vielmehr lediglich eine Gleichartigkeit der beiden Täterschaftsformen; ihre grundsätzliche Verschiedenheit liegt darin begründet, daß die Mittäter arbeitsteilig zusammenwirken, während der mittelbare Täter sein Werkzeug lediglich benutzt oder gar mißbraucht.
m. Alleintäterscha.ft -
mittelbare Täterschaft
Auch hier gelten ähnliche Gesichtspunkte wie bei der Unaufklärbarkeit von Alleintäterschaft und Mittäterschaft19. Insbesondere läßt sich mit der Erwägung, daß der Tatbeitrag des mittelbaren Täters, der fremdes Tun zu Hilfe nimmt, geringer wirke als die eigene Ausführung der Tat20 , eine eindeutige Verurteilung nicht begründen. Die Unterschiedlichkeit beider Täterschaftsformen liegt darin, daß der unmittelbare Täter die Tat eigenhändig ausführen muß, während der mittelbare Täter weitgehend auf intellektuellem oder psychologischem Wege zu Werke geht. B. Mittelbare Täterschaft - Anstiftung (Mittelbare) Täterschaft und Anstütung sind nach geltendem und ganz entschieden nach künftigem Recht21 auch tatbestandlich voneinander getrennt. Die Anstiftungsarten des heutigen § 48 sind dabei nicht wieder in die Definition des § 2'6 2. StrRG übernommen worden, was aber keine inhaltliche Änderung des Rechts zur Folge haben soll. Vielmehr wollte man auf diesem Wege der Unvollständigkeit und der mangelnden Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft begegnen 22 • I. Beweiszweifel innerhalb von mittelbarer Täterschaft bzw. Anstiftung
Es mag deshalb kurz festgehalten werden, daß bei unaufgeklärten Ausführungsarten innerhalb der Anstiftung bzw. der mittelbaren Täterschaft eine Wahlfeststellung ohne weiteres möglich ist23 • Als wichtigste Ausführungsvarianten seien die Täuschung und die Drohung (unter Einschluß der Gewalt) genannt, die auch im Rahmen der mittelbaren Täter19 Bezeichnend Städtler (S. 90), der auf RGSt 12, 347 (352), RGSt 37, 215 (216) und RGSt 63, 430 (siehe oben Fußn. 12) verweist. Für zulässige Wahlfeststellung ferner: RG Recht 1916 Nr. 1821; Siever, S. 64; Schänke, S. 49; Lazi, S. 110. 20 So aber Hänsel, S. 10. 21 §§ 25, 26 2. StrRG; vgl. auch die übereinstimmenden §§ 27, 28 AE. 22 Dazu die Begründung des E 62, S. 150. 23 Der heutige § 48 beinhaltet mithin als alternativer Mischtatbestand verschiedene Modalitäten einer Teilnahmeform; zur Zulässigkeit der Wahlfeststellung vgl. Schönke-Schröder, § 48 Anm. 5 mit Hinw. auf RGSt 59,239 (240).
2. Abschn.: Die einzelnen Alternativitäten
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schaft als "Willensherrschaft kraft Irrtums" und "Willensherrschaft kraft Nötigung"24 ihre Parallelen besitzen. D. Mittelbare Tätersmaft - Anstiftung
1. Die Varianten von Drohung und Gewalt Für die Alternativität von Willensherrschaft kraft Nötigung und Anstiftung durch Drohung oder Gewalt sind die Vorarbeiten bereits geleistet. Geht man davon aus, daß die Qualität der mittelbaren Täterschaft erst erreicht ist, wenn Drohung oder Gewalt den Umfang des Nötigungsstandes (§ 52) annehmen25, so offenbart sich hier das gleiche Stufenverhältnis wie im Rahmen der Raub- und Erpressungsdelikte. Ist zweifelhaft, ob die Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben verbunden oder von geringerer Stärke war, so ist eindeutig die mindere Ausführungsart feststellbar 26 . Im gegebenen Fall vermag man mithin eindeutig wegen Anstiftung zu verurteilen27 ; auf etwaige qualitative Unterschiede zwischen Täterschaft und Teilnahme kommt es bekanntlich insoweit nicht an. Keiner näheren Erörterung bedarf auch die Behauptung der generellen logischen Exklusivität von Täterschaft und Teilnahme; sei es, daß man in subjektiver Abgrenzung animus auctoris und animus SOCii28 , oder sei es, daß man in objektiver Hinsicht Gegebensein und Fehlen von Tatherrschaftl!9 als exklusiv-alternativ betrachtet. Genauso wenig braucht der hinsichtlich des letzteren Gesichtspunktes entgegengesetzten Erwägung Raum gegeben zu werden. daß der Tatbeitrag des Teilnehmers von geringerer Art sepo. Sofern nämlich der Willensherrschaft exklusiv-wahldeutig eine Anstiftung gegenübersteht, ist es nach den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung ohne weiteres möglich, auf die in der mittelbaren Täterschaft begriffene subsidiäre "Bestimmung zur Tat mit minderer Gewalt oder Drohung" (in durchaus fingierender Weise) zurückzugreifen31 ; und es versteht sich von selbst, daß mit dieser Rückführung der Vgl. dazu Roxin, Täterschaft, S.142 ff. und 170 ff. So zu Recht Roxin, Täterschaft, S.147. 26 Siehe oben 2. Teil, bei Fußn. 452 ff. !7 Für Wahlfeststellung hingegen Kohlrausch-Lange, § 2 b Anm. II (38. Aufl.); implizite auch Zaum, S. 43; GTÜnhut, S. 337/338; für normativ-ethisches Stufenverhältnis (und mithin für verdeckte Wahlfeststellung) Schwarz, S. 97/98. 28 Baumann, Täterschaft, S. 126. 29 Vgl. Schröder, Anmerkung, S. 423. 30 Etwa Hänsel, S. 9/10. 31 Siehe oben 2. Teil, bei Fußn. 333 - 342 und insbes. 458 ff.; vgl. auch 3. Teil, bei Fußn. 37. Z4
25
16 Wolter
5. Teil: Die Alternativität bei Täterschaft und Teilnahme
242
Ausführungsart eine Veränderung des Täterwillens in den animus socii bzw. eine Negation der Herrschaft über das Tatgeschehen einhergehen muß. 2. Die Variante des Irrtums
Schwieriger gestaltet sich die Beweislage, wenn der Willensherrschaft kraft Irrtums eine Anstiftung durch Täuschung gegenübertritt. Dennoch ist auch hier im Anschluß an die Erörterung zur Irrtumsproblematik bei Vorsatz und Fahrlässigkeit32 in zahlreichen Fällen ein Umfassungsverhältnis wegen abgestufter Intensität des jeweiligen Irrtums zu konstatieren. Die Ausnutzung des mangelnden Bewußtseins um die Rechtswidrigkeit beim Vordermann etwa kann zu einer Anstiftung herabsinken, wenn der Ausführende nicht mehr auf die Rechtmäßigkeit vertraut, sondern bereits mit der Rechtswidrigkeit - trotz erheblicher Zweifel - ernsthaft rechnet. Ähnliches gilt für das Wissen oder die vertrauende Nichtannahme von Schuldausschließungsgründen. Hinzu kommt, daß die Willensherrschaft kraft Irrtums oftmals auf der nächst niedrigeren Stufe auch eine einfache Anstiftung ohne jede Täuschung enthalten kann. Dies hat namentlich Roxin eingehend und überzeugend herausgearbeitet: Nutzt etwa der Hintermann einer error in persona des Vordermannes aus, so liegt hinsichtlich des konkreten Handlungssinnes eine mittelbare Täterschaft vor; soweit es hingegen um die bloße Menschqualität des Opfers geht, nimmt der unmittelbar Handelnde die zentrale Stellung im Geschehen ein; die insoweit vorliegende Anstiftung durch den Hintermann tritt hinter die mittelbare Täterschaft (als subsidiär) zurück33 •
3. Verschiedene Ausführungsarten bei Willensherrschaft und Anstiftung Nach den bisherigen Gesamterörterungen ist der Weg frei zur Lösung derjenigen Beweiszweifel, bei denen mittelbare Täterschaft und Anstiftung begrifflich unterschiedliche Ausführungsarten aufweisen: Steht etwa der Willensherrschaft kraft Nötigung eine Anstiftung durch Täuschung gegenüber, so läßt sich mit der Rückführung der mittelbaren Täterschaft auf eine "Bestimmung zur Tat durch einfache Gewalt oder Drohung" zu einer eindeutigen Verurteilung wegen Anstiftung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage gelangen 34 • Siehe oben 4. Teil, (bei) Fußn. 388. Roxin, Täterschaft, S. 265; vgl. auch S. 267 und 271/272; zur Willensherrschaft kraft Irrtums über den konkreten Handlungssinn näher S. 212 ff.; - zum "Täter hinter dem Täter" im Falle des error in persona beachte auch Schroeder, 32
33
S.145/146. 34
Nach dem geltenden § 48 muß man allerdings noch von einem wahldeutigen
2. Absdm.: Die einzelnen Alternativitäten
243
C. Mittäterschaft - Beihilfe Größere Schwierigkeiten birgt die Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe in sich35 • Der Lösung kommt entgegen, daß bei der Gehilfenschaft auch nach neuem Recht zwischen physischer und psychischer Beihilfe zu unterscheiden istH • I. Beweiszweifel innerhalb der Beihilfe
Als Modalitäten der Gehilfenschaft sind die intellektuelle und die physische Beihilfe einer Wahlfeststellung ohne weiteres zugänglich. 11. Mittäterschaft - Beihilfe 1. Der Meinungsstand
Für die Lösung der Alternativität von Mittäterschaft und Beihilfe vermag der heutige Meinungsstand in seiner Verworrenheit keinen Fingerzeig zu geben: Eingehend abgelehnt wurde bereits die neueste Auffassung des Bundesgerichtshofes3 7 im Anschluß an NowakowskP8, die in einer analogen Anwendung des "in dubio pro reo"-Satzes zugunsten der Beihilfe gipfelt. Einer ebensolchen Verwerfung unterliegt die Bildung eines Auffangtatbestandes38 oder eines normativ-ethischen Stufenverhältnisse~o; nicht überzeugend sind auch die neuerlichen Auffassungen Urteil sprechen, da Täuschung und Drohung als Modalitäten der Anstiftung ausdrücklich aufgeführt sind. 35 Die Beihilfe ist nach geltendem (§§ 47, 49), künftigem (§§ 25 H, 27 2. StrRG) und alternativem (§§ 27 H, 29 AE) Recht tatbestandlich von der Mittäterschaft geschieden. 38 S. 150 der Begründung zum E 62: "durch Rat oder Tat" sei selbstverständlich und entbehrlich. 37 Dazu oben 2. Teil, bei Fußn. 191 - 203 und 239 ff.; zur vorausgehenden Rechtsprechung des BGH vgl. 2. Teil, (bei) Fußn. 250. 38 S. 383; dazu oben 2. Teil, bei Fußn. 239 ff. 39 BayObLG NJW 1967, S. 361 ff.; zur Kritik 2. Teil, bei Fußn. 195 und grundsätzlich bei Fußn. 143 ff.; vgl. auch TröndLe in LK, nach § 2 Rdnr. 26 a; Geier in Löwe-Rosenberg, § 267 Anm. 3 c, S. 1099. 40 Zur Kritik siehe 2. Teil, bei Fußn. 222 ff.; für das Verhältnis von Mittäterschaft und Beihilfe vgl. nochmals: K1.atte, S. 28; Siever, S. 59; Jescheck, Lehrb., § 16 H, S. 103; Baumann, Lehrb., § 14 H 2, S. 153; Schönke-Schröder, § 2 b Anm.15; - vgl. ansonsten noch: Schwarz-KLeinknecht, § 261 Anm. 8 Aa; Schäfer in DaLcke-Fuhrmann-Schäfer, § 2 b Anm. a, S. 8; Schwarz-Dreher, § 2 b Anm. 2, S. 38 (30. Aufl.); HänseL, S. 10; Christians, S. 68; Schwarz, S. 97/98; Oetker, S. 416; Legien, S. 108; Mayer, Anmerkung, S. 299; HubernageL, S. 331; Niethammer in v. Olshausen, § 2 b Anm. B 10 a, S. 57; KugeLmeier, S. 9; Schäfer, Anmerkung, S. 56; Sauer I, S. 472; WeLzeL AT, S. 25; Ostern, S. 42; Schwarz, Strafrechtsnovellen, S. 258; und vor allem RGSt 71, 364 (365); vgl. auch RG 1 D 365/31, Urt. v. 22. 1. 1932 (zit. bei StahL, S. 39/40; Nüse, Vorsatz, S. 1186 IS·
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5. Teil: Die Alternativität bei Täterschaft und Teilnahme
von Schröder zum Subsidiaritätsverhältnis der Teilnahme 41 und Dreher zur generellen Anwendung der "in dubio pro reo"-RegeI42 • - Abgesehen von diesen neueren Lösungswegen schwanken Rechtsprechung und Lehre zwischen zulässiger Wahlfeststellung43, eindeutiger Verurteilung wegen begrifflichen Einschlusses 44 und Freispruch46 • Der Meinungsstand zeigt dabei weitgehende Parallelen zum verwirrenden Lösungsgefüge bei der Alternativität von Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn die Vertreter der normativ-ethischen Lehre durchweg die logische Exklusivität von Mittäterschaft und Beihilfe betonen46 oder wenn die Befürworter der Wahlfeststellung die quantitative Abstufung in wertender Sicht nicht in Abrede stellen47 • Darüber hinaus finden sich auch hier die beiden Thesen wieder, wonach es sich bei der in Frage stehenden Alternativität lediglich um einen rechtlichen Subsumtionszweifel handele48 oder ein begriffliches Subsidiaritätsverhältnis eigener Art bestehe49 • Zusammenfassend ist festzustellen, daß bis auf wenige Einzelstimmen die Lösung zwischen eindeutiger Verurteilung wegen normativ-ethischer Abstufung oder zulässiger Wahlfeststellung gesucht wird. Dies bedeutet nichts anderes als die generelle Befürwortung der begriffslogischen Exklusivität von Mittäterschaft und Beihilfe50 •
zit. diese Entscheidung zu Unrecht für die Gegenansicht einer wahldeutigen Entscheidung); RG 1 D 1000/23 (zit. bei StädUer, S. 90 Fußn. 7 und Egte, S. 20 Fußn.28). U Anmerkung, S. 423; dazu oben 2. Teil, bei Fußn. 326 ff. 42 Wahlfeststellung, S. 371; dazu oben 2. Teil, bei Fußn. 204 ff. 43 BGH Urt. V. 28. 8. 1952 5 StR 602/52 - bei DaHinger MDR 1953, S. 21; Kohtrausch-Lange, § 2 b Anm. II 3 (38. Aufl.); Schönke, S. 49; ZeHer, Grenzen, S. 150; Rumpf, S. 65; Fox, S. 34; Staht, S. 40 f.; GTÜnhut, S. 337/338; Schwabe, S. 36; Zaum, S. 43; - dabei verweist man zur Begründung des begrifflichen aliud-Verhältnisses weitgehend auf die subjektive Teilnahmetheorie: vgl. etwa Egte, S. 20; Dörr, S.15; Schutze, S. 74. 44 Mütter-Sax, § 260 Anm. 6 A III 2, S. 837. 4S Lazi, S. 111 (Begründung: verschiedene Willensrichtung und unterschiedlicher Unwertgehalt). 46 Etwa KZatte, S. 28; Siever, S. 55 ff.; - dabei weitgehend mit Hinw. auf die subjektive Teilnahmetheorie, vgl. Siever, S. 56; Schwarz, S. 9. 47 Etwa Staht, S. 40/41; Fuchs, Anmerkung I, S. 740 ("nicht nur"). 48 Strobach, S. 19; zur Kritik oben 4. Teil, bei Fußn. 81 ff. 49 StädUer, S. 90; dazu oben 4. Teil, bei Fußn. 86 ff. so Alleinige Ausnahme: MüHer-Sax, § 260 Anm. 6 A III 2, S. 837 (allerdings ohne Begründung); neuerdings begründet Jakobs (Wahlfeststellung, bei Fußnote 42) die mögliche Anwendbarkeit der "in dubio pro reo"-Regel mit der zwar begriffslogischen Exklusivität, jedoch beweismäßigen Subsidiarität (die Teilnahme sei eine positiv ausgezeichnete Privilegierung der Täterschaft); näher zu dem Lösungsweg von Jakobs oben 1. Teil, Fußn. 139.
2. Abschn.: Die einzelnen Alternativitäten
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2. Das Umfassungsverhältnis von Mittäterschaft und Gehilfenschaft Die Argumente für dieses begriffliche Ausschließungsverhältnis brauchen nicht eingehend wiederholt zu werden; wer den animus auctoris bzw. die Tatherrschaft besitze - so sagt man -, könne nicht gleichzeitig ohne Täterwillen und ohne Tatmacht handeln51 • - Weniger Gewicht besitzen demgegenüber die denkbaren Gesichtspunkte für einen begriffslogischen Einschluß beider Beteiligungsformen. So ließe sich bei objektivem Standpunkt anführen, daß der Tatbeitrag von geringerer Art sei52 ; mit entsprechend grobem Maßstab ließe sich über das Kriterium des "Interesses an der Tat" auch subjektiv ein Stufenverhältnis bilden. Man könnte meinen, die Lösung müsse zwangsläufig über eine schlichtende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Teilnahmetheorien führen. Dies erweist sich bei näherem Zusehen jedoch als überflüssiger Umweg: Einerseits hat das Zweite Strafrechtsreformgesetz die subjektive Teilnahmetheorie in ihrer Substanz verworfen 53 und andererseits gibt namentlich Schröder5' als Verfechter der animus-Lehre einen entscheidenden - wenn auch nur mit Vorbehalt verwertbaren - Fingerzeig für 51
Siehe dazu oben bei Fuß. 28 - 30 und (bei) Fußn. 40 und 46; vgl. noch
v. DasseI, S.186; BayObLG NJW 1967, S. 361 ff. (362/363).
51 Vgl. Siever, S. 55; Lochmüller, S. 178; dabei wird z. T. auf die Parallele von Vorbereitung und Versuch verwiesen. S3 Nach § 25 I 2. StrRG ist jeder, der die Tat selbst begeht, Täter; mithin ist die Wiederholung des Badewannen-Falls definitiv ausgeschlossen. Dem Tatherrschaftsgedanken wird dann auch in der Begründung des E 62 insofern Raum gegeben, als dem "Beherrschen-Wollen" stets ein "Beherrschen-Können" zur Seit stehen müsse (S. 147). Der animus auctoris als solcher hat demgemäß seine täterschaftsbegründende Kraft eingebüßt. Ebenso vermag auch die "Unterordnung unter die Tatherrschaft" (vgl. S. 148, 150, 152) nicht mehr ausnahm