Aktuelle Betriebswirtschaft: Festschrift zum 60. Geburtstag von Konrad Mellerowicz, gewidmet von seinen Freunden, Kollegen und Schülern [Reprint 2018 ed.] 9783111514970, 9783111147130


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German Pages 254 [264] Year 1952

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Table of contents :
INHALTSÜBERSICHT
I. Grundlagen Und Methodenprobleme
Methoden- Und Entwicklungsprobleme Der Betriebswirtschaftslehre
Wissenschaft Und Praxis
Personalverwaltung Und Menschenführung Im Betrieb
Zur Reform Des Aktiengesetzes
Über Wirtschaftlichkeit Und Wirtschaftlichkeitsrechnung
II. Kostenrechnung, Bewertung, Betriebsvergleich
Kosten Und Kostenlehre
Methoden Zur Erreichung Der Optimalen Betriebsgröße In Der Industrie
Das Schwächebild Des Betriebsvergleichs
Zur Praxis Der Unternehmenswert-Ermittlung
Kosten Der Betriebseinrichtung Im Jahresabschluß Und In Der Überschuldungsbilanz Von Kapitalgesellschaften
III. Vertriebsprobleme
Distributionsprobleme
Zentrale Maßnahmen Zur Steigerung Des Exports In Ihrer Wirkung Auf Die Verschiedenen Gruppen Der Exportbetriebe
Unvollständige Bibliographie1) Der Bücher, Beiträge Zu Sammelwerken Und Zeitschriftenaufsätze
Bibliographie
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Aktuelle Betriebswirtschaft: Festschrift zum 60. Geburtstag von Konrad Mellerowicz, gewidmet von seinen Freunden, Kollegen und Schülern [Reprint 2018 ed.]
 9783111514970, 9783111147130

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AKTUELLE BETRIEBSWIRTSCHAFT Festschrift zum 60. Geburtstag

von

KONRAD MELLEROWICZ gewidmet

von seinen

Kollegen

und

Freunden

Schülern

1952

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G . J. Göschen'sche Verlagshandlung . J. G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g G e o r g R e i m e r • Karl J. T r ü b n e r • Veit & C o m p .

B E R L I N W 55

Alle Bechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten

Copyright 1952 by W a l t e r d e G r u y t e r & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.

Berlin W 35, Genthiner Straße 13

Archiv-Nr. 183452 Druck von Thormann & Goetsch/ Berlin SW61 Printed in Germany

K O N R A D 60

M E L L E R O W I C Z J A H R E

Am 24. Dezember 1951 begeht Professor Dr. rer. pol. Konrad Mellerowicz seinen 60. Geburtstag; an diesem Tage blickt er zugleich auf eine 28jährige Tätigkeit an deutschen Hochschulen und Universitäten zurück. Diese 28 Jahre, ausgefüllt mit einer umfangreichen Lehr- und Forschungstätigkeit, waren zugleich die Jahre der stürmischsten Entwicklung unserer jungen Disziplin. Und so, wie diese junge Wissenschaft zum Lebensinhalt des Jubilars geworden ist, so untrennbar wird die Betriebswirtschaftslehre mit seinem Namen verbunden bleiben. Denn wenn heute von einer „Aktuellen Betriebswirtschaftslehre" gesprochen werden kann, ist das zu einem nicht unwesentlichen Teil Werk des Jubilars. Die der Festschrift beigefügte Bibliographie gibt einen Einblick in die Fülle der wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die das Ergebnis seiner bisherigen Forschungstätigkeit sind. Die Bibliographie kennzeichnet auch die Breite des Arbeitsgebietes: neben der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Theorie stehen die Industrie-, Handwerks-, Bank und Verkehrsbetriebslehre im Mittelpunkt seiner Untersuchungen. Mellerowicz ist in erster Linie aber auch akademischer Lehrer. Seine Schüler stehen heute an den verschiedensten Stellen der Wirtschaft — oft in den höchsten Positionen — und tragen seine Gedanken in die Praxis hinein. Umgekehrt hat Mellerowicz nie die Verbindung zur Praxis verloren, denn „wenn man einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis feststellen sollte, so ist entweder die Theorie falsch oder die Praxis faul". Seine Mitarbeit in wichtigen Gremien der Wirtschaft und Verwaltung legt hiervon Zeugnis ab. Die vorliegende Festschrift stellt daher eine Festgabe von Persönlichkeiten der Wissenschaft, Praxis und aus seinem Schülerkreis dar. Es wird

in ihr der Versuch unternommen, den gegenwärtigen Stand der Betriebswirtschaftslehre durch die Behandlung einiger ihrer aktuellen Probleme zu beleuchten. Hieraus ergibt sich, daß bei der Weite des Gebietes und der Vielheit aktueller Probleme keine stoffliche Einheit erzielt werden konnte. So verschieden die Fragen sind, die in der Festschrift behandelt werden, so verschieden sind auch die Ansichten, die hierzutage treten. Gemeinsam ist allen Beiträgen aber die Verbundenheit aller, die Mellerowicz als Kollegen, Lehrer, Berater und Freund kennenlernten. Die Festschrift verdankt ihr Entstehen den Autoren, dem Verlag Walter de Gruyter und der Hilfsbereitschaft vieler ungenannter Freunde und Schüler des Jubilars. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Im Dezember 1951 HANS-GÜNTHER ABROMEIT HEINRICH JOHN-RICHARD LABES

JONAS

Inhaltsübersicht Seite

I. G r u n d l a g e n u n d

Methodenprobleme:

Prof. Dr. W. H a s e n a c k (Göttingen), Methoden-und Entwicklungsprobleme der Betriebswirtschaftslehre

1

Dr. J. L ö f f e l h o l z (Wiesbaden), Wissenschaft und Praxis

29

Prof. Dr. G. F i s c h e r (München), Personalverwaltung und Menschenführung im Betrieb

51

Prof. Dr. Dr.-Ing. W. Koch (Berlin), Zur Reform des Aktiengesetzes. . . 68 Prof. Dr. H. S e i s c h a b (Hamburg), Über Wirtschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeitsrechnung 103 II. K o s t e n r e c h n u n g , B e w e r t u n g ,

Betriebsvergleich:

Prof. Dr. H. L i n h a r d t (Berlin), Kosten und Kostenlehre

124

Dr. G. T h i e d e (Hannover), Methoden zur Erreichung der optimalen Betriebsgröße in der Industrie 141 Prof. Dr. O. R. S c h n u t e n h a u s (Berlin), Das Schwächebild des Betriebsvergleichs 151 Dr. Dr. B. H a r t m a n n (Frankfurt/M.), Zur Praxis der UnternehmenswertErmittlung 178 Prof. Dr. K. S c h w a n t a g (Mainz-Wiesbaden), Kosten der Betriebseinrichtung im Jahresabschluß und in der Überschuldungsbilanz von Kapitalgesellschaften 206 III. V e r t r i e b s p r o b l e m e : Prof. Dr. K. Ch. B e h r e n s (Berlin), Distributionsprobleme

225

Prof. Dr. C. R u b e r z (Bonn), Zentrale Maßnahmen zur Steigerung des Exports in ihrer Wirkung auf die verschiedenen Gruppen der Exportbetriebe 237 IV. U n v o l l s t ä n d i g e B i b l i o g r a p h i e d e r B ü c h e r , B ei t r ä g e zu S a m m e l w e r k e n u n d Z e i t s c h r i f t e n a u f s ä t z e von K o n r a d Mellerowicz . 250

Methoden- und Entwicklungsprobleme der Betriebswirtschaftslehre1) A u f r i ß v o n G e s t a l t u n g s m ö g l i c h k e i t e n der B e t r i e b s f o r s c h u n g von Prof. Dr. Wilhelm Hasenack,

Göttingen

Gliederung Seite I. Erkenntnis- und Erfahrungsobjekt einer anthropologisch gefaßten Wissenschaft vom Betrieb 1—17 II. Wirtschaftsgeschichte und Betriebslehre 17—20 III. Bestandteile einer Lehre von den betrieblichen Kategorien . . . . 20—25 IV. Folgerungen für das Problem der „einheitlichen Wirtschaftswissenschaft" und für die Beziehungen zu Nachbarwissenschaften. . . . 25—28

I. Erkenntnis- und Erfahrungsobjekt einer anthropologisch gefaßten Wissenschaft vom Betrieb Wirtschaften bekommt in der Regel seinen Sinn vom Verhalten und Streben der Menschen, sei es einzelner Individuen, Menschengruppen oder Gesamtverbände. Das gilt auch in Bezug auf Unternehmungen und auf Betriebe i. w. S. Das Wesen der letzteren läßt sich umschreiben als „organisierte Leistungsgemeinschaften zur vorgeregelten Durchführung einer sich wiederholenden Arbeitsaufgabe, deren Erfüllung eine einheitliche Leitung und den geordneten Einsatz von Arbeitskräften und Sachgütern nötig macht."2) Auch Mellerotvicz3) bezeichnet den Betrieb als Leistungsgemeinschaft der in ihm tätigen Menschen. „Aus diesen Zusammenhängen entsteht das Problem des Menschen und der menschlichen Zusammenarbeit im Betriebe" 4 ). Die letztlich als Menschen') Vgl. die thesenförmige Darstellung „Zukunfts- und Grenzfragen der Betriebswirtschaftslehre" in BFuP 1951, Heft 6 S. 369—371. Die eingehende Auseinandersetzung mit den Auffassungen von Konrad Mellerotvicz erklärt sich in diesem Umfang aus dem Charakter als Festschrift für ihn. Meinen Mitarbeitern, Dr. Arnold Schmitt und Dipl. Betriebswirt Roland Oertel, bin ich für manche Kritik sowie für ihre Hilfe beim Korrekturenlesen dankbar. 2 ) Hasenack, Grundlagen der Betriebswirtschaft, in „Deutsche Versicherungswirtschaft" Bd. I (Berlin 1938) S. 89. 3 ) 5. Aufl. der „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre" (Berlin 1947). Wenn in der vorliegenden Abhandlung diese Auflage zitiert ist, wird sie abgekürzt als „1947" bezeichnet und zwar ist dabei immer das 1. Bändchen gemeint; die vierte, 1944 erschienene Auflage ist als „1944" zitiert. «) a. a. O. 1947 S. 93. r

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W. H a s e n a c k

bezogenheit zu charakterisierende Eigenart der meisten, sogar der produktionstechnischen und -wirtschaftlichen Probleme ergibt sich aus dem allgemeinen Zweck der Betriebe: Sie dienen der Vorbereitung und Ermöglichung der menschlichen Unterhaltsfürsorge 6 ) auf wirtschaftliche, d. h. Mittel sparende und sie nachhaltig nutzvoll anwendende Weise.

Die angeführten Zusammenhänge lassen es nicht nur als erkenntnistheoretisch berechtigt, sondern auch als notwendig erscheinen, die Lehre von dem durch Menschen und für Menschen geführten Betrieb auch einmal als anthropologische Wissenschaft aufzufassen. Eine so gedeutete und durchgeführte Wissenschaft vom Betriebe gliedert sich ein in die allgemeine Anthropologie als Wissenschaft vom Menschen. Diese pflegt sowohl in ihrer biologischen wie in ihrer philosophischen Abart den Menschen als Ganzes, in allen seinen Beziehungen zum Kosmos sowie in allen zeitlichen und räumlichen Spielarten und Stufungen zu erfassen. Die betrieblich-organisatorische Art, wie der Mensch in Zeit und Raum die existentiell auf ihm lastende Lebensnot, diese „ewige Spannung zwischen Bedarf und Deckung, jene Knappheit des Verfügbaren" (v. Gottl) überwindet, gehört mit zu den elementaren Problemen, die durch das Hineingestelltsein des Menschen in den Kosmos zwiefach aufgeworfen werden: einmal hinsichtlich des praktischen Handelns (Betriebsund Wirtschaftspotó¿A) und zum anderen in der nachsinnenden theoretischen Betrachtung (Betriebs- und WirtschaftstAeorie). Unter einer „anthropologischen" Wissenschaft vom Betrieb ist also eine Betriebslehre zu verstehen, die den Menschen bezüglich seines Wirtschaftens im Wandel der Zeiten und im Wechsel der Räume in das Zentrum der wissenschaftlichen Betrachtungen stellt. Als ein Teilgebiet der Anthropologie ist die Lehre vom Betrieb insofern nur mit Einschränkungen auffaßbar, als sie sich mit actio und reactio der in einen betrieblichen Rahmen eingefügten Menschen befaßt; sie hat es also mit einer zeitlich und räumlich begrenzten Spielart des Menschen zu tun. Nicht der „homo fossilis" gleichsam, sondern der „homo sapiens" steht zur Beobachtung. Es ist weder an Höhlengemeinschaften noch an die Jahrtausende gedacht, in denen ohne eine umfangreiche Organisation elementare Bedarfsgüter für den unmittelbaren Verbrauch hergestellt wurden. Zwar darf eine rückschauende wissenschaftliche Betrachtung nicht nur dort ansetzen, wo auch den Menschen der betreffenden Zeit „Betriebe" im Rahmen einer wirtschaftlichen Gesamtorganisation bewußt bereits zu einem Problem wurden, sei es zu einem praktischen oder gar, aus ihm abgeleitet, zu einem theoretischen. Legt man aber objektive statt subjektive Merkmale zugrunde, so ergibt sich für eine historisch-anthropologische Forschung docixbereits eine Zeitspanne, die, vom Aspekt des modernen Menschen aus gesehen, relativ groß ist. In der Zeit etwa, als Hammurabi schon ein eigenes, auf einem Steinblock eingemeißeltes Gesetzbuch mit zum Teil auch wiTtschaitsrechtlichem Inhalt schuf (um 1700 v. Chr.), hat es selbstverständlich auch schon Betriebsprobleme gegeben. So wie das Hammurabische Gesetzbuch erst zu Anfang dieses Jahrhunderts entdeckt und entziffert wurde, können weitere Kulturdenkmäler dieser Art gefunden werden und Licht in die Betriebs- und Wirtschaftsprobleme dieser uns heute als grau erscheinenden Vorzeit bringen. So waren die altkretisch-minoischen Sprachdenkmäler 6

) Mellerowicz: „Wirtschaft ist Unterhalts- und Erwerbsfürsorge" (a.a. 0 . 1 9 4 4 , S.6).

Methoden- und Entwicklungsprobleme der Betriebswirtschaftslehre

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zwar schon vor fünfzig Jahren von dem Engländer Arthur Evens entdeckt worden, aber erst E. S ittig-T Uhingen hat vor kurzem die Methode gefunden, die eine Edlmähliche Entzifferung der 1500 ausgegrabenen Tontafeln zu ermöglichen scheint. Dieser Fortschritt ist der Enträtselung der altägyptischen Bilderschrift (Hieroglyphen) durch Jean François Champollion vergleichbar und kann zu einer Aufhellung alter wirtschaftlicher und betrieblicher Verhältnisse, hier in der kretischminoischen Zeit, vor den griechischen Invasionen (1400—1200 v. Chr.), beitragen. Es ist nicht gerechtfertigt, Betriebsprobleme erst entstehen zu sehen, nachdem die Gedankengänge Leisen gewannen, die den Hauptinhalt der heutigen Betriebswirtschaftslehre ausmachen. In der praktischen Arbeit des einzelnen Forschers kann das Erkenntnisobjekt der Wissenschaft vom Betriebe selbstverständlich verschieden aufgefaßt werden, schon weil es möglich ist, diese Wissenschaft als Betriebslehre*), als BetriebswiriscAa/islehre oder als /Vipaiwirtschaftslehre anzusehen und auszubauen. Das Erkenntnisobjekt einerim obigen Sinne „anthropologisch", in der dargelegten zeitrelativen Begrenzung, aufgefaßten Wissenschaft vom Betriebe ist: W i r t s c h a f t e n i n B e t r i e b e n d u r c h M e n s c h e n u n d f ü r m e n s c h liche Z w e c k e mit den in V e r b i n d u n g d a m i t a u f t r e t e n d e n W i r t schaftlichkeitsproblemen. Wenn im folgenden das Wesen unserer Disziplin in diesem weiten Sinn gefaßt und insbesondere die historisch wechselnden Formen der im Grunde, als Idee, „ewigen" Wirtschafts- und Wirtschaftlichkeitsprobleme als in die Betrachtung einbezogen gedacht werden sollen, wird von Betriebslehre gesprochen. Aber ich gebe damit nicht grundsätzlich die Übung auf, die Disziplin, soweit sie sich mit den modernen Problemen des Betriebslebens und Verrechnungswesens befaßt, als BetriebswirtscAa/islehre zu bezeichnen. Es ist dies keine theoretische Systemlosigkeit, an der sich Begriffsformalisten von ihrem Standpunkt aus mit Recht stoßen könnten. Läge dieser Mangel vor, so wöge er zwar materiell nicht einmal schwer; denn es ist eine nicht zu leugnende Wahrheit, daß terminologische Fragen für die wirklichen Entwicklungsprobleme eines Faches im allgemeinen wenig wichtig sind; die sachgebundene Einstellung Schmalenbachs ist, trotz einiger Übertreibungen, richtig. Im übrigen aber kann die erwähnte terminologische Trennung durchaus gerechtfertigt werden und ist, wenn man von betriebshistorischen Studien etwas erwarten darf, gerade systemvoll. Ökonomische Probleme im modernen Sinn entstanden erst mit der wirtschaftlichen Integration größerer Territorien, also recht spät. Wenn es trotzdem eine „uralte" -Beiz-teisproblematik mit grundsätzlich-phänomenologischem, nicht modern-organisatorischem Charakter gibt, hat sie damals doch keinen ökonomischen Einschlag neuzeitlicher Art gehabt. Ihre wissenschaftliche Behandlung ist daher Betriebslehre. Erst dann, als im Betriebe durch die sich anbahnende Bildung von Märkten und durch die simultanen Phänomene der Arbeitsteilung und der Integration wirtschaftliche Probleme von der Bedeutung derer der neueren Zeit aufgeworfen wurden, kann man von dort an von BetriebswiriscAa/islehre sprechen. Mellerowicz hat gelegentlich 7 ) die Befürchtung ausgesprochen, die Bezeichnung „Betriebslehre" könne dazu führen, unser Fach ausschließlich als eine Lehre nur von der „Technik einer reinen Organisations- und Rechnungswirtschaft" aufzufassen. •) So im Grunde Mellerowicz, wenn er als Erkenntnisobjekt unserer Disziplin „Struktur- und Prozeßvorgänge" des Einzelbetriebes kennzeichnet („Einheitliche Wirtschaftswissenschaft?" BFuP 1950 Heft 12 S. 705—730, speziell S. 728). ') a. a. O. 1947 S. 20.

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Ich teile diese Sorge nicht, und zwar, weil ich, ebenso wie Mellerowictf), im Betriebe zwei sich ständig durchdringende „Sphären" sehe: die technische und die wirtschaftliche. Die Gefahr einer Gleichsetzung von Betriebslehre und „reiner Organisationsund Rechnungswirtschaft" braucht vor allem dann nicht groß zu sein, wenn man, wie Mellerowicz•), mit dem Betrieb nicht nur die „organisierte Werkverrichtung" (iSombart), sondern auch die „Zweckwahl der Werkverrichtung, ihre Zielsetzung, ihre Planung und Vorbereitung, kurz die Wirtschaft" verknüpft sieht und „Betrieb gleichbedeutend mit Betriebswirtschaft" nimmt 10 ). Über die Meinung Mellerowicz''s, das Ziel des Betriebes sei in allen Wirtschaftssystemen dasselbe, nämlich „die größte Wirtschaftlichkeit" 11 ), kann man sogar verschiedener Meinung sein, ganz abgesehen von dem fließenden Inhalt dieses Begriffes, der m. E. bei Hax z. B. zu eng gefaßt wird, wenn er das „Gesetz der Wirtschaftlichkeit" im wesentlichen darin sieht, „daß die Unternehmungen mehr Güter erzeugen als verbrauchen" 12 ). Ist die Auffassung von Mellerowicz richtig, so wäre das ein Grund mehr für die Bezeichnung unseres Faches als „Betriebslehre" und nicht als BetriebswirtscAa/islehre", welcher Terminus dann sachlich eine Art Tautologie wäre. Ich verwende jedenfalls Betriebslehre und Betriebswirtschaftslehre nebeneinander, nach dem jeweiligen historischen oder sachlichen Schwerpunkt der Aussage. Das Objekt einer Wissenschaft vom Betriebe auch einmal so weit zu fassen wie das soeben geschehen ist, bedeutet nicht, die Möglichkeit und Ergiebigkeit anderer Arten des Vorgehens im geringsten in Zweifel zu ziehen oder gar zu bestreiten, wenn sie sich sachlich-empirisch wohl begründen lassen oder soweit sie, von einem anderen aromatischen Standpunkt aus, des Beweises nicht bedürftig und nicht fähig sind. Die Berechtigung des hier befürworteten Vorgehens ergibt sich daraus, daß die sozial-menschliche Seite des betrieblichen Wirtschaftens nicht nur eine Perspektive neben anderen darstellt, etwa neben der finanziellen, der kommerziellen, der produktionstechnischen, der organisations- und rechnungsstrukturellen; vielmehr ist sie, über den Bereich der üblichen Personalpolitik hinaus, besonders in einer vom Politischen her so chaotisch gewordenen Zeit wie der zwischen und nach den Weltkriegen unseres die Menschheit gefährdenden Jahrhunderts, ein Grundaspekt, der die meisten betrieblichen Ebenen durchwirkt und sie in ihren zahlreichen Interdependenzen durchdringt (oder jedenfalls künftig durchdringen sollte). Dessen ungeachtet erscheint die Art, wie die amerikanischen „human relations" als „innerbetriebliche Kontaktpflege" auf deutsche Verhältnisse transponiert werden, nicht immer frei von Modeeinflüssen. Im übrigen sind diese Bestrebungen in ihrer sachlichen Wirkungsmöglichkeit auch durch die mißliche deutsche Sitte beeinträchtigt, soziale (auch betriebssoziale) Fragen ständig im störenden Licht angeblich weltanschaulicher, faktisch aber kraß interessenpolitischer Scheinwerfer zu sehen. Das ist ein Vorwurf, der sowohl die Unternehmer- wie die Gewerkschaftsseite trifft. Daß es sich dabei in Deutschland oft um Pseudo-„Weltanschauungen" handelt, die der Interessenvertretung und ,,-verschönerung" dienen, ist um so 8

) a. a. O. 1947 S. 10. •) a. a. O. 1944 S. 6. ) Mellerowicz a. a. 0 . 1944 S. 6. ") a. a. 0. 1947 S. 12. 12 j „Die menschlichen Beziehungen im Betrieb als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung." ZfhF 1950 S. 394. 10

Methoden- und Entwicklungsprobleme der Betriebswirtschaftslehre

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widerwärtiger. Dagegen scheint das Eindringen in die Probleme von der psychologisch-medizinischen Seite, insbesondere was das Vorgesetztenproblem betrifft 13 ), sachlich fruchtbar zu sein. Dasselbe gilt für die amerikanische Art der Behandlung „zwischenmenschlicher Beziehungen" im Betriebe, wie sie aus den Monatsveröffentlichungen „Soziale Beziehungen in der Industrie" des „Office of Labor Affairs", HICOG, Frankfurt/M., sowie aus weitverbreiteten Lehrbüchern wie denen von Dale Yoder, Personnel Management and Industrial Relations, 3. Aufl. New York 1948, oder Burleigh Gardner, Human Relations in Industry, Chicago 1945 (deutsche Ausg. in Vorbereitung), ersichtlich ist. Auch in der früher stark und nicht ohne Einseitigkeiten verrechnungstechnisch eingestellten „Kölner Schule" gewinnt die Erkenntnis zunehmend Boden, von der Nicklischs Arbeiten so stark beherrscht waren, nämlich daß es im Betriebe nach Zweck und Mitteln um den Menschen geht. Ich verweise außer auf Schmalenbach selbst14) auf den zitierten Aufsatz von Hax (a. a. O. S. 390—399). Mit einigen Vorbehalten fordert er einen Ausbau der Betriebswirtschaftslehre durch systematische Erfassung der menschlichen Probleme im Betrieb, so wie ich das seit 1949 in „Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis" in kleinen Beiträgen und Herausgeberanmerkungen ebenfalls immer wieder betont habe 16 ). Man kann einwenden, daß, mit Ausnahme etwa bei Nicklisch, von den Betriebswirten das Menschliche doch in erster Linie immer in seiner pragmatischen Bedeutung für den Betrieb, also vom betrieblichen Nützlichkeitsstandpunkt, aber nicht als Selbstzweck gesehen sei. Als Tatsachenfeststellung ist das nicht unrichtig, aber als negative Wertung kann der Einwand nicht anerkannt werden. Es muß mit Rücksicht auf die Menschennatur und die praktischen Zusammenhänge, die nicht aus der Welt und auch nicht aus dem Betriebsalltag zu schaffen sind, beides vernünftig kombiniert werden: das Menschliche um des Betriebes und das Betriebliche um des Menschen willen und die Betriebstheorie hat sich diesen Gegebenheiten des Lebens anzupassen. u ) Ich verweise als Beispiel auf Dr. Dr. Ferdinand Haeger-Essen: Die Betriebspsychologie, H. E. Visser, Duisburg 1948. Haeger analysiert und wertet die Charaktertypen von Schein- und von abnormen Vorgesetzten. 14 ) „Neue Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre", in „Betriebswirtschaftliche Beiträge", 1. Heft 1947, S. 3ff. Schmalenbach legt hier dar, daß es „mit der Einrichtung einer speziellen Betriebswirtschaftslehre .Personalwesen' nicht getan ist. Dieser Zweig verlangt vom Studenten eine Beschäftigung mit der Soziologie und Psychologie, und diese Fächer dürfen nicht Wahl-, sondern müssen Pflichtfächer sein. Die Kenntnis der psychologischen Bedingungen der Leistungssteigerung, insbesondere die Möglichkeiten, die eigene Freude am Gelingen einer Leistung zu erzeugen, sind unentbehrlich" (a. a. O. S. 4).. ") Die Erfahrungen des zweiten Weltkrieges und der Zeit nachher haben die zugrundeliegende Überzeugung zwar gekräftigt. Vgl. jedoch auch den auf den Menschen gerichteten Tenor früherer Arbeiten des Verf., z. B. die Vorschläge zu einer besseren Naturalversorgung der Arbeitslosen vermittels einer die ungedeckten fixen Kosten systematisch nutzenden Markt-und Preisspaltung und entsprechend zentraler Beschaffungskalkulation (Unternehmertum und Wirtschaftslähmung, Berlin 1932), die Forderung, daß dem Bergarbeiter unter Tage als teilweiser Ausgleich für den täglichen Einsatz des Lebens wenigstens die Spitze in den Lohntarifen aller Arbeiterkategorien zuzubilligen ist (Wirtschaft und Arbeit, hrsg. von Goetz Briefs, Juli 1936, 5. Jg. Heft 7, S. 207), die Auffassung der menschlichen Kräfte im Betrieb als der eigentlichen „stillen Reserven" in Notzeiten („Stille Reserven in Bilanz und Selbstkostenrechnung", Vortrag in der Hauptversammlung der deutschen Gießereiindustrie 1935. Zeitschrift für das gesamte Gießereiwesen, 22. Jg. Heft 24 v. 22.11. 1935, S. 577—584).

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Zur tieferen F u n d i e r u n g dieser Auffassung k a n n m a n sich auf einen Philosophen v o m Range Nicolai Hartmanns berufen. Nach ihm „ist die Welt nicht auf den Menschen hin angelegt, sondern er auf sie. Alles in ihm ist relativ auf die W e l t u n d l ä ß t sich als A n g e p a ß t h e i t an die allgemeine Gesamtsituation verstehen, in der er sich durchsetzen m u ß " 1 6 ) . Zu dieser „ W e l t " gehört, so wenig der Philosoph diese Realität in der Regel b e w u ß t zu sehen pflegt, auch der Betrieb. A u c h in Bezug auf ihn gilt, was Hartmann a. a. 0 . S. 293 s a g t : „ M a n k a n n den Menschen nicht verstehen, ohne die W e l t zu verstehen, in der er lebt u n d ein Glied ist, genau so, wie m a n die W e l t nicht verstehen k a n n , ohne den Menschen zu verstehen als dasjenige Glied der Welt, dem allein ihr A u f b a u sich darstellt". Nicht ohne logische Berechtigung k a n n m a n hiergegen vorbringen, daß d e m n a c h gemäß philosophischer Ansicht die „ G e s a m t s i t u a t i o n " eine F u n k t i o n des Verhaltens der Menschen u n d deren Verhalten eine F u n k t i o n der Gesamtsituation ist. Dieser wechselbezügliche Z u s a m m e n h a n g aber ist logisch unbefriedigend, weil etwas wie eine Gleichung m i t zwei U n b e k a n n t e n vorliegen würde, die im m a t h e m a t i s c h e n Sinne unlösbar ist. Wohl ist es, gleichsam auf metaphysischem Wege, möglich, durch „ E i n b l e n d e n " einer „ d r i t t e n K r a f t " , die m a n c h e (Marxisten) als Entwicklungsgesetz, andere als Gott bezeichnen, die Gleichung „logisch" lösbar machen. Aber m a n b r a u c h t als Betriebswirt die U n t e r s u c h u n g nicht ins Transzendente, jenseits der E r f a h r u n g s möglichkeit, vorzutreiben. Die Welt bietet sich n u n einmal der menschlichen V e r n u n f t , anders als dem diskursiven Verstand, bei tieferem Nachdenken immer als solche „unlösbare Gleichung" d a r u n d der Betriebswirt b r a u c h t a n die logische F u n d i e r u n g philosophischer Erkenntnisse keine höheren Ansprüche zu stellen als der Philosoph selbst. D a n n stellt sich die A n s c h a u u n g aus der philosophischen Sicht Nicolai Hartmanns, ins Betriebswirtschaftliche übertragen, etwa so dar, wie Karl Hax die Zusammenhänge in einem V o r t r a g „Die menschlichen Beziehungen im Betrieb als Gegenstand wissenschaftlicher F o r s c h u n g " auf der T a g u n g „Der Mensch im Betrieb" 1 7 ) erörtert h a t . Hax sieht sich der Fragestellung gegenüber, ob das Gesetz der W i r t schaftlichkeit, das uneingeschränkt f ü r die Sachwelt der U n t e r n e h m u n g e n , etwa f ü r die Materialbewirtschaftung, den Energieverbrauch usw. gelte, auch auf den Menschen u n d die menschlichen Arbeitskräfte im Betrieb angewandt werden dürfe. E r b e t o n t klar, daß die wirtschaftlichen W e r t e zweifellos nicht die höchsten seien, jedoch wohne ihnen eine besondere Dringlichkeit inne. D e n n die höheren Ziele der Menschheit ließen sich n u r durch Sicherung der materiellen Grundlagen realisieren. Ohne diese versinke die Menschheit in U n k u l t u r u n d Barbarei, und deshalb sei die Arbeit f ü r den Menschen zugleich le

) Neue Wege der Ontologie. Teildruck aus: Systematische Philosophie, 2. Aufl. hrsg. von Nicolai Hartmann, Stuttgart o. J. S. 226. In der Einleitung zur 4. Aufl. der „Grundzüge einer Methaphysik der Erkenntnis" (Berlin 1949) stellt der 1950 verstorbene Göttinger Philosoph fest, daß Erkenntnis ein „Erfassen von etwas ist, das auch vor aller Erkenntnis und unabhängig von ihr vorhanden ist" (a.a.O. S. 1). ") Darmstadt, im Juni 1950. Der Vortrag ist veröffentlicht in ZfhF 1950 Heft 8 S. 390—399. Vgl. auch oben S. 4, Fußnote 12).

Methoden- und Entwicklungsprobleme der Betriebswirtschaftslehre

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Schicksal und sittliche Pflicht. In unserer heutigen Verkehrswirtschaft (jedoch auch in zentraler Planwirtschaft!) aber sei die Arbeit ein gesellschaftlicher Vorgang, der sich in den Betrieben vollziehe.18) M. E. ist auf eine andere als auf diese pragmatisch-instrumentale Weise ein erkenntnis-theoretisch fester Boden für eine angewandte Wirtschaftswissenschaft überhaupt nicht zu gewinnen. In der Lebensförderung liegt Sinn und Wert nicht nur der praktischen Ökonomik, sondern auch der wissenschaftlichen Lehre von ihr, insbesondere ihres betrieblichen Zweiges, wenn auch nur zum Teil. Die von Hax gezogene Folgerung ist zwar nicht in jeder Hinsicht befriedigend, weder logisch noch emotional, aber sie entspricht leider den harten Tatsachen des Wirtschafts- und Betriebslebens: „Wenn der Mensch sich in diese Produktionsstätten eingliedert, unterstellt er sich damit zwangsläufig den dort herrschenden Gesetzen, d. h. also dem Gesetz der Wirtschaftlichkeit" (S. 394). Insofern werde er Mittel zum Zweck (S.395). Hax sieht wohl den Widerspruch, der hier im Verhältnis zu seiner Einstellung besteht, daß Wirtschaft nicht Selbstzweck und der Mensch nicht nur Mittel zum Zweck sei; aber er ist der Meinung, daß dieser Widerspruch in der Natur der Sache liegt. Meine oben angeführte Kombination: das Betriebliche um des Menschen und das Menschliche um des Betrieblichen willen ist leider auch nur ein polarer Ausdruck für jene Antinomie, ohne daß sich von hier aus der Widerspruch bündig und zur Gänze aufheben ließe. Auf keinen Fall kann eine logisch-empirisch befriedigende Lösung des Problems in diesem Zusammenhang in der Auffassung gesehen werden, daß man es eben den Menschen überlassen müsse, was sie höher schätzen: den gütermäßigen Ertrag einer radikalen Einordnung in scharfe Betriebsdisziplin, also Auffassung des Menschen im Betriebe als ,, TVie/its-A Zs-Mittel-ZumZweck", oder eine Behandlung im Sinn des „iVic/ii-Mittel-Zum-Zweck". Zum ersten steht nicht immer fest, daß eine sehr harte Betriebsdisziplin wenigstens den gütermäßigen Betriebsreinertrag im .Endergebnis und nachhaltig steigert. Zum anderen kann Disziplin nicht immer auf der Basis freiwilliger Unterordnnug einsichtsvoller Betriebsangehöriger beruhen; im Betriebe ist eine gewisse Mindestdisziplin, notfalls nur auf Zwangsbasis, nicht zu umgehen, und zwar aus Gründen, deren praktische Notwendigkeit ebenso evident ist wie die zerstörende Kraft anarchisch gestalteten Gruppenlebens. Die Forderung einer humanitären Betriebsführung schließt selbstverständlich nicht die Zulassung eines Ausbrechens aus der Betriebsdisziplin ein. Zum dritten — und das ist das entscheidende Gegenargument gegen jene Auffassung — ist es nicht der abhängige, im Betrieb arbeitende Mensch, der jenes Wahlrecht wirklich ausüben kann. Auch in der Zeit der anlaufenden Mitbestimmung wird im wesentlichen die Betriebsführung diese Entscheidung treffen müssen, und zwar mit für den abhängigen Arbeiter praktisch zwingender Wirkung. Im übrigen ist Hax ohne Einschränkung zuzustimmen, wenn er feststellt, daß der Ausbau der Betriebswirtschaftslehre durch systematische Berücksichtigung der menschlichen Probleme des Betriebslebens eine Erweiterung ihrer Grundlagen erfordere. „Neben die Wirtschaftstheorie, die Rechtswissen18 ) Was nicht bedeuten kann, daß „Betriebe" nur in einer „Verkehrswirtschaft" vorkommen!

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schaft und die Technologie treten als weitere unentbehrliche Hilfswissenschaften die Psychologie, die Soziologie und die Pädagogik" 19 ). Allerdings kann die Entwicklung m. E. nur auf dem Wege einer harmonischen und planmäßigen Zusammenarbeit und Abstimmung mit den genannten Fachwissenschaften vor sich gehen, nicht auf der Linie einer mehr als fragwürdigen „encyklopädischen Autarkie" der Betriebslehre. Im Grunde aber werden „zwischen-menschliche" Zusammenhänge gerade, wenn das Mitspracherecht sich im Betrieb wirksam allgemeiner durchsetzt, für die praktische Betriebsführung (Betriebspolitik) noch bedeutungsvoller werden als bisher, wobei zu beachten ist, daß eine Steigerung der Produktivität der Wirtschaft das Hauptanliegen der Entwicklung zum Mitbestimmungsrecht sein müßte, wenn dieses sachlich berechtigt und nicht nur „systemwidrig" sein soll. Die Betriebstheorie kann ihrerseits Wechselbeziehungen, die für die Praxis so bedeutungsvoll sind, nicht übergehen. Das läßt sich deduktiv schon aus der Auffassung von Mellerowicz20) schließen, der zuzustimmen ist: die Theorie müsse sich auf denselben Gegenstand beziehen wie die Politik; Erkenntnisbereich und Anwendungsbereich hätten übereinzustimmen. Mit Recht bezeichnet auch Mellerowicz die menschliche Arbeit als „tragende Betriebskraft" 21 ) und den Betrieb als eine „technisch-ökonomisch-soziale Einheit, eine Welt der M e n s c h e n und der Sache" (Sperrung von mir). „ I m Mittelpunkt des Betriebes steht der Mensch, Sachen sind nur technische Hilfsmittel, der Mensch hat sie zu beherrschen und . . . zu führen". 22 ) Neuerdings bekräftigt Mellerowicz den Zusammenhang mit der Feststellung: „Der Mensch ist Mittelpunkt des Betriebes". Aus dieser Erkenntnis müssen künftig für die praktische Forschung auch die entsprechenden Folgerungen gezogen werden. Ich kann in dieser Hinsicht Mellerowicz nicht zustimmen, ") a. a. O. S. 395. Vgl. auch meine Vorschläge „zu einer wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsteilung unter den deutschen Hochschulen und Universitäten" (BFuP 1949 S. 310ff., 765ff.), ferner „Arbeitswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre" (a. a. O. S. 370f.) sowie „Betriebswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften" (a.a.O. S. 567ff.). S. ferner die der Annäherung der Auffassungen dienende Auseinandersetzung zwischen Erich Schäfer und Arnold Schmitt in der ZfB (Schäfer: Über einige Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, 1950 S. 553ff., Schmitt: Bedarf es einer besonderen Soziallehre innerhalb der Betriebswirtschaftslehre? 1950, S. 678ff., Schäfer: Betriebswirtschaftslehre und soziale Betriebslehre, 1951 S. HOff.). Von großer Wichtigkeit ist, daß Schmalenbach in seinen Altersanschauungen, die aber hier Reifung und nicht Alterung bedeuten, ebenfalls der Ansicht ist, daß der künftige „Personalleiter" im Betrieb sich pflichtmäßig mit Soziologie und Psychologie befassen muß. (Neue Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre. Betriebswirtschaftliche Beiträge, 1. Heft, S. 4). 20 ) Die Stellung der Betriebswirtschaftslehre im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften. ZfB. Juli 1951 S. 387. (Dieser Beitrag wird später abgekürzt als „Weinheimer Vortrag" zitiert.) 21 ) a. a. 0 . 1944 S. 125. 22 ) a. a. O. 1947 S. 93.

Methoden- und Entwicklungsprobleme der Betriebswirtschaftslehre

der den „Grad der Rationalität des Erkenntnisobjektes" von Nationalökonomie und Betriebswirtschaftslehre als unterschiedlich bezeichnet23). „Für die Wissenschaft vom gesellschaftlichen Gesamtprozeß" sei der Einzelne kein rationales, sondern ein gesellschaftliches Wesen, ein zoon politicon, kein homo oeconomicus. Die Betriebswirtschaftslehre jedoch könne „bei der Untersuchung betrieblichen Handelns und bei der Aufstellung von Regeln für dieses von dem Betriebsleiter a l s . . . höchster Steigerung der klassischen Normfigur der Wirtschaft, des homo oeconomicus, ausgehen" (a. a. O. S. 709). Wenn der Mensch Mittelpunkt des Betriebes und der Betrieb Mittelpunkt der Betriebslehre ist, so kann die Betriebslehre nicht darauf verzichten, auch und letztlich vorwiegend den realen Menschen in seinem betrieblichen Wirken zu analysieren. Auch unter den Betriebsleitern gibt es „Schein-Vorgesetzte": Blender-, Despoten-, Diplomaten- und Patrontypen 24 ); auch abnorme Charaktere (Hysteriker, explosible Psychopathen, Hypochonder25) kommen als Betriebsvorgesetzte vor, wenn sie auch selbstverständlich nicht die Regel sind und als Betriebsleiter und Unternehmer vielleicht sogar weniger in Erscheinung treten als in anderen Berufsschichten. Aber es bleiben genug harte Tatsachen der Praxis übrig und zum mindesten die Darstellung betTiebspolitischer Elemente und Verknüpfungen kann von solchen Realitäten nicht „abstrahieren", wenn sie selbst nicht lebensfremd werden will. Gerade eine Betriebslehre, der es mit Schmalenbach auf die praktische Steigerung der Wirtschaftlichkeit ankommt, kann nicht einen „homo oeconomicus" als den Menschen im Betriebe, sei es in der Oberleitung, in der Unterführung oder in der Belegschaft, annehmen25"). Das Streben nach Wirtschaftlichkeit im Betriebe wird gehemmt durch Wirtschaftlichkeitssiöruregere; deren Ursachen aber liegen in dem Verhalten der Menschen, die nicht immer so sind, wie man sie sich für einen reibungsfreien und optimal ergiebigen Betriebsablauf wünschen möchte. Gerade wer auf „das Disponieren.. . als letztem Ziel des akademischen (be23

) BFuP 1950 Heft 12, S. 709. ) Ferd. Haeger, a. a. O., S. 42—63. a6 ) Ders., a. a. O., S. 70—94. «»») Dies ergibt sich mit aller Klarheit aus den groß angelegten, über ein Jahrzehnt sich hinziehenden Untersuchungen im Hawthorne-Werk der Western Electric Company, die Roethlisberger beschreibt (F. J. Roethlisberger, Management and Morale, Cambridge, Mass. 1942 — deutsche Ausg. in Vorb., sowie Roethlisberger—Dickson, Management and the Worker, ebda. 1939). Arthur Mayer geht in seiner eben veröffentlichten Mannheimer Habilitationsschrift „Die soziale Rationalisierung des Industriebetriebes" (München-Düsseldorf 1951) so weit, in dem Arbeitsorganismus Betrieb zwei Schichten anzunehmen, die sich wechselseitig beeinflussen: eine von logisch-rationalen Normen und eine von emotionalen Einstellungen bestimmte (vgl. S. 222). In den USA ist man sich offensichtlich auch innerhalb der Geschäftsleitungen über die notwendigen Auswirkungen solcher Erkenntnisse im klaren. So zitiert Yoder, a. a. O. S. 86, aus dem Résumé des Tagungsberichtes eines Wirtschaftsverbandes: „ . . . Management should turn its attention to the social structures developed by employees inside the plant, and try to understand their nature. Then will management be on the way to deal with the realities of life, instead of with an accumulation of non-existent logical 'economic men'." 24

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triebswirtschaftlichen) Unterrichts entscheidendes Gewicht" 26 ) legt, kann nicht anders, als die betrieblichen Realitäten sehen, sei es auch nur, um sie praktisch unter Umständen scharf zu bekämpfen und stärker an ökonomische Wunschbilder anzupassen. Es erscheint übrigens dem Schrifttum gegenüber der Hinweis am Platz, daß „betriebswirtschaftlicher Normativismus" nichts innerlich Gleichartiges ist; man muß den betriebsökonomischen von dem betriebsethischen sowie von dem verfahrenstechnischen „Normativismus" unterscheiden. Hier ist vorwiegend das ökonomisch Normative gemeint.

Auch Mellerowicz kennzeichnet als „Ziel der Betriebswirtschaftslehre und als ihr Erkenntnisobjekt" nicht nur den Betriebsprozeß als solchen, sondern auch seine wirtschaftliche Gestaltung. Die Wegstrecke, die von verschiedenen Betriebsforschern auf dieser Grundlage gemeinsam gegangen werden kann, hängt dann davon ab, wie weit man den Inhalt des „Wirtschaftlichen" faßt. M. E. gibt es keine Wirtschaftlichkeit als abstrakten und autonomen Zusammenhang, sondern nur in Bezug auf den Menschen in seinen unterschiedlichen Funktionen und Beziehungen, sei es inner- oder (Machtzusammenhänge!) außerhalb von „Betrieben". Die Fragestellung lautet dann: Wie erfüllen die Betriebe mit ihrer Sachapparatur sowie mit ihrer internen und externen Organisationsstruktur die Aufgabe, der guten und sicheren Versorgung des Menschen zu dienen ? Wie sind die Betriebszusammenhänge (Bindungen, Berührungen und Abstoßungen) in ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beziehung zum Menschen zu erklären (Betriebstheorie) und zu gestalten (Betriebspolitik) ? Faßt man das Erkenntnisobjekt einer Wissenschaft vom Betriebe in dem oben dargestellten weiten Sinn auf, so sind als Erfahrungsobjekte auch öffentliche Betriebe und Verwaltungen2'') systematisch mit unter die Gegenstände der betriebswirtschaftlichen Forschung einzubeziehen, anders als Wilhelm 2

«) Mellerowicz, BFuP, S. 724. ") Mellerowicz (a. a. O. 1944 S. 24) unterscheidet von den Wirtschaftsbetrieben die öffentliche Verwaltung, „die als (Verwaltungs-)betrieb auch den Prinzipien der technischen Organisation folgt". Linhardt (privater Briefwechsel) will, mit Rieger, das Erkenntnisobjekt unseres Faches „nicht über die Erwerbswirtschaft im Sinne der auf Gelderwerb gerichteten Verkehrs( l)wirtschaft als Ganzes" hinaus erstrecken. Die öffentlichen Betriebe will er in einer „Verwaltungswirtschaftslehre" behandelt sehen. Er argumentiert von den unterschiedlichen Betriebsverhältnissen aus: 1. Öffentlicher Dienst statt Markttausch, 2. Kontrolle durch Haushalt statt Rentabilität. Für Linhardts Auffassung spricht manches. Aber die Betriebswirte müssen — und können ihrer ursprünglichen Wesensart nachl — ihren Gesichtskreis so erweitern, daß sie in der Lage sind, die „FewaZiitngswirtschaftslehre" zu pflegen und zu lehren. Wer sonst sollte es tun oder von Hause aus «ine höhere Eignung dazu besitzen!? Wenn die von uns ausgebildeten Betriebswirte nicht für manche wichtige moderne Aufgabe (z. B. Grundsatzschulung von Personalleitern in Unternehmungen, Verbänden, Gewerkschaften, Verwaltungsbetrieben) verdorben, weil einseitig ge- und verbildet sein sollen, so kommen wir um eine sinnvolle Abrundung unseres Forschungs- und Lehrbetriebes nicht herum.

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Rieger es im Rahmen seiner Privatwirtschaftslehre für richtig hält 28 ). Mit der „Überzeugung..., daß es eine einheitliche Betriebswirtschaftslehre nicht gibt und nicht geben kann" 29 ), bleibt Rieger logisch im Rahmen seiner Ausgangspunkte. Das kann man nicht mit demselben Recht von einigen Fachvertretern behaupten, die sich ausdrücklich zu einer -Betriefowirtschaftslehre bekennen, aber dann faktisch doch nur eine Lehre der Erwerbsunternehmungen entwickeln30). Die wissenschaftliche Geschlossenheit im Sinne einer Deckung von gesetztem Untersuchungsziel und tatsächlicher Durchführung ist in solchen Fällen nicht vorhanden, auch wenn man zugesteht, daß der erwerbswirtschaftliche („kapitalistische") Unternehmungstyp immer noch, im ganzen gesehen, in der modernen Wirtschaft dominiert. Trotzdem ist es zu beanstanden, daß die allgemeine Betriebswirtschaftslehre oft aufgebaut und vorgetragen wird, als ob in der modernen Betriebswirklichkeit ausschließlich kaufmännisch organisierte Großunternehmungen am Werke seien, und zwar hat man dabei nicht selten einseitig industrielle Verhältnisse im Auge. Auch wenn man deren sachliches und berufs-didaktisches Schwergewicht keineswegs verkennt, lassen sich doch die besonderen Erscheinungen und betriebswirtschaftlichen Abläufe in öffentlichen, genossenschaftlichen und handwerklichen Betrieben nicht ohne weiteres und ohne Zwang in die Zusammenhänge einordnen, die in der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre nach fachlichem „Gewohnheitsrecht" als Regel festgestellt zu werden pflegen 31 ). Auch Mellerowicz32) meint, daß es heute nicht mehr gerechtfertigt sei, in der Betriebswirtschaftslehre nur den „Betrieb des modernen Industrialismus zum Gegenstand der Betrachtungen" zu machen. Es sind m. E. zwei Aspekte zu unterscheiden: 1. Der betriebstheoretische Aspekt mit der Fragestellung: Was muß zu einer bündigen Erklärung der gesamten Gefüge- und Ablaufprobleme in die Betriebslehre hineingenommen werden ? Dieser Teil der Betriebswirtschaftsbzw. Betriebslehre gehört durchaus zu einer modernen „universitas litterarum"; seine Ergebnisse müssen zu einer ontologischen Gesamtdeutung 28 ) Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928. Bei aller Größe und Geschlossenheit der wissenschaftlichen Leistung Riegers kann ich ihm hinsichtlich der Abgrenzung des Erkenntnisobjektes unseres Faches, von meinem Aspekt aus, nicht folgen. 29 ) Rieger, a. a. O. S. 32. 30 ) Das trifft wegen der systemkongruenten Fassung wenigstens des Haupttitels der Werke nicht Alexander Hoffmann (Wirtschaftslehre der kaufmännischen Unternehmung, Leipzig 1932), Friedrich Leitner (Wirtschaftslehre der Unternehmung, 5. Aufl., Berlin und Leipzig 1926), Erich Schäfer (Die Unternehmung, Bd. I, Köln und Opladen 1949), sowie Martin Lohmann, der früher seiner „Betriebswirtschaftslehre" (Hamburg 1936) wenigstens den Untertitel „Wirtschaftslehre der gewerblichen Unternehmungen" gab. In seiner neuen „Einführung" spricht auch Lohmann nur noch von „Betriebswirtschaftslehre". 31 ) Vgl. Hasenack, B F u P 1951 S. 370 These 5. 32 j Weinheimer Vortrag a. a. 0 . S. 394.

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des Seins der Welt herangezogen werden als ein wichtiger Bestandteil jedes dem Leben nahen, nicht in Scholastik und Dogmatik versinkenden „Studium Generale"! 2. Der betriebspolitische Aspekt mit der Fragestellung: Wie ist die Betriebslehre aufzubauen und auszurichten, damit die Praxis die wissenschaftlichen Darstellungen und Ergebnisse ihrerseits nützlich verwenden kann? Im Bereich dieser zweiten Fragestellung liegen manche Probleme, die sich von der Betriebsgröße aus für die Betriebslehre als eine angewandte Wissenschaft ergeben. Die Entstehung der Betriebswirtschaftslehre ist natürlich auch eine Folge der schwindenden visuellen Übersicht in den Großbetrieben gewesen. Für den Betriebsleiter ist nicht mehr eine wirksame „Okularkontrolle" (Schmalenbach) möglich. Deshalb kann man aber nicht behaupten, daß betriebswirtschaftliche Erwägungen und Darstellungen etwa für das Handwerk regelmäßig unnötig seien. Die Betriebswirtschaftslehre hat sich zwar, genetisch betrachtet, durch das Aufkommen der Großbetriebe entwickelt, aber das spricht eher dafür als dagegen, daß sich auch die Klein- und Handwerksbetriebe der etwa nach Art Rößles entsprechend ausgerichteten wissenschaftlichen Erkenntnisse bedienen. Im übrigen hat es Primitivformen der „Betriebslehre" auch schon vor der Entstehung moderner Großbetriebe gegeben, wenn auch auf vorwissenschaftlicher Basis. Darüber, daß sich Forschung und Lehre nicht auf industrielle Großbetriebe beschränken dürfen, wird im Grunde innerhalb der Vertreter einer .Betriebswirtschaftslehre keine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit bestehen oder logischerweise bestehen dürfen; der Unterschied liegt vielmehr zwischen der betriebswirtschaftlichen Gesamtrichtung und der pn'pafwirtschaftlichen (iJiegerschen) Spezialschule. Dagegen ist die Einbeziehung des Verwaltungs- oder gar des Haushaltsbetriebes auf jeden Fall problematisch, wenn es sich nicht um Einzeluntersuchungen vor allem in Verbindung mit dem Rechnungswesen 33 ) handelt. Man mag den Betriebsbegriff Mahlbergs3*), der wissenschaftlich einer sehr weiten 86 ) Erstreckung der Erscheinung „Betrieb" zugrunde gelegt werden kann, als „uferlos" bezeichnen, wie es z. B. Sieber39) getan hat, und man wird und mag das auch gegenüber meinem Betriebsbegriff (Kern: organisierte Leistungsgemeinschaft) tun. Aber es steht keineswegs fest, daß, wie Sieber es a. a. O. S. 235 ohne Begründung behauptet, „ein derartiger .Betrieb' im soziologischen Sinn nicht Gegenstand der heutigen Betriebswirtschaftslehre sein k a n n (Sperrung von mir)" und daß „darüber heute nicht mehr viel gesagt zu werden braucht". Es ist nämlich noch sehr wenig Stichhaltiges darüber gesagt worden. Behauptungen und Ressentiments sind keine schlüssigen Begründungen. Die administrativen, genossenschaftlichen und sozialisierten Betriebe gehen nicht selten von einem anderen Wirtschaftsgeist als die erwerbswirtschaft33 ) z. B. Carl Ruberg: Aufwands- und Kassenrechnung in der Buchführung des privaten Haushalts. Stuttgart 1933. 34 ) Den Wortlaut der Mahlbergschen Betriebsdefinition verteidige ich ebenfalls nicht: „Einrichtungen und Veranstaltungen, die in vernunftgemäßer, rationaler Weise betrieben werden, um gewollte Zwecke zu erreichen" (Der Betriebsbegriff und das System der Betriebswirtschaftslehre, in „Grundriß der Betriebswirtschaftslehre" Band 2, Die Betriebsverwaltung, S. 4), obwohl in dieser Definition ein Mahlberg unterlaufener formaler Fehler bereits korrigiert ist. 36 ) Weiter geht nur Nicklisch, wenn er meint, daß Betrieb „der Mensch an seinem Arbeitsplatz" (I) sei. 3 «) ZfhF 1951 S. 235.

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liehen Unternehmen aus, wenn man auch die Unterschiede nicht von der andersartigen Fassade aus übertreiben sollte, sondern sich bewußt sein muß, daß manche angebliche „Wesens"-Differenz nur deklamatorischer Art ist. Zum Teil wenden die nicht-erwerbswirtschaftlichen Betriebe aber in der Tat auch eine andere Bewirtschaftungs- und Rechnungstechnik 37 ) an als industrielle Großunternehmungen privatwirtschaftlichen Charakters. Man kann durchaus der Schäfer'sehen Auffassung 38 ) sein, daß es „sachlich und methodisch zweckmäßig" ist, die administrativen oder sozialisierten Einzelwirtschaften gesondert darzustellen, muß sich aber dann darüber klar sein, daß eine solche Beschreibung keine wirkliche allgemeine Betriebswirtschaftslehre ist, sondern, wie Schäfer das in seinem Vorwort richtig andeutet, eine Lehre von der kaufmännischen Unternehmung, also nur eine Einführung in einen Teil der Betriebswirtschaftslehre. In einer wirklich allgemeinen Wissenschaft vom Betrieb dürften allerdings die besonderen betrieblichen Tatbestände der nicht-privatwirtschaftlich organisierten Unternehmungen nicht „additiv", neben den Abläufen, Vorgängen und Problemen der kaufmännischen, insbesondere der industriellen Erwerbsunternehmungen vorgetragen werden. Vielmehr müssen auf der Ebene einer wirklich allgemeinen Betriebswirtschaftslehre Zusammenhänge und Interdependenzen herausgearbeitet werden, denen eine gewisse Gemeingültigkeit zugesprochen werden kann und die doch lebendig das Wesentliche erfassen. Die Sonderprobleme der Wirtschaftszweiglehren, der verschiedenen Unternehmungs- und Betriebsformen einschließlich sozialisierter Unternehmungen, der volkseigenen Betriebe oder der werdenden „Sozialgemeinschaften" usw. erscheinen dann als funktionelle Abwandlungsfälle dieser betriebswirtschaftlichen Grundformen; ihre spezifische Anwendung kann auf diese Weise bündiger und tiefer erklärt werden. Ähnliches könnte auch Mellerowicz meinen, wenn er39) — vorbehaltloser als ich es tun zu können glaube — davon spricht, daß die Betriebswirtschaftslehre den Betriebsprozeß „abstrahiere, indem sie seine historische Individualität auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten zurückführt" 40 ). Auch die Auffassung von Walb41) liegt wohl in dieser Richtung, wenn er der Meinung Ausdruck gegeben hat, die Betriebswirtschaftslehre „könne in einer freien Wirtschaft wie in einem Sowjetsystem ihre Lehre gleichzeitig42) zur Durchführung bringen". Jedoch kann eine solche Aussage stichhaltig m. E. nur mit Ein") Siehe hierzu die einschlägigen Arbeiten von Walb, Thieß, van Aubel, Johns u. a. ) „Die Unternehmung" a. a. O. S. 5. 3 ») Weinheimer Vortrag a. a. O. S. 394. 40 ) Allerdings kann Mellerowicz „historisch" auch so gemeint haben, daß er nur von faktisch existenten oder existent gewesenen Betrieben der neueren Zeit abstrahieren will, nicht unbedingt Jahrhunderte oder auch einige wenige Jahrtausende zurückgehen, also in dem zeitrelativ „anthropologischen" Sinn, wie oben S. 2/3 dargestellt, vorgehen will. ") Zustimmend zitiert bei Mellerowicz, Weinheimer Vortrag a. a. O. S. 389/90 und in „Einheitliche Wirtschaftswissenschaft?" (BFuP 1950 Heft 12, S. 714). 42 ) Gemeint ist wohl: gleichartig. 38

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schränkungen und Differenzierungen getroffen werden 43 ). Auch Mellerowicz deutet das im Weinheimer Vortrag 44 ) schon an, wenn er, offenbar doch mit der Absicht einer Begrenzung der Aussage, feststellt, daß der Betriebsprozeß a l s W e r k v e r r i c h t u n g (Sperrung von mir) von einem Wechsel des gesamtwirtschaftlichen Systems nicht berührt werde. Ich habe das 193745) gegenüber der nationalsozialistischen Forderung einer Reform der Betriebswirtschaftslehre an Haupt und Gliedern in folgender Weise ausgedrückt: „Der Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre, der Wirtschaftsbetrieb, ist dem Wandel der Zeiten nicht so stark und in jedem Bereich unterworfen wie der Gegenstand der Nationalökonomie, die Volkswirtschaft. Betrieb und Unternehmung haben nach wie vor bestimmte Mittel einzusetzen, um Aufgaben zu erfüllen, die in technologisch-kommerzieller Hinsicht dieselben geblieben sind. Insbesondere die Tatsache, daß das Rechnungswesen unbestreitbar einen großen Teil der Betriebswirtschaftslehre ausmacht, bewirkt, daß zahlreiche Probleme unseres Faches infolge eines starken inneren Schwergewichtes dasselbe technische Gesicht behalten und ihr Äußeres nur wenig oder nicht verändern" 49 ).

Finanzierungsformen aber, ferner die Methoden der letztlichen Produktionsverwendung, die Wege der Substanzsicherung und der Leistungserhaltung in Betrieben, also vor allem die Probleme der finanzierungstechnischen „Epidermis" des Betriebsprozesses, ändern sich sehr wohl mit einem Wandel des gesamtwirtschaftlichen Systems und zwar grundlegend. Es gibt im Verhältnis zueinander völlig disparate — aber durchaus noch „betriebswirtschaftlich" bleibende —• Erscheinungen bei wesensverschiedenen Wirtschaftssystemen, die in der Hauptsache mit der Existenz oder dem Verschwinden des Marktes, z. B. mit der Wesens- und Funktionsänderung des Preises und der Absatzformen in ihrer bisherigen Funktion und Tragweite beim Übergang zu zentraler Planwirtschaft zusammenhängen. Neben diesen kräftigen Abweichungen und eindeutigen Ungleichheiten einerseits, auf der anderen Seite dem zeitlos Gemeinsamen gewisser Struktur- und Ablaufelemente des Betriebsprozesses schlechthin, gibt es relative betriebliche Gemeinsamkeiten, die in unterschiedlichen Wirtschaftssystemen — oder auch in demselben Wirtschaftssystem — verschiedenen Betriebsgröße«, eigentümlich sind, wie z. B. Versorgungsunternehmungen in der Form von kommunalen Eigenbetrieben, Genossenschaften und handwerklichen Betrieben innerhalb einer Marktwirtschaft. Hier besteht das „Gemeinsame" nicht so sehr aus ähnlichen Einrichtungen und gleichartigen Maßnahmen; es setzt sich vielmehr aus Triebkräften und Denkweisen zusammen, die für die betreffende Betriebsgruppe, und nur für sie, kennzeichnend sind. Die Betriebswirtschaftslehre — hier als „ver43 ) Vgl. im einzelnen Hasenack-Oertel: Die geistige Lage und die fachliche Problematik der Ostzonen-Betriebswirtschaftslehre, in „Die Neue Betriebswirtschaft" 1951, Heft 7, S. 97—100. S. aber auch unten S. 24/25 die Hinweise auf eine gewisse Anwendbarkeit der „Kategorienlehre" auch für ein Land mit planwirtschaftlicher Struktur. 44 ) a . a . O . S. 389. 46 j Tag der Deutschen Wirtschaftswissenschaft 1937. 44 ) Bericht über den Tag der Deutschen Wirtschaftswissenschaft 1937. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart-Berlin S. 210.

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stehende" Wissenschaft im Sinne Sombarts — m u ß d a n n erklären, w a r u m die —im weitesten Sinne „betriebswirtschaftlichen" — M a ß n a h m e n bei einer gegebenen „ W i r t s c h a f t s g e s i n n u n g " u n d Bewirtschaftungstechnik, die o f t doch stark von W i r t s c h a f t s o r d n u n g u n d Betriebsordnung (im Sinne von Mellerowicz11) beeinflußt zu werden pflegt, so und nicht anders sind. N u r im Bewußtsein einer solchen Differenzierung der betriebswirtschaftlichen u n d -finanziellen Probleme nach ihrer m e h r oder weniger großen oder geringen oder auch gar nicht vorhandenen Abhängigkeit von der W i r t s c h a f t s o r d n u n g k a n n m a n der erwähnten Feststellung von Mellerowicz zustimmen, daß die betriebswirtschaftliche Methode auf eine A b s t r a k t i o n des Betriebsprozesses im Sinne einer Zuriickführung seiner „historischen Individualität auf allgemeine Gesetzm ä ß i g k e i t e n " hinauslaufe. I m übrigen aber k a n n ich Mellerowicz in m a n c h e n wesentlichen Auffassungen nicht beipflichten, so wenn er die morphologischen Fragen der Wirtschaftss t r u k t u r als „soziologische" charakterisiert, mit denen die Betriebswirtschaftslehre nichts zu t u n habe 4 8 ). Auch die Feststellung, die diese Meinung begründen soll, nämlich daß „der Betriebsprozeß sowohl in der liberalen wie in der sozialistischen W i r t s c h a f t denselben Gesetzen u n t e r l i e g t " (a. a. 0 . S. 716), t r i f f t in dieser kategorischen F o r m nicht zu, sondern bedarf der differenzierenden Analyse. Zwar gibt Mellerowicz zu, daß „die Einflüsse, die sich auf den Betrieb in den verschiedenen W i r t s c h a f t s o r d n u n g e n ergeben, wohl recht unterschiedlich sein m ö g e n " (a. a. 0 . S. 716). Aber k a n n m a n t r o t z d e m , ohne einen Bruch in der methodologischen Konzeption u n d ohne eine S t ö r u n g der Übereinstimmung mit den T a t s a c h e n der empirischen Wirklichkeit, b e h a u p t e n , daß ungeachtet des erwähnten Zugeständnisses „ d a s Problem betrieblichen W i r t s c h a f t e n s : die Erstellung einer gegebenen Leistung mit den geringsten Kosten, dadurch genau so wenig b e r ü h r t wird wie die Gesetze der E r h a l t u n g des betrieblichen Organismus" (a. a. 0 . S. 716/17) ? Das erscheint n u r d a n n möglich, wenn m a n „Gesetze" zu stark statisch u n d zu wenig katalaktisch sieht, d. h . als Versuch, lebendige u n d wechselvolle Bewegungsvorgänge zu erfassen. Ich glaube ebenfalls, zu einem Teil Gemeinsames u n d Unwandelbares in Gestalt u n d Vollzug von allem w a h r n e h m e n zu können, was m a n Betriebe nennen k a n n . Aber ich sehe, neben vielem Wechselvollen u n d Unterschiedlichen, das Einheitliche der Betriebsprobleme — abgesehen von gewissen Verrechnungs- u n d Organisationselementen — ganz stark in der letztlichen Gleichartigkeit der menschlichen N a t u r . Sie k a n n zwar durch Zwangssysteme vergewaltigt werden, aber auch in Unfreiheit bleibt die Menschennatur, im Guten u n d im weniger Guten, im Kern trotz aller äußeren „Anpassungs47 ) Wirtschaftsordnung und Betriebsordnung. Das Problem in historischer Betrachtung. ZfB 1950 Heft 6 S. 321—331. ») BFuP 1950 S. 716.

2 Aktuelle Betriebswirtschaft

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mimikry" doch stark dieselbe49) und reagiert auch, von den Urtrieben her, mit einer Tendenz zur Beständigkeit bei dem Durchschnitt der Menschen, wenn auch nicht mit absoluter Unveränderlichkeit bei allen Menschen. Zahlreiche auf den wirtschaftlichen oder den das Objekt des Wirtschaftens darstellenden Menschen bezogene Kernprobleme sind in Ansatz und Wurzel, trotz intensiver Differenzen in der „Zeitfarbe" der äußeren Erscheinungsformen, in allen Betrieben gleichartig vorhanden, wenn die autonome oder abhängige Stellung des Menschen bei Betriebsführung und -Vollzug gleichartig ist. Hier liegt m. E. der entscheidende Grund, das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre nicht nur entsprechend weit zu formulieren, sondern auch die dem weiten Erkenntnisobjekt entsprechenden Erfahrungsobjekte in der Forschung tatsächlich und systematisch in Angriff zu nehmen. Allerdings ist das nicht ohne Streifzüge teleologischen und betriebsphilosophischen Charakters möglich, die dem, der in jugendlicher Mentalität noch an die Möglichkeit vorbehaltloser Exaktheit auch im nicht-naturwissenschaftlichen Bereich glaubt, zunächst als fragwürdig erscheinen mögen. Wenn den Vertretern der Betriebswirtschaftslehre keine wirklich allgemeine Betriebswirtschaftslehre gelingt, so geben sie damit ungewollt u. a. der von Rieger dem Sinn nach vertretenen Auffassung recht, eine Einzelwirtschaftslehre könne sich nicht außer mit kaufmännischen Unternehmungen gleichzeitig auch noch mit öffentlichen und genossenschaftlichen Betrieben befassen, ohne gegen die wissenschaftliche Pflicht zu verstoßen, nur eine Materie zu erforschen, die stofflich und von den vorherrschenden Antriebskräften des Handelns aus homogen sei. Nach Rieger (a. a. 0.) gibt es eine „Betriebswirtschaft" nicht „als einheitlichen, deutlich abgegrenzten Begriff", während nach den von mir geteilten Auffassungen von Schmalenbach, Walb und Mellerowicz das „Betriebswirtschaftliche" auch „an sich" existiert. M. E. ist „Einheitlichkeit" des Erkenntnisobjektes einer Wissenschaft vom Betrieb bei einer Umgrenzung sogar in dem oben von mir zugrunde gelegten, 48

) „Die menschliche Natur . . ., wie sie die Psychoanalyse darstellt, gleicht genau der Materie, die der Dichter in allen Zeiten zum Vorwurf seiner Kunst gemacht hat." Was Lionel Trilling (Psychoyanalyse und Literatur in „Der Monat, 3. Jg. 1951, Heft 35, S. 477) hier von der Psychoanalyse feststellt, gilt entsprechend auch von dem in Betrieben wirtschaftenden Menschen. Auch die in der Nationalökonomie aufgestellten „Gesetzmäßigkeiten" fußen auf letzten psychischen Gegebenheiten, die im Menschen schon „ewig" wirken. Allerdings könnte man von hier aus auch ein Argument nicht für, sondern gegen meine methodologische Auffassung ziehen. Denn eine Nationalökonomie ist eben erst bei gesellschaftlicher Produktion möglich geworden. Erst dann kommen diese „Urtriebe" auf wirtschaftlichem Gebiet zu einer spezifischen und problemreichen Wirkung im großen. Aber das schließt nicht aus, daß eine retrospektive Untersuchung betriebspsychologisch-historischer Art doch mit dazu beitragen kann, die historische Sicht der Wirtschafts- und Betriebsprobleme zu erhellen und auch die gegenwärtigen Probleme zu einem bescheidenen Teil elementar zu klären. Um letzteres zu tun, muß man, in der Nationalökonomie wie in der Betriebswirtschaftslehre, als ein zusätzliches heuristisches Mittel eben zu den „Urtrieben" zurückgehen bzw. sie untersuchen.

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zugegebenermaßen sehr weiten Sinn vorhanden. Sie ist abzuleiten von der menschlichen Tätigkeit im Betriebe, die leider keineswegs immer sinnvollrational vor sich geht, geschweige ausschließlich im Hinblick auf Rentabilität. Auch in der hochkapitalistischen Zeit sind in der Elite der Unternehmerschaft Persönlichkeitskräfte rege und buchstäblich am „Werk", die bei der wissenschaftlichen Behandlung von Betriebsführungs- und -ablaufproblemen berücksichtigt werden müssen. Denn sie bestimmen die Unternehmungspolitik und das Betriebsergebnis im weitesten Sinn mit. Diese Tatsache, die entsprechend und z. T. noch stärker für die Betriebsführung anderer Wirtschaftssysteme gilt, bedeutet notwendig eine weite Umfassung des Erfahrungs- und Erkenntnisobjektes der Wissenschaft vom Betriebe. Diese Weite schließt notwendig die Vornahme von Studien mit betriebssozialem, -soziologischem, -ethischem und -psychologischem Charakter ein. „Die notwendigen Grundlagen müssen . . . in Zusammenarbeit mit Psychologen, Pädagogen und Soziologen . . . geschaffen werden" 50 ).

II. Wirtschaftsgeschichte und Betriebslehre Eine Wissenschaft vom Betriebe mit einem gemäß Kap. I gefaßten Erkenntnis* und Erfahrungsobjekt kann sich nicht damit begnügen, allein die Betriebsformen der Gegenwart zu untersuchen; in zweiter Linie sind auch die betrieblichen Erscheinungsformen der Vergangenheit mit in die Aussagen und in die Erforschung einzubeziehen. Diese Zielsetzung sollte allerdings nicht zu einer bloß chronologischen Darstellung von äußeren Fakten führen, sondern erfordert eine phänomenologische 51 ) Untersuchung von Erscheinungen und Funktionen. Allgemein sind die Wechselbeziehungen zwischen Sozial- und Betriebsgeschichte zu untersuchen, für die Neuzeit speziell die Ausstrahlungen des Phänomens des Kapitals und der Kapitalrechnung, womit Marx und Sombart einen tiefgründigen Anfang gemacht haben. Vor die Aufgabe einer säkularen Betriebsgeschichte gestellt, die nicht nur die der Gegenwart unmittelbar vorgelagerten Zeiten behandelt, könnten die Vertreter der Betriebslehre der Meinung sein, es genüge, sich mit der Auswertung wirtschaftshistorischer Studien zu begnügen. In der Tat kann sich eine historische Betriebslehre stark auf die Materialien hervorragender Wirtschaftshistoriker (wie Max Weber, Ehrenberg, Sombart, Kuske, Laurn u. a.) stützen. Daneben aber sind Originaluntersuchungen mit eigenen Fragestellungen gegenüber dem primär an betrieblichen Urquellen zu erarbeitenden Material nötig, in Fortsetzung der Penndorfschen gewissenhaften, aber thematisch zu eng begrenzten Arbeiten und des Werkes von Jos. Löffelholz: Geschichte der Betriebswirtschaft und der Betriebswirtschaftslehre (Stuttgart 1935). Insgesamt ist es nicht unmöglich, daß eine an Hand wirtschaftsgeschichtlichen Materials durchgeführte betriebstheoretische Fragestellung auf lange Sicht auch ihrerseits der ökonomischen Historie Anregungen geben kann. Vorerst ist das Verhältnis der geschichtlichen Betriebslehre zu der wirtschaftshistorischen Wissenschaft einseitig das des Nehmenden zum Gebenden und so wird es bei 60

) Hax a. a. O. S. 395. ") Phänomenologisch ist die Methode insofern, als versucht werden muß, das Wesen der betrieblichen Dinge in ihrer historischen Erscheinungsform zu erfassen. 2*

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der zu kleinen Zahl der betriebswirtschaftlichen Hochschullehrer wohl noch lange Zeit bleiben. Damit wird die Entwicklung auf diesem Gebiet leider langsamer verlaufen als es an sich nötig wäre.

Die Kernproblematik einer phänomenologisch aufgefaßten Geschichte des Betriebslebens läßt sich etwa in folgende Fragestellungen kleiden: Wie ist jeweils das Verhältnis zwischen Besitz und Verfügung, zwischen Herrschgewalt und Dispositionsmacht (Beziehungen zu Rechtsfragen und Rechtssoziologie!) ? Welcher Schicht und Herkunft entstammen die Leiter der Betriebe ? Von welchen Antriebskräften lassen sich die Menschen der betreffenden Wirtschaftsperiode lenken 52 ) und in welchen Verfahrensformen führen sie ihre Ziele durch, wenn sie Betriebe aufbauen, in Funktion setzen und zu steuern versuchen ? Lassen sie sich dabei von Vorstellungen eines betrieblichen oder eines — im strengen Sinne allerdings erst in einer fortgeschrittenen arbeitsteiligen Wirtschaft denkbaren! — überbetrieblichen Gleichgewichtes leiten ? Wenn ja, wie ist dieses beschaffen ? Wie wirken die Vorstellungen von ihm auf den Betriebsablauf und die Gestaltung der Betriebe hinsichtlich ihres ,,Baus und Lebens" (Nicklisch), ihrer Morphologie und Katalaktik (Mellerowicz, BFuP, 1950 S. 724) ein ? Welcher Wertungsmittel, gegebenenfalls völlig außerhalb derer im Bereich der speziell modern-kapitalistischen „Wirtschaftlichkeit", bedient sich die Betriebsführung, wenn überhaupt konstruktiv und fallweise gewertet wird und nicht die soziologische Herrschgewalt etwa des Grundherrn statt der ökonomischen Betriebsführungskompetenz und -potenz von „Verwaltern" (den historischen Formen der „Manager", etwa in Gestalt von „Prokuratoren", „villici", „actores", „mercatores") die Grundgestalt und den Normallauf der „Betriebs"durchführung bestimmt ? Wer sind jeweils die „Organisatoren" von Betrieben bei den historischen Formen des Gemeinschaftslebens im Bereich der Wirtschaft ? Die Erscheinung „Manager"62*1) ist hier, anders als bei James Burnham (Das Regime der Manager, Stuttgart 1948), bei dem die politische Ebene den Vordergrund bildet, aufgefaßt als eine in Mentalität und Vorbildung jeweils zu ihrer Zeit stark einheitliche Schicht von wirtschaftenden Menschen, die faktisch die Betriebsgebilde führen, ohne daß sie die von Recht und Eigentum abzuleitende Herrschgewalt haben. Dabei ist zu beachten, daß das Eigentum nicht erst ein Begriff der Neuzeit ist, also eine sehr junge historische Kategorie darstellt, sondern daß die Anwendung dieses Begriffes gerade im Recht und Leben des alten Rom bereits den Zenith erreichte. Natürlich sind „Manager" nicht eine im Letzten gleiche Kategorie von Menschen; sie stellen auch nicht eine in ihrer Mentalität für alle Zeiten einheitliche Schicht dar. Wohl aber liegt im allgemeinen eine nach Psyche und Schulung verwandte Ausrichtungstendenz für die „Manager" eines bestimmten wirtschaftlichen Zeitalters vor. 62 ) Hasenack: Unternehmertum und Wirtschaftslähmung, Berlin 1932, Kapitel über Leitungsmoral, S. 15—31; Kreditmoral, S. 36ff.; Expansions- und Elastizitätskrise, S. 56—67). t2a) Vgl. die beachtenswerten Arbeiten und Auffassungen von Herbert Groß „Manager von Morgen", Düsseldorf, 1950, auf diesem Gebiet, ferner Anregungen von Peter Schlenzka in der D F u P 1950, S. 94—102 (Der „Brain Trust" als Rationalisierungsmittel der Leistungsfunktion").

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Neben den historisch-phänomenologischen Problemen der Betriebsleitung und der betrieblichen Wirtschaftsgesinnung müssen im Vordergrund der betriebshistorischen Forschung Fragestellungen stehen wie: Nach welchen Regeln vollzieht sich die Verteilung des „Betriebsergebnisses" ? Wie verändert diese ihren Charakter mit dem Wandel der Wirtschaftsverfassungen ? Lassen sich auch historisch „Grundsätzlichkeiten" des wirtschaftlichen Verhaltens in der Betriebsplanung und Betriebsdurchführung erkennen, wenn auch in bezug auf „Wirtschaftlichkeit" nur im zeitoptimalen Sinne, d. h. im Rahmen der handwerklich-technischen und sonstigen „Umwelt"-Bedingungen der betreffenden Zeit 53 ) ? Kommen wissenschaftliche Versuche in dieser Richtung notwendig einer Vergewaltigung der Vergangenheit gleich, weil deren Stufen und Perioden vielleicht jede so stark ihre eigene und besondere „Gesetzlichkeit" haben, daß man sie auf keine Weise auch nur teilweise in fachwissenschaftlich vergleichbare Beziehungen bringen kann ? Oder läßt sich doch ein absoluter betriebswirtschaftlicher Standpunkt vom Aspekt des Menschen und der Menschlichkeit 54 ) sowie dem des gruppenmäßigen Zusammenwirkens her gewinnen ? Kann man sich absetzen vom historischen Detail und gerade dadurch vielleicht den betriebswirtschaftlichen Standpunkt tiefer und gemeingültiger, nämlich mehr vom im tieferen Sinn „Organisatorischen 55 ), nicht allein von der notwendig schon als Begriff zeitlich begrenzten Rentabilitätserscheinung her, in seinem inneren Wesen erfassen ? Lassen sich dabei, wenigstens teilweise, geschichtliche Erfahrungen und Wertungen auch für die menschlich-psychologische und organisatorische Wirklichkeit in der Gegenwart, wenn auch nur mit großer Behutsamkeit, nutzbar machen ? Das alles sind 63 ) Diese Einschränkung erscheint mir auch gegenüber Mellerowicz (a. a. 0 . 1947, S. 12) wichtig, der „das Ziel des Betriebes . . . in allen Wirtschaftssystemen als dasselbe" bezeichnet, nämlich als die größte Wirtschaftlichkeit". Wir sehen die Vergangenheit notwendig immer mit den Augen der Gegenwart. Die Frage der Meßbarkeit der Wirtschaftlichkeit, die freilich eine andere ist als der (apriorische ?) Begriffsinhalt der „Wirtschaftlichkeit", ist darüber hinaus noch ein in jedem Fall, auch für heutige Zeiten, schwieriges Problem für sich. Vgl. auch oben S. 4. M ) „Menschlichkeit" ist zwar, begrifflich-gedanklich, eine Schöpfung der letzten Jahrhunderte. Im Mittelalter wurde „Gottgefälligkeit" als das höchste Prinzip angesehen, das man selbst bei Hexenprozessen und -Verbrennungen zu befolgen glaubte. Für echte „Religiosität" gehaltene Ekstase hat in der Vergangenheit kaum seltener Anlaß zu Unmenschlichkeiten gegeben wie es in der Gegenwart fanatisierte „Weltanschauung" und extreme „politische" Auffassungen tun. Maß und Mitte müssen den humanitären Menschen prägen. Daß dieses „Humanitäre" eine Schöpfung des menschlichen Geistes (wenn auch nicht Handelns I) erst in der Neuzeit ist, bedeutet aber nicht, daß man diese Maßstäbe nicht vom Aspekt der Gegenwart auch in die Vergangenheit „re-projizieren" dürfte. Außerdem deckt es sich im wesentlichen, nämlich hinsichtlich der „Menschlichkeit", mit der erheblich älteren unverfälschten Lehre Christi. 55 ) Siehe hierzu u. a. Schnutenhaus: Allgemeine Organisationslehre, Berlin 1951. Schnutenhaus will u. a. „die Grundlagen einer allgemeinen Organisationstechnik . . . entwickeln aus einer Systematik von Grundbegriffen und Grundsätzen, die für sämtliche Kulturbezirke des menschlichen Lebens Geltung haben" (a. a. O. Einleitung, S. 5).

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offene Fragen; ihre bündige Beantwortung, die erst nach umfassenden Studien möglich ist, wäre auch für die Gegenwart nicht ohne Nutzen; denn immer wieder werden schwere wirtschafts- und betriebspolitische Fehler gemacht, weil man nicht einmal Erfahrungen einer sehr jungen Vergangenheit verständig berücksichtigt. Aufgabe einer ang«wandten Wirtschaftswissenschaft muß es sein, diese Erfahrungen zu sammeln, zu systematisieren, das Zeit bedingte in ihnen von dem zeit losen Gehalt zu scheiden und die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Systematisierungs- und Scheidungstätigkeit bei neuen Problemen der Betriebs- und Wirtschaftspolitik zu verwenden. Das entscheidende Problem kann durch die Fragestellung angedeutet werden: Ist eine Isolierung der historisch-soziologischen Bedingtheiten und Bedingungen des betrieblichen Handelns in den einzelnen Wirtschaftsepochen erreichbar und gibt es demnach eine Möglichkeit, sich gedanklich von den Bindungen der historischen Lösungen an die jeweilige konkrete Zeitlage zu pragmatischbetriebspolitischen Zwecken der Gegenwart zu befreien ? Sind nur gedankliche Elemente gleichartig oder — in Grenzen — auch konkrete Erscheinungsformen ? Viele dieser Fragestellungen werden, wenn sie in induktiven Spezialuntersuchungen einer Klärung näher gekommen sind, zum Ergebnis zweifellos die Erhellung von betriebshistorischen Details haben; aber das ist für die heuristischen Ziele, wie ich sie, vorerst notwendig roh, im Auge habe, nicht von Nachteil. Denn diese empirischen Einzelheiten sind erst die Grundlage für die Erkenntnis von Wesensverwandtschaften innerhalb einzelner Betriebsgruppen und Wirtschaftszeiten. Erst bei dieser konkret-historischen Fundierung läßt sich auch einigermaßen streng beantworten, was denn wirklich den Betrieben aller Zeiten gemeinsam ist. Die generelle Feststellung, daß immer und überall die Struktur und der Prozeß eines „Betriebsorganismus" vorhanden sind, ist allzu allgemein, um wissenschaftlich ernstlich zu befriedigen.

III. Bestandteile einer Lehre von den betrieblichen Kategorien Unter „Kategorien" versteht die Philosophie Urbegriffe wie Substanz, Beziehung, Größe, Dasein, die als allgemeinste Aussagemöglichkeiten das Verstehen der Daseinszusammenhänge ermöglichen, weil sie ein Abbild der elementaren Eigenschaften der gegenständlichen Wirklichkeit sind. In einem entfernt verwandten Sinne wird hier von „Kategorien" gesprochen. Unter betrieblichen Kategorien verstehe ich Gruppen wesens- und funktionsähnlicher Dinge, auf die man das betriebliche Geschehen letzthin zurückführen kann. Verfolgt man betriebliche „Kategorien" auch in ihren historischen Erscheinungsformen, so läßt sich auf diese Weise die Geschichte des Betriebslebens behutsam mit den Gegenwartsproblemen verknüpfen und zu einem kleinen Teil die „Historie" dem „Leben" (Nietzsche) nutzbar machen. Eine Aufgliederung der Lehre vom Betrieb nach Sinn-, Formen-, Lebensund Gestaltungslehre 56 ) führt zwangsläufig zu der Frage hin, ob man sich M ) Vgl. Hasenack: Aufgaben und wirtschaftspolitische Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre, in Band I der Schriften der Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft, Kohlhammer Verlag Stuttgart und Berlin 1938, S. 210—238; ferner: Bedeutung und Grenzen von verfahrenstechnischer Kunstlehre für das betriebswirtschaftliche Studium, in BFu P 1951, Heft 11, Kap. B I l l b , S. 657—660.

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darauf beschränken muß, eine Reihe von „historischen" Betriebswirtschaftslehren zu entwickeln 57 ) oder ob und in welchem Sinne eine zeitlose Betriebslehre möglich erscheint. In letzterem Fall träfen die Aufgaben einer Geschichte der Betriebe zusammen mit der Erforschung betrieblicher Kategorien. Unter Kategorien ist dabei mehr zu verstehen als betriebswirtschaftliche Grundbegriffe oder Real-Kategorien wie fixe Aufwendungen, Sachvermögen, Organisation, Betriebsvorbereitung, Betriebsvollzug usw. Es geht vielmehr um einheitliche Strukturlinien und Handlungsprinzipien, die auch in primitiven Wirtschaftszeiten schon „vorhanden" waren, zum mindesten potentiell in dem Sinn, daß man sie rückblickend auch in eine ferne Vergangenheit gedanklich hineinprojizieren kann, auch wenn sie nicht im Bewußtsein der historischen Menschen existierten. Nicht die äußeren betrieblichen Erscheinungsformen der Vergangenheit als solche und in chronologischer Darstellung interessieren in diesem Zusammenhang 58 ), sondern die Wesenselemente von ihnen, die auch unter Absehung vom historischen Detail einen Bezug auf die Kernproblematik des Betriebsprozesses schlechthin haben. Einer betriebswirtschaftlichen „Phänomenologie" ( = „Wesensschau") kommt das Arbeitsziel einer solchen historisch-kategorialen Forschung nahe, wenn es gelingt, die Erscheinungen des betrieblichen Seins auf wenige Grundformen zurückzuführen. Die Frage ist: Lassen sich gleichsam absolute Kategorien der Wirtschaftlichkeit und auch, in gewisser Grundgestalt, zeitlos wiederkehrende Grundformen der betrieblichen WirtschaftlichkeitssiörKngm erkennen, auch dort, wo es besonders schwer ist, nämlich bei enger Verflochtenheit von kulturellen und ökonomisch-betrieblichen Lebenserscheinungen ? Vergegenwärtigt man sich freilich, daß Wirtschaftlichkeit im tieferen Sinne keine einzelwirtschaftliche Gegebenheit ist, sondern erst überbetrieblich determinierte Bedingungen, den Bedarf und die Hervorbringung betreffend, gleichsam die Facetten des Wirtschaftlichkeitsphänomens schleifen, so erkennt man, daß vielleicht nur Kategorien des Betriebes, nicht aber solche der Wirtschaftlichkeit existieren und erforscht werden können. Als zweckmäßige Bestandteile einer phänomenologischen Kategorienlehre im Erkenntnisbereich der Betriebslehre habe ich59) folgende Erscheinungen unterschieden und herauszuarbeiten begonnen: ") Von denen freilich bisher nur die der privatwirtschaftlichen Erwerbsunternehmungen realisiert worden ist, und zwar bündig und in völligem formalen Einklang mit dem vorangestellten Erkenntnisobjekt ursprünglich nur von Rieger in seiner „Einführung in die Privatwirtschaftslehre" (Nürnberg 1928)! M ) „Wo die Prinzipien des Seienden liegen, darüber entscheiden nicht beliebig aufgelesene gemeinsame Züge ihrer äußeren Erscheinung" (Nicolai Hartmann a.a.O. S. 208). M ) Andere Schriftsteller mögen, wenn sie grundsätzlich diesen Forschungsaspekt als berechtigt anerkennen, trotzdem im einzelnen anders vorgehen, etwa eine größere Zahl von Kategorien annehmen und unterscheiden, was durchaus möglich ist, oder überhaupt einen andersartigen „kategorialen" Schnitt durch die Materie der Betriebsstruktur und des Betriebsprozesses legen.

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Gefüge — Kreislauf Anpassung — Gleichlauf (Abstimmung, Koordination) Auslese — S p a n n u n g (als Vorstufe zum Ausgleich) Trägheit — Ausweichen Was hierunter im einzelnen zu verstehen ist, lege ich im Dezemberheft 1951 der Zeitschrift f. Betriebswirtschaft (21. Jg. Nr. 12, Betriebswirtschaftlicher Verlag, Wiesbaden) dar: „Betriebliche Kategorien, Konzeption und Grundriß"; ich verweise zur Ergänzung auf die dortigen Darlegungen und füge hier nur einige Schlußfolgerungen hinzu.

Die vier a u f g e f ü h r t e n Erscheinungspaare k o m m e n als lebendige K r ä f t e u n d Tendenzen m. E . in irgendeiner F o r m in jedem Betrieb vor. Sie sind zwar in ihrer konkreten E n t f a l t u n g nicht völlig unabhängig von den Eigenarten der betreffenden W i r t s c h a f t s v e r f a s s u n g ; die A r t u n d Weise, wie sie sich u n t e r den verschiedenen S t r u k t u r - u n d Ablaufbedingungen der W i r t s c h a f t s o r d n u n g u n d -zeit entwickeln, ist verschieden. Aber die elementaren Antriebe u n d grundsätzlichen Auswirkungen sind, wenn nicht gleichartig, so doch v e r w a n d t . Hier liegen m . E . die Grundlagen f ü r gewisse zeitlose Elemente einer allgemeinen Betriebslehre, und zwar h a b e n sie nicht n u r Beziehung zur Betriebstheorie, sondern insofern auch zur Betriebspolitik, als eine Betriebsführung, die es nicht versteht, die im allgemeinen positiven Prinzipien (Gefüge, Kreislauf, Gleichlauf, Anpassung) günstig zu entwickeln, den Betrieb nicht n a c h h a l t i g zu einem (zeit-)optimal wirtschaftlichen Arbeiten zu bringen v e r m a g . Dasselbe gilt, wenn sie die im allgemeinen negativen Tendenzen (Trägheit, Ausweichen) nicht ihrer betriebsschädlichen Wirkungen entkleidet u n d die a priori neutralen Elemente (Spannung/Auslese) nicht in betriebsförderliche B a h n e n leitet. Die sinnvolle Befolgung der den „ K a t e g o r i e n " entsprechenden Prinzipien und Normen m u ß zu den F u n d a m e n t e n jeder Betriebspolitik gehören, die auf eine möglichst gute u n d sichere Versorgung der Menschen als der eigentlichen Bezugspunkte betrieblichen Handelns abzielt. Ich stimme von hier aus Mellerowicz zu, der (a. a. 0 . , 1947, S. 18) feststellt, die Betriebswirtschaftslehre sei „genau so wie die Medizin u n d die (Produktions-)Technik in der Lage, Normen u n d Grundsätze f ü r das betriebliche Verhalten aufzustellen". N u r möchte ich diese Normen eben von einer Kategorienlehre her u n t e r b a u e n und u. U. auch zeitlich differenzieren. Auch Mellerowicz gesteht zu, daß die n o r m a t i v e n Maßstäbe der Betriebswirtschaftslehre nicht so eindeutig sind wie die der Medizin und besonders die der Technik. F ü r diese die Wissenschaft vom Betrieb unleugbar erschwerende Tatsache sieht Mellerowicz vor allem zwei Ursachen: die Eingliederung des Betriebes „in die Volkswirtschaft u n d den S t a a t , die beide keine einheitlichen u n d nicht n u r wirtschaftliche Ziele verfolgen", sowie die Tatsache, daß die Betriebslehre „es vor allem m i t dem Menschen zu t u n h a t , der ein irrationales Wesen i s t " (a. a. 0 . S. 18). Die von hier aus entstehenden Forschungshemmnisse wiegen schwer, aber sie dürfen nicht Anlaß sein, die Forschungsziele allzu eng abzustecken. Rieger

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hat zwar recht mit seiner Feststellung, daß „die Wissenschaft nur mit dem Intellekt arbeiten kann" 60 ), aber er irrt, wenn er als unmittelbare Folgerung die Behauptung anschließt, die Irrationalitäten des Lebens entzögen sich ihrer (d. h. der Wissenschaft) „Kompetenz". Muß die Wissenschaft diese Irrationalitäten, die in den Kategorien Trägheit, Ausweichen, Spannung, Auslese als psychologische Imponderabilien in besonders reichem Maße enthalten sind, nicht wenigstens darstellen (wenn auch nicht unbedingt werten), wenn sie zu den realen Erscheinungen des von der betreffenden Fachwissenschaft erforschten Gebietes gehören ? Nikolai Hartmann (a. a. 0 . S. 230) meint, daß es Seinskategorien ohne irrationalen Einschlag „vielleicht überhaupt nicht gibt. Auch die wohlbekannten Prinzipien der Substantialität und Kausalität sind in ihrem inneren Wesen nicht restlos erkennbar. . . . Das hindert aber nicht, daß auf Grund dieser Kategorien sich eine Fülle von Erscheinungen erklären läßt". Vielleicht ist eine Übereinstimmung mit Rieger auf mittlerer Linie möglich: Existente und wirksame Irrationalitäten sind von der Wissenschaft darzustellen, aber stets unter dem Gesichtspunkt der Rationalität und mit der Zielsetzung, letztlich in Bezug auf sie: erklären zu wollen. Im Sinn der Schmalenbach'sehen „Methoden-Substitution" ist es nicht nur vertretbar, sondern notwendig, ein Ziel, das man mit völliger Präzision nicht erreichen kann, behelfsmäßig und im Bewußtsein der vorhandenen Relativitäten wenigstens zu einem Bruchteil zu verwirklichen. Es müssen sich bei normativen Urteilen notwendig Variationen aus der Tatsache ergeben, daß immer nur die zeitoptimale „Wirtschaftlichkeit", nicht aber eine ewige und gemeingültige Rationalität des menschlichen Handelns gedanklich erfaßt, wissenschaftlich erforscht und normativ beurteilt werden kann. Selbst für die Gegenwart und für eine ganz konkrete Lage ist häufig nicht nur ein einziges, ganz bestimmtes wirtschaftliches Handeln zwingend und absolut rational, schon wegen der Unmöglichkeit, die zukünftige außenweltliche Entwicklung richtig vorauszusehen.

Man könnte einwenden, eine Forschungsweise dieser Art greife zu stark ins Soziologische über. Nun braucht das, so sehr manche Art der Soziologie eine die Fachwissenschaften auflösende Wirkung ausüben kann, nicht unbedingt von Nachteil zu sein, und man kann auch durchaus über die von Linhardt*1) aufgeworfene Frage diskutieren, ob nicht auch die Betriebswirtschaftslehre auf dem Fundament der allgemeinen Soziologie als der Lehre von den Beziehungen im weitesten Sinn steht, unbeschadet ihres Kerncharakters als Fachwissenschaft. Aber wir sind keine Fachsoziologen und wollen — und sollten — keine dilettierenden Soziologen sein. Linhardt bezeichnet in diesem Sinn seine Neigung zur Soziologie als eine „Liebe zu einer großen Unbekannten". Die trotzdem von ihm gewagte Voraussage scheint mir etwas weit zu gehen und nicht ohne weiteres sicher zu sein: eines Tages werde die Soziologie das ganze Erbe der Philosophie und der Naturwissenschaften (?) übernehmen und sie werde für beide (?) die gemeinsame und tragende Grundwissen60

) a. a. O. S. 81. ) „Betriebswirtschaftslehre an den deutschen Hochschulen." Referat auf der Tagung betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer in Frankfurt.M. im Oktober 1948, veröffentlicht in der „Neuen Betriebswirtschaft", Beilage zum „Betriebs-Berater" vom 20. 1. 1949, S. 2 ff., besonders „Die Lehre als Grundlage der Weiterentwicklung". 61

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schaft sein. Trotz erheblicher Bedenken gegen diese Überspitzung teile ich den Glauben Linhardts, der „in der Soziologie die Fundierung einer theoretischen Betriebswirtschaftslehre ahnen" zu dürfen meint, „besonders in der aus der allgemeinen Soziologie abgeleiteten allgemeinen Organisationslehre, aus welcher sich die Lehre von der Organisation der Unternehmung und des Betriebes weiter ableiten läßt". Das ist auch der Grund, warum m. E. die apodiktisch vorgebrachte, nicht weiter begründete Auffassung von Sieber*2) unsicher ist, laut der so viel „feststehen" soll, daß ein Betrieb im weiten „soziologischen" Sinn von Mahiberg nicht Gegenstand der heutigen Betriebswirtschaftslehre sein könne. Linhardt müßte von der natürlichen Gegnerschaft zu dieser Auffassung her logischerweise mit mir der Meinung sein, daß das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre praktisch erheblich weiter zu fassen ist als bisher. Aber er würde dann vielleicht in einen schwer lösbaren Konflikt kommen mit seiner weitgehenden Zustimmung zu der Wiedersehen Meinung, gemäß der die Betriebswirtschaftslehre eine Privatwirtschaftslehre zu sein hat und sich formalwissenschaftlich exakt nur mit kapitalistischen Erwerbsunternehmungen befassen darf.

Die Kategorien des Gefüges, des Kreislaufes, der Anpassung, des Gleichlaufes, des Ausweichens und der . Spannung, letztere wenigstens im Sinn eines harmonischen Ausgleiches, sind nicht nur Kategorien des betrieblichen Seins, sondern zum Teil auch solche des ökonomischen Seinsollens. Eine entwickelte und fachlich konkret unterbaute Lehre von Betriebsgefügen und -kreisläufen, von betrieblicher Anpassung und Gleichlaufplanung, von Selektion und Spannung, von Remanenz, Trägheit und Ausweichen aber könnte gleichzeitig die Möglichkeiten realisieren, die sich für eine auch soziologisch-geschichtlich gefaßte Betriebswirtschaftslehre darbieten, die ich mit Linhardt und gegen Sieber (a. a. 0.) für realisierbar halte. Eine in genügender Tiefe und mit einem ständigen Blick auf Vergleichbarkeit angesetzte betriebliche Kategorienforschung, die auf eine Sonderung der historischen von den im dargelegten relativen Sinn „zeitlosen" betriebswirtschaftlichen Kategorien ausgeht, kann auch für die Lösung von Gegenwartsproblemen Gewicht bekommen. Ferner ist es nicht unmöglich, daß eine solche betriebswirtschaftliche Forschungsweise auch Bedeutung für ein Land oder ein Zeitalter der Planwirtschaft gewinnt. Auch zentral-planwirtschaftlich determinierte Betriebe sind ein „Gefüge", wenn dieses auch endogen und exogen besonders strukturiert ist. Sie unterliegen notwendig ebenfalls einem „Kreislauf1. Auch ihre Produktivität wächst mit der Einhaltung und Kontrollierung eines „Gleichlaufs" in und zwischen den Betrieben. Auch sie kommen nicht um die Notwendigkeit von „Anpassungen" herum, nur daß diese anders, nicht von Markterscheinungen her, sondern letztlich von den Institutionen der Befehlshaber der „KommandoWirtschaft" angestoßen werden. Die „Span«ungs"-Erscheinungen (Arbeits-Soll nach Stachanow- und Hennecke-Maßstäben!) verschwinden aus ihnen ebenso wenig wie die Notwendigkeit, „Aus62

) In einer Buchbesprechung (ZfhF 1951, S. 234—236) zu Hans Köhler, Das Principium Individuationis, zugleich als Versuch einer Ausrichtung der Betriebswirtschaftslehre im Absoluten, Hamburg 1949. Der Untertitel deutet eine fundamentale Leistung an, für die Köhler freilich noch nicht den Boden ausgeschachtet hat. Vgl. hierzu Hasenack: Betrieb und Mensch in philosophischer Sicht. B F u P 1951, Heft 10, S. 602—613.

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lesen" der verschiedensten Art für, in oder durch die Betriebe zu treffen. ,,^4ii«petcA"-Neigungen seitens der gelenkten Betriebsführungen und ihrer Unterführer sind in den Betrieben der zentralen Planwirtschaft vielleicht sogar noch emsiger am Werk als anderswo, wenn auch meist unter anderen Ansätzen und Zusammenhängen als in den Unternehmungen eines marktwirtschaftlichen Systems. Schließlich pflegt der Kampf gegen „Trägheits"-Phänomene im Betrieb seitens der Führung sogar härter und bewußter zu sein, hervorgerufen gerade durch die Tatsache, daß die zwangswirtschaftliche Führung und Apparatur aus Gründen, die in der menschlichen Natur liegen, vielleicht einem stärkeren Trägheitsmoment unterliegt als marktorientierte Unternehmungsführungen. Im übrigen sind die zunächst mehr deduktiv gefundenen „Kategorien" selbstverständlich empirisch, durch induktive und betriebsgeschichtliche Forschungen zu untermauern. Diese Arbeit ebenso wie eine damit Hand in Hand gehende Verfeinerung in der Abgrenzung und Anwendung der Kategorien wird eine Aufgabe vieler Jahre sein müssen. Selbständige Arbeiten und Monographien möglichst vieler in die gleiche ontologisch-kategoriale Richtung tendierender Forscher könnten für das wissenschaftliche Fundament der Betriebs-(Wirtschafts-)Lehre fruchtbar werden.

IV. Folgerungen für das Problem der „einheitlichen Wirtschaftswissenschaft" und für die Beziehungen zu Nachbarwissenschaften Die genannten acht Kategorien sind, wie ich an anderer Stelle 63 ) darlege, mutatis mutandis auch auf eoZ&swirtschaftlicher Ebene wirksam und, latent und zum Teil negativ, in irgendwelchen Formen und Tendenzen wohl auch immer wirksam gewesen. Von der spezifischen Art, wie sich diese Prinzipien in der jeweiligen Wirtschaftsstufe, -Verfassung, -zeit variierend zeigen, läßt sich das innere Wesen der betreffenden volkswirtschaftlichen Organisation in einer straffen, vielleicht sogar in der kürzest möglichen Weise erfassen und erklären, aber keineswegs nur als „Mechanik", sondern unter Berücksichtigung der menschlichen „Faktoren" und ihres in den Zeiten unterschiedlichen Agierens und Reagierens. Darin würde z. T. eine neue Art der Betrachtung und Forschung liegen, über die Ziele und Arbeitsweisen der Betriebssoziologie hinaus. Ist es richtig, daß jene acht Prinzipien tatsächlich auch für die Konstitution und die Ablaufgesetze der Volkswirtschaft Bedeutung haben und einige in der Richtung wirtschaftlicher Harmonie wirkende bewußt auch in der Wirtschaftspolitik angewandt werden sollten, so könnte sich auf dieser Ebene der gemeinsame Teil einer Wirtschaftstheorie bzw. einer wissenschaftlichen Wirtschaftsund Betriebspolitik herausbilden, soweit diese in einheitlicher Form überhaupt zu verwirklichen ist. Denn wenn es auch noch weitergehende Denkmöglichkeiten einer Vereinheitlichung gibt, so wird die praktische Ausführbarkeit doch wahrscheinlich immer auf ein relativ schmales Feld gemeinsamer Forschung und teilweise gemeinsamer Objekte begrenzt sein, jedenfalls, wenn man an die •3) ZfB., Dez. 1951.

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Erforschung realer Phänomene, nicht an doktrinäre Prätentionen denkt. Darüber hinaus aber verlangen die unterschiedlichen Erkenntnisobjekte der Volks- und der Betriebswirtschaftslehre, daß eine grundsätzliche Sonderung der beiden Disziplinen in den Details, gleichsam in den unteren Stockwerken der Wirtschaftswissenschaften erhalten bleibt, wenn man eine Verwaschung der Problematik, die durch eine künstliche doktrinäre „ Gleichartigkeit' 1 drohen könnte, sowie eine Vernachlässigung der betriebswirtschaftlichen Kunstlehre vermeiden will 64 ). Ich stimme hier den von Mellerowicz in Weinheim vertretenen Auffassungen 6 5 ) in mehreren Punkten zu, ungeachtet mancher Unterschiede in der Einzelbetrachtung. Stärker als Mellerowicz bin ich grundsätzlich von der Notwendigkeit überzeugt, diese beiden Stockwerke gleichsam durch Treppen, Aufzüge, Rohrpost eng miteinander zu verbinden, auch was die wissenschaftliche Bearbeitung, nicht nur, was die unleugbar vorhandenen tatsächlichen Beziehungen zwischen Betrieben und Gesamtwirtschaft betrifft. Im Sinn dieser Auffassung habe ich mich 1933 wie folgt zu dem Verhältnis von Betriebs- und Volkswirtschaftslehre geäußert 66 ) und bleibe bei dieser grundsätzlichen Meinung: „Der Inhalt des Begriffs .betriebswirtschaftlich' darf sich . . . nicht auf verrechnungs-, verwaltungs-, finanzierungs- und verkehrstechnische Fragen beschränken. Man kann über die wichtigeren wirtschaftlichen Zusammenhänge wenig Wesentliches aussagen, ohne sofort gesamtwirtschaftliche Verbundenheiten, Gegenseitigkeitswirkungen, dynamische Ausweichtendenzen beachten zu müssen. Umgekehrt liegt es ähnlich: Volkswirtschaftliche Überlegungen gespenstern im luftleeren Raum, wenn der Nationalökonom nicht in der Lage ist, die Betriebe, in denen volkswirtschaftliche Maßnahmen zur praktischen Auswirkung kommen, ihre Erscheinungen und Zusammenhänge zu beurteilen. Es kann in der Tat weder für die Gegenwart noch für die Vergangenheit (Kameralistik!) eine fruchtbare ,rein betriebswirtschaftliche' noch ,rein volkswirtschaftliche' Betrachtungsweise geben" 67 ). Ähnlich hat auch Mellerowicz neuerlich 68 ) davon gesprochen, daß zur Arbeitsteilung die Arbeitsvereinfachung gehört, „d. h. die gegenseitige Ergänzung, die darin besteht, daß die Erkenntnisse der Forschung wechselseitig übernommen werden. Nur durch eine gute Kombination beider C4 ) Ich möchte diese Aussage auf die Völker außerhalb der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion sowie etwa bis zum Ende dieses Jahrhunderts beschränken. Was auf lange Sicht wird, ist heute noch nicht voraussehbar, zumal in den Vereinigten Staaten praktisch die Aufteilung in Volks- und Betriebswirtschaftslehre schon nicht mehr in der in Europa üblichen Art und Schärfe zu bestehen scheint. 65 ) Vgl. insbesondere a. a. O. S. 394—396, das Kapitel über „Arbeitsteilung zwischen den Wirtschaftswissenschaften". 66 ) Zins und Kredit in Scheinkonjunktur und Krise seit der Stabilisierung und die betriebswirtschaftliche Bedeutung der neueren Entwicklung, ZfB 1930, S. 601—609, 641—657, 737—754. Vgl. ferner Hasenock: Betriebsraubbau und Wirtschaftslenkung, Wolfenbüttel 1948, S. 3—6, zum „Verschmelzungs"-Problem von Volks- und Betriebswirtschaftslehre. " ) a. a. O. S. 657. *8) Weinheimer Vortrag a. a. O. S. 395.

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Wissenschaften ist eine fruchtbare Arbeitsteilung zwischen ihnen möglich. In ihrem letzten Ziel, der Schaffung einer wirtschaftlichen und sozialen Neuordnung, müssen beide Wissenschaften aufeinander abgestimmt werden."

Der Kern und die notwendige Zukunftsentwicklung des Faches liegt m. E. in einer Weiterführung des gediegenen Ausbaus der Verfahrenstechnik und der betriebstechnischen wie betriebspolitischen Kunstlehre und gleichzeitig in einer behutsamen Abstützung des Faches in erkenntnistheoretischer und substantieller Richtung nach der Seite ethischer, philosophischer, psychologischer Fragen, soweit sie in Betrieben oder in betrieblichen Zusammenhängen auftauchen. Das Schwergewicht verbleibt auch bei der hier vorgenommenen, ungewöhnlich weiten Erstreckung des Erkenntnisobjektes der Wissenschaft vom Betrieb im Bereich des Betriebswirtschaftlichen und Betriebsrechnerischen. In diesem Sinne habe ich 1937 geschrieben: „gegen Angriffe von Nachbarwissenschaften . . . gilt es immer wieder die Tatsache zu verfechten, daß die Betriebswirtschaftslehre als unerläßlichen Unterbau die kaufmännische Technik . . . braucht. Die Betriebswirtschaftslehre wird dadurch keineswegs eine ,subalterne' Angelegenheit. . . . Auf allen Gebieten pflegen immer diejenigen ,die Niederungen der Technik' als etwas Unterwertiges von oben herab zu behandeln und sich in der Höhensonne sterilisierter Ideen und aller Erdenschwere entkleideter Probleme zu baden, die eine Technik und eine handfeste Organisation weder handelnd beherrschen noch denkend verstehen" 69 ). Aber die andere, die geisteswissenschaftliche Ebene der Betriebsprobleme muß Anlaß zur Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaften, Spezial- wie Grundwissenschaften, geben, von denen Rat zu erbitten und denen Anregungen in Hinsicht auf das schließlich alle Lebensbereiche durchdringende Betriebsgebiet zu geben sind. Die Philosophie z. B., soweit sie sich mit den Problemen des gegenwärtigen Lebens befaßt, dürfte nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß der moderne Mensch den Hauptteil seines Lebens im Betrieb verbringt, der damit auch, im Positiven und im Negativen, entscheidend für die Lebenserfüllung geworden ist. B i s h e r s i n d die G e i s t e s w i s s e n s c h a f t e n a n diesem wichtigen L e b e n s b e r e i c h meist v o r b e i g e g a n g e n , was vom S t a n d p u n k t d e r W i r k l i c h k e i t wie d e r W i s s e n s c h a f t n i c h t zu v e r a n t w o r t e n ist. Wenn die Vertreter der genannten anderen Wissenschaften veranlaßt werden, bei ihren Untersuchungen nicht mehr ein Stoffgebiet völlig oder fast völlig zu vernachlässigen, das ihnen umfassende Fragestellungen und Materialien zu geben vermöchte, so werden solche realistischen Seitentriebe dieser „Geisteswissenschaften" die moderne „universitas litterarum" ebenso fördern wie das einige bescheidene geisteswissenschaftliche, ja philosophische Problemm ) Hasenack: Aufbau und wirtschaftspolitische Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre. Bericht über die erste Jahrestagung der Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft 1937 (Stuttgart und Berlin) S. 213.

28 W. H a s e n a c k , Methoden- u. Entwicklungsprobleme d. Betriebswirtschaftslehre Stellungen der Betriebslehre tun können, die aber mit ihrem anderen Pol eine angewandte Wissenschaft bleibt. Weißes Licht ergibt sich immer nur durch ein Zusammenspiel aller Farben. Nimmt man nur eine Farbe des Spektrums heraus, das ohnehin keine scharfen Grenzen zwischen den Spektralfarben aufzuweisen pflegt, so hat man eben nur einen Teil und nicht das Ganze. Daß durch das wissenschaftliche Streben, über Teilerkenntnisse letztlich doch das Ganze und die Einheit zu erkennen, weder bloße unfruchtbare Vielwisserei noch ein gefährlicher Dilettantismus entsteht, dafür müssen Charakter und eine gewisse geistige Reichweite der Forscher sorgen.

Erklärungen BEuP

der = Betriebswirtschaftliche Wolfenbüttel.

Zeitschriften-Abkürzungen: Forschung

und Praxis,

Heckners

Verlag,

NB

= Die neue Betriebswirtschaft, Beilage des Verlagsgesellschaft „Becht und Wirtschaft"

„Betriebs-Beraters". mbH., Heidelberg.

ZfB

= Zeitschrift für Betriebswirtschaft, begr. von F. Schmidt-Frankfurt, Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden.

ZfhF = Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, E. Schmalenbach-Köln, Westdeutscher Verlag, Opladen.

begr. Köln

von und

Wissenschaft und Praxis Ein Beitrag zum Problem des Erkenntnisobjekts der Betriebswirtschaftslehre Von Dr. J o s e f L ö f f e l h o l z , Wiesbaden Die meisten wissenschaftlichen Werke der Betriebswirtschaftslehre enthalten im Vorwort den empfehlenden Hinweis, daß sich das betreffende Buch „auch" oder gar „vornehmlich an die Praxis wendet", d. h. an den weiten Kreis der Kaufleute und Unternehmer. In den anderen Wissenschaften sind es nur sogenannte „populärwissenschaftliche" Werke, die über das Kollegium der akademischen Fachgenossen hinaus für ein breiteres Publikum geschrieben werden. Populärwissenschaftlich aber sind diese betriebswirtschaftlichen Werke keineswegs. — Auch in vielen anderen Fällen besteht ein sonderbar enges Verhältnis zwischen der betriebswirtschaftlichen Wissenschaft und Praxis. An den Hochschulen und Universitäten lesen nebenberuflich vielfach „reine" Praktiker. Für gewisse Spezialgebiete zieht man mit Vorliebe Praktiker als Lehrbeauftragte heran. Professoren der Betriebswirtschaftslehre sind nebenoder gar hauptberuflich Fabrikdirektoren oder Wirtschaftsprüfer. Man hat es sogar verschiedentlich als besonders wünschenswert bezeichnet, daß sich die Professoren ständig in der Praxis betätigen, damit sie für ihre „Theorie" die notwendige lebensnahe Erfahrung mitbrächten. Umgekehrt schreiben Praktiker nebenbei betriebswirtschaftliche Werke, die -wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. Man hat nun dieses merkwürdig enge Verhältnis einfach dadurch zu „erklären" versucht, daß man die Betriebswirtschaftslehre als „praktische Wissenschaft" bezeichnete. Damit hat sich die „Logik" selbst in den Schwanz gebissen. Wenn das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Praxis in der Betriebswirtschaftslehre wirklich ergründet werden soll, was für die Wissenschaft sowie für die Praxis von sehr großer Bedeutung ist, so kann nur eine methodologische Untersuchung zum Ziele führen. Was ist „Praxis"? Praxis ist nach K a n t „alles, was mit der freien Willkür zusammenhängt" (Kritik der praktischen Vernunft), d. h. mit der Fähigkeit, unter mehreren Willensmotiven zu wählen. Die Praxis ist in diesem umfassenden Sinne der ganze Bereich des Lebens, der nicht auf Erkenntnis gerichtet ist. „Die Praxis, welche sich als ,Leben' der ,grauen Theorie' und der Schulweisheit entzieht,

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ist also die t ä t i g e A u s e i n a n d e r s e t z u n g d e s M e n s c h e n m i t d e n A u f ' g a b e n s e i n e r W e l t . Die Unterwerfung der Natur und das Wirken in der politischen Gemeinschaft, die Arbeit des Berufs und die Feier der Muße, die profane Beschäftigung und der sakrale Kult: das alles ist das Feld der ,Erfahrung', über welche sich die theoretische Besinnung der Wissenschaft erhebt. Denn ,alles hat seine Wissenschaft'; sie steht nicht neben den Sonderungen, die aus ursprünglich verschiedener Sinngebung entstehen, also nicht neben dem technisch-wirtschaftlichen, politischen, künstlerischen und religiösen Leben, sondern in ihm 1 )." Die Praxis ist also ebenso vielfältig wie der Bereich der Wissenschaft, in dem der Mensch sie zu erkennen sucht; die Wissenschaft ist gleichsam das geläuterte, geklärte Spiegelbild der Praxis. So sprechen Arzt, Ingenieur, Seemann, Politiker, Kaufmann, Jurist, Lehrer, Landwirt, Apotheker usw. von ihrer „Praxis" und stellen sie damit jeweils in Gegensatz zur Wissenschaft der Medizin, Technik, Nautik, Politik, Betriebswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft, Pädagogik, Agrarwissenschaft, Pharmazie usw. Diese einzelnen Bereiche der „Praxis" sind das E r f a h r u n g s o b j e k t der einzelnen Wissenschaften. Das jeweilige Erfahrungsobjekt umfaßt aber keineswegs nur die Tätigkeiten, die die zugeordnete Wissenschaft zu erforschen hat. Es ist ein Komplex der vielfältigsten, kaum zu entwirrenden Handlungen aller Tätigkeitsbereiche. Betrachten wir das an einem Beispiel. Der landwirtschaftliche Betrieb ist ein Erfahrungsobjekt der Betriebswirtschaftslehre, die seinen kapitalmäßigen Aufbau, seine Kostenstruktur, sein Rechnungswesen, seine Liquidität, seine Rentabilität untersucht. Zugleich aber ist er auch Erfahrungsobjekt der Botanik und Zoologie, ferner der Technologie, die sich für seine technischen Produktionsverfahren interessiert, der Soziologie, die seine gesellschaftliche Form, seine Stellung und Entwicklung innerhalb der Gesellschaft untersucht, der Volkswirtschaftslehre, die sich mit seinen Beziehungen zum Markt und dem Einfluß der Konjunkturverhältnisse auf ihn beschäftigt, ferner der Ethik usw.; kurzum, für zahlreiche Wissenschaften ist der landwirtschaftliche Betrieb, als ein Tätigkeitsbereich des Menschen, Erfahrungsobjekt. In der Praxis der einzelnen spezifischen Betätigungen (insbesondere der Berufe) überwiegen meist (nicht immer) d i e Tätigkeiten, auf die die jeweils entsprechende Wissenschaft gerichtet ist. Die Praxis des Arztes besteht überwiegend aus medizinischen Handlungen, daneben aber auch aus pharmazeutischen, technologischen (Röntgenologie), wirtschaftlichen, ethischen usw. Tätigkeiten. In der Praxis eines industriellen Unternehmers kann die technologische Betätigung der wirtschaftlichen gleichkommen. Aus dem Erfahrungsobjekt oder Materialobjekt, als dem ganzen konkreten Gegenstand einer Wissenschaft, abstrahiert also die einzelne Wissenschaft ganz bestimmte Merkmale, die sie auf Grund des' ihr eigentümlichen heuristischen *) Hermann N o a c k , Symbol und Existenz der Wissenschaft, Halle (Saale) 1936, S. 162. Der Begriff Wissenschaft ist in obigem Zitat im weitesten Sinne gebraucht.

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Prinzips auswählt. Der Inbegriff dieser abstrahierten Merkmale ist das Formalobjekt oder, wie Rickert sagt 2 ), das E r k e n n t n i s o b j e k t . Wollen wir nun das Verhältnis der Wissenschaft zur Praxis feststellen, so müssen wir vom Erkenntnisobjekt ausgehen. Die Beziehungen der Wissenschaft zur Praxis können sich nur aus dem Wesen des Erkenntnisobjektes feststellen lassen, das gleichsam zwischen der Praxis, dem Bereich der Erfahrung, und der Wissenschaft, dem Bereich der Erkenntnis, steht. Daraus können wir schon deduktiv schließen, was wir induktiv feststellen werden, daß nämlich das Verhältnis jeder Einzelwissenschaft zur Praxis nicht nur materiell, sondern auch formal und methodologisch völlig andersartig ist. Bevor wir uns aber mit dem Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaft beschäftigen, müssen wir noch kurz auf den Begriff der Wissenschaft eingehen. Was ist „Wissenschaft"? Die Betriebswirtschaftslehre ist de facto eine Wissenschaft. Sie hat an fast allen Universitäten und Technisihen Hochschulen Lehrstühle, sie steht im Mittelpunkt der Wirtschaftshochschulen. In der Betriebswirtschaftslehre kann man promovieren. Die Studenten, die Betriebswirtschaftslehre studieren, sind heute an vielen Hochschulen zahlreicher als die anderer Fakultäten. Diese äußere Anerkennung ist aber noch kein Beweis, daß die Betriebswirtschaftslehre nun auch „wirklich" ( o b j e k t i v , nicht nur formal) eine W i s s e n s c h a f t ist, d . h . „ o b j e k t i v eine systematische Einheit prinzipiell zusammengehöriger, ein eigenes Gebiet ausmachender Erkenntnisse" (Elsner). Es ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit, den wissenschaftlichen Charakter der Betriebswirtschaftslehre zu untersuchen; er wird vorausgesetzt. Doch muß, um den Ausgangspunkt unserer Untersuchung zu bestimmen, der Wissenschaftsbegriff wenigstens kurz skizziert werden. Jene Wissenschaften, die auf das Handeln, ausgenommen die Erkenntnis, d. h. also vornehmlich die n a c h a u ß e n g e w a n d t e W i l l e n s t ä t i g k e i t , gerichtet sind, bezeichnet man als „ p r a k t i s c h e W i s s e n s c h a f t e n " und stellt sie den „ t h e o r e t i s c h e n W i s s e n s c h a f t e n " , die der reinen Erkenntnis dienen, gegenüber. Während so z. B. die t h e o r e t i s c h e Philosophie alles umfaßt, was das Wissen betrifft, beschäftigt sich die p r a k t i s c h e Philosophie nur mit dem eigentlichen Tun, soweit es mehr als Wissen ist, sie ist auf das (sittlich richtige) Handeln gerichtet; zu ihr gehören Ethik und Rechtsphilosophie. Eine praktische Wissenschaft ist vor allem auch die T e c h n o l o g i e , die Wissenschaft von der der menschlichen Bedarfsdeckung dienenden planmäßigen Ausnutzung der Naturschätze und Naturkräfte auf Grund der Erkenntnisse der theoretischen Naturwissenschaften. Zu den praktischen Wissenschaften gehören ferner bis zu einem gewissen Grad die Pädagogik, die Politik, die Volkswirtschaftslehre und die Rechtswissenschaft. Eine praktische Wissenschaft ist schließlich auch die B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e , die sich mit der Tätigkeit des Menschen in der Betriebswirtschaft .beschäftigt. 2

) Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbestimmung, Tübingen 1911. 3 Aktuelle Betriebswirtschaft

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Man könnte nun daraus, daß es kein Handeln ohne Erkenntnis und keine Praxis ohne Theorie geben kann, schließen, daß auch eine praktische Wissenschaft eine theoretische Wissenschaft voraussetze. Das ist jedoch nicht der Fall. Zur Begründung einer praktischen Wissenschaft genügen Erkenntnisse aus der Praxis, die nicht nach wissenschaftlichen Methoden gewonnen sind und die auch noch keine Einheit im Sinne der Wissenschaft darstellen. Doch hängt eine praktische Wissenschaft, die sich nicht auf eine theoretische Wissenschaft stützt, sozusagen in der Luft. Eine solche theoretische Entsprechung hat heute auch die Betriebswirtschaftslehre, d. h. also eine Wissenschaft, die nur das Seiende zu erforschen hat. Diese t h e o r e t i s c h e Betriebswirtschaftslehre ist noch sehr jung. Das ist auch der Grund, warum die Betriebswirtschaftslehre noch nicht früher in die universitas litterarum aufgenommen wurde. Es ergibt sich jedoch daraus, daß es eine betriebswirtschaftliche T h e o r i e (im w e i t e r e n Sinne) gibt, solange eine Betriebswirtschaft besteht. „Es gibt . . . keine Praxis (weder im ethischen noch im technischen Sinne) ohne Theorie. Denn alle Praxis ist an vorgegebene Bedingungen gebunden und in eine vorgegebene Ordnung hineingestellt, mit der sie rechnen und die sie im voraus kennen muß, soll sie nicht scheitern" (Brugger). Doch bildet diese Theorie (im Sinne der bloßen Erkenntnis) noch nicht eine methodisch geordnete Einheit, wie sie die theoretische Wissenschaft erfordert. Mit dem Begriff der praktischen Wissenschaft deckt sich der Begriff der n o r m a t i v e n W i s s e n s c h a f t e n 3 ) , also d e r Wissenschaften, die Normen geben, Regeln aufstellen, die mithin auch auf ein Handeln gerichtet sind. Es kann zwar jede Geisteswissenschaft durch Wendung an das wollende, tätige Subjekt zu einer normativen Wissenschaft werden; zu den normativen Wissenschaften im eigentlichen, engeren Sinne zählt man aber nur jene, deren vornehmliche Aufgabe es ist, Normen zu geben und Regeln aufzustellen. — Vielfach wird heute (auch in der Betriebswirtschaftslehre) der Begriff der normativen Wissenschaft mit der „normativistischen" verwechselt. Der „Normativismus" ist die Lehre vom Vorrang der Normen, der Sollens-Gesetze gegenüber dem Sein, der Praxis. Diese normativistischen Vertreter der Betriebswirtschaftslehre wollen deshalb auch die ethischen Normen in das Erkenntnisobjekt einbeziehen. Dadurch würde die Betriebswirtschaftslehre zu einem Teilgebiet der Ethik. Wir kommen darauf noch zurück. Mit allen praktischen (bzw. normativen) Wissenschaften steht die Betriebswirtschaftslehre im engsten Konnex, der durch die Wirklichkeit, das Erfahrungsprojekt, bedingt ist; denn die Handlungen des Menschen werden von den mannigfachsten äußeren Reizen und den vielfältigsten Vorstellungen verursacht. Der Mensch läßt sich nicht in einen homo oeconomicus, einen homo politicus, einen homo moralis zerlegen. Doch der Wissenschaftler muß zur Klarlegung der Probleme begrifflich trennen, was in Wirklichkeit eng miteinander verknüpft ist. Der Methodologe muß auch die vielen Fäden, die 8 ) Eine Ausnahme macht nur die Logik, die zwar eine normative Wissenschaft, aber keine praktische ist, da sie nur für die Denktätigkeit Normen gibt.

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zwischen den einzelnen Wissenschaften hin- und herlaufen, unberücksichtigt lassen. Die Logik muß, wenn sie in den bunten wissenschaftlichen Betrieb Ordnung bringen will, Grenzen ziehen. Heinrich Rickert hat diese Grenzen auf dem globus intellectualis mit den zahllosen Linien verglichen, die der Geograph zu seiner Orientierung auf der Erdkugel zieht und die es in Wirklichkeit gar nicht gibt oder die dieser Wirklichkeit nirgends genau entsprechen4). Damit ist auch das gegenwärtig viel diskutierte Problem, ob der Betriebswirtschaftslehre eine e t h i s c h e B e t r a c h t u n g s w e i s e wesenseigen sei, geklärt. Ohne die Befolgung ethischer Normen, ohne ethische Bewertungen und Urteile ist eine betriebswirtschaftliche Tätigkeit nicht möglich, aber die Betriebswirtschaftslehre selbst hat gemäß ihrer logischen Begrenzung ethische Normen nicht zu setzen, das ist die Aufgabe der Ethik, insbesondere der Sozialethik oder evtl. einer besonders zu entwickelnden Betriebsethik. Freilich schließt das nicht aus, daß die praktische und auch die theoretische Betriebswirtschaftslehre die ethischen Normen als Daten der Ethik vorbehaltlos entnimmt, wie. sie das auch bei anderen Wissenschaften tut, und daß zahllose Fäden gerade auch zwischen diesen Disziplinen hin- und herlaufen. Die G r e n z l i n i e n z w i s c h e n den W i s s e n s c h a f t e n sind zwar unentbehrlich, aber sie sind letztlich n u r f i k t i v , ein Hilfsmittel der Logik. Sie bewirken kein schematisch-fachliches Einteilen, sondern ermöglichen klare Begriffsbildung und Fragestellung. Formal und materiell bilden alle Wissenschaften eine Einheitt die Wissenschaft, die universitas litterarum. Das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre Über Art und Inhalt des Erkenntnisobjektes der Betriebswirtschaftslehre gehen die Meinungen noch sehr weit auseinander. Es ist nicht unmittelbare Aufgabe dieses Aufsatzes, das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre zu erforschen. Da aber das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis vom Erkenntnisobjekt bestimmt wird, rückt es in den Mittelpunkt unserer Untersuchung. Wir wollen deshalb versuchen, es in einer vorläufigen Definition aus der historischen Entwicklung des Erfahrungsobjektes abzuleiten 5 ). Das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre ist eine historische Kategorie. Es ist deshalb unerläßlich, aus den verschiedenen geschichtlichen Formen der Betriebswirtschaft, die in typisierender Darstellung das für die Wissenschaft Wesentliche erkennen lassen, das Formalobjekt zu bestimmen. Zu einer erkenntnistheoretischen Ableitung fehlt der Raum. Überdies genügt eine solche vorläufige Definition für unsere Zwecke vollauf. Die Betriebswirtschaft ist so alt wie der Mensch selbst. Bereits die Jäger der Urzeit bedurften einer Arbeitsorganisation zur Beschaffung ihrer Unterhaltsgüter, d. h. einer Betriebswirtschaft. Diese Betriebe waren sogenannte g e s c h l o s s e n e H a u s w i r t s c h a f t e n . Alles, was der Betrieb zum Unterhalt ) Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, 3. Auflage, Tübingen 1915, S. 4. ) Die endgültige Definition ist einer weiteren Untersuchung vorbehalten, die zwar abgeschlossen ist, aber noch nicht in einer druckreifen Fassung vorliegt. 4

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benötigte, wurde selbst produziert. Es wurde anderseits nur soviel erzeugt, wie der eigene Betrieb zur Deckung seiner Bedürfnisse brauchte (Bedarfsdeckungswirtschaft). Eine Volkswirtschaft im Sinne der heutigen Volkswirtschaftslehre gab es damals noch nicht; denn die Volkswirtschaft setzt voraus, daß die Betriebswirtschaften eines Gebietes (ein Volk im soziologischen Sinne gab es auch noch nicht) arbeitsteilig differenziert und durch den Markt miteinander verbunden sind. Das ist erkenntnistheoretisch deshalb von Vorteil, weil es infolge Fehlens einer Volkswirtschaft in der damaligen Zeit nur betriebswirtschaftliche Probleme gab. Worin bestand nun die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Jäger ? Wie sah ihre Betriebswirtschaft aus ? Wir können die Betriebe dieser Urjäger deshalb leicht rekonstruieren, weil in abgelegenen Erdteilen noch heute solche Jagdvölker hausen, deren Wirtschaften schon genau erforscht sind. Da es sich bei allen Gütern, den materiellen und auch den immateriellen, die erzeugt werden, nur um knappe Güter handelt, erfolgen Erzeugung und Verbrauch stets nach dem ö k o n o m i s c h e n P r i n z i p . Das gilt auch für die Menschen der Urzeit. Bei der Erzeugung, beim Ge- und Verbrauch der Güter wurde stets darauf geachtet, daß ein möglichst großer Überschuß des Nutzens über die Aufwendungen erzielt wurde. Vor und nach jedem Einsatz von Arbeitskraft und von Gütern wurden die Aufwendungen mit dem Nutzen verglichen, d. h. nichts anderes, als daß für einen bestimmten Zeitraum das wirtschaftliche Handeln vorausgeplant wurde, daß der Betrieb einen W i r t s c h a f t s p l a n aufstellte. Freilich waren sich die Urjäger dessen nicht klar bewußt; beim Nutzenund -Kostenvergleich spielten viele irrationale (religiöse) Momente eine große Rolle, und viele ihrer Handlungen würden uns als höchst „unwirtschaftlich" erscheinen. Nutzen und Aufwendung wurden mehr gefühlsmäßig erfaßt; es wurde nicht in reinen Quantitäten gerechnet. Doch ist das keineswegs eine wesentliche Eigenschaft des Betriebes, wesentlich ist, daß überhaupt ein Nutzen- und -Kostenvergleich stattfindet. Bei diesen Urvölkern sind mithin die kulturelle Sphäre und die wirtschaftliche miteinander verquickt. Die Götter sind in den Dienst der Gütererzeugung gestellt. Sie werden in kultischen Tänzen von Zauberern beschworen, ihre unsichtbare Hilfe bei der Jagd zu gewähren. War die Beute gering, suchte man die Götter durch Opfer zu versöhnen, oder sie wurden, wenn es der Glaube erlaubte, abgesetzt, das Idol wurde feierlich zertrümmert. Die Waffen wurden in das Blut der Opfertiere getaucht, um den Sieg über das Tier zu verbürgen. Die wundervollen Höhlenzeichnungen hatten aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine kultische Bedeutung; da sie zudem in der Eiszeit nur Tiere enthalten und später auch noch den jagenden Menschen, ragen auch diese künstlerischen Versuche weit in die wirtschaftliche Sphäre. Die kulturellen Bedürfnisse sind also auch mit in den Wirtschaftsplan einbezogen. Der Begriff der damaligen Betriebswirtschaft wäre also zu eng, wenn wir als ihren Zweck nur die Bereitstellung von S a c h g ü t e r n ansähen, wir müssen allgemein sagen, ihr Zweck ist die Bereitstellung von M i t t e l n zur B e d ü r f n i s b e f r i e d i g u n g .

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Die Aufstellung des Wirtschaftsplanes setzte schließlich noch voraus, daß die Entscheidungen von einem e i n h e i t l i c h e n W i l l e n getroffen wurden, der evtl. durch Abstimmung oder in Einzelfällen durch abergläubische Handlungen (Entscheidung etwa nach dem Gang der Wolken, nach dem Verhalten des Opfertieres) festgestellt werden mochte. Die Betriebswirtschaft wurde also bewußt von einem oder mehreren Angehörigen des Betriebes gestaltet und geleitet. Die Betriebswirtschaft war eine z e n t r a l g e l e i t e t e W i r t s c h a f t s o r g a n i s a t i o n , eine „Planwirtschaft". Es mag etwas anmaßend klingen, ein kleines GrüppchenUrwaldjäger eine „zentral geleiteteWirtschaftsorganisation" zu nennen. Doch wir wissen es von primitiven Jagdvölkern der Gegenwart (z. B. den Indianern), in welch strenger Zucht der Häuptling seine Gruppe hält. Das gilt noch mehr von den urzeitlichen Hirtenvölkern, die sich bis heute noch in den Steppen Asiens erhalten haben und in denen die Großfamilie, die oft mehrere hundert Personen umfaßte, riesige Viehherden bewirtschaftete. Das autokrate Oberhaupt war der Sippenälteste, der Patriarch. Die Betriebswirtschaft war noch eine geschlossene Hauswirtschaft und durch die gleichen Kriterien gekennzeichnet wie die Betriebswirtschaft der Jäger. Das gilt auch für die Wirtschaft der ersten Ackerbauer. Doch entwickelte sich bei ihnen schon sehr früh ein recht reger T a u s c h v e r k e h r . Man hat vielfach eingewandt, daß es geschlossene Hauswirtschaften nie wirklich gegeben habe. Die geschlossene Hauswirtschaft sei eine unzulässige Fiktion der Wirtschaftstheorie; es habe von Anbeginn schon ein Tauschverkehr bestanden, zu dem ja auch der Tausch von Dienstleistungen, etwa durch gegenseitige Hilfe beim Hausbau, gerechnet werden müsse. Das ist sicherlich richtig. Aber diese Tauschhandlungen bestimmten nicht das Wesen jener Betriebswirtschaften, ebensowenig wie sie die Wirtschaft heute noch lebender primitiver Jagd- und Hirtenvölker charakterisieren. Der Tausch war noch ausnahmslos Natural-Tausch und hatte einen Gelegenheitscharakter, auch als er im Laufe der Entwicklung sich stärker ausbreitete. Wer einmal die bäuerlichen Betriebe in abgelegenen Waldgebieten Europas, etwa im Balkan, beobachtet hat, ist erstaunt über den Umfang der betrieblichen Autarkie und vor allem über die Mentalität dieser Bauern, die noch ganz auf das Bedarfsdeckungs-Prinzip eingestellt sind. Dieser die wirtschaftliche Produktionsweise des Betriebes bestimmende Wirtschaftsgeist ist der bestimmende Faktor bei der Betriebsgestaltung. Wir können mithin die Betriebswirtschaft der g e s c h l o s s e n e n H a u s w i r t s c h a f t bezeichnen als e i n e v o n e i n h e i t l i c h e m W i l l e n g e s t a l t e t e u n d g e l e i t e t e A r b e i t s o r g a n i s a t i o n , die p l a n m ä ß i g die M i t t e l z u r Bedürfnisbefriedigung beschafft und bereitstellt. Von dem ersten gelegentlichen Natural-Tausch bis zu einem Marktverkehr, der die Betriebe zu einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft zusammenschließt, verging noch eine sehr lange Zeit. Es waren zunächst nur wenige Güter (Schmuck und ähnliche nicht lebensnotwendige Güter, bestimmte handwerkliche Erzeugnisse, Hilfeleistungen), die getauscht wurden. Zur Bildung eines

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die Volkswirtschaft bestimmenden Marktes war es notwendig, daß eine große Anzahl von Betrieben regelmäßig ganz oder überwiegend in ständiger Arbeitsteilung für den Markt produzierte, daß sich eine allgemein gültige Preisskala entwickelt hatte, die alle wichtigen Güter — vor allem die des täglichen Bedarfs — umfaßte (deren Preise im einzelnen natürlich schwanken mochten), und daß vor allem gemünztes Geld dem Tauschverkehr die zur Bildung eines funktionsfähigen Marktes notwendige Intensivierung ermöglichte. In Griechenland finden wir zu den Zeiten Homers noch keine Geldmünzen. Mit Aristoteles preist die ganze Antike die Oikonomia, die geschlossene Hauswirtschaft, als die der menschlichen Gesellschaft entsprechende Betriebswirtschaft und verwirft die Chrematistik, die vom Gewinnstreben beherrschte Erwerbswirtschaft, als unnatürlich und dem menschlichen Wesen zuwider. Doch hat sich in der Antike bereits eine freie Marktwirtschaft entwickelt, die aber wohl erst seit der Blütezeit der Antike den Charakter der Volkswirtschaft bestimmte. Der „kapitalistische" Charakter, den die antike Wirtschaft aufwies, wurde jedoch nicht durch das ökonomische Prinzip, sondern das „politische Mittel" (Oppenheimer), das sich auf Gewalt gründet, bestimmt. Die Produktion erzielte ihre großen Gewinne durch die Ausnutzung der Sklaven, zu deren Erbeutung die meisten Kriege der Antike geführt wurden und deren Zahl in der Blütezeit Roms wohl in die Millionen ging. Von einer w i r t s c h a f t l i c h e n Gütererzeugung in unserem Sinne kann bei diesen Betrieben nicht gesprochen werden, ebensowenig wie bei dem Betrieb eines mittelalterlichen Raubritters. Mit der Bildung der Marktwirtschaft tauchten nun völlig n e u a r t i g e P r o b l e m e auf, die bereits die griechischen Wissenschaftler beschäftigten. Es waren die Probleme des Marktverkehrs, die Arbeitsteilung zwischen den Betrieben, die Bildung der Preise und des Lohnes, die Funktion des Geldes und des Kredites, das Wesen und der Verlauf der Krisen und der Konjunkturen, kurz die P r o b l e m e der V o l k s w i r t s c h a f t . Mit diesen Problemen mochte sich auch der Betriebswirt beschäftigen, denn sie beeinflußten seine wirtschaftliche Tätigkeit, aber er selbst konnte auf die Marktverhältnisse unmittelbar keinen Einfluß nehmen, das konnte höchstens die Staatsführung. Das Steigen der Preise, das Sinken des Geldwertes, der Verlauf der Krise, das waren für den Handwerker und Kaufmann Erscheinungen, die sich völlig außerhalb seiner Betriebswirtschaft vollzogen. Die Betriebswirtschaft hat durch die Entstehung des Marktes, die gleichbedeutend ist mit der Entstehung der Volkswirtschaft, keine ihr Wesen verwandelnde Änderung erfahren. Sie änderte sich auch nicht in der Betriebswirtschaft des M i t t e l a l t e r s . Die landwirtschaftlichen Betriebe — sowohl die Feudalwirtschaften wie die bäuerlichen Betriebe — blieben größtenteils noch geschlossene Hauswirtschaften, die nur einen sehr kleinen Teil ihrer Erzeugnisse an den Markt abgaben. Die Handwerker der Städte, die fast alle noch Landwirtschaft nebenher trieben 6 ), 6 ) Vgl. das köstliche Essay von Justus M o s e r , „Die selige Alte" in den Patriotischen Phantasien, welches zeigt, in welch großem Maß der Haushalt eines städtischen Beamten des 18. Jahrhunderts noch für den eigenen Bedarf produzierte.

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erzeugten nur soviel Ware für den Markt, als sie benötigten, um einen von der Gesellschaft bestimmten standesgemäßen Lebensunterhalt zu verdienen 7 ). Produktionsweise und Preise werden weitgehend von der Zunft festgesetzt. Werner Sombart hat diese Betriebe, die noch nicht vom „kapitalistischen" Erwerbs- und Gewinnstreben erfüllt und besessen waren, mit Recht den Bedarfsdeckungswirtschaften zugerechnet. Auch im mittelalterlichen Zunftbetrieb waren Produktionsbetrieb und Haushalt eine Einheit 8 ). Der Wirtschaftsplan umfaßte materielle und geistige Bedürfnisse. Die Zünfte waren keineswegs reine Wirtschaftsverbände, wozu sie sich später (in der Verfallzeit, vom 15. und 16. Jahrhundert an) entwickelten. Sie waren damals echte Lebensgemeinschaften, deren Glieder die Familienwirtschaften der Genossen waren, und erfaßten den ganzen Menschen. Die Betriebswirtschaft unterschied sich wesentlich nicht vom Betrieb der geschlossenen Hauswirtschaft. Obgleich hier schon ein sehr umfangreicher Marktverkehr bestand, galten für sie noch die gleichen Kriterien wie für den Betrieb der Urjäger. Die Probleme dieser zünftigen Marktwirtschaft beeinflußten natürlich erheblich die Tätigkeit und Produktionsweise dieser Betriebswirtschaften, aber veränderten ihren Charakter nicht. Daß die erzeugten Güter infolge des Tausches ganz oder zum Teil durchandere, die für die Konsumtionbestimmtwaren,ersetzt wurden, warlediglich für das t e c h n i s c h e Verfahren von großer Bedeutung. — Auch die damalige Wirtschaftslehre ließ als Wirtschaftszweck nur die Bedarfsdeckung gelten: der Preis müsse darum gerecht sein, d. h. die getauschten Gegenstände müßten entsprechend der allgemeinen Marktschätzung gleichwertig sein. Eine wesentliche Wandlung der wirtschaftlichen Verhältnisse trat in der R e n a i s s a n c e ein, die man als die größte geistige Revolution der neueren Zeit bezeichnen kann 9 ). Der sich immer stärker ausbreitende Handelsverkehr, durch die Kreuzzüge, die Entdeckung Amerikas und die Erschließung der außereuropäischen Länder hervorgerufen, die Hebung der allgemeinen Bildung durch die Erfindung des Buchdrucks und des Papiers, die Steigerung der Produktion durch die Erfindung des Hochofens hatten einen entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Wirtschaft. Der mittelalterliche Geist des ständischen Sozialismus wurde durch das maßlose Gewinn- und Erwerbsstreben zerstört. In der Antike und im Mittelalter war das D e n k e n auf Q u a l i t ä t e n gerichtet, bis in die Zeit der Renaissance normierte der F o r m b e g r i f f d e s 7

) Die neueren Versuche, den mittelalterlichen Zunftbetrieb als einen kapitalistischen Betrieb darzustellen, haben s t i c h h a l t i g e Beweise für ihre These nicht gefunden und den Charakter des mittelalterlichen Lebensstiles völlig verkannt. Hier ist nicht der Ort, um darauf einzugehen. 8 ) Vgl. meine Geschichte der Betriebswirtschaft und der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1935, in der eingehend der antike Wirtschaftsbetrieb, der mittelalterliche Zunftbetrieb sowie der frühkapitalistische Betrieb der Renaissance und des Merkantilismus dargestellt sind. ') Es läßt sich nicht vermeiden, hier manche bekannten Tatsachen darzustellen, um den Wesensunterschied zwischen Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft deutlich zu machen.

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A r i s t o t e l e s ; nunmehr wird die q u a n t i f i z i e r e n d e B e t r a c h t u n g der Naturvorgänge und des Weltgeschehens vorherrschend und bestimmt das Denken des Abendlandes. Es entstand die freie Marktwirtschaft, durch deren hemmungslose Konkurrenz alle zunftwirtschaftlichen Bindungen zerrissen wurden. Das hatte innerhalb der Betriebswirtschaft die Entwicklung der Rechenhaftigkeit zur Folge, das arabische Zahlensystem wurde eingeführt, die doppelte Buchhaltung erfunden, die Geldwirtschaft außerordentlich intensiviert. Durch die Aufgabe des Bedarfsdeckungs-Prinzips wurde die ihm wesenseigene traditionelle Wirtschaftsweise von dem ruhelosen Streben nach „ R a t i o n a l i s i e r u n g " abgelöst. Das bewirkte die völlige T r e n n u n g d e r P r o d u k t i o n s w i r t s c h a f t v o n d e r H a u s h a l t u n g . Die Produktionswirtschaft wurde rechtlich zur Firma, wirtschaftlich zur U n t e r n e h m u n g , deren Vermögen das „ K a p i t a l " 1 0 ) ist. Diese allmähliche Abtrennung der Erwerbswirtschaft, die Entstehung der Unternehmung geht mit der Erfindung und Entwicklung der d o p p e l t e n B u c h f ü h r u n g unmittelbar Hand in Hand. Diese ist keineswegs nur ein technisches Verfahren, sondern die quantitative Erscheinungsform der Unternehmung selbst, sie ist bildlich gesprochen das Bauskelett, das das Gebäude der Unternehmung trägt und stützt. Die doppelte Buchführung ermöglicht erst die r a t i o n a l e Wirtschaftsweise, sie ermöglicht die Entwicklungdesganzen B e g r i f f s - S y s t e m s d e r „ k a p i t a l i s t i s c h e n " W i r t s c h a f t . Der Nutzen- und Kostenvergleich wird nunmehr in der Unternehmung streng quantitativ durchgeführt; der G e w i n n als Überschuß des Nutzens über die Aufwendungen rückt in den Mittelpunkt der Betriebswirtschaft. Er ist Ziel und Zweck der Unternehmung. Freilich, dieser Wandel erstreckt sich über Jahrhunderte. Er beginnt bereits im hohen Mittelalter und wird erst durch den Merkantilismus abgeschlossen 11 ). Daß diese Unternehmungen durch die Entwicklung der modernen Technik allmählich in eine „ i n d u s t r i e l l e R e v o l u t i o n " (19. Jahrhundert) hineingezogen und in ihren Produktionsmethoden völlig geändert wurden, betrifft natürlich nur die t e c h 10 ) Der Kapitalbegriff ist ein typischer Begriff der Unternehmung, er ist aus der Buchhaltung entstanden und gehört zum wesentlichen Begriffsinventar der Betriebswirtschaftslehre. Als sich die klassischen Nationalökonomen zum erstenmal mit ihm beschäftigten, konnten sie naturgemäß von ihrer Warte aus nicht viel mit ihm anfangen und haben ihm einen völlig anderen Inhalt unterschoben. Daraus erklärt sich zum großen Teil der begriffliche Wirrwarr, der bis in die Gegenwart hinein in der Lehre vom Kapital herrscht. Es ist in der Tat selten etwas dabei herausgekommen, wenn ein Volkswirtschaftler (unter volkswirtschaftlichem Aspekt natürlich, sonst ist er ja kein Volkswirtschaftler mehr!) sich an betriebswirtschaftliche Probleme heranmacht und wenn umgekehrt ein Betriebswirtschaftler sich auf volkswirtschaftliche Probleme stürzt. n ) Zahlreiche Historiker und Nationalökonomen wollen freilich diese Entwicklung nicht wahrhaben. Sie glauben Beweise gefunden zu haben, daß auch in der Antike und im Mittelalter jener „kapitalistische" Geist die Wirtschaft beherrscht hat. Abgesehen davon, daß die weltanschaulichen Grundlagen, die Mentalität jener Zeiten einen „kapitalistischen" Wirtschaftsgeist ausschließen, fehlen vor allem die wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen, die die Betätigung einer solchen

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n i s c h e Verfahrensweise und nicht ihr wirtschaftliches W e s e n , wenngleich sie die betriebswirtschaftliche Tätigkeit immer stärker intensivierte und mechanisierte. Was hat sich nun durch die geistige und wirtschaftliche Revolution der R e n a i s s a n c e , die der Merkantilismus und der Industrialismus vollendete, a m W e s e n d e r B e t r i e b s w i r t s c h a f t g e ä n d e r t ? G a r n i c h t s ! Auch die Betriebswirtschaft unseres Wirtschaftssystems ist e i n e v o n e i n e m W i l l e n g e s t a l t e t e u n d g e l e i t e t e A r b e i t s o r g a n i s a t i o n , die p l a n m ä ß i g die M i t t e l z u r B e d ü r f n i s b e f r i e d i g u n g b e s c h a f f t u n d b e r e i t s t e l l t . Das schließt freilich nicht aus, daß die Probleme sich inhaltlich außerordentlich wandeln und verschieben. Während es in der geschichtlichen Urzeit nur e i n e Form der Betriebswirtschaft gab, entwickelten sich nunmehr zahlreiche Formen, deren wichtigste die Unternehmung und die Haushaltung sind. Der Begriff der U n t e r n e h m u n g enthält noch folgende Kriterien: 1. Es werden nur wirtschaftliche (materielle und immaterielle) Güter erzeugt; 2. die Bewertung der Produktionsmittel und der Arbeit erfolgt rein quantitativ; und 3. Zweck der Unternehmung ist die Erzielung eines möglichst großen Gewinnes. Bevor wir uns den verschiedenen Formen der neuzeitlichen Betriebswirtschaft zuwenden, sei kurz noch auf die Entwicklung der V o l k s w i r t s c h a f t eingegangen. Die Volkswirtschaft hat ihre Struktur w e s e n t l i c h geändert. Herrschte im Altertum ein „politischer Kapitalismus", der sich auf das „politische Mittel" gründete und dessen Fundament die Sklaverei war, auf dem sich die antike Wirtschaft wie überhaupt die ganze antike Kultur erhob, Wirtschaftsgesinnung ermöglichen. Das zu beurteilen ist vor allem Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre. Bis zum 14. und 15. Jahrhundert waren in den Betrieben noch die römischen Zahlenziffern gebräuchlich, die die Entwicklung einer Rechenhaftigkeit unmöglich machten. Das Geldwesen und der Zahlungsverkehr waren denkbar primitiv. Eine richtige Buchführung gab es nicht. Im Altertum bestand das Schreibmaterial aus Wachstäfeichen, später aus seltenem Papyros, im Mittelalter aus teuerem Pergament. Die Produktion war durchweg sehr gering, die technische Arbeitsweise war handwerklich, entsprechend war auch der Lebensstandard sehr niedrig. Der Güterverkehr vollzog sich mit Packpferden (nicht Wagen, wie es in historischen Romanen oft geschildert wird) auf sehr unsicheren und schlechten Wegen, die nicht nur von Raubrittern, sondern auch von Zöllnern belagert wurden; nur an den Küsten konnte der Handel etwas stärker betrieben werden (Hanse). Es ist grotesk, im alten Hellas Waffen- und Rüstungsindustrien, keramische Großbetriebe zu suchen und in den handwerklich arbeitenden Webern des mittelalterlichen Belgiens das Industriezentrum der europäischen Textilindustrie zu sehen. Erstaunlich ist, mit welch unzulässigen und unzulänglichen Mitteln man zum Teil die wohl begründeten Ansichten von Männern wie K. Bücher, J. Burckhardt, M. Weber, Dilthey, W. Sombart, M. Scheler abzutun versucht. Es ist beinahe zur Mode ausgeartet. Ich erwähne hier nur als typische Beispiele die Bücher von Fritz Gerlich, Geschichte und Theorie des Kapitalismus, und Wolfgang Kellner, Die Wirtschaftsführung als menschliche Leistung, 1949. Solche Bücher, wie besonders das letzte, beschatten auch das ehrliche Bemühen von Männern, die mit wissenschaftlichen Methoden und Mitteln die Ansichten von Weber und Sombart zu widerlegen suchen. — Hier ist nicht der Ort, um darauf einzugehen.

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so finden wir im Mittelalter einen „ständischen Sozialismus", in dem das Bedarfsdeckungs-Prinzip, „die Idee der Nahrung" (Sombart) herrschte. In der wirtschaftlichen Revolution der Renaissance löste sich der mittelalterliche Universalismus in einen teilweise extremen Individualismus auf. Es entstand der „Kapitalismus", der durch die liberale Marktwirtschaft gekennzeichnet ist und der noch heute die Volkswirtschaft bestimmt. In der Renaissance freilich finden wir erst die Anfänge dieses neuen Wirtschaftssystems, das sich im Merkantilismus allmählich durchsetzte und im 18. Jahrhundert die „klassischen Nationalökonomen" auf den Plan rief, die sein Wesen zu ergründen suchten. Nach ihnen ist es die Aufgabe der Volkswirtschaftslehre, die,, G e s e t z e zu bestimmen, welche die Verteilung regeln" (Ricardo), die „ G e s e t z e , die den Volkswohlstand beherrschen" (Say). Sie gipfelt in der Theorie vom „ w i r t s c h a f t l i c h e n G l e i c h g e w i c h t d e r f r e i e n M a r k t k r ä f t e " . Die „Gesetze", die sie zu finden sucht, herrschen auf dem Markt, nicht i n n e r h a l b der zentral geleiteten Unternehmung. Es haben sich also nur die volkswirtschaftlichen Daten geändert, die die Betriebswirtschaftslehre von der Volkswirtschaftslehre übernimmt. Die Preise werden nicht mehr von der Zunft mit behördlicher Autorität festgesetzt, sondern bilden sich durch das „freie Spiel der Kräfte" auf dem Markt. Das ist für die Betriebswirtschaft natürlich von der größten Bedeutung, da die Preise des freien Marktes ein außerordentliches Risiko in die Betriebswirtschaft hineintragen, aber es ändert an ihrem wirtschaftlichen Wesen nichts. Daraus ergibt sich klar und eindeutig, daß Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre verschiedene Erkenntnisobjekte haben — eine Ansicht, die auch Konrad M e l l e r o w i c z mit anderen, aber nicht minder gewichtigen Argumenten kürzlich wieder belegt hat 12 ). Diese l o g i s c h e Trennung soll aber — das braucht nach unseren einleitenden Begriffserklärungen eigentlich kaum noch betont zu werden — die enge Zusammenarbeit von Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft weder in der Praxis noch in der Wissenschaft behindern. Wir kommen darauf noch zurück. Das Wesen der Betriebswirtschaft Viele Betriebswirtschaftler sind der Ansicht, daß nur die Unternehmungen Betriebswirtschaften seien. Das ist nicht richtig. Gewiß, die Unternehmung ist fast ausschließlich Gegenstand der heutigen Betriebswirtschaftslehre. Bis auf ganz seltene Ausnahmen könnte man die wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Betriebswirtschaftslehre auch als Werke der „Unternehmungslehre" bezeichnen. Einige Autoren haben das auch getan. Das ist durchaus zu rechtfertigen. Unzweckmäßig aber wäre es, das Objekt der Betriebswirtschaftslehre auf die Unternehmung zu beschränken, es methodologisch zu tun, ist sogar falsch; ganz abgesehen davon, daß die Erforschung der Betriebswirtschaft in dem umfassenden Sinne, den wir ihr geben, unsere Erkenntnisse sehr zu vertiefen imstande ist. Gewiß, die Probleme der Betriebswirtschaften außer der 12

) Vgl. ZfB, 1950, Nr. 7, S. 3 8 5 f f .

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Unternehmung sind für eine wissenschaftliche Einzelforschung in der Regel zu bedeutungslos und entziehen sich vielfach durch ihren irrationalen Charakter einer wissenschaftlichen Betrachtung. Aber das schließt nicht aus, daß vor allem die theoretische Betriebswirtschaftslehre sie in ihr Erkenntnisobjekt mit einbeziehen muß. Vielfach wird bei der Begriffsbestimmung der Betriebswirtschaft vor allem die H a u s h a l t u n g vergessen oder sogar bewußt ausgeschlossen. Die Haushaltung ist aber auch eine planmäßige, von einem einheitlichen Willen gestaltete und geleitete Arbeitsorganisation zur Beschaffung und Bereitstellung von Mitteln zur Bedürfnisbefriedigung. Auch die Konsumtion ist ein Teil der Wirtschaft. Nur das Tier „konsumiert" ohne zu wirtschaften. Ein sehr großer, vielfach der größte Teil der Arbeiten im Haushalt gehört sogar noch in das Gebiet der Erzeugung von Wirtschaftsgütern; wir brauchen dabei nur an die oft erhebliche Produktion im Schrebergarten oder an die erfolgreichen Basteleien von Möbelstücken und Radioapparaten, an die Strick- und Näharbeiten der Hausfrau zu erinnern; doch auch die Zubereitung der Nahrungsmittel und viele der täglichen Hausarbeiten sind eine Veredelung der Konsumgüter, d.h. ein Produktionsprozeß. Das geht auch daraus hervor, daß ein sehr großer Teil dieser Arbeiten erwerbswirtschaftlichen Betrieben übertragen werden kann, z. B. Nähereien, Strickereien, Wäschereien, Konservenfabriken, Stadtküchen, Bäckereien usw. Es gibt heute Familien (Gott sei Dank als Ausnahmen), die ständig im Hotel wohnen und damit fast die gesamten hauswirtschaftlichen Arbeiten einem Unternehmen übertragen. Außer den Haushaltungen gibt es auch zahlreiche andere Arten von Betriebswirtschaften, die wir nicht zu den Unternehmungen rechnen können. So ist die Praxis eines A r z t e s ohne Zweifel eine Betriebswirtschaft, ebenso wie das Atelier eines K ü n s t l e r s . Auch sie stellen planmäßig Mittel zur Bedürfnisbefriedigung bereit. Es ist nicht einzusehen, warum nur die Bereitstellung von S a c h g ü t e r n Wirtschaften sein soll. Das führt zu einer Einengung des Wirtschaftsbegriffes, die logisch gar nicht begründet werden kann. Wir sind mit Oskar Kluge 13 ), Lisowsky 14 ) und anderen der Ansicht, daß auch die Tätigkeit des Beamten, des Arztes, des Künstlers, des Lehrers, des Wissenschaftlers, des Wirtschaftsprüfers in den Bereich des Wirtschaftens gehört, weil „sie doch auch Güter und Werte erzeugen und dafür bezahlt werden. Es sind immaterielle Güter, Leistungen und Dienste, die sie erzeugen. Auch sie sind knapp und zugleich das Ziel der Bedürfnisbefriedigung, und es gibt unter ihnen auch ebenso unabweisbare wie Nahrung, Wohnung und Kleidung" , 5 ). Freilich ist die Arbeit des K ü n s t l e r s , die Herstellung eines Gemäldes oder Romans, ebenso wie die des Wissenschaftlers, eine höchst individuelle, imponderable Tätigkeit, für die man einen Kodex betriebswirtschaftlicher Normen nicht aufstellen kann. Es klingt beinahe wie eine Profanie, wenn wir das Atelier 13

) Die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft, 1. Band, 1. Halbbd., Berlin 1950. ) ZfB, 1950, S. 608. 15 ) Lisowsky a. a. O. 14

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eines Rembrandt, die Dichterstube eines Hölderlin als Betriebswirtschaften bezeichnen, aber sie sind es gewesen, wenn wir sie unter dem Aspekt der Betriebswirtschaftslehre betrachten. Überdies waren viele bedeutende Künstler gute Betriebswirte und oft sehr vom Erwerbsgeist ergriffen. Daß P o s t und E i s e n b a h n , S c h u l e und T h e a t e r Betriebswirtschaften sind, geht schon daraus hervor, daß sie häufig auch auf rein privatwirtschaftlicher Grundlage errichtet sind. Daß aber auch alle b e h ö r d l i c h e n B e t r i e b e zu den Betriebswirtschaften zählen, mag vielen widerspruchsvoll klingen. Doch ist allein die Führung des Arbeitsapparates schon eine große betriebswirtschaftliche Aufgabe. Zudem dienen auch die Behördenbetriebe mittelbar oder unmittelbar der Bedürfnisbefriedigung. Sogar die K i r c h e ist eine Betriebswirtschaft, freilich nur in der Sicht unserer Wissenschaft. Die Sowjetunion ist insofern durchaus konsequent, als sie auch alle Betriebe der Wissenschaft und der Kunst als Wirtschaftsbetriebe auffaßt und in ihren Fünfjahresplan einbezieht; allerdings schießt sieweit über das Ziel hinaus, wenn sie die Arbeit der Wissenschaftler und Künstler in der gleichen Weise mechanisieren will wie die Arbeit des Industriebetriebs. Sie stutzt ihnen dadurch die Flüge] ihrer schöpferischen Kraft. Auch V e r e i n e sind Betriebswirtschaften. Denken wir an den Deutschen und Österreichischen Alpenverein, dessen Zweck die „bergsteigerische Erschließung und die Durchforschung der Alpen" ist. Er bewirtschaftet mehrere hundert Berggasthäuser, die meist unter sehr großem Kostenaufwand angelegt sind; er hat in eigener Regie zahllose sehr teure Weganlagen im Hochgebirge ausgeführt; er gibt in eigener Regie alpine Werke, Zeitschriften und geographische Karten heraus, organisiert kostspielige Expeditionen usw. und hat schließlich einen eigenen Berufsstand, die „Bergführer", geschaffen, die er auch betreut. Er übt also eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, die die mancher Riesenunternehmen übertrifft, und schließlich stellt auch er Mittel zur Bedürfnisbefriedigung bereit. Eine Unternehmung ist er freilich nicht, wohl aber eine Betriebswirtschaft. Das gleiche gilt auch für einen kleinen Fußballklub, der einen Sportplatz unterhält und eintrittspflichtige Sportveranstaltungen durchführt, für einen Kegelklub, der Mitgliedsbeiträge erhebt, Mietverträge über eine Kegelbahn, Werkverträge mit dem Kegeljungen abschließt und im Rahmen seiner Vereinstätigkeit wirtschaftlich zu handeln gezwungen ist. Doch nicht nur diese in unserem gegenwärtigen Wirtschaftssystem bestehenden Betriebe zu erforschen, ist Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre. Auch die B e t r i e b s w i r t s c h a f t e n a n d e r e r W i r t s c h a f t s s y s t e m e sind Objekt, und zwar ein sehr dankbares, derbetriebswirtschaftlichen Forschung. Die Geschichte der Betriebswirtschaftslehre hat ebenfalls letztlich ein p r a k t i s c h e s Ziel, wie schließlich die Geschichtswissenschaft überhaupt. „Gewiß, wir brauchen Historie, aber wir brauchen sie anders, als sie der verwöhnte Müßiggänger im Garten des Wissens braucht, mag derselbe auch vornehm auf unsere derben und anmutslosen Bedürfnisse und Nöte herabsehen, das heißt, wir brauchen sie zum Leben und zur T a t . . Nursoweit die Historie dem Leben gibt, wollen wir ihr dienen" (Nietzsche).

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Daß zur Erkenntnis des Wesens der Betriebswirtschaft die geschichtliche Forschung notwendig ist, geht allein schon daraus hervor, daß die betriebswirtschaftlichen Probleme mit jedem Wirtschaftssystem sich wandeln und das wirtschaftliche Verfahren entsprechend den veränderten volkswirtschaftlichen Daten oft grundlegend umgestaltet wird. Nach Nietzsche hat „nur der, welcher die Zukunft baut, ein Recht, die Vergangenheit zu richten 16 )". Es ist notwendig, den Einfluß veränderter volkswirtschaftlicher und anderer Daten auf die Betriebswirtschaft eingehend zu erforschen, weil wir im Kreislauf des ewigen Werdens und Vergehens (Ttavra peí) damit rechnen müssen, daß auch unser heutiges Wirtschaftssystem einmal von einem neuen abgelöst wird. Die sich seit vielen Jahrzehnten ständig mehrenden theoretischen und praktischen Bestrebungen, ein sozialistisches, d. h. mehr oder weniger zentral geleitetes Wirtschaftssystem einzuführen, deuten die M ö g l i c h k e i t e n einer Änderung schon an. Das völlig gescheiterte planwirtschaftliche System der Sowjet-Union sowie die vielen mißglückten planwirtschaftlichen Experimente anderer Länder sind noch kein Beweis dafür, daß sich in näherer oder fernerer Zukunft ein zentral geleitetes planwirtschaftliches System mit Erfolg durchsetzen wird. Mit gewichtigen Argumenten haben bedeutende Volkswirtschaftler eine solche Entwicklung vorausgesagt, andere, nicht minder bedeutende haben sie verneint. Wäre es nicht viel mehr noch Aufgabe der Betriebswirtschaftler, diese Frage zu untersuchen? Eine solche zentral geleitete Planwirtschaft schließt sämtliche in der Wirtschaft stehenden Betriebe zu einer einzigen riesigen Betriebswirtschaft zusammen. In einer autarken, zentral geleiteten Planwirtschaft gibt es keine volkswirtschaftlichen Probleme im Sinne der heutigen Nationalökonomie mehr, sondern nur noch betriebswirtschaftliche. Die Untersuchung, ob eine Planwirtschaft überhaupt möglich ist, ist also gar nicht Aufgabe der Volkswirtschaftler, sondern ausschließlich der Betriebswirtschaftler. In der Tat sind die Argumente, mit denen die Volkswirtschaftler das Für und Wider begründen, durchweg betriebswirtschaftlicher Art, nämlich die Kostenabrechnung in dieser Planwirtschaft. Damit soll aber keinem Volkswirtschaftler streitig gemacht werden, sich an dieser Diskussion zu beteiligen, doch soll er sich bewußt sein, daß er sich auf betriebswirtschaftlichem Glatteis bewegt. Aus den Darlegungen dieses Kapitels können wir folgern, daß, u n t e r d e m A s p e k t der B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e gesehen, alle s o z i a l e n G e b i l d e B e t r i e b s w i r t s c h a f t e n sind, daß in a l l e n B e t r i e b s w i r t s c h a f t e n gew i r t s c h a f t e t wird und daß u m g e k e h r t n u r in B e t r i e b s w i r t s c h a f t e n g e w i r t s c h a f t e t wird. Eine Volkswirtschaft wirtschaftet nicht. Wirtschaften ist eine Tätigkeit des Individuums, nämlich der Mitglieder der Betriebswirtschaft. W i r t s c h a f t e n i s t mithin alle T ä t i g k e i t z u r p l a n m ä ß i g e n (mit Kostenaufwand verbundenen) B e r e i t s t e l l u n g v o n M i t t e l n z u r Bed ü r f n i s b e f r i e d i g u n g — das ist nichts anderes als die Tätigkeit der Be") Über den Nutzen und Nachteil der Historie, in „Unzeitgemäße Betrachtungen"

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triebswirtschaft. Der Begriff Wirtschaften ist daher ein betriebswirtschaftlicher Begriff, und streng genommen überschreitet der Volkswirtschaftler seine Kompetenz, wenn er sich mit ihm befaßt. Auch der W i r t s c h a f t s p l a n ist ein (wesentlicher) Bestandteil des Erkenntnisobjektes der Betriebswirtschaftslehre; seinen Begriff und sein Wesen zu ergründen, ist Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre. Trotzdem steht er heute im Mittelpunkt vieler volkswirtschaftlicher Erörterungen. Dahinein kann er freilich nur kommen, wenn man wie Eucken 17 ) auf dem Standpunkt steht, daß die methodologische Selbstbesinnung einer Wissenschaft ein Krankheitszeichen sein könne. Auch die Lehre von den Kosten, ehedem die Domäne der Betriebswirtschaftslehre, nimmt in neuester Zeit einen recht weiten Raum in der Nationalökonomie ein. Ist das vielleicht eine Folge davon, daß die planwirtschaftlichen Tendenzen in der Volkswirtschaft zunehmen? Das letzte ist ohne Zweifel der Grund für die ausgiebige Beschäftigung der Volkswirtschaftler mit den Problemen der „zentralgeleiteten Verwaltungswirtschaft" (Eucken), der „Planwirtschaft". Wenn die theoretische Betriebswirtschaftslehre diesen ihr gehörenden Problemkreis bisher ganz vernachlässigte, so liegt das wohl daran, daß sie sich zu sehr auf die Unternehmungslehre beschränkt. Man kann es daher den Volkswirtschaftlern nicht verargen, wenn sie sich dieser vernachlässigten, aber äußerst aktuellen Probleme mit besonderem Eifer annehmen. Nebenbei sei hier noch bemerkt, daß alle „planwirtschaftlichen" Experimente, die politischen, sozialen, volkswirtschaftlichen oder ethischen Motiven — mögen sie noch so begründet sein — entspringen, von vornherein zum Scheitern verurteilt, sind, sofern ihre betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen noch nicht geschaffen sind. Ob diese überhaupt geschaffen werden können, ist wohl noch ein ungelöstes Problem. Vergleichende Betrachtung der Erkenntnisobjekte Die Erörterungen über das betriebswirtschaftliche Erkenntnisobjekt haben uns den Bereich der betriebswirtschaftlichen Praxis, soweit die betriebswirtschaftliche Wissenschaft darauf ausgerichtet ist, gezeigt. Die eigenartigen und einmaligen Beziehungen der betriebswirtschaftlichen Wissenschaft zur Praxis können nur durch eine vergleichende Betrachtung des Erkenntnisobjektes der verschiedenen Wissenschaften klargelegt werden. Beginnen wir bei den N a t u r w i s s e n s c h a f t e n , weil bei ihnen die Beziehungen zwischen Objekt und Wissenschaft am einfachsten liegen. Sie haben als Objekt die Gesamtheit der beobachtbaren Tatbestände, soweit sie unabhängig von der Tätigkeit des Menschen da sind. Es kommt in dieser Begriffsbestimmung deutlich zum Ausdruck, daß es sich um ein Objekt handelt, das in jeder Beziehung außerhalb des menschlichen Tätigkeitsbereiches steht. Es ist ein „Objekt" im umfassendsten Sinne des Wortes. Eine Ausnahme macht auch nicht die Medizin, die den Menschen untersucht, sowie die naturwissen17

) Vorwort zur 1. Auflage der Grundlagen der Nationalökonomie, 1939.

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schaftliche Psychologie, die sogar die Tätigkeit des Menschen erforscht, beide aber nur soweit, als eben der Mensch bzw. seine Psyche ein Teil der Natur, Geschöpfe der Natur sind. Subjekt ist hier der Mensch nur als Forscher. In den G e i s t e s w i s s e n s c h a f t e n liegen die Verhältnisse anders. Die Erkenntnisobjekte der Geisteswissenschaften sind Schöpfungen des menschlichen Geistes. Der Mensch ist Subjekt nicht nur in der Forschung, sondern auch Subjekt dieser Schöpfungen. Die P h i l o s o p h i e hat zum Erkenntnisobjekt das Sein selbst. Der Mensch ist ein Teil dieses Seins, also auch Subjekt. Da die Philosophie als wesentliche Aufgabe die reine Erkenntnis des Seienden hat, hat sie vor allem theoretischen Charakter. Die p r a k t i s c h e Philosophie beschäftigt sich n u r mit dem sittlichen Handeln, untersucht also die sittlichen Werte. Das ethische Verhalten besteht in der Verwirklichung dieser ethischen Werte. Diese Werte s c h a f f t aber die Ethik nicht, sie sind sowohl in der jeweiligen Situation als auch in der Person vorhanden. Die Ethik hat durch die Setzung der Normen das Wertbewußtsein zu wecken. Die sittlichen Werte sind für die Ethik nur Objekt. Die P h i l o l o g i e beschäftigt sich mit den Sprachen, der höchsten Erscheinungsform des o b j e k t i v e n G e i s t e s , des Gemeingeistes (im Gegensatz zum Personalgeist, dem Geist der einzelnen Person). Sie sind also nicht Schöpfungen von einzelnen, sondern in vielen Jahrtausenden gleichsam aus der Gemeinschaft der Menschen gewachsen, sie sind gemeinsamer geistiger Besitz des Sprachvolkes. Der Philologe steht also ausschließlich seinem Erkenntnisgegenstand objektiv gegenüber, erforscht die Ursache, den inneren und äußeren Aufbau und die Entwicklung der Sprache. Die Philologie ist also vornehmlich eine t h e o r e t i s c h e Wissenschaft. Eine p r a k t i s c h e Philologie beschäftigt sich mit der Sprachausübung und ist in erster Linie die Sprachpflege, sie sucht durch Aufstellung von Normen und Verhaltensregeln das Sprachgut des Volkes zu erhalten und die Liebe zur Muttersprache zu wecken. Schöpferisch greift die Philologie nicht in die Gestaltung der Sprache ein. Die Schaffung sog. künstlicher „Sprachen", wie etwa Esperanto, gehört streng genommen nicht in das Gebiet der Wissenschaft: es sind Techniken, die der leichteren sprachlichen Verständigung der Völker dienen. Auch die Erkenntnisobjekte der übrigen Geisteswissenschaften sind gleichfalls Erscheinungsformen des o b j e k t i v e n Geistes. Die Kunst als das Objekt der K u n s t w i s s e n s c h a f t besteht zwar formal aus den einzelnen Kunstwerken, den Schöpfungen einzelner Personen, doch sind diese Kunstwerke nur eine Ausdrucksform des künstlerischen Gemeingeistes einer Zeit. Die Kunstwissenschaft kann sie daher nur als Objekt betrachten, sie darf selbst keinen Einfluß auf den künstlerischen Schöpfungsprozeß nehmen. Versucht das dennoch ein Kunstwissenschaftler, so betätigt er sich als Künstler. Die R e c h t s w i s s e n s c h a f t hat als Objekt das Recht im objektiven Sinne, d. h. die Gesamtheit der Rechtssätze, die innerhalb einer Gesellschaft für die Mitglieder rechtsverbindlich gelten. Das Recht ist als „Verbandsordnung" v Giese) aus der Gemeinschaft vieler Generationen heraus gewachsen. Ebenso

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wie die andere Normen setzenden Ordnungen der Gesellschaft: die Religion, die Moral und die Sitten. Mit Recht sagt Giese: „Wie der Naturwissenschaftler seinen Stoff nicht erzeugt, sondern fertig vorfindet und nur die Gesetzlichkeit e r m i t t e l t . . . so hat auch der J u r i s t . . . den anderweitig dargebotenen Rechtsstoff wissenschaftlich zu bearbeiten . . . " (Einführung in die Rechtswissenschaft) 18 ). Die T e c h n o l o g i e , eine p r a k t i s c h e Wissenschaft, befaßt sich mit der Nutzbarmachung von Naturschätzen und Naturkräften auf Grund naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung. Erkenntnisobjekt ist die N a t u r , Erkenntniszweck aber nicht die Erkenntnis der Seinszusammenhänge, die Auffindung der Naturgesetze, sondern die Erforschung der Anwendbarkeit dieser Naturgesetze zur Sicherung und Erhöhung der Erzeugung von Bedarfsgütern. Die Technologie setzt also Normen, d. h. sie stellt technische Verfahrensregeln auf. Sie gestaltet aber selbst nicht den Erzeugungsprozeß, das ist Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre. Wenn ein Ingenieur einen industriellen Produktionsbetrieb einrichtet und aufbaut, so handelt er als Betriebswirtschaftler. Aufgabe des Ingenieurs ist streng genommen nur die technologische Entwicklung von Produktionsverfahren auf G r u n d b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e r D a t e n , die ihm der Betriebswirt vermittelt. Technologie und Betriebswirtschaftslehre (Industriebetriebslehre) sind auf engste Zusammenarbeit angewiesen. Dem sucht man neuerdings durch die Schaffung des technisch geschulten Diplom-Kaufmannes Rechnung zu tragen; auch hierbei hat sich Professor M e l l e r o w i c z sehr verdient gemacht. Die V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e hat die Aufgabe, „alles marktwirtschaftliche Geschehen in ein System wissenschaftlicher Gesetze einzuordnen" (Rüstow), „die Gesetze zu bestimmen, welche die Verteilung regeln" (Ricardo). „ W i e die G e s e t z e d e r P h y s i k , s i n d i h r e G r u n d s ä t z e k e i n e s w e g s M e n s c h e n w e r k . . . sie s t a m m e n a u s d e m U r g r u n d d e r D i n g e ; man stellt sie nicht auf, man findet sie. Sie beherrschen die Gesetzgeber und die Fürsten, und niemals verletzt man sie ungestraft" (Say, Traité d'Economie Politique, 1803). Alle Definitionen der V o l k s w i r t s c h a f t sehen ausnahmslos in ihr eine E r s c h e i n u n g s f o r m des o b j e k t i v e n G e i s t e s , die sich im Laufe einer Jahrtausende alten Entwicklung gebildet hat und sich immer wieder wandelt. Die Volkswirtschaft ist nicht von einzelnen geschaffen. Die praktische Volkswirtschaftslehre, die Volkswirtschaftspolitik, hat die Aufgabe, aus den Erkenntnissen der theoretischen Volkswirtschaftslehre Normen abzuleiten. Diese Normen sollen dem Volkswirtschaftspolitiker die Mittel geben, den Ablauf des volkswirtschaftlichen Prozesses zu steuern, um den von der Theorie erkannten Gleichgewichtszustand wieder herzustellen. Wenn z. B. durch die empirische Untersuchung (die Statistik) festgestellt wird, daß der Geldumlauf im Verhältnis zur Güterproduktion zu stark anwächst, ist es Aufgabe des Volkswirtschaftspolitikers, für eine Drosselung des Kreditvolumens zu sorgen, wenn ") In: Die Handelshochschule, Wiesbaden 1949, S. 43.

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er feststellt, daß das Kreditvolumen infolge des „Automatismus" des Marktes nicht selbsttätig zurückgeht. Nach der liberalistischen Wirtschaftsauffassung, die ja heute grundsätzlich bei uns herrscht, hat der Volkswirtschaftspolitiker n u r dafür zu sorgen, daß sich „dem Spiel der freien Kräfte" keine Hindernisse in den Weg stellen, die den „Automatismus" des freien Wettbewerbs auszuschalten drohen. Das formuliert recht treffend der Employement-Act der sozialistische^!) Labour-Regierung in England von 1946: „Die demokratische Regierung hat die Verpflichtung, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu benutzen, um die Voraussetzung zu schaffen, unter denen freier Wettbewerb erfolgreich arbeiten kann. Es ist nicht die Aufgabe der Regierung, die Bemühungen der freien Unternehmerinitiative um die Märkte oder die Bemühungen einzelner, Arbeit zu finden, zu unterstützen." Wir erinnern uns des berühmten Spottwortes von Ferdinand Lassalle vom „Nachtwächter-Staat", dessen liberalistische Wirtschaft so völlig automatisch abläuft, daß dem Staat nur noch die „Funktionen eines Nachtwächters" bleiben. Das Erkenntnisobjekt der B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e ist die von einem einheitlichen Willen gestaltete und geleitete Arbeitsorganisation, die planmäßig die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung beschafft und bereitstellt. Es besteht wohl kein Zweifel, daß auch die Betriebswirtschaft zu einem erheblichen Teil eine Erscheinungsform des objektiven Geistes ist. Das gilt vor allem für die Betriebswirtschaften früherer Zeiten, insbesondere vor der Renaissance. So herrschte im mittelalterlichen Zunftbetrieb eine traditionelle Wirtschaftsweise, die sich im Laufe vieler Generationen entwickelt hatte und streng nach der Überlieferung ausgeübt wurde. Das war betriebswirtschaftlich durchaus möglich, da die Zunftbetriebe nur wenige Arbeitskräfte umfaßten und nach einfachen technischen Verfahren arbeiteten. Daher gab es damals auch keine (praktische) Betriebswirtschaftslehre, ebensowenig wie es heute etwa eine Betriebswirtschaftlehre für Dichter oder Kunstmaler gibt. Das änderte sich grundlegend in der Renaissance. Man hat mit einem gewissen Recht als die bedeutendste Tat der Renaissance die „Entdeckung des Individuums" bezeichnet. Der „Individualismus", der von nun ab das Wirtschaftsleben stärker denn je beherrschte, führte durch die Trennung und Verselbständigung der betriebswirtschaftlichen Produktion zur Entstehung der „ökonomischen P e r s o n " , wie Sombart treffend die Unternehmung genannt hat. Das Gewinnstreben, das die Unternehmung beherrscht, zwingt den Unternehmer, die Betriebsorganisation sowie den Wirtschaftsplan der Unternehmung, entsprechend den sich ständig ändernden wirtschaftlichen Situationen, immer neu zu gestalten. Dieser Wirtschaftsgeist beeinflußt aber auch bis zu einem gewissen Grade die Gestaltung der ü b r i g e n Betriebswirtschaften. Auch sie werden, den wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritten folgend, immer wieder umgestaltet, „rationalisiert" (von „ratio"!); das gilt für die Haushaltungen und Verwaltungsbetriebe, die Schulen und Theater, Künstlerwerkstätten und Symphonieorchester, Genossenschaften und Vereine. Die Betriebswirtschaft der modernen Zeit ist also nur zu einem k l e i n e n T e i l eine E r s c h e i n u n g s f o r m des o b j e k t i v e n G e i s t e s . Sie wird vielmehr i

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wesentlich vom Personalgeist, d. h. von der Person, dem Individuum, gestaltet und geleitet. Wie in k e i n e r a n d e r e n W i s s e n s c h a f t ist also das E r k e n n t n i s o b j e k t der m o d e r n e n B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e von dem einzelnen Menschen h a n d e l n d geschaffen, von einem Willen d u r c h g e s e t z t u n d v o n e i n e m o f t g e n i a l e n G e f ü h l g e s t a l t e t , es i s t die konkrete Betriebswirtschaft. Welche A u f g a b e n hat nun eine Wissenschaft von der Betriebswirtschaft ? Die t h e o r e t i s c h e B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e sieht die Betriebswirtschaft als Objekt. Zu ihr gehören die Werke der „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre", aber nur soweit sie dem wirtschaftenden Subjekt keine wirtschaftlichen Verhaltensregeln geben. Die Bedeutung dieser theoretischen Wissenschaft ist freilich begrenzt, denn die Betriebswirtschaft als gesellschaftliches Phänomen ist Erkenntnisobjekt der Soziologie (Betriebssoziologie), es bleiben nur die rein wirtschaftlichen Tatbestände, die von der t h e o r e t i s c h e n Betriebswirtschaftslehre streng objektiv zu erforschen sind, d. h. sie darf sich n i c h t mit dem S e i n s o l l e n beschäftigen (im praktischen Wissenschaftsbetrieb ist eine so scharfe Trennung zwischen Sein und Seinsellen nicht durchzuführen und in der Regel auch nicht erforderlich). Das S c h w e r g e w i c h t der Betriebswirtschaftslehre liegt deshalb auf ihrer p r a k t i s c h e n D i s z i p l i n . Die theoretische Betriebswirtschaftslehre steht gleichsam außerhalb des Betriebes, während die praktische Betriebswirtschaft im Betriebe selbst steht; denn sie soll dem Betriebsführer Normen und Verfahrensregeln geben. Sie soll ergründen, was der Betrieb tun s o l l , um den Betriebszweck, die Bereitstellung von Mitteln zur Bedürfnisbefriedigung mit optimal niedrigen Kosten durchzuführen oder optimal hohe Leistungen hervorzubringen. Eine praktische Betriebswirtschaftslehre soll also das wirtschaftende Subjekt, vornehmlich den Unternehmer, bei der Gestaltung des Betriebes unterstützen, d. h. aber, sie soll selbstschöpferisch an der Entwicklung des Einzelbetriebes teilnehmen. Das leugnet auch der betriebswirtschaftliche Wissenschaftler nicht, denn, wie wir einleitend sagten, werden die meisten wissenschaftlichen Werke auch oder sogar vornehmlich für die Praxis geschrieben. Ja, es gelten sogar die wissenschaftlichen Bücher, die dem betriebswirtschaftlichen Praktiker unmittelbar großen Nutzen bringen, als besonders gute Werke. Wir brauchen hier nur an die Arbeiten von Schmalenbach zu erinnern, die sich bewußt vornehmlich an die Praxis wenden und teilweise revolutionierend in den Unternehmungen ausgewirkt haben. Nun wird man vielleicht einwenden, daß bei dieser Auffassung Wissenschaft und Praxis in unzulässiger Weise vermengt würden. Das ist nicht der Fall. Wir haben oben festgestellt — und das ist eine uralte Weisheit der Philosophie —, daß es kein Handeln ohne Erkenntnis und keine Praxis ohne Theorie gibt. Von Amerika kommt das Schlagwort von der „ W i s s e n s c h a f t l i c h e n B e t r i e b s f ü h r u n g " . Damit wird zwar ein anderer Tatbestand gemeint (nämlich die nach „wissenschaftlichen" Methoden durchgeführte Arbeitsrationalisierung), aber dieses Wort kann ohne weiteres für die gesamte Führung der Betriebswirtschaft seit der Renaissance, seitdem man mit besonderen

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rationalen und rationellen Methoden den Betrieb führt, gebraucht werden. Die Erfindung der Buchführung, die Ausgestaltung der quantitativen Kostenrechnung, die Einführung der exakten Kalkulation, das alles sind Leistungen, die einen Kreis von Erkenntnissen, von Theorien voraussetzen, der ohne Zweifel eine systematische Ordnung aufweist. Wenn man mit E i s n e r annimmt, daß eine W i s s e n s c h a f t „objektiv eine systematische Einheit prinzipiell zusammengehöriger, ein eigenes Gebiet ausmachender Erkenntnisse" ist, dann kann man diesen Inbegriff der Erkenntnisse, die zur Entstehung des modernen Betriebes führten, als p r a k t i s c h e Wissenschaft bezeichnen. Max W e b e r s Definition von der Entstehung der Wissenschaft bestätigt das: „Wir werden m. E. ganz allgemein davon auszugehen haben, daß Wissenschaften und das, womit sie sich beschäftigen, dadurch entstehen, daß Probleme bestimmter Art auftauchen und spezifische Mittel ihrer Erledigung postulieren 19 )". Freilich, das, was in der Renaissance entstand, war p r a k t i s c h e Wissenschaft (in dem Sinne, wie es oben dargelegt wurde). Das V e r d i e n s t der m o d e r n e n B e t r i e b s w i r t s c h a f t s l e h r e ist es, daß sie durch die Schaffung einer t h e o r e t i s c h e n Lehre diese praktische Wissenschaft aus den Betrieben herausgeholt und zu einem Forschungsobjekt der universitas litterarum gemacht hat. Praktische Wissenschaft wird aber nach wie vor auch in den Unternehmungen betrieben, in erster Linie sogar. Diese „Forschung im Betriebe" hat durch den hochschulmäßigen Betrieb der Betriebswirtschaftslehre, durch die akademische Ausbildung des wirtschaftlichen Subjekts, durch die Hebung des wirtschaftlichen Bildungsniveaus der Praktiker sogar neue große Impulse bekommen. Wissenschaftler und Praktiker ziehen am gleichen Strang. Während aber der P r a k t i k e r sich vor allem mit den vielen für den unmittelbaren Fortschritt unbedeutenden Fragen des betrieblichen Alltags beschäftigen muß, hat sich der W i s s e n s c h a f t l e r ausschließlich mit der Gewinnung neuer betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse und der Entwicklung neuer Verfahrensregeln zu beschäftigen. Dazu ist er eben dank seiner besonderen Begabung, dank seiner Vor- und Ausbildung vor allem berufen. Das schließt aber keineswegs aus, daß der Praktiker g e n a u das g l e i c h e tut wie er (freilich oft mit unzulänglichen Mitteln), nämlich neue Wege ausfindig zu machen, wie die Betriebswirtschaft noch besser und rationeller ausgestaltet werden kann. Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaft Zum Schluß sei unter diesem Aspekt noch ein Wort über das Verhältnis der Betriebswirtschaftslehre zur Volkswirtschaftslehre gesagt. Das volkswirtschaftliche Ziel ist die Untersuchung der volkswirtschaftlichen Kräfte und des volkswirtschaftlichen Wirtschaftsverlaufs. Die praktische Volkswirtschaft hat Antwort zu geben auf die Frage: Sind die volkswirtschaftlichen Kräfte im Gleichgewicht ? Was ist zu tun, um sie wieder ins Gleichgewicht zu bringen ? ") Schriften der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, l.Band, 1911, S. 267. 4*

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Wodurch kann die Vollbeschäftigung errreicht werden ? Wo sind Hemmnisse im Wirtschaftsablauf? Wie können sie beseitigt werden? Die Betriebswirtschaftslehre dagegen hat es mit dem von einem einheitlichen Willen geleiteten p l a n w i r t s c h a f t l i c h e n A r b e i t s o r g a n i s m u s zu tun, sei er nun ein kleiner Handwerksbetrieb, ein großer Konzern, sei er die zu einer betriebswirtschaftlichen Einheit zusammengeschlossenen Betriebe einer oder mehrerer Staaten. Das p l a n w i r t s c h a f t l i c h e G e s t a l t u n g s e l e m e n t i s t das w e s e n t l i c h e K r i t e r i u m , das die (heutige) Volkswirtschaftslehre und die der Betriebswirtschaftslehre trennt. Der K a u f m a n n und U n t e r n e h m e r denkt betriebswirtschaftlich, er wirtschaftet, er sucht planmäßig die Kosten seines Betriebes zu senken, die Produktion zu erhöhen und zu verbessern. Ähnlich denkt auch der H a u s h a l t s v o r s t a n d und die H a u s f r a u . Sie rechnen in ihrem Wirtschaftsplan emsig, um mit dem Einkommen einen möglichst großen Teil der Bedürfnisse zu befriedigen. Der Betriebswirt wird alle Handlungen nach dem Nutzen- und Kostenvergleich, auf Grund seines Wirtschaftsplanes entscheiden. Wie anders denkt der V o l k s w i r t s c h a f t l e r ! Wenn wir einen Wirtschaftsminister, einen Großindustriellen und einen kleinen Schneidermeister nach ihren Nöten fragen, dann werden wir feststellen, daß die Probleme, die den Großindustriellen und den kleinen Schneidermeister bewegen, von ganz verwandter Art sind. Sie sprechen beide über ihren Wirtschaftsplan, sie suchen beide Wege, wie sie die Kosten senken und rationalisieren können, beide wollen ihren Betrieb erweitern, der Großindustrielle, indem er ein neues Walzwerk errichtet, der Schneidermeister, indem er einen Lehrling einstellt und eine weitere Nähmaschine kauft. Der Wirtschaftsminister dagegen wird sich diese Sorgen und Pläne anhören und danach trachten, wie er ihnen durch Eingriffe in den Marktablauf, durch Senkung des Diskonts, durch Belebung der Ausfuhr oder ähnliche Maßnahmen, helfen kann. Sehr oft freilich werden zwischen den Forderungen der Volkswirtschaftler und denen der Betriebswirtschaftler Widersprüche festzustellen sein, die die widerstreitenden Interessen, das verschiedenartige Denken offenbaren. Der Volkswirtschaftspraktiker wirtschaftet nie. Wir können diese Betrachtung nicht besser schließen als mit Worten von K o n r a d M e l l e r o w i c z : „Es ist aber . . . nicht zu vergessen: Erstens, daß die Betriebswirtschaftslehre in ihrem Aus- und Aufbau sehr viel der Volkswirtschaftslehre verdankt; auch in der Zukunft wird es nicht anders sein, weswegen engste Beziehungen zu ihr nötig sind. Ich möchte nicht noch einmal betonen müssen, daß beide Disziplinen aufeinander angewiesen sind und keine ohne die andere auskommt. Nur diese Einstellung zum Verhältnis Betriebswirtschaftslehre — Volkswirtschaftslehre wird dem verschiedenen, aber verwandten, voneinander abhängigen Gegenstand, ihrer verschiedenen, aber einander ergänzenden Fragestellung und ihrer engen Beziehung zueinander gerecht; denn nur beide zusammen erfassen ganz die Erscheinung, die wir Wirtschaft nennen 2 0 )." 20

) ZfB, 1950, Heft 7.

Personalverwaltung und Menschenführung im Betrieb Von Prof. Dr. G u i d o F i s c h e r , München Inhalt 1. 2. 3. 4. 5. 6. 1.

Aufgaben der Personalverwaltung Die Notwendigkeiten der Menschenführung im Betrieb Von der Arbeitspsychotechnik zur Betriebspsychologie Arbeitshemmungen und ihre Bekämpfung Die Gestaltung der menschlichen Beziehungen Die Grundsätze der Menschenführung in der Betriebsorganisation Zweck der betrieblichen Menschenführung

1. Aufgaben der Personalverwaltung Die betriebliche Personalverwaltung hat sich aus dem Lohnwesen und aus staatlichen Vorschriften arbeits- und finanzrechtlicher Art entwickelt. Erst in zweiter Linie kamen betriebsorganisatorische Überlegungen hinzu. Um Löhne und Gehälter entsprechend den tariflichen Bestimmungen auszahlen zu können, sind bestimmte Angaben erforderlich, die über die Namen der betreffenden Lohnempfänger hinausreichen. Zunächst begnügte man sich damit, diese ergänzenden Angaben über Familienstand, Alter, Geschlecht, Wohnort usw. auf der Lohn- oder Gehaltsliste selbst zu vermerken. Später ging man dazu über, dafür eine besondere P e r s o n a l k a r t e i zu verwenden, die viel weitgehender inhaltlich ausgestaltet werden konnte, die außerdem alle Möglichkeiten einer karteimäßigen Weiterbearbeitung zuläßt, wie es auch eine betriebliche Personalstatistik benötigt. Zunächst bei den Angestellten, später auch bei der Arbeiterschaft galt es, die bei der Einstellung übergebenen Personalpapiere ordnungsgemäß zu verwahren. Es bildeten sich die verschiedenen P e r s o n a l a k t e n . In Betrieben, in denen eine laufende Beurteilung der Belegschaft eingeführt wurde, vermehrte sich der Inhalt dieser Personalakten um die einmaligen oder wiederholt eingereichten Beurteilungen seitens der dafür zuständigen Betriebsvorgesetzten. Die Personalakten ruhen dann nicht mehr vom Tage der Einstellung bis zum Tage der Ausstellung, während der Zeit der betrieblichen Beschäftigung werden sie immer wieder ergänzt und ausgewertet, es entsteht dadurch die eigentliche P e r s o n a l v e r w a l t u n g . Es ist erklärlich, daß hierzu alle modernen Erfah-

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rungen der Betriebsorganisation verwendet werden, worauf jedoch in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden soll. Immer stärker beschäftigte bereits in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg der Staat die betriebliche Personalverwaltung. Diese mußte Aufgaben übernehmen, für die eigentlich staatliche Verwaltungsstellen zuständig wären. Erinnert sei an das umfangreiche Gebiet der Berechnung und Einbehaltung der Lohnsteuerbeträge, an die entsprechenden Arbeiten der Berechnung und Einbehaltung der Sozialversicherungsbeiträge, an die Abführung an die betreffenden Kassen usw. In größeren Betrieben wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte das Gebiet der P e r s o n a l s t a t i s t i k entwickelt, Aufgaben, die sehr oft ebenfalls von der Personalverwaltung zu lösen sind. Zusammensetzung der Belegschaft, Wohnverhältnisse, Familienverhältnisse usw. interessieren nicht nur, um geplante Maßnahmen der betrieblichen Arbeitsdispositionen und der betrieblichen Sozialpolitik richtig wählen und ausführen zu können. In immer stärkerem Umfang sind solche Angaben auch für das betriebliche Rechnungswesen notwendig, wenn Erfolgskontrollen mit der betrieblichen Leistung und der Leistung einzelner Belegschaftsgruppen oder einzelner Angehöriger der Belegschaft verbunden werden sollen. Auch die Probleme einer modernen A r b e i t s b e w e r t u n g gehören hierher. Es seien in diesem Zusammenhang nicht alle Aufgaben aufgezählt, die heute in einem größeren Betrieb von der Personalverwaltung zu lösen sind. An den bereits gebrachten Beispielen zeigt sich bereits die Notwendigkeit, durch die bekannten Mittel der Organisationstechnik, wie Formularwesen, Karteien, Registraturen usw., dafür zu sorgen, daß der Bürobetrieb der Personalverwaltung reibungslos ablaufen kann. So befaßt sich die Personalverwaltung mit allen Arbeiten, die bei der Einstellung, Beurteilung, Beförderung, Versetzung und Entlassung von Mitarbeitern anfallen. Der P e r s o n a l l e i t e r wird neben den unmittelbaren Vorgesetzten sachlicher Art, wie Meister, Bürochef usw., ebenfalls zum Vorgesetzten der gesamten Belegschaft. Auf die sich hieraus ergebenden weiteren organisatorischen Probleme der Kompetenzabgrenzung sei hier jedoch ebenfalls nicht eingegangen. Diese Entwicklung läßt es begreiflich werden, daß in größeren Betrieben der Personalleiter bald die Stellung eines Abteilungsleiters einnimmt, daß die neueste Entwicklung dazu drängt, diese gesamten Aufgaben der Personalwirtschaft auf die Ebene der Direktion zu heben und durch einen besonderen A r b e i t s - o d e r S o z i a l d i r e k t o r besorgen zu lassen. Diesem unterstehen dann alle Aufgaben der Personalverwaltung und der betrieblichen Sozialmaßnahmen. Personalleiter und Sozialdirektor sind damit außerdem der Partner seitens der Betriebsleitung gegenüber dem Betriebsrat. Der Name Personalverwaltung sagt jedoch bereits, daß bei all diesen umfangreichen Aufgabengebieten stets der arbeitende Mensch nur „verwaltet" wird, so wie jede andere Funktion im Betrieb, Lagerung, Einkauf oder Verkauf, Fertigung usw. Es besteht somit eine reine objekthafte Einstellung zum

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Menschen im Betrieb. Dabei mag die Sozialfürsorge im Betrieb weitestgehend ausgebaut sein, wie es erfreuliche, zahlreiche Beispiele unserer deutschen Betriebe zeigen. Im Bereich der modernen Betriebsbestrebungen genügt dies jedoch nicht mehr. Immer mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß der arbeitende Mensch im Betrieb als Subjekt gesehen und betreut werden muß. Damit e r w e i t e r t sich die b i s h e r i g e F o r m der P e r s o n a l v e r w a l t u n g zur M e n s c h e n f ü h r u n g im B e t r i e b . 2. Die Notwendigkeiten der Menschenführung i m Betrieb Der heutige Mensch ist während seiner Arbeit und in seiner Freizeit von den Gefahren der V e r m a s s u n g bedroht. Er verlernt dabei, eine persönliche Verantwortung für seinen Arbeits- und sonstigen Wirkungsbereich zu fühlen und zu tragen, womit zwangsläufig seine Arbeitsleistung und Arbeitsfreude verringert wird. Auch ein weitverzweigtes Kontrollsystem vermag dies nicht zu ändern. Diese drohende Vermassung des arbeitenden Menschen ist zunächst durch die T e c h n i k verursacht, die sowohl für den Konsumenten genormte Bedarfsgüter bereitstellen muß, um mit Hilfe der Massenfertigung billige Preise zu erreichen, die aber auch in ihren Arbeitsbedingungen zu einer schematischen Arbeitsweise gelangen muß, wie sie nicht nur am Fließband, sondern auch bei jeder anderen arbeitsteiligen Arbeitsweise im technisierten Betrieb zu finden ist. Auch der ganze Zeitgeist des a u ß e r b e r u f l i c h e n Z u s a m m e n l e b e n s drängt den Menschen zur Vermassung, zum kollektiven Denken und Handeln. Durch Radio und Film wird die Masse angesprochen, die notwendige Initiative des einzelnen beschränkt sich auf den Entschluß, den Lautsprecher aufzudrehen oder ins Kino zu gehen. Eine weitere Mitarbeit seinerseits ist nicht notwendig. Die modernen Verkehrsmittel brauchen den Fahrplan, ihm hat sich der einzelne unterzuordnen. Die Staatsmaschinerie von heute gerät ebenfalls in Gefahr, kollektivistisch zu denken und zu handen, sie sieht nur noch selten den einzelnen Staatsbürger, um ihm persönliche Rechte im Staatsleben zu geben. Wenn dieser Gefahr der Vermassung entgegengetreten werden soll, dann muß nicht nur im öffentlichen Leben, sondern auch im Berufsleben und in der Wirtschaft bewußt die P e r s ö n l i c h k e i t des einzelnen Menschen gesucht und gefördert werden. Es sind dies die humanistischen Bestrebungen, wie sie heute an so vielen Stellen zum Durchbruch kommen. Wird auch in der ausführenden Arbeit des arbeitsteiligen Betriebes die Möglichkeit und die Notwendigkeit gesehen, die Persönlichkeit des einzelnen Arbeiters oder Angestellten zu achten und zu beachten, so ist damit gleichzeitig der wirtschaftliche Vorteil verbunden, daß damit persönliche Verantwortungsbereiche geschaffen werden, die es dem einzelnen erst ermöglichen, mit richtiger Arbeitsfreude für seinen Arbeitsbereich einzustehen. Somit werden auch die Gesamtleistung des Betriebes und damit sein Ertrag und Gewinn größer.

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Das Ziel all dieser Bestrebungen, der Vermassung im Arbeitsbereich entgegenzutreten, ist die B e t r i e b s g e m e i n s c h a f t . Der Betrieb ist nicht nur eine Stätte des Wirtschaftens, also der Fertigung, des Handels, der Dienstleistungen oder des Kapitalverkehrs, sondern er ist gleichzeitig eine Arbeitsstätte, an der mehr oder weniger viele Menschen, manchmal sogar sehr viele Menschen, gleichzeitig ihren Beruf ausüben und damit ihr Einkommen zur Existenzbefriedigung suchen und finden. Daher ist der Betrieb im Rahmen der menschlichen Gesellschaftsordnung ein O r g a n i s m u s , wie er auch für den Staat, die politische Gemeinde oder die Familie anerkannt wird. Dabei gilt es noch zu beachten, daß der Mensch den dritten Teil seines Tages an dieser Arbeitsstätte mit seinen Arbeitskollegen zusammenarbeiten muß, viel mehr Stunden, als ihm für Freizeit und Vergnügen, selbst für seine Familie zur Verfügung stehen. Denn die Zeit der Nachtruhe darf hier nicht mitgezählt werden, in der keine Verbindung zur menschlichen Gemeinschaft bestehen kann. Auf diese Weise hat auch der U n t e r n e h m e r e i n e w e i t e r g e h e n d e A u f g a b e , als sie ihm bisher vorgezeichnet erscheint. Er ist nicht nur zur wirtschaftlichen Erfüllung seiner betrieblichen Aufgaben verpflichtet und zur sorgsamen Erhaltung und Verzinsung des im Betrieb arbeitenden Kapitals. Er hat sich darüber hinaus der notwendigen Sorge um die von ihm betreute Arbeitsstätte und um die in ihr arbeitenden Menschen bewußt zu sein. Dieses Ziel der Betriebsgemeinschaft und der persönlichen Achtung jedes einzelnen Menschen an seinem Arbeitsplatz kann nur erreicht werden, wenn dieser arbeitende Mensch nicht nur ein Lohnfaktor ist, vielleicht als lästige „Unkosten" empfunden wird, sondern als Mitarbeiter an der gemeinsamen Betriebsaufgabe und Betriebsleistung, bei der jeder einzelne sein Maß an Verantwortung zu tragen hat. Dabei entsteht die G l e i c h w e r t i g k e i t d e r a r b e i t e n d e n M e n s c h e n , die nicht mit irgendwelcher Gleichmacherei verwechselt werden darf. Jeder Mensch hat seine persönliche Veranlagung, seinen Charakter, seine Fähigkeiten, auf jeden hat der Einfluß der Herkunft, der Erziehung, der Ausbildung usw. verschieden gewirkt. Jeder einzelne nimmt daher im Betrieb seine ganz bestimmte Stelle im Rahmen der betrieblichen Gesamtleistung ein. Die Gleichmacherei dagegen würde für jeden nur gleiche Rechte und Pflichten ohne Unterscheidung und Abstufung anerkennen, was dem Persönlichkeitswert des Menschen widerspricht. Damit diese Betriebsgemeinschaft mit der Stärkung der Persönlichkeit jedes einzelnen an seinem Arbeitsplatz und in seiner Berufsausübung möglich werden kann, müssen zwei Aufgabenbereiche gesehen und zu lösen versucht werden, die längst im Rahmen der allgemeinen Gesellschaftslehre über das Zusammenleben der Menschen bekannt sind: die Subsidiarität und die Solidarität. Das P r i n z i p d e r S u b s i d i a r i t ä t ist im politischen Raum als Föderalismus und im Wirtschaftsleben als dezentrale Organisation bekannt. Für den Betrieb, der auf eine echte Betriebsgemeinschaft und auf die Pflege der Persönlichkeitswerte seiner Mitarbeiter Wert legt, ist es nicht möglich, nur von einer zentralen

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Kommandostelle aus zu planen und zu handeln. Vielmehr ist es für jeden einzelnen auch im Bereich der ausführenden Arbeit notwendig, den für ihn bestimmten, wenn auch vielleicht nur bescheidenen Aufgabenbereich mit eigener Verantwortung zu schaffen. Jeder einzelne muß wissen, wofür er persönlich zuständig ist und welche Bedeutung sein Arbeitsbereich im Rahmen des Ganzen hat. Dies ist aber die Voraussetzung, damit jeder einzelne zum Bewußtsein seiner Persönlichkeit auch im Berufsleben gelangen kann. Die S o l i d a r i t ä t regelt das Verhältnis des einzelnen zu der ihn umgebenden Gemeinschaft, also die menschlichen Beziehungen und die Gestaltung der betrieblichen Meinung. Es wird bei jedem Arbeiter und Angestellten das Verhältnis zu seiner persönlichen Arbeitsleistung, zu seinem Arbeitsplatz und zu seinem Betrieb gesucht und bewußt gestaltet, aber auch das Verhältnis zwischen den im gleichen Betrieb und am gleichen Arbeitsplatz arbeitenden Menschen selbst, woraus das Gefühl der Mitarbeiterschaft entsteht. Die abstoßenden Reibungen, die sich bei dem dauernden Zusammenleben und Zusammenarbeiten vieler Menschen immer wieder ergeben, müssen genau so gesucht und abgemildert werden, wie das Positive der Betriebsgemeinschaft, den echten Geist einer Arbeitskameradschaft und im kleineren Kreis den der Arbeitsfreundschaft zu wecken und zu fördern. Diese Aufgabe ist nicht nur dem Unternehmer und jedem Vorgesetzten im Betrieb gestellt, sondern genau so jedem einzelnen Arbeiter und Angestellten. Jeder muß sich darum bemühen und ist der Betriebsgemeinschaft dafür verantwortlich. Es gilt somit, die Fragen der Menschenführung im Betrieb zu sehen und zu lösen. Dann ist erreicht, daß die Belegschaft eines Betriebes nicht nur verwaltet wird, so wie Rohstoffe, Zahlungsmittel, Außenstände usw. Vielmehr sollen die einzelnen Menschen in dieser Belegschaft angesprochen werden, wenn notwendig, in ihrem Persönlichkeitswert auch weitergebildet werden, nicht nur bei Jugendlichen und Spezialisten. Die Aufgabe der Menschenführung ist vielmehr jedem von der Belegschaft gegenüber zu erfüllen, erst dann wird es möglich sein, eine entsprechende Betriebsatmosphäre, ein Betriebsklima zu bilden, in dem jeder einzelne bereit ist, seine volle Persönlichkeit für das Betriebsganze einzusetzen. Nicht durch einen schematischen Zwang kann aber die Aufgabe der Menschenführung im Betrieb gelöst werden. Die Sorge und die Gestaltung der menschlichen Beziehungen im Betrieb muß ganz andere Wege gehen. Eine Belegschaft, die in einem solchen Geiste arbeitet, wird sich viel mehr mit dem eigenen Betrieb verbunden fühlen. Nur so ist es möglich, die Spannungen und Reibungen auszuschalten, die aus dem bisher oft so unpersönlichen Arbeitsverhältnis, wie es einer objekthaften Arbeitsverwaltung entspringt, auszuschalten.

3. Von der Arbeitspsychotechnik zur Betriebspsychologie Der weite Weg, der von der Personalverwaltung zur Menschenführung im Betrieb zu gehen ist, sei an der Entwicklung der Arbeitsorganisation gezeigt.

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Sie geht von der Arbeitspsychotechnik über die Eignungspsychologie und über die Arbeits- und Leistungspsychologie zur Betriebspsychologie, die sämtlich im Bereich der Menschenführung im Betrieb angewendet werden müssen. Bekannt sind die Methoden und die Arbeitsweisen der A r b e i t s p s y c h o t e c h n i k . Erinnert sei an Taylor, den Begründer dieses Verfahrens. Man versucht hier nach exakten Methoden den Arbeitsvorgang zu erfassen, ihn in seine Einzelteile zu zerlegen und aufzuteilen und dann nach wissenschaftlichen Grundsätzen wieder aufzubauen, um so ein rationelles Arbeiten zu ermöglichen. Auch die Einflüsse der Ermüdung und die richtige Lage der notwendigen Arbeitspausen werden berücksichtigt. Welcher Mensch jedoch eine solche Arbeit auszuführen hat, findet bei der Psychotechnik zunächst keine Beachtung. Vielmehr wird bei ihr jeder Arbeitsvorgang derart genormt, daß er von jedem Menschen ausgeführt werden kann, ja daß man sogar die Qualität des Menschen danach beurteilt, ob er diese Norm ordnungsgemäß erreicht. Einen Schritt weiter geht die E i g n u n g s p s y c h o l o g i e . I n d e n Eignungsuntersuchungen will man die Menschen finden, die für einen bestimmten Arbeitsvorgang geeignet sind, also beispielsweise die Mädchen, die an der Lochkartenmaschine arbeiten können. Um die für solche bestimmten Arbeiten geeigneten Menschen zu finden, werden Prüfungstests ausgearbeitet, die Einzel- oder Gruppentests sein können, welche Einfachhandlungen oder Mehrfachhandlungen ermitteln sollen. Während bei den allgemein üblichen Prüfungen unserer Schulen nur Wissen festgestellt werden kann, soll bei den verschiedenartigen Testverfahren, die sich nach Alter, Beruf usw. verschieden zusammensetzen müssen, auch das Verhalten der Prüflinge während des Prüfungsverfahrens, der Arbeit usw. bei der Anwendung seines Wissens festgestellt werden. Die Eignungspsychologie sucht also A r b e i t s t y p e n zu finden, die sich für bestimmte genormte Arbeitsvorgänge eignen. Die Gattung „menschliche Arbeit" wird zwar jetzt in Eignungstypen zerlegt, innerhalb dieser sind die einzelnen Menschen jedoch weiterhin vertretbar und damit auswechselbar. Arbeitspsychotechnik und Eignungspsychologie sind aus einer Entwicklung der Zeit geschaffen, die zur Vermassung der Menschen in Wirtschaft und Berufsleben geführt hat. Beide sind lange Jahre als die modernen Hilfsmittel der Arbeitsverwaltung angesehen und gepriesen worden. Man beschäftigt sich wohl mit der Arbeit als solcher, doch interessiert nicht oder nur wenig der einzelne Mensch, der sie auszuführen hat. Die Entpersönlichung der Arbeit ist noch nicht begonnen. Vielmehr sind genormte Arbeitsverhältnisse und vertretbare Menschen innerhalb jeder Arbeitstype geschaffen. Schließlich werden auch die Arbeitsgeräte so vervollkommnet und vereinfacht, daß sie von jedem Menschen verwendet werden können. Im Denken so manches Menschen ist dann der arbeitende Mensch nur die Fortsetzung des Handwerkzeuges, jeder Mensch die Verlängerung der zu bedienenden Maschinenhebel. Diese Einstellung ändert sich jedoch zwangsweise bei der Weiterentwicklung dieser beiden ersten Stufen der Arbeitsgestaltung zur A r b e i t s - u n d L e i s t u n g s p s y c h o l o g i e . Beide sind ein Teil der Wirtschaftspsychologie, die als

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Teilgebiet der angewandten Psychologie die Beziehungen zwischen Arbeit und Mensch klären will. Der arbeitende Mensch ist mit Geist ausgestattet und muß diesen in seiner Berufsarbeit einsetzen. Es ist daher notwendig, diese Geistesfunktion des arbeitenden Menschen wahrzunehmen und organisatorisch auszunutzen. Die Erkenntnis vom Geist im arbeitenden Menschen muß jedoch mit allen Einflüssen der Vermassung brechen, denn diese kennt keinen individuellen Geist, weder wä'hrend der Arbeit noch in der Freizeit. Die Arbeitspsychotechnik und die Eignungspsychologie gehen von der rationalisierten Arbeit aus und suchen den dafür geeigneten Menschen. Die Arbeits- und Leistungspsychologie sieht dagegen zunächst den arbeitenden Menschen und seine Arbeitsleistung und untersucht seine Wechselwirkungen zu seiner Arbeit, seinem Arbeitsplatz und seinem Betrieb. So werden beispielsweise die Erkenntnisse der Farbenpsychologie verwendet, um die Wirkung des Arbeitsraumes auf den arbeitenden Menschen positiv auszunutzen, um das Bedienen von Maschinen und Maschinenteilen zu erleichtern usw. Oder Arbeitsgeräte werden so gestaltet, daß sie eine zu rasche Ermüdung des Menschen möglichst verhindern helfen, so besondere Werkzeugformen, Arbeitsstühle und -tische usw. Schließlich verwendet die Arbeits- und Leistungspsychologie alle Möglichkeiten, um das Interesse des arbeitenden Menschen an seiner persönlichen Arbeitsleistung und an der Betriebsleistung zu heben, seine Arbeitsfreude und damit seinen Arbeitswillen zu stärken. In den folgenden Abschnitten wird darüber noch ausführlicher berichtet werden. Aus der Arbeits- und Leistungspsychologie ist noch ein weiteres zu folgern: Es muß eine B e r u f s - u n d W i r t s c h a f t s p ä d a g o g i k entwickelt .werden. Es ist selbstverständlich, daß der junge Lehrer, bevor er seine Schüler unterrichten darf, das Fach Pädagogik zu erlernen hat. Im Wirtschaftsleben braucht der Vorgesetzte wohl irgendwelche Fachkenntnisse, die er durch Zeugnisse oder durch langjährige Bewährung im Betrieb nachweisen muß. Daß er darüber hinaus noch den Beweis erbringen müßte, daß er mit seinen Nebenmenschen und Untergebenen richtig umzugehen versteht, darauf wird bisher weniger Wert gelegt. Es ist jedoch besonders wichtig, daß von Vorgesetzten im Betrieb die Kunst der richtigen Menschenbehandlung verstanden wird. Diese Kunst kann in ihren Grundverhältnissen erlernt werden wie so vieles andere. Damit ergibt sich die besondere Berufs- und Betriebspädagogik. Es kann jedoch nicht darauf gewartet werden, bis derartige Kenntnisse von der Schule aus in die Berufsarbeit mitgebracht werden. Vom Standpunkt der betrieblichen Menschenführung sind daher Mittel und Wege zu suchen, um der heute im Berufsleben stehenden Generation derartige betriebspädagogische Kenntnisse zusätzlich zu vermitteln, wie dies gegenwärtig in den Meisterkursen, TWIKursen usw. geschieht. Mit diesen Überlegungen ist die letzte Entwicklungsstufe der Arbeitsgestaltung erreicht. Während die Arbeits- und Leistungspsychologie sich mit den Wechselwirkungen Mensch und Arbeit, Arbeitsplatz und Betrieb beschäftigt, wendet sich darüber hinaus die B e t r i e b s p s y c h o l o g i e den besonderen

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Verhältnissen zwischen den arbeitenden Menschen eines Betriebes zu. Die Betriebspsychologie klärt also die Verhältnisse zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, zwischen Älteren und Jugendlichen, Frauen und Männern, Arbeitern und Angestellten, Ungelernten und Facharbeitern usw. Ebenso werden die Einflüsse der Gruppenbildung untersucht, solche, die sich aus der Arbeitsweise ergeben, so Akkordgruppe, gleicher Arbeitsraum usw., und Gruppeneinflüsse außerbetrieblichen Ursprungs, wie gleicher Wohnort und Wohnblock, gemeinsamer Arbeitsweg, Mitgliedschaft bei gleichen Vereinen, Parteien usw. Früher hat man diesen verschiedenartigen seelischen Schwingungen der Belegschaft eines Betriebes wenig Wert beigelegt, besonders dann, wenn die Belegschaft aus jederzeit auswechselbaren Leuten gesehen wird. Bereits bei der Wertung einer Stammbelegschaft ändert sich jedoch diese Einstellung, man bemüht sich heute, alle Reibungsmöglichkeiten auszuschalten. Durch die Art des Zusammenlebens vieler Menschen an der gleichen Arbeitsstätte entsteht das B e t r i e b s k l i m a , das nicht demZufall überlassen seinmuß, das vielmehr bewußt gestaltet werden kann. Darum bemüht sich die Betriebspsychologie. Sie sieht den Betrieb nicht als eine Summe von Arbeitsplätzen, vielleicht numeriert und katalogisiert, sondern der Betrieb entsteht aus dem Zusammenarbeiten vieler Menschen, die als einzelne gesehen und gewertet werden müssen. Damit wird der Betrieb zu einem Organismus lebendiger Menschen, die einheitlich und zielbewußt vor eine gemeinsame Aufgabe gestellt sind und diese mit möglichst wenig Störungen lösen sollen und wollen. Für die E n t w i c k l u n g v o n d e r A r b e i t s p s y c h o t e c h n i k b i s z u r B e t r i e b s p s y c h o l o g i e ergibt sich somit folgendes: Die Eignungspsychotechnik befaßt sich nur mit der Bestgestaltung der Arbeit. Die Eignungspsychologie sucht die dafür bestgeeigneten Menschen. Bereits die Arbeits- und Leistungspsychologie wechselt das Verhältnis und stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Untersuchungen, um von ihm aus die Wechselwirkungen zur Arbeit, Arbeitsstätte und zum Betrieb aufzuzeigen. Die Betriebspsychologie schließlich befaßt sich mit den Wechselwirkungen zwischen den arbeitenden Menschen desselben Betriebes, desselben Arbeitsplatzes. Sobald Arbeits- und Leistungspsychologie und besonders die Betriebspsychologie für die organisatorische Gestaltung des Betriebsablaufes herangezogen werden, hat sich die Arbeitsverwaltung zur Menschenführung im Betrieb weiterentwickelt.

4. Arbeitshemmungen und ihre Bekämpfung Die betriebliche Menschenführung kann nur erfolgreich sein, wenn zunächst die im Betrieb vorhandenen Reibungen, Störungen und damit Hemmungen im Zusammenarbeiten der Menschen gesucht und gefunden werden, um sie dann erfolgreich zu beseitigen. Diese verschiedenartigen Hemmungen, die sich aus dem Zusammenleben der Menschen und aus der Beziehung von Mensch zu Mensch, zur Arbeitsausführung, zum Arbeitsplatz und zum Betrieb

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ergeben, können in zwei große Gruppen zusammengefaßt werden. Die eine ist technischer, beruflicher und fachlicher Art, die zweite liegt im Menschen selbst begründet, in seiner Charakterveranlagung, in seinem ganzen Wesen, das von seinen häuslichen Verhältnissen her genau so beeinflußt ist wie von seiner Arbeitsumgebung. H e m m u n g e n d e r e r s t g e n a n n t e n A r t können zunächst in einer mangelhaften Ausbildung oder Berufserfahrung liegen. Dieser Fehler darf aber nicht erst dann festgestellt werden, wenn unerfreuliche Erfahrungen immer wieder gemacht werden müssen. Aufgabe der betrieblichen Menschenführung ist es vielmehr, solche Hemmungen rechtzeitig zu erkennen und sie zu beseitigen. Die Beurteilung des arbeitenden Menschen bei der Einstellung und während der Arbeit geben die notwendigen Unterlagen. Die Personalverwaltung alter Art würde vielleicht bei Vorliegen derartiger negativer Feststellungen zur Verwarnung und schließlich zur Entlassung gelangen. Die betriebliche Menschenführung zieht dagegen den Kreis ihrer Überlegungen weiter. Denn es können vielleicht sehr wertvolle Berufskenntnisse, wertvolle menschliche Veranlagungen vorhanden sein, es muß daher nur noch gesorgt werden, daß der noch nicht genügende Erfahrungsbereich so erweitert wird, daß die festgestellten Hemmungen vermieden werden können. Denn es soll nicht nur das Hemmende, sondern stets auch das Positive gesehen und gefördert werden. Oder die mangelhafte Schul- und Lehrausbildung, wie sie in den vergangenen Jahren vorhanden war, muß durch eine betriebliche Weiterbildung ergänzt werden.. Die Nachwuchsfrage in der Wirtschaft ist für alle Stufen der Betriebshierarchie ein sehr wichtiges Problem, das nur mittels der betrieblichen Menschenführung gelöst werden kann. Fachlich-technische Hemmungen können auch aus dem Arbeitsverfahren entspringen, aus der Gestaltung des Arbeitsplatzes und den vorhandenen Arbeitsverhältnissen. Wenn noch nicht die Erkenntnisse einer modernen Arbeitsrationalisierung verwendet sind, so muß sich der Betrieb bemühen, die für ihn beste Form zu finden und einzuführen. Die Verfahren der Arbeitspsychotechnik und der Eignungspsychologie sind anzuwenden. Arbeitshemmungen können jedoch auch dadurch entstehen, daß die verschiedenen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Arbeit und zwischen den arbeitenden Menschen zu wenig beachtet werden. Eine morphologische und psychologische Betriebsuntersuchung und Betriebsbehandlung kann derartige Störungsfelder ermitteln und die Wege zu ihrer Beseitigung zeigen. Schließlich können sich fachlich-technische Arbeitshemmungen aus den Einwirkungen der Wohnung und des privaten Milieus auf den Arbeitsbereich ergeben. Einen bedeutsamen Einfluß hat die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, also die Länge des Arbeitsweges und die Art der Beförderung zum Arbeitsplatz. Die körperliche Beanspruchung dafür kann zu einer vorzeitigen Ermüdung besonders bei Jugendlichen und älteren Belegschaftsmitgliedern führen. Unerfreuliche Familienverhältnisse, die Sorge um kranke Familienangehörige usw. können ebenfalls Ursache sein, daß die volle Spann-

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kraft und damit die volle Arbeitsleistung nicht erreicht werden. Die betriebliche Menschenführung sucht daher nicht nur für das Belegschaftsmitglied selbst die besten Verhältnisse und Voraussetzungen zu schaffen, sondern greift auch das Problem der Familienfürsorge auf. In gleicher Weise treten A r b e i t s h e m m u n g e n v o n d e r p e r s ö n l i c h e n u n d v o n d e r m e n s c h l i c h e n S p h ä r e her auf. Hier ist zunächst die Charakteranlage zu erwähnen. Das Zusammenleben der Menschen ist stets mit Spannungen erfüllt, die sich aus den verschiedenartigen Charakteranlagen der einzelnen ergeben. Je mehr Menschen am gleichen Platz, vielleicht auf sehr engem Raum zusammenleben müssen, desto größer können solche Spannungen werden. Dasselbe gilt aber auch für das Zusammenarbeiten vieler Menschen im gleichen Arbeitsraum, im gleichen Betrieb. Früher hat man solche Hemmungen kaum beachtet, heute versucht man derartige Reibungen bewußt organisatorisch zu vermeiden oder mindestens zu verringern. Auch aus den häuslichen Verhältnissen heraus können vorhandene Arbeitshemmungen erklärt werden. Bereits die Erziehungseinflüsse auf den Jugendlichen, ja selbst die Erbanlage, später auch die Lebensbedingungen im Familienkreis des Erwachsenen können sich fördernd, aber auch hemmend auswirken. Oft ergeben sich Spannungen im Arbeitsbereich, die sich nicht aus beruflichem Können oder betriebspädagogischen Fähigkeiten ableiten lassen, sondern aus den privaten Lebenssphären der Beteiligten stammen. Zuletzt wirken sich am Arbeitsplatz und im Betrieb all diejenigen Einflüsse aus, die im gesellschaftlichen Bereich mit Sympathie, Antipathie und ähnlichem bezeichnet werden. Sie sind nicht durch Zwang, Arbeitsordnungen usw. auszuschalten. Die Betriebspsychologie lehrt uns, solche Einflüsse zu finden, zu erklären und als Hemmungen auszuschalten. Sollen durch die betriebliche Menschenführung solche Hemmungen festgestellt und beseitigt werden, dann soll dies nicht heißen, daß sich der Betrieb nur noch aus Einzelpersonen zusammensetzt, von denen jeder für sich betriebsindividuell zu behandeln ist. Dies wäre nach der anderen Seite dieselbe Verkennung des Problems, wie es bisher der Fall war, wenn nur eine kollektive Masse der Belegschaft gesehen wird, die aus jederzeit austauschbaren Menschen besteht. Vielmehr gilt es, die bestehenden Beziehungen zwischen den arbeitenden Menschen und zwischen diesen und ihrer Arbeitsleistung festzustellen und die dabei etwa auftretenden Hemmungen zu beseitigen. So wie sich der einzelne in seine Arbeitsverhältnisse und seine Arbeitsgemeinschaft einzuordnen hat, so muß andererseits der Betrieb als Arbeitsgemeinschaft durch eine richtige Menschenführung dafür sorgen, daß diese Einordnung dem einzelnen möglich und zugleich erleichtert wird. Hat die frühere Personal Verwaltung eine derartige richtige Gestaltung der Verhältnisse dem Zufall überlassen, so will die betriebliche Menschenführung hier z i e l b e w u ß t o r d n e n d eingreifen.

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5. Die Gestaltung der menschlichen Beziehungen Eine wichtige Aufgabe der betrieblichen Menschenführung ist daher die O r d n u n g d e r m e n s c h l i c h e n B e z i e h u n g e n im Betrieb. Hier sind vier organisatorische Möglichkeiten zu erstreben: Die Unterrichtung der Mitarbeiter, Ausbildung und Vorwärtskommen der Mitarbeiter im Betrieb, ein psychologisch richtiges Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen und die Interessenbeteiligung aller Mitarbeiter am Betriebsgeschehen. Erfahrungsgemäß steigt die Leistungsfreudigkeit und Leistungsfähigkeit des einzelnen Arbeiters und Angestellten, wenn er eine Verantwortung für seinen persönlichen Arbeitsbereich und für die eigene Arbeitsleistung verspüren kann. Dies ist aber nur möglich, wenn er auch bei den modernen arbeitsteiligen Betriebs- und Arbeitsverhältnissen die Bedeutung seiner persönlichen Arbeit im Gesamtrahmen des Betriebs beurteilen kann. Eine Reihe betrieblicher Maßnahmen können dies ermöglichen. S o z i a l b e r i c h t e werden an die Belegschaft, besonders an Neueintretende verteilt, in denen die Bedeutung des Betriebs, seine Sozialzusammenhänge und Sozialeinrichtungen usw. geschildert werden. Durch W e r k z e i t s c h r i f t e n wird die Belegschaft regelmäßig auf alles Wissenswerte im Betrieb und über wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge mit der Umwelt unterrichtet. Die Familienmitglieder der Belegschaft können zu B e t r i e b s b e s i c h t i g u n g e n eingeladen werden, um im Rahmen eines Werkfestes mit den Arbeitsbedingungen und derArbeitsstätte desVaters,Bruders, der Mutter, Schwester usw. vertraut zu werden. In regelmäßigen B e t r i e b s v e r s a m m l u n g e n können die leitenden Männer des Betriebs dessen wirtschaftlichen Stand erklären und Fragen aus den Kreisen der Belegschaft beantworten, so über Produktionsverhältnisse, neue Fertigungsverfahren, Umsatzund Marktverhältnisse usw. Damit soll es dem einzelnen möglich sein, über seinen eigenen Arbeitsbereich hinauszusehen und die größeren Zusammenhänge beurteilen zu lernen. Denn Mitwissen ermöglicht Mitverantwortung. Ausbildung und Vorwärtskommen der Mitarbeiter im eigenen Betrieb sollen deren Interesse mit ihrem Betrieb enger verknüpfen. Durch zeitliche und finanzielle Hilfen ermöglicht es der Betrieb, daß sich der einzelne während seiner Berufszeit weiter ausbildet und damit die Möglichkeit erhält, im eigenen Betrieb voranzukommen. Strebsame Menschen sind mit einem Beharrungsvermögen nicht zufrieden. Lohn- und Gehaltsverbesserungen reichen allein nicht, es. muß auch eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und ein Vorwärtskommen innerhalb der Betriebshierarchie möglich sein. Nicht nur die mittlere Führungsschicht kann auf solche Weise aus der Belegschaft ergänzt werden, auch leitende Posten können durch dieses Vorwärtskommen der Belegschaftsmitglieder besetzt werden. Dies hat den Vorteil, daß nicht nur der einzelne Arbeiter und Angestellte einen erhöhten Anreiz für seine persönliche Weiterbildung sieht, daß vielmehr darüber hinaus auch die sozialen Spannungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, zwischen Betriebsleitung und Belegschaft geringer werden.

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Das psychologisch richtige V e r h ä l t n i s z w i s c h e n V o r g e s e t z t e n u n d U n t e r g e b e n e n setzt voraus, daß erstere nicht nur die entsprechenden Fachleute sind, daß diese vielmehr in genügendem Ausmaße auch über die notwendigen betriebspädagogischen Erfahrungen verfügen. In doppelter Weise muß darauf geachtet werden, dieses richtige Verhältnis zu schaffen. Zunächst muß es der Vorgesetzte verstehen bzw. er hat es durch entsprechende Kurse zu lernen, pädagogisch richtig mit seinen Untergebenen umzugehen, ihnen ihre Arbeit verständlich zu erklären, zur richtigen Zeit und Gelegenheit zu loben und zu tadeln, ihnen in seinem eigenen Verhalten ein menschlich wertvolles Beispiel zu sein, stets den subjekthaften Menschen und dessen Menschenwürde im Untergebenen zu achten und zu wahren. Weiterhin muß aber die getroffene Betriebsorganisation dafür sorgen, daß der Arbeitsbereich des Vorgesetzten nicht nur durch fachliche Arbeiten restlos ausgefüllt ist, daß vielmehr bei der Zuteilung der Aufgabenbereiche an die einzelnen Vorgesetzten diesen außerdem eine gewisse Spanne Zeit täglich zur Verfügung steht, um sich der Pflege der menschlichen Beziehungen zu ihren Untergebenen anzunehmen. Die letzte Aufgabe, die menschlichen Beziehungen im Betrieb richtig zu gestalten, besteht darin, eine I n t e r e s s e n b e t e i l i g u n g a l l e r M i t a r b e i t e r a m B e t r i e b s g e s c h e h e n zu erreichen. Hierunter ist nicht nur eine gerechte Entlohnung oder irgendeine Form einer Erfolgsbeteiligung zu verstehen. Darüber hinaus gilt es, die Belegschaft geistig und ideenmäßig an allem zu interessieren, was in den eigenen persönlichen Arbeitsbereich fällt, wodurch der einzelne gleichzeitig wieder die Möglichkeit erhält, durch eigene Initiative seine Arbeit zu erleichtern und sein Einkommen zu erhöhen. Es sind daher neue Fertigungsoder Arbeitsverfahren, neue Organisationsmethoden usw. nicht als vollendete Tatsachen einzuführen; zu erstreben ist vielmehr, solche Änderungen bereits im Stadium der Überlegung und der Planung mit den dafür in Frage Kommenden zu besprechen, vielleicht mit diesen gemeinsam zu entwickeln. Zweck solcher Bemühungen muß sein, eine geistige Einheit zwischen dem Denken der Mitarbeiter und den Geschicken und Interessen des Betriebes herbeizuführen. Mit dieser vierten Lösung, im Bereich der betrieblichen Menschenführung die menschlichen Beziehungen im Betrieb zu festigen, ist der Ring geschlossen, der mit der ersten Lösung, der Unterrichtung der Mitarbeiter, begonnen wird, Ausbildung und Vorwärtskommen und das richtige Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen einschließt. Mit diesen Bemühungen soll im Rahmen der Betriebsorganisation ein wesentlicher Bestandteil aller Menschen aktiviert werden, der bisher in der Wirtschaft noch wenig beachtet worden ist: d e r G e i s t d e s M e n s c h e n . Der Robotermensch, der als Glied einer mechanisierten Arbeitsweise und als Objekt der Rationalisierungsmaßnahmen austauschbar geworden ist, wird wieder zu dem, was er von Natur aus ist: zu einem Menschen aus Körper und Geist. Bei diesen Bestrebungen zeigt sich besonders deutlich die Weiterentwicklung, die sich von der früheren Personalverwaltung zur betrieblichen Menschenführung ergibt.

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6. Die Grundsätze der Menschenführung in der Betriebsorganisation Zur Menschenführung im Betrieb genügt es nicht, nur über die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse zu verfügen. Darüber hinaus ist es notwendig, sich mit allen einschlägigen Fragen der Psychologie und der Soziologie vertraut gemacht zu haben. Erst wenn sich dies alles vereinigt hat, dann besteht die Möglichkeit, die Grundsätze einer richtigen Menschenführung im Betrieb auch in dessen organisatorischen Maßnahmen zu verankern. Damit ergibt sich ein weiteres Gebiet, das aus dem ursprünglichen Bereich der Personalverwaltung hinausführt. Von den vielen Möglichkeiten, die somit der betrieblichen Menschenführung gegeben sind, seien im folgenden nur wenige Beispiele angeführt. Bereits im vorausgehenden Abschnitt sind solche organisatorischen Lösungen gezeigt worden, soweit sie sich auf die Ordnung der menschlichen Beziehungen im Betrieb erstrecken. Darüber hinaus gilt es aber, auch die Anwendungsbereiche der gesamten übrigen Betriebsorganisation zu beachten. Zunächst sei auf die Bedeutung der B e t r i e b s o r d n u n g hingewiesen. Diese regelt die Arbeitsverhältnisse und die Arbeitsordnung, wie es notwendig ist, wenn viele Menschen arbeitsteilig zusammenleben und sich in die Gemeinschaft einzuordnen haben. Meist enthalten solche Betriebsordnungen die notwendigen äußeren Ordnungsgrundsätze, so Verhaltungsregeln, Rauchverbote, Sprechoder Unterhaltungsverbote oder es wird das Verfahren der Löhnung, der Beschwerdeweg und ähnliches geregelt. Mit all diesem erfaßt die Betriebsordnung das Verhältnis des einzelnen zur Arbeit. Darüber hinaus kann aber die Betriebsordnung auch das Zusammenleben der Menschen am gleichen Arbeitsplatz regeln. Dabei sind die einzelnen Mitarbeiter als Subjekt anzusprechen, sie dürfen nicht als Befehlsempfänger dargestellt werden. Ansatzpunkte zu einer solchen menschlichen Abstimmung der Betriebsordnung, um die Belegschaft zu verantwortungsbereiten Mitarbeitern werden zu lassen, sind beispielsweise Angaben über die Rechte der einzelnen an ihrem Arbeitsplatz, gegenüber Gleichgestellten, Untergebenen und Vorgesetzten, über die Verantwortung des einzelnen vor dem Betriebsganzen usw. Denn Pflichten können nur erfüllt werden, wenn es auch Rechte gibt. Der einzelne kann sich als Subjekt im Betriebsganzen nur angesprochen fühlen, wenn er seinen Verantwortungsbereich kennt und diesen geschützt sieht. Auf solche Weise wird die Betriebsordnung auf einen positiven Ton gestimmt, das negative Verbot tritt in den Hintergrund. Als zweites Beispiel sei die menschliche B e t r e u u n g N e u e i n t r e t e n d e r gebracht. Die sachliche Form seitens der Personalverwaltung besteht in der korrekten Entgegennahme der Arbeitspapiere, Aushändigen der Arbeitsordnung und Einweisung an den zuständigen Arbeitsplatz. Der neueintretende Arbeiter muß sich oft seinen neuen Meister selbst suchen oder er wird durch einen Laufboten an seinen neuen Arbeitsplatz gebracht. Nur selten erfolgt eine voraus5

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gehende Einführung in den neuen Arbeitsbereich und ein persönliches Bekanntmachen mit den neuen Mitarbeitern. Dies findet sich häufiger bei Angestellten. Dann jedoch wird der Neueingestellte meist seinem eigenen Schicksal überlassen. Bei der betrieblichen Menschenführung dagegen muß neben dieser sachlichen Erledigung eine menschlich ansprechende Form gefunden werden. Wegen eines Neueintretenden soll keineswegs eine Betriebsfeier veranstaltet werden. Es hat sich aber beispielsweise beim Arbeitsbeginn eines neuen Lehrlingsjahrganges ganz zweckmäßig erwiesen, hier gewisse menschlich ansprechende, feierliche Formen zu wählen, vielleicht eine Begrüßung durch den Personalleiter, eine anschließende Betriebsbesichtigung usw. Darüber hinaus erhalten neueingestellte Jugendliche für eine gewisse Zeit einen besonderen Betreuer aus den Reihen der älteren Belegschaftsmitglieder, der den „Neuen" langsam in die ihm zunächst ganz fremde Lebensform einführt. Manche Betriebe kennen einen solchen Betreuer auch für neueingestellte ältere Arbeiter und Angestellte, um ihnen das Einleben in eine neue menschliche Umgebung zu erleichtern. Ebenso ist auch bei Älteren das persönliche Einführen durch den Personalleiter in die Betriebsverhältnisse und in die neue Arbeitsumgebung zu finden. Durch eine solche Ausgestaltung der Betreuung Neueintretender soll erreicht werden, daß sich dieser nicht als Nummer in der Betriebsorganisation, sondern persönlich behandelt fühlt. Als letztes Beispiel aus diesem Bereich der Menschenführung sei auf die Vertretung bei Krankheit, Urlaub usw. hingewiesen. In den meisten Fällen ist die Vertretung von oben nach unten geregelt, also der jeweilige Vorgesetzte oder mindestens einer der gleichgestellten Mitarbeiter übernimmt zu seinen eigenen Aufgaben vorübergehend den Tätigkeitsbereich dessen, der krank oder in Urlaub ist. Warum sollte jedoch nicht auch einmal eine V e r t r e t u n g von u n t e n n a c h o b e n möglich sein, warum sollte nicht ein tüchtiger Vorarbeiter vorübergehend die Funktion des kranken oder in Urlaub befindlichen Meisters übernehmen können! So kann er sich in den Aufgabenbereich eines Meisters einarbeiten und beweisen, ob und daß er sich für einen Meisterposten eignet, wenn ein solcher im Betrieb frei wird. Auch im kaufmännischen Bereich des Betriebes ist eine solche Vertretung von unten nach oben möglich. Auf diese Weise erlaubt die betriebliche Menschenführung dem einzelnen und ermöglicht es diesem, in höhere Aufgabenbereiche hineinzuwachsen, er wird damit im Betrieb gehalten. Strebsame, tüchtige Menschen werden nicht gezwungen, sich anderswo ein neues Betätigungsfeld zu suchen. Diese drei Beispiele sind bewußt aus dem Bereich derPersonalverwaltung gewählt, sie sind auch für diese gegebene Organisationsaufgaben. Diese Beispiele sollten jedoch zeigen, mit welch neuen Überlegungen die betriebliche Menschenführung diese altbekannten Aufgaben zu lösen hat. Dadurch wird wieder deutlich, in welcher Weise sich letztere von ersterer unterscheidet und in welcher Richtung sich die Menschenführung über die reine Personalverwaltung hinausentwickelt. Es ist daher notwendig, daß alle diejenigen, welche diese neuen Aufgaben zu lösen haben, auch mit den bereits gezeigten erweiterten Kenntnissen ausgestattet sind.

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Dies äußert sich besonders deutlich noch an dem letzten Beispiel für solche erweiterten Aufgaben, das in diesem Aufsatz dargestellt werden soll. Die in einem Betrieb vorhandene innerbetriebliche Meinung mit ihren zwischenmenschlichen Beziehungen, woraus sich das Betriebsklima ergibt, können seitens des Betriebes aktiv und positiv gestaltet werden. Die betriebliche Menschenführung hat daher in dieser Hinsicht ebenfalls erweiterte Aufgaben gegenüber der früheren Personalverwaltung. Die verschiedenartigen Maßnahmen, die in dieser Hinsicht getroffen werden können, werden als i n n e r b e t r i e b l i c h e W e r b u n g angesprochen. Diese Bezeichnung ist nicht günstig, denn zu gerne wird man dabei verleitet, zu glauben, die Methoden und Mittel der außerbetrieblichen Absatzwerbung unverändert auf die innerbetrieblichen Belegschaftsverhältnisse übertragen zu können. Auf diese Weise würde jedoch viel Schaden angerichtet. Die innerbetriebliche Werbung um den Menschen will zweierlei erreichen. Zunächst soll dafür gesorgt werden, daß das bereits geschaffene Vertrauen einer echten Betriebsgemeinschaft wach und lebendig bleibt, daß Maßnahmen der Betriebsleitung, des Betriebsrates, aber auch der Belegschaft selbst richtig in diesem Sinne verstanden und gewürdigt werden. Es gilt jedoch darüberhinaus, die bereits geschaffene Verbindung zwischen Betrieb und Belegschaft zu vertiefen und besonders für neue Aufgaben, wie sie die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse und des gesamten Aufgabenbereiches des Betriebes mit sich bringt, das notwendige Verständnis aller zu wecken. Denn Vertrauen und Verantwortung kann stets nur dann erwartet und erwiesen werden, wenn das notwendige Wissen vorausgeht. Auch die einzelnen Belegschaftsmitglieder sind Menschen mit all ihren subjektiven Beeinflussungen. Werden die Belegschaftsmitglieder nur von ihrer außerbetrieblichen Umwelt beeinflußt, vielleicht in einer betriebsfeindlichen Einstellung, dann muß auch eine bereits vorhandene Betriebsgemeinschaft auf die Dauer wieder gelockert und schließlich ganz zerstört werden. Daher muß die betriebliche Menschenführung mit all den verschiedenen Mitteln der Gestaltung der innerbetrieblichen Meinung und Beziehungen, so durch Aufklärungsversammlungen und Auskunftserteilung seitens der Betriebsleitung und des Betriebsrates, durch Werkzeitschriften, Gemeinschaftsveranstaltungen (Betriebsfeste, Sport usw.), durch die Förderung des betrieblichen Vorschlagwesens und Aufstiegsmöglichkeiten und durch eine irgendwie gestaltete Erfolgsbeteiligung der Belegschaft im Sinne der innerbetrieblichen Werbung tätig sein. Sie muß dafür sorgen, daß stets ein lebendiges Interesse der Belegschaft für die Belange des Betriebes vorhanden ist und vorhanden sein kann, für alle erfreulichen, aber auch für die immer wieder auftauchenden unerfreulichen Geschicke des Betriebes, nicht zuletzt auch für die in Zukunft zu planenden, notwendigen Maßnahmen.



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7. Zweck der betrieblichen Menschenführung Alle Bemühungen der betrieblichen Menschenführung werden ohne besonderen Erfolg bleiben, wenn sie nicht von entsprechenden M a ß n a h m e n d e r b e t r i e b l i c h e n S o z i a l p o l i t i k begleitet sind. Denn der arbeitende Mensch will nicht nur von Plänen und Versprechungen hören, sondern auch sehen, daß diese, so gut wie nur immer möglich, eingelöst werden. Es gilt, die s o z i a l e G e r e c h t i g k e i t im Betriebe praktisch wirksam werden zu lassen. So muß dafür gesorgt sein, daß im Betrieb gerechte Löhne und Arbeitsbedingungen sowie gerechte Arbeitsverhältnisse bestehen. Jeder Mitarbeiter, gleichgültig an welcher Stelle der Betriebshierarchie er steht, muß wissen, daß er an seiner Arbeitsstätte gerecht behandelt wird. Darüber hinaus muß die betriebliche Sozialpolitik darum bemüht sein, daß durch die notwendige Wartung der Arbeitsräume, daß durch Arbeitsweisen und Arbeitseinflüsse Gesundheit und Arbeitsethik der einzelnen Arbeiter und Angestellten geschützt sind. Weiterhin ist für die kranken und alten Belegschaftsmitglieder zu sorgen, dies darf nicht ausschließlich der staatlichen Sozialversicherung überlassen bleiben, auch der Betrieb muß entsprechend seiner wirtschaftlichen Lage sich an dieser Aufgabe beteiligen. Schließlich muß sich die betriebliche Sozialpolitik möglichst auch auf die Familienmitglieder der Mitarbeiter im Betrieb erstrecken. Wie weit bei all diesen an sich notwendigen Maßnahmen im Einzelfall ein Betrieb mit seiner betrieblichen Sozialpolitik gehen kann, wird jedoch sehr stark abhängen von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, von seiner Marktstellung und von seiner Ertrags- und Gewinnlage. Daher sind die Maßnahmen der betrieblichen Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht voneinander zu trennen. Die betriebliche Menschenführung bedeutet somit in Verbindung mit der betrieblichen Sozialpolitik, die erst die notwendigen Voraussetzungen für das geeignete Betriebsklima schaffen muß, viele neue Aufgaben, denen sich der Unternehmer, die bisherige Personalverwaltung, der Betriebsrat und jeder einzelne aus der Belegschaft gegenübergestellt sieht. Jeder einzelne im Betrieb ist in dieser Hinsicht zu aktivieren, seine objekthafte Rolle muß in eine S u b j e k t h a f t e M i t v e r a n t w o r t u n g umgewandelt werden. An dieses neue Denken und Handeln müssen sehr viele jedoch erst gewöhnt werden, denn früher wurde dies wenig beachtet. Besonders sind innerhalb der Belegschaft alle diejenigen zu suchen, die sich für irgendwelche Aufgaben der betrieblichen Menschenführung eignen. Denn diese ist nicht eine Angelegenheit der Betriebsleitung allein, sondern muß in allen Kreisen der Mitarbeiter des Betriebes geübt werden. Das büromäßige Arbeiten der Personalverwaltung reicht für die Bewältigung dieser Aufgabe nicht aus. Die betriebliche Menschenführung ist daher ein Grundsatz, der für alle Belegschaftsmitglieder gilt, ein nur passives Verhalten würde dem Zweck dieser neuen Aufgabenstellung widersprechen. Nicht alle Betriebe werden aber bereits von Anfang an unter ihren Mitarbeitern in genügender Zahl diejenigen finden, welche bei der betrieblichen

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Menschenführung tätig sein müssen. Dies gilt vor allem für die Stelle im Betrieb, die diese Erweiterung gegenüber der früheren Personalverwaltung betreiben muß. Denn dazu gehört, wie bereits erwähnt worden ist, ein reiches Maß von Erfahrungen auf den Gebieten der Betriebswirtschaft, der Psychologie und der Soziologie, um die verschiedenen notwendigen betriebsorganisatorischen und sonstigen Maßnahmen der Menschenführung einleiten und durchführen zu können. So werden manche Betriebe gezwungen sein, bei der ersten Gestaltung der betrieblichen Menschenführung sich einmalig oder laufend der Hilfe besonderer Fachleute, der S o z i a l b e r a t e r , zu bedienen. In keinem Anwendungsbereich darf die betriebliche Menschenführung einer uninteressierten Belegschaft aufgezwungen werden, vielmehr müssen sich die notwendigen Erkenntnisse und Maßnahmen aus der Belegschaft und aus der inneren Betriebsstruktur von selbst entwickeln. Denn die erwachsenen Menschen, und um solche handelt es sich doch durchweg bei der betrieblichen Menschenführung, können nicht wie Kinder erzogen werden. Daher wird auch nicht von einer betrieblichen Erziehung, sondern von einer Menschenführung gesprochen. Ein jeder muß daran aktiv beteiligt sein. Er muß um deren Sinn und Zweck wissen, damit er mit seinem eigenen Willen bereit ist, mitzuhelfen. Zweck der betrieblichen Menschenführung ist somit, im gesamten Betriebsbereich die M e n s c h e n w ü r d e und den P e r s ö n l i c h k e i t s w e r t derMenschen zu suchen und zu stärken. Nicht bei jedem wird diese Aufgabe der betrieblichen Menschenführung gelöst werden können, nicht alle Menschen haben die innere Bereitschaft, sich zur Persönlichkeit zu entwickeln. Doch müssen alle betriebsorganisatorischen Maßnahmen so geplant und ausgeführt werden, daß sich damit der Zweck der betrieblichen Menschenführung verbinden läßt, wenn die dafür bereiten Menschen vorhanden sind: Subjekt und nicht Objekt zu sein. Alle diese Bemühungen gipfeln letztlich in dem Bestreben, der Vermassung als der drohenden Zeitkrankheit auch vom Betrieb her entgegenzutreten und dafür zu sorgen, daß sich innerhalb des arbeitsteiligen Betriebslebens jeder einzelne Mitarbeiter als Mensch finden kann, daß er von jedem seiner Mitarbeiter auch innerhalb seines Arbeitsbereiches und seiner Arbeitszeit als Persönlichkeit geachtet wird. Es ist vor allem durch die organisatorischen Maßnahmen des Betriebes und durch das vorhandene Betriebsklima zu ermöglichen, was die Menschenführung im Betrieb erstrebt. Dann wird das notwendige Verantwortungsgefühl, die Arbeitsfreude und damit auch die notwendige Arbeitsleistung aller vorhanden sein und lebendig bleiben. Schließlich werden durch diese Maßnahmen auch die Erfolgs- und Gewinnlage des Betriebs günstig beeinflußt, zudem diese neuen Maßnahmen der betrieblichen Menschenführung mit verhältnismäßig wenig Kosten durchgeführt werden können. Die richtige Menschenführung im Betrieb läßt in jedem Mitarbeiter den Menschen als Subjekt in der Arbeit finden und als Persönlichkeit tätig sein.

Zur Reform des Aktiengesetzes Von Prof. Dr. phil. Dr.-Ing. W a l d e m a r K o c h , Technische Universität Berlin Inhalt A. Entwicklung des Aktienrechtes und des Aktienwesens. B. Die nötigen Reformen. 1. 2. 3. 4. 5.

Machtverteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären. Mitbestimmungsrecht. Miteigentum oder Gewinnbeteiligung. Kleinaktien. Jahresabschluß. a) Bezeichnung und Reihenfolge. b) Gliederung der Vermögensrechnung. c) Gliederung der Erfolgsrechnung. d) Stille Reserven. — Selbstfinanzierung. 6. Prüfungspflicht. 7. Abschlußprüfer. — Wirtschaftsprüfer. 8. Die Bearbeitung der Reform.

Von den Unternehmungsformen steht diejenige der Aktiengesellschaft, wenn nicht nach der Zahl der sich ihr bedienenden Unternehmungen, so doch nach der Bedeutung für Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Weltwirtschaft bei weitem voran. Betrachten wir auch nur die deutsche Wirtschaft, so sehen wir, daß fast alle großen Unternehmungen, alle diejenigen, die in der deutschen Wirtschaft eine Rolle spielen, alle, die Weltgeltung besitzen, sich dieser Rechtsform bedienen, wenn man von den wenigen Gesellschaften absieht, die sich der Abart der Kommanditgesellschaft auf Aktien bedienen. Es kann dies auch gar nicht anders sein, denn nur durch eine Heranziehung von zahlreichen großen und kleinen Kapitalisten ist es möglich, hinreichend Kapital für große oder gar für Riesenunternehmen zusammenzubringen. Aber auch bei weniger großen Aufgaben dient diese Form dem unternehmerischen Geist, dem es an hinreichendem Kapital fehlt und der daher das erforderliche Kapital bei solchen Kapitalbesitzern sucht, die geneigt sind, es in Unternehmungen verantwortlich arbeiten zu lassen, ohne selbst Unternehmer zu werden. Wenn nun aber die Form der Aktiengesellschaft dazu dienen soll, verantwortliches Kapital heranzuziehen, so muß sie ihrer Konstruktion nach geeignet sein, den Forderungen

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und Interessen derjenigen gerecht zu werden, die den Kreis der Gesellschafter bilden sollen. Das gilt hinsichtlich der Organisation, die das Gebilde arbeitsfähig machen soll, des Vertrauens, das sie bei den kapitalgebenden Gesellschaftern, den Aktionären finden muß, des Einblickes und des Einflusses, der ihnen gewährt wird. Aber es sind nicht nur die Aktionäre, die interessiert sind. Zu ihnen gesellen sich die außenstehenden Geldgeber, die Obligationäre, die Kreditinstitute, die kreditierenden Lieferanten. Auch der Kreis der in einem Unternehmen Tätigen ist an ihm immer auf das höchste interessiert, denn hier liegt ihre Existenz, ihr Schicksal, ihre Gegenwart und ihre Zukunft. Schließlich kann, nachdem die Aktiengesellschaften das Rückgrat der Wirtschaft bilden, der Staat nicht an ihnen und ihrer Gestaltung vorübergehen.

A. Zur Entwicklung des Aktienrechtes Wenn wir die heutige Konstruktion der AG und des Aktienwesens und ihre Reformbedürftigkeit betrachten wollen, so erscheint es mir angebracht, zunächst einmal aufzuzeigen, wie die gegenwärtige Form, festgelegt im Aktiengesetz von 1937, entstanden ist. Dabei beschränke ich mich auf die deutsche Gesetzgebung. Sie ist in ihrem Werden bestimmt durch die lebhafte Entwicklung der Wirtschaft und der Wirtschaftsbetriebe im 19. Jahrhundert, der Industrie, des Handels, der Eisenbahnen usw. So betraf die erste Regelung im ganzen das Recht der Eisenbahnen durch das preußische Gesetz vom 3. November 1838. Die erste allgemeine Rechtsetzung für die AG erfolgte durch das preußische Gesetz vom 9. November 1843. Aber noch immer wurde die AG als eine öffentliche Körperschaft behandelt, die einer staatlichen Genehmigung bedurfte und staatlicher Aufsicht unterstand. Das galt wenigstens für Preußen, während in deutschen Einzelstaaten mit intensiverer Wirtschaft wie in Bremen und Hamburg auch die ungenehmigte AG anerkannt wurde. In der heutigen Zeit, in der die einzelnen Teile Deutschlands durch äußere Gewalt auseinandergerissen sind und getrennt gehalten werden, ist es interessant zu sehen, wie vor einem Jahrhundert die damals auch nur locker im Deutschen Bund zusammengeschlossenen deutschen Länder die Schwierigkeiten des Einzelstaatentums hinsichtlich der Vielfältigkeit der Gesetzgebung überkamen. Am 18. Dezember 1856 beschloß auf Antrag Bayerns der Deutsche Bundestag, eine Konferenz zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches anzuregen. Auf Grund dieser Einladung wurde die „Nürnberger Kommission" einberufen, die nun in jahrelanger Arbeit (1857—1861) den Entwurf eines Handelsgesetzbuches schuf, das auch die Verhältnisse der AG regelte. Zwar besaß der Bundestag keine Gesetzgebungsgewalt; er empfahl aber den deutschen Staaten die Annahme des Entwurfes. Die meisten Staaten haben ihn auch unverändert oder mit geringen Änderungen durch Landesgesetz eingeführt, so Preußen 1861. Auf den Bund folgte der fester gefügte Norddeutsche Bund, der das HGB durch Beschluß vom 5. Juni 1869 zum Bundesgesetz erhob. Nachdem dann

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am 18. Januar 1871 das Deutsche Reich entstanden war, wurde das HGB durch Reichsgesetz vom 16. April 1871 im Reichsgebiet außer Bayern eingeführt, dann für Bayern durch RGes. vom 22. April 1871, für Elsaß-Lothringen durch RGes. vom 19. Juni 1872, für das an Deutschland zurückgegebene Helgoland durch Verordnung vom 22. März 1891. Inzwischen war aber der das Aktienrecht behandelnde Teil zweimal geändert worden. Zunächst durch das Gesetz vom 11. Juni 1870, das die AG von der Pflicht der Konzessionierung und der Staatsaufsicht befreite. Statt dessen schuf man Normativbestimmungen, die dem Schutze von Aktionär und Gläubiger dienen sollten. Die wirtschaftliche E n t w i c k l u n g n a c h d e r G r ü n d u n g des D e u t s c h e n R e i c h e s brachte große Bewegungsmöglichkeiten, einen sehr aufnahmefähigen Kapitalmarkt sowie eine Unternehmungslust, die manchmal weiter ging als die ihr obligatorisch zuzugesellende Vorsicht und Voraussicht. Gerade die Unternehmungsform der AG bietet große Möglichkeiten in positiver und negativer Hinsicht. Kein Wunder, daß sie in Zeiten der Hochkonjunktur gelegentlich mißbraucht wird, sei es von Gründern, sei es von ihren verant» wortlichen Organen. Wir sprechen für die Zeit nach 1870 von „Gründerjahren" und meinen die sich bald ergebende Krise oder doch den Zusammenbruch einer Anzahl von leichtfertig errichteten und betriebenen AG's. Dafür wurde nun mit Recht oder Unrecht das Aktiengesetz verantwortlich gemacht, und hier ergab sich zum ersten Male der Ruf nach einer Reform in der Richtung erschwerender Vorschriften. Es brauchte aber ein Jahrzehnt, bis am 18. Juli 1884 ein neues Aktiengesetz kam, das insbesondere den Gründungshergang strenger regelte. Eine Neuschaffung des HGB wurde durch die einheitliche Gestaltung des bürgerlichen Rechts erforderlich. Mit dem BGB mußten die Bestimmungen des HGB in Einklang gebracht werden. Als im Juli 1896 das BGB vom Reichstag angenommen wurde, übergab man auch den ersten Entwurf des neuen H GB der Öffentlichkeit. Er wurde auf Grund der umfangreichen Erörterungen umgearbeitet, dann dem Reichstage vorgelegt, von ihm einer Kommission zur Durchberatung übergeben, dann mit nicht unerheblichen Änderungen angenommen und nach Erteilung der Zustimmung des Bundesrates am 21. Mai 1897 verkündet. In dieses HGB wurden die Bestimmungen des Aktiengesetzes vom 18. Juli 1884 im wesentlichen übernommen. Während dreier Jahrzehnte ist dann mit diesem Gesetz gearbeitet worden. Nur vorübergehend gab es während des ersten Weltkrieges eine Genehmigungspflicht für die AG mit mehr als 300000 Mark Grundkapital. Aber schon weit vorher fehlte es nicht etwa an einer Kritik des Aktiengesetzes und der AG. Ich erinnere mich des in der Öffentlichkeit von S c h m o l l er gemachten Vorschlages (1906), bei den ganz großen Aktiengesellschaften dem Staat das Recht einzuräumen, einen Vertreter als Mitglied in den Aufsichtsrat zu entsenden. Ich habe, damals noch Student, ihm gegenüber in einer Seminardebatte die Wirksamkeit einer solchen Regelung angezweifelt, worauf Schmoller erklärte, daß er dabei an Personen von Ministerrang denke, die sich durchzusetzen

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wissen würden. Man vergleiche damit das heutige Verlangen, den Aufsichtsrat etwa zur Hälfte aus Mitgliedern der Gewerkschaften und der Belegschaft zusammenzusetzen. Die a u f d e n e r s t e n W e l t k r i e g f o l g e n d e E n t w i c k l u n g , die bis 1923 durch die Inflation bestimmt wurde, brachte jedenfalls einen sehr stürmischen Markt der Aktien, die Tendenz zur Flucht in die Sachwerte, der gerade die A G sich willig darbot, die Verwässerung des Grundkapitals, die dann 1924 durch die Goldmarkeröffnungsbilanz korrigiert wurde. Diese Korrektur fiel aber sehr verschieden aus. W e r an die Notwendigkeit dachte, auf das ausgewiesene Grundkapital angemessene Dividenden zu verteilen, stellte niedrig u m ; wer mehr die Möglichkeit schätzte, durch hohe Abschreibungen Steuern zu sparen, wies hohe W e r t e aus. Zum mindesten bei den letzteren Gesellschaften schrumpften mit den Dividenden die Kurse. E s ergab sich im ganzen ein bewegter Aktienmarkt und vielfach ein starker Wechsel innerhalb des Aktionärkreises. Der Vermögensverfall in und nach der Inflation führte dann vielfach zum Verkauf der Aktien. Andere glücklicher Situierte, Konjunkturgewinnler, kauften Aktien auf, sogar ganze Majoritäten, und so konnte es z. B . die bis dahin von der Deutschen B a n k geführte Shantung Bergbau erleben, daß sich erst in der Generalversammlung herausstellte, daß Eigentum und Macht, ohne daß man etwas geahnt hatte, stillschweigend über K a u f an der Börse in andere Hände gelangt waren und nun die bisherige Verwaltung einfach an die L u f t gesetzt wurde und man sich so der Gesellschaft bemächtigte. Damals wurden die M e h r s t i m m r e c h t s a k t i e n geschaffen, die gegen derartige Entfremdungen schützen sollten. Zu schützen waren die A G selbst und die über die Vorgänge nicht genügend orientierten Aktionäre. Zum mindesten die letzteren kamen aber vom Regen in die Traufe, denn die Mehrstimmrechtsaktien kamen nun vorzugsweise in die Hände der Verwaltung, von Großaktionären oder von Banken, die der Verwaltung nahestanden und fast immer mit ihr stimmten. In der Generalversammlung war es nun den Inhabern der Vorzugsaktien leicht, ihren Willen gegenüber den „außenstehenden" Aktionären durchzusetzen und die A G auch mit relativ wenig Kapital zu beherrschen. J a , es kam gelegentlich soweit, daß, wenn zum Schutze gegen Überfremdung durch ausländisches Kapital Mehrstimmrechtsaktien geschaffen worden waren, von desinteressierten Großaktionären dann nicht nur Pakete von Aktien zu guten Preisen an ausländische Kapitalisten oder Konkurrenzgesellschaften verkauft wurden, sondern obendrein noch die Mehrstimmrechtsaktien. Man kann der Statistik entnehmen, daß bis 1928 rd. 5 0 % der deutschen Aktiengesellschaften sich dieses Beherrschungsinstrument geschaffen haben, vermittels dessen man sich mit nur 2 , 7 % des Kapitals 2 9 , 6 % der Gesamtstimmen verschafft h a t t e 1 ) , die bei der weitgehenden Abwesenheit der Aktionäre in der Hauptversammlung genügten, die letzteren zu majorisieren. *) Erich Weiter, Erneuerung des Aktienrechts! Frankfurter Sozietäts-Druckerei GmbH. 1929. S. 12.

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Man mißbrauchte die Unternehmungsform der AG, man mißbrauchte auch •den Aktionär, den Eigentümer der Gesellschaft, indem man ihm die Erträgnisse z. T. vorenthielt, um sie zur Deckung des eigenen Kapitalbedarfs, also zur Zwangsinvestierung (Selbstfinanzierung) zu verwenden, in anderen Fällen aber nur, um den eigenen Machtbereich zu erweitern, die Majoritäten anderer Gesellschaften zu erwerben usw. „Doch jede Schuld rächt sich auf Erden." Bei den deutschen Aktionären trat eine starke Enttäuschung ein. Wer über Kapital verfügte, suchte Anlage in anderer Richtung, oft sogar im Ausland, ohne daß es dort besser aussehen mochte. Bücher, damals Vorsitzender des Vorstandes der AEG, kennzeichnete 1929 bei der Begründung der Überlassung von Aktien an die amerikanische General Electric Company die Situation wie folgt: „Das in Deutschland vorhandene Kapital ist für heimische Werte investitionsmüde". Drastischer drückte sich Fürstenberg, Geschäftsinhaber der Berliner Handelsgesellschaft, Meister des beißenden Humors aus: „Der Aktionär ist dumm und frech! Dumm, weil er Aktien kauft, frech, weil er auch noch Dividenden verlangt". Kein Wunder, daß der Ruf nach Reformen laut wurde. Als im September 1926 der 34. J u r i s t e n t a g in Köln abgehalten wurde, stand an sich nur eine Einzelfrage zur Debatte: „Soll bei einer zukünftigen Reform des Aktienrechts «ine Annäherung an das englisch-amerikanische Recht in grundlegenden Fragen stattfinden ?" Die Diskussion leuchtete aber in die ganze Problematik des Aktienwesens hinein. Man beschloß aus Mitgliedern des Juristentages eine Kommission mit dem Rechte der Kooptation zu bilden, die beauftragt wurde, „die Frage einer etwaigen Reform des deutschen Aktienrechts zu prüfen". In diese Kommission wurden u. a. Schmalenbach, Geiler und Hachenburg gewählt. Man beschloß in eine Prüfung des gesamten Aktienrechts einzutreten. Zu ihrer Durchführung wurde der Stoff auf eine Anzahl von Unterausschüssen wie folgt verteilt: 1. Gründung der Aktiengesellschaft, insbesondere Revision der Gründung, qualifizierte Gründung und Nachgründung, Unanfechtbarkeit der Zeichnungserklärungen, R e g e l u n g der Einzahlung. 2 . Die Kapitalbasis der Aktiengesellschaft: a) ziffernmäßige B e s t i m m u n g des Grundkapitals u n d der Aktien, Unterpariemission ; b) Erleichterung der K a p i t a l b e s c h a f f u n g bei Gründung u n d K a p i t a l e r h ö h u n g e n , insbesondere N o t w e n d i g k e i t der Zeichnung sämtlicher A k t i e n vor Gründung und Kapitalerhöhung, Bezugsrecht. 3. Organisation der V e r w a l t u n g der Aktiengesellschaft (Vorstand und A u f s i c h t s r a t , H a f t u n g u n d Kontrolle). A. Generalversammlung u n d Stimmrecht, insbesondere Vorzugsaktien, A k t i e n und Legitimationszession.

stimmlose

5. Schutz der Aktionäre und des U n t e r n e h m e n s , Minderheitsrecht, N i c h t i g k e i t u n d Anfechtbarkeit v o n Generalversammlungsbeschlüssen, Maß der A u s k u n f t s p f l i c h t und Publizität. 6. Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung,

Gewinnverteilung.

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7. Einwirkung der wirtschaftlichen Konzentration auf das Aktienrecht (Interessengemeinschaften, Fusionen, Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen usw.). 8. Aktiengesellschaft und öffentliche Hand, insbesondere gemischtwirtschaftliche Gesellschaften.

Die Kommission arbeitete mehr als ein Jahr und erstattete dann 1928 ihren Bericht 2 ), der sehr vorsichtig, um nicht zu sagen konservativ, abgefaßt war. Bezeichnend ist, daß der Vorschlag, nach dem Vorbild des englischen Rechts auch in Deutschland die P r ü f u n g d e r B i l a n z e n der AG durch Revisoren gesetzlich vorzuschreiben, von der Mehrheit der Kommission a b g e l e h n t wurde. Die Prüfung würde nur einen formalen Charakter haben, bei großen Gesellschaften viele Monate dauern und eine ungeheure Belästigung der Unternehmen bedeuten. Die spätere Entwicklung hat gezeigt, wie abwegig diese Einstellung und wie übertrieben zaghaft diese Stellungnahme waren. Denn schon zeigten sich im deutschen Aktienwesen nicht nur Mißbräuche, sondern z. T. auch eine gewisse Fäule, mochte sie auch noch nicht an die Oberfläche getreten sein. Man sah aber in den sichtbar gewordenen Schäden mehr das Ergebnis besonderer Zeitverhältnisse als das von strukturellen Fehlern im Aktienrecht. Einstweilen lief die Wirtschaft auf Hochtouren, und der New Yorker Schwarze Freitag, der die Konjunkturwende brachte, stand noch bevor. Auch das R e i c h s j u s t i z m i n i s t e r i u m trat nun der Frage einer Reform näher. 1929 versandte es Fragebogen, die mit außerordentlicher Sorgfalt aufgestellt worden waren. Die 720 Fragen und die Problembehandlung bezogen sich auf die folgenden Einzelgebiete: 1. 2. 3. 4. 5.

Gründung Kapitalbasis Organisation und Verwaltung Generalversammlung — Stimmrecht Schutz der Aktionäre und des Unternehmens — Maß der Auskunftspflicht — Publizität 6. Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung — Gewinnverteilung 7. Einwirkung der wirtschaftlichen Konzentration auf das Aktienrecht 8./9. Aktiengesellschaft und öffentliche Hand, Kommanditgesellschaft a. A

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10 Seiten 14 Seiten 12 Seiten 3 Seiten 87 Seiten

Aus dem vermutlich eingegangenen wertvollen Material sind Konsequenzen erst gezogen worden, als das Nachlassen der Konjunktur und der Verfall der Börsenkurse sich auszuwirken begannen. Insbesondere waren es drei Fälle, die zeigten, wie hoch angesehene, ja bewunderte große Unternehmungen, Aktiengesellschaften auf tönernen Füßen standen. Den Anfang machte die Frankfurter Allgemeine Versicherungsgesellschaft. Ihr folgte die Schultheiss-Brauerei AG. Den Reigen schloß die Norddeutsche Wollkämmerei. In allen Fällen waren große Verluste durch falsche Bilanzen verschleiert worden. Am verhängnisvollsten war der Fall der Nordwolle, da dieses Unternehmen bei nahezu allen 2 ) Bericht der durch den 34. Juristentag zur Prüfung einer Reform des Aktienrechts eingesetzten Kommission. J. Bensheimer, Mannheim 1928.

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deutschen Großbanken Riesenkredite aufgenommen hatte, um ihre Expansion, später aber auch ihre Spekulationsverluste zu finanzieren. Der Zusammenbruch der Nordwolle mußte also die Großbanken schwer treffen, die ohnehin durch ihre falsche Politik — Hereinnahme kurzfristiger Gelder des In- und Auslandes, mit denen sie die Anlagen ihrer Industrie-Klienten langfristig finanzierten, wobei diese Kredite einfroren — sich in eine mehr als unsichere Position gebracht hatten. Als dann auch noch insbesondere die ausländischen Banken ihre Gelder kurzfristig zurückzogen, als auch die Deutsche Reichsbank unter Luther das Notwendige zu spät erkannte, kam es am 13. Juli 1931 zu der bekannten Bankenkrise mit Zahlungseinstellung der Darmstädter und Nationalbank, zeitweisem Zahlungsverbot für alle Banken und Sanierung der Großbanken durch das Reich. Nur die Berliner Handels-Gesellschaft konnte auf Hilfe verzichten. Jetzt war die Reichsregierung gezwungen, so rasch einzugreifen, daß für eine Gesamtreform keine Zeit blieb. Am 19. September 1931 erging die „Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht und Bankenaufsicht". Sie regelte gewisse Verhältnisse der AG in folgenden Abschnitten: Erwerb eigener Aktien. Kredite an Vorstandsmitglieder. Geschäftsbericht. Bewertung im Jahresabschluß. Gestaltung der Bilanz. Gestaltung der Gewinn- und Verlustrechnung. Prüfung des Abschlusses durch Wirtschaftsprüfer. Beschränkung der Aufsichtsrats-Mandate.

Am einschneidendsten waren die Vorschriften über die Rechnungslegung und ihre Prüfung durch Wirtschaftsprüfer, welcher freie Beruf mit öffentlichrechtlichen Aufgaben anschließend durch die „Ländervereinbarung" geschaffen und geregelt wurde 3 ). Eine neue Gesamtgestaltung des Aktienrechts war ausgeblieben und nur in der einen oder anderen Richtung Mißbräuchen ein, Riegel vorgeschoben. Jeder konstruktive Neubau fehlte, obwohl die Entwürfe zu einem neuen Aktiengesetz in der Schublade des Reichsjustizministeriums lagen. Indessen erschien nun 1933 ein neuer bestimmender Faktor, der Nazismus, dessen Einstellung zu den Aktiengesellschaften recht zweifelhaft war 4 ). Immerhin war die tragende Persönlichkeit der Entwürfe, Schlegelberger, geblieben, unter dem als Staatssekretär 1931 die erwähnte Novelle herausgekommen war und der die gleiche Stellung innehatte, als am 30. Januar 1937 das neue Aktiengesetz erging. Unter den damaligen Zeitverhältnissen hatte man das Empfinden, daß das neue Gesetz hätte schlimmer aussehen können. Zwar wandte es das Führerprinzip auf die AG an, brachte aber auch gewisse Fortschritte, 3

) Reichsgesetzblatt 1931 I S. 760 (15. Dez. 1931). ) Paul Fischer, Die Aktiengesellschaft in der nationalsozialistischen Wirtschaft, Duncker & Humblot, München/Leipzig 1936. 4

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die auf Vorschlägen aus der Zeit vor 1933 beruhten, wie das autorisierte Kapital, die bedingte Kapitalerhöhung, die der A G eine erhöhte Elastizität gaben u. a. Im ganzen waren wohl den früheren Entwürfen einige nationalsozialistische Glanzlichter aufgesetzt worden. Im ganzen ist die Entwicklung des Aktienwesens in den ersten etwa 60 Jahren des Deutschen Reiches durch die folgenden Zahlen gekennzeichnet 5 ). Zahl der AG 1873 1896 1903 1928

43 3712 etwa 6 0 0 0 11960

Aktienkapital in Millionen M / R M 2484 6345 etwa 1 0 0 0 0 22835

B. Die nötigen Reformen des Aktiengesetzes (30. Januar 1937) Mit dem Aktiengesetz vom 30. Januar 1937 wird bis heute gearbeitet. Die Zeit seit dem 8. Mai 1945 hat wenig Änderungen gebracht. Noch gilt das Aktiengesetz von 1937 grundsätzlich in Berlin und in allen Zonen, und nur die Währungsreform vom Juni 1948 hat durch das D-Mark-Bilanzgesetz gewisse Überbrückungsanordnungen gebracht. Wenden wir uns nun zu der Frage, welche heute geltenden Bestimmungen des Aktiengesetzes einer Änderung bedürfen. 1. Die Machtverteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären An erster Stelle scheint mir eine andere Gestaltung der Machtverteilung innerhalb der AG dringlich zu sein, insbesondere die Beseitigung des Führerprinzips. Selbstverständlich braucht die A G eine Führung, und zwar eine energische, schlagfertige und straffe Führung, die in erster Linie und jedenfalls in den Einzelheiten der täglichen Betriebsführung in den Händen des Vorstandes liegen muß. Aber das nationalsozialistische Führerprinzip brachte eine Übertreibung, indem sie den „Führer" von der Verantwortung nach unten befreite. So sind auch durch das Aktiengesetz die Machtverhältnisse verschoben worden. Insbesondere sind die Eigentümer, die Aktionäre weitgehend entrechtet worden; der Hauptversammlung ist praktisch nur noch das Recht der Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrates geblieben. Bis 1937 regelten die §§ 231 ff. des H G B die Verfassung und Geschäftsführung der Aktiengesellschaft. § 2 3 1 erklärte: „Die Aktiengesellschaft wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten . . . Die Bestellung zum Mitglied des Vorstandes ist jederzeit widerruflich . . . " § 2 3 5 : „Der Vorstand ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche im Gesellschaftsvertrage oder durch Beschlüsse der Generalversammlung für den Umfang 6)

„Neues Aktienrecht im Werden", „Der Volkswirt" 1951, Nr. 24, S. 9.

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seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt sind". §239a (eingefügt durch die Verordnung vom 19. September 1931): „Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat in regelmäßigen, mindestens vierteljährlichen Zwischenräumen sowie bei wichtigem Anlaß über den Gang der Geschäfte und die Lage des Unternehmens mündlich oder schriftlich zu berichten". § 246 (in der Fassung vom 19. September 1931): „Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen und sich zu dem Zwecke von dem Gang der Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten. Er kann jederzeit über diese Angelegenheiten Berichterstattung von dem Vorstande verlangen und selbst . . . die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen . . . Das Recht auf Berichterstattung steht auch dem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrates . . . zu . . . Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber der Generalversammlung Bericht zu erstatten . . . Weitere Obliegenheiten werden durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt". (Von dieser letzteren Bestimmung wurde weitgehend Gebrauch gemacht, und zu nicht wenigen Beschlüssen bedurfte der Vorstand der Zustimmung des A. R.) § 250: „Die Rechte, welche den Aktionären in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in bezug auf die Führung der Geschäfte zustehen, werden durch Beschlußfassung in der Generalversammlung ausgeübt". § 251: „Die Beschlüsse der GV bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit) soweit nicht durch Gesetz oder den Gesellschaftsvertrag eine größere Mehrheit . . . vorgesehen ist". Hinsichtlich der Jahresrechnung galt folgendes. Bis 1931 hatten die GV d. h. die Aktionäre die Bilanz zu genehmigen, nicht aber die Erfolgsrechnung, deren Bedeutung bis dahin nicht im HGB zur Auswirkung gekommen war. Seit 1931 beschloß die GV über Jahresbilanz und Erfolgsrechnung. Dies war die Ausbalanzierung der drei Organe der AG. Die GV war die oberste Instanz. Sie wählte den AR, und dieser wählte und entließ evtl. den Vorstand. Natürlich war (und ist) die GV ein schwerfälliges Organ, das im allgemeinen nur einmal im Jahre zum Zuge kam, indem es den Geschäftsbericht entgegennahm, den Jahresabschluß — zu dem nur wenige Aktionäre und diese insbesondere im Sinne einer Erhöhung der Dividende das Wort nahmen — genehmigte und evtl. endgültig gestaltete. Schließlich wählte sie für turnusmäßig ausscheidende Mitglieder des AR neue, evtl. berief sie auch den ganzen AR ab und wählte einen neuen, wenn z. B. der Kreis der Aktionäre sich wesentlich geändert hatte. Die GV war aber deshalb nicht für alle Kreise der Aktionäre repräsentativ, weil diese letzteren mehr oder minder über das ganze Reich zerstreut waren, so daß eine Teilnahme an der GV daher zeitraubend und kostspielig war. Ihre Aktien, die in den Depots der Banken lagen, wurden daher in der GV vielfach von den aufbewahrenden Banken vertreten. Noch heute kann man gerade bei den großen Unternehmen feststellen, daß die Hauptversammlung von zwei bis drei Vertretern der früheren Großbanken stimmenmäßig beherrscht wird, wenn diese sich dabei auch äußerlich keines-

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wegs in den Vordergrund stellen. Die Banken stimmen aber im Regelfalle m i t der Verwaltung, der ein oder gar mehrere ihrer Vorstandsmitglieder als Mitglieder des Aufsichtsrates anzugehören pflegen. Dies ist kein recht befriedigender Zustand. Ich bin aber der Ansicht, daß ein Fortfall dieser Vertretung der Aktionäre durch die Banken noch unbefriedigender wäre. Dann würd& nämlich die Wahrscheinlichkeit bestehen, daß die Zahl der vertretenen Aktionäre gering bliebe, daß unter dem Einfluß gewandter Debatter schädliche Beschlüsse gefaßt würden, evtl. die AG zu weitgehend ihrer flüssigen Mittel beraubt würde. Auch könnte sich dann jemand mit relativ geringem Aktienbesitz eine Majorität in der HV verschaffen. Die Stetigkeit der E n t wicklung wäre also durch Zufallsmajoritäten gefährdet. So also war bis 1937 die Willensbildung in der AG ausbalanziert. Letzte Instanz waren die Aktionäre, und dies mit Recht, denn um ihre Unternehmen handelte es sich. Welche Ä n d e r u n g e n brachte nun das G e s e t z v o n 1937? §70 sagt: „Der Vorstand hat u n t e r e i g e n e r V e r a n t w o r t u n g die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern". Nunmehr trägt also allein der Vorstand die Verantwortung für die Leitung der Geschäfte. Der Kommentar von Baumbach/Hueck drückt dies wie folgt aus: „Keine Weisung, Zustimmung oder Duldung des Aufs.-Rats kann ihn entlasten. Die Satzung darf die Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten nicht dem Aufs.-Rat übertragen. Sie darf ihn lediglich bei einzelnen Geschäften an die Zustimmung des Aufs.-Rats binden, § 95 V, nicht an die der Hauptvers . . . Der Aufs.-Rat hat nur ein Überwachungsrecht; die Hauptvers, darf nur auf Ansuchen des Vorstandes entscheiden. Alles andere bindet den Vorstand nicht." Vereinzelt ist dieser Auffassung widersprochen worden. So von Wolff 6 ), der das Führerprinzip weniger im Wortlaut der Gesetzesbestimmungen als in der ideologischen Einstellung der offiziellen Kommentatoren sieht. Ferner sagt er: „Die Konzentration von Kapital in den Konzernen, die in der ganzen Welt zu beobachten ist, ist es, was den Einfluß der Vorstände verstärkt hat, und nicht die Neuregelung des Aktiengesetzes von 1937". Dem ist aber nicht beizupflichten. Die Konzernbildung hat den Einfluß der Mitglieder des Vorstandes der zentralen Gesellschaften verstärkt, denjenigen der Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaften aber geschwächt. Diese Betrachtung der de factoVerhältnisse, auf die ich ohnehin noch zurückkomme, hat aber mit derjenigen der de jure-Verhältnisse, der vom Gesetz gegebenen Vorschriften nichts zu tun. Durch das Gesetz von 1937 wird der Vorstand sogar in gewissem Umfang unabsetzbar gemacht. Bis dahin hieß es in §231 HGB: „Die Bestellung zum Mitgliede des Vorstandes ist jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung". Dagegen besagt § 75 AktGes.: „Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und zum Vorsitzer des ') Walter Wolff, Die Stellung des Vorstandes im deutschen Aktienrecht, Zeitschr. f. handelsw. Forschung, 1951 Heft 1 S. 325.

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Vorstandes widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung". Zwar ist der Widerruf wirksam, solange nicht über seine Unwirksamkeit rechtskräftig entschieden ist. Wahrscheinlich wird aber der Aufsichtsrat mit der Abberufung nicht durchdringen, wenn z. B. die Politik des Vorstandes seiner Auffassung und der durch ihn vertretenen Eigentümer •des Unternehmens, der Aktionäre, völlig widerspricht. Das ist aber ein unhaltbarer Zustand, der in der Richtung der Enteignung liegt. Am krassesten kommt das Führerprinzip beim Jahresabschluß zum Ausdruck. Nach § 125 stellt der Vorstand den Jahresabschluß auf und legt ihn dem AR vor. „Billigt der AR den Jahresabschluß, so ist dieser festgestellt, wenn sich nicht Vorstand und AR für eine Feststellung durch die Hauptversammlung entscheiden." Hier ist es also in das Belieben der beiden ersteren Organe gestellt, ob sie die Eigentümer der AG hinsichtlich der Beurteilung der Vermögens.struktur befragen wollen, insbesondere aber, wie weit sie den Reingewinn mitteilen und wie sie ihn verwenden wollen. So könnten, wenn 5 Mill. DM Reingewinn erzielt worden sind, diese zur Bildung oder Erhöhung einer Rücklage verwandt und als solche in der Vermögensrechnung ausgewiesen werden, der Aktionär aber leer ausgehen. Die Beschlußfassung hierüber, wie überhaupt die Feststellung des Jahresabschlusses ist der Hauptversammlung automatisch entzogen, sowie der AR dem ihm vom Vorstand vorgelegten Abschluß zustimmt. Dies ist eine Entrechtung der Aktionäre, die beseitigt werden sollte. Auch die fast absolute Unabhängigkeit des Vorstandes vom AR sollte geändert werden. Sie ist so unnatürlich, daß seit 1937 im allgemeinen in der Praxis der Unternehmungsführung weniger nach dem Wortlaut des Gesetzes als nach der alten Tradition gehandelt worden ist. Auch sollte die alte Bestimmung des § 231 HGB wieder hergestellt werden, wonach die Bestellung als Vorstandsmitglied jederzeit widerruflich ist „unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung". Hier soll auch noch kurz auf die Regelung der Unternehmungsführung nach e n g l i s c h e m und U S A - R e c h t eingegangen werden. Die englische Limited Company kennt ebensowenig wie die amerikanische Corporation die Zerlegung der Führung in AR und Vorstand. Vielmehr besteht ein einheitliches Organ, das B o a r d of D i r e c t o r s . Von ihm sind einige Mitglieder, die Executive Members, geschäftsführend, andere nur beaufsichtigend. Die ersteren sind hauptamtlich tätig nach Art der deutschen Vorstandsmitglieder, die letzteren •entsprechen den deutschen AR-Mitgliedern. Beide Gruppen tagen aber gemeinschaftlich und beschließen gemeinsam. Dieser Board of Directors hat einen Präsidenten. Eventuell ist eins der Board-Mitglieder Managing Director. Ich habe aber selbst den Fall erlebt, daß keines der Board-Mitglieder managing war, sondern die Geschäftsführung ausschließlich bei mir, dem General Manager, lag, daneben für gewisse Formalien bei dem bei allen Limited Companies obligatorischen Secretary.

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Die Frage, ob man die Geschäftsführung der deutschen AG entsprechend gestalten sollte, ist wiederholt erwogen worden, auch von dem S. 72 erwähnten, vom Juristentag eingesetzten Ausschuß. Diese anglosächsische Regelung hat den Vorzug größerer Einheitlichkeit. Wenn die Beschlußfassung einheitlich geschieht, so wird die Zusammenarbeit der geschäftsführenden und der beaufsichtigenden Mitglieder eine intensivere sein als in Deutschland. Bei uns ist es möglich, daß der Vorstand, und dazu berechtigt ihn gerade die gegenwärtige Formulierung des Gesetzes, sehr selbstherrlich regiert und den AR nur in beschränktem Ausmaß und den gesetzlichen Minimalzeiträumen, d. h. vierteljährlich ins Bild setzt. Andererseits aber habe ich gelegentlich auch beobachtet, daß bei einer ungeeigneten Machtverteilung und entsprechender Besetzung der Verwaltung der AR bei seiner Willensbildung den Vorstand nicht rechtzeitig und ausreichend heranzog. Die anglosächsische Gestaltung, d. h. der Board of Directors, ergibt zweifelsohne eine bessere Automatik der Zusammenarbeit der beiden Gruppen von Verwaltungsmitgliedern und verhindert Machtkämpfe zwischen Vorstand und AR. Indessen sind die von mir eben erwähnten negativen Möglichkeiten doch mehr die Ergebnisse individueller Unzulänglichkeiten. In Anbetracht der Tatsache, daß die Gliederung der Verwaltung in Vorstand und AR seit einem Jahrhundert oder länger im deutschen Handelsrecht und im Wirtschaftsleben fest verankert ist, wird man von einer Änderung dieser Konstruktion absehen. 2. Das Mitbestimmungsrecht Dieses Problem ist so weitreichend und gerade in der Gegenwart so umstritten, daß es ausführlicher behandelt werden sollte, als dies hier möglich ist. Ich begnüge mich als Betriebswirtschafter auf Grund einer langjährigen Tätigkeit als Vorstandsmitglied von AG sowie als Mitglied und auch Vorsitzender von Aufsichtsräten, der folgenden Meinung Ausdruck zu geben. Ich halte es für das natürliche und für das bei weitem beste, wenn die Wahl der ARMitglieder weiter dem freien Ermessen der Hauptversammlung, d. h. den Eigentümern der Gesellschaft überlassen bleibt. J e nach der Struktur der Aktionäre, dem Arbeiten nur mit eigenem Kapital oder mit Bankkrediten, der Natur des Geschäftsbetriebes, sitzen in den Aufsichtsräten Großaktionäre, Bankenvertreter, Großkunden (z. B. die Industrie in den Aufsichtsräten der Banken), Fachkundige, Juristen u. a. Durch die Wahl von Belegschaftsmitgliedern werden Untergebene, überwiegend Handarbeiter, zur Aufsicht über die Geschäftsführung ihrer Vorgesetzten bestellt. Dazu gehört aber eine Überlegenheit in irgendeiner Richtung, wenn die Aufsichtsfunktion nicht zur Bremse werden soll. Zwar kann ich sagen, daß da, wo ich (nach 1945) von der Belegschaft bestimmte Mitglieder des AR erlebt habe, dies keine Störungen hervorgebracht hat. Ebensowenig aber kann ich sagen, daß von dieser Seite nun Beachtliches zu den Funktionen des AR beigetragen wurde. Auch ist es ein fundamentaler Unterschied, ob ein oder einige Belegschaftsmitglieder im AR sitzen, die keine einseitigen Entscheidungen herbeiführen können — zumal 6

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im A R fast niemals abgestimmt wird, sondern meist Einstimmigkeit herrscht — oder ob hier die gleiche Zahl von Belegschaftsvertretern den Vertretern der Aktionäre gegenüberstehen. Die Interessen nicht nur der Aktionäre, sondern auch die des Unternehmens können anders liegen als die der Belegschaft. Man denke nur an die Notwendigkeit der Aufgabe eines unrentablen Geschäftszweiges und an die damit verbundenen Entlassungen. I m Grunde und im allgemeinen sind die Interessen der Belegschaft völlig mit denen des Unternehmens identisch. Seine Erhaltung und richtige Führung ist für die Belegschaft von entscheidender Bedeutung. Besonders abwegig erscheint aber die Besetzung des A R mit Vertretern der Gewerkschaften, die auch von den Belegschaftsmitgliedern nicht gewünscht wird. Hier würde den Gewerkschaften die Möglichkeit zu einer zentralen Lenkung der Wirtschaftspolitik in die Hände gegeben, die'dem aus Vertretern aller Parteien zusammengesetzten Parlamente gebührt. Das Mitbestimmungsrecht ist der deutschen Wirtschaft von Mächten gebracht worden, die für die eigene freie Wirtschaft auf seine Einführung verzichtet haben. Bisher beschränkt sich das in der Bundesrepublik Deutschland am 10. April 1951 ergangene Gesetz 7 ) auf die Unternehmungen des Bergbaus und die Eisen und Stahl erzeugende Industrie, deren Neuordnung auf Grund des Gesetzes Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission erfolgte. Die Agitation für die Ausdehnung seiner Bestimmungen über die Besetzung des A R auf die gesamte Wirtschaft oder doch die führenden Unternehmen hat aber bereits eingesetzt. Diese Art von Reform des Aktiengesetzes halte ich für schädlich für die Interessen der A G , der Aktionäre, aber auch der Belegschaft. Auf die Auswirkungen will ich im einzelnen nicht eingehen, ebensowenig auf den E n t wurf des „Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben (Betriebsverfassungsgesetz) 8 )". 3. Miteigentum oder Gewinnbeteiligung? Ich führte bereits aus, daß ich die Interessen des Unternehmens und die der Belegschaftsmitglieder für im allgemeinen identisch halte. Betriebspsychologisch erscheint es aber erwünscht, das Interesse der im Unternehmen Tätigen auf die eine oder die andere Weise zu steigern. In nicht wenigen Fällen ist dies dadurch versucht worden, daß die Belegschaftsmitglieder a m J a h r e s e r g e b n i s b e t e i l i g t wurden. Sicherlich ist dies nützlich und erfreulich. Eine Schwierigkeit liegt nun aber nicht nur darin, daß nicht immer Gewinne erzielt werden, so daß es hier psychologisch unerfreuliche Enttäuschungen geben kann. Der Arbeitnehmer wird den auf ihn entfallenden Gewinnanteil meistens auch nur als eine Art Nachzahlung von Lohn oder Gehalt ansehen. Das Ausmaß des ausschüttbaren Gewinnanteils steht jedoch notwendigerweise in einem sehr bescheidenen Verhältnis zu der Jahressumme der Gehälter und Löhne. So ergibt sich bei zwei beliebig herausgegriffenen, im „Bundes-Anzeiger" veröffentlichten Bilanzen verschiedenartiger und verschieden großer A G folgendes B i l d : ') Drucksache Nr. 1546 (1950) des Deutschen Bundestages. 8) Drucksache Nr. 1858 (1951) des Deutschen Bundestages.

Zur Reform des Aktiengesetzes N S U - W e r k e A G , Geschäftsjahr 1948/49 (18 Monate) Gezahlte Löhne und Gehälter Reingewinn Verteilung von 6% Dividende auf das Grundkapital (DM 8000000) Hätte man davon 1 / 4 der Dividende an die Belegschaft verteilt so hätte dies 0,8% der Lohnsumme ausgemacht.

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DM 19575502 DM 589459 DM

480000

DM

120000

F r e i h e r r v o n T u c h e r s c h e B r a u e r e i , 1948/49: Löhne und Gehälter DM 620695 Verlust DM 415575 Dividende 0. Eine Gewinnausschüttung an die Belegschaft wäre hier überhaupt nicht möglich gewesen.

Als eine bessere Form der Interessierung der Arbeitnehmer am Unternehmen ist mir immer ihre unmittelbare B e t e i l i g u n g a m U n t e r n e h m e n erschienen. Sie sollten sich als Miteigentümer fühlen und ständig empfinden, daß sie gewissermaßen im eigenen Werke arbeiten. Ich habe schon Ende 1918 einem großen deutschen Unternehmen, zu dem ich in Beziehungen stand, eine dahingehende Anregung gegeben, die aber keine Gegenliebe fand und über deren zeitliche Opportunität man damals in Anbetracht der Sozialisierungsbestrebungen sehr wohl unterschiedlicher Meinung sein konnte. Neuerdings (1951) hat die Siemens & Halske AG sich entschlossen, einem Teil ihrer Belegschaftsmitglieder sowie solchen der Siemens-Schuckertwerke AG Aktien zu schenken 9 ). Gleichzeitig wurde eine Wiederaufbauprämie verteilt, die etwa einem halben Monatseinkommen entsprach. Anspruch hierauf hatten alle Belegschaftsmitglieder, die seit dem 1. Oktober 1947, dem Tage des hundertjährigen Jubiläums der Gesellschaft, ihr ohne Unterbrechung angehört hatten. Soweit die Monatseinkommen bis zu 200 DM betrugen, wurde die Prämie bar ausgezahlt, bei solchen von 200—600 DM zur Hälfte in Gratisaktien, über 600 DM ganz in Aktien. Im ganzen gelangten etwa 45000 Betriebsangehörige in den Genuß von Aktien. Da eine Umstellung der beiden Siemens-Gesellschaften auf DM noch nicht erfolgt war, so wurden einstweilen Zertifikate auf Aktien ä 100 DM ausgehändigt. Derartige Belegschaftsbeteiligungen gab es aber schon weit früher im Inund Auslande. In Deutschland bestanden bis 1922 derartige Kapitalbeteiligungen bei 16 Unternehmungen 10 ). In drei Fällen wurden sie aufgegeben. Bei den verbleibenden 13 war in drei Fällen die Beteiligung derart organisiert, daß die Gesamtheit der Belegschaft kollektiver Träger der Beteiligung war, die ihrerseits Unterbeteiligungen an die einzelnen Belegschaftsmitglieder gab. Das war z. B. bei Krupp und Stinnes der Fall. In den USA hat der dortige Stahltrust fast alljährlich seinen Mitgliedern die Übernahme von Kleinaktien an') Vgl. „Der Volkswirt" 1951 Heft v. 9. Febr. S. 12. ") HWSt Bd. IV S. 1157. 6«

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geboten, die in einem bestimmten Verhältnis zum Jahreseinkommen bezogen und innerhalb von drei Jahren durch Abzug von Lohn oder Gehalt erworben werden konnten. In einzelnen Ländern hat — das interessiert hier besonders — die A k t i e n g e s e t z g e b u n g eine entsprechende Ausgestaltung erfahren. In Deutschland wollte man vor allem die Schwierigkeiten beseitigen, die der Kapitalbeteiligung der Arbeiter durch das Fehlen von Kleinaktien erwuchs. Auch der Juristentag 1921 hat sich mit der Frage der Beteiligung beschäftigt. Einem Referat Kaskels folgend, lehnte er einen gesetzlichen Zwang zur Beteiligung ab und wollte etwaige gesetzliche Bestimmungen auf die fakultative Normierung einzelner typischer Formen der Beteiligung beschränkt wissen, ohne aber andere Formen auszuschließen. Die französische Gesetzgebung hat aber schon durch Gesetze vom 26. April 1917 die Arbeitsaktie neben der Kapitalaktie geschaffen. Die erstere steht hier der genossenschaftlich organisierten Arbeitnehmerschaft zu. Das französische Gesetz hat aber noch einen besonderen Anreiz zur Schaffung von Arbeitsaktien gebracht, nämlich die Gewährung steuerlicher Erleichterungen sowie eine Bevorzugung bei der Vergebung von öffentlichen Lieferungen. In anderen Ländern, wie in England, Norwegen, Tschechoslowakei, Portugal und Mexiko, hat die Gesetzgebung den Weg über eine Beteiligung nicht am Kapital, sondern am Reingewinn eingeschlagen. Ich halte aber, wie schon ausgeführt, es für psychologisch besser, wenn eine echte, kapitalmäßige Beteiligung aller dazu bereiten Belegschaftsmitglieder herbeigeführt wird, wobei die Aktien nicht geschenkt, sondern bezahlt werden sollten. Bezahlte Güter werden höher geschätzt als geschenkte. Der Erwerb sollte aber durch die Möglichkeit der Abzahlung durch Abzug vom Lohn leicht gemacht werden. Ich halte es auch für vertretbar, diese Belegschaftsaktien, solange ihr Anteil am Grundkapital eine gewisse Grenze, sagen wir 1 / ] 0 , nicht überschreitet, mit einer Dividendengarantie etwa in Höhe des Sparkassenzinses für langfristige Einlagen auszustatten. 4. Kleinaktien Das Aktiengesetz von 1937 bestimmte RM 1000 als den Mindestbetrag einer Aktie. Das war eine fast plutokratisch zu nennende Regelung, denn sie schloß die weiten Kreise, bei denen ein Betrag in dieser Höhe nicht so leicht anfällt, von der Anlage ihrer Ersparnisse in Aktien aus. Daß eine solche der AG gegenüber unfreundliche oder doch bremsende Regelung nicht etwa sozial war, hat man anläßlich der Währungsreform gesehen, als Bank- und Sparkassenguthaben 1 0 : 1 abgewertet wurden, das Grundkapital der meisten AG aber 1 : 1 und vereinzelt sogar noch höher umgestellt worden ist. Inzwischen haben aber die DM-Bilanzgesetze der Bundesrepublik und des Landes Berlin den Mindestbetrag der Aktie auf DM 100 herabgesetzt, womit m. E. die optimale untere Grenze erreicht worden ist. Vielfach wird auf die englische 1 £-Aktie hingewiesen, deren Kapitalinhalt noch wesentlich niedriger liegt. Indessen ist dies mehr Theorie, denn diese 1 £-Aktie wird im allgemeinen nicht einzeln

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gehandelt, sondern in Mindestbeträgen, die wohl etwa dem Werte von DM 100 entsprechen werden. Die einzelne 1 £-Aktie ist also kaum zirkulationsfähig und entspricht daher nicht dem, was die AG und die Aktie zu einem so ausgezeichneten Finanzierungsinstrument gemacht hat. 5. Der Jahresabschluß Für jedes Unternehmen ist der Jahresabschluß von großer Bedeutung. Die Rechnungslegung gibt ihm und seinen Leitern Veranlassung zur Besinnung, zu einem Rückblick auf das abgelaufene Jahr und seine Ergebnisse sowie zu einer Überlegung der Konsequenzen, die daraus für die Folgezeit zu ziehen sind. Gleichzeitig bedeutet sie eine wirksame innerbetriebliche Kontrolle. Für die AG ist der Jahresabschluß aber auch dadurch von besonderer Bedeutung, daß seine Veröffentlichung obligatorisch ist. Hier wird gegenüber den Aktionären Rechenschaft abgelegt über den Stand der Dinge am Bilanzstichtag und über den betrieblichen Verlauf des Berichtsjahres; aber nicht nur gegenüber den Aktionären, sondern auch gegenüber den Gläubigern und der ganzen Öffentlichkeit. Es ist eine fundamentale Eigenschaft der AG, daß sie in dieser Weise öffentlich Rechenschaft ablegt. Eine solche Rechenschaftslegung hat aber nur dann Sinn, wenn sie zuverlässig ist und wenn sie von den Aktionären beurteilt werden kann. Der Jahresabschluß muß daher richtig und leicht übersehbar sein. Er muß die wesentlichen Zahlen enthalten, die es möglich machen, insbesondere die Leistungen und die Erfolge zu übersehen, um derentwillen ja die AG errichtet wurde und betrieben wird. Das ist aber nach den Bestimmungen des Aktiengesetzes über die Rechnungslegung (§§ 125—144) nicht der Fall. a) B e z e i c h n u n g u n d R e i h e n f o l g e Zunächst sollte man bei einer Neufassung des Gesetzes die Gelegenheit benutzen, um die überholten B e z e i c h n u n g e n zu ändern. Statt Bilanz sollte man den anschaulicheren Ausdruck V e r m ö g e n s r e c h n u n g gebrauchen, denn die Übersicht über die Struktur des Vermögens, über die Vermögenswerte und die Verpflichtungen ist das Wesentliche dieses Teiles des Jahresabschlusses, nicht aber die Tatsache, daß die Aufstellung der Vermögenswerte und der Verpflichtungen durch die Einfügung der Differenz, des Überschusses der Vermögenswerte über die Verpflichtungen (oder umgekehrt) zu ziffernmäßiger Gleichheit der Summen rechts und links, zum Balanzieren gebracht wird. Ferner entspricht die im Gesetz gebrauchte Bezeichnung Gewinn- und Verlustrechnung zwar der in der Praxis üblichen; sie ist aber ohne Zweifel sachlich falsch, denn dieser Teil des Jahresabschlusses zeigt weder Gewinne noch Verluste, sondern Aufwendungen und Erträge und erst als deren Differenz entweder einen Gewinn oder einen Verlust. Man sollte also im Gesetz die Bezeichnung E r f o l g s r e c h n u n g gebrauchen. Beide hier verlangten Bezeichnungen sind nicht neu; sie finden sich insbesondere in der wissenschaftlichen Literatur. Ihrer allgemeinen Verwendung wird aber durch die im Aktiengesetz verwandten Ausdrücke entgegengearbeitet.

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Man sollte daher die bisherige Formulierung ändern und die vorgeschlagenen anschaulicheren und richtigeren Bezeichnungen aufnehmen. Ein zweites betrifft die R e i h e n f o l g e der Behandlung der beiden Teile der Rechnungslegung. § 131 behandelt die „Gliederung der Jahresbilanz", § 132 die „Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung". Man sollte diese Reihenfolge umkehren! Wer in der Praxis, insbesondere derjenigen der Bilanzprüfung, steht, weiß, daß diese im Gesetz gegebene Reihenfolge ihre praktische Auswirkung hat. Ohnehin hat die Gesetzgebung die Erfolgsrechnung lange hinter der Vermögensrechnung zurücktreten lassen. Ich erwähnte bereits S. 76, daß das HGB bis 1931 die Aktionäre nur die Vermögensrechnung, nicht aber die Erfolgsrechnung genehmigen ließ. Erst die Verordnung zum Aktienrecht vom 19. September 1931, die das HGB ergänzte und die auf Grund der aufgedeckten Mißstände und der Bankenkrise erging, machte dem ein Ende und dehnte die Pflicht der Genehmigung durch die Hauptversammlung der Aktionäre auf die Erfolgsrechnung aus. Dabei ist es nicht zweifelhaft, daß die Ermittlung des Ergebnisses des Berichtsjahres und die Art seines Zustandekommens aus den verschiedenen Aufwendungen und Erträgen oder auch aus den einzelnen Werken oder Arbeitsgebieten an Bedeutung der Wiedergabe des Wertes der Vermögensbestandteile und der Verpflichtungen am Bilanzstichtage in der Regel weit voransteht. Die letztere ist zwar auch wichtig, interessant und nicht zu entbehren. Aber es ist in erster Linie die Erfolgsrechnung, aus der Vorstand und AR Konsequenzen fürdie Folgezeit zu ziehen haben und bei der auch der Aktionär und andere mit ihrer Überlegung und Kritik ansetzen sollten. In der Erfolgsrechnung liegt die Dynamik des Unternehmens. Und wenn Schmalenbach seine dynamische Bilanzlehre aufstellte und von der 4. Auflage ab (1926) dieses Werk als,,Dynamische Bilanz" bezeichnete, so ist es ja das Wesen dieser dynamischen Vermögensrechnung, daß bei ihrer Durchführung die richtige Ermittlung des Erfolges ausschlaggebend ist. Leider ist es bei der Rechnungslegung der AG immer noch üblich, die weniger wichtige Vermögensrechnung voranzustellen. Das führt vielfach dazu, daß nun auch der gesetzliche Abschlußprüfer mit der Analyse der Vermögensrechnung beginnt. Es ist menschlich, daß er dann auf diese den größeren Teil seiner Energie und der verfügbaren Zeit verwendet und daß beide knapper werden, wenn er zur Prüfung und Charakterisierung der Erfolgsrechnung gelangt, so daß diese ins Hintertreffen gerät. Erfahrene Wirtschaftsprüfer gehen daher beim Jahresabschluß anders vor und beginnen mit der Erfolgsrechnung. Aber nicht nur sie, sondern allgemein sollte die Erfolgsrechnung in erster Linie Beachtung finden, und dem würde die veränderte Reihenfolge im Aktiengesetz helfen. Auch in England zeigen die veröffentlichten Jahresabschlüsse der Limited Gompanies zunächst die Erfolgsrechnung und erst dann die Vermögensrechnung. b) Die G l i e d e r u n g d e r V e r m ö g e n s r e c h n u n g Die dritte Forderung ist die der richtigen Gliederung des Jahresabschlusses. Wie erwähnt, hat das Gesetz Vorschriften für diese Gliederung gegeben. Es

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ermächtigt in § 134 auch den Reichsminister der Justiz, im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister, Formblätter vorzuschreiben oder andere Vorschriften zu erlassen, die von denen der §§ 131, 132 abweichen oder sie ergänzen. Davon ist z. B. für Hypothekenbanken, Eisenbahnen, Wohnungsunternehmen Gebrauch gemacht worden. Auf diese Sondergliederungen soll hier nicht eingegangen werden. Beginnen wir mit den Bestimmungen für die Vermögensrechnung. Man kann nur feststellen, daß in der Literatur hier hinsichtlich der Gliederung wenig Kritik laut geworden ist. Dies ist verständlich, denn die Gesamtheit der vorgeschriebenen Positionen ergeben zusammen einen weitgehenden Einblick in die Struktur des Vermögens, der Verpflichtungen und des Eigenkapitals. Auch die allgemeinen Vorschriften in § 131 Abs. 2—7 dienen der Forderung nach Bilanzklarheit, z. B. durch Verbot von Saldierungen, durch die ja z. B. Forderungen oder Verpflichtungen unter den Tisch fallen könnten. Grundsätzliche Ausführungen über die zweckmäßige Gliederung der „totalen Bilanz" hat le Coutre gemacht 11 ). Sie zeigen auf der Aktivseite (hier gekürzt): Betriebsvermögen A, Werbendes Vermögen 1. Anlagevermögen 2. Beschäftigungsvermögen B. Sicherungsvermögen G. Verwaltungsvermögen D. Überschußvermögen E. Sozialvermögen F. Verrechnungsposten

Unternehmungskapital A. Eigenkapital 1. langfristig 2. kurzfristig 3. sofort fällig B. Fremdkapital C. Verrechnungsposten D. Reingewinn

Ich führe diese Gliederung hier nur an, um zu zeigen, wie jedenfalls die Möglichkeit einer grundsätzlich anderen Gliederung besteht. Indessen hat sich die Gliederung des Aktiengesetzes eingeführt, und sie erscheint nicht ungeeignet. Auch der Ausschuß der Gesellschaft für Betriebswirtschaft, der die Reform des Aktiengesetzes beriet — der leider aber keinen Bericht erstattet hat, wenn man von dem Aufsatz Eichs 12 ), des damaligen Vorsitzenden dieses Ausschusses absieht, und über dessen Beratungen z. T. nicht einmal Protokolle vorliegen —, kam wohl hinsichtlich der Vermögensrechnung nicht zu der Forderung anderer oder zusätzlicher Bilanzpositionen, sondern erwog nur die andere Gruppierung, z. B. die Aufführung der Beteiligungen als selbständige Gruppe und ähnliche Fragen von sekundärer Bedeutung. c) Die G l i e d e r u n g d e r E r f o l g s r e c h n u n g Ganz anders steht es mit der Erfolgsrechnung, von der man sagen muß, daß sie in hohem Maße reformbedürftig ist. § 129 des Aktiengesetzes sagt vom Jahresabschluß: „Er ist so klar und übersichtlich aufzustellen, daß er einen ") Walter le Coutre, Grundzüge der Bilanzkunde, Wolfenbüttel 1949, Teil I S.247. 12 ) Wilhelm Eich, „Die Reform der Bewertungsvorschriften für die Handelsbilanz und für die aus dieser abzuleitenden Steuerbilanz" in „Die Neugestaltung des Aktienrechts" Heft 4 der Schriftenreihe „Praktische Betriebswirtschaft" 1948 S. 65.

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möglichst sicheren Einblick in die Lage der Gesellschaft gewährt." Der Gesetzgeber desavouiert sich aber selbst, indem die vorgeschriebene Gliederung eine so weitgehende Verschleierung der Erfolgsrechnung bedeutet, daß ihr Erkenntniswert sehr beschränkt ist. Diese Tatsache war ihm natürlich nicht unbekannt, und er zog daraus die Konsequenz, die Strafbestimmungen des § 296 auf falsche Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft zu erstrecken, nicht aber auf die Erfolgsrechnung. Die Verschleierung der Erfolgsrechnung wird durch die im Gesetz vorgeschriebene teilweise Saldierung von Aufwendungen und Erträgen erreicht. Gewisse Aufwendungen müssen auf der Aufwandseite ausgewiesen werden, die von sehr unterschiedlicher Bedeutung sind. So ist der Posten „Löhne und Gehälter" bedeutsam, derjenige der „Beiträge an Berufsvertretungen, wenn die Zugehörigkeit auf gesetzlicher Vorschrift beruht", ganz unbedeutend und uninteressant. So sind acht verschiedene Aufwandarten auszuweisen, unter denen aber willkürlich wichtige Gruppen fehlen, wie z. B. der Materialaufwand und die erfahrungsgemäß meist beachtliche Gruppe der „Sonstigen Aufwendungen". Auf der Seite der Erträge wäre an erster Stelle der Erlös aus den Leistungen des Unternehmens, der Umsatz interessant. Diese wichtigste und für die Entwicklung der Gesellschaft am stärksten bezeichnende Zahl wird aber den Aktionären vorenthalten, indem das Gesetz vorschreibt, daß von dieser Ziffer die Summe aller derjenigen Aufwendungen abzuziehen ist, die auf der Aufwandseite, auf die sie eigentlich hingehörten, nicht ausgewiesen wurden. Diese Position der Erfolgsrechnung ist dadurch völlig uninteressant geworden, weil sie nichts mehr besagt. Nur der Konkurrent, der ja Vergleichsmöglichkeiten hat, kann den ungefähren Umsatz aus dieser fast irrational zu nennenden Zahl herauslesen. Für die letztere fehlt auch die Möglichkeit einer anschaulichen Bezeichnung, und man findet hier fast überall „Ertrag nach § 132 II 1". Hier hat die Gesetzgebung gerade für die AG seit 1931 eine stufenweise Verschlechterung gebracht. Die Verordnung vom 19. September 1931, die erstmalig Gliederungsvorschriften brachte, beschränkte sich noch auf die Saldierung des Ertrages aus den Leistungen mit den Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, bei Handelsbetrieben nach Abzug der Aufwendungen für die bezogenen Waren. „Alle übrigen Aufwendungen" waren noch auf der Aufwandseite auszuweisen. Auch dies war schon eine Verschlechterung gegenüber manchen, besseren Aufschluß gebenden Erfolgsrechnungen der bisherigen Praxis. Das Gesetz von 1937 brachte dann die eben geschilderte noch weitergehende Verschleierung des Hauptertragspostens. Wenn der Gesetzgeber dies tat, so unterlag er hier dem Drängen der Gesellschaften, die nun einmal eine große Abneigung gegen eine aufschlußreiche Rechnungslegung hatten und haben und die nicht beachten, daß sie das, was sie an Einblick gestatteten, bei der Wirtschaft im ganzen an Einblick gewinnen. Es ist auch nicht recht zu verstehen, daß, wenn die viel intimeren Zahlen des vorhandenen Vermögens und des erzielten Reinergebnisses obligatorisch auszuweisen sind, man sich

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mit allen Kräften gegenüber der Angabe des Umsatzes sträubt. Auch die Sitzungen des erwähnten Ausschusses der GfB zeigten im großen und ganzen das Bild, das die meisten wissenschaftlich oder mehr allgemein eingestellten Mitglieder des Ausschusses für eine Ausweisung des Umsatzes waren, die Vorstandsmitglieder großer Unternehmen aber dagegen. Eich 13 ) nahm einen mittleren Standpunkt ein, indem er für aufschlußreiche Erfolgsrechnungen im internen Interesse der Gesellschaften selbst, aber für eine Beschränkung der Veröffentlichungspflicht auf die Vermögensrechnung eintrat. Jede Einschränkung der Publizität wäre aber bei und für Aktiengesellschaften untragbar, weil sie eine der Lebensbedingungen der AG, nämlich das Vertrauen des Kapitalisten, des Aktionärs untergraben würde. Die Frage ist nun, wie die Gliederungsvorschriften für die Erfolgsrechnung der AG aussehen könnten. Darüber gibt die betriebswirtschaftliche Literatur nur spärlichen Aufschluß, während zahllose Bücher sich mit der Bilanz beschäftigen. Bei den Erörterungen zeitlich voran steht (1929) Schnutenhaus 14 ), dessen Ausführungen mir jedoch nicht vorliegen. Weiter ist dann Gerstner (1937) zu nennen 15 ). Ich selbst bin (1941) in einem Aufsatz 16 ) auf dieses Problem eingegangen, desgl. (1948) in dem schon erwähnten Sonderheft der Schriftenreihe „Praktische Betriebswirtschaft" über „Die Neugestaltung des Aktienrechts" 17 ). Die neueste Stellungnahme ist die von Lohmann 18 ). G e r s t n e r empfiehlt eine Zerlegung in 1. Ordentliche (betriebliche) Leistungsrechnung, 2. Außerordentliche (neutrale) Rechnung. Verwandte Vorschläge enthält eine noch unveröffentlichte Arbeit von Mellerowicz. Bei Gerstner zeigt die Ordentliche Rechnung u. a. auf der linken Seite: Fertigungsaufwand für abgesetzte Erzeugnisse Fertigungsaufwand für selbstgefertigte Neuanlagen Verwaltungsaufwand Umsatzgewinn,

auf der rechten Seite: Umsatz Neuanlagen. 13

) Eich a. a. O. S. 102. ) Otto Schnutenhaus, „Verlust- und Gewinnrechnung" Artikel in Stern, Buchhaltungslexikon, Supplementband. 16 ) Paul Gerstner, Die Wirtschaftsrechnung der Unternehmung, Berlin 1937. 16 ) Koch, Die vernachlässigte Erfolgsrechnung im Jahresabschluß, „Der deutsche Volkswirt" v. 21. Febr. 1941 S. 197. 17 ) Koch, Zur Reform des Aktiengesetzes. Heft 4 der Schriftenreihe „Praktische Betriebswirtschaft", Berlin 1948, S. 7. 18 ) Martin Lohmann, Die Erfolgsrechnung im Jahresabschluß — Ein Beitrag zur Reform der Verlust- und Gewinnrechnung — „Der Wirtschaftsprüfer" 1951 S. 157. u

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Die Außerordentliche (neutrale) Rechnung zeigt u. a. auf der linken Seite:

Abschreibungen Wertberichtigungen Schaffung offener Rücklagen Neutraler Aufwand Steuern und Abgaben Aufwendungen aus betriebsfremder Betätigung Neutraler Gewinn,

auf der rechten Seite:

Erträge aus Veräußerung Buchgewinne Erträge aus Auflösung von Rücklagen Erträge aus betriebsfremder Betätigung.

Kein Zweifel, daß eine so gestaltete Erfolgsrechnung dem Aktionär einen sehr viel besseren Einblick in den Betriebsablauf, die Geschäftspolitik und ihre Ergebnisse ermöglichen würde als diejenige des Aktiengesetzes. Es bleibt die Frage, ob ein solches oder ein anderes Schema vorgeschrieben werden soll oder auch mehrere zur Auswahl, evtl. auch nach Wirtschaftszweigen verschieden, gestellt werden sollen. L o h m a n n , der zunächst den einfachen Fall behandelt, daß das Unternehmen nur betriebsbedingte Aufwendungen und Erträge hat, sieht drei Möglichkeiten: 1 . T y p : Umsatzrechnung. Sie zeigt auf der rechten Seite den Umsatz, auf der linken Seite Umsatzaufwand, Vertriebskosten, Rohgewinn. 2. Typ: Produktionsrechnung. Sie zeigt rechts den Jahresertrag der Produktion, d. h. Umsatz unter Berücksichtigung der Bestandszunahme, links Herstellungskosten, evtl. Bestandsminderung, Vertriebskosten, Reingewinn. 3. Typ: Einsatz — Aufwandrechnung. Diese unterscheidet sich von Typ 2 dadurch, daß bei 3 zur Vereinfachung alle Beschaffungen, beim Typ 2 aber nur der V e r b r a u c h der letzten Periode erfaßt wird. Typ 3 ist für die Verhältnisse der Kleinbetriebe gedacht und kommt für die AG nicht in Frage. Lohmann bringt auch eine Gegenüberstellung der in Deutschland, England und Schweden obligatorischen Posten der Erfolgsrechnung, von denen diejenigen der beiden letzteren Länder hier wiedergegeben werden. (Gegenüberstellung der Erfolgsrechnungen umseitig). Man sieht, wie in Schweden rechts der Ordentliche Ertrag auszuweisen ist, eventuell nach den einzelnen Geschäftszweigen, andererseits auf der linken Seite der direkte Betriebsaufwand. Lohmann erinnert auch an die E i g e n b e t r i e b s v e r o r d n u n g 1 9 ) vom 21.11.1938, die für deutsche Gemeindebetriebe zur Verbesserung der Betriebsführung und des Einblickes in die Verhältnisse der Betriebe erging. Für den Jahresabschluß wird hier ein Schema sowohl der Vermögensrechnung wie auch der Erfolgsrechnung vorgeschrieben. Das erstere entspricht grundsätzlich dem des Aktiengesetzes, bringt insbesondere eine weitere Unterteilung der einzelnen Positionen, z. B. auch der Rückstellungen 19

) RGBL I S. 1650.

Zur Reform des Aktiengesetzes Aufwendungen Englische RegeSchwedische lung / Gompanies Regelung §102AG Act Schedula B § 8 Anlageabschreibung 1. Direkter Betriebsaufwand Zinsen Zins auf Anleihen Steuern Ertragsteuern Abschreibungen a. o. Aufwendungen Verlust aus VerRückstellung für kauf von AnTilgungen lagen Rücklagen- und RückstellungsVerwaltungsbildung, falls gemeinkosten wesentlich AußergewöhnDividende liche AufVergütung an den wendungen Abschlußprüfer Bezüge der Direktoren

89 Erträge

Englische Regelung

Schwedische Regelung

„Betriebsertrag", vor allem ohne Lohn und Material Zins und Beteiligungserträge a. o. Erträge a. o. Zuwendungen Auflösung von Rücklagen und Rückstellungen

1. Ordentlicher Ertrag, evtl. nach Sparten 2. a. o. Ertrag aus Aktien,Tochtergesellschaften besonders 3. Zins 4. Anlageverkäufe 5. a. o. Erträge 6. unentgeltliche Schenkungen

nach Zahlungsausfällen, Bauzuschüssen, Versorgungsverpflichtungen, Sonstige R. Für die Erfolgsrechnung ist in § 18 ausdrücklich vorgeschrieben, daß hier der Jahresertrag ohne Abzug von Aufwendungen auszuweisen ist. Das Schema der Erfolgsrechnung lautet in den Hauptposten — die dann wieder in je 4—11 Posten unterteilt sind — wie folgt: Aufwand: Betriebsaufwand Geschäftsaufwand Finanzaufwand Außergewöhnlicher Aufwand Jahresgewinn

Ertrag: Betriebsertrag Geschäftsertrag Finanzertrag Außergewöhnlicher Ertrag Jahresverlust

Eine derartige Gestalt der Erfolgsrechnung ist natürlich ebenfalls unvergleichlich besser als diejenige nach dem Aktiengesetz. Allerdings ist nicht zu vergessen, daß Gemeindebetriebe fast immer Monopolbetriebe sind und daß ihre Jahresabschlüsse meist nicht publiziert werden dürften. Jedenfalls aber zeigt sich, daß sich eine weit bessere Gestaltung der Erfolgsrechnung bereits in der Praxis findet. Vereinzelt findet sich eine einen wirklichen Einblick gestattende Erfolgsrechnung auch außerhalb der gemeindlichen Eigenbetriebe. So zeigt die Erfolgsrechnung der gemischtwirtschaftlichen Berliner Kraft- und Licht (BEWAG) AG schon 1945/46 folgende Gestalt: Aufwendungen: Stromerzeugung Stromverteilung Sonstiger Betriebsaufwand Gemeinschaftsaufwand Abschreibungen Außerordentliche Aufwendungen usw.

Erträge: Stromlieferung Sonstige Erträge Außerordentliche Erträge Reinverlust

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Also eine Ausweisung nach Betriebsteilen unter (hier nicht aufgeführter) Hinzufügung gewisser nach dem AktG obligatorischen Posten wie Gehälter und Löhne in einer Fußnote. In einem größeren Rahmen hat — wie eben gezeigt — die Reform des s c h w e d i s c h e n A k t i e n g e s e t z e s (14. September 1944) eine betriebswirtschaftlich akzeptable Erfolgsrechnung gebracht. Was der dortigen Wirtschaft möglich war, sollte auch für die deutsche tragbar sein. Gerade ihre schwierige Lage, die Größe der Aufgabe macht für alle Beteiligten die präzise Rechnungslegung dringlich. Man braucht im übrigen nicht in die Ferne zu schweifen, um ein gesetzlich vorgeschriebenes Schema der Erfolgsrechnung zu finden, das an Klarheit und Aufschluß nichts zu wünschen übrig läßt. Es ist dies die Gliederung, wie sie in den „ B i l a n z i e r u n g s - u n d I n v e n t u r v o r s c h r i f t e n f ü r die v o l k s e i g e n e W i r t s c h a f t " vorgeschrieben ist 20 ). Die Vorschriften für das „Invent a r " unterscheiden A. Vermögenswerte: I. Anlagevermögen, II. Umlaufvermögen, III. Rechnungsabgrenzung; B. Verbindlichkeiten: I. Rückstellungen, II. Verbindlichkeiten, III. Rechnungsabgrenzung. Es folgt dann C der Eigenkapitalausweis, der aus A—B das Reinvermögen errechnet und durch Abzug von Gewinn (der dem Unternehmen hier ja nicht gehört) oder Zufügung des Verlustes das Eigenkapital ermittelt. Ein derartiges Inventar bietet trotz unterschiedlicher Anordnung der einzelnen Positionen im wesentlichen die gleichen Angaben wie die Bilanz nach dem Aktiengesetz. Ganz anders ist es bei der „ E r g e b n i s - R e c h n u n g " , die ich hier wiedergebe, jedoch unter Fortlassung der Kontenangaben, die sich auf den E K R I Kontenrahmen beziehen, der ganz auf die Lieferung der für den Abschluß und die Kostenrechnung erforderlichen Zahlen abgestellt ist (vgl. S. 91). Man sieht, daß diese Erfolgsrechnung grundsätzlich den Gedanken Gerstners folgt. Eine Erörterung dieser Gliederung erübrigt sich. Sicherlich ergibt sie einen weitreichenden Einblick, wenn sie auch für den Durchschnittsaktionär nicht einfach zu lesen ist. In der Tat ist sie ja auch nicht für diesen bestimmt, sondern für die K o n z e r n v e r w a l t u n g e n der einzelnen Gruppen volkseigener Betriebe, deren Finanzwirtschaft die Verordnung vom 12. Mai 1948 gilt. Durch die Anordnung vom 13. Juli 194921) sind dann auch die kommunalen Unternehmen und Betriebe, die übrigen den Hauptverwaltung der Deutschen Wirtschaftskommission oder den Landesregierungen unterstellten Wirtschaftsunternehmen sowie die Genossenschaften und ihre Verbände in den Bereich des einheitlich zu gestaltenden Rechnungswesens einbezogen worden. 20 ) Fünfte Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Finanzwirtschaft der volkseigenen Betriebe v. 30. Juni 1949. Zentralverordnungsblatt I 1949 S. 522. Sie verweist hinsichtlich des „verbindlichen Wortlauts" auf das Doppelheft Nr. 7/8 1949 der „Deutschen Finanzwirtschaft". Vgl. dort S. 142. 21 ) ZVOB1. I S. 531.

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E r g e b n i s - R e c h n u n g (Für Volkseigene Betriebe in der DDR) I. B e t r i e b s e r g e b n i s r e c h n u n g B. E r t r a g 1. Bruttoumsatz ohne Zuschüsse 2. Zuschüsse auf umgesetzte Erzeugnisse (Subventionen auf umgesetzte Erzeugnisse je Leistungseinheit) . . . . 3. Innerbetrieblicher Umsatz a) Selbsterstellte Anlag. b) Großreparaturen (Hauptinstandsetzg.) c) Entwicklungsarbeiten für künftige Erzeugn. d) In Vorrat gefertigte Erzeugnisse . . . . e) Anderer innerbetrieblicher Umsatz . . . 4. Bestandzunahme . . . 5. Bewertungsabgrenzung . 6. Kostengutschriften . . 7. Verlust

A. A u f w a n d 1. Material 2. Lohn 3. Gehalt 4. Soziale Kosten . . 5. Steuern, Abgaben, Beiträge 6. Verschiedene Kosten . 7. Sondereinzelkosten . 8. Kalkulatorische Kosten 9. Abgerechnete innerbetriebliche Gemeinkostenleistungen . . 10. Bestandsabnahme . 11. Bewertungsabgrenzung 12. Erlösschmälerungen . a) Rabatte b) Preisnachlässe . . c) Verbrauchssondersteuern, soweit vom Betrieb abgeführt . . 13. Gewinn Summe

Summe

II. N e u t r a l e E r g e b n i s r e c h n u n g A. A u f w a n d 1. Betriebsfremder Aufwand 2. Periodenfremder Aufwand 3. Außergewöhnlicher Aufwand 4. Bilanzmäßige Abschreibungen 5. Zinsaufwand 6. Eingetretene Einzelwagnisverluste 7. Skonto- und Diskontaufwand •8. Gewinn

B. E r t r a g 1. Betriebsfremder Ertrag 2. Periodenfremder Ertrag 3. Außergewöhnlich. Ertrag 4. Zinsertrag 5. Eingetretene Einzelwagnisgewinne 6. Skonto- u. Diskontertrag 7. Kalkulatorische Posten a) Kalkulatorische Abschreibungen . . . . b) Kalkulatorische Zins. c) Kalkulatorische Einzelwagnisse 8. Verlust Summe

Summe

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92 III. G e s a m t e r g e b n i s r e c h n u n g

B. E r t r a g 1. Betriebsergebnis (HabenSaldo von I) . . . . 2. Neutrales Ergebnis (Haben-Saldo von II) 3. Verlust

A. A u f w a n d 1. Betriebsergebnis (SollSaldo von I) . . . . 2. Neutrales Ergebnis (SollSaldo von II) . . . . 3. Aus dem Ergebnis zu deckende Aufwendung. a) Körperschaftsteuer (nur bei W B ) . . . b) Spenden und Schenkungen c) Sonstige aus dem Ergebnis zu deckende Aufwendungen . . . 4. Gewinn Summe

Summe

Nicht zu übersehen ist, daß die so gestalteten Erfolgsrechnungen der volkseigenen Betriebe nun keineswegs an die Öffentlichkeit gelangen. Sie haben dadurch den Charakter interner Ergebnisrechnungen und verlieren hinsichtlich der Gestaltung des Aktiengesetzes an Beweiskraft. Allerdings verlautet, daß auch die private Wirtschaft der Ostzone sich dieses Schemas bedient, dies aber, um nicht bei den Finanzämtern Anstoß zu erregen. In der zugänglichen Literatur sind keinerlei derartige Abschlüsse zu finden, obwohl noch einige AG in dieser Zone vorhanden sind, soweit nämlich an ihnen ausländisches Kapital beteiligt ist. Diese werden aber branchenweise zusammengefaßt von besonderen Dienststellen verwaltet, und der ausländische Eigentümer —- der rechtlich immer noch Eigentümer ist — erhält weder Abschlüsse noch Aufschlüsse. d) S t i l l e R e s e r v e n — S e l b s t f i n a n z i e r u n g § 129 des Aktiengesetzes schreibt, wie schon erwähnt, hinsichtlich des Jahresabschlusses vor: „Er ist so klar und übersichtlich aufzustellen, daß er einen möglichst sicheren Einblick in die Lage der Gesellschaft gewährt." Unter Klarheit sollte man doch auch Wahrheit, Richtigkeit der Zahlen verstehen. Davon ist man aber weit entfernt. Als vor einigen Jahren eine große deutsche AG ihren Jahresabschluß per 31. Dezember 1944 der Hauptversammlung vorlegte und dabei die Vermögenslage erörterte, wurde vom Vorstand ausgeführt, daß die Vermögensrechnung etwa 500 Millionen RM stille Reserven enthalte. Dabei entsprach der Abschluß durchaus den Vorschriften des Aktiengesetzes. Diese Vorschriften sind also dafür verantwortlich, daß die Abschlüsse der deutschen Aktiengesellschaften, statt die in § 129 geforderte Klarheit innezuhalten, weitgehend falsche Bilder geben. Die Ursache liegt darin, daß die in § 133 gegebenen Bewertungsvorschriften nur Höchstwerte enthalten, nicht aber Mindestwerte oder etwa die tatsäch-

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liehen Werte. Das letztere ist bekanntlich in § 40 HGB vorgeschrieben. „Es sind sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden nach dem Werte anzusetzen, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die Aufstellung stattfindet:" Allerdings nehmen es die Unternehmungen, für die die Bestimmungen des HGB maßgebend sind, mit dem Stichtagswert nach unten hin auch nicht sehr genau, doch ist dies hier nicht zu erörtern. Bis 1931 war auch für die AG der § 40 maßgebend, denn bis dahin waren ihre Verhältnisse ja im HGB geregelt. § 261 HGB enthielt allerdings außer der ausdrücklichen Heranziehung des § 40 noch gewisse Höchstgrenzen für „Wertpapiere und Waren" (Mindestwertprinzip) und für Anlagen (Anschaffungs- oder Herstellungspreis unter Berücksichtigung der Abnutzung). Nach unten galt also bei der AG damals der Stichtagswert. Warum gehen die Unternehmungen den Weg der Unterbewertung auf Kosten der Richtigkeit des Ausweises von Vermögen und Gewinn ? Die Erzielung von Steuerersparnissen ist nur in gewissem Grade ursächlich, wenn auch die für die AG konfiskatorische Körperschaftsteuer dazu zwingt, jede Abschreibungsmöglichkeit auszunutzen. Die Finanzverwaltung läßt sich aber schon seit langem die Bildung stiller Reserven nicht gefallen und verlangt die besondere Steuerbilanz, für die nur angemessene Abschreibungen zulässig sind. — Es sei denn, daß die Finanzverwaltung, wenn sie sich in Geldnot befindet, Sonderabschreibungen gestattet unter der Bedingung, daß Staatsanleihe gezeichnet und festgelegt wird, wodurch natürlich auch eine Verfälschung des Jahresabschlusses eintritt. Im allgemeinen sind aber die Steuerbilanzen wesentlich richtiger als die Handelsbilanzen. Die verantwortlichen Leiter der Unternehmungen pflegen nun zu erklären, daß es im Interesse der AG und ihrer Aktionäre läge, wenn die Dividende möglichst konstant gehalten werde. Dazu müßten in fetten Jahren Reserven gebildet werden, die dann in mageren Jahren herangezogen werden könnten. Das ist richtig. Dazu bedarf es aber keiner falschen Angaben über den Wert der vorhandenen Aktiven, sondern hier sollte der Weg der Bildung von Sonderrücklagen („Dividendenausgleichfonds") beschritten werden, denen abgezweigte Teile eines hohen Gewinnes offen, in der Erfolgsrechnung ausgewiesen, zugeführt werden, und aus denen bei geringen Gewinnen Beträge, wiederum unter Ausweisung in der Erfolgsrechnung, entnommen werden können, wenn man dies für richtig hält, um eine Dividendenstetigkeit zu erzielen. Ich bin aber der Ansicht, daß die Bildung stiller Reserven vielfach weniger erfolgt, um Gewinne zu verstecken, als vielmehr um die Möglichkeit zu haben, spätere Verluste zu verdecken. Gesellschaften haben jahrelang Dividenden verteilt, ohne einen Reingewinn erzielt zu haben. Im Falle einer englischen großen Schiffahrtsgesellschaft hat eine solche Bilanzpolitik dazu geführt, daß nach ihrer Aufdeckung ihr Präsident Lord K. zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde. Allerdings lag die formale Strafbarkeit hier nicht in dem Ausweis von (nicht erzieltem) Gewinn im Jahresabschluß, sondern in

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ihrer Wiedergabe in einem Prospekt für die beabsichtigte Ausgabe von Effekten, ohne auf die Quelle der ausgeschütteten Dividenden hinzuweisen. Die Effekten wurden dann notleidend, was in Anbetracht der vorher ausgewiesenen Gewinne Überraschung auslöste und zur Aufdeckung des Zusammenhanges führte. In früheren Jahren hat die Bildung stiller Reserven aber auch oft dazu geführt, dem Expansionsdrang der Führer das nötige Kapital zu liefern und dabei eine Erfolgskontrolle zu erschweren. In den Jahren nach 1945 sind ebenfalls stille Reserven in besonders hohem Maße gebildet worden, die meist auf Gewinne zurückgingen, die „über den Preis" erzielt wurden. Bis einschließlich 1949 haben nur wenige der 1951 bestehenden etwa 3700 Aktiengesellschaften (davon nur 687 notierte) überhaupt eine Dividende verteilt; die übrigen behielten den erzielten Gewinn für sich und halfen dadurch dazu, den Kapitalmarkt nicht gesunden zu lassen. Seit der Währungsreform sind bis Juni 1951 nur etwa 100 Neugründungen zu verzeichnen 22 ). Von der Währungsreform an bis einschließlich des 1. Quartals 1950 konnten nur 60,5 Millionen DM emittiert werden. Von den Nettoinvestitionen des Jahres 1950, die insgesamt 14—15 Milliarden DM betrugen, waren schätzungsweise 4—6 Milliarden DM durch Selbstfinanzierung aufgebracht worden, weitere 6 Milliarden durch öffentliche Mittel, 1,5 durch Garioa und ERP, 0,9 durch das Zentralbanksystem, 1,3 durch Versicherungsgesellschaften, Haussparkassen und Emissionen 23 ). Mehr als ein Drittel (34,5%) der Investitionen waren also finanziert worden, indem man den Aktionären eine Dividende vorenthielt. Von anderer Seite 24 ) wird der Umfang des seit der Währungsreform bis Mitte 1951 in deutschen Unternehmungen investierten Kapitals auf 30 Milliarden DM beziffert, wovon vermutlich der größere Teil durch Selbstfinanzierung aufgebracht sein dürfte. Natürlich soll nicht übersehen werden, daß in diesen Jahren eine besondere Situation vorlag, die durch mehr oder minder weitgehende Zerstörung der Betriebe, die Aufgabe der Umstellung, der Erzeugung, die eben durchgeführte Währungsreform u. a. gegeben war. Inzwischen haben aber auch die Unternehmungen die Unhaltbarkeit der gekennzeichneten Bilanzpolitik erkannt, und sie sind es gewesen, die die Umstellung der Vermögensrechnung auf die neue Währung zur Veranlassung genommen haben, eine richtige Vermögensrechnung vorzunehmen und, um dies zu ermöglichen, von der Finanzverwaltung zu verlangen, daß die bei einer Neubewertung der Aktiven und Passiven, d. h. bei der Auflösung der stillen Reserven, zutage tretenden Buchgewinne steuerfrei bleiben. Das hat die Finanzverwaltung vernünftigerweise getan und, um übersichtliche und möglichst konstante Wertmaßstäbe zu erhalten, den Stichtag für die DM-Eröffnungsbilanz zwar auf den 21. Juni 1948 festgesetzt (in Berlin den 1. April 1949), für die Bewertung z. T. aber besondere Bestimmungen erlassen. 22

) „Neues Aktienrecht im Werden", „Der Volkswirt" 1951 Nr. 24 S. 9. ) Jahresbericht der Kreditanstalt für Wiederaufbau für 1950 S. 20. 24 ) E . W . S c h m i d t , Banken contra Aktionär?, „Zeitschr. f. d. gesamte Kreditwesen", 15. Juni 1951 S. 395. 23

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Die DM-Eröffnungsbilanz wird im Ausmaß des Möglichen und Übersehbaren im allgemeinen eine richtige Vermögensübersicht enthalten, wobei selbstverständlich bei vielen Positionen ein Ermessensspielraum gegeben ist 25 ). Bleiben aber die bisherigen Gesetzesbestimmungen, so kann das Spiel der Bildung stiller Reserven von vorn beginnen. Das sollte eine Reform des Aktiengesetzes verhindern, indem sie den Grundsatz des § 40 HGB übernimmt, aber auch seine Durchführung sichert. Auf den 1948 erschienenen Aufsatz von Eich über „Die Reform der Bewertungsvorschriften für die Handelsbilanz und das Publizitätsproblem" wurde bereits hingewiesen. Der Aufsatz geht aus einem Vorschlage hervor, den ein A u s s c h u ß d e r D e u t s c h e n G e s e l l s c h a f t f ü r B e t r i e b s w i r t s c h a f t in der Zeit vor 1945 erarbeitet hat 2 6 ). Hier wird hinsichtlich der stillen Rücklagen unterschieden zwischen a) stillen Zwangsrücklagen b) stillen Ermessensrücklagen c) stillen Willkürrücklagen.

Stille Zwangsrücklagen sind solche, zu denen das Gesetz zwingt (z. B. durch das aus Vorsicht vorgeschriebene Niederstwertprinzip). Stille Ermessensrücklagen entstehen dadurch, daß die Werte sich meist nicht mit mathematischer Genauigkeit feststellen lassen. Man kann es daher der bilanzierenden Gesellschaft nicht verwehren, mit einer gewissen Vorsicht zu bewerten, durch die sich später möglicherweise eine kleine Unterbewertung ergibt. W i l l k ü r r ü c k l a g e n sind solche, die durch eine willkürliche Unterbewertung von Aktiven oder durch übertriebene Rückstellungen und Wertberichtigungen entstehen. Nur sie sind es, die die oft große Verfälschung des im Jahresabschluß gegebenen Bildes der Vermögensverhältnisse und der Ertragslage bewirken. Das Gesetz sollte solche Willkürrücklagen verbieten und verhindern. 6. Die Prüfungspflicht Der U m f a n g der Prüfung des J a h r e s a b s c h l u s s e s ist in § 135 AGes. festgesetzt. „Der Jahresabschluß ist unter Einbeziehung der Buchführung und des Geschäftsberichtes, soweit er den Jahresabschluß erläutert, durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Abschlußprüfer) zu prüfen. . . . Die Abschlußprüfung darf sich nicht darauf beschränken, ob der Jahresabschluß äußerlich sachgemäß aufgestellt ist und mit dem Bestandsverzeichnis und den Geschäftsbüchern übereinstimmt, sondern hat sich auch auf die Beachtung der Vorschriften über den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht zu erstrecken." 26 ) Daß auch hier unterschiedliche Meinungen bestehen, erkennt man aus den Aufsätzen: Dr. Fettel, DM-Eröffnungsbilanz und stille Reserven, ZfB 1951 Nr. 2 S. 88. Dr. Karl Spohn, Und die DM-Eröffnungsbilanz kann doch stille Reserven enthalten!, ZfB 1951 Nr. 7 S. 417. 26 ) „Zur Reform der Bewertungsvorschriften für die Handelsbilanz und für die aus dieser abzuleitenden Steuerbilanz", Heft 4 der Schriftenreihe Praktische Betriebswirtschaft („Neugestaltung des Aktienrechts") S. 83.

7 Aktuelle Betriebswirtschaft

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Hinsichtlich des Jahresabschlusses ist also zu prüfen, ob die Anforderungen des § 129 erfüllt sind, daß er „den G r u n d s ä t z e n o r d n u n g s m ä ß i g e r B u c h f ü h r u n g " entspricht, ob er „klar und übersichtlich" ist und einen „möglichst sicheren E i n b l i c k in die Lage der Gesellschaft gewährt". Es folgen in § 131 die Anforderungen an die G l i e d e r u n g der Bilanz einschließlich einiger Einzelbestimmungen, in § 132 die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung. Der sehr wichtige § 133 regelt die in der Bilanz anzuwendenden Wertansätze. Der Inhalt des G e s c h ä f t s b e r i c h t e s ist in § 128 bestimmt. In ihm „sind der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft darzulegen", über den Besitz eigener Aktien, aus der Bilanz nicht ersichtliche Haftungsverhältnisse, die Bezüge von Vorstand und Aufsichtsrat, die Beziehungen zu Konzernunternehmen, die Zugehörigkeit der AG zu preis- und absatzregelnden Verbänden u. a. Aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut des § 135 ist der Abschlußprüfer hinsichtlich des Geschäftsberichtes aber nur zuständig, „soweit er den Jahresabschluß erläutert". Im ganzen sieht man, daß die Prüfung einen teils formellen, teils materiellen Inhalt hat. Indessen tendieren die formulierten Bestimmungen dadurch etwas zum Formalen, weil sie sich an Jahresabschluß und Buchhaltung klammern. Die w i r k l i c h e , vom Leben der AG einem Prüfer gestellte A u f g a b e sieht ganz anders aus. Die als richtig oder als problematisch festgestellten Zahlen des Jahresabschlusses sollten erst der Ausgangspunkt für eine wenn auch nur knappe Beleuchtung der Struktur der Gesellschaft, der Fabrikationsverhältnisse, der Liquidität, der Ergebnisse sein, alles nicht nur für das Berichtsjahr, sondern in längeren Zeiträumen betrachtet, aber auch im Spiegel des betreffenden Wirtschaftszweiges und der allgemeinen Wirtschaftslage. Eine Wirtschaftsprüfung ist keine Buchprüfung. Die Aufgabe nach dem Aktiengesetz und nach dem Wirtschaftsleben stimmen also nicht überein. So sind daher auch die Prüfungsberichte der Abschlußprüfer sehr unterschiedlich. Vereinzelt sind sie kümmerlich, manchmal ausgezeichnet, im allgemeinen gut und entschieden über die vom Gesetz gestellte Aufgabe hinausgehend. Sie sind aber nicht nur ein Spiegelbild der Persönlichkeit des Prüfers, sondern nicht wenig auch ein solches der Vorstände der geprüften Gesellschaften. Einzelnen Unternehmungsleitern liegt bei der Abschlußprüfung nur an dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, der nach § 140 ergeben muß, „daß nach pflichtgemäßer Prüfung auf Grund der Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie der vom Vorstand erteilten Aufklärungen und Nachweise die Buchführung, der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht, soweit er den Jahresabschluß erläutert, den gesetzlichen Vorschriften entsprechen". Sie empfinden einen über den gesetzlichen Rahmen hinausgehenden Prüfungsbericht als lästig und scheuen insbesondere die Kosten. Im allgemeinen aber schätzen auch die Verwaltungen gute Prüfungsberichte, welche letzteren auch nicht nur bei der Verabschiedung des Jahresabschlusses benutzt werden sondern während des ganzen folgenden Jahres der Geschäftsleitung und dem Leiter des Rechnungswesens als ein wertvolles Nachschlagewerk dienen.

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Immer ist Voraussetzung, daß der Abschlußprüfer sich durchsetzt. Es kommt also stark auf die Persönlichkeit des Prüfers an, und so habe ich immer verlangt, daß der Wirtschaftsprüfer eine Persönlichkeit ist, und habe diese Forderung auch bei der Prüfung zum W P und bei der Erörterung der gesetzlichen Berufsregelung gestellt. Es ergibt sich die Frage, ob die P r ü f u n g s a u f g a b e vom Aktiengesetz r i c h t i g g e s t e l l t wird. Daß dies nicht der Fall ist, scheint mir daraus hervorzugehen, daß in der Praxis fast alle Abschlußprüfungen und Prüfungsberichte über die gesetzliche Enge hinausgehen. Auch der Gesetzgeber ist gelegentlich über die Prüfungsaufgabe lt. Aktiengesetz hinausgegangen. So schon vor Ergehen desselben in der Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 (RGBl. I S. 562) hinsichtlich der W i r t s c h a f t s b e t r i e b e d e r ö f f e n t l i c h e n H a n d . Für diese wird verfügt, daß „zur Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Jahresabschluß . . . unter Einbeziehung der zugrundeliegenden Buchführung . . . " zu prüfen ist. Der Bestätigungsvermerk muß lt. Durchführungsverordnung vom 30. März 1933 (RGBl. I S. 180) auch besagen, daß „die w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e des Betriebes wesentliche Beanstandungen nicht ergeben haben." Auch das Gesetz zur Änderung des G e n o s s e n s c h a f t s g e s e t z e s vom 30. Oktober 1934 (RGBl. I S. 1077) formuliert den § 53 über die Pflichtprüfung so, daß „zwecks Feststellung der w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung . . . die Einrichtungen, die Vermögenslage und die Geschäftsführung . . . zu prüfen" sind. Sehr weit geht die den Prüfern nach dem s c h w e d i s c h e n A k t i e n g e s e t z vom 14. September 194427) auferlegte Aufgabe, dessen Reform etwas unter dem Einfluß des Kreuger-Kraches stand. Bei AG mit mehr als einer halben Million Kronen Aktienkapital werden mindestens zwei Prüfer zwingend vorgeschrieben. Große Gesellschaften haben schon immer drei bis fünf Revisoren gehabt. Für sie besteht ein Proportionalwahlrecht von Aktionärgruppen, die über mehr als ein Drittel der vertretenen Stimmen verfügen. Uns interessiert hier die gestellte Prüfungsaufgabe. Sie erstreckt sich auch auf die G e s c h ä f t s f ü h r u n g d e s V o r s t a n d e s . Das war auch schon im Gesetz von 1910 so, und nach den Berichten der Autorisierten Revisoren Karlgren (Göteborg) und Karlgren (Halmstadt) 28 ) über „Prüfung des Jahresabschlusses" ist die Aufgabe wie folgt zu verstehen: „Mit der Vorschrift des Gesetzes über die ,Prüfung' der Geschäftsführung des Vorstandes ist die Prüfung sowohl der allgemeinen Führung des Unternehmens nach der finanziellen und der verwaltungsmäßigen Seite hin wie auch der Maßnahmen des Vorstandes bezüglich der allgemeinen Geschäftspolitik des Unternehmens usw. gemeint. . . . Zur Prüfung der Geschäftsführung gehört weiter eine Prüfung der Einkaufs- und Verkaufspolitik des Unternehmens und bei Fabrikunternehmen eine Prüfung des Betriebes. . ." 27 ) Martin Lohmann, Reformen im Prüfungswesen der schwedischen Aktiengesellschaft, „Der Wirtschaftsprüfer" 1949 S. 257. 28 ) Kongreßarchiv 1938 Bd. B Abschnitt 3 S. 239. 7*

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Dies ist natürlich nicht der Gesetzestext, sondern eine Auslegung der „Geschäftsführung des Vorstandes", die mir etwas ausführlich erscheint. Nach Sillen kann sich dieser Teil der Aufgabe „nur auf die wichtigsten wirtschaftlichen und organisatorischen Maßnahmen" erstrecken 29 ), was der wirklichen Praxis entsprechen dürfte. Zweifellos ist aber die Stellung des schwedischen Revisors sehr stark, denn er hat, wie schon im alten Gesetz, auch das Recht, eine Hauptversammlung einberufen zu lassen oder einzuberufen. Ob man in Deutschland so weit gehen soll, erscheint mir zweifelhaft. Sicherlich aber sollte man bei einer Reform des deutschen Aktiengesetzes die Prüfungsaufgabe weiter fassen und sie auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Vermögenslage und die betriebene Geschäftspolitik erstrecken, wobei es dann aber nicht darauf ankommen kann, Zensuren zu erteilen, sondern darauf, die Sachlage und die etwaigen Auswirkungen objektiv zu kennzeichnen. Selbstverständlich ist der Prüfungsbericht nur für Aufsichtsrat und Vorstand bestimmt, der entsprechende Prüfungsvermerk aber für den zu veröffentlichenden Abschluß. G r ü n d u n g s p r ü f u n g und S o n d e r p r ü f u n g . Während zur Abschlußprüfung nach § 137 nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gewählt und bestellt werden dürfen, wird für den — vom Gericht nach Anhörung der amtlichen Vertretung des Handelsstandes zu bestellenden— Gründungsprüfer in § 25 nur verlangt, daß er „in der Buchprüfung ausreichend vorgebildet und erfahren" ist. Das ist eine zweifellos verfehlte Formulierung. Eine Gründungsprüfung hat stattzufinden, wenn z. B. eine Gründung mit Sacheinlagen vorliegt u. a. Wenn Unregelmäßigkeiten oder Unzulänglichkeiten vorliegen, so stecken sie kaum in buchhalterischen, sondern in wirtschaftlichen oder rechtlichen Problemen. Die Gründung einer AG erscheint auch ebenso wichtig wie der Abschluß eines Jahres, und so sollten an die Person des Gründungsprüfers, der eine erhebliche Verantwortung trägt, die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an den Abschlußprüfer. Er sollte also Wirtschaftsprüfer sein. Das gleiche gilt für die Bestellung von Prüfern für die Sonderprüfung nach § 118, wie sie „zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung, namentlich auch bei Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung" vorgenommen werden. Sie pflegen das Ergebnis mehr oder minder starker Gegensätzlichkeiten zwischen Verwaltung und Aktionären zu sein. Hier müssen „Personen, die in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind", wenn sie weiter nichts wissen, versagen, und die hier vom Gericht zu bestellenden Prüfer sollten wiederum die Qualifikation des Wirtschaftsprüfers besitzen. 7. Abschlußprüfer — Wirtschaftsprüfer Ein weiteres Problem betrifft die B e s t e l l u n g d e s A b s c h l u ß p r ü f e r s . § 136 besagt: „Die Abschlußprüfer werden von der Hauptversammlung gewählt. . . . Der Vorstand hat den gewählten Prüfern unverzüglich den Prüfungs29

) Zitiert nach Lohmann a. a. O.

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auftrag zu erteilen". Es ist eine Regel, die wohl keine Ausnahme hat, daß der Hauptversammlung seitens der Verwaltung ein bestimmter Wirtschaftsprüfer vorgeschlagen und dieser dann gewählt wird. Ob bei seiner Auswahl der Aufsichtsrat entscheidet, der hierzu in erster Linie berufen ist, da der Abschlußprüfer sein im allgemeinen einziges Kontrollorgan ist, oder ob der Vorstand den Ausschlag gibt, wird unterschiedlich sein und wie anderes davon abhängen, wo die Macht liegt. Das Gesetz gibt aber in § 136 dem Vorstand, dem Aufsichtsrat oder einer Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, das Recht, gegen die Auswahl der Abschlußprüfer Widerspruch zu erheben, über den dann das Amtsgericht entscheidet. Ab und zu taucht nun die Anregung auf, den Abschlußprüfer durch eine von der zu prüfenden AG u n a b h ä n g i g e S t e l l e bestimmen zu lassen. Dabei wird vom einen an das Gericht, vom anderen an die Industrie- und Handelskammern, vom dritten an die Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer u. a. gedacht. Ich bin der Ansicht, daß durch eine solche Auswahl von außenher das Instrument der Abschlußprüfung verschlechtert werden wird. Die Auswahl würde nach weniger sachlichen Gründen erfolgen, als wenn die AG den ihr geeignet erscheinenden Wirtschaftsprüfer aussucht. Auch der Notar wird fast überall von seinen Klienten ausgewählt und genießt trotzdem allgemein den Ruf der Zuverlässigkeit. Bei einer Prüfung spielt ein gewisses Vertrauensverhältnis eine positive Rolle; die Auskünfte fließen reichlicher. Bei den Berufsorganisationen der Wirtschaftsprüfer oder der Wirtschaft spielt auch die „Gerechtigkeit" der Benennung eine eher ungünstige Rolle, indem sozusagen eine Kontingentierung stattfindet. Bei einer Zuteilung durch das Los — die keine Abschlußprüfung, sondern eine sicherlich schwierigere allgemeine Prüfung der treuhänderischen Verwaltung war — erlebte ich, daß einem weniger erfahrenen und organisatorisch nicht hinreichend ausgerüsteten Prüfer zwei sehr große Unternehmungen zur Prüfung zufielen, so daß die letztere qualitativ jedenfalls nicht so verlief, daß dieser Prüfer später Abschlußprüfer wurde. Ich bin der Ansicht, daß der S t a n d d e r W i r t s c h a f t s p r ü f e r , in den der einzelne nur auf Grund einer scharfen persönlichen und fachlichen Prüfung gelangt, so gestaltet und gefestigt ist, daß er, auch wenn die Auswahl des Prüfers durch die AG erfolgt, dieser innerlich seinen Auftrag als durch die Bestimmungen des Gesetzes gegeben empfindet. Gleichzeitig obliegt aber der Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer die Verpflichtung, bei der Gestaltung und Durchführung der Zulassungsbestimmungen und auch sonst dafür zu sorgen, daß alle Berufsangehörigen den zu stellenden fachlichen und persönlichen Anforderungen entsprechen. Dazu gehört bei den heutigen komplizierten wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnissen auch die volle wirtschaftswissenschaftliche, am besten b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e , a k a d e m i s c h e A u s b i l d u n g . Das bei der Bundesrepublik und wohl auch bei den Ländern in Beratung befindliche Berufsgesetz sollte der Zulassung zum WP-Examen ohne abgeschlossene Hochschulbildung jedenfalls eine zeitliche Grenze ziehen, jenseits deren eine Bestellung als Wirtschaftsprüfer ebensowenig möglich wäre

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wie schon heute bei der Zulassung als Anwalt oder der Approbation als Arzt. Wenn aber die volle akademische Grundlage gesichert ist — schon heute ist sie zu 2 / 3 bis 3 / 4 gegeben —, so kann dann bei den Vollakademikern an Stelle der etwas farblosen und das Wesen des Berufes nicht kennzeichnenden Bezeichnung „Wirtschaftsprüfer" auch der „Wirtschaftsanwalt" treten. Ein weiterer Punkt ist aber die U n a b h ä n g i g k e i t der Abschlußprüfer und Wirtschaftsprüfer von der zu prüfenden Gesellschaft und ganz allgemein. In ersterer Beziehung hat das Aktiengesetz in § 137 bestimmt, daß Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrats sowie Angestellte nicht als Prüfer gewählt werden dürfen. „Gleiches gilt für Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrats sowie Angestellte einer anderen Gesellschaft, die von der zu prüfenden Gesellschaft abhängig ist oder sie beherrscht, sowie für Personen, auf deren Geschäftsführung eine dieser Gesellschaften maßgebenden Einfluß h a t . " Beim Einzelprüfer ist es im allgemeinen eine Persönlichkeitsfrage, ob die volle innere Unabhängigkeit gegeben ist. Ein Wirtschaftsprüfer muß innerlich und auch wirtschaftlich imstande sein, auf die Innehaltung der gesetzlichen Bestimmungen einschließlich der dort gegebenen Grundsätze (Klarheit, Übersichtlichkeit, sicherer Einblick, Bewertung usw.) zu bestehen, auch wenn er damit rechnen muß, daß ihm dadurch für die Zukunft das Mandat verloren geht. Daher erscheint auch die Stellung des „Konzernprüfers" unerwünscht, der durch die Prüfungsaufträge eines Konzerns voll beschäftigt ist und dadurch eine erschwerte Ausweichmöglichkeit hat. Gesetzlich wird aber einem solchen Ausnahmefall nicht beizukommen sein. Ein besonderes Problem ergibt sich bei den W i r t s c h a f t s p r ü f u n g s g e s e l l s c h a f t e n . Von ihnen gibt es drei Gruppen: 1. unabhängige Gesellschaften, 2. Gesellschaften, deren Anteile sich mehr oder minder in der Hand von Banken, insbesondere Großbanken befinden, 3. Gesellschaften, deren Anteile sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden. Bei den beiden letzteren Gruppen ist eine äußere Abhängigkeit gegeben, die sich bei Revisionsgesellschaften vor 1931, ehe die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften entstanden, gelegentlich auch auf die Objektivität der Berichte negativ ausgewirkt hat. Die beherrschende Bank oder Behörde kann ja sehr wohl an dem Ergebnis der Prüfung interessiert sein. Mir ist nicht bekannt, daß eine dieser WP-Gesellschaften je versagt hat. Immerhin erscheint es doch angebracht, eine solche Abhängigkeit dadurch zu beseitigen, das gesetzlich festgelegt wird, daß die Anteile von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften soweit Eigentum von Wirtschaftsprüfern sein müssen, daß deren Majorisierung ausgeschlossen ist. Für die englische Zone ist seitens des damaligen Zentralamts für Wirtschaft am 20. Dezember 1946 auch eine Verordnung 30 ) ergangen, deren Durchführungsbestimmungen bzgl. der Anerkennung von Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften vorschreiben: „1. Inhaber aller Kapitalanteile der Gesellschaft müssen Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sein, die selbst 30

) „Der Wirtschaftsprüfer" 1948 S. 191.

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in der Gesellschaft tätig sind, 2. alle Vorstandsmitglieder der Gesellschaft müssen Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sein". Als 1948 sich ein Ausschuß der deutschen Wirtschaftsprüfer im Beisein der Regierungsvertreter mit dem Problem der geeigneten Gesellschaftsform für WP-Gesellschaften beschäftigte, kam er zu folgendem Ergebnis 31 ): „Die Mehrheit des Grundkapitals und der Stimmrechte muß in unbeschränktem Eigenbesitz von Wirtschaftsprüfern oder WP-Gesellschaften liegen. Dabei müssen die Anteilsrechte auf Namen lauten. Mit der Geschäftsführung sind grundsätzlich Wirtschaftsprüfer zu beauftragen, wobei bei mehrköpfiger Geschäftsführung Ausnahmen zugunsten qualifizierter Fachkräfte durch die Hauptkammer genehmigt werden können". Eine Durchführung dieser Grundsätze ist aber nicht erfolgt. Vielmehr verlautet z. B., daß die Regierung des Landes Niedersachsen zur Zeit im Begriff ist, die Niedersächsische Treuhand AG zu errichten, die alle Firmen prüfen und überwachen soll, an denen dieser Staat beteiligt ist. Ebensowenig ist bei den schon bestehenden und zugelassenen WP-Gesellschaften eine entsprechende Umgestaltung erfolgt. Analog z. B. der Bestimmung des Aktiengesetzes, die verbietet, daß Personen prüfen, auf deren Geschäftsführung die zu prüfende Gesellschaft maßgebenden Einfluß hat, sollten hier auch WP-Gesellschaften einbezogen werden, auf die NichtWirtschaftsprüfer Einfluß auszuüben in der Lage sind. 8. Die Bearbeitung der Reform des Aktienrechts Vorstehend wurde auf einige Probleme des Aktienrechts eingegangen, ohne daß dabei diese Darstellung erschöpfend sein sollte. So sind einzelne Fragen, wie die der Minderheiten in der Hauptversammlung, die Aktivierung der letzteren, insbesondere durch Belebung der Auskunftserteilung, die Vertretung der Aktionäre in der H V durch Organisationen, wie früher durch den Deutschen Aktionärverein, später den Sparerbund, heute durch die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, und andere Probleme bewußt unerörtert geblieben. Aber das Gesagte dürfte genügen, um von der Notwendigkeit der Reform zu überzeugen. An der Reform des Aktienrechts sind natürlich sehr weite Kreise interessiert, die Wirtschaft, die Wissenschaft, die freien Berufe der Wirtschaftsprüfer und der Anwälte, die Aktionäre und der Staat. So haben sich auch bereits verschiedene Stellen mit der Reform beschäftigt. Am intensivsten wohl die Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft in Berlin, deren Ausschuß für Aktienrecht die Probleme fortschreitend behandelt, welch letzterer auch im Mai 1951 eine formulierte Stellungnahme zum Mitbestimmungsrecht beschlossen hat 3 2 ). Ihr im Deutschen Betriebswirte-Verlag erschienenes Heft 4 über „Die Neugestaltung des Aktienrechts" wurde mehrfach zitiert. Weiter 31 ) Vgl. Koch, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der englischen Zone, „Der Wirtschaftsprüfer" 1948 S. 101. 32 ) „Das Problem des Mitbestimmungsrechts in der gewerblichen Wirtschaft", Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft Berlin 1951.

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ist die Frage der Reform von der Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Düsseldorf, aufgegriffen worden, die hierfür einen Arbeitskreis gebildet hat und deren Vorsitzender Staatssekretär a. D. Schmid auch in einem Vortrag in Hamburg (21. September 1950) eingehend Stellung genommen und Vorschläge gemacht hat 33 ). Ebenso haben die Institute der Wirtschaftsprüfer in Berlin und in Düsseldorf diesen Problemkreis aufgegriffen. Schließlich hat der Deutsche Juristentag auf das Programm seiner Tagung im September 1951 in Stuttgart das Thema „Die Gestaltung der Unternehmungsformen unter den Gesichtspunkten der Wirtschafts- und Sozialverfassung" gesetzt, wobei ja zweifellos die Gestaltung der AG, dieser wichtigsten Unternehmungsform der deutschen Wirtschaft, und damit die Gestaltung des Aktienrechts erörtert werden wird. Auch der Bundesjustizminister hat vor einigen Monaten mitgeteilt, daß in seinem Ministerium mit den Vorbereitungen einer Reform des Aktienrechts begonnen worden sei, worauf im „Volkswirt" ein interessanter Aufsatz erschien34). Leider werden dabei politische Gesichtspunkte (Mitbestimmungsrecht, Besetzung des Aufsichtsrats, Gestaltung des Vorstandes u. a.) eine Rolle spielen. Um so mehr sollte jetzt von unpolitischer sachverständiger Seite zur Reform Stellung genommen werden. 33

) Vgl. C. C. Schmid, „Aktionär von heute, Krise und Rettung", Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Düsseldorf. 34 ) Vgl. Neues Aktienrecht im Werden, „Der Volkswirt" 1951 Nr. 24 S. 9, Nr. 25 S. 11, Nr. 27 S. 11.

Ü b e r Wirtschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeitsrechnung Von Prof. Dr. H a n s S e i s c h a b , Hamburg Inhalt I. II. III. IV.

Vorbemerkung. Die drei Prinzipien der betrieblichen Arbeit. Die drei Vorstellungen von der Wirtschaftlichkeit. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung.

I. Vorbemerkung In der Wirtschaftstheorie wird das Streben nach Wirtschaftlichkeit mit Recht als eines der entscheidenden Motive für das wirtschaftliche Handeln angesehen. Die Zahl der Untersuchungen über die Wirtschaftlichkeit und die Wirtschaftlichkeitsrechnung ist recht bedeutend 1 ). Doch hat sich bis heute keine einheitliche Auffassung gebildet. Die Meinungen über das, was Wirtschaftlichkeit sei und darüber, wie das Streben nach Wirtschaftlichkeit begrifflich und die Wirtschaftlichkeitsrechnung formelmäßig erfaßt werden könnte, gehen erheblich auseinander. Noch also liegt ein wissenschaftliches Problem vor, das hier, ohne Rücksicht auf die bisherigen Lösungsversuche, mit der der Wissenschaft zukommenden Freiheit in der Begriffsbildung und Begriffsauslegung zu klären versucht wird. ') Die folgenden Veröffentlichungen,' nach der Zeit ihres Erscheinens geordnet, umfassen die wichtigste betriebswirtschaftliche Literatur über das Problem der Wirtschaftlichkeit. Es lag nicht in der Absicht des Verfassers, sie in den folgenden Ausführungen zu verarbeiten. Hummel, Otto, Das Rentabilitäts- und Wirtschaftlichkeitsproblem, Stuttgart 1927. Hertlein, Adolf, Die Kapital- und Erfolgsrechnung als Grundlage der Wirtschaftlichkeitsmessung, Stuttgart 1929, S. 132 ff. Nicklisch, Heinrich, Wirtschaftlichkeitsmessung; in „Die Betriebswirtschaft" 1932, Heft 3, S. 53/55. Preiser, Erich, Gestalt und Gestaltung der Wirtschaft, Tübingen 1934, S. 70 ff. Schönpflug, Fritz, Untersuchungen über den Erkenntnisgegenstand der allgemeinen und theoretischen Betriebswirtschaftslehre als Lehre von den wirtschaftlichen Gebilden, Stuttgart 1936, S. 109ff.

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Die Unklarheit über die Wirtschaftlichkeit ist so erheblich und die Verschiedenheit der Auffassungen so groß, daß dieser Begriff zu einem der häufig gebrauchten Schlagworte werden konnte. Da sein Inhalt nicht festliegt und nach der Literatur verschiedene Tatbestände umfassen kann, steht es jedem frei, sich das ihm Gemäße und Genehme zu denken, verschieden nur nach Einsicht und Bildung des Urteilenden. Oft werden Wirtschaftlichkeit und Produktivität verwechselt, sehr häufig, nicht immer ohne Absicht, wird sie mit Rentabilität gleichgesetzt, mit wirtschaftlichen Tatsachen also, mit denen sie freilich recht eng verbunden ist. Eine liberale, das Wesen der Wirtschaftlichkeit mißdeutende Auslegung des Begriffs läuft im übrigen selten Gefahr, zahlenmäßig des Irrtums widerlegt zu werden, weil bis heute keine systematische Wirtschaftlichkeitsrechnung entwickelt worden ist. Die in der Literatur zu findenden Bruchstücke zahlenmäßiger Überlegungen über den Wirtschaftlichkeitseffekt sind zwar zahlreich, aber ebenso verschieden wie die begrifflichen Erörterungen selbst. Die Vervollständigung des kaufmännischen Rechnungswesens durch Ausbau und systematische Einordnung der Wirtschaftlichkeitsrechnung entspricht, wie es scheint, nicht nur einem theoretischen Bedürfnis. Der Eigenbefehl des Kaufmanns, wirtschaftlich zu handeln, und sein Bedürfnis auf rechnerische Nachschau, ob und inwieweit ihm dies möglich war, ferner das allgemeine Interesse, das am wirtschaftlichen Handeln der Kaufleute besteht, dazu die mehr auf Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe als auf Rentabilität bedachte Haltung der angestellten Unternehmer und der Belegschaften bringen ein tatsächlich fühlbares praktisches Bedürfnis nach Entfaltung und systematischer Einordnung der Wirtschaftlichkeitsrechnung hervor. Durch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen werden Rentabilitätserwägungen in keiner Weise verdrängt oder ersetzt. Die Wirtschaftlichkeit löst die Rentabilität nicht ab. Unverkennbar ist aber das Bemühen der Unternehmungsleiter, die gute Rentabilität durch Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung zu motivieren. Gewinne befriedigen nur, wenn sie durch organisatorische oder produktive Leistung verdient sind. Beide, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit, können und müssen aber vollkommen unabhängig von einander verfolgt werden. Ihre Ergebnisse brauchen sich nicht zu decken, wie noch dargestellt werden Lehmann, M. R., Planvolles Rechnen in Betrieb und Gruppe. Ein Beitrag zur Wertschöpfungs- und Wirtschaftlichkeitsrechnung, Berlin 1937. Mellerowicz, Konrad, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3 Bände, 5. Auflage, Berlin 1948. Hertlein, Adolf, Zur Problematik der Wirtschaftlichkeit; in „Fragen der Technik in Einzeldarstellungen"; Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Oskar von Miller-Polytechnikums München, München 1949, S. 357 ff. Gutenberg, Erich, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre; 1. Band: Die Produktion, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1950, S. 340ff. Koch, H., Das Wirtschaftlichkeitsprinzip als betriebswirtschaftliche Maxime; in „Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung", Neue Folge, 3. Jahrg. 1951, Heft 4, S. 160—170.

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wird. Demnach ist der Gewinn als Maßstab des wirtschaftlichen Handelns allein nicht mehr entscheidend, wenn auch die Rentabilitätsberechnung nicht entbehrt werden kann. Durch die Wirtschaftlichkeitsrechnung, d. h. die nachträgliche rechnerische Überlegung, inwieweit die Handlungen des Unternehmers wirtschaftlich gut waren, werden die Tendenzen zur Verabsolutierung der betrieblichen Vorgänge gefördert. Weil es bei der Wirtschaftlichkeit in erster Linie auf den wirtschaftlichsten Vollzug der Leistungsvorgänge ankommt, also auf Vorgänge des innerbetrieblichen Wertumlaufs, stehen diese auch im Mittelpunkt der Wirtschaftlichkeitsüberlegung. Die Verbindung der Betriebe mit dem Markt, mit der Gesamtwirtschaft, wird dabei vernachlässigt werden können. Diese fiktive Abweichung von der Wirklichkeit ist keine absichtliche, bewußte betriebswirtschaftlich autarke Grundhaltung.

II. Die drei Prinzipien der betrieblichen Arbeit Grundthema jeder Wissenschaft ist die Schaffung einer objektiven Wirklichkeit. Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre muß es daher sein, nicht nur die betrieblichen Vorgänge und Zustände, sondern auch ihren Sinngehalt zu begreifen und darzulegen. Es geht hier darum, Zweck- und Zielsetzung des Wirtschaftens in Betrieben zu erkennen und beide in ihrer typischen wirtschaftlichen Sinngebung zu begreifen.Der Zweck- und Zielsetzung der Betriebe sowie der nur den Wirtschaftsbetrieben eigenen typischen Sinngebung des Wirtschaftens muß hier nachgegangen werden, um die drei Prinzipien der betrieblichen Arbeit zu erfassen. Mit ihren Leistungen erbringen die Betriebe neue Güter. Diese stiften ihres Eignungswertes wegen Nutzen. Seinetwegen kommt den Gütern im Markt Wert zu. — Die Hervorbringung und der Absatz neuer Güter werden durch die Beschaffung und den Einsatz von Stoffen, Kräften und auch Rechten bewirkt. Diese besitzen, ihrer technischen Eigenschaften wegen, die sie zur Erzeugung neuer Güter geeignet machen, Wert. Dieser geht in die neuen Leistungen ein und wird zum konstitutiven Element für deren Wert, der im Erlös vom Markt wieder ersetzt werden soll. — Vom Erlös der neuen Güter hängt es andererseits wieder ab, welcher Wert den zu beschaffenden Gütern, Kräften und Rechten, den Produktionsmitteln, beigelegt werden kann. So schließt sich die Kette der Wertüberlegungen, durch die der Wertehaushalt der Betriebe in Ordnung gehalten und Übereinstimmung zwischen Werteinsatz und Wertausbringung herbeigeführt werden soll. In diese betrieblichen Vorgänge und wertmäßigen Überlegungen ist Zweckund Zielsetzung der wirtschaftlichen Handlungen und ihre Sinngebung eingeschlossen. Im gelungenen Betriebsprozeß verwirklichen sich die drei Prinzipien der betrieblichen Arbeit: das B e d a r f s d e c k u n g s p r i n z i p , das E r f o l g s p r i n z i p und das W i r t s c h a f t l i c h k e i t s p r i n z i p .

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Der Leistungsprozeß der Betriebe ist planmäßig. Er bezweckt, den als gegenwärtige oder künftige Nachfrage erkennbaren Bedarf durch Hervorbringung und Verteilung materieller Güter zu decken. In diesem Bestreben wirkt sich das erste Prinzip der betrieblichen Arbeit, das B e d a r f s d e c k u n g s p r i n z i p , aus. Der Bedarfsdeckungseffekt tritt mit dem gelungenen Absatz ein. Er wird um so größer sein, je produktiver der Einsatz der Stoffe, Kräfte und Rechte ist. Die Produktivität der Leistungserstellung, die sowohl von der Menge und Güte der hervorgebrachten Leistungen abhängig ist, wird demnach von der Ausbringungsquote der Stoffe und der Arbeitsintensität der Menschen und Maschinen beeinflußt. Diese wiederum sind abhängig von der Qualität der eingesetzten Stoffe, Kräfte und Rechte, von der Vollkommenheit der Verfahrensweise, von der Zweckentsprechung und Harmonie der Organisation. Alles zusammengenommen bewirkt die Ergiebigkeit der Leistung. Diese Ergiebigkeit oder Produktivität ist ausschließlich technischer Natur. Der Produktivitätseffekt ist technischer Effekt. Er kann und wird in der Regel in Mengenverhältnissen ausgedrückt und gemessen werden. Er kann aber auch in Werten ausgedrückt und an ihnen gemessen werden, wenn die außerbetrieblichen Wertveränderungen isoliert worden sind. Gemessen werden stets tatsächliche Leistungsmengen, Abfallmengen, Fehlleistungsmengen. Als Maß können auftreten theoretisch mögliche oder aus der Erfahrung gewonnene normative Leistungsmengen. Die Quotienten besagen somit etwas über die Intensität der Leistungserstellung und über den relativen Stand der Produktivität. Es lassen sich auch Kennziffern der Produktivität bilden, wobei die Mengen oder Werte am Maschinen- oder Menscheneinsatz (nach Größe und Zeit) gemessen werden. Auch hierbei entstehen Produktivitätsaussagen (-urteile) der genannten Art. Die technische Produktivität besagt somit etwas über den mengenmäßigen Bedarfsdeckungseffekt. Sie ist sowohl von volks- als auch von betriebswirtschaftlicher Bedeutung. Von der Ergiebigkeit kann auf die Wirtschaftlichkeit der Leistung aber nur dann geschlossen werden, wenn unterstellt wird, daß die Produktivität nicht zu kostspielig ist. Wird z. B. eine Mehrzweckmaschine erfunden und konstruiert, so kann damit gerechnet werden, daß durch Ersparnis an Arbeit, Zeit und Kapital bei im übrigen gleichgebliebenen Produktionsvoraussetzungen eine größere Ausbringung und damit ein höherer Bedarfsdeckungseffekt möglich sein wird. Die Produktivität des Prozesses gegenüber früher wird ansteigen. Ob die Aufstellung von Mehrzweckmaschinen und die Verdrängung der bisherigen Maschinen aber wirtschaftlich ist, kann nur durch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen entschieden werden, wobei, wie sich noch zeigen wird, die Ergiebigkeit und Kostspieligkeit wertmäßig und gleichzeitig verglichen und gegenseitig abgewogen werden müssen. Zur Planmäßigkeit der betrieblichen Handlungen gehört nicht nur, daß sie zweckvoll gesetzt, sondern auch sinnvoll erdacht worden sind. Sie sind es, wenn der Vollzug des Leistungsprozesses den zwei anderen allgemeinen Prinzipien der betrieblichen Arbeit gerecht wird, dem Erfolgsprinzip und dem Wirt-

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schaftlichkeitsprinzip. Sie werden also gemeinsam und gleichzeitig mit dem Bedarfsdeckungsprinzip zu verwirklichen versucht. Ziel des Wirtschaftens ist die Hervorbringung eines höheren Eignungswertes als der Summe aller eingesetzten Eignungswerte der Stoffe, Kräfte und Rechte entspricht. Ziel des Wirtschaftens ist also ein Wertauftrieb. Der Wert der hervorgebrachten neuen Leistung soll höher sein als die Werte der eingesetzten produktiven Mittel zusammengenommen. Gelingt dies, ist also der produzierte Wert größer als die Summe der eingesetzten Eignungswerte, so liegt ein Mehrwert, ein Wertüberschuß, vor. Dieser Wertauftrieb kann rechnerisch ermittelt werden, wenn der Selbstkostenpreis der produzierten Güter, d. h. der fiktive Angebotspreis, mit den zu Kosten gewordenen Aufwendungen für die in die Leistung eingegangenen Produktivwerte verglichen wird. Die Wertgleichung für innerbetriebliche Vorgänge L-/-K=±W Leistung •/• Kosten = ± Wertauftrieb bietet hierzu die Möglichkeit. Sie wird auch für die Wirtschaftlichkeitsrechnung noch größere Bedeutung gewinnen. Im Wertauftrieb spiegelt sich der prospektive Erfolg der wirtschaftlichen Handlungen. Beim Absatz der Leistungen kann er sich je nach den Marktverhältnissen im Erlös (Ertrag) der Leistungen als Umsatzgewinn in gleicher, größerer oder kleinerer Höhe niederschlagen. Mit diesem Erfolgseffekt verwirklicht sich das Z i e l des Wirtschaftens in Betrieben. Unabhängig von der Wirtschaftsordnung und nur gradweise verschieden, streben diese danach, im Erlös der Leistungen nicht nur die Aufwendungen zur Hervorbringung dieser Leistungen, d. h. die Aufwendungen für die eingesetzten produktiven Güter zu decken, sondern darüber hinaus noch Gewinn zu erzielen. Die wirtschaftlichen Handlungen im einzelnen und der Betriebsprozeß im ganzen sollen gewinnbringend sein. Die rechnerische Grundform für diese über die Märkte abgewickelten Vorgänge ist die bekannte Formel für die Gewinnermittlung: E-/-A = Erträge •/" Aufwendungen =

±G Gewinn,

die mit der Formel für innerbetriebliche Vorgänge identisch ist, wenn alle Leistungen und nur diese abgesetzt und alle Aufwendungen zu Kosten dieser Leistungen geworden sind, so daß sich der fiktive Wertauftrieb im Gewinne realisiert. Der Erfolgseffekt wird in der kapitalistischen, unternehmungsweise geführten Wirtschaft am eingesetzten Kapital gemessen und in Prozenten dieses ausgedrückt. Die Rentabilität des Kapitals, sei es Unternehmer- oder Unternehmungskapital, ergibt einen Vergleichsmaßstab, der zwar über den Erfolg der wirtschaftlichen Handlungen, nichts aber über deren Wirtschaftlichkeit selbst auszusagen vermag.

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Die Gewinnermittlungsformel: E-/-A

=

±G

muß bei Wirtschaftlichkeitserwägungen ausscheiden. Gewinn kann ganz oder teilweise durch außerordentliche Erträge entstanden sein. Selbst dann, wenn der Gewinn aus Leistungserträgen stammt, kann doch nicht ohne weiteres auf die Produktivität des Leistungsprozesses oder auf die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprozesses geschlossen werden. Sie kann in Teilbetrieben gegeben sein, in anderen aber fehlen. Selbst bei absinkender Produktivität und fallendem Bedarfsdeckungseffekt kann die Rentabilität ansteigen, sofern die Marktlage relativ hohe Preise, Erlöse und damit Erträge zuläßt. Auch bei steigenden Gewinnen braucht kein direkter Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeit zu bestehen. Wird z. B. unter bestimmten Marktverhältnissen die gewinnmaximale Position des Betriebes erstrebt und Beschäftigung und Absatz über die kostengünstigste Produktion hinaus ausgedehnt, so wird zwar mit dem Gewinnmaximum ein erhöhter Bedarfsdeckungseffekt verwirklicht, doch kann wegen der angestiegenen Stückkosten eine geringere Wirtschaftlichkeit gegeben sein. Die elementare Grundform aller Wirtschaftlichkeitsüberlegungen muß somit in der Formel für die innerbetrieblichen Leistungsvorgänge, der Wertauftriebsformel L-/-K=±W ganz allein gesucht werden. Die Verwirklichung von Zweck- und Zielsetzung der Betriebe, der Bedarfsdeckung durch Produktivität der wirtschaftlichen Handlungen und ihr Erfolg durch gewinnbringenden Absatz der Leistungen, ermöglichen noch kein sicheres Urteil über die Wirtschaftlichkeit des Betriebsgeschehens. Sowohl bei produktiver als auch bei erfolgreicher Betriebsführung ist es nicht sicher, ob bei gegebenen Verhältnissen das praktisch mögliche beste Maß der Bedarfsdeckung und das praktisch mögliche beste Erfolgsmaß verwirklicht worden sind. Dieses. Dilemma der Betriebsführung weist unmittelbar hin auf die Frage nach dem Wesen und der Erscheinung der Wirtschaftlichkeit des Leistungsprozesses, da offenbar erst der Wirtschaftlichkeitseffekt der Zweck- und Zielsetzung des Betriebes ihre tiefere Begründung und den betrieblichen Handlungen erst den Sinngehalt vermittelt, der die Maßnahmen der Betriebsführung als wirtschaftliche rechtfertigt und kennzeichnet. Der Bedarfsdeckungseffekt und der Erfolgseffekt sollen durch ein spezifisch wirtschaftliches Verhalten aller Arbeitenden sichergestellt werden. Diese Einstellung der Betriebe zu ihrer Aufgabe, dieses Streben nach Wirtschaftlichkeit, ist typisch für alle Wirtschaftsbetriebe. Es äußert sich in der Bereitschaft der handelnden Personen, sich bestimmten Maximen des Handelns zu unterwerfen, die als allgemein gültig für das Wirtschaften in Betrieben, als das. wirtschaftliche Prinzip schlechthin, gelten. Ihre Beachtung fördert reflektierende Überlegungen über alle geschäftlichen Maßnahmen, regt zum Nachdenken über den Sinn der geschäftlichen Handlungen an und ermöglicht damit

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wirtschaftliche Urteile, die über das bloße Zweck- und Zieldenken hinausgehen. Im Bewußtsein des Handelnden bilden sich Vorstellungen über die Qualität ihrer wirtschaftlichen Maßnahmen, die der rechnerischen Darstellung zugänglich sind. Die Entwicklung des betriebswirtschaftlichen Denkens in Theorie und Praxis der letzten dreißig Jahre ist gekennzeichnet durch die Hinwendung zum Wirtschaftlichkeitsstreben, in der hier noch näher darzustellenden spezifischen Fassung der normativen Wirtschaftlichkeit; auch ist das Bemühen um die rechnerische Erfassung des Wirtschaftlichkeitseffektes unverkennbar. Unverkennbar ist ferner die Tatsache, daß dadurch Zweck und Ziel der Betriebe, die Bedarfsdeckung und der Betriebserfolg, keine Einbuße, eher Förderung erfahren haben. Es zeigen sich hier Auswirkungen der auch in anderen betrieblichen Bereichen erkennbaren Tendenz zur Verwissenschaftlichung der Betriebsführung, mit dem Streben nach Aufdeckung kausaler und funktionaler Beziehungen bei fortschreitender Konkretisierung und Objektivierung der betrieblichen Wertbewegung und der Tendenz zur Verabsolutierung des Betriebes, die sich u. a. in der Neigung der Betriebe zur Isolierung ihrer rechnerischen Probleme vom Marktgeschehen kundgibt und durch Wirtschaftlichkeitsstreben ein Höchstmaß an betrieblicher Sicherheit vor anderen zu erringen strebt. Es ist festzuhalten: Die Zwecksetzung des Wirtschaftens in Betrieben ist Bedarfsdeckung; die Zielsetzung des Wirtschaftens liegt in der Hervorbringung eines Wertauftriebs, d. h. eines Wertüberschusses der Leistung über ihre Kosten, der sich bei erfolgreichem Absatz der Leistung als Gewinn niederschlägt; die Sinngebung des Wirtschaftens aber liegt in der Wirtschaftlichkeit des Vollzugs der wirtschaftlichen Handlungen. Zweck und Zielsetzung der betrieblichen Arbeit werden durch die Wirtschaftlichkeit der Handlungen erst sinnvoll motiviert. Bei der Wirtschaftlichkeit liegt demnach kein materielles, sondern ein formales, aber praktisch bedeutsames Willensprinzip vor. Es richtet sich auf den Vollzug des Handelns, nicht auf das Handeln selbst, das sich materiell an der Zweck- und Zielsetzung der Betriebe ausrichtet. Diese formale Seite des Vollzugs der wirtschaftlichen Handlungen muß sich auch in den allgemeinen Regeln für das wirtschaftliche Handeln, dem sogenannten Wirtschaftlichkeitsprinzip, niederschlagen.

III. Die drei Vorstellungen von der Wirtschaftlichkeit Wirtschaftlichkeit ist eine Eigenschaft, die logischerweise nur wirtschaftlichen Handlungen oder wirtschaftlichen Tatbeständen beigelegt werden kann. Durch die Eigenschaft der Handlungen oder Tatbestände, sich als wirtschaftlich gut oder schlecht zu erweisen, wird in das Wirtschaften ein qualitatives Moment gebracht, durch das sich die Handlungen als wirtschaftliche oder unwirtschaftliche erweisen. Wodurch sie wirtschaftlich gut oder schlecht sind,

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warum also einmal die Wirtschaftlichkeit gut, ein andermal aber schlecht sein soll, wird verschieden beantwortet. Es gibt in der Theorie und Praxis verschiedene Vorstellungen von der Wirtschaftlichkeit. Das Streben nach Wirtschaftlichkeit entsteht auf dem Boden vorsätzlicher Beachtung bestimmter Regeln, Grundsätze oder Maximen beim Vollzug der wirtschaftlichen Handlungen, also bei der Beschaffung und dem Einsatz der Stoffe, Kräfte und Rechte zur Hervorbringung neuer Leistungen sowie bei ihrem Absatz. Diese Regeln sind finale Prinzipien. Sie dienen der Förderung der Ziel- und Zwecksetzung der Betriebe in bestimmter Weise. Sie können nicht isoliert von diesen oder ohne diese entstehen; Wirtschaftlichkeit an sich ist nicht denkbar. Mit Recht wird also von der Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung oder der Bedarfsdeckung, von der Wirtschaftlichkeit der Gewinnerzielung oder, beide Blickrichtungen umfassend, von der Wirtschaftlichkeit des ganzen oder von Teilen des Betriebsprozesses gesprochen. Das Streben nach Wirtschaftlichkeit bleibt auf betriebswirtschaftliche Bereiche beschränkt, wie auf die Beschaffung, die Fertigung, den Absatz der Güter, auf die Organisation des Vermögens und Kapitals, sowie die betrieblichen Funktionen. Es wirkt in alle Bereiche und Teilbereiche des Betriebs, auf einzelne Prozesse und Prozeßabläufe; es kann auch in einzelnen Handlungen gefunden werden, dagegen nicht im Marktablauf mit seinen Erscheinungen, den Mengenverhältnissen und Preisen. Die Marktorganisation dagegen ist bereits wieder im betriebswirtschaftlichen Bereich. Als ein Mittel sinnvollen Wirtschaftens beruht das Streben nach Wirtschaftlichkeit auf der bedingungslosen Anerkennung der wirtschaftlichen Maximen, die das Prinzip der Wirtschaftlichkeit ausmachen. Dabei handelt es sich um in allgemein gültigen Sätzen geformte Befehle an die Wirtschafter, sich beim Wirtschaften so und nicht anders zu verhalten, um kategorische Imperative des wirtschaftlichen Handelns also, die kein Ausweichen erlauben. Formulierungen dieser Art liegen, wie es scheint, in dreifacher Fassung vor: im sogenannten ö k o n o m i s c h e n P r i n z i p , im G e w i n n m a x i m i e r u n g s p r i n z i p und in dem bisher wenig beachteten normativen P r i n z i p der W i r t s c h a f t l i c h k e i t . Die ersten beiden sind auf dem Boden der Volkswirtschaftslehre konzipiert worden, beim letzten liegt betriebswirtschaftliches Gedankengut vor. Das ö k o n o m i s c h e P r i n z i p wird in zahlreichen von einander verschiedenen Fassungen vorgebracht. Letztlich enthalten sie sämtlich das bekannte Prinzip sparsamer Mittelverwendung. In betriebswirtschaftlicher Fassung enthält es etwa die folgende Maxime: Erbringe Deine Leistungen mit dem geringstmöglichen Stoff-, Kraft- und Zeitaufwand und auf dem kürzestmöglichen Weg! Dieses Prinzip der Aufwandsminima geht also von der Vorstellung gleichbleibender Erträge (Erlöse) für die Leistungen aus und unterstellt, daß durch sparsame Mittelverwendung, d. h. durch ein Minimum an Aufwand bzw. Kosten, ein Maximum an Nutzen bzw. Gewinn erzielt werden wird. Die Vorstellung, die sich damit verbindet, liegt im Bereich der betriebswirtschaft-

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liehen Grundformel für die Gewinnermittlung, die bei der Darstellung des Erfolgseffektes schon von Bedeutung geworden war: Erträge -/' Aufwendungen = ^

Gewinn

(E •/•A = ± G). Heute ist die Auffassung allgemein verbreitet, daß es sich beim ökonomischen Prinzip um eine „Konfundierung des ökonomischen Prinzips mit dem Rationalprinzip" (Gutenberg) handelt, daß seine Maxime sich mit jeder Art zweckrationalen Verhaltens deckt und daß im sogenannten ökonomischen Prinzip demnach das allgemeine Vernunftsprinzip kategorial erfaßt ist, das auch außerhalb der Wirtschaft Geltung besitzt und Anerkennung heischt. Als wirtschaftliches Prinzip ist das ökonomische Prinzip deshalb längst fallen gelassen worden. Als allgemeines Vernunftprinzip wirkt es in den Betrieben als Sparsamkeitsprinzip weiter und ist Bestandteil des planmäßigen Wirtschaftens und seiner Sinngebung. Der Vorwurf, das ökonomische Prinzip sei in sich unlogisch, weil es unmöglich sei, mit einem minimalen Aufwand einen maximalen Nutzen zu erzielen, hat schließlich zu neuen Formulierungen geführt. So wird gefordert, mit gegebenem Aufwand einen höchstmöglichen Nutzen oder einen Nutzen bestimmter Höhe mit mindestmöglichem Aufwand zu erzielen. In die betriebswirtschaftliche Sphäre übertragen, ist schließlich das ökonomische Prinzip jüngst folgendermaßen, inhaltlich unverändert, bestimmt und zum Ausgangspunkt für das Gewinnmaximierungsprinzip gemacht worden. „Disponiere so, daß du einen bestimmten Erlösbetrag mit Hilfe eines minimalen Kostenbetrages erzielst oder daß du mit einem gegebenen Kostenbetrag einen maximalen Erlös erzielst!" 2 ) Wird das ökonomische Prinzip an der Gewinnformel demonstriert, so bedarf es dieser einschränkenden Formulierung allerdings nicht, weil die Gefahr der Unlogik durch den konstant zu denkenden F a k t o r E r t r a g oder den konstant zu denkenden F a k t o r Aufwand beseitigt ist. Immerhin hat sich gezeigt, daß es als Maxime des Handelns kein für die Wirtschaftsbetriebe allein gültiges Prinzip darstellt. E s vernachlässigt den Bedarfsdeckungseffekt vollkommen und konzentriert sich ganz allein auf den Erfolgseffekt, womit die kardinalen Voraussetzungen für den Wirtschaftlichkeitseffekt nur unvollkommen erfaßt werden. Aufwand und Nutzen (Gewinne) im Mittelpunkt kategorialer Anweisungen genügen nicht, um den Vollzug der betrieblichen Handlungen im ganzen sinnvoll zu erfassen. Als Ausgangspunkt für die Wirtschaftlichkeitsrechnung bietet es somit keinen voll ausreichenden Ansatzpunkt. Die Formel

L-/-K

=

Leistung minus Kosten = i

±W Wertauftrieb,

2) H. Koch, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip als betriebswirtschaftliche Maxima. Zeitschr. f. handelswissenschaftl. Forschung 1951, Heft 4, S. 165.

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ist in den früheren Ausführungen als elementare Grundform für alle Wirtschaftlichkeitsüberlegungen angesehen worden. Aus ihr kann geschlossen werden, daß nicht nur vom Leistungseffekt und Kosteneinsatz her ein Zugang zu Wirtschaftlichkeitsüberlegungen möglich ist, sondern ebenso auch vom ± Wertauftrieb aus. Er ist die Differenz, die sich aus dem höheren oder niederen Eignungswert (Gebrauchswert oder Produktionswert) der erstellten Leistungen und der Summe der eingesetzten Eignungswerte der Stoffe, Kräfte und Rechte, d. h. den Kosten, errechnet. Der Gedanke lag nahe, den positiven oder negativen Mehrwert der erstellten Leistung zum Ausgangspunkt von Wirtschaftlichkeitserwägungen zu machen. Es kann j a nicht bestritten werden, daß die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung, der Bedarfsdeckungseffekt ebenso wie der Mitteleinsatzeffekt im Wertauftrieb zusammenlaufen und dort zu einem Ausdruck verschmelzen. Allerdings kann dann nicht gesagt werden, welchen Anteil am Wertauftrieb die zwei Bestimmungsfaktoren haben. Eine schlechte Wirtschaftlichkeit des Kosteneinsatzes kann durch eine gute Leistungsergiebigkeit (Produktivität) ganz oder teilweise ausgeglichen, über- oder unterkompensiert werden. Wirtschaftlichkeit ist eben eine komplexe Größe, die aus der elementaren Grundform der formelmäßigen Darstellung ohne weiteres ersehen werden kann. Der positive oder negative Wertauftrieb der Leistungsvorgänge ist in der Regel Voraussetzung für Gewinn oder Verlust des Betriebes. Damit wird, wie dargestellt worden ist, die nicht immer zutreffende Meinung verbunden, daß ein wirtschaftlicher Vollzug der Leistungserstellung der Ausgangspunkt für den Betriebs- oder Unternehmungsgewinn ist oder, falls auch andere Gewinn- oder Verlustquellen neben der Leistungserstellung bestehen, doch entscheidend zur Erhöhung oder Minderung des Gewinnes oder Verlustes beiträgt. Von hier aus ist dann weiter gefolgert worden, daß der Gewinn der Betriebe Maßstab der Wirtschaftlichkeit sei und dem Wirtschaftlichkeitsprinzip im Gewinnmaximierungsprinzip folgende kategoriale Fassung gegeben worden: Handle stets so, daß sich aus deinen Handlungen ein höchstmöglicher, d. h. ein maximaler Gewinn ergebe! Das Gewinnmaximierungsprinzip als wirtschaftliche Maxime hat in die volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Theorie Eingang gefunden. Dabei ist aber die ursprüngliche Zweckbestimmung des wirtschaftlichen Prinzips, eine formale Maxime des Vollzugs der wirtschaftlichen Handlungen zu sein, aufgegeben worden. Das Gewinnmaximierungsprinzip ist der betrieblichen Nutzanwendung zugunsten einer mehr gemeinwirtschaftlichen Sinngebung entfremdet worden. Mit dem Gewinnmaximierungsprinzip, das letztlich eine höchste Steigerung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips darstellt, sollen in der Regel allgemeinwirtschaftliche, nicht betriebswirtschaftliche Effekte erreicht werden, wie die „wirtschaftliche Versorgung der Betriebe mit den knappen Gütern" oder „die günstigste quantitative und qualitative Versorgung mit Gütern" (herr-

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sehende volkswirtschaftliche Lehrmeinung) oder die Hinführung der Güter auf ihre volkswirtschaftlich nützlichsten Verwendungen (Schmalenbach). Es ist einleuchtend, daß immer dann, wenn im Gewinn eine Aussage über und ein Maßstab für die Wirtschaftlichkeit des Vollzugs der betrieblichen Arbeit gesehen wird, die Grundform der wirtschaftlichen Überlegungen, die Gleichung L-/-K = ±W entbehrt werden und auf die üblichen Gewinnermittlungsrechnungen, wie die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung, zurückgegriffen werden kann. Dadurch wird aber auch äußerlich sichtbar, daß das Prinzip der Wirtschaftlichkeit vom Prinzip des privaten Nutzens, d. h. dem Erfolgsprinzip oder dem Rentabilitätsprinzip, ersetzt ist. Wenn auch nicht bestritten werden soll, daß das Erwerbsinteresse die Wirtschaftlichkeit der Handlungen günstig beeinflussen wird, so ist doch unverkennbar, daß es als allgemeingültige Maxime beim Vollzug der wirtschaftlichen Handlungen nicht ausreicht. Zur Begründung kann auf die vorausgegangenen Ausführungen verwiesen werden. Auch für den maximalen Gewinn gilt, daß weder die mit ihm erwirkte erfolgreiche Bedarfsdeckung, noch der verwirklichte Erfolg etwas darüber auszusagen vermögen, ob das praktisch mögliche beste Maß der Bedarfsdeckung und das praktisch mögliche beste Erfolgsmaß verwirklicht worden sind. Das wirtschaftliche Prinzip muß, wenn es zweckvoll gefaßt ist, den materialen Gehalt des als wirtschaftlich zu kennzeichnenden Handelns zum Ausdruck bringen. Die Maxime des wirtschaftlichen Handelns soll möglichst alle Elemente der wirtschaftlichen Überlegung aufweisen, die den Vollzug des Wirtschaftens sinnvoll gestalten. Sparsamkeit beim Mitteleinsatz oder Gewinnmaximierung sind nur dürftige Hinweise auf die Art der Reflektionen beim wirtschaftenden Menschen. Sie vermögen den vollen Tatbestand der geistigen Vorgänge beim wirtschaftlichen Handeln nicht zu erfassen. Das Wesentliche des wirtschaftlichen Handelns wird somit nicht zum Ausdruck gebracht; dies lehrt ein flüchtiger Blick in die Direktionen und Dispositionsabteilungen der Betriebe. Es kommt darauf an, den Vorgang der wirtschaftlichen Überlegung in seine essentiellen Bestandteile aufzugliedern, die Grundform der wirtschaftlichen Überlegung herauszuschälen, die allgemeingültigen reflektierenden Betrachtungen des wirtschaftenden Menschen daran aufzuzeigen und die Ergebnisse der Beobachtung als Erkenntnis in die Form allgemeingültiger Sätze zu bringen, die als Maxime des wirtschaftlichen Handelns unbedingte Anerkennung beanspruchen können. Dieser Weg ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur erstmals von Schönpflug 3 ) beschritten worden. Mit der ihm eigenen analytischen Begabung ist er den wirtschaftlichen Überlegungen der Wirtschaftenden im Betrieb 3 ) Fritz Schönpflug, Der Erkenntnisgegenstand der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1936, S. 109ff., dessen Ausführungen hier im wesentlichen dargestellt werden. 8'

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nachgegangen, allerdings nicht immer günstig beeinflußt von den Vorarbeiten, die Töndury über den gleichen Gegenstand geleistet hatte. Nach Schönpflug handelt es sich bei den wirtschaftlichen Urteilen um vier konstitutive Elemente. Es sind die folgenden. Die Urteile gehen vom handelnden oder als handelnd gedachten Subjekt selbst aus; beurteilt werden die Handlungen; nicht eine Gesamtheit der Handlungen steht zur Beurteilung, sondern die einzelne Handlung im Rahmen des Ganzen; die einzelne Handlung wird nach ihrem Nutzen oder Wert im Rahmen des Ganzen beurteilt. Die elementare Grundform der wirtschaftlichen Überlegung findet er in der formelmäßigen Verknüpfung der drei bei jeder wirtschaftlichen Überlegung auftretenden Werte: Dem A u f w a n d oder dem durch die Handlung verursachten Kräfteverzehr, dem R o h e r t r a g oder dem produzierten Wert oder dem Ergebnis der Handlung und dem E r f o l g oder der Spanne zwischen aufgewandtem und erzieltem Wert. Wie nicht anders zu erwarten und wie es dem Zusammenhang entspricht, stößt somit auch Schönpflug auf die formelmäßige Verknüpfung der drei für den Ablauf wirtschaftlicher Handlungen entscheidenden Werte und damit auf die „Grundgleichung der wirtschaftlichen Überlegung", wie sie in den bisherigen Betrachtungen eine Rolle gespielt hat: E •/• A = ± G (oder L •/• K = ± W f ) . Er meint, daß sich in ± G (oder ± W) die Qualität der Handlung generell als eine rationale oder speziell als eine wirtschaftliche ausdrückt und betont, daß eine Veränderung des i G (oder ztz W) so vor sich gehe, daß entweder eine einseitige Zu- oder Abnahme von E (oder L) oder A (oder K) erfolgt oder daß beide Größen sich gleichzeitig verändern. Bei der Analyse der wirtschaftlichen Überlegung geht er nicht, wie es dem ökonomischen Prinzip entspricht, in linearer Weise vor, indem er etwa die drei Werte in der Reihenfolge, wie sie in der Gleichung nacheinander auftreten, miteinander vergleicht, um schließlich das Urteil einseitig von der Größe i G (oder i W) abhängig sein zu lassen, sondern läßt die wirtschaftliche Überlegung stufenweise fortschreiten, wobei „jedesmal ein anderer Tatbestand in den Mittelpunkt der Entscheidung" gerückt wird, bis sich aus den so gewonnenen Komponenten die wirtschaftliche Überlegung als Ganzes ergibt. Die Stufen der wirtschaftlichen Überlegung und die daraus gewonnenen Komponenten des wirtschaftlichen Urteils ergeben sich nach Schönpflug: a) aus dem doppelseitigen Vergleich von E und A (oder L und K), b) aus dem Vergleich von E und A (oder L und K) mit einem anderen E und A (oder L und K), c) die Ermittlung von i G (oder i W) und ihr Vergleich mit einem anderen ± G (oder ± W). 4 ) Schönpflug gibt ihr, a. a. O. S. 117, die Töndurysche Fassung: L./.A= ± D oder Wertergebnis minus Aufwand = Differenzialwert. Im Rahmen dieser Darstellung soll aber an den obigen, besser verständlichen Formeln festgehalten werden.

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Beim doppelseitigen Vergleich von E und A (oder L und K) derart, daß wechselweise „das reziproke Maß" genommen wird, indem einmal E von A (oder L von K), ein andermal A von E (oder K von L) gemessen werden, werden Aussagen über die Ergiebigkeit und Kostspieligkeit der Handlungen gewonnen, wie die folgenden Formeln erkennen lassen:

Als rationell werden von ihm solche Handlungen angesehen, deren Ergiebigkeitszahl über 100 und deren Kostspieligkeitszahl unter 100 zu liegen kommt. Wurden bisher die Werte aus ein und derselben Handlung verglichen, so kommen auf der zweiten Stufe der wirtschaftlichen Überlegung die Werte E und A (oder L und K) aus verschiedenen Handlungen zum Vergleich, wobei die Werte der nicht zur Beurteilung stehenden Handlung, der Vergleichshandlung, als Soll oder Norm gesetzt und als Maß genommen werden (das normative Maß). Die Soll-oder Normgrößen En und A„ (oder L„ und Kn) werden aus früheren gleichartigen Handlungen empirisch oder in anderer brauchbarer Weise gewonnen. Dieser zweiten, der normativen Überlegung, liegt das Bestreben zugrunde, die Norm für E (oder L) mindestens und die Norm für A (oder K) höchstens zu erreichen. Das Verhältnis E (oder L) zu En (oder Ln) ergibt die „Ertragsentsprechung", d. i. das Maß des Mehr- oder Minderertrages, und das Verhältnis A (oder K) zu An (oder Kn) die „Aufwands- oder Kostenentsprechung", d. i. das Maß des Mehr- oder Minderaufwandes oder der Mehr- oder Minderkosten, und zwar je nach der Art des Vergleichs, in absoluten oder relativen Zahlen. Sie bilden die zweite Komponente der wirtschaftlichen Überlegung. Auf der dritten Stufe endlich wird der i Gewinn (oder ^ Wertauftrieb) in die wirtschaftliche Überlegung mit einbezogen, weil die erste und zweite Stufe das Wesen der Wirtschaftlichkeit noch nicht vollkommen zum Ausdruck bringe. Erst im Gewinn (oder + Wertauftrieb) gelangen die beiden anderen Wertfaktoren zu einem „gemeinsamen Ausdruck". G (oder i W) werden deshalb in doppelter Weise gemessen, einmal absolut durch Ermittlung der Wertspanne zwischen E und A (oder L und K) und ein zweites Mal durch Vergleich von i G (oder i W) mit dem i Gn (oder Jb W„) anderer Handlungen. In dem zweiten Teil dieser Messung sieht Schönpflug das Essentielle der Wirtschaftlichkeit der gemessenen Handlung. Auch bei i Gn (oder z\z Wn) handelt es sich um empirisch erfaßte Sollgrößen. Bei der Auswahl der Vergleichshandlungen stehen zur Auswahl entweder gleichartige, d. h. nach Ziel und Aufwandsart gleiche Handlungen, oder ertragsgleiche Handlungen mit verschiedenen Aufwandsarten oder aufwandsgleiche Handlungen mit verschiedenem Ertrag. Das Ergebnis, das aus der Messung von i G (oder ± W) mit dem normativen ± Gn (oder ± Wn) entspringt, kennzeichnet die Wirtschaftlichkeit der gemessenen Handlung.

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Zu einer Neufassung des wirtschaftlichen Prinzips in allgemein gültigen Sätzen, die als Maxime des wirtschaftlichen Handelns Anspruch auf bedingungslose Anerkennung durch die Wirtschaftenden erheben können, ist Schönpflug nicht geschritten. Es ist sein Verdienst, die typisch wirtschaftliche Überlegung analysiert und ihren stufenweisen Ablauf klargestellt zu haben. M. E. hat er dabei die der Praxis eigentümliche Grundeinstellung bei der Verfolgung des wirtschaftlichen Prinzips in treffender Weise zur Darstellung gebracht und die normative Substanz des Wirtschaftlichkeitsprinzips erstmalig und vollständig aufgezeigt. Bei einer normativen Betrachtung gewinnt das Verhältnis der Wirtschaftlichkeit zu den beiden anderen Prinzipien der wirtschaftlichen Arbeit, dem Bedarfsdeckungsprinzip und dem Erfolgsprinzip, tiefere Bedeutung insofern, als sich zeigt, daß sie mit wirtschaftlich überlegten Handlungen verwirklicht worden sind. Erst durch den Wirtschaftlichkeitseffekt gewinnen Zweck- und Zielsetzung der Handlungen ihre Begründung und ihren wirtschaftlichen Sinngehalt; erst über den Wirtschaftlichkeitseffekt bilden sich im Bewußtsein des Handelnden ausreichende Vorstellungen über die Qualität seiner wirtschaftlichen Handlungen. Wird der Versuch gemacht, das unter Normgesichtspunkten stehende Wirtschaftlichkeitsstreben, die normative Wirtschaftlichkeit, kategorial zu fassen und als Maxime des wirtschaftlichen Handelns zu formulieren, so ergibt sich etwa die folgende Anweisung und formelmäßige Fixierung des normativ fundierten wirtschaftlichen Prinzips: Handle stets so, daß bei vergleichsweise niedrigem Einsatz (Aufwand bzw. Kosten) ein vergleichsweise hohes Ergebnis (Ertrag bzw. Leistung) und ein vergleichsweise hoher Nutzen (Gewinn bzw. Wertauftrieb) entsteht! Mit dieser Fassung soll die Relativierung des Wirtschaftlichkeitsstrebens, die durch den Gesichtspunkt der Norm eintritt, zum Ausdruck gebracht werden. Darin eingeschlossen liegt die Erkenntnis, daß aus der elementaren Grundform der Wirtschaftlichkeitsüberlegung allein kein vollkommenes Urteil über die Wirtschaftlichkeit der Handlungen gewonnen werden kann. Die Gleichung E •/• A = ± G (oder L-/-K = ±W) kann also nur Material und Ausgangspunkt für die Wirtschaftlichkeitsrechnung sein, bedeutet diese aber nicht selbst und gewinnt nur im Vergleich mit dem Bezugssystem der Normen für die einzelnen Werte der Gleichung rechnerisch Bedeutung, wie noch dargestellt werden wird. Bei der normativen Wirtschaftlichkeit wird die Relativierung des wirtschaftlichen Prinzips offenbar. Der Wirtschaftlichkeitseffekt kann danach nicht am positiven Erfolg der Handlungen, also am Gewinn (oder Wertauftrieb) gemessen werden. Die bisher zu beobachtende und auch bei Schönpflug zu findende enge Verbindung des wirtschaftlichen Prinzips mit dem Erfolgsprinzip muß abgelehnt werden. Eine Handlung kann auch dann noch als wirtschaftliche angesprochen werden, wenn der Erfolgseffekt fehlt, wenn also die

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Aufwendungen den Ertrag übersteigen. Verlusthandlungen scheiden also aus dem Bereich des Wirtschaftlichen nicht ohne weiteres aus. Solange die Handlungen so angesetzt werden, daß sie einen möglichen Verlust mindern oder einen größeren Verlust verhindern, oder im Verhältnis zu früheren Handlungen eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Ertrag und Aufwand bzw. zwischen der Leistung und ihren Kosten erbringen, sind solche Handlungen r e l a t i v erfolgreich und wirtschaftlich. Es kommt also nicht auf den positiven absoluten Erfolgseffekt an, sondern auf die gelungene relative Erfolgssteigerung. Die Teilwertkalkulation oder die Kalkulation zu Grenzkosten, sofern diese überhaupt praktische Bedeutung hat, machen die darauf aufgebauten Verkaufsvorgänge nicht zu unwirtschaftlichen Handlungen, weil sie dem Erfolgsprinzip widersprechen. Jede wirtschaftliche Handlung, deren positiver oder negativer Erfolg die praktische Norm erreicht oder übertrifft, liegt im Bereich der Wirtschaftlichkeit. Würde anders gedacht werden, so würde das wirtschaftliche Prinzip seines rein formalen Charakters beraubt und ihm ein materieller Sinngehalt unterlegt werden, der es praktisch mit dem Erfolgsprinzip identifizieren würde; denn mit dem Wirtschaftlichkeitseffekt ist weder ein bestimmter absoluter Bedarfsdeckungseffekt, noch ein bestimmter positiver Erfolg der Handlungen verquickt. Entscheidend ist nur, ob unter gegebenen Verhältnissen das praktisch mögliche beste Maß der Bedarfsdeckung erzielt und das praktisch mögliche beste Erfolgsmaß verwirklicht werden. Der Maßstab hierfür kommt aus dem Bezugssystem der Normen, die auf den Wertverhältnissen früherer Handlungen aufbauen oder aus den Wertverhältnissen anderer Betriebe stammen. Die Relativierung der wirtschaftlichen Überlegung kommt ferner darin zum Ausdruck, daß bei der Beobachtung des Wirtschaftlichkeitseffekts die wirtschaftlichen Handlungen nicht mehr als einzelne isoliert betrachtet werden. Sie sind stets als oberes Glied einer Reihe gleichartiger oder verwandter Handlungen desselben oder eines anderen Betriebes zu verstehen. Sie stehen als einzelne mit ihren absoluten Werten von Ertrag, Aufwand und Gewinn (oder Leistung, Kosten und Wertauftrieb) und der zwischen diesen Werten herrschenden Spannung den historisch gewordenen Wertverhältnissen aus früheren Handlungen oder den Handlungen anderer Betriebe, die als Norm angesehen werden, gegenüber. Mit diesem Bezugssystem im Hintergrund hat die Betrachtung der absoluten Werte nur noch geringen Erkenntniswert. Die wirtschaftliche Überlegung vergleicht die eine Wirtschaftlichkeit mit der anderen Wirtschaftlichkeit. Indem somit die Wirtschaftlichkeit an ihren Graden selbst gemessen wird, hört sie als absoluter Maßstab zu existieren auf. Dies wird bei der Darstellung der Wirtschaftlichkeitsrechnung deutlich werden.

IV. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung Von Nicklisch stammt der Satz, daß Wirtschaftlichkeit „die Herrschaft der Gesetze der Gestaltung und Erhaltung im wirtschaftlichen Produktionsprozeß" sei. Dies deutet auf die enge Verbindung der Wirtschaftlichkeit mit

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der Organisation hin. Tatsächlich erstrebt diese die Wirtschaftlichkeit des Betriebsprozesses und sorgt für den praktisch möglichen wirtschaftlichsten Zustand des Betriebslebens. Theoretisch und systematisch gehört also die Wirtschaftlichkeit in den Bereich der Organisation, und der Inhalt des wirtschaftlichen Prinzips liefert auch die Maxime für die Arbeit des Organisators. Auch er richtet seine Arbeit nicht am Gewinne und nicht an der Rentabilität aus, obwohl er sie erstrebt, sondern an Kostennormen, Leistungsnormen und Wertauftriebsnormen. Sein Erfolg liegt in der Erreichung oder Überbietung dieser Normen; er sucht den Gewinn durch Wirtschaftlichkeit. In der Ermittlung von Normen für die Produktivität und den Kosteneinsatz einerseits und in der Errechnung von Wirtschaftlichkeitskennziffern und Wirtschaftlichkeitsgraden andererseits liegt somit eine der wichtigsten Voraussetzungen für die organisatorische Arbeit. Wirtschaftlichkeitserwägungen werden in erster Linie über innerbetriebliche Handlungen angestellt. Wo es um Arbeits-, Stoff- und Krafteinsatz, um Zeitverbrauch und um die Steigerung der Leistungen geht, sind die materiellen Voraussetzungen für Wirtschaftlichkeitserwägungen gegeben. Sie erstrecken sich über den gesamten Leistungsbereich, von der Beschaffung über die Fertigung zum Absatz, jeweils die Verwaltung und Organisation dieser Funktionen mit eingeschlossen. Sie können sich aber auch nur auf einzelne wirtschaftliche Handlungen, technische Vorgänge und Verfahren beziehen, auf ganze Bündel von solchen, seien es Prozesse oder Teilprozesse, sowie auf den Betrieb als Ganzem und auf einzelne seiner Funktionen. Wirtschaftlichkeitserwägungen können schließlich auch im Zusammenhang mit der Hereinnahme von Aufträgen und über die Frage ihrer Zusammensetzung, nach Art und Menge, angestellt werden. Sie können einmaliger Art sein oder sich wiederholen ; sie können sich auf einzelne Akte des Geschehens beschränken oder auf eine Kette von Vorgängen innerhalb bestimmter Zeit abgestellt werden. Sie vermögen endlich im voraus oder nach Ablauf des Betriebsgeschehens durchgeführt zu werden. Dem Wesen von Wirtschaftlichkeitserwägungen entsprechend, wird in erster Linie mit einzusetzenden oder eingesetzten und auszubringenden oder ausgebrachten W e r t e n gerechnet. Dadurch sind sie von den bloß technischen, auf Mengen oder Mengenverhältnissen beruhenden Überlegungen der Ingenieure und Chemiker ausreichend unterschieden. Doch kann nicht übersehen werden, daß die Mengen bei Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht entbehrt werden können. Von Bedeutung ist hier, daß die hinter den Werten stehenden Einsatzund Ausbringungsmengen durch Marktwertänderungen nicht verzerrt werden dürfen, damit die Mengenvorstellung, ein notwendiger Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, nicht gestört wird. Die Isolierung der zu beobachtenden Vorgänge von Marktwertänderungen kann deshalb in bestimmten Fällen eine Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeitsrechnung überhaupt sein. Als Ausgangspunkt von Wirtschaftlichkeitserwägungen kann die Wertgleichung für innerbetriebliche Vorgänge am besten geeignet erscheinen.

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L •/• K = ±W ist aber die Grundgleichung der Kosten- und Leistungsrechnung, so wie die Formel E •/• A ± G es für die Aufwands- und Ertragsrechnung ist. Beide sind periodisch stattfindende Rechnungen mit selbständigem Rechnungsziel, dem Betriebserfolg hier, dem Geschäftsgewinn dort. Indem die Wirtschaftlichkeitsrechnung auf der Grundgleichung der Kostenund Leistungsrechnung aufbaut, wird sie zum Bestandteil dieser Rechnung selbst und damit zur systematischen Zeitraumrechnung. Systematische Rechnung deshalb, weil in der Kosten- und Leistungsrechnung zwischen den verrechneten Leistungen und ihren Kosten ein kausaler, dem Rechnungszweck angepaßter Zusammenhang besteht, und Zeitraumrechnung, weil sie den Leistungsprozeß vergangener Perioden summarisch auf den Wirtschaftlichkeitseffekt hin überprüft, ein rechnerischer Vorgang, der gewöhnlich im Anschluß und in enger Anlehnung an die periodische Betriebsabrechnung einsetzt. Die Grundformel kann auch isoliert von der systematischen Kosten- und Leistungsrechnung verwendet werden, etwa dann, wenn einzelne Prozesse der Handlungen unabhängig von der Wertbewegung in bestimmter Zeit auf den Wirtschaftlichkeitseffekt hin untersucht werden sollen. Mit der Grundformel der Kosten- und Leistungsrechnung als Ausgangspunkt hat die Wirtschaftlichkeitsrechnung somit einen gesicherten Ausgangspunkt für ihre spezifischen Berechnungen. Es ist ein Vorzug dieser Grundgleichung, daß ihre Komponenten, deren Werte fertig aus der Kostenrechnung bezogen werden, frei von allen Schwierigkeiten sind, die sich aus der Spannung zwischen Aufwand und Kosten einerseits und Ertrag und Leistung andererseits ergeben, und die Wirtschaftlichkeitsüberlegungen damit nicht belastet werden. Dazu kommt noch der Vorteil, daß die oft unterschiedliche Bewertung in beiden Rechnungsbereichen sich auf die Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht hemmend auswirken kann. Als Störungsmomente für Wirtschaftlichkeitserwägungen bleiben aber bestehen: die Rückwirkungen, die sich aus der schwankenden Beschäftigung vor allem für die Kosten und damit für den Wertauftrieb ergeben, und Rückwirkungen, die durch Veränderungen in der Kapazität der Betriebe hervorgerufen werden können. Sie können die Vergleichbarkeit der Komponenten der Grundgleichung unter sich und mit den für den Wirtschaftlichkeitsvergleich benötigten Leistungs-, Kosten- und Wertauftriebsnormen stören. Um die Grundgleichung der Wirtschaftlichkeit von diesen Störungen freizuhalten und sie in sich und für normative Überlegungen vergleichbar zu machen, wird sie nicht ohne Korrektur bleiben können, sofern nicht mit geplanten, die Beschäftigungsschwankungen berücksichtigenden Kosten gearbeitet wird. Die wertmäßige Erfassung der einzelnen Komponenten der Grundgleichung macht keine Schwierigkeiten. In fortschrittlichen Betrieben können die Kosten aus der Betriebsabrechnung insgesamt oder nach Arten oder Gruppen gegliedert, für den Gesamtbetrieb, für Teilbetriebe und für Kostenstellen, für bestimmte Zeiten und abgestellt auf bestimmte Leistungen und Teilleistungen entnommen werden. Besondere Überlegungen erfordert der wertmäßige Ansatz der Lei-

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stungskomponente. Sie umfaßt den Wert der ausgebrachten, nicht der abgesetzten Leistung. Sie könnte mit erzielten Marktpreisen, mit den mutmaßlichen Erlösen, mit Verrechnungspreisen oder mit dem „produzierten Wert", d. h. mit fiktiven, an den kalkulierten Selbstkostenpreisen ausgerichteten Werten zum Ansatz gelangen. Um die Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Markteinflüssen möglichst freizuhalten und um ihre Zielsetzung, den Wirtschaftlichkeitseffekt, nicht den Erfolgseffekt zu erfassen, nicht zu erschweren, wird der „produzierte Wert", das sind die Kosten zuzüglich eines angemessenen Gewinns (nicht im wirtschaftspolitischen Sinn), für richtig gehalten. Von der Grundgleichung aus wird die Wirtschaftlichkeitsüberlegung durch Bildung von Wirtschaftlichkeitskennzahlen eingeleitet und mit der Bildung von Wirtschaftlichkeitsgraden, die den Wirtschaftlichkeitseffekt zum Ausdruck bringen sollen, zu Ende geführt. Die Wirtschaftlichkeitsüberlegung ist also ein zweistufiger Vorgang, der, von den absoluten Zahlen der Grundgleichung ausgehend, über typische Kennzahlen des Leistungsprozesses zu den Wirtschaftlichkeitsgraden fortschreitet. 1. S t u f e : die R e d u k t i o n d e r a b s o l u t e n Z a h l e n d e r G r u n d g l e i c h u n g u n d die G e w i n n u n g v o n W i r t s c h a f t l i c h k e i t s k e n n z a h l e n . Die absoluten Zahlen der Grundgleichung L •/• K = erlauben noch kein Urteil über die Wirtschaftlichkeit. Weder die Formel im Ganzen, noch die einzelnen Werte geben eine Vorstellung, ob die ihnen zugrunde liegenden Handlungen oder die hinter ihnen stehenden Prozesse wirtschaftlich waren. Es läßt sich nicht erkennen, ob ein ausreichender Bedarfsdeckungseffekt und ob ein entsprechender Erfolgseffekt vorliegt. Wohl zeigt die Erfolgskomponente ± W an, daß ein positiver oder negativer Wertauftrieb im Ganzen vorliegt, doch kann nicht erkannt werden, inwieweit er auf größerer oder geringerer Ergiebigkeit der Handlungen und Prozesse oder auf höherer oder minderer Kostspieligkeit des Mitteleinsatzes beruht. Eine Aussage hierüber wird erst möglich, wenn die Glieder der Grundgleichung vergleichbar gemacht worden sind. Dann erst wird es möglich, die Qualität der Leistung und des Kosteneinsatzes aus der Gleichung, beziehungsweise aus den aus ihr entwickelten Kennzahlen, ohne Zuhilfenahme prozeßfremder Maßstäbe zu beurteilen. Um die absoluten Zahlen der Gleichung für eine vergleichende Betrachtung tauglich zu machen, werden die Glieder der Gleichung auf Kennzahlen der Wirtschaftlichkeit reduziert, indem die Leistung (L), die Kosten (K) und der Wertauftrieb ( i W) am Maß für die Leistungsfähigkeit des Betriebs, der Kapazität, bzw. den an ihre Stelle tretenden typischen Kapazitätsmerkmalen (m) gemessen werden. Es bildet sich dann die Gleichung

Werden die Kosten K mit DM 100000,—, die Leistung L mit DM 120000,—

Über Wirtschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeitsrechnung

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und der Kapazitätsmaßstab mit beispielweise 100000 Spindeln angenommen, so ergibt sich die folgende Zahlengleichung: 120000

100000

_

20000

100000 ' ' lOOOÖÖcT 100000 ' Nach der Reduktion der einzelnen Glieder ergibt sich daraus die Buchstabengleichung a •/• b = c oder Leistungskennzahl •/• Kostenkennzahl = Mehrwertkennzahl u n d die Zahlengleichung 1,2 •/• 1 = 0,2. Als Kapazitätsmerkmale können die branchenüblichen Merkmale für die Kapazität, wie : Ausstattung mit Maschinen, Zahl der produktiv Leistenden, Fassungskraft der Behälter, Zahl der produktiven Stunden, Menge der Produkte oder Zahl der Prozeßabläufe usw. in Frage kommen. Bei manchen Betrieben wird die richtige Wahl Schwierigkeiten bereiten. Doch ist noch stets ein die Kapazität kennzeichnender Tatbestand zu finden gewesen. Die durch Reduktion der absoluten Zahlen gewonnenen ersten drei Wirtschaftlichkeitskennzahlen sind noch von geringer Aussagekraft. Bei richtiger Auswahl der Reduktionsmaßstäbe wird aber bereits ein gutes Bild über die wertmäßige Produktivität, den Kostenverbrauch und den positiven oder negativen Mehrwert (z. B. pro Spindelstunde, pro Band, pro Arbeiter, pro Produktiveinheit, pro Behälter usw.) gewonnen werden. Der Wirtschaftlichkeitseffekt kann allerdings noch nicht sichtbar werden. Auch die Frage nach den Bestimmungsgründen des Mehrwertes k a n n noch nicht beantwortet werden. Die Einsichten hierin vertiefen sich, sobald die Kostenkennzahl b an der Leistungskennzahl a gemessen und die daraus gewonnene Kostspieligkeitskennzahl durch Subtraktion von 1 zur Ergiebigkeitskennzahl umgeformt wird: b Kostenkennzahl . - = ^r-r-z i TT = d, oder in Zahlen ausgedrückt a

Leistungskennzahl

'

°

= 0,833 = die Kostspieligkeitskennzahl = d und 1 •/• d = e oder 1 •/• 0,833 = 0,167 = die Ergiebigkeitskennzahl. Die Kostspieligkeitskennzahl d bestimmt die Kosten auf 1 DM der Leistung, die Ergiebigkeitskennzahl e zeigt den Wertauftrieb für eine DM Leistung an. Liegen die Ergebnisse mehrerer Abrechnungsperioden vor, so wird aus der Veränderung der Werte für a, b, d, e, zwar keine exakte, aber doch eine gut zu begründende Erklärung über Anlaß und Ausmaß der Mehrwertänderung gegeben werden können. Auch der Wirtschaftlichkeitseffekt k a n n nach seinen Quellen annähernd bestimmt werden. Dann liegen allerdings in der Regel auch die Voraussetzungen für die Ermittlung von Wirtschaftlichkeitsgraden vor, w o m i t die zweite Stufe der Wirtschaftliohkeitsüberlegung beschritten werden kann.

H. Seischab

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2. S t u f e : Die G e w i n n u n g v o n W i r t s c h a f t l i c h k e i t s g r a d e n Rechnungstechnisch werden die Wirtschaftlichkeitsgrade so gewonnen, daß die 5 Kennziffern der Wirtschaftlichkeit a, b, c, d und e, die ja tus dem gleichen Leistungsprozeß oder aus der gleichen wirtschaftlichen Handlung hervorgegangen sind, an den als erstrebenswerte und erreichbare Norm angesehenen Kennziffern früherer Prozesse oder Handlungen desselben Betriebs oder an den als Norm anerkannten Kennziffern vergleichbarer Betriebe gemessen werden. An die zur Norm zu erhebenden Kennziffern an, bn, cn, dn und e„ müssen besondere Anforderungen gestellt werden. Welche, ist zwar betriebsweise verschieden, doch im allgemeinen bekannt. Sie müssen nicht nur nach den gleichen Grundsätzen als absolute Zahlen gewonnen und zu Kennziffern umgewandelt worden sein, sondern sich zugleich als repräsentative, erstrebenswerte, bessere Norm ausgewiesen haben. Zur Vergleichbarkeit und Güte muß also eine bedingte oder unbedingte überbetriebliche Gültigkeit hinzukommen. Wann die letzte Voraussetzung erfüllt ist, wird von Fall zu Fall geprüft werden müssen. Ganz allgemein gilt für die Praxis, daß die Durchschnittsergebnisse ausreichend zahlreicher früherer Abrechnungsperioden und die auf ihnen aufgebauten Kennziffern des gleichen Betriebs oder die Durchschnittswerte (gewogen oder ungewogen) einer ausreichend großen Zahl vergleichbarer fremder Betriebe stets einen bedingten, meist aber doch ausreichenden Normgehalt in sich tragen. Werden die einzelnen Kennziffern der Wirtschaftlichkeit an den für sie geltenden Normen gemessen, so ergeben sich die folgenden Wirtschaftlichkeitsgrade : — =