Aktiengesetz: Band 1 §§ 1–144 [Reprint 2018 ed.] 9783111466309, 9783111099415


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German Pages 1134 [1140] Year 1961

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Table of contents :
Vorwort zur 2. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Zitierweise
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Erstes Buch. Aktiengesellschaft
Erster Teil. Allgemeine Vorschriften
Zweiter Teil. Gründung der Gesellschaft
Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter
Vierter Teil. Verfassung der Aktiengesellschaft
Vorbemerkungen
Erster Abschnitt. Vorstand
Zweiter Abschnitt. Aufsichtsrat
Dritter Abschnitt. Gemeinsame Vorschriften für die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats
Vierter Abschnitt. Hauptversammlung
Fünfter Teil. Rechnungslegung
Vorbemerkungen
Erster Abschnitt. Jahresabschluß. Gewinnverteilung. Geschäftsbericht
Zweiter Abschnitt. Prüfung des Jahresabschlusses
Dritter Abschnitt. Bekanntmachung des Jahresabschlusses
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Aktiengesetz: Band 1 §§ 1–144 [Reprint 2018 ed.]
 9783111466309, 9783111099415

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G r o ß k o m m e n t a r e d e r Praxis

Aktiengesetz Großkommentar Begründet von W. Gadowf, Dr. E. Heinichen f , Dr. Eberhard Schmidt, Dr. W. Schmidt f , Dr. O. Weipertf

Zweite, neu bearbeitete Auflage von

Dr. Call Hans Barz

Dr. Robert Fischer

Dr. Ulrich Klug

Rechtsanwalt in Frankfurt/M.

Bundesrichter in Karlsruhe

Professor a. d. Universität Köln

Dr. Konrad Mellerowicz

Dr. Joachim Meyer-Landrut

Professor a. d. Technischen Universität Berlin

Rechtsanwalt in Düsseldorf

Dr. Wolfgang Schilling

Dr. Walter Schmidt f

Rechtsanwalt in Mannheim

Rechtsanwalt in Düsseldorf

ERSTER BAND §§ 1 - 1 4 4

Berlin 1961

Walter de Gruyter & Co» vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.

Archiv-Nr. 2 2 3 3 6 1 Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30 Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

Vorwort zur 2. Auflage Die i. Auflage dieses Kommentars ist schon bald nach dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1937 erschienen. Sie mußte sich daher in ihren Erläuterungen eng an den Gesetzestext und an die Gesetzesmaterialien anschließen und konnte eigene Erfahrungen, die die Rechtswirklichkeit mit dem neuen Gesetz gemacht hatte, noch nicht verwerten. Seitdem ist eine lange Zeit verstrichen, in der sich ein tiefgreifender Wandel unseres gesamten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens vollzogen hat. Dieser Wandel, namentlich auf wirtschaftsund gesellschaftspolitischem Gebiet hat einen stark prägenden Einfluß auf unsere Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsordnung ausgeübt und damit auch unsere Rechtsauffassung auf dem Gebiet des Aktienrechts ganz wesentlich beeinflußt. Hinzu kam der schnelle Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft, der das allgemeine Interesse stärker und stärker auf dieses wohl wichtigste Organisationsgesetz der Wirtschaft lenkte. Unter diesem Einfluß setzten etwa seit dem Jahre 1950 in zunehmendem Maß Erörterungen und wissenschaftliche Auseinandersetzungen über die Grundlagen des geltenden Aktienrechts ein, die zu einer wesentlichen Bereicherung und Vertiefung auf diesem Rechtsgebiet führten. Im Zusammenhang damit standen zugleich Auseinandersetzungen über die Notwendigkeit einer Reform des geltenden Aktiengesetzes, an der sich weite Kreise der Industrie, der übrigen Wirtschaft sowie der Rechtswissenschaft beteiligten, und die ihren vorläufigen Abschluß zunächst in dem Referentenentwurf vom 7. Oktober 1958 und sodann in der sog. kleinen Aktienrechtsreform vom Jahre 1959 sowie in dem Regierungsentwurf eines neuen Aktiengesetzes fanden. Innerhalb dieser das gesamte Aktienrecht stark belebenden und bewegenden Entwicklung erscheint die 2. Auflage dieses Kommentars zum Aktiengesetz. Es ist verständlich, j a notwendig, daß er in seinem Inhalt von dieser Entwicklung stark geprägt und beeinflußt ist, und daß er damit in weiten Teilen eine durchgreifende Neubearbeitung erfahren mußte. Mit dieser Neubearbeitung hängt es zusammen, daß die Erläuterungen zum Teil neu gegliedert werden mußten und insoweit an der alten Einteilung der Erläuterungen in der 1. Auflage nicht festgehalten werden konnte. Des weiteren ist im Zug der neuen Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des Aktienrechts die Verwertung des Schrifttums und die Auseinandersetzung mit ihm sehr viel stärker in den Vordergrund getreten, als das noch in der 1. Auflage der Fall gewesen ist. Schließlich ist in den seit 1959 erschienenen Lieferungen der 2. Auflage auch auf die Reformbestrebungen eingegangen; dabei wurden im wesentlichen die amtlichen Entwürfe, zunächst der Referentenentwurf und sodann der Regierungsentwurf, zugrunde gelegt. Um die Benutzung des Kommentars zu erleichtern, ist endlich in der vorliegenden Auflage den Erläuterungen zu den einzelnen Paragraphen eine Übersicht vorangestellt, die sich inzwischen auch in anderen Erläuterungsbüchern gut bewährt hat. Von den hervorragenden Bearbeitern der 1. Auflage ist jetzt keiner mehr an der 2. Auflage beteiligt. Die Reichsgerichtsräte Gadow und Dr. Heinichen, die neben ihrer richterlichen Tätigkeit nicht nur im Rahmen dieses Kommentars einen großen befruchtenden Einfluß auf das handelsrechtliche Schrifttum ausgeübt haben, sind bereits beide um die Jahreswende 1945/46 in Leipzig gestorben. V

Reichsgerichtsrat Dr. Weipert, eines der profiliertesten Mitglieder des Reichsgerichts auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts und seit seinem Eintritt in das Reichsgericht im Jahre 1928 Mitglied des II. Zivilsenats, hat sich wegen seines hohen Alters nach Erscheinen der ersten Lieferung nicht mehr in der Lage gesehen, an der neuen Auflage unmittelbar mitzuwirken; er ist nun unmittelbar vor Erscheinen dieses Bandes ebenfalls gestorben. Professor Dr. Eberhard Schmidt hat bereits bei Beginn der Vorarbeiten zu dieser Auflage gebeten, ihn wegen anderweitiger wissenschaftlicher Inanspruchnahme von der weiteren Mitarbeit zu entbinden. Wir haben zu unserem Bedauern diesen Wunsch verstehen müssen; denn seine grundlegenden Arbeiten zur Ausbildung und Wahrung freiheitlichen und rechtsstaatlichen Denkens auf dem Gebiet des Strafrechts verdienen den Vorrang. Nur Rechtsanwalt Dr. Walter Schmidt aus dem Kreis der Bearbeiter der 1. Auflage hat an dieser Auflage noch unmittelbar und mit lebhafter Anteilnahme mitgewirkt. Ihm war es jedoch nicht vergönnt, die Fertigstellung dieses ihm sehr ans Herz gewachsenen Kommentars zu erleben. Er ist am Anfang dieses Jahres gestorben. Sein Tod hat nicht nur im Kreis der Bearbeiter dieses Kommentars eine schmerzliche Lücke gerissen, sondern darüber hinaus hat die deutsche Aktienrechtswissenschaft mit ihm einen ihrer besten und erfahrensten Vertreter verloren. Möge die 2. Auflage mit ihren neuen Bearbeitern und mit ihren notwendig gewordenen sachlichen Änderungen die Tradition dieses Kommentars fortsetzen und auch weiterhin für die Benutzer das geeignete Werk sein, das sie auf dem Gebiet des in der Rechtswirklichkeit lebenden Aktienrechts über den heutigen Stand von Rechtsprechung und Schrifttum unterrichtet. Den 1. August 1961. Die Herausgeber

VI

Inhaltsverzeichnis zum I. Band Seite

Vorwort Abkürzungsverzeichnis Einleitung

IX—XIV i—7

Gesetz über Aktiengesellschaften, und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz)

Erstes Buch. Aktiengesellschaft Erster Teil. Allgemeine Vorschriften Zweiter Teil. Gründung der Gesellschaft Dritter Teil. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Vierter Teil. Verfassung der Aktiengesellschaft . .

Erster Abschnitt. Vorstand Zweiter Abschnitt. Aufsichtsrat Dritter Abschnitt. Gemeinsame Vorschriften für die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats . . . Vierter Abschnitt. Hauptversammlung Erster Unterabschnitt: Rechte der Hauptversammlung Zweiter Unterschnitt: Einberufung der Hauptversammlung Dritter Unterabschnitt: Verhandlungsniederschrift. Auskunftsrecht Vierter Unterabschnitt: Stimmrecht Fünfter Unterabschnitt: Vorzugsaktien ohne Stimmrecht Sechster Unterabschnitt: Sonderprüfung Siebenter Unterabschnitt: Geltendmachung von Ersatzansprüchen Fünfter Teil. Rechnungslegung

E r s t e r A b s c h n i t t : Jahresabschluß. Gewinnverteilung. Geschäftsbericht Z w e i t e r A b s c h n i t t . Prüfung des Jahresabschlusses . . D r i t t e r A b s c h n i t t . Bekanntmachung des Jahresabschlusses

§§ §§

i—-15 16- -47

99--278

§§

4 8 --69

279--427

§§

§§

70--124 70- -85 86- -99

43°--575 575"-687

§§

100—-101

§§

§§ 102—-124 §§ 103--104 §§ 105--109 §§ §§

8--99

428--853

688--697 698--853 702--724 724--754

110—-112 1 1 3 - -114

755--777 777-- 8 1 1

§§ " 5 - - 1 1 7 §§ 1 1 8 --121

811--820 820--839

§§

839--853 853-—1120

§§

122--124

125--144

§§ 125- -134 135--142

855--1056 1056-- 1 1 1 5

§§ 143--144

1115-—1120

§§

vn

Zitierweise §§ 203—232 B a r z in GroBkomm. A k t G §§ 16—69, 145—158; K a p E r h G §§ 1—23 . . F i s c h e r in GroBkomm. A k t G §§ 288—304 K l u g in GroBkomm. A k t G §§ 125—144 M e l l e r o w i c z in GroBkomm. A k t G §§257—287; EG M e y e r - L a n d r u t in GroBkomm. A k t G §§ 84, 99, 159—202, 233—256 §§ 1 — 1 5 , 70—83, 85—98, 100—124 . . . .

VIII

S c h i l l i n g in GroBkomm. A k t G S c h m i d t in GroBkomm. A k t G

Abkürzungsverzeichnis aaO. Abs. AcP ADHGB Adler-DüringSchmaltz a. E. a. F. AG AG A H K Amtsbl. AktG allg. Ansicht a. M. AnfG Anh. Anm. AO AP ArbRS Arb. u. R . Art. Aufl. AusfBest BAG BankA BAnz. Bauer Baumbach-Duden Baumbach-Hueck BayObLG BayObLGZ BB Beiträge Betr. BetrVG BFH BGB BGBl. BGH BGHSt. Boettcher-Meilicke

= = = =

am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

= Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft 3. Aufl. 1957, Ergänzungsband 1961 = am Ende = alter Fassung = Aktiengesellschaft = Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen = Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland - Aktiengesetz = allgemeine Ansicht = anderer Meinung = Anfechtungsgesetz = Anhang = Anmerkung = Reichsabgabeordnung v. 22. 5. 31 mit zahlreichen Änderungen = Arbeitsrechtliche Praxis = Arbeitsrechtssammlung »= Arbeit und Recht = Artikel = Auflage = Ausführungsbestimmung = Bundesarbeitsgericht = Bankarchiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen = Bundesanzeiger = Zeitschrift für Aktiengesellschaften und für GmbH, herausgegeben von Bauer = Kurzkommentar zum H G B 13. Aufl. 1959 = Kurzkommentar zum Aktiengesetz, 9. Aufl., 1956 und 10. Aufl. 1959 = Bayerisches Oberstes Landesgericht = Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen = Der Betriebsberater, Zehntagesdienst für Wirtschafts-, Steuerund Sozialrecht = Beiträge zur Aktienrechtsreform, hrgg. von Hans Hengeler, 1959 = Der Betrieb = Betriebsverfassungsgesetz v. 10. 10. 1952 (BGBl. I 681) = Bundesfinanzhof = Bürgerliches Gesetzbuch = Bundesgesetzblatt = Bundesgerichtshof und Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen = Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen = Umwandlung und Verschmelzung von Kapitalgesellschaften 5. Aufl. 1958

IX

Abkürzungsverzeichnis Bolze BörsG Brönner BStBl. Brodmann bzw. ders. DFp DGemWR d. h. DieAktGes DJ DJZ DM DMBG DNotZ (u. D N o t V Z ) DR DRiZ DRZ DtRspr. Düringer-Hachenburg DVO EG EhrenbHdb. EinkStG EnneccerusNipperdey FGG Frankenstein Galperin GenG GewStG GG Gierke D P R GmbH GmbHG GmbH.Rdsch. v. Godin-Wilhelmi GoltdA GrEStG Gruchot oder Gruch. GRUR Hachenburg HansRGZ

X

Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen, herausgegeben von Bolze = Börsengesetz Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, Kommentar 2. A u f l . 1961 • Bundessteuerblatt • Kommentar zum Aktienrecht, 1928 • beziehungsweise • derselbe • Deutsche Freiwillige Gerichtsbarkeit • Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht : das heißt • Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen • Deutsche Justiz : Deutsche Juristenzeitung : Deutsche Mark • DM-Bilanzgesetz • Zeitschrift des Deutschen Notarvereins • Deutsches Recht • Deutsche Richterzeitung • Deutsche Rechts-Zeitschrift = Deutsche Rechtsprechung, Entscheidungs-Sammlung • Kommentar zum H G B 3. Aufl. 1932 Durchführungsverordnung • Einführungsgesetz : Handbuch des gesamten Handelsrechts, herausgegeben von V . Ehrenberg • Einkommensteuergesetz Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Allgemeiner Teil, 15. Aufl. i960 ; Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Internationales Privatrecht (Grenzrecht) Bd. I 1926; Bd. II 1929; Bd. I I I 1934; Bd. I V 1935 Galperin-Siebert, Komm, zum Betriebsverfassungsgesetz, 3. Aufl. 1958 : Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften • Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Deutsches Privatrecht, I. Band 1895, II. Band 1905, III. Band 1917 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Rundschau für GmbH, Monatsschrift für Wirtschafts-, Steuerund Handelsrecht Kommentar zum A k t G 2. Aufl. 1950 = Goltdammers Archiv für Strafrecht • Grunderwerbsteuergesetz Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6. Auflage von SchillingSchmidt, 1956 Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitung

Abkürzungsverzeichnis HBerG herrsch. A. HGB Holdheim Holding-Novelle

HRR HRV HypBankG JB1. JFG JherJ JMB1NRW J R oder JRdsch. JW JZ KapErhG KapVerkStG KartRdsch. KG KG KGJ KO Kom. KStG Küster LAG Lehmann LG LM LZ m. a. W. MDR Mentzel-Kuhn Mestmäcker MilReg. MitbestG

MuW m. w. N. Nds. Rpfl. n. F. NJW

= Handelsrechtliches Bereinigungsgesetz vom 18. 4. 50 (BGBl S. 50) = herrschende Ansicht = Handelsgesetzbuch = Monatszeitschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuerund Stempelfragen. Früher herausgegeben von Holdheim, seit 1897 Monatsschrift für Aktienrecht = G zur Ergänzung des G über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v. 7. 8. 56 (BGBl. I 707) = Höchstrichterliche Rechtsprechung = Handelsregisterverfügung vom 12. 8. 37 (DJ 1937, 1251) = Hypothekenbankgesetz vom 13. 7. 99 = Justizblatt = Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts = Jahrbücher für Dogmatik des röm. und deutschen Privatrechts, begründet von Jhering und Gerber = Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen = Juristische Rundschau = Juristische Wochenschrift = Juristenzeitung = Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung v. 23. 12. 59 (BGBl. I, 789)= Kapitalverkehrssteuergesetz = Kartell-Rundschau, Monatsschrift für Recht und Wirtschaft im Kartell- und Konzernwesen = Kommanditgesellschaft = Kammergericht = Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit = Konkursordnung = Kommentar = Körperschaftssteuer-Gesetz = Inhalt und Grenzen der Rechte der Gesellschafter, 1954 = Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. 8. 52 (BGBl. I, 446) = Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1959 = Landgericht = Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundes-Gerichtshofs = Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht = mit anderen Worten = Monatszeitschrift für Deutsches Recht = Kommentar zur Konkursordnung, 6. Aufl. 1955 = Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958 = Militär-Regierung = Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 2 1 . 5. 51 (BGBl. I 347) = Markenschutz und Wettbewerb = mit weiteren Nachweisen = Niedersächsische Rechtspflege = neue Fassung = Neue Juristische Wochenschrift

XI

Abkürzungsverzeichnis Nr. Nußbaum OGH OHG OLG OLGE Palandt PalandtDanckelmann Raape RabelsZ RAG RAO Rasch RdA Recht Ref. Entw. RegEntw. RFH RG RGBl. RGRK RGRK

HGB

RGSt. Ring Ritter RiW RJA RM ROHG RStBl. RuH RzW S. s. SchG Schlegelberger F G G SchlegelbergerQuassowski Schnitzer Scholz

XII

= Nummer = Grundzüge des Internationalen Privatrechts, 1952 = Oberster Gerichtshof für die Britische Zone und Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Zivilsachen = Offene Handelsgesellschaft • Oberlandesgericht : Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, herausgegeben von Mugdan und Falkmann = Kurzkommentar zum BGB, 16. Aufl. 1957 Kurzkommentar zum BGB, 19. Aufl. i960 = Internationales Privatrecht, 4. Auflage, 1955 : Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, Berlin und Tübingen = Reichsarbeitsgericht und Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Reichsabgabenordnung v. 22. 5. 31 mit zahlreichen Änderungen = Deutsches Konzernrecht, 2. Aufl. 1955 = Recht der Arbeit = Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenbund = Referentenentwurf eines Aktiengesetzes, veröffentlicht durch das Bundesjustizministerium 1958 ^ Entwurf der Bundesregierung zum Aktiengesetz vom März i960 Reichsfinanzhof oder amtliche Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs = Reichsgericht und Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen = Reichsgesetzblatt ^ Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern 10. Aufl. und 11. Aufl. ^ Kommentar zum Handelsgesetzbuch, früher herausgegeben von Reichsgerichtsräten, 2. Auflage : Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen ; Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, herausgegeben von Ring ^ Kommentar zum A k t G , 2. Auflage 1939, Berlin und München ^ Recht der internationalen Wirtschaft, Information und Berichte : Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts. Zusammengestellt vom Reichsjustizamt : Reichsmark = Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts = Reichssteuerblatt : Recht und Handel, Monatsschrift aus der Praxis für Handel, Industrie und Verkehr. Herausgegeben von Baum = Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht = Seite = siehe = Scheckgesetz ^ Kommentar zum Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit, 6. Aufl. 1952 :

= Schlegelberger-Quassowski-Herbig-Geßler-Hefermehl, Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 1939 Handbuch des Internationalen Privatrechts, 3. Aufl., 1950 Kommentar zum GmbH-Gesetz, 2-/3. Aufl. 1950

Abkürzungsverzeichnis Serick

= Rechtsform und Realität juristischer Personen, Berlin, Tübingen 1955 SeuffA = Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte = J . A. Seufferts Blätter für Rechtsanwendung SeuffBl. = Süddeutsche Juristenzeitung SJZ = sogenannte (r) sog. Soz.Pr. = Soziale Praxis und Archiv für Volkswohlfahrt StAnpG = Steueranpassungsgesetz StaubHGB = Kommentar zum H G B von Hermann Staub; meist zitiert als Staub-Bondi für 1. Band (12. u. 13. Aufl.), Staub-Pinner für 2. Band (14. Aufl.), Staub-Könige für 3. u. 4. Band (12. u. 13. bzw. 14. Aufl.) Staudinger-Coing = Kommentar zum BGB Allgemeiner Teil, 1 1 . Aufl. 1957 StDJT = Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts, Bericht der Studienkommission des Deutschen Juristentages, 1955. = Kommentar zur ZPO von Stein-Jonas-Schönke-Pohle, 18. Aufl. Stein-Jonas 1953 StGB = Strafgesetzbuch = Steuergesetzblatt StGBl. = streitig str. st. Rspr. = ständige Rechtsprechung St. u. W. = Steuer und Wirtschaft, Zeitschrift Teichmann-Koehler = Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 1950 Trumpler = Die Bilanz der Aktiengesellschaft, 1950 u. a. = und andere UmwG 1956 = Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und = bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. 1 1 . 1956 (BGBl. I 844) UnlWG = Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unstr. = unstreitig Urt. = Urteil usw. = und so weiter UmstG = Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) u. U. = unter Umständen UWG = Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Veith- Börnstein - Kommentar zum Umwandlungsgesetz und zum Umwandlungssteuergesetz 1958 VerglO = Vergleichsordnung VersAufG = Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vgl. = vergleiche VO = Verordnung Vorauf!. = Vorauflage VStG = Vermögenssteuergesetz VVG = Gesetz über den Versicherungsvertrag Warn. = Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiet des Zivilrechts, herausgegeben von Warneyer WG = Wechselgesetz Wieczorek = Kommentar zur ZPO 1957—1959 Wieland I u. I I = Handelsrecht 1. Band 1921, 2. Band 1931 WiGBl. = Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets Wilhelmi/Friedrich = Kleine Aktienrechtsreform, Kommentar i960 WiStG = WirtschaftsstrafG i. d. F. v. 24. 12. 56 (BGBl. I 1070) WM = Wertpapier-Mitteilungen, Teil I V B, Wertpapier- und Bankfragen, Rechtsprechung

xra

Abkürzungsverzeichnis Wolff Würdinger W. u. R . WuW ZAkDR ZAktW. z. B. ZB1FG ZB1HR ZHR Zintzen/Halft ZStW ZPO z.T.

XTV

=

= = =

= = = = = = =

=

Das Internationale Privatrecht Deutschlands, 2. Aufl. 1949; 3. Aufl. 1954 Aktienrecht 1959 Wirtschaft und Recht Wirtschaft und Wettbewerb, Zeitschrift für Kartellrecht, Wettbewerbsrecht und Marktorganisation Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen zum Beispiel Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Kommentar zu den Gesetzen über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmittel i960 Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zivilprozeßordnung zum Teil

Einleitung Die Aktiengesellschaft geht nach den Forschungen von Karl Lehmann (Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts bis zum Code de Commerce, 1895) auf die Handelskompagnien zurück, die seit Anfang des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden, in England und anderwärts entstanden. Das waren reedereiartige Vereinbarungen zur Ausführung überseeischer Unternehmungen. Wer sich beteiligen wollte, leistete eine Einlage und erwartete davon Gewinn. D e r N a m e „ A k t i e " ist die niederländische Form von actio und bedeutete den Anspruch auf den Anteil am gemeinschaftlichen Kapital und Gewinn. Er findet sich schon in einer niederländischen Verordnung von 1610. Das Neuartige war die erhebliche Gewinnaussicht, die bald zu einem lebhaften Aktienhandel führte. Staatliche Verleihung — octroi — gab den Vereinigungen körperschaftlichen Charakter und bewahrte regelmäßig die Teilnehmer vor einer Haftung nach außen. Auch die Zubußenpflicht nach innen, die sich bisweilen fand, schwand mehr und mehr, bis der code de commerce in Artikel 33 als Kennzeichen der „société anonyme" den Satz aufstellte, daß die Gesellschafter ein Verlust nur bis zum Betrage ihres Anteils an der Gesellschaft treffen könne. Damit waren die Grundzüge der Aktiengesellschaft gegeben. Auf die Zeit des O k t r o i s y s t e m s folgte die des nicht wesentlich davon verschiedenen K o n z e s s i o n s s y s t e m s : die Gründung bedurfte staatlicher Genehmigung. Auch das A l l g e m e i n e D e u t s c h e H a n d e l s g e s e t z b u c h hielt in Artikel 174 und 208 an diesem Erfordernis fest, überließ es aber in Artikel 206 und 249 den Landesgesetzen, davon abzuweichen. So wurde durch Artikel 10 des preußischen Einführungsgesetzes vom 24. Juni 1861 (GesS S. 449) zur Errichtung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien die staatliche Genehmigung für nicht erforderlich erklärt. Erst das G e s e t z d e s n o r d d e u t s c h e n B u n d e s v o m 1 1 . J u n i 1 8 7 0 (BGBl. S. 375) schaffte die Staatsgenehmigung für Kommanditgesellschaften auf Aktien und für Aktiengesellschaften im ganzen Bundesgebiet ab und ersetzte sie durch das seitdem in Geltung gebliebene S y s t e m d e r N o r m a t i v b e s t i m m u n g e n . Auch beseitigte es eine andere Schranke. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch hatte nur handeltreibende Aktiengesellschaften zugelassen, denn es bestimmte in Artikel 207: „Eine H a n d e l s g e s e l l s c h a f t ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen beteiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften." Das Gesetz von 1870 sah von dem Gegenstand des Unternehmens ab und erkärte in Artikel 208 jede Aktiengesellschaft für eine Handelsgesellschaft. Schlechte Erfahrungen mit schwindelhaften Gründungen führten zu dem G e s e t z v o m 18. J u l i 1 8 8 4 (RGBL S. 123), das durch eine Reihe von Vorschriften Sicherungen für das Vorhandensein des Grundkapitals schuf. Es muß voll gezeichnet, bei Bareinlagen mit mindestens einem Viertel eingezahlt und im Besitz des Vorstands sein (Art. 210). Schon im Gesetze von 1870 war bestimmt worden, daß Sacheinlagen und Sachübernahmen im Gesellschaftsvertrage genau bezeichnet sein müssen (Art. 209 b). Dem wurde im Gesetz von 1884 hinzugefügt: Die Gründer müssen in einer Erklärung die gewährte Gegenleistung rechtfertigen (Art. 209 g), der Gründungsvorgang muß durch besondere Revisoren geprüft werden, wenn Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats zugleich Gründer sind oder wenn sie der Gesellschaft ein Vermögensstück überlassen oder sich einen besonderen Vorteil ausbedungen haben (Art. 209 h). Durch Androhung von Schadensersatzpflicht (Art. 213 a) und Strafe (Art. 249 a) werden diese Vorschriften eingeschärft. Einer Umgehung sollen die Bestimmungen über Nachgründungen (Art. 2 i 3 f ) vorbeugen, nämlich über Verträge, die die Gesellschaft innerhalb der ersten zwei Jahre nach ihrer Eintragung zum Zwecke des Erwerbs von Anlagen oder von Grundstücken schließt, wenn die Vergütung den zehnten Teil des Grund1 Aktiengeaetz, 2. AufL

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Einleitung kapitals übersteigt. Hier wird eine Prüfung durch den Aufsichtsrat und ein Generalversammlungsbeschluß mit gesteigerter Mehrheit angeordnet, nicht jedoch — und das war eine Schwäche des Gesetzes — auch die Prüfung durch besondere Revisoren. Das Gesetz vom 18. J u l i 1884 wurde im wesentlichen in das H a n d e l s g e s e t z b u c h v o m 1 0 . M a i 1 8 9 7 übernommen. Einiges wurde verbessert. Die Prüfung des Gründungsvorgangs durch besondere Revisoren fällt nunmehr nur noch bei reinen Bargründungen weg, bei denen auch kein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern gehört und sich auch keines einen besonderen Vorteil oder f ü r die Gründung oder deren Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat ( § 1 9 2 Abs. 2 H G B ) . Die Denkschrift (i8g6 S. 120, i8g7 S. 128) hob an Neuerungen auch das Bezugsrecht der Aktionäre bei Ausgabe neuer Aktien (§§ 282f. H G B ) hervor, ferner die Vorschriften über die Veräußerung des Vermögens im ganzen (§§ 303fr. H G B ) und über die Nichtigkeitserklärung von Aktiengesellschaften (§§ 309ff. H G B ) . I n einer Äußerlichkeit wich das H G B von den vorangegangenen Gesetzen a b : die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die bisher an erster Stelle behandelt worden war, rückte nunmehr, entsprechend ihrer geminderten Bedeutung, an die zweite, und ihre Rechtsverhältnisse wurden in weitem U m f a n g durch Verweisung auf die f ü r Aktiengesellschaften erlassenen Vorschriften geregelt. Bis zum Kriege blieb das im H G B geordnete Aktienrecht unverändert. Die erste Änderung brachte die B u n d e s r a t s v e r o r d n u n g v o m 8. A u g u s t 1 9 1 4 ( R G B l . S. 365). Sie setzte bis auf weiteres die Vorschriften außer K r a f t , die den Vorstand und die Liquidatoren verpflichteten, bei Zahlungsunfähigkeit das Konkursverfahren zu zu beantragen, und die eine Ersatzpflicht begründeten, wenn nach diesem Zeitpunkt noch Zahlungen geleistet wurden (§ 240 Abs. 2, § 241 Abs. 3, § 249 Abs. 3, § 298 Abs. 2, §§ 2 1 5 , 325 Nr. 8 H G B ) . Diese Verordnung, die den Wortlaut des H G B unberührt ließ, blieb auch in den Nachkriegsjahren bestehen. Hinzu trat die V e r o r d n u n g v o m 28. A p r i l 1920 ( R G B l . S. 696), ergänzt durch das G e s e t z v o m 24. D e z e m b e r 1922 ( R G B l . 1923 I S. 2 1 ) ; diese Bestimmungen betrafen den Fall der Überschuldung durch Valuta- oder Goldschulden infolge der Markentwertung und setzten auch insoweit die genannten Vorschriften des H G B außer Kraft. Beide Verordnungen und das Gesetz wurden erst durch das G e s e t z v o m 25. M ä r z 1930 ( R G B l . I S. 93) aufgehoben; zugleich wurden durch dessen Artikel I I I mit Rücksicht auf die inzwischen erlassene Vergleichsordnung vom 5. J u l i 1927 ( R G B l . I S. 139) jene Vorschriften des H G B umgestaltet. Dem Vorstand soll Zeit gelassen werden, ein Vergleichsverfahren vorzubereiten. Es genügt daher, wenn er nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach der Feststellung der Überschuldung die Eröffnung des Konkurses oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens „ohne schuldhaftes Z ö g e r n " beantragt, spätestens jedoch binnen zwei Wochen; diese Frist wurde durch die Notverordnung vom 1. August 1 9 3 1 ( R G B l . I S. 419) auf drei Wochen verlängert. Für die Liquidatoren wurden durch das Gesetz vom 25. März 1930 die ursprünglichen Vorschriften im wesentlichen wiederhergestellt, weil nach der Vergleichsordnung von 1927 die Einleitung des Vergleichsverfahrens bei einer juristischen Person nach deren Auflösung unzulässig war (§ 88). Die Vergleichsordnung vom 26. Februar 1935 ( R G B l . I S. 3 2 1 ) ließ diese Besonderheit fallen und änderte demgemäß in § 298 H G B ab, so daß f ü r Vorstand und Liquidatoren in dieser Hinsicht das gleiche galt. Die Strafvorschrift in § 3 1 5 Nr. 2 H G B machte die entsprechenden Wandlungen mit. Vgl. hierzu jetzt § 83 Abs. 2, § 84 Abs. 3 Nr. 6, § 99, § 209 Abs. 2, § 297 Nr. 2 u. 3, § 304 AktGes. Eine andere Kriegsverordnung, die in das H G B ebenfalls eingriff, ohne es förmlich zu ändern, war die B e k a n n t m a c h u n g v o m 24. M a i 1 9 1 7 ( R G B l . I S. 4 3 1 ) . Sie gestattete zur Erleichterung der Einzahlung auf Aktien die Leistung durch bestätigten Reichsbankscheck sowie durch Gutschrift auf Reichsbank- oder Postscheckkonto. Das G e s e t z v o m 7. M ä r z 1935 ( R G B l . I S. 352) fügte die Einzahlung auf ein Bankkonto der Gesellschaft oder des Vorstands hinzu und änderte das H G B entsprechend ab (vgl. jetzt § 49 Abs. 3 AktGes.). Dagegen hatte die Verordnung vom 2. November 1 9 1 7 ( R G B l . S. 987), die f ü r Gesellschaften mit einem Kapital von mehr als 300000 M staatliche Genehmigung vorschrieb, also insoweit zum Konzessionssystem zurückkehrte, und die durch Verordnung vom 12. Februar 1920 ( R G B l . S. 229) ergänzt wurde, nur vorüber-

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Einleitung (Schmidt — Meyer-Landrut) gehenden Bestand; sie wurde durch die Verordnung vom 9. Oktober 1920 R G B l S. 1718) aufgehoben. In der Nachkriegszeit setzte die V e r o r d n u n g ü b e r G o l d b i l a n z e n v o m 2 8 . D e z e m b e r 1 9 2 3 (RGBl. I S. 1253) an die Stelle der in § 180 H G B vorgesehenen Mindestbeträge der Aktien von 1000 M und von 200 M solche von 100 und von 20 Goldmark (§§ 10, 17); an die Stelle der Goldmark trat die Reichsmark nach § 3 der 2. D u r c h f V O vom 12. Dezember 1924 ((RGBl. I S. 775) zum Münzgesetz. Die V e r o r d n u n g ü b e r V e r m ö g e n s s t r a f e n u n d B u ß e n vom 6. Februar 1924 (RGBl. I S. 44) beseitigte in Art. X I V die Höchst- und Mindestbeträge der Geldstrafe, soweit sie nicht im § 27 RStrGB aufrechterhalten blieben. Die größte Veränderung des nach dem H G B geltenden Aktienrechts brachte der erste Teil der N o t v e r o r d n u n g v o m 1 9 . S e p t e m b e r 1931 (RGBl. I S. 493) über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie. Jener erste Teil, der durch die Notverordnungen vom 8. Dezember 1931, Teil 4, Kap. V , Art. 1 (RGBl. I S. 699) ergänzt wurde, wird daher als k l e i n e A k t i e n r e c h t s r e f o r m bezeichnet. Schon seit längerer Zeit hatte nämlich eine Bewegung eingesetzt, welche die Reform des Aktienrechts verlangte. Die Zusammenbrüche der Nordwolle und Farag mit ihren skandalösen Begleiterscheinungen machten die Reform dringlich. Im Jahre 1930 hatte das Reichsjustizministerium den Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien veröffentlicht; ein zweiter Entwurf war im Jahre 1931 gefolgt. Da wegen der parlamentarischen Verhältnisse keine Aussicht bestand, das Reformwerk im Wege der ordentlichen Gesetzgebung in absehbarer Zeit zum Abschluß zu bringen, anderseits die Wirtschaftskrisis nach dem Bankenzusammenbruch des Sommers 1931 Beschleunigung der Maßnahmen nahelegte, so entschloß sich die Regierung, im Wege der Notverordnung diejenigen Verbesserungen des Aktienrechts einzuführen, die sie als die dringendsten ansah. Die Notverordnung vom 19. September 1931 brachte neue Vorschriften namentlich über eigene Aktien, über die Stellung des Aufsichtsrats, über Geschäftsbericht, Jahresabschluß und dessen Prüfung sowie über die Prüfung sonstiger Vorgänge; sie verschärfte die Strafbestimmungen gegen Untreue und Verschleierung, auch fügte sie neue Strafvorschriften hinzu. Der wesentliche Fortschritt lag in der erhöhten Publizität und der Schaffung einer neuen Garantie gegen schlechte und mißbräuchliche Verwaltung, nämlich in der Bilanzprüfung durch unabhängige sachverständige Wirtschaftsprüfer. Es ergingen eine Reihe von Durchführungsverordnungen: 1. D V vom 15. Dezember 1931 (RGBl. I S. 760), 2. D V vom 20. Dezember 1932 (RGBl. I S. 563), 3. D V vom 1. April 1933 (RGBl. I S. 163), 4. D V vom 27. November 1933 (RGBl. I S. 1013), 5. D V vom 16. Februar 1934 (RGBl. I S. 125), 6. D V . vom 28. Februar 1934 (RGBl. I S. 172), 7. D V vom 8. Juni 1934 (RGBl. I S. 491), 8. D V vom 20. November 1934 (RGBl. I S. 1188), 9. D V vom 8. Juli 1935 (RGBl. I S. 1050). Das Nähere kann den Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften überlassen bleiben, die sich im Aktiengesetz wiederfinden. Die N o t v e r o r d n u n g v o m 6. O k t o b e r 1931 zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen usw. (RGBl. I S. 537) brachte im fünften Teil in Kapitel II die K a p i t a l h e r a b s e t z u n g in e r l e i c h t e r t e r F o r m , eine zunächst nur vorübergehend gedachte Erleichterung, deren Geltung aber mehrmals verlängert wurde, und die ebenfalls in das Aktiengesetz •—• als vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 182 fr.) — übergegangen ist. Die ersten beiden Durchführungsverordnungen hierzu ergingen am 18. und 20. Februar 1932 (RGBl. I S. 75 und 90), die 8. D V vom 14. März 1934 (RGBl. I S. 196) brachte die bedingte Kapitalerhöhung (vgl. §§ 159ff. AktGes.). Verordnungen über einmalige Bilanzierungserleichterungen ergingen auf Grund der durch die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I S. 699/715) erteilten Ermächtigung. Das G e s e t z v o m 20. D e z e m b e r 1934 (RGBl. I S. 1254) ermöglichte die Kraftloserklärung unrichtig gewordener Aktienurkunden (vgl. jetzt § 67 AktGes.). Ferner sei noch ein Zusatz zum Aktienrecht, die Wurzel des jetzt geltenden Mitbestimmungsrechts, erwähnt, nämlich die Vorschrift über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat nach § 70 des B e t r i e b s r ä t e g e s e t z e s vom 4. Februar 1920 (RGBl. I S. 147) und nach dem Gesetz vom 15. Februar 1922 (RGBl. I S. 209). Diese Bestimmungen sind durch § 65 des G e s e t z e s z u r O r d n u n g d e r n a t i o n a l e n A r b e i t vom 20. Januar 1934 (RGBl. I S. 45) aufgehoben worden. l1

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Einleitung Das Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. J a n u a r 1937 (RBG1. I S. 107, berichtigt S. 588) hat die Reform zum Abschluß gebracht. Es hat sich aus dem H G B losgelöst u n d ist zugleich mit seinem E i n f ü h r u n g s g e s e t z vom 30. J a n u a r 1937 (RGBl. I S. 166) am 1. Oktober 1937 in Kraft getreten. Die amtliche Begründung zu beiden Gesetzen ist in Nr. 28 des Deutschen Reichsanzeigers vom 4. Februar 1937 abgedruckt. Wie sich daraus ergibt, sind im Gesetz Anregungen der Akademie f ü r Deutsches Recht verwertet worden. I m Einvernehmen mit ihr hat die Regierung an der f ü r das Wirtschaftsleben unentbehrlichen Rechtsform der Aktiengesellschaft grundsätzlich festgehalten. Das Gesetz läßt sie aber regelmäßig n u r n o c h f ü r g r o ß e U n t e r n e h m u n g e n zu (§ 7)> während im übrigen Rechtsformen mit persönlicher Verantwortlichkeit des Unternehmers der Vorzug gegeben wird. Die S t e l l u n g d e r l e i t e n d e n P e r s o n e n ist g e s t ä r k t worden (§ 70). Die Hauptversammlung kann in Fragen der Geschäftsf ü h r u n g bindende Anweisungen nur dann noch erteilen, wenn der Vorstand ihre Entscheidung anruft (§ 103). Der Jahresabschluß wird vom Vorstand unter Billigung des Aufsichtsrats festgestellt, wobei die notwendigen Rücklagen f ü r eine gesicherte Fortführung der Geschäfte zu schaffen sind (§§ 125, 131 Abs. 2). Nur über die Verteilung des verfügbaren Reingewinns entscheidet die Hauptversammlung (§ 126), den Jahresabschluß selbst hat sie nur dann festzustellen, wenn der Aufsichtsrat den vom Vorstand festgestellten Jahresabschluß nicht billigt oder wenn sich Vorstand u n d Aufsichtsrat d a f ü r entscheiden, d a ß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellen solle ( § 1 2 5 Abs. 3, 4). Andererseits ist die Verantwortlichkeit des Vorstands u n d des Aufsichtsrats gegen Aktionäre und Gläubiger gesteigert (§§ 84, 9g), an dem Grundsatz der Verschuldenshaftung aber festgehalten, ebenso an der Pflicht zur alljährlichen Rechenschaftsablegung (§§ 96, 127). Die Ausnutzung einer Aktiengesellschaft zur Erlangung gesellschaftsfremder Sondervorteile begründet fortan eine Schadensersatzpflicht (§ 101). Die Publizitätsvorschriften über die Gestaltung des Jahresabschlusses u n d die obligatorische Bilanzprüfung sind erweitert u n d verbessert und in den besonderen Teil „Rechnungslegung" zusammengefaßt. Größte Bedeutung legt die amtliche Begründung den neuen K a p i t a l b e s c h a f f u n g s m a ß n a h m e n bei, so der Schaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§ 115), der Zulassung einer „bedingten Kapitalerhöhung", eines „genehmigten Kapitals", von „Wandel- u n d Gewinnschuldverschreibungen" (§§ 159 bis 174). Das Nähere bleibt den Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften vorbehalten. Das Einführungsgesetz enthält die Übergangsbestimmungen. Nach § 2 müssen Aktiengesellschaften, deren Grundkapital nicht 100000 R M erreicht, sich bis zum 31. Dezember 1940 umwandeln oder auflösen; Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von 100000 R M u n d mehr bleiben bestehen, müssen aber, wenn sie ihre Verhältnisse wesentlich ändern, das Grundkapital zugleich auf 500000 R M erhöhen. Für die danach etwa erforderlich werdende U m wandlung kam das G e s e t z ü b e r d i e U m w a n d l u n g v o n K a p i t a l g e s e l l s c h a f t e n vom 5. Juli 1934 (RGBl. I S. 569) in Betracht, zu dem vier Durchführungsverordnungen ergangen sind: 1. D V vom 14. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1262), 2. D V vom 17. Mai 1935 (RGBl. I S. 721), 3. D V vom 2. Dezember 1936 (RGBl. I S. 1003), 4. D V vom 24. J u n i 1937 (RGBl. I S. 661). Das Aktiengesetz und das dazugehörige Einführungsgesetz sind von der Regierung beschlossen worden, der Reichstag hat nicht mitgewirkt. Die Regierung war dazu durch das Gesetz vom 24. März 1933 (RGBl. I S. 141) ermächtigt. Die Geltungsdauer dieses Gesetzes war ursprünglich bis zum 31. März 1937 bemessen, das Aktiengesetz u n d das Einführungsgesetz sind noch vorher, am 4. Februar 1937, verkündet worden. Übrigens hatte der Reichstag die Geltungsdauer des Ermächtigungsgesetzes verlängert, und zwar durch Gesetz vom 30. J a n u a r 1939 (RGBl. I S. 95) bis zum 10. Mai 1943. Zweifellos ist das Aktiengesetz ein wohldurchdachtes, technisch u n d sprachlich auf großer Höhe stehendes Gesetzgebungswerk. Gegenüber dem bisherigen Recht enthält es im einzelnen viele Verbesserungen und Klarstellungen. Es hat sich auch in der Folgezeit, insbesondere nach dem Krieg bewährt. Über neue Reformbestrebungen vgl. den Schluß dieser Einleitung.

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Einleitung (Schmidt — Meyer-Landrut) Drei Durchführungsverordnungen sind zum AktGes. ergangen: i . D V vom 29. September 1937 ( R G B l . I S. 1026), 2. D V vom 19. November 1937 ( R G B l . I S. 1300), 3. D V vom 2 1 . Dezember 1938 ( R G B l . I S. 1839). Zur Einführung in Österreich sind ergangen: 1. V O vom 1 1 . April 1938 ( R G B l . I S. 385), 2. V O vom 2. August 1938 ( R G B l . I S. 988), zur Einführung in den sudetendeutschen Gebieten: 1. V O vom 3. Dezember 1938 ( R G B l . I S. 1725) 2. V O vom 9. Februar 1939 ( R G B l . I S. 176). I n Österreich ist das AktGes. mit 1. und 3. D V O nach 1945 in K r a f t geblieben (§ 2 des RechtsüberleitungsG vom 1. M a i 1945, StGBl. Nr. 6). Während des Krieges ist durch zahlreiche V O direkt und indirekt in das AktGes. eingegriffen worden. Mit der V O über Maßnahmen auf dem Gebiete des Rechts der HandelsGes. vom 4. September 1939 ( R G B l . I 1694) begannen diese Eingriffe, deren leitende Gesichtspunkte Vereinfachung, Ersparnis und Geheimhaltung waren und die mit der V O zur Vereinfachung der Verwaltung von PersVereinigungen vom 8. J a n u a r 1945 ( R G B l . I 5) abschlössen. Die Fortgeltung dieser V O n nach Kriegsende war zunächst in den verschiedenen Besatzungszonen und Ländern unterschiedlich geregelt. Durch § 1 HandelsrBerG vom 18. April 1950 (BGBl. I 90) sind sie jedoch durchweg aufgehoben worden, so daß der Text des AktGes. in seiner ursprünglichen Fassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wieder einheitlich gilt. Vorübergehende Eingriffe in das AktRecht brachte auch die DividendenabgabeVO vom 12. J u l i 1941 ( R G B l . I 323) mit D V O n . Für die „ D a u e r des Krieges" erlassen, war ihre Weitergeltung nach 1945 zunächst umstritten, wurde aber vom Gesetzgeber bejaht, § 7 Abs. 2 HBerGes.; sie ist inzwischen aufgehoben worden, Ges. vom 15. Dezember 1952 (BGBl. I 804). Aufgehoben sind auch alle aus Anlaß des Kriegszustandes ergangenen Bestimmungen, die die Rechtsstellung feindlicher Staaten und ihrer Staatsangehörigen in diskriminierender Weise berühren (Ges. vom 14. J u n i 1 9 5 1 , B G B l . I 3 9 1 ) . Nach dem Zusammenbruch im J a h r e 1945 ist das AktGes. selbst durch Gesetzgebungsakte d e r M i l R e g . nicht berührt worden. Mittelbare Auswirkungen sind jedoch in mancher Hinsicht zu verzeichnen: Zur Beseitigung des während der nat.-soz. Herrschaft begangenen Unrechts sind in den westlichen Besatzungszonen und in Berlin Rückerstattungsgesetze ergangen (GesNr. 59 USZone/BritZone; V O Nr. 120 F r Z o n e ; B K / O [49] 180 Berlin). Die rechtswidrige Entziehung des Vermögens einer A k t G (Art. 8 U S ; Art. 7 Br) wie auch von Aktien (Art. 2 1 , 24 U S ; Art. 1 7 , 20 Br) unterliegt der R ü c k erstattung. Da die Rückerstattung praktisch im wesentlichen abgeschlossen ist, sei auf die einschlägige Literatur und die umfangreiche Rspr. verwiesen. Wirtschaftlich tiefgreifende Eingriffe in viele A k t G brachten die alliierten Entflechtungsmaßnahmen; Grundlage bildete das Ges. 56/VO 78 der am.-brit. MilReg. vom 28. J a n u a r 1947 „ V e r b o t der übermäßigen Konzentration deutscher Wirtschaftskraft", neben Sondergesetzen f ü r einzelne Industrien oder Unternehmen vgl. A H K G e s . Nr. 27 vom 16. M a i 1950, Amtsbl. 229 (Montanindustrie); A H K G e s . Nr. 35 vom 17. August 1950, Amtsbl. 534 (I. G. Farbenindustrie A . G.). Hinsichtlich der kartellrechtlichen Bestimmungen die noch von aktueller Bedeutung sind, muß auf die umfangreiche Spezialliteratur Bezug genommen werden. Der deutsche Gesetzgeber der Nachkriegszeit hat in steigendem M a ß e auch das A k t R berührende Vorschriften erlassen. I m Zuge der Währungsumstellung im J a h r e 1948 trat in den Westzonen an die Stelle der Reichsmark als Rechnungseinheit die Deutsche Mark (§ 2 WährungsG). Das D M B G vom 2 1 . August 1949 (WiGBl. 279) mit ErgGes. vom 28. Dezember 1950 (BGBl. I 8 1 1 ) , Zweites ErgGes. vom 20. Dezember 1952 (BGBl. I 824), Drittes ErgGes. vom 2 1 . J u n i 1955 (BGBl. I 297) brachte dann auch unmittelbare, z. T . dauernde Änderungen des AktGes. des E G zum AktGes. und der 1. D V O . Wichtig ist vor allem die Herabsetzung des Mindestnennbetrags des Grundkapitals auf 100000 D M , § 7 Abs. 1, und des Mindestnennbetrags der Aktien auf 100 D M , § 8 Abs. 1, s. § 60 D M B G . Die Abänderung des Wortlauts von § 86 Abs. 1 Satz 3 ist durch § 84 BetrVGes., der diese Bestimmung neu faßte, überholt. Bei der K o m mentierung der einschlägigen Paragraphen wird auf die Auswirkungen des D M B G e s . im einzelnen eingegangen. Mittelbar von erheblicher Bedeutung f ü r das Aktienrecht sind auch die nach dem Zusammenbruch erforderlich gewordenen Maßnahmen zur Bereinigung des Wertpapierwesens, Ges. vom 19. August 1949 (WiGBl. 295) mit

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Einleitung ErgGes. vom 29. März 1951 (BGBl. I 2 1 1 ) , vom 26. August 1953 (BGBl. I 940) und vom 16. November 1956 (BGBl. I 850). Ein besonderes Ges. vom 9. Oktober 1950 (BGBl. I 690) regelt die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien während der Wertpapierbereinigung. Da die Wertpapierbereinigung von Aktien inzwischen im ganzen beendet ist, muß auch hier f ü r noch auftauchende Fragen auf die einschlägige Literatur und Rechtsprechung verwiesen werden. Das schon erwähnte HBerGes. vom 18. April 1950 (BGBL I 90) hat in § 4 auch einige kleinere Änderungen des Aktiengesetzes, des EGes. und der D V O gebracht, die jeweils bei den einschlägigen Paragraphen behandelt werden. Es hat weiter in § 7 Abs. 1 Umwandlungen von Kap.-Gesellschaften nach dem UmwandlungsGes. vom 5. J u l i 1934 ( R G B l . I 569) bis zum 3 1 . Dezember 1956 befristet. V o n diesem Zeitpunkt an gilt das bisherige Recht neu kodifiziert im U m wandlungsGes. vom 12. November 1956 (BGBl. I 844) unbefristet fort. Einen weittragenden Eingriff in die Struktur des AktGes. brachten die Mitbestimmungsgesetze; zunächst f ü r die Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie das Gesetz vom 2 1 . M a i 1951 (BGBl. I 347), das in Aktiengesellschaften dieser Art eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats mit Vertretern der Kapitaleigner und der Arbeitnehmer und die Bestellung eines Arbeitsdirektors als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied vorsieht, sodann das f ü r alle Aktiengesellschaften geltende Betriebsverfassungsgesetz vom 1 1 . Oktober 1952 (BGBl. I 681), das in § 76 zwingend die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern zu einem Drittel im Aufsichtsrat vorsieht und in § 84 den Wortlaut der §§ 86, 90 u. 94 des AktGes. ändert. Hinzu trat das Gesetz zur Ergänzung des bergbaulichen Mitbestimmungsgesetzes vom 7. August 1956 (BGBl. I 707), das die Anwendung der Mitbestimmung auf Konzernobergesellschaften regelt. Erwähnt sei schließlich wegen seiner mittelbaren Rückwirkungen auf das Aktienrecht noch der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft f ü r Kohle und Stahl vom 29. April 1952 (BGBl. I I 445), der als erster Gesetzgebungsakt im Zuge der europäischen Integrationspolitik auf wirtschaftlichem Gebiet Bedeutung hat und auch das Recht der Kartelle und Zusammenschlüsse f ü r die Montanindustrie in Art. 65, 66 regelt. Nach dem Inkrafttreten des AktGes., dem bald der zweite Weltkrieg folgte, führten die Aktiengesellschaften ein anomales Leben im Dunkeln. * Alle Unternehmen wurden nach den totalen Anforderungen des Hitler-Regimes und des Krieges ausgerichtet. Eine Erprobung der durch das AktGes. eingeführten Neuerungen und Verbesserungen konnte nicht statthaben. Die Rechtsprechung aus dieser Zeit ist unergiebig. Unter den Folgen des Krieges und der Nachkriegszeit, die f ü r lange Zeit den Kapitalmarkt zum Erliegen brachten, kamen bald neue R e f o r m w ü n s c h e f ü r das Aktienrecht auf; sie gewannen nach der Währungsumstellung und mit dem Wiedererstarken der Wirtschaft festere Gestalt. Sie lassen sich unter die Stichworte: Wiederherstellung des Bilanzfeststellungsrechts der Hauptversammlung, Beschränkung der Macht der Verwaltung, erweiterter Minderheitenschutz, erweiterte Publizität, Partnerschaft der Arbeitnehmer und Reform des Konzernrechts einordnen. Der 39. Deutsche Juristentag in Stuttgart beschloß, durch eine Kommission die bestehenden Unternehmensformen darauf zu untersuchen, ob sie den sozial- und wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gegebenheiten genügend Rechnung tragen. Das Ergebnis liegt in dem Bericht der Studienkommission über die „Untersuchungen zur R e f o r m des Unternehmensrechts" Teil I (I. C. B. Mohr, Tübingen, 1955) vor; er gliedert sich in zwei Abteilungen über „Unternehmen von besonderer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung unter Berücksichtigung des Konzernrechts" (Berichterstatter Ballerstedt) und über die „ R e f o r m der Aktiengesellschaft" (Berichterstatter W. Schilling). Teil I I wird das Ergebnis der Untersuchungen über die Partnerschaft der Arbeitnehmer bringen. Reformwünsche in dieser Richtung, insbesondere die Einführung von Arbeitnehmer-Aktien, ließen sich nur durch nicht unerhebliche Änderungen des AktGes. und der Steuergesetze verwirklichen. Die in den U S A seit einigen Jahren bekannten stockoption-plans, die eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung vor allem von leitenden Angestellten fördern sollen, sind daher in Deutschland auch nicht durchführbar. Schon 1952 hatte die Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigungen f ü r Wertpapierbesitz eine „Denkschrift zur Reform des Aktienrechts", vorgelegt. Es folgten 1954 der Deutsche Industrie- und Handelstag in seiner Schriftenreihe mit einer Abhandlung

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Einleitung (Schmidt — Meyer-Landrut) „ Z u r Reform des Aktienrechts" (Heft 30) und 1956 das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V . mit „Vorschlägen zur Aktienrechtsreform". Alle diese Arbeiten stimmen darin überein, daß sie an dem A u f b a u unseres Aktienrechts im Grundsätzlichen nichts ändern wollen. Die Kritiken setzen dort ein, wo mißbräuchliche und schädigende Ausnutzung der gegebenen aktienrechtlichen Rechts- und Machtpositionen zu befürchten ist. Wie dem vorzubeugen sei, werden Empfehlungen gegeben. Sie liegen in der Richtung erweiterter Publizität (Neuregelung des Auskunftsrechts der Aktionäre); Verbesserung des Bilanzschemas; Erfordernis konsolidierter Bilanzen bei Konzerngesellschaften; Erweiterung der Obliegenheiten der Bilanzprüfer; Verschärfung der Haftung der Verwaltung; Erweiterung der Rechtsbehelfe gegenüber Verwaltungsmaßnahmen, insbesondere gegenüber der Bilanzfeststellung (falls sie der Verwaltung vorbehalten bleibt); ferner in der Richtung besonderer Kautelen f ü r Großunternehmen, die zu gesamtwirtschaftlicher Bedeutung gelangt sind und f ü r Konzerne (Ausgestaltung der Verantwortlichkeiten der Konzernglieder nach innen und außen, Minderheitsschutz). Das Bankendepotstimmrecht steht dabei immer wieder zur Erörterung, kann aber nach der Entwicklung des Aktienwesens in Deutschland nicht entbehrt werden. Die radikalen Neuerungsvorschläge, die C. Fischer im Archiv f. ziv. Praxis, 1955, S. 85 u. 181 in einer bedeutsamen Kritik an der bisherigen Entwicklung vorlegt, sind von keiner Seite übernommen und dürften, weil sie den zwangsläufigen Gegebenheiten aller wirtschaftlich entwickelten Länder entgegenstehen, nicht mit Erfolg durchführbar sein. Das gilt insbesondere von seiner Ablehnung der Beteiligung der Arbeitnehmer in der Verwaltung der AktGes. Wenn auch im Grundsätzlichen strukturwidrig, wird die „Mitbestimmung" im deutschen Aktienrecht als sozial- und wirtschaftsverfassungsmäßige Gegebenheit der aus den beiden Kriegen erwachsenen Verhältnisse hinzunehmen und durch zweckmäßige Ausgestaltung nutzbar zu machen sein. Die Aktienreform eilt in keiner Weise. I n weitgehendem Maße tragen die Aktiengesellschaften von Bedeutung den berechtigten Reformwünschen durch ausführliche Geschäftsberichte, umfassende Auskunftserteilung in den Hauptversammlungen und eine vernünftige Dividendenpolitik Rechnung. Der Bundesgerichtshof hat in einer Reihe von Entscheidungen die vom Reichsgericht entwickelten Grundsätze f ü r den Minderheitenschutz bestätigt und geklärt. So mögen die Probleme in Literatur und Rechtsprechung weiter ausreifen, ehe zur Klinke der Gesetzgebung erneut gegriffen wird. Erwünscht wäre der baldige Erlaß einer V O zu § 134, Ziff. 2 AktGes. über die Einführung der obligatorischen Konzernbilanz.

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Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) V o m 30. J a n u a r 1937 ( R G B l . I S. 107 [588]) mit den Änderungen durch § 2 des Ersten Ges. zur Neuordnung des Geldwesens; § 60 des Ges. über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung vom 2 1 . August 1949 (WiGBl. 279); §84 des BetriebsverfassungsGes. vom 1 1 . Oktober 1952 (BGBl. I 6 8 1 ) ; § 43 des Ges. über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl. I 844); Art. 1 des Ges. zur Änderung der Vorschriften des Aktienrechts und des Mitbestimmungsrechts vom 15. J u l i 1957 (BGBl. I 714)

Erstes Buch Aktiengesellschaft Erster

Teil

Allgemeine Vorschriften

§1 Wesen der Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft m i t eigener Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschafter m i t Einlagen auf das in Aktien zerlegte G r u n d kapital beteiligt sind, ohne persönlich f ü r die Verbindlichkeiten der G e s e l l s c h a f t zu haften. Ü b ersieht Anm. I. Grundlagen des Aktienrechts als Teil des Handelsrechts I I . Begriffsbestimmungen 1. Gesellschaft 2. Grundkapital 3. Aktie III.

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1. Haftung 2. Lehre vom Durchgriff auf die Gesellschafter . a) Vorbemerkung b) Mißbrauchsfälle c) Normanwendungsfalle 3. Normanwendungsfälle (kein Durchgriff)

I V . Treupflicht 1—2 3—4 5 6—7 8 8a

Anm. 8b

V . Rechte der Aktionäre 1. Einleitung 9 2. Sonderrechte 10—11 3. Recht auf gleichmäßige Behandlung 12 4. Gläubigerrechte . . . . 13—14 5. Akzessorische Rechte . 15 6. Mitgliedschaft und allgemeine Mitgliederrechte . 1 6 — 1 8 7. Sonderpflichten . . . . 19 8. Beeinträchtigung von Sonderrechten 20 V I . Rechtsform der A k t G kraft Gesetzes V I I . Fremdenrecht

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 1 Anm. 1—3

Anm. 1 I. Die staatsrechtliche Gültigkeit des Aktiengesetzes beruht auf dem Gesetz vom 24. März 1933 (RGBl. I S. 141). Vgl. Einleitung S. 4. Anm. 2 Das Aktiengesetz tritt als selbständiges Gesetz auf, losgelöst vom Handelsgesetzbuch. Die Vorschriften des § 20 HGB und des dritten und vierten Abschnitts des Zweiten Buches des Handelsgesetzbuches sind durch § 18 EinfG aufgehoben worden, durch § 38 der 1. DV auch die des § 22 Abs. 1 Satz 2 HGB. Trotz dieser äußeren Loslösung bleibt jedoch eine sachlich enge Beziehung zum Handelsrecht bestehen. Denn die Aktiengesellschaft gilt nach § 3 als Handelsgesellschaft, gleichviel, auf welchen Gegenstand ihr Unternehmen gerichtet ist. Auf Handelsgesellschaften finden aber nach § 6 HGB die für Kaufleute gegebenen Vorschriften Anwendung. So heißt es von den eingetragenen Genossenschaften in § 17 GenG geradezu, daß sie als Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuchs gelten. Die davon etwas abweichende, übrigens mit § 210 Abs. 2 HGB und mit § 13 Abs. 3 GmbHG übereinstimmende Ausdrucksweise in § 3 AktGes. führt nach § 6 HGB zu dem gleichen Ergebnis. Es gelten also die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs grundsätzlich auch für die Aktiengesellschaft, soweit für diese nichts Besonderes bestimmt ist (über die Firma s. § 4). Selbst die Möglichkeit, daß sich eine Aktiengesellschaft an einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin oder Kommanditistin beteiligt (RG 105, 101; 123, 289), ist bestehengeblieben. Solche Verschachtelung ist zwar nicht erwünscht. Bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften nach dem Gesetz vom 5. Juli 1934 (RGBl. I S. 569) ist es nur ausnahmsweise, mit ministerieller Genehmigung, zulässig, daß eine juristische Person — also auch eine Aktiengesellschaft — als Gesellschafterin an der übernehmenden, schon bestehenden oder neu errichteten Gesellschaft beteiligt ist (§10 der 1. DVO vom 14. Dezember 1934, RGBl. I S. 1262). Die Umwandlung soll neben anderem auch der Entschachtelung dienen. Durch die 3. DVO vom 2. Dezember 1936 (RGBl. I 1003) in der in den §§ 6ff. die „Umwandlung auf den Hauptgesellschafter" geregelt ist, ist allgemein der Übergang des Unternehmens auf eine Aktiengesellschaft gestattet, wenn diese der Hauptgesellschafter ist. Hier ist der Entschachtelungszweck durch den Untergang der Tochtergesellschaft erreicht. Die Geltungsdauer des UmwandlungsGes. ist aber bis zum 31. Dezember 1956 befristet. Ein neues Umwandlungsgesetz ist mit wesentlich gleichem Inhalt und mit Wirkung vom 1. Januar 1957 ab am 12. November 1956 verkündet (BGBl. I 844). Über die Frage, ob das Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs anwendbar ist, s. Anm. 3. Anm. 3 II. 1. Das Gesetz unternimmt unter der Überschrift „Wesen der Aktiengesellschaft" zum erstenmal eine Begriffsbestimmung, während sich die früheren Gesetze, auch das Handelsgesetzbuch, mit Angabe einzelner Merkmale begnügt hatten. Für die Begriffsbestimmung ist der Inhalt des § 210 Abs. 1 und des § 178 HGB zusammengefaßt worden. Während § 210 Abs. 1 HGB als Merkmale nannte, daß die AktG als solche selbständig ihre Rechte und Pflichten habe, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden könne, und § x 78, daß die Gesellschafter mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt seien, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften, heißt es jetzt geradezu: „Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit." Ihre besonderen Merkmale bestehen darin, daß die Gesellschafter mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sind; daß sie für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haften, ist kein besonderes Merkmal, sondern folgt, zum mindesten regelmäßig, aus der eigenen Rechtspersönlichkeit. Trotzdem ist die Hervorhebung des grundsätzlichen Ausschlusses einer Haftung der Aktionäre für die Verbindlichkeiten der AktG eine begrüßenswerte Klarstellung (vgl. Serick, S. 1, 57f.). Bei der Bezeichnung des Rechtsgebildes als „Gesellschaft" ist nicht der Begriff der „Gesellschaft" in dem engeren Sinn des bürgerlichen Rechts 9

§1

Anm. 4

I. Buch: Aktiengesellschaft

(§ 705 BGB) verwendet. Diese hat keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern steht durch deren Mangel gerade im Gegensatz zu rechtlichen Vereinigungen, die eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und die das Bürgerliche Gesetzbuch „Vereine" nennt. Verwendet ist der Begriff" als Oberbegriff für Kapital- und Personalgesellschaften, wie er uns aus dem Steuerrecht geläufig wurde und sich auch im bürgerlichen Recht einführt. Denn auch die „Gesellschaft" mit beschränkter Haftung trägt diesen Namen herkömmlich und besitzt doch eigene Rechtspersönlichkeit. Wenn SchlegelbergerQuassowski (Anm. 2) dem Begriff „Gesellschaft" rechtliche Bedeutung beimessen wollen, um zur Begründung einer „Treupflicht" des Aktionärs zu gelangen, so bedarf es dieses Hilfsbegriffs nicht. Auch ein Vereinsmitglied ist zur Treue verpflichtet (vgl.

R G 146, 395 und Anm. 8b).

Der Ausdruck

„Gesellschaft"

trifft daher

n i c h t das Wesen d e r S a c h e . Immerhin ist gegen die Beibehaltung des Ausdrucks nichts einzuwenden. I h r e m Wesen n a c h ist die A k t G ein Verein ( K G J 5 1 A 2 6 3 ; vgl. für GmbH R G 68, 180 oben), freilich, wie schon ihre Entstehung zeigt, kein Verein im Sinne der §§ 21 ff. BGB. Diese Vorschriften lassen sich auf die A k t G nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwenden, und auch das nur, soweit nicht aktienrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Das führt im einzelnen zu folgenden Ergebnissen: Die § § 2 1 , 2 2 B G B sind nicht anwendbar. Die Rechtsform der A k t G kann gewählt werden, mag der Zweck der Vereinigung auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sein oder nicht. Daß der Zweck kein wirtschaftlicher zu sein braucht, war schon seit dem Gesetz von 1870 Rechtens (Art. 208; §210 Abs. 2 HGB) und ergibt sich für das AktGes. aus § 3 (Anm. 2 daselbst). Mit Unrecht hat Simon ( Z H R 49, 8) daraus, daß die Worte „in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften" zwar in § 22, aber nicht in § 21 BGB enthalten sind, entnehmen wollen, einem Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, sei die Form der A k t G verschlossen. Das Gegenteil ergibt sich aus den angeführten Vorschriften des Aktienrechts. Auch die Entscheidung R G 49, 77 (79) läßt für die AktG gemeinnützige Zwecke zu und findet es dem Wesen der A k t G nur widersprechend, wenn sie für einen bestimmten, nur von Einzelpersonen zu erreichenden Zweck gebildet werde. § 2 3 B G B ist nicht anwendbar. Eine deutsche AktG entsteht nur durch Eintragung in ein deutsches Handelsregister (§§ 28, 32, 34 Abs. 1). Ausländische Aktiengesellschaften, die nach dem Rechte ihres Heimatsstaates bestehen, werden im Inland anerkannt (§ 37 Anm. 1, vgl. § 292 u. EinfG § 16). Über Sitzverlegung vom Inland in das Ausland und umgekehrt s. § 5 Anm. 5. Aus § 2 6 B G B gilt auch für die A k t G die Vorschrift, daß der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat; in § 71 ist das nicht ausdrücklich gesagt. Im übrigen gelten statt der § § 2 4 bis 2 9 die besonderen Vorschriften des Aktienrechts (§§ 5, 16, 23, 70ff.). Namentlich ist jetzt, entsprechend dem §29 BGB, in §76 vorgesehen, daß in dringenden Fällen das Gericht die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Vorstandsmitglieder auf Antrag eines Beteiligten bis zur Hebung des Mangels bestellen kann. Die für die außervertragliche Haftung der AktG wichtigen§§ 3 0 , 31 BGB sind anwendbar. Das ist feststehende Rechtsprechung, und zwar in Hinsicht auf die Haftung sowohl für Handlungen (oder Unterlassungen) des Vorstandes ( R G 57, 93; J W 1903 Beil. 39 81 ; Warneyer Rspr. 1930 Nr. 33) als auch solche für eines verfassungsmäßig bestellten besonderen Vertreters (§ 30 BGB), z. B. von Vorstehern satzungsmäßig vorgesehener Zweigniederlassungen oder Depositenkassen (RG 91, 3; 94, 320; 117, 64; Warneyer Rspr. 1915 Nr. 317; 1917 Nr. 110; 1930 Nr. 33; H R R 1936 Nr. 864). Das AktGes. hat daran nichts geändert; §101 Abs. 5 betrifft nur einen Sonderfall mittelbarer Schädigung der Gläubiger durch unmittelbare Schädigung der AktG. Statt der § § 3 2 ff. B G B gelten durchweg die besonderen Vorschriften des Aktienrechts. Eine Ausnahme macht n u r § 3 5 B G B , der auch für die Aktionäre gilt. Hierüber s. unten Anm. gff.

Anm. 4 Das Gesetz zählt als besondere M e r k m a l e der mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft auf: 1. Sie muß ein Grundkapital haben. 2. Das Grundkapital

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 1 A n m . 5, 6

muß in Aktien zerlegt sein. 3. Die Gesellschafter müssen mit Einlagen auf das so zerlegte Grundkapital beteiligt sein. Daß sie für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht persönlich haften, entspricht regelmäßig dem Wesen der Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (Anm. 3). Anm. 5 2. Das Grundkapital ist eine auf Deutsche Mark, und zwar nach § 7 in der Regel auf mindestens 100000 D M lautende Ziffer. Diese Ziffer gibt aber nicht das Gesellschaftsvermögen an. Wäre das ihre Aufgabe, so wäre sie mit Staub-Pinner (§178 HGB Anm. 20) in der Tat eine „fiktive Ziffer" zu nennen. Das ist aber nicht ihre Aufgabe. Sie bezeichnet nur den Mindestbetrag des A n f a n g s v e r m ö g e n s . Dieses besteht, soweit Bareinlagen zu leisten sind, aus den geleisteten Zahlungen und aus den Forderungen der AktG auf die rückständigen Einlagen oder Einlageteile, soweit Sacheinlagen zu machen sind, aus diesen oder aus der Forderung auf die noch ausstehende Leistung. Werden die Aktien für einen höheren Betrag als den Nennbetrag — über pari — ausgegeben (§ 9 Abs. 2), so erhöht der Uberschuß (das Agio) zwar das Vermögen der AktG, aber nicht das Grundkapital; er ist im Jahresabschluß in die gesetzliche Rücklage einzustellen (§130 Abs. 2 Nr. 2). Sind Sacheinlagen zu gering bewertet worden, so erhöht der Mehrwert ebenfalls das Vermögen der AktG, aber nicht das Grundkapital. Das A n f a n g s v e r m ö g e n kann also höher sein als das Grundkapital; niedriger als dieses darf es aber nach dem Willen des Gesetzes nicht sein. Dagegen schützt das Verbot, Aktien zu einem geringeren Betrage als dem Nennbetrage — unter pari — auszugeben (§9 Abs. 1), bei Sacheinlagen die Pflicht zu genauer Bewertung (§ 20) und zu sorgfältiger Prüfung (§§ 24fr.), verbunden mit Strafandrohungen (§§ 294, 295). Das Anfangsvermögen verändert sich aber, sobald die AktG ihre Geschäfte aufnimmt, durch gewisse Ausgaben sogar schon vor der Eintragung der AktG (§ 28 Abs. 2). Es kann sich vermehren oder vermindern. In welchem Maße das geschieht, ist aus der Ziffer des Grundkapitals nicht zu ersehen. Trotzdem behält das Grundkapital seine Bedeutung. Was auf die Einlagen geleistet ist, kann nicht zurückgewährt, was darauf noch aussteht, nicht erlassen werden (§§ 52, 60). Die Aktionäre haben als Mitglieder — selbständige Rechtsgeschäfte zwischen ihnen und der AktG bleiben dabei außer Betracht — nur Anspruch auf den jährlichen Reingewinn (§§ 52, 54). Dieser wird aber immer nur nach Abzug des Grundkapitals vom Vermögen errechnet, denn das Grundkapital ist in der Bilanz unter die Passiven aufzunehmen (§ 131 B I). Kann also auch nicht verhindert werden, daß sich das Anfangsvermögen durch die Geschäftsführung der AktG vermindert, so verhindern diese Vorschriften doch, daß es sich durch Ausschüttungen an die Aktionäre ohne Rücksicht auf die Erhaltung des Grundkapitals vermindert. Dadurch, daß bei der Über-pari-Ausgabe der Aktien das Aufgeld (agio) in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, die ebenfalls unter den Passiven erscheint (§ 131 B II 1), soll auch dieser Teil der Aktionärleistung der AktG möglichst erhalten bleiben. Anm. 6 3. D a s Grundkapital w i r d in Aktien zerlegt. Die Aktie (actio, s. Einleitung S. 1) bezeichnet die Mitgliedschaft, also einen Inbegriff von Rechten und Pflichten. Sie wird durch einen Anteil am Grundkapital ausgedrückt, mag das durch Angabe eines Bruchteils oder eines Nennbetrages geschehen. Im ersten Falle spricht man von einer Quotenaktie, im zweiten von einer S u m m e n a k t i e . Bei der Summenaktie ergibt sich der Anteil durch einfache Rechnung, indem der Nennbetrag des Grundkapitals durch den Nennbetrag der Aktie dividiert wird. Ein sachlicher Unterschied von der Quotenaktie besteht also nicht. Beide bezeichnen gleichzeitig auch den entsprechenden Anteil am Gesellschaftsvermögen, mag dieser dem Grundkapital gleich, mag er höher oder niedriger sein. Die in Deutschland übliche, vom Aktiengesetz beibehaltene Summenaktie ermöglicht, wie Brodmann (§178 HGB Anm. 3c) richtig bemerkt, eine übersichtliche Kursfeststellung. Die Gefahr, daß der Nennbetrag der Aktie für gleichbedeutend mit ihrem Marktwert gehalten, eine 1000 DM-Aktie also ohne weiteres mit 1000 D M bewertet werden könnte, ist nicht größer als bei allen kursfähigen Wertpapieren, die auf einen bestimmten Nennbetrag lauten, und setzt ein hohes Maß von

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§7 I. Buch: Aktiengesellschaft Anm. 7, 8 Unerfahrenheit voraus. Die Quotenaktie ist hauptsächlich in Nordamerika eingeführt worden. Anm. 7 Die Gesellschafter sind mit Einlagen auf das so zerlegte Grundkapital beteiligt. In der Leistung der Einlagen auf die ihnen zugeteilten Aktien besteht die Hauptpflicht der Aktionäre. Was sie bis zum Nennbetrage der Aktie leisten, ist ihre Einlage auf das Grundkapital. Was sie bei der Über-pari-Ausgabe (§ 9 Abs. 2) über den Nennbetrag hinaus leisten, ist zwar auch Einlage, aber nicht Einlage auf das Grundkapital (Anm. 5). Das gleiche gilt von nachträglichen freiwilligen Zuzahlungen, die Aktionäre gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Aktien leisten. Diese beiden Beträge, das Aufgeld und die Zuzahlungen, erscheinen bilanzmäßig nicht in der Grundkapitalsziffer, sondern in der gesetzlichen Rücklage (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 und 4) sie vermehren das Vermögen der AktG, aber nicht ihr Grundkapital (Anm. 5). Auch ohne Gewährung von Vorzügen kommen freiwillige Einlagen vor, die ä fonds perdu gemacht werden (§ 52 Anm. 2); auch diese vermehren das Vermögen, aber nicht das Grundkapital; in die gesetzliche Rücklage sind sie nicht einzustellen, können aber eine freie Rücklage bilden. Das alte Handelsgesetzbuch hatte in Art. 207, auch noch in der Fassung des Gesetzes von 1884, bestimmt, daß sich die Gesellschafter einer AktG nur mit Einlagen beteiligen. Diesen als zu starr erkannten Grundsatz hatte schon das Handelsgesetzbuch von 1897 aufgegeben, indem es in § 212 bei gebundenen Namensaktien eine Pflicht der Aktionäre zu wiederkehrenden, nicht in Geld bestehenden Leistungen zuließ. Das AktGes. hat diese „ N e b e n l e i s t u n g s a k t i e n g e s e l l s c h a f t e n " übernommen (§50). Auch die Nebenleistungen sind keine Leistungen auf das Grundkapital. Andere Leistungspflichten sind aber unzulässig; so könnten die Aktionäre nicht verpflichtet werden, Zuzahlungen zu einem Dispositionsfonds für den Aufsichtsrat zu leisten (vgl. K G J 8, 16, wo es sich aber um Zuzahlungen gegen Gewährung von Vorzügen handelt). Das alte und das neue Handelsgesetzbuch sagten ausdrücklich, daß „sämtliche" Gesellschafter mit Einlagen beteiligt sein müßten (Art. 207, § 178). Das AktG hat dieses Wort nicht übernommen, bringt aber durch seine Fassung („deren Gesellschafter") genügend zum Ausdruck, daß es dasselbe meint. „ F r e i a k t i e n " gibt es daher künftig ebensowenig wie bisher. Was der Verkehr unter „Gratisaktien" oder „Freiaktien" versteht, sind Aktien, die bei einer Kapitalerhöhung an alte Aktionäre neu ausgegeben werden, und auf die von der AktG die Einlagen aus Mitteln des Reingewinns oder aufgelöster freier Rücklagen den Aktionären zur Verfügung gestellt werden, also aus Mitteln, die an die Aktionäre auszuschütten sind, wenn diese die neuen Aktien nicht übernehmen wollen, s. § 150 Anm. 2; vgl. R a u c h , Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, 2. Aufl. 1945 und G o d i n , AcP N. F. 25 S. 69. Anm. 8 III. 1. Die Aktionäre haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht persönlich. Gemeint ist mit diesem aus der eigenen Rechtspersönlichkeit regelmäßig fließenden Satz: die Aktionäre haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mit ihrem Vermögen, es haftet dafür nur das Gesellschaftsvermögen. Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung ihrer Einlage und zu etwaigen Nebenleistungen (§§ 49, 50) betrifft nur das innere Verhältnis zwischen ihnen und der AktG. Die Gläubiger der AktG haben damit nichts unmittelbar zu tun, sie können aber unter gewissen Voraussetzungen (§60 Anm. 27) die Forderung der AktG auf die rückständige Einlage, ohne besondere Voraussetzung deren Forderung auf die noch ausstehende Nebenleistung pfänden und sich überweisen lassen. Immerhin sind die Vorschriften, welche die Aufbringung und die Erhaltung des Grundkapitals sichern sollen, in erster Linie zum Schutz der Gläubiger der AktG bestimmt. Daraus erklärt sich der Ausnahmefall, in dem die Aktionäre den Gläubigern der AktG unmittelbar haften, wenn sie nämlich verbotswidrig Zahlungen von der AktG empfangen haben (§ 56). Das ist eine Haftung aus unerlaubter Handlung wegen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz. Diese Haftung ist unabhängig von §823 Abs. 2 BGB besonders geregelt (§56 Anm. 2 ff.). 12

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§1 Anm. 8 a

Anm. 8 a 2 a) Trotz der dem gesamten Korporationsrecht immanenten Trennung zwischen juristischer Person und Geschäftsvermögen einerseits, Mitgliedern und Gesellschaftervermögen andererseits (vgl. Anm. 4 zu § 48), treten in der Praxis Fälle auf, in denen es mit der Gerechtigkeitsidee unvereinbar wäre, die Trennung aufrechtzuerhalten, sei es, daß Kenntnisse, Verhaltensarten oder Eigenschaften der Gesellschafter der juristischen Person zugerechnet werden müssen, sei es, daß den Gläubigern der Gesellschaft, anstatt allein auf deren Vermögen verwiesen zu sein, ein „ D u r c h g r i f f " a u f d i e h i n t e r d e r j u r i s t i s c h e n P e r s o n s t e h e n d e n G e s e l l s c h a f t e r , hier die Aktionäre und deren Vermögen gestattet werden muß. Vornehmlich waren es bei der nach deutschem Recht zulässigensog.Einmanngesellschaft auftretende Mißbräuche und versuchte oder mögliche Gesetzesumgehungen, denen die Rechtsprechung dadurch begegnete, daß sie den Grundsatz der Trennung zwischen juristischer Person und Mitglied im Einzelfall hintansetzte, s. § 15 Anm. 8 (8). Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung sahen und sehen sich aber auch in anderen Fällen genötigt, den Schleier der juristischen Person zu durchstoßen, um auf die dahinterstehenden Menschen, das eigentliche Substrat, durchzugreifen. Eine systematische Erfassung dieser Durchgriffsfälle ist von S e r i c k in seiner Schrift „Rechtsform und Realität juristischer Personen" versucht worden, s. auch Serick, N J W 1956, 895. Während die amerikanische Judikatur und Rechtswissenschaft mit der Lehre vom Disregard of Legal Entity eine brauchbare und im ganzen befriedigende Systematik entwickelt hat, um Mißbrauchs- und Umgehungsfällen zu begegnen, fehlte hier bisher eine wissenschaftliche Durchdringung der auftretenden Probleme, so daß die Rechtsprechung schwankend, oft widerspruchsvoll ist. b) Ein Beiseiteschieben der Rechtsform der juristischen Person bei gleichzeitigem Durchgriff auf die hinter ihr stehenden Menschen (oder juristischen Personen) ist dabei, bei allem Festhalten an der grundsätzlichen Scheidung, nicht selten entweder vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt oder zum Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs erforderlich. Serick hält, unter Beibringung reichhaltigen Materials aus Rechtsprechung und Literatur, eine Aufhebung der Trennung von Gesellschaft und Mitglied in den Fällen für zulässig, in denen die Rechtsform der juristischen Person mißbraucht wird, um mit ihrer Hilfe Gesetze zu umgehen, vertragliche Verpflichtungen zu verletzen oder Dritte fraudulös zu schädigen (Mißbrauchstatbestand) oder wenn das Gesetz den Durchgriff verlangt (Normanwendungstatbestand). Liegt ein M i ß b r a u c h vor, so wird man im Einzelfall unter Beiseiteschieben der Rechtsform der juristischen Person auf die hinter ihr stehenden natürlichen oder juristischen Personen zurückgreifen können, da das Gesetz die juristische Person nur dem redlichen Geschäftsverkehr zur Verfügung stellt. Wer sich auf eine formale Rechtsposition nur zu dem Zwecke, das Recht zu umgehen, beruft, verdient keinen Schutz, vgl. § 226 BGB. Man wird sich aber immer vor Augen zu halten haben, daß solche Eingriffe im Interesse der Rechtssicherheit auf besondere Einzelfalle beschränkt und Ausnahmen bleiben müssen, will man nicht das Recht der juristischen Person als Ganzes in Zweifel ziehen (vgl. Serick S. 1, 24, 201, 208, 22of.; Beitzke, J Z 1956, 40). Das hat jetzt auch der B G H mit aller Deutlichkeit ausgesprochen (BGHZ 20, 4; vgl. auch B G H Z 10, 240). Allerdings hält der B G H (anders O L G Celle im „Volkswagenprozeß", N J W 1955, j 789) einen Durchgriff nicht nur bei a b s i c h t l i c h e m Mißbrauch der juristischen Person für zulässig, sondern in allen Fällen, in denen es an „einer r e c h t s o r d n u n g s g e m ä ß e n V e r w e n d u n g der juristischen Person fehlt" (in dem zur Entscheidung stehenden Fall schon dann, wenn „bloß die Tatsache" des Vorhandenseins einer juristischen Person dazu führt, daß eine entschädigungslose Enteignung des Gesellschafters sich auf Vermögen auswirkt, das außerhalb des Machtbereichs des enteignenden Staates liegt; eine entsprechende Absicht oder auch nur in Betracht gezogene Möglichkeit bei Schaffung der juristischen Person ist nicht erforderlich). Unter Berufung u. a. auf R G Z 120, 287; 122, 3 8 1 ; 124, 164; 150, 401 und die neuere Rechtsprechung zur Frage der Aufrechnung gegenüber Kriegsgesellschaften (vgl. hierzu § 15 Anm. 8 [8]) stellt der B G H damit, im Gegensatz zu Serick, allein auf o b j e k t i v e Zweckmomente ab, läßt also — anders ausgedrückt — nur in dem Umfang

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§1

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 8 a eine Beachtung der Rechtsform der juristischen Person zu, als ihre Verwendung dem „Zweck der Rechtsordnung" entspricht (so auch Beitzke, J Z 1956, 40 u. wohl Kuhn, W M 1956, 9 und Lieberknecht, NJW 1956, 933). Gegen diese „objektive Mißbrauchslehre müssen ernsthafte Bedenken angemeldet werden: Sollte tatsächlich der Zweck Rechtsordnung es im Einzelfall immer erlauben, die Rechtsform der juristischen Person zu negieren, dann stände jede juristische Person ständig unter der Drohung, als nicht „rechtskonform" beiseite geschoben zu werden, unter Durchgriff auf ihre Gesellschafter. Das kann aber dem Zweck einer Rechtsordnung, welche die Rechtsform der juristischen Person als gleichberechtigtes Rechtssubjekt neben der natürlichen Person anerkennt (vgl. auch Art. 19 I I I G G ) , nicht entsprechen. D a ß der subjektive Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Einzelfall nicht auf den Schutz der Rechtsordnung vertrauen kann, ist ein dem Recht innewohnendes Prinzip, dem auch die Rechtsform der juristischen Person, unter Hintansetzung formaler Bedenken, untergeordnet werden muß. D a ß aber allein die Zweckbestimmung einzelner Normen, die von der Rechtsordnung gleichfalls mit einer besonderen Zweckbestimmung geschaffene juristische Person (strenge Scheidung von Gesellschaft und Mitgliedern) überspielen kann, ist nicht zuzugeben, denn dann verstößt man gegen den auch vom B G H a. a. O . anerkannten Grundsatz, daß über die Rechtsform der juristischen Person nicht „leichtfertig oder schrankenlos" hinweggegangen werden kann (s. auch Lewald, NJW 1956, 785; Möhring, NJW 1956, 1791). Wenn Beitzke (JZ 1956, 676) das subjektive Element des „Mißbrauchs" für weniger bestimmt und bestimmbar hält, als der von K u h n a. a. O . verwandten Begriff der „sachgerechten Entscheidung", so verkennt er, daß die von ihm vertretene „objektive" Lehre an die Wurzeln des Instituts der juristischen Person und damit des gesamten Gesellschaftsrechts greift. Zwar sind sich Rechtslehre und Judikatur durchaus darüber einig, wann ein subjektiver Rechtsmißbrauch vorliegt (vgl. die Rspr. zu § 826 B G B ) ; es hieße aber den Boden der Rechtssicherheit verlassen, wollte man um einer nicht definierbaren objektiven „Sachgerechtigkeit" willen die Grenzen zwischen der juristischen Person und den Personalgesellschaften unerkennbar verwischen. i) Gesetzgeberischen Niederschlag hat die unter Umständen mögliche Durchdringung der juristischen Person z. T . im S t e u e r r e c h t gefunden. Der „Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts" kann die Steuerpflicht nicht umgehen oder mindern, § 6 SteuerAnpG vom 16. Oktober 1936 (RGBl. I 925). Einige typische Umgehungsfälle sind ausdrücklich geregelt: § 19 KörperschaftsS t D V O 1955, BGBl. I 102 (verdeckte Gewinnausschüttungen); § 1 Abs. 3 GrunderwerbsStG vom 29. März 1940, RGBl. I 585 (Steuerpflicht bei Vereinigung aller Anteile einer Kapitalgesellschaft in einer Hand); §§ 3, 4 KapitalVerkStG i. d. F. vom 22. September 1955, BGBl. I 590 (Steuerpflicht auch bei darlehnsweiser Kapitalzufuhr durch Gesellschafter — oder durch Gesellschaften, an denen der Gesellschafter beteiligt ist — wenn dadurch eine an sich gebotene Kapitalerhöhung ersetzt wird). In anderen Fällen betrachtet das Steuerrecht rechtlich selbständige Kapitalgesellschaften unter Außerachtlassung des Grundsatzes der zivilrechtlichen Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen nicht als selbständige Steuersubjekte (Organschaftsverhältnisse), hierzu vgl. § 15 Anm. 7 c. Weitere Beispiele aus dem Steuerrecht bringt Meilicke, BB 1956, 728. Es ist allerdings zu beachten, daß das Steuerrecht primär zweckbestimmt ist und sich an die Lebenswirklichkeit anpassen muß, seine Rechtssätze daher f ü r zivilrechtliche Fragestellungen nur sehr bedingt verwendbar sind, soweit ein Durchgriff wegen Mißbrauchs in Frage steht. ii) U m Mißbräuchen bei enger wirtschaftlicher Verflechtung und rechtlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit selbständiger Unternehmen von vornherein zu begegnen, ist auch im AktGes. das abhängige Unternehmen (§ 15 Abs. 2) in einzelnen Fällen besonders erwähnt und praktisch, unter Außerachtlassung seiner juristisch selbständigen Form, der herrschenden Gesellschaft zugeordnet, vgl. § 51 Abs. 2, § 65 Abs. 5 u. 6, § 80 Abs. 1 Satz 3, § 114 Abs. 6, § 131 Abs. 1 A I I I 5, s. im einzelnen § 15 Anm. 4fr. c) Erwähnt werden müssen an dieser Stelle noch die Fälle, in denen bestimmte Normen als Adressaten zwar Menschen voraussetzen, deren Zweck aber u. U. auch die

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§ 1

Anm. 8 a

Anwendung auf juristische Personen erforderlich machen kann. Auch hier wird gelegentlich auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen durchgegriffen. i) Derartige „Normanwendungsfalle" ergeben sich etwa bei der Feind Vermögensgesetzgebung aller Staaten während der letzten Kriege. Wann ist eine juristische Person „ F e i n d " ? Während des ersten Weltkrieges wurden in Deutschland juristische Personen als feindlich gekennzeichnet, wenn sie durch feindliche Ausländer geleitet oder beaufsichtigt wurden oder feindliche Ausländer überwiegend am Kapital beteiligt waren (sog. Kontrolltheorie), § 3 Ges. vom 4 . 8 . 1 9 1 4 , R G B l . 327. Dies ist ein typischer Durchgriffsfall; denn bei formaler Betrachtung würde nur die alleinige Berücksichtigung von Sitz und/oder Ort der Gründung zulässig sein. Diese formal „richtige" Definition des Feindbegriffs bei juristischen Personen findet sich ausdrücklich — trotz Verschärfung des Wirtschaftskrieges — in der V O über die Behandlung feindlichen Vermögens vom 1 5 . 1 . 1 9 4 0 , R G B l . I 1 9 1 , §3 Abs. 1 Ziff. 3, allerdings eingeschränkt durch § 1 2 , der Verwalterbestellung f ü r durch feindliche Ausländer kontrollierte Unternehmen ermöglichte, vgl. zum deutschen und ausländischen Recht Serick, S. 134fr. mit zahlreichen Quellen; ferner K u h n , W M 1956, 10 ff. Hinzuweisen ist hier auch auf die durch den sog. Überleitungsvertrag vom 23. 10. 54 (BGBl. I I 1955, 2 1 5 f r . ) Teil 7, Art. 6 angeordnete Befreiung der Staatsangehörigen der Vereinten Nationen von den Lastenausgleichsabgaben, die auch unbeschränkt abgabepflichtige deutsche Aktiengesellschaften erfaßt, wenn mindestens 85 % der Aktionäre Staatsangehörige der Vereinten Nationen sind, und zwar entsprechend der ausländischen Beteiligungsquote. ii) Andere Wege ging die diskriminierende Rassengesetzgebung des nat.-soz. Staates. Hier genügte jede Beteiligung von J u d e n an Vorstand oder Aufsichtsrat oder eine 2 5 % i g e Kapitalbeteiligung und jeder tatsächliche beherrschende Einfluß, u m eine A k t G oder jede andere juristische Person als „ j ü d i s c h " zu disqualifizieren (3. D V O zum ReichsbürgerG vom 14. 6. 38, R G B l . I 627). Folgerichtig mußte daher auch die Rückerstattungsgesetzgebung der Nachkriegszeit Aktiengesellschaften als „ v e r f o l g t " anerkennen, wenn die Aktionäre diskriminierenden Maßnahmen ausgesetzt waren, vgl. Art. 9 (Art. 7) am.-(brit.) M i l R e g G Nr. 59 und G o R A vom 1 . 8 . 55 ( R z W 1 9 5 5 , 347) und vom 3. 8. 55 (a. a. O. 348) sowie B G H Z 10, 234 (weitere Einzelheiten bei Serick, N J W 1956, 895). iii) Normanwendungsfalle gleicher Art im Sinne der Definition von Serick (S. 2 1 3 ) bieten auch die weiteren Beispiele: Eine juristische Person kann „wirtschaftsfahig" gemäß den Bestimmungen des Höferechts sein, wenn bei ihren Gesellschaftern die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen ( O G H Z 2, 3 1 4 ) . Sie kann ferner „nicht vertrauenswürdig" im Sinne von § 1 1 9 Abs. 2 B G B (Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften) sein, wenn ihre Gesellschafter unzuverlässig sind ( R G Z 143, 4 2 9 ) . iv) Grundsätzlich hat es jedoch dabei zu bleiben, daß, auch wenn persönliche Verhältnisse in Frage stehen, es niemals auf die persönlichen Eigenschaften der Aktionäre, sondern nur die der Gesellschaft ankommt (Godin-Wilhelmi § 1 Anm. 5). So richtet sich die Inländereigenschaft (Staatsangehörigkeit) einer Aktiengesellschaft regelmäßig nach dem Personalstatut der Gesellschaft (s. Serick, S. 1 2 0 f f . und § 5 Anm. 7) unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Aktionäre ( R G Z 159, 42 fr.); auch wird eine Aktiengesellschaft nicht zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wenn die öffentliche Hand, auch als Alleinaktionär, an ihr beteiligt ist ( § 3 Anm. 4 ; zu Einmanngesellschaft § 1 5 Anm. 8). 3) Die zu c) erwähnten Beispiele zeigen, daß es im Einzelfall geboten sein kann, Normen auch dann auf juristische Personen anzuwenden, wenn sie an sich menschliche Eigenschaften voraussetzen und somit der juristischen Person die Eigenschaften der hinter ihr stehenden natürlichen Personen zugerechnet werden müssen. V o n diesen Fällen der Gleichsetzung von juristischer Person mit ihren Mitgliedern sind jedoch scharf zu scheiden die Fälle, in denen die Frage auftaucht, ob eine an sich auf natürliche Personen zugeschnittene Norm auch auf juristische Personen angewandt werden kann, ohne daß dabei das Problem des Durchgriffs auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen akut wird.

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§1

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Anm. 8 b D a ß juristische Personen auch Träger von Rechten sein können, die primär zum Schutz des Menschen und der Menschenwürde geschaffen worden sind, sagt für den Bereich der Grundrechte Art. 19 Abs. 3 G G vom 23. 5. 49 (BGBl. 1) ausdrücklich. Soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind, gelten sie also auch als Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung bindendes Verfassungsrecht. Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3), die Eigentums- und Erbrechtsgarantie (Art. 14), aber auch das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2) — anders v. Gamm, NJW 1955, 1826 mit Nachweisen — haben für die A k t G Bedeutung, ebenso das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5), die Vereinsfreiheit (Art. 9), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13). Da die Grundrechte in keinem Fall in ihrem Wesensgehalt angetastet werden dürfen (Art. 19 Abs. 2), bilden sie somit auch für die A k t G einen wirksamen Schutz gegen ihr Eigenleben verletzende Eingriffe. Der strafrechtliche Ehrenschutz einer A k t G ist gleichfalls gewährleistet: Eine juristische Person ist „beleidigungsfahig" im strafrechtlichen Sinne (BGH vom 8. 1. 54, DRspr. I I I [326] Bl. 1001). M a n hat auch anerkannt, daß sie „belästigt" werden kann im Sinne von § 2 Abs. 1 MieterschutzG i. d. F. vom 15. 12. 42 (RGBl. I 712), vgl. NJW 1954, 1204. Es ist aber nicht angängig, die hier erörterten Beispielsfälle mit den echten Durchgriffsfallen gleichzusetzen, wie Serick (S. 119—190) das tut. Die juristische Person als solche, nicht ihre Mitglieder, genießen den Schutz der Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 G G , sie wird beleidigt oder belästigt, eines Durchgriffs auf das Substrat, die Menschen hinter der juristischen Person, bedarf es nicht. Das gleiche gilt etwa für die aus dem Gesetz zu entnehmende Auffassung, daß eine juristische Person Testamentsvollstrecker sein kann (§ 2210 Satz 3 BGB), ebenso wie gegen eine Bestellung zum Pfleger, jedenfalls für rein vermögensrechtliche Funktionen, nichts einzuwenden ist. Eine andere Frage ist, ob auch für eine juristische Person die Voraussetzungen zur Bestellung eines Pflegers, etwa wegen Abwesenheit gemäß § 1 9 1 1 B G B vorliegen können; das wird vom Gesetzgeber bejaht, „wenn die Verbindung mit den zur Vertretung berechtigten Personen der juristischen Person unterbrochen oder erschwert ist", § 10 ZuständigkeitsE r g G vom 7. 8. 52 (BGBl. I 407). Auch hier handelt es sich nicht um einen „Durchg r i f f " : die juristische Person selbst, vertreten durch ihre Organe, ist „abwesend". Es soll nicht verkannt werden, daß sich die Tatbestände „ D u r c h g r i f f " oder die hier erörterte „entsprechende Anwendung" auf den ersten Blick zu überschneiden scheinen. Dazu diene noch folgendes Beispiel: Nimmt man (mit Serick, S. 179 gegen die herrschende Lehre, vgl. Palandt-Gramm, § 530 Anm. 1) an, daß eine Schenkung an eine juristische Person wegen „groben Undanks" gemäß § 530 BGB widerrufen werden kann, so muß man den durchaus — etwa bei Familiengesellschaften — denkbaren Fall, daß eine Hauptversammlung einen „undankbaren" Beschluß fällt, womit die Gesellschaft selbst sich des groben Undanks schuldig macht, von dem Fall unterscheiden, daß sich alle oder einzelne Gesellschafter gegenüber dem Schenker grob undankbar verhalten und es erforderlich erscheinen mag, dieses Verhalten der Gesellschaft zuzurechnen. Nur der letztgenannte Fall wäre ein systemwidriger „Durchgriff", wie die in dieser Anmerkung unter Ziff. 5 behandelten. Anm. 8 b V . 1. Es besteht, insbesondere im Anschluß an die reichsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. u. a. R G Z 146, 385) eine umfangreiche Literatur über die sog. Treupflicht im Aktienrecht. Hingewiesen sei etwa aus dem neueren Schrifttum auf Filbinger, Die Schranken der Mehrheitsherrschaft im Aktienrecht und Konzernrecht, 1942; Fecher, Die Treubindungen des Aktionärs, 1942; Hueck, Der Treugedanke im modernen Privatrecht, 1947; Küster, Inhalt und Grenzen der Rechte der Gesellschafter, 1954; Fischer in NJW 1954, 777 und Schilling in Hachenburg § 14 Anm. 2Öf. jeweils mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur. 2. Soweit eine Überbewertung eines angeblichen Treuverhältnisses der Aktionäre untereinander wie auch zwischen ihnen und der Gesellschaft seinen Grund in Konzessionen an nationalsozialistische Ideen hatte, braucht auf diese Lehren nicht eingegangen zu werden. Es scheint aber überhaupt verfehlt, in Beziehungen der kapitalistisch organisierten Aktiengesellschaft einen juristisch nicht greifbaren TreubegrifF

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§ 1 Anm.

9,10

einzuführen, es sei denn, es soll damit nichts anderes gesagt werden, als daß jede Rechtsausübung den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unterliegt, auch natürlich im Aktienrecht. Ebenso bedarf es zur Begründung des sich aus der Verbandsstruktur der Aktiengesellschaft als einer nach demokratischen Grundsätzen organisierten Körperschaft ergebenden Grundsatzes auf gleichmäßige Behandlung (Art. 3 GG) nicht eines besonderen (aktienrechtlichen) Treubegriffs, wie etwa Ritter (Vorbem. 4) meint (wie hier Godin-Wilhelmi, § 2 Anm. 2); zum Gleichheitsgrundsatz siehe unten Anm. 12. 3. Im einzelnen: Eine, wie behauptet wurde, gar personenrechtliche Treubindung der einzelnen Aktionäre untereinander besteht nicht. Sie stehen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Gesellschaft nebeneinander und in Rechtsbeziehungen nur zur Gesellschaft selbst. Der BGH hat das mit aller Deutlichkeit ausgesprochen (BGHZ 18, 365; siehe auch Baumbach-Hueck, Üb. § 48 Anm. 2 B). Es ist also auch, anders als im Recht der Personalgesellschaften, der Ausschluß eines Aktionärs aus „wichtigem Grunde" nicht möglich (BGHZ 9, 163). Eine andere Frage ist, wo die Grenzen liegen, innerhalb deren Handlungen eines Aktionärs noch als mit Treu und Glauben vereinbart angesehen werden können. Die Antwort gibt das Gesetz in § 101, in dem es bei vorsätzlichem Handeln zum Schaden der Gesellschaft oder der Aktionäre eine Schadensersatzpflicht begründet (neben § 826 BGB). Auch dies erklärt sich aber nicht aus einer besonderen aktienrechtlichen Treupflicht gegenüber der Gesellschaft oder den anderen Aktionären, sondern stellt den besonderen Tatbestand einer unerlaubten Handlung dar. Mit mehr Berechtigung ließe sich von einem Treuverhältnis sprechen, wenn durch Machtausübung der Mehrheit Minderheitsrechte ungebührlich eingeschränkt werden. Anfechtbarkeit gemäß § 197 bei Sittenverstoß und unzulässiger Rechtsausübung bei Ausübung des Stimmrechts gewährt hier neben §101 den erforderlichen Rechtsschutz (vgl. § 197 Anm. 13, 14). Darüber hinaus macht die Verfolgung gesellschaftsfremder oder gesellschaftsschädlicher Vorteile die Beschlußfassung anfechtbar (§ 197 Anm. 15); bis zu dieser Grenze ist auch eine Mehrheit, zu schweigen vom Einzelaktionär, nicht gehalten, ihre eigenen Interessen hinter denen der Gesellschaft oder einer Minderheit zurückzustellen. Und selbst die Verfolgung eigensüchtiger Sonderinteressen ist zulässig, wenn sie „schutzwürdigen Belangen" dient, § 197 Abs. 2 mit §101 Abs. 3. Zur Stimmrechtsausübung siehe im übrigen § 114 Anm. 42. Da somit auch die Schranken der Stimmrechtsausübung durch das Gesetz gezogen sind und eine weitergehende Beschränkung der freien Stimmrechtsausübung sich allein durch das aus dem Begriff von Treu und Glauben herzuleitende Verbot des Rechtsmißbrauchs ergibt, ist auch hier der Treubegriff an sich für das Aktienrecht entbehrlich. Während der BGH demgegenüber das Verbot des Stimmrechtsmißbrauchs auch aus einer nicht näher begründeten Treupflicht des Aktionärs herleitet (BGHZ 14, 38) lehnt er mit Recht eine bestehende Treupflicht des Aktionärs in einem Falle ab, in dem es um die Erhebung der Nichtigkeitsklage durch einen Aktionär geht: auch ein Aktionär sei nicht verpflichtet, gesetzlich unbefristete Rechte alsbald oder innerhalb einer bestimmten Frist geltend zu machen (BGH in LM § ig7 AktGes. Nr. 1). Anm. 9 V. 1. Den Pflichten der Aktionäre (Anm. 7 bis 8 b) stehen ihre Rechte gegenüber. Alles dies ist in der Mitgliedschaft enthalten (Anm. 6). Rechte und Pflichten der Aktionäre lassen sich, wie die aller Körperschaftsmitglieder, in „allgemeine" und „besondere" einteilen. Die besonderen Mitgliederrechte werden auch Sonderrechte genannt, die besonderen Mitgliederpflichten Sonderpflichten. Hier soll zunächst von den Sonderrechten die Rede sein, von denen § 35 BGB bestimmt: „Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden." Das ist ein Grundsatz, der für alle Körperschaften gilt. Er gilt auch für die AktG (Denkschrift 1897 S. 154), wenn auch mit Einschränkung. A n m . 10 2. Über den B e g r i f f d e r Sonderrechte besteht mangels gesetzlicher Definition ein umfangreiches Schrifttum (vgl. vor allem Gadow, Gruchot, Bd. 66, 514fr. mit weiteren Angaben und LZ 1932, 921), in welchem sich die verschiedensten Theorien 2

A k t i e n g e s e t z , 2. A u f l .

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§1

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 11 gegenüberstehen. Die praktischen Auswirkungen dieses Streits sind jedoch, trotz gewisser Schwankungen in der Rechtsprechung (vgl. insbesondere R G in H R R 1929, 1558 u. 1932, 1287 sowie R G Z 136, 190 u. früher R G Z 49, 151; 104, 256, gegenüber R G Z 49, 198; 57, 174; 68, 212) äußerst gering. Eine für das Aktienrecht oder gar das gesamte Verbandsrecht gültige Theorie ist bei dem bestehenden Meinungsstreit allerdings noch nicht zu begründen. Doch ist in der neueren Literatur und Rechtsprechung ( R G Z 170, 368) eine deutliche Tendenz erkennbar, den fruchtlosen Streit dadurch zu beenden, daß man sich der engeren Begriffsbestimmung anschließt, die als S o n d e r r e c h t e nur solche Vorrechte einzelner Mitglieder oder Gruppen von Mitgliedern ansieht, die auf der Mitgliedschaft beruhen, aber nicht allgemeiner Natur sind, sondern durch S a t z u n g oder satzungsändernde Beschlußfassung begründet worden sind, vgl. Schilling in Hachenburg, § 14 Anm. 18; Baumbach-Hueck, Üb. § 48, Anm. 4; Ritter, § 102 Anm. 2d (bb); Scholz § 14 Anm. 1 1 ; Enneccerus-Nipperdey, S. 444; wohl auch Godin-Wilhelmi, § 103 Anm. II 2. Diese engere Auffassung des Begriffs, als Sonderrechte nur durch die Satzung gewährte Vorrechte anzusehen, verdient, unter Aufgabe der in der 1. Auflage von Gadow vertretenen Theorie, den Vorzug. Damit werden die Sonderrechte klar von den allgemeinen Mitgliederrechten (vgl. Anm. 14), vor allem von dem dem Verbandsrecht immanenten Grundsatz des Rechts auf gleichmäßige Behandlung (vgl. Anm. 12) und von den aus der Mitgliedschaft erwachsenen und sonstigen Gläubigerrechten sachlich und sprachlich klar abgegrenzt. Sonderrechte sind also Vorrechte, die einzelnen Aktionären oder Gruppen von Aktionären (vgl. dazu die Anm. zu § 11) kraft Satzung zustehen und deren Schutz sich entweder aus der Satzung selbst oder aus § 35 B G B ergibt. Da die Sonderrechte ein auf der Mitgliedschaft beruhendes Recht sind, müssen sie abgegrenzt werden zu den allgemeinen Mitgliederrechten, die besondere Vorrechte nicht begründen, jedoch gleichfalls auf der Mitgliedschaft beruhen, und die damit wieder etwas anderes sind als Rechte, die gleichermaßen Mitglieder wie Nichtmitglieder gegen die Aktiengesellschaft erwerben können, z. B. aus Darlehnsgewährung oder Vermietung. Der Unterschied der allgemeinen Mitgliederrechte von den Sonderrechten besteht in folgendem: D i e a l l g e m e i n e n M i t g l i e d e r r e c h t e b e r u h e n n u r a u f d e m E r w e r b e d e r M i t g l i e d s c h a f t — dem einzigen Umstand, der allen Mitgliedern mit begrifflicher Notwendigkeit gemeinsam ist — , die S o n d e r r e c h t e b e r u h e n z w a r a u c h d a r a u f , a b e r a u c h a u f h i n z u t r e t e n d e n b e s o n d e r e n (nicht mit begrifflicher Notwendigkeit gemeinsamen) U m s t ä n d e n , die ihre Grundlage in der Satzung haben. Diese besonderen Umstände können positiver oder negativer Art sein, sie können z. B. in einer besonderen Leistung oder Erklärung, in dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gewisser Eigenschaften, dem Eintritt oder Nichteintritt eines ein Mitglied treffenden Ereignisses liegen; eine begriffliche Begrenzung denkbarer Sonderrechte ist nicht möglich. Im Falle der Entsch. H R R 1932 Nr. 1287 handelte es sich um Aufhebung einer Bestimmung, die „allen Mitgliedern ohne Ausnahme zugute kommen konnte". Also begründete sie kein Sonderrecht, sondern ein allgemeines Mitgliedsrecht. Gegen die Annahme des Reichsgerichts, daß sie habe aufgehoben werden können, bestanden keine Bedenken. Die Mitgliedschaft als solche ist daher genauso wenig ein Sonderrecht (gegen Schlegelberger-Quassowski, § 102 Anm. 4 und Teichmann-Köhler § 102 Anm. 4b), wie es ein Sonderrecht „ a u f Wahrung des Ranges", d. h. auf gleichmäßige Behandlung gibt (gegen Anm. 12 ff. der 1. Aufl.). A n m . 11 Sonderrechte sind regelmäßig mit der Mitgliedschaft, also den einzelnen Aktien und Aktiengruppen verknüpft, sie gehen also bei Veräußerung auf den Erwerber über. Das gilt sowohl für den Fall, daß sie Vermögensrechte (z. B. erhöhte oder garantierte Dividende) und daß sie Herrschaftsrechte (z. B. ein Mehrstimmrecht) zum Gegenstand haben. Sie können jedoch kraft ausdrücklicher satzungsmäßiger Bestimmung auch höchst persönlich ausgestaltet sein; dann erlöschen sie ipso jure mit dem Verlust der Mitgliedschaft, etwa bei Veräußerung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung. Ein kraft Satzung bestehendes Recht auf Benutzung gewisser Einrichtungen der Gesellschaft

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i . Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt— Meyer-Landrut)

§ 1 A n m . 12

kann demnach ein höchst persönliches Recht eines bestimmten Aktionärs oder einer bestimmten Aktionärsgruppe sein (für den besonderen, gesetzlich geregelten Fall des Entsendungsrechts gemäß § 88 siehe dort die Anm. 4ff.). Ist die Satzung nicht eindeutig, muß sie unter Berücksichtigung der Grundsätze von § 1 3 3 B G B ausgelegt werden. A n m . 12 3. Neben den Sonderrechten und unabhängig von ihnen besteht der G l e i c h h e i t s g r u n d s a t z . E r ergibt sich aus dem Wesen der A k t G als einer Körperschaft und gilt f ü r das gesamte Verbandsrecht. M a n spricht vom R e c h t a u f g l e i c h m ä ß i g e B e h a n d l u n g , welches auch nachträglich nicht ohne Zustimmung der Benachteiligten, also regelmäßig nur durch einstimmigen Beschluß, beeinträchtigt werden kann (vgl. f ü r viele Lehmann, Allg. Teil B G B , 8. Aufl. S. 429; Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil B G B 14. Aufl. 1. HalbBd. S. 445; Schilling in Hachenburg, § 14 Anm. 23). Der Gleichheitsgrundsatz ist von der Rechtsprechung des R G und des B G H in zahlreichen Entscheidungen ohne weitere Begründung als das Aktienrecht und das gesamte Korporationsrecht beherrschender Grundsatz anerkannt worden, vgl. R G Z 4 1 , 99; 52, 293; 62, 60; 73, 1 9 1 ; 80, 8 5 ; 1 1 3 , 1 5 6 ; 1 1 8 , 70; 1 1 9 , 228, 2 5 2 ; 120, 180, 3 7 3 ; 132, 1 6 5 ; 149, 300; B G H vom 24. 3. 54 in L M § 35 B G B Nr. 1 ; B G H Z 20, 369; O G H B r Z , N J W 1950, 427. Der Gleichheitsgrundsatz bedeutet nicht die schematische Gleichberechtigung aller Mitglieder, sondern das Recht jedes Aktionärs bei g l e i c h e n Voraussetzungen g l e i c h behandelt zu werden. Es ist insofern zum mindesten irreführend, von einer Gleichb e r e c h t i g u n g a l l e r Aktionäre zu sprechen ( R G Z 1 1 9 , 2 5 2 ) , wenn auch die mögliche unterschiedliche Behandlung der Aktionäre ihre Schranke da findet, wo Gesetz und gute Sitten eine ungleichmäßige Behandlung verbieten. Eine sachlich unbegrenzte Einschränkung der wirtschaftlichen und damit auch der persönlichen Freiheit des einzelnen ist nicht zulässig ( B G H Z 20, 369). Die Satzung (siehe insbesondere § n ) kann jedoch im übrigen von vornherein oder durch Abänderungsbeschluß einzelne Aktionäre oder Gruppen von Aktionären ungleich behandeln, wobei allerdings immer die ursprüngliche oder nachträgliche Einwilligung der Betreffenden durch Mitwirkung (Zustimmung) bei den entsprechenden Satzungsbestimmungen vorliegen muß. Aus dem Wesen der Aktiengesellschaft als einer Kapitalgesellschaft ergibt sich weiterhin zwingend, daß es sich bei der Gleichbehandlung der Aktionäre nicht um eine Gleichheit nach Köpfen, sondern nur um eine gleichmäßige Behandlung entsprechend der K a p i t a l b e t e i l i g u n g handeln kann, s. §§53 Abs. 1 und 2, 1 1 4 Abs. 1 und 2, 1 5 3 Abs. 1, 2 1 2 Abs. 2 und 3. Das sich aus dem Wesen der Mitgliedschaft ergebende Recht auf gleichmäßige Behandlung stellt, wie sich aus der oben in Anm. 10 gegebene Begriffsbestimmung ergibt, kein Sonderrecht dar (so auch Schlegelberger-Quassowski § 102 Anm. 5 ; Schilling in Hachenburg a. a. O.). Die vereinzelt vom R G ( R G Z 49, 198; 68, 2 1 2 ; 80, 388; 1 1 2 , 124) und von G a d o w in der ersten Auflage vertretene gegenteilige Ansicht ist abzulehnen. Ein den Gleichheitsgrundsatz verletzender Hauptversammlungsbeschluß ist jedoch in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar (im einzelnen s. § 195 Anm. 19, ferner Baumbach-Hueck § 1 1 Anm. 1 ; Schilling in Hachenburg § 14 Anm. 24; Schlegelberger-Quassowski § 102 Anm. 5), es sei denn, ein derartiger Beschluß verstößt gegen die zwingenden Vorschriften § 195 Ziff. 3 und 4; s. auch R G in R G Z 1 1 8 , 72; J W 1927, 2982 und 1935, 1776. Ein Beispiel f ü r dieVerletzung des Gleichheitsprinzips bringt R G Z 4 1 , 99; ein Beschluß, wonach Inhaber von Vorzugsaktien f ü r den Fall, daß sie der Gesellschaft ein Darlehen nicht gewähren, nicht nur ihre Vorzugsrechte verlieren, sondern auch in ihren allgemeinen Mitgliedschaftsrechten gegenüber den Stammaktionären beschränkt werden, verstößt gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre. Darauf, daß der Gleichheitsgrundsatz nicht absolut und schematisch gilt, wurde schon hingewiesen. Nach § 146 Abs. 2 bedarf es, wenn das Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien ( § 1 1 ) geändert werden soll, nicht der Zustimmung jedes einzelnen benachteiligten Aktionärs, sondern es genügt ein Beschluß der benachteiligten Gruppe. Ähnliches gilt bei Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, wenn der Vorzug aufgehoben 2*

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§ 1

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 13 oder beschränkt oder durch Ausgabe neuer Vorzugsaktien beeinträchtigt wird ( § 1 1 7 Abs. 3), ferner bei Vorhandensein mehrerer Aktiengattungen in den Fällen der E r höhung oder Herabsetzung des Grundkapitals (§§ 149 Abs. 2, 160 Abs. 1 Satz 2, 169 Abs. 2 Satz 3, 175 Abs. 2, 182 Abs. 2), wodurch sich gleichfalls Rangverschiebungen und damit Ungleichheiten ergeben können. Werden im Falle der Kapitalerhöhung neue Aktien mit Vorrechten ausgegeben und wird dazu das Bezugsrecht der alten Aktionäre ausgeschlossen ( § 1 5 3 Abs. 3), so liegt die Verletzung des Gleichheitsprinzips klar zutage; dennoch ist dieses Verfahren zulässig ( R G Z 68, 245). Auf die Mehrheitserfordernisse bei diesen Beschlüssen wird bei den einzelnen Bestimmungen eingegangen werden. Ebenso ist es zulässig, daß gegen Leistung von Zuzahlungen Vorzüge auf Aktien gewährt werden ( § 1 3 0 Abs. 2 Nr. 4 in Verb, mit § 146 Abs. 2 ; vgl. auch Anm. 20). Auch das würde an sich das Gleichheitsprinzip verletzen, welches jedoch durch die Sonderregeln des Gesetzes durchbrochen wird. § 130 Abs. 2 Nr. 4 bildet insoweit eine Ausnahmebestimmung, die dem § 262 Nr. 3 H G B entspricht und damit eine Streitfrage hat entscheiden wollen (Denkschrift 1897 S. 1 3 1 ; R G Z 52, 2g2f.). Allerdings ist eine Grenze zu ziehen: Der gewährte Vorzug darf nicht gegenüber der Zuzahlung unverhältnismäßig groß sein ( R G Z 52 a. a. O . ; 80, 85). U n d ganz unzulässig wäre es, wenn eine Hauptversammlung beschlöße, ohne Kapitalerhöhung und ohne Zuzahlung einzelne Aktien derselben Gattung vor anderen zu bevorzugen; ein solcher Beschluß wäre durch keine gesetzliche Bestimmung gedeckt, namentlich fiele er auch nicht unter § 146 Abs. 2.

Anm. 13 4. Als G l ä u b i g e r r e c h t e der Aktionäre bezeichnet man die von der Mitgliedschaft lösbaren Ansprüche gegen die Körperschaft, bei der Aktiengesellschaft also insbesondere das Recht auf den auszuzahlenden Anteil am ordnungsgemäß verteilten Gewinn und am Abwicklungserlös, auf Bauzinsen, das Bezugsrecht, den Anspruch auf Gründerlohn. Alle diese (Forderungs-)Rechte beruhen zwar auch auf der Mitgliedschaft, sind aber, wenn sie entstanden sind, aus der Sphäre der Mitgliedschaftsrechte in die der reinen Gläubigerrechte gerückt ( B G H Z 7, 264); der Aktionär kann daher auch durch A b tretung beliebig über sie verfügen (vgl. Flechtheim in Düringer-Hachenburg § 1 7 9 Anm. 1 0 ; Schilling in Hachenburg § 14 Anm. 22). Das Recht auf Dividende etwa wird also durch den Gewinnverteilungsbeschluß der Hauptversammlung, das Amortisationsentgelt durch den Einziehungsbeschluß, die Bauzinsen durch Aufnahme in die Satzung oder durch späteren Beschluß zu einem persönlichen Forderungsrecht des einzelnen Aktionärs gegen die Gesellschaft, das von der Mitgliedschaft gelöst ist, also auch bei deren Verlust oder bei Abtretung an Dritte bestehenbleibt. Die erwähnten, aus der Mitgliedschaft erwachsenen Gläubigerrechte sind somit rechtlich gleich zu erachten den reinen Gläubigerrechten (Drittgläubigerrechte), die etwa aus Darlehen, K a u f , Dienstvertrag entstehen und von Aktionären wie Nichtaktionären gleichermaßen und ohne Bezug auf die Mitgliedschaft erworben werden. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob diese Gläubigerrechte auf Grund w i r t s c h a f t l i c h e n Interesses an der Gesellschaft erwachsen, so etwa wenn ein Großaktionär Geschäfte mit der Gesellschaft tätigt. Steuerrechtlich ist allerdings zu beachten, daß alle Geschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären daraufhin geprüft werden können, ob es sich nicht um verdeckte Gewinnausschüttungen handelt, dem einzelnen Aktionär also auf Grund seiner Gesellschaftereigenschaft aus Rechtsgeschäften mit der A k t G Vorteile zufließen, die einem Nichtaktionär nicht gewährt werden würden (vgl. den Katalog in § 19 K S t D V O 1955, BGBl. I, 853). Die Gläubigerrechte der Aktionäre, ob sie nun ursprünglich aus der Mitgliedschaft erwachsen oder ohne irgendeine rechtliche Beziehung zur Mitgliedschaft stehen, sind als selbständige Forderungsrechte grundsätzlich unentziehbar, insbesondere können sie durch Hauptversammlungsbeschluß nicht beeinträchtigt oder beseitigt werden (vgl. Teichmann-Köhler, § 54 Anm. 3 ; Flechtheim a. a. O.). Es bedarf daher nicht der gekünstelten Konstruktion, die Gläubigerrechte als Sonderrechte anzusehen, wie das, soweit ersichtlich, allein in der ersten Auflage angenommen worden ist.

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§ 1

A n m . 14—16 Den Gläubigerrechten entsprechen die schuldrechtlichen Verpflichtungen, die von einzelnen Aktionären persönlich und unabhängig von der Mitgliedschaft übernommen werden.

A n m , 14 Die Zahl der Gläubigerrechte ist ebensowenig begrenzt, wie die der Sonderrechte oder der allgemeinen Mitgliederrechte. Die in der i . A u f l a g e vertretene Ansicht, daß aus allgemeinen Mitgliederrechten durch Hinzutritt gewisser Umstände, die nicht notwendig eine Satzungsänderung zur Voraussetzung haben, Sonderrechte entstehen können, wird aufgegeben (vgl. Anm. 10). Dagegen ist es sehr wohl möglich, daß aus allgemeinen Mitgliederrechten Gläubigerrechte werden (vgl. Anm. 13). Dieser Fall ist z. B. auch gegeben (neben den in Anm. 1 3 genannten Beispielen), wenn die A k t G durch Verletzung eines allgemeinen Mitgliedrechts einemAktionär schadensersatzpflichtig wird. So ist das manchmal mit den Aktien verbundene Recht auf Benutzung von Einrichtungen der AktG, z. B. eines zoologischen Gartens, wenn es allen Aktionären zusteht, ein allgemeines Mitgliedrecht, denn es beruht allein auf dem Erwerb der Mitgliedschaft. Wird es mit der f ü r Satzungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit von der Hauptversammlung beschränkt oder aufgehoben, so müssen sich auch die nicht zustimmenden Aktionäre das gefallen lassen. Besteht das Recht aber, wird dennoch die Benutzung der Einrichtung verweigert und entsteht daraus einem Aktionär ein Schaden, so ist der Anspruch auf Ersatz des Schadens ein Gläubigerrecht, das nicht durch Beschluß der Hauptversammlung beeinträchtigt werden kann. Auch hier ist der in der Mitgliedschaft gegründete Besitzanspruch, der durch die Verletzung zu einem Schadensersatzanspruch wird, wie jeder andere Schadensersatzanspruch, zu einem selbständigen Forderungsrecht und damit unentziehbar geworden. Hier ein angebliches Sonderrecht konstruieren zu wollen (so die 1. Aufl.), führt im praktischen Ergebnis keinen Schritt weiter und scheitert daran, daß Sonderrechte nicht außerhalb der Satzung entstehen können. Sollte sich aus der — alleinstehenden — Entscheidung des R G ( H R R 1929, Nr. 1558) Gegenteiliges ergeben, so ist sie abzulehnen. Nach dem Tatbestand dieser Entscheidung hatte ein Verein von Geschäftsleuten in seiner Satzung bestimmt, wenn ein Mitglied sein Geschäft veräußere, müsse der Nachfolger in den Verein aufgenommen werden. Das allgemeine Mitgliedrecht, bei einer Geschäftsveräußerung das Recht auf den Eintritt zu übertragen, wurde durch eine tatsächlich vorgenommene Geschäftsveräußerung nach der Annahme des R G zum Sonderrecht, das nicht mehr angetastet werden konnte. I n Wirklichkeit war ein — gleichfalls unentziehbares — Gläubigerrecht entstanden.

A n m . 15 5. Keine Gläubigerrechte (erst recht keine Sonderrechte, so die 1. Aufl.) sind die von Flechtheim ( Z B H 1930, 2 7 1 f r . ; Düringer-Hachenburg, § 1 7 9 , Anm. 1 1 ) so genannten a k z e s s o r i s c h e n R e c h t e der Aktionäre. E r versteht darunter Rechte, die von der Aktiengesellschaft zugunsten der Aktionäre durch Vertrag mit einem Dritten geschaffen werden, z. B. indirektes Bezugsrecht, gewisse Dividendengarantien, Rechte auf Übernahme von Aktien bei Verschmelzung. Die hier entstehenden Rechte richten sich überhaupt nicht gegen die Aktiengesellschaft, sondern gegen den Dritten, auch beruht ihre Entstehung nicht auf der Mitgliedschaft, sondern unmittelbar auf Grund eines Vertrages zugunsten Dritter. Die Rechte sind mit der Aktie bedingungsmäßig verknüpft und daher ohne sie nicht übertragbar; wird die Aktie aber übertragen, so erwirbt der neue Aktionär ohne weiteres die akzessorischen Rechte.

A n m . 16 6. D i e M i t g l i e d s c h a f t s e l b s t ist ein Inbegriff von Rechten und Pflichten (Anm. 6). Gegen ihre willkürliche Entziehung schützt das Recht auf gleichmäßige Behandlung (Anm. 12). Eine Ausschließung von einzelnen Aktionären aus „wichtigem G r u n d e " ist gleichfalls nicht zulässig ( B G H Z 9 , 163) da irgendwelche persönliche Rechtsbeziehungen zwischen den Aktionären nicht bestehen. Bei der A k t G kann die Mitgliedschaft nur durch Verlustigerklärung wegen nicht rechtzeitiger Einzahlung (§ 58 Abs. 3) und im

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§ 1 A n m . 17, 18

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Falle der Kapitalherabsetzung durch Kraftloserklärung (§ 179) oder durch Zwangseinziehung (§ 192) dem Aktionär verlorengehen. Auch die Einziehung von Vorratsaktien nach § 6 EinfG gehört hierher. A n m . 17 Den Sonderrechten und Gläubigerrechten der Aktionäre stehen ihre a l l g e m e i n e n Mitgliederrechte gegenüber, die auf dem Erwerb der Mitgliedschaft beruhen (Anm. 10). Für diese gilt nicht der Satz, daß sie ohne Zustimmung der Berechtigten nicht beeinträchtigt werden können. Sie können im Gegenteil grundsätzlich im Wege der Satzungsänderung durch Beschluß der Hauptversammlung beschränkt oder aufgehoben werden. Aber auch unter den allgemeinen Mitgliederrechten gibt es solche, die nicht oder doch nicht ohne Zustimmung aller Mitglieder beeinträchtigt werden können. Es ist eine Frage der Auslegung des Gesetzes und der Satzung, auf welche Rechte das zutrifft. Dafür läßt sich keine andere Regel geben, als daß bei jedem einzelnen Recht untersucht werden muß, in welchem Grade das Gesetz oder die Satzung es für wesentlich hält. Darin ist der Entsch. H R R 1932 Nr. 1287 (vgl. Anm. 10) beizustimmen. Da also hierauf jedes allgemeine Mitgliedrecht geprüft werden muß, so wäre es widerspruchsvoll, noch ein anderes Merkmal für die Unantastbarkeit eines allgemeinen Mitgliedrechts zu verlangen. So ist z. B. das Hauptrecht des Aktionärs, das Recht auf Gewinnanteil, dadurch entziehbar, daß die Hauptversammlung auf Grund einer satzungsmäßigen Ermächtigung beschließt, den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats festgestellten Reingewinn nicht zu verteilen (§126 Abs. 3). Erst wenn die Verteilung beschlossen ist, hat der einzelne Aktionär ein unentziehbares Recht auf den Gewinnanteil. Dieses ist aber kein allgemeines Mitgliedrecht, sondern ein Gläubigerrecht (Anm. 13), woraus sich seine Unantastbarkeit erklärt. Unantastbar sind dagegen diejenigen allgemeinen Mitgliederrechte, die der Verwirklichung des Hauptrechts dienen, so das Recht auf Eintragung im Aktienbuch bei Namensaktien (§61), das Recht auf Zulassung zur Hauptversammlung (§ 102), das Recht auf Sondermitteilung (§ 109), das Recht auf Auskunft in den durch § 1 1 2 gezogenen Grenzen. Das Stimmrecht ist gleichfalls grundsätzlich unantastbar; es kann jedoch, mit ministerieller Genehmigung, graduell beschränkt werden (§12) und bei einem Drittel der Aktien, verbunden mit einer Vorzugsdividende, ganz fehlen (§ 115). Unantastbar ist ferner das Recht auf Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 197), unantastbar sind die Minderheitsrechte (§ 84 Abs. 4, § 88 Abs. 4, § 106 Abs. 2, § 118 Abs. 2, §§ 122—124, § 125 Abs. 7, § 136 Abs. 2, § 206 Abs. 2). In allen diesen Fällen läßt die Ausdrucksweise des Gesetzes keinen Zweifel über die Unantastbarkeit; auch einstimmig können diese Rechte nicht durch Satzungsänderung aufgehoben oder beschränkt werden. Sie beruhen aufzwingenden Vorschriften und machen das Wesen des Mitgliedrechts aus, vgl. auch Godin-Wilhelmi, § 11 Anm. I. Ein unentziehbares allgemeines Mitgliedrecht ist auch das Recht auf Aushändigung einer Aktienurkunde; dieses Recht kann aber einstimmig außer Wirksamkeit gesetzt werden (§10 Anm. 2). Man nennt die unantastbaren allgemeinen Mitgliederrechte der Aktionäre auch H e r r s c h a f t s r e c h t e , obwohl mit diesem Ausdruck nicht viel gewonnen wird. Es ist aber verfehlt und nur geeignet, Verwirrung anzurichten, wenn man allgemeine Mitgliederrechte wegen ihrer Unantastbarkeit den Sonderrechten zuzählt, wie es häufig geschehen ist. Ganz verfehlt ist es, den Aktionären ein „Sonderrecht" darauf beizulegen, daß der Gegenstand des Unternehmens nicht geändert werde. Will man überhaupt von einem Recht auf Einhaltung der Satzung sprechen, so ist es ein allgemeines Mitgliedrecht. Aber die Satzung kann von der Hauptversammlung geändert werden (§ 145), der Gegenstand des Unternehmens allerdings nur mit verstärkter Mehrheit (§146 Abs. 1 Satz 2). A n m . 18 Auch die Satzung kann allgemeine Mitgliederrechte bis zu einem gewissen Grade unantastbar machen, indem sie zur Beeinträchtigung eine verstärkte Mehrheit oder gar Einstimmigkeit vorschreibt. So kann z. B. das Recht auf Benutzung von Einrichtungen der AktG (Anm. 14) vor Beeinträchtigungen geschützt werden. Wäre ein solches Recht, was kaum vorkommen wird, durch Abtretung von der Aktie lösbar, so wäre es ein 22

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut) § 1 A n m . 19, 20 Gläubigerrecht (Anm. 13) und könnte nur mit Zustimmung des einzelnen beeinträchtigt werden. Mit Einstimmigkeit kann freilich jede Satzungsänderung, die das Gesetz nicht verbietet, beschlossen und dadurch ein allgemeines Mitgliedrecht beeinträchtigt werden. Ist ein allgemeines Mitgliedrecht durch die Satzung geschützt, indem sie zu seiner Beeinträchtigung eine verstärkte Mehrheit oder Einstimmigkeit verlangt, so kann nicht etwa dieser Schutz mit der für Satzungsänderungen sonst ausreichenden Mehrheit beseitigt und dann das Recht mit gewöhnlicher Mehrheit aufgehoben werden. Vielmehr ist der selbstverständliche Sinn einer solchen Schutzbestimmung, daß es zu ihrer Aufhebung derselben Mehrheit bedarf wie zur Aufhebung des Rechtes selbst. A n m . 19 7. Wie allgemeine Mitgliederrechte und Sonderrechte zu unterscheiden sind, so lassen sich auch a l l g e m e i n e M i t g l i e d e r p f l i c h t e n u n d Sonderpflichten unterscheiden (Anm. 9). Bei der AktG ist die Verpflichtung zur Einlage (§ 49), wenn sie für alle Aktionäre Geldleistungsflicht ist, also bei reinen Bargründungen, allgemeine Mitgliedpflicht. Die Pflicht einzelner Aktionäre zu satzungsmäßigen Sacheinlagen (§ 20) ist Sonderpflicht, denn sie beruht auf der Satzung selbst (Anm. 1 o). Die Nebenverpflichtungen der Aktionäre (§ 50) bestimmen sich nach den besonderen Umständen der einzelnen und beruhen gleichfalls auf der Satzung; sind also Sonderpflichten. Eine Auferlegung neuer oder eine in der Satzung nicht vorgesehene Verstärkung bestehender Sonderpflichten würde das Recht auf gleichmäßige Behandlung (Anm. 12) verletzen, sofern dadurch das bisherige Verhältnis zwischen den Aktionären verschoben würde, und wäre ohne Zustimmung der Betroffenen unzulässig. Davon abgesehen, ist aber aus § 35 BGB durch Umkehrung der Rechtssatz herzuleiten: Sonderpflichten eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluß der Mitgliederversammlung begründet oder verstärkt werden. Für die Nebenverpflichtungen der Aktionäre (§ 50) ist das in § 147 ausgesprochen. A n m . 20 8. Wird durch Beschluß der Hauptversammlung ein Sonderrecht oder Gläubigerrecht eines Aktionärs unzulässigerweise beeinträchtigt oder ihm unzulässigerweise eine Sonderpflicht auferlegt, so bedarf es für ihn grundsätzlich keiner Anfechtung. Der Beschluß ist ihm gegenüber unwirksam, solange er nicht zustimmt. Die Gesellschaft kann darauf weder eine Klage stützen noch kann sie aus dem Beschluß einen Einwand gegen eine Klage des Aktionärs herleiten, solange er seine Zustimmung nicht — ausdrücklich oder durch schlüssige Handlungen — erklärt hat. So steht es bei Eingriffen in das Gläubigerrecht auf den auszuzahlenden Anteil am verteilten Gewinn (RG 22, 113; 87, 387; in J W 1916, 40911), so bei Beeinträchtigung des Anspruchs auf Gründerlohn, Bauzinsen und auf den Abwicklungserlös, so ferner bei Auferlegung neuer oder Verstärkung bestehender Sonderpflichten (§ 147; RG 48, 107; 68, 267 oben; 121, 244; 136, 18g). Eine gewisse Abweichung gilt für das Recht auf gleichmäßige Behandlung, insoweit das Gesetz Eingriffe zuläßt (Anm. 12). Soll das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung geändert werden, so ist außer dem Beschluß der Hauptversammlung ein Beschluß der benachteiligten Aktionäre, der in gesonderter Abstimmung zu fassen ist, erforderlich und genügend. Dieser zweite Beschluß ersetzt die Zustimmung der einzelnen Aktionäre. Solange er nicht gefaßt ist, fehlt dem Hauptversammlungsbeschluß die nötige Zustimmung und damit die Wirksamkeit (RG 148, 186). Ähnlich steht es in den Fällen des § 117, des § 149 Abs. 2, des § 160 Abs. 1 Satz 2 usw. (Anm. 12). Zu einer Anfechtung besteht nur dann Anlaß, wenn einer der beiden Beschlüsse unter Verstoß gegen das Gesetz oder die Satzung gefaßt sein sollte (RG 148, 187). Werden im Fall der Kapitalerhöhung neue Aktien mit Vorrechten ausgegeben, und wird dazu das Bezugsrecht ausgeschlossen, so läßt das Gesetz die darin liegende Verletzung des Gleichheitsprinzips (Anm. 12) zu, wenn der Beschluß mit der in § 153 Abs. 3 vorgeschriebenen Mehrheit gefaßt wird. Hier liegt die Zustimmung der Stammaktionäre schon in dem von ihnen gefaßten Beschluß; eine Einzelzustimmung kommt nicht mehr in Betracht, der Beschluß kann angefochten werden, wenn er gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt. Ähnlich liegt es, wenn die 23

§1

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 21, 22 Hauptversammlung beschließt, gegen Leistung von Zuzahlungen Vorzüge auf Aktien zu gewähren. Auch diese Verletzung des Rechts auf gleichmäßige Behandlung läßt das Gesetz zu (Anm. 12; § 130 Abs. 2 Nr. 4) und begnügt sich mit der für Satzungsänderungen vorgeschriebenen Mehrheit (§146 Abs. 1). Auch in diesem Falle kommt keine Einzelzustimmung mehr in Frage, der Beschluß kann angefochten werden, wenn er das Gesetz oder die Satzung verletzt. Würde aber eine Hauptversammlung beschließen, ohne Kapitalerhöhung und ohne Zuzahlungen einzelne Aktien vor anderen derselben Gattung zu bevorzugen, so könnte einen solchen, durch keine gesetzliche Bestimmung gedeckten Beschluß (Anm. 12) jeder nicht zustimmende Aktionär einfach unbeachtet lassen. Wäre durch einen solchen Beschluß ein Dividendenvorrecht geschaffen worden, so müßte ein benachteiligter Aktionär allerdings, um seinen unverkürzten Gewinnanteil zu erlangen, den Verteilungsbeschluß anfechten, weil erst dieser den Anspruch auf den Gewinnanteil begründet. Grundsätzlich bindet aber ein Eingriff in ihr Recht auf gleichmäßige Behandlung die Aktionäre nicht, solange sie nicht zugestimmt haben (vgl. R G 36, 136; 38, 99; 80, 85). Mit Recht hat das Reichsgericht in der Entscheidung R G 80, 81 angenommen, daß die benachteiligten Aktionäre nicht genötigt waren, auf Grund eines den aktienrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verletzenden Beschlusses der Aufforderung zur Einreichung ihrer Aktien nachzukommen, und daß die Kraftloserklärung der nicht eingereichten Aktien wirkungslos war. Unbenommen bleibt es freilich den von solchem Beschluß betroffenen Aktionären, die Unwirksamkeit des sie benachteiligenden Beschlusses durch Feststellungsklage nach § 256 Z P O unmittelbar feststellen zu lassen. An eine Frist ist eine solche Klage nicht gebunden, auch ist sie keine Nichtigkeitsklage im Sinne des § 195. Die Begründung zum AktGes. (7. Teil) erkennt im Anschluß an die Entscheidung J W 1935, 309810 ( = R G 148, 186) an, daß es außer nichtigen und anfechtbaren auch unwirksame Beschlüsse gibt. Das sind außer den Beschlüssen der Hauptversammlung einer K G a A , soweit sie der erforderlichen Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter ermangeln (§ 227 A b . 2), gerade diejenigen Beschlüsse, die in das Recht auf gleichmäßige Behandlung der Aktionäre eingreifen. Die Begründung führt selbst die Fälle der §§ 147, 149 Abs. 2, 175 Abs. 2, 117 Abs. 1 und 2 an. Die denkbaren Eingriffe sind damit aber nicht erschöpft.

Anm. 21 V I . Die Form der A k t G oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist v o r g e s c h r i e b e n für Hypothekenbanken (§§ 1, 2 HypBankG vom 13. 7. 99, RGBl. S. 375) und Schiffspfandbriefbanken (§§ 1, 2 SchiffsbankG vom 14. 8. 33, RGBl. I 583), die der A k t G wahlweise mit der Form des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit für den Betrieb der Lebens-, Unfall-, Haftpflicht-, Feuer- und Hagelversicherung (§ 7 Vers Auf G vom 6. 6. 31, RGBl. I S. 315) und wahlweise mit der Form der G m b H für Kapitalanlagegesellschaften (§ 1 Abs. 2 des G vom 16. 4. 57, BGBL I 378), vgl. § 15 Anm. 10.

Anm, 22 V I I . Fremdenrecht.

„Das Fremdenrecht ist die Gesamtheit der materiellen Normen, die ein Gebietsrecht für die in seinen Hoheitsbereich gelangenden Ausländer darstellt" (Frankenstein IPrivR S. 260). Z u m deutschen Fremdenrecht der juristischen Personen gehören die möglichen Beschränkungen von Ausländern beim Erwerb inländischer Grundstücke (Art. 88 EGBGB), gehört § 37 AktGes. mit seinen Bestimmungen über die Voraussetzungen für die handelsgerichtliche Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Aktiengesellschaft, gehört weiter § 292 AktGes., der die Zulassung einer ausländischen Aktiengesellschaft zum Gewerbebetrieb im Inland von ministerieller Genehmigung abhängig macht (vgl. auch §§ 105 bis 107 PrivVersich.AufsichtsGes. betr. Erlaubnis zu inländischer Betätigung für ausländische Versicherungsunternehmen und entsprechend für Banken § 1 des Ges. über das Kreditwesen). Fremdenrechtliche Vorschriften finden sich darüber hinaus im Prozeßrecht, Devisenrecht, Währungsrecht, Außenhandelsrecht, Steuerrecht, Zollrecht. Eine wohl vollständige Zusammenfassung der einschlägigen Bestimmungen s. bei Müller-WeitzelWeisner, Fremdenrecht, 1955. Auch das Internationale Privatrecht ist Fremdenrecht im Sinne der oben gegebenen Definition; darüber in Anm. 7ff. zu § 5 .

24

i. Teil: Allgemeine Vorschriften ( S c h m i d t — Meyer-Landrut)

§ 2

Anm. 1, 2 § 3

Gründerzahl An der Feststellung des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) müssen sich mindestens fünf Personen beteiligen, die Aktien übernehmen. Üb ersieht Anm.

Anm.

I. i. Satzung schaft

der

Aktiengesell-

2. Übernahme von Aktien

i —2 .

3

3. Willens mängel und fehlende Geschäftsfähigkeit . . . . 4 — 4 a II. Gründung 1. Zahl der Gründer . . . . 2. Durchführung der Gründung

5 6—7

Beteiligung von: a) juristischen Personen b) Handelsgesellschaften c) Bruchteils- u. Gesamt handgemeinschaften d) Einzelkaufleuten e) Minderjährigen . . f) Ehefrauen . . . . g) Bevollmächtigten . h) Testamentsvollstreckern i) S t r o h m ä n n e r n . . . .

8

9 10 11 12 13 14 15 16

Anm. 1 I. 1. Die Vorschrift war in § 182 H G B mit anderen Vorschriften verbunden, die sich jetzt in den §§ 16 und 18 finden.

Anm. 2 Der Gesellschaftsvertrag wird hier in einer Klammer, weiterhin im Gesetz aber durchgehends „ S a t z u n g " genannt. Mit der Übernahme dieses für die A k t G üblich gewordenen Ausdrucks wird bestätigt, daß die A k t G nach ihrem Wesen ein Verein ist (§ 1 Anm. 3). O b die Feststellung der Satzung ein vertraglicher, überhaupt rechtsgeschäftlicher Akt ist oder ein Akt körperschaftlicher Privatautonomie (Gierke D P R I § 19 Anm. 39, 40), ist seit langem streitig. In Wirklichkeit treffen mehrere Elemente zusammen. Insoweit die Satzung die inneren Rechtsbeziehungen der Mitglieder regelt, hat sie rechtsgeschäftlichen, und zwar vertraglichen Charakter. Der Zusammenschluß mehrerer Personen zu einer selbständigen Rechtspersönlichkeit, die im Rechtsleben handelnd auftreten soll, ist zwar ebenfalls ein Vertrag, aber er wendet sich über die Vertragschließenden hinaus durch eine Erklärung an die Öffentlichkeit und wird durch einen hinzutretenden konstitutiven Akt des öffentlichen Rechts wirksam, nämlich durch die Eintragung ins Register, welche die Rechtspersönlichkeit ins Leben ruft. Nicht mehr rechtsgeschäftlich, sondern autonom sind aber die Bestimmungen darüber, wie die Rechtspersönlichkeit nach außen vertreten werden soll. Das Gesetz begnügt sich hierin mit der Vorschrift, daß ein Vorstand bestellt werden muß. Dieser hat nach § 26 Abs. 2 BGB die Stellung eines gesetzlichen Vertreters, was auch für die A k t G gilt (§ 7 1 ) v gl- § 1 Anm. 3). Daselbst ist aber bestimmt, daß der Umfang seiner Vertretungsmacht durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden kann. Eine solche Beschränkung hat die Bedeutung eines objektiven, jedermann bindenden Rechtssatzes, ähnlich wie die Beschränkung der Vertretungsmacht des Vormunds nach den §§ 1812 fr. BGB. Zwar ist die Rechtsquelle einer solchen, für jedermann geltenden Bindung das Gesetz. In diesem Punkte ist es aber nur ein Blankettgesetz, die Ausfüllung überläßt es der Körperschaft. Darin besteht deren Privatautonomie. Nun gilt zwar jene Beschränkbarkeit der Vertretungsmacht nicht für die A k t G (§ 74 Abs. 2). Auf derselben Linie steht es aber, daß bei einem mehrgliedrigen Vorstand der Satzung die Bestimmung darüber gelassen ist, wer die A k t G wirksam vertreten kann, oder ob es bei der gesetzlichen Regel der Gesamtvertretung bleiben soll (§ 71). Auch solche Satzungsbestimmungen sind für jedermann gültig, und es wird in ihnen, da der Vorstand kein gewillkürter, sondern ein gesetzlich notwendiger Vertreter ist, der Ausfluß einer Privatautonomie gefunden werden müssen. Der autonome Charakter der Satzung ist daher

26

§2 Anm. 3—4 a

I. Buch: Aktiengesellschaft

neben ihrem rechtsgeschäftlichen anzuerkennen (vgl. K G J 43 B 3 6 5 ; R G in J W 1901 142»; 1918, 178).

Anm, 3 2. Wie die Wirkung der Satzungsfeststellung sich nicht auf die Mitglieder der A k t G beschränkt, so auch nicht die Übernahme der Aktien. Auch darin verbindet sich ein Vertragselement mit einer auf Entstehung einer neuen Rechtspersönlichkeit zielenden, an die Öffentlichkeit gerichteten Erklärung. Ist in der älteren Rechtsprechung das zweite Element wohl zu wenig beachtet worden ( R O H G 25, 2g2; R G 2, 264), so läßt sich doch nicht sagen, daß die neuere Rechtsprechung der Annahme eines vertraglichen Elements ganz habe fallen lassen. Was in den Entscheidungen R G 79, 1 1 5 , 1 7 7 ; 1 1 8 , 274 abgelehnt wird, ist nur die Ansicht, daß die Aktienzeichnung ein gegenseitiger Vertrag zwischen der A k t G und dem Aktionär sei. Wenn sich aber Personen zusammenschließen, um eine neue A k t G ins Leben zu rufen, so müssen sie notwendig zu diesem Zweck auch in vertragliche Beziehungen treten. Ihre Erklärungen, die sich auf Übernahme oder Zeichnung von Aktien beziehen, laufen in diesem Ziele zusammen; die Ansicht, daß es „Parallelerklärungen" seien, gibt ein falsches Bild. Der Vertrag, den sie schließen, ist freilich eigentümlicher A r t ; er ist kein gewöhnlicher Gesellschaftsvertrag, sondern gehört dem Körperschaftsrecht an.

Anm. 4 3 a. Das neben dem vertraglichen bestehende Element der Gründungserklärungen, wodurch diese sich an die Öffentlichkeit richten (Anm. 2 u. 3), ist von wesentlicher Bedeutung f ü r die Behandlung von W i l l e n s m ä n g e l n . Solange die A k t G noch nicht eingetragen, also als Rechtspersönlichkeit noch nicht „entstanden" ist ( § 3 4 Abs. 1), ist freilich kein Grund vorhanden, Willensmängel mit Einschluß des Mangels voller Geschäftsfähigkeit anders zu behandeln als nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts ( R G 127, 1 9 1 ) . Nichtig sind also Erklärungen, die ein Geschäftsunfähiger bei der Gründung abgibt, anfechtbar Erklärungen wegen Irrtums usw. Das ändert sich aber, sobald die A k t G eingetragen ist und damit besteht. Denn nunmehr können ihr die Grundlagen des Bestehens mit Rücksicht auf den Schutz des Verkehrs nicht mehr entzogen werden. Gemäß diesem aktienrechtlichen Grundsatz versagt eine feste Rechtsprechung nach der Eintragung Willensmängeln, die bei der Übernahme oder Zeichnung von Aktien vorgefallen sein sollen, die Beachtung ( R O H G 5, 4 1 5 ; 20, 2 7 5 ; R G 2, 1 3 3 ; 9, 39; 19, 1 2 6 ; 45, 106; 54, 1 2 8 ; 57, 297; 62, 29; 68, 309; 7 1 , 97; 72, 293; 83, 264; 88, 188; 1 2 3 , 1 0 2 ; 124, 279; 127, 1 9 1 ; 142, 1 0 3 ; 145, 1 5 8 ; R G in L Z 1908, 5 3 5 5 ; bei Holdheim 1 1 , 267; in J W 1903, 183 3 9 ; in D J Z 1902, 435). A u c h eine schon vor der Eintragung erklärte Anfechtung wird mit der Eintragung wirkungslos ( R G 82, 378). In R G 1 2 3 , 102 hat das Reichsgericht es auch abgelehnt, eine Nichtigkeit nach § 138 B G B wegen wucherlicher Übervorteilung durch einen Mitgesellschafter (bei einer G m b H ) nach der Eintragung zu berücksichtigen. Ansprüche gegen Mitgründer bleiben selbstverständlich unberührt.

Anm. 4 a b) J e d o c h sind die Regeln des bürgerlichen Rechts nach wie vor, also auch nach Eintragung der Gesellschaft, anzuwenden, wenn besonders s c h w e r e M ä n g e l bei der Übernahme oder Zeichnung von Aktien gegeben sind. Das gilt, wenn die Unterschrift eines angeblichen Gründers oder Zeichners gefälscht worden ist, wenn f ü r ihn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat (unbeschadet der Bestimmung des § 179 B G B ) oder wenn der Übernehmer oder Zeichner geltend macht, daß seine Erklärung ohne oder gegen seinen Willen an die Öffentlichkeit gelangt sei, also nicht dazu bestimmt war, rechtsgeschäftlichen Charakter anzunehmen ( R G 45, 141 f.; O L G R 32, 124). In all diesen Fällen ist die einzelne Erklärung nichtig, ohne allerdings die A k t G als solche zu betreffen. Die übrigen Beteiligten können sich auf § 1 3 9 B G B nicht berufen; das folgt aus § 2 1 6 Abs. 1, der die Gründe f ü r eine Nichtigkeitsklage erschöpfend aufzählt, vgl. dort die Anm. 3.

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 2 A n m . 5, 6

c) Dieselben Grundsätze müssen aber auch bei m a n g e l n d e r G e s c h ä f t s f ä h i g keit gelten. Erklärungen Geschäftsunfähiger (also insbesondere auch Geisteskranker oder Geistesgestörter) sind absolut nichtig, Erklärungen beschränkt Geschäftsfähiger bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung schwebend unwirksam, § 104 fr. BGB. Denn der Vertrauensschutz, der ein Zurücktreten des Einzelinteresses gegenüber dem schutzwürdigen Interesse der Öffentlichkeit bei Willensmängeln, wie Irrtum, Täuschung usw. verlangt, muß seine Schranke da finden, wo ein Gründer oder Zeichner zur Abgabe einer entsprechenden, rechtlich beachtlichen Erklärung überhaupt nicht fähig ist, R G Z 145, 159. Nach geltendem Recht hat insoweit das Verkehrs- und Vertrauensinteresse hinter dem Schutz des Geschäftsunfähigen zurückzutreten. Die in der ersten Auflage vertretene gegenteilige Ansicht wird in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre aufgegeben (vgl. Schlegelberger- Quassowski § 2 Anm. 9; Ritter § 2 Anm. 6; Godin-Wilhelmi Vor § 16 Anm. III 3; Teichmann-Köhler § 16 Anm. 6b; BaumbachHueck Üb zu § 16 Anm. 1 B). Ein Widerspruch zu der Regelung in §216 besteht nämlich, wie in der ersten Auflage angenommen, nicht. § 216 handelt von der Nichtigerklärung der Gesellschaft als solcher und beschränkt diese auf die Fälle, in denen die nach § 16 Abs. 3 wesentlichen Satzungsbestimmungen fehlen oder nichtig sind (z. B. wegen Verstoß gegen §§ 7, 8). Die Nichtigkeit einer einzelnen Willenserklärung eines Gründers oder Zeichners berührt aber den Bestand einer einmal eingetragenen Gesellschaft nicht (Anm. 3 a. E. zu § 216). Die Tatsache, daß möglicherweise infolge Nichtigkeit oder Unwirksamkeit einer Beitrittserklärung die Gründerzahl von fünf Personen (§2) nicht erreicht wird, ist nach §216 unschädlich (s. auch unten Anm. 5), ebenso daß das satzungsmäßig festgelegte Grundkapital gegebenenfalls nicht rechtswirksam übernommen worden ist oder der Anspruch auf eine Sacheinlage entfällt. Es greift dann die Gründerhaftung der §§ 39fr. oder der nach §§ 84 Ziff. 4, 99 haftenden Personen ein. Versagt diese Haftung, so kann die Gesellschaft, der die aus einer nichtigen Übernahmeerklärung entstandenen Aktien zustehen (Godin-Wilhelmi, vor § 16 Anm. I I I 4), diese mit der Folge, daß der Erwerber einlagepflichtig wird, versuchen zu veräußern, andernfalls muß das Grundkapital herabgesetzt werden. Allerdings kann so der Fall eintreten, daß die Kapitalgrundlage einer wirksam ins Leben getretenen Aktiengesellschaft wegen Geschäftsunfähigkeit einzelner Gründer nachträglich geschmälert wird und dadurch eine Schädigung der Gläubiger eintritt. Hier muß aber der Verkehrsschutz (und auch der Grundsatz der Kapitalerhaltung — dazu § 30 Anm. 4 und 5) zurücktreten, ohne Rücksicht darauf, ob man die Zeichnung oder Übernahme von Aktien nun als der Öffentlichkeit gegenüber abgegebene „Verpflichtungserklärung" ansieht oder sich auf den durch die Eintragung hervorgerufenen Rechtsschein beruft. Der Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsunfähige, dessen Erklärung nichtig ist, kann Rückzahlung einer geleisteten Einlage verlangen, da er nicht Gesellschafter geworden ist und es sich somit nicht um eine Rückgewähr der Einlage (§ 52) im eigentlichen Sinne handelt (übereinstimmend Godin-Wilhelmi a. a. O). Anm. 5 II. 1. Die Zahl der Personen, die bei der Feststellung der Satzung mitwirken müssen, ist wie bisher auf mindesens fünf bestimmt (§ 182 HGB). Ein Bedürfnis zu einer Änderung hat sich nicht ergeben. Das Erfordernis ist geringer als bei eingetragenen Vereinen und bei eingetragenen Genossenschaften, wo die Zahl sieben vorgeschrieben ist (§ 56 BGB, § 4 GenG). Sind weniger als fünf Personen beteiligt, so hat der Registerrichter die Eintragung abzulehnen (KG in O L G R 43, 293). Ist die AktG aber trotzdem eingetragen worden, so liegt in dem Mangel kein Nichtigkeitsgrund (§216). Anm. 6 2. Die fünf Personen, die sich an der Feststellung der Satzung beteiligen müssen, müssen auch Aktien übernehmen, und zwar jede Person mindestens eine Aktie. Werden noch mehr Aktien ausgegeben, die von den Personen, welche die Satzung feststellen, nicht übernommen werden, so liegt der Fall der „Stufengründung" vor (§ 30). Früher nannte man diese „Sukzessivgründung" und stellte sie der „Simultangründung" gegenüber, bei der die Aktionäre, welche die Satzung feststellen, sämtliche Aktien über27

§2 A n m . 7—9

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nehmen. Für Simultangründung wird hier der Ausdruck „ E i n h e i t s g r ü n d u n g " gebraucht, der sich freilich im Gesetz selbst nicht findet. Beteiligen sich außer den mindestens fünf Personen, welche die Satzung feststellen und Aktien übernehmen, an der Feststellung der Satzung noch andere Personen, die keine Aktien übernehmen, so ist das überflüssig, aber auch unschädlich; der Gründungsvorgang ist nicht darum nichtig (KGJ. 51, 128). Diese überflüssigen Personen sind aber auch keine „Gründer". Gründer sind nur Aktionäre, also Personen, die Aktien übernehmen, und zwar diejenigen Aktionäre, welche die Satzung feststellen, bei der Stufengründung auch diejenigen Aktionäre, welche Sacheinlagen machen, ohne sich an der Feststellung der Satzung beteiligt zu haben (§21). O b eine Person zu den Gründern gehört, ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung (§21 Anm. 1). Anm. 7 Die Übernahme der Aktien verträgt ebensowenig wie bei der Stufengründung die Zeichnung der Aktien irgendwelche B e s c h r ä n k u n g e n ( 30 Abs. 3). Beschränkungen, die in die Übernahmeerklärung aufgenommen sind, machen diese nichtig und hindern die Eintragung der AktG. Ist die AktG dennoch eingetragen worden, so kann sich der Übernehmer der Aktie auf die Nichtigkeit nicht berufen. Er steht dem Zeichner gleich, der in der Errichtungsversammlung mitgestimmt hat und sich infolgedessen auch nicht mehr auf Beschränkungen seiner Verpflichtung berufen kann (§30 Abs. 3 Satz 2). Beschränkungen, die nicht in die Übernahmeerklärung aufgenommen worden sind, haben gegenüber der AktG überhaupt keine Wirkung (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 3; R G 33, 93). Über Willensmängel und Mangel der Geschäftsfähigkeit s. oben Anm. 4 u n d 4 a . Eine formgerechte Zeichnung mittels Zeichnungsscheins (§ 30) ist bei der Aktienübernahme nach den §§2, 16 Abs. 2, 22 Abs. 2 nicht erforderlich (RG in SeuffBl. 72, 826 = Holdheim 16, 125). Anm. 8 3a) Sowohl die Gründer (oben Anm. 6; §21) als die Zeichner (§30) können natürliche oder j u r i s t i s c h e P e r s o n e n sein. Das war schon unter dem Handelsgesetzbuch anerkannt, obgleich bei der Strafvorschrift des § 313 HGB wohl nur an natürliche Personen gedacht worden war. Das Aktiengesetz hat daran nichts geändert. Tatsächlich sind die Fälle zahlreich, in denen sich juristische Personen aller Art, namentlich auch Staat und Gemeinden, an der Gründung einer AktG unbeanstandet beteiligt haben. Die bürgerlich-rechtliche Verantwortlichkeit eines Gründers (§ 39), der juristische Person ist, ergibt sich ohne weiteres aus § 31 BGB. Daneben kann sich der gesetzliche Vertreter der juristischen Person selbst nach § 40 AktGes., nach § 823 Abs. 2 oder § 826 BGB schadensersatzpflichtig machen. Die strafrechtliche Verantwortung (§ 2 95) kann die juristische Person freilich nicht treffen. Aber sie trifft den schuldigen verfassungsmäßigen Vertreter (KGJ 41 A 128). Auch im Abwicklungsstadium kann sich eine juristische Person, wenn es der Abwicklungszweck rechtfertigt, an der Gründung einer AktG beteiligen. Wird eine juristische Person bei der Gründung einer AktG durch mehrere verfassungsmäßige Vertreter vertreten, so bleibt sie doch nur eine Person (OLG Dresden in Z H R 37 S. 548 Nr. 87). Der verfassungsmäßige Vertreter kann sich neben der juristischen Person selbst als Gründer nur dann beteiligen, wenn ihm das nach der Satzung der juristischen Person gestattet ist (§181 BGB). Anm. 9 b) Auch eine offene H a n d e l s g e s e l l s c h a f t oder eine K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t kann sich als Mitgründerin oder Zeichnerin beteiligen, n i c h t aber eine G e s e l l s c h a f t b ü r g e r l i c h e n R e c h t s oder ein V e r e i n o h n e R e c h t s f ä h i g k e i t . Damit hat es nichts zu tun, daß eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Mitglied einer anderen Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden kann (RG 136, 240). Durch die §§ 124, 161 Abs. 2 HGB wird der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft, wenn auch nicht juristische Persönlichkeit, so doch in weitgehendem Maße Parteifahigkeit beigelegt. Beteiligt sich eine offene Handelsgesellschaft an der Gründung einer AktG, so wird sie dabei nach § 125 HGB durch einen oder mehrere Gesellschafter vertreten,

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut) § 2 Anm, 10—12 entsprechend die Kommanditgesellschaft nach § 161 Abs. 2, § 170 HGB durch einen persönlich «haftenden Gesellschafter oder durch mehrere. Den oder die Vertreter trifft die strafrechtliche (§ 295), die Gesellschaft die bürgerlich-rechtliche Verantwortlichkeit (§ 39 AktGes., § 31 BGB), den oder die Vertreter außerdem die Schadensersatzpflicht nach § 40 AktGes., § 823 Abs. 2 oder § 826 BGB (vgl. Anm. 8; über die entsprechende Anwendbarkeit des § 31 BGB s. RG 76, 48). Streitig ist, ob neben der offenen Handelsgesellschaft noch die Gesellschafter, neben der Kommanditgesellschaft noch die p e r s ö n l i c h h a f t e n d e n G e s e l l s c h a f t e r als Gründer auftreten und damit die Fünfzahl erfüllen können. Die letzte Frage ist zu verneinen. Das Gesetz will mindestens fünf Personen mit ihrem gesamten Vermögen für den Gründungshergang haften lassen. Auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit kommt es dabei weniger an, denn die Bestrafung kann den angerichteten Schaden nicht wieder gutmachen. Entscheidend ist die bürgerlich-rechtliche Haftung. Die Haftung der offenen Handelsgesellschaft erstreckt sich aber nach § 128 HGB ohne weiteres auf das Privatvermögen der Gesellschafter, die der Kommanditgesellschaft sich nach § 161 Abs. 2 HGB auf das Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter. Träten diese also neben der Gesellschaft noch als Gründer auf, so würde keine neue Haftung hinzugefügt. Ist die Fünfzahl ohnehin erreicht, so steht nichts im Wege, daß die Gesellschafter sich noch persönlich an der Gründung beteiligen, vorausgesetzt, daß ihnen das nach § 181 BGB durch den Gesellschaftsvertrag oder im Einzelfall gestattet ist. Ist die Gesellschaft Gründerin, so stehen die von ihr übernommenen Aktien ihr zu, nicht den Gesellschaftern. Es ist aber nicht zu beanstanden, daß die Aktien durch Abtretung unter die Gesellschafter verteilt werden (vgl. RFH 13, 113). Anm. 10 c) Mehrere Personen können sich nicht in B r u c h t e i l s g e m e i n s c h a f t als Gründer oder Zeichner beteiligen. Es widerspräche der Unteilbarkeit der Aktie ( § 8 Abs. 4), wenn mehrere Personen eine Aktie zu ideellen Teilen übernehmen oder zeichnen könnten (a. M. anscheinend Schlegelberger-Quassowski § 8 Anm. 15; Ritter § 8 Anm. 6; Teichmann-Koehler § 8 Anm. 2b; Frhr. v. Godin-Wilhelmi § 8 Anm. 9; Baumbach Hueck § 8 Anm. 4) . Daß dennoch eine Rechtsgemeinschaft eintreten kann (§63 Anm. 3), ist eine Sache für sich. Auch eine E r b e n g e m e i n s c h a f t kann nicht Gründerin sein, weil sie keine selbständige Rechtspersönlichkeit hat (a. M. Baumbach-Hueck Anm. 2). Jeder einzelne Erbe müßte als Gründer auftreten. Daß die Erbengemeinschaft eine Gesamthand bildet, ändert daran nichts. In dieser Hinsicht liegt die Sache ebenso wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Anm. 9). Anm. 11 d) Ein Einzelkaufmann kann sich unter seiner F i r m a als Gründer oder Zeichner beteiligen. Bedenken aus der Identitätsfeststellung können hier nicht dieselbe Rolle spielen wie beim Eigentumserwerb an Grundstücken. Ob auch da, wo die Satzung die Übertragung der Aktie an die Zustimmung der Gesellschaft bindet (§61 Abs. 3), Einzelkaufleute — oder Handelsgesellschaften — unter ihrer Firma zuzulassen sind, könnte zweifelhaft sein, da es dort auf die Person des Aktionärs anzukommen scheint. Indessen wird man es der AktG überlassen können, ob ihr bei Bindung der Aktien die Angabe der Firma genügt, ob sie also die Bindung auf die Firma abstellen will. Es ist das eine in der Satzung zu regelnde, gegebenenfalls durch deren Auslegung zu lösende Frage. Anm. 12 e) Minderjährige, andere beschränkt Geschäftsfähige wie auch Geschäftsunfähige sind, sofern sie ordnungsmäßig gesetztlich vertreten werden, von der Beteiligung an der Gründung einer AktG nicht ausgeschlossen (für Fälle fehlender gesetzlicher Vertretung s. oben Anm. 4 a). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit (§ 295) trifft den gesetzlichen Vertreter, die bürgerlich-rechtliche (§ 39) den Vertretenen, daneben aber unter den Voraussetzungen der § 40 AktGes., § 823 Abs. 2 oder § 826 BGB den Vertreter selbst. Ob es der G e n e h m i g u n g des V o r m u n d s c h a f t s g e r i c h t s nach den §§ 1643, 29

§1

Anm. 13—15

I. Buch: Aktiengesellschaft

1822 Nr. 3 B G B bedarf, ist streitig, aber zu verneinen. § 1822 Nr. 3 B G B verlangt die Genehmigung zu einem Gesellschaftsvertrage, der zum Betrieb eines Erwe^bsgeschäfts eingegangen wird. Die Gründer einer A k t G wollen aber nicht als Gesellschafter ein Erwerbsgeschäft betreiben, sondern einen Verein mit eigener Rechtspersönlichkeit ins Leben rufen (§ 1 Anm. 3), der, wenn er überhaupt ein Erwerbsgeschäft betreibt, dies auf eigene Rechnung tut. Die Zuteilung von Aktien macht die Aktionäre nicht zu Gesellschaftern, sondern zu Vereinsmitgliedern; die Ausdrücke „Aktiengesellschaft" (§ 1) und „Gesellschaftsvertrag" (§ 2) geben das Wesen der Sache nur ungenau wieder (§ 1 Anm. 3, oben Anm. 2). Bei der G m b H hat das Kammergericht allerdings vormundschaftsgerichtliche Genehmigung verlangt (KGJ 44 A 142 und D N o t V Z 1927, 529), aber aus einem für die A k t G nicht zutreffenden Grunde, nämlich wegen der anteiligen Haftung der Gesellschafter für die Aufbringung der Stammeinlagen nach § 24 G m b H G . O b der Vormund pflichtwidrig handelt, wenn er Mündelgeld in Aktien anlegt, ist eine andere Frage (§§ 1 8 0 6 — i 8 n BGB). Vertritt ein und derselbe gesetzliche Vertreter mehrere Kinder oder Mündel, so kann er wegen der Vorschriften der §§ 181, 1795 Abs. 2 B G B bei der Gründung nur eines vertreten, für die andern muß nach § 1909 BGB je ein Pfleger bestellt werden. Will er sich für seine Person an der Gründung beteiligen, so ist er von der Vertretung überhaupt ausgeschlossen. Ein Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger würde jedoch, wenn er nicht ordnungsmäßig vertreten gewesen und ohne Entdeckung des Mangels die A k t G eingetragen worden wäre, nicht nach aktienrechtlichen Grundsätzen für die Aufbringung seiner Einlage haften; ein derartiger Mangel begründet keinen Nichtigkeitsgrund nach § 216 (oben Anm. 4 a).

Anm. 13 f ) E h e f r a u e n , die sich an der Gründung einer A k t G beteiligen, bedurften dazu auch vor Inkrafttreten des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Geschlechter, Art. 3 Abs. II, 117 Abs. I G G , nach den Bestimmungen des früheren ges. Güterstandes, §§ 1363 fr. BGB, nicht der Zustimmung des Mannes, da es sich nicht um ein Verfügungs-, sondern um ein Verpflichtungsgeschäft handelt. Die Zustimmung ist aber für die Haftung des eingebrachten Guts und des Gesamtguts von Bedeutung (§§ 1 399, 1460, 1532, 1549 BGB), falls entsprechende Güterstände vertraglich vereinbart werden.

Anm. 14 g) Daß die Gründer die Gründung persönlich vornehmen, ist nicht vorgeschrieben. Vielmehr ist B e v o l l m ä c h t i g u n g zulässig, wie sich aus dem in § 16 Abs. 1 Satz 2 für die Vollmacht aufgestellten Formerfordernis klar ergibt. Auch eine Generalvollmacht genügt. Ebenso kann ein Prokurist als Vertreter auftreten ( O L G Dresden in R J A 15, 56). Bei der Vertretung einer offenen Handelsgesellschaft (oder Kommanditgesellschaft) ist § 125 Abs. 3 H G B , bei der Vertretung einer A k t G ist § 71 Abs. 3 AktGes. anwendbar, wonach ein Prokurist gemeinsam mit einem Gesellschafter oder Vorstandsmitglied die Vertretung ausüben kann, wenn es die Satzung gestattet. Der Bevollmächtigte oder der Prokurist kann sich für seine Person neben dem Vertretenen an der Gründung beteiligen, wenn ihm Befreiung von der Vorschrift des § 181 B G B erteilt ist (vgl. Anm. 8, 9); dies kann allgemein oder für den einzelnen Fall geschehen. Vertritt ein Bevollmächtigter mehrere Gründer, so bedarf es ebenfalls der Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB. Ist solche Befreiung erteilt, so kann ein Mitgründer als Bevollmächtigter anderer Mitgründer auftreten, einer sogar für sämtliche Gründer ( O L G Dresden bei Holdheim 7, 312; B a y O b L G in B a y O b L G Z 23, 146). Den Gründungsbericht (§ 24) müssen die Gründer persönlich erstatten ( § 2 4 Anm. 2) Ebenso ist bei der Anmeldung zum Handelsregister wegen der darin abzugebenden Erklärung (§ 29) Vertretung unstatthaft (§28 Anm. 8). Über den Vertreter ohne Vertretungsmacht s. § 16 Anm. 6, 21.

Anm. 15 h) Der T e s t a m e n t s v o l l s t r e c k e r kann nicht die Erben bei einer Gründung vertreten. Er ist zwar nach § 2206 BGB berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlaß ein-

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i . Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 2 Anm. 16

zugehen. Die mögliche Beschränkung solcher Verbindlichkeiten auf den Nachlaß (.§ 1975 B G B ) ist aber mit dem Wesen der Gründung nicht verträglich, weil die neue A k t G mit bestimmtem Grundkapital in den Rechtsverkehr eintreten muß, die Haftbarkeit der Gründer also nicht beschränkt sein kann ( K G J 33 A 1 3 5 ; R J A 16, 102). Der Erblasser kann daher auch nicht wirksam bestimmen, daß der Testamentsvollstrecker ein zum Nachlaß gehöriges Geschäftsunternehmen in eine A k t G umzuwandeln habe. Eine solche Anordnung ist nicht ausführbar, wenn sich nicht die Erben oder andere Personen freiwillig dazu bereit finden. Anm. 16 i) Unter einem „ S t r o h m a n n " als Gründer pflegt man eine Person zu verstehen, die sich an der Gründung zwar im eigenen Namen, aber f ü r fremde Rechnung, sei es f ü r Rechnung eines Mitgründers oder eines anderen, beteiligt. Es versteht sich von selbst, daß dies ein inneres Verhältnis zum Auftraggeber ist, das an den Pflichten des Gründers gegenüber der A k t G nichts ändern kann. Dieses Verhältnis berührt auch grundsätzlich nicht die Gültigkeit der Gründung ( R G 28, 77; 4 1 , 1 3 ; 84, 2 1 ; 130, 3 9 2 ; R G S t . 30, 3 1 2 ; 43, 4 1 2 ; R G in J W 1 9 0 1 , 484'; bei Holdheim 16, 1 2 4 ; O L G Dresden K G J 6, 218). Für die G m b H hat zwar das O L G Celle ( O L G R 27, 362 und D N o t Z 1 9 5 1 , 222f.) Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags in einem Fall angenommen, wo von zwei Gründern der eine lediglich f ü r Rechnung des andern mitgegründet und sich verpflichtet hatte, diesem sofort nach der Gründung seinen Geschäftsanteil abzutreten. Dieser Auffassung ist jedoch der B G H (Beschluß von g. 10. 56, B B 1956, 1 1 1 8 ) mit Recht entgegengetreten, eine Entscheidung, die im Interesse der Verkehrssicherheit zu begrüßen ist. Nur wenn Gesetzes- oder Sittenverstoß vor Eintragung der Gesellschaft offenbar sind, kann der Registerrichter die Eintragung ablehnen. Ein Gesetzesverstoß (Umgehung von § 2 — Zahl der Gründer) liegt aber nicht schon dann vor, wenn j e m a n d als Gründer auftritt, der sich verpflichtet hat, nach Eintragung der Gesellschaft seine Aktien auf einen oder mehrere Mitgründer zu übertragen. Es liegt in derartigen Fällen auch kein nichtiges Scheingeschäft vor ( § 1 1 7 B G B ) , wenn nur der „ S t r o h m a n n " die Gründungserklärung und die damit f ü r ihn selbst verbundenen Pflichten ernstlich will (teilweise abweichend die 1. Auflage). Nur wenn jemand an der Gründung beteiligt ist, der selbst gar nicht Aktionär werden, insbesondere keine Aktien übernehmen will und meint, schon allein durch eine nicht ernstlich gemeinte Gründung die Eintragung der Gesellschaft herbeiführen zu können, liegt ein (nichtiges) Scheingeschäft vor, das den Registerrichter berechtigt, die Eintragung zu verweigern. Ein derartiger Tatbestand kann nicht ohne weiteres bei Gründungen, bei denen „ S t r o h m ä n n e r " mitwirken, unterstellt werden. Daß auch das AktGes. den Strohmann als wirklichen Gründer betrachtet, ergibt sich schon aus § 25 Abs. 2 Nr. 2, § 39 Abs. 5 und § 24 Abs. 3. In § 5 1 Abs. 1 wird den Unzuträglichkeiten, die f ü r das Wirtschaftsleben damit verbunden sind, daß ein Strohmann f ü r die A k t G selbst oder ein abhängiges Unternehmen auftritt, in anderer Weise begegnet: der Strohmann hat nur die Pflichten, nicht die Rechte des Aktionärs. Dieser Gedanke läßt sich entsprechend anwenden, wenn im Einzelfall die Bestellung eines Strohmanns der Umgehung des Gesetzes dient oder gegen die guten Sitten verstößt, die A k t G jedoch eingetragen worden ist. Ein Nichtigkeitsgrund nach § 2 1 6 liegt in solchem Fall nicht vor. Ebenso kommt eine Amtslöschung nicht in Frage ( B G H a. a. O.). Erkennt aber der Registerrichter vor der Eintragung die Absicht der Gesetzesumgehung oder den Verstoß gegen die guten Sitten, so hat er die Eintragung abzulehnen (vgl. L G Berlin in D J 1936, 465; Herbig in D F G 1936, 8 5 ; Godin-Wilhelmi § 3 Anm. 3). Die Eintragung hat aber jedenfalls heilende Wirkung (vgl. Ritter § 2 Anm. 4 ; Scholz N J W 1 9 5 1 , 847 mit weiteren Nachweisen und wohl auch Baumbach-Hueck 8 § 2 Anm. 3 B). Daß steuerrechtlich f ü r die Erhebung der KapVerkSteuer der Auftraggeber des Strohmanns als Erwerber des Gesellschaftsrechts gilt ( R F H 14, 228; StuW 1929, 1 0 1 3 ) folgt aus besonderen steuerlichen Erwägungen ( § 1 1 S t A n p G ) , die f ü r das A k t R keine Bedeutung haben.

31

§3 Anm, 1—4

I. Buch: Aktiengesellschaft

§3 Die A k t i e n g e s e l l s c h a f t als H a n d e l s g e s e l l s c h a f t Die Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht i m Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Ubersicht I. Entstehungsgeschichte . . . . I I . Gesellschaftszweck

Anm.

Anm.

i 2

I I I . Die A k t G als Handelsgesellschaft — anwendbare Vorschriften des H G B und des öffentlichen Rechts 3—4

Anm. 1 I. Die Vorschrift fand sich seit dem Gesetz von 1870 schon im alten Handelsgesetzbuch als Art. 208 und ging in das Handelsgesetzbuch von 1897 als § 2 1 0 Abs. 2 über. Anm. 2 I I . Die Vorschrift besagt erstens, daß es auf den Gegenstand des Unternehmens einer A k t G rechtsgrundsätzlich nicht ankommt. Sie kann zu jedem beliebigen Zweck, sofern er nur erlaubt ist, gegründet werden, auch zu Zwecken, die mit einem Handelsgewerbe nichts zu tun haben, z. B. zur Rohstoffgewinnung oder Vermietung von Grundstücken. Der Zweck braucht überhaupt nicht auf Erwerb gerichtet, kein gewerblicher zu sein. Die A k t G kann sich darauf beschränken, den Bedürfnissen der Mitglieder zu dienen wie bei Konsumvereinen. Holdinggesellschaften (Gesellschaften, die Beteiligungen an anderen Gesellschaften haben und sich auf Beherrschung dieser Gesellschaften beschränken), Geschäftsstellen von Syndikaten üben eine lediglich verwaltende Tätigkeit aus. Der Zweck braucht nicht einmal ein wirtschaftlicher zu sein. Die A k t G kann rein gesellige, politische, religiöse, kurz allerlei „ i d e a l e " Zwecke betreiben. § 21 B G B gilt f ü r sie nicht (§ 1 Anm. 3). Freilich werden andere als wirtschaftliche Zwecke bei dem hohen Mindestbetrag des Grundkapitals (§ 7) kaum in Betracht kommen. Anm. 3 I I I . Die Vorschrift besagt zweitens, daß die A k t G , mag sie betreiben, was sie will, immer als Handelsgesellschaft gilt. Gilt sie aber als Handelsgesellschaft, so finden nach § 6 H G B auf sie die f ü r Kaufleute, und zwar Vollkaufleute, gegebenen Vorschriften Anwendung. Sie gilt, wie § 17 G e n G f ü r Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften kürzer sagt, als K a u f m a n n (§ 1 Anm. 2), auch abgesehen von § 2 H G B . Anm. 4 Daraus folgt, da das von einem K a u f m a n n betriebene Unternehmen ein Handelsgewerbe ist (§ 343 H G B ) , daß das von einer A k t G betriebene Unternehmen, gleichviel, worin es besteht, immer als Handelsgewerbe gilt und alle zu diesem Betrieb gehörigen Geschäfte als H a n d e l s g e s c h ä f t e gelten. Das Gegenteil kann f ü r eine A k t G , die überhaupt kein Gewerbe betreibt (Anm. 2), nicht aus § 5 H G B entnommen werden. Diese Vorschrift setzt eine mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmende Eintragung voraus und ist f ü r eine A k t G bedeutungslos (vgl. Martin Wolff, Festschrift f ü r Gierke 1 9 1 0 , 2 S. 130). Jedes Geschäft, das die A k t G im eigenen Namen vornimmt, ist auf ihrer Seite ein Handelsgeschäft. Ist auch der Geschäftsgegner K a u f m a n n , so ist das Geschäft ein beiderseitiges Handelsgeschäft. K a u f t also eine A k G mit rein geselligem Zweck K l u b sessel f ü r ihren Betrieb, so hat sie nach § 377 H G B die Untersuchungs- und Rügepflicht. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen ist bei Geschäften zwischen einer A k t G und einem anden K a u f m a n n stets 5 v. H. (§ 352 H G B ) . Die von einer A k t G versprochene Vertragsstrafe kann nicht nach § 343 B G B herabgesetzt werden (§ 348 H G B ) , ihre Bürgschaften sind, wenn nichts anderes vereinbart ist, selbstschuldnerische und sind formlos gültig (§§ 349, 350 H G B ) usw. Die Angestellten einer A k t G sind Handlungs-

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt— Meyer-Landrut)

§ 3 Anm. 4

gehilfen (§ 59 HGB), freilich nur diejenigen, deren Arbeit kaufmännischer Tätigkeit entspricht, also nicht Gewerbegehilfen wie z. B. Kellner in einem von einer AkG betriebenen Gasthaus, nicht Aufwartefrauen, Pförtner usw., wohl aber, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens kein kaufmännischer ist, das Büropersonal, soweit es nicht rein mechanische Dienste leistet. Prokura und Handlungsvollmacht kann auch eine AktG erteilen, die kein Handelsgewerbe betreibt (a. M. für Prokura Brodmann § 210 HGB Anm. 4), denn ihr Betrieb gilt als Handelsgewerbe. Lieferungen an eine AktG gelten als Lieferungen für ein Handelsgewerbe; die Ansprüche dafür verjähren nach § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB in vier Jahren. Das Reichsgericht hat zwar zugunsten einer GmbH ungeachtet des § 13 Abs. 3 GmbHG eine zweijährige Verjährungsfrist angenommen, weil die Arbeiten nicht für einen Gewerbebetrieb der GmbH geleistet seien (DJZ 1913, 233; vgl. auch OLG Celle in OLGR 28, 42). Aber wenn die Form der AktG oder GmbH gewählt wird, so müssen auch die damit verbundenen Nachteile in Kauf genommen werden. Auch wenn eine AktG staatliche Aufgaben erfüllt oder Hoheitsrechte ausübt, bleibt sie Handelsgesellschaft (RGZ 158, 257 [265]), ebenso, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts alle Aktien-besitzt (RFH, J W 1936, 531). Sie wird dadurch nicht etwa selbst zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es gelten also bezüglich ihrer Organisation die Bestimmungen des AktR, die Schadenshaftung richtet sich nicht nach § 839 BGB, sondern nach §§ 31, 831 BGB (RGZ 158, 265). Nur soweit eine AktG kraft Gesetzes oder RechtsVO Hoheitsrechte ausübt, unterliegen Ansprüche gegen sie dem öffentlichen Recht (RGZ a. a. O.). Das gilt aber nicht, wenn hoheitliche Aufgaben durch Teilnahme am privatwirtschaftlichen Verkehr verfolgt werden; dann regeln sich die Rechtsbeziehungen zu Dritten ausschließlich nach bürgerlichem Recht (GodinWilhelmi § 1 Anm. 5; R G in G R U R 1937, 73; BGHZ 1, 75). Streitig ist, ob die AktG neben ihrem B e t r i e b eine P r i v a t s p h ä r e haben und darin Nichthandelsgeschäfte (§§ 343, 344 HGB) abschließen kann (so M. WolfFa.a.O. S. 135). Die Frage ist zu verneinen. Was überhaupt unter die Geschäfte der AktG fällt, gehört, abgesehen von den Verwaltungsgeschäften, die ihre innere Einrichtung und die Beziehungen zu ihren Aktionären betreffen (vgl. § 13 Anm. 3), zu ihrem Betrieb. Was von Organen oder Angestellten der AktG außerhalb der ihnen zustehenden Verrichtungen vorgenommen wird, ist kein Geschäft der AktG, auch wenn sie, weil der Mißbrauch der Vertretungsmacht nicht erkennbar war (RG 145, 315), daraus haftet. Das Vorstehende hat aber nur privatrechtliche Bedeutung. Im Sinne der Gew e r b e o r d n u n g gilt eine AktG, die tatsächlich kein Gewerbe betreibt, nicht als gewerbetreibend. Auch nach dem BetrVerfG sind die Bestimmungen über die Teilnahme von Arbeitnehmern am AufsRat ausgeschlossen für sog. Tendenzbetriebe, § 81, also vornehmlich Unternehmen, die kein Gewerbe betreiben. S t e u e r r e c h t l i c h wird freilich eine AktG ohne weiteres als gewerbetreibend behandelt (§2 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes). Sie gilt auch stets als Kapitalgesellschaft nach § 5 KapVerkStG und unterliegt der Körperschaftsteuer nach § 1 KStG. Ihr Einkommen ist stets wie gewerbliches zu ermitteln (RFH 23, 96). Dagegen sieht das VermögensStG i. d. F. vom 10. 6. 54 (BGBl. I 137) für bestimmte AktG, deren Anteile sich in öffentlicher Hand befinden oder die staatlich geförderte Zwecke erfüllen, Steuerbefreiung vor, § 3, als Ausnahme zu dem Grundsatz der unbeschränkten Steuerpflicht inländischer Kapitalsgesellschaften nach § 1; für die vermögenssteuerpflichtige AktG wird bei der Besteuerung ein Mindestvermögen von 50000 DM zugrunde gelegt, § 6 Abs. 1. Alle Wirtschaftsgüter einer AktG gelten als Betriebsvermögen, § 56 Abs. 1 Ziff. 1 BewertungsG.

§ 4 Firma (1) Die F i r m a der Aktiengesellschaft ist in der Regel d e m Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen. Sie m u ß die Bezeichnung „ A k t i e n g e s e l l s c h a f t " enthalten. S Aktiengesetz, 2. Aufl.

33

§ 4 A n m . 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft

(2) Führt die Aktiengesellschaft die F i r m a eines von ihr e r w o r b e n e n Handelsgeschäfts f o r t ( § 22 des Handelsgesetzbuchs), so m u ß sie die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" in die F i r m a aufnehmen. Ü b ersieht I. Entstehungsgeschichte

Anm.

Anm.

i

3. Abgeleitete Firma 4 4. Alte Firmen (vor dem 1. 1. 1900) 5 Unzulässige Firma 6 5

II. Firma der Aktiengesellschaft 1. Sachfirma 2 2. „Aktiengesellschaft" als Firmenbestandteil 3

III. Firmenwert

7

Anm. 1 1. Die Vorschrift des ersten Absatzes ist aus § 20 HGB, die des zweiten aus § 22 HGB herübergenommen worden, weil das AktGes. sich aus dem äußeren Zusammenhang mit dem Handelsgesetzbuch gelöst hat (vgl. § 18 EinfG). Sachlich hat sich an den Firmenvorschriften für die AktG nichts geändert. Anm. 2 II. 1. Die Firma ist in der Regel dem Gegenstand des Unternehmens der AktG zu entnehmen, sie soll also in der Regel eine Sachfirma sein. Zulässig ist aber auch die Verbindung mit Personennamen (gemischte Firma), z. B. Celluloidfabrik Schulze & Lehmann Aktiengesellschaft. Eine reine Personfirma (Schulze & Lehmann Aktiengesellschaft) darf der Registerrichter nur ausnahmsweise zulassen, wenn dies nämlich durch ein besonderes Interesse gerechtfertigt wird (KG im „Recht" 1924 Rspr. Beil. Nr. 1248), z. B. der Personenname Begriffsbezeichnung für die herzustellenden oder zu vertreibenden Waren geworden ist. Häufig werden aus Phantasienamen, Warenzeichen od. dgl. Firmen oder doch Firmenzusätze für Aktiengesellschaften gebildet (KG in OLGR 42, 210 und 219). Soweit es sich um Zusätze handelt, ist das nicht zu beanstanden; für den Firmenkern entspricht es nicht dem Gesetz, sofern nicht die gewählte Bezeichnung schon verkehrsüblich für einen gewissen Gegenstand geworden ist (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4). Ob danach die Firma „Aeriola G.m.b.H." zugelassen werden konnte (so K G in J W 1925, 639'), muß bezweifelt werden. Worte ausländischer Sprache können die Sachfirma bilden, wenn sie für Deutsche verständlich sind oder im Gegenstand des Unternehmens erklärt werden. Zusatz oder Firmenkern, überhaupt die Firma im ganzen dürfen keinesfalls zur Täuschung geeignet sein (§18 Abs. 2 HGB; R G 127, 81). Phantasieworte als Firmenzusätze, die auf die für die AktG übliche Abkürzung AG enden, jedoch zur Bezeichnung einer anderen Firma, die nicht AktG ist, dienen, sind zur Täuschung des Rechtsverkehrs geeignet und daher unzulässig (BGH vom 25. 10. 57 in BGHZ 22, 88). Jede Firma muß eine gewisse kennzeichnende Kraft haben; eine Firma „Großhandlung Aktiengesellschaft" wäre abzulehnen (für Genossenschaftsfirmen K G J 37 A 172). Vor einem zu Verwechselungen geeigneten Mißbrauch ist nach § 16 UWG auch eine Sachfirma geschützt, obwohl sie eine Beschaffenheitsangabe enthält; § 16 WZG (früher § 13) betrifft nur Beschaffenheitsangaben für Waren (RG in J W 1911, 378"). Anm. 3 2. Die Vorschrift des ersten Satzes des Abs. 1 betrifft nur u r s p r ü n g l i c h e , nicht abgeleitete Firmen. Von a b g e l e i t e t e n handelt der zweite Absatz (Anm. 4). Sowohl für Aktiengesellschaften mit ursprünglicher wie für solche mit abgeleiteter Firma gilt aber die Vorschrift des zweiten Satzes des Abs. 1: Die Firma muß die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" enthalten. Da dies in Abs. 2 für die abgeleitete Firma noch ausdrücklich gesagt wird, so ist damit § 22 Abs. 1 Satz 2 HGB überflüssig geworden; er ist durch Art. X V der 1. DVO z. AktGes. vom 29. 9. 37 (RGBl. I 1026) aufgehoben. Die Abkürzung „ A G " , „Aktienhotel", „Aktienbrauerei" würde nicht genügen, wohl aber „Droschken-Aktien-Gesellschaft" (KGJ 41 A 263). Der Zusatz muß in deutscher

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt— Meyer-Landrut)

§ 4 Anm. 4, 5

Sprache geführt werden. Er ist ein Bestandteil der Firma und muß ins Handelsregister eingetragen werden. Im Verkehr ist die Abkürzung „ A G " üblich und zulässig (vgl. für GmbH K G in K G J 36 A 127; O L G Hamburg in K G J 39 A 302). Über den Unterschied zwischen Firma und Geschäftsbezeichnung vgl. O L G München H R R 1937 Nr. 318. Eine nach Eintragung der AktG eintretende tatsächliche oder satzungsmäßige Änderung des Gegenstandes des Unternehmens zwingt grundsätzlich nicht zur Abänderung der Firma (vgl. Schilling in Hachenburg, GmbHG § 4 Anm. 2 a. E.), solange nicht eine Täuschung über die Art des Geschäfts (vgl. § 18 Abs. 2 HGB), also firmenrechtliche Unzulässigkeit vorliegt. In diesem Falle greifen die in Anm. 6 aufgezeigten Rechtsfolgen ein. Anm. 4 3. Der zweite Absatz betrifft den Fall, daß die AktG die Firma eines von ihr erworbenen Handelsgeschäfts nach § 22 HGB fortführt. Man spricht alsdann von einer „abgeleiteten" F i r m a . Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Fortführung zulässig ist, ergeben sich aus § 22 HGB und sind dort darzustellen. Erwirbt die AktG das Handelsgeschäft mit dem Recht zur Fortführung der Firma schon bei der Gründung, durch Sacheinlage oder Sachübernahme, oder erst später, so kann sie die abgeleitete Firma mit oder ohne Zusatz, der das Nachfolgeverhältnis andeutet, annehmen, im ersten Fall bei Feststellung der Satzung, im zweiten durch Satzungsänderung. In jedem Fall muß sie aber der Firma die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" hinzufügen (Anm. 3). Sie kann also z. B. die Firma annehmen: Otto Schulze Nachf. Aktiengesellschaft oder auch Otto Schulze Aktiengesellschaft. Sie kann auch durch Verbindung ihrer mit der hinzuerworbenen eine neue Firma bilden (RG 152, 365). Zwei Hauptniederlassungen mag sie haben können (§5 Anm. 5 und 5a), aber auch in diesem Fall kann sie zwei Hauptniederlassungsfirmen nicht führen ( K G J 20 A 39; O L G Dresden in ZB1FG 16, 105; BayObLG bei Holdheim 3, 35). Führt sie das mit Firma hinzuerworbene Geschäft als Zweigniederlassung weiter, so verlangte früher die Rechtsprechung Gleichheit der Firma auch für die Zweigniederlassung und ließ für diese nur unterscheidende Zusätze zu (RG 114, 320; K G in O L G R 41, 193). Neuerdings läßt das Kammergericht ( J F G 8, 146; vgl. auch 13, 65; O L G München H R R 1937, 460) für die Firma der Zweigniederlassung — an demselben oder einem andern Ort — völlig freie Wahl, sofern sich daraus nur klar ergibt, daß und wovon die Niederlassung eine Zweigniederlassung ist (Rheinisch-Westfälische Familienhilfe, Begräbnis- und Sterbekasse, Zweigniederlassung der E. Deutscher Bestattungs- und Lebensversicherungsverein AG.). Das ist mit der auf Grund des § 28 F G G ergangenen Entsch. R G 1 1 3 , 213 vereinbar. Diese freiere Auffassung ist vorzuziehen; sie entspricht einem Bedürfnis, wie der Fall R G 114, 320 zeigt. Die Zweigniederlassung kann nicht mit ihrer Firma, die sie als Zweigniederlassung kennzeichnet, veräußert werden. Wohl aber kann dem Erwerber gestattet werden, sich als Nachfolger der Zweigniederlassung zu bezeichnen. Zulässig ist, daß eine AktG ein Handelsgeschäft mit Firma erwirbt und, ohne davon für ihre Firma Gebrauch zu machen, weiterveräußert ( K G in D J Z 1902, 202). Veräußert sie ihr eigenes Geschäft mit Firma, so nötigt sie der mit dem Erwerber geschlossene Vertrag, ihre Firma durch Satzungsänderung zu ändern (RG 107, 33). Veräußert der Konkursverwalter einer AktG ihr Geschäft mit Firma, so wird (mit SchlegelbergerQuassowski Anm. 19) anzunehmen sein, daß die Firma der AktG ohne weiteres erlischt. Anm. 5 4. Für die Aktiengesellschaften, die s c h o n a m 1 . J a n u a r 1900 b e s t a n d e n h a b e n , bleibt es auch nach dem AktGes bei der Vorschrift des Art. 22 Einf. z. HGB. Danach konnten die damals zulässigerweise eingetragenen Firmen weitergeführt werden, und es bedurfte des Zusatzes „Aktiengesellschaft" nur dann, wenn die Firma aus Personennamen zusammengesetzt war und nicht erkennen ließ, daß eine AktG die Inhaberin sei. Entsprechendes wurde für Kommanditgesellschaften auf Aktien bestimmt. Vgl. hierzu K G J 20 A 40. Daher konnten die Aktiengesellschaft „Deutsche Bank" und die Kommanditgesellschaft auf Aktien „Disconto-Gesellschaft" ihre Firmen ohne Zusatz 3*

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§5 A n m , 6, 7

I. Buch: Aktiengesellschaft

fortführen. Die Fortführung ohne den Zusatz ist auch dann gestattet, wenn eine AktG die Firma ohne ihn berechtigterweise geführt hatte und dann nach § 22 HGB eine andere AktG die Firma als abgeleitete weitergeführt (LG Mannheim in J W 1930, 1434). Als die Deutsche Bank und die Disconto-Gesellschaft sich im Jahre 1929 vereinigten, wurde auch die neue Firma „Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft" ohne den Zusatz „Aktiengesellschaft" mit Recht für zulässig gehalten, wenn auch nicht ohne Widerspruch (vgl. Brodmann J W 1929, 3364). Ebenso zulässig war die Rückkehr zur alten Firma „Deutsche Bank". Anm. 6 6. Eine AG mit unzulässiger F i r m a ist nicht einzutragen. Ist es dennoch geschehen, so ist dagegen mit dem Verfahren wegen Firmenmißbrauchs nach § 37 Abs. 1 HGB, mit der Nichtigkeitsklage nach den §§ 2i6fF. AktG oder mit dem Amtslöschungsverfahren nach § 144 FGG vorzugehen. Der Mangel kann durch Satzungsänderung geheilt werden (§ 217). Dasselbe gilt, wenn die Firma nachträglich unzulässig wird, weil sie den Verhältnissen nicht mehr entspricht (§18 Abs. 2 HGB). Namentlich ist auch in diesem Fall das Verfahren nach § 144 FGG für zulässig zu halten (so mit Recht Schlegelberger-Quassowski Anm. 20 mit Crisolli J W 1935, 434, TeichmannKöhler §4 Anm. 3 und Hildebrandt DFG 1936, 50 gegen K G J W 1935, 434). Anm. 7 III. Wirtschaftlich stellt die Firma nach der Verkehrsanschauung einen Vermögenswert dar, sog. F i r m e n w e r t , der in der Bilanz einer AG aber nur ausnahmsweise bei Übernahme eines Unternehmens aktiviert werden darf, § 133 Ziff. 5, vgl. dort Anm. 1 1 . Nach den RückerstattungsGes. ist der Firmenwert zur Bestimmung des „angemessenen Kaufpreises" aber ausdrücklich zu berücksichtigen, Art. 3 Abs. 3 US. R E G , Art. 3 Abs. 2 br. REG. § 5 Sitz Als Sitz der Aktiengesellschaft ist in der Regel der Ort, wo die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder der Ort zu bestimmen, wo sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Übersicht I. Entstehungsgeschichte . .

Anm.

II. Sitz der Aktiengesellschaft 1. Mögliche Ortswahl . . 2—2a 2. Rechtsnatur des Sitzes 3 3. Unzulässiger Sitz . . . 4 4. Gerichtsstand . . . . 5 5. Doppelsitz 5» 6. Sitzverlegung . . . . 6 7. Sitzverlegung deutscher Aktien-Gesellschaften bei Enteignung in den Ostgebieten 6a III. Internationales Privatrecht A. Allgemeine Rechtssätze . 1. Personalstatut der Aktiengesellschaft 2. Anerkennung ausländischer Aktiengesellschaften 3. Rechtsfähigkeit 36

B. Untergang, insbesondere Enteignung 1. Allgemeines 2. Enteignungen von Aktiengesellschaften 3. Anerkennung von Enteignungen 4. Entschädigungslose Enteignung a) der Gesellschaft . . b) Rechtsstellung der Aktionäre c) Schutz der Gläubiger und Aktionäre d) Enteignung von Mitgliedschaftsrechten . e) Teilweise Enteignung von Mitgliedschaftsrechten . . 5. Spaltungstheorie . IV. Internationale Gesellschaften

Anm.

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt— Meyer-Landrut)

§ 5 A n m . 1—4

Anm. 1 1. Die Vorschrift ist neu. § i8a HGB begnügte sich damit, daß der Sitz der AG im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden müsse, schrieb aber nichts darüber vor, welcher Ort zu wählen sei. Da auch § 24 BGB als Sitz eines Vereins den Ort, wo die Verwaltung geführt wird, nur dann gelten läßt, wenn nichts anderes bestimmt ist, so nahm die herrschende Meinung an, daß eine AG zu ihrem Sitz jeden beliebigen deutschen Ort — allerdings keinen ausländischen (RG 107, 97) — bestimmen könne, auch wenn dort weder die Verwaltung geführt noch irgend etwas anderes betrieben werde (vgl. z. B. RG bei Holdheim 11, 125; J W 1905, 2 5 29 ; LZ 1918, 611®; KGJ 39 A 118). Das war mißbraucht worden, um an kleineren Orten eine Eintragung zu erreichen, die bei den mit dem Handelsverkehr besser vertrauten Großstadtgerichten nicht zu erlangen gewesen wäre (Begr.). Solchem Mißbrauch macht das Gesetz ein Ende. Anm. 2 II. 1. Das Gesetz stellt für die Regel nur drei Orte zur Auswahl, nämlich 1. den Ort, wo die AG einen Betrieb hat. Das braucht nicht der Hauptbetrieb zu sein. Es genügt, daß sich irgendein Betrieb dort befindet, wenn er nur nicht so winzig ist, daß damit das Gesetz umgangen wird. Es kann aber auch 2. der Ort gewählt werden, wo sich die Geschäftsleitung befindet, oder 3. der Ort, wo die Verwaltung geführt wird. Die Orte zu 2. und 3. können verschieden sein, meistens wird sich aber wohl an dem Ort, wo die Verwaltung geführt wird, auch die Geschäftsleitung befinden. Da das Gesetz zu 1. von „einem" Betrieb, zu 3. aber von „der" Verwaltung spricht, so wird unter Verwaltung die Hauptverwaltung verstanden werden müssen (a. M. SchlegelbergerQuassowski Anm. 3). Alles dies gilt nur als Regel. Das Registergericht kann eine Ausnahme zulassen, wird dies aber nur dann zu tun haben, wenn es durch ein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt wird. Anm. 2 a Der Sitz der AG muß Im Inland liegen (BGHZ 19, 105). Er bestimmt das zuständige deutsche Registergericht (Anm. 3). Anm. 3 2. Der „Sitz" einer juristischen Person entspricht dem Wohnsitz einer natürlichen. Während aber diese mehrere Wohnsitze haben kann (§ 7 Abs. 2 BGB), ist das für den Sitz einer juristischen Person bestritten, für die AG jedenfalls grundsätzlich zu verneinen (vgl. aber Anm. 5 a). Das folgt schon aus § 5, im übrigen aber auch aus dem Erfordernis der Eintragung beim Registergericht des Sitzes (§§ 28, 148 Abs, 3) und aus der Zuständigkeitsvorschrift für die Anfechtungsklage (§199 Abs. 3). Vgl. auch KGJ 13 A 45; 20 A 39; 35 A 355. Der Sitz muß in einer bestimmten Gemeinde liegen; die Angabe eines Sammelnamens für mehrere Gemeinden kann in der Satzung nicht zugelassen werden (RG 59, 109 oben). Der Sitz begründet den allgemeinen Gerichtsstand (Anm. 5) und die Zuständigkeit des Reg.-Gerichts, § 14 (s. dort Anm. 2), ferner im Inland die unbeschränkte Steuerpflicht, § 1 KörpStGes., vgl. auch § 15 StAnpGes. Nach deutschem Internationalem Privatrecht ist der Sitz auch maßgebend für das Personalstatut (RGZ 92, 73; 159, 33 ff. [46]) und die damit eng verknüpfte Frage der „Staatsangehörigkeit" einer AG (vgl. dazu Serick, S. 120ff. mit Nachweisen). Anm. 4 3. Eine AG mit unzulässigem Sitz, z. B. einem ausländischen, ist nicht einzutragen. Ist es dennoch geschehen und wird auch nachträglich keine Ausnahme bewilligt, so ist mit der Nichtigkeitsklage nach den §§ 216 ff. oder mit dem Amtslöschungsverfahren nach § 144 FGG vorzugehen. Dasselbe gilt, wenn der Sitz nachträglich unzulässig wird, sowie dann, wenn eine beim Inkrafttreten des Aktiengesetzes schon bestehende AG einen unzulässigen Sitz beibehält (vgl. § 4 Anm. 6; SchlegelbergerQuassowski Anm. 8, 9, 11 zu § 5). Satzungsänderung kann auch diesen Mangel heilen (§217). 37

§ 5 A n m . 5, 5 a

I. Buch: Aktiengesellschaft

Arnn. 5 4. Der als Sitz gewählte Ort gilt als Hauptniederlassung der AG für alle Rechtsverhältnisse (RG 50, 106; K G J 39 A 118). Dort hat die AG auch ihren allgemeinen Gerichtsstand nach § 17 Abs. 1 ZPO (RG 59, 107), selbst wenn die Verwaltung an einem anderen Ort geführt wird; maßgebend auch für den Gerichtsstand nach § 17 Abs. 1 ZPO ist immer der durch die Satzung bestimmte (und im HRegister eingetragene) Sitz (OGHBrZ in D R Z 1949, 469 = MDR 1949, 615). Daneben ist nach § 17 Abs. 3 ZPO ein satzungsmäßiger Gerichtsstand zulässig (RG 32, 385). Wird die Verwaltung an einem andern Ort geführt, so ist dort eine Zweigniederlassung (KGJ 39 A 118) und der besondere Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung nach § ai ZPO begründet (RG bei Holdheim 1 1 , 125), ebenso an anderen Orten, wo sich Zweigniederlassungen (§ 35) befinden. Da es nur einen Sitz gibt (Anm. 3, vgl. aber Anm. 5a), so hat die AG auch nur eine Hauptniederlassung (BayObLG in L Z igi5, 147). Liegt sie im Ausland, so ist die AG eine ausländische (RG 83, 367; K G in L Z 1929, 786) und kann nicht daneben noch eine inländische Hauptniederlassung haben, wohl aber inländische Zweigniederlassungen (§37; BayObLG R J A 9, 40); in diesem Fall handelt es sich nicht um eine nach deutschem Recht gegründete AG, die notwendig ihren Sitz im Bundesgebiet haben muß. Anm. 5 a 5. Obgleich das AktGes. seinem Wortlaut nach davon ausgeht, daß eine A G nur einen Sitz haben kann, vgl. insbes. §§ 14, 28, 38, 105 Abs. 3, 199 Abs. 3, ist unter dem Zwang der politischen Verhältnisse nach 1945 die Zulässigkeit eines mehrfachen Sitzes mit Recht anerkannt worden, vgl. W. Schmidt, J R 1949, 208 und die dort gegebenen Nachweise, sowie die bei Baumbach-Hueck, § 5 Anm. 2 B zitierten Entscheidungen und Aufsätze. Viele Gesellschaften sahen sich einerseits aus wirtschafts-, Steuer- und währungsrechtlichen Notwendigkeiten veranlaßt, neben ihrem Sitz in Berlin oder in der Ostzone einen gleichwertigen Sitz im Westen zu begründen, wobei sich andererseits, aus gleichfalls zwingenden Gründen, eine Sitzverlegung in den Westen verbot. In entsprechender Anwendung der §§ 24, 7 Abs. 2 BGB ist demnach von den Registergerichten in vielen Fällen ein Doppelsitz zugelassen worden, vgl. etwa AG Bonn in BB 1948, 462; AG Heidelberg in SJZ 1949, 342 mit Anm. von Geßler; L G Köln in NJW 1950, 352 mit Anm. von Vogel und 871; dagegen K G in MDR 1950, 740 mit weiteren Nachweisen. Auch der Gesetzgeber ist in letzter Zeit verschiedentlich von dem Vorhandensein eines Doppelsitzes ausgegangen, § 62 WertpapierBerGes. vom ig. 8. 49 (WiGBl. 295); § 15 Ges. über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien während der Wertpapierbereinigung vom 19. 10. 50 (BGBl. 690); § 5 der 3. DVO vom 27. 6. 48, § 2 der 35. DVO vom 1. 10. 49, § 1 der 43. DVO vom 10. 1. 50 zum UmstellungsGes., § 1 Abs. 5 Berliner DMBilGes. vom 12. 8. 50 (VOB1. Groß-Berlin, I Nr. 51) und §5 1. DMBilErgGes. vom 28. 12.50 (BGBl. I 811). (Dagegen sah §2 DMBilGes. nur die Möglichkeit der vereinfachten Eintragung einer Zweigniederlassung, nicht einer Hauptniederlassung vor, wenn ein Unternehmen seinen Sitz außerhalb des Währungsgebiets hat.) Man wird daher sagen müssen, daß in den Fällen, wo durch die Teilung Deutschlands für die einzelnen Gesellschaften eine zwingende wirtschaftliche Notwendigkeit die Begründung eines mehrfachen Sitzes erforderlich macht, diese auch heute noch unter Berücksichtigung des in § 62 WertpapierBerGes., den genannten DMBilGes. und den DVO zum UmstellungsGes. zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens zulässig ist und etwa sich ergebende Unzuträglichkeiten (etwa bei Bestimmung des Gerichtsstandes für Konkurs oder Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage nach §§ 199, 201 — vgl. auch § 199 Abs. 3 — oder bei der Frage nach den Rechtsfolgen konstitutiv wirkender Eintragungen, u. a. §§34, 148, 156, 177) in Kauf genommen werden müssen; im Einzelfall wird man die Belange der Gesellschaft und des Verkehrs durch geeignete Satzungsbestimmungen (vgl. W. Schmidt, J R 1949, 209) und, wie es geschehen ist, durch gesetzgeberische Maßnahmen wahren, vgl. auch die Begründung zu § 1 der 43. DVO zum UmstG (BAnz. 1950, Nr. 16, auch abgedruckt bei Harmening-Duden, Die Währungsgesetze, Erg.Bd. S. 215). An dem Grundsatz, daß eine AG nur einen Sitz haben kann, sollte 38

i . Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 5 A n m . 6, 6a

man aber nicht rühren. Daß so außergewöhnliche und unvorhersehbare Umstände, wie sie sich nach dem Zusammenbruch von 1 9 4 5 ergaben, auch auf dem Gebiete des Aktienrechts außerordentliche Maßnahmen zur Beseitigung drängender Notstände durch die Gerichte und den Gesetzgeber erforderlich machten, braucht nicht näher ausgeführt zu werden (wie hier auch Baumbach-Hueck, § 5 Anm. 2B), f ü r den Normalfall kann aber ein Doppelsatz im Interesse der Rechtssicherheit nicht zugelassen werden (so auch Godin-Wilhelmi, § 5 Anm. 1; Teichmann-Köhler, § 5 Anm. 3; Schilling in Hachenburg, § 3 Anm. 4 ; Vogel, NJW 1 9 4 9 , 3 5 2 und die dort mitgeteilte einhellige Meinung von Wissenschaft und Rspr. aus der Zeit vor 1 9 4 5 ) . — Die durch den Saarvertrag vom 2 7 . 1 0 . 5 6 (BGBl. II, 1 5 8 7 [ 1 6 3 4 ] ) konstituierte AG f ü r den saar-lothringischen Kohlenvertrieb hat kraft Gesetzes je einen gleichwertigen Sitz in Frankreich und in der Bundesrepublik; Art. 8 4 und Anlage 2 9 des Vertrages; über die „supra-nation a l e " AG vgl. Bärmann, NJW 1 9 5 7 , 6 1 3 und ders. in AcP, Bd. 1 5 6 S. 1 5 6 f r . Anm. 6 6. Über Sitzverlegung im Inland s. § 3 8 . Verlegt eine deutsche AG ihren Sitz ins Ausland, so hat das die Bedeutung eines Auflösungsbeschlusses (RG 7 , 7 0 ; 8 8 , 5 4 ; I0 7> 97> O L G Hamburg in LZ 1 9 0 8 , 2 5 3 1 0 ; K G in O L G R 4 2 , 2 2 7 Anm. 1 a). Dagegen sind deutsche AG nicht schon dadurch aufgelöst worden, daß das Gebiet, in dem sie ihren Sitz hatten, durch den Versailler Vertrag abgetreten worden ist. Verlegten diese Gesellschaften ihren Sitz ins Deutsche Reich, so war das keine Verlegung ins „Ausland", bedeutete also auch keine Auflösung (RG 1 0 7 , 9 9 ; K G in O L G R 4 3 , 2 0 1 ; in J W 1 9 2 6 , 1 3 5 1 ; Quassowski bei Gruchot 6 5 , 4 0 3 ) . Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das K G (KGJ 7 4 , 1 8 4 = J W 1 9 2 7 , 1 7 0 1 ® ) bei einer in der Nachkriegszeit in Danzig gegründeten AG eine Sitzverlegung nach Berlin zugelassen hat, ohne eine Unterbrechung der Rechtspersönlichkeit anzunehmen, weil die Voraussetzungen des deutschen Rechts bei der Gründung erfüllt worden waren (a. M. Teichmann-Koehler § 1 Anm. 6). Grundsätzlich muß eine ausländische AG, die ihren Sitz ins Inland verlegen will, eine Neugründung vornehmen, u m ins deutsche Handelsregister eingetragen werden zu können. Vgl. § 2 0 3 Anm. 7 3 . Anm. 6a 7 . Ähnliche Fragen wie nach dem ersten Weltkrieg (Anm. 6 ) ergeben sich nach 1 9 4 5 aus der Tatsache, daß insbesondere in der Ostzone und in den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie nach deutschem R e i c h s r e c h t errichtete Aktiengesellschaften entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt worden sind. Nach ostzonaler Praxis sind die Gesellschaften mit der Enteignung vernichtet und werden im Handelsregister gelöscht (vgl. O L G Dresden und Gera, BB 1 9 4 8 , 3 7 1 f.; Beitzke, BB 1 9 4 9 , 5 1 9 f r . ; N J W 1 9 5 2 , 8 4 1 ; Raape, Internat. Privatrecht, S. 627f.). Es entspricht jedoch einhelliger Überzeugung, daß derartige Enteignungen territorial begrenzt sind (vgl. u. a. O G H Z 1, 3 8 6 ; 4 , 9 ; BGHZ 2 , 2 2 2 ; 5 , 3 7 ; 1 2 , 8 2 ; 1 3 , 1 0 8 ) , so daß die enteignete Gesellschaft auch ohne formelle Sitzverlegung ins Bundesgebiet weiterhin existent ist, s o w e i t sie v o n d e r E n t e i g n u n g n i c h t e r f a ß t e s V e r m ö g e n hat (u. a. O G H Z 4 , 8 / 9 ; O L G Frankfurt/M., N J W 1 9 5 4 , 6 4 4 ; BGHZ 1 3 , 1 0 6 sowie Serick, RabelsZ. 1 9 5 5 , 8 6 ; Friedrich, SJZ 1 9 4 8 , 2 4 ; Beitzke M D R 1 9 4 9 , 7 5 9 und N J W 1 9 5 2 , 8 4 2 ; Kegel J Z 1951, 3 9 1 ; Raape, Internat. Privatrecht S. 6 2 9 ; Kuhn, W M 1 9 5 6 , 2 ( 5 ) jeweils mit weiteren Nachweisen). Steuerrechtlich ist eine derart fortbestehende Kapitalgesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig, vgl. BFH vom 2 8 . 8 . 5 6 in BB 1 9 5 6 , 8 4 3 mit Anm. Die Rechtsprechung des R G (z. B. R G Z 1 2 9 , 9 8 ) , die die nach dem ersten Weltkrieg in Rußland nationalisierten Aktiengesellschaften als in ihrer Existenz vernichtet betrachtete, ist f ü r die Frage nach den Folgen einer durch Staatsakt vernichteten, nach deutschem früheren Reichsrecht errichteten AG. ohne präjudizielle Bedeutung (BGH, 13, 1 0 8 ) , da sie den besonderen Regelungen und Verpflichtungen aus dem Rapallo-Vertrag vom 1 6 . 4 . 2 2 (RGBl. II, 6 7 7 ) Rechnung trug. Es erhebt sich die Frage, wo (unabhängig von oder vor einer möglichen Sitzverlegung, dazu die Anm. 1 o und 11 zu § 3 8 , und Teichmann-Köhler, § 2 0 3 , Anm. 6 g) der Sitz ostenteigneter Gesellschaften ist. Da jede AG zu jeder Zeit einen Sitz haben m u ß 39

§5 Anm. 7

I. Buch: Aktiengesellschaft

(§ 16), der wesentliche Voraussetzung für die Funktionsmöglichkeit der Gesellschaft ist (unzutreffend Beuck, Der Betrieb 1955, 829, der vor der Eintragung des West-Sitzes eine Art „Zweckvermögen" annimmt), der satzungsmäßige Sitz aber durch staatliche Eingriffe unter Verlust des gesamten Ostvermögens vernichtet ist, wird man für das Westvermögen automatisch mit Wegfall des satzungsmäßigen Ostsitzes einen Sitz i. S. des Gesetzes bestimmen müssen und zwar unter Berücksichtigung der in § 5 vorgesehenen örtlichen Beziehungspunkte (W. Schmidt, J R 1949, 553). Nur auf diese Weise kann man der richtigen Auffassung, daß die ostenteigneten Gesellschaften nur territorial begrenzt vernichtet worden sind, auch tatsächlich Geltung verschaffen. Der so bestimmte (neue) West-Sitz begründet, auch ohne handelsregisterliche Eintragung am Ort eines Betriebes oder am Sitz einer Verwaltung, die Zuständigkeit des Registergerichts (§ 14), insbesondere für die eventuelle Bestellung eines Notvorstands (§ 76) oder zur Ermächtigung der Aktionäre zur Einberufung einer Hauptversammlung gemäß § 106 Abs. 4, den allgemeinen Gerichtsstand usf. (Anm. 3). Fehlt ein Anknüpfungspunkt i. S. von § 5, etwa weil im Westen nur Forderungsrechte oder gewerbliche Schutzrechte vorhanden sind, so muß gegebenenfalls das zuständige Gericht nach § 5 Abs. 1 F G G bestimmt werden; vgl. dazu § 14 Anm. 2 a. Für Gesellschaften, die ihren Sitz in Gebieten hatten, in denen eine deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, gilt §§ 14, 15'Zuständigkeits-Erg.Ges. Die Bestellung eines Prozeßverteilers gem. § 57 Z P O (vgl. dazu O L G Köln in J M B 1 . N R W 1956, 257) muß jedoch gegebenenfalls durch das nach § 23 Z P O zuständige Gericht erfolgen.

Anm. 7 Internationales Privatrecht A. 1. Die Frage, ob ein korporatives Gebilde eigene Rechtspersönlichkeit hat, richtet sich nach dem Recht des Staates, der die Rechtsfähigkeit verliehen hat und damit in aller Regel auch nach dem Recht des satzungsmäßigen Sitzes ( P e r s o n a l s t a t u t ) , vgl. neuerdings Finkentscher, M D R 1957, 71. Für die Entstehung einer juristischen Person ist staatliche Verleihung Voraussetzung, sei es, daß sie auf besonderem Verwaltungsakte beruht, oder die Verleihung automatisch mit Erfüllung bestimmter Voraussetzungen kraft Gesetzes eintritt (so nach dem Normativsystem mit handelsregisterlicher Eintragung). Maßgebend ist also nicht das Recht des Landes, in welchem sich der (tatsächliche) Sitz der Gesellschaft befindet, sondern des Staates, nach dessen Recht die juristische Person entstanden ist. Der Theorienstreit, ob Sitz- oder Gründungstheorie, ist selten praktisch, da Gründungsrecht und Recht am Sitz der Gesellschaft meist zusammenfallen; im einzelnen muß auf Rechtsprechung und Schrifttum zum Internationalen Privatrecht verwiesen werden: Beitzke, Juristische Personen im Internationalpriva trecht und Fremdenrecht, 1938, S. 74 ff.; 86 ff. Raape, S. 189 ff.; Wolff, S. 95ff.; Schnitzer, Bd. I. S. 286ff.; Frankenstein, Bd. I. S. 439, 459; Geiler in Mitt. der Ges. f. V R 1933, S. 179 fr.; Nußbaum S. 137 fr.; R G Z 83, 369; 88, 53; 159, 46. In Deutschland wird zwar die Sitztheorie als herrschend bezeichnet (vgl. auch Anm. 1 zu § 3 7 ; Schilling in Hachenburg, Allg. Einl. Anm. 47; Godin-Wilhelmi, Anm. I zu § 3 7 ) ; doch mit so weitgehenden Durchbrechungen, daß sich in den Auswirkungen praktisch eine Übereinstimmung der beiden Theorien feststellen läßt. Für das deutsche Recht kömmt das auch darin zum Ausdruck, daß eine nach deutschem Recht errichtete A G ihren Sitz nicht ins Ausland verlegen kann, ohne sich aufzulösen (vgl. oben Anm. 6 und § 38 Anm. 9), daß sie demgemäß auch keinen Sitz im Ausland haben kann (BGHZ 19, 105) und daß eine ausländische A G , die ihren Sitz ins Inland verlegen will, die Vorschriften des deutschen Rechts über die Neugründung beachten muß. Daher kann die Sitztheorie aufrechterhalten werden, wenn sie sich mit einem nominellen, statutarischen Sitz, also einem fiktiven Sitz begnügt und einen effektiven Sitz im Inland nicht verlangt (vgl. R G Z 99, 218; 1 1 7 , 2 1 7 ; J W 1920, 49f.). 2. Z u unterscheiden von der Frage nach dem Recht, unter dem die A G entsteht (Personalstatut) ist die Frage der Anerkennung der A G außerhalb des ihr Personalstatut bestimmenden Staates (vgl. Beitzke a. a. O. S. 42f.). Auch die Anerkennung ist eine Frage des Internationalen Privatrechts. Sie beurteilt sich durch kollisionsrechtliche

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt

Meyer-Landrut)

§ 5 Anm. 8

Verweisung auf das ausländische Recht, nach welchem die Rechtsfähigkeit verliehen ist. Für den Bereich des anerkennenden Staates ist also die Rechtsfähigkeit eines Personengebildes nach den Normen des Verleihungsstaates zu beurteilen (Art. 10 EGBGB; Beitzke S. 46; aus den Entwürfen des BGB wurde die Bestimmung: „Die juristische Persönlichkeit wird nach den Gesetzen des Ortes beurteilt, an dem die juristische Person ihren Sitz hat" als überflüssig gestrichen). Das deutsche Recht erkennt Personengebilde, denen nach ausländischem Recht Rechtspersönlichkeit verliehen worden ist, als juristische Personen eo ipso an (RGZ 83, 367; 117, 215; Beitzke a. a. O. S. 108; Raape, S. 193). Eine Ausnahme hat das R G für den Fall gemacht, daß die zu Umgehungszwecken im Ausland begründete Gesellschaft ihren wirklichen Sitz in Deutschland hat ( J W 1904, 231). Darüber hinaus kann die Anerkennung auch sonst im Einzelfall aus Gründen des ordre public (Art. 30 EGBGB) zu versagen sein (vgl. insbesondere unten Anm. 8; ferner Beitzke, S. 109). Häufig wird die gegenseitige Anerkennung in Staatsverträgen gewährleistet (Einzelheiten siehe bei Palandt, Art. 10 EGBGB, Anm. 5). 3. Die Anerkennung der ausländischen juristischen Person als solcher besagt noch nicht, daß der anerkennende Staat in jeder Beziehung für ihre inländische Rechtsstellung das ausländische Heimatrecht zur Anwendung kommen läßt. Das ist wichtig für den Umfang der Rechtsfähigkeit, insbesondere die Vertretungsmacht der Organe. Im Gegensatz zu der kontinentalen Rechtsordnung, in der der Grundsatz der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Vorstands der AG gilt (§ 73) > herrscht im anglo-amerikanischen Rechtsgebiet die ultra vires-Lehre, nach der der Vorstand nur im Rahmen der satzungsmäßigen Ermächtigung die Gesellschaft verpflichten kann. Der gutgläubige Vertragsgegner ist grundsätzlich nicht geschützt. Im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs ist in analoger Anwendung des für natürliche Personen geltenden Art. 7 Abs. 3 EGBGB das Recht des Heimatstaates für den Umfang der Vertretungsmacht der Organe der AG nicht anzuerkennen, sondern die lex loci actus zurunde zu legen. Eine ausländische AG, die durch Vertreter im Inland Rechtsgeschäfte tätigt, muß sich also im Rechtsverkehr so behandeln lassen, wie eine inländische AG. Hat ihr das Heimatrecht Rechtsfähigkeit verliehen, so muß der Schutz, den ihr gesetzliche Beschränkungen der Vertretungsmacht ihrer Organe gewähren, hinter den Interessen der Vertragsgegner, mit denen sie im Ausland in Rechtsverkehr tritt, zurücktreten, wenn das ausländische Recht diese schützenden Beschränkungen nicht kennt (Beitzke a. a. O., S. 116ff.; vgl. BGH in NJW 1954, 1561 für ausländische Agenten). Demgemäß ist eine Berufung einer ausländischen Gesellschaft auf die ultra vires-Lehre im Rechtsverkehr mit Deutschland vor dem deutschen Richter unbeachtlich. Anm. 8 B. 1. So wie der nach ausländischem Recht existenten juristischen Person die Anerkennung im Inland regelmäßig nicht zu versagen ist, so ist auch der U n t e r g a n g einer ausländischen Gesellschaft im Inland zu beachten, da auch hier das Personalstatut maßgebend ist (Anm. 2 zu 37; Godin-Wilhelmi, § 37 Anm. I ; O L G München, RiW 1956, 127; OLG Frankfurt in OLG Rspr. 16, 100; Beitzke a . a . O . S. 135ff.; Raape, S. 627). Wird also eine juristische Person durch Beschluß ihrer Gesellschafter, infolge Konkurses oder von Staats wegen aufgelöst, so erstreckt sich die Wirkung dieser Maßnahme auch über die Grenzen des Sitzstaates hinaus. Das ist an sich unbestritten und unbestreitbar. Einzelmaßnahmen mögen bei Art. 30 EGBGB oder anderen Sondervorschriften (vgl. etwa Art. 31 EGBGB; §237 K O ) ihre Grenzen finden. 2. Erhebliche Bedeutung hat die Frage nach der inländischen Rechtswirksamkeit von Maßnahmen ausländischer Staaten jedoch nach 1945 wieder im Zusammenhang mit, meist entschädigungslos, durchgeführten E n t e i g n u n g e n juristischer Personen oder ihrer Gesellschafter, insbes. den sog. Nationalisierungen in den Oststaaten, gewonnen. Soweit Enteignungen in der russischen Besatzungszone, der jetzigen DDR, in Frage stehen (also i n t e r l o k a l r e c h t l i c h e Probleme), herrscht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, daß nach früherem Reichsrecht errichtete Aktiengesellschaften im Gebiet der Bundesrepublik, soweit sie dort von der Enteignung nicht

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§5

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 8 erfaßtes Vermögen haben, als Rechtspersönlichkeit fortbestehen, und zwar, entweder, falls entsprechende Maßnahmen von den Organen der Gesellschaft ergriffen werden, als werbende Gesellschaft oder als Liquidationsgesellschaft, unabhängig davon, ob die Gesellschaft für den Bereich der Ostzone aufgelöst und gelöscht ist (vgl. oben Anm. 6 a). Weigern sich die Organe der Gesellschaft, ein ordnungsgemäßes Liquidationsverfahren durchzuführen, können Abwickler gemäß § 206 Abs. 2 oder § 214 Abs. 4 mit § 145 Abs. 1 F G G durch das Gericht bestellt werden (die Zuständigkeit richtet sich nach § 14, s. dort Anm. 2 a). Außerdem können Gläubiger, falls im Westen Vermögen vorhanden ist, vertretungsberechtigte Organe aber fehlen, gegebenenfalls die Bestellung eines Prozeßvertreters gemäß § 57 Z P O verlangen ( O L G Köln, JMB1. N R W 1956, 257). Das gilt auch für die nach deutschem Recht errichteten A G in Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie, die unter ausländische Territorialhoheit gelangt sind. V o n einer Spaltung der A G in diesen Fällen zu reden, ist unzutreffend (wie hier Raape, S. 629; anders K u h n W M 1956, 6). Das Ostvermögen der enteigneten Gesellschaft ist zwar verloren, sie besteht aber ohne weiteres im Westen fort, während sie im Osten praktisch und rechtlich vernichtet ist; der das Ostvermögen in der Regel erwerbende VE-Betrieb in der D D R ist weder kraft Rechtsnachfolge noch kraft Vermögenserwerbs mit dem früheren Vermögensträger, der enteigneten A G verbunden; er verwaltet vielmehr staatliches Sondervermögen (s. Westermann, BB 1956, 1159). 3. V o n den allein den deutschen Rechtsbereich betreffenden interlokalrechtlichen Konflikten sind aber zu scheiden die i n t e r n a t i o n a l p r i v a t r e c h t l i c h e n E n t e i g n u n g s p r o b l e m e (Lewald, RabelsZ 1956, 132; nicht zutreffendBeitzke J Z 1956, 673). D a ß ausländischen entschädigungslosen Enteignungen im Inland die Anerkennung zu versagen ist, folgt aus Art. 30 E G B G B (vgl. Art. 14 Abs. 3 G G ) . Werden jedoch Enteignungen n i c h t entschädigungslos durchgeführt, so fehlt jeder Anlaß, entsprechenden Maßnahmen keine extraterritoriale Wirkung zuzusprechen, da heute beim besten Willen nicht mehr behauptet werden kann, staatliche Eingriffe in Privatvermögen widersprächen dem ordre public (vgl. Art. 15 G G ) . Darüber hinaus können naturgemäß auch entschädigungslose Enteignungen staatsvertraglich und damit auch die Gerichte bindend anerkannt werden (entsprechende Bestimmungen finden sich in den meisten neueren Friedensverträgen; vgl. Art. 3 Abs. 3, Teil V I des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen i. d. F. vom 23. 10. 54, BGBl. I I 1955, 405 und früher A H K G e s . Nr. 63 Amtsbl. 1951, 1107 sowie O L G Düsseldorf in BB 1954, 331 und B G H vom 13. 12. 56 in W M 1957, 56). 4. Liegt jedoch eine e n t s c h ä d i g u n g s l o s e E n t e i g n u n g vor, deren Wirkungen entsprechend den übereinstimmenden Rechtsvorstellungen der westlichen Welt nicht über den Machtbereich des enteignenden Staates reichen und die nicht auf Grund von Staatsverträgen hingenommen werden müssen (vgl. oben), so ist zu unterscheiden, ob die Gesellschaft selbst, die Aktionäre oder ein Teil der Aktionäre enteignet worden ist. Die hierzu neuerdings entwickelte S p a l t u n g s t h e o r i e (Kuhn W M 1956, 6, Beitzke, J Z 1956, 673, Seidl-Hohenveldern, Internationales Konfiskation und Enteignungsrecht. S. 114fr., 125fr., Ficker, Grundlagen des deutschen interlokalen Rechts, S. 147fr.) geht in dem Bestreben, Unrechtstatbeständen zu begegnen, viel zu weit. Ihr kann insoweit nicht gefolgt werden, als sie, um zu ihrem Ziel zu gelangen, die gesetzlichen Grundlagen des Aktienrechts beiseiteschiebt und die sich aus Art. 30 E G B G B ergebenden Möglichkeiten verkennt. Eine A G kann nur nach dem Recht, unter dem sie errichtet ist, entstehen und untergehen. V o n ihr kann nicht eine zweite A G als selbständige Rechtspersönlichkeit „abgespalten" werden, es sei denn in den Formen einer Ausgründung, also unter Beachtung der f ü r die Errichtung einer neuen A G im eigenen oder fremden Land geltenden Gesetzesbestimmungen. Es gibt nicht eine Vernichtung der A G im ausländischen enteignenden Sitzstaat und einen Fortbestand dieser A G mit dem inländischen enteignungsfreien Vermögen als einer nunmehr inländischen A G , sondern es gibt in diesem Fall im Inland nur ein von der Enteignung nicht ergriffenes Vermögen dieser selben ausländischen A G , die insoweit als fortbestehend gedacht wird. Ebensowenig gibt es bei Aufrechterhaltung der A G im enteignenden Sitzstaat eine automatische Bildung einer inländischen A G mit dem im Inland befindlichen, von der Enteignung nicht betroffenen Vermögen. Art. 30 E G B G B ermöglicht nur, ausländisches Recht

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§ 5

Anm. 9

nicht anzuerkennen, seineWirkungen abzuwehren, nicht aber, an Stelle des ausländischen Rechts etwas Neues zu setzen, das dem eigenen Recht zuwiderläuft. Das könnte nur der Gesetzgeber, indem er das erwünschte Neue zum Gesetz erhebt. Unter diesen Gesichtspunkten sind die drei eingangs in dieser Ziffer genannten Fälle und die Behandlung, die sie bisher in Rechtsprechung und Literatur erfahren haben, zu überprüfen. Anm. 9 a) Wird allein die Gesellschaft, d. h. werden ihre Betriebsstätten und ihr sonstiges Vermögen unter Vernichtung ihrer Rechtspersönlichkeit e n t e i g n e t , so werden nach dem Territorialitätsprinzip, das die Wirkung von Hoheitsakten eines Staates auf sein Hoheitsgebiet beschränkt, die außerhalb des enteignenden Staates belegenen Vermögenswerte von der Enteignung nicht ergriffen. Sie verbleiben in ihrer bisherigen Schuldverhaftung. Sie sind nach wie vor dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger im Belegenheitsstaat ausgesetzt. Zur Durchführung eines Prozesses wäre ein Vertreter gemäß § 57 ZPO zu bestimmen. Das Vermögen ist nicht herrenlos, wie Raape S. 628 und L G Mannheim BB 1948, S. 92 meinen. Nach Art. 30 EGBGB wird, ebenso wie die Enteignung, auch die Vernichtung der Rechtspersönlichkeit nicht anerkannt. Für den Bereich außerhalb des enteignenden Staats wird die A G als fortbestehend gedacht, soweit dies gegenüber ihren Gläubigern und Aktionären erforderlich ist, d. h. so lange sie Vermögen außerhalb des enteignenden Staats hat. Dadurch werden aber weder der Status der AG, noch die Rechtsstellung ihrer Gläubiger und Aktionäre verändert. Die A G bleibt eine „ausländische" Körperschaft; sie verwandelt sich nicht in eine A G unter dem Recht des Staats, in dessen Gebiet Vermögen liegt; denn sie ist nicht unter den Kautelen dieses Rechts errichtet. Die Aktionäre sind zwar nach wie vor w i r t s c h a f t l i c h Träger des enteignungsfreien Vermögens; die Vernichtung der Rechtspersönlichkeit der A G hat aber nicht die Wirkung, daß für die Aktionäre unmittelbare Rechte oder rechtliche Beziehungen an dem Gesellschaftsvermögen entstehen. Die Aktionäre haben nach wie vor keinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und keine Verfügungsmacht darüber; sie können daher auch nicht das von der Enteignung unberührte Vermögen, das ihnen nicht gehört und in erster Reihe den Gläubigern der A G haftet, im Wege der Sacheinbringung für die Neugründung einer neuen inländischen Gesellschaft verwenden (RGZ 129, 105 fr.; anders Kuhn aaO. S. 6). Die Aktionäre bilden demgemäß mit Bezug auf das außerhalb des enteignenden Staates belegene enteignungsfreie Vermögen weder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (so offenbar österr. Ob. Gerichtshof RiW 1956, 75), noch eine Gemeinschaft nach Bruchteilen. Die Aktionäre haben vielmehr mit Bezug auf das enteignungsfreie Vermögen der A G die bisherige Rechtsstellung nach dem Recht des enteignenden Staates und gemäß ihrer Satzung. Das bedeutet, daß sie, soweit dies nach Lage des Falles möglich ist, die aus ihrem Aktienrecht fließenden Herrschafts- und Vermögensrechte ausüben können. Das wird sich danach richten, inwieweit funktionsfähige Organe der A G (Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung) im Belegenheitsstaat des enteignungsfreien Vermögens fortbestehen oder gebildet werden können. Wenn die A G nur wenige Aktionäre hatte, die sämtlich oder in überwiegender Zahl außerhalb des Enteignungsstaats tätig werden können, steht nichts im Wege, daß sie eine Hauptversammlung abhalten und die Verwaltungsorgane, soweit die bisherigen nicht verfügbar sind, bestellen. Das muß aber nach dem Recht, dem die vernichtete A G unterworfen war, und nach der Satzung, die für die A G gilt, durchgeführt werden, nicht nach dem Recht des Belegenheitsstaats des enteignungsfreien Vermögens ( R G Z 129, 105; O L G München RiW 1956, 128). Die A G bleibt, soweit sie als fortbestehend gedacht wird, ausländische AG. Demgemäß ist im Inland kein Registergericht zuständig. Es erfolgt keine Eintragung der A G im Handelsregister (wie sollte dies für eine ausländische A G zulässig sein?). Kein Registerrichter ist zuständig, Not-Abwickler oder einen Notaufsichtsrat (soweit er im ausländischen Recht vorgesehen ist) zu bestellen oder einzelne Aktionäre zur Einberufung einer Hauptversammlung zu ermächtigen (vgl. Rheinboldts, NJW 1954, 1829). So hat der BGH es in der Entscheidung B G H 19, 108 abgelehnt, ein zuständiges Registergericht zu bestellen, weil die Aktionäre — es handelt sich um eine Einmann-AG — ohne weiteres eine Hauptversammlung abhalten könnten. In dieser Weise muß man

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§5 Anm. 9

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der AG, wenn die Nichtanerkennung der Vernichtung der Rechtspersönlichkeit gemäß Art. 30 E G B G B einen Sinn haben soll, auch praktisch ein Fortleben ermöglichen, vorausgesetzt, daß die Aktionäre dies können oder wollen. Nur muß dies im Rahmen des ausländischen Rechts, dem die A G untersteht, geschehen. Damit verbietet sich regelmäßig die Annahme des Fortbestehens eines werbenden Unternehmens. Auch wenn sich z. B. das Fürstentum Liechtenstein einfallen lassen sollte, die nach seinem Recht mit dem Sitz in Vaduz errichteten Briefkastengesellschaften, deren Vermögen, Organe und Aktionäre sich im Ausland befinden, zu enteignen, könnte man praktisch nur über eine Liquidation der enteigneten Gesellschaft zu einer Neugründung unter dem Recht des Staats, in dem sich das Vermögen der A G oder die Leitung des Unternehmens befindet, schreiten. Es kann also eine im Sitzstaat enteignete A G im Ausland nur zum Zweck der Abwicklung als fortbestehend gedacht werden. Die Abwicklung ist nach den Normen des Staates, dem die A G unterworfen war, nach ihrer Satzung und nach den allgemeinen Grundsätzen des Korporationsrechts durchzuführen. Soweit Gesetzesvorschriften und Satzungsbestimmungen formaler Art wegen der im Sitzstaat vorgenommenen Enteignung und Vernichtung der Rechtspersönlichkeit im Belegenheitsstaat des Vermögens nicht befolgt werden können, müssen die Lücken vernünftig unter Berücksichtigung der veränderten Umstände ausgefüllt werden. Die Anrufung einer Instanz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie sie das deutsche Aktienrecht in dem Registerrichter vorsieht, ist mangels Zuständigkeit nicht möglich (BGHZ 19, 108). Die ordentlichen Gerichte haben in Streitfallen zu entscheiden; die genannten Bestimmungen und Grundsätze, unter denen sich die Abwicklung einer ausländischen A G im Inland zweckmäßig vollziehen muß, sind dabei zugrundezulegen. Die hier vertretene Meinung gelangt nicht zu der Annahme mehrerer Liquidationsgesellschaften, wenn sich in verschiedenen Ländern enteignungsfreies Vermögen befindet (so Beitzke J Z 1956, 675); dort wo sich die enteignete A G wieder funktionsmäßig macht, ist ihr Sitz; in allen Ländern, in denen sie Vermögen hat, ist und bleibt sie die einheitliche ausländische A G . b) Was die Vermögensrechte der Aktionäre betrifft, so stehen sie, soweit ihnen aus ihrem Aktienrecht Gläubigerrechte (z. B. Dividendenansprüche) bereits erwachsen waren, den Gesellschaftsgläubigern gleich (§ 1 Anm. 13 oben). Im übrigen sind sie auf ihr Recht auf anteilmäßige Ausschüttung eines Liquidationsüberschusses beschränkt. Werden ohne ordnungsmäßige Liquidation bereits Ausschüttungen vorgenommen, so haftet der begünstigte Aktionär ohne Rücksicht auf Gutgläubigkeit (entsprechende Anwendung des § 56). Erst nach voller Gläubigerbefriedigung kommen die Aktionäre mit ihrem Anspruch zum Zuge. c) In den meisten Fällen werden funktionsfähige Organe im Belegenheitsstaat des enteignungsfreien Vermögens nicht vorhanden sein und nicht gebildet werden können (vgl. O L G München in RiW 1956, 127 für eine in der Tschechoslowakei enteignete Gesellschaft); bisweilen werden auch die Aktionäre selbst kein Interesse an den Fortbestand der Gesellschaft haben, wenn sie aus einer Liquidierung des enteignungsfreien Vermögens nichts zu erwarten haben. Dann ist eine Abwicklung im üblichen Verfahren nicht möglich. Die Betreuung und Verwendung des enteignungsfreien Vermögens muß nach den Grundsätzen erfolgen, nach denen sonst verfügungslos oder verwaltungslos gewordenes Vermögen zu behandeln ist. Die Rechte der Gläubiger und auch der Aktionäre, soweit sie Gläubigerrechte erworben haben, sind gegenüber diesem Vermögen durchsetzbar (Bestellung eines Prozeßvertreters gemäß § 57 ZPO). In dem jeweiligen Rechtsgebiet, in welchem sich Vermögen der enteigneten A G befindet, kann durch Pflegerbestellung eine ordnungsgemäße Verwaltung des Vermögens gewährleistet werden. Sollten die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts nicht ausreichen (vgl. §§ 1 9 1 1 , 1 9 1 3 BGB), wird es Aufgabe des Gesetzgebers sein, in auftretenden Fällen die zum Schutze der Vermögensinteressen seiner Staatsangehörigen erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. die V O über Abwesenheitspflegschaftfür die OLG-Bezirke der britischen Zone, etwa für Düsseldorf vom 18. 1. 1946, JB1. Düsseldorfs, § 10 ZustERGes. vom 7. 8. 1952 und § 3 Ges. z. vorl. Regelung des Reichsvermögens v. 21. 7. 5 1 , BGBl. I 467).

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§ 5 Anm. 10

Ein Pfleger kann nicht die organschaftliche Stellung des Liquidators einnehmen; ihm wird daher auch nicht die Befugnis der Ausschüttung eines Restvermögens an die Aktionäre nach voller Befriedigung der Gläubiger zustehen. Sind die Gläubiger, die ihre Ansprüche nachgewiesen haben, befriedigt, so wird er das versilberte Restvermögen zugunsten etwaiger sich später meldender Gläubiger und der Aktionäre hinterlegen. Er kann ja nicht einmal ein wirksames Gläubigeraufgebot erlassen. Auch diese Mängel hätte der Gesetzgeber zu beheben. Ohne gesetzliche Regelung dieser Ausnahmezustände sind die Aktionäre letzten Endes auf das hinterlegte Restvermögen angewiesen. Anm. 10 d) Enteignung von Mitgliedschaftsrechten, sei es aller Aktionäre oder eines Teils der Aktionäre, hat auf den Bestand der Gesellschaft (falls diese nicht durch besonderen Rechtsakt gleichzeitig vernichtet wird) keinen Einfluß. Man wird jedoch eine unterschiedslose Enteignung sämtlicher Aktionäre einer Gesellschaft der Enteignung der Gesellschaft selbst gleichsetzen müssen, wenn der Staat durch rechtswidrigen Machtspruch die Aktienrechte aller Aktionäre mit dem Ziel enteignet, sich in den Besitz des Gesellschaftsvermögens zu setzen, und die juristische Person nur der F o r m h a l b e r bestehen läßt, insbesondere um deren ausländisches, durch das Territorialitätsprinzip geschütztes Vermögen nicht zu verlieren. Hier liegt ein Mißbrauch der Form der juristischen Person vor, der zum Zwecke der Abwehr (Art. 30 EGBGB) das Beiseiteschieben der Form und den Durchgriff auf die Gesellschafter gestattet (vgl. § 1 Anm. 8a; BGHZ 20, 13). Die Folgerungen, die bei totaler Enteignung der Aktionäre zu ziehen sind, sind demnach die gleichen, wie wenn die Gesellschaft selbst enteignet werden würde. Das „freie" Gesellschaftsvermögen ist also für Zwecke der Abwehr von Enteignungsmaßnahmen und damit zum Schutze der eigenen (deutschen) Staatsangehörigen (Gläubiger wie Aktionäre) als im Inland belegenes und entsprechend den Vorschriften des Aktienrechts und der jeweiligen Satzung der Gesellschaft zu liquidierendes S o n d e r v e r m ö g e n zu betrachten, vorausgesetzt, daß eine ordnungsgemäße Liquidation, wie oben Anm. 9 dargelegt, durchführbar ist (vgl. OLG München aaO. und Rheinboldt aaO.) Auch hier entsteht nicht neben der im Sitzstaat aufrechterhaltenen A G eine neue „abgespaltene" selbständige AG, die nach dem Recht des Belegenheitsstaats des enteignungsfreien Vermögens ein Eigenleben führen könnte. Zu dieser Konstruktion kann man auch nicht auf dem Umweg über die Lehre von der Ubiquität der Mitgliedschaftsrechte gelangen (s. auch BGHZ 20, 13), wie sie zuletzt von Seidl-Hohenveldern aaO. S. 131 und BB 1953, 839, Bufe, BB 1954, 54 Kuhn aaO. und Beitzke aa.O. vertreten worden ist. Mitgliedschaftsrechte sind nur und allein am Sitz der Gesellschaft belegen (für viele OLG Düsseldorf, BB 1954, 332 — Aku-Fall; Lewald, Rabeis Z 1956, 133fr.; Raape S. 641; Serick, J Z 1956, ig8f.). Es ist (entgegen Beitzke aaO. S. 675) praktisch kein Fall denkbar, in dem Aktionäre ihre Mitgliedschaftsrechte an einem anderen Ort als dem Sitz der Gesellschaft realisieren können (Teilnahme an der Hauptversammlung, Auskunftsrecht usw.). Dividendenansprüche, auch wenn die Erträge gegebenenfalls ins Ausland zu transferieren sind (Auslandsemissionen von Aktien gibt es nicht), wie auch die „mittelbare" Verwaltung des Auslandsvermögens der AG durch den Aktionär schaffen niemals einen aus der Mitgliedschaft erwachsenden Sachbezug (Anspruch?) zum Gesellschaftsvermögen; einen solchen kennt das Aktienrecht aller Kulturstaaten, sofern es von der Trennung von Mitglied und Gesellschaft ausgeht, nicht (vgl. R G Z 129, 106). Etwas anderes gilt bei echten Gläubigerrechten (Anm. 13 zu § 1 ) ; nur in diesen Fällen ist der Aktionär den Gesellschaftsgläubigern gleichgestellt. Die Abwicklung des Gesellschaftsvermögens außerhalb des Staats, der die Aktien enteignet hat, zugunsten der Gläubiger und alten Aktionäre der AG ist aber nur zulässig, wenn die Belegenheitsstaaten dieses Vermögens nicht etwa durch Staatsvertrag gehalten sind, als Eigentum der ausländischen AG anzuerkennen (vgl. R G Z 129, 105fr. mit Nachweisen; BGH in WM 1957, 56). Insofern ist — auch in der hier vertretenen abgewandelten Art — die Spaltungstheorie für die Bundesrepublik tot.

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§5

Anm. 11, 12

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A n m . 11 e) Werden Mitgliedschaftsrechte nur einzelner inländischer Aktionäre an ausländischen Gesellschaften entschädigungslos enteignet, so verlieren sie — für den deutschen Richter — nicht ihre Rechte (Art. 30 EGBGB). Der enteignende ausländische Staat und derjenige, dem er die Mitgliedschaftsrechte übertragen hat, werden von dem deutschen Richter als Berechtigte nicht anerkannt. Das könnte dazu führen, daß z. B. der enteignete deutsche Aktionär gegen den neuen ausländischen Aktionär, der die ihm zugeteilten Aktienurkunden mit Dividendenscheinen nach Deutschland verbringt, Arrestbefehl erwirkt und nach durchgeführtem Hauptprozeß die Aktien an sich bringt. Zwar kann er auf Grund dieser Aktien gegenüber der ausländischen Gesellschaft an deren Sitz, z. B. in Hauptversammlungen, keine Rechte ausüben; der ausländische Erwerber der enteigneten Aktien wird die ihm im deutschen Prozeß entzogenen Aktien aufbieten lassen können und wird allein als der berechtigte Aktionär seitens der A G anerkannt werden. Wohl aber kann der deutsche Aktionär auf Grund der in seinen Besitz gelangten Dividendenscheine, falls die ausländische Gesellschaft in der Bundesrepublik Vermögen hat, die Gesellschaft im Inland auf Zahlung der jeweils beschlossenen Dividenden verklagen und das Urteil in das inländische Vermögen der Gesellschaft vollstrecken. Dagegen kann der deutsche Richter dem enteigneten deutschen Aktionär nicht unmittelbare Miteigentumsrechte an dem inländischen Vermögen der ausländischen Gesellschaft zuerkennen, wenn nach dem ausländischen und inländischen Recht Eigentumsrechte der Aktionäre am Gesellschaftsvermögen nicht bestehen (oben Anm. 10; abzulehnen B G H Z 19, 102 — Boehler A G Wien — ; Kuhn aaO.; Beitzke in J Z 1956 aaO.). Mittels des Art. 30 EGBGB kann nicht die übrige Rechtsordnung über den Haufen geworfen, insbesondere nicht in Rechte Dritter eingegriffen werden. Das wäre eine Vergeltungsmaßnahme, die zu verhängen nicht dem Richter, sondern nur der Bundesregierung zustehen würde CArt. 31 E G G B ; R G Z 103, a6a). Eine „Teilliquidation" des inländischen Vermögens, wie sie in Fällen der totalen Enteignung denkbar wäre und sich aus Durchgriffsgesichtspunkten rechtfertigt, scheidet aus, da die Enteignung einzelner Aktionäre, auch wenn sie in diskriminierender und rechtswidriger Weise erfolgt, nicht einen Mißbrauch der Rechtsform der juristischen Person darstellt und das Gesellschaftsvermögen, auch zum Zwecke der „Abwehr von Enteignungsmaßnahmen", dem Aktionär immer nur als Liquidationsüberschuß zustehen kann, eine Liquidation aber bei Enteignung nicht aller Aktionäre mangels irgendwelcher, dem deutschen Gesellschaftsrecht zu entnehmender entsprechender Grundsätze nicht in die Wege geleitet werden kann (eine „analoge" Anwendung von § 2 1 7 K O entfällt ganz offensichtlich mangels „Entsprechung", vgl. Kuhn aaO.). Anm. 12 5. Durch die vorstehenden Ausführungen (Anm. 9 bis n ) ist dargelegt, daß die S p a l t u n g s t h e o r i e von falschen Voraussetzungen ausgeht. Um im Einzelfall zu helfen, (so hinsichtlich der Enteignungsmaßnahmen in Österreich — Kuhn aaO.) oder in Verkennung (so Raape aaO.), daß internationalprivatrechtlich und interlokalrechtlich — wegen der Bedeutung des Personalstatuts im Internationalen Privatrecht — grundlegend andere Fragestellungen dem Enteignungsproblem zugrunde liegen, spricht man von der möglichen „Spaltung" einer juristischen Person, ohne zu bedenken, wie denn eine derartige Spaltung im internationalen Bereich aussehen soll und durchführbar wäre. Gesetzt, Mitgliedschaftsrechte deutscher Staatsangehöriger an einer ausländischen A G werden enteignet, die Gesellschaft besteht jedoch fort, hat Organe, beruft Hauptversammlungen ein, tätigt Geschäfte, hat also Forderungen und Verbindlichkeiten usw. Nun soll doch wohl, wenn man die Spaltungslehre durchführt, das enteignungsfreie Vermögen, da j a die Mitgliedschaftsrechte angeblich zum Zwecke der Abwehr von Enteignungsmaßnahmen überall belegen sind, den Aktionären zustehen; diese können also eine neue Gesellschaft konstituieren. Welches wäre das Grundkapital dieser Gesellschaft? Wo wäre der Sitz der abgespaltenen Gesellschaft? — bei Sitzverlegung ins Ausland sind die Vorschriften über die Neugründung zu beachten 46

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§ 5 A n m . 13

(vgl. Anm. 73 zu § 203). Also wäre an eine Sachgründung zu denken: die Aktionäre bringen das „freie" Vermögen ein. Wie ist das mit § 20 zu vereinbaren? Zu welchem Nennbetrag wird das Vermögen übernommen ? Sein Wert ist doch völlig unbestimmt, da niemand sagen kann, in welcher Höhe es den Gläubigern der „alten" Gesellschaft haftet (daraufweist mit Recht der österr. Ob. Gerichtshof, RiW 1956, 75, hin). Oder gehen die Gläubiger leer aus? Nur die inländischen oder auch die ausländischen? Liegt überhaupt ein Fall der Rechtsnachfolge oder gar der Identität vor ? Dann haftet die „neue" Gesellschaft doch unbeschränkt für alle Verbindlichkeiten der „alten" Gesellschaft. Diese Aufzählung soll hier genügen. Sie macht deutlich, daß die praktische Durchführung der Spaltungslehre einen völligen Umbruch unseres Gesellschaftsrechts bedeuten würde (s. auch Lewald, RabelsZ 1956, 135 und NJW 1956, 785), bei dem die Gerichte eine Verantwortung zugeschoben erhielten, die kein Registerrichter übernehmen kann, nicht nur wegen der möglicherweise — sehr hohen — Regreßfolgen, sondern einfach, weil sie wegen ihrer abenteuerlichen Konsequenzen nicht durchführbar ist. Die angekündigten Ausführungen von Beitzke (aaO. S. 678) über die angeblich praktisch mögliche Durchführbarkeit der Spaltungstheorie liegen bei Drucklegung nicht vor. Man darf sie mit Interesse erwarten. A n m . 13 IV. Internationale Gesellschaften Das internationale Recht (Völkerrecht) kennt in der Vertragspraxis der Staaten korporative Gebilde, die, privatrechtlich organisiert, ihre Entstehung entweder dem Völkervertragsrecht direkt verdanken oder unter dem Recht eines oder mehrere Vertragsstaaten stehend, einen internationalen (oder übernationalen) Charakter haben, vgl. u. a. die vom Europarat im Jahre 1956 herausgegebene Studie Création des Entreprises Publiques Internationales à Caractère Industriel ou Commercial und Bärmann in AcP, Bd. 156, S. 156 ff. Man bedient sich dabei auch der Form der AG. Die im Jahre 1876 gegründete Compagnie Internationale des Wagons-Lits ét des Grands Express Européens ist wohl der erste Fall einer nach belgischem Recht mit dem Sitz in Brüssel gegründeten AG, der kraft zwischenstaatlicher Vereinbarung im europäischen Bereich ein internationaler Status verliehen worden ist. Aus der modernen Vertragspraxis der europäischen Staaten ist die „Eurofima" zu nennen, eine im Jahre 1955 gegründete AG mit dem Sitz in Basel, deren Gegenstand die Finanzierung von Eisenbahnmaterial ist. Für die Gesellschaft gilt primär das Recht der im Vertrage vom 20. 10. 55 (BGBl. II 1956, 907fr.) festgelegten Statuten und subsidiär das Recht des Sitzstaates. Entsprechend der „Eurofima" ist auch die im Jahre 1949 geschaffene „Interfrigo" mit dem Sitz in Brüssel organisiert. Sie befaßt sich mit dem Erwerb und der Vermietung von Eisenbahnmaterial, insbesondere von Güterwagen. Aktionäre sind gleichfalls die nationalen europäischen Eisenbahnverwaltungen. Auch die deutsch-französische Gesellschaft zur Organisation des saar-lothringischen Kohleverkaufs hat die Rechtsform einer AG (Art. 84 Saarvertrag vom 27. 10. 56, BGBl. II, 1589 [1634]), mit der Besonderheit, daß die Gesellschaft in beiden Vertragsstaaten einen Sitz hat (vgl. oben Anm. 5 a am Ende) und daß somit das deutsche und das französische Aktienrecht gleichermaßen gelten, bei Vorrang des als Anlage 29 dem Saar-Vertrag (aaO. S. 1791 f.) beigefügten Statuts. Diese AG hat erstmalig in der Geschichte des deutschen Aktienrechts einen übernationalen Charakter und kann möglicherweise als Vorbild für die Schaffung entsprechender Gesellschaften dienen, wofür im Zuge der wirtschafdichen Integration Europas möglicherweise in absehbarer Zeit ein Bedürfnis auftreten wird (vgl. auch Bärmann, NJW 1957 613). Eine Verwirklichung der europäischen Zusammenarbeit wird allerdings, unter Hintansetzen politischer und dogmatischer Bedenken, auch eine Anpassung der europäischen Aktienrechte erforderlich machen. Reformbestrebungen werden unter diesem Aspekt in den beteiligten Staaten neu durchdacht werden müssen. Das gilt unter dem geltenden deutschen Aktienrecht — neben vielen Einzelfragen — besonders für die weitgehenden Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung von Bilanzen und für die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat; beide Institute sind den anderen europäischen Aktienrechten fremd. Daß insbesondere die 47

§ 5 A n m . 13 § 6 A n m . 1, 2

I. Buch: Aktiengesellschaft

obligatorische Beteiligung von Arbeitnehmeraufsichtsräten im außerdeutschen Rechtsbereich zunächst jedenfalls nicht durchsetzbar ist, zeigt der deutsch-schweizerische Vertrag betreffend die am Rhein bestehenden, als A G organisierten Grenzkraftwerke vom 6. 12. 55 (BGBl. I I 1957, 264 mit Ges. vom 13. 5. 57, BGBl. II, 262), der die genannten Gesellschaften insoweit freistellt. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Internationale-Mosel-GmbH hinzuweisen (Art. 8 ff. mit Anlage II des Vertrages über die Schiffbarmachung der Mosel vom 22. 12. 56, BGBl. II, 1838fr.), die nach deutschem GmbHRecht errichtet ist, das in seiner heutigen Fassung subsidiär neben dem Gesellschaftsvertrag (Anlage I I des Vertrages) gilt, und zwar unbeschadet zukünftiger Gesetzesänderungen. Eine Beteiligung von Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ist nicht vorgesehen (Art. 13 des Vertrages mit Art. 12ff. der Satzung). Ohne Bezugnahme auf das Recht des Sitzstaates und auch außerhalb der nationalen Gesellschaftsrechte stehend, als e i g e n e S c h ö p f u n g des V ö l k e r r e c h t s , ist dagegen durch Vertrag vom 20. 1. 1930 die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit dem Sitz in Basel zunächst zur Abwicklung der deutschen Kriegs- und Nachkriegsverschuldung errichtet worden (vgl. im einzelnen Oppenheim-Lauterpacht, International Law, 8. Aufl. Band I S. 1010 m. w. N.). Als internationale Rechtspersönlichkeit genießt die Bank im Sitzstaat und in den Mitgliedsstaaten besondere Immunitäten und Privilegien (vgl. Ges. vom 19. 3. 1956, BGBl. II, 331). Auch die gemäß Art. 129 des Entwurfs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957 in Verbindung mit dem Protokoll vom gleichen Tage (Bundesrats-Drucksache 146/57 S. 53fr., 114fr.) zu schaffende Europäische Investitionsbank stellt eine Rechtspersönlichkeit des Völkerrechts dar, ohne Bezug zum Korporationsrecht der beteiligten Staaten oder des Sitzstaates. Diese zwischenstaatlichen Schöpfungen internationaler Banken im europäischen Bereich finden ihre weltweite Entsprechung in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, deren Gründung auf der Konferenz von Bretton Woods am 22. 7. 44 beschlossen wurde (BGBl. II, 1952, 664fr.) und der Internationalen Finanz-Corporation (Abkommen vom 1 1 . 4. 55, BGBl. I I 1956, 747ff.). Die Statuten der genannten Banken sind durchweg in Anlehnung an die in allen Kulturstaaten anerkannten allgemeinen Grundsätze des Korporations- und Aktienrechts abgefaßt.

§6

Grundkapital 1. D a s G r u n d k a p i t a l w i r d in Aktien zerlegt. 2 . D a s G r u n d k a p i t a l u n d die Aktien m ü s s e n a u f einen in R e i c h s w ä h r u n g b e s t i m m t e n N e n n b e t r a g lauten. Übersicht Anm.

I. Die Aktie als Teil des Grundkapitals

I

Anm.

II. 1. Währungsrecht 2. Bewertung von Aktien . .

2 3

Anm. 1 I. Daß das Grundkapital in Aktien zerlegt wird, ergibt sich schon aus der Bestimmung des Begriffs der A G in § 1 und wird hier nur wiederholt. Vgl. § 1 Anm. 5 und 6. Anm. 2 II. 1. Der zweite Absatz schreibt vor, daß der Nennbetrag des Grundkapitals und der Aktien in R e i c h s w ä h r u n g bestimmt sein muß. Auch dem Gesetz von 1884 und dem Handeslgesetzbuch lag die damalige Reichswährung zugrunde. Nach deren Zerrüttung wurde durch die Goldbilanzverordnung vom 28. 12. 23 (RGBl. I 1253) für Grundkapital und Aktien die Goldmark eingeführt und zwar die Dollargoldmark, d. h. der Gegenwert von 10 / 42 des nordamerikanischen Dollars (§ 1 Abs. 2 GoldbilVO.).

48

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 6 Anm. 3

Nachdem das Münzgesetz vom 30. 8. 24 (RGBl. I I 254) die neue Reichswährung bestimmt hatte, ordnete dessen 2. DVO. vom 12. 12. 24 (RGBl. I 775) in § 3 an, daß für den Geltungsbereich der Goldbilanzverordnung an die Stelle der Goldmark die Reichsmark trete und zwar auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Münzgesetzes. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 war also schon vor dem AktG geltendes Recht. Unzulässig war auch jede Verkoppelung der Reichswährung mit einer anderen (Wertbeständigkeitsklausel; vgl. Schlegelberger-Quassowski Anm. 9; Danielcik Anm. 3). Mit der Währungsreform vom 21. 6. 48 ist nach § 1 WährungsGes. für das Gebiet der Bundesrepublik die Deutsche Mark an die Stelle der Reichsmark getreten. Bis zur Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse nach den Regeln der DMBilGesetze (vgl. im einzelnen § 7 Anm. 2 a und § 8 Anm. 2 a) lauten Grundkapital und Nennbetrag der Aktien bei vor dem 21. 6. 48 errichteten Aktiengesellschaften weiterhin auf Reichsmark, vgl. § 78 DMBilGes. Für die vor Inkrafttreten des DMBilGes. aufgetretenen Fragen s. W. Schmidt, J R 1949, 207. Wertsicherungsklauseln sind nach § 3 Satz 2 WährungsGes. ohne besondere Genehmigung seitens der Bank deutscher Länder unzulässig. Anm. 3 2. Wertbeständigkeitsklauseln zur Sicherung des Nominalwerts kommen überdies nicht in Betracht; der Nominalbetrag (oder Nennwert) einer Aktie drückt nicht ihren Geldwert aus, sondern bedeutet nur eine Relation zum gesamten Grundkapital. Der Wert der Aktie hängt demgemäß nicht vom Nennbetrag ab, sondern von dem Wert des Gesellschaftsvermögens, der sich nach den das Vermögen bildenden Gegenständen, dem Ertrag des Unternehmens, seiner Verschuldung und Liquidität und nach der Konjunkturlage richtet. Seine Feststellung im einzelnen ist schwierig; bekannt ist insbesondere für die Bewertung von Beteiligungen das sog. Berliner Verfahren, das den inneren Wert (wirklichen Wert) anteilig aus dem Mittel zwischen Substanzwert und Ertragswert des Unternehmens der Gesellschaft errechnet. Über die Bedeutung eines Kapital-Entwertungskontos nach dem DMBilGes. für den Wert der Aktien des Unternehmens s. B G H vom 20. 12. 56 in W M 1957, 208. Üblicherweise wird für einzelne Aktien als Wertbestimmung der Börsenkurs verwandt, der allerdings bei Vorliegen von Interessentenkäufen und aus anderen, die Börse beeinflussenden außerwirtschaftlichen, politischen Momenten nicht immer dem wirklichen (inneren) Wert der Aktie zu entsprechen braucht. Die Bewertung von Aktien für Zwecke der Besteuerung erfolgt regelmäßig durch Festsetzung besonderer Steuerkurswerte, § 70 BewGes. Wertbeständigkeitsklauseln zur Sicherung des Werts der Aktien (sog. Kursgarantien) können von der A G nicht vereinbart werden; sie sind nichtig, weil sie einer Verpflichtung zu verbotener Rückgewähr der Einlage gleichzusetzen sind (§52 Anm. 7). Für die entgeltliche Veräußerung (Kauf, Tausch) von Aktien wird man in aller Regel, wenn die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben (etwa den Nennbetrag), den Börsenkurs zugrundelegen, der den Verkaufswert der Aktie (und damit ihren „wirklichen" Wert) verkörpert, so wie er sich durch Angebot und Nachfrage herausgebildet hat. Bei der Veräußerung von einzelnen Aktien kommt eine andere Preisbestimmung praktisch überhaupt nicht in Frage, es sei denn, daß der Erwerb einzelner Aktien dem Erwerber eine besondere Machtposition verschafft. Für die Veräußerung von Aktienpaketen, die eine qualifizierte Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligung geben, sind, weil hier die geschlossene Beteiligung einen Mehrwert gegenüber der Summe der einzelnen Aktien darstellt, in der Praxis Zuschläge zum Börsenkurs ( P a k e t z u s c h l ä g e ) üblich. Für den Kleinaktionär realisiert sich somit der wirkliche Wert seiner Beteiligung nur bei einer durchgeführten Liquidation der Gesellschaft. Was hier für die Verwertung von Aktien zur Festsetzung eines angemessenen Kaufpreises gesagt ist, gilt auch für die Frage, ob und in welchem Umfang einem Aktionär Schaden zugefügt ist. Sein Schaden drückt sich in einer Wertminderung seiner Aktien aus, wobei zwischen Kleinbesitz (Börsenkurs) und Beteiligungsbesitz zu unterscheiden ist. Die Frage des Kausalzusammenhangs ist hier von besonderer Bedeutung. Das schädigende Verhalten muß das Sinken des Börsenkurses oder des Werts der Beteiligung verursacht haben. 4

Aktiengesetz, 2. Aufl.

49

§ 7 A n m . 1—2 a

I. Buch: Aktiengesellschaft

Mindestnennbetrag des Grundkapitals 1. Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals i s t e i n h u n d e r t t a u s e n d Deutsche M a r k . 2 . Der RciVAjminister der Justiz kann i m E i n v e r n e h m e n m i t d e m Reichs. wirtschaftsminister Ausnahmen zulassen. Übersicht Anm.

I. Entstehungsgeschichte . . . II. Gesetzliche '949

i—2

Regelung seit

I I I . 1. Ausnahmegenehmigungen 2. Zuständigkeit

aa 3 3a

Anm.

IV. Rechtsfolgen bei Verstoß i. bei der Gründung . . . durch Hauptversammlungs2 beschluß y

5 6

übergangsrecht

VI. Statistische Angaben

4

. . .

7

Anm. 1 I. Während das alte Handelsgesetzbuch und das Gesetz von 1870 f ü r das Grundkapital k e i n e n M i n d e s t n e n n b e t r a g vorgeschrieben hatten, ergab sich aus dem Gesetz von 1884 ein Mindestnennbetrag wenigstens m i t t e l b a r . Denn der Mindestnennbetrag der Aktie wurde in Art. 207 a Abs. 1 auf 1000 M., in den Ausnahmefällen der Absätze 2 und 3 auf 200 M. bestimmt. Da nun nach Art. 209 mindestens fünf Personen je eine Aktie übernehmen mußten, so ergab sich daraus für das Grundkapital ein Mindestnennbetrag von 5000 M., in den Ausnahmefallen von 1000 M. Dabei blieb es auch nach den §§ 180, 182 HGB bis in die Nachkriegszeit. Die G o l d b i l a n z v e r o r d n u n g vom 28. 12. 23 (RGBl. I 1253) setzte in § i o f ü r die auf Goldmark umzustellenden Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien den Mindestbetrag auf 5000 Goldmark fest, in § 17 f ü r Neugründungen auf 50000 Goldmark. An die Stelle der Goldmark trat dann die Reichsmark (§6 Anm. 2). Der Begriff der Neugründung wurde in § 42 der 2. D V O zur GoldbilVO, abgeändert durch Gesetz vom 14. 7. 26 (RGBl. I S. 412), dahin bestimmt, daß sie auch dann vorliege, „wenn bestehende Aktiengesellschaften ihre Verhältnisse wesentlich ändern, insbesondere, wenn sie eine wesentliche Änderung des Gegenstandes des Unternehmens, ihrer Verfassung, der Zusammensetzung ihrer Organe oder der Art ihres Geschäftsbetriebs vornehmen". Daran knüpfte sich eine reichhaltige Rechtsprechung, deren Einzelheiten noch jetzt von Interesse sind, weil § 2 EinfG z. AktG auch in der Neufassung durch das DMBilGes. eine ganz ähnliche Bestimmung als Übergangsvorschrift enthält (vgl. unten Anm. 6). Anm. 2 Durch das AktGes. wurde der Mindestbetrag auf 5 0 0 0 0 0 RM festgesetzt. Genehmigtes Kapital (§ 169) wird dabei nicht eingerechnet. Das bedeutete also gegenüber § 17 GoldbilVO eine Erhöhung auf das Zehnfache. Die amtliche Begründung sagt dazu in der Einleitung, es sei notwendig erschienen, die Rechtsform der AG nur großen Unternehmungen vorzubehalten. Durch § 2 des WährungsGes. trat mit dem 20. 6. 48 die Deutsche Mark an Stelle der Reichsmark. Anm. 2 a II. 1. Durch §60 DMBilGes. ist § 7 Abs. 2 dahingehend geändert worden, daß der M i n d e s t n e n n b e t r a g des G r u n d k a p i t a l s nunmehr 100000,— D e u t s c h e Mark beträgt. Durch diese Neuregelung sollte den veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten, die sich infolge des Zusammenbruchs nach 1945 ergaben, Rechnung getragen werden. Wenn auch das Mindestgrundkapital immer noch die doppelte Höhe verglichen mit §17 GoldbilVO haben muß, so liegt die Ziffer doch erheblich unter dem Betrag, der bei Inkrafttreten des AktG rechtens war. Dabei geht auch die Neuregelung

50

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 7 Anm. 3 , 3 a

grundsätzlich davon aus, daß die Rechtsform der AG nur großen Unternehmen vorbehalten bleiben soll. Zwar kann das in der Begründung zum AktG ausgedrückte Mißtrauen des damaligen Gesetzgebers gegen „anonymes" Kapital nicht als tragender Gesichtspunkt angesehen werden, doch zeigt die Entwicklung, daß die Wahl der Rechtsform der AG vernünftigerweise nur dann sinnvoll ist, wenn eine wirtschaftlich berechtigte Notwendigkeit besteht, einem Unternehmen eine breite Vermögensbasis zu schaffen, insbesondere durch Herantreten an den allgemeinen Kapitalmarkt (Kapitalsammlungsfunktion der AG). Auch besteht nur bei größeren Unternehmen ein wirkliches Bedürfnis, sich frei von Zufälligkeiten im Leben der Gesellschafter und der leitenden Personen zu entwickeln (vgl. Godin-Wilhelmi, § 7 Anm. 1), während andererseits sich durch die grundsätzliche Freistellung der Aktionäre und Organe von persönlicher Haftung — bei Bestehen einer kapitalkräftigen Haftungsbasis für die Gläubiger — erst die wirtschaftlichen Aufgaben der Gegenwart, wie sie einem Großunternehmen gestellt sind, verwirklichen lassen. Allerdings sind heute die bei Inkrafttreten des DMBilGes. im Jahre 1949 vorherrschenden Erwägungen (wirtschaftlicher Niedergang und Kapitalarmut der deutschen Wirtschaft) nicht mehr von unbedingt aktueller Bedeutung. Dennoch ist eine Erhöhung des Mindestgrundkapitals entsprechend der alten Regelung des AktG nicht Gegenstand ernsthafter Reformbestrebungen. Eine Täuschung der Allgemeinheit, die angeblich Aktiengesellschaften regelmäßig als Unternehmen mit einer größeren Kapitalbasis ansieht, fallt bei der strengen Publizität nicht ins Gewicht, vielmehr muß auch verhältnismäßig kleineren Gesellschaften grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden, sich als Aktiengesellschaften zu organisieren (vgl. Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts, Teil I S. 90). Praktisch werden heute Neugründungen mit dem Mindestgrundkapital auch nicht allzu oft vorkommen schon wegen der der AG gegenüber anderen Gesellschaftsformen auferlegten Erfordernisse im Hinblick auf Formalien und Publizität. Kapitalanlagegesellschaften erhalten jedoch die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb nur, wenn das Grundkapital nicht weniger als 500000 DM beträgt, § 2 Abs. 2 Ges. vom 16. 4. 57 (BGBl. I. 378). 2. Für Aktiengesellschaften, die vor dem Inkrafttreten des DMBilGes. am 31. 8. 49 bestanden, sieht § 44 einen Mindestnennbetrag des Grundkapitals nach der Neufestsetzung in D M in Höhe von mindestens 5 0 0 0 0 , — DM vor. Sogar dieser Betrag kann bei der Neufestsetzung unterschritten werden, wenn gleichzeitig mit der Neufestsetzung des Grundkapitals eine Erhöhung des Grundkapitals bis mindestens 50000,— D M beschlossen und eingetragen wird (§44 Abs. 1 DMBilGes.; vgl. entsprechend § 181). Wird dieses Mindestgrundkapital nicht erreicht, müssen die Gesellschaften sich nach den Bestimmungen des UmwandlungsGes. umwandeln (§ 45 DMBil.Ges.) — möglich ist auch bei einem Mindestkapital von 5000,— DM die Umwandlung in eine GmbH, §§ 263 fr., (§ 44 Abs. 2 DMBilGes ) — anderenfalls gelten sie mit dem 31. 6. 51 (§ 80 DMBilGes.) als aufgelöst. Sie konnten jedoch unter besonderen Voraussetzungen noch bis zum 31. 12. 55 die Fortsetzung beschließen (vgl. im einzelnen § 1 2. DMBilErgGes. vom 20. 12. 52 mit §§ 14, 15 3. DMBilErgGes. vom 21. 6. 55. Daß nach den Bestimmungen des DMBilGes. festgesetzte neue Grundkapital gilt als Mindestnennbetrag, § 61 DMBilGes. (vgl. unten Anm. 6). Hinsichtlich der Sonderbestimmungen über die DM-Eröffnungsbilanz der Geldinstitute siehe die 42. D V O z. UmstellungsGes. (BAnz. 1950 Nr. 2). Anm. 3 III. 1. Die Bestimmung des § 7 ist rechtlich einfach, aber wirtschaftlich außerordentlich bedeutsam. Immerhin wird die Starrheit der ziffernmäßigen Festsetzung des Mindestnennbetrages dadurch gemildert, daß nach Abs. 2 der ReichsmmisteT der Justiz im Einvernehmen mit dem ifcicAiwirtschaftsminister Ausnahmen zulassen kann. Das kann durch allgemeine Anordnung für gewisse Arten von Aktiengesellschaften geschehen oder durch nachzusuchende Bewilligung für den Einzelfall. Die Genehmigungsurkunde ist der Anmeldung zum Handelsregister beizufügen, § 29 Abs. 2 Ziff. 5. Anm. 3 a 2. Seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes besteht eine gewisse Unklarheit, ob an die Stelle des früheren Reichsministers der Justiz und des Reichswirtschaftsministers die 4*

51

§7

Anm. 4

I. Buch: Aktiengesellschaft

entsprechenden Minister der Länder oder die Bundesminister getreten sind. Nach einem in BB 1951, 150 veröffentlichten Schreiben des Bundesjustizministers hat dieser von einer eigenen Stellungnahme abgesehen, aber empfohlen, entsprechende Anträge nach § 7 Abs. 2 dem für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Landesjustizminister vorzulegen. Das dürfte auch der Rechtslage entsprechen, denn nach Art. 129 GG gehen gesetzliche Ermächtigungen zur Vornahme von Verwaltungsakten in Gesetzen, die als Bundesrecht fortgelten, „auf die nunmehr sachlich zuständigen Stellen über". Daß das AktG gemäß Art. 125 GG Bundesrecht geworden ist, ist zweifellos; als sachlich zuständige Stellen müssen die Landesminister angesehen werden, da grundsätzlich die Ausführung der Bundesgesetze eigene Angelegenheit der Länder ist, Art. 83 GG. Aber selbst wenn man wegen des Wortlauts von Art. 83 GG. Zweifel haben sollte, ob in Bundesrecht transformiertes Reichsrecht als „Bundesgesetz" angesehen werden kann (so Classen, NJW 1950, 525 [526]), ergibt sich die Zuständigkeit der Landesminister immer noch aus Art. 30 GG, der den Vorrang der Länder gegenüber dem Bund bei Ausübung der staatlichen Befugnisse und Aufgaben festlegt und für den hier interessierenden Tatbestand auch eine anderweitige Regelung nicht getroffen worden ist (wie hier Classen, aaO. und Baumbach-Hueck, § 7 Anm. 2 B; vgl. auch die Stellungnahme des niedersächsischen Ministers der Justiz, BB 1950, 917; a. A. Godin-Wilhelmi, § 7 Anm. 3). In der Praxis wird dementsprechend verfahren. Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich jedoch nur auf die Zuständigkeit, Einzelausnahmegenehmigungen (Verwaltungsakte) zu erteilen. Sollten Ausnahmen gemäß § 7 Abs. 2 als allgemeine Normen erlassen werden (auch § 44 Abs. 1 DMBil.Ges. stellt eine Art genereller Ausnahmegenehmigung dar), entfällt die Zuständigkeit der Landesminister, da es sich insoweit um Rechtsetzung auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung handelt, die vom Bund grundsätzlich durch Art. 72 GG in Anspruch genommen werden kann und zur „Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit" auch in Anspruch genommen werden muß (so auch Baumbach-Hueck aaO.). Da das AktG nach Art. 125 GG als Bundesrecht fortgilt, ist auch schon aus diesem Grunde die Kompetenz des Bundes zur Rechtssetzungsbefugnis auf dem Gebiete des Aktienrechts gegeben. Dennoch wäre es zu begrüßen, wenn die Bundesregierung zur Klarstellung der Zuständigkeiten zum Erlaß sowohl von RechtsVO und allgemeiner Verwaltungsvorschriften, als auch von Verwaltungsakten auf dem Gebiete des Aktienrechts eine verbindliche Entscheidung im Einvernehmen mit dem Bundesrat, wie es bei „Zweifelsfällen" in Art. 129 GG vorgesehen ist, treffen würde. Anm. 4 IV. 1. Der Mindestnennbetrag gilt für solche Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (§ 219 Abs. 3), die nach dem Inkrafttreten des DMBIlGes. 31. 8. 49 für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet; 7. 9. 1949 für Rheinland-Pfalz (GVOB1. S. 421); 14. 12. 49 für die übrigen Länder der früheren französischen Besatzungszone (BGBl. I 1950, S. 2); 13. 8. 50 für West-Berlin [VOB1. Gr.-Berlin I 329]) ins Handelsregister eingetragen werden. Sie müssen von vornherein mit einem Mindestgrundkapital von 100000 DM gegründet sein und können ihr Grundkapital niemals unter diesen Betrag herabsetzen, wenn sie es nicht gleichzeitig nach § 181 wieder auf mindestens 100000 DM erhöhen. Wird § 7 bei Neugründungen nach dem jeweiligen Inkrafttreten des DMBilGes. (für den früheren Rechtszustand: nach Inkrafttreten des AktG am 1. 10. 37) nicht beachtet, so ist die Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals (§ 16 Abs. 3 Nr. 3) nichtig, folglich die Nichtigkeitsklage nach §216 Abs. 1 begründet und das Löschungsverfahren nach § 144 FGG zulässig und in der Regel geboten. Würde aber nachträglich auf Grund des § 7 Abs. 2 eine Ausnahme bewilligt, so könnte das auch mit rückwirkender Kraft geschehen. Zwar ist dieser Nichtigkeitsgrund nicht nach §217 heilbar. §217 betrifft nur die Heilung durch Satzungsänderung; die Nichtigkeit würde also nicht dadurch geheilt werden können, daß durch Satzungsänderung das Grundkapital der unzulässigerweise eingetragenen AG nachträglich auf 100000 DM erhöht würde. Dagegen ist der Ausnahmebewilligung nach § 7

52

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 7 A n m . 5—7

§8 Abs. 2 keine Grenze gesetzt; als Verwaltungsakt kann sie mit rückwirkender Kraft erlassen werden. Für Neugründungen in der Zeit zwischen Verkündung (4. 2. 37) und Inkrafttreten des Gesetzes (1. 10. 37) galt die Regelung des § 1 Abs. 2 EinfGes., derzufolge Gesellschaften mit einem Grundkapital unter 500000 R M nicht eingetragen werden „sollten". Eine Nichtbeachtung würde hier aber weder Nichtigkeitsklage noch Amtslöschung rechtfertigen. Anm. 5 2. Würde eine Hauptversammlung durch Satzungsänderung ihr Grundkapital, abgesehen vom Fall des § 181 (oben Anm. 4), auf einen geringeren Betrag als 100000DM herabsetzen, so wäre ein solcher Beschluß nach § 195 Nr. 3 nichtig. SchlegelbergerQuassowski (Anm. 2) nehmen „Unwirksamkeit" an (vgl. oben § 1 Anm. 20). Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 gehört aber nach der amtlichen Begründung unzweifelhaft zu denen, die im öffentlichen Interesse gegeben sind; ihre Verletzung begründet also einen Nichtigkeitsgrund nach § 195 Nr. 3 Eintragung des Beschlusses vermöchte dessen Nichtigkeit nur mit Ablauf der dreijährigen Frist nach § 196 Abs. 2 zu heilen, ohne jedoch das Amtslöschungsverfahren nach § 144 Abs. 2 FGG auszuschließen. Wohl aber könnte nach § 7 Abs. 2 eine nachträgliche Ausnahmebewilligung die Nichtigkeit völlig heilen (Anm. 4). Wird die Ausnahme vorher bewilligt, so ist der Beschluß, wenn er sich in den Grenzen der Bewilligung hält, von vornherein gültig. Die Ausnahme kann aber auch nachträglich'bewilligt werden, und zwar mit rückwirkender Kraft. Anm. 6 V. Für AG, die vor dem Inkrafttreten des DMBilGes. schon eingetragen waren, gelten die Übergangsvorschriften des § 2 Abs. 1 EinfGes. in der Fassung von § 61 DMBilGes. Danach gilt das neu festgesetzte Grundkapital, wenn es weniger als 100000,— DM beträgt als Mindestnennbetrag im Sinne von § 7 Abs. 1. Ändert jedoch eine Gesellschaft mit einem geringeren Grundkapital als 100000,— DM wesentlich ihre Verhältnisse, nimmt sie namentlich eine wesentliche Änderung des Gegenstandes des Unternehmens oder ihrer Verfassung vor, so dürfen diese Änderungen nur eingetragen werden, wenn gleichzeitig das Grundkapital auf mindestens 100000,— DM erhöht wird. Die Bedeutung dieser Bestimmung liegt darin, daß man einerseits durch die Übergangsregelung bestehende wirtschaftliche Verhältnisse schonen will, andererseits aber eine Angleichung des Grundkapitals auf die gesetzliche Mindesthöhe verlangt, wenn wirtschaftlich — wenn auch nicht formell — eine Neugründung vorgenommen wird. Auch Mantelkäufen soll ein Riegel vorgeschoben werden (vgl. die Begründung zu § 2 Abs. 1 EinfGes. a. F.). Eine entsprechende Regelung galt bei Inkrafttreten des AktG im Jahre 1937; damals war allerdings die Auflösung von Gesellschaften mit einem unter der gesetzlichen Mindestsumme liegenden Grundkapital bis zum 31. 12. 40 vorgesehen (§ 2 Abs. 2 EinfGes.), der jedoch durch § 1 der VO vom 4. 9. 39 (RGBl. I 1694) und § 4 Ziff. 5 HandelsRBerGes. vom 18. 4. 50 außer Kraft gesetzt wurde und durch das DMBilGes. überholt ist. Die Vorschriften gelten auch für Kommanditgesellschaften auf Aktien (§17 EinfG). Anm. 7 VI. Nach den Mitteilungen von Herbig, Geßler und Hefermehl (DJ 1937, 184) waren am 31. 12. 36 im Reichsgebiet 7204 werbende AG mit 19225500000 RM Grundkapital vorhanden, darunter 1445 mit einem Grundkapital unter 100000 RM, insgesamt mit 62065000 R M Grundkapital. Am 31.12.53 bestanden, in der Bundesrepublik und West-Berlin 2500 AG mit einem Grundkapital von 18750300000 DM (Rasch, S. 10). Zur Zeit bestehen ungefähr 3500 AG (Klug, Die AktG 1957, 30).

§8

Mindestnennbetrag der Aktien 1. Der Mindestnennbetrag der Aktien ist einhundert Deutsche M a r k . Höhere Aktiennennbeträge sollen auf volle hundert Deutsche M a r k lauten. 2. (aufgehoben). 53

§8

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 1, 2 3. Aktien über einen geringeren Nennbetrag sind nichtig. F ü r den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Besitzern als Gesamtschuldner verantwortlich. 4. Die Aktien sind unteilbar. 5. Diese Vorschriften gelten auch für Anteilscheine, die den Aktionären vor der Ausgabe der Aktien erteilt werden (Zwischenscheine). Übersicht Anm.

I. Entstehungsgeschichte . . . II. Gesetzliche Regelung 1949 (Abs. 1)

seit

III. Rechtsfolgen bei Verstoß (Abs. 3 Satz 1) IV. Schadensersatzpflicht (Abs. 3 Satz 2) 1. Allgemeines 2. Verantwortlichkeit der Ausgeber — 3. nicht der Gesellschaft — . 4. gegenüber dem Inhaber . 5. Schaden

1—2 2 a—3 4—5

6 7—8 9 10 11

Anm.

V . i. Unteilbarkeit der Aktie (Abs. 4) 2. Kein Verbot zur Stückelung 3. Globalaktie 4. Ubergangsrecht . . . . 5. Keine Abspaltung einzelner Mitgliedschaftsrechte 6. Vereinigung mehrerer Aktien

12 13 14 15 16 17

VI. Zwischenscheine (Abs. 5) . . 18—21

Anm. 1 I. Mit dem Mindestnennbetrag des Grundkapitals (§ 7) steht der Mindestnennbetrag der einzelnen Aktien, in die das Grundkapital zerlegt wird (§§ 1, 6 Abs. 1), in engem Zusammenhang. Das Gesetz von 1884 (Art. 207 a) und ihm. folgend das Handelsgesetzbuch (§ 180) hatten den Mindestbetrag der Aktie auf 1000 M. bestimmt. Für ein gemeinnütziges Unternehmen sowie für ein solches, dessen Ertrag durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts gewährleistet war, konnte der Bundesrat (später Reichsrat) Aktien zu einem geringeren Betrage, jedoch nicht unter 200 R M , zulassen; auch konnten „gebundene" Namensaktien, d. h. Namensaktien, deren Übertragbarkeit an die Zustimmung der A G gebunden ist (vgl. jetzt §61 Abs. 3), auf einen geringeren Betrag, ebenfalls nicht unter 200 M, gestellt werden. Die G o l d b i l a n z v e r o r d n u n g vom 28. 12. 23 änderte das ab. Sie schuf als Regeltypus, wobei hier statt der Goldmarkbeträge Reichsmarkbeträge eingesetzt werden (oben § 6 Anm. 2), die 100 RM-Aktie, für jene beiden Ausnahmefälle Aktien zum Nennbetrage von mindestens 20 R M (§10 Abs. 2, § 17 Abs. 2 GoldbilVO). Die 2. DurchfVO vom 28. 3. 24 (RGBl. I 385) ließ die Mindestgrenze von 20 R M auch bei Kapitalherabsetzungen umgestellter Gesellschaften zu (§ 43 Abs. 3) und gestattete bei schuldverschreibungsähnlichen Aktien Beträge von 20 R M , 50 R M , 100 R M oder einem Vielfachen davon (§ 28 Abs. 5), bei Mehrstimmrechts-, Schutz- und Vorratsaktien sogar Beträge von 1 R M oder einem Vielfachen davon (§§ 29a, 31). Die 5. DurchfVO vom 23. 10. 24 (RGBl. I 717) und die 7. DurchfVO vom 7. 7. 27 (RGBl. I 176) vereinfachten diese Buntscheckigkeit, immerhin war sie Ende 1935 noch recht erheblich (Wirtschaft und Statistik 1937 S. 25). Anm. 2 Durch das Aktiengesetz 1937 wurde wieder ein Mindestnennbetrag von 1000,—RM eingeführt. Bestimmte Ausnahmen für die Zulässigkeit von Kleinaktien waren nicht mehr gemacht, statt dessen sah Absatz 2 die Möglichkeit einer ministeriellen Ausnahmegenehmigung vor; auch dann „sollten" die Aktienbeträge aber auf volle 100 R M lauten. Abs. 2 ist durch § 60 Abs. 3 DMBilGes. aufgehoben worden. Wegen der Überleitungsvorschriften bei Inkrafttreten des AktG vergl. Anm. 21. Durch § 2 WährungsGes. trat mit dem 20. 6. 48 die Deutsche Mark an Stelle der Reichsmark. 54

I. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 8 Anm, 2a 3

Anm. 2 a II. Das DMBilGes. hat aus den gleichen Gründen, aus denen der Mindestnennbetrag des Grundkapitals auf iooooo,— D M herabgesetzt wurde (vgl. § 7 Anm. 7 a), auch § 8 Abs. 1 dahin geändert, daß nunmehr der Mindestnennbetrag der Aktien 100,— D M beträgt (§60 Abs. 2 DMBilGes.). Höhere Nennbeträge sollen auf volle 100,— D M lauten. Da gleichzeitig Abs. 2, der Ausnahmen mit ministerieller Genehmigung vorsah, aufgehoben worden ist (§ 60 Abs. 3 DMBilGes.), bedeutet das praktisch, daß höhere, 100,— D M übersteigende Aktiennennbeträge immer auf volle 100,— D M lauten müssen. Diese Regelung gilt aber nur für AG, die nach Inkrafttreten des DMBilGes. gegründet werden, sowie f ü r Kapitalerhöhungen und jede Art der Aktien-Ausgabe (vgl. Anm. 3). Dagegen sieht das DMBilGes. f ü r die Umstellung auf D M bei der Neufestsetzung des Grundkapitals Ausnahmen von § 8 Abs. 1 vor (§ 44 Abs. 3, 5 u. 6 DMBilGes.). Hiernach können bei der Neufestsetzung Aktien auch auf 20.— DM, 50,— D M oder ein Vielfaches dieser Beträge gestellt werden, jedoch nur, soweit dies zum Ausgleich von Spitzenbeträgen nötig ist oder soweit der auf die Aktien entfallende Betrag 100,— D M nicht erreicht; zu bei sog. Aktienspitzen auftauchenden Fragen vgl. Siebel, NJW 1952, 330. Kleinaktien, die nicht auf volle 100,— D M oder ein Vielfaches von 100,— D M lauten, sollten gemäß § 44 Abs. 6 DMBilGes. bis Ende 1954 in Aktien, die der Regel des § 8 entsprechen, umgetauscht werden. Diese Befristung ist jedoch durch § 12 Ziff. 7 des 3. DMBilErgGes. vom 23. 6. 55 (BGBl. I 297) aufgehoben worden. Dafür ist die Vereinigung von Kleinaktien nach §§ i6ff. desselben Gesetzes erleichtert worden, insbesondere sind die §§ 67 u. 179 insoweit nicht anwendbar. Diese Regelung entspricht im wesentlichen dem Übergangsrecht nach Inkrafttreten des AktG in Art. I der 1. D V O z. AktG, der durch § 4 Abs. 6 HandelsrechtlBerGes. vom 18. 1. 50 außer Anwendung gesetzt wurde. Aus dem DMBilGes. ist noch § 44 Abs. 5 zu erwähnen, der eine Verminderung der „Anteile", d. h. der Aktien (vgl. § 35 Abs. 1 DMBilGes.) aus Anlaß der Neufestsetzung in D M nur zuläßt, wenn ohne sie der nach § 44 vorgeschriebene Mindestnennbetrag nicht eingehalten werden kann. Umtausch (oder Abstempelung) der auf R M lautenden alten Aktien in auf D M gestellte Aktien hat nach § 54 DMBilGes. zu erfolgen, sobald auf Grund der Wertpapierbereinigung Einzelurkunden ausgestellt werden können und die Kapitalneufestsetzung im Handelsregister eingetragen worden ist. § 67 — und bei Zusammenlegung § 17g — sind entsprechend anzuwenden. Das Registergericht kann den Vorstand durch Ordnungsstrafen zur Durchführung dieser Bestimmungen anhalten. Anm. 3 Die Vorschriften des § 8 in der neuen Fassung gelten zwingend f ü r alle Aktien, die nach dem Inkrafttreten d e s DMBilGes. (dazu im einzelnen § 7 Anm. 4) ausgegeben werden (vgl. auch § 3 Abs. 1 EinfGes.), also auch für jede Art der Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung sowie für Neugründungen. Die f ü r die Kapitalherabsetzung in § 3 Abs. 2 EinfGes. vorgesehenen Erleichterungen (als Mindestnennbetrag im Sinne von § 175 Abs. 4 gilt der Betrag von 100,— DM) ist durch die Neuregelung de§ DMBil.Ges., die ohnehin den Mindestnennbetrag auf 100,— D M festsetzt, gegenstandslos geworden. Unter die danach verbotene Ausgabe können aber nicht die vereinzelten Fälle gerechnet werden, in denen die AG nach § 58 Abs. 4, § 66 Abs. 1 (§ 800 BGB), § 67 Abs. 3, § 68 neue Aktienurkunden an Stelle schon ausgegebener ausstellt; in diesen Fällen genügt sie einer gesetzlichen Pflicht, zu deren Erfüllung auch unzweifelhaft ein Bedürfnis besteht. Im übrigen ist unter dem „Ausgeben" von Aktien nicht nur das Inverkehrbringen bei der Gründung oder der Kapitalerhöhung zu verstehen, sondern auch der Umtausch von Namens- in Inhaberaktien und umgekehrt, sei es, daß die AG eine solche Umwandlung beschließt, sei es, daß ein Aktionär den Umtausch auf Grund des § 17 Abs. 2 verlangt. Zu der nach dem Inkrafttreten des AktG aufgeworfenen Frage, wieweit ein Umtausch von Zwischenscheinen gegen Aktienurkunden, die nicht den gesetzlichen Mindestbetrag erreichten, zulässig war, wie auch hinsichtlich des

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A n m . 4—6

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entsprechenden „Umtauschs" unverbriefter Anteilrechte wird auf die i. Auflage verwiesen, da diese Fragen heute bei einem Mindestnennbetrag von ioo,— D M ohne Bedeutung sind. Anm. 4 III. Nach Abs. 3 sind Aktien über einen geringeren Nennbetrag nichtig (ebenso nach § 209 HGB), also über einen Betrag, der nicht 100 D M oder die ausnahmsweise nach DMBilGes. gestattete Mindestgrenze erreicht. Dagegen hat die Verletzung der Sollvorschrift, daß 100 DM übersteigende Aktiennennbeträge auf volle 100 DM lauten sollen, keine Nichtigkeit zur Folge, eine auf 250,— DM lautende Aktie wäre also nicht nichtig. Übrigens besteht kein Zwang, alle Aktien auf denselben Nennwert zu stellen, sofern nur die gesetzliche Vorschriften innegehalten werden (a. M. Wieland II 37 Anm. 5 für Aktien derselben Gattung). Die AG kann also nebeneinander Aktien derselben oder einer anderen Gattung (§ 11) mit Nennbeträgen von 1000 DM und 1500 D M ausgeben. Jedoch müssen die Nennbeträge in der Satzung bestimmt sein (§16 Abs. 3 Nr. 4), eine Änderung der Nennbeträge ist nur im Wege einer Satzungsänderung möglich. Zulässig ist auch die Ausstellung zusammenfassender Urkunden über mehrere Aktienrechte, sog. Globalaktien oder Zertifikate (a. M. Brodmann § 179 Anm. 3). Darin liegt keine Abweichung vom Gesetz, sondern nur eine Vereinfachung des Drucks; der Berechtigte kann jederzeit Umtausch der Globalaktie gegen einfache Aktienurkunden verlangen. Anm. 5 Verletzt die Satzung die zwingenden Vorschriften des § 8, so ist die trotzdem eingetragene AG nichtig (§216); nichtig sind auch die ausgegebenen Aktienurkunden. Die A G ist der Nichtigkeitsklage und nach § 144 F G G dem Amtslöschungsverfahren ausgesetzt. Die Nichtigkeit ist auch nach §217 nicht durch Satzungsänderung heilbar. Sind in der Satzung die Mindestgrenzen beachtet, aber nicht in den ausgegebenen Aktienurkunden, so sind nur diese nichtig. In keinem von beiden Fällen sind aber Kauf- oder andere entgeltliche Veräußerungsverträge über solche Aktien nichtig. Denn es sind nicht die Regeln über Verträge, die auf eine unmögliche Leistung gerichtet sind (§§306ff. BGB), anzuwenden (a. A. Godin-Wilhelmi, §8 Anm. 5), sondern die Regeln der §§437, 445 BGB. Ein Recht, dessen Entstehung überhaupt unmöglich ist (RG 90, 244), kommt hier nicht in Betracht, schon darum nicht, weil früher nach Abs. 2 des § 8 Ausnahmen zugelassen werden konnten, wie auch jetzt nach dem DMBilGes. Ausnahmen zulässig sind. Vielmehr haftet nach § 437 BGB der Verkäufer für den rechtlichen Bestand der Aktie (vgl. R G 92, 76; DJZ 1914, 825), es sei denn, daß der Käufer die Nichtigkeit beim Kaufabschluß gekannt hat. Der Verkäufer haftet also auf das Erfüllungsinteresse, nicht nur, wie nach § 307 BGB, auf das Vertrauensinteresse. Liegt der Fehler nur in der Aktienurkunde, so hat der Aktionär gegen die AG Anspruch auf Aushändigung einer gültigen Urkunde. Anm. 6 IV. 1. Durch die Ausgabe von Aktien über einen geringeren als den zugelassenen Nennbetrag kann, wie sich aus der vorigen Anm. ergibt, ein erheblicher Schaden angerichtet werden. Für den Schaden macht Abs. 3 Satz 2, ebenfalls übereinstimmend mit § 209 HGB, die Ausgeber den Besitzern als Gesamtschuldner haftbar. Es handelt sich dabei ebenso wie bei der ungenehmigten Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen mit bestimmtem Geldversprechen nach § 795 BGB um einen Fall von unerlaubter Handlung als Grundlage einer Gefährdungshaftung. Verschulden der Ausgeber (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) wird nicht vorausgesetzt (so auch Baumbach-Hueck, § 8 Anm. 3 B und Godin-Wilhelmi, § 8 Anm. 6; a. M. Schlegelberger-Quassowski Anm. 12), selbst entschuldbarer Irrtum befreit nicht. Anders steht es natürlich mit der Strafbarkeit nach § 296 Abs. 1 Nr. 5. Für die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gilt § 852 BGB. Der Einwand, daß der Geschädigte den Schaden schuldhaft mitverursacht habe (§ 254 BGB), ist zulässig.

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut) § 8 Anm. 7 — 1 1 Anm, 7 2. Die Ausgabe besteht in der Ausreichung der nichtigen Aktenurkunden nicht nur an die ersten Aktionäre, sondern an irgend jemand, z. B. an eine Bank, der sie verpfändet werden (Brodmann §209 Anm. 2 b). Denn damit ist die Aktie in den Verkehr gebracht und die Gefahr eines Schadens gegeben. Geschieht die Ausgabe noch dazu vor der Eintragung der Gesellschaft, so liegt ein doppelter Nichtigkeitsgrund vor (§34 Abs. 4). Die Schadensersatzpflicht beruht alsdann sowohl auf § 8 Abs. 3 als auch auf § 34 Abs. 4 (Strafe § 296 Abs. 1 Nr. 4). Anm. 8 Ausgeber sind diejenigen, unter deren Verantwortung die Ausgabe geschieht, also in der Regel die Vorstandsmitglieder, denen die Ausgabe satzungsmäßig obliegt, es sei denn, daß die Ausgabe gegen ihren Willen stattgefunden hat und sich von ihnen nicht hat verhindern lassen, so daß sie nicht mehr als Täter gelten können. Ausgeber sind aber auch diejenigen, welche die Aktienurkunden tatsächlich ausreichen, sofern sie dabei selbständig, wenn auch nicht innerhalb der ihnen zustehenden Verrichtungen handeln, so daß sie dabei als Täter erscheinen. Mehrere Täter haften als Gesamtschuldner, mögen sie (als Mittäter) vorsätzlich zusammenwirken oder (als Nebentäter) unabhängig voneinander handeln. Da die Ausgabe nichtiger Aktienurkunden den Tatbestand einer unerlaubten Handlung bildet (Anm. 6), so ist § 830 Abs. 2 BGB anzuwenden, wonach Anstifter und Gehilfen Mittätern gleichstehen. Sowohl Anstiftung wie Beihilfe setzen aber begrifflich regelmäßig Vorsatz voraus, und zwar nicht nur beim Anstifter und Gehilfen, sondern auch beim Haupttäter. Wer bei der Ausgabe nur mechanische Dienste leistet, ohne zu wissen, daß nichtige Aktienurkunden ausgegeben werden, ist kein Gehilfe und darum nicht haftbar. Anm. 9 3. Die A G selbst trifft keine Schadensersatzpflicht für die Ausgabe nichtiger Aktienurkunden, auch dann nicht, wenn die Ausgeber als verfassungsmäßige Vertreter in Ausführung der ihnen zustehenden Verrichtungen gehandelt haben. Weder §31 noch §831 BGB ist hier gegen die AG nach aktienrechtlichen Grundsätzen anwendbar, weil die Haftung die Grundlage der Gesellschaft selbst angreifen würde, wie sie auch nicht dafür haftet, daß jemand durch betrügerische Vorspiegelung des Vorstands bestimmt worden ist, eine Aktie zu zeichnen (§ 30 Anm. 5). A n m . 10 4. Die Schadensersatzpflicht der Ausgeber besteht gegenüber den „Besitzern" der Aktien. Auch dieser Ausdruck ist aus § 209 HGB übernommen und geht auf das Gesetz von 1870 zurück (Art. 207 a Abs. 2). Schon daraus ist zu schließen, daß der Ausdruck nicht im Sinne des § 854 BGB zu verstehen ist. Gemeint ist jeder, den die Aktienurkunde legitimieren würde, wenn sie gültig wäre, § 793 BGB, also der Inhaber. Wer infolge von Weiterveräußerung nicht mehr Besitzer in diesem Sinne ist, kann den Schadensersatzanspruch nicht geltend machen, er müßte denn zuvor die Aktie zurückerwerben. Das wird man auch dann annehmen müssen, wenn der Kläger die Aktie während des Rechtsstreits veräußert; denn die Klagebefugnis muß bis zu der Verhandlung bestehen, auf Grund deren das Urteil ergeht. Tritt aber der Kläger zugleich mit der Veräußerung der Aktie seinen Schadensersatzanspruch an den Erwerber ab, so kann er nach § 265 ZPO den Rechtsstreit weiterführen, indem er unter Änderung seines Klagantrages Leistung an den Erwerber verlangt; ebenso, wenn er den Schadensersatzanspruch abtritt, ohne die Aktie zu veräußern. A n m . 11 5. Als Schaden ist jeder Vermögensnachteil zu ersetzen, den der Besitzer infolge der verbotswidrigen Ausgabe der Aktienurkunde erleidet, mit Einschluß entgangenen Gewinns (§§ 249 bis 252 BGB). Über die Anwendbarkeit des § 254 BGB und die Verjährung s. Anm. 6. 57

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Anm. 12—16

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Anm. 12 V . i. ( A b s . 4 . ) Die U n t e i l b a r k e i t der Aktie (Art. 207 Abs. 3 des alten H G B , Art. 207 Abs. 3 des Gesetzes von 1884, § 179 Abs. 1 H G B ) bedeutet Unteilbarkeit des Anteilrechts f ü r d e n A k t i o n ä r . Daß er nicht eine Aktienurkunde über 200,— D M in zwei Urkunden über j e 100,— D M verwandeln kann, ist selbstverständlich; denn nicht er, sondern die A G stellt die Aktienurkunde aus. Die Unteilbarkeit seines Anteilrechts verbietet ihm aber, einen anderen daran in der Weise zu beteiligen, daß dieser auf dieselbe Aktie neben ihm unter entsprechender Verringerung seiner Mitgliedschaft ebenfalls Mitglied der A G werde (a. M . Teichmann-Köhler Anm. 2 b). Das ist an sich nicht selbstverständlich, denn bei der G m b H ist eine solche Teilung, wenn auch regelmäßig nur mit Genehmigung der Gesellschaft, zulässig ( § 1 7 G m b H G ) . Bei der A G ist sie auch mit Genehmigung der Gesellschaft nicht zulässig. J e d e Aktie begründet nur eine einheitliche Mitgliedschaft. Daher ist es auch nicht zulässig, daß Mehrere zu ideellen Teilen eine Aktie übernehmen oder zeichnen (§ 2 Anm. 10 mit Anführung der Gegenmeinungen). Die Unteilbarkeit der Aktie hindert aber nicht, daß aus Gründen des bürgerlichen Rechts eine R e c h t s g e m e i n s c h a f t entsteht (§ 63), sei es auf Grund von Miteigentum, wie es z. B. an Inhaberaktien aus Vermischung nach § 948 B G B entspringen kann, sei es zur gesamten H a n d wie bei ungeteilter Erbengemeinschaft oder bei ehelicher Gütergemeinschaft. Vgl. die Erläuterungen zu § 63. Die Unteilbarkeit steht auch nicht schuldrechtlichen Verträgen entgegen, durch die ein Aktionär einen anderen im Innenverhältnis teilnehmen läßt, z. B. durch Unterbeteiligung, vgl. dazu Godin-Wilhelmi § 8 Anm. 9 und Schlegelberger-Quassowski, § 8 Anm. 15.

Anm. 13 2. Die Unteilbarkeit h i n d e r t d i e A G n i c h t , im Wege der Satzungsänderung die Stückelung d e r Aktien derart zu ändern, daß an Stelle einer Aktie mehrere mit dem entsprechenden Teilbetrag treten, also z. B. an Stelle einer Aktie zu 200 D M zwei zu j e 100,— D M , sofern nur der gesetzliche Mindestbetrag (Abs. 1) innegehalten wird ( O L G Hamburg in O L G R 4, 253). Ist das geschehen, so kann der Aktionär über jedes dieser selbständig gewordenen Teilrechte verfügen. Den Umtausch kann aber die A G nicht erzwingen; Kraftloserklärung sieht das Gesetz f ü r diesen Fall nicht vor.

Anm. 14 3. Sind über mehrere Anteilrechte G l o b a l a k t i e n (oben Anm. 4) ausgestellt, so kann der Inhaber einer Globalaktie ebenfalls von sich aus keine Zerlegung vornehmen. E r kann aber die Globalaktie bei der A G gegen Einzelaktien umtauschen und dann über jede einzelne Aktie verfügen.

Anm. 15 4. Vorübergehend w a r die U n t e i l b a r k e i t der Aktien durch die G o l d b i l a n z v e r o r d n u n g b e s c h r ä n k t worden, indem § 17 der 2. D u r c h f V O die Ausgabe von Anteilscheinen zuließ, wenn eingereichte Aktien die zum Ersatz durch neue Aktien erforderliche Zahl nicht erreichten; die Anteilscheine wurden nach gewisser Zeit zum Umtausch aufgerufen und nötigenfalls f ü r kraftlos erklärt.

Anm. 16 5. Wie der Aktionär sein Anteilrecht nicht teilen kann und dieses auch nicht teilbar ist (auch nicht bei Eingriffen von hoher Hand, wie Konfiskationen), so kann er auch nicht a l l g e m e i n e M i t g l i e d e r r e c h t e davon a b s p a l t e n wie z. B. das Recht auf Auskunft, das Stimmrecht u. dgl. ( R G 132, 159). Möglich ist aber die Abtretung von Leistungsansprüchen gegen die A G , auch wenn sie auf der Mitgliedschaft beruhen, so vor allem des Rechts, auch des künftigen, auf den Anteil am verteilten Reingewinn (abweichend Frhr. v. Godin-Wilhelmi § 69 Anm. 5, der offenbar nur die Abtretbarkeit von „Gläubigerrechten" f ü r zulässig hält, also Ansprüche auf bereits beschlösse Dividende oder künftige Dividendenansprüche, wenn Dividendenscheine ausgegeben worden sind, vgl. dazu auch Godin-Wilhelmi, § 8 Anm. 10 und Schlegelberger-Quassowski, § 8 Anm. 14). Das Recht auf Benutzung von Einrichtungen der A G ist in der

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut) § 8 A n m . 17, 18 Regel ein allgemeines Mitgliedrecht und nicht von der Aktie lösbar (§ i Anm. 14, 18). Über die abtretbaren Rechte werden meistens Scheine ausgegeben, über den Anteil am festgestellten Reingewinn Gewinnanteilscheine (Dividendenscheine), über andere Rechte Genußscheine. A n m . 17 6. Die Vereinigungen m e h r e r e r Aktien in eine einzige, also eine rechtliche Vereinigung mehrerer Anteilrechte, ist etwas anderes wie bei der Globalaktie die Ausstellung einer gemeinsamen Urkunde (Anm. 4). Der Aktionär selbst ist dazu nicht in der Lage, da er weder Aktien noch Aktienurkunden schaffen kann. Die A G bedarf dazu außer einer Satzungsänderung auch der Zustimmung der davon betroffenen Aktionäre (so das Übergangsrecht nach Inkrafttreten des AktG und nach dem DMBilGes. ausdrücklich in § 3 der 3. D V O z. AktG und § 16 des 3. DMBilErgGes.). Denn bei einer derartigen Vereinigung würden Aktionäre, die nicht die nötige Zahl von Anteilsrechten besitzen, praktisch aus der Gesellschaft hinausgedrängt werden können, es läge also eine Verletzung des unentziehbaren „Rechts auf gleichmäßige Behandlung" vor (§ 1 Anm. 10). Außerdem hätte die Gesellschaft auch keine Möglichkeit, einen Aktienumtausch zu erzwingen; § 67 ist unanwendbar (vgl. Schlegelberger-Quassowski, § 8 Anm. 16). Der Konstruktion eines „Sonderrechts" des Aktionärs, die Aktien einzeln zu behalten (so die 1. Auflage), bedarf es nicht. Soweit die Zustimmung der betroffenen Aktionäre nachgewiesen ist, sind keine Bedenken gegen die Eintragung einer entsprechenden Satzungsänderung zu erheben. Dagegen ist der bei SchlegelbergerQuassowski aaO. als gangbar bezeichnete Weg abzulehnen, nämlich die Vereinigung der Anteilsrechte auch dann, wenn nicht alle Aktionäre zustimmen, einzutragen, unter der Voraussetzung, daß Gewähr dafür geboten ist, daß die tatsächliche Lage alsbald mit der neuen Satzungsbestimmung in Einklang gebracht wird; damit würde eine späterhin nicht rückgängig zu machende und unzulässige Beschränkung der betroffenen Aktionäre praktisch ermöglicht werden. Für die Vereinigung von Kleinaktien gelten die Sondervorschriften des 3. DMBil.ErgGes. §§ 16—20 (vgl. oben Anm. 2 a). Für das frühere Recht vergleiche die außer Kraft gesetzten Bestimmungen in Art. I der 1. D V O z. AktG vom 29. 9. 37. Auch die Bestimmungen über die Vereinigung von Aktien in Art. I (§§ 1—7) der 3. D V O z. AktG vom 2 1 . 9. 38 (RGBl. I 1839) sind heute gegenstandslos, da sie die Vereinigung von auf volle 100,— R M lautenden Aktien, die seinerzeit nicht den gesetzlichen Mindestnennbetrag von 1000,— R M erreichten, betreffen, vgl. § 3 Abs. 3 EinfGes., also seit der Einführung eines ohnehin 100,— D M betragenden gesetzlichen Mindestnennbetrages nicht angewandt werden können. A n m . 18 V I . (Abs. 5.) Die Vorschriften der ersten vier Absätze werden hier auf Zwischenscheine, die früher Interimsscheine genannt wurden, ausgedehnt. Das Gesetz gibt auch die mit § 179 Abs. 3 Satz 2 H G B übereinstimmende Begriffsbestimmung: es sind Anteilscheine, die den Aktionären vor der Ausgabe der Aktien erteilt werden. Vor der Eintragung der A G können sie aber ebensowenig ausgegeben werden wie Aktien (§ 34 Abs. 4), auch können sie niemals auf den Inhaber, sondern müssen immer auf Namen lauten (§ 10 Abs. 3, 4). Eine Pflicht zur Ausgabe von Zwischenscheinen besteht nicht. Sie müssen erkennbar machen, daß die A G darin das Anteilrecht vor der Ausgabe der Aktien bestätigt ( R G 3 1 , 3 1 ; 49, 22). Empfangsbescheinigungen über geleistete Einzahlungen genügen diesem Erfordernis nur dann, wenn in ihnen das Anteilrecht zum Ausdruck kommt (RG 22, 1 1 8 ; 49, 22). Es genügt auch nicht, daß in der Urkunde nur ein Recht auf Bezug von Aktien zugesagt wird, wenn nicht zugleich bescheinigt wird, daß schon ein Anteilrecht besteht ( R G 30, 18). Jedoch braucht nicht gerade die Bezeichnung „Zwischenschein" in der Urkunde enthalten zu sein. Andererseits sind Urkunden, die inhaltlich alle Erfordernisse von Aktien erfüllen, sich aber als Zwischenscheine bezeichnen, wegen dieser Bezeichnung, die ihnen die Bedeutung der endgültig zu erteilenden Urkunde nimmt, nicht Aktien, sondern Zwischenscheine (dahingestellt gelassen vom R G in J W 1909, 60 33 ). Die Frage hatte steuerrechtliche Bedeutung

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§ 9 Anm. 1 (vgl. Bauer 5, 177); das Kapitalverkehrsteuergesetz i. d. F. vom 22. g. 55 (BGBl. I S. 590) macht aber zwischen. Aktien und Zwischenscheinen keinen Unterschied. Ein Zwischenschein kann auch über mehrere Anteilrechte lauten ( R G 22, 118), ebenso wie die Globalaktie (Anm. 4).

Anm. 19 Zwischenscheine werden häufig ausgegeben, wenn die Ausgabe von I n h a b e r a k t i e n beabsichtigt, aber noch nicht die volle Einzahlung geleistet ist (§ 10 Abs. 2). Es steht aber nichts im Wege, auch nach der vollen Einzahlung zunächst Zwischenscheine auszustellen, bis die Aktienurkunden hergestellt sind. D a ß nach der vollen Einzahlung Zwischenscheine nicht mehr ausgegeben werden könnten, hatte das R G (JW 1916, 1411 3 ) aus der Fassung des § 179 H G B entnommen. Die jetzige Fassung bietet dafür keinen Anhalt.

Anm. 20 Der Zwischenschein beurkundet das Recht zwar nur vorläufig, gewährt aber das v o l l e M i t g l i e d r e c h t ( R G 5, 193; 36, 40), also volles Stimmrecht — abgesehen vom Fall des § 1 1 5 — , volles Anteilrecht am Gewinn und am Abwicklungserlös ( R G 33, 17). Er ist ein Wertpapier wie die Aktienurkunde ( R G 31, 31; 36, 38). Der Berechtigte, der im Aktienbuch eingetragen ist (§61 Abs. 4, § 62 Abs. 4), kann aber, wenn er seine Einlage voll geleistet hat, die Aushändigung einer Aktienurkunde gegen Rückgabe des Zwischenscheins verlangen. O b derjenige, der zur Lieferung von Aktien verpflichtet ist, seiner Pflicht durch Lieferung von Zwischenscheinen genügen kann, ist eine Auslegungsfrage, die sich nach den Umständen verschieden beantworten läßt, im Falle Bolze 1 Nr. 1188 verneint worden ist.

Anm. 21 V o n den Ü b e r l e i t u n g s v o r s c h r i f t e n des § 3 EinfG war schon in Anm. 2 a und 3 die Rede. § 3 Abs. 2 EinfG sah eine Ausnahme von der Regel, daß nach dem Inkrafttreten des A k t G , also dem 30. 9. 37, nur Aktien zum Nennbetrag von 1000 R M ausgegeben werden dürfen vor: Bei Kapitalherabsetzungen ( § 1 7 5 Abs. 4) galt für bereits bestehende Gesellschaften als Mindestnennbetrag ein Betrag von 100 R M , wenn die Aktien nicht auf 1000 R M oder mehr lauteten. Hinsichtlich des Übergangsrechts für den Aktienumtausch s. Anm. 17.

§9 Ausgabebetrag der Aktien 1. Für einen geringeren Betrag als den Nennbetrag dürfen Aktien nicht ausgegeben werden. 2. Für einen höheren Betrag ist die Ausgabe zulässig. Übe Anm. I. Verbot der unter-pari-Emission (Abs. 1) 1. Entstehungsgeschichte . . 2. Zweck der Vorschrift . . 3. verdeckter Nachlaß . . . 4. Anwendbarkeit nur bei Aktienausgabe 5. Rechtsfolgen bei Verstoß.

1 2 3 4 5

cht Anm. II. 1. Zulässigkeit der über-pariEmission (Abs. 2) . . . 2. bei Sacheinlagen . . . . III. 1. Uneinheitlicher Ausgabekurs 2. Formvorschriften . . . .

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Anm. 1 I. 1. D a ß Aktien nicht unter pari ausgegeben werden dürfen, wohl aber über pari ausgegeben werden können, wurde im Gesetz von 1884 bestimmt (Art. 175 a Abs. 1

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Nr. 2, Abs. 2, Art. 209 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2). Dies wurde in § 184 HGB übernommen. Das AktG hält daran fest und läßt die bisherige Einschränkung fallen, daß die Ausgabe über den Nennbetrag nur zulässig war, wenn die Satzung sie zuließ. Anm. 2 2. Das Verbot der Aktienausgabe unter pari ist eines der Schutzmittel für die Aufbringung des Grundkapitals. Erhielte die AG die Einlagen der Aktionäre nur mit einem Abzug (Disagio), so würde der Nennbetrag des Grundkapitals irreführend wirken. Nur bei schwindelhaften Gründungen könnten die Gründer ein Interesse daran haben, von vornherein das Grundkapital höher erscheinen zu lassen, als es durch die Einlagen der Aktionäre werden soll. Das Verbot ist also für die erste Aktienausgabe nach der Gründung ohne weiteres erklärlich. Es gilt aber auch für spätere Kapitalbeschaffungsmaßnahmen, Kapitalerhöhung, bedingte Kapitalerhöhung und Ausgabe auf Grund genehmigten Kapitals. Bei der Kapitalerhöhung läge es nahe, wenn die alten Aktien unter pari stehen, auch die neuen zum selben Kurs auszugeben. Denn der Pari-Kurs ist bei den neuen Aktien regelmäßig nur dadurch zu erreichen, daß sie mit Vorzügen ausgestattet oder daß die alten Aktien zuvor zwecks Kapitalherabsetzung zusammengelegt werden. Wenn ohne diese Voraussetzungen Kapitalerhöhungen auch bei einem Börsenkurswert unter pari vorgenommen worden sind, so war dies nur bei Gesellschaften möglich, bei denen ein Großaktionär die überwiegende Mehrheit hatte und nicht nur den aufsein Bezugsrecht fallenden Teil der jungen Aktien, sondern auch einen von den übrigen Aktionären nicht bezogenen Rest zu pari zu übernehmen gewillt war. Das Verbot bedeutet also ein erhebliches Hindernis für Beschaffung neuen Kapitals, und aus diesem Grunde ist für den Fall der Kapitalerhöhung die Abschaffung des Verbots von manchen Seiten befürwortet worden. Das Gesetz hat aber daran festgehalten und hat es vorgezogen, die Kapitalbeschaffungsmaßnahmen zu vermehren. Bei Ausgabe von Aktien gegen Wandelschuldverschreibungen sieht es einen besonderen Schutz zur Erhaltung des Grundkapitals vor (§ 166 Abs. 2). Auch das Steuerrecht erkennt eine Unter-Nennwert-Ausgabe nicht an; die Gesellschaftssteuer wird vom vollen Nennbetrag erhoben, § 8 Ziff. 1 KapVerkStGes., vgl. Brönner, § 8 Anm. 5. Anm. 3 3. Das Verbot macht auch jeden v e r s c h l e i e r t e n N a c h l a ß an der Einlagepflicht, durch Gewährung von Diskonten, Zinsvergütungen, Provisionen oder dgl., unzulässig. Auch die Überbewertung einer Sacheinlage würde auf eine Aktienausgabe unter pari hinauslaufen (vgl. Herbig DNotZ 1936, 332). Indessen sind hiergegen bei der Gründung besondere Schutzmaßnahmen vorgesehen (§§20, 24ff.); bei der Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen kann deren Überbewertung eher vorkommen (§§ 150, 155 Abs. 4, 161, 162 Abs. 3, 172). Dagegen ist der AG nicht verwehrt, von den Einlagen der Aktionäre Kosten, Steuern, Provisionen an Vermittler, etwa an ein Garantiekonsortium zu zahlen, überhaupt Aufwendungen zu machen, die nicht den Aktionären selbst zugute kommen. In gewissem Umfang können solche Aufwendungen sogar schon von dem vor der Anmeldung einzufordernden Viertel der Bareinlage bestritten werden (§ 28 Abs. 2, § 29 Abs. 1 Satz 4). Anm. 4 4. Das Verbot betrifft nur die Ausgabe von Aktien, von ursprünglichen oder bei späterer Kapitalbeschaffung von neuen. Hat die AG eigene Aktien erworben (vgl. § 65) und verkauft sie diese wieder, so kann das zum Kurse unter pari geschehen. Darin liegt keine Ausgabe von Aktien. Anm. 5 5. Der Ausgabebetrag der Aktien wird nicht in der Satzung festgesetzt, wohl aber bei der Feststellung der Satzung in der darüber aufzunehmenden Urkunde (§16 Abs. 2) oder in der Urkunde über die spätere Aktienübernahme (§ 22 Abs. 2). Würde er unter dem Nennbetrage festgesetzt werden, so würde das die Eintragung der AG hindern,

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§9 Anm. 6—8

I. Buch: Aktiengesellschaft

aber, wenn sie trotzdem eingetragen sein sollte, keinen Nichtigkeitsgrund abgeben (§ 216). Noch weniger kommt ein Nichtigkeitsgrund in Frage, wenn als Ausgabebetrag der Nennbetrag festgesetzt ist, die Festsetzung aber einverständlich nicht innegehalten und den Aktionären in mehr oder weniger versteckter Form ein Nachlaß gewährt wird. Dem Zwecke des Gesetzes entspricht es, daß in allen diesen Fällen die Aktionäre f ü r verpflichtet erachtet werden, den vollen Nennbetrag zu leisten, also auch in dem kaum denkbaren Fall, daß die A G trotz offenen Verstoßes gegen das Verbot eingetragen wird. Die unzulässige Festsetzung nach § 16 Abs. 2 oder § 22 Abs. 2 ist ebenso wie die unzulässige Geheimabrede über die Gewährung eines Nachlasses als rechtlich nicht vorhanden anzusehen. Damit wird der Bedeutung der Gründung für die Öffentlichkeit, dem durch die Eintragung hervorgerufenen Rechtsschein (§ 2 Anm. 2 bis 4), Rechnung getragen und der Zweck des Gesetzes, die Aufbringung des Grundkapitals zu sichern, am besten erreicht. Dies gilt namentlich auch bei der Uberbewertung von Sacheinlagen; hier ist der Unterschiedsbetrag in bar nachzuzahlen (übereinstimmend Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; z. T . wohl abweichend Godin-Wilhelmi, § 9 Anm. 2). Die versteckte Unter-pari-Ausgabe von Aktien zieht Bestrafung nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 nach sich, die offene — wenn sie vorkommen sollte — möglicherweise Bestrafung nach § 294. Die Schadensersatzpflicht ergibt sich aus den §§ 3g, 40, 4 1 . Anm. 6 II. 1. Die Zulassung der Ausgabe von Aktien zu einem höheren a l s d e m Nennb e t r a g ist statthaft und ungefährlich, weil sie der A G mehr als das Grundkapital einbringt. Der Mehrbetrag, das Aufgeld oder Agio, erhöht aber nicht das Grundkapital, sondern bildet, soweit er die Kosten der Aktienausgabe übersteigt, einen Teil der gesetzlichen Rücklage ( § 1 3 0 Abs. 2 Nr. 2 ; vgl. § 1 Anm. 5). Der Mehrbetrag muß schon vor Anmeldung der Gesellschaft — oder der Durchführung der Kapitalerhöhung — eingezahlt sein (§§ 28 Abs. 2, 155 Abs. 2) und sich zur freien Verfügung des Vorstands befinden, der dies bei der Anmeldung erklären und nachweisen muß (§§ 29, 155 Abs. 2). Bei Über-pari-Ausgabe ist f ü r die Erhebung der Gesellschaftssteuer der volle Ausgabebetrag maßgebend (§8 Ziff. 1 KapVerkStGes.). Anm. 7 2. Werden Sacheinlagen u n t e r b e w e r t e t , so läuft auch das auf eine Über-pariAusgabe der dafür gewährten Aktien hinaus. Diese tritt aber nicht offen in Erscheinung, die A G erhält auf diese Weise eine stille Rücklage. Die Ausgabe über pari kann aber auch bei Sacheinlagen offen vorgenommen werden. So kann z. B., wenn ein Aktionär eine auf 600 000 D M bewertete Fabrik einbringt, der Betrag der dafür zu gewährenden Aktien auf 500000 D M zum Kurse von 1 2 0 % bestimmt werden. Die Vorschriften des § 28 Abs. 2 stehen dem nicht entgegen, da sie den Fall, daß Sacheinlagen vereinbart sind, ausdrücklich ausnehmen. Wird bei Sacheinlagen in dieser Weise verfahren, so ist auch der Betrag des Aufgelds in die gesetzliche Rücklage nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 einzustellen, soweit er die Kosten der Ausgabe der als Gegenleistung gewährten Aktien übersteigt. Dieser Betrag ist dann allerdings nicht in bar vorhanden, sondern in Gestalt eines Sachwerts. Aber er bildet zusammen mit der übrigen gesetzlichen Rücklage eine Sperrzahl bei der Feststellung des verteilbaren Reingewinns. Anm. 8 I I I . 1. Der A u s g a b e k u r s b r a u c h t kein einheitlicher zu sein, er kann f ü r die Aktionäre verschieden bestimmt werden. Das kann bei der Einheitsgründung geschehen, indem der eine Gründer Aktien zu einem höheren oder niedrigeren Kurse übernimmt als ein anderer. Es kann aber auch bei der Stufengründung geschehen, indem z. B. der Ausgabebetrag der Aktien von Woche zu Woche steigend festgesetzt wird. Das muß dann freilich auch im Zeichnungsschein zum Ausdruck kommen ( § 3 0 Abs. 2 Nr. 4). In jedem Fall muß der Ausgabebetrag schon bei der Feststellung der Satzung oder doch bei der Aktienübernahme durch die Gründer bestimmt werden (§ 16 Abs. 2, § 22 Abs. 2). Eine nachträgliche Änderung ist möglich, erfordert aber eine neue Verhandlung und deren Beurkundung in der Form des § 16. Unbedenklich kann

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut) § 9 Anm. 9 § 10 auf diese Weise der Ausgabebetrag bei der Einheitsgründung nachträglich sowohl erhöht wie gesenkt, bei der Stufengründung erhöht werden. Streitig war nach bisherigem Recht, ob er bei der Stufengründung auch dann noch gesenkt werden kann, wenn schon eine Aktie oder mehrere zum höheren Ausgabebetrage gezeichnet worden sind. Brodmann (§184 HGB Anm. ic) erklärt das für unzulässig. Es war nach bisherigem und ist auch nach jetzigem Recht nur mit Zustimmung derer, die schon gezeichnet haben, für zulässig zu halten (übereinstimmend Godin-Wilhelmi, § 9 Anm. 4). Sie sind zwar noch nicht Aktionäre, und das Recht auf gleichmäßige Behandlung (§ 1 Anm. ia) ist im eigentlichen Sinne für sie noch nicht entstanden. Aber auch schon auf ihre Anwartschaft wird dieser Grundsatz entsprechend anzuwenden sein. Der Registerrichter hat daher, wenn die erforderlichen Zustimmungen nicht beigebracht werden, die Eintragung abzulehnen. Ist die Gesellschaft dennoch eingetragen worden, so ergibt sich aus jenem Verstoß allerdings kein Nichtigkeitsgrund und auch kein Einwand gegen die übernommene Einlageverpflichtung. Anm. 9 2. Der Ausgabebetrag muß nicht nur in den U r k u n d e n , die nach § 16 oder nach § 22 Abs. 2 zu errichten sind, sowie im Zeichnungsschein (§ 30 Abs. 2 Nr. 4) angegeben werden, sondern auch in der A n m e l d u n g (§ 29 Abs. 1); er wird mit der Bekanntmachung der Eintragung veröffentlicht (§ 33 Abs. 1 Nr. 2). Bei der Kapitalerhöhung ist der Ausgabebetrag nur dann festzusetzen, wenn die neuen Aktien über pari ausgegeben werden sollen, und zwar als Mindestbetrag (§149 Abs. 3); den Ausgabebetrag selbst bestimmt der Vorstand. Auch dieser kann seine Entschließung ändern, muß aber dabei den in Anm. 8 erörterten Grundsatz beachten. Die Zustimmung des Aufsichtsrats kann erforderlich sein (§95 Abs. 5). Bei der bedingten Kapitalerhöhung ist in dem Beschluß entweder der Ausgabebetrag festzusetzen, oder es sind wenigstens die Grundlagen festzustellen, wonach dieser Betrag errechnet wird (§160 Abs. 2 Nr. 3). Im letztgenannten Fall bestimmt wiederum der Vorstand den Ausgabebetrag, gegebenenfalls unter Zustimmung des Aufsichtsrats. Auch beim genehmigten Kapital bestimmt nach § 171 der Vorstand den Ausgabebetrag; er „soll" seine Entscheidung nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats treffen. Bei der Kapitalerhöhung und bei der Ausgabe auf Grund genehmigten Kapitals ist der Ausgabebetrag der Aktien ebenfalls in den Zeichnungsschein (§ 152 Abs. 1 Nr. 2, § 170) und in die Bekanntmachung (§§ '57) 170), bei der bedingten Kapitalerhöhung sind der Ausgabebetrag oder die Grundlagen seiner Berechnung in die Bekanntmachung (§ 163) aufzunehmen. § 1 0 I n h a b e r - und N a m e n s a k t i e n 1. Die Aktien können auf den Inhaber oder auf Namen lauten. 2. Sie müssen auf Namen lauten, wenn sie vor der vollen Leistung des Nennbetrages oder des höheren Ausgabebetrags ausgegeben werden; der Betrag der Teilleistungen ist in der Aktie anzugeben. 3. Zwischenscheine müssen auf Namen lauten. 4. Zwischenscheine auf den Inhaber sind nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Besitzern als Gesamtschuldner verantwortlich. Ubersicht Anm. Anm. I. Entstehungsgeschichte und 2. Anwendbares Recht bei VerRechtsnatur der Aktie als Anäußerung und Übertragung 3a 3. Namensaktien 4 teilsrecht 1—2 4. Abgrenzung zu §§ 793 ff. II. Inhaber- oder Namensaktien BGB 5 (Abs. 1) 5. Form der Übertragung . 6 1. Inhaberaktien 3 6. Wertpapierbereinigung . 6a 63

§10 Anm. 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft Anm.

III. Nicht volleingezahlte Aktien (Abs. 2) 1. Namensaktien kraft Gesetzes 2. nur bei Bareinlage . . . 3. Recht der Aktionäre auf Aushändigung der Aktien

7 8

Anm.

4. Börsenhandel 5. Teilbetragsangabe in der Aktie

10 11

IV. Zwischenscheine (Abs. 3 und 4) 12—13

9

Anm. 1 I. Namens- und Inhaberaktien waren schon im alten Handelsgesetzbuch wahlweise zugelassen. § 10 entspricht im wesentlichen den Vorschriften des § 179 Abs. 2 bis 4 und des § 209 Abs. 2 HGB. Anm. 2 Während in den §§ 1 bis 9 von der „Aktie" fast durchweg im Sinne des Anteilrechts die Rede ist, in § 8 Abs. 3 und 5 allerdings auch von der Ausgabe von Aktien und Zwischenscheinen, also von Urkunden über das Anteilrecht, handelt § 10 nur von den Urkunden. Daß Aktienurkunden überhaupt ausgegeben werden müssen, ist im AktG nicht ausdrücklich gesagt, wie es auch im Handelsgesetzbuch nicht gesagt worden war. Dennoch ergibt es sich aus dem Zusammenhang des Gesetzes, namentlich aus § 109, wonach jeder Aktionär, der eine Aktie, d. h. Aktienurkunde, bei der Gesellschaft hinterlegt, eine Sondermitteilung über die bevorstehende Hauptversammlung verlangen kann. Also muß er eine Aktienurkunde haben. Es besteht aber kein öffentlichrechtlicher Zwang zur Ausgabe von Aktienurkunden (RGSt. 8, 34). Auch hängt davon weder der Bestand der AG ab (RGSt. 31, 403) noch der Bestand des Anteilrechts (RG 31, 22; 34, 1 1 5 ; 41, 13; 49, 25; 52, 423). Sind keine Aktienurkunden ausgegeben, so wird die Legitimation zur Ausübung der Aktionärrechte auf andere Weise geführt (RG 34, 1 1 6 ; RGSt. 31, 403; K G J 14, 33). Die Gründer oder die Erwerber junger Aktien aus einer Kapitalerhöhung sind aus der Notariatsurkunde über die Errichtung der Gesellschaft bzw. den Zeichnungsscheinen ersichtlich. Rechtsnachfolger können sich bei Erbfolge durch öffentliches Testament oder Erbschein, bei Verschmelzungen durch Handelsregister-Auszüge, bei rechtsgeschäftlichem Erwerb durch Vorlegung von Abtretungserklärungen legitimieren. Vielfach wird zur Kontrolle ein Aktienbuch geführt. Diesem kommt aber die rechtliche Bedeutung des für Namensaktien zu führenden Aktienbuches im Sinn des § 61 Abs. 1 nur zu, wenn die Satzung es vorsieht. Das gilt insbesondere von der Bestimmung des § 62 Abs. 3, nach der nur der im Aktienbuch eingetragene Aktionär Rechte gegenüber der Gesellschaft geltend machen kann. Die Anteilrechte können, wenn keine Urkunden darüber ausgegeben sind, formlos veräußert (RG 86, 157) und verpfändet (RG in L Z 1917, 1262 15 ) werden (vgl. auch RGSt. 64, 82). Der Erwerber haftet jedoch bei Veräußerung vor voller Leistung der Bareinlage (des Ausgabebetrags der Aktien) neben dem Veräußerer auf die rückständige Einlage (desgl. bei nicht voll erbrachter Sacheinlage; vgl. die flg. Anm. 8 a. E. und Anm. 13). Jeder Aktionär kann aber die Aushändigung einer Aktienurkunde gegen volle Leistung seiner Einlage verlangen (RG 94, 64), wie er auch zur vollen Leistung nur gegen Aushändigung einer Aktienurkunde verpflichtet ist. Das Recht, die Aushändigung einer Aktienurkunde zu verlangen, ist ein unentziehbares allgemeines Mitgliedsrecht, unentziehbar freilich nur insoweit, daß es mit Zustimmung aller Aktionäre praktisch außer Wirksamkeit gesetzt werden kann. Bei Einmanngesellschaften hat das keine Schwierigkeit, auch bei Familiengesellschaften kommt es vor. Anm. 3 II. 1. (Abs. 1.) Die Aktienurkunden können auf den Inhaber oder auf den Namen lauten. Wie sie zu lauten haben, bestimmt die Satzung; bestimmt sie nichts darüber, so heißt das nach § 17 Abs. 1, daß sie als Namensaktien auszustellen sind. Die AG kann auch beide Arten von Aktien ausgeben (vgl. § 17 Abs. 2). Aktien besonderer Gattung werden damit nicht geschaffen, wenn Namens- und Inhaberaktien

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt— Meyer-Landrut)

§ 10 A n m , 3a—5

gleiche Rechte gewähren. Eine Satzungsänderung, durch die Inhaber- in Namensaktien umgewandelt werden oder umgekehrt, bedarf daher nicht der Abstimmung n a c h § 146 Abs. 2. Namens- wie Inhaberaktien sind W e r t p a p i e r e körperschaftlicher Art. Ihre Wertpapiereigenschaft zeigt sich darin, daß nicht nur, wenn Aktienurkunden ausgestellt sind, die Innehabung privatrechtliches Erfordernis f ü r die Ausübung des Anteilrechts ist, sondern d a ß auch die AG den mit ihnen verbundenen Rechtsschein nicht unbeachtet lassen, also z. B. niemand zur Hauptversammlung zulassen kann, der sich nicht durch die U r k u n d e ausweist. Anm. 3 a 2. Aus dem Wertpapiercharakter der Aktienurkunde folgt, daß zur Ü b e r t r a g u n g des verbrieften Rechts die Ubergabe des Papiers erforderlich ist (s. Anm. 6 unten). Inhaber-Aktien werden nach sachenrechtlichen Grundsätzen, Namensaktien durch Übergabe und Indossament übertragen (§ 61 Abs. 2), nicht verbriefte Aktienrechte durch formlosen Abtretungsvertrag (Anm. 2 oben). Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers richtet sich nach § 935 BGB mit § 367 H G B bzw. f ü r Namensaktien nach Art. 16 Abs. 2 WechselGes. (vgl. Godin-Wilhelmi, § 6 Anm. 3). Da es sich bei Aktienurkunden u m Wertpapiere handelt — das Recht aus dem Papier folgt dem Recht a m Papier — gilt f ü r ihre Übertragung, insbesondere was Form (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) und gutgläubigen Erwerb anbetrifft, im internationalen Bereich die l e x r e i s i t a e . Es ist also f ü r die Übertragung von Aktienurkunden das Recht des Ortes m a ß gebend, an dem sich das Papier befindet (Raape, S. 583 fr., Bufe, BB 1954, 46). Ist f ü r bestimmte Formerfordernisse (etwa §61 Abs. 2) ein entsprechendes Ortsrecht nicht vorhanden, so ist nach Personalstatut der Gesellschaft das anzuwendende Recht zu bestimmen, also deutsches Recht anwendbar, R G Z 160, 230. Für das der Übertragung von Aktienurkunden zugrunde liegende schuldrechtliche Geschäft (Kauf, Tausch, Schenkung) ist das jeweils zu ermittelnde Schuldstatut unter Berücksichtigung der sich ergebenden Anknüpfungspunkte (Parteiwille, hypothetischer Parteiwille, Erfüllungsort, Abschlußort usw.) maßgebend (vgl. Fikentscher in M D R 1957, 73). Die Geltendmachung der aus der Aktienurkunde sich ergebenden Mitgliedschaftsrechte u n d -pflichten (§ 1 Anm. 9—18) richtet sich jedoch allein nach dem Personalstatut der Gesellschaft, dem Recht des Sitz-Staates also, unabhängig davon, wo sich die Aktienurkunde selbst befindet (Einzelheiten § 5 Anm. 7 Ziff. 6). Anm. 4 3. Die N a m e n s a k t i e m u ß auf eine bestimmte natürliche oder juristische Person oder auf eine Handelsgesellschaft lauten. Auch auf die Firma eines Einzelkaufmanns kann sie lauten (vgl. f ü r gebundene Namensaktien § 2 Anm. 11). Steht das Anteilrecht mehreren zu (§ 63), z. B. einer Erbengemeinschaft, so sind sämtliche Berechtigte in der Namensaktie aufzuführen. Die Namensaktie ist gesetzliches Orderpapier (§ 61 Abs. 2). Sie hat bisher in Deutschland die Ausnahme gebildet und findet sich namentlich bei Versicherungsgesellschaften mit nicht voll eingezahltem Kapital und im Fall der Bindung (§61 Abs. 3). Bei Nebenleistungsaktiengesellschaften ist die gebundene Namensaktie vorgeschrieben (§ 5°)) ebenso f ü r Kapitalanlagegesellschaften nach § 1 Abs. 3 G v. 16. 4. 57 (BGBl. I, 378). Für die nach 1945 im Züge der alliierten Entflechtungsmaßnahmen, insbesondere der Eisen- und Stahlindustrie, neugeschaffenen Gesellschaften wurde in den sog. Mustersatzungen durchweg die Namensaktie eingeführt (s. MilRegGes. Nr. 75 vom 10. 11. 48 [ABl.brit. MilReg. S. 1025]; AHKGes. Nr. 27 vom 1 6 . 5 . 5 0 [ABl. 298]). Auf diese Weise sollte eine engere Verbindung zwischen den Gesellschaften und den aus ihrer Anonymität heraustretenden Aktionären hergestellt werden (vgl. Bericht der Stahltreuhändervereinigung, Die Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie, 1954, S. 244fr.). Inzwischen ist m a n jedoch überwiegend bei den entflochtenen Gesellschaften zur Inhaberaktie zurückgekehrt. Zur Kritik der alliierten M a ß n a h m e n und zum angelsächsischen Recht vgl. Herold, N J W 1952, 81 ff. Anm. 5 4. Die I n h a b e r a k t i e , die in Deutschland die Regel bildet, ist ein Inhaberpapier über die körperschaftliche Beteiligung, aber kein Inhaberpapier über ein Leistungs5 Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§10 A n m . 6, 6a

I. Buch: Aktiengesellschaft

versprechen. Die §§ 793 ff. BGB sind daher nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwendbar; unanwendbar ist namentlich die Vorschrift des § 794 BGB über die Entstehung der Verpflichtung des Ausstellers. Werden einer AG Inhaberaktien gestohlen, bevor sie sie ausgegeben hatte, so ist sie aus den gestohlenen Urkunden zu nichts verpflichtet. Sie kann an Stelle der gestohlenen Nummern andere ausgeben und muß nur, um sich selbst zu schützen, durch den Aufdruck dafür sorgen, daß jene mit diesen nicht verwechselt werden. Das Grundkapital der AG kann nicht durch Diebstahl vergrößert werden (vgl. RGSt. in BankA 14, 128). Anwendbar ist § 793 Abs. 1 BGB, insofern die AG Vermögensleistungen an den Inhaber der Aktie mit befreiender Wirkung erbringen kann (RG bei Holdheim 22, 278); sie kann ihm also den Gewinnanteilschein aushändigen, der seinerseits eine echte Schuldverschreibung auf den Inhaber darstellt. Die Beschränkung der Einwendungen in § 796 BGB ist bei Inhaberaktien insoweit bedeutungslos, als sie aktienrechtlichen Grundsätzen widersprechen würde. Gültig gefaßte Beschlüsse, welche die allgemeinen Mitgliederrechte, soweit sie antastbar sind, beschränken oder aufheben (§ 1 Anm. 17), muß sich der Inhaber entgegenhalten lassen, ebenso — unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Ausgeber — die Nichtigkeit der Ausgabe, wenn Aktien ohne zugrunde liegenden Beschluß oder über diesen hinaus oder auf Grund eines nichtigen Beschlusses (RFH 16, 177) oder vor Eintragung der AG oder der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals (§34 Abs. 4, §§ 158, 170) ausgegeben worden sind. § 797 BGB ist auf den Gewinnanteilschein anwendbar, aber nicht auf die Aktienurkunde. Von deren Aushändigung kann die AG auch nicht die letzte in Betracht kommende Zahlung abhängig machen, weil immer noch die Möglichkeit besteht, daß von neuem Mitgliederrechte auszuüben sind (vgl. R G bei Holdheim 22, 279). An Stelle der §§ 798 bis 800 BGB gelten die damit inhaltlich übereinstimmenden §§68 und 66 über die Ersetzung beschädigter und die Kraftloserklärung abhanden gekommener oder vernichteter Aktienurkunden; die §§ 68 und 66 gelten übrigens auch für Namensaktien. Die §§ 801 und 802 BGB über die Vorlegungsfrist und die Verjährung kommen für Aktienurkunden nicht in Betracht, weil diese keine Leistung zum Gegenstand haben, für die eine Zeit bestimmt wäre, wohl für Gewinnanteilscheine und andere Inhaberscheine, die über Leistungspflichten der AG, z. B. über Abwicklungsraten, ausgestellt werden. Über die Umwandlung des Inhaberpapiers in ein Namenspapier (§806 BGB) trifft § 17 Abs. 2 eine besondere Bestimmung; diese Umwandlung sowie die umgekehrte kann wie nach § 806 BGB nur von der AG als Ausstellerin vorgenommen werden; die Satzung kann sie dazu verpflichten. Anm. 6 5. Die Übertragung und die Verpfändung des Anteilrechts vollziehen sich, wenn darüber I n h a b e r a k t i e n ausgestellt sind, in sachenrechtlichen Formen (§§ 929fr., 1205ff., 1293 BGB), ebenso die Bestellung eines Nießbrauchs (§ 1069 BGB). Zu beachten sind die für Inhaberpapiere geltenden besonderen Vorschriften über den Rechtserwerb im guten Glauben (§ 935 Abs. 2 BGB, § 367 HGB), beim Nießbrauch sind die Vorschriften der §§ 1081 ff. BGB anwendbar. Anm. 6 a 6. In der Zeit nach 1945 tauchten wegen des umfangreichen Verlusts von Aktienurkunden, besonders im russischen Sektor von Berlin, außergewöhnliche Probleme auf, die durch die Wertpapierbereinigung in angemessener Form und in verhältnismäßig kurzer Zeit auf Grund des WertpapierbereinigungsGes. vom 19. 8. 49 (WiGBl. 295) gelöst werden konnten. Da alle vom Gesetz betroffenen Aktienurkunden mit Wirkung vom 1. 10.49 für kraftlos erklärt wurden (§§3,65), mußte die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien während der Dauer des Wertpapierbereinigungsverfahrens in einem besonderen Gesetz vom 19. 10. 50 (BGBl. 690) geregelt werden. Für die Rechtslage für die Zeit vor 1949 und hinsichtlich des Mitgliedschaftsrechts aus. Aktien, die nicht der Bereinigung unterfallen, insbesondere von Gesellschaften, die nach dem vorläufigen Stichtag für die Bereinigung, dem 1. 4. 51 (vgl. § 38 2. WertpapierBerErgGes. vom 20. 8. 53, BGBl. 940) ihren Sitz in das Bundesgebiet verlegen, vgl. Friedrich, SDJ 1948, 730 ff. Eine abschließende Regelung dieser Fragen bringt nunmehr das 3. WertpBerErgGes. vom 16. 1 1 . 56 (BGBl. I 850) § 21. 66

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 10 Anm. 7—11

Anm. 7 III. i. (Abs. 2.) Aktien, die vor der vollen Leistung des Nennbetrages oder, wenn der Ausgabebetrag höher ist (§9 Abs. 2), vor der vollen Leistung des Ausgabebetrages ausgegeben werden, müssen stets auf den Namen lauten. Inhaberaktien dürfen vor der Vollzahlung nicht ausgegeben werden, weil bei ihnen der rückständige Betrag vom Inhaber und seinen zahlungspflichtigen Vormännern (§§ 57—59) wegen der Schwierigkeit, sie zu ermitteln, kaum jemals zu erlangen wäre. Für Namensaktien ist die Vergünstigung namentlich mit Rücksicht auf Versicherungsaktiengesellschaften gewährt, die ihr Grundkapital größtenteils als Garantiefonds behandeln (Denkschrift 1897 S. 129; R G 79, 176). Vorstand und Aufsichtsrat machen sich, wenn sie Inhaberaktien vor der Vollzahlung ausgeben, gegenüber der Gesellschaft und ihren Gläubigern schadensersatzpflichtig (§ 84 Abs. 3 Nr. 4, § 99) und zudem nach § 296 Abs. 1 Nr. 3 strafbar. Nichtig ist die Aktie aber nicht; das AktG ordnet die Nichtigkeit für diesen Fall ebensowenig an, wie es § 209 Abs. 2 HGB getan hatte (vgl. R G JurRundsch. 1927 Nr. 1306). Der gutgläubige Erwerber der Inhaberaktie ist zur Zahlung von Rückständen nicht verpflichtet (RG 144, 145); davor schützt ihn § 796 BGB nicht für sich allein (oben Anm. 5), sondern in Verbindung mit der aktienrechtlichen Vorschrift des § 10 Abs. 2. Eben darum kann der A G ein erheblicher Schaden entstehen. Über das S t i m m r e c h t aus nicht voll eingezahlten Aktien vgl. § 1 1 4 Abs. 2. Anm. 8 2. Die Zulassung der Ausgabe von Namensaktien vor der vollen Leistung bezieht sich nur auf den Fall der B a r e i n l a g e . Das geht schon aus der Vorschrift des zweiten Halbsatzes hervor, wonach der Betrag der Teilleistungen in der Aktie anzugeben ist. Hat der Aktionär eine S a c h e i n l a g e zu machen, so muß er diese vollständig leisten, bevor ihm auch nur eine Aktie dafür gewährt werden darf. Die vorzeitige Ausgabe von Inhaberaktien zieht auch in diesem Fall die in Anm. 7 genannten Folgen nach sich, die vorzeitige Ausgabe von Namensaktien nur Schadensersatzpflicht (§ 88 Abs. 3 Nr. 4, § 99). Möglich ist jedoch, wenn ein Aktionär mehrere Sacheinlage zu machen hat, ihm für jede eine bestimmte Anzahl von Aktien zu gewähren. Solange er keine Aktienurkunde hat, kann er sein Anteilrecht formlos veräußern oder verpfänden (oben Anm. 2). Der Erwerber tritt in alle mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten ein. Er haftet also für die Einbringung der Sacheinlage, unbeschadet der Weiterhaftung des ursprünglichen Aktionärs (vgl. Anm. 12). Anm. 9 3. Ob die Aktionäre, die mit Bareinlagen beteiligt sind, schon nach Leistung einer Teilzahlung die A u s h ä n d i g u n g einer N a m e n s a k t i e v e r l a n g e n können, und welche Teilzahlung dafür erforderlich ist, bestimmt sich nach der Satzung. Die Vergünstigung ist vom Gesetz der A G gewährt, der Aktionär hat ohne Satzungsbestimmung kein Recht darauf. Enthält die Satzung nichts darüber, so blieb es nach dem Handelsgesetzbuch der Generalversammlung überlassen, die Ausgabe von Namensaktien vor der vollen Leistung zu beschließen (RG 79, 176). Nach dem AktG fällt dem Vorstand die Entscheidung darüber zu (§ 70), der Aufsichtsrat hat ihn zu überwachen (§ 95). Die Entscheidung kann auch von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig gemacht werden (§ 95 Abs. 5). Anm. 10 4. Nach der Bekanntmachung vom 4. 7. 10 (RGBl. 917, § 4 Nr. 1) dürfen Aktien mit Ausnahme der Versicherungsaktien zum B ö r s e n h a n d e l nur dann zugelassen werden, wenn sie vollgezahlt sind oder ihre Vollzahlung jederzeit zulässig ist. Beim E r w e r b e i g e n e r A k t i e n wird zwischen vollbezahlten und nicht vollbezahlten mehrfach unterschieden (§ 65). Anm. 11 5. Die Angabe des geleisteten Teilbetrages auf der Namensaktie soll den Erwerber darüber unterrichten, welche Einlageverpflichtungen noch auf der Aktie 5'

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§10

§11

A n m . 12, 13

I. Buch: Aktiengesellschaft

ruhen (KG in JW 1927, 24341). Fehlt der Vermerk, so ist die Urkunde darum nicht nichtig; wohl aber darf der gutgläubige Erwerber der Aktie annehmen, daß sie voll bezahlt ist. Die Vorschrift ist ein Gesetz zu seinem Schutze, ihre Verletzung gibt ihm gegen die A G eine Einrede; das Indossament (§ 61 Abs. 2) schützt den guten Glauben insoweit an sich nicht (§61 Anm. g). Ihn trifft daher keine Einlageverpflichtung mehr, ein Kaduzierungsverfahren nach § 58 kann gegen ihn nicht stattfinden. Der Übernehmer oder Zeichner der Aktie bleibt aber nach dem Grundgedanken des § 59 haftbar, ebenso haften bösgläubige Zwischenerwerber, denn sie sind in die Einlageschuld eingetreten. Die A G wird daher ohne Kaduzierungsverfahren die bösgläubigen Vormänner in der Reihenfolge des § 59 in Anspruch zu nehmen haben. Für den etwaigen Schaden, der ihr aus der Weglassung des Vermerks entsteht, haften ihr und ihren Gläubigern Vorstand und Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 3 Nr. 4, § 99. Auch ist die Weglassung des Vermerks unter Strafe gestellt (§296 Abs. 1 Nr. 3). A n m . 12 IV. (Abs. 3 u n d 4.) Z w i s c h e n s c h e i n e (§8 Anm. 18) auszustellen, ist die AG nicht verpflichtet, wenn die Satzung es nicht bestimmt. Werden sie aber ausgestellt, so müssen sie auf den Namen und können nicht auf den Inhaber lauten. Denn der Zwischenschein dient hauptsächlich dazu, die Inhaberaktie zu ersetzen, so lange diese, weil noch nicht Vollzahlung geleistet ist, nicht ausgegeben werden darf. Ist Vollzahlung geleistet, so besteht kaum noch ein Bedürfnis für die Ausgabe eines Zwischenscheins (§ 8 Anm. 19), keinesfalls eines auf den Inhaber lautenden. Darum sind Inhaberzwischenscheine nichtig. Daß der Inhaberzwischenschein das Anteilrecht nicht überträgt (so SchlegelbergerQuassowski Anm. 7), trifft zu; in der Übergabe des nichtigen Inhaberzwischenscheins kann aber die formlose Abtretung des Anteilrechts (Anm. 2) liegen. Wegen der Schadensersatzpflicht der Ausgeber gegenüber den Besitzern kann auf die Anm. 6 bis 11 zu § 8 verwiesen werden. A n m . 13 Daß der Betrag der geleisteten T e i l z a h l u n g auch auf dem Z w i s c h e n s e i n anzugeben sei, schreibt das Gesetz nicht vor. Der Erwerber eines Zwischenscheins muß daher immer damit rechnen, daß noch Einlageverpflichtungen auf dem Anteilrecht ruhen. Ebenso muß derjenige damit rechnen, der sich ein Anteilrecht, über das überhaupt noch keine Urkunde ausgestellt ist, formlos abtreten läßt (oben Anm. 2). Diese Erwerber haften also für die Einlagerückstände (KG in JW 1927, 24341) im Gegensatz zum gutgläubigen Erwerber einer Inhaberaktie (Anm. 7) und einer Namensaktie, auf welcher der Betrag der Teilleistungen nicht angegeben ist (Anm. 11), unbeschadet der Haftung der Vormänner.

§ 1 1 Aktien besonderer Gattung Einzelne Gattungen von Aktien können verschiedene Rechte h a b e n , n a m e n t l i c h bei der Verteilung des G e w i n n s und des G e s e l l s c h a f t s v e r m ö g e n s . Übersicht Anm.

Entstehungsgeschichte . . . Allgemeines Einzelne Vorrechte (Vorzugsaktien) 1. Gewinnvorzug, insbes. das Nachbezugsrecht . . . . 2. Vorzug am Liquidationserlös

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1 2—3

4 5

Anm.

. . . . 3- Mehrstimmrecht 4- Besondere Pflichten . . . 5- Befristung oder Bedingung des Vorzugs 6. Verschieden hohe Nennbeträge 7- Verwaltungsaktien . . . 8. Formerfordernisse . . . 9- Vorzugsobligationen . .

6 7 8 9

10 11 12

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 11 Anm. 1 , 2

Anm. 1 I. Die Vorschrift stimmt mit § 185 HGB sachlich überein. Nur war dort gesagt, daß im Gesellschaftsvertrage für einzelne Gattungen von Aktien verschiedene Rechte festgesetzt werden könnten. Gemeint war damit aber nicht der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag. Vielmehr konnten auch durch dessen Änderung Gattungen von Aktien geschaffen werden, deren Verschiedenheit in den mit ihnen verbundenen Rechten bestand. Das AktG sagt daher einfacher: „Einzelne Gattungen von Aktien können verschiedene Rechte haben". Bestehen verschiedene Gattungen nicht schon nach der ursprünglichen Satzung (§16 Abs. 3 Nr. 4), worin z. B. einem mit Sacheinlage beteiligten Gründer Aktien mit Vorrechten gewährt sein können, so bedarf es einer Satzungsänderung, um Verschiedenheit zu schaffen. Damit läßt das AktG eine Durchbrechung des an sich zugunsten aller Aktionäre bestehenden Rechts auf gleichmäßige Behandlung (im einzelnen § 1 Anm. 12) zu, wirtschaftlichen Bedürfnissen folgend. Anm. 2 II. i. Die Verschiedenheit der mit den einzelnen Aktiengattungen verbundenen Rechte begründet unter den Gattungen ein Rangverhältnis. Das Recht auf Wahrung dieses Rangverhältnisses ist ein Sonderrecht (§ 1 Anm. 10), gleichviel, ob die eine Gattung vor der andern nur Vorzüge oder in anderer Hinsicht ihr gegenüber auch Nachteile hat, wie z. B. die Vorzugsaktie ohne Stimmrecht (§ 115). Soll dieses Rangverhältnis geändert werden, so bedarf es zu solcher Satzungsänderung zwar nicht der Zustimmung jedes einzelnen benachteiligten Aktionärs, aber doch einer gesonderten Beschlußfassung der benachteiligten Gruppe (§146 Abs. 2); insoweit schränkt das Gesetz die Geltendmachung des Sonderrechts ein (§ 1 Anm. 12). Diese Vorschrift ist unanwendbar, wenn bis dahin alle Aktionäre gleichberechtigt waren; alsdann ist die allgemeine Vorschrift über Satzungsänderungen (§ 146 Abs. 1) anzuwenden. Aber damit ist die Frage nicht erschöpft. Die von Schlegelberger-Quassowski (Anm. 3) vertretene Ansicht, daß die Stammaktionäre sich die durch die Mehrheit beschlossene Umwandlung einzelner Stammaktien in Vorzugsaktien ohne weiteres gefallen lassen müßten, kann in dieser Allgemeinheit nicht als zutreffend anerkannt werden; sie wäre mit dem auch von Schlegelberger-Quassowski anerkannten, wenn auch nicht näher erklärten Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre (das. § 102 Anm. 5) unvereinbar. Denn dieser verlangt, daß allen Aktionären die Möglichkeit geboten wird, unter gleichen Bedingungen gleiche Vorrechte zu erwerben (vgl. Baumbach-Hueck, § 11 Anm. 1). Bei Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung unterliegt der betreffende Beschluß der Anfechtung. Nur in zwei Fällen ist die Schaffung von Vorzugsaktien ohne Zustimmung jedes dadurch benachteiligten Stammaktionärs zulässig: a) Im Falle der K a p i t a l e r h ö h u n g . Hier ist die Schaffung neuer Aktien mit Vorzügen eines der gebräuchlichsten Mittel der Kapitalbeschaffung. Daß hierfür, wenn keine verschiedenen Aktiengattungen vorhanden sind, ein satzungsändernder Beschluß genügt, selbst in Verbindung mit dem Ausschluß des Bezugsrechts der Stammaktionäre, hatte sich schon unter dem Handelsgesetzbuch durchgesetzt (RG 52, 281; 68, 240). Es konnte in dieser Hinsicht eine gewohnheitsrechtliche Beschränkung des Rechts auf Gleichbehandlung angenommen werden. Das AktG hat daran nichts geändert, dem Rechte auf gleichmäßige Behandlung aber ein Zugeständnis dadurch gemacht, daß es die Beschlußfassung über den Ausschluß des Bezugsrechts erschwert hat (§153 Abs. 3, 4). b) Im Fall der Zuzahlung. Hier ist das Recht auf gleichmäßige Behandlung vom Gesetz beschränkt worden, zwar nicht unmittelbar, aber dadurch, daß es bestimmt hat, was mit den Zuzahlungen geschehen soll (§ 130 Abs. 2 Nr. 4; früher § 262 Nr. 3 HGB; vgl. § 1 Anm. 12; R G 52, 292f.; K G J 24, 71); sie sind in die gesetzliche Rücklage einzustellen. c) Einen dritten Fall hat das AktG neu hinzugefügt: die Schaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§115). In diesem Fall bedarf es aber außer dem satzungsändernden Beschluß der Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs, der sein Stimmrecht verliert (ebenso Schlegelberger-Quassowski §12 Anm. 3, § 1 1 5 Anm. 2).

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§11 A n m . 3, 4

I. Buch: Aktiengesellschaft

2. Dagegen wäre es unzulässig, ohne Kapitalerhöhung und ohne Zuzahlung einzelne Stammaktionäre durch Gewährung von Vorrechten ohne gleichzeitigen Verlust des Stimmrechts vor den andern zu bevorzugen. Dazu würde kein satzungsändernder Beschluß genügen; es würde vielmehr der Zustimmung jedes einzelnen benachteiligten Stammaktionärs bedürfen, ohne diese Zustimmung wäre der Beschluß f ü r ihn nicht bindend (§ i Anm. 12, 20). Anm. 3 3. Eine Aktiengattung kann durch eine e i n z i g e A k t i e gebildet werden, mit der andere Rechte verbunden sind wie mit allen anderen Aktien. Anm, 4 I I I . 1. a) Als besondere Gattung von Aktien kommt in erster Linie diejenige in Betracht, bei der gewissen Aktien ein V o r r e c h t bei d e r G e w i n n v e r t e i l u n g eingeräumt wird. Das kann auf verschiedene Weise geschehen. Häufig wird den Vorzugsaktien ein bestimmter Hundertsatz vom Reingewinn zugesagt, der Rest verbleibt den Stammaktionären oder wird zwischen ihnen u n d den Vorzugsaktionären nach einem bestimmten Schlüssel geteilt. b) Mitunter findet sich auch ein N a c h b e z u g s r e c h t auf Gewinnanteil f ü r J a h r e , in denen kein Reingewinn verteilt worden ist, aus den Gewinnverteilungen späterer Jahre. Hierbei ist die Frage aufgetaucht, inwieweit ein solches Nachbezugsrecht durch Beschlüsse der Hauptversammlung beeinträchtigt werden kann. Soviel ist sicher, d a ß es, wenn schon ein Sonderrecht, f ü r die Zukunft Beeinträchtigungen durch Satzungsänderung ausgesetzt ist, sofern nur die besondere Beschlußfassung der Berechtigten hinzukommt (§ 146 Abs. 2 ; § 1 Anm. 12, oben Anm. 2). Die Zweifel beziehen sich auf die Vergangenheit. Ist in einzelnen J a h r e n kein Gewinn verteilt worden, und kommt es dann zu einer Gewinnverteilung, so ist die Frage, ob die Hauptversammlung darin freie H a n d hat zu beschließen, was davon den Aktionären zufließen soll, die den Ausfall erlitten haben, und ob ihnen überhaupt etwas zufließen soll. Das R G hat in den Entscheidungen R G 82, 138 und 144 (vgl. auch R G 83, 420) zwischen „selbständigen" und „unselbständigen" Nachbezugsrechten unterschieden. Dem ist der B G H gefolgt (BGHZ 7, 263; 9, 279, W M 1956, 87; vgl. auch Godin-Wilhelmi, § 11 Anm. 2; anders Ritter, §11 Anm. 4b). S e l b s t ä n d i g nennt m a n das Bezugsrecht, wenn die Nachzahlung dem Inhaber des Gewinnanteilscheins des A u s f a l l j a h r s versprochen ist und die entsprechende Satzungsbestimmung demnach nur noch f ü r die Zukunft eingeschränkt oder abgeändert werden kann, u n s e l b s t ä n d i g und von der Aktie nicht lösbar, wenn es an dem Anteilschein des G e w i n n j a h r s haftet. I m zweiten Fall kann die Hauptversammlung noch über die Nachzahlung beschließen, also auch die Satzung noch insoweit ändern oder aufheben, als bereits Ausfälle eingetreten sind, aber noch nicht nachgezahlt wurden (BGHZ 9, 284). Diese Unterscheidung war der älteren Rechtsprechung fremd ( R O H G 22, 361; R G 14, 168; 15, 95), die Art des unselbständigen Nachbezugsrechts scheint sich nach R G 82, 140 auch erst später herausgebildet zu haben. O b die eine oder die andere Art vorliegt, ist eine Frage der Auslegung der Satzung. Ergibt diese nicht klar u n d eindeutig, d a ß ein selbständiges Nachbezugsrecht geschaffen werden sollte, so m u ß allerdings im Interesse der Verkehrssicherheit davon ausgegangen werden, daß ein unselbständiges Nachbezugsrecht, wie es auch fast allein in der Praxis vorkommt, gemeint ist. Eine Satzungsbestimmung, die die Nachzahlung in der Reihenfolge der Ausfälle vorsieht oder bestimmt, d a ß die Nachzahlung auf die Dividendenscheine der Vorzugsaktien nach der Reihenfolge der Ausfalljahre zu leisten ist, gibt ein unselbständiges Nachbezugsrecht (BGH vom 22. 12. 55 in W M 1956, 78). Der Wortlaut des Gewinnanteilscheins kann dabei unterstützend als wichtiges Indiz (BGHZ 9, 284) herangezogen werden, ist aber nicht entscheidend (RG 82, 145). Wird die Nachzahlung dem Aktionär des Ausfalljahres versprochen, so erwächst ihm mit dem Ausfall ein abtretbarer Anspruch, der freilich dadurch bedingt ist, d a ß in einem späteren J a h r Gewinn verteilt wird, verbrieft im Dividendenschein des Ausfalljahres (der beim unselbständigen Nachbezugsrecht wertlos wird; BGHZ 7, 265). Die Abtretbarkeit macht diesen Anspruch, der an sich auf einem

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt—- Meyer-Landrut)

§ 1t

A n m . 5, 6 Sonderrecht beruht (§ i Anm. io), zu einem echten Gläubigerrecht — B G H Z 7, 265 — (§ 1 Anm. 13). Die Hauptversammlung hat es daher, wenn später Gewinn verteilt wird, nicht mehr in der Hand, ein Ausfalljahr von der Nachzahlung auszuschließen, sondern der f ü r Nachzahlungen verfügbare Gewinn entfallt auf die Ausfalljahre in ihrer zeitlichen Reihenfolge ( R O H G 22, 3 7 1 ) . Anders, wenn die Nachzahlung den Aktionären des Gewinnjahres versprochen wird. Alsdann haben diejenigen, die in den Ausfalljahren Aktionäre waren, überhaupt keinen Anspruch. Das Recht auf Nachzahlung steht nur den Aktionären des Gewinnjahres gemäß dem darüber satzungsgemäß gefaßten Beschluß zu ( R G 82, 146; § 126 Abs. 3 ; § 5 2 Anm. 24). c) Das A k t G regelt das Nachbezugsrecht nur bei den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, und zwar nach der Art des unselbständigen, von der Aktie nicht lösbaren Nachbezugsrechts (§§ 1 1 5 fr.; anders B G H Z 9, 283). Das Recht auf den Nachbezug steht dem Aktionär des Gewinnjahres zu. E r hat, auch wenn Gewinn vorhanden ist, aber die Hauptversammlung auf Grund satzungsmäßiger Ermächtigung den Gewinn von der Verteilung ausschließt oder so wenig verteilt, daß das Nachbezugsrecht nicht völlig befriedigt wird (§ 126 Abs. 3, § 52 Anm. 25), keinen klagbaren Anspruch auf den Nachbezug. Statt dessen wächst ihm — oder genauer der Aktie — unter der Voraussetzung des § 1 1 6 Abs. 2 das Stimmrecht so lange zu, bis die Rückstände nachgezahlt sind. Die Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs f ü r die Zukunft ist in § 1 1 7 geregelt; sie bedarf ähnlich wie nach § 146 Abs. 2 einer gesonderten Beschlußfassung der Vorzugsaktionäre. d) Auch Vorzugsaktien m i t Stimmrecht können mit einem Nachbezugsrecht ausgestattet werden. Die Satzung ist maßgebend dafür, ob ein selbständiges oder ein unselbständiges Nachbezugsrecht vorliegt. Fehlt eine eindeutige Satzungsbestimmung, so ist auch hier im Interesse der Rechtssicherheit davon auszugehen, daß, wie bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien, regelmäßig ein unselbständiges Nachbezugsrecht gewollt ist ( B G H in W M 1956, 87). e) Ob dem Nachbezugsrecht der laufende Gewinnanteil vorgeht ( R G 9, 30), hängt ebenfalls von dem Inhalt der Satzung ab und ist eine Frage von deren Auslegung. Das Nachbezugsrecht kann innerhalb der gesetzlichen Grenzen beliebig gestaltet werden ( R G 68, 238). Die Gewährung fester Zinsen ist jedoch unzulässig (§ 54 Abs. 1). Für das Nachbezugsrecht der Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht kann die Vorschrift des § 1 1 6 Abs. 2 durch die Satzung nicht wirksam ausgeschlossen werden. Auch in dem verschiedenen Beginn des Gewinnbezuges kann eine Verschiedenheit der Aktiengattungen bis zu der Zeit liegen, wo alle Aktien gleichmäßig am Gewinn beteiligt sind ( R G 83, 419).

Anm. 5 2. Eine andere Art von Bevorzugung findet sich namentlich bei dem Anteil am A b w i c k l u n g s e r l ö s . Das Gegenstück dazu sind Aktien, bei denen der Anteil am Abwicklungs erlös und im Fall der Einziehung der Rückzahlungsbetrag auf einen Hundertsatz des Nennbetrags beschränkt ist (sog. schüldverschreibungsähnliche Aktien, vgl. § 28 der 2. D u r c h f V O zur GoldbVO). Auch das sind Aktien besonderer Gattung. Die Ausgabe derart benachteiligter Aktien kann zweckmäßig und erforderlich werden, wenn bei einer Kapitalerhöhung zu pari, f ü r die das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen wird (§ 1 5 3 Abs. 3), eine Verwässerung der alten, über pari stehenden Aktien vermieden werden muß. Hier käme eine Ausgabe der jungen Aktien mit der Maßgabe in Betracht, daß sie nur mit dem Nennbetrag oder nur mit dem Wert ihrer Einlage zur Zeit der Einzahlung am Liquidationserlös beteiligt sind.

Anm. 6 3. Aktien mit m e h r f a c h e m S t i m m r e c h t sind nach § 12 nur noch ausnahmsweise zulässig. Werden sie aber ausnahmsweise zugelassen, so kann nicht wohl bezweifelt werden, daß sie eine besondere Gattung von Aktien bilden (a. M . SchlegelbergerQuassowski Anm. 2). Daran kann es nichts ändern, daß nach bisherigem Recht — wenigstens nach der herrschenden Meinung — ein Mehrstimmrecht nur solchen Aktien beizulegen zulässig war, die an sich schon durch Rechtsverschiedenheit gegenüber

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§11 Anm. 7—9

I. Buch: Aktiengesellschaft

anderen Aktien eine besondere Gattung bildeten ( § 1 2 Anm. 3). Die Mehrstimmrechtsaktien waren alsdann aus doppeltem Grunde eine besondere Gattung von Aktien. Die Ausnahmebewilligung nach § 12 Abs. 2 ist an keine derartige Beschränkung geknüpft, ein Mehrstimmrecht kann daher auch solchen Aktien verliehen werden, die sich sonst nicht von anderen gattungsmäßig unterscheiden. Wird es verliehen, so haben die Aktien, bei denen es geschieht, ein von anderen verschiedenes Recht; sie bilden also nach § 1 1 eine besondere Gattung von Aktien, § 146 Abs. 2 und die übrigen in Anm. 1 1 genannten Vorschriften sind auf sie anwendbar. Anm. 7 4. Der in § 1 1 gebrauchte Ausdruck, daß einzelne Gattungen verschiedene Rechte haben können, bedeutet nicht, daß das nicht auch P f l i c h t e n sein könnten. Es kommt nur auf Verschiedenheit der rechtlichen Stellung der Aktionäre an. Daher kann eine Verschiedenheit darin bestehen, daß einigen Aktien die Pflicht zu Nebenleistungen auferlegt ist, andern nicht ( § 5 0 ; R G 80, 95), oder daß die A G bei einigen Aktien ein Einziehungsrecht hat (§ 192), bei andern nicht. Anm, 8 5. Die Besonderheit einer Aktiengattung kann satzungsgemäß an eine F r i s t gebunden oder auch bedingt sein. So kann ein Vorrecht aufschiebend dadurch bedingt sein, daß Zuzahlungen geleistet werden, wofür der Endzeitpunkt der Bestimmung der Verwaltungsträger überlassen bleiben kann ( O L G Dresden im Z B 1 F G 5, 249), auflösend dadurch, daß die Vorzugsaktionäre abgefunden werden. Auch kann die Form der Umwandlung in Stammaktien in solchen Fällen satzungsmäßig festgesetzt sein, etwa in der Weise, daß der Vorstand die Vorzugsaktien aufzurufen hat. Ist die Besonderheit auflösend befristet oder bedingt, so bedarf es, wenn die Frist abläuft oder die Bedingung eintritt, keines satzungsändernden Beschlusses mehr ( O L G Karlsruhe in O L G R 42, 216). Andernfalls ist die Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien nur im Wege der Satzungsänderung mit besonderer Beschlußfassung der benachteiligten Aktionäre möglich (§ 146). Ist einem einzelnen Aktionär in der Satzung ein Vorrecht als „unentziehbar" verliehen, so bildet seine Aktie schon dadurch eine besondere Gattung (Anm. 3); es bedarf also zur Aufhebung oder Beschränkung seiner Zustimmung. Aber auch wenn ein Vorrecht einer ganzen Gruppe von Aktionären als unentziehbar verliehen worden ist, ist die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich, da insoweit ein echtes Sonderrecht i. S. von § 35 B G B vorliegt. § 146 Abs. 2 kann hier nicht angewandt werden (vgl. Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; Teichmann-Koehler Anm. 3 ; abweichend die 1. Auflage). Einer Satzungsänderung bedarf es, wenn satzungsmäßige Nebenleistungspflichten geändert werden sollen; jede Auferlegung neuer oder Verstärkung bestehender Nebenverpflichtungen verlangt aber nach § 147 die Zustimmung jedes einzelnen betroffenen Aktionärs (§ 1 Anm. 19). Die Satzungsänderung wird mit der Eintragung ins Handelsregister wirksam (§ 148). Die bei der Umwandlung von Aktien gebräuchliche Abs tempelung der Aktienurkunden ist kein Gütigkeitserfordernis ( R G 83, 422). Anm. 9 6. K e i n e G a t t u n g s v e r s c h i e d e n h e i t wird durch Verschiedenheit des Nennbetrags begründet, auch dann nicht, wenn Aktien zusammengelegt und zuzahlende Aktionäre von der Zusammenlegung befreit werden. Denn durch den Nennbetrag wird nur der Umfang des Anteils bestimmt, aber keine Verschiedenheit der mit ihm verbundenen Rechte begründet. Ebensowenig entsteht ein Gattungsunterschied dadurch, daß Aktien teils auf den Inhaber, teils auf Namen lauten ( § 1 0 Anm. 3), sofern beide Arten gleiche Rechte gewähren. Auch die Verschiedenheit der auf die Aktien zu leistenden Einlagen — Sach- oder Geldeinlagen — sowie der auf die Aktien geleisteten Einzahlungen begründet keinen Gattungsunterschied, wohl aber begründet ihn eine Satzungsbestimmung, nach der die Aktionäre verpflichtet sind, die Einzahlungen in verschiedener Höhe zu leisten (Anm. 7). Über den Einfluß der Einzahlungen auf das Stimmrecht s. § 1 1 4 Abs. 2. Die Verschiedenheit des Ausgabebetrags (§9 72

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt— Meyer-Landrut) § 11 A n m . 11—12 Anm. 8), die Zugehörigkeit zu verschiedenen Emissionen machen ebenfalls keinen Gattungsunterschied aus. A n m . 10 7. V e r w a l t u n g s a k t i e n , Schutz- oder Vorratsaktien, eine in der Nachkriegszeit nach 1918 häufige Erscheinung, bilden keine besondere Aktiengattung. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, daß sich der Ubernehmer oder Zeichner gegenüber der AG schuldrechtlich gebunden hat. Vgl. § 51 und R G 132, 160. A n m . 11 8. Die Verschiedenheit der Gattung ist in der S a t z u n g (§16 Abs. 3 Nr. 4), im Z e i c h n u n g s s c h e i n (§ 30 Abs. 2 Nr. 2), in der B e k a n n t m a c h u n g der E i n t r a g u n g (§ 33 Abs. 1 Nr. 1, § 37 Abs. 2) und in der B i l a n z (§ 131 Abs. 1 B I) zum Ausdruck zu bringen. Sie spielt bei Abstimmungen eine bedeutsame Rolle (§146 Abs. 2, § 149 Abs. 2, § 160 Abs. 1 Satz 2, § 169 Abs. 2 Satz 3, § 174 Abs. 1 Satz 4, § 175 Abs. 2, § 182 Abs. 2). A n m . 12 9. a) Von Vorzugsaktien sind Schuldverschreibungen der AG zu unterscheiden. Jene werden bisweilen „Prioritätsaktien", diese „Prioritätsobligationen" genannt. Der Name Prioritäts- oder Vorzugsobligationen rührt daher, daß bei der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens die Gläubiger der Obligationen befriedigt werden müssen, bevor etwas an die Aktionäre zur Verteilung gelangen kann. Die Schuldverschreibungen der AG sind kaufmännische Verpflichtungsscheine (§ 363 HGB), mitunter Schuldverschreibungen auf den Inhaber; diese dürfen, wenn sie auf eine bestimmte Geldsumme lauten, nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden (§ 795 BGB und das Ges. über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaberund Orderschuldverschreibungen vom 26. 6. 54 — BGBl. I 147). Zur Sicherheit der Gläubiger aus Schuldverschreibungen auf den Inhaber und aus kaufmännischen Verpflichtungsscheinen können Sicherungshypotheken nach den §§1187, 1188 BGB eingetragen, für den jeweiligen Gläubiger kann nach § 1189 BGB ein Grundbuchvertreter bestellt werden. Die Gläubiger der Schuldverschreibungen können ihre gemeinsamen Rechte gemäß dem Gesetz vom 4. 12. 99 (RGBl. S. 691, in der Fassung des Gesetzes vom 14. 5. 14, RGBl. S. 121, der VO v. 24. 9. 32, RGBl. I 447, und des Gesetzes vom 20. 7. 33, RGBl. I 523) wahrnehmen. Ist eine AG Vertreter, so geht ihre Rechtsstellung bei Verschmelzung oder Umwandlung auf die übernehmende Gesellschaft über (RGZ 150, 290). b) Unter den Schuldverschreibungen finden sich solche, in denen den Gläubigern außer einer festen Verzinsung eine veränderliche, nach dem Gewinnanteil der Stammaktionäre berechnete Zusatzzahlung versprochen wird (RG 118, 152). Die 1935 von der Harpen-Bergbau AG begebenen sog. Harpen-Bonds gewährten den Obligationären darüber hinaus bei Liquidation der Gesellschaft (neben Rückkauf) eine Zusatzzahlung soweit, als der Liquidationserlös der Aktien den Nominalbetrag übersteigt. Die Einlösung der ausgelosten und falligen Bonds war gleichfalls mit dem Börsenkurs gekoppelt. Steuerlich wurden daher die auf die Bonds geleisteten Zins- und Überzinszahlungen nicht als Betriebsausgaben, sondern als Gewinnausschüttungen angesehen (RFH in RStBl. I I I 1940, 35), die Schuldverschreibungen also Aktien gleichgestellt. Für das Aktienrecht kann das nicht gelten. Schuldverschreibungen sind auch bei Gewinnbeteiligung keine Aktien und gewähren kein Recht auf Teilnahme an den Beschlüssen der AG ( G e w i n n s c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n ) . c) Die Aufnahme von Anleihen ist grundsätzlich kein Geschäft, das gesetzlich eines Beschlusses der Hauptversammlung bedürfte. Es gehört zur Geschäftsführung des Vorstandes, der dabei die AG nach außen vertritt (§§ 70, 71). Nach innen kann aber der Vorstand dabei durch die Satzung, den Aufsichtsrat oder durch einen nach § 103 herbeigeführten Beschluß der Hauptversammlung beschränkt sein; die Beschränkung wirkt nicht nach außen (§ 74). Die Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen ist nur auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zulässig (§174 Abs. 1); auch 73

§12

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1 dies ist nur eine nach innen wirkende Beschränkung. Näheres über Gewinnschuldverschreibungen, Wandelschuldverschreibungen (convertible bonds) und Genußrechte s. zu § 174.

§ 1 3 Keine

Stimmrecht Mehrstimmrechtsaktien

1. Jede Aktie gewährt das Stimmrecht. Vorzugsaktien können nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden. 2. Mehrstimmrechte sind unzulässig. Der ß«VAiwirtschaftsminister kann i m Einvernehmen mit dem RetVÄjminister der Justiz und den sonst beteiligten ÄiiVÄiministern Ausnahmen zulassen, wenn das Wohl der Gesellschaft oder gesamtwirtschaftliche Belange es fordern. Übersicht Anm.

Anm.

I. Stimmrecht (Abs. 1) 1. Allgemeines 2. Stimmrechtslose Vorzugsaktien

1 2

I I . Mehrstimmrecht (Abs. 2) 1. Rechtslage vor Inkrafttreten des A k t G 2. Rechtsnatur 3. Übergangsrecht

3 4 5

Anm. 1 I, 1. Der Grundsatz, daß jede Aktie das Stimmrecht gewährt (§ 252 H G B ) , ist im A k t G zweimal ausgesprochen, hier und in § 1 1 4 , wo nähere Bestimmungen über die Ausübung des Stimmrechts getroffen sind. Der Grundsatz besagt, daß „ d i e Aktie ihrem Inhaber das Recht gewährt, sich im R a h m e n des Gesetzes und der Satzung an der Verwaltung der A G und ihres Vermögens zu beteiligen und mitbestimmend auf ihr Schicksal einzuwirken" ( R G 1 1 1 , 4 0 7 ) . Unter Aktie ist hier das Anteilrecht, nicht die Aktienurkunde zu verstehen. Das Stimmrecht ist der wesentlichste Teil des aus der Aktie fließenden Mitverwaltungsrechts der Aktionäre. V o n der Legitimation des A b stimmenden wird nicht hier, sondern in den §§ 62 und 1 1 4 gehandelt. Das Gesetz hat nach der Begründung von einer verschiedenen Behandlung der Aktionäre, j e nachdem sie Dauer-, Zufalls- oder nur Spekulationsaktionäre sind, aus wohlerwogenen Gründen abgesehen. Es geht davon aus, daß derjenige, der sein Geld der A G zur Verfügung stellt, auch an der Mitverwaltung durch Ausübung des Stimmrechts beteiligt sein muß, ohne daß es auf die Absicht ankommen kann, die den einzelnen vielleicht zum Ankauf von Aktien bestimmt hat, da das Stimmrecht sich nicht aus der Person des Inhabers, sondern aus der Aktie ergibt. Immerhin sieht das Gesetz Beschränkungen in der Ausübung des Stimmrechts vor (§ 1 1 4 ) . Durch keinen Beschluß der Gesellschaftsorgane, auch nicht der Hauptversammlung, kann aber einem Aktionär sein Stimmrecht entzogen werden. Es ist ein unentziehbares allgemeines Mitgliedsrecht und da, wo Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden (Anm. 2), ein unentziehbares Sonderrecht (§ 1 Anm. 12), allerdings mit der sich aus § 146 Abs. 2 ergebenden Einschränkung, daß eine Änderung des Verhältnisses mehrerer Aktiengattungen zum Nachteil einer Gattung nur in gesonderter Abstimmung der benachteiligten Aktionäre beschlossen werden kann. Näheres in § 146 Anm. 4 ff. Es versteht sich, daß ein K l e i n a k t i o n ä r , der nicht dieselbe Stimm-Macht in sich vereinigt wie ein Großaktionär, tatsächlich mit Hilfe des Stimmrechts weniger Einfluß auf die Geschäftsführung nehmen kann, als ihn eine maßgebliche Beteiligung gewährt. Die besonders in jüngster Zeit hieraus abgeleiteten Klagen über die Einfluß- und Rechtlosigkeit der Kleinaktionäre gehen jedoch an der Sache vorbei. Aktienbesitz ist wirtschaftlich und rechtlich Mitbesitz an fremdverwaltetem Eigentum. J e d e r , der sich an

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i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 12 Anm. 2, 3

einer kapitalstarken A G mit einigen wenigen Aktien beteiligt, muß wissen, daß er mit dieser Beteiligung einen Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nicht erlangen kann. Es ist daher auch nicht angängig, diese tatsächliche Lage, die sich aus dem kapitalistischen Aufbau der A G ergibt, durch eine Überspannung des Auskunftsrechts (§ 112) zu überspielen. Das Gesetz sieht aus wohlerwogenen Gründen eine Beschränkung des Auskunftsrechts vor, wenn überwiegende Belange der Gesellschaft es erfordern (vgl. dazu im einzelnen und zu der Art der Berichterstattung durch den Vorstand § 1 1 2 Anm. 4ff.). Im übrigen aber stehen dem Kleinaktionär alle Rechtsbehelfe zu, die das Gesetz zum Schutz der Aktionäre geschaffen hat, insbesondere die Anfechtungs- und die Nichtigkeitsklage (§§ 199, 201), die Schadensersatzklage nach § 101 und ggf. § 826 BGB sowie schließlich, falls die besonderen Rechtsbehelfe des AktG nicht anwendbar sind, die allgemeine Leistungs- oder Feststellungsklage. Damit ist auch für den Kleinaktionär ein umfassender Rechtsschutz gewährleistet, der auch dann gegeben ist, wenn den Aktionär schädigende Maßnahmen sich nicht in anfechtbaren oder nichtigen Beschlüssen der Hauptversammlung manifestieren, z. B. also die allgemeinen Mitgliederrechte oder Sonderrecht unzulässig beschränkt werden. Für den Fall, daß ein Rechte verletzender Beschluß der Hauptversammlung vorliegt, vgl. § 1 Anm. 20. Anm. 2 2. An den Grundsatz wird alsbald eine, und zwar die einzige A u s n a h m e angeschlossen: es ist zulässig, V o r z u g s a k t i e n „nach den Vorschriften dieses Gesetzes" als Aktien ohne S t i m m r e c h t auszugeben. Die Vorschriften über diese Neuschöpfung des AktG finden sich in den § § 1 1 5 bis 117. Danach kann das Stimmrecht für Aktien ausgeschlossen werden, die mit einem Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind, und dieser Vorzugsbetrag muß, wenn er bei der Verteilung des Gewinns in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt ist, in den folgenden Jahren nachgezahlt werden; geschieht das nicht im nächsten Jahr neben dem vollen Vorzugsbetrag dieses Jahres, so haben die Vorzugsaktionäre das Stimmrecht so lange, bis die Rückstände nachgezahlt sind (§ 116 Abs. 2). Vorzugsaktien ohne Stimmrecht dürfen aber nur bis zu einem gewissen Betrage ausgegeben werden ( § 1 1 5 Abs. 2). Sie gewähren mit Ausnahme des Stimmrechts die jedem Aktionär zustehenden Rechte ( § 1 1 6 Abs. i), also namentlich das Recht auf Eintragung ins Aktienbuch bei Namensaktien (§61), das Recht auf Zulassung zur Hauptversammlung (§ 102), auf Auskunft gemäß § 1 1 2 , auf Einsicht in den Jahresabschluß nebst dem Bericht des Aufsichtsrats und auf Erteilung einer Abschrift der Vorlagen (§125 Abs. 6). Diese Rechte, welche die Vorzugsaktionäre mit allen Aktionären gemein haben, sind unentziehbare allgemeine Mitgliederrechte (§ 1 Anm. 17). Der Vorzug selbst ist ein Sonderrecht, über dessen Entziehung und Beschränkung § 1 1 7 das Nähere enthält. Zum Schutze des Vorzugs dient auch die Bestimmung in § 171 Abs. 2 bei genehmigtem Kapital. Zu dieser Neuschöpfung bemerkt die Begründung, daß Käufer von Vorzugsaktien erfahrungsgemäß auf das Stimmrecht weniger Wert legen, als auf den Vorzug und nur eine möglichst hohe Rente haben wollen. Neben den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bleiben aber auch Vorzugsaktien mit Stimmrecht zulässig. Das Nachbezugsrecht ( § 1 1 Anm. 4) kann satzungsmäßig verschiedenartig gestaltet sein. Aber nur, wenn es so gestaltet ist, wie § 116 Abs. 2 vorschreibt, kann die Vorzugsaktie ohne Stimmrecht ausgegeben werden, andernfalls nur mit Stimmrecht. Anm. 3 II. 1. ( A b s . 2.) Die M e h r s t i m m r e c h t s a k t i e n waren ebenso wie die Verwaltungsaktien ( § 1 1 Anm. 10) in den 20er Jahren eine sehr häufige Erscheinung. Anfänglich dienten sie damals zum Schutz gegen die Überfremdung durch ausländische Aktionäre. Später kam aber der Begriff der „inneren Überfremdung" auf, und die Mehrstimmrechtsaktien wie auch die Verwaltungsaktien wurden schlechthin dazu benutzt, Einflüsse auszuschalten, die den Verwaltungsorganen mißliebig waren. Das führte nicht selten zu Mißbräuchen, und in zahlreichen Fällen entstand die Frage, ob die Grenze der guten Sitten (§138 BGB) überschritten worden sei.

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§12 Anm. 4, 5

I. Buch: Aktiengesellschaft

Die herrschende Meinung legte allerdings § 252 Abs. 1 Satz 4 H G B dahin aus, daß ein erhöhtes Stimmrecht nur solchen Aktien beigelegt werden könne, die sich ohnehin schon durch Rechtsverschiedenheit gegenüber andern als besondere Gattung darstellten, daß es aber nicht zulässig sei, durch Erhöhung des Stimmrechts allein eine Aktiengattung zu schaffen ( R G 1 1 9 , 254). Indessen wollte das nicht viel besagen, da diesem Erfordernis schon durch geringe Unterschiede genügt werden konnte ( R G 156, 139). Wesentlicher war, daß das R G die mit Mehrstimmrechten erzielte Stimmenmehrheit überall da für ungenügend erklärte, wo das Handelsgesetzbuch eine gewisse Mehrheit des bei der Abstimmung vertretenen Grundkapitals erforderte ( R G 125, 359). Dennoch hatte sich der oberste Gerichtshof häufig mit der Frage zu beschäftigen, ob die Mehrheit ihre Machtstellung in sittenwidriger Weise gegen die Minderheit ausgenutzt habe. Dabei waren die Gesichtspunkte f ü r die Verwendung von Mehrstimmrechtsaktien und von Verwaltungsaktien im wesentlichen die gleichen (vgl. R G 107, 72, 204; 108, 4 1 , 327; 1 1 2 , 1 7 ; 1 1 3 , 194; 1 1 9 , 104, 255; 132, 1 6 1 ; J W 1928, 628). Diese Rechtsprechung ist nun insoweit überholt, als das AktG Mehrstimmrechte für unzulässig erklärt und die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien nur noch ausnahmsweise gestattet, wenn nämlich eine ministerielle Genehmigung erwirkt wird. Die angeführte Rechtsprechung behält aber noch weiter richtungsweisende Bedeutung für Fälle, in denen sich die Mehrheit auf andere Weise als durch Mehrstimmrechtsaktien ihre Machtstellung zu sichern oder zu erweitern sucht. Hinsichtlich der sich aus der staatlichen Neugestaltung ergebenden Fragen der ministeriellen Zuständigkeit vgl. § 7 Anm. 3 a. Die Schaffung verkappter Mehrstimmrechte verhindert § 1 1 4 Abs. 2, vgl. daselbst Anm. 12. Anm. 4 2. Unter Mehrstimmrechtsaktien sind solche Aktien zu verstehen, denen ein h ö h e r e s S t i m m r e c h t beigelegt ist, als im Verhältnis zu andern Aktien ihrem Nennwert entspricht. Die A u s n a h m e kann nur zugelassen werden, wenn das Wohl der Gesellschaft oder gesamtwirtschaftliche Belange es fordern, also in Fällen, in denen auch im Sinne der früheren Rechtsprechung ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht in Frage kommen kann. Ob diese Voraussetzung vorliegt, entscheiden die zuständigen Minister ohne gerichtliche Nachprüfung; der Ausdruck „ k a n n " zulassen hat keine rechtliche Bedeutung, er gibt nur eine Richtlinie an. Daß die Aktien sich auch sonst von anderen gattungsmäßig unterscheiden, wird f ü r die Bewilligung der Ausnahme nicht vorausgesetzt. Sind Mehrstimmrechtsaktien zugelassen, so bilden sie eine besondere Gattung ( § 1 1 Anm. 6). Denkbar wäre freilich immer noch die Möglichkeit, daß Mehrstimmrechtsaktien nicht zu dem Zweck gebraucht werden, zu dem sie ausnahmsweise zugelassen sind, sondern zu einem andern. Nur in solchem Fall könnte sich die Frage des sittenwidrigen Mißbrauchs von neuem erheben. Es wäre zu wünschen, daß ministerielle Genehmigungen zur Neuausgabe von Mehrstimmrechtsaktien wirklich nur erteilt werden, wenn gesamtwirtschaftliche Belange es erfordern, damit die durch das AktG angebahnte und angesichts der früher vielfach aufgetretenen Mißbräuche zu begrüßende Entwicklung nicht gehemmt würde (s. dazu K l u g in BB 1955, 234). Anm. 5 3. Eine Ü b e r g a n g s v o r s c h r i f t für Mehrstimmrechtsaktien enthält § 9 E i n f G . Sie verlieren ihren Vorzug im Stimmrecht zu einem von der Reichsregierung zu bestimmenden Zeitpunkt, soweit nicht die in Anm. 3 genannten Minister Ausnahmen zulassen. Eine endgültige Regelung ist bis heute nicht erfolgt; der Zeitpunkt f ü r den Verlust des Mehrstimmrechts sollte jedoch jetzt bestimmt werden (vgl. Bericht des Ausschusses I I der Studienkommission des D J T S. 91). Andererseits sollten nach § 1 Abs. 2 E i n f G schon in der Zeit von der Verkündung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes keine Satzungsänderungen, durch die Mehrstimmrechte geschaffen wurden, ohne ministerielle Ausnahmebewilligung mehr eingetragen werden. Sollte es dennoch irgendwo geschehen sein, so würde auch f ü r diese Mehrstimmrechtsaktien § 9 E i n f G gelten. Näheres enthält die 3. D V v. 2 1 . 12. 38 (RGBl. I 1839) in Art. II).

76

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 13

Anm. 1, 2

§ 1 3 Unterzeichnung der Aktien Zur Unterzeichnung von Aktien und Zwischenscheinen genügt eine vervielfältigte Unterschrift. Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann von der Beachtung einer besonderen Form abhängig gemacht werden. Die Formvorschrift muß in der Urkunde enthalten sein. Ubersicht

Anm. 1. Form der Unterzeichnung . . 2. Weitere Formerfordernisse der Aktienurkunde

i 2

Anm. 3. Unterzeichnung durch den Vorstand 4. Besondere, aus der Urkunde sich ergebende Formvorschriften 5. Strafrecht

Anm. 1

3 4 5

1. Die Vorschrift ist aus § 181 H G B übernommen und entspricht der f ü r Inhaberschuldverschreibungen geltenden Vorschrift des § 793 Abs. 2 B G B . Da Aktienurkunden und Zwischenscheine ihrem Wesen nach Schriftstücke sind, könnte daraus geschlossen werden, daß f ü r sie das Erfordernis eigenhändiger Namensunterschrift nach § 126 B G B gelte. O b dieser Schluß ganz zwingend wäre, mag dahinstehen, wie er auch f ü r kaufmännische Verpflichtungsscheine, die als Teilschuldverschreibungen ausgegeben werden, handelsüblich nicht gezogen worden ist. Jedenfalls stellt das Gesetz klar, daß es keiner eigenhändigen Namensunterschrift bedarf, die bei Massenausgaben auch kaum zu leisten wäre, sondern daß die im Wege der Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift genügt. Es muß also eine f a k s i m i l i e r t e Namensunterschrift sein, gleichviel, ob sie durch Druck oder Stempel hergestellt wird. Dagegen würde eine in Drucklettern hergestellte Unterschrift nicht genügen, die Urkunde würde nach § 1 2 5 B G B nichtig sein.

Anm. 2 2. Andere gesetzliche Formerfordernisse

finden sich nur insoweit, als die Firma der A G aus der Urkunde hervorgehen muß (§4), ferner der Nennbetrag der Aktie (§ 6 Abs. 2, § 8). Auch muß die Urkunde sich erkennbar von anderen Aktienrechten derselben Gesellschaft irgendwie unterscheiden, da sie ein individuelles Recht verbrieft, in der Regel also Angaben über Serie und Nr. enthalten (vgl. Godin-Wilhelmi, Anm. zu § 1 3 ; Schlegelberger-Quassowski, Anm. 4; Ritter, Anm. 3). Die Verwendung der deutschen Sprache kann nicht als wesentliches Formerfordernis i. S. von § 125 B G B angesehen werden (vgl. Ritter, Anm. 3 ; a. A. die 1. Auflage und Schlegelberger-Quassowski, Anm. 4), jedoch kann der Aktionär Abfassung der Urkunde in deutscher Sprache verlangen. Fehlt es an einem der hier eingangs erwähnten Erfordernisse, so ist die Urkunde gleichfalls nichtig. I m übrigen bestehen Formvorschriften weder f ü r Aktienurkunden noch f ü r Zwischenscheine. Als Aktien oder Zwischenscheine brauchen sie sich nicht zu bezeichnen. Es genügt f ü r die Aktienurkunde, daß sich aus ihrem Inhalt die Verbriefung des Anteilrechts, f ü r den Zwischenschein, daß sich aus seinem Inhalt die vorläufige Verbriefung des Anteilrechts ( § 8 Anm. 18) ergibt. Die Namensaktie muß freilich den Berechtigten nennen. Eine Aktie, die den Namen des Berechtigten nicht angibt, ist Inhaberaktie, auch wenn sie keine ausdrückliche Inhaberklausel enthält. Ort und T a g der Ausgabe brauchen nicht angegeben zu werden. Als T a g der ersten Ausgabe wird in der Regel der T a g einzusetzen sein, an dem die A G ins Handelsregister eingetragen worden ist. Wird ein früherer T a g eingesetzt, so ist das unschädlich, sofern nur die Ausgabe nicht vorher geschieht ( § 3 4 Abs. 4, vgl. § 158). Die Vorschriften, daß bei nicht vollbezahlten Namensaktien der Betrag der Teilleistung in den Aktien anzugeben ist ( § 1 0 Abs. 2), bei Aktien mit Nebenverpflichtungen die Verpflichtung und der U m f a n g der Leistungen (§ 50 Abs. 1 Satz 2), berühren nicht die

77

§ 13 §14

Anm. 3—5

I. Buch: Aktiengesellschaft

Gültigkeit der Urkunde. Für Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen vgl. § 1 7 4 , desgleichen f ü r Genußscheine. Besondere Formvorschriften enthält das A k t G insoweit nicht, sie ergeben sich also aus dem Begriff der Urkunde; vervielfältigte Unterschrift ist nicht zulässig, § 126 B G B , da die genannten Urkunden keine Aktien sind (vgl. Baumbach-Hueck, Anm. 2 C ; Godin-Wilhelmi, Anm. zu § 13). Anm. 3 3. W e r die Aktienurkunden und Zwischenscheine zu u n t e r z e i c h n e n hat, ist im Gesetz nicht besonders gesagt. Es ist dies Sache derjenigen Personen, welche die A G nach außen zu vertreten haben, also in der Regel der sämtlichen Vorstandsmitglieder (§ 7 1 ) . Die vertretungsberechtigten Personen können aber durch besondere — nicht notwendig schriftliche — Vollmacht einen andern zur Unterzeichnung und Ausgabe ermächtigen. Prokura oder gar nur Handlungsvollmacht würden dazu nicht ausreichen, weil die Ausgabe von Aktienurkunden und Zwischenscheinen zwar ein Verwaltungsgeschäft des Vorstands der A G , aber kein Geschäft ist, das der B e t r i e b der A G mit sich bringt, auch nicht im Fall der Kapitalerhöhung (a. M . Brodmann § 181 H G B Anm. 2), sondern ein Geschäft, das die Beziehungen zu ihren Mitgliedern betrifft ( § 3 Anm. 4 ; übereinstimmend Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; Baumbach-Hueck Anm. 1 A ; Danielcik Anm. 2). Anm. 4 4. Satz 2 und 3 gestatten der A G , die Gültigkeit der Unterzeichnung von der Beobachtung einer besonderen F o r m in der Weise abhängig zu machen, daß die Formvorschrift in der U r k u n d e enthalten ist. Das vorzuschreiben, ist Sache des Vorstands unter Überwachung durch den Aufsichtsrat (§§ 70, 74 Abs. 2, § 95). In der Regel wird eine besondere Formvorschrift da, wo sie besteht, auch in der Satzung enthalten sein. Dies ist aber weder erforderlich noch genügend, sondern f ü r die Gültigkeit der Urkunde gleichgültig. Entscheidend dafür ist allein die Angabe in der Urkunde selbst. Der Satzung ist nicht die K r a f t beigelegt, andere Gültigkeitserfordernisse als die gesetzlichen aufzustellen. Entspricht die Form nicht der in der Urkunde aufgeführten Formvorschrift, so ist die Urkunde, auch wenn sie die faksimilierte Unterschrift des Ausstellungsberechtigten trägt, nichtig (§ 125 B G B ) . Als besonderes Formerfordernis kommt namentlich in Betracht, daß trotz § 1 3 die eigenhändige Unterschrift vorgeschrieben ist oder gar deren notarielle Beglaubigung (a. A . nur Ritter, § 1 3 A n m . 1). Weiterhin kann z. B. die Gültigkeit davon abhängig gemacht werden, daß außer dem Vorstand noch ein Kontrollbeamter oder der Aufsichtsrat die Urkunden unterzeichnet, oder daß sie von einem Vorstandsmitglied zusammen mit einem Aufsichtsratsmitglied unterzeichnet werden. Auch die Angabe der Teilleistungen ( § 1 0 Abs. 2), die an sich kein Gültigkeitserfordernis (oben Anm. 2) und f ü r Zwischenscheine überhaupt nicht vorgeschrieben ist, kann in den Urkunden zum Gültigkeitserfordernis gemacht werden. Entsprechendes gilt von der Angabe der Nebenverpflichtungen (§50 Abs. 1 Satz 2). Anm. 5 5. In § 149 S t G B werden Aktienurkunden, die auf den Inhaber lauten, dem P a p i e r g e l d gleichgestellt (vgl. auch § 1 5 1 StGB). Fälschung ist also Münzverbrechen. Fälschung von Namensaktien (und auf Namen lautender Zwischenscheine) ist dagegen Urkundenfälschung i. S. von §§ 267 fr. StGB. Die Verweisung auf § 149 S t G B in § 360 Nr. 4 und 5 S t G B ist aber nicht dabin zu verstehen, daß die A G f ü r den Druck von Aktienurkunden behördlicher Genehmigung bedürfe (a. M . Bauer 33, 37). Diese Strafvorschrift ist gewohnheitsrechtlich insoweit außer K r a f t gesetzt, vgl. Ritter, A n m . 4. § 1 4

Zuständigkeit Unter Gericht im Sinne dieses Gesetzes ist, wenn nichts anderes bestimmt ist, das Gericht des Sitzes der Gesellschaft zu verstehen. 78

i. Teil: Allgemeine Vorschriften ( S c h m i d t — Meyer-Landrut)

§ 14

A n m . 1—2a Üb ersieht Anm.

i . Zuständigkeit des Registergerichts

1—2

Anm.

3. Sonstige gerichtliche Zuständigkeiten nach Aktienrecht . . .

3

2. Ersatzzuständigkeit bei ostenteigneten Gesellschaften . . .

Anm. 1 1. Der Sitz der A G wird durch die Satzung ( § 1 6 Abs. 3 Nr. 1) nach den Vorschriften des § 5 bestimmt. § 1 4 enthält, obwohl eine entsprechende Vorschrift im Handelsgesetzbuch fehlte, sachlich nichts Neues, sondern stellt nur klar, daß überall, wo im A k t G vom Gericht gesprochen wird und sich aus der einzelnen Vorschrift nichts anderes ergibt, das Gericht gemeint ist, in dessen Bezirk die A G ihren Sitz hat.

Anm. 2 Die Vorschrift hat, wie sich aus dem A k t G ergibt, n u r f ü r d a s R e g i s t e r g e r i c h t Bedeutung. Dabei ist unter Registergericht das Amtsgericht zu verstehen, dem nicht nur die eigentliche Registerführung ( § 1 2 5 Abs. 1 F G G ) , sondern auch die in § 1 4 5 Abs. 1 F G G (Fassung des § 26 E i n f G z. AktG) genannten Aufgaben obliegen (vgl. § 290 A k t G und § 6 Abs. 3 E i n f G z. AktG). Nach § 125 Abs. 2 und § 145 Abs. 2 F G G kann f ü r mehrere Amtsgerichtsbezirke ein Amtsgericht als Registergericht bestellt werden. Eine Zusammenstellung der gemeinschaftlichen Registerbezirke findet sich in der Anlage 4 zur Handelsregisterverfügung vom 1 2 . 8. 37 D J 1 2 5 1 ) . Für die Anfechtungsklage erklärt § 199 Abs. 3 A k t G ausdrücklich das Landgericht f ü r ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die A G ihren Sitz hat.

Anm. 2 a 2. Ist die satzungsmäßige Regelung des Sitzes einer deutschen A G durch die Verhältnisse überholt (etwa durch hoheitliche Eingriffe einer fremden Regierung) und fehlt es demgemäß an einem Sitz in der Bundesrepublik, so ist ein zuständiges Gericht im Sinne von § 14 nicht vorhanden. Eine deutsche A G kann einen Sitz im Ausland nicht haben ( R G Z 107, 97). Für A G , die ihren Sitz am 8. 5. 45 in Gebieten hatten, in denen die deutsche G e richtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, im wesentlichen also in den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, ist durch das ZustErgGes. vom 7. 8. 52 (BGBl. I 407) §§ 14 u. 1 5 , als zuständiges Gericht das Gericht einer bestehenden Zweigniederlassung, oder das Gericht, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich der Sitz verlegt werden soll, bestimmt worden. Eine entsprechende gesetzliche Regelung f ü r nach früherem Reichsrecht in anderen deutschen Gebieten errichtete oder bestehende A G fehlt. Als Anknüpfungspunkt f ü r die Zuständigkeitsregelung hinsichtlich in der Ostzone enteigneter A G kann jedoch § 5 dienen, vgl. hierzu Anm. 6 a zu § 5 . Für d e u t s c h e A G , die in Gebieten a u ß e r h a l b der Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 und der in § 1 ZustErgGes. genannten Gebiete ihren Sitz haben oder hatten, hat der B G H in entsprechender Anwendung von § 5 Abs. 1, Satz 1 F G G , „damit gesetzlich festgelegte Rechte (der Aktionäre) ausgeübt werden können" ein nach § 1 4 zuständiges Gericht bestimmt, B G H Z 19, 102. Wenngleich in dieser Entscheidung die Richtigkeit der sogenannten Spaltungstheorie ausdrücklich offen gelassen worden ist (a. a. O. S. 106) und in einer weiteren Entscheidung ( B G H Z 19, 108) die Gerichtsstandsbestimmung abgelehnt wird, weil der Antragsteller die Maßnahmen, deretwegen er ein Gericht bestimmt haben will, allein und ohne gerichtliche Mitwirkung treffen kann (Sitzverlegung), muß der Auffassung des B G H doch widersprochen werden. Zunächst ist schon äußerst fraglich, ob man, wie der B G H es tut, eine juristische Person mit dem Sitz in Wien als „deutsche" Gesellschaft bezeichnen kann (das Gesetz über den „Anschluß" Österreichs vom 13. 3. 38, R G B l . I 237, war im Zweifel völkerrechtswidrig und nichtig, vgl. Nürnberger Urteil, Bd. I, S. 2 1 3 ff. der amtlichen Ausgabe, sowie das

79

§ 1 4 Anm. 3 I. Buch: Aktiengesellschaft §15 2. Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 17. 5. 56, BGBl. I, 431), also analog den nach Reichsrecht im früheren Reichsgebiet errichteten Gesellschaften behandeln darf. Wenn auch offenbar Billigkeitsgesichtspunkte die Entscheidung beeinflußt haben, führt es doch zu unabsehbaren Konsequenzen, wenn man, in dem Bestreben, ausländischen Nationalisierungsmaßnahmen die Anerkennung zu versagen, soweit geht, diese nicht nur territorial begrenzt nicht anzuerkennen, sondern sie als solche in Frage zu stellen. Darauf könnte aber in ihrer praktischen Auswirkung die Entscheidung in B G H Z 19, 102 hinauslaufen, obgleich es doch allgemein anerkannt ist, daß ausländische Gesellschaften als Rechtspersönlichkeit im Inland vollen Rechtsschutz genießen, unabhängig davon, ob sie ihre Entstehung einem enteignenden Staatsakt verdanken oder nicht. Weiteres zu dieser Frage siehe in Anm. 7 ff. zu § 5 „Internationales Privatrecht". Anm. 3 3. Wo im AktG mit dem „Gericht" ein a n d e r e s als das des Sitzes gemeint ist, geht es aus dem Wortlaut fast überall deutlich hervor. So ist in den §§ 35 bis 37 vom Gericht der Zweigniederlassung, in § 38 vom Gericht des bisherigen, des neuen und des ursprünglichen Sitzes die Rede. Wenn es in § 73 Abs. 2 heißt, die Urkunden seien „für das Gericht des Sitzes" beizufügen und in Abs. 3, die neuen Vorstandsmitglieder hätten ihre Unterschrift zur Aufbewahrung „beim Gericht" zu zeichnen, ähnlich in § 207 Abs. 2 und 4 für die Abwickler, so ergibt diese Gegenüberstellung in Verbindung mit § 36 Abs. 5 genügend klar, daß zwar die Urkunden nur einmal, für das Gericht des Sitzes, beizufügen sind, die Unterschriften aber auch für die Zweigniederlassungen, also in entsprechender Zahl. Schlegelberger-Quassowski, die dies in Anm. 3 hervorheben, weisen ferner in Anm. 4 darauf hin, daß da, wo vom „gerichtlichen Vergleichsverfahren" die Rede sei (§ 83 Abs. 2, § 209 Abs. 2, § 225 Nr. 14, § 297 Nr. 2 u. 3), mit dem Gericht das nach der Vergleichsordnung zuständige Gericht gemeint sei, daß ferner § 14 keine Bedeutung habe, wo das „Prozeßgericht" genannt oder gemeint sei (§ 123 Abs. 2 letzter Satz und Abs. 3, §§ 200, 231 Abs. 4 AktG und §§ 4, 5 Abs. 2 EinfG), ebensowenig dort, wo „gerichtliche" Beurkundung (z. B. § 16 Abs. 1), „gerichtliche" Niederschrift ( § 1 1 1 Abs. 1) oder eidesstattliche Versicherung „vor einem Gericht" (§ 118 Abs. 2) verlangt werde und die Zuständigkeit aller deutschen Amtsgerichte gegeben sei. In diesen Fällen ist wohl kaum ein Zweifel möglich. Wo die Wahl zwischen Gericht und Notar gelassen ist, kann landesgesetzlich besti mmt sein, daß entweder nur die Gerichte oder nur die Notare zuständig sind (Art. 141 EinfG z. BGB, § 189 F G G ) ; soweit nur die Notare für zuständig erklärt worden sind, gilt es auch für das AktG (§77 Abs. 1 u. 2 der Notarordnung vom 13. Februar 1937, RGBl. I 191). § 1 5 Wesen des Konzerns und des Konzernunternehmens (1) S i n d rechtlich s e l b s t ä n d i g e U n t e r n e h m e n z u w i r t s c h a f t l i c h e n Zwecken u n t e r einheitlicher Leitung z u s a m m e n g e f a ß t , so bilden s i e einen K o n z e r n ; die einzelnen U n t e r n e h m e n sind K o n z e r n u n t e r n e h m e n . (2) Steht ein rechtlich s e l b s t ä n d i g e s U n t e r n e h m e n auf G r u n d von Beteiligungen o d e r s o n s t u n m i t t e l b a r o d e r m i t t e l b a r u n t e r d e m b e h e r r s c h e n d e n Einfluß eines a n d e r e n U n t e r n e h m e n s , so gelten d a s h e r r s c h e n d e und d a s a b h ä n g i g e U n t e r n e h m e n z u s a m m e n a l s K o n z e r n u n d einzeln a l s Konzernunternehmen. Ü b ersieht I. 1. Einleitung 2. Allgemeines II. Konzentration wirtschaftlieher Macht und Kartellrecht

80

Anm.

1 1a

III. Konzerntatbestand gem. Absatz 1 IV. Konzerntatbestand gem. Abs.2 1. Begriff des abhängigen Unternehmens

Anm.

2—3

4

i . Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§15

Anm. 1

Anm.

a . Wirtschaftlicher Zweck . 3 . Gesetzliche Folgen . . 4. Ausländische Konzernun ternehmen 5. Die A G als Konzerngesell schaft 6. Verantwortlichkeit bei Schaffung der Konzernzu gehörigkeit 7. Auswirkungen der K o n zernzugehörigkeit . . . 8. Steuerrecht V . Die Einmanngesellschaft Allgemeines 1. Gründung

.

5 6 7 7a 7b 7c 7d

8

Anm.

2. Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter-Vermögen 3. Organe 4. Hauptversammlung 5. Grundkapital 6. Gesamtrechtsnachfolge 7. Verkauf sämtlicher Aktien 8. Identifizierung von Gesellschaft und Alleingesellschafter 9. Steuerrecht V I . Mitbestimmung und Betriebsverfassung V I I . Kapitalanlagegesellschaften

.

9 10

I. 1. E i n l e i t u n g : Die stetig wachsende Bedeutung des Konzernwesens und Konzernrechts drückt sich auch darin aus, daß zu diesem Rechtsgebiet, häufig im Rahmen des Kartellrechts mitbehandelt, eine immer mehr anschwellende Spezialliteratur im Entstehen begriffen ist. Hier können jedoch die kartellrechtliche Problematik, genau wie die vielschichtigen steuerrechtlichen Fragen, nur angedeutet werden. Es muß insoweit auf das einschlägige Schrifttum verwiesen werden. An grundlegenden neueren monographischen Arbeiten zum Konzernrecht sei besonders Rasch, Deutsches Konzernrecht, 2. Aufl. 1 9 5 5 ; Friedländer, Konzernrecht, 2. Aufl. 1954 und Bühler, Steuerrecht der Gesellschaften und Konzerne, 3. Aufl. 1956, erwähnt. Der Arbeit von Rasch ist (S. 3 0 9 fr.) ein umfängliches Literaturverzeichnis beigegeben, das, ergänzt durch das Literaturverzeichnis in der 1. Aufl. 1944 (S. 3 3 1 f r . ) der Schrift von Rasch, wohl einen vollständigen Überblick gibt, s. auch, insbes. f ü r ausländische Literaturnachweise, Friedländer, S. X I ff. Anm. 1 Die wirtschaftliche Verflechtung von Unternehmungen hat allmählich auf dem Gebiet des Aktienrechts zu Erscheinungen geführt, welche die Rechtsform der A G in nicht unbedenklicher Weise benutzen und daher vom Gesetz nicht mehr unberücksichtigt gelassen werden konnten. Die Aktienrechtsverordnung vom 19. September 1931 f ü h r t e den Begriff der „Konzerngesellschaft" in das Gesetz ein, ohne ihn jedoch zu bestimmen (§§ 246, 260a, 2 6 1 a und d H G B ) , außerdem aber den Begriff der „ a b hängigen Gesellschaft", den sie in § 226 Abs. 4 H G B umschrieb, und den umfassenderen, nicht definierten Begriff des „abhängigen Unternehmens" in § 240 a. Das Aktiengesetz ist darin einen Schritt weiter gegangen. Es bestimmt den Begriff des Konzerns und des Konzernunternehmens und ordnet den Fall der Abhängigkeit als eine Art solcher Verflechtung diesen Begriffen unter. Unter diesen Begriffen trifft das A k t G einige Sonderregelungen, die einer mißbräuchlichen Handhabung im Aktien- und Konzernwesen entgegenwirken (Anm. 3 u. 6). Eine Sonderregelung des Konzernrechts als solchen ist damit nicht gewonnen. Die Fortentwicklung des Konzernwesens führt zu immer größerer Entfernung von dem unserem Aktienrecht seit jeher und auch heute noch zugrundeliegenden T y p der „in sich unabhängigen, wirtschaftlich selbständigen Unternehmenseinheit" (Fischer Arch. ziv. Pr. 1955, 1 1 5 ) . Zwischen § 70 (eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand) und dem Konzernbegriff des § 1 5 („rechtlich selbständige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zu wirtschaftlichen Zwecken zusammengefaßt" sowie „herrschendes" und „abhängiges" Unternehmen) besteht ein offener Gegensatz. Die Probleme, die sich aus dem Widerspruch zwischen formaler Selbständigkeit und tatsächlicher Eingliederung oder Unterordnung einer A G ergeben, sind vom Gesetzgeber weitgehend ungelöst gelassen ( S t D J T S. 50). Das gibt vielfach einer mißbräuchlichen Entwicklung und bedenklichen Schädigungen R a u m . Die Erörterung dieser Probleme erfolgt bei den einschlägigen Bestimmungen. 6 Akti enges etz, 2. Aufl.

81

§15

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. la Anm. l a II. Konzentration wirtschaftlicher Macht und Kartellrecht. 1. Die in der gesamten, kapitalistisch organisierten Wirtschaft bestehende Tendenz zur Konzentration wurde in Deutschland zunächst nach 1945 durch die alliierten gesetzgeberischen Maßnahmen gehemmt und sogar weitgehend rückgängig gemacht. Durch Ges. Nr. 56/VO Nr. 78 der am.-brit. M i l R e g . u. V O Nr. 96 der frz. M i l R e g . wurden jede Form der „übermäßigen Konzentration deutscher Wirtschaftskraft" im Gebiet der heutigen Bundesrepublik verboten und weitgehende Entflechtungsmaßnahmen eingeleitet und durchgeführt (vgl. v. Godin-Wilhelmi, Übersicht I (b) zu § 15). Besondere gesamtwirtschaftliche Bedeutung kommt den Sondergesetzen Nr. 27 und Nr. 35 der Alliierten Hohen Kommission betreffend die Entflechtung der Montanindustrie und der IG-Farben-Industrie A G zu. Einen guten Überblick geben BockKorsch in W u W 1957, 4 1 1 ff. und Willner, aaO. 438fr. 2. Neben dem Konzentrationsverbot enthält M R G e s . 56/VO 78 eingehende Bestimmungen über das Verbot jeder Art von Wettbewerbsbeschränkungen ( K a r t e l l r e c h t ) . Da das Kartellrecht eine Sondermaterie darstellt und auch systematisch nicht in das Konzernrecht gehört, bedarf es hier nur insoweit einer Erwähnung, als auch Konzernbildungen betroffen werden. a) Da das heute noch in K r a f t befindliche Kartellrecht der Militär-Regierungen durch ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Bundestags-Drucksache 1 1 5 8 v. 22. 1. 55) abgelöst werden soll und das alliierte Kartellrecht seit Ablösung des Besatzungsregimes in der Praxis zu Dekonzentrationsmaßnahmen nicht mehr angewandt wird, besteht zur Zeit lediglich nach dem R e c h t d e r M o n t a n u n i o n eine gesetzliche Beschränkung bei Konzernbildungen, Art. 66 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft f ü r Kohle und Stahl vom 29. 4. 52 (BGBl. I I 445 ff.) Demgemäß unterliegt der vorherigen Genehmigung durch die Hohe Behörde jedes Vorgehen, das zu einem Zusammenschluß von dem Montanvertrag unterliegenden. Unternehmen führt (vgl. Art. 80), wobei es unerheblich ist, ob der Zusammenschluß („concentration") in einer Verschmelzung (§§ 233 fr. AktG), dem Erwerb von Aktien, wirtschaftlicher Abhängigkeit oder einer anderen Art der Kontrolle besteht. Die Hohe Behörde prüft vor Erteilung der Genehmigung die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Gemeinschaft und kann ¡eine Genehmigung auch mit besonderen Auflagen verbinden, um eine Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen auszuschließen. Die Hohe Behörde hat im übrigen weitgehende Überwachungs- und Auskunftsrechte; sie kann unzulässige Zusammenschlüsse auflösen; ihr stehen zur Durchführung ihrer Anordnungen executive Befugnisse zu, neben der Möglichkeit, Geldbußen festzusetzen. Für weitere Einzelheiten wird verwiesen auf Kern, Das Recht der Unternehmenszusammenschlüsse in der Montanunion, 1955. b) Der oben erwähnte Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen behandelt, neben dem Kartellverbot, im 3. Abschnitt §§ 17 fr. auch das „ m a r k t b e h e r r s c h e n d e U n t e r n e h m e n " . Ähnlich wie im Recht der Montanunion ist auch hier ein Zusammenschluß von Unternehmen genehmigungspflichtig, wenn in Folge des Zusammenschlusses f ü r bestimmte Waren oder gewerbliche Leistungen eine marktbeherrschende Stellung erlangt wird. J e d e Art rechtlicher oder tatsächlicher K o n zentration wirtschaftlicher Macht, von der Verschmelzung bis zu Miete oder Pacht von Betriebsstätten wird im Katalog des § 19 RegEntwurfs als „ Z u s a m m e n s c h l u ß " bezeichnet, über den Konzernbegriff des A k t G hinausgehend. Ein „beherrschender" Einfluß eines Unternehmens über ein oder mehrere andere Unternehmen ist im Falle des Erwerbs von Anteilsrechten (§ 19 Ziff. 8 R e g E n t w u r f ) ein Zusammenschluß im Sinne des Entwurfs, wenn eine Sperrminorität erworben wird, also mehr als 2 5 % des Grundkapitals (vgl. § 146 AktG). Die endgültige Fassung des Gesetzes und insbesondere auch der umstrittenen §§ 17 fr. RegEntwurf ist noch offen, so daß sich weitere Ausführungen hierzu vorerst erübrigen. — Während der Drucklegung ist das G gegen Wettbewerbsbeschränkungen von den gesetzgebenden Körperschaften verabschiedet worden; es ist jedoch noch nicht amtlich veröffentlicht.

82

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 15 A n m . 2, 3

Anm. 2 III. (Abs. 1). Der Reichsfinanzhof hatte in seiner Entscheidung vom 30. 1. 30 (StuW 1930, 459) als Unternehmer im Sinne des § 34 EinkStG auch einen „ K o n z e r n " bezeichnet, „der unter einheitlicher Leitung steht und dessen einzelne Teile als autonome Einheiten aus sich selbst nicht mehr begriffen werden können, so daß zur Erklärung ihrer Stellung in der Gesamtwirtschaft eine Bezugnahme auf den planmäßig aufgebauten Konzern notwendig ist." Eine Begriffsbestimmung des Konzerns war damit nicht gegeben, sondern nur eine Art des Konzerns dem Begriff des Unternehmers untergeordnet worden. Das Aktiengesetz gibt drei Begriffsmerkmale für das Gebilde an, das es Konzern nennt: 1. Es werden rechtlich selbständige Unternehmen vorausgesetzt. Welche Rechtsform sie haben, ob AG, Kommanditgesellschaft auf Aktien, GmbH, offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gewerkschaft, Versicherungsverein a. G., Gesellschaft bürgerlichen Rechts usw. oder auch die Form des Unternehmens eines Einzelkaufmanns, einer stillen Gesellschaft, ist gleichgültig. Die rechtliche Selbständigkeit der Konzerngesellschaften bleibt durch die Konzernzusammenfassung somit unberührt (BGH 15, 389; 22, 234). 2. Diese (mehreren) Unternehmen müssen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt sein. Sie setzt eine Weisungsbefugnis gegenüber den Unternehmen voraus. Sie kann auf vertraglichen Vereinbarungen oder auf Beteiligungsbesitz oder sonstigen außervertraglichen Beziehungen beruhen. Für die erstere Form sind Interessengemeinschaftsverträge zu nennen, in denen ein die Leitung ausübendes Gemeinschaftsgremium — auch in Gestalt einer A G oder GmbH als Geschäftsführungsorgan — vorgesehen werden kann. Die verschiedensten Formen sind denkbar und üblich. Es kann z. B. eine sogenannte D a c h g e s e l l s c h a f t gebildet werden, die wiederum die Form einer AG, einer GmbH, Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder jede beliebige andere Gesellschaftsform annehmen kann. Dieser Dachgesellschaft können die einzelnen Unternehmen als Mitglieder angehören. Umgekehrt kann auch die Dachgesellschaft an den einzelnen Unternehmen als Mitglied, z. B. durch Aktienbesitz, beteiligt sein. Ist der Besitz bei einer Gesellschaft konzentriert, die keinen eigenen Geschäftsbetrieb ausübt, sondern die Beteiligungen nur verwaltet, so heißt sie H o l d i n g g e s e l l s c h a f t (Trumpler, Bilanz der AG, 1950, S. 331). Die einheitliche Leitung kann ferner durch Satzungsbestimmungen gesichert, sie kann aber auch rein tatsächlich, etwa durch Personalunion von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern, hergestellt sein. 3. Die Zusammenfassung muß wirtschaftlichen Zwecken, nicht notwendig Erwerbszwecken dienen, also nicht ideellen (künstlerischen, politischen usw., vgl. § 1 Anm. 3, § 3 Anm. 2). Anm. 3 Für Konzernunternehmen[sind folgende V o r s c h r i f t e n von Bedeutung: § 95 Abs. 2 Satz 1: Der Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat kann auch über die[ Beziehungen zu einem Konzernunternehmen verlangt werden. § 112 Abs. 1 Satz 2: Die Auskunftspflicht gegenüber den Aktionären erstreckt sich auf die Beziehungen zu einem Konzernunternehmen. § 128 Abs. 2 Nr. 8: Im Geschäftsbericht des Vorstands sind auch die Beziehungen zu einem Konzernunternehmen anzugeben. § 131 Abs. 1 A III 9, B V 7, Abs. 6 Satz 2: In der Jahresbilanz sind Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Konzernunternehmen in der Regel als solche auszuweisen; werden sie unter anderm Posten ausgewiesen, so muß die Eigenschaft als Konzernforderung oder -Verbindlichkeit vermerkt werden. § 134 Nr. 2: Der Reichs minister der Justiz ist ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Reichs wirtschaftsminister für Konzernunternehmen Vorschriften über die Aufstellung des eigenen und über die Aufstellung eines gemeinschaftlichen Jahresabschlusses zu erlassen (konsolidierte Bilanz oder Konzernbilanz). Von der Ermächtigung ist bisher kein Gebrauch gemacht worden. 6*

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§15

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Anm. 4

Anm. 4 IV. Konzerntatbestand gem. Abs. 2. i. Als eine Abart der Konzernbildung behandelt das Aktiengesetz den Fall, daß ein beherrschender Einfluß bei einem von zwei Unternehmen besteht. Dieses ist dann das herrschende, das andere ist das a b h ä n g i g e U n t e r n e h m e n . M a n spricht auch von Mutter- und Tochterunternehmen, auch Enkelunternehmen kommen vor. Ein herrschendes Unternehmen kann mehrere von ihm abhängige Unternehmen haben, ohne daß der Fall des Abs. i („einheitliche Leitung") vorzuliegen braucht. Die Abhängigkeit kann soweit gehen, daß sie gegen die guten Sitten verstößt und der sie etwa begründende Vertrag nichtig ist ( R G 82, 3 1 3 , 130, 1 4 5 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 D). Eine Nichtigkeit des die Abhängigkeit begründenden Vertrags befreit aber nicht von der Beachtung der f ü r das Abhängigkeitsverhältnis erlassenen Vorschriften. Wenn diese f ü r eine in erlaubten Grenzen gehaltene Abhängigkeit gegeben sind, so gelten sie erst recht f ü r Tatbestände, die diese Grenzen überschreiten. Sie werden unanwendbar erst, wenn die Abhängigkeit wegen Nichtigkeit des sie begründenden Vertrags tatsächlich beseitigt ist. Die T h e o r i e d e r E i n h e i t von herrschender Gesellschaft und abhängigem Unternehmen, die sich vorübergehend in der Rechtsprechung des Reichsgerichts gefunden hatte ( R G , 108, 43), vom Reichsgericht aber ausdrücklich aufgegeben worden war ( R G 1 1 5 , 253), ist vom Aktiengesetz nicht übernommen worden; das Gesetz trägt der eigenartigen Verbundenheit herrschender und abhängiger Unternehmen aber in Einzelbestimmungen Rechnung. Wie das Abhängigkeitsverhältnis zustande gekommen ist, spiel keine Rolle. Das Gesetz hebt als Mittel des beherrschenden Einflusses Beteiligungen hervor. Dahin gehört namentlich der Besitz von Aktien, GmbH-Anteilen, K u x e n , Teilhaberschaft an offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften usw. Besitzt das eine Unternehmen sämtliche Anteile des andern, so liegt der Fall der „Einmanngesellschaft" vor, und der beherrschende Einfluß ist am stärksten gesichert (unten Anm. 8). Dabei ist unter „Beteiligungen" nicht eine solche des Bilanzrechts (25 v. H . des Grundkapitals) gemeint, (§§ 1 3 1 A l l 6, 132 I I 2). Vielmehr genügt jede A r t gesellschaftsrechtlicher Beteiligung, wenn sie nur einen beherrschenden Einfluß verleiht. M a n wird daher bei einer 51 v. H.-Beteiligung am Grundkapital in der Regel ein Herrschaftsverhältnis anzunehmen haben (unzutreffend Friedländer S. 152) und immer bei einer 75 v. H.-Beteiligung, da letzterenfalls die so qualifiizierte Mehrheit dem herrschenden Unternehmen über die einfache Stimmehrheit des § 1 1 3 hinaus jede V e r f ü g u n g über die beherrschte Gesellschaft ermöglicht, wie Satzungsänderung (§ 146 I), Kapitalerhöhungen (§§ 149 I, 160 I, 169 I I , 1 7 4 I, I I I ) , den Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts (§ 1 5 3 I I I ) , Kapitalherabsetzungen (§§ 1 7 5 I, 182 I I ) , Auflösung (§ 203 I Nr. 2), Verschmelzung (§§ 234 I I , 247 I), Umwandlung (§§ 9, 1 5 U m w G ) und Zustimmung zu den in § 256 genannten Verträgen. J e d o c h können auch sogenannte Sperrminoritäten (über 25 v. H.) oder noch geringere Beteiligungen dann einen beherrschenden Einfluß geben (übereinstimmend Ritter, Anm. 4 b ; Düringer-Hachenburg, Einl. zu § 178 Anm. 1 3 5 ) , wenn der Aktienbesitz im übrigen zersplittert ist (dazu siehe im folgenden) oder die Minderheitsbeteiligung zusammen mit anderen Beteiligungen zu einer konstanten und beherrschenden Mehrheit führt. Ergeben sich durch das Zusammenwirken von zwei oder mehreren Beteiligten Mehrheitsverhältnisse, ohne daß die Mehrheitsaktionäre untereinander in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, so ist ein Konzerntatbestand im Sinne von § 1 5 I I nicht gegeben ( R G Z 167, 48ff. —- anders v. Godin-Wilhelmi § 1 5 A n m . 9). Eine andere Beurteilung kann natürlich Platz greifen, wenn außer dem Aktienbesitz auch noch andere Merkmale hinzukommen, welche zu einer Beherrschung führen. Das Gesetz begnügt sich damit, daß irgendwie unmittelbar oder mittelbar beherrschender Einfluß des einen Unternehmens über das andere besteht. Es zieht also einen weiten Rahmen und verlangt auch gar nicht, daß der beherrschende Einfluß auf einem Rechtsverhältnis beruhen müsse. In dieser Hinsicht gilt dasselbe wie f ü r die

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§15 Anm. 4

Leitung nach Abs. i. So k a n n ein U n t e r n e h m e n das a n d e r e d u r c h S t i m m e n m a c h t beherrschen, sei es, d a ß die S t i m m a b g a b e vertraglich gebunden ist (durch Konsortialverträge, Schutzgemeinschaftsverträge, Poolverträge; R G 107, 70; 1 1 2 , 277; 1 1 9 , 388; 133, 93), sei es, d a ß ohne vertragliche Bindung d u r c h wirtschaftliches H a n d - i n - H a n d Arbeiten ein Übergewicht a n Stimmen erzielt w i r d ; dazu kann das auf Legitimationsü b e r t r a g u n g b e r u h e n d e Depotstimmrecht der Banken (§ 1 1 4 Abs. 4) beitragen (s. Schlegelberger-Quassowski § 1 5 A n m . 17). Wegen Kapitalanlagegesellschaften vgl. A n m . 10. Es ist nicht einmal erforderlich, d a ß die eine Gesellschaft über die Stimmenmehrheit der anderen verfügt, u m sie zu beherrschen. Sind die übrigen Stimmen regelmäßig zersplittert, so läßt sich auch mit einer Minderheit von Stimmen ein beherrschender Einfluß ausüben. Das ist namentlich bei w e c h s e l s e i t i g e r V e r f l e c h t u n g zu beachten (vgl. die bei Schlegelberger-Quassowski A n m . 14 a n g e f ü h r t e n Beispiele). Gibt die wechselseitige Verflechtung keinem der verflochtenen U n t e r n e h m e n ein Ü b e r gewicht über das andere, so liegt der Fall der Abhängigkeit nicht vor ( R G 149, 308), möglicherweise aber, wenn eine einheitliche Leitung besteht, eine Konzernbildung n a c h Abs. 1. M i t Recht weist auch Rasch S. 48 (s. auch Friedländer S. 78) gegen R G Z 149, 308 u n d T e i c h m a n n - K ö h l e r A n m . 4 darauf hin, d a ß der Fall der wechselseitigen Verflechtung häufig wegen ihrer Undurchsichtigkeit einen K o n z e r n t a t b e s t a n d darstellen kann, da im Einzelfall die Verflechtung so weit gehen kann, d a ß eine gegenseitige Abhängigkeit i. S. von § 15 Abs. 2 besteht. Andere Mittel der Beherrschung sind vertragliche Interessengemeinschaften, sofern dabei das eine U n t e r n e h m e n d e m a n d e r n untergeordnet ist u n d vertragliche Bindungen bei der Besetzung von Vorstands- oder Aufsichtsratsstellen. Von einer O r g a n g e s e l l s c h a f t (vgl. § 17 Abs. 2 U m s a t z S t D B i. d. F. vom 1. 9. 1951, BGBl. I 796) spricht m a n , w e n n die abhängige Gesellschaft nur noch Geschäftsstelle oder Betriebsabteilung des herrschenden U n t e r n e h m e n s ist. Auch d u r c h B e t r i e b s v e r p a c h t u n g k a n n eine Abhängigkeit begründet werden, u n d zwar j e nach den Bedingungen des Pachtvertrages a u f s e i t e n des Verpächters oder des Pächters. B e i m B e t r i e b s ü b e r l a s s u n g s v e r t r a g e wird der Betrieb vom Ü b e r n e h m e n d e n f ü r eigene Rechnung, aber im N a m e n des Ü b e r lassenden geführt, beim B e t r i e b s f ü h r u n g s v e r t r a g f ü h r t ein bisher auf eigene Rechn u n g wirtschaftendes U n t e r n e h m e n den Betrieb f ü r R e c h n u n g eines a n d e r n weiter. I n beiden Fällen liegt regelmäßig Abhängigkeit des einen U n t e r n e h m e n s von d e m a n d e r n vor (Eckelt J W 1937, 1 2 0 1 ; f ü r den Betriebsführungsvertrag n i m m t T r u m p l e r , Die Bilanz der A G S. 355 kein Konzernverhältnis an). Vgl. über diese Verträge § 2 5 6 A b s . 2, auch Toeplitz, Begriff u n d Wesen der abhängigen A G 1937 S. 54fr. D u r c h K r e d i t g e w ä h r u n g k a n n der K r e d i t n e h m e r in Abhängigkeit von d e m Kreditgeber geraten, ebenso d u r c h l a n g f r i s t i g e L i e f e r u n g s v e r t r ä g e , wenn mit derartigen Verträgen eine Kontrolle u n d E i n f l u ß n a h m e auf die Geschäftsführung v e r b u n d e n ist (Rasch S. 88). Eine Abhängigkeit i. S. von § 15 Abs. 2 k a n n weiter auch d u r c h L i z e n z v e r t r ä g e beg r ü n d e t werden, wenn der Lizenzgeber gleichzeitig einen beherrschenden Einfluß gew i n n t (vgl. dazu die Beispiele bei Friedländer S. 161 ff.). S. auch v. Godin-Wilhelmi A n m . 9. D u r c h S a t z u n g s b e s t i m m u n g e n eines U n t e r n e h m e n s k a n n einem anderen ein beherrschender Einfluß gesichert sein, z. B. d a d u r c h , d a ß zu wichtigen Beschlüssen oder wichtigen Stellenbesetzungen die Z u s t i m m u n g des a n d e r n satzungsmäßig erforderlich ist. F ü r die A G ist hier namentlich a n das Entsendungsrecht in den A u f sichtsrat n a c h § 88 zu denken, ferner a n Mehrstimmrechtsaktien u n d gegebenenfalls andere, satzungsmäßig verankerte Sonderrechte, die eine wirtschaftliche Beherrschung der Gesellschaft ermöglichen. Eine Satzungsbestimmung, die Beschlüsse der H a u p t v e r s a m m l u n g a n die Z u s t i m m u n g eines Dritten bindet, wäre j e d o c h nichtig, d a sie mit d e m Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar wäre (vgl. § 197 Ziff. 3). Aber auch d u r c h p e r s ö n l i c h e V e r b i n d u n g , Identität der leitenden Persönlichkeiten, Besetzung von Vorstands- u n d Aufsichtsratsstellen kann ohne besondere Rechtsgrundlage auf rein tatsächlichem Wege ein U n t e r n e h m e n das andere beherrschen. Die Beherrschung k a n n auch m i t t e l b a r sein, so bei Beherrschung von E n k e l u n t e r n e h m u n g e n mittels der T o c h t e r u n t e r n e h m u n g e n .

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Anm. 5—7

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Anm. 5 2. Daß die Beherrschung w i r t s c h a f t l i c h e n Z w e c k e n diene, ist nach Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 5 kein Erfordernis f ü r die Annahme eines Konzernverhältnisses nach Abs. 2 ; insofern soll „ein Gegensatz zum K o n z e r n " bestehen (ähnlich, wenn auch zweifelnd, v. Godin-Wilhelmi Anm. 7, 8). So kann das Gesetz aber nicht verstanden werden. Der Fall der Abhängigkeit steht nicht im Gegensatz zum Konzern, sondern er bildet eine Abart des Konzerns; das herrschende und das abhängige Unternehmen zusammen „ g i l t " als Konzern und einzeln als Konzernunternehmen. Der Unterschied besteht also darin, daß an Stelle der in Abs. 1 genannten „einheitlichen Leitung" hier der „beherrschende Einfluß" tritt, und daß zwei Unternehmen genügen. Daß aber die übrigen Merkmale des Konzerns, nicht nur die ausdrücklich genannte rechtliche Selbständigkeit, sondern auch der wirtschaftliche Zweck (Anm. 2 Nr. 1 und 3) vorhanden sein müssen, erscheint selbstverständlich. Denn sonst würde es an einem einheitlichen Begriffe des Konzerns fehlen, es wären zwei Konzernbegriffe neben einander aufgestellt, f ü r die ein klarer Oberbegriff mangelte. Dieser kann nur die Verbundenheit rechtlich selbständiger Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken sein. Ein wirtschaftlicher Zweck liegt aber schon darin, daß das herrschende Unternehmen durch die Beherrschung eigene Vermögensinteressen wahren will, mag das abhängige Unternehmen auch einen Betrieb ganz anderer Art haben (vgl. das von v. Godin-Wilhelmi Anm. 7 angeführte Beispiel: eine Brauerei hat die Mehrheit der Aktien einer Zementfabrik). Danach muß auch die Beherrschung wirtschaftlichen Zwecken dienen (übereinstimmend Ritter Anm. 3 b und Baumbach-Hueck Anm. 3 A und E). I m Interesse der Begriffsklarheit ist also „wirtschaftlicher Z w e c k " weit auszulegen.

Anm. 6 3. Das Abhängigkeitsverhältnis wird von folgenden V o r s c h r i f t e n betroffen: § 51 behandelt die Aktienübernahme durch ein abhängiges Unternehmen oder f ü r Rechnung eines solchen. § 65 behandelt den Erwerb eigener Aktien durch ein abhängiges Unternehmen oder f ü r Rechnung eines solchen. § 80 Abs. 1 Satz 3 betrifft Kreditgewährungen an Vorstandsmitglieder abhängiger oder herrschender Unternehmen. § 1 1 4 Abs. 6 schließt die Stimmrechtsausübung f ü r Aktien aus, die der A G oder einem abhängigen Unternehmen oder einem andern f ü r Rechnung der A G oder eines abhängigen Unternehmens gehören. § 1 3 1 Abs. 1 A I I I 5 schreibt f ü r die Jahresbilanz den gesonderten Ausweis eigener Aktien der A G und der Aktien einer herrschenden Gesellschaft vor. V g l . auch Abs. 6 letzter Satz. § 137 Abs. 2 schließt Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder Angestellte einer herrschenden oder abhängigen Gesellschaft von der Wahl und Bestellung zu Abschlußprüfern aus. Da das herrschende und das abhängige Unternehmen zusammen als Konzern gelten, so sind auf beide auch die in Anm. 3 genannten Vorschriften anzuwenden. Das Gesetz verwendet auch den Begriff „beteiligtes Unternehmen" (vgl. § 1 1 2 Abs. 3 und § 138 Abs. 3). Die zum gleichen Konzern gehörigen Unternehmen werden immer „beteiligte Unternehmen" sein, ebenso ein herrschendes und abhängiges Unternehmen im Verhältnis zueinander. Der Begriff „beteiligtes Unternehmen" ist aber weiter. Eine Beteiligung kann vorliegen, ohne daß Abhängigkeit im Sinne der A G gegeben ist. J e d e Art der Beteiligung genügt.

Anm. 7 4. Das Gesetz unterscheidet in § 1 5 nicht zwischen inländischen u n d a u s l ä n dischen Unternehmen. In der T a t wären die Vorschriften, mit denen bedenklichen Erscheinungen auf diesem Gebiet begegnet werden soll (Anm. 1), erheblich entwertet, wenn ausländische Unternehmen davon ausgenommen wären. Daher betreffen die in Anm. 3 genannten Vorschriften die Beziehungen einer deutschen A G zu Konzernunternehmen, gleichviel, ob diese Unternehmen deutsche oder ausländische sind (über

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einstimmend Baumbach-Hueck Anm. 3 B). Aber auch für die in Anm. 6 genannten Vorschriften gilt grundsätzlich das Gleiche. Nach § 51 Abs. 1 hat der Strohmann, der als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines Bezugsrechts nach § 165 eine Aktie für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens übernommen hat, zwar die Pflichten, aber nicht die Rechte des Aktionärs, bis er die Aktie für eigene Rechnung übernimmt. Ob das abhängige Unternehmen ein inländisches oder ein ausländisches ist, bleibt sich gleich. Nach § 51 Abs. 2 darf ein abhängiges Unternehmen als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines Bezugsrechts nach § 165 eine Aktie der herrschenden Gesellschaft nicht übernehmen; eine verbotswidrige Übernahme ist jedoch wirksam. Warum diese Vorschrift nicht für ausländische Unternehmen ebenso gelten soll wie für inländische (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 12), ist nicht einzusehen, da der Abschluß der in Rede stehenden Geschäfte sich im Inlande vollzieht, auch wenn Erklärungen dazu im Ausland abgegeben werden. Die Gründerhaftung nach § 39 bestimmt sich für alle Gründer nach inländischem Recht. In den Höchstbetrag der eigenen Aktien, die nach § 65 Abs. 1 die herrschende AG erwerben darf, sind die Aktien einzurechnen, die ein abhängiges Unternehmen erworben hat, um einen schweren Schaden von der herrschenden AG abzuwenden, und die es noch besitzt (§65 Anm. 10, 20). Das gilt auch, wenn das abhängige Unternehmen ein ausländisches ist. In § 65 Abs. 5 •wird für den abgeleiteten Erwerb von Aktien ein abhängiges Unternehmen überhaupt der herrschenden Gesellschaft gleichgestellt; für die Wirksamkeit des Erwerbs und die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Geschäfts gilt § 65 Abs. 3. Da das Gesetz in § 65 Mißbräuchen entgegentreten will, die das deutsche Wirtschaftsleben so schwer erschüttert hatten, daß dagegen im Wege der Notverordnung (Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 1931 § 226) hat eingeschritten werden müssen, so ¡sind nach Art. 30 EinfG z. BGB (RG 60, 300; 93, 183; 151, 202; J W 1924, 1710 1 ) ausländische Gesetze als dem Zweck des § 65 zuwiderlaufend anzusehen, die zu einer von § 65 abweichenden Beurteilung dieser Rechtsverhältnisse führen würden. Schuldrechtliche Geschäfte eines abhängigen Unternehmens über den Erwerb von Aktien der herrschenden Gesellschaft •werden daher vom deutschen Richter als nichtig zu behandeln sein, gleichviel, ob das abhängige Unternehmen ein ausländisches, wo und mit wem das Geschäft geschlossen ist. Nichtig ist auch der dingliche Erwerbsakt, wenn die Aktien nicht voll bezahlt sind; sind sie vollbezahlt, so ermangelt der Erwerb des Rechtsgrundes. Verstöße gegen § 51 Abs. 2 oder gegen § 65 durch das abhängige Unternehmen können zu einer Schadensersatzpflicht der Verwaltungsträger der inländischen herrschenden Gesellschaft nach § 84 Abs. 3 Nr. 3, § 99 führen, wenn sie nämlich die Zeichnung oder den Erwerb veranlaßt oder durch ihr Verhalten unterstützt haben. Dagegen würde diese Ersatzpflicht die Verwaltungsträger eines ausländischen abhängigen Unternehmens allerdings nicht treffen können. Daß schließlich § 1 1 4 Abs. 6 und § 131 Abs. 1 A I I I 5 keinen Unterschied -machen, ob das abhängige Unternehmen (§ 114) oder die herrschende Gesellschaft (§ 131) inländisch oder ausländisch sind, bedarf kaum der Hervorhebung. Anm. 7 a 5. Aktiengesellschaft als Konzerngesellschaft. Da die Konzernzugehörigkeit die rechtliche Selbständigkeit des Unternehmens, in welcher Form es auch geführt werden mag, unberührt läßt, bleiben alle für die betreffende Rechtsform geltenden Bestimmungen auf das Konzernunternehmen anwendbar : das AktG auf eine AG als Konzerngesellschaft, das GmbHG auf eine GmbH als Konzerngesellschaft. Die AG muß auch als Konzernunternehmen das gesetzmäßige Leben einer AG führen, d. h. die im AktG vorgeschriebenen Organe haben. Diese müssen sich im Rahmen der ihnen gesetzlich zugewiesenen Funktionen betätigen. Die gesetzlich hierfür vorgeschriebenen Formen müssen beachtet werden. Jahresabschlüsse müssen vom Vorstand unter Billigung des Aufsichtsrats festgestellt werden. Eine Gewinnverteilung bedarf der Beschlußfassung durch eine Hauptversammlung, desgleichen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Durch Gestaltung der Satzung kann •eine Anpassung an konzernmäßige Bedürfnisse nur erfolgen, soweit nicht zwingende "Vorschriften für die Verteilung der Funktionen der Organe gegeben sind. 87

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Die praktische Handhabung im Konzernwesen weicht hiervon vielfach weitgehend ab. Deshalb ist „Rechtsschein und Wirklichkeit" im Konzernwesen voneinander entfernt (Fischer aaO. S. 115 bezeichnet die Konzerngebundenheit „als besondere Kluft zwischen Gesetz und Wirklichkeit"). In straff organisierten Konzernen regiert die Konzernspitze, d. h. der Vorstand der Dachgesellschaft, durch den ganzen Konzern und alle seine Glieder hindurch, sei es direkt von Vorstand zu Vorstand, sei es über die Aufsichtsräte. Die Aufsichtsräte der Tochter- und Enkelgesellschaften werden mit Vorstandsmitgliedern oder leitenden Angestellten der Muttergesellschaft besetzt; zu Vorstandsmitgliedern der Untergesellschaften werden Angestellte der Obergesellschaft bestellt. Die Entscheidung über die Auswahl fällt bei der Obergesellschaft; die Bestellung: oder Wahl durch die gesetzlich hierfür zuständigen Organe sinkt zur Formalität herabDie §§ 95 Abs. 5 (Verbot der Weisungserteilung des Aufsichtsrats an den Vorstand) und 103 Abs. 2 (Beschlußfassung der Hauptversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung nur auf Verlangen des Vorstands) werden nicht beachtet. Der Vorstand der Obergesellschaft legt die Geschäftspolitik für alle Konzernmitglieder fest und weist die Vorstände der Untergesellschaften entsprechend an. Eine Hauptversammlung wird hierzu nicht einberufen, gleichgültig ob alle Aktien der Tochtergesellschaft in der Hand der Muttergesellschaft sind und von deren Vorstand vertreten werden oder ob außenstehende Aktionäre beteiligt sind. Es liegt nahe, daß bei derartiger Handhabung!die Organe der Untergesellschaften von ihrer gesetzlichen Haftung gegenüber Aktionären und Gläubigern freigestellt werden müßten und eine alleinige Haftung der Konzernspitze gegenüber den Gläubigern auch der Untergesellschaften zu begründen wäre. Die gesetzgeberischen Erwägungen, die sich für eine dem geschilderten Zustand angepaßte Haftungsregelung ergeben, sind von der StDJT angestellt worden (StDJT S. 51—57). Solange eine Reform nicht durchgeführt ist, müssen die Fragen der Verantwortlichkeit und Haftung nach den geltenden Bestimmungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Konzernwesens entschieden werden. Das bedeutet: Der Vorstand der Tochtergesellschaft haftet gemäß § 84 den freien Aktionären und Gläubigern der Gesellschaft,, auch wenn er auf Weisung der Konzernspitze gehandelt hat. Die freien Aktionäre können gemäß §§ 118, i22f die Geltendmachung der Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand erzwingen. Die freien Aktionäre und Gläubiger haben auch unmittelbare Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand gemäß §101 Abs. 2 AktG und § 826 BGB. Entlastet ist der Vorstand der Tochtergesellschaft nur, wenn ihre Hauptversammlung durch einen „gesetzmäßigen Beschluß" gemäß § 103 Abs. 2 sein Handeln gebilligt hat (§ 84 Abs. 4). Nicht genügt hierzu die Weisung der Konzernspitze, auch wenn sie über die Mehrheit bei der Tochtergesellschaft verfügt. Auch §101 Abs. 3 kann zur Entlastung des Vorstands nicht herangezogen werden, weil ein Interesse des Gesamtkonzerns nicht schutzwürdig ist, wenn der erstrebte Vorteil nur unter Schädigung der freien Aktionäre oder Gläubiger der Tochtergesellschaft erreicht werden soll (vgl. §101 Anm. 8). All dies gilt entsprechend auch gegenüber dem Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft. Für die Ansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat ist ein Durchgriff auf die Konzernspitze, auf deren Weisung sie handelten, nur im Rahmen von §101 Abs. 1 AktG und von § 826 BGB möglich. Aus diesen Vorschriften ergibt sich eine gesamtschuldnerische Haftung der Muttergesellschaft und ihrer Organe und der Organe der Tochtergesellschaft gegenüber Aktionären und Gläubigern der letzteren. Soweit diese Vorschriften nicht Platz greifen, können die Muttergesellschaft und ihre Organe nicht von den freien Aktionären und Gläubigern der Tochtergesellschaft, sondern nur im Wege des Rückgriffs intern von dem Vorstand oder Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft in Anspruch genommen werden, der auf ihre Weisung handeln mußte. Für Organverhältnisse vgl. die folgende Anm. 7 c. Die Probleme vereinfachen sich in der Praxis, dadurch, daß, wo kein Kläger, auch kein Richter zu sein braucht. Wenn sich ein Aufsichtsrat entgegen § 95 Abs. 5 Weisungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand anmaßt und dieser sich ihnen beugt, braucht noch kein Schaden zu entstehen und brauchen auch außenstehende Aktionäre nicht geschädigt zu werden. Das gleiche gilt, wenn der Vorstand der Obergesellschaft, die Haupt- oder alleiniger Aktionär der Untergesellschaft ist, an deren Vorstand direkte Weisungen gibt, ohne § 103 Abs. 2 zu beachten, also. 88

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut) § 15 A n m . 7b, 7c ohne daß vom Vorstand der Untergesellschaft eine Hauptversammlung berufen und ihr die Geschäftsführungsfrage von ihm zur Beschlußfassung unterbreitet wird. Anm. 7 b 6. Verantwortlichkeit bei S c h a f f u n g der Konzernzugehörigkeit. Für eine A G wie für jedes in anderer Form geführte Unternehmen wird die Konzernzugehörigkeit a) durch gesellschaftsrechtliche Beteiligung oder andere außervertragliche Umstände, b) durch vertragliche Vereinbarung begründet (Anm. 2 und 4). Vielfach sind beide Grundlagen gegeben, z. B., wenn zwischen Ober- und Untergesellschaft, die durch Beteiligung konzernmäßig verbunden sind, ein Organvertrag geschlossen wird. Gelangt eine A G dadurch, daß ein anderes Unternehmen die Mehrheit ihrer Aktien erwirbt, in Abhängigkeit von diesem Unternehmen, so wird sie zur (abhängigen) Konzerngesellschaft ohne ihr Zutun. Ihren Vorstand kann eine Verantwortung nicht treffen. Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn die A G vinkulierte Namensaktien (§61 Abs. 3) hat und damit der Erwerb des Mehrheitsbesitzes der Zustimmung des Vorstands bedurfte. Im umgekehrten Fall, wenn eine A G eine den beherrschenden Einfluß sichernde Beteiligung an einem anderen Unternehmen erwirbt, sei es durch Kaufeiner bestehenden Beteiligung oder durch Mitwirkung an der Gründung eines neuen Unternehmens, hat der Vorstand der A G dieses Rechtsgeschäft wie jede andere geschäftliche Maßnahme zu vertreten. Bei entsprechender Gestaltung der Satzung wird er der Zustimmung seines Aufsichtsrats bedürfen. Für die v e r t r a g l i c h e Eingehung eines Konzernverhältnisses sollte jeder Vorstand einer AG, die sich durch den Vertrag ihrer Unabhängigkeit und Selbständigkeit begibt, gemäß § 103 Abs. 2 die Zustimmung der Hauptversammlung einholen, auch soweit das Gesetz die Wirksamkeit des Vertrages nicht hiervon abhängig macht. In § 256 hat das Gesetz nur für die dort bezeichneten besonderen Vertragsarten die Zustimmung der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit zum Vertragserfordernis erhoben. In anderen Fällen mag satzungsgemäß noch die Zustimmung des Aufsichtsrats intern erforderlich sein. Im übrigen aber ist der Vorstand befugt, selbständig Verträge, durch die sich die A G dem Willen eines anderen Unternehmens unterwirft, abzuschließen. Hierzu gehören Interessengemeinschaftsverträge, Organverträge (vgl. StDJT S. 52; Fischer aaO. S. 1 1 7 f.; Duden BB 1957, 49). Bei der Bedeutung derartiger Verträge f ü r Fortbestand und Entwicklung der A G wird regelmäßig, wenn freie Aktionäre an ihr beteiligt sind, die Anrufung der Hauptversammlung zwecks Zustimmung zu dem Vertrag gemäß § 103 Abs. 2 verlangt werden müssen. Mit dieser Zustimmung ist der Vorstand von Haftung frei. Andererseits erhalten die freien Aktionäre die Möglichkeit, gegen den Beschluß der Hauptversammlung zu stimmen und ihn gegebenenfalls anzufechten. Holt der Vorstand nicht die Zustimmung der Hauptversammlung zu dem Unterwerfungsvertrag ein, so trifft ihn die volle Verantwortung für alle Nachteile, die hieraus den freien Aktionären und u. U. den Gläubigern erwachsen, soweit er nicht durch Abmachung zugunsten der freien Aktionäre deren Interesse gewahrt und unnötige Nachteile von ihnen ferngehalten hat (z. B. durch Gewährung einer Dividendengarantie oder sonstigen Ausgleich). Anm. 7 c 7. A u s w i r k u n g der K o n z e r n z u g e h ö r i g k e i t . Da die Konzerngesellschaften selbständige Rechtspersönlichkeiten sind, ist der Rechtsverkehr unter ihnen grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte und Verträge zu beurteilen. Verluste, die die abhängige Gesellschaft in dem Geschäftsverkehr mit der Obergesellschaft erleidet, muß sie selbst tragen. Maßnahmen, die die Tochtergesellschaft für ihren Geschäftsbereich durchführt, treffen in ihren Aus-

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Anm. 7c Wirkungen nur die Tochtergesellschaft, auch wenn die M a ß n a h m e n dem Konzerninteresse dienen. Eine Abwälzung der Wirkungen fehlsamer M a ß n a h m e n oder der Verluste aus dem gegenseitigen Geschäftsverkehr auf die Muttergesellschaft kann die Tochtergesellschaft nicht verlangen, selbst wenn diese M a ß n a h m e n mit der Konzernspitze vereinbart waren. Die Abstimmung der Geschäftspolitik unter den Konzerngesellschaften führt, selbst wenn die Konzernspitze bei den Entscheidungen den Ausschlag gibt, nicht zu einer Haftung der Konzernmitglieder untereinander oder einer Haftung der Muttergesellschaft f ü r die Tochtergesellschaften. Was der Vorstand der Tochtergesellschaft f ü r diese nicht verantworten kann und will, m u ß er — trotz der Konzerngebundenheit — ablehnen. Besonders gilt, wenn die „Weisung" der Konzernspitze in Gestalt eines speziellen Vertragsverhältnisses erteilt wird, z. B. im R a h m e n eines Auftrags zur Geschäftsbesorgung f ü r die Muttergesellschaft (§ 662 BGB) oder als Kreditauftrag (§ 778 BGB). Hier greifen die Regeln dieses Vertragsverhältnisses Platz. Abgesehen davon m u ß der Vorstand der Tochtergesellschaft durch besondere Vereinbarung mit der Muttergesellschaft — allgemein oder f ü r den Einzelfall — die Schadloshaltung der Tochtergesellschaft durch die Obergesellschaft ausbedingen. Über die Verantwortung der Organe der Tochtergesellschaft gegenüber deren freien Aktionären und Gläubigern und etwaige Rückgriffsrechte auf die Muttergesellschaft u n d ihre Organe vgl. oben Anm. 7 a, über die Besonderheiten bei Organverträgen s. im folgenden. Bei einem O r g a n v e r h ä l t n i s , der stärksten Form eines Konzernverhältnisses, wird die Untergesellschaft wirtschaftlich und organisatorisch zu einer Betriebsabteilung der Obergesellschaft. Sie darf nach der Praxis der Steuerbehörden, wie sie die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entwickelt hat, einen eigenen Willen nicht mehr haben (vgl. R F H 36, 39 und B F H in BStBl. I I I 1952, 234). Das ist aktienrechtlich nicht anzuerkennen. Ebensowenig kann die im sog. Holding-MitbestimmungsG vom 7. 8. 56 (BGBl. I, 707) in § 1, Abs. 2 — erstmalig — gesetzlich vorgenommene Definition des Organverhältnisses: „ein auf Vereinbarung beruhendes Beherrschungsverhältnis, auf Grund dessen das abhängige Unternehmen in seiner Geschäftsführung dem Willen des herrschenden Unternehmens unterworfen ist", f ü r das Aktienrecht verwandt werden. Die Verneinung des eigenen Willens des Vorstandes müßte notwendig den Ausschluß seiner H a f t u n g zur Folge haben. Aktienrechtlich bleibt aber der Vorstand f ü r sein Handeln den Aktionären und Gläubigern verantwortlich. Dabei ist zu unterscheiden: H a t die Hauptversammlung dem Unterwerfungsvertrag zugestimmt, so haftet der Vorstand den Aktionären f ü r Schäden, die sich aus dem Abschluß des Vertrages ergeben, nicht. Er ist befugt, im R a h m e n der Konzernbildung die Geschäfte zu führen. Damit erfüllt er nur die Verpflichtung der AG, die sie durch den Vertrag eingegangen ist. Er ist also befugt, den Weisungen der einheitlichen Konzernleitung zu folgen. Bedarf er nach der Satzung seiner AG zu einzelnen Geschäftsarten noch der Zustimmung seines Aufsichtsrats, m u ß er sie einholen. Insofern ist er nicht allein, sondern auch der Aufsichtsrat durch den Unterwerfungsvertrag mittelbar gebunden. Seine Eigenverantwortung zur Leitung der A G (§ 7°) verliert der Vorstand durch all dies nicht. Er kann stets nur unter Beachtung der seiner A G obliegenden Verpflichtungen handeln. Andererseits — und darin zeigt sich das Fortbestehen seiner Eigenverantwortlichkeit — darf der Vorstand nicht jeder Weisung des Leitungsorgans oder der Obergesellschaft folgen. Die Grenze liegt in BGB § 826 und AktG §101. In diesen Fällen ergibt sich eine H a f t u n g sowohl gegenüber freien Aktionären wie gegenüber den Gläubigern, wenn die Befolgung der Konzernpolitik sich als Mißbrauch herausstellt und zu Schädigungen der AG führt. Die Begründung zum AktG bemerkt zwar, daß Konzerninteressen zu den schutzwürdigen Belangen im Sinne des § 101 AbsN 3 gehören. Damit ist aber keineswegs jedes Konzerninteresse, jede von der Konzernleitung angeordnete M a ß n a h m e geschützt u n d erlaubt. Diese M a ß n a h m e n müssen sich im R a h m e n vernünftiger, den anständigen Gebräuchen des Verkehrs angepaßter Geschäftspolitik halten und dürfen zu unnötigen Schädigungen der Beteiligten (freie Aktionäre u n d Gläubiger) nicht führen. Der Rechtsprechung wird hier die erforderliche Interessenabwägung u n d Grenzziehung zur Vermeidung mißbräuchlicher Gebahrung obliegen. Zwei rechtliche Gesichtspunkte werden hierbei richtunggebend sein. Auch das Aktienwesen steht, wie das Gesellschaftsrecht überhaupt, unter dem Grundsatz von Treu u n d Glauben. Die Einordnung des § 242 BGB in den Allgemeinen Teil

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der Schuldverhältnisse schließt seine allgemeine Anwendung auf alle anderen Rechtsgebiete nicht aus. Z w a r kann das Stimmrecht des Aktionärs grundsätzlich nach dessen freiem Belieben ausgeübt werden (§ 1 1 4 Anm. 42). Dieser Grundsatz kann aber uneingeschränkt nur gelten, wo sich eine Vielheit von Aktionären in weit verstreutem Aktienbesitz gegenüber steht. Anders, wenn ein Aktionär oder eine Gruppe von Aktionären die A G beherrscht. Z w a r ändert auch ein Mehrheitsbesitz oder ein die Beherrschung der A G sichernder Besitz nichts an der Tatsache, daß vertragliche oder vertragsähnliche Rechtsbeziehungen zwischen den Aktionären untereinander nicht bestehen und auch eine gegenseitige Treupflicht nicht begründet ist. Wie aber der Vorstand kraft der ihm verliehenen Organstellung die Interessen des Unternehmens und damit auch der Aktionäre zu wahren hat, wächst ein das Unternehmen beherrschender Aktionär in eine entsprechende Verantwortung hinein. Will er das Unternehmen nach seiner Willkür geführt sehen, muß er dafür sorgen, alleiniger Aktionär zu werden. Solange er an dem Unternehmen zusammen mit anderen beteiligt ist, hat er auf diese Rücksicht zu nehmen. E r kann zwar die Geschäftspolitik bestimmen, ist aber hierbei nach T r e u und Glauben gehindert, seine Herrschaftsbefugnis zum Schaden der Mitaktionäre willkürlich auszuüben. Das gilt vornehmlich f ü r das Konzernwesen im Verhältnis der herrschenden Unternehmen zu den an den abhängigen Gesellschaften beteiligten freien Aktionären. Der Entwicklung des Aktienwesens von dem T y p der A G als selbständiger Wirtschaftseinheit zu dem T y p des aus abhängigen und verflochtenen Wirtschaftseinheiten gebildeten Konzerns muß durch eine entsprechende Fortentwicklung und gegebenenfalls Änderung des Rechts Rechnung getragen werden. Das A k t G kommt diesem Erfordernis durch Einzelbestimmungen bereits entgegen, vgl. Anm. 6 oben und § 256. Als weiterer Gesichtspunkt ist bei Mißbrauch der Rechtsform der juristischen Person (hier der A G ) die Konsequenz ihrer Negierung in Betracht zu ziehen. Es kann insoweit auf das in § 1 Anm. 8 a und unten in Anm. 8 Ziff. 8 Gesagte verwiesen werden. Die Negierung der juristischen Person kann aber gesellschaftsrechtlich nie in der Form eine absolute sein, daß die juristische Person als Rechtssubjekt aufhört zu bestehen (anders in der praktischen Auswirkung das Steuerrecht, dazu unten Anm. 7d). Lediglich f ü r einen e i n z e l n e n Mißbrauchstatbestand kann die Rechtsform einmal beiseite geschoben werden, eine Identifizierung also von Gesellschaft und Gesellschaftern erfolgen. Die durch Eintragung im Handelsregister begründete rechtliche Existenz der juristischen Person bleibt unberührt und endet erst mit der Löschung der Gesellschaft.

Anm. 7d 8. Steuerrecht. Aus der tatsächlichen Unterordnung der Organgesellschaft unter das herrscnende Unternehmen hat das Steuerrecht eine weitgehende Identifizierung gefolgert. Wenn diese auch aktienrechtlich nicht anerkannt werden kann (Anm. 7 c), so zeigt sich auf diesem f ü r die Praxis so wichtigen Rechtsgebiet eine Entwicklung, die auch f ü r die Fortbildung des Konzernrechts nicht bedeutungslos bleiben wird. Ist ein Unternehmen finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das herrschende Unternehmen derart eingegliedert, daß man es wirtschaftlich nur noch als Glied des beherrschenden Unternehmens ansehen kann, so verliert es seine steuerliche Selbständigkeit. Dieser, zunächst im Umsatzsteuerrecht entwickelte Grundsatz (siehe die in Anm. 7 zitierte Rspr.) ist auch f ü r die Körperschaftssteuer übernommen worden, wobei hier allerdings eine bindende Gewinnabführungsvereinbarung Voraussetzung f ü r die steuerliche Anerkennung eines Organverhältnisses ist, vgl. Hermann-Heuer K o m m , z. K S t G , 7. Aufl., § 7 Anm. 12 ff., 19. Eine ausdrückliche steuerliche Privilegierung von Schachtelbeteiligungen in Höhe von mindestens 25 v. H. gewährt § 9 K S t G (dazu Fischer in N J W 1954, 700f.). Das G e w S t G i. d. F. vom 2 1 . 12. 1954 (BGBl. I, 473) betrachtet die Organgesellschaft ohne Einschränkung als Betriebsstätte, also als steuerlich unselbstständig, § 2 Abs. 2, Ziff. 2, Satz 2 G e w S t G . Über die körperschafts- und gewerbesteuerliche Behandlung der Organgesellschaft und ihre Bedeutung im System des Steuerrechts siehe auch Grieger in W M 1955, Sonderbeilage Nr. 7. Die steuerliche Haftung der Organgesellschaft f ü r auf sie entfallende Steuern des herrschenden Unter-

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Anm. 8 nehmens (§ 1 1 4 A O ) ist die folgerichtige Durchführung der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise" des Steuerrechts (§ 1 I I StAnpG). Die „Betriebsstättenbesteuerung" f ü r beschränkt Steuerpflichtige tritt auch dann ein, wenn die Betriebsstätte in Form einer rechtlich selbständigen Kapitalgesellschaft betrieben wird, die von dem ausländischen Gewerbetreibenden wirtschaftlich und organisatorisch beherrscht wird (§§ 49 Ziff. 2 E S t G , 16 S t A n p G , vgl. Blümich-Falk, K o m m , z. E S t G , 7. Aufl., § 49 Anm. 5). In den neuen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (siehe das Abkommen mit den U S A vom 22. 7. 54 [BGBl. I I , 1 1 1 8 ] Art. I I Abs. 1 und mit Großbritannien vom 18. 8. 1954 [BGBl. I I , 6 1 0 ] Art. I I Abs. 1) ist allerdings gesagt, daß die Tatsache allein, daß eine juristisch selbständige Tochtergesellschaft vorhanden ist, diese noch nicht zur „Betriebsstätte" der Muttergesellschaft macht, womit jedoch das Regel-Ausnahme-Verhältnis zivil- und aktienrechtlich gesehen umgekehrt wird. Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen bildet auch die steuerliche Behandlung von Dividendengarantien im R a h m e n steuerlich anerkannter Organschaften mit Gewinnabführungsvereinbarungen (vgl. dazu die Gutachten des B F H vom 27. n . 56, des Deutschen Industrie- und Handelstags und des Bundesverbands der Deutschen Industrie, abgedruckt als Sonderbeilage zu Heft 14 B B 1957). Für die sich im Zusammenhang mit einem Organschaftsvertrag ergebenden aktienrechtlichen Fragen wird auf § 256 Anm. 1 ff. und die Aufsätze von Flume in Betr. 1956, 4 5 5 f f . ; Ballerstedt a a O . 813fr. und Duden in B B 1957, 49 verwiesen. Die Organschaft des Umsatzsteuerrechts ist zur Zeit f ü r juristische Personen aufgehoben, siehe § 2 I I Ziff. 2 U S t G mit K R G Nr. 1 5 Art. I I Abs. 2 und § 17 I I U S t D B i. d. F. vom 1. 9. 51 (BGBl. I, 796) wird jedoch in K ü r z e wieder hergestellt werden.

Anm. 8 Die Einmanngesellschaft. A l l g e m e i n e s . Als Mittel, ein anderes Unternehmen zu beherrschen, ist oben in Anm. 4 u. a. der Erwerb sämtlicher Anteile des anderen Unternehmens, der Fall der sog. E i n m a n n g e s e l l s c h a f t , genannt worden. Diese kann wegen der Vorschrift des § 2 nicht schon bei der Gründung entstehen, auch nicht immer unter Zuhilfenahme von Strohmännern (vgl. Anm. 16 zu § 2), jedoch ist es unschädlich, wenn die „ S t r o h m ä n n e r " sich verpflichtet haben, nach durchgeführter Gründung ihre Aktien an einen Mitaktionär zu übertragen (vgl. f ü r die G m b H B G H 2 1 , 378). Bei Vereinigung sämtlicher Aktien in der H a n d eines Aktionärs erlischt die A k t G nicht (so das französische Recht), sondern besteht als j u r i s t i s c h e P e r s o n fort. Gegen die Einmanngesellschaft sind seit jeher die verschiedensten begrifflichen Bedenken geltend gemacht worden; neuerdings will Schilling (s. Hachenburg § 1 3 Anhang Anm. 1 und J Z 1953, 161 ff.) das Gesellschaftsvermögen als gebundenes Sondergut des Alleingesellschafters angesehen wissen. Die selbständige Rechtspersönlichkeit der Einmanngesellschaft ist jedoch gewohnheitsrechtlich anerkannt, s. schon R G Z 68, 1 7 2 ; 92, 84; 98, 289; 129, 5 3 ; in J W 1904, 5 0 3 ; K G J 31 A 1 6 7 ; O L G Dresden in L Z 1907, 606; ferner B G H 2 1 , 3 8 3 ; 22, 22gf. m. w. N . Auch das A k t G geht von der gewohnheitsrechtlich bestehenden Möglichkeit einer Einmanngesellschaft aus, die zu verbieten im übrigen auch schon deshalb wenig praktisch wäre, weil sich ein solches Verbot allzu leicht umgehen ließe. In der Begründung zum A k t G heißt es zwar, daß die beschränkte Haftung, die sich der Erwerber sämtlicher Aktien f ü r die Geschäfte der A G sichert, dem Grundsatz zu widersprechen scheine, wonach in der Wirtschaft die Anonymität beseitigt und die persönliche Verantwortung hergestellt werden müsse. Jedoch wird andererseits daraufhingewiesen, daß es Fälle gebe, in denen solche Haftungsbeschränkung wirtschaftlich vertretbar sei, und es wird die Erwartung ausgesprochen, daß die hauptsächlich bei kleinen Gesellschaften beobachteten Mißbräuche künftig wegen der Heraufsetzung des Mindestbetrages des Grundkapitals keine gefahrliche Rolle mehr spielen werden. Diese, von den Gedankengängen des Nationalsozialismus beeinflußte Ideologie war schon bei Schaffung des A k t G nicht begründet und ist durch die weitere, insbesondere konzernmäßige Entwicklung überholt. Die Mißbräuche sind auf kleine Gesellschaften keineswegs beschränkt geblieben;

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wie ihnen entgegengetreten werden kann, ist unten zu Ziff. 2 und insbes. Ziff. 8 ausgeführt. Die Zulässigkeit der Einmanngesellschaft ist sonach heute nicht mehr in Frage zu stellen; so übereinstimmend die Kommentare: v. Godin-Wilhelmi § 1 Anm. 6; Ritter § 203 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski § 2 Anm. 14; Teichmann-Koehler § 1 Anm. 6; Baumbach-Hueck Anh. nach § 15 (gegen die früheren Auflagen); Rasch S. 46; Friedländer S. 69 fr.; s. auch die eingehenden Ausführungen bei Schilling in Hachenburg Anhang zu § 13 und Scholz § 15 Anm. 60 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen zum GmbHRecht sowie Reinhardt in Festschrift für Heinrich Lehmann 1956, S. 576 ff. Auch der Gesetzgeber erkennt die Einmanngesellschaft an, vgl. § 1 Abs. 3 GrErwStG und vor allem §§ 1, 3, 15, 24 UmwG 1956 ( = §§ 1, 2, 8, 14 UmwG 1934). Durch § 15 UmwGig56 ( = §8 Abs. 1 3. D V O UmwG 1934 mit §8 UmwG 1934) ist sogar die Bildung einer Einmanngesellschaft zur Übertragung des Vermögens der A G auf den Hauptgesellschafter (mit einer Aktienbeteiligung von mehr als 75%), der j a auch eine juristische Person sein kann, in einer rechtspolitisch nicht ganz unbedenklichen Weise unter Ausschaltung der Minderheitsaktionäre für zulässig erklärt worden. Der Gesetzgeber hat damit die Konzernbildung nicht unerheblich erleichtert, eine Entwicklung, die im Zuge der Zeit liegt. Die Einmanngesellschaft ist ein unentbehrlicher Faktor bei Verwirklichung des Konzerntatbestands, auch gerade in seiner reinsten Form, der gegenseitigen Beherrschung juristisch selbständiger Personen. Auch bei der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand ist das Institut der Einmanngesellschaft unentbehrlich, ihre steuerliche Begünstigung aber nicht zu rechtfertigen (vgl. § 3 Ziff. 3 VStG). R e f o r m v o r s c h l ä g e zur Schaffung eines besonderen Rechtsinstituts der Einzelunternehmung mit beschränkter Haftung bei Verbot der Einmanngesellschaft als selbständiger juristischer Person im Gewände der A G oder GmbH (vgl. dazu Schilling in Hachenburg Allg. Einleitung Anm. 58) sind bisher nicht Gegenstand gesetzgeberischer Vorarbeiten geworden. Da im Ganzen die Einmanngesellschaft volkswirtschaftlich nicht gefährlich und praktisch nicht zu entbehren ist, Mißbräuche aber auch durch die Rechtssprechung gesteuert werden können, kann ein Erfordernis zur Reform des Rechts der Einmanngesellschaft nicht anerkannt werden. Soweit die Einmanngesellschaft Konzernunternehmen ist, gelten die Ausführungen in den Anm. 7 a—7 c auch für sie. Sie ist aber ein eigentümliches Gebilde, das noch unter weiteren Gesichtspunkten einer näheren Betrachtung bedarf. 1. Die selbständige Rechtspersönlichkeit der Einmanngesellschaft wird grundsätzlich nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Vereinigung sämtlicher Aktien in einer Hand schon bei der Gründung b e a b s i c h t i g t war. Vgl. § 2 Anm. i 6 u n d B G H Z 2 i , 379-

2. Das Vermögen der Aktiengesellschaft und das des Einzelaktionärs sind getrennt ( R G Z 129, 53; B G H Z 22, 22gf.), die A G bleibt rechtlich selbständige juristische Person (vgl. die oben zit. Rspr. und Literatur). Eine Identifizierung von Gesellschaft und Gesellschafter findet nicht statt, der Alleinaktionär haftet somit auch sowenig wie jeder andere Aktionär im Grundsatz persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, § 1 ; s. aber Ziff. 8 unten. Die Geschäfte der A G sind nicht Geschäfte des Alleinaktionärs und umgekehrt (Börsentermingeschäfte, R G Z 85, 382; 87, 25; vgl. auch R G in SeuffA 88, 303). Demnach kann auch der Inhaber eines Warenzeichens gegenüber einer Klage auf Entziehung des Schutzes für im Betriebe nicht geführte Waren, sich nicht darauf berufen, diese Waren würden aber in einer GmbH geführt, deren Alleingesellschafter er sei ( R G Z 169, 240). Etwas anderes kann aber gelten, wenn bestimmte Normen auf p e r s ö n l i c h e Verhältnisse von natürlichen Personen zugeschnitten sind, der Normzweck es aber erfordert, sie auch auf juristische Personen anzuwenden, vgl. im Einzelnen § 1 Anm. 8 a „Normanwendungsfälle". Gerade bei der Einmanngesellschaft hat die Rechtsprechung unter Hintansetzung der Rechtsform einen Durchgriff auf den Alleinaktionär dann für zulässig gehalten, wenn es der Normzweck im Einzelfall erforderte. Da sich Durchgriffsfälle der hier behandelten Art, ohne daß eine systematische Erfassung möglich wäre, aus dem jeweils anzuwendenden Gesetz ergeben, ist ein Berufen auf Treu und Glauben, 93

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Anm. 8 womit die Rspr. des R G auch den Durchgriff bei Normanwendung i. S. der Definition von Serick (vgl. oben Anm. 8 a zu § i) rechtfertigte, nicht erforderlich. T r e u und Glauben erfordern den Durchgriff bei mißbräuchlicher Verwendung der Einmanngesellschaft, dazu unten Ziff. 8. Da es im Grundsatz allerdings auf die persönlichen Eigenschaften des Aktionärs, auch des Alleinaktionärs, nicht ankommen kann, da wir zwei scharf zu trennende Rechtssubjekte vor uns haben, wird man die im folgenden angeführten Beispielsialle aus der Rechtsprechung keinesfalls zu einem allgemeinen Grundsatz verbreitern dürfen. Eine Identifizierung von Gesellschaft und Alleingesellschafter unter Beiseiteschieben der Rechtsform der juristischen Person und unter Abstellung auf die persönlichen Verhältnisse des Alleinaktionärs wurde anerkannt bei der Anfechtung wegen Irrtums über die Vertrauenswürdigkeit der juristischen Person ( R G Z 143, 4 3 1 ) sowie im Aufwertungsrecht ( R G Z 129, 5 3 ; 130, 343). Ebenso spielt der Rechtserwerb im guten Glauben keine Rolle, wenn der bösgläubige Einzelaktionär an die gutgläubige A G veräußert; dieser wird die Kenntnis des Einzelaktionärs ohne weiteres zugerechnet, wie überhaupt immer geurteilt wird, wenn Veräußerer und Erwerber dieselben Personen sind, die sich nur in anderer Rechtsform gegenüberstehen ( R G 1 1 9 , 1 2 6 ; J W 1929, 1387 1 9 ). Die Rechtsprechung des R G zur Anwendung von §892 B G B bei Grundstücksgeschäften zwischen Einzelaktionär und Gesellschaft ist, im Ergebnis wie hier, eingehend gewürdigt bei Serick S. 193 fr. Auch kann die Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeit einer Anfechtung auf Grund von Familienbeziehungen ( § 3 1 Nr. 2, § 32 Nr. 2 K O , § 3 Nr. 2, 4 A n f G ) nicht hinderlich sein; in dieser Hinsicht werden z. B. Geschäfte zwischen der Ehefrau des Einzelaktionärs und der A G ebenso zu beurteilen sein wie Geschäfte zwischen der Ehefrau und dem Einzelaktionär selbst (vgl. f ü r § 22 Abs. 1 A u f w G R G Z 130, 343). Entsprechendes ist f ü r das Vergleichsverfahren anzunehmen (§§ 4, 75 VerglO). Bei der Frage, ob § 64 K O (verhältnismäßige Befriedigung des ausgefallenen Gläubigers, der abgesonderte Befriedigung verlangen kann) oder § 68 K O (Gesamtschuldverhältnis) anzuwenden ist, hat das R G unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten jedoch mit Recht an der rechtlichen Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Vermögen des Alleingesellschafters festgehalten. Dagegen ist etwa die Bewilligung des Armenrechts f ü r eine A G erst dann möglich, wenn die Gesellschaft selbst und die an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten mittellos sind, § 1 1 4 Abs. 5 Z P O ; bei der Einmanngesellschaft sind also auch die Vermögensverhältnisse des Alleinaktionärs in Betracht zu ziehen. Anders f ü r die Rechtslage vor der ZPO-Novelle 1933 O L G Frankfurt/M in J W 1925, 654. Weitere Einzelfälle zum Zivilprozeß- und Konkursrecht der Einmanngesellschaft s. bei Friedländer S. 81 f. 3. Die O r g a n e der A G bleiben die gesetzlich vorgeschriebenen. Der Einzelaktionär kann sich aber selbst zum Mitglied des Aufsichtsrats bestimmen, er kann sich auch vom Aufsichtsrat zum Vorstand bestellen lassen (vgl. K G J 40 A 73). Z u beachten sind aber die Bestimmungen über die Mindestzahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 86) und die Vorschriften über die Beteiligung von Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach § 76 B e t r V e r f G , dem MitbestimmungsG f ü r die Eisen und Stahl erzeugende Industrie und dem MitbestimmungsG f ü r Montan-Holding Gesellschaften. Ist der Alleinaktionär eine natürliche Person und hat die A G weniger als 500 Arbeitnehmer, so ist eine Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht vorgeschrieben, § 76 Abs. 6 B e t r V G . Es gilt weiterhin natürlich § go — Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsr a t — . W i r d dem Alleinaktionär als Vorstand Gehalt bewilligt, darf das Verbot der Rückgewähr von Einlagen (§52) nicht verletzt werden; das Gehalt muß sich also in angemessenen Grenzen halten, die den Verhältnissen der A G entsprechen. In die Lage, sich selbst Vorstandsgehalt zu bewilligen, kann der Alleinaktionär nach den §§ 75 ff. nicht mehr kommen. Das Steuerrecht erkennt gleichfalls, da Gesellschaft und Alleinaktionär getrennte Steuersubjekte sind, die Vorstandsbezüge des Alleinaktionärs als abzugsfähige Betriebsausgaben an ( R F H in StuW 33, Nr. 107). Unangemessen hohe Bezüge sind jedoch als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln, § 6 K S t G mit § ig Ziff. 1 K S t D V O 1955. Als Vorstand kann der Einzelaktionär Geschäfte mit sich selbst nur insoweit machen, als es ihm vom Aufsichtsrat gestattet ist, oder das Geschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht, § 181 B G B ( R G Z 68, 1 7 9 ; 85, 383);

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wie hier Ritter Anm. 7 (b) zu § 203 und § 71 Anm. 24; die gegenteilige Auffassung von Friedländer S. 75 m. w. N. ist abzulehnen; vgl. auch Serick S. 200ff. Liegt eine Gestattung zum Selbstkontrahieren durch den Aufsichtsrat nicht vor, so ist ein gegen § 181 BGB verstoßendes Geschäft des Alleinaktionärs als Vorstand mit sich selbst nicht schlechthin nichtig, sondern schwebend unwirksam (RGZ 119, 116, std. Rspr.), kann also nachträglich durch den Aufsichtsrat genehmigt werden (§ 97 AktG) s. § 71 Anm. 25. Schließlich kann auch der Einzelaktionär als Vorstand einem Dritten Vollmacht erteilen und dann im eigenen Namen durch den Bevollmächtigten mit der Gesellschaft kontrahieren (vgl. R G Z 108, 407). 4. Die Hauptversammlungen müssen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Gewinnverteilung und Entlastung sind in den gesetzlichen Formen zu beschließen (RG 119, 229). Ist der Einzelaktionär Vorstand, kann er sich selbst entlasten, § 181 BGB gilt insoweit nicht (Ritter Anm. 7 (c) zu § 203) und §114 Abs. 5 ist sinngemäß unanwendbar (allgemeine Ansicht). Einer „Feststellung" der Beschlüsse des Einzelaktionärs durch den Versammlungsleiter bedarf es nicht, der Beschluß ist jedoch niederzuschreiben, ordnungsgemäß nach § i n zu beurkunden (RGZ 119, 230) und zum Handelsregister einzureichen. Auch muß der Einzelaktionär sich gegenüber dem Gericht oder Notar als Besitzer aller Aktien legitimieren (KGJ 31 A 164; BayObLG Z 26, 104). 5. Die Vorschriften über die Erhaltung des Grundkapitals (§§ 52, 60), über den Gläubigerschutz bei der Kapitalherabsetzung und Abwicklung (§§ 178, 213), über den Jahresabschluß, dessen Prüfung und Veröffentlichung (§§ i25ff.), über die Notwendigkeit, rechtzeitig Eröffnung des Konkurses oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen (§83 Abs. 2), gelten auch für die Einmanngesellschaft. 6. Das Vermögen der AG wird auf den Einzelaktionär nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen, sondern durch Übertragung der einzelnen Vermögensstücke, also durch Übergabe, Auflassung, Abtretung (KGJ 25 A 129; K G in OLGR 19, 338; BayObLG in J W 1926, 2377). Der Vorgang spielt sich aktienrechtlich in den Formen des §255 ab. Der schuldrechtliche .Verpflichtungsvertrag bedarf der gerichtlichen oder notarischen Beurkundung; er kann, abweichend von § 310 BGB, das künftige Vermögen der AG zum Gegenstand haben (§ 255 Abs. 2, § 235 Abs. 1). Wird aus Anlaß der Übertragung des Gesellschaftsvermögens die Auflösung der AG beschlossen, so findet Abwicklung statt (§ 255 Abs. 3). Eine erleichterte Form der Vermögensübertragung, nämlich durch Gesamtrechtsnachfolge, bot sich nach § 8 des Umwandlungsgesetzes vom 5. 7. 34 (RGBl. I 569) für dessen Dauer, die bis zum 31. 12. 56 verlängert wurde (§ 7 Abs. 1 HBerG vom 18. 4. 50 BGBl. I 90). Jetzt gilt § 15 UmwandlungsG 1956 (BGBl. I 844). 7. Verkauft der E i n z e l a k t i o n ä r seine sämtlichen Aktien an einen andern, so ist es Auslegungsfrage, ob dadurch das Unternehmen als solches mitverkauft ist. Meistens wird das anzunehmen sein, und es finden alsdann auf den Vertrag die Vorschriften über Gewähr für Rechts- und Sachmängel des Unternehmens Anwendung (RG 98, 289; 100, 200; 120, 287; 122, 381; J W 1929, 641 6 , 1374 1 0 ; 1930, 37407; R G in SeuffA 88, 303). Die Übernahme aller Aktien ist für sich allein keine Vermögensübernahme im Sinne des § 419 BGB (RG im „Recht" 1929 Nr. 1218). 8. Eine persönliche Haftung des Einzelaktionärs für die Schulden der AG besteht grundsätzlich nicht (RG in SeuffA 88, 303; § 1 Anm. 8). Das schließt aber nicht aus, daß bei der Höhe einer Aufwertungsschuld der AG die persönlichen Verhältnisse ihres Einzelaktionärs nach Treu und Glauben berücksichtigt wurden (RG 129, 53 für die GmbH, oben Nr. 2; vgl. auch R G bei Gruchot 71, 526). Es schließt ferner nicht aus, daß der Einzelaktionär sich aus unerlaubter Handlung für die AG haftbar machen kann; in Betracht kommt außer § 56 AktG namentlich § 826 BGB. Er kann sich gegenüber der AG auch der Untreue schuldig machen (§§ 84, 294). Es tritt eine persönliche Haftung des Einzelaktionärs für die Schulden der Gesellschaft entgegen der Regel des § 1 ein, wenn die Verwendung der Rechtsfigur der juristischen Person mißbräuchlich ist. Vgl. dazu § 1 Anm. 8 a. Allerdings genügt nicht allein die Feststellung, daß die Verwendung der juristischen Person (objektiv) dem Zweck der Rechtsordnung widerspricht (BGH 22, 231; 20, 14), sondern der Miß95

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Anm. 8 brauchstatbestand muß auch das subjektive Element der Schädigung Dritter oder des Verstoßes gegen die Rechtsordnung enthalten. Uber die eingangs in dieser Ziffer erwähnte Rechtssprechung zum Aufwertungsrecht hinaus sind seit 1948 „Durchgriffs"-Probleme bei Einmanngesellschaften besonders im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung von Forderungen gegen das Deutsche Reich mit Forderungen von Reichsgesellschaften erörtert worden. Der B G H hat unter bestimmten Voraussetzungen die Aufrechnung zugelassen, wenn nämlich die Reichsgesellschaft lediglich eine juristisch verselbstständigte Erscheinungsform des Reiches war, ohne eigene Willensbildung und ohne eigene Vermögensubstanz, es sich also in Wirklichkeit um eine weisungsgebundene Dienststelle des Reiches handelte, so B G H 3, 3 1 6 ; s. ferner B G H 10, 205; 15, 2 7 ; 1 7 , 19 und B G H in N J W 1952, 8 1 7 ; L M Nr. 28 zu § 242 (Cd) B G B ; Nr. 18 zu § 387 B G B ; W M 1956, 635. Diese Rechtsprechung rechtfertigt sich schon aus der außergewöhnlichen Nachkriegssituation, wo einerseits Reichsgesellschaften, die ausschließlich Kriegs- und R ü stungszwecken dienten und nur der Form nach als Gesellschaften des privaten Rechts betrieben wurden, mit erheblichen Forderungen auf den Plan traten, andererseits die Verbindlichkeiten des Reiches nicht bedient werden, von der fehlenden Umstellung in D M abgesehen ( § 1 4 UmstG). Jedoch wäre die zitierte Rechtsprechung außerordentlich bedenklich, wenn sie als Einbruch in den Fundamentalgrundsatz des Korporationsrechts gedeutet würde, der eine strenge Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Gesellschaftervermögen fordert; vgl. insbesondere kritisch zur Aufrechnungs-Rechtsprechung des B G H Lehmann J Z 1952, 289 fr.; Serick S. 12 ff., 49 fr.; Schilling in Hachenburg § 13 Anhang Anm. 5, jeweils mit zahlreichen weiteren Literatur- und Rechtsprechungsnachweisen. Eine Identifizierung von Alleingesellschafter und Gesellschaft läßt sich nur rechtfertigen, wenn im einzelnen Fall sich eine mißbräuchliche, den Zwekken der Rechtsordnung widersprechende Verwendung der juristischen Person ergibt. Dabei kann der Tatbestand eines Mißbrauchs auch gegeben sein, wenn der Einmann den Anschein einer persönlichen Haftung erweckt (dazu R F H 26, 1438). Die Rechtsprechung des B G H zur Aufrechnung gegenüber Kriegsgesellschaften stellt jedoch wesentlich darauf ab, daß eine Reichsgesellschaft, die praktisch ein Funktionsträger des Reiches in privatrechtlichem Gewände war, unredlich und in einer mit T r e u und Glauben nicht zu vereinbarenden Weise handelt, wenn sie einer Aufrechnung ihres Schuldners mit Forderungen an das Reich widerspricht. Damit ist aber der Tatbestand der mißbräuchlichen Verwendung der Rechtsform der Einmanngesellschaft gegeben und ein Durchgriff zulässig und geboten. Eine, wie immer wieder betont werden muß, nur a u s n a h m s w e i s e zulässige Identifizierung des Alleinaktionärs mit der Gesellschaft (s. auch Reinhardt aaO. S. 585) ist, außer wenn der Anschein einer persönlichen Haftung erweckt wird, (das verlangt die Rechtssicherheit — s. Baumbach-Hueck Anh. nach § 15, Anm. 2 ; ferner B G H 5, i n ; 12, 1 0 5 ; 17, 13) auch dort angebracht, wo der Alleingesellschafter sein Vermögen mit dem der Gesellschaft vermischt ( O L G Karlsruhe, D R 1943, 8 1 1 ) . Hierher gehört auch der Fall, daß die Gesellschaft aus einem Wechsel ihres (nicht vertretungsberechtigten) Alleingesellschafters dann verpflichtet wird, wenn sie den Wechsel in ihr Bankbuch einträgt und ihn zur Gutschrift auf ein Gesellschaftskonto der Bank zum Einzug übergibt ( O L G Nürnberg, W M 1955, 1566). Einen Durchgriff verlangen T r e u und Glauben und die Rücksicht auf den redlichen Geschäftsverkehr auch, wenn der Alleingesellschafter einen Versicherungsfall herbeiführt: die Gesellschaft kann dann keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag herleiten (Bruck, Privatversicherungsrecht, S. 653, Anm. 25). Ebenso ist es nicht angängig, daß der ^.lleingesellschafter, u m empfangene Schmiergelder behalten zu können, die er, wenn er sie unmittelbar erlangte, gemäß § 667 B G B an seinen Auftraggeber abführen muß, die Einmanngesellschaft vorschiebt ( R G in D R 1940, 580). Eine Identifizierung von Einmanngesellschaft und Alleingesellschafter ist aber niemals dann gerechtfertigt, wenn sie der Gesellschaft oder dem Gesellschafter aus irgendwelchen Gründen gewünscht erscheint ( R G 169, 248). Wer sich der Rechtsform der juristischen Person bedient, muß sich die rechtliche Trennung des eigenen Vermögens von dem der Gesellschaft gefallen lassen. Allein wenn der Schutz Dritter und des redlichen Geschäftsverkehrs in Frage steht, kann ein 96

i. Teil: Allgemeine Vorschriften (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 15 Anm. 8

sich als Rechtsmißbrauch darstellender Verstoß gegen Treu und Glauben ein Hintansetzen der Rechtsform der juristischen Person gebieten (RG 156, 277). Die „Macht des Lebens" und „die wirtschaftlichen Tatsachen" (RG 129, 50) allein rechtfertigen einen Durchgriff auf den Alleingesellschafter nicht (vgl. auch Reinhardt aaO. S. 586). Auch die Unterordnung der Rechtsform der juristischen Person unter die Zweckbestimmung anderer Rechtsnormen läßt nur in den sog. Normanwendungsfallen (s. dazu Ziff. 2 oben) den Durchgriff als zulässig erscheinen. Eine dem „Zweck der Rechtsordnung" widersprechende Verwendung der Einmanngesellschaft (BGH 22, 231) kann aber dann einen Durchgriff rechtfertigen, wenn die Grundprinzipien der Rechtsordnung, gute Sitten und Treu und Glauben, verletzt werden. Auch die Ausführungen von Reinhard in der Festschrift für Heinrich Lehmann bringen, soweit Identitätsprobleme bei der Einmann-AG in Frage stehen, keine wesentlich neuen Gesichtspunkte. Reinhard stellt, unter Ablehnung der Mißbrauchslehre, auf ein „Leitprinzip des Verkehrs" ( = Grundsatz des rechten Verhältnisses von Eigenkapital und Unternehmerrisiko) ab. Zunächst muß schon gefragt werden, ob dieser angebliche Leitsatz wirklich die Bedeutung eines Bestandteils des odre public unserer Rechtsordnung darstellt, mit der Folge, daß dessen Verletzung einen Durchgriff rechtfertigt. Sicher ist es Voraussetzung einer gesunden Wirtschaftsführung, daß Kapitalbasis und Unternehmenszweck in einer vertretbaren Relation zueinander stehen. Das gilt für Einzelfirmen, Personengesellschaften und juristische Personen gleichermaßen. Diese betriebswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten sind aber gerade nicht Bestandteil der Rechtsordnung; bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit treffen §§ 83, 209 Abs. 2, 297 Vorsorge. Bei der Einmann-Gesellschaft, wie bei jeder anderen A G mit zahlreichen Aktionären, ist aber nun einmal kraft Gesetzes das mit dem Unternehmenszweck verbundene Geschäftsrisiko auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Sollen denn etwa auch bei einer erheblich unterkapitalisierten AG, wenn sie unter Mißbrauch des betriebswirtschaftlich vertretbaren Risikos Geschäfte tätigt, die sich als Fehlschlag erweisen, schon deshalb die Aktionäre in Anspruch genommen werden können? Bei den strengen Publizitätsvorschriften des AktG liegen für jeden, der mit einer A G in Beziehungen tritt die Kapitalverhältnisse offen zutage, auch ein gegebenenfalls offenbares Mißverhältnis zwischen Unternehmenszweck und Eigenkapital; (für eine GmbH gilt das naturgemäß nicht in dieser Form). Auch ist die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Eigenkapital unter dem geltenden Steuerrecht erheblich kostspieliger als Fremdfinanzierung (vgl. dazu Meilicke „Steuerlich günstige Formen der Unternehmensgestaltung" in Steuerberater-Jahrbuch 1956/57 S. 181 ff., wo eingehend die maßgeblichen steuerlichen Gesichtspunkte dargestellt sind). Aus dem Finanzgebaren einer A G allein also auf die Verletzung allgemeiner Ordnungsgrundsätze der Wirtschaft zu schließen, ist auch wieder nur dann möglich, wenn ein betriebswirtschaftlich und kaufmännisch nicht mehr vertretbarer Mißbrauch z u m Z w e c k der Schädigung der Gesellschaftsgläubiger getrieben wird. Auch die Rspr. des BGH zur Aufrechnung gegenüber Reichsgesellschaften, auf die sich Reinhardt beruft, stellt mit Recht nicht auf die Organisations- oder Ordnungsgrundsätze der Wirtschaft ab, sondern im Ergebnis auf die durch die Reichsgesellschaften jeweils hervorgerufene Täuschung des Verkehrs. 9. Auch das Steuerrecht geht, trotz der hier vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise rechtlicher Formen und Gestaltungsmöglichkeiten grundsätzlich von der Trennung der Einmanngesellschaft und des Alleinaktionärs als zweier verschiedener Steuersubjekte aus (vgl. Ziff. 3 oben). Darüber hinaus ist die Einmanngesellschaft auch ausdrücklich in verschiedenen Steuergesetzen erwähnt: auf § 1 Abs. 3 GrErwStG wurde schon hingewiesen, s. ferner § 3 Abs. 1 Ziff. 3 VermStG, § § 7 Abs. 1 Ziff. 2 und 13 Abs. 1 Ziff. 2 KapVerkStG. Steuerumgehungen werden allerdings immer durch § 5 (Scheingeschäfte) und § 6 (Mißbrauch von Rechtsformen) des StAnpG bekämpft werden können. Über Einzelheiten der steuerlichen Behandlung von Einmanngesellschaften mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des R F H und BFH siehe insbesondere bei Bühler, Steuerrecht der Gesellschaften und Konzerne 3. Aufl. S. 171 ff. und Schilling in Hachenburg, § 13 Anhang Anm. 9 f. Bei der größeren Elastizität des Steuerrechts und wegen zahlreicher positiver Regelungen zur Verhütung von Steuerumgehungen (vgl. Anm. 8 a zu § 1) haben „Durchgriffsfalle" in der steuerlichen Praxis bei Einmann7

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§15

Anm. 9 , 1 0

Buch: Aktiengesellschaft

gesellschaften keine erhebliche Rolle gespielt, wenn sich auch Ansätze zeigen ( R F H in RStBl. 1929, 60 und 1934, 740), vgl. Bühler aaO. S. 265fr. insbesondere S. 270fr. Bei der höheren steuerlichen Belastung der Kapitalgesellschaften ist auch fiskalisch gesehen die Einmanngesellschaft in der Regel die ergiebigere Steuerquelle, so daß das Steuerrecht keinen Anlaß hat, sie mit dem hinter ihr stehenden Gesellschafter zu identifizieren (vgl. auch B F H in BStBl. I I I 1953, 128 und 1954, 1 1 4 ) ; typische Umgehungsfalle sind ohnehin in den Steuergesetzen erfaßt.

Anm. 9 VI. Mitbestimmung und Betriebsverfassung. 1. Das H o l d i n g - M i t b e s t G vom 7. 8. 56 (BGBl. I, 707) unterwirft herrschende Unternehmen, auch wenn sie selbst der paritätischen Mitbestimmung f ü r die Eisen und Stahl erzeugende Industrie gemäß G vom 21. 5. 51 (BGBl. I, 347) nicht unterliegen, der Mitbestimmung, wenn der Unternehmenszweck durch Konzernunternehmen im Sinne von § 15 A k t G gekennzeichnet ist, die ihrerseits der Mitbestimmung unterliegen — nämlich wenn die Umsätze dieser Konzernunternehmen mehr als die Hälfte der U m sätze sämtlicher Konzernmitglieder betragen (§3 Abs. 2 des G). Dabei ist der Begriff des Konzernunternehmens nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (§3 Abs. 1) dem § 15 Abs. 1 und 2 A k t G zu entnehmen, er bestimmt sich also nach dem in Anm. 2 bis 5 Gesagten. Auch eine Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen K o n zernmitgliedern kann demnach nicht gemacht werden (Anm. 7). Eine Einbeziehung ausländischer Konzernunternehmen f ü r Zwecke des Holding-MitbestG nur deshalb abzulehnen, weil die nach dem Gesetz ( § 4 ) vorgesehene Prüfung bei einem ausländischen Unternehmen nicht durchgeführt werden kann (so Gessler in B B 1956, 628), ist ein rechtlich nicht verwertbares Argument. Der wirtschaftliche Charakter (Unternehmenszweck) eines Konzerns wird f ü r die betriebswirtschaftliche wie f ü r die juristische Betrachtung durch sämtliche Konzernglieder bestimmt. U n d es ist nicht angängig, wie in Anm. 7 im einzelnen ausgeführt, und würde auch zu praktischen Unzuträglichkeiten führen, wenn durch ausländische Konzernverflechtung der Gesetzeszweck von § 15 A k t G und der auf § 15 verweisenden Vorschriften anderer Gesetze umgangen werden könnte (übereinstimmend K r u g , N J W 5 6 , 1585; Boldt, Die A k t G 1956, 9; Zilias N J W 57, 3 2 5 ; a. A . Forster-Fröhlich, Die Wirtschaftsprüfung 1956, 546f.). 2. Dagegen wird man Arbeitnehmer ausländischer Konzernunternehmen von den Wahlen zum Aufsichtsrat gem. § 76, Abs. 4 B e t r V e r f G ausschließen müssen, da das Gesetz nicht f ü r ausländische Unternehmen gilt (Baumbach-Hueck Anh. § 86 Anm. 5). I m übrigen gilt jedoch auch f ü r das B e t r V e r f G der Konzernbegriff des AktG uneingeschränkt. Liegt also ein Konzerntatbestand, sei es gemäß Absatz 1, sei es gemäß Abs. 2 des § 15 vor, so sind die Arbeitnehmer des oder der beherrschten Unternehmen wahlberechtigt zum Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens, nicht aber umgekehrt (§ 76 Abs. 4 B e t r V e r f G ) ; so h. L . , vgl. Baumbach-Hueck a a O . ; Rasch S. 1 3 3 ; Friedländer S. 69 und sämtliche Erläuterungsbücher zum BetrVerfG, u. a. Galparin Anm. 3 1 zu § 76. Die gegenteilige Auffassung von Froehlich-Wagner in B B 1954, 693 und v. Schenck B B 1953, 1067, die den Konzernbegriff des Abs. 2 f ü r das B e t r V e r f G f ü r unanwendbar halten, ist abzulehnen: der Konzernbegriff des § 15 ist ein einheitlicher.

Anm. 10 VII. Kapitalanlagegesellschaften. Kapitalanlagegesellschaften sind Unternehmen, deren Geschäftsbereich darauf gerichtet ist, bei ihnen eingelegtes Geld in eigenem Namen f ü r Rechnung der Einleger nach dem Grundsatz der Risikomischung in Wertpapieren gegen Ausgabe von Anteilscheinen (Zertifikaten) anzulegen, § 1 des G vom 16. 4. 57 (BGBl. I, 378). Konzernrechtlich gesehen sind es Beteiligungsgesellschaften (vgl. Friedländer S. 68), die unter den Voraussetzungen von § 15 Abs. 2 den Konzerntatbestand verwirklichen (Anm. 4 bis 6) würden, was aber praktisch nicht vorkommen wird, da das Gesetz den Kapitalanlagegesellschaften vorschreibt, ihre Mittel nach dem Grundsatz der Risiko-Mischung anzulegen; der Erwerb von Wertpapieren f ü r das Sondervermögen (nämlich die m i t

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§16

dem eingelegten Geld erworbenen Werte), die von demselben Aussteller herrühren, ist nur bis zu 5 v. H. — ausnahmsweise 7,5 v. H. — des Wertes des Sondervermögens zulässig. Dabei gelten Wertpapiere von Konzernunternehmen im Sinne von § 15 Abs. 1 A k t G als Wertpapiere desselben Ausstellers (§ 7 Abs. 3 des G über Kapitalanlagegesellschaften). Auch für dieses Gesetz ist insoweit der Konzernbegriff also nach § 15 Abs. i zu bestimmen (Anm. 2 und 3). Eine Unterscheidung von inländischen und ausländischen Konzerngliedern ist nicht angängig (Anm. 7 und 9) und würde dem Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen.

Zweiter

Teil

Gründung der Gesellschaft § 1 6

F e s t s t e l l u n g der Satzung (1) Die Satzung muß durch gerichtliche oder notarische Beurkundung festgestellt werden. Bevollmächtigte bedürfen einer gerichtlich oder notarisch beglaubigten Vollmacht. (2) In der Urkunde sind der Nennbetrag, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien anzugeben, die jeder Beteiligte übernimmt. (3) Die Satzung muß bestimmen: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 2. den Gegenstand des Unternehmens; 3. die Höhe des Grundkapitals; 4. die Nennbeträge der einzelnen Aktien und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der einzelnen Aktien; 5. die Art der Zusammensetzung des Vorstands; 6. die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft. Übersicht Anm.

Einleitung I. Beurkundungsform für die Feststellung der Satzung . II. Feststellung der Satzung durch Bevollmächtigte oder gesetzliche Vertreter . . III. Notwendiger Inhalt für die Beurkundung I V . Inhalt der Satzung 1. Allgemeines 2. Die Firma und der Sitz der Gesellschaft . . . 3. Der Gegenstand des Unternehmens . . . . 4. Die Höhe des Grundkapitals 5. Der Nennbetrag der einzelnen Aktien . . . 6. Die Art der Zusammensetzung des Vorstands .

7-8

10 -13 14 15 16

Anm.

7. Die Form der Bekanntmachungen 8. Ergänzende Satzungsbestimmungen . . . .

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V . Die Auslegung der Satzung

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V I . Rechtsfolgen bei Mängeln der Beurkundung 1. Vor der Eintragung . 2. Nach der Eintragung .

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V I I . Der Vorgründungsvertrag 1. Erfordernis der genügenden Bestimmtheit . 22 2. Formerfordernis für den Vorgründungsvertrag . 23—25 3. Wirkungen des Vorgründungsvertrages . . 26 4. Vereinbarungen aus Anlaß der Gründung einer AG 27 V I I I . Kosten der Gründung . .

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§16

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1, 2 Anm. 1 Die Vorschriften betreffen die F e s t s t e l l u n g d e r S a t z u n g (Abs. i und 3) oder, wie es früher hieß, des Gesellschaftsvertrages (vgl. § 2 Anm. 2) und die Ü b e r n a h m e v o n A k t i e n (Abs. 2). Die Feststellung des Gesellschaftsvertrages war durch das Gesetz von 1884 (Art. 209) als notwendig erster Akt der Gründung herausgestellt worden. Die Aktien werden bei der Einheitsgründung in demselben Akte oder in einem zweiten, formell gleichen übernommen, bei der Stufengründung folgen besondere Zeichnungserklärungen in Zeichnungsscheinen. Das Gesetz von 1884 legte Wert darauf, daß keinesfalls Aktien übernommen oder gezeichnet werden, bevor der Gesellschaftsvertrag feststeht. Das Handelsgesetzbuch von 1897 hielt an diesem Grundsatz fest, auch das Aktiengesetz ist ihm gefolgt.

Anm. 2 I. Beurkundungsform für die Feststellung der Satzung (Abs. 1). Nach § 182 Abs. 1 H G B war der Gesellschaftsvertrag in gerichtlicher oder notarieller „ V e r h a n d l u n g " festzustellen. Da sich dieser Ausdruck nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch findet, so waren Zweifel entstanden, was darunter zu verstehen sei. Das Aktiengesetz hat diesen Zweifeln ein Ende gemacht, indem es g e r i c h t l i c h e o d e r n o t a r i s c h e „ B e u r k u n d u n g " vorgeschrieben hat. Das stimmt mit § 128 B G B überein; nur ist „notarisch" statt „notariell" gesagt. Die Gründer, welche die Satzung feststellen wollen, müssen also ihre Erklärungen vor einer f ü r Beurkundungen zuständigen Gerichtsperson (Richter oder Rechtspfleger, Art. V I § 2 Ges. vom 1 1 . März 1 9 2 1 , R G B l . S. 229) oder vor einem Notar gemäß den §§ 167 fr. R F G G abgeben. Wird Übereinstimmung erzielt, so ist das Ergebnis zu beurkunden. Anders wird auch wohl bisher niemals verfahren worden sein. Nicht aber kann daraus, daß § 128 B G B bei der Beurkundung eines Vertrags die getrennte Beurkundung des Antrags und der Annahme gestattet, entnommen werden, ein Teil der Gründer könne seine Erklärungen zur Feststellung der Satzung vor einer Urkundsperson als eine Art von Angebot, ein anderer Teil der Gründer sie vor einer andern Urkundsperson als eine Art von Annahme abgeben. Für das Handelsgesetzbuch war das von manchen (vgl. Brodmann § 182 Anm. 4) daraus gefolgert worden, daß es im Anschluß an das Gesetz von 1884 von einem „Gesellschaftsvertrag" sprach (oben Anm. 1). Aber die Feststellung des Gesellschaftsvertrages war schon nach diesen Gesetzen, wenn auch ein Vertragselement hineinspielt, nicht die Beurkundung eines Vertragsschlusses ( § 2 Anm. 2), sie bedeutete schon damals die Feststellung des Grundgesetzes der zu errichtenden Körperschaft. Dadurch, daß das Aktiengesetz den Gesellschaftsvertrag „ S a t z u n g " nennt (§ 2) wird das — d i e Verfasser des Gesetzes mögen es nun gewollt haben oder nicht (§ 1 Anm. 3) — vollends klargestellt. Die Feststellung der Satzung ist kein Vorgang, der sich in Antrag und Annahme zerlegen ließe, sondern er ist b e g r i f f s n o t w e n d i g e i n h e i t l i c h . Eine entsprechende Anwendung des § 128 B G B erscheint insoweit nicht möglich. Diese Vorschrift beruht wie auch die Vorschrift des § 152 B G B auf der Erwägung, daß sich der Antragende bei einer solchen Sukzessivbeurkundung mit der Beurkundung der Annahme begnügt und auf eine Erklärung der Annahme ihm gegenüber verzichtet. Die Möglichkeit eines solchen Verzichts wird man bei dem strengen Formalakt der Feststellung einer Satzung nicht bejahen können und damit die Notwendigkeit einer einheitlichen und gleichzeitigen Feststellung der Satzung annehmen müssen (Bing bei Düringer-Hachenburg § 182 Anm. 4 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9; a. M . außer Brodmann auch SchlegelbergerQuassowski Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; f ü r die gleichliegende Frage im G m b H R e c h t ebenfalls a. M . Feine-EhrenbHdb. I I S. 1 7 3 ; Scholz § 2 A n m . 1 5 ; Hachenburg-Schilling § 2 Anm. 1). Hinzu kommt, daß auch ein praktisches Bedürfnis für eine Feststellung der Satzung in getrennten notarischen Verhandlungen nicht anerkannt werden kann, da die am Erscheinen verhinderten Gründer sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen, j a sogar einen Gründer unter Befreiung von der Vorschrift des § 181 B G B bevollmächtigen können, sie alle zu vertreten (§ 2 Anm. 14). K a n n die Satzung nicht in einer einzigen Verhandlung festgestellt werden, so läßt sich die Verhandlung selbstverständlich zu einer anderen Zeit mit denselben Personen fortsetzen; der Gesamtvorgang ist zu beurkunden.

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 16 Anm. 3—6

Anm. 3 Es ist nicht erforderlich, daß der Wortlaut der Satzung (Abs. 3) und der sonst abzugebenden Erklärungen (Abs. 2) erst in der Verhandlung vor der Gerichtsperson oder vor dem Notar festgestellt wird. Alles das kann in einer v o r h e r a n g e f e r t i g t e n S c h r i f t niedergelegt werden, die bei der Verhandlung überreicht und dem Protokoll als Anlage beigefügt wird. Die Erschienenen haben dann in ihren Erklärungen auf die Schrift Bezug zu nehmen, sie bildet einen Teil des Protokolls (§176 Abs. 2 R F G G ) . Anm. 4 Der L a n d e s g e s e t z g e b u n g war bisher überlassen, entweder nur die Gerichte oder nur die Notare für zuständig zu erklären (Art. 141 EinfG z. BGB, § 189 RFGG). Soweit nur die Notare für zuständig erklärt worden sind, gilt es auch für das AktGes. (§77 Abs. 1 u. 2 der Reichsnotarordnung, vgl. oben § 14 Anm. 3). Anm. 5 Die Beurkundung kann, abgesehen von Anm. 4, von irgendeinem deutschen Amtsgericht oder von irgendeinem deutschen Notar vorgenommen werden. Der Sitz der künftigen A G spielt dabei keine Rolle (§14 Anm. 3). Auch ein ausländischer Notar kann die Beurkundung nach den Formen seines Landes vornehmen (RG 88, 231 oben), jedoch muß die Urkunde alsdann nach dem Gesetz vom 1. Mai 1878 (RGBl. S. 89) legalisiert sein. In einzelnen Fällen ist die Legalisation ausländischer öffentlicher Urkunden durch Staatsverträge für nicht erforderlich erklärt (vgl. Überblick bei Keidel Komm. F G G 6. Aufl. Vorbem. 3 von § 167). Anm. 6 II. Feststellung der Satzung durch Bevollmächtigte oder gesetzliche Vertreter. Das bisherige Recht enthielt für die Vollmacht bei der Feststellung des Gesellschaftsvertrages keine Formvorschrift. Die herrschende Meinung hatte daher den § 167 Abs. 2 BGB angewandt, wonach die Erteilung der Vollmacht nicht der Form bedarf, die für das vorzunehmende Rechtsgeschäft bestimmt ist. Dagegen verlangt das GmbHG in § 2 Abs. 2 gerichtliche oder notarielle Beglaubigung. Diese Vorschrift hat das Aktiengesetz übernommen; damit gelten die zu § 2 Abs. 2 GmbHG entwickelten Rechtsgrundsätze auch für das Aktienrecht. Der Zweck dieser Formvorschrift besteht ausschließlich darin, Zweifel an der Legitimation des Bevollmächtigten auszuschließen und damit die dem Registerrichter obliegende Prüfung vor Eintragung der Gesellschaft zu erleichtern (vgl. K G O L G E 3, 259). Diesem Zweck ist genügt, wenn der Bevollmächtigte bei der formgerechten Feststellung der Satzung nur eine formlose Vollmacht hat, jedoch eine gerichtlich oder notarisch beglaubigte Vollmacht nachreicht (hersch. Ansicht, auch für das GmbHRecht; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Darüber hinaus muß man es auch für ausreichend erachten, wenn der Vertreter im Zeitpunkt der Feststellung der Satzung noch keine Vollmacht hatte, seine Erklärungen jedoch später von dem Vertretenen in formgerechter Weise genehmigt werden (ebenfalls herrsch. Ansicht, auch für das GmbHRecht; a. M. die Vorauf!, und v. Godin-Wilhelmi a. a. O.). Denn die Genehmigung nach § 177 BGB macht die bis dahin schwebend unwirksamen Erklärungen des Vertreters ohne Vertretungsmacht wirksam, wie wenn der Vertreter von vornherein mit Vertretungsbefugnis gehandelt hätte. Die Einheitlichkeit des Rechtsakts (das Prinzip der Einheitsgründung, vgl. Anm. 2) wird dadurch nicht berührt (a. M. freilich v. GodinWilhelmi a. a. O.). Auch wird auf diese Weise der Zweck der Formvorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 nicht in Frage gestellt; er wird gewahrt, wenn nur die Genehmigung gerichtlich oder notarisch beglaubigt ist. Eine Anwendung des § 182 Abs. 2 BGB, wonach die Genehmigung keiner Form bedarf, ist insoweit nicht möglich, weil eine solche Anwendung dem Grundgedanken des § 16 Abs. 1 Satz 2 widersprechen würde, nämlich Zweifel an der Legitimation des Vertreters hervorrufen könnte (a. M. Ritter Anm. 3; wie hier für den Fall der Genehmigung nach § 108 BGB Feine EhrenbHdb. III.

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§16

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7, 8 3 S. 174 Fußnote 3 1 ) . Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens ( § 1 8 1 B G B ) ist auch hier zulässig. I m Zweifel wird in einer besonderen Vollmacht an einen Mitgründer auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis eine stillschweigende Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens zu erblicken sein (ebenso Düringer-Hachenburg § 182 Anm. 1 9 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Eine Genehmigung des Selbstkontrahierens ist möglich, sie bedarf jedoch wie die Genehmigung nach § 1 7 7 B G B der gerichtlichen oder notarischen Beglaubigung. Nicht erforderlich ist eine S p e z i a l v o l l m a c h t , es kann auch eine Generalvollmacht ausreichend sein. Bei ihr ist es lediglich eine Frage der Auslegung, ob sie im Einzelfall auch die Feststellung der Satzung einer A G umfaßt. Eine gewöhnliche Handlungsvollmacht (§ 54 H G B ) enthält diese Befugnis nicht, dagegen jedoch die P r o k u r a (herrsch. Ansicht; a. M . Brodmann § 182 Anm. 3 h mit verfehlter Begründung). Nach überwiegender Ansicht benötigt der Prokurist nicht eine gerichtlich oder notarisch beglaubigte Vollmacht, sondern es genügt die Vorlage eines Registerauszuges (a. M . Ritter § 2 Anm. 3 b). Dem ist beizutreten, allerdings nicht, weil es sich bei der Prokura um eine „gesetzliche Vollmacht" handelt (so Scholz G m b H G § 2 Anm. 18), sondern deshalb, weil dem Legitimationszweck des § 16 Abs. 1 Satz 2, nämlich dem zweifelsfreien Nachweis von dem Vorliegen einer Prokura, durch Vorlage eines Registerauszuges Genüge getan ist; denn eine Beschränkung der Prokura, die die Feststellung der Satzung einer A G ausschließen würde, ist nicht zulässig. Auf g e s e t z l i c h e V e r t r e t e r findet die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 keine Anwendung. Solche Vertreter müssen jedoch ihre Vertretungsbefugnis durch Registerauszug (Vorstandsmitglieder einer A G , G m b H usw.; vertretungsberechtigte Gesellschafter einer O H G oder K G ) oder durch Bestallungsurkunde (Vormund, Pfleger) nachweisen. Entsprechendes gilt f ü r die gesetzlichen Vertreter öffentlicher Korporationen ( K G O L G E 3, 259). In diesen Fällen ist das Verbot des Selbstkontrahierens zu beachten.

Anm. 7 III. Notwendiger Inhalt für die Beurkundung. Abs. 2 bestimmt den Inhalt, den die Urkunde außer der Feststellung der Satzung zu enthalten hat. E r betrifft die A k t i e n , die von den bei der Feststellung der Satzung beteiligten Gründern ( § § 2 , 2 1 ) selbst ü b e r n o m m e n werden. Doch kann das nach § 22 Abs. 2 auch später geschehen und muß dann besonders beurkundet werden. I m einzelnen sind anzugeben: 1. der N e n n b e t r a g der Aktien, den jeder Beteiligte übernimmt (§8), 2. der A u s g a b e b e t r a g (§9). In § 1 8 2 H G B war nur von dem „ B e t r a g " der Aktien die R e d e ; es wurde jedoch schon damals im Anschluß an die Stufengründung (§ 189 H G B ) angenommen, daß damit der Nennbetrag und der Ausgabebetrag gemeint war. Jetzt ist es klargestellt. Werden die Aktien zum Nennbetrag ausgegeben, so ist auch das anzugeben. 3. Sollen m e h r e r e G a t t u n g e n von Aktien ausgegeben werden, so ist auch die Gattung anzugeben, die jeder Beteiligte übernimmt. Was unter Aktien verschiedener Gattung zu verstehen ist, ergibt sich aus § 1 1 ; es sind nur Aktien mit Verschiedenheit der Berechtigung oder Verpflichtung.

Anm. 8 Von den mindestens fünf Gründern muß jeder mindestens eine Aktie über-

n e h m e n , und zwar ebenso, wie es f ü r die Aktienzeichnung bei der Stufengründung vorgeschrieben ist, unbedingt und unbeschränkt ( § 2 Anm. 7). Die Übernahmeerklärung im Protokoll genügt, ein Zeichnungsschein braucht nicht ausgestellt zu werden ( § 2 Anm. 7). Über die Unschädlichkeit der Mitwirkung überflüssiger Personen, die keine Aktien übernehmen, s. § 2 Anm. 6.

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

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Anm. 9—11 Anm. 9 IV. Inhalt der Satzung. 1. A l l g e m e i n e s : Abs. 3 bestimmt die Erfordernisse des Inhalts der Satzung im wesentlichen übereinstimmend mit dem bisherigen Recht ( § 1 8 2 H G B ) . Weggefallen ist die Bestimmung über die Bestellung des Vorstandes (Anm. 16) und die Angabe der „ F o r m , in der die Berufung der Generalversammlung der Aktionäre geschieht". Diese Angabe ist in der Satzung nicht mehr nötig, weil nach § 105 Abs. 2 die Einberufung der Hauptversammlung in allen Gesellschaftsblättern (§ 18) zu veröffentlichen ist. Hiernach bleibt das Folgende in der Satzung zu bestimmen.

A n m . 10 2. D i e F i r m a u n d d e r S i t z d e r G e s e l l s c h a f t : Hierzu kann auf die Anmerkungen zu den §§ 4 und 5 verwiesen werden.

Anm. 11 3. D e r G e g e n s t a n d d e s U n t e r n e h m e n s : Darunter ist der Inhalt der von der A G zu betreibenden Tätigkeit zu verstehen, nicht dagegen der Zweck der juristischen Person (Rud. Fischer EhrenbHdb. I I I 1 S. 89), der gemäß § 33 B G B nur mit Z u stimmung aller Mitglieder geändert werden darf. Einer Erörterung bedarf die Frage, inwieweit dieser Inhalt bestimmt sein muß, und ob eine allgemeine Bezeichnung genügt. Da das Gesetz die Angabe des Gegenstandes f ü r notwendig erklärt (§§ 16, 2 i 6 f . ) , auch eine Änderung des Gegenstandes nur mit einer Mehrheit zuläßt, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt und durch die Satzung zwar erhöht, aber nicht vermindert werden kann ( § 1 4 6 Abs. 1), so kommt offensichtlich nach der Auffassung des Gesetzgebers der Bestimmung des Gegenstandes eine Bedeutung zu, der farblose Angaben nicht genügen können (vgl. K G J 34 A 149). Das wird heute im Schrifttum auch überwiegend angenommen (Brodmann § 182 Anm. 1 0 b ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 2 ; Baumbach-Hueck Anm. 4 C ; J . v. Gierke Handelsrecht § 4 1 I I 1 C ; Scholz § 3 Anm. 5 ; zu weitherzig HachenburgSchilling § 3 Anm. 9; ähnlich auch Ritter Anm. 5 c ; Teichmann-Koehler Anm. 3 b ) . Abgesehen davon, daß staatliche Genehmigung erforderlich sein kann, sollen die Aktionäre wissen, womit die A G , der sie Einlagen zur Verfügung stellen, sich befaßt, damit sie die Verwaltungsträger wegen Überschreitung der Grenzen nötigenfalls verantwortlich machen können. Außenstehende bedürfen freilich solches Schutzes kaum, denn ihnen gegenüber haftet die A G für die Handlungen des Vorstandes, auch wenn dieser die ihm gezogenen Grenzen nicht innehält (§ 74 Abs. 2, vgl. jedoch R G 145, 3 1 5 ) . I n der Praxis ist bisher hierin vielfach zu nachsichtig verfahren worden. Bezeichnungen wie „Betrieb von Handel und Industrie" oder „Betrieb von Handelsgeschäften aller A r t " (dahingestellt gelassen vom O L G Karlsruhe Ring 2, 2 5 1 ) sind zu vieldeutig, als daß sie genügen könnten. Darum braucht die Bezeichnung noch nicht eng umgrenzt zu sein; es gilt hier, eine dem Schutz der Aktionäre angemessene Grenze zu finden. Auch ist es zulässig, mehrere Geschäftsarten zu betreiben; nur muß dies aus der Bezeichnung hervorgehen. Darum sind für zulässig zu erachten: „ F a b r i kation von Maschinen aller A r t " , „Kohlenhandel en gros" (vgl. R G Holdheim 26, 1 5 2 ) , „Betrieb von Bank- und Börsengeschäften". Zweifelhafter ist es schon mit dem Zusatz „ u n d verwandte Geschäfte"; indessen wird darin noch die erforderliche Bestimmbarkeit gefunden werden können. „ H a n d e l mit Waren aller A r t " ist vom O L G Dresden ( O L G E 36, 286) zugelassen worden und ist jedenfalls f ü r Warenhäuser genügend bestimmt. Das Kammergericht ( K G J 52, 95) hat den Zusatz „ u n d Vertrieb von anderen Gebrauchsgegenständen" zugelassen, aber nur, wenn er nach den besonderen Umständen genügend bestimmt erscheine; in der Regel wird er zu unbestimmt sein. Der Zusatz „Betrieb anderer kaufmännischer Geschäfte" (zugelassen f ü r G m b H R G 62, 96) ist zu unbestimmt, ebenso der Zusatz „Beteiligung an anderen Unternehmungen"; es müßte wenigstens heißen: „Beteiligung an Unternehmungen gleicher oder verwandter A r t " . Wenn jener Zusatz dennoch in zahlreichen Fällen zugelassen worden ist (Düringer-Hachenburg-Bing § 182 Anm. 5 1 ) , so beweist das nur, daß die Praxis den Zweck

103

§16

Anm. 12—15

I. Buch: Aktiengesellschaft

der Vorschrift nicht genügend beachtet hat. Gerechtfertigt war es, daß das O L G Dresden ( O L G E 38, 1 8 1 ) den Zusatz „sowie den Betrieb von Fabrikations- und kaufmännischen Geschäften jeder Art, die unter § i 2 H G B fallen", nicht zugelassen hat; nur hätte die Ablehnung mit der Unbestimmtheit der Bezeichnung begründet werden sollen, nicht damit, daß die A G — eine Brauerei — an eine derartige Ausdehnung ihres Unternehmens nicht denke. Denn der Registerrichter kann nicht prüfen, was f ü r die Zukunft beabsichtigt wird. Sehr weit ist das Reichsgericht (Holdheim 25, 90) in einem Fall gegangen, wo der Gegenstand des Unternehmens nicht ausdrücklich in der Satzung angegeben worden war, aber durch Auslegung aus der Firma entnommen werden konnte (vgl. dagegen K G O L G E 19, 320). Nach § 9 V e r s A u f f G „soll" eine Versicherungs-AktG die einzelnen Versicherungszweige in der Satzung angeben (vgl. § 28 E G ) .

Anm. 12 Darüber, daß der G e g e n s t a n d n i c h t w i r t s c h a f t l i c h e r A r t z u s e i n b r a u c h t , s. § i Anm. 3, § 3 Anm. 2. Gesetzlich zulässig muß er selbstverständlich sein, andernfalls wäre die Bestimmung des Gegenstandes nichtig ( K G O L G E 24, 133). Damit wäre die A G selbst nichtig (§ 2 1 6 ) , doch wäre die Nichtigkeit heilbar, indem im Wege der Satzungsänderung ein erlaubter Gegenstand bestimmt würde ( § 2 1 7 ) .

Anm. 13 Unter einer V o r r a t s - , M a n t e l - o d e r F a s s o n g r ü n d u n g versteht man die Gründung einer A G , bei welcher der angegebene Gegenstand des Unternehmens gar nicht verwirklicht werden soll. Die Gründung soll die Hülle f ü r ein künftiges Unternehmen bilden, bei dem dann nur die Satzung geändert und die Erfüllung der Gründungsvorschriften erspart wird. Das geschah vielfach zur Vermeidung künftiger Steuererhöhungen. Eine solche, auf Täuschung berechnete Scheingründung ist von der Eintragung zurückzuweisen ( K G Ring 1 , 202; H R R 1933, 8 3 3 ; dahingestellt gelassen vom R G J W 1934, 2 7 3 ) .

Anm. 14 4. Die H ö h e des G r u n d k a p i t a l s : Die Satzung muß die Höhe des Grundkapitals angeben. Es ist begrifflich gleich der Summe der Nennbeträge aller Aktien (§ 1 Anm. 5, 6), muß aber zahlenmäßig angegeben werden ( K G J 37 A 148). Über die Mindesthöhe s. § 7. Werden Aktien über ihren Nennbetrag ausgegeben (§ 9 Abs. 2, § 16 Abs. 2), so wird dadurch nicht das Grundkapital erhöht, der Überschuß gehört in die gesetzliche Rücklage (§ 130 Abs. 2 Nr. 2). Zulässig ist nach dem Aktiengesetz, bei der Gründung ein g e n e h m i g t e s (autorisiertes) K a p i t a l festzusetzen mit der Wirkung, daß zunächst nur ein Teil der Aktien ausgegeben werden soll, der andere (genehmigte, autorisierte) Teil erst später im Bedarfsfall. Nur der alsbald auszugebende Teil bildet das Grundkapital im Sinne des § 16 und muß die Mindesthöhe des § 7 erreichen. Bisher war das genehmigte K a p i t a l nicht zugelassen. Das Aktiengesetz läßt es als Mittel der Kapitalbeschaffung in der Form zu, daß die Satzung den Vorstand f ü r höchstens 5 J a h r e nach Eintragung der A G ermächtigen kann, das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen. Die Ermächtigung kann auch nach der Eintragung der A G durch Satzungsänderung erteilt werden. Das Nähere regeln die §§ 169 bis 1 7 3 . Zulässig ist ferner die Bestimmung, daß auf eine Serie von Aktien vorläufig nur der gesetzliche Mindestbetrag einzuzahlen ist, auf andere Serien ein höherer Betrag. Die Höhe des Grundkapitals wird dadurch nicht berührt.

Anm. 15 5. D e r N e n n b e t r a g d e r einzelnen A k t e n : Ferner sind die Nennbeträge der einzelnen Aktien (§ 8) und, wenn mehrere Gattungen bestehen (§ 1 1 ) , die Gattung der einzelnen Aktien zahlenmäßig anzugeben. Darüber, daß die Nennbeträge verschieden sein können, sofern nur der Mindestnennbetrag eingehalten wird, s. § 8 Anm. 4. Unter Gattungen von Aktien sind durchweg Aktien mit verschiedener Berechtigung oder

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 16 Anm. 16—18

Verpflichtung zu verstehen. Dahin gehört die in Anm. 14 genannte Verschiedenheit der Einzahlungspflicht (§11 Anm. 9). Ob einige Aktien auf den Namen, andere auf den Inhaber lauten, würde, weil dadurch keine Gattungsverschiedenheit begründet wird (§ 11 Anm. 9), nicht anzugeben sein, wenn nicht § 17 Abs. 1 vorschriebe, daß alle Aktien mangels anderer Satzungsbestimmung als Namensaktien auszustellen sind.

Anm. 16 6. Die A r t der Zusammensetzung des V o r s t a n d e s : Sie ist in der Satzung zu bestimmen. In § 182 HGB wurde auch eine Bestimmung über die Art der Bestellung des Vorstandes gefordert. Dies ist gestrichen, weil das Aktiengesetz die Bestellung des Vorstandes dem Aufsichtsrat überträgt, und zwar sowohl für die Bestellung des ersten Vorstands (§ 23 Abs. 2) als auch für spätere Bestellungen (§ 75). Das ist zwingend vorgeschrieben. Zu bestimmen bleibt die Art der Zusammensetzung des Vorstands, also die Festsetzung, ob er aus einer Person oder aus mehreren bestehen soll (§ 71). Soll er aus mehreren Personen bestehen, so kann die nähere Bestimmung der Zahl dem Aufsichtsrat übertragen werden, wie sie früher der Generalversammlung oder dem Aufsichtsrat übertragen werden konnte (KGJ 10, 37); nach dem Aktiengesetz hat die Hauptversammlung damit nichts mehr zu tun. Wird eine bestimmte Zahl in der Satzung festgesetzt, so kann das nur im Wege der Satzungsänderung geändert werden. Über die Vertretungsbefugnis der Mitglieder eines mehrgliedrigen Vorstands braucht in der Satzung nur dann etwas bestimmt zu werden, wenn von der Regel des § 71 abgewichen werden soll. Darüber, ob der Vorstand aus Aktionären oder aus anderen Personen, ob er aus Inländern bestehen, besoldet sein soll oder nicht, braucht ebenfalls nichts bestimmt zu werden. Es ist nicht einmal unzweifelhaft, ob darüber etwas bestimmt werden kann, da das Aktiengesetz die Bestellung dem Aufsichtsrat überläßt. Indessen kann nicht angenommen werden, daß das Gesetz dem Aufsichtsrat hierin ein unbeschränkbare Befugnis hat einräumen wollen; er kann in der Auswahl der zu bestellenden Personen und in der Vereinbarung der Anstellungsbedingungen satzungsmäßig beschränkt werden (so auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 23; v. Godin-Wilhelmi Anm. 19; W. Schmidt, Umgestaltung der Satzungen, S. 192). Vgl. § 75 Anm. 7. Über die A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r braucht die Satzung nichts zu enthalten. Wahl und Abberufung sind durch die §§ 23, 30 Abs. 4, 87ff. geregelt, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats durch § 86. Satzungsbestimmungen sind nur in beschränktem Umfang zugelassen.

Anm. 17 7. Die F o r m der Bekanntmachungen: Die Satzung muß endlich die Form der Bekanntmachungen der A G bestimmen. Darunter ist zu verstehen, ob die Bekanntmachungen durch die Gesellschaftsblätter (§ 18), durch eingeschriebenen Brief od. dgl. geschehen sollen. Die Bekanntmachung durch öffentliche Blätter ist allgemein üblich. Soweit das Gesetz keine Vorschriften trifft, hat die Satzung freie Hand, muß aber eine Bestimmung treffen. Andere Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen, insbesondere über die Art, wie sie zu unterzeichnen sind, kann die Satzung enthalten, muß es aber nicht. Die Unterzeichnung „Der Vorstand" ohne Angabe der Namen genügt, wenn nichts anderes bestimmt ist (Bolze 5 Nr. 755).

Anm. 18 8. Ergänzende Satzungsbestimmungen: Neben den notwendigen Satzungsbestimmungen sind auch solche ergänzender Art zulässig, und zwar nicht nur solche, die das Gesetz ausdrücklich gestattet (RG 65, 91), sondern überhaupt solche, die mit den gesetzlichen Bestimmungen verträglich sind (RG 120, 180). Beispiele der ersten Art finden sich in zahlreichen Fällen, so u. a. in den §§ 17, 18, 50, 70 Abs. 2 Satz 2, 71 Abs. 2 u. 3, 113, 146 Abs. 1. Beispiele der zweiten Art sind oben in Anm. 16 und 17 genannt. Ist über die Dauer der AG in der Satzung nichts bestimmt, so gilt sie als auf unbestimmte Zeit errichtet (§ 203).

105

§16 A n m . 19

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 19 V. Die A u s l e g u n g der Satzung, Das Reichsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Auslegung der Satzung einer AG in ihren körperschaftsrechtlichen Bestimmungen der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (RG 164, 140; 165, 73; 170, 366; ebenso O G H 3, 93; BGH 9, 281; 14, 36; 15, 328). Diese Auffassung wird durch die Erwägung bestimmt, daß die Auslegung der Satzung einer AG nicht von der Ermittlung der subjektiven Vorstellungen der Beteiligten im Wege einer tatsächlichen Feststellung und einer konkreten Beweiswürdigung abhängig ist, sondern daß für sie — ähnlich wie bei den Normenverträgen — Grundsätze maßgeblich sind, die f ü r die Auslegung von Gesetzen gelten (so auch Ritter Anm. 8 und Vorauf!.). Dieser entscheidende Unterschied zu der Auslegung eines individuellen Vertrages, die ihrerseits im wesentlichen stets eine Tatfrage ist, ist dadurch bedingt, daß sich die Satzung einer AG an einen unbestimmten Personenkreis wendet, daß bei ihr also die Allgemeinheit als Erklärungsempfanger zu betrachten ist und daß demgemäß die Auslegung der Satzung nach objektiven, f ü r die Allgemeinheit voll übersehbaren Gesichtspunkten vorgenommen werden muß. Deshalb muß die Satzung grundsätzlich aus sich heraus ausgelegt werden, und zwar so, daß stets eine einheitliche Auslegung der Satzung gewährleistet ist (RG J W 1939, 354; BGH Urt. v. 11. 7. 55 — II Z R 96/54), und des weiteren dürfen bei der Auslegung für die Allgemeinheit nicht erkennbare Gedanken und Absichten der Gründer nicht verwertet werden (RG 159, 326). Umstände, die nicht aus der Satzung ersichtlich sind, können bei der Auslegung nur Berücksichtigung finden, soweit sie auch für die Allgemeinheit zugänglich und erkennbar sind, wie etwa Gründererklärungen, die dem Registergericht als Anlagen eingereicht sind (RG 127, 193). Solche Umstände sind als Auslegungsbehelfe ähnlich wie die Materialien eines Gesetzes zu dessen Auslegung verwertbar. Andererseits müssen mündliche Nebenabreden, die in der Satzung keinen Ausdruck gefunden haben und auch sonst f ü r die Allgemeinheit nicht ersichtlich sind, unberücksichtigt bleiben (RG J W 1939, 354; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Unbedenklich ist es auch, die Satzung bei der Möglichkeit einer mehrfachen Deutung in dem Sinn auszulegen, daß die Gültigkeit der betreffenden Satzungsbestimmung bejaht werden kann (RG 165, 78; J W 1939, 354; kritisch Bartholomeyczik D R 1941, 337). Denn so wie jede Gesetzesanwendung die in Betracht kommende Bestimmung nach ihrem billigen und vernünftigen Sinn auszulegen hat, so ist auch hier ein solches Ergebnis bei mehrfacher Deutung nur zu erreichen, wenn die Auslegung zur Gültigkeit der fraglichen Satzungsbestimmung gelangt. Das Reichsgericht hat die Auslegung einer Satzung stets unter Anwendung der §§ I33> !57 BGB vorgenommen (RG 140, 360; 159, 326; 165, 73). Das ist mißverständlich, wenn man damit die Möglichkeit bejaht, auch hier wie bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen die subjektiven Vorstellungen und Erwägungen der Gründer als Erkenntnisquelle f ü r die Auslegung heranzuziehen. Damit würde man dem besonderen Charakter der Satzung nicht gerecht werden (vgl. dazu Ritter Anm. 8). Andererseits ist gegen die Anwendung des § 133 BGB nichts einzuwenden, wenn damit zum Ausdruck gebracht wird, daß f ü r die Auslegung nicht der Wortlaut, sondern der Sinnzusammenhang entscheidend ist, so wie auch f ü r die Auslegung von Gesetzen letzten Endes nicht der Wortlaut, sondern der Zweck und Sinn des Gesetzes entscheidend ist (vgl. R G 142, 40; BGH 2, 184; 17, 276; 18, 49). Die Notwendigkeit einer solchen Einschränkung bei der Heranziehung der Auslegungsgrundsätze des § 133 BGB muß man sich bewußt sein (ähnlich v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; Scholz § 3 Anm. 27). Das Reichsgericht hat abweichend von den vorstehenden Ausführungen bei der Auslegung zweifelhafter Satzungsbestimmungen vielfach auch solche Umstände verwertet, die nicht aus dem Gesellschaftsvertrag, dem Handelsregister oder den Registerakten ersichtlich sind (RG 79, 422; 159, 326; 165, 7 3 ; J W 1939, 354). Das ist bedenklich, soweit es sich um die körperschaftsrechtlichen Bestimmungen der Satzung handelt. Vertretbar erscheint das nur, wenn die Satzung — was freilich bei der AktG nur im Ausnahmefall, bei der G m b H immerhin häufiger vorkommen wird — auch noch

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 16

Anm. 20, 21

Bestimmungen enthält, die eine Regelung bestimmter Rechtsbeziehungen eines oder bestimmter Gesellschafter zur Gesellschaft zum Gegenstand haben. Diese Bestimmungen sind dann nicht körperschaftsrechtlicher, sondern rein individueller Axt. Für sie können dann unter Umständen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 1 3 3 , 157 B G B voll zur Anwendung kommen; sie unterliegen dann aber auch nicht der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht ( B G H Lind.-Möhr. Nr. 25 zu § 549 Z P O ) .

Anm. 20 VI. Rechtsfolgen bei Mängeln der Beurkundung, 1. V o r d e r E i n t r a g u n g : E n t s p r i c h t d i e B e u r k u n d u n g n i c h t d e n E r f o r d e r n i s s e n des Abs. 1, oder enthält die Urkunde nicht alle nach Abs. 2 und 3 erforderlichen Angaben, so hat der Registerrichter die E i n t r a g u n g a b z u l e h n e n . Die Mängel müssen dann unter Aufnahme einer neuen Urkunde behoben werden. Dabei ist eine Bezugnahme auf die erste Urkunde, wenn diese wenigstens formgerecht war, nicht ausgeschlossen, so daß nicht alles wiederholt zu werden braucht. Beide Urkunden bilden dann zusammen die dem Registergericht einzureichende Gründungsurkunde. In derselben Form können auch vor der Eintragung noch freiwillig Änderungen vereinbart werden, z. B. Erhöhung des Grundkapitals, Ersetzung von Bareinlagen durch Sacheinlagen und umgekehrt, aber n u r m i t E i n s t i m m i g k e i t ( R G L Z 1 9 1 8 , 8 5 6 2 2 ; „ R e c h t " 1 9 1 0 Nr. 3695; K G O L G E 43, 293).

Anm. 21 2. N a c h d e r E i n t r a g u n g : Ist die A G trotz Verletzung des § 16 eingetragen worden, so bestimmen sich die Folgen nach den § § 2 1 6 bis 218. Die früher streitig gewesene Frage, ob § 3 0 9 H G B die Nichtigkeitsgründe erschöpfend aufzähle, ist f ü r § 2 1 6 bej a h e n d beantwortet. Welche von den daselbst aufgeführten Nichtigkeitsgründen durch Satzungsänderung heilbar sind, bestimmt, wiederum erschöpfend, § 2 1 7 . Danach ist die Rechtslage folgende:

Fehlt es an der formgerechten Beurkundung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 überhaupt

oder ist — was eher vorkommen kann — ein Beurkundungsfehler unterlaufen, der die Urkunde nichtig macht, so wollen Schlegelberger-Qjuassowski ( § 1 6 Anm. 4, § 2 1 6 Anm. 3), obwohl dieser Nichtigkeitsgrund in § 2 1 6 nicht genannt ist, Nichtigkeit der A G annehmen. Sie folgern so: § 2 1 6 erklärt die A G zwar nur dann f ü r nichtig, wenn die Satzung nicht die nach § 16 Abs. 3 wesentlichen Bestimmungen enthält, oder wenn eine dieser Bestimmungen nichtig ist. Ist nun die ganze Urkunde nichtig, so sind es auch diese wesentlichen Bestimmungen, also ist die A G nichtig. Sie nennen das „mittelb a r e " Nichtigkeit und könnten sich f ü r diesen Gedankengang auf die Entscheidungen R G 54, 4 1 8 ; 1 1 4 , 80 berufen. Diese f ü r § 309 H G B allenfalls mögliche Gesetzesauslegung ist aber nach der Fassung des § 2 1 6 nicht mehr möglich. Daß ein bei der Feststellung der Satzung unterlaufener Beurkundungsmangel nur unwesentliche Satzungsbestimmungen betreffe und sich nicht auch auf die wesentlichen erstrecke, ist ein kaum denkbarer Fall. Wenn daher Verstöße gegen Abs. 1 des § 16 ebenfalls die Nichtigkeit der A G hätten begründen sollen, so hätte auch Abs. 1 und nicht nur Abs. 3 in § 2 1 6 angeführt werden müssen. Da in § 2 1 6 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich gesagt ist, daß die Nichtigkeitsklage auf andere als die aufgeführten Gründe nicht gestützt werden könne, so scheiden Verstöße gegen § 16 Abs. 1 aus. Ist die A G trotz eines solchen Verstoßes eingetragen worden, so ist die Nichtigkeit geheilt (ebenso Baumbach-Hueck Anm. 1 G, § 2 1 6 Anm. 8; Danielcik § 2 1 6 Anm. 2 ; Ritter Anm. 2 ; a. M . v. Godin-Wilhelmi § 2 1 6 Anm. I I 2 f ü r den seltenen Fall, daß eine formgerechte Beurkundung überhaupt nicht vorliegt). Es fehlt hierin bei Schlegelberger-Qjuassowski aber auch an der Folgerichtigkeit. Was f ü r Satz 1 des § 16 Abs. 1 gilt, muß doch auch f ü r Satz 2 gelten. Beide Vorschriften

sind zwingend (Anm. 2 a. a. O. zu § 16). Hat es an d e r vorgeschriebenen F o r m d e r

V o l l m a c h t gefehlt, so sind die wesentlichen Satzungsbestimmungen des Abs. 3 nicht weniger nichtig als bei einem Beurkundungsmangel. Dennoch wird in Anm. 8 a. a. O.

107

§16

Anm. 22, 23

I. Buch: Aktiengesellschaft

zu § 16 angenommen, daß die Eintragung den Mangel der Form der Vollmacht heile. W a r u m dieser Unterschied gemacht wird, ist nicht einzusehen. Richtig ist, daß a u c h dieser Mangel durch die Eintragung geheilt wird, denn auch er ist in § 2 1 6 nicht aufgeführt. Ist ein V e r t r e t e r o h n e V e r t r e t u n g s m a c h t aufgetreten, vielleicht mit gefälschter Vollmacht, und ist auch keine Genehmigung erteilt worden, so kann zwar der Vertretene nicht als Gründer behandelt werden, wohl aber in entsprechender Anwendung des § 179 B G B nach der Eintragung der A G der falsus procurator. E r haftet f ü r die Erfüllung der übernommenen Pflichten; eine Beschränkung der Haftung auf das negative Interesse nach § 179 Abs. 2 B G B oder ein Wegfall der Haftung nach § 179 Abs. 3 B G B kommt nach aktienrechtlichen Grundsätzen ( § 2 Anm. 4 a ) nicht in Frage (a. M . hinsichtlich der Awendung des § 179 Abs. 2 und 3 B G B f ü r das Recht der G m b H Hachenburg-Schilling § 2 Anm. 2 1 ; Scholz § 2 Anm. 2 1 ; Feine EhrenbHdb. I I I 3 S. 2 1 2 , die in diesem Fall den Geschäftsanteil ins Leere fallen lassen). Vgl. auch § 2 1 6 Anm. 3.

VII. Der Vor gründungs vertrag. Uber den Vorgründungsvertrag enthält das Aktiengesetz nichts, wie auch das H G B darüber nichts enthielt. Es gelten hierbei dieselben Regeln wie bei Vorverträgen überhaupt.

Anm. 22 1. Erfordernis der genügenden Bestimmtheit.

Wie jeder Vorvertrag, so muß auch der Vorgründungsvertrag, um eine Verpflichtung zum Abschluß des Hauptvertrags begründen zu können, so bestimmte Vereinbarungen enthalten, daß das etwa noch Fehlende vom Gericht durch Auslegung ergänzt werden kann ( R G 66, 1 2 1 ; 106, 1 7 7 ; ' 5 6 . 1 3 8 ; J W 1908, 349 3 9 ; 1917. 2 9 1 1 2 ; 1926, 28978; L Z 1 9 1 2 , 5 4 2 " ; S e u f f A 92 Nr. 1 3 8 ; B G H Lind.-Möhr. § 705 B G B Nr. 3). Es ist also nicht notwendig, daß der Vorgründungsvertrag unter allen Umständen die gleiche Vollständigkeit aufweist, die nach den gesetzlichen Bestimmungen f ü r den vorgesehenen Errichtungsakt bei Gründung der A G zu verlangen ist. Es genügt daher, wenn der Vorvertrag und die gesamten Umstände des Einzelfalls einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, um etwa noch fehlende Bestimmungen unter Berücksichtigung des vermutlichen Parteiwillens nach § 287 Z P O zu ergänzen ( R G S e u f f A 92 Nr. 138). Es kann daher in dem Vorgründungsvertrag noch die Festlegung der Firma offen geblieben sein ( B G H Lind.Möhr. Nr. 3 zu § 705 B G B ) , j a sogar die Höhe des Grundkapitals oder des Nennbetrags der Aktien müssen noch nicht endgültig bestimmt sein, wenn sie nur bestimmbar sind, z. B. nach der Bilanz des einzubringenden Unternehmens bestimmbar sind ( R G 156, 138). Letzteres wird häufig vorkommen, wenn in dem Gesellschaftsvertrag einer Personalhandelsgesellschaft f ü r bestimmte Fälle die Umwandlung in eine A G vorgesehen ist; hier werden dann auch Sitz und Gegenstand des Unternehmens aus den gesamten Umständen bestimmbar sein. Es ist auch denkbar, daß die Beteiligten vorsehen, daß die Festsetzung der noch offen gebliebenen Punkte durch Mehrheitsbeschluß der Gesellschaftsgründer erfolgen soll.

Anm. 23 2. Formerfordernis für den Vorgründungsvertrag. Der Vorgründungsvertrag

bedarf zu seiner Wirksamkeit derselben Form, die f ü r die Errichtung der A G vorgeschrieben ist. Das ergibt sich zwar nicht daraus, daß jeder Vorvertrag zu seiner Rechtswirksamkeit ganz allgemein die Einhaltung der f ü r den Hauptvertrag vorgesehenen Form erfordert (so R G 43, 1 3 9 ; 106, 1 7 6 ; ähnlich auch noch R G 169, 189). Denn einen solchen ausnahmslosen Rechtssatz gibt es nicht. Vielmehr hängt es immer von Inhalt und Zweck der Formvorschrift ab, ob dieser sich auch auf einen Vorvertrag zu dem formbedürftigen Hauptvertrag erstreckt. So hat das Reichsgericht die Formvorschrift des § 566 B G B nicht auf einen Vorvertrag angewendet, weil diese nach ihrem Inhalt und Zweck nur dem Interesse des Grundstückserwerbers dient und daher nur f ü r den Hauptvertrag sinnvoll ist ( R G 8 6 , 3 2 ; 104, 31 ; J W 1 9 3 8 , 1 2 4 7 ; ebenso B G H L i n d . Möhr. § 566 B G B Nr. 1). Aus der gleichen Erwägung hat das Reichsgericht die Formvor-

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 16

A n m , 24

Schrift des §873 Abs. 2 B G B nur auf den dinglichen Vertrag, nicht aber auch auf den obligatorischen Vorvertrag bezogen ( R G SeufifA 58 Nr. 9). M i t dem Reichsgericht wird man aber davon ausgehen müssen, daß Inhalt und Zweck der Formvorschrift, die f ü r den Gründungsvertrag einer A G vorgeschrieben ist, einerseits den Beteiligten die Bedeutsamkeit der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen zum Bewußtsein bringen und andererseits die Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses f ü r Dritte erkennbar machen sollen ( R G 66,120). Die Formvorschrift besitzt also u. a. eine Schutzfunktion f ü r die Gesellschaftsgründer. Dieser Zweck der Formvorschrift würde umgangen werden, wenn sich die Gesellschaftsgründer formlos wirksam zur Errichtung einer A G verpflichten könnten. Daher muß nach Inhalt und Zweck der Formvorschrift ein formloser Vorgründungsvertrag als unwirksam erachtet werden (vgl. dazu näher R o b . Fischer G m b H R d s c h . 1954, 129). Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts ( R G 43, 1 3 6 ; 66, 1 2 0 ; 106, 1 7 6 ; 130, 75; 149, 395; 156, 1 3 8 ; L Z 1920, 484; J W 1929, 645; Recht 1929 Nr. 258) und der herrschenden Ansicht im Schrifttum (Rud. Fischer EhrenbHdb. I I I 1 S. 1 1 9 und Anm. J W 1924, 170; Brodmann § 182 Anm. 6 b ; Düringer-Hachenburg § 182 Anm. 2 3 ; Geiler bei Staudinger Anhang nach §§ 705fr. Anm. 8 1 ; SchlegelbergerQuassowski Anm. 3 3 ; Teichmann-Koehler Anm. 7 b ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 Baumbach-Hueck Anm. 6; f ü r die gleichliegende Frage bei der G m b H ebenso Scholz § 2 Anm. 1 4 ; Vogel § 2 Anm. 5). Die erwägenswerten Argumente, die im Schrifttum gegen diese Auffassung vorgebracht worden sind (Ritter § 2 Anm. 5 ; Bing A n m . J W 1929, 645; Schreiber, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1925 S. 8 1 ; HachenburgSchilling § 2 Anm. 2 2 ; Feine EhrenbHdb. I I I 3 S. 188), können demgegenüber nicht durchgreifen. Der von diesen Schriftstellern angeführte Vergleich zu der Möglichkeit, sich formlos zur Begründung einer Wechselverbindlichkeit zu verpflichten, ist nicht beweiskräftig. Diese Möglichkeit folgt, wie auch bei anderen Skripturverpflichtungen, ohne weiteres aus Inhalt und Zweck der Formvorschrift f ü r die Begründung einer Wechselverbindlichkeit. Diese hat die Aufgabe, einen umlauffahigen Rechtsträger f ü r die im Wechsel verbriefte Forderung zu schaffen. Inhalt und Zweck dieser Formvorschrift beschränken sich also auf die Wechselverbindlichkeit und erstrecken sich nicht auf den obligatorischen Vorvertrag. Auch der namentlich von HachenburgSchilling a. a. O. herangezogene Vergleich zwischen einem formbedürftigen dinglichen Vertrag und einem grundsätzlich formfreien obligatorischen Vorvertrag erscheint nicht durchschlagend. Denn bei der Frage nach der Formbedürftigkeit eines Vertrages kommt es stets entscheidend darauf an, ob sich der formfreie Abschluß eines Vertrages mit Inhalt und Zweck der jeweils in Betracht kommenden Formvorschrift vereinbaren läßt. Ohne eine Beurteilung von Inhalt und Zweck der Formvorschrift des § 16 Abs. 1 läßt sich daher f ü r die Frage nach der Formbedürftigkeit eines Vorvertrages nichts sagen. Wesentlich erscheint daher nur das Argument von Schreiber a. a. O., daß nämlich das Formerfordernis f ü r den' Gründungsakt nicht deshalb aufgestellt worden sei, um Unerfahrene vor Unbesonnenheiten zu bewahren, sondern daß der Zweck dieser Formvorschrift lediglich in der Publizitätswirkung und in dem Z w a n g zur Einholung juristischen Rats bei der Formulierung und genauen Festlegung des Errichtungsakts bestehe. Jedoch läßt eine nähere Beurteilung dieser Auffassung erkennen, daß die Funktion der Formvorschrift auch den Schutz der Gesellschaftsgründer mitumfaßt. Denn die Publizitätswirkung und der Zwang zur Einholung juristischen Rats kann nicht auf einen Schutz der Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger beschränkt werden, wenn man nicht den engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Interessen der Gesellschaft und den Interessen der Gesellschaftsgründer im Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft außer acht läßt. Dient aber die Formvorschrift zugleich dem Schutz der Gesellschaftsgründer, so ist damit der Gegenmeinung die rechtlich allein mögliche Grundlage entzogen. Zur Zulässigkeit formloser Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftsgründern aus Anlaß der Errichtung einer A G vgl. Anm. 27. A n m . 24 Verlangt man aber schon f ü r den bindenden Vorgründungsvertrag die gerichtliche oder notarische Beurkundung, dann läßt sich allerdings nicht, wie es das Reichsgericht J W 1929, 645 1 0 angenommen hat, in formlosen Abreden zum Zweck der Gründung

109

§16

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 2 5 , 2 6 einer G m b H (oder A G ) die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts finden und auf die Verletzung von Gesellschafterpflichten ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gründen (vgl. auch Bing Anm. 24 1929, 645; Hachenburg-Schilling §2 Anm. 14 a. E . ; Rob. Fischer GmbHRdsch. 1954, 129fr.). Eine Gesellschaft, dann aber doch wohl nur eine offene Handelsgesellschaft (§ 22 Anm. 3 b) könnte zwar angenommen werden, wenn schon vor der Gründung ein Geschäftsbetrieb beabsichtigt und die Gründung selbst erst f ü r später in Aussicht genommen ist. H a t aber die Vereinbarung nur die Gründung zum Zweck, so ist sie wegen Formmangels nichtig und kann nur Schadensersatzansprüche aus Verschulden beim Vertragsschluß oder aus unerlaubter Handlung (§ 826 B G B ) erzeugen; § 826 B G B hätte in jenem vom Reichsgericht entschiedenen Fall unbedenklich zu einer befriedigenden Lösung geführt.

Anm. 25

Verpflichtet sich im Vorgründungsvertrage einer der Gründer, ein G r u n d s t ü c k in die A G einzubringen, so bedarf diese Verpflichtung schon nach § 3 1 3 B G B der gerichtlichen oder notarischen Beurkundung, ganz abgesehen von den Erörterungen in Anm. 23 (vgl. R G Gruchot 7 1 , 527).

Anm. 26 3. W i r k u n g e n des V o r g r ü n d u n g s v e r t r a g e s : Ist ein rechtswirksamer V o r g r ü n d u n g s v e r t r a g geschlossen worden, so besteht zwischen den Gründern bis zur Entstehung der A G eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Zweck einer solchen V o r g r ü n d u n g s g e s e l l s c h a f t beschränkt sich auf die Errichtung der vorgesehenen A G und begründet zwischen den Beteiligten die Verpflichtung, bei den f ü r die Gründung der A G notwendigen Handlungen mitzuwirken. Mit der Entstehung der A G findet diese Gesellschaft ihr Ende (§ 726 B G B ) , sie ist also nicht mit der später gegründeten Gesellschaft identisch; sie ist insoweit von einer Gründergesellschaft zu unterscheiden, deren Zweck nicht nur die Errichtung der beabsichtigten Kapitalgesellschaft ist, sondern die auch schon vor der formgerechten Entstehung der Kapitalgesellschaft Geschäfte in dem vorgesehenen Geschäftszweig aufnimmt (zu diesem Unterschied vgl. Geiler bei Staudinger Anhang nach §§ 705fr. B G B Anm. 81/82; ebenso Hachenburg-Schilling § 2 Anm. 1 6 ; Feine EhrenbHdb. I I I 3 S. 190). Wie bei jedem Vorvertrag begründet auch die Vorgründungsgesellschaft f ü r die Beteiligten nur die Verpflichtung zum Abschluß des beabsichtigten Vertrages, hier also die V e r p f l i c h t u n g z u r f o r m g e r e c h t e n E r r i c h t u n g d e r v o r g e s e h e n e n A G und zur Mitwirkung bei allen Handlungen, die hierfür erforderlich sind. Insoweit hat jeder Gesellschaftsgründer einen klagbaren Anspruch gegen seinen Mitgesellschafter. Inwieweit dieser Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung zu realisieren ist, ist Frage des Einzelfalls. Es kommt dabei nicht nur die Vorschrift des § 894 Z P O , sondern auch die Vorschrift des § 888 Z P O in Betracht, nämlich j e nachdem ob es sich bei der einzelnen Mitwirkungshandlung nur um die Abgabe einer Willenserklärung oder darüber hinaus auch um die Vornahme einer unvertretbaren Handlung handelt (vgl. dazu Stein-Jonas-Schönke K o m m . Z P O § 894 zu Fußnote 24 und 33). Die weitergehende Auffassung von Schreiber (Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1925 S. 81 f.), der die Gründungserklärungen bei der Errichtung einer Korporation in jedem Fall dem Anwendungsbereich des § 894 Z P O entzieht, erscheint nach dem geltenden Recht nicht vertretbar. Bei der Anwendung der §§ 705 fr. B G B ist stets der besondere Zweck der Vorgründungsgesellschaft zu beachten. Daraus folgt f ü r die Kündigung, daß sie zwar aus wichtigem Grund zulässig ist, dagegen im allgemeinen nicht ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, da eine Vorgründungsgesellschaft nicht als eine Gesellschaft f ü r unbestimmte Zeit (§ 723 Abs. 1 Satz 1 B G B ) betrachtet werden kann. Erweist sich die Durchführung der beabsichtigten Gründung als unmöglich, dann bedarf es keiner Kündigung; die Gesellschaft endigt nach § 726 B G B . Beim Tode eines Gesellschaftsgründers ist es Frage der Auslegung, ob dadurch die Vorgründungsgesellschaft gemäß § 727 B G B aufgelöst wird; angesichts des reinen Kapitalcharakters der A G wird eine abweichende Vereinbarung häufig dem Willen der Gesellschaftsgründer entsprechen ( O L G Bamberg L Z 1 9 1 0 , 872; Schlegelberger-Quassowski Anm. 24). Für die G m b H

110

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 16 A n m . 2 7 , 2 8 §17 wollen Hachenburg-Schilling § 2 Anm. 16 allerdings im allgemeinen an der Auslegungsregel des § 727 BGB festhalten; das mag bei dieser Gesellschaftsform zutreffend sein, für die AG ist das aber in der Regel nicht angebracht. Da auch auf eine bürgerlichrechtliche Gesellschaft die Grundsätze der faktischen Gesellschaft Anwendung finden (RG DR 1943, 801; vgl. auch BGH 13, 320), kann auch hier im Einzelfall die Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung ausgeschlossen sein; in diesem Fall tritt dann aber im allgemeinen an die Stelle des Anfechtungsrechts das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund (BGH 3, 285). A n m . 27 4. Vereinbarungen aus Anlaß der Gründung einer AG: Zu unterscheiden von Vorgründungsvertrag sind Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftsgründern, die nicht den Abschluß des Gründungsvertrages zum Gegenstand haben, diesen Abschluß vielmehr voraussetzen und für diesen Fall ihre Beziehungen zueinander regeln (RG 130, 75). Diese Vereinbarungen sind formlos w i r k s a m , nach ihrem Inhalt können sie eine Umgehung der Formvorschrift für die Gründung der AG nicht darstellen. Als Vereinbarung dieser Art kann eine Wettbewerbsvereinbarung zwischen den Gesellschaftsgründern in Betracht kommen (RG J W 1936, 2676). Es ist auch denkbar, daß die Gesellschaftsgründer eine solche Vereinbarung zugunsten der zu errichtenden AG abschließen, so daß diese nach ihrer Entstehung daraus unmittelbare Ansprüche gegen die einzelnen Gesellschaftsgründer erwirbt. Eine solche Vereinbarung ist freilich nur dann formlos wirksam, wenn durch sie keine g e s e l l s c h a f t s r e c h t l i c h e n N e b e n v e r p f l i c h t u n g e n geschaffen werden, es sich bei der AG also nicht um eine sog. Nebenleistungs-AG (§ 50) handelt; denn die Begründung solcher Nebenleistungspflichten muß in der Satzung der AG Aufnahme finden, sie unterliegt also ihrerseits der Formvorschrift des § 16, so daß eine formlose Vereinbarung insoweit eine Umgehung dieser Formvorschrift darstellen würde (RG 112, 283; J W 1930, 2676; Rob. Fischer GmbHRdsch. 1954, 132). Anderer Art ist auch der sog. B e g e b u n g s - o d e r K o n s o r t i a l v e r t r a g . Dieser, meist mit Banken geschlossene Vertrag bezweckt die Unterbringung von Aktien n a c h der Entstehung der AG. Die Bank, welche künftig Aktien zu übernehmen verspricht, will sich also an der Gründung selbst nicht beteiligen. Dieser Vertrag ist begrifflich von dem Vorgründungsvertrag klar unterschieden, im Einzelfall wird jedoch die Abgrenzung von dem Vorgründungsvertrag schwierig sein, weil beide Verträge ohne scharfe Grenze ineinander übergehen können (Brodmann § 182 Anm. 6 c). Ein solcher Vertrag ist ebenfalls keiner Form bedürftig. A n m . 28 VIII. Die Kosten der Gründung. Diese tragen nach feststehender Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, wenn nicht anderes vereinbart ist, die Gründer im Innenverhältnis zur AG, so daß sie durch Übernahme der Kosten nichts Besonderes leisten (RFH 2, 90; 7, 12; 8, 86; 11, 196; 12 > 339! J W 1926, 398). Die AG kann in der Satzung die Kosten übernehmen (§ 19 Abs. 2). Steuerschuldnerin ist, ohne daß dieses Innenverhältnis dadurch berührt wird (a. M. insoweit v. Godin-Wilhelmi § 19 Anm. 4), nach § 10 des Kapitalverkehrssteuergesetzes vom 16. 10. 34 (RGBl. I 1058) die AG. Für die Kapitalverkehrsteuer haftet der erste Erwerber der Aktie, bei Besteuerung späterer Leistungen der Aktionäre derjenige, der die Leistung bewirkt. Dem Notar haften die Gründer für die Kosten persönlich (LG Bochum J W 1926, 624). § 1 7 Inhaber- und Namensaktien (1) Wenn die Satzung nichts anderes b e s t i m m t , so sind die Aktien a l s Namensaktien auszustellen. (2) Die Satzung kann b e s t i m m e n , daß auf Verlangen eines Aktionärs seine Namensaktie in eine Inhaberaktie oder seine Inhaberaktie in eine Namensaktie umzuwandeln ist.

111

§17 Anm. 1—4

I. Buch: Aktiengesellschaft Übersicht Anm.

Einleitung 1,2 I. Aktien sind im Zweifel Namensaktien 3, 4 I I . Die Umwandlung von Aktienarten

Anm.

i. Das Verlangen des Aktionärs auf Umwandlung • 2. Die Umwandlung durch Satzungsänderung

5,6 7

Anm. 1 Die Vorschriften des § 1 7 entsprechen denen des § 183 H G B . Das Gesetz von 1884 enthielt diese Vorschriften noch nicht. Nach Art. 209 mußte der Gesellschaftsvertrag die Art der Aktien, ob Inhaber- oder Namensaktien, oder bei Ausgabe beider die Zahl der Aktien jeder Art bestimmen, und nach Art. 209 a bedurften der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag Bestimmungen, nach denen die Art umgewandelt werden konnte. Das wurde dahin ausgelegt, daß die Umwandlung in jedem Fall eine Satzungsänderung sei. Das H G B hat das in § 183 geändert und beweglicher gestaltet, das Aktiengesetz folgt ihm darin.

Anm. 2 Namens- und Inhaberaktien sind, wenn mit ihnen keine Verschiedenheit der Rechte verbunden ist, keine Aktiengattungen ( § 1 1 Anm. 9), sondern tragen nur den weniger bedeutenden Unterschied der Aktienart an sich.

Anm. 3 I. Die Aktien sind im Zweifel Namensaktien. Die Satzung braucht nichts darüber zu bestimmen, w e l c h e v o n b e i d e n A r t e n ausgegeben werden soll. Bestimmt sie nichts darüber, so sind die Aktien auf den Namen zu stellen. Dies entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen in Deutschland, wo die Inhaberaktie heute bei weitem das Ubergewicht hat. Namensaktien sind im allgemeinen nur dort üblich, wo die Aktie eine Daueranlage sein soll, wie etwa in Familien-Aktiengesellschaften und in Forschungs-Aktiengesellschaften, sodann nach zwingender Vorschrift auch dort, wo die Übertragung der Aktie an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist ( § 6 1 I I I ) , also namentlich bei den Nebenleistungs-Aktiengesellschaften. Es hätte daher näher gelegen, beim Schweigen der Satzung die Ausgabe von Inhaberaktien vorzuschreiben. Nach dem Zusammenbruch ist von den Besatzungsmächten im Zusammenhang mit der Entflechtung vielfach die Ausgabe von Namensaktien vorgeschrieben worden, um die Durchführung der Entflechtung besser übersehen zu können (dazu kritisch Herold N J W 1952, 8 1 ) . In der Zwischenzeit sind diese Aktien jedoch weitgehend wieder in Inhaberaktien umgewandelt worden, ein weiteres Zeichen dafür, wie stark die Inhaberaktie in Deutschland eingebürgert ist (vgl. dazu Ziganke W M 1954, 2 2 ff. sowie die Denkschrift der Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigungen f ü r Wertpapierbesitz zur Reform des Aktienrechts S. 42 fr.). Die Satzung kann auch bestimmen, daß ein gewisser Teil der Aktien auf den Inhaber zu stellen sei. Die übrigen sind dann, mag es ausdrücklich gesagt sein oder nicht, auf den Namen zu stellen. Die Satzung kann auch dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat das Recht einräumen, nach seinem Ermessen zu bestimmen, ob Inhaber- oder Namensaktien, oder ob beide Arten und in welchem Verhältnis sie ausgegeben werden sollen. Ohne solche Ermächtigung durch die Satzung würden aber die Verwaltungsträger nicht befugt sein, eine derartige Wahl zu treffen.

Anm. 4 Werden g e s e t z - o d e r s a t z u n g s w i d r i g Inhaberaktien statt Namensaktien ausgegeben oder umgekehrt, so hat das nicht die Folge der Nichtigkeit (ebenso Brodmann § 183 Anm. 5 a ; Schlegelberger- Quassowski Anm. 2 ; Baumbach-Hueck Anm. 1 ; Teichmann-Koehler Anm. § 17). Die gegenteilige Auffassung, die solche Aktien f ü r nichtig ansieht oder ihnen jedenfalls die Legitimationskraft als Wertpapier versagt

112

a. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 17 A n m . 5—7

(so Flechtheim bei Düringer-Hachenburg §183 Anm. 2; Ritter Anm. 1; v. GodinWilhelmi Anm. 2), berücksichtigt nicht in dem erforderlichen Umfang die Verkehrssicherheit, die einen Schutz durch Anerkennung solcher Aktien verlangt. Die von v. Godin-Wilhelmi a. a. O. hervorgehobene „Folgerichtigkeit" der von ihnen vertretenen Auffassung vermag demgegenüber kein entscheidendes Gericht zu erlangen. Für eine solche gesetz- oder satzungswidrige Aktienausgabe muß der Vertrauensschutz auf Grund des durch die Ausgabe der Aktien begründeten Rechtsscheins durchgreifen. Für eine solche gesetz- oder satzungswidrige Ausgabe von Inhaberaktien ist keine Strafe angedroht, es sei denn, daß zugleich § 1 o Abs. 2 verletzt ist. Der Vorstand und der Aufsichtsrat würden sich dadurch aber nach den §§ 84, 99 schadensersatzpflichtig machen. Anm. 5 II. Die Umwandlung von Aktienarten. 1. D a s Verlangen des Aktionärs auf U m w a n d l u n g : Die Satzung, auch eine Satzungsänderung, kann den A k t i o n ä r e n das R e c h t e i n r ä u m e n , die Umwandlung der einen Aktienart in die andere für die Aktien jedes einzelnen zu v e r l a n g e n . Das Recht kann auch mit Beschränkungen eingeräumt werden (Schlegelberger- Quassowski Anm. 3). Ohne solche Satzungsbestimmung würde der einzelne Aktionär dieses Recht nicht haben. Das Recht, die Umwandlung selbst vorzunehmen, kann den Aktionären nicht eingeräumt werden. Wird auf Grund jener Satzungsbestimmung die Umwandlung verlangt, so ist deren Vornahme eine reine Verwaltungshandlung des Vorstandes, keine Satzungsänderung, wie nach dem ehemaligen Art. 209a angenommen wurde (Anm. 1). Die Kosten trägt der Aktionär. Anm. 6 Nicht zulässig wäre eine Satzungsbestimmung, wonach der Nennwert verändert, etwa für fünf Aktien zu 1000 DM eine Aktie zu 5000 DM eingetauscht werden könnte. Da der Nennbetrag der einzelnen Aktien nach § 16 Abs. 3 Nr. 4 in der Satzung bestimmt sein muß, so würde ein solcher Umtausch eine Satzungsänderung voraussetzen. Ebensowenig könnte eine A k t i e n g a t t u n g ohne Satzungsänderung verändert werden (§§ 1 1 , 16 Abs. 3 Nr. 4), hier wäre außerdem § 146 Abs. 2 zu beachten. Anm. 7 2. Die Umwandlung durch S a t z u n g s ä n d e r u n g : Eine Satzungsänderung, durch die alle Aktien aus Inhaber- in Namensaktien umgewandelt werden oder umgekehrt, ist zulässig. Ein Sonderrecht der Aktionäre kommt dabei nicht in Frage, sondern nur ein allgemeines Mitgliedrecht, für dessen Unantastbarkeit nichts entscheidend spricht (§ 1 Anm. 17; Stuttgart OLGE 43, 298). Ein Sonderrecht könnte nur dann in Frage kommen, wenn ein Teil der Aktionäre Namensaktien, ein anderer Inhaberaktien hat, sei es durch Erwerb, sei es durch Umwandlung nach Abs. 2. Allein auch in diesem Fall wird man kein Sonderrecht anzunehmen haben. Das Gesetz sieht in dem Unterschied zwischen Namens- und Inhaberaktien, sofern sie gleiche Rechte gewähren, keine Gattungsverschiedenheit (Anm. 2), § 146 Abs. 2 wäre also nicht anwendbar. Daß wegen des weniger bedeutenden Artunterschieds jeder einzelne von der Umwandlung betroffene Aktionär seine Zustimmung geben müßte, erscheint nicht annehmbar. Gegen eine solche Zwangsumwandlung werden im Schrifttum Bedenken geltend gemacht (Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III. 1 S. 1 5 1 ; Brodmann § 183 Anm. 3; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Teichmann-Koehler Anm. zu § 17; Möhring-Schwarz Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht 1938 S. 29). Diese Bedenken stützen sich im wesentlichen darauf, daß jedenfalls bei einer Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien eine Beschränkung in der Verkehrsfähigkeit der Aktien eintrete und daß es sich hierbei um eine vergleichbare Beschränkung wie bei der Bindung der Namensaktie im Fall des § 61 Abs. 3 handele, die ebenfalls der Zustimmung der betroffenen Aktionäre bedürfe. Der Hinweis auf § 61 Abs. 3 ist nicht beweiskräftig, da es sich bei dem Zustimmungserfordernis des § 61 Abs. 3 um einen sehr viel weitergehenden Eingriff in das 8

Aktiengesetz, 2. Aufl.

113

§18

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1,2 Mitgliedschaftsrecht handelt. Der Fehler der Gegenmeinung besteht darin, daß es insoweit kein unantastbares allgemeines Mitgliedschaftsrecht gibt; nur dieses vermöchte das Erfordernis der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre zu rechtfertigen. Auch der häufig erhobene Einwand, daß die A G kein Mittel habe, bei einer Zwangsumwandlung die Einreichung der Aktien zu erzwingen, kann angesichts des § 67 nicht durchdringen. Die daselbst zugelassene Kraftloserklärung von Aktienurkunden setzt nicht mehr voraus, als daß deren Inhalt „durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse" unrichtig geworden ist. Das ist ein weitgefaßter Ausdruck, unter den sich unbedenklich auch die Fälle bringen lassen, daß die Inhaberaktie, die ein Aktionär in Händen hat, durch Satzungsänderung zur Namensaktie geworden ist und umgekehrt (so auch Herbig DJ 1935, 114; v. Godin-Wilhelmi § 67 Anm. II 1; Baumbach-Hueck § 67 Anm. 2). — Bei der Zwangsumwandlung von Aktien muß aber in jedem Fall der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre gewahrt werden. Der Umwandlungsbeschluß muß sich daher auf alle Aktien oder wenigstens auf alle Aktien einer bestimmten Gattung beziehen; tut er das nicht, dann muß für eine solche Umwandlung die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre verlangt werden (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 183 Anm. 3; Ritter Anm. 3).

§ 1 8 Bekanntmachungen der Gesellschaft Bestimmt das Gesetz oder die Satzung, daß eine Bekanntmachung der Gesellschaft durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, so ist sie in den Deutschen Reichsanzeiger einzurücken. Daneben kann die Satzung andere Blätter als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Anm. 1 Die Vorschrift entspricht dem bisherigen Recht (§182 Abs. 3 HGB). Das Aktiengesetz sagt nur deutlicher als bisher, daß sie eingreift, wenn das Gesetz oder die Satzung bestimmt, daß eine Bekanntmachung durch die „Gesellschaftsblätter" erfolgen soll; dieser Ausdruck ist an die Stelle des Ausdrucks „öffentliche Blätter" getreten. Handelt es sich um Bekanntmachungen, für die weder das Gesetz noch die Satzung Veröffentlichung durch die Gesellschaftsblätter vorschreibt, z. B. um Bekanntmachungen, zu denen sich die A G in Anleihebedingungen oder bei der Ausgabe von Genußscheinen verpflichtet hat, oder die ihr durch die Zulassungsstelle der Börse auferlegt sind, so ist § 18 nicht anwendbar; die Blätter können alsdann anders bestimmt werden.

Anm. 2 Die Vorschrift besagt, daß eine Bekanntmachung, die nach Gesetz oder Satzung durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, in jedem Fall durch den Deutschen Reichsanzeiger zu veröffentlichen ist, an dessen Stelle nach § 1 des Gesetzes über Bekanntmachungen vom 17. M a i 1950 (BGBl. S. 183) nunmehr in der Bundesrepublik der Bundesanzeiger getreten ist. Über den Rechtszustand in der Zeit zwischen dem Zusammenbruch und dem Gesetz vom 17. Mai 1950 vgl. v. Godin-Wilhelmi Anm. zu § 18. Etwas anderes kann die Satzung für die Fälle, in denen nach ihrem Inhalt oder nach dem Gesetz die Bekanntmachung durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, nicht wirksam bestimmen. Eine abweichende Bestimmung wäre nichtig, könnte aber durch Satzungsänderung nach § 217 geheilt werden. O b die Satzung daneben noch andere Blätter als Gesellschaftsblätter bezeichnen will, bleibt ihr überlassen. Nicht aber kann die Satzung die Bestimmung darüber wirksam den Gesellschaftsorganen — Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung — übertragen; auch das wäre nichtig. Die Nichtigkeit könnte ebenso geheilt werden. Als Gesellschaftsblatt kann auch ein fremdsprachiges Blatt bezeichnet werden ( K G SeufFA 56, 10), aber nur ein in Deutschland erscheinendes. Auch muß die Bekanntmachung darin, wie in allen Gesellschaftsblättern gleichlautend, in deutscher Sprache abgefaßt sein

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 18 A n m . 3-—6

§19 Anm. 3 Die Satzung kann auch bestimmen, daß die Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern oder auch nur im Bundesanzeiger g e n ü g e n , d a n e b e n aber noch in anderen Blättern vorgenommen werden solle, deren Auswahl dem Vorstand überlassen bleiben kann. Solche anderen Blätter sind dann keine Gesellschaftsblätter, für die Gültigkeit der Bekanntmachung sind sie bedeutungslos. So kann die Bekanntmachung auch in ausländischen Zeitungen und in fremder Sprache veröffentlicht werden. Anm. 4 Soweit gesetzlich keine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern vorgeschrieben ist, die Satzung also freie Hand hat, ob sie überhaupt öffentliche Blätter dafür bestimmen will, kann sie auch ein Blatt bestimmen, ohne es als „Gesellschaftsblatt" zu bezeichnen, und kann dann auch anordnen, daß die Veröffentlichung im B u n d e s a n z e i g e r u n t e r b l e i b e n soll (so z. B. bei der Zahlungsaufforderung nach § 57; SchlegelbergerQuassowski § 16 Anm. 25). Bezeichnet sie aber ein Blatt als Gesellschaftsblatt, so ist damit die Bekanntmachung im Bundesanzeiger untrennbar verbunden (Anm. 2). Anm. 5 G e h t e i n s d e r G e s e l l s c h a f t s b l ä t t e r e i n , so genügt die Bekanntmachung in den andern, bleibt nur der Bundesanzeiger noch übrig, in diesem (KGJ 4, 44). Anm. 6 Wo in Satzungen, namentlich solcher von älteren Gesellschaften. Bekanntmachung durch „ ö f f e n t l i c h e B l ä t t e r " oder durch „ T a g e s z e i t u n g e n " vorgeschrieben ist, wird der Ausdruck regelmäßig als gleichbedeutend mit dem Ausdruck „Gesellschaftsblätter" anzusehen sein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6), Klarstellung durch Änderung der Satzung wird sich jedoch empfehlen.

§ Sondervorteile.

19 Gründungsaufwand

(1) Jeder zugunsten einzelner Aktionäre bedungene besondere Vorteil muß in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden. (2) Von dieser Festsetzung gesondert ist in der Satzung der Gesamtaufwand festzusetzen, der zu Lasten der Gesellschaft an Aktionäre oder an andere Personen als Entschädigung oder als Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird. (3) Ohne diese Festsetzung sind solche Abkommen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden. Übersicht Anm.

Einleitung I. Die Sondervorteile 1. Der Begriff der Sondervorteile 2. Die Abtretung der Sondervorteile 3. Der Inhalt der Sondervorteile 4. Die Festsetzung der Sondervorteile 8*

1, 2

3 4 5 6

Anm.

II. Der Gründungsaufwand 1. Der Begriffdes Gründungsaufwands 7—9 2. Der Inhalt des Gründungsaufwands 10,11 3. Die Festsetzung des Gründungsaufwands 12—14 III. Die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Abs. 1 und des Abs. 2 15

115

§1» Anm. 1—3

I. B u c h : Aktiengesellschaft

Anm. I V . D i e nachträgliche Festsetzung von Sondervorteilen und des Gründungsaufwands 1. V o r der Eintragung der A G 16 2. N a c h der E i n t r a g u n g der A G 1 7 — 1 8

Anm. V . D i e Ä n d e r u n g der festgesetzten Sondervorteile und des festgesetzten Gründungsaufwands .

19—20

Anm. 1 Die § § 1 9 und 20 sind durch Zerlegung der Vorschriften in § 186 entstanden. § 19 betrifft Sondervorteile f ü r einzelne Aktionäre und den G r ü n d u n g s a u f w a n d , § 20 S a c h einlagen und Sachübernahmen. Die Hauptschwierigkeiten waren in der Praxis mit Sacheinlagen und Sachübernahmen verbunden. Das Aktiengesetz hat mehrere Zweifelsfragen beseitigt. Es h a t aber daran festgehalten, d a ß die in den §§ 19, 20 genannten Besonderheiten, welche die Gefahr unsolider G r ü n d u n g e n in sich bergen, z w a r nicht verboten sind, j e d o c h offengelegt werden müssen, d a m i t von A n f a n g an die V e r w e n d u n g des Vermögens der A G f ü r alle Beteiligten erkennbar ist und z u m Gegenstand bewußter Entschließung gemacht werden kann (Begründung z u m Gesetz v o n 1884 S. 50, 5 1 ) . Diese Vorschriften dienen also ausschließlich d e m Interesse der Öffentlichkeit, sie sind Rechtspolizeivorschriften ( T e i c h m a n n - K o e h l e r A n m . 1) und bilden in erster Linie eine S c h u t z m a ß n a h m e gegen solche G r ü n d u n g e n , die die Gesellschaft u n d die Allgemeinheit benachteiligen können ( R G 114, 81). Dieser Z w e c k m u ß a u c h f ü r die Auslegung dieser Vorschriften entscheidend sein.

Anm. 2 Abs. 1

befaßt sich mit den besonderen Vorteilen, die. aus A n l a ß der G r ü n d u n g zugunsten einzelner Aktionäre bedungen werden, w ä h r e n d A b s . 2 Vorschriften über den Gründungsaufwand, über die Gründungskosten und die Entlohnung f ü r die Tätigkeit bei G r ü n d u n g der Gesellschaft, enthält. Diese Bestimmungen ermöglichen es erst, d a ß die Gesellschaft mit den Kosten ihrer Entstehung belastet werden k a n n , da sich hierfür i m Gegensatz zu den Verpflichtungsgeschäften, die auf den Betrieb des künftigen Unternehmens gerichtet sind, in allgemeinen Vorschriften keine ausreichende Rechtsgrundlage findet (Brodmann § 186 A n m . 2 c ; Ritter A n m . 2). I m übrigen unterscheiden sich diese Bestimmungen. Sondervorteile können nur zugunsten von Aktionären bedungen werden, während der G r ü n d u n g s a u f w a n d sowohl Aktionären wie a u c h Dritten gewährt werden kann. Erstattung von G r ü n d u n g s a u f w a n d ist Gegenleistung f ü r A u f w e n d u n g e n der Gründer oder Dritter oder Gegenleistung f ü r die Gründungstätigkeit. Besondere Vorteile werden dagegen nur aus A n l a ß der G r ü n d u n g f ü r die Beteiligung der Gründer an der Gesellschaft festgesetzt, sie bilden insoweit keine echte Gegenleistung. Dieser Unterschied ist wichtig f ü r die A b g r e n z u n g d e r S o n d e r v o r t e i l e v o n d e r E n t l o h n u n g f ü r d i e G r ü n d u n g s t ä t i g k e i t (vgl. A n m . 7, 10); a u c h rechtfertigt es dieser Unterschied allein, d a ß Sondervorteile nur an Aktionäre gewährt werden können und die Erstattung des Gründungsaufwands a u c h Dritten zugesagt werden kann. D a g e g e n ist es unzutreffend, w e n n ein weiterer Unterschied zwischen beiden Bestimmungen darin erblickt wird, d a ß die Sondervorteile nicht zu Lasten der Gesellschaft, sondern nur der übrigen Gesellschafter, der G r ü n d u n g s a u f w a n d j e d o c h z u Lasten der Gesellschaft gehe; denn auch die Sondervorteile sind v o n der Gesellschaft nach ihrer Entstehung z u gewähren ( A n m . 4).

Anm. 3 I. Die Sondervorteile. 1. Der Begriff der Sondervorteile:

Die Sondervorteile werden einzelnen Aktionären persönlich zugesagt, sie werden nicht zugunsten der Aktie, sondern zugunsten der einzelnen Aktionäre festgesetzt. Sie sind nur in ihrer Entstehung, nicht in ihrem Fortbestand davon abhängig, d a ß der Berechtigte Mitglied der Gesellschaft ist. Sie unterscheiden sich dadurch von Vorteilen, die wie bei den Vorzugsaktien unauflöslich mit der Mitgliedschaft verknüpft sind. Solche Aktien sind A k t i e n besonderer G a t t u n g ,

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 19 Anm, 4

für die die Vorschriften der §§ n , 16 Abs. 3 Nr. 4 gelten. Die Sondervorteile dagegen sind auf das Mitgliedschaftsrecht des Berechtigten, auf seine Aktie ohne Einfluß. Die Rechtsnatur der Sondervorteile ist umstritten. Die Frage rührt an das umstrittene Problem der Sonderrechte (§ 35 BGB; vgl. dazu § 1 Anm. 10, 11). Die herrschende Lehre in dem Schrifttum erblickt in dem Sondervorteil ein reines Gläubigerrecht (Düringer-Hachenburg-Bing §186 Anm. 6,8; Schlegelberger- Quassowski Anm. 3; TeichmannKoehler Anm.2; Baumbach-Hueck Anm. 2 B ; ebenso K G J W 1938, 2754; ähnlich v. Godin-Wilhelmi Anm. I I 1 : „Der Sondervorteil gehört nicht zum Mitgliedschaftsrecht, auch nicht als Sondervorrecht im Sinn des § 35 B G B " und Ritter Anm. 3 a : „Nicht auf dem Mitgliedschaftsrecht, sondern auf einem anderen Rechtsverhältnis müssen Vorteilsanspruch und Vorteilspflicht beruhen"). Dagegen sah die Vorauf!. (Anm. 2) in dem Sondervorteil ein Sonderrecht, weil es zu seiner Entstehung die Mitgliedschaft in der Gesellschaft voraussetzt. Aber dieser formale Anknüpfungspunkt an den Entstehungstatbestand rechtfertigt eine solche Annahme nicht. Ein Sonderrecht im Sinn des § 35 BGB ist stets mit der Mitgliedschaft unauflöslich verbunden, es ist Ausfluß der Mitgliedschaft und setzt diese notwendigerweise für seinen weiteren Bestand voraus. Diese Eigenschaft kommt aber dem Sondervorteil gerade nicht zu; er beruht gerade nicht auf der Mitgliedschaft, sondern auf einem anderen Rechtsverhältnis. Der Sondervorteil kann nicht, wie Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I 1 S. 120 (ähnlich Wieland Handelsrecht I I S. 69) meint, mitgliedschaftlicher Natur sein. Die Aufnahme in der Satzung muß nur kraft besonderer Vorschrift zum Schutz der Öffentlichkeit erfolgen, seine Festsetzung ist gleichwohl nicht Bestandteil der körperschaftlichen Verfassung der AG. Mit dem Wesen und Aufbau der A G hat eine solche Festsetzung nichts zu tun (Teichmann-Koehler Anm. 1). Dem entspricht es, daß der Berechtigte nach allgemeiner Auffassung sein Recht auf den Sondervorteil durch Erlaßvertrag mit der A G zum Erlöschen bringt, ohne daß es dazu einer Satzungsänderung bedarf (RG J W 1917, 468). Mit dem Wesen des Sondervorteils ist es auch vereinbar, daß dieser in gleicher Weise allen Gründern zugesagt wird (so allgemeine Ansicht), eine Auffassung, die mit der Annahme eines Sonderrechts im Sinn des § 35 BGB wohl kaum in Einklang zu bringen wäre. Dagegen steht diese Annahme mit der Auffassung eines besonderen Vorteils durchaus in Übereinstimmung, weil solche Ansprüche von den Ansprüchen aus der Aktie abgesondert werden können und insoweit eben besondere Vorteile sind (DüringerHachenburg-Bing § 186 Anm. 6). Anm. 4 2. Die Abtretung der Sondervorteile: Sondervorteile gehen mit der Übertragung der Aktie nicht ohne weiteres auf den Erwerber über, hierzu bedarf es vielmehr einer besonderen Abtretung; anderenfalls verbleiben sie grundsätzlich dem Berechtigten. Sie können grundsätzlich auch ohne Übertragung der Aktie an einen Dritten abgetreten werden. Aus dem Inhalt der Sondervorteile kann sich jedoch für die Abtretbarkeit der Sondervorteile etwas anderes ergeben. Der Sondervorteil kann seinem Inhalt nach dergestalt sein, daß er dem Berechtigten h ö c h s t p e r s ö n l i c h zustehen soll, also einer Abtretung überhaupt nicht zugänglich ist, wobei die beiden Gestaltungen denkbar sind, daß sie nämlich dem Berechtigten entweder nur für die Zeit seiner Mitgliedschaft zur A G oder auch unabhängig von seiner Mitgliedschaft zustehen sollen. Andererseits ist es denkbar, daß die Sondervorteile nicht höchstpersönlicher Art sind, daß sie aber mit der Übertragung erlöschen sollen, wenn sie nicht auf den Erwerber der Aktie übertragen werden. Schließlich kommt eine Gestaltung in Betracht, wonach die Sondervorteile ihrem Inhalt nach weder an die Person des Berechtigten noch in ihrem Bestand an die Mitgliedschaft in der Gesellschaft gebunden sind. In diesem Fall bestehen gegen ihre u n b e s c h r ä n k t e A b t r e t b a r k e i t mit oder ohne Übertragung der Aktie keine Bedenken. Welche dieser Gestaltungen im Einzelfall vorliegt, ist Frage der Auslegung (Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 5). Sind die Sondervorteile ihrem Inhalt nach solche rein vermögensrechtlicher Art, so werden sie im allgemeinen nicht höchstpersönlicher Art sein; etwas anderes könnte freilich in Betracht kommen, wenn es sich dabei um Rechte auf Lieferung und Abnahme von Waren handelt, da diese zumindest an den Geschäftsbetrieb des Berechtigten gebunden sein können. Sonder-

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§19

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 5 vorteile, die ihrem Inhalt nach eine besondere Einflußmöglichkeit auf den Betrieb des Gesellschaftsunternehmens gewähren (sog. Herrschaftsrechte, vgl. Anm. 5) werden dagegen häufig höchstpersönlicher Art oder solcher Art sein, daß sie entweder mit der Übertragung der Aktie an einen Dritten erlöschen sollen oder zu ihrem Fortbestand der besonderen Übertragung auf den Erwerber der Aktie bedürfen. Wie die Gestaltung der Sondervorteile auch immer im einzelnen sein mag, stets ist an dem Grundsatz festzuhalten, daß sie — anders wie bei der Vorzugsaktie — niemals mit der Übertragung der Aktie ohne weiteres auf den Erwerber übergehen.

Anm. 5 3. D e r Inhalt der S o n d e r v o r t e i l e : Als Sondervorteile kommen sowohl solche rein vermögensrechüicher Art wie auch solche einer bestimmten Mitwirkung und Mitbestimmung im Rahmen der A G in Betracht. Zu den S o n d e r v o r t e i l e n r e i n v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e r A r t gehören Gewinnanteile (RG J W 1917, 468), feste Zahlungen, Umsatzprovision ( K G J W 1938, 2754), Ansprüche bei der Abwicklung, freier Eintritt in Anlagen der AG, freie Naturalleistungen usw. Nicht selten werden über derartige Rechte, soweit sie übertragbar sind, G e n u s s c h e i n e ausgestellt; diese können unter den Voraussetzungen des § 363 H G B als kaufmännische Verpflichtungsscheine an Order lauten. Auch die Verpflichtung der AG, Waren von einem Aktionär zu beziehen oder einem Aktionär die Erzeugung der A G zu verkaufen, die Einräumung eines Wiederkaufsrechts an einer eingebrachten Sache ( R G 81, 409), also Verpflichtungen zum Abschluß gegenseitiger Verträge, können Sondervorteile sein, selbst wenn die Abrede zugleich für die AGvorteilhaft ist ( R G L Z 1908, 297). Das wird allerdings imSchrifttum z. T . mit der Begründung bestritten, daß S o n d e r v o r t e i l e im Unterschied zu dem Gründungsaufwand nicht z u L a s t e n der G e s e l l s c h a f t , sondern nur zu Lasten der übrigen Gesellschafter gehen dürfen. Dabei wird diese Annahme aus Abs. 2 entnommen, der im Unterschied zu Abs. 1 ausdrücklich betont, daß der Gründungsaufwand zu Lasten der Gesellschaft zu leisten ist. Allein diese Unterscheidung ist nicht gerechtfertigt. Auch die'Festsetzung besonderer Vorteile begründet eine Verpflichtung der Gesellschaft, diese ist allein zur Erfüllung der Ansprüche auf die eingeräumten Sondervorteile verpflichtet. Daß eine solche Erfüllung bei der Verteilung des Reingewinns oder bei der Ausschüttung des Abwicklungserlöses letzten Endes die nicht bevorzugten Aktionäre wirtschaftlich belasten kann, ändert nichts daran, daß die Erfüllung dieser Ansprüche zu Lasten der Gesellschaft und auf Kosten des Gesellschaftsvermögens geht. Aus der unterschiedlichen Formulierung in Abs. 1 und 2 wird man lediglich so viel entnehmen können, daß die Sondervorteile (z. B. der Gewinnvorzug) a u c h zu Lasten der übrigen Aktionäre gehen kann. Eine notwendige Einschränkung erfahren die Sondervorteile nur dort, wo sie mit zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften in Widerspruch stehen würden (etwa mit § 52; vgl. dazu unten). Hingegen gehören zu den Sondervorteilen nicht A n s p r ü c h e a u s g e g e n s e i t i g e n V e r t r ä g e n ; der Sondervorteil kann nur in einer einseitigen Zusage zu Lasten der Gesellschaft bestehen (Düringer-Hachenburg § 186 Anm. 9), die aus Anlaß der Gründung der A G gemacht wird und die ihre Rechtfertigung nicht in einer anderen Gegenleistung des Aktionärs findet. Insoweit unterscheidet sich der Sondervorteil auch von der Gründungsentschädigung oder der Gründungsbelohnung, die für eine Gegenleistung des Gründers oder eines Dritten gewährt wird. Daher handelt es sich nicht um einen Sondervorteil, wenn ein Aktionär der A G ein Darlehn gewährt, deren Rückzahlung aus künftigen Gewinnen versprochen wird ( R G 81, 20; J W 1915, 1430). Anders ist es dagegen bei den erwähnten B e z u g s - o d e r L i e f e r u n g s r e c h t e n , die einem Aktionär als Sondervorteil eingeräumt werden. Diese beruhen nicht auf einem gegenseitigen Vertrag, sondern auf der einseitigen Zusage zu Lasten der Gesellschaft und begründen erst ihrerseits einen Anspruch auf Abschluß entsprechender Verträge (insofern unrichtig Düringer-Hachenburg-Bing a. a. O.). Die Sondervorteile können auch darin bestehen, daß dem Berechtigten ein Recht auf Auskunft oder auf Einsicht in die Bücher der Gesellschaft gewährt wird (DüringerHachenburg-Bing § 186 Anm. 12) oder daß ihm das Recht eingeräumt wird, in den Grenzen des § 88 Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden (Schlegelberger- Quas-

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a. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 19 Anm. 6—8

sowski Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 2 A). Wenn sich v. Godin-Wilhelmi Anm. II 1 dagegen mit der Erwägung wenden, daß Sondervorteile nicht in Herrschaftsrechten bestehen könnten, die als solche nur einem Mitglied zustehen können, so kann dem nicht gefolgt werden. Eine Beschränkung der Sondervorteile nur auf Vermögensrechte findet in Abs. 1 keine ausreichende Grundlage. Soweit bei solchen Sondervorteilen die Mitgliedschaft in der AG notwendig ist (vgl. § 88), so kann das lediglich den Schluß rechtfertigen, daß sie in der Person des Berechtigten bei Übertragung erlöschen, es sei denn, daß sie durch eine besondere Abtretung auf den Erwerber der Aktie übertragen wurden (vgl. Anm. 4). Wie hervorgehoben, findet die Zulässigkeit von Sondervorteilen ihre Grenze in zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften (allg. Ansicht). So dürfen Sondervorteile ihrem Inhalt nach nicht eine — wenn auch nur verschleierte — Zusage auf Rückzahlung der Einlage enthalten (§ 52). Unzulässig ist auch die Zusage fester Zinsen (§ 54 Abs. 1), ausgenommen Bauzinsen (§ 54 Abs. 2) und Zinsen aus der Liquidationsmasse nach dem Beginn der Abwicklung (s. hierüber § 54 Anm. 3). Unzulässig sind ferner die Gewährung von Freiaktien (§ 1 Anm. 7) und Bezugsrechte der Gründer auf Aktien späterer Ausgabe (§154 Abs. 2; für ältere Bezugsrechte dieser Art vgl. § 12 EinfG, aber auch R G DJ 1936, 614 = H R R 1936 Nr. 748). Aus dem gleichen Grunde kommt heute die Zusicherung von Vorstandsposten oder das Recht auf Vorstandsernennung als Sondervorteil nicht mehr in Betracht, weil das einen unzulässigen Eingriff in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats darstellen würde (§§ 23 Abs. 2, 75). Auch das Recht auf Bestellung anderer leitender Angestellter (z. B. Filialleiter) ist als Inhalt eines Sondervorteils unzulässig, weil darin ein gesetzlich nicht vorgesehener Eingriff in die Geschäftsführungsaufgabe des Vorstandes zu erblicken wäre. Anm. 6 4. Die Festsetzung von Sondervorteilen. Jeder besondere Vorteil muß in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden. Die Verträge über Gewährung von Sondervorteilen sind nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 der Anmeldung beizufügen, aber nur, wenn solche außerhalb der Festsetzung noch urkundlich niedergelegt sind (§ 2g Anm. 4). Anm. 7 II. Der Gründungsaufwand. 1. Der Begriff des Gründungsaufwands: Der Gründungsaufwand umfaßt die Gründungskosten und den Gründungslohn. Er stellt eine echte Gegenleistung für eine vorausgegangene Tätigkeit des Berechtigten dar, entweder eine Entschädigung für Auslagen oder eine Belohnung für die Gründung oder deren Vorbereitung. Hierin besteht der innere Grund, weshalb im Unterschied zu den Sondervorteilen der Gründungsaufwand nicht nur Aktionären, sondern auch Dritten gewährt werden kann. Denn für die Zahlung einer Entschädigung oder einer Belohnung für eine Gegenleistung ist es gleich, von wem diese erbracht worden war. Die Höhe der Entlohnung muß in einem angemessenen Verhältnis zur Tätigkeit des Gründers stehen (insofern irreführend Brodmann § 186 Anm. 2 b, nach dem die Höhe des Gründerlohns keinen gesetzlichen Schranken unterworfen ist), sonst wäre sie insoweit keine Gegenleistung mehr und müßte als Sondervorteil im Sinn des Abs. i angesehen werden. Die Abgrenzung kann im einzelnen schwierig sein, sie ist Aufgabe der Gründungsprüfung nach § 25 Nr. 3 (Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 58; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7). Die Abgrenzung ist von praktischer Bedeutung, weil Sondervorteile nicht für Dritte festgesetzt werden können und weil Sondervorteile einer Festsetzung unter Bezeichnung des Berechtigten bedürfen; auch findet die Gewährung von Sondervorteilen ihre Schranke an der Vorschrift des § 52 (Anm. 5). Anm. 8 Der Gründungsaufwand stellt bilanzmäßig einen Verlust dar, er ist im Unterschied zur Sachübernahme (§ 20) keiner Aktivierung fähig. Er kann daher auch nicht in der Jahresbilanz ab Aktivposten eingesetzt werden (§133 Nr. 4).

119

§19

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 9—13 Anm. 9

Seiner Rechtsnatur nach ist auch dieser Anspruch ein reines Gläubigerrecht (Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 57). Das ist f ü r den Fall, daß ein Dritter berechtigt ist, unzweifelhaft, gilt aber in gleicher Weise auch f ü r den Fall, daß ein Aktionär berechtigt ist. Ein rechtlicher Zusammenhang ist insoweit überhaupt nicht gegeben (a. M . in dieser Hinsicht die Vorauf!. Anm. 7).

Anm. 10 2. Der Inhalt des Gründungsaufwands: Als nächst die Gründungskosten in Betracht. Dahin

Gründungsaufwand kommen zugehören die Kosten f ü r Anwalt, Notar, Gericht, Bekanntmachungen, Aktiendruck, Steuern usw. Die Auffassung von v. Godin-Wilhelmi Anm. 4 und Ritter § 28 Anm. 5 d (anders freilich § ig Anm. 4 b ) , daß hierher nicht die gerichtlichen Kosten f ü r die Eintragung und die Steuern gehörten, kann nicht gefolgt werden. § 19 Abs. 2 regelt abschließend, daß die Gründer im Innenverhältnis zur Tragung dieser Kosten verpflichtet sind, wenn nicht eine besondere Festsetzung nach Maßgabe dieser Bestimmung erfolgt (im Ergebnis ebenso Brodmann § 186 Anm. 2 c ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; R u t h Anm. J W 1934, 994; Heim Z H R 108, 207). Ferner gehört zum Gründungsaufwand der Gründungslohn. Derartige Belohnungen können in Geld oder in geldwerten Leistungen (auch fortlaufende Bezüge) bestehen, sie werden als Entgelt f ü r den wirtschaftlichen Gedanken, f ü r Werbung und Vorarbeiten gewährt. Sie sind nicht zu beanstanden, sie müssen nur verlautbart weiden; das verlangt das Gesetz im Interesse der Solidität des Unternehmens. Werden diese Belohnungen aber übermäßig hoch festgesetzt, so daß sie bei wirtschaftlich verständiger Beurteilung nicht mehr als Entgelt f ü r die Gründertätigkeit angesehen werden können, dann verlieren sie insoweit den Charakter als Gründerlohn und stellen sich rechtlich als ein Sondervorteil (Abs. 1) dar (vgl. Anm. 7; über verschleierten Gründungsaufwand s. Anm. 14). Als Gründungslohn kommt nicht die Gewährung von Freiaktien in Betracht, weil eine solche Zusage gesetzlich unzulässig ist (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2).

Anm. 11 Nicht zu dem Gründungsaufwand gehören

die Ausgaben, die bereits vor der Entstehung der A k t G f ü r den künftigen Betrieb gemacht werden (Düringer-HachenburgBing § 186 Anm. 59; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4). Diese Ausgaben können daher auch nicht durch Festsetzung in der Satzung der A G aufgebürdet werden; f ü r sie gibt vielmehr die Vorschrift des § 34 die abschließende Regelung. Das gilt nicht nur f ü r K a u f - , Miet- und Pachtverträge, die im Hinblick auf den künftigen Betrieb der A G abgeschlossen werden, sondern auch f ü r Anstellungsverträge. Wie v. Godin-Wilhelmi Anm. 4 mit Recht hervorheben, läßt sich insoweit aus § 25 Abs. 5 nichts Gegenteiliges herleiten, da sich diese Vorschrift nicht mit dem Gegenstand des Gründungsaufwands befaßt, sondern nur eine Regelung zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Gründungsprüfer gibt.

Anm. 12

3. Die Festsetzung

des G r ü n d u n g s a u f w a n d s :

Der gesamte Gründungs-

aufwand, der zu Lasten der A G geht, ist in der Satzung festzusetzen, und zwar gesondert von den besonderen Gründervorteilen des Abs. 1. Soweit er sich noch nicht feststellen läßt, ist er zu schätzen. Eine Einzelberechnung ist in der Satzung nicht erforderlich, wohl aber in der Beilage zur Anmeldung (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 ) ; dort ist auch der Gründerlohn nach Art, Höhe und Empfänger ebenso wie andere Vergütungen einzeln aufzuführen, die Verträge sind beizufügen (Anm. 6).

Anm. 13 Die Verpflichtung der Gesellschaft zur Erstattung des Gründungsaufwands entsteht nur insoweit, als eine Bezifferung des Aufwands im Gesellschaftsvertrag erfolgt ist. Schwierigkeiten können sich aus dieser Rechtslage ergeben, wenn der Betrag unrichtig berechnet und der Aufwand tatsächlich höher gewesen ist. In diesem Fall kann eine Haftung der Gesellschaft f ü r den Fehlbetrag nicht angenommen werden; das

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 19 Anm. 14—16

würde dem Grundgedanken des § 19 widersprechen. Hier verbleibt es sodann allein bei der Haftung der Personen, die eine Verpflichtung für diesen Aufwand begründet haben. Ob man allerdings in einem solchen Fall mit Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 61 davon ausgehen muß, daß die Gesellschaft nicht verpflichtet ist, den zu ihren Lasten gebliebenen Betrag unter alle Anspruchserhebenden verhältnismäßig zu verteilen, sondern daß sie diese befriedigen kann, wie sie sich melden, erscheint sehr zweifelhaft. Anm. 14 Ein verschleierter, zu Lasten der AktG gehender Gründungsaufwand kann bei der Überbewertung einer Sacheinlage vorliegen. Wenn z. B. ein Aktionär ein Grundstück, das 150000 DM wert ist, gegen 200000 DM Aktien einbringt und 50000 DM Aktien davon als Provision an den Vermittler abgibt, so geht die Provision scheinbar zu Lasten des Aktionärs, in Wirklichkeit aber zu Lasten der AG, die das Grundstück zu teuer erwirbt. Wird dies nicht in der Satzung klargelegt, so ist gegen § 19 verstoßen (RG LZ 1912, 393 1 ; 1916, 1475 13 ). Das gleiche gilt, wenn ein Gründungsaufwand in Gestalt eines erhöhten Entgelts für eine Sachübernahme gewährt wird, wobei von vornherein vorgesehen ist, daß der Empfänger einen Teil des Entgelts an die Gründer weiterleiten soll (BGH Urt. v. 28. 5. 1956 — II Z R 251/55). Übernehmen aber die Gründer den Gründungsaufwand aus eigenen Mitteln, was nicht selten in der Hoffnung geschieht, daß die Aktien künftig zu um so höherem Kurse verwertbar sein werden, so bedarf es keiner Verlautbarung des Aufwands in der Satzung. Zur Vermeidung von Rückfragen empfiehlt es sich jedoch, in der Satzung klarzustellen, daß oder inwieweit die Gründer den Gründungsaufwand übernehmen. Es ist dann Auslegungsfrage, ob zu dem von den Gründern übernommenen Aufwand auch die Steuer auf die späteren Einzahlungen auf das Grundkapital gehört (RG Holdheim 24, 221; § 2 Nr. 2 KapVerkStG). Soll die AG diese Steuer im Innenverhältnis tragen, so gehört der Betrag zu dem in der Satzung festzusetzenden Aufwand. A n m . 15 III. Die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Abs. 1 und Abs. 2. Ist ein zugunsten eines Aktionärs bedungener Sondervorteil (Abs. 1) oder ein auf Abkommen beruhender Posten des Gründungsaufwands (Abs. 2) nicht in der Satzung festgesetzt, so sind solche Abkommen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Die Unwirksamkeit besteht nur im Verhältnis zwischen der AG und dem Gegner und kann von beiden Teilen geltend gemacht werden, ist auch von Amts wegen zu beachten (§ 20 Anm. 16). Dagegen ergreift die Unwirksamkeit nicht das Verhältnis zwischen den Gründen. Insoweit kann der Berechtigte einen Schadensersatzanspruch gegen die anderen Gründer haben, wenn nämlich die Festsetzung in der Satzung durch ihr Verschulden unterblieben ist. Außerdem bleibt die etwaige Haftung der Gründer, die vor der Entstehung der AG gehandelt haben, unberührt (vgl. § 20 Anm. 15). Die Unwirksamkeit erstreckt sich auch nur auf den nicht in der Satzung festgestellten Teil der Abkommen, das in der Satzung Festgestellte ist gültig. Auch wird, wenn die Feststellung des ganzen Abkommens unterblieben ist, die Wirksamkeit des übrigen Satzungsinhalts dadurch nicht berührt; § 139 BGB findet insoweit keine Anwendung (RG 114, 81). Die Unwirksamkeit ergreift aber im Verhältnis zur AG nicht nur das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, sondern auch das dingliche Erfüllungsgeschäft. Das war schon nach § 186 HGB angenommen worden (RG 130, 252) und ist nunmehr klargestellt. Hat also die AG einen in der Satzung nicht festgesetzten Gründerlohn ausbezahlt, so ist das nicht nur ohne Rechtsgrund geschehen, sondern die AG ist auch Eigentümerin des von ihr ausbezahlten Geldes geblieben, soweit sich nicht durch Vermischung ihr Eigentum in Miteigentum verwandelt hat (§ 948 BGB). In jedem Fall hat die AG Bereicherungsansprüche. Anm. 16 IV. Die nachträgliche Festsetzung der Sondervorteile und des Gründungsaufwands. 121

§19 A n m . 17—19

I. Buch: Aktiengesellschaft

1. Vor der Eintragung der AG kann die unterbliebene Festsetzung der Sondervorteile und des Gründungsaufwands jederzeit mit Zustimmung aller Gründer nachgeholt werden. Es ist in diesem Fall aber die Vorschrift des § 16 über die Feststellung der Satzung einzuhalten. Anm. 17 2. Nach der Eintragung der A G kann die unterbliebene Festsetzung der Sondervorteile und des Gründungsaufwands nicht mehr nachgeholt werden. Das war früher umstritten, ist aber jetzt durch Abs. 3 Satz 2 klar gestellt worden. Wenn Ritter Anm. 3 c, 4 d, 6 diese Vorschrift nicht auf den Fall angewendet wissen will, daß zunächst überhaupt kein Abkommen über die Gewährung von Sondervorteilen oder die Erstattung eines Gründungsaufwands getroffen war, und glaubt, aus § 145 Abs. 3 nicht nur die Möglichkeit einer Änderung (Verminderung oder Verbesserung), sondern auch die Möglichkeit einer Neufestsetzung entnehmen zu können, so verstößt das gegen den klaren Sinn des Abs. 3 Satz 2. Diese Bestimmung will zum Schutz der Allgemeinheit, die mit der A G in Rechtsbeziehungen tritt, eine völlige Klarstellung darüber, welche Belastungen der A G aus ihrer Entstehung aufgebürdet werden. Mit diesem Grundgedanken würde eine spätere Festsetzung in jedem Fall in Widerspruch stehen (im Ergebnis ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 10, 12; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5; Teichmann-Koehler Anm. 5; Barz Anm. D R 1941, 506; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 86; ebenso für die GmbH unter entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 60; insoweit a. M. R G 165, 129; SeuffA. 97 Nr. 60). Anm. 18 Eine völlig andere Frage ist es, ob die A G nach ihrer Eintragung durch ihren Vorstand einzelnen Aktionären Sondervorteile gewähren oder Gründungsaufwand erstatten kann. Das richtet sich, wie Brodmann § 186 Anm. 6 b mit Recht hervorhebt (einschränkend insoweit Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III. 1 S. 125; Wieland Handelsrecht I I S. 69), nach den Grundsätzen über Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis des Vorstandes. In dieser Hinsicht werden gegen die Einräumung von Rechten auf Bezug der Produktion der A G zugunsten einzelner Aktionäre oder gegen die Begründung von Pflichten zur Abnahme von Waren einzelner Aktionäre durch die A G keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Andererseits hat der Vorstand nicht die Möglichkeit, einzelnen Aktionären ein Gewinnvorrecht oder ein Vorrecht auf den Abwicklungserlös einzuräumen, weil ein solches Abkommen von seiner Vertretungsmacht nicht mehr gedeckt wäre. Hinzuweisen ist jedoch darauf, daß die Einräumung von Vorteilen zugunsten einzelner Aktionäre, soweit sie von der Vertretungsmacht des Vorstandes gedeckt sind, eine Pflichtverletzung des Vorstandes gegenüber der Gesellschaft sein und entsprechende Schadensersatzansprüche auslösen kann (§ 84). — G r ü n d u n g s a u f w a n d wird der Vorstand der A G einzelnen Aktionären nachträglich niemals erstatten können. Nachdem die Festsetzung zur Erstattung von Gründungsaufwand in der Satzung unterblieben war, ist die A G ohne eine entsprechende Erstattungspflicht ins Leben getreten. Eine nunmehr erst durch den Vorstand vorgenommene Vergütung der Gründungskosten an die Gründer würde eine Verkürzung des eingebrachten Kapitals darstellen und zu einem Verstoß gegen § 52 führen. Daher kann durch den Vorstand die Rückerstattung eines nicht festgesetzten Gründungsaufwands an einzelne Aktionäre niemals erfolgen (ebenso Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 81). A n m . 19 V. Die Änderung der festgesetzten Sondervorteile und des festgesetzten Gründungsaufwands. Die Möglichkeit einer Änderung der festgesetzten Sondervorteile und des festgesetzten Gründungsaufwands sieht § 145 Abs. 3 ausdrücklich vor. Nach dem Grundgedanken des Abs. 3 Satz 2 (s. Anm. 17) wird man aber davon ausgehen müssen, daß eine solche Änderung niemals zu einer V e r b e s s e r u n g der festgesetzten Sonder-

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 19 Anm. 20 §20 vorteile oder zu einer E r h ö h u n g des festgesetzten Gründungsaufwands führen darf; denn andernfalls würde diese Bestimmung im weiten Umfang gegenstandslos sein (ebenso v. Godin-Wilhelmi § 145 Anm. 5 a.M. insoweit Ritter Anm. 3 c, der aber wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung insoweit Einstimmigkeit verlangt; unklar Schlegelberger-Quassowski § 145 Anm. 7). Eine nachträgliche Änderung der festgesetzten Sondervorteile oder des festgesetzten Gründungsaufwands zu L a s t e n des B e r e c h t i g t e n ist nur mit seiner Zustimmung möglich, weil eine solche Änderung zu einer Beeinträchtigung seines Gläubigerrechts führt. In diesem Fall ist aber die Einhaltung der in § 145 Abs. 3 festgesetzten Frist nicht erforderlich, auch ist insoweit eine Satzungsänderung nicht notwendig. Vielmehr genügt hierzu ein (Teil-) Erlaßvertrag zwischen dem Berechtigten und der Gesellschaft, der ohne weiteres das Erlöschen oder die Herabsetzung herbeiführt (vgl. Anm. 3). Das Unterbleiben der in § 19 vorgeschriebenen Festsetzungen kann ferner Anlaß zu einer S o n d e r p r ü f u n g des Gründungsvorgangs (§118) und zu S t r a f e n (§295 Abs. 1 Nr. 1) geben. Die S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t ist in den §§ 39fr. geregelt; §40 Nr. 1 trifft den Empfanger einer vorschriftswidrig in den Gründungsaufwand nicht aufgenommenen Vergütung. Der Registerrichter hat nach § 31 die Eintragung abzulehnen, wenn er zu der Überzeugung gelangt, daß gegen § 19 verstoßen worden ist. Anm. 20 Auch eine s p ä t e r a b g e ä n d e r t e und neu g e f a ß t e S a t z u n g muß die hier vorgeschriebenen Festsetzungen übernehmen (vgl. § 20 Anm. 23). Eine Bestimmung über die Beseitigung enthält Art. III der 3. DV vom 21. 12. 38 (RGBl. I 1839). § 3 0 Sacheinlagen. Sachübernahmen (1) Sollen Aktionäre Einlagen machen, die nicht durch Einzahlung des Nennbetrags oder des höheren Ausgabebetrags der Aktien zu leisten sind (Sacheinlagen), oder soll die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände übernehmen (Sachübernahmen), so müssen in der Satzung festgesetzt werden der Gegenstand der Sacheinlage oder der Sachübernahme, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien oder die bei der Sachübernahme zu gewährende Vergütung. (2) Ohne diese Festsetzung sind Vereinbarungen über Sacheinlagen und Sachübernahmen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung des Gesellschaft gegenüber unwirksam. Ist die Gesellschaft eingetragen, so wird die Gültigkeit der Satzung durch diese Unwirksamkeit nicht berührt; bei unwirksamer Vereinbarung einer Sacheinlage bleibt der Aktionär verpflichtet, den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktie einzuzahlen. (3) Nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden. Übersicht Einleitung I. Die Sacheinlage . . . . 1. Die Rechtsnatur des Ein bringungsvertrags . , 2. Der Gegenstand der Sach einlage a) Welche Vermögens werte sind als Sach einlage geeignet?

Anm.

I

3, 4

Anm.

b) Welche Vermögenswerte sind als Sacheinlage nicht geeignet? c) Das Handelsgeschäft als Sacheinlage . . . d) Noch nicht entstandene Sachen und künftige Forderungen als Sacheinlage . . . . 123

§ 20

Anm. 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft Anm.

e) Gegenseitige Verträge als Sacheinlage . . . f ) Gebrauchsüberlassung als Sacheinlage g) Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage . . . . 3. Mängel des Einbringungsvertrages a) Willensmängel und ihre Rechtsfolgen . . b) Formmängel und ihre Rechtsfolgen . . . . c) Die anfangliche Unmöglichkeit . . . . d) Die nachfolgende U n möglichkeit . . . . e) Der Verzug des einlagepflichtigen Aktionärs f ) Die Haftung für Rechtsmängel . . . g) Die Haftung für Sachmängel . . . . 4. Die gemischte Sacheinlage I I . Die Sachübernahme 1. Der Begriff der Sachübernahme 2. Der Gegenstand der Sachübernahme . . . . 3. Der Übernahmevertrag.

io 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

22 23 24

Anm.

I I I . Die Festsetzung der Sacheinlage und der Sachübernahme in der Satzung . . 25 I V . Die Unwirksamkeit der Vereinbarung bei fehlender oder bei mangelhafter Festsetzung 1. Die Unwirksamkeit gegenüber der Gesellschaft 26 2. Der U m f a n g der Unwirksamkeit 27 3. Keine Unwirksamkeit im Verhältnis zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und Dritten . . 28 4. Keine Eintragung durch den Registerrichter . . 29 5. Sonstige Folgen fehlender oder mangelhafter Festsetzung 30 V . Gültigkeit der Satzung und Verpflichtung der Aktionäre zur Entrichtung der Bareinlage 31 V I . Heilung eines Verstoßes . 3 2 — 3 4 V I I . Änderung der getroffenen Festsetzungen 1. Die Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage 35, 36 2. Die Umwandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage 37

Anm. 1 Über die Entstehung der §§ 19 und 20 s. § 19 Anm. 1. § 2 0 betrifft die „qualifizierten Gründungen", bei denen am meisten Neigung zu Verschleierungen hervorgetreten ist. Es sind die Fälle der S a c h g r ü n d u n g , worunter zweierlei verstanden wird: Gründungen mit Sacheinlage eines Aktionärs unter Gewährung von Aktien und Gründung mit Übernahme von Sachen ohne rechtlichen Zusammenhang mit Schaffung von Aktien. In beiden Fällen wird volle Offenheit verlangt.

I. Die Sacheinlage. Anm. 2 Die Einlage des Aktionärs kann in barem Gelde, aber auch in anderen Gegenständen, in beweglichen Sachen anderer Art, in Grundstücken oder in Rechten, bestehen. Das bleibt der Abrede unter den Gründern überlassen. Besteht die Einlage in Höhe des Nennbetrags der zu übernehmenden Aktien und des etwa höheren Ausgabebetrags nicht ausschließlich in barem Gelde, so nennt das Gesetz den nicht in barem Gelde zu leistenden Teil nach dem üblichen Sprachgebrauch eine S a c h e i n l a g e . Vorschriften über die Offenlegung von Sacheinlagen kehren bei der Kapitalbeschaffung wieder, wo solche Einlagen ebenfalls vorkommen (§§ 150, 1 6 1 , 172).

Anm. 3 1. Die Rechtsnatur des Einbringungsvertrages: Die Abrede, in welcher

Form die einzelnen Aktionäre ihre Einlage zu leisten haben, ob als Bar- oder Sacheinlage, ist ein Teil der Satzung. Denn diese Abrede regelt die Voraussetzungen

124

2. T e i l : Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§20

Anm. 4—6

f ü r die Entstehung der Mitgliedschaft, sie ist ein Teil des Körperschaftsrechts. A b e r auch der Inhalt des Sacheinlagevertrages selbst bildet einen Teil der Satzung; denn er m u ß nach seinem wesentlichen Inhalt in der Satzung festgesetzt werden, u m wirksam zu sein (vgl. dazu im einzelnen A n m . 25). Das ist auch die herrschende Ansicht im Schrifttum (vgl. etwa Düringer-Hachenburg-Bing § 186 A n m . 39; Schlegelberger-Quassowski A n m . 8; v. Godin-Wilhelmi A n m . I ; anders nur Ritter A n m . 2 a, der in dem Einbringungsvertrag zwar einen gesellschaftsrechtlichen A k t (körperschaftsrechtlichen Vertrag), aber keinen Teil der Satzung erblickt; was dieser Unterschied bedeuten soll, wird allerdings bei den Ausführungen von Ritter nicht ganz deutlich). Seinem rechtlichen

Gehalt nach ist der Einbringungsvertrag kein K a u f (RG 2, 303; 45, 101; JW 1929,

3006; R F H 2, 161; 11, 256; B a y O b L G 22 A 247; K G J W 1928, 1822), sondern ein Verpflichtungsvertrag eigener Art. Er begründet f ü r die betreffenden Gründer die Einbringungsverpflichtung, enthält aber noch nicht den V o l l z u g der Einbringung. Hierzu bedarf es vielmehr noch besonderer Vollzugshandlungen, f ü r die die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Vorschriften maßgeblich sind, also bei beweglichen Sachen Einigung und Übergabe, bei Grundstücken Auflassung und Eintragung ( K G J 11, 134), bei Rechten Übertragung, und zwar wo sie einer Form bedarf, formgerechte Übertragung. Bei Orderpapieren kann Indossierung verlangt werden, damit der Schuldner in seinen Einwendungen beschränkt ist (§364 H G B , Art. 17 W G ) . Bei einem Wechsel oder Scheck kann der einbringende Aktionär, wenn nicht anderes bedungen ist, seine Wechsel- oder scheckrechtliche Haftung durch einen Vermerk bei seinem Indossament ausschließen (Art. 15 Abs. 1 W G , Art. 18 Abs. 1 SchG).

Anm. 4 Eine Sacheinlage liegt begrifflich nur dann vor, wenn sie zur Erlangung der Mitgliedschaft, also b e h u f s S c h a f f u n g v o n A k t i e n hergegeben wird. W e n n ein Aktionär schenkungsweise eine Schuld der A G befreiend übernimmt ( K G „ R e c h t " 1928 Nr. 56g), so macht er damit keine Einlage. Andererseits gehört zur Einlage auch das, was über den Nennwert der Aktie hinaus als Aufgeld vom Aktionär geleistet wird (§ 1 Anm. 7, § 9 Anm. 7).

Anm. 5 2. Der Gegenstand der Sacheinlage:

Entgegen den Ausführungen der Amtlichen Begründung 1937 gibt § 20 keine gesetzliche Begriffsbestimmung über den Gegenstand der Sacheinlage. Denn Abs. 1 Satz 1 sagt lediglich negativ, d a ß Einlagen, die nicht durch Einzahlung des Nennbetrages oder des höheren Ausgabebetrages der Aktien zu leisten sind, Sacheinlagen seien. Damit läßt also diese Bestimmung offen, welche Vermögenswerte im einzelnen Gegenstand einer Sacheinlage sein können. Ü b e r diese Frage besteht keine Einigkeit.

Anm. 6 a) Welche Vermögenswerte sind als Sacheinlage geeignet? Rechtsprechung

und Schrifttum haben die Eignung vermögenswerter Rechte, Gegenstand einer Sacheinlage zu sein, in einem außerordentlich weitem U m f a n g anerkannt. W e n n sie dabei im Anschluß an die Motive z u m A k t G 1884 (S. 151) als Sacheinlage jeden übertragbaren Gegenstand, der einen bilanzfähigen Vermögenswert darstellt, als geeignet ansehen (vgl. etwa Schlegelberger-Quassowski A n m . 7), so gehen sie im einzelnen noch über diese Begriffsbestimmung hinaus. Denn nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht im Schrifttum sind 1. nicht nur übertragbare Sachen (bewegliche) und Rechte, wie Urheberrechte, Patentrechte ( R F H J W 1920, 792), Lizenzrechte, Gebrauchs- und Geschmackmuster, Konzessionen "(soweit übertragbar), Aktien, GmbH-Anteile, Anteile an einem Bergwerk ( K G J 36 A 133), Anteile an einer Personalgesellschaft mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter, soweit diese zur Übertragung erforderlich ist (Düringer-Hachenburg-Bing § 186 A n m . 26, 3 7 ; unrichtig insoweit Schlegelberger-Quassowski A n m . 4), sondern 2. auch übertragbare Ansprüche aus obligatorischen Rechtsverhältnissen, z. B. Pachtvertrag auf Ausbeute einer Sandgrube oder eines Steinbruchs; Vertrag über eine Inseratenvertretung ( K G J 44 A 146), über

125

§20

Anm. 7

I. Buch: Aktiengesellschaft

das Generalvertretungsrecht einer Firma ( K G O L G E 24, 163), patentrechtlich nicht geschützte Fabrikationsgeheimnisse und Herstellungsverfahren ( R G J W 1936, 42) und Rechte aus einem Vertragsangebot, das durch Annahme seitens der Gesellschaft wirksam werden kann ( R G S e u f f A 87 Nr. 7 1 ; K G R J A 1 2 , 58; Düringer-HachenburgBing § 186 Anm. 26; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Teichmann-Koehler Anm. 4). Bei der 2. Gruppe der Vermögenswerten Gegenstände wird man schwerlich von bilanzfahigen Vermögenswerten sprechen können (vgl. dazu Ritter Anm. 2 b ) ; auch scheint es rechtlich kaum vertretbar, z. B. tatsächliche Fabrikationsgeheimnisse oder das Recht aus einem Vertragsangebot als übertragbare Rechte zu bezeichnen. Gleichwohl wird man an dem Ergebnis der bisherigen Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht des Schrifttums festhalten können, wenn man sich dabei nur darüber im klaren ist, daß diese Auffassung mit dem Satz: Sacheinlage kann jeder übertragbare Gegenstand sein, der einen bilanzfähigen Vermögenswert darstellt, nicht ausnahmslos in Übereinstimmung steht. Außerdem erscheint es notwendig, bei der zweiten Gruppe der Vermögenswerten Gegenstände im Einzelfall die Frage des Vermögenswertes besonders zu prüfen. Ansprüche aus obligatorischen Rechtsverhältnissen, die jederzeit kündbar sind, stellen im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft keinen feststellbaren Vermögenswert dar und sind daher als Sacheinlage nicht geeignet. Dasselbe gilt f ü r Rechte aus einem Vertragsangebot, wenn der angebotene Vertrag ebenfalls kurzfristig kündbar ist. Bei Fabrikationsgeheimnissen und Herstellungsverfahren wird es einer besonderen Prüfung bedürfen, ob hier in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen einer Wahrung des Geheimnisses gegeben sind. Sind diese Voraussetzungen tatsächlich nicht feststellbar, so wird man auch hier einen faßbaren Vermögenswert nicht annehmen können (vgl. dazu auch Düringer-Hachenburg-Bing § 186 A n m . 27). N u r wenn man sich dieser notwendigen Einschränkungen bewußt ist, wird man der weitherzigen Auffassung der Rechtsprechung und der herrschenden Ansicht im Schrifttum über die Eignung vermögenswerter Gegenstände als Sacheinlage aus rechtlichen und wirtschaftlichen Erwägungen folgen können.

Anm. 7 b) Welche Vermögenswerte sind als Sacheinlage nicht geeignet? Nicht

geeignet als Sacheinlage sind R e c h t e a u s D i e n s t v e r t r ä g e n . Begründen wird man dies nach den vorstehenden Ausführungen kaum, wie es die herrschende Ansicht im Schrifttum tut, mit der Erwägung, daß derartige Rechte nicht als Aktivum in die Bilanz erscheinen können (so auch die Voraufl. Anm. 5). Denn unter diesem Gesichtspunkt kann man keinen Unterschied zwischen der Dienstmiete und der Sachmiete machen, was Ritter Anm. 2 b mit Recht hervorhebt. Der Unterschied zu den Rechten aus Miet- und Pachtverhältnissen ist allein deshalb gerechtfertigt, weil bei Dienstverträgen langfristige Verträge über mehrere J a h r e (wie etwa bei Pachtverträgen zur Ausbeute von Sandgruben und Steinbrüchen) aus Rechtsgründen nicht möglich sind und kurzfristige Verträge dieser Art nach den vorstehenden Ausführungen keinen feststellbaren Vermögenswert haben (ähnlich im Ergebnis Ritter a. a. O.). Rechtlich schlechthin unvertretbar erscheint es, bei Dienstverträgen einen Unterschied dahin zu machen, daß lediglich die Zusage von Diensten durch den verpflichteten Aktionär eine rechtlich geeignete Sacheinlage nicht sei, wohl aber, wenn der verpflichtete Aktionär der Gesellschaft eine bindende Zusage von Diensten durch einen Dritten gebe (so Düringer-Hachenburg-Bing § 1 8 6 Anm. 3 4 ; Brodmann § 1 8 6 Anm. 5 c; v. GodinWilhelmi Anm. 2 ; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 21 f ü r den gleichliegenden Fall bei der G m b H ) . Was f ü r jenen Fall gilt, muß aus den genannten Gründen in gleicher Weise auch f ü r diesen Fall gelten. Ungeeignet als Sacheinlage sind auch Ansprüche auf Herstellung eines Werkes, z. B. auf Errichtung eines Fabrikationsgebäudes, also A n s p r ü c h e a u s e i n e m W e r k v e r t r a g (so die herrschende Ansicht im Schrifttum; a. M . Brodmann § 186 Anm. 5 c; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 ; Mann, Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 53). Schließlich ist als Sacheinlage auch ungeeignet das W e c h s e l a k z e p t des einlagepflichtigen Aktionärs ( R G 49, 26; R G S t . 36, 186; K G O L G E 22, 26), allerdings nicht deshalb, weil es in der Hand des Aktionärs keinen Vermögenswert darstellt (so Voraufl. Anm. 7 ) ; denn darauf kommt es nicht an, sondern allein darauf,

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§20 Anm, 8

ob die Sacheinlage für die Gesellschaft einen Vermögenswert darstellt. Entscheidend ist, daß das Wechselakzept seinem rechtlichen Inhalt nach ebenfalls nur eine, wenn auch rechtlich besonders gestaltete Zahlungsverpflichtung des Akzeptanten ist; es will also der Aktionär in einem solchen Fall seiner Einlageverpflichtung — im Ergebnis — ebenfalls nur durch Zahlung in Geld nachkommen. Die Eignung des Wechselakzepts als Sacheinlage würde also bedeuten, daß der verpflichtete Aktionär sich zunächst mit einem reinen Zahlungsversprechen begnügen und auf diese Weise die Vorschrift des § 28 Abs. 2 umgehen könnte. Der Versuch von Ritter Anm. 2 b, mit begrifflichen Erwägungen die Akzeptforderung als Sacheinlage einem reinen Zahlungsversprechen gegenüberzustellen und damit die Eignung des Wechselakzepts als Sacheinlage darzutun, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen (wie hier auch die herrschende Ansicht im Schrifttum). Hieraus folgt des weiteren, daß das Wechselakzept des verpflichteten Aktionärs auch nicht dadurch zu einer geeigneten Sacheinlage werden kann, daß ein Dritter die Bürgschaft für die Erfüllung dieser Wechselverpflichtung übernimmt; denn maßgeblich ist insofern die Hauptschuld, nicht die Sicherung für die Hauptschuld (ebenso Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 26). Was für das Wechselakzept des Aktionärs gilt, gilt auch für alle sonstigen, seine Zahlungsverpflichtung zum Ausdruck bringenden oder bestärkenden Skripturverpflichtungen des einlagepflichtigen Aktionärs. Anm. 8 c) Das Handelsgeschäft als Sacheinlage: Ein Handelsgschäft kann in seiner Gesamtheit Gegenstand einer Sacheinlage sein (RG 70, 223; J W 1911, 495). Dabei kann auch das Firmenrecht zusammen mit einem Geschäft eingebracht werden, ebenso die Kundschaft, der „goodwill", die „Fasson" (RFH 15, 50; RG LZ 1915, 231). Ein Gründer kann sein Geschäft mit Aktiven und Passiven, ein anderer seine Forderungen gegen jenen einbringen (LG Frankfurt/M. Holdheim 2, 100; vgl. RG 155, 212). Bei der Einbringung eines Handelsgeschäfts mit Aktiven und Passiven ergibt sich eine Schwierigkeit dadurch, daß sich der Wert dieser Sacheinlage zwischen der Vereinbarung und deren Ausführung verändern kann, nicht selten erheblich verändert. Wird als Stichtag der Tag der tatsächlichen Einbringung gewählt, so ist ein etwaiger Mehrwert gegenüber dem Tage der Vereinbarung zugunsten des Einbringenden durch Barzahlung seitens der AG auszugleichen, umgekehrt ein etwaiger Minderwert durch bare Zuzahlung des Einbringenden. Diese Zuzahlung ist nicht als Bareinlage anzusehen, sondern als Erfüllung des Sacheinlageversprechens. Häufig wird aber in den Satzungen dem Wert der Sacheinlage die Bilanz eines bestimmten vorhergehenden Tages zugrunde gelegt und abgemacht, daß schon von diesem Tage ab das Geschäft als für Rechnung der AG geführt gelten soll. Auch das ist zulässig. Die Verlustgefahr der Zwischenzeit geht dann zu Lasten der AG, ein Gewinn der Zwischenzeit ist nicht Gewinn der AG, sondern Erhöhung des Werts des eingebrachten Geschäfts (RFH 1, 205; 2, 197; 4, 117; J W 1932, 10294). Ein etwaiger Verlust ist in der Bilanz durch Abschreibung von den Anschaffungskosten zum Ausdruck zu bringen (a. M. v. GodinWilhelmi Anm. 2, die insoweit eine Gewährleistung des Einlegers verlangen), ein etwaiger Gewinn gehört in die gesetzliche Rücklage (§130 Abs. 2 Nr. 2; vgl. §9 Anm. 7) und ist nicht etwa zu verteilen. Welcher Stichtag gewählt wird, ist in der Satzung festzusetzen, ebenso, ob alle Forderungen und Schulden übernommen werden. Über alles das entscheidet die Satzung und deren nach den Grundsätzen der Anm. 19 zu § 16 vorzunehmende Auslegung (RG LZ 1916, 742 15 ); abweichende Abreden der Gründer kommen für die AG nicht in Betracht (RG Bauer 12, 186; München OLGE 32> r 35)- Forderungen und Schulden können auch mit gewissen Beschränkungen übernommen werden, z. B. „die in dem anliegenden Verzeichnis aufgeführten" (RG Bauer ig, 84). Der Einbringer kann auch für den Eingang von Forderungen derart garantieren, daß er die bis zu einem bestimmten Tage nicht eingegangenen wieder zu übernehmen und bar auszuzahlen hat (RG 79, 271). Ebenso kann er dafür garantieren, daß nur bestimmte Schulden vorhanden seien. Die für Veräußerungsverträge über Sachen geltenden Gewährleistungsvorschriften werden vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung auch auf solche über Geschäftsunternehmungen angewandt (RG 63,

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§20

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 9—12 5 7 ; 67, 86; 98, 292; 100, 203; 138, 356). Wird das Geschäft mit Firma eingebracht, so gelten die zu § 4 in Anm. 3 dargestellten Grundsätze.

Anm. 9 d) Noch nicht entstandene Sachen und künftige Forderungen als Sach-

e i n l a g e : I m Schrifttum wird im allgemeinen der Standpunkt vertreten, daß Sachen, die noch nicht vorhanden sind, nicht selbst Gegenstand einer Sacheinlage sein könnten, weil sie rechtlich noch nicht selbständig bestehen (vgl. etwa Düringer-HachenburgBing § 186 Anm. 2 5 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4). Diese Begründung erscheint nicht völlig zwingend. Denn es ist aus Rechtsgründen möglich, daß sich der Aktionär zur Einlage solcher Sachen verpflichtet und daß somit die Forderung auf Leistung der noch nicht vorhandenen Sachen Gegenstand der Sacheinlage ist (Ritter Anm. 2 b). Das bedeutet, daß z. B. die Früchte auf dem Halm zwar nicht ohne das Grundstück, auf dem sie wachsen, Gegenstand einer Sacheinlage sein können, wohl aber die Forderung auf Lieferung der Ernte. Andererseits ist ein Baugrundstück mit einem erst zu errichtenden Gebäude nicht zur Sacheinlage geeignet, weil hier in Wahrheit die Werkleistung Gegenstand der Sacheinlage sein würde, diese aber aus Rechtsgründen als solche nicht in Betracht kommen kann (vgl. Anm. 7). K ü n f t i g e F o r d e r u n g e n scheiden als Sacheinlage aus, weil sie im allgemeinen einen feststellbaren Vermögenswert im Zeitpunkt der Einbringung nicht haben und deshalb als Sacheinlage nicht geeignet sind. Anders ist es dagegen bei Forderungen auf künftige Leistungen; bei ihnen besteht dieses Hindernis nicht, und sie können daher als Sacheinlage in Betracht kommen.

Anm, 10 e) Gegenseitige Verträge als Sacheinlage: Ist ein gegenseitiger Vertrag Gegen-

stand einer Sacheinlage, so ist zu unterscheiden, ob die Gesellschaft nur die Ansprüche aus diesem Vertrag erhalten soll und der einlegende Gesellschafter die Verpflichtungen aus dem Vertrag weiter zu erfüllen hat, oder ob die Gesellschaft auch die Verpflichtungen mit übernehmen soll. Beide Gestaltungen sind rechtlich denkbar; welche von beiden gewählt ist, ist eine Frage der Auslegung. Für die Bewertung der Sacheinlage ist es naturgemäß von wesentlicher Bedeutung, welche dieser beiden denkbaren Gestaltungen in Betracht kommt. I m Zweifel wird die Bewertung, wie sie von den Gründern vorgenommen worden ist, einen geeigneten Anhaltspunkt f ü r die erforderliche Auslegung bieten.

Anm. 11 f ) G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g a l s S a c h e i n l a g e : Auch eine Gebrauchsüberlassung kann Gegenstand einer Sacheinlage sein (a. M . Brodmann § 186 Anm. 5 a). Es ist also nicht notwendig, daß der einlagepflichtige Aktionär die einzubringende Sache der Gesellschaft zu Eigentum überträgt. Daher ist z. B. die Überlassung von Geschäftsräumen zu Benutzung durch die Gesellschaft als Sacheinlage zulässig ( R G S t . 6 1 , 260). In diesem Fall ist es f ü r die Bewertung der Einlage von Bedeutung, die Dauer der Gebrauchsüberlassung festzulegen (vgl. Anm. 6). Andererseits ist es nicht erforderlich, daß der Einbringe!; E i g e n t ü m e r der Sache oder Inhaber des Rechts ist, die er einbringt ( R G 1 1 8 , 1 2 0 ; J W 1936, 42; R F H 10, 22). E r kann seine Einlageverpflichtung dadurch erfüllen, daß er den Eigentümer oder Inhaber veranlaßt, den Gegenstand unmittelbar an die A G zu übertragen; er selbst bleibt Einleger, jener ist nur sein Erfüllungsgehilfe ( B a y O b L G Holdheim 1 1 , 26). Gehört der einzubringende Gegenstand mehreren, so können sie sämtlich als Einbringer auftreten und vereinbaren, welche Zahl von Aktien jedem zuzuteilen ist. Diese Vereinbarung ist, wenn sie in der Satzung festgestellt wird, auch gegenüber der A G gültig.

Anm. 12 g) Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage: Auch eine Forderung, die dem Einbringer gegen die Gesellschaft zusteht, kann den Gegenstand einer Sach-

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 20 A n m . 13, 14

einlage bilden. Notwendig ist es jedoch, daß die Gesellschaft die gegen sie gerichtete Forderung im Gründungsvertrag übernimmt. K ü n f t i g e F o r d e r u n g e n g e g e n d i e G e s e l l s c h a f t , z. B. erst künftige Gewinnansprüche, können nicht als Sacheinlage dienen. Bei der Errichtung der Gesellschaft wird die Einbringung einer Forderung als Sachlage nur verhältnismäßig selten in Betracht kommen, häufiger wird das bei Kapitalerhöhungen der Fall sein, weil dann die Möglichkeit bestehender Verbindlichkeiten aus dem zurückliegenden Geschäftsbetrieb der Gesellschaft eine ungleich größere ist. Bei der Errichtung der Gesellschaft werden als einlagefahige Forderungen gegen die Gesellschaft nur solche in Betracht kommen, mit denen die Gesellschaft durch die Sacheinlage eines anderen Aktionärs unmittelbar belastet wird, so z. B. bei der Einlage eines Handelsgeschäfts die mit dem Geschäft zusammenhängenden Verbindlichkeiten öder bei der Einlage eines Grundstücks die auf diesem ruhenden Lasten (insbesondere Hypotheken). Ohne praktische Bedeutung ist es, ob in einem solchen Fall die Einlage dadurch erbracht wird, daß der Einleger mit der Gesellschaft einen Erlaßvertrag über diese Forderung schließt (§ 397 BGB) oder ob er mit seiner Forderung gegenüber der Gesellschaft gegen den Anspruch der Gesellschaft auf den Gegenwert der Aktien aufrechnet und diese A u f r e c h n u n g a l s S a c h e i n l a g e gilt ( R G 42, 4; K G J W 1935, 2899). In jedem Fall ist das ein in der Satzung festzustellender Vorgang, der jedoch von dem Verbot der Aufrechnung gegen eine geschuldete Bareinlage (§ 60) nicht betroffen wird. Aus § 20 ergibt sich ohne weiteres, daß auch dieser Vorgang unter den Begriff der Sacheinlage fällt. Aufgegeben ist daher in § 150 die in § 279 H G B noch gemachte Unterscheidung zwischen einer Einlage, die nicht durch Barzahlung zu leisten ist, und der Anrechnung einer Vergütung für Gegenstände, welche die A G übernimmt. Hervorzuheben ist jedoch noch, daß die F o r d e r u n g a u f einen G r ü n d e r l o h n (§19) nicht g e e i g n e t ist, als Sacheinlage zu dienen. Das würde auf die Ausgabe von Freiaktien hinauslaufen und daher mit zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften in Widerspruch stehen (ebenso Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 35; vgl. auch § 19 Anm. 9). Der Umstand, daß Forderungen gegen die Gesellschaft den Gegenstand einer Sächeinlage bilden können, ist bedeutsam für die Frage, inwieweit die Gesellschaft ihrerseits aufrechnen kann (vgl. dazu §60 Anm. 15). A n m . 13 3. D i e M ä n g e l d e s E i n b r i n g u n g s v e r t r a g e s u n d i h r e R e c h t s f o l g e n : Der Einbringungsvertrag ist kein rein schuldrechtlicher Vertrag, sondern ein Akt des Körperschaftsrechts, er ist ein notwendiger Stein im Aufbau der Gesellschaft (DüringerHachenburg-Bing § 186 Anm. 16). Wenn er auch Verpflichtungen für den einlegungspflichtigen Aktionär begründet, so können doch auf ihn die allgemeinen Vorschriften des B G B über Verträge nicht angewendet werden (grundsätzlich anders Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 47ff.; nicht unbedenklich auch Crisolli Z H R 93, 231 ff.). Immer ist bei ihm die besondere Eigenart zu beachten, daß er ein notwendiger Teil der Satzung ist. Es ist daher vor allem eine Anwendung der Vorschriften des BGB nicht möglich, die den Einbringungsvertrag vernichten, nachdem der Aktionär durch Abschluß des Vertrages seine Beteiligung an der Gesellschaft nach außen zum Ausdruck gebracht hat. Diese Besonderheit der Rechtslage führt bei Mängeln des Einbringungsvertrages zu einer Reihe einschneidender Abweichungen gegenüber dem allgemeinen Vertragsrecht. A n m . 14 a) W i l l e n s m ä n g e l u n d i h r e R e c h t s f o l g e n : Kein Aktionär kann sich auf Willensmängel seiner Erklärung bei Abschluß des Einbringungsvertrages berufen. Eine Anfechtung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Drohung ist ausgeschlossen, weil diese der entstandenen AktG ihre Rechtsgrundlage entziehen würde (a. M. nur Teichmann-Koehler Anm. 5 e, die sich dabei zu Unrecht auf R G D R 1940, 2009 = H R R 1940 Nr. 1354 berufen; diese Entscheidung besagt entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts für den Sacheinlagevertrag gerade das Gegenteil). Eine solche Möglichkeit verbietet der aktienrechtliche Grundsatz der Erhaltung der Kapital8

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§20

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 15—17 grundlage ( § 2 Anm. 4, § 2 1 6 ) . Auch die Berufung auf die Nichtigkeit wegen Vorliegens einer S c h e i n - o d e r S c h e r z e r k l ä r u n g oder eines geheimen Vorbehalts ist aus den gleichen Gründen ausgeschlossen ( R G Warn. 1931 Nr. 4 1 ; B G H 2 1 , 3 8 2 ) . Ebensowenig kann sich ein Aktionär auf die Nichtigkeit eines Einbringungsvertrages berufen, weil er sittenwidrig ausgebeutet worden sei ( R G 1 2 3 , 107).

Anm. 15 b) Formmängel und ihre Rechtsfolgen:

Der Einbringungsvertrag kann an Formmängeln leiden, da f ü r ihn die allgemeinen Formvorschriften, z. B. die Vorschriften der § § 3 1 3 , 3 1 1 B G B , maßgeblich sind. Ein solcher Formmangel kommt freilich dann nicht in Betracht, wenn der Einbringungsvertrag mit seinem ganzen Inhalt Aufnahme in der Satzung findet, da dann die f ü r die Satzung geltende Form (§ 16) auch die Formvorschriften der §§ 3 1 1 , 3 1 3 B G B erfüllt. Aber der Einbringungsvertrag braucht nicht seinem vollen Inhalt nach Aufnahme in der Satzung zu finden (vgl. Anm. 25). I n diesem Fall kann dann eine Nichtigkeit des Einbringungsvertrages wegen Verletzung der f ü r ihn geltenden Formvorschrift in Betracht kommen ( § 1 2 5 B G B ) . Diese Nichtigkeit bewirkt, daß ein Anspruch der Gesellschaft auf die Sacheinlage nicht entsteht. Das würde aber nach der Eintragung der Gesellschaft mit dem aktienrechtlichen Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage nicht in Einklang stehen. I n diesem Fall muß sich daher der Aktionär an seine Erklärung, daß er Mitglied der Gesellschaft sei und der Gesellschaft eine Einlage von einem bestimmten Wert mache, festhalten lassen. Die in dieser Erklärung liegende Deckungszusage bewirkt, daß er in diesem Fall dann eine dem Wert der zugesagten Sacheinlage entsprechende Bareilage zu machen verpflichtet ist (vgl. dazu auch die folgenden Anmerkungen sowie Anm. 3 1 ; a. M . v. Godin-Wilhelmi Anm. 5).

Anm. 16 c) Die anfängliche Unmöglichkeit:

Ist der Einbringungsvertrag von Anfang an auf eine unmögliche Leistung gerichtet, die A G aber gleichwohl durch Eintragung zur Entstehung gelangt, so würde die Anwendung des § 306 B G B zur Nichtigkeit des Einbringungsvertrages führen. Auch das ist mit dem aktienrechtlichen Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage nicht vereinbar. Zwar kann in einem solchen Fall von dem einlagepflichtigen Aktionär aus Rechtsgründen nicht die Erbringung seiner Einlage verlangt werden, aber er muß an seine Erklärung insoweit festgehalten werden, als er erklärt hat, Mitglied der Gesellschaft zu sein und ihr dafür eine Einlage von einem bestimmten Wert zu machen. Das führt dann notwendigerweise zu der Verpflichtung des Aktionärs, der Gesellschaft eine entsprechende Bareinlage zu machen (Würdinger Gesellschaften I I S. 5 2 ; Ritter Anm. 2 f.; Baumbach-Hueck Anm. 2 E ; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 28 sowie in grundsätzlichen Ausführungen M a n n Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 58fr.). Das ist freilich nicht unbestritten. Eine beachtliche Gegenmeinung ( R G 68, 275/76; Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 46; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 5 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. I I . 1 S. 77/78; Teichmann-Koehler Anm. 6 a) nimmt hier Nichtigkeit des Einlageversprechens an und läßt die Gesellschaft, falls ihr nicht nach § 307 B G B oder nach § 39 ein Schadensersatzanspruch zusteht, mit einer Unterbilanz ins Leben treten. Diese Folgerung läßt sich auf keinen Fall mit dem Grundsatz der Erhaltung der Kapitalgrundlage in Einklang bringen und trägt dem besonderen Haftungscharakter der Beitrittserklärung nicht Rechnung. U n d wenn das Reichsgericht ( R G 68, 275/76) zudem meint, daß in einem solchen Fall eine Mitgliedschaft von vornherein nicht zur Entstehung gelange und die Anwendung des § 306 B G B daher auch nicht eine schon vorhandene Mitgliedschaft zerstöre, so gehen diese Erwägungen an den hier allein entscheidenden Gesichtspunkt vorbei und setzen sich zudem auch in Widerspruch zu der Auffassung, daß die Vorschriften der §§ 1 1 6 / 1 8 , 138 Abs. 2 B G B hier keine Anwendung finden (Anm. 14).

Anm. 17 d) Die nachfolgende Unmöglichkeit:

Wird die Leistung der zugesagten Sacheinlage nachträglich unmöglich, so ist bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit eine

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 20 A n m . 18—20

völlige Freistellung des Aktionärs nach § 275 BGB ebenfalls unhaltbar. Hier tritt dann aus den gleichen Erwägungen wie bei einer anfänglichen Unmöglichkeit (Anm. 16), an Stelle der Verpflichtung zur Sacheinlage die Verpflichtung zur Leistung einer Bareinlage in der angenommenen Höhe. Ist die Unmöglichkeit dagegen von dem Aktionär zu vertreten, so kann der Gesellschaft das R e c h t zum R ü c k t r i t t (§325 BGB) nicht zustehen (allg. Ansicht). Denn die Zubilligung eines solchen Rechts würde wiederum die Kapitalgrundlage der Gesellschaft in Frage stellen und zudem darauf hinauslaufen, daß der Vorstand den Aktionär aus der Gesellschaft ausschließen könnte. Aber eine solche Befugnis steht der Gesellschaft nur im Rahmen und nach Maßgabe des § 58 zu. Dagegen wird man das Recht der Gesellschaft, S c h a d e n s e r s a t z w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g zu verlangen, in diesem Fall nicht verneinen können (so Vorauf!. Anm. 14; Ritter Anm. 2f.; wohl auch Baumbach-Hueck Anm. 2 E). Denn durch die Ausübung eines solchen Rechts wird nicht die Beitrittserklärung des Aktionärs in Frage gestellt oder wieder beseitigt; sie bleibt dadurch vielmehr unberührt (insoweit geht Ritter a. a. O. von einer unzutreffenden Annahme aus; vgl. auch v. Godin-Wilhelmi Anm. II 1 S. 78; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 28; Crisolli Z H R 93, 237fr.). Auch wird durch das Verlangen nach Schadensersatz die Kapital grundlage der Gesellschaft nicht beeinträchtigt, da ein solcher Anspruch seiner Höhe nach nicht geringer ist als der Anspruch auf die Bareinlage in Höhe des angenommenen Werts der Sacheinlage. Daneben bleibt freilich auch hier das Recht der Gesellschaft, den Anspruch auf die Bareinlage geltend zu machen; in diesem Fall ist sie auf den Nachweis eines Schadens nicht angewiesen. Anm. 18 e) Der Verzug des einlagepflichtigen Aktionärs: Befindet sich der Aktionär mit der Leistung seiner Einlage in Verzug, so kann der Gesellschaft das Recht zum Rücktritt nicht zustehen. Man muß ihr aber auch hier das Recht, die Bareinlage zu fordern, zubilligen (a. M. R G J W 1934, 3196), wobei in diesem Fall jedoch die Ausübung des Rechts von der vorherigen Setzung einer angemessenen Frist abhängig ist. An Stelle dieses Rechts kann die Gesellschaft neben der Leistung der Sacheinlage auch ihren Verzugsschaden wegen der verspäteten Leistung verlangen (RG J W 1934, 3196). Anm. 19 f) Die Haftung für Rechtsmängel: Für den Umfang der Haftung des einlagepflichtigen Aktionärs für Rechtsmängel ist in erster Linie der Einbringungsvertrag selbst maßgeblich. Es kann die Haftung über das gesetzliche Maß hinaus verschärft, so bei Einbringung von Rechten die Haftung für den rechtlichen Bestand (§ 437 BGB) zu einer Haftung für die Güte des Rechts gesteigert werden (§ 438 BGB). Ob sich die Haftung auch beschränken oder ausschließen läßt, erscheint zweifelhaft (bejahend Voraufl. Anm. 3); in jedem Fall ist eine solche Beschränkung oder Ausschließung ohne Wirkung, wenn ein Rechtsmangel arglistig verschwiegen ist. In allen Fällen einer Haftung des einlagepflichtigen Aktionärs für Rechtsmängel ist der Rücktritt der Gesellschaft vom Einbringungsvertrag ausgeschlossen; auch hier hat die Gesellschaft nur das Recht, Schadensersatz zu verlangen. Anm. 20 g) Die Haftung für Sachmängel: Die Rechtsfolgen einer Haftung für Sachmängel sind in Rechtsprechung und Schrifttum außerordentlich umstritten. Gegen die Zubilligung eines S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h s bei arglistigen Verschweigens eines Mangels oder bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft bestehen keine Bedenken. Hier gelten die gleichen Erwägungen, die für einen Schadensersatzanspruch bei zu vertretender nachträglicher Unmöglichkeit sprechen (Anm. 17). Auch der entsprechenden Anwendung des § 480 BGB steht hier nichts im Wege; die Gesellschaft kann bei vertretbaren Sachen Ersatzleistung verlangen (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. II 1 S. 76; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 28). Zweifelhaft dagegen ist es, ob die Gesellschaft Wandlung oder Minderung verlangen kann. Das Reichsgericht versagt der Gesell9«

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§20

Anm. 21

I. Buch: Aktiengesellschaft

schaft das Recht zur Wandlung, und zwar, weil es ebenso wie der Rücktritt zu einer unzulässigen Ausschließung des Aktionärs führen und zudem die Kapitalgrundlage der Gesellschaft durch Rückgewähr der Sacheinlage beeinträchtigen würde ( R G 68, 271; ebenso Vorauf!. Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi Anm. II. 1 S. 76; Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; Crisolli Z H R 93, 239fr.). Allein dieses Ergebnis ist unbefriedigend; es führt dazu, daß der Gesellschaft Ansprüche wegen Sachmängel abgeschnitten werden und daß sie die mangelhafte Sache als mangelfreie behalten muß. Auch ist dieses Ergebnis nicht mit der Tatsache zu vereinbaren, daß der einlegungspflichtige Aktionär mit Abschluß des Einbringungsvertrages nach außen erklärt hat, eine mangelfreie Sache einzubringen und daß durch die Leistung einer mangelhaften Sache unter Umständen die Kapitalgrundlage in weitgehenden Maße beeinträchtigt wird. Es muß sich daher angesichts dieser Deckungszusage des Aktionärs (Boesebeck D R 1939, 435) die Sacheinlagepflicht des Aktionärs auf Verlangen der Gesellschaft in eine Bareinlagepflicht des Aktionärs umändern, mit der Folge, daß der Aktionär gegen Rückgabe der mangelhaften Sache eine Bareinlage in Höhe des angenommenen Wertes seiner Sacheinlage zu leisten hat (ebenso Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 43; Ritter Anm. 2 f.; Baumbach-Hueck Anm. 2 E ; Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 66; Boesebeck a . a . O . ; für das Recht der G m b H Hachenburg-Schilling § 5 Anm. a8; Scholz § 5 Anm. 17; Rob. Fischer J Z 1954, 428). Dementsprechend ist auch ein Minderungsrecht der Gesellschaft in der Weise zu bejahen, daß der einlegungspflichtige Aktionär den Minderwert seiner mangelhaften Leistung in Geld aufzufüllen hat. Eine e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g d e s § 464 BGB ist in jedem Fall abzulehnen, weil es nicht angängig erscheint, daß die Gesellschaft durch eine vorbehaltlose Annahme einer mangelhaften Sacheinlage ihrer Ansprüche auf Erhaltung ihrer Kapitalgrundlage verlustig gehen kann (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. II 1 S. 76; Boesebeck D R 1939, 435; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 28; a. M. R G 159, 333; Scholz § 5 Anm. 17). Auch ist eine M ä n g e l r ü g e p f l i c h t d e r G e s e l l s c h a f t in entsprechender Anwendung des § 377 H G B nicht anzunehmen (so Ritter Anm. 2f., Crisolli Z H R 93, 231 ff.), da es sich bei der Sacheinlage nicht um ein Umsatzgeschäft des Handelsverkehrs handelt und daher der Grundgedanke des § 377 H G B hier nicht zutrifft (wie hier v. Godin-Wilhelmi Anm. II 1 S. 76; Mann a. a. O. S. 52).

Anm. 21 4. Die g e m i s c h t e S a c h e i n l a g e : Unter einer gemischten Sacheinlage ist eine Sacheinlage zu verstehen, bei der der einlegungspflichtige Aktionär für seine Sacheinlage zu einem Teil Aktien und für den anderen Teil von der Gesellschaft eine Zahlung in Geld bekommt. Es handelt sich also um eine Sacheinlage, die mit einer Sachübernahme verbunden ist (v. Godin-Wilhelmi Anm. I I 1 S. 79). Auf eine solche gemischte Sacheinlage finden ausschließlich die Vorschriften über die Sacheinlage Anwendung. Es geht also nicht an, das einheitliche Rechtsgeschäft in eine Sacheinlage und in eine Sachübernahme aufzuspalten und demgemäß auf dieses Rechtsgeschäft die jeweils verschiedenen Rechtsgrundsätze über die Sacheinlage und die Sachübernahme getrennt anzuwenden ( K G J W 1928,1822; v. Godin-Wilhelmi Anm. I I 1 S. 79; BaumbachHueck Anm. 2 C ; Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 10 ff.; Boesebeck D R 1939, 435; Hachenburg-Schilling § 5 Anm. 34; a. M. Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 17; Brodmann § 186 Anm. 4 h ; Ritter Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Teichmann-Koehler Anm. 3). Liegt bei einer gemischten Sacheinlage ein S a c h m a n g e l vor und macht die Gesellschaft von ihrem Recht zur Minderung Gebrauch, so führt das zunächst zu einer entsprechenden Minderung der Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft. Nur wenn die Minderung über den Umfang der Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft hinausgeht oder wenn die Gesellschaft ihrer Zahlungsverpflichtung bereits nachgekommen war, wird durch das Minderungsverlangen der Gesellschaft eine entsprechende Zahlungsverpflichtung des Aktionärs begründet. Soll der einlegende Aktionär einen Anspruch auf Ersatz des Mehrwertes in Geld haben, so muß ihm dieses Recht in der Satzung oder in dem ihr beigefügten Vertrag ausdrücklich eingeräumt werden.

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 20 Anm. 22, 23

Anm. 22 II. Die Sachübernahme. 1. Der Begriff der Sachübernahme: Die Sachübernahme ist von der Sacheinlage zu unterscheiden. Bei der Sachübernahme besteht die Leistung der Gesellschaft nicht in der Einräumung von Mitgliedschaftsrechten. Im Unterschied zu der Sacheinlage bildet sie für den Veräußerer nicht das Mittel, um sich an der Gründung der Gesellschaft durch Übernahme oder Zeichnung von Aktien zu beteiligen (RG 130, 254; LZ 1907, 346; H R R 1940 Nr. 1354). „Die Sachübernahme ist kein notwendiger Stein im Bau der Gesellschaft wie die Einlage, sondern nur ein äußerlich angefügter Zusatz. Die Gesellschaft kann rechtlich ohne sie entstehen. Sie enthält einen Akt des Individualrechts" (Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 15). Der Veräußerer braucht daher überhaupt nicht Aktionär zu sein. Ist er es, so steht doch die Veräußerung mit seiner Aktionäreigenschaft in keinerlei Zusammenhang; er veräußert, wie wenn er nicht Aktionär wäre. Seine Verpflichtung zur Leistung seiner Bareinlage wird dadurch nicht berührt. Die Festsetzung des Übernahmevertrages in der Satzung ist nicht aus innerer Notwendigkeit vorgeschrieben. Der Übernahmevertrag erhält durch diese Festsetzung auch nicht körperschaftsrechtlichen Charakter wie der Vertrag über die Sacheinlage. Die Festsetzung in der Satzung dient nur dazu, im Interesse der Öffentlichkeit Gefahren zu bannen, die erfahrungsgemäß hier in ähnlicher Weise wie bei den Sacheinlagen auftreten. Nur aus diesem Grunde ist die Festsetzung in der Satzung Wirksamkeitsvoraussetzung für den Übernahmevertrag. Der Gegenwert bei der Sachübernahme ist also niemals die Schaffung von Aktien, sondern Geld oder ein anderer Tauschwert. Dem steht nicht entgegen, daß der Gegenwert im Einzelfall ganz oder neben Geld auch in Aktien der Gesellschaft besteht, die sie nicht s c h a f f t , sondern sich im Hinblick auf die Sachübernahme als schon vorhandene Aktien von Aktionären v e r s c h a f f t (RG 121, 995 130,254)Anm. 23 2. Gegenstand der Sachübernahme: Gegenstand der Sachübernahme können zunächst alle Vermögenswerte sein, die auch den Gegenstand einer Sacheinlage bilden können (Anm. 5ff.). Darüber hinaus können nach ausdrücklicher Vorschrift auch erst noch herzustellende Anlagen Gegenstand einer Sachübernahme sein. Wenn dabei im Schrifttum (Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 49; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7) zuweilen die Einschränkung gemacht wird, daß hierzu nur solche Werkverträge gehörten, bei denen der Unternehmer auch das Material liefert, so findet diese Einschränkung im Gesetz keine Stütze. Diese Unterscheidung erscheint überdies nutzlos, wenn man mit Schlegelberger-Quassowski gleichwohl auch die Aufnahme reiner Werkverträge in der Satzung verlangt, um eine Verpflichtung der Gesellschaft zu begründen. Mit v. Godin (ZivA 147, 34) wird man davon ausgehen müssen, daß zu den Sachübernahmen nur solche Geschäfte gehören, durch die die Gesellschaft Vermögensgegenstände von Aktionären oder von Dritten erwirbt, nicht aber solche Geschäfte, durch die die Gesellschaft ihrerseits zu Warenlieferungen oder Kreditaufnahmen verpflichtet wird. Diese Geschäfte bedürfen daher für ihre Wirksamkeit nicht der Festsetzung in der Satzung gemäß § 20; für sie gelten vielmehr die Vorschriften des § 34 Abs. 1 und 2. Wenn v. Godin (a. a. O. S. 35ff.; vgl. auch v. Godin-Wilhelmi Anm. I) darüber hinaus im Hinblick auf § 34 Abs. 3 den Begriff der Sachübernahme einzuschränken versucht und ihn nur auf eine solche Übernahme von Vermögensgegenständen bezieht, die zwischen dem Veräußerern und den Gründern, nicht dagegen auf eine solche, die zwischen dem Veräußerer und dem Vorstand vereinbart ist, so ist der Ausgangspunkt v. Godins sicherlich zu billigen. In der Tat würde es vielfach unerträglich sein, für die Wirksamkeit von Verträgen, die auf den Bezug von Waren, Rohstoffen und Betriebsmaterialien gerichtet sind, stets die Festsetzung in der Satzung zu verlangen. Die notwendigen Vorbereitungsgeschäfte für den Geschäftsbetrieb der in der Gründung befindlichen Gesellschaft könnten dadurch in einer schwerlich zu rechtfertigenden Weise erschwert oder sogar unterbunden werden. Man wird daher unter diesem Gesichtspunkt die Dienstverträge nicht als möglichen Gegenstand einer Sachübernahme

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§20 A n m . 24, 2 5

I. Buch: Aktiengesellschaft

ansehen können. Aber auch die weitere Einschränkung der Sachübernahme im Sinn der Ausführungen von v. Godin ist im Grundsatz zu billigen (Näheres § 34 Anm. 28). Anm. 24 3. Der Ü b e r n a h m e v e r t r a g : Der Übernahmevertrag ist ein solcher des Individualrechts, er besitzt keinen körperschaftsrechtlichen Charakter. Er hat mit der Mitgliedschaft in der Gesellschaft nichts zu tun. Es handelt sich bei der Sachübernahme nicht um die Schaffung des Grundkapitals, sondern um die Verwendung des Vermögens der Gesellschaft. Daher besteht hier — im Unterschied zu dem Vertrag über die Sacheinlage (Anm. 1 3 fr.) — kein Grund, die Vorschriften des bürgerlichen Rechts auszuschließen. Der Übernahmevertrag kann daher durch A n f e c h t u n g w e g e n I r r t u m s usw. wieder vernichtet werden; die Folgen einer anfanglichen oder nachfolgenden Unmöglichkeit richten sich nach den allgemeinen Vorschriften, wie auch die Haftung für Rechts- und Sachmängel im vollen Umfang zur Anwendung gelangt (zur Anwendung von § 139 B G B vgl. Anm. 25). Die nachträgliche Vernichtung oder Aufhebung des Übernahmevertrages berührt die Existenz der Gesellschaft nicht, so wie auch die Rückgewähr übernommener Vermögensgegenstände nicht mit zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften in Widerspruch steht. Der Übernahmevertrag ist entsprechend seinem jeweiligen Inhalt ein Kauf-, Miet- oder Werkvertrag und unterliegt ohne Einschränkungen den für diese geltenden Vorschriften. Anm. 25 III. Die Festsetzung derSacheinlage und die S a c h ü b e r n a h m e in der S a t z u n g . Bei der Sacheinlage und bei der Sachübernahme sind die in den Verträgen getroffenen Abmachungen in der Satzung festzusetzen. Das bedeutet jedoch nicht, daß die gesamten Abmachungen in die Satzung aufzunehmen seien. Vielmehr genügt es nach ausdrücklicher Vorschrift, wenn der Gegenstand und die Person, von welcher die A G erwirbt, ferner bei der Sacheinlage der Nennbetrag der zu gewährenden Aktien, bei der Sachübernahme die zu gewährende Vergütung festgesetzt werden. Der Gegenstand muß genau bezeichnet sein, bei einer Sachgesamtheit die etwa ausgenommenen Stücke (München O L G E 32, 135), bei einer nicht in einer Sachgesamtheit bestehenden Mehrheit die bestimmte oder doch bestimmbare Zahl („alle meine Schiffe", K G O L R E 22, 25). Über die Identität der Sachen darf ebensowenig ein Zweifel bestehen wie über die Person ( K G J 44 A 146; R G J W 1916, 1 4 1 3 1 ) . Das Bestimmtheitserfordernis gilt auch f ü r die gewährten Aktien und die gewährte Vergütung ( R G 8 1 , 409; 125, 328), namentlich auch f ü r die übernommenen Schulden ( B a y O b L G L Z 1919, 60 1 ). Unbegründet erscheint es, wenn demgegenüber Düringer-Hachenburg-Bing § 186 Anm. 21 bei der Sacheinlage im Unterschied zu der Sachübernahme auch die Festsetzung sämtlicher Nebenabreden verlangen. Für eine soche unterschiedliche Behandlung der Sacheinlage und der Sachübernahme gibt das Gesetz keinen Anhalt. Bei der eindeutigen gesetzlichen Regelung läßt sich ein solcher Unterschied auch nicht aus dem besonderen Charakter der Sacheinlage rechtfertigen (wie hier auch Ritter Anm. 2h). Auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 8 gehen zu weit, wenn sie in jedem Fall die Festsetzung aller die Gesellschaft verpflichtender Nebenabreden verlangen. Behält sich allerdings in einer solchen Nebenabrede der Aktionär ein dingliches Recht an dem einzubringenden Grundstück vor (z. B. Wegerecht oder Wohnrecht), so muß das in der Satzung festgesetzt werden; in diesem Fall ist die Rechtslage ähnlich, wie wenn von einer einzubringenden Sachgesamtheit einzelne Stücke ausgenommen werden sollen. Im übrigen genügt es, wenn über die Nebenabreden besondere Urkunden vorliegen und diese dem Handelsregister miteingereicht werden ( R G J W 1933, 52; Brodmann § 186 Anm. 4f.; v. Godin-Wilhelmi Anm. I ; Mann. Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 2 2 f f . ; bedenklich die älteren Entscheidungen R G 8 1 , 404; 1 1 4 , 77; 1 1 8 , 1 1 7 ) . Sind die Abmachungen in der Satzung ordnungsgemäß festgesetzt und kann diese Festsetzung unter Berücksichtigung der überreichten Anlagen auch nicht durch zulässige Auslegung ergänzt werden ( § 1 6 Anm. 19), so gilt nur das in der Satzung Festgesetzte. Hierdurch wird bei der Sacheinlage entgegen der Vorschrift des § 139 B G B die Gültigkeit der Einlageverpflichtung, soweit diese aus der Satzung zu ersehen ist

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 20 Anm. 2 6 , 2 7

nicht berührt (RG 114, 82; 118, 117). Anders bei der Sachübernahme. Denn auf den Sachübernahmevertrag finden die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung (Anm. 24), somit auch die Vorschrift des § 139 BGB; hier kann also die Unwirksamkeit von Nebenabreden zur Unwirksamkeit des ganzen Sachübernahmevertrages führen (ebenso Mann a. a. O. S. 24). Auch die Gesellschaft kann sich bei einer Sacheinlage nicht auf ihr günstige Zusicherungen berufen, sofern sich diese nicht wenigstens aus den zur Auslegung verwendbaren Anlagen, namentlich aus der Gründererklärung, ergeben. Liegt zwischen der Festsetzung in der Satzung und dem zum Handelsregister eingereichten Vertrag ein Widerspruch über den Einlagegegenstand vor, so ist die Satzung maßgeblich (Ritter Anm. 2h; Mann a. a. O. S. 26; unzutreffend R G 127, 193). Die Festsetzung in der Satzung ist nicht nur bei rechtsverbindlichen und den allgemeinen Formvorschriften genügenden Vereinbarungen erforderlich, sondern auch bei solchen, bei denen die Absicht der Einlage oder Übernahme so feste Gestalt angenommen hat, daß mit ihrer Verwirklichung bestimmt gerechnet werden kann (RG 121, 102; 167, 108; K G J W 1924, 199; 1932, 2630; ÖLGE 43, 305; v. Godin-Wilhelmi Anm. II 1). Die gegenteilige Auffassung (OLG Braunschweig OLGE 43, 294; Heim Z H R 108, ig8ff.; vgl. auch Mann a. a. O. S. 35fr.) würde zu dem unannehmbaren Ergebnis führen, daß eine etwa nach §§ 313, 125 BGB nichtige Vereinbarung über eine Sacheinlage durch Erfüllung wirksam werden könnte und dann nicht von der Unwirksamskeitsfolge des Abs. 2 Satz 1 erfaßt werden würde. Auch eine später abgeänderte und neu gefaßte Satzung muß die durch § 20 gebotenen Festsetzungen, soweit sie selbst nicht wirksam geändert worden sind (Anm. 36), übernehmen (OLG Dresden K G J 20 D 23; K G K G J 27 A 226). Wenn das Kammergericht (Ring 2, 257) den Hinweis für genügend erklärt, daß die alten Bestimmungen in Kraft geblieben seien, so läßt sich dem nicht beitreten. Obwohl die Vorgänge in der Vergangenheit liegen und vielleicht nicht mehr interessieren, so gehört ihre Wiedergabe doch zur Vollständigkeit der Satzung. Ob sie im Text wiedergegeben werden oder in einer Anlage, die einen Bestandteil der Satzung bildet, ist natürlich gleichgültig. Eine Bestimmung über die Beseitigung enthält Art. I I I der 3. DVO v. 21. 12. 38 (RGBl. I 1839). Anm. 26 IV. Die Unwirksamkeit der Vereinbarung bei fehlender oder mangelhafter Festsetzung. 1. Die Unwirksamkeit gegenüber der Gesellschaft: Was über Sacheinlagen oder Sachübernahmen vereinbart, aber nicht in der Satzung festgesetzt ist oder nicht ordnungsgemäß festgesetzt ist, ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Das bedeutet einerseits nicht absolute Nichtigkeit der Verträge, andererseits aber auch nicht, daß die Unwirksamkeit nur zugunsten der Gesellschaft besteht. Vielmehr kann die Unwirksamkeit nicht nur von der AG, sondern auch vom G e g n e r geltend g e m a c h t werden und ist von Amts wegen zu beachten (RG 121, 103; 130, 251; J W 1904, 182 29 ; JRdsch. 1926 Nr. 2355). Beide Teile können sich auf die Unwirksamkeit berufen, sobald sie feststeht. Das ist der Fall, wenn die Abmachungen nicht in der Satzung festgesetzt sind. Sind sie festgesetzt, so besteht noch eine schwebende Unwirksamkeit für beide Teile bis zur Eintragung (§§ 31, 32). Ist die Eintragung in letzter Instanz abgelehnt, so ist kein Teil mehr an den Vertrag gebunden. Da die Ablehnung der Eintragung nur mit der einfachen Beschwerde angefochten werden kann, die nur der Gesamtheit der Anmelder zusteht (§31 Anm. 10), so wird man dem Vertragsgegner das Recht einräumen müssen, den Anmeldern eine Frist zur Einlegung der Beschwerde, gegebenenfalls auch der weiteren Beschwerde zu setzen, mit deren Ablauf die Bindung aufhört. Anm. 27 2. Der Umfang der Unwirksamkeit: Die Unwirksamkeit ergreift nicht nur das Verpflichtungsgeschäft, sondern auch die „Rechtshandlungen zur Ausführung", also das Erfüllungsgeschäft. Ist z. B. die ganze Sacheinlage oder Sachübernahme in der

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§20 A n m . 28, 29

I. Buch: Aktiengesellschaft

Satzung übergangen, der AG aber auf Grund der Abmachung ein Grundstück übereignet worden, so ist das Eigentum nicht wirksam auf die AG übergegangen. Das war, weil sich anders der volle Zweck des Gesetzes nicht erreichen läßt, schon bisher angenommen worden (RG 130, 252). Das AktGes. hat es klargestellt. Gleichwohl kann ein Aktionär eine geleistete, aber nicht wirksam festgesetzte Sacheinlage nicht ohne weiteres mit der Eigentumsklage usw. auch verlangen. Da das Gesetz in einem solchen Fall nach der Eintragung der Gesellschaft die scheinbare Bargründung als wirklich aufrechterhalten will und darum der Aktionär zur Leistung der Bareinlage verpflichtet ist (Anm. 31), steht der Gesellschaft ein Zurückbehaltungsrecht am Gegenstand der Sacheinlage nach § 273 BGB zu, bis der Aktionär die Bareinlage geleistet hat. Es ist denkbar, daß in besonders gelagerten Fällen einem Aktionär die Einrede der unerlaubten Rechtsausübung entgegengehalten werden kann, wenn er eine geleistete Sacheinlage unter Berufung auf die Unwirksamkeit zurückfordert (DS SeufTA 85, 188). Anm. 28 3. Keine Unwirksamkeit im Verhältnis zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und Dritten: Das Rechtsverhältnis zwischen den Gründern sowie zwischen diesen und einem an dem Sachübernahmevertrag beteiligten Dritten wird von der Unwirksamkeitsfolge des Abs. 2 Satz 1 nicht ohne weiteres berührt. Vielmehr richtet sich der rechtliche Bestand dieses Rechtsverhältnisses nach seinem eigenen Inhalt. Dabei werden die Vereinbarungen zwischen den Gründern im allgemeinen davon ausgehen, daß die Gesellschaft zur Entstehung gelangt und die Gesellschaft in die Rechte und Pflichten des Abkommens über die Sacheinlage oder die Sachübernahme eintritt. Die Unwirksamkeit dieses Abkommens gegenüber der Gesellschaft würde damit die Geschäftsgrundlage der Vereinbarungen zwischen den Gründern berühren und diese Vereinbarungen damit ebenfalls gegenstandslos machen. Aber denkbar ist es durchaus, daß sich im Einzelfall für die beteiligten Gründer aus diesen Vereinbarungen vertragliche Ansprüche, insbesondere S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e wegen N i c h t e r f ü l l u n g ergeben. Häufiger wird das freilich bei einem Sachübernahmevertrag rrit einem Dritten, der nach Abs. 2 Satz 1 gegenüber der Gesellschaft unwirksam ist, der Fall sein. Der Dritte hat keinen Einfluß darauf, daß die Gründer die Sachübernahme ordnungsgemäß in der Satzung festsetzen. Die Unterlassung einer solchen Festsetzung wird im allgemeinen eine Verletzung der vertraglichen Pflichten der Gründer gegenüber dem Dritten darstellen und diese zum Schadensersatz verpflichten. Auch eine Haftung der Gründer aus unerlaubter Handlung kann in Betracht kommen. Dagegen kann der Dritte nicht verlangen, daß die Gründer selbst in den Übernahmevertrag eintreten; eine Anwendung der Vorschriften über den vollmachtlosen Vertreter ist ausgeschlossen. Anm. 29 4. Keine Eintragung durch den Registerrichter: Ob der Registerrichter die Eintragung der AktG abzulehnen hat, wenn er zu der Überzeugung gelangt, daß gegen § 186 HGB verstoßen worden sei, war streitig; die Praxis hatte es angenommen (KG Ring 1, 208; J W 1924, 199 1 ; OLG Dresden R J A 16, 81). Das AktGes. stellt das nunmehr außer Zweifel (§31 Abs. 1). Der Registerrichter kann die Eintragung sogar dann ablehnen, wenn nach der Erklärung der Gründungsprüfer oder offensichtlich die Leistungen der AG für Sacheinlagen oder Sachübernahmen unangemessen hoch sind. Eine Ablehnung der Eintragung durch den Registerrichter kommt auch dann in Betracht, wenn es zu festen, wenn auch nicht rechtsverbindlichen Abmachungen über Sacheinlagen oder Sachübernahmen gekommen ist (Schlegelberger-Quassowski § 31 Anm. 10; vgl. dazu auch oben Anm. 25). Wenn demgegenüber Heim (ZHR 108, 215) geltend macht, daß die Ablehnung der Eintragung auch bei nicht rechtsverbindlichen Abmachungen über Sacheinlagen und Sachübernahmen zu dem ungewöhnlichen Ergebnis führen würde, daß sich die Beteiligten unter dem Druck einer Ablehnung der Eintragung erst zum Abschluß wirksamer Vereinbarungen entschließen müßten, so übersieht er, daß die Anwendung der §§ 20, 31 auf nicht rechtsverbindliche Abmachungen nur dann in Betracht kommt, wenn diese Abmachungen eine so feste Gestalt angenommen haben,

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 20 Anm. 30,31

daß mit ihrer Verwirklichung fest gerechnet werden kann (Anm. 25). Es ist also nicht so, daß die Beteiligten erst unter dem Druck einer Ablehnung der Eintragung zur Durchführung solcher Vereinbarungen veranlaßt werden, vielmehr ist die feste Absicht zur Durchführung der Vereinbarungen Voraussetzung für die Ablehnung der Eintragung durch den Registerrichter. — Die Begründung, die Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 88 ff. für seine ebenfalls gegenteilige Auffassung gibt, kann durch die Neufassung der Vorschriften über die Nachgründung als überholt angesehen werden. A n m . 30 Sonstige Folgen fehlender oder mangelhafter Festsetzung: Das Unterbleiben der in § 20 vorgeschriebenen Festsetzungen kann zu einer S o n d e r p r ü f u n g des Gründungsvorgangs nach § 118, zum S c h a d e n s e r s a t z nach den §§ 39ff. — nach § 40 Nr. 2 auch für den, der an einer Schädigung wissentlich mitgewirkt hat — und zur B e s t r a f u n g nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 Anlaß geben. A n m . 31 V. Gültigkeit der Satzung und Verpflichtung des Aktionärs zur Bareinlage. Es könnte der Zweifel entstehen, ob die Unwirksamkeit nach § 20, etwa die gänzliche Weglassung der vereinbarten Sacheinlage oder Sachübernahme, die Satzung ungültig und die AG, auch wenn sie eingetragen worden ist, nichtig macht. In der Tat ist diese Ansicht für das bisherige Recht vertreten, vom Kammergericht allerdings abgelehnt worden (KG Ring i, 204; OLGE 43, 305). Das AktGes. lehnt sie ausdrücklich ab. Übrigens würde sich das schon aus § 216 ergeben, denn die Bestimmung über die „Höhe" des Grundkapitals wird nicht dadurch berührt, daß Einlagen auf das Grundkapital anders als durch Einzahlung zu leisten sind, geschweige dadurch, daß das Vermögen der AG zu Anschaffungen verwendet wird. Die Gültigkeit der Satzung wird nach § 20 Abs. 2 Satz 2 durch die Unwirksamkeit des Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfts nicht berührt, folglich auch nicht der Bestand der AG. Für Sacheinlagen wird zugleich noch eine mögliche Zweifelsfrage gelöst: ist die Vereinbarung einer Sacheinlage in der Satzung nicht wirksam festgesetzt, so bleibt, wenn die Gesellschaft eingetragen ist, der Aktionär verpflichtet, den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktie einzuzahlen. Bis er das tut, hat die AG ein Zurückbehaltungsrecht am Gegenstand der Sacheinlage (Anm. 27). Ein entgegenstehender Wille des Aktionärs, der keine Bareinlage, sondern eine Sacheinlage hat machen wollen, wird rechtlich nicht beachtet. Das gilt in erster Linie dann, wenn die Vereinbarung über die Sacheinlage in der Satzung überhaupt fehlt und demgemäß der Rechtsschein erweckt wird, als sei eine Bareinlage beabsichtigt gewesen. Es gilt jedoch auch dann, wenn dieVereinbarung zwar in der Satzung enthalten, aber nach Gegenstand oder Person des Gründers so wenig bestimmt ist, daß auch mit Hilfe zulässiger Auslegung eine genügende Bestimmung nicht möglich ist (§ 16 Anm. 19, oben Anm. 25). In allen diesen Fällen ist Einzahlung zu leisten. Ist der Nennbetrag der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien nicht genügend bestimmt und auch nicht durch Auslegung zu ermitteln, so ist das nur denkbar unter gleichzeitigem Verstoß gegen § 16 Abs. 3 Nr. 3 oder 4. Alsdann ist freilich Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 nicht anwendbar, weil die zu leistende Einzahlung nicht zu bestimmen ist. Zugleich liegt aber dann ein unheilbarer Nichtigkeitsgrund nach den §§ 216, 217 vor (v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). — Bei einer Sachübernahme kommen diese Erwägungen nicht in Frage, weil bei ihr der Veräußerer keine Einlage zu machen hat. Es bewendet dort bei der Unwirksamkeit des Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfts, die aber die Gültigkeit der Satzung und den Bestand der AG nicht berührt. Die Bestimmung des Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz, wonach bei fehlender oder mangelhafter Festsetzung einer Sacheinlage der Aktionär zur Leistung einer Bareinlage verpflichtet bleibt, ist nicht eine Ausnahmevorschrift in dem Sinn, daß nur in diesem Fall der Aktionär statt der vorgesehenen Sacheinlage eine Barleistung zu erbringen hat (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 15; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Diese Bestimmung setzt keine Ausnahme von einer sonst etwa bestehenden Regel, sondern stellt eine Rechtsfolge klar, die sich bereits aus allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen,

137

§20

Anm. 32—35

I. Buch: Aktiengesellschaft

nämlich aus der Haftung des Aktionärs f ü r seine Deckungszusage, ergibt. Dies bringt die Bestimmung mit den Worten: der Aktionär b l e i b t verpflichtet, auch unmißverständlich zum Ausdruck. Es ist daher auch nicht möglich, aus dieser Bestimmung im Wege des Umkehrschlusses die Folgerung zu ziehen, daß es im Fall einer anderweiten Nichtigkeit des Abkommens über eine Sacheinlage (etwa wegen Formmangel oder anfanglicher Unmöglichkeit) bei dieser Nichtigkeit sein Bewenden hat (Anm. 1 5 , 16).

Anm. 32 VI. Heilung eines Verstoßes. Die Frage nach der Möglichkeit einer Heilung des Verstoßes gegen die Vorschriften über die Festsetzung der Sacheinlage und Sachübernahme war nach dem früheren Recht lebhaft umstritten und Gegenstand zahlreicher Auffassungen. Die Frage war nach der damaligen gesetzlichen Regelung kaum zu lösen (vgl. über den Stand der damaligen Meinungen Vorauf!. Anm. 19 und R G 167, i n ) . Das AktGes. hat nunmehr diesen Fragenkomplex völlig neu geregelt und damit die alten Streitfragen endgültig erledigt. Das AktGes. läßt nunmehr eine Heilung des Verstoßes durch eine Nachgründung zu. Es hat die früheren Bedenken gegen diesen Weg dadurch ausgeräumt, daß es auch f ü r die Nachgründung eine Prüfung durch Prüfungsgründer und zudem Eintragung des Vertrages ins Handelsregister vorgeschrieben hat ( § 4 5 Abs. 3, 5, 6, 7). Nach § 45 Abs. 9 ist die Wirksamkeit der Nachgründung nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine vorangegangene Vereinbarung der Gründer über denselben Gegenstand nach § 20 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. So kann eine Sachübernahme geheilt und eine beabsichtigte Sacheinlage durch eine Sachübernahme ersetzt werden. Die Gläubiger der A G erscheinen damit genügend gesichert. Die Neuvornahme heilt allerdings auch dann, wenn sie erst nach mehr als zwei J a h r e n seit der Eintragung der A G vorgenommen wird (§ 45 Abs. 9), wobei dann die Sicherungen der Nachgründung wegfallen. Alsdann erscheinen sie aber auch entbehrlich, weil die A G schon längere Zeit besteht und ihre Kapitalgrundlage dem Werte nach nicht verändert wird. Ein Anspruch auf Mitwirkung bei der Heilung läßt sich auf die unwirksam getroffene Abrede (Anm. 27) nicht gründen, es bedarf dazu beiderseitiger Bereitwilligkeit (a. M . Baumbach-Hueck Anm. 5 B).

Anm. 33 Dagegen hat das AktGes. nunmehr den von der Rechtsprechung des Reichsgerichts als Notbehelf eingeschlagenen Weg einer Heilung durch Satzungsänderung ausgeschlossen. Nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann d i e U n wirksamkeit nicht mehr durch Satzungsänderung geheilt werden. Die Heilung durch Satzungsänderung ist also nur noch vor der Eintragung möglich (§ 16 Anm. 20). I n diesem Fall entsteht die A G schon mit der abgeänderten Satzung. Es müssen vor der Eintragung aber auch die übrigen Sicherungen nachgeholt werden, die f ü r Festsetzungen nach § 20 vorgeschrieben sind: Gründungsbericht nach § 24 Abs. 2, Prüfung durch Gründungsprüfer, Vorstand und Aufsichtsrat (§ 25 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 26 Abs. 1 Nr. 1), Beifügung der Verträge (§ 29 Abs. 2 Nr. 2). Bei der Stufengründung sind die Vorschriften zu beachten, die Festsetzungen nach § 20 betreffen (§ 30 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 9, 10).

Anm. 34

Wegen der Bedeutung dieser Neuregelung (Anm. 32) f ü r die Heilung von vergangenen Verstößen bestimmt § 4 E i n f G , daß § 45 Abs. 9 auch f ü r Verträge gilt, die v o r d e m 1. J a n u a r 1937 g e s c h l o s s e n worden sind, und daß die Kosten eines anhängigen Rechtsstreits, der dadurch seine Erledigung findet, vom Gericht nach billigem Ermessen zu verteilen sind. Vgl. R G 167, 108 und die Erläuterungen zu § 4 E i n f G , ferner Anm. 16 zu § 45.

Anm. 35 VII. Änderung der getroffenen Festsetzungen. 1. Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage: § 145 Abs. 3 läßt die

Änderung einer Sacheinlagefestsetzung im Wege der Satzungsänderung zu. Hierzu

138

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 20 A n m , 36, 3 7 § 21 Anm. 1 , 2

gehört die Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage. Die früher möglichen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer solchen Umwandlung sind heute angesichts der Vorschrift des § 145 Abs. 3 nicht mehr gerechtfertigt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 20; Ritter Anm. 2 k ; Baumbach-Hueck Anm. 4 B ; ebenso f ü r die G m b H K G J W 1 9 3 7 , 3 2 1 ; Scholz § 5 Anm. 30). Allerdings ist bei einer solchen Umwandlung zu beachten, daß diese nicht zu einer teilweisen Befreiung des einlagepflichtigen Aktionärs von seiner Leistungsverpflichtung führt (§ 60). Daher muß in jedem Fall die Bareinlage, falls die Sacheinlage tatsächlich einen höheren Wert gehabt hat, auch diesem höheren Wert entsprechen. Den Gläubigern darüber hinaus auch noch einen unentziehbaren Anspruch darauf zuzubilligen, daß die in der Satzung angegebene Vermögensgrundlage nicht nur mit ihrem Wert, sondern auch mit den angeführten Vermögensgegenständen wirklich vorhanden ist (so v. Godin-Wilhelmi Anm. n ) , ist nicht gerechtfertigt. Wie das Kammergericht ( J W 1937, 3 2 1 ) mit Recht hervorhebt, mögen die Gläubiger zwar ein Interesse an der Erhaltung einer Sacheinlage haben, ein Anspruch darauf steht ihnen aber nicht zu, so wie sie auch nicht verhindern können, daß die Gesellschaft die Vermögensgegenstände veräußert, die den Gegenstand einer Sacheinlage gebildet haben.

A n m . 36 Die Satzungsänderung setzt in jedem Fall d i e Z u s t i m m u n g d e s e i n l a g e p f l i c h t i g e n A k t i o n ä r s voraus, weil die Satzungsänderung zugleich eine Änderung des Einbringungsvertrages in sich schließt und diese nicht ohne Zustimmung des betreffenden Aktionärs erfolgen kann (Ritter Anm. 2 k). Im übrigen ist eine solche Änderung erst nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 44 zulässig (§ 145 Abs. 3).

A n m . 37 2. U m w a n d l u n g e i n e r B a r e i n l a g e i n e i n e S a c h e i n l a g e . Sie ist nicht zulässig. Auch § 145 Abs. 3 bietet f ü r eine solche Umwandlung keine geeignete Grundlage, da diese Vorschrift nur die Änderung rechtswirksam getroffener Festsetzungen über Sacheinlagen gestattet. Eine solche Umwandlung würde zudem mit der zwingenden Schutzvorschrift des § 20 in Widerspruch stehen, weil dann auch eine Bareinlagepflicht, die wegen Unwirksamkeit des Sacheinlagevertrages gemäß Abs. 2 Satz 2 entstanden ist, durch eine einfache Satzungsänderung in eine Sacheinlagepflicht geändert werden könnte (allg. Ansicht).

§ 3 1 Gründer Die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben, sind die G r ü n d e r der Gesellschaft. Bei der Stufengründung sind G r ü n d e r auch die Aktionäre, die Sacheinlagen machen, ohne sich an der Feststellung der Satzung beteiligt zu haben. Anm. 1 Die Vorschrift bestimmt im Einklang mit § 187 H G B den B e g r i f f d e r G r ü n d e r . Dieser Begriff ist f ü r mehrere andere Vorschriften, insbesondere f ü r die Frage nach der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Haftung, von Bedeutung (z. B. § 24, § 25 Abs. 2 Nr. 1, § 128 Abs. 2 Nr. 1 , §§ 39, 295; vgl. § 2 Anm. 6).

Anm. 2 Das Gesetz unterscheidet z w e i G r u p p e n v o n G r ü n d e r n . Z u r e r s t e n Gruppe gehören diejenigen Aktionäre, die die S a t z u n g f e s t g e s t e l l t haben. Da es Aktionäre sind, so muß jeder auch mindestens eine Aktie übernommen haben. Personen, die sich etwa sonst noch — überflüssigerweise — an der Feststellung der Satzung beteiligen, ohne Aktien zu übernehmen, gehören nicht zu den Gründern (§ 2 Anm. 6). Z u den Gründern dieser Gruppe gehören sowohl diejenigen, welche die Satzung festgestellt haben und Bareinlagen machen, als auch diejenigen, welche die Satzung festgestellt haben und

139

§ 21 A n m . 3 — 5 §22

I. Buch: Aktiengesellschaft

Sacheinlagen machen. Es gehören dazu ferner diejenigen, welche bei einer noch vor der Eintragung einstimmig vorgenommenen Kapitalserhöhung oder anderen Satzungsänderung die abgeänderte Satzung festgestellt und — sei es mit Bareinlage, sei es mit Sacheinlage — Aktien übernommen haben ( K G O L G E 43, 300). Sind bei der Feststellung der ursprünglichen oder der vor der Eintragung einstimmig angenommenen Satzung alle Aktien übernommen worden, so liegt der Fall der Einheitsgründung vor (§ 2 Anm. 6).

Anm. 3 Die z w e i t e Gruppe von Gründern bilden diejenigen Aktionäre, welche, ohne an der Feststellung der ursprünglichen oder der vor der Eintragung einstimmig abgeänderten Satzung beteiligt gewesen zu sein, S a c h e i n l a g e n machen. Dieser Fall kann nur vorkommen, wenn die Aktionäre, von denen die ursprüngliche oder die vor der Eintragung einstimmig abgeänderte Satzung festgestellt worden ist, nicht alle Aktien übernommen haben, also bei der Stufengründung. Das AktGes. hat das ausdrücklich klargestellt, ohne sachlich von § 187 H G B abzuweichen. Über die Form der Teilnahme dieser Gründergruppe an der Stufengründung s. § 30 Anm. 18.

Anm. 4 A n d e r e P e r s o n e n s i n d n i c h t G r ü n d e r , also namentlich nicht diejenigen, von denen im Fall der Sachübernahme (§ 20 Anm. 22) die A G Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände erwirbt. Eine Verantwortlichkeit f ü r den Gründungshergang kann aber auch solche „Gründergenossen" nach § 40 treffen. Vgl. auch § 39 Abs. 5.

Anm. 5 Ü b e r die Gründer s. im übrigen § 2 Anm. 5fr. A n die Stelle v e r s t o r b e n e r G r ü n d e r treten ihre Erben nach § 1922 B G B (a. M . v. Godin-Wilhelmi § 22 Anm. 10), vor der Entstehung der A G jedoch nur dann, wenn die errichtete Gesellschaft nicht durch den T o d aufgelöst wird (§ 22 A n m . 1 1 ) .

§ 2 2

Errichtung der G e s e l l s c h a f t (1) Mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer ist die Gesellschaft errichtet. (2) Übernehmen die Gründer Aktien, die sie bei der Feststellung der Satzung noch nicht ü b e r n o m m e n haben, so bedarf es gerichtlicher oder nötarischer Beurkundung. In der Urkunde sind der Nennbetrag, der Ausgabebetrag und, w e n n mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der von j e d e m Beteiligten ü b e r n o m m e n e n Aktien anzugeben. Ü b ersieht Anm.

Einleitung I. Die Errichtung der Gesellschaft 1. Die rechtliche Natur des Errichtungsakts 2. Die Rechtsnatur der errichteten Gesellschaft . . . 3. Die rechtliche Behandlung der errichteten Gesellschaft a) Firmenschutz und Namensschutz b) Parteifähigkeit und Konkursfähigkeit . . .

140

3—5

Anm.

c) Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften

9

d) Die Haftung aus Rechtsgeschäften und aus unerlaubter H a n d l u n g . .

10

e) Anfechtung und Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages

11

f ) Änderung der Satzung

12

g) Die Beendigung der errichteten Gesellschaft . 1 3 , 14

2. T e i l : G r ü n d u n g der Gesellschaft (Fischer)

§ 22 A n m . 1, 2 Anm.

Anm.

I I . Die B e u r k u n d u n g einer späteren Ü b e r n a h m e von Aktien 1. Die nachträgliche Ü b e r n a h m e von Aktien . . . 2. Die B e u r k u n d u n g der nachträglichen Ü b e r n a h m e von Aktien

3. Der I n h a l t der dung 15

Beurkun-

I I I . Rechtsverhältnis zwischen den G r ü n d e r n bei der Stufengründung

17

18

16

Anm. 1 Die Vorschrift stimmt i m wesentlichen mit § 188 H G B überein. Sie bertifft den Fall der E i n h e i t s g r ü n d u n g i m Gegensatz zur S t u f e n g r ü n d u n g (§ 30). U n t e r den „ G r ü n d e r n " sind hier n u r diejenigen Aktionäre zu verstehen, die die Satzung festgestellt h a b e n , nicht auch die in § 2 1 Satz 2 G e n a n n t e n . D e n n diese sind (Mit-) G r ü n d e r „ b e i der S t u f e n g r ü n d u n g " , wo die Gesellschaft nicht in der F o r m des § 22, sondern in der des § 30 „ e r r i c h t e t " wird. Einheitsgründung liegt d a n n vor, w e n n diejenigen G r ü n d e r , welche die Satzung feststellen, auch alle Aktien ü b e r n e h m e n , gleichviel o b mit Zusage von Bar- oder Sacheinlagen (§ 2 A n m . 6, § 21 A n m . 2). Beteiligt sich, wie es häufig geschieht, a n der Feststellung der Satzung mit Zusage von Bareinlagen im eigenen N a m e n ein Bankhaus oder eine Mehrheit von Bankhäusern (Konsortium), die ihrerseits d e m P u b l i k u m die Aktien anbieten, so fällt a u c h das unter den Begriff der Einheitsgründung, vorausgesetzt, d a ß dabei alle Aktien ü b e r n o m m e n werden. W e r d e n von den G r ü n d e r n nicht alle Aktien ü b e r n o m m e n , so k o m m t es zur S t u f e n g r ü n d u n g nach § 30; die Gesellschaft wird alsdann in einer v o m Richter geleiteten H a u p t versammlung errichtet (§ 30 Abs. 6). Anm. 2 I. D i e E r r i c h t u n g d e r G e s e l l s c h a f t . 1. D i e r e c h t l i c h e N a t u r d e s E r r i c h t u n g s a k t s : M i t der Ü b e r n a h m e aller Aktien d u r c h die G r ü n d e r tritt die Gesellschaft in ein Stadium, welches das Gesetz d a m i t kennzeichnet, d a ß die Gesellschaft damit als „ e r r i c h t e t " gilt. Die Errichtung der A G ist nicht mit d e m Abschluß eines wirksamen Vorgründungsvertrages (§ 16 A n m . 22 ff.) zu verwechseln. Dieser ist ein V e r t r a g zwischen d e n zukünftigen Gesellschaftern, in d e m diese sich zur G r ü n d u n g einer A G gegenseitig verpflichten. Dieser Vertrag, der stets die Bildung einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft z u m Gegenstand hat, findet mit der Entstehung der A G ihr Ende, wobei diese bürgerlichrechtliche Gesellschaft mit der späteren A G nicht identisch ist (§ 16 A n m . 26). Die Errichtung der A G hingegen ist etwas anderes; sie ist bei der Entstehung der A G ein notwendiger u n d besonderer Abschnitt, d e m auch eine besondere rechtliche Wirksamkeit z u k o m m t . Die A G ist aber mit der E r r i c h t u n g noch nicht „ e n t s t a n d e n " , d. h. als Rechtspersönlichkeit v o r h a n d e n . Sie entsteht erst mit der E i n t r a g u n g (§ 34). W e n n Ritter A n m . 2 d e m Errichtungsakt keinen rechtlichen Eigenwert z u m i ß t (ähnlich a u c h B r o d m a n n § 200 A n m . 1 a) u n d die Bedeutung des Abs. 1 n u r in einer Erl ä u t e r u n g des in § 31 Abs. 1 gebrauchten Wortes „ e r r i c h t e t " erblickt, so k a n n d e m nicht gefolgt werden (vgl. a u c h v. Godin-Wilhelmi A n m . 8). M i t der E r r i c h t u n g der Gesellschaft ist diese als eine w e r d e n d e A G bereits v o r h a n d e n . O b der Vergleich des Reichsgerichts ( R G 105, 228) mit d e m nasciturus das Richtige zutreffend z u m Ausdruck bringt, m a g zweifelhaft sein (vgl. dazu kritisch K u h n W M Sonderbeilage 5 / 1 9 5 6 S. 5). Jedenfalls sind schon in diesem Stadium f ü r die Gesellschaft u n d z u m Schutz der Gesellschaft ihre Verwaltungsorgane, der Aufsichtsrat u n d der Vorstand, zu bestellen (§ 23)> es sind die in § 28 Abs. 2 genannten Teilbeträge der Bareinlagen der Gesellschaft zu leisten (§ 49 Abs. 3), u n d es k a n n in diesem Zeitpunkt auch schon die Mitteilung g e m ä ß § 25 Abs. 2 H G B ergehen, d a ß die A G Verbindlichkeiten oder F o r d e r u n g e n eines von ihr erworbenen Handelsgeschäfts, das sie u n t e r der bisherigen F i r m a fortf ü h r e n werde, nicht ü b e r n o m m e n h a b e ( R G 131, 30).

141

§22 Anm. 3, 4

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 3 2. Die Rechtsnatur der errichteten Gesellschaft: Diese ist in Rechtsprechung und Schrifttum lebhaft umstritten. Zunächst wurden vornehmlich zwei Auffassungen vertreten. Die eine von diesen geht dahin, daß mit der Errichtung der Gesellschaft unter den Gründern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts entstehe, wobei diese Gesellschaft die Entstehung der AG zum Ziele habe und die Gesellschafter demgemäß verpflichtet seien, zur Erreichung dieses Zwecks mitzuwirken (RG 58, 56; 82, 290; 83. 373! 87,249; 105,229; 131,31; 144, 356; 151, 91; KGJ 40 A 68; OLG Tübingen DRZ 1950, 18; ebenso Vorauf!.; Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 12; Brodmann § 200 Anm. i a ; Wieland Handelsrecht II S. 73; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Teichmann-Koehler §16 Anm. 2 a; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9; Scholz J W 1938, 3149 ff.; Gadow IherJ 87,248; Lobedanz Einfluß von Willensmängel auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte 1938 S. 133). Demgegenüber geht die andere Ansicht davon aus, daß die errichtete Gesellschaft entsprechend ihrem Wesen als eine werdende Korporation körperschaftlichen Charakter habe und daher als nichtrechtsfähiger Verein angesprochen werden müsse (Rud. Fischer Ehrenb. Hbd. III 1 S. 109; Baumbach-Hueck Anm. 2; Lehmann Gesellschaftsrecht S. 188; Haupt-Reinhardt Gesellschaftsrecht S. 117; Heymann IherJ 75,417; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 189; Baur DRZ 1950, 10; BayerJZ 1952,552; ähnlich auch Staudinger-Coing §54 Anm. 72). Wenn angesichts dieses Meinungsstreits gelegentlich geäußert wird (vgl. Baumbach-Hueck a. a. O.), daß dieser für die praktische Rechtsanwendung keine allzu große Bedeutung habe, weil in beiden Fällen die Vorschriften der §§ 705 fr. BGB, nämlich entweder unmittelbar oder auf dem Wege über § 54 Satz 1 BGB, Anwendung finden, so erscheint das nicht richtig (zustimmend Ganssmüller GmbH.Rdsch. 1955, 211). Praktisch bedeutsame Unterschiede ergeben sich bei der Frage nach einem etwaigen Namensschutz für die errichtete Gesellschaft, nach ihrer passiven Parteifähigkeit und ihrer Konkursfähigkeit sowie nach einer etwaigen Anwendung des § 31 BGB, der nach wohl zutreffender Ansicht auch für den nichtrechtsfähigen Verein (vgl. etwa RGRK BGB § 54 Anm. 6 m. w. N.), aber auf keinen Fall für die bürgerlichrechtliche Gesellschaft gilt. Die Bedeutsamkeit dieses Meinungsstreits wird für die praktische Rechtsanwendung noch stärker, wenn für Rechnung der errichteten Gesellschaft bereits in diesem Stadium ein als Sacheinlage eingebrachtes Handelsgeschäft geführt wird und sich damit der Zweck der errichteten Gesellschaft nicht nur auf die Entstehung der künftigen AG, sondern auch auf die vorläufige Führung des eingebrachten Geschäfts während dieses Zeitraums bezieht. In diesem Fall erscheint eine vor allem neuerdings vielfach vertretene Ansicht, daß nämlich die bürgerlichrechtliche Gesellschaft in Wahrheit eine offene Handelsgesellschaft sei (so OLG Frankfurt NJW 1947/48, 429; Scholz § 2 Anm. 10 a. E.; Merkert BB 1951, 322; OLG Celle NJW 1951,36; OLG Hamburg Betr. 1952,460; LAG Mannheim J Z 1952, 436; LAG Stuttgart Betr. 1954, 107; BGHSt. 3, 26; OLG Oldenburg BB 1955, 713; ähnlich Schultze-v. Lassaulx JZ 1952,390; dagegen eingehend Otto BB 1954, 573f.), nur folgerichtig. Dann führt aber die Annahme, daß die errichtete Gesellschaft eine offene Handelsgesellschaft sei, notwendigerweise zu der unbeschränkten Haftung aller Gesellschafter (§128 HGB), während bei der Annahme eines nichtrechtsfähigen Vereins grundsätzlich nur von einer beschränkten Haftung der nicht handelnden Gesellschafter auszugehen ist. Anm. 4 Der grundsätzliche Ausgangspunkt all dieser Meinungen, daß nämlich die errichtete Gesellschaft einer bestimmten Type des bürgerlichen Rechts oder des Handelsrechts unterzuordnen sei, erscheint unrichtig. Das wird besonders offenbar, wenn man sich vor Augen hält, daß die Vertreter dieser Meinungen der gleichen Ansicht für die werdende GmbH und für die werdende Genossenschaft sind. Es kann nicht richtig sein, diese verschiedenartigen Gebilde rechtlich gleich zu behandeln und damit die wesentlichen Unterschiede ihrer Gestaltungs- und Organisationsformen außer acht zu lassen. Es ist daher auch kein Zufall, daß selbst einige Vertreter dieser Meinungen der Auffassung sind, daß sich die Eigenart der werdenden AG nicht durchweg in 142

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§22

Anm. 5

eine bestimmte Form pressen lasse (Wieland Handelsrecht I I S. 73 Anm. 16) und daß demgemäß die anzuwendenden Vorschriften ohnehin abgewandelt und dem besonderen Zweck der Gründungsvereinigung angepaßt werden müßten (Hueck Gesellschaftsrecht S. 1 1 8 ; ähnlich auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 9, § 34 Anm. I und namentlich § 2 7 Anm. 5, wo sie die Möglichkeit bejahen, daß die errichtete Gesellschaft Schuldnerin und demgemäß auch Vollstreckungsschuldnerin sein kann; vgl. auch die Begründung, mit der in R G 82, 290 die Anwendung des § 728 B G B abgelehnt wird). Die genannten Typen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts sind als in sich fertige, endgültige Rechtsformen geregelt, und ihre Anwendung auf die errichtete A G läßt gerade das entscheidende Merkmal der werdenden A G , ihren noch unfertigen, nur vorläufigen, also nicht endgültigen Zustand, außer acht (vgl. Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1924 S. 65). Daher ist es auch rechtlich nicht möglich, die werdende A G in eine dieser fertigen Organisationsformen einzuordnen und damit womöglich ihre besondere Eigenart völlig unberücksicht zu lassen. Es erscheint vielmehr, will man nicht dem Begriffsschema und der begrifflichen Zuordnung einen bedenklichen Eigenwert zubilligen, allein richtig, die werdende A G rechtlich als das zu sehen und rechtlich als das zu behandeln, was sie ist, nämlich als eine nicht eingetragene A G , d. h. eine A G abzüglich derjenigen Eigenschaften, die erst durch die Eintragung erworben werden, also als einen Verband, auf den alle Rechtssätze über die A G Anwendung finden mit Ausnahme derjenigen, die durch die Eintragung bedingt sind, und derer, die durch andere Vorschriften besonders ersetzt sind (so Feine Ehrenb.

Hdb. III 3 S. 201). Das bedeutet, daß die werdende A G nicht einer bestimmten Vereinigungsform des bürgerlichen Rechts oder des Handelsrechts zugeordnet werden kann, sondern daß sie grundsätzlich dem f ü r ihre Organisationsform geltenden Sonderrecht untersteht, wobei die besondere Lage, der noch unfertige und noch nicht endgültige Zustand der werdenden A G , eine besondere Berücksichtigung erfordert (ebenso außer Schreiber a. a. O. und Feine a. a. O. B G H 20, 2 8 1 ; 2 1 , 242; HachenburgSchilling § 1 1 Anm. 2 ; Würdinger Gesellschaften I I S. 86; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 69 ff.; Mentzel-Kuhn K o m m K O § 207 Anm. 1 ; Paul N J W 1 9 4 7 / 4 8 , 4 1 9 ; Ganssmüller G m b H Rdsch. 1953, n 6 f F . ; 1 9 5 5 , 2 1 0 ; E r m a n Z i v A 152, 284; Schnorr Arb. u. R . 1953, 68; Kalter Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1955, 4 1 ; K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S . 3 ; vgl. auch § 30 A n m . 2 8 ) .

Anm. 5 Diese rechtliche Beurteilung bedarf jedoch noch einer Ergänzung. Es kommt namentlich bei der Gründung einer G m b H — bei der Gründung einer A G sind diese Fälle wohl selten — immer wieder vor, daß vor der Eintragung der G m b H nicht nur der volle Geschäftsbetrieb namens der in der Gründung befindlichen G m b H im vollen Umfang aufgenommen wird, sondern daß sich der G e s c h ä f t s b e t r i e b in dieser Form auch zu einem D a u e r z u s t a n d entwickelt. In Fällen dieser Art ist es nicht möglich, von einer Anwendung der Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft Abstand zu nehmen, es also insbesondere zuzulassen, daß ein solcher Geschäftsbetrieb grundsätzlich unter einer beschränkten Haftung der Beteiligten (Anm. 1 0 ; § 34 Anm. 19, 2 1 ) durchgeführt wird. Denn anderenfalls könnte die zwingende Vorschrift des § 128 H G B über die unbeschränkte persönliche Haftung eines jeden Gesellschafters einer O H G allzu leicht umgangen werden. Auch würden auf diesem Wege die bei der Gründung einer A G (oder G m b H ) einzuhaltenden Schutzvorschriften zugunsten der Gesellschaftsgläubiger praktisch gegenstandslos werden. Insoweit, aber auch nur insoweit ist den Ausführungen von Schultze-v. Lassaulx J Z 1952, 390 daher durchaus zuzustimmen. Der Bundesgerichtshof hat diesem Rechtsgedanken in der Form Ausdruck gegeben, daß er eine Anwendung des § 128 H G B dann bejaht, wenn die Gründer bei der Führung ihres Geschäftsbetriebs die Rechtsform der von ihnen ins Auge gefaßten juristischen Person m i ß b r a u c h e n ( B G H 20, 281 mit Anm. bei Lind.-Möhr. Nr. 3 zu § 1 3 G e n G ; K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S. 16 f.; im Ergebnis ähnlich, wenngleich mit gewissen Abweichungen, auch untereinander Hachenburg-Schilling § 1 1 Anm. 1 5 ; BaumbachHueck Anm. 2 ; Dregger GmbHRdsch. 1952, 1 8 7 ; Ganssmüller GmbHRdsch. 1953, 129/30).

143

§22

Anm. 6—8

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 6 3. Die rechtliche Behandlung der errichteten Gesellschaft: Besondere Bedeutung erhält die Frage nach der rechtlichen Behandlung der errichteten Gesellschaft, wenn f ü r Rechnung der Gesellschaft ein als Sacheinlage eingebrachtes Handelsgeschäft geführt und damit schon in diesem Stadium eine umfangreiche Tätigkeit f ü r die werdende Gesellschaft entfaltet werden muß. Es erscheint nicht angängig, in einem solchen Fall bei der rechtlichen Behandlung der errichteten Gesellschaft von dieser besonderen Aufgabe und diesem Tätigkeitsbereich abzusehen. Der Zweck der Gesellschaft beschränkt sich in einem solchen Fall nicht nur auf die Entstehung der rechtsfähigen A G , sondern er umfaßt a u c h den Betrieb des eingebrachten Handelsgeschäfts, soweit dieser ohne entscheidende Einbußen in der Zwischenzeit nicht still liegen kann (dazu auch § 34 Anm. 12). Bei einer solchen Sachlage ergeben sich sodann im einzelnen f ü r die errichtete Gesellschaft nachstehende Rechtsfragen:

Anm. 7 a) F i r m e n s c h u t z u n d N a m e n s s c h u t z : Die werdende A G ist noch kein K a u f mann, da diese Eigenschaft bei ihr die Rechtsfähigkeit voraussetzt. Sie kann deshalb auch noch keinen Firmenschutz genießen. Es erscheint nicht möglich, einen solchen Schutz unter Berücksichtigung der Vorschriften über die O H G zu bejahen, weil hierbei der grundsätzliche Unterschied zwischen der werdenden A G , die ihrerseits allein — nicht ihre Gründer — K a u f m a n n werden soll, und der Personenverbindung in Gestalt der O H G , bei der die Gesellschafter die Kaufleute sind, übersehen werden würde. Andererseits erscheint es aber nicht ausgeschlossen, der werdenden A G in diesem Stadium wenigstens einen Namensschutz zu gewähren. Das Gesetz (§ 34 Abs. 2) sieht selbst vor, daß bereits vor der Entstehung der rechtsfähigen A G in ihrem Namen Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden, daß sie also am Rechtsverkehr teilnimmt. D a sie in diesem Zeitpunkt schon eine Organisationsform mit eigenen Verwaltungsorganen (vgl. § 23) besitzt, die einen körperschaftsrechtlichen Charakter aufweist, und da der Namensschutz, wie der nichtrechtsfähige Verein lehrt ( R G 78, 1 0 1 ) , nicht die Rechtsfähigkeit der fraglichen körperschaftsrechtlichen Vereinigung voraussetzt, so steht einer Anerkennung des Namensschutzes nichts entgegen (ebenso Feine Ehrenb. Hdb. I I I 3 S. 202; Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1924 S. 67).

Anm. 8 b) P a r t e i f ä h i g k e i t u n d K o n k u r s f ä h i g k e i t : D i e a k t i v e P a r t e i f ä h i g k e i t ist im Recht der Personenvereinigungen grundsätzlich an die Rechtsfähigkeit der betreffenden Personenvereinigung gebunden. Die f ü r die Personalhandelsgesellschaften geltende Ausnahme ist durch die besondere Wirksamkeit dieser Gesellschaften im Handelsverkehr bedingt und wesentlich davon abhängig, daß sie eine fertige Personenvereinigung ist und ihr Auftreten im Handelsverkehr f ü r die Dauer bestimmt ist. Daher kann der werdenden A k t G die aktive Parteifähigkeit nicht zugesprochen werden. Dasselbe muß f ü r die G r u n d b u c h f ä h i g k e i t und die W e c h s e l f ä h i g k e i t gelten; auch sie stehen der werdenden A G nicht zu. Anders ist es mit der p a s s i v e n P a r t e i f ä h i g k e i t . Hier bietet die Vorschrift des § 50 Abs. 2 Z P O einen geeigneten Anknüpfungspunkt. Aus dem gleichen Grund wird man die K o n k u r s f ä h i g k e i t der werdenden A G bejahen können (vgl. § 2 1 3 K O ) , wofür sich im übrigen bei den werdenden Kapitalgesellschaften und Genossenschaften wiederholt ein praktisches Bedürfnis ergeben hat. Daß der Gesetzgeber insoweit eine ausdrückliche Vorschrift nicht aufgenommen hat, ist entgegen der Auffassung von K u h n ( W M Sonderbeilage 5/1956 S. 8) sicherlich kein ausreichendes Gegenargument. Denn der Gesetzgeber hat nun einmal — leider — eine ausreichende Regelung der Vorgesellschaft überhaupt unterlassen (§ 34 Anm. 2). Das kann aber kein Grund sein, diese notwendige — von K u h n jedenfalls auch als wünschenswert bezeichnete — Folgerung nicht zu ziehen (wie hier Feine a. a. O. S. 202; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 79; Ganssmüller GmbHRdsch. 1953, 1 1 7 ; derselbe GmbHRdsch. 1955, 2 1 0 ; Kalter Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1955, 41 und jedenfalls diejenigen, die

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 22 Anm. 9,10

in der werdenden AktG einen nichtrechtsfähigen Verein oder eine OHG erblicken (vgl. Anm. 3); verneinend hinsichtlich der passiven Parteifahigkeit und der Konkursfähigkeit Schreiber a. a. O. S. 67, 76). Anm. 9 c) Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften: Zweifelhaft mag es erscheinen, ob auf die Rechtsgeschäfte, die namens und für Rechnung der werdenden AG im Rahmen des eingebrachten Handelsgeschäfts abgeschlossen werden, die Vorschriften des Handelsrechts, insbesondere die Bestimmungen der §§ 343 ff. HGB Anwendung finden. Schreiber a. a. O. S. 7of. und Feine a. a. O. S. 204 bejahen diese Frage; sie meinen, die Geschäfte eines werdenden Formkaufmanns müßten ebenfalls als Handelsgeschäfte gelten. Das ist aber wohl doch bedenklich, weil die Kaufmannseigenschaft der AG in engen Zusammenhang mit der Rechtspersönlichkeit der AG steht. Für die Frage nach dem Vorliegen eines Handelsgeschäfts ist nicht der Charakter des Geschäfts oder der Wille der Vertragschließenden, sondern allein die persönliche Eigenschaft der Vertragspartner entscheidend. Diese Beurteilung führt auf den engen Zusammenhang zwischen der Kaufmannseigenschaft der AG und ihrer Rechtspersönlichkeit zurück, so daß man eine Anwendung der Vorschriften der §§ 343 fr. HGB auf die Rechtsgeschäfte, die namens und für Rechnung der AG im Rahmen des eingebrachten Handelsgeschäfts abgeschlossen werden, nicht wird bejahen können. Das gleiche gilt sodann auch für die Frage, ob in diesem Stadium bereits eine Prokura oder eine Handlungsvollmacht erteilt werden kann; auch diese Frage ist zu verneinen (so die herrsch. Ansicht im Schrifttum; anders auch hier Schreiber a. a. O. und Feine a. a. O.). Dagegen wird man in diesem Stadium bereits die Pflicht zur Buchführung annehmen müssen (im Ergebnis ebenso BGHSt. 3, 26); denn wenn es zu den Aufgaben des Vorstands gehört, schon im Gründungsstadium das eingebrachte Handelsgeschäft für Rechnung der Gesellschaft zu führen, dann muß wegen des engen Zusammenhangs mit dieser Aufgabe dazu auch die Buchführung gerechnet werden (Kalter Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1955, 41). A n m . 10 d) Die Haftung aus Rechtsgeschäften und aus unerlaubter Handlung: Eine unmittelbare Verpflichtung der AG aus Rechtsgeschäften, die namens der werdenden AG abgeschlossen werden, tritt nur in besonderen Fällen ein (dazu § 34 Anm. 7 ff., insbesondere 11/13). Eine unmittelbare Verpflichtung der AG aus einer unerlaubten Handlung, die ein Vorstandsmitglied im Gründungsstadium bei Ausübung der ihm zustehenden Verrichtungen begangen hat, kann nicht eintreten; eine entsprechende Anwendung des § 31 BGB, wie sie auf den nichtrechtsfähigen Verein wohl möglich ist (vgl. R G R K BGB § 31 Anm. 6 m. w. N.), ist nicht zulässig (RG 154, 286; BaumbachHueck § 34 Anm. 2 C; Hachenburg-Schilling § 11 Anm. 6a; vgl. auch § 30 Anm. 5; a. M. Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 82/83; MüllerErzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 189; Ganssmüller GmbHRdsch. 1953, 119 Anm. 19). Sie kann allenfalls nur in Betracht kommen, wenn sich die AG nach ihrer Entstehung den Zustand zu eigen macht, den vor ihrer Entstehung der Vorstand durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung geschaffen hat, wenn also der Vorstand das schadenstiftende Verhalten nach der Eintragung der AG fortsetzt (RG 151, 90). Die Frage, in welchem Umfang die nicht handelnden Gesellschafter durch Rechtsgeschäfte des Vorstands verpflichtet werden, stellt sich für den Fall, daß die werdende AG nicht zur Entstehung gelangt. Da der Vorstand Vertretungsbefugnis besitzt und sich diese im Gründungsstadium auf eine Vertretung der Gründer erstreckt, so kann die Möglichkeit einer Verpflichtung der nicht handelnden Gesellschafter durch den Vorstand nicht zweifelhaft sein. Fraglich erscheint es nur, in welchem Umfang eine Verpflichtung dieser Gesellschafter eintritt, ob sie nämlich wie bei der OHG unbeschränkt oder ob sie wie bei einem nichtrechtsfähigen Verein nur beschränkt verpflichtet werden. Unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der werdenden AG und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich die Gesellschafter 10

Aktiengesetz, 2. AufL

145

§22 A n m . 11—13

I. Buch: Aktiengesellschaft

durch die Gründung einer Kapitalgesellschaft offensichtlich nur in Höhe ihrer Einlage — also beschränkt — binden wollen, wird man hier die für den nichtrechtsfähigen Verein herausgebildeten Grundsätze einer g r u n d s ä t z l i c h n u r b e s c h r ä n k t e n H a f t u n g ihrer Mitglieder heranzuziehen haben. Die Vertretungsmacht des Vorstandes ist also insoweit beschränkt (Feine Ehrenb. Hdb. I I I 3 S. 205; Gadow IherJ 87, 250; TeichmannKoehler § 34 Anm. 4 ; Paul N J W 1947/48, 418; Ganssmüller GmbHRdsch. 1953, 119; 1955, 228; Otto BB 1954, 572; a. M. Ritter § 34 Anm. 4 d ; Heymann IherJ 75, 418 und naturgemäß alle diejenigen, die in der errichteten AktG, in deren Namen und für deren Rechnung ein eingebrachtes Handelsgeschäft geführt wird, eine O H G erblicken, vgl. dazu Anm. 3). — Etwas anderes gilt dann, wenn nicht namens der in der Gründung befindlichen Gesellschaft, sondern namens der Gründer persönlich gehandelt wird (vgl. dazu B G H 15, 206).

Anm. 11 e) Anfechtung u n d Nichtigkeit des G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g e s : Die herrschende Ansicht im Schrifttum nimmt an, daß bis zur Eintragung der A G Willensmängel oder sonstige Nichtigkeitsgründe bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts geltend gemacht werden können (Vorauf!. Anm. 7; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 ; Teichmann-Koehler § 16 Anm. 2 a). Das ist jedoch nicht zutreffend. Ist im Gründungsstadium die Führung eines eingebrachten Handelsgeschäfts für Rechnung der Gesellschaft aufgenommen worden, so müssen schon in diesem Stadium die in der Rechtsprechung entwickelten und im Schrifttum anerkannten Grundsätze über die faktische Gesellschaft Anwendung finden. Es kann also in diesem Fall die Auflösung des Rechtsverhältnisses nur nach Maßgabe dieser Grundsätze erfolgen (BGH 13, 320; R o b . Fischer J Z 1 9 5 4 , 4 2 7 ; Ganssmüller GmbHRdsch. 1955, 173; Baumbach-Hueck Übers, vor § 16 Anm. 1 B), und es muß sich daran eine Auseinandersetzung anschließen.

Anm. 12 f) Ä n d e r u n g d e r S a t z u n g : Für eine Änderung der Satzung einer bestehenden A G ist ein Beschluß der Hauptversammlung erforderlich, der grundsätzlich mit einer 3 / -Mehrheit zu fassen ist (§ 146). Eine entsprechende Anwendung des § 146 im 4 Gründungsstadium nach Errichtung der AG ist nicht möglich. Das würde den besonderen Verhältnissen der werdenden AG nicht gerecht; für eine Änderung der Satzung bis zur Entstehung der AG ist vielmehr E i n s t i m m i g k e i t erforderlich (herrsch. Ansicht; vgl. Bayer. J Z 1952,551fr. und Kuhn W M Sonderbeilage 5 / 1 9 5 6 S. 6 / 7 m. w. N.; a. M. teilweise nur Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1924 S. 72). Auch ein M i t g l i e d e r w e c h s e l stellt sich in diesem Stadium sachlich als eine Änderung der Satzung dar. Die freie Übertragung der Anteilsrechte ist daher ausgeschlossen ( § 3 4 Abs. 4 ; vgl. § 34 Anm. 29); es kann also nur durch einen übereinstimmenden Beschluß aller Beteiligten an die Stelle eines Gründers ein anderer treten. Dabei ist es notwendig, daß die Satzungsfeststellung neu vorgenommen wird.

Anm. 1 3 g) Beendigung d e r e r r i c h t e t e n G e s e l l s c h a f t : Es ist nicht möglich, die Vorschriften der §§ 723 fr. B G B über die Beendigung der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft ohne eine Berücksichtigung der besonderen Eigenart der werdenden A G heranzuziehen. Ein Endigungsgrund für die errichtete Gesellschaft liegt jedenfalls dann vor, wenn sich die Eintragung der errichteten Gesellschaft als unmöglich herausstellt; denn die Eintragung ist stets ein Zweck der errichteten Gesellschaft, so daß insoweit gegen eine entsprechende Anwendung des § 726 B G B keine rechtlichen Bedenken bestehen (allg. Ansicht). Schwieriger ist die Frage nach einer entsprechenden Anwendung des § 723 BGB. Auch hier wird man jedoch eine Kündigung a u s w i c h t i g e m G r u n d sicherlich bejahen müssen (a. M . Ruth Z H R 88, 544 1 ; Kuhn W M I V B, Sonderbeilage 5 / 1 9 5 6 S. 7); denn dieser Beendigungsgrund ist jeder Personenvereinigung ohne Rechtsfähigkeit eigen und selbst bei rechtsfähigen Personenvereinigungen muß jedes Mitglied bei wichtigem Grund die Möglichkeit eines Ausscheidens in dieser oder in

146

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 22

Anm. 14,15 jener Form haben. Dagegen wird man ein Recht zur Kündigung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht annehmen können; es gehört gerade zum Wesen der Bindung durch Errichtung der Gesellschaft, daß nunmehr die Gründer auch alle Maßnahmen ergreifen, die zur Entstehung der rechtsfähigen A G gehören. Zweifelhaft kann sein, in welcher Form die Kündigung aus wichtigem Grund auszuüben ist, ob durch Gestaltungserklärung des Kündigungsberechtigten oder durch Erhebung einer Auflösungsklage mit anschließendem Gestaltungsurteil. Feine (Ehrenb. Hdb. I I I 3 S. 208) will insoweit bei einer errichteten G m b H die Vorschrift des § 61 G m b H G heranziehen und die Kündigung nur in Form einer Auflösungsklage zulassen. Allein dies wird dem lediglich vorübergehenden Charakter einer nur errichteten, aber noch nicht rechtsfähigen A G nicht gerecht, selbst wenn f ü r ihre Rechnung der Betrieb eines eingebrachten Handelsgeschäfts aufgenommen worden ist. Insoweit liegen bei ihr die Verhältnisse gerade grundlegend anders wie bei einer rechtsfähigen Kapitalgesellschaft oder einer Personalhandelsgesellschaft. Der endgültige Charakter einer solchen Gesellschaft ist neben anderen Gründen gerade wesentlich f ü r die Form der Auflösung solcher Handelsgesellschaften durch Erhebung einer Klage. Es ist also hier die Kündigung durch Gestaltungserklärung des Kündigungsberechtigten zuzulassen. T o d u n d K o n k u r s e i n e s G r ü n d e r s werden dagegen im allgemeinen nicht als Beendigungsgrund a n gesehen werden können, es sei denn, daß die besonderen Umstände des einzelnen Falls etwas anderes ergeben. Es kann bei Berücksichtigung der Eigenart der errichteten A G insoweit keinen Unterschied machen, ob der T o d eines Gesellschafters kurz vor oder nach der Eintragung der A G eingetreten ist. Auch die Tatsache, daß die errichtete Gesellschaft noch keine Rechtsfähigkeit besitzt, rechtfertigt hier nicht die entsprechende Anwendung der §§ 727/28 B G B (ebenso f ü r den Konkurs eines Gesellschafters R G 82, 296; wie hier auch Feine a. a. O. S. 208; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 0 ; Hachenburg-Schilling § 1 1 Anm. 8; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 70/71; K u h n a . a . O . S. 7 ; a. M . Vorauf!. Anm. 7 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 ; Baumbach-Hueck Anm. 2).

Anm. 14 I n allen Fällen, in denen die errichtete Gesellschaft aufgelöst wird, muß eine A u s e i n a n d e r s e t z u n g erfolgen. Das gilt vor allem dann, wenn f ü r Rechnung der Gesellschaft ein eingebrachtes Handelsgeschäft geführt worden war. In diesem Fall kommt auch eine Abwicklung der noch schwebenden Geschäfte in Betracht. In Abweichung zu den Vorschriften im Recht der O H G wird man hier die Vorschrift des § 733 Abs. 2 B G B entsprechend anwenden müssen, weil die Rückgabe der Einlagen im Zweifel dem nur vorübergehenden Charakter der errichteten Gesellschaft am ehesten gerecht wird.

A n m . 15 II. Die Beurkundung einer späteren Übernahme der Aktien. 1. D i e n a c h t r ä g l i c h e Ü b e r n a h m e v o n A k t i e n : Die Einheitsgründung verlangt nicht, daß alles bis zur Errichtung der Gesellschaft in einer einzigen Verhandlung zu Ende geführt werde. Z w a r ist die Feststellung der Satzung notwendig ein einheitlicher Vorgang (§ 16 Anm. 2). Wohl aber läßt sich davon die Ü b e r n a h m e d e r A k t i e n t r e n n e n . Bei der Feststellung der Satzung können sich die Gründer noch die Entschließung darüber vorbehalten, ob sie den Weg der Stufengründung mit Zeichnung der Aktien durch das Publikum wählen oder selbst sämtliche Aktien übernehmen wollen. Fassen sie den zweiten Entschluß, so müssen sämtliche Gründer, die die Satzung festgestellt haben, auch bei der nachträglichen Aktienübernahme mitwirken, und dieser muß die festgestellte Satzung zugrunde gelegt werden ( K G O L G E 43, 300). Nicht erforderlich ist, daß die unmittelbar Mitwirkenden dieselben Personen sind wie bei der vorangegangenen Feststellung der Satzung. Die Gründer können sich auch durch Bevollmächtigte vertreten oder einen Wechsel in der Person des Bevollmächtigten eintreten lassen. Die Vollmacht bedarf hier nicht der gerichtlichen oder notarischen Beurkundung; die Vorschrift in § 16 Abs. 1 Satz 2 gilt nur f ü r die Feststellung der Satzung und braucht auf eine nachträglich beurkundete Aktienübernahme nicht bezogen zu werden (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 1). Treten zu den bisherigen 10*

147

§ 22 A n m . 16—18 §23

I. Buch: Aktiengesellschaft

Gründern andere Personen hinzu, die Aktien übernehmen, so muß mit ihnen die Satzung von neuem festgestellt werden, wenn es bei der Einheitsgründung bleiben und nicht der Weg der Stufengründung beschritten werden soll.

Anm. 16 2. Die Beurkundung der nachträglichen Übernahme von Aktien: § 188

H G B sprach von Aktienübernahme „in einer besonderen gerichtlichen oder notariellen Verhandlung". Daran knüpfte sich die Streitfrage, ob es eine einzige besondere Verhandlung sein müsse und nicht auch mehrere sein könnten. Überwiegend wurde angenommen daß das Wort „ e i n e r " nicht in dem engen Sinne von „einer einzigen" zu verstehen sei. Das A k t G vermeidet jenen Ausdruck, womit sich der Zweifel erledigt. Es bedart nur der gerichtlichen oder notarischen Beurkundung, womit sich von selbst versteht, daß die nachträgliche Übernahme von Aktien i n m e h r e r e n g e t r e n n t e n V e r h a n d l u n g e n vor sich gehen kann, von denen jede einzelne zu beurkunden ist. Ist nichts anderes bestimmt, so wird in entsprechender Anwendung des § 152 B G B anzunehmen sein, daß auf Grund formloser Vereinbarung jede einzelne Aktienübernahme mit der Beurkundung wirksam wird, ohne daß es des Zugehens der Erklärung an die anderen Beteiligten bedarf. Die Sache liegt hier anders als bei der Feststellung der Satzung (§ 16 Anm. 2 ; oben Anm. 3).

Anm. 17 3. Der Inhalt der Beurkundung: Im Einklang mit § 16 Abs. 2 ist bestimmt, daß

auch bei der nachträglichen Aktienübernahme der Nennbetrag, der Ausgabebetrag und bei Bestehen mehrerer Aktiengattungen ( § 1 1 ) die Gattung der von jedem Beteiligten übernommenen Aktien in der Urkunde anzugeben sind (vgl. § 16 Anm. 7).

Anm. 18 III. Rechtsverhältnisse zwischen den Gründern bei der Stufengründung. I m Fall der Stufengründung ist schon mit der Feststellung der Satzung und der mit ihr verbundenen oder ihr nachfolgenden Vereinbarung, daß die Form der Stufengründung gewählt werde, die Entstehung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter den Aktionären, welche die Satzung festgestellt haben, anzunehmen. Denn da sie nicht alle Aktien übernommen haben, müssen sie zunächst bezwecken, die übrigen Aktien unterzubringen und sodann erst die Beschlußfassung über die Errichtung der Gesellschaft herbeizuführen. Schon der erste Zweck genügt zur Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses; die Gesellschafter sind gegenseitig verpflichtet, zur Erreichung dieses Zwecks mitzuwirken und, wenn er erreicht ist, zu allem übrigen, was die Stufengründung erfordert. Wird die Unterbringung der Aktien nicht erreicht, so endet die Gesellschaft nach § 726 B G B . § 3 3

E r s t e r A u f s i c h t s r a t und V o r s t a n d (1) Die Gründer haben den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft zu bestellen. Die Bestellung bedarf gerichtlicher oder notarischer Beurkundung. (2) Der Aufsichtsrat bestellt den ersten Vorstand.

Einleitung I. Die Bestellung des ersten Aufsichtsrats 1. Die Voraussetzungen die Bestellung 2. Der Bestellungsakt

148

für

. . . .

Übersicht Anm. Anm. 1, 2 3. Die Beteiligung von Arbeitnehmern am ersten Aufsichtsrat 4 a, 4 b 4. Die Aufgaben des ersten Aufsichtsrats 4c ^ 4

I I . Die Bestellung des ersten Vorstands und seine Aufgaben . 5, 6, 7

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 23 Anm. 1—4

Anm. 1 Während § 190 H G B die Bestellung des ersten Aufsichtsrats und Vorstands sowohl für die Einheits- als auch für die Stufengründung geregelt hatte, hat das AktG die Vorschrift für die beiden Arten der Gründung zum Teil getrennt. § 23 betrifft nur den Fall der Einheitsgründung, soweit es sich um die Bestellung des ersten Aufsichtsrats handelt (Abs. 1). Für die Stufengründung findet sich die entsprechende Vorschrift in §30 Abs. 4. Dagegen bezieht sich die Vorschrift des §23 Abs. 2 über die Bestellung des ersten Vorstands auf beide Arten der Gründung.

Anm. 2 Daß die Gesellschaft e i n e n V o r s t a n d u n d e i n e n A u f s i c h t s r a t h a b e n m u ß , ergibt sich aus den Aufgaben, die ihnen zugewiesen sind, und aus den §§ 76, 297 Nr. 1. Der erste Vorstand und der erste Aufsichtsrat müssen sogar schon vor der Eintragung bestellt sein, denn sie müssen den Hergang der Gründung prüfen (§ 25) und mit den Gründern die Gesellschaft zur Eintragung anmelden (§ 28). Die Reihenfolge der Bestellung ist so, daß zuerst der Aufsichtsrat und von diesem dann der Vorstand bestellt wird. Auch später bestellt immer der Aufsichtsrat den Vorstand (§ 75); diese Vorschriften sind zwingend.

Anm. 3 I. Die Bestellung des ersten Aufsichtsrats. 1. Die V o r a u s s e t z u n g e n f ü r die B e s t e l l u n g : Den ersten Aufsichtsrat bestellen bei der Einheitsgründung die Gründer. Der Name „Aufsichtsrat" ist zwingend ( K G J W 1932, 2620 1 ). Ebenso wie die Feststellung der Satzung (§ 16 Abs. 1) und die Übernahme der Aktien (§ 16 Abs. 2, § 22 Abs. 2) bedarf auch die Bestellung des ersten Aufsichtsrats gerichtlicher oder notarischer Beurkundung. Die Bestellung kann mit jenen Akten verbunden, aber auch gesondert von ihnen vorgenommen werden. Zweckmäßig wird das erst geschehen, wenn die Gesellschaft durch Übernahme sämtlicher Aktien errichtet ist (§ 22). Indessen ist das kein Gültigkeitserfordernis. Es steht nicht im Wege, daß die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben und damit Gründer geworden sind, den ersten Aufsichtsrat bestellen und dann erst die noch nicht übernommenen Aktien übernehmen. Übernehmen sie nicht alle Aktien, so ist freilich die Bestellung des ersten Aufsichtsrats durch die Gründer wirkungslos; kommt es zur Stufengründung, so muß die Bestellung von neuem, und zwar nach § 30 Abs. 4 durch eine Hauptversammlung, vorgenommen werden.

Anm. 4 2. D e r B e s t e l l u n g s a k t : Der erste Aufsichtsrat wird bei der Einheitsgründung durch W a h l d e r G r ü n d e r bestellt, später geschieht das durch Wahl der Hauptversammlung (§ 87). Die Gründer brauchen nicht persönlich zur Wahl zu erscheinen, sondern können sich vertreten lassen; Schriftlichkeit der Bevollmächtigung wird, entsprechend § 1 1 4 Abs. 3, zu erfordern sein (v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Für die Bestellung bedarf es nicht der Einstimmigkeit, vielmehr erfolgt die Wahl mit der Mehrheit der Anteile. Die Vorschrift des § 709 BGB muß gegenüber aktenrechtlichen Grundsätzen zurücktreten (vgl. dazu § 30 Abs. 4 und 1 2 ; so auch die herrschende Ansicht; a. M. Ritter Anm. 3c, der Einstimmigkeit bei der Wahl fordert; die Vorauf!, überließ diese Frage der Disposition der Beteiligten). Schon daraus ergibt sich, daß es unzweckmäßig ist, den Aufsichtsrat zu bestellen, bevor sämtliche Aktien übernommen sind und damit die Anteile feststehen (Anm. 3). Für die Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats gilt § 86; auch das Entsendungsrecht nach § 88 kann schon für den ersten Aufsichtsrat ausgeübt werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 1). Die Anwesenheit der Gewählten bei der Wahl ist weder vorgeschrieben noch aus einem inneren Grunde erforderlich (a. M. Brodmann § 190 H G B Anm. ib). Die Gewählten müssen die Wahl annehmen; die Bestellung ist kein einseitiger Akt. Dem gewählten Aufsichtsratsmitglied können die Pflichten seines Amtes nicht gegen oder ohne seinen Willen auferlegt werden (ebenso Düringer-Hachen-

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§23

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 4a bürg § 190 Anm. 4; Ritter Anm. 3c!; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 41 Anm. 1 ; ein Vergleich mit der einseitigen Vollmachtserteilung — so Staudinger-Going K o m m . B G B § 27 Anm. 10 m. w. N. — ist nicht möglich). Allerdings bedarf die Annahme nicht der gerichtlichen oder notarischen Beurkundung, da diese Formvorschrift nicht f ü r den B e s t e l l u n g s v e r t r a g gilt, sondern sich nur auf die Erklärungen der Gründer (die Wahl) bezieht (Ritter Anm. 3 d ) . Immerhin bedarf es bei der Anmeldung des Nachweises der Annahme. Deshalb ist die Aufnahme der Annahmeerklärung in die Beurkundung der Wahl zu empfehlen. Die Annahme der Wahl kann darin erblickt werden, daß die Gewählten die ihnen obliegende Tätigkeit (§ 95) aufnehmen, insbesondere bei der Anmeldung mitwirken. Eine Abberufung und Neuwahl durch die Gründer ist nicht ausgeschlossen; nur muß dieser Vorgang wiederum gerichtlich oder notarisch beurkundet werden. Daß f ü r den Widerruf der Bestellung § 87 Abs. 2 anzuwenden sei (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 4), erscheint nicht annehmbar. Für den Widerruf genügt vielmehr, wenn nichts anderes vereinbart ist, dieselbe Mehrheit wie f ü r die Bestellung, also Mehrheit der Anteile (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 1). Der erste Aufsichtsrat kann übrigens auch nach der Eintragung der A G mit einfacher Mehrheit — nun nicht der Gründer, sondern der Hauptversammlung (§ 87 Abs. 3 Satz 2) — abberufen werden; andernfalls endet seine Bestellung zu dem in § 87 Abs. 3 Satz 1 bestimmten Zeitpunkt. J e d e s Aufsichtsratsmitglied kann bis zur Eintragung sein Amt niederlegen, wohl auch ohne wichtigen Grund, wenn die Niederlegung nicht zur Unzeit erfolgt und nicht willkürlich ist (ähnlich v. Godin-Wilhelmi Anm. 7 ; einschränkend Baumbach-Hueck Anm. 1 ; Ritter Anm. 3 c). Eine Bestellung durch das Gericht (§ 89) kommt f ü r den ersten Aufsichtsrat nicht in Frage, ebensowenig eine Bekanntmachung von Änderungen im Aufsichtsrat und Anmeldung des Vorsitzers ( § § 9 1 , 9 2 Abs. 1 ; ebenso Ritter Anm. 3 b ; SchlegelbergerQuassowski Anm. 4). Eine Vergütung kann den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats f ü r ihre Tätigkeit nur durch die Hauptversammlung bewilligt werden, und zwar erst durch diejenige, die über seine Entlastung beschließt (§ 98 Abs. 2).

Anm. 4 a 3. Die Beteiligung von Arbeitnehmern am ersten Aufsichtsrat: § 76 BetrVG

schreibt unter bestimmten Voraussetzungen die Beteiligung von Arbeitnehmern am Aufsichtsrat vor. Diese Bestimmung ergänzt die Vorschrift des § 86 über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. So wie diese Vorschrift auch f ü r den ersten Aufsichtsrat gilt (Anm. 4), so muß § 76 B e t r V G f ü r den ersten Aufsichtsrat dann auch gelten, wenn in die A G ein Handelsgeschäft als Sacheinlage eingebracht ist und dieses schon vor der Entstehung der A G f ü r Rechnung der Gesellschaft weitergeführt wird (FittingKraegeloh K o m m . Betriebsverfassungsgesetz 3. Aufl. 1953 § 3 1 W O Anm. 3 ; Schnorr Arb. u. R . 1953, 68; vgl. auch zur Anwendung des § 9 des Gesetzes über die Entstehung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15. 2. 22 — R G B l . I S. 209 — Düringer-Hachenburg § 190 Anm. 10). Wenn demgegenüber geltend gemacht wird (Baumbach-Hueck Anm. 1 ; Erdmann K o m m . Betriebsverfassungsgesetz 2. Aufl. 1954 § 76 Anm. 22; Spethmann R d A 1953, 258 fr.; ähnlich auch Galperin K o m m . B e t r V G 2. Aufl. 1953 § 7 6 Anm. 92 fr.; Dietz K o m m . B e t r . V G 2. Aufl. 1955 § 7 6 Anm. 4 ; v. Gronau BB 1 9 5 3 , 1 4 9 f r . ; Kötter J Z 1953, 203; Schmatz D N o t Z 1953, g3), daß f ü r eine Anwendung des § 76 B e t r V G insoweit kein R a u m sei, da die A G vor ihrer Entstehung noch kein Unternehmen betreibe, also auch keine Arbeitnehmer beschäftige, so erscheint dieser Einwand unbegründet. Für die errichtete, aber noch nicht entstandene A G gelten in bestimmtem U m f a n g (§ 22 Anm. 3), insbesondere f ü r die Bestellung und die Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats aktienrechtliche Vorschriften. Dabei spielt insoweit die Tatsache, daß die Korporation noch keine Rechtsfähigkeit besitzt, also noch keine A G im Rechtssinn ist, keine Rolle. Die besondere Lage, in der sich die Korporation in diesem Stadium befindet, und der besondere Zustand, in der sie sich in diesem Stadium zur A G im Rechtssinn entwickelt, erfordert und rechtfertigt eine solche Anwendung. Es kann daher auch eine Anwendung des § 76 B e t r V G nicht mit der Begründung verneint werden, daß die in der Gründung

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 23

A n m . 4b—5 befindliche Gesellschaft noch keine A G im Rechtssinn sei. Denn dieser Umstand ist f ü r die Regelung über den ersten Aufsichtsrat gerade ohne Belang und kann daher bei der Frage nach einer Anwendung des § 76 B e t r V G , also einer Bestimmung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, keine Bedeutung haben. Die gleiche Beurteilung muß dem weiteren Einwand zuteil werden, daß die A G selbst noch keine Arbeitnehmer beschäftige. Wird bei einer Sacheinlage schon in diesem Stadium ein Unternehmen f ü r Rechnung der Gesellschaft geführt, so muß auch insoweit der Mangel der Rechtsfähigkeit f ü r den Zeitraum zwischen Errichtung und Entstehung der A G zurücktreten. U n d nur dieser Mangel der Rechtsfähigkeit ist es, der dem Einwand, die A G selbst beschäftige noch keine Arbeitnehmer, rechtliches Gewicht geben könnte. Darüber hinaus sind unter Berücksichtigung des Grundgedankens des B e t r V G auch keine rechtlich durchschlagenden Gründe ersichtlich, um eine Beteiligung der Arbeitnehmer an dem ersten Aufsichtsrat auszuschließen.

Anm. 4 b Für den Anwendungsbereich des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 2 1 . 5. 51 (BGBl. I S. 347) wird auch von den Vertretern, die eine Anwendung des § 76 B e t r V G auf die Bildung des ersten Aufsichtsrats verneinen, die Auffassung gebilligt, daß hier die vorgeschriebene Berücksichtigung der Arbeitnehmer bei der Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats erfolgen muß (vgl. v. Gronau BB 1953, 149 fr.; Spethmann R d A 1953, 258 fr.).

Anm. 4 c 4. D i e A u f g a b e n d e s e r s t e n A u f s i c h t s r a t s : Für das Gründungsverfahren überträgt das Gesetz dem ersten Aufsichtsrat eine Reihe von Aufgaben, die dem Gründungszweck dienen (vgl. §§ 25, 28, 4 1 ) . In diesem Aufgabenbereich erschöpfen sich nicht die Aufgaben des ersten Aufsichtsrats. Ihm obliegt auch schon in diesem Stadium die Aufgabe, den Vorstand zu überwachen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 ; v. GodinWilhelmi Anm. 4; a. M . Düringer-Hachenburg § 190 Anm. 7; Ritter Anm. 3 a, nach denen sich die Aufgaben des ersten Aufsichtsrats nur nach den besonderen Vorschriften richten sollen, die f ü r den ersten Aufsichtsrat und f ü r das Gründungsstadium gegeben sind; unklar insoweit die Vorauf!. Anm. 7). Das ist bedeutsam, weil der Vorstand vor der Entstehung der A G auch schon zur Geschäftsführung verpflichtet sein kann, sofern ein Unternehmen als Sacheinlage eingebracht ist und dieses schon in diesem Zeitpunkt f ü r Rechnung der Gesellschaft geführt werden muß (Anm. 7). I n diesem Fall sind f ü r den Umfang der Überwachungsaufgaben die f ü r den Aufsichtsrat allgemein geltenden Vorschriften heranzuziehen.

Anm. 5 II. Die Bestellung des ersten Vorstands und seine Aufgaben. Nach § 190 Abs. 3 H G B hatten die Gründer auch den e r s t e n V o r s t a n d zu bestellen, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrage die Bestellung in anderer Weise als durch Wahl der Generalversammlung zu geschehen hatte. Häufig war die Bestellung dem Aufsichtsrat zugewiesen. Nach § 75 wird der Vorstand nunmehr nur noch vom Aufsichtsrat bestellt, und nach Abs. 2 des § 23 auch der erste Vorstand. Das gilt auch f ü r die Stufengründung, wo der erste Aufsichtsrat von der Hauptversammlung gewählt wird (§ 30 Abs. 4). Bei der Bestellung ist Einstimmigkeit nicht erforderlich, es entscheidet wie stets bei den Beschlüssen des Aufsichtsrats Stimmenmehrheit ( § 9 2 Anm. 1 6 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9). Eine besondere Form ist weder f ü r die Bestellung des ersten Vorstands noch f ü r spätere Bestellungen vorgeschrieben. Es bedarf also keiner gerichtlichen oder notarischen Beurkundung, jedoch „soll" nach § 92 Abs. 2 über die Beschlüsse des Aufsichtsrats eine Niederschrift angefertigt werden, also auch über die Bestellung des Vorstands. Diese Niederschrift ist der Anmeldung der A G beizufügen (§ 29 Abs. 2 Nr. 3). Der Vorstand muß die Bestellung annehmen; f ü r die Annahme gilt dasselbe wie f ü r die Annahme der Bestellung durch die Mitglieder des

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§ 23 A n m . 6, 7 § 24 A n m . 1

I. Buch: Aktiengesellschaft

Aufsichtsrats (Anm. 4). Die Annahme kann also auch stillschweigend erfolgen. Der Aufsichtsrat kann die Bestellung aus wichtigem Grunde widerrufen (§ 75 Abs. 3 Satz 3). Anm. 6 Weder f ü r die Mitglieder des Aufsichtsrats noch f ü r die des Vorstands schreibt das Gesetz vor, daß sie dem Kreise der Aktionäre angehören müßten. Die Satzung hat darin freie Hand (vgl. § 16 Anm. 16). Anm. 7 Auch die Aufgaben des ersten Vorstandes beschränken sich nicht allein auf die Maßnahmen, die zur Entstehung der A G erforderlich sind und f ü r die das Gesetz besondere Vorschriften aufgestellt hat. Dem Vorstand steht mit einer durch § 34 Abs. 2 bedingten Einschränkung die Befugnis zu, im Namen der Gesellschaft zu handeln ( § 2 2 Anm. 9, § 34 Anm. 12). Ist eine solche Tätigkeit im Einzelfall erforderlich, etwa weil ein eingebrachtes Handelsgeschäft schon jetzt f ü r Rechnung der Gesellschaft geführt werden muß, so hat der Vorstand diese Geschäftsführungstätigkeit ebenfalls auszuüben (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5, v. Godin-Wilhelmi A n m . 1 0 ; a. M . Düringer-Hachenburg § 190 Anm. 1 3 ; Ritter Anm. 4). Den Mitgliedern des Vorstands kann vom Aufsichtsrat eine besondere Vergütung zugesagt werden. Diese Vergütung wird man auch zum Gründungsaufwand (§ 19 Abs. 2) zu rechnen haben; f ü r die Wirksamkeit einer solchen Zusage ist daher die Festsetzung in der Satzung erforderlich. Denn diese Vergütung wird dem Vorstand f ü r seine Mitwirkung bei der Gründung, nämlich f ü r seine gesamte Tätigkeit bis zur Entstehung der Gesellschaft gewährt (v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 ; a. M . Heim Z H R 108, 208f.; Ritter § 24 Anm. 5). § 3 4 Gründungsbericht (1) Die G r ü n d e r haben einen schriftlichen B e r i c h t ü b e r den Hergang d e r Gründung zu erstatten (Gründungsbericht). (2) I m G r ü n d u n g s b e r i c h t sind die wesentlichen U m s t ä n d e darzulegen, v o n denen die A n g e m e s s e n h e i t d e r f ü r eingelegte o d e r ü b e r n o m m e n e G e g e n s t ä n d e g e w ä h r t e n Leistungen a b h ä n g t . Dabei s i n d anzugeben die v o r a u s g e g a n g e n e n Rechtsgeschäfte, die auf den E r w e r b d u r c h die Gesellschaft hingezielt h a b e n , f e r n e r die A n s c h a f fungs- und Herstellungskosten aus den letzten beiden J a h r e n und i m Fall des Ü b e r g a n g s eines U n t e r n e h m e n s auf die Gesellschaft d e r Betriebsertrag aus den letzten beiden Geschäftsjahren. (3) I m G r ü n d u n g s b e r i c h t ist f e r n e r anzugeben, ob u n d i n w e l c h e m U m fang bei d e r G r ü n d u n g f ü r Rechnung eines Mitglieds des V o r s t a n d s oder des A u f s i c h t s r a t s A k t i e n ü b e r n o m m e n sind u n d ob u n d in w e l c h e r W e i s e ein M i t glied des V o r s t a n d s oder des A u f s i c h t s r a t s sich einen besonderen Vorteil o d e r f ü r die G r ü n d u n g oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat. Ü b ersieht Anm. 3. Notwendiger Inhalt 1 Gründungsbericht 2

Einleitung 1. Allgemeines 2. Der Gründungsbericht Sachgründung

bei

der

3, 4

bei

Anm. jedem 5

4. Notwendiger Inhalt in besonderen Fällen 6, 7

Anm. 1 § 191 H G B verlangte eine „Gründererklärung" nur im Fall der Sachgründung, w o die Gefahr unlauterer Machenschaften allerdings besonders groß ist, nicht jedoch auch

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 24 Anm. 2 , 3

bei Ausbedingung besonderer Vorteile zugunsten einzelner Aktionäre und nicht für den Gründungsaufwand mit Einschluß des Gründerlohns. § 24 läßt alle diese Unterschiede fallen und verlangt in jedem Fall, gleichviel ob die besonderen Voraussetzungen der §§ 19, 20 vorliegen oder nicht, einen schriftlichen Bericht der Gründer über den Hergang der Gründung. Dieser „Gründungsbericht" ist sowohl für die Einheits- als auch für die Stufengründung zwingend vorgeschrieben. Er dient den nachfolgenden Prüfungen (§§ 25fr.) zur Grundlage. Anm. 2 1. Allgemeines: Die Gründer (§21) haben den Gründungsbericht persönlich zu erstatten. Während sie sich bei der Gründung selbst durch Bevollmächtigte vertreten lassen können (§ 16 Abs. 1 Satz 2; vgl. § 2 Anm. 14, § 16 Anm. 6, § 22 Anm. 3, § 23 Anm. 4), ist hier eine Bevollmächtigung unzulässig (vgl. K G J 28 A 235), da die Erstattung des Gründungsberichts keine Willenserklärung ist, auf die die Vorschriften über die Vollmacht Anwendung finden (Ritter Anm. 2 a). Selbstverständlich bewendet es aber bei der gesetzlichen Vertretung, für juristische Personen und Handelsgesellschaften genügt daher die Mitwirkung der Vertretungsberechtigten. Sind die Gründer oder ihre gesetzlichen Vertreter nicht sachverständig genug, einen ausreichenden Bericht erstatten zu können, so müssen sie sich von der Gründung fernhalten (vgl. dazu R G 144, 355). Persönliche Unfähigkeit befreit sie nicht von der Pflicht zur Beobachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns (§ 39 Abs. 3). Die strafrechtliche Verantwortung regelt § 295 Nr. 1. Für den Gründungsbericht ist Schriftform erforderlich (§ 126 BGB). Die Gründer können den Bericht gemeinsam erstatten, müssen es aber nicht; jeder Gründer muß den Bericht, für den er die Verantwortung übernimmt, unterschreiben. Für den Inhalt des Berichts sind nicht etwa nur die Vorschriften des Abs. 2 und 3 maßgeblich (so Ritter Anm. 2; dagegen mit Recht v. GodinWilhelmi Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 1 B), vielmehr sind alle für den Hergang der Gründung maßgeblichen Vorgänge anzugeben (Abs. 1 ; Einzelheiten dazu vgl. Anm. 6, 7). Die Bedeutung der Vorschriften des Abs. 2 und 3 erschöpft sich darin, daß bei der Sachgründung noch ein besonderer Inhalt vorgeschrieben ist (Abs. 2) und daß im übrigen jeder Bericht Angaben über die im Abs. 3 genannten Vorgänge enthalten muß, sei es auch nur die Angabe, daß im Einzelfall derartige Vorgänge nicht gegeben sind. Anm. 3 2. Der Gründungsbericht bei der Sachgründung: Handelt es sich um eine Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 20), so ist für den Bericht ein besonderer Inhalt vorgeschrieben, dessen Erfordernisse dem bisherigen Recht (§ 191 HGB) entsprechen. Wird die Sachgründung verschleiert, so begründet das die bürgerlichrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit (§§ 39, 295 Nr. 1). Der Bericht muß die wesentlichen Umstände darlegen, von denen die Angemessenheit der für eingelegte oder übernommene Gegenstände gewährten Leistungen abhängt, und zwar objektiv, nicht nur die, welche für die Entschließung der Gründer bestimmend gewesen sind, sondern alle, die von den Gründern bei sachgemäßer Prüfung für wesentlich angesehen werden müssen. Dahin gehören auch Zusagen, die der Gesellschaft über die Beschaffenheit der Gegenstände gemacht worden sind ( R G 18, 68). Die Leistungen der A G sind bei der Sacheinlage die zu gewährenden Aktien, bei der Sachübernahme die zu gewährende Vergütung (§20 Abs. 1). Damit die Angemessenheit geprüft werden kann, sind im einzelnen anzugeben: i. die v o r a u s g e g a n g e n e n R e c h t s g e s c h ä f t e aus irgendwelcher Zeit, die auf den Erwerb durch die Gesellschaft gezielt haben. Dahin gehört z. B. ein Kauf, der von einem Gesellschafter oder einem Nichtgesellschafter in der Absicht geschlossen worden ist, den einzulegenden oder zu übernehmenden Gegenstand an die Gesellschaft zu veräußern. Solche „Zwischengeschäfte" können für die Gesellschaft von Vorteil sein, sie können aber auch dem Veräußerer einen ungerechtfertigten Gewinn zum Schaden der Gesellschaft bringen. Sind keine Zwischengeschäfte gemacht worden, so ist das anzugeben. Nicht hierher gehören die zwischen den Gründern oder zwischen ihnen und einem Bankhaus geschlossenen Konsortial-

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§24 A n m . 4, 5

I. Buch: Aktiengesellschaft

geschäfte, die sich lediglich mit der Verwertung der Aktien befassen. Solche Geschäfte haben nichts mit den Umständen zu tun, von denen die Angemessenheit der Leistungen abhängt. 2. Ferner sind die A n s c h a f f u n g s - u n d H e r s t e l l u n g s k o s t e n der einzulegenden oder zu übernehmenden Gegenstände aus den letzten beiden J a h r e n anzugeben. Es soll dadurch klargelegt werden, wieviel der Veräußerer durch die Veräußerung an die Gesellschaft verdient. Hat er z. B. Hypotheken unter dem Nennwert und dann das belastete Grundstück erworben, sich aber auf den Kaufpreis f ü r das Grundstück den vollen Nennbetrag der Hypotheken anrechnen lassen, so würde dieser Hergang angegeben werden müssen, damit die Anschaffungskosten richtig berechnet werden. Die Angabepflicht besteht aber nur f ü r Anschaffungs- und Herstellungskosten der letzten beiden J a h r e ; sind solche nicht vorhanden, so ist das anzugeben. Bei dem, was weiter zurückliegt, wird die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit der Gründung nicht mehr angenommen. Die beiden J a h r e werden vom T a g e der Feststellung der Satzung mit den darin festgesetzten Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 20 Abs. 1) zurückgerechnet (so die herrsch. Ansicht; a. M Ritter Anm. 3 e , der insoweit den T a g des Gründungsberichts f ü r maßgeblich hält; das kann aber zur Irreführung der Öffentlichkeit und der Prüfer Anlaß geben, wenn die Gründer die Erstellung des Berichts aus diesem Grunde hinausschieben). Der T a g der Errichtung der Gesellschaft kann nicht in Frage kommen, weil bei der Stufengründung der Gründungsbericht schon erstattet sein muß, bevor es zur Errichtung der Gesellschaft kommt (§ 30 Abs. 6, 8). 3. Wird ein U n t e r n e h m e n in die Gesellschaft eingebracht oder von ihr übernommen, so ist außer den Angaben zu 1 und 2 auch der Betriebsertrag aus den letzten beiden Geschäftsjahren anzugeben. Das gilt auch dann, wenn es sich nur um einen Teil eines Unternehmens handelt, z. B. wenn von einem Hauptgeschäft vorher einzelne Verkaufsstellen abgezweigt werden (Jena O L G E 2, 435). Unter dem Geschäftsjahr ist dasselbe zu verstehen wie in § 39 H G B , es müssen also zwei Bilanzen berücksichtigt werden. Eine Angabe über den Geschäftswert (goodwill, § 1 3 3 Nr. 5) kann gemacht werden, um die Angemessenheit des Entgelts zu begründen. Vorgeschrieben ist solche Angabe nicht; wird sie gemacht, so ist sie jedenfalls von den übrigen Angaben klar zu trennen. Anm, 4 Die A n g e m e s s e n h e i t d e r f ü r e i n e E i n l a g e g e w ä h r t e n A k t i e n ist nach deren vollem Nennbetrage zu beurteilen und, wenn sie zu einem höheren Betrage ausgegeben werden (§ 9 Abs. 2), nach dem Ausgabebetrage. Die eingelegten Gegenstände dürfen also keinesfalls weniger wert sein als der Nennbetrag der Aktien ( § 9 Abs. 1). Anm. 5 Abweichend vom bisherigen Recht muß der Gründungsbericht aber n o c h f o l g e n d e s a n g e b e n , was mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen nicht zusammenhängt; 1. ob und in welchem U m f a n g bei der Gründung f ü r R e c h n u n g e i n e s M i t g l i e d s d e s V o r s t a n d s o d e r d e s A u f s i c h t s r a t s Aktien — von einem Strohmann •—- übernommen worden sind (vgl. § 25 Abs. 2 Nr. 2), 2. ob und in welcher Weise ein M i t g l i e d d e s V o r s t a n d s o d e r des A u f s i c h t s r a t s sich einen b e s o n d e r e n V o r t e i l oder f ü r die Gründung oder ihre Vorbereitung eine E n t s c h ä d i g u n g oder B e l o h n u n g ausbedungen hat (vgl. § 25 Abs. 2 Nr. 3). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich die Vorteile usw. als Aktionär oder als Nichtaktionär, zu Lasten der Gesellschaft oder eines anderen ausbedungen hat; es soll sein Interesse am Zustandekommen der Gründung klargestellt werden. Liegt ein solcher Fall (1 oder 2) vor, so ist auch der Name des beteiligten Mitglieds und der U m f a n g der Aktienübernahme, des Vorteils usw. f ü r jeden einzelnen anzugeben (a. M . v. Godin-Wilhelmi Anm. 10, 1 1 ) . Ohne das würde der Zweck der Vorschrift nur unvollkommen erreicht werden. Es ist j a möglich, daß in dem später vom

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 24 A n m . 6, 7

§25

Vorstand und vom Aufsichtsrat zu erstattenden Prüfungsbericht ( § 2 5 Abs. 1, § 26) die einzelnen Mitglieder voneinander abweichen. Also muß das Interesse des einzelnen erhellen. Liegt keiner der Fälle des Abs. 3 vor, so ist das anzugeben. Anm. 6 4. Notwendiger Inhalt in besonderen Fällen: Gehören Aktionäre, zu deren Gunsten ein b e s o n d e r e r V o r t e i l oder ein G r ü n d e r l o h n ausbedungen worden ist, weder zum Vorstand noch zum Aufsichtsrat, so fällt das nicht unter Abs. 3, daher ist insoweit Fehlanzeige nicht erforderlich. Indessen ergibt sich schon aus Abs. 1, daß auch derartige Vereinbarungen, wenn sie zu Lasten der Gesellschaft gehen (§ 19), im Gründungsbericht anzuführen sind. Gehört ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den G r ü n d e r n ( § 2 5 Abs. 2 Nr. 1), so ist auch das anzugeben; aus der Namensgleichheit kann es nicht ohne weiteres entnommen werden. Man würde an sich noch weitergehen und mit Rücksicht auf § 39 Abs. 5 und auf § 51 Abs. 1 bei jeder Beteiligung eines Strohmanns die Angabe des H i n t e r m a n n s zu verlangen haben. Indessen ergibt die Fassung des Abs. 3, die diese Angabe nur dann verlangt, wenn der Hintermann ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats ist, daß das Gesetz nicht so weit hat gehen wollen. Fraglich kann sein, ob ein besonderer Vorteil oder ein Gründerlohn, die nicht in der Satzung festgesetzt und daher gegenüber der Gesellschaft nicht wirksam sind, ebenfalls im Gründungsbericht anzugeben sind. Man wird das im Hinblick auf die zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung der Gründer (§§ 39, 295 Nr. 1) wohl mit Ritter (Anm. 5) bejahen müssen. Anm. 7 Wird etwas von dem g e ä n d e r t , worauf sich der Gründungsbericht zu erstrecken hat, so muß der Bericht auch auf die Änderungen eingehen, nötigenfalls in einem Nachtrage (KG O L G E 43, 299). Auch das hat gegenüber dem bisherigen Recht verschärfte Bedeutung, weil in jedem Fall ein Gründungsbericht zu erstatten ist. § 3 5 Gründungsprüfung.

Allgemeines

(1) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben den Hergang der Gründung zu prüfen. ( 2 ) Außerdem hat eine Prüfung durch einen oder m e h r e r e P r ü f e r (Gründungsprüfer) stattzufinden, wenn 1. ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern gehört oder 2 . bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen sind oder 3 . ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat oder 4 . eine Gründung m i t Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 2 0 ) vorliegt» (3) Die Gründungsprüfer bestellt das Gericht nach Anhörung der a m t lichen Vertretung des Handelsstands. (4) Als Gründungsprüfer sind in der Regel n u r zu bestellen: 1. Personen, die in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind; 2 . Prüfungsgesellschaften, von deren Inhabern, Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern mindestens einer in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren ist.

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§ 25 A n m . 1-—4

I. Buch: Aktiengesellschaft

(5) Mitglieder d e s V o r s t a n d s u n d des A u f s i c h t s r a t s s o w i e A n g e s t e l l t e d e r G e s e l l s c h a f t dürfen n i c h t a l s Gründungsprüfer b e s t e l l t w e r d e n ; g l e i c h e s gilt für P e r s o n e n u n d P r ü f u n g s g e s e l l s c h a f t e n , auf deren G e s c h ä f t s f ü h r u n g die Gründer oder P e r s o n e n , für deren Rechnung die G r ü n d e r Aktien ü b e r n o m m e n h a b e n , oder die G e s e l l s c h a f t m a ß g e b e n d e n E i n f l u ß haben. Übersicht Anm.

Einleitung I. Die Gründungsprüfung durch Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats II. Die Gründungsprüfung Gründungsprüfer

durch

Anm.

i

III. Die Bestellung der Gründungs-

2

P r ü f e r d u r c h d a s G e r i c h t • • • 5, 6 IV. Die Auswahl der Gründungsprüfer 7

3, 4

V. Ausschluß vom Amt der Gründungsprüfer 8, 9

Anm. 1 Die Vorschriften über die Gründungsprüfung bauen die Vorschriften des bisherigen Rechts (§ 192 HGB) weiter aus, wie sich im einzelnen aus dem Folgenden ergibt. Sie gelten gleichmäßig für die Einheits- und die Stufengründung. Anm. 2 I. Die Gründungsprüfung durch Mitglieder des Vorstands und d e s A u f sichtsrats. In jedem Fall haben die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats den Hergang der Gründung zu prüfen, und zwar ebenso wie die Gründer bei ihrem Gründungsbericht (§ 24 Anm. 2) jedes einzelne Mitglied unter persönlicher Verantwortung und ohne Zulässigkeit einer Vertretung. Mitglieder, die zugleich Gründer sind, haben die Prüfung ebenfalls vorzunehmen. Es genügt, wenn ein gemeinsamer Prüfungsbericht aufgesetzt und von allen unterschrieben wird. Weigert sich ein Mitglied, so kann es abberufen und ein anderes bestellt werden (§ 23 Anm. 4, 5); bei einem Aufsichtsratsmitglied geschieht dies durch die Gründer, bei einem Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat. Auch diese Weigerung und der dafür angegebene Grund gehören aber zum Hergang der Gründung und sind im Prüfungsbericht mit zu erwähnen. Das ist zwar in § 26 nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber aus der Natur der Sache (so jetzt auch Baumbach-Hueck Anm. 2). Der Umstand, daß ein Mitglied des Vorstands zu einem ungünstigen Prüfungsergebnis gelangt, wird in der Regel für sich allein noch keinen „wichtigen Grund" zu seiner Abberufung geben (§ 75 Abs. 3); für die Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsrats bedarf es keines wichtigen Grundes (vgl. § 86 Abs. 2, 3). — Die Verantwortung regeln die §§ 41, 295 Abs. 1 Nr. 1. Anm. 3 II. Die Gründungsprüfung durch Gründungsprüfer. Für besondere Fälle sieht das Gesetz außer der Prüfung durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer vor. Im bisherigen Recht hießen sie „besondere Revisoren" und waren in der Mehrzahl aufgeführt. Das AktG begnügt sich mit einem Gründungsprüfer, läßt aber auch eine Mehrzahl zu, also zwei oder noch mehr. Sind es mehrere, so ist, soweit das Gericht nichts andres anordnet, eine Arbeitsteilung unter ihnen nicht ausgeschlossen, so daß jeder für einen Teil der Prüfung die Verantwortung übernimmt, z. B. bei Einbringung einer Fabrik und eines Handelsgeschäfts der eine für die Fabrik, der andere für das Handelsgeschäft (OLG Dresden Holdheim 7, 313). Anm. 4 Die Z a h l der F ä l l e , in denen eine b e s o n d e r e G r ü n d u n g s p r ü f u n g s t a t t z u f i n d e n h a t , i s t gegenüber dem bisherigen Recht um einen (Nr. 2) vermehrt. Die Fälle sind: 1. Ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats gehört zu den Gründern (§ 21). Nach dem Zweck des Gesetzes genügt es, wenn eine Personalhandelsgesellschaft

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 25 Anm. 5, 6

Gründerin ist, daß einer ihrer vertretungsberechtigten Gesellschafter, wenn eine AG oder andere juristische Person Gründerin ist, daß eines ihrer Vorstandsmitglieder zum Vorstand oder Aufsichtsrat der zu gründenden Gesellschaft gehört (KG OLGE 24, 1 7 1 ; K G J 41 A 123). Dagegen liegt die Voraussetzung der Nr. 1 nicht schon dann vor, wenn sich ein Mitgründer bei der Gründung durch ein nicht zum Gründerkreis gehöriges Vorstandsmitglied, soweit zulässig, auf Grund rechtsgeschäftlicher Vollmacht vertreten läßt (Ritter Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 2; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; dahingestellt gelassen in R G 154, 283; a. M. Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 a). 2. Bei der Gründung sind für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder de s Aufsichtsrats Aktien übernommen worden, das Mitglied ist also Hintermann eines Strohmanns (vgl. § 24 Anm. 5 Nr. 1). Es genügt die Übernahme einer einzigen Aktie für Rechnung des Mitglieds. 3. Ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats hat sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen (vgl. § 24 Anm. 5 Nr. 2). Das gilt auch dann, wenn nicht die Gesellschaft, sondern ein anderer die Entschädigung usw. zahlt (allg. Ansicht). 4. Es liegt eine Gründung mit Sacheinlage oder Sachübernahme vor (§ 20). Hierbei ist es nicht erforderlich, daß ein Verwaltungsträger selbst an der Sachgründung beteiligt ist. Dagegen ist eine Prüfung durch Gründungsprüfer nicht erforderlich, wenn die Einlagegegenstände in der Satzung mangelhaft festgesetzt worden sind (a. M. Schlegelberger-Quassowski Anm. 3d). In diesem Fall muß der Registerrichter die Eintragung der AG ohnehin ablehnen (§ 20 Anm. 29), so daß eine besondere Prüfung durch Gründungsprüfer entfallen kann (ebenso Ritter Anm. 3). Ob einer dieser Fälle gegeben ist, muß aus dem Gründungsbericht hervorgehen (§ 24 Anm. 3, 5, 6). In den Fällen 1 bis 3 ist Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit, im Falle 4 die Schwierigkeit der Prüfung der Grund dafür, daß eine Sonderprüfung angeordnet ist. Anm. 5 III. Die Bestellung der Gründungsprüfer durch das Gericht. Die Bestellung der Gründungsprüfer ist ausschließlich dem Gericht (§14) übertragen worden, das aber die amtliche Vertretung des Handelsstands vorher anzuhören hat. Unter der amtlichen Vertretung des Handelsstandes ist hier dasselbe zu verstehen wie im § 126 FGG unter dem Organ des Handelsstandes (Ritter Anm. 4); als solche kommt die Industrie- und Handelskammer in Betracht (vgl. den Uberblick über die heutige Gesetzeslage bei Keidel Komm. FGG 6. Aufl. 1954 § 126 Anm.i). Das Gericht bestellt die Gründungsprüfer auf Antrag der Gründer, nicht der Vorstandsmitglieder (a. M. insoweit nur Brodmann § 192 Anm. 3), und kann die Bestellung jederzeit widerrufen. Niemand ist verpflichtet, die Tätigkeit zu übernehmen. Anm. 6 Die Gründungsprüfer üben ein Amt aus, ähnlich wie der Konkursverwalter, Zwangsverwalter oder Vormund (vgl. dazu OLG Darmstadt J W 1934, 1517 mit Anm. Lehmann). Sie stehen zur Gründungsgesellschaft in keinem Vertragsverhältnis, anders als die Prüfer bei einer Sonderprüfung (§118) oder Abschlußprüfung (§136); dabei können sie hier auch nicht von den Gründern gekündigt werden. Allerdings ist die Gründungsgesellschaft Schuldnerin der vom Gericht festzusetzenden Auslagen und Vergütungsansprüche, u. U. die AG, sobald sie eingetragen ist (§ 27 Anm. 5). Aber daraus ergibt sich noch kein Vertragsverhältnis, ebensowenig wie beim Konkursverwalter usw. Die bürgerlichrechtliche Verantwortlichkeit der besonderen Revisoren und ihrer Gehilfen war bisher nicht geregelt. Nunmehr enthält § 42 die Regelung. Von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit handelt § 302. 157

§25

Anm. 7, 8

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7 IV. Die Auswahl der Gründungsprüfer. Für die Auswahl der Gründungsprüfer wird die Regel aufgestellt, daß sie in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sein sollen. Prüfungsgesellschaften sollen nur bestellt werden, wenn von ihren Inhabern, Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern mindestens einer in der Buchführung ausreichend vorgebildet oder erfahren ist. Dies sind jedoch nur Richtlinien für das Gericht, von denen es aus besonderen Gründen auch abweichen kann; es hat darin freies Ermessen. Für die Abschlußprüfer ist die Auswahl in § 1 3 7 auf öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beschränkt. Für die Gründungsprüfer — wie auch nach § 1 1 9 für die Sonderprüfer — gilt diese Beschränkung nicht. Über die Ermächtigung zum Erlaß allgemeiner Vorschriften für die Durchführung der Gründungsprüfung vgl. § 47. Die in § 7 der 1. D V O zum AktGes. dem Reichsminister der Justiz weiterhin eingeräumte Ermächtigung, für einzelne Gesellschaften vom Gesetz abweichende A n ordnungen über die Bestellung der Gründungsprüfer, über die Einreichung und Einsicht ihres Berichts zu erlassen, wird man mit Ritter Anm. 8 als unwirksam betrachten müssen. Weder das A k t G noch das E G haben den Reichsjustizminister ermächtigt, vom A k t G abweichende Anordnungen zu erlassen.

Anm. 8 V. Ausschluß vom Amt der Gründungsprüfer. Das Gesetz bezeichnet in Abs. 5 Personen, die nicht zu Gründungsprüfern bestellt werden dürfen. Es sind: 1. Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Gesellschaft. Diese haben nach Abs. 1 ohnehin die Gründung zu prüfen. Da in den Fällen des Abs. 2 „außerdem" eine Gründungsprüfung stattzufinden hat, so wäre es sinnwidrig, damit dieselben Personen zu betrauen. 2. Angestellte der zu gründenden Gesellschaft. V o n ihnen ist keine unparteiische Prüfung zu erwarten. O b sie eine leitende oder untergeordnete Stellung bekleiden, ist gleichgültig. 3. Personen, auf deren Geschäftsführung a) die Gründer oder b) die Hintermänner von Gründern oder c) die Gesellschaft maßgebenden Einfluß haben. O b der maßgebende Einfluß tatsächlich ausgeübt wird oder nur die Möglichkeit dazu besteht, ob er auf rechtlichen oder nur tatsächlichen Beziehungen beruht, ist gleichgültig. Verwandtschaft, nahe Bekanntschaft mit einem Gründer (a), mit dem Hintermann eines Gründers (b), mit leitenden Persönlichkeiten der Gesellschaft (c), wirtschaftliche Abhängigkeit von einer dieser Personen durch Darlehn, Unterstützung, häufige Inanspruchnahme oder gar Angestelltenverhältnis, auch Beziehungen aus einem nicht mehr bestehenden Angestelltenverhältnis können von Bedeutung sein. Z u c) ist kein Unterschied zwischen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern zu machen, anders als nach § 59 Abs. 2 Satz 3 VersAufsG. 4. Prüfungsgesellschaften, auf deren Geschäftsführung a) die Gründer oder b) die Hintermänner von Gründern oder c) die zu prüfende Gesellschaft maßgebenden Einfluß haben. Der maßgebende Einfluß (s. zu 3) kann hier darauf beruhen, daß Gründer oder deren Hintermänner oder leitende Persönlichkeiten der zu prüfenden Gesellschaft selbst Mitglieder der Prüfungsgesellschaft, ihres Vorstands oder Aufsichtsrats sind. Hierher gehört ferner der Fall der Abhängigkeit jeder A r t (§ 1 5 Anm. 4), jedoch setzt § 25 Abs. 5 nicht einmal „beherrschenden" Einfluß voraus, sondern nur „maßgebenden", also weniger. A u c h Beziehungen der zu 3 genannten Art zwischen Gründern, Hintermännern von Gründern oder leitenden Persönlichkeiten der zu prüfenden Gesellschaft einerseits zu Mitgliedern oder leitenden Persönlichkeiten der Prüfungsgesellschaft andererseits kann diese ungeeignet machen. Erschöpfen lassen sich die Fälle zu 3 und 4 überhaupt nicht, das Angeführte dient nur zu Beispielen. Eine weite Auslegung entspricht dem Zweck des Gesetzes,

158

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 25 A n m . 9

§26 A n m . 1 , 2

das auf eine unparteiische Gründungsprüfung aus gutem Grunde großes Gewicht legt. Auch über die Ausschließungsvorschriften des Abs. 5 hinaus hat das Gericht bei der Bestellung die B e s o r g n i s d e r B e f a n g e n h e i t zu berücksichtigen (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; einschränkend wohl Ritter Anm. 6 c). Anm. 9 W i r d ein P r ü f e r o d e r e i n e P r ü f u n g s g e s e l l s c h a f t e n t g e g e n d e n Auss c h l i e ß u n g s v o r s c h r i f t e n des Abs. 5 b e s t e l l t , so muß das Gericht, sobald es den Fehler bemerkt, die Bestellung widerrufen und einen anderen Prüfer oder eine andere Prüfungsgesellschaft bestellen (§18 RFGG). Ist der Prüfungsbericht schon erstattet, so muß ein neuer angefertigt werden. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht aus einem anderen Grund nachträglich Anlaß findet, die Befangenheit zu besorgen (Anm. 8 a. E.). Ein Beschwerderecht gegen die Bestellung wird nach § 20 RFGG jedem Gründer und Aktienzeichner sowie dem Vorstand einzuräumen sein, nicht aber dagegen, daß das Gericht eine Persönlichkeit oder Prüfungsgesellschaft für ungeeignet erachtet. Ist die AktG eingetragen, so bildet die Ungeeignet dessen, der den Prüfungsbericht erstattet hat, keinen Nichtigkeitsgrund (§ 216). Wohl aber kann sie Anlaß zu einer Sonderprüfung nach §118 und zu Schadensersatzforderungen nach den §§ 39 fr. geben. § 3 6 U m f a n g der Gründungsprüfung (1) Die Prüfung durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie die Prüfung durch die Gründungsprüfer haben sich namentlich darauf zu erstrecken: 1. ob die Angaben der Gründer über die Übernahme der Aktien, über die Einlagen auf das Grundkapital und über die in den § § 1 9 und 20 vorgesehenen Festsetzungen richtig und vollständig sind; 2. ob die für eingelegte oder übernommene Gegenstände gewährten Leistungen angemessen sind. (2) Über jede Prüfung ist unter Darlegung dieser U m s t ä n d e schriftlich zu berichten. (3) Je ein Stück des Berichts der Gründungsprüfer i s t d e m Gericht, d e m Vorstand und der amtlichen Vertretung des Handelsstands einzureichen. Jedermann kann den Bericht bei d e m Gericht und bei der amtlichen Vertretungs des Handelsstands einsehen. Üb ersieht Einleitung

Anm.

Anm.

1

III. Die Einreichung des Prüfungsberichts 4

I. Der Inhalt des Prüfungsberichts . 2 II. Die Form des Prüfungsberichts . 3

Anm. 1 Die Vorschriften darüber, worauf sich die Prüfung zu erstrecken hat, entsprechen im wesentlichen dem bisherigen Recht (§193 HGB). Zugleich bezeichnen sie den Inhalt der zu erstattenden Berichte. Sie gelten gleichmäßig für die von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats wie für die von den Gründungsprüfern in den Fällen des § 25 Abs. 2 vorzunehmende Prüfung. Über die Bedeutung der Prüfungsberichte für die Eintragung der AG vgl. § 31. Anm. 2 I. Der Inhalt des Prüfungsberichts. Die Prüfung hat sich nach § 25 auf den g a n z e n H e r g a n g d e r G r ü n d u n g zu erstrecken, also auf die Feststellung und den Inhalt der Satzung, die Aktienübernahme,

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§ 26

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1,2 Zeichnungen, Vorliegen einer etwa unzulässigen Strohmanngründung ( § 2 Anm. 16), Bestellung des Aufsichtsrats und Vorstands, Gründungsbericht, Erteilung einer etwa erforderlichen Staatsgenehmigung usw. Das Gesetz hebt aber einige Umstände „namentl i c h " hervor, die keinesfalls im Prüfungsbericht übergangen werden dürfen. Es ist zu prüfen: 1. auf R i c h t i g k e i t u n d V o l l s t ä n d i g k e i t die Angaben der Gründer a) über die Übernahme der Aktien (§ 16 Abs. 2, § 22 Abs. 2) mit Einschluß der Zeichnungen (§ 30), b) über die Einlagen auf das Grundkapital — ob Bareinlagen und in welcher Höhe, ob Sacheinlagen — , c) über die in den § 19 (besonderer Vorteil, Gründungsaufwand mit Einschluß von Gründerlohn) und § 20 (Sacheinlagen und Sachübernahmen) vorgeschriebenen Festsetzungen. Z u b) braucht der Nachweis über die Einzahlung von 2 5 % und des Aufgelds (§ 28 Abs. 2) nicht schon bei der Gründungsprüfung, sondern erst bei der Anmeldung zum Handelsregister erbracht zu werden. Die Zahlungsfähigkeit ist nur insoweit zu prüfen, als der Gründungsbericht darüber Angaben enthält, oder als Umstände, die den Prüfenden bekannt sind oder bei pflichtmäßiger Sorgfalt nicht entgehen können, ein Eingehen darauf erforderlich machen (ebenso Schlegelberger-Quassowski A n m . 3 ; v. Godin-Wilhelmi A n m . 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 ; weitergehend DüringerHachenburg § 193 A n m . 7 und wohl auch Ritter Anm. 2). Z u c) ist, wenn Festsetzungen fehlen, einem etwaigen Verdacht der Verschleierung nachzugehen. Es ist ferner zu prüfen: 2. Die A n g e m e s s e n h e i t der f ü r Sacheinlagen zu gewährenden Aktien und der f ü r Sachübernahmen zu gewährenden Vergütung (§ 20 Anm. 3 f f . , 14, § 24 A n m . 4). Auch die Angemessenheit der Sondervorteile und des Gründungsaufwands (§ 19) muß geprüft werden (Düringer-Hachenburg § 193 Anm. 1 9 ; Ritter A n m . 3). Wenn demgegenüber Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 eine solche Prüfung offenbar überhaupt nicht f ü r zulässig halten, so kann dem nicht gefolgt werden. Bei der Bedeutung, die vor allem ein unangemessen hoher Gründungsaufwand f ü r die Anwendung des § 19 hat (vgl. § 19 Anm. 7), muß eine Erörterung dieser Frage f ü r einen sorgfältigen Prüfungsbericht verlangt werden. Dies ist der schwierigste Teil der Prüfung. Gerade dieser Teil gibt aber den V o r schriften des § 20 ihren vollen Wert. Soweit nicht nach § 47 Nr. 2 allgemeine Richtlinien f ü r die Prüfung erlassen werden —• und das ist bisher nicht geschehen — , ist das Gericht ungehindert, seinerseits Anleitungen zu geben.

Anm. 3 II. Die F o r m des Prüfungsberichts, Während das bisherige Recht (§ 193 Abs. 2 H G B ) sich mit der Vorschrift begnügte, daß über die Prüfung unter Darlegung der besonders genannten Umstände (Anm. 2) schriftlich Bericht zu erstatten sei, heißt es jetzt: Über j e d e Prüfung ist unter Darlegung dieser Umstände schriftlich zu berichten. Daraus erhellt klar, daß das Gesetz, wenn eine Prüfung durch Gründungsprüfer stattfindet, zwei getrennte Prüfungsberichte verlangt, einen vom Vorstand und Aufsichtsrat und den zweiten von den Gründungsprüfern. Diese Trennung hat auch ihren guten Grund, weil Vorstand und Aufsichtsrat der Gründung nicht so unparteiisch gegenüberstehen, wie es von den Gründungsprüfern zu verlangen ist. Dagegen gibt das Gesetz keinen Anhalt dafür, daß auch der Bericht des Aufsichtsrats getrennt von dem des Vorstands erstattet werden müßte. Das kann, aber muß nicht geschehen. Möglich ist auch, daß einer der Prüfenden von der Meinung des andern abweicht. Dann muß der Abweichende seine Meinung in einem besonderen Bericht oder doch in einem Zusatz niederlegen. J e d e r muß unterzeichnen und übernimmt durch seine Unterschrift die Verantwortung f ü r den Bericht, den er unterzeichnet. Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse darf der Bericht der Gründungsprüfer nicht offenbaren (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2, § 302 Nr. 2).

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 2 6 A n m . 4—6 § 27 A n m . 1

Anm. 4 III. Die E i n r e i c h u n g d e s P r ü f u n g s b e r i c h t s , Bisher war nur vorgeschrieben ( § 1 9 3 Abs. 3 HGB), d a ß die vom Vertretungsorgan des Handelsstandes bestellten Revisoren diesem ein Exemplar des Berichts einzureichen hätten, u n d daß dessen Einsicht jedem gestattet sei. Die Zahl der einzureichenden Stücke ist nunmehr auf drei erhöht. J e ein Stück des Berichts der Gründungsprüfer ist dem Gericht, dem Vorstand und der amtlichen Vertretung des Handelsstandes (das ist die Industrie- u n d Handelskammer vgl. § 25 Anm. 5) einzureichen. SchlegelbergerQuassowski (Anm. 7) legen Abs. 3 dahin aus, d a ß die Prüfer die f ü r das Gericht u n d die Handelsvertretung bestimmten Stücke dem Vorstand überlassen können, der sie weiterleitet. Wenn das aber die Meinung gewesen ist, so läßt sich nicht erkennen, w a r u m dann noch der Anmeldung ein Stück des Berichts beizufügen ist (§ 29 Abs. 2 Nr. 4). Das erübrigt sich dann, wenn das Gericht schon ein Stück erhalten hat. Ist der Bericht beim Gericht schon vor der Anmeldung der Gesellschaft eingereicht worden, so kann schon von da ab jedermann ihn beim Gericht einsehen. Ebenso steht wie bisher jedermann die Einsicht bei der amtlichen Vertretung des Handelsstands frei. Dies gilt aber nur f ü r den Prüfungsbericht der Gründungsprüfer, nicht f ü r den Prüfungsbericht der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. I n der Bekanntmachung der Eintragung wird auf die Möglichkeit der Einsichtnahme hingewiesen (§ 33 Abs. 2). Die amtliche Vertretung des Handelsstands hat die Einreichung des Berichts zu bescheinigen, die Bescheinigung ist der Anmeldung der Gesellschaft beizufügen (§ 29 Abs. 2 Nr. 4). Ist der Bericht der Gründungsprüfer weder von ihnen noch bei der Anmeldung beim Gericht eingereicht, die Gesellschaft aber dennoch eingetragen worden, so tut das der Gültigkeit der Eintragung keinen Abbruch; das Gericht kann aber den Vorstand zur nachträglichen Einreichung auffordern u n d diese durch Ordnungsstrafen erzwingen; § 303 Abs. 2 steht dem nicht entgegen (RG 130, 256; K G O L G E 24, 171; K G J 41 Ä, 130) Anm. 5 Über die Wirkungen eines u n g ü n s t i g e n B e r i c h t s der Gründungsprüfer enthält § 31 Abs. 2 Vorschriften, die bisherige Streitfragen beseitigen. Anm. 6 Die in § 7 der 1. D V O z. AktG dem Reichsminister der Justiz erteilte Ermächtigung, f ü r einzelne Gesellschaften abweichende Anordnungen über die Bestellung der Gründungsprüfer sowie der Einreichung und der Einsicht des Berichts der Gründungsprüfer zu erlassen, wird m a n als unwirksam betrachten müssen (vgl. dazu § 25 Anm. 7). § 3 7 Meinungsverschiedenheiten zwischen Gründern und Gründungsprüfern. Vergütung und Auslagen der G r ü n d u n g s p r ü f e r (1) B e i M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n z w i s c h e n d e n G r ü n d e r n u n d d e n G r ü n d u n g s p r ü f e r n ü b e r den U m f a n g der v o n den G r ü n d e r n z u g e w ä h r e n d e n A u f k l ä r u n g e n u n d N a c h w e i s e e n t s c h e i d e t d a s G e r i c h t ; die E n t s c h e i d u n g i s t u n a n f e c h t b a r . S o l a n g e s i c h die G r ü n d e r w e i g e r n , d e r E n t s c h e i d u n g n a c h z u k o m m e n , w i r d der P r ü f u n g s b e r i c h t n i c h t e r s t a t t e t . (2) Die G r ü n d u n g s p r ü f e r h a b e n A n s p r u c h auf E r s a t z a n g e m e s s e n e r b a r e r A u s l a g e n u n d auf V e r g ü t u n g f ü r ihre T ä t i g k e i t . Die A u s l a g e n u n d die Verg ü t u n g s e t z t d a s G e r i c h t f e s t ; g e g e n die F e s t s e t z u n g i s t die s o f o r t i g e B e s c h w e r d e z u l ä s s i g ; die w e i t e r e B e s c h w e r d e i s t a u s g e s c h l o s s e n . A u s der r e c h t s k r ä f t i g e n F e s t s e t z u n g f i n d e t die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g n a c h d e r Z i v i l p r o z e ß o r d n u n g statt. Anm. 1 Die Vorschriften des § 27 betreffen zwei nicht miteinander zusammenhängende Fragen, die bei der Tätigkeit der Gründungsprüfer auftauchen, und entsprechen im 11 Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§27 Anm. 2—5

I. Buch: Aktiengesellschaft

wesentlichen dem bisherigen Recht ( § 1 9 4 HGB) unter Berücksichtigung des Umstands, daß die Gründungsprüfer nur noch vom Gericht bestellt werden (§25 Abs. 3).

Anm. 2 1. Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern und den Grün-

d u n g s p r ü f e r n : Nach § 194 H G B entschied über Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den Gründern und den Gründungsprüfern über den Umfang der von den Gründern zu gewährenden Aufklärungen und Nachweise auftreten, die Stelle, welche die Gründungsprüfer ernannt hatte; folgerichtig entscheidet darüber jetzt nur noch das Gericht (§ 25 Abs. 3). Die Entscheidung ist auch dann einzuholen, wenn die Gründungsprüfer sich die erforderliche Aufklärung anderweit verschaffen können und verschaffen. Denn die Stellungnahme der Gründer zu dieser Aufklärung ist wesentlich. Das Recht, sich die erforderliche Aufklärung anderweit zu beschaffen, steht den Gründern unbedenklich dann zu, wenn sie dazu keiner unangemessenen Aufwendungen bedürfen. Eine Pflicht dazu wird man nur annehmen können, soweit ihnen die erforderlichen Auslagen vorgeschossen werden und die Nachforschung auch im übrigen zumutbar ist (ähnlich Baumbach-Hueck Anm. 2). Die Gründer werden im allgemeinen, wenn sie die Gründung nicht scheitern lassen wollen, den Gründungsprüfern die von diesen für notwendig erachteten Aufklärungen zu geben haben, auch über Geschäftsund Betriebsgeheimnisse, denn die Gründungsprüfer haben hierüber Verschwiegenheit zu bewahren (§§ 42 Abs. 1 Satz 2, 302 Nr. 2). Immerhin kann es vorkommen, daß die Gründungsprüfer unnötige Anforderungen stellen. Über andere Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern und den Gründungsprüfern, etwa über den Umfang der Prüfung, entscheidet das Gericht nicht (Ritter Anm. 2; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 1 ) ; die abweichende Ansicht von Düringer-Hachenburg § 194 Anm. 1 findet im Gesetz keine ausreichende Grundlage.

Anm. 3 Wird über eine solche Meinungsverschiedenheit die Entscheidung des G e r i c h t s angerufen, so wird dieses in der Regel beide Teile zu hören haben. Die Entscheidung wird vom Gesetz für unanfechtbar erklärt. Ergeht sie gegen die Gründer und weigern diese sich, ihr nachzukommen, so wird, solange sie dabei bleiben, „der Prüfungsbericht nicht erstattet", und es kommt infolgedessen nicht zur Eintragung der Gesellschaft. Würden die Gründungsprüfer den Bericht dennoch erstatten, so würde das Gericht ihn zurückzuweisen haben (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; a. M. Ritter Anm. 2d). Möglich wäre aber, daß die Gründungsprüfer ihr Bedenken nachträglich als unbegründet fallen lassen, das Gericht sich dem anschließt und seine Entscheidung ändert. Denn die Unanfechtbarkeit bedeutet keine Unabänderlichkeit ( § 1 8 FGG). Ergeht die Entscheidung gegen die Gründungsprüfer, so müssen diese so gut, als sie können, den Gründungsbericht erstatten; andernfalls machen sie sich wegen Verletzung ihrer Obliegenheit nach § 42 schadensersatzpflichtig. Unbenommen bleibt es ihnen, um Enthebung von ihrem Amt und um Bestellung anderer Prüfer zu bitten. Entspricht das Gericht der Bitte, so darf es ihnen für ihre Tätigkeit keine Vergütung zubilligen und Ersatz von Auslagen nur insoweit, als sie für den von anderen Prüfern erstatteten Bericht von Nutzen gewesen sind.

Anm. 4 Die Vorschriften gelten nicht für Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern einerseits, Vorstand und Aufsichtsrat andererseits. Hier kann gegebenenfalls Abberufung helfen (§ 25 Anm. 2).

Anm. 5 2. Die Entschädigung d e r G r ü n d u n g s p r ü f e r : Über diese entscheidet jetzt ausschließlich das Gericht. Die Gründungsprüfer erhalten Ersatz angemessener barer Auslagen und eine — ebenfalls angemessene — Vergütung, auch wenn sie wegen Weigerung der Gründer den Bericht nicht erstattet haben (über den umgekehrten Fall s. Anm. 3 a. E.). Nach § 47 Nr. 2 können Gebührensätze verordnet werden. Dm Gesetz

162

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§28

gibt den Gründungsprüfern einen „Anspruch", der aber nur nach Abs. 2 verwirklicht werden kann, also durch gerichtliche Festsetzung; da diese vollstreckbar ist, würde für eine Klage das Rechtsschutzinteresse fehlen. Die Festsetzung ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar, weitere Beschwerde ist ausgeschlossen. Vereinbarungen über die Höhe der Vergütung und der Auslagenerstattung sind ebenso wie beim Konkursverwalter ( R G 147, 366) unwirksam. Solche Vereinbarungen würden unter Umständen die gebotene Unabhängigkeit der Prüfer gegenüber den Gründern und den Verwaltungsorganen der errichteten Gesellschaft in Frage stellen; sie können aus diesem Grunde keine rechtliche Anerkennung finden (Düringer-Hachenburg § 194 Anm. 12; SchlegelbergerQuassowski Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4; a. M . Brodmann Anm. 4; Ritter Anm. 3). Die vollstreckbare Festsetzung muß den Schuldner bezeichnen. Ist die Gesellschaft noch nicht eingetragen, so sind die Gründer unter Gesamthaftung als Schuldner zu nennen (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 2; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 5, die die „errichtete Gesellschaft" haften lassen wollen). Ist die A G schon eingetragen, so wird diese in der Regel als Schuldnerin zu bezeichnen sein. Jedoch ist eine Vereinbarung der Gründer mit den Gründungsprüfern nicht ausgeschlossen, wonach Schuldner auch nach der Eintragung der A G die Gründer sein sollen; in solchem Fall hätte das Gericht die Festsetzung gegen die Gründer zu richten. Haben die Gründer den Gründungsaufwand im Verhältnis zur Gesellschaft übernommen, so ist das eine innere Abmachung, die für sich allein das Gericht nicht abhalten kann, nach der Eintragung der A G diese als Schuldnerin zu bezeichnen; die Gründer haben sie dann von der Schuld zu befreien. Hat die A G den Gründungsaufwand zu tragen, ist aber die Festsetzung noch gegen die Gründer ergangen, so kann nicht nach der Eintragung der A G eine vollstreckbare Ausfertigung gegen sie erteilt werden, weil keine Rechtsnachfolge im Sinne der §§ 325, 727 Z P O stattfindet. Die Gründer haben dann einen Befreiungsanspruch gegen die A G .

§ 3 8 Anmeldung der

Gesellschaft

( 1 ) Die Gesellschaft ist bei d e m G e r i c h t , in d e s s e n B e z i r k sie ihren Sitz h a t , v o n s ä m t l i c h e n G r ü n d e r n u n d Mitgliedern des V o r s t a n d s u n d des A u f s i c h t s r a t s z u r E i n t r a g u n g in d a s H a n d e l s r e g i s t e r a n z u m e l d e n . ( 2 ) Die A n m e l d u n g d a r f e r s t erfolgen, w e n n a u f jede Aktie, soweit n i c h t Sacheinlagen v e r e i n b a r t s i n d , d e r eingeforderte B e t r a g o r d n u n g s m ä ß i g eingezahlt w o r d e n i s t ( § 4 9 A b s . 3 ) u n d , soweit e r n i c h t b e r e i t s z u r B e z a h l u n g d e r bei d e r G r ü n d u n g angefallenen S t e u e r n u n d G e b ü h r e n v e r w a n d t w u r d e , endgültig z u r freien Verfügimg des V o r s t a n d s s t e h t . D e r eingeforderte B e t r a g m u ß m i n d e s t e n s ein Viertel des N e n n b e t r a g s u n d bei A u s g a b e d e r Aktien f ü r einen h ö h e r e n a l s den N e n n b e t r a g a u c h den M e h r b e t r a g u m f a s s e n . Übersicht Anm. Einleitung

I

I. Die Anmeldung der Gesellschaft 2 zum Handelsregister 1. Der Gegenstand der Anmeldung • 3 2. Die anmeldungspflichtigen Personen • 4 a) Die Verpflichtung zur Anmeldung 5 ll 1

Anm. b) Tod oder Geschäftsunfähigkeit einer anmeldungspflichtigen Person . . . . 6 c) Der Widerruf der Anmeldung • 7 d) Keine Vertretung durch einen Bevollmächtigten bei der Anmeldung 8 e) Die Form der Anmeldung

9 163

I. Buch: Aktiengesellschaft

§28

Anm. 1 —5 Anm. 3. K e i n öffentlichrechtlicher Z w a n g zur Anmeldung . . . I I . Die Voraussetzungen f ü r die Anmeldung 1. Die Einforderung von Einzahlungen auf die Bareinlage 2. Die Höhe des einzufordernden Betrages 3. Die ordnungsmäßige Einzahlung

Anm. 4. Die freie Verfügung des Vorstands über den eingezahlten Betrag 15 5. Keine Einforderung von Sacheinlagen 16 6. Rechtslage bei der gemischten Einlage 17

10 11 12 13

I I I . Das Scheitern der Eintragung . 18

14

Anm. 1 In § 195 H G B A k t G zerlegt diese der Anmeldung") fordernden Betrag

waren die Vorschriften über die Anmeldung zusammengefaßt. Das Vorschriften in § 28 („Anmeldung der Gesellschaft"), § 29 („Inhalt und § 4g Abs. 3 (Zahlungsart f ü r den vor der Anmeldung einzuder Bareinlage).

I. Die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister. Anm. 2 Abs. 1 stellt das Erfordernis der Anmeldung auf und bezeichnet deren Gegenstand sowie die anmeldungspflichtigen Personen. Die Bezeichnung des Gerichts, an das die Anmeldung zu richten ist (§ 195 H G B ) war nach § 14 nicht mehr erforderlich. Die Vorschriften gelten gleichmäßig f ü r die Einheits- wie f ü r die Stufengründung.

Anm. 3 1. Der Gegenstand der Anmeldung:

Gegenstand der Anmeldung ist die Gesellschaft. Firma und Hauptniederlassung brauchen nicht, wie nach § 29 H G B , mit angemeldet zu werden. Denn die Firma und der Sitz müssen sich aus der nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 beizufügenden Satzung ergeben ( § 1 6 Abs. 3 Nr. 1). Zweigniederlassungen sind mit anzumelden, gleichviel, ob sie sich im Gerichtsbezirk des Sitzes oder in einem andern Bezirk befinden (vgl. § 35 Anm. 6ff.).

Anm. 4 2. Die anmeldungspflichtigen Personen:

Anmeldungspflichtig sind sämtliche Gründer und sämtliche, auch die nur stellvertretenden ( R G L Z 1 9 1 4 , 398) Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, nicht die Verwaltungsträger als solche. Es ist nicht erforderlich, daß alle gleichzeitig armelden.

Anm. 5 a) Die Verpflichtung zur Anmeldung:

Eine Verpflichtung der anmeldepflichtigen Personen zur Anmeldung der Gesellschaft ist in zivilrechtlicher Hinsicht grundsätzlich zu bejahen. F ü r d i e G r ü n d e r ergibt sich diese Verpflichtung aus dem Gesellschaftsverhältnis, das zwischen ihnen seit der Errichtung der Gesellschaft besteht (§ 22 Anm. 3). Hiernach sind sie verpflichtet, alles zu tun, was f ü r die Entstehung der A G erforderlich ist, also insbesondere sie zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Diese Verpflichtung zur Anmeldung entfallt nur, wenn ein Gründer einen wichtigen Grund f ü r das Unterlassen der Anmeldung hat; ein solcher wichtiger Grund kann insbesondere im Hinblick auf seine strafrechtliche Haftung (§ 295) darin bestehen, daß bei der Anmeldung falsche Angaben über den Gründungshergang gemacht werden sollen. Liegt ein wichtiger Grund f ü r das Unterlassen der Anmeldung nicht vor, so ist es zweifelhaft, ob der Gründer im Klageweg zur Anmeldung angehalten werden kann. Die herrschende Lehre im Schrifttum bejaht diese M ö g lichkeit unter Hinweis auf § 16 H G B (Düringer-Hachenburg § 195 Anm. 1 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; Ritter Anm. 3 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 ;

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 28 Anm. 6

Vorauf!. Anm. 6; ebenso für die G m b H Hachenburg-Schilling § 7 Anm. 1). Das bedeutet, daß die rechtskräftige Verurteilung des sich weigernden Gründers seine fehlende Anmeldungserklärung ersetzt. Das erscheint jedoch bedenklich, da die Verurteilung gemäß § 16 H G B nicht auch die Erklärung ersetzt, die der Gründer nach § 29 Abs. 1 Satz 1 abzugeben hat, und da diese Verurteilung keinesfalls die strafrechtliche Verantwortung des Gründers auslösen kann. Es würde daher bei einer Anwendung des § 16 H G B die auf diesem Wege ersetzte Anmeldungserklärung lückenhaft sein. M a n muß daher die Möglichkeit einer Verurteilung des sich weigernden Gründers verneinen, so daß die übrigen Gründer in diesem Fall auf Schadensersatzansprüche wegen Verletzung seiner Verpflichtung aus dem Gesellschaftsverhältnis angewiesen sind (ebenso Brodmann § 195 Anm. 3 c ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). F ü r d i e M i t g l i e d e r d e s V o r s t a n d s u n d d e s A u f s i c h t s r a t s ergibt sich ihre zivilrechtliche Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Anmeldung aus dem Rechtsverhältnis, das ihrer Bestellung zum Organmitglied zugrunde liegt. Aus der nur für die Stufengründung gegebenen Vorschrift des § 30 Abs. 8 läßt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Dort handelt es sich um eine noch nicht errichtete Gesellschaft, und die beliebige Zurückziehung der Unterschrift unter die Anmeldung ist nur bis zur Beschlußfassung über die Errichtung gestattet (a. M . insoweit nur v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Die Mitglieder haben im allgemeinen auch kein Recht, aus wichtigem Grund ihre Mitwirkung bei der Anmeldung zu verweigern (Ritter Anm. 3; SchlegelbergerQuassowski Anm. 3; a. M . Brodmann § 195 Anm. 3 c ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2); vielmehr steht ihnen in diesem Fall nur das Recht zur fristlosen Kündigung zu. Ausnahmen sind aber denkbar, etwa wenn unrichtige und strafbare Erklärungen abgegeben werden sollen und das Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied seine Mitwirkung bei der Anmeldung von einer entsprechenden Berichtigung abhängig macht. Eine Weigerung zur Mitwirkung durch Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats begründet bei einem Aufsichtsratsmitglied für die Gründer, bei einem Vorstandsmitglied für den Aufsichtsrat das Recht zur fristlosen Entlassung, es sei denn, daß die Weigerung berechtigt ist. Auch kann daneben eine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz in Betracht kommen. Anm. 6 b) Tod oder Geschäftsunfähigkeit einer anmeldungspflichtigen Person: S t i r b t e i n e d e r a n m e l d u n g s p f l i c h t i g e n P e r s o n e n oder wird sie geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, bevor die Anmeldung an das Gericht abgesandt worden ist, so liegt beim Tod oder der Geschäftsunfähigkeit eines G r ü n d e r s keine gültige Anmeldung vor, und die Eintragung ist abzulehnen. Anders, wenn erst nach dem Abgang der Anmeldung einer dieser Fälle eintritt. Dann ist der Wille, die A G zur Entstehung zu bringen, der zuständigen Behörde gegenüber rechtsgültig erklärt worden, in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 2 B G B bleibt die Erklärung wirksam (Dresden O L G E 4, 22). Tod oder Eintritt des Mangels der Geschäftsfähigkeit hat bei M i t g l i e d e r n d e s V o r s t a n d s o d e r d e s A u f s i c h t s r a t s weiter keine Folge, als daß notfalls ein Nachfolger zu bestellen ist, der sich erforderlichenfalls an der Anmeldung zu beteiligen hat. Inwieweit b e i m T o d e i n e s G r ü n d e r s s e i n E r b e zur Mitwirkung bei der Anmeldung verpflichtet ist, bestimmt sich auch hier nach dem Gesellschaftsverhältnis, das zwischen den Gründern besteht. Da im allgemeinen davon auszugehen ist, daß der Erbe des Gründers an dessen Stelle das Gesellschaftsverhältnis fortzusetzen hat (§ 22 Anm. 13), so ergibt sich auch daraus eine Verpflichtung zur Mitwirkung des Erben bei der Anmeldung. Die hiergegen erhobenen Bedenken, es seien für den Erben die Übernahme einer strafrechtlichen Verantwortung gegen seinen Willen sowie die Übernahme einer über den Bestand des Nachlasses hinausgehenden vermögensrechtlichen Haftung unzumutbar (v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 2), sind nicht begründet. Eine strafrechtliche Verantwortung kommt nach § 295 nur bei vorsätzlich falschen Angaben in Betracht, und es ist selbstverständlich, daß der Erbe bei einem solchen Wissen seine Mitwirkung bei der Anmeldung aus wichtigem Grund verweigern kann (Anm. 5), er also die strafrechtliche Verantwortung nicht zu übernehmen braucht. Auch eine über den Bestand des

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§28 I. Buch: Aktiengesellschaft Anm. 7, 8 Nachlasses hinausgehende Haftung des Erben kann im allgemeinen nicht in Betracht kommen. Sollte die Einlageverpflichtung des Erblassers nicht aus den Mitteln des Nachlasses gedeckt werden können, so wird sich der Erbe ohnehin die Annahme der Erbschaft überlegen müssen; nimmt er sie gleichwohl an, weil er sich aus der Beteiligung an der AG Vorteile verspricht, dann erscheint eine persönliche Haftung des Erben für die Einlageverpflichtung auch gerechtfertigt, jedenfalls nicht unzumutbar. Eine persönliche zivilrechtliche Haftung des Erben als Gründer tritt nur ein, soweit den Erben als Gründer selbst ein Verschulden trifft; sein eigenes schuldhaftes Verhalten nach Annahme der Erbschaft ist also in diesem Fall der Grund für seine über den Bestand des Nachlasses hinausgehende vermögensrechtliche Haftung, was ebenfalls für ihn nicht unzumutbar ist. Anm. 7 c) Der Widerruf der Anmeldung: Widerruft eine der anmeldepflichtigen Personen ihre Anmeldung, bevor die Gesellschaft eingetragen ist, so ist die Anmeldung nicht mehr vollständig und der Richter hat die Eintragung abzulehnen (KG OLGE 43, 204). Eine Zurücknahme des Widerrufs ist jedoch möglich (a. M. Düringer-Hachenburg § 195 Anm. 15, die insoweit nur eine Neuvornahme der Anmeldung durch alle anmeldungspflichtigen Personen für zulässig halten). Ob der Widerrufende zur Rücknahme des Widerrufs zivilrechtlich verpflichtet ist, bestimmt sich ebenso wie bei der Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Anmeldung nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (Anm. 5). Ein Gründer wird im allgemeinen zur Rücknahme des Widerrufs verpflichtet sein, es sei denn, daß er einen wichtigen Grund zum Widerruf hat. Ein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ist zur Rücknahme des Widerrufs verpflichtet, und zwar auch beim Vorliegen eines wichtigen Grundes, es sei denn, daß in einem gleichliegenden Fall seine Weigerung zur Mitwirkung bei der Anmeldung berechtigt wäre (Anm. 5). Seine Weigerung bedeutet des weiteren einen wichtigen Grund für seine Entlassung. Eine Verurteilung zur Rücknahme des Widerrufs ist hier ebenso wenig möglich wie eine Verurteilung zur Mitwirkung bei der Anmeldung (Anm. 5). Anm. 8 d) Keine Vertretung durch einen Bevollmächtigten bei der Anmeldung: Die Vertretung einer anmeldungspflichtigen Person durch einen Bevollmächtigten wird im Anschluß an § 1 a Abs. 2 HGB von einem Teil des Schrifttums für zulässig gehalten (Düringer-Hachenburg § 195 Anm. 6). Immerhin werden dabei vielfach aus aktienrechtlichen Gründen Einschränkungen für notwendig gehalten. So hält Ritter Anm. 4 eine Vertretung der Mitglieder des Aufsichtsrats im Hinblick auf § 95 Abs. 6 für ausgeschlossen. Teichmann-Koehler Anm. 1 erstrecken die Unzulässigkeit einer Vertretung auch auf die Mitglieder des Vorstands, während bei der Beantwortung der ähnlich liegenden Frage im GmbH-Recht nur die Zulässigkeit einer Vertretung auf Grund einer Spezialvollmacht, nicht auf Grund einer Generalvollmacht bejaht wird, weil ein Geschäftsführer seine Befugnisse nicht durch eine Generalvollmacht übertragen könne (Feine Ehrenb.Hdb. I I I 3 S. I45f.; Vogel § 7 Anm. 1; HachenburgSchilling § 7 Anm. 7). Schließlich hält das Kammergericht (JW 1932, 2626) eine Vertretung durch einen Bevollmächtigten dann für zulässig, wenn der Bevollmächtigte selbst unter der Strafdrohung des § 295 steht, wenn sich also z. B. ein Vorstandsmitglied durch ein anderes Vorstandsmitglied vertreten läßt. Das Reichsgericht hat die Frage nach der Zulässigkeit einer Vertretung in R G 154, 282 ausdrücklich offen gelassen, immerhin jedoch in R G 144, 348 die Vertretung eines Aufsichtsratsmitglieds bei der Anmeldung nicht beanstandet. Demgegenüber glaubt eine andere Gruppe im Schrifttum die Zulässigkeit einer Vertretung durch einen Bevollmächtigten in allen Fällen verneinen zu müssen (Brodmann § 195 Anm. 3a; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 2; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Rud. Fischer J W 1933, 119; ebenso K G J 28, 228; für das GmbH-Recht Scholz § 7 Anm. 4). Der zweiten Auffassung wird der Vorzug zu geben sein. Sie wird dem besonderen Charakter der Anmeldung einer AG, die mit einer unter Strafsanktion stehenden Erklärung (§29

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 28 A n m . 9—11

Abs. i Satz i ) zu verbinden ist, mehr gerecht. Zunächst erscheint es schon mißlich, in dieser Frage bei den einzelnen Gruppen der anmeldungspflichtigen Personen Unterschiede zu machen, wozu die Gegenmeinung Zumindestens im Hinblick auf § 95 Abs. 6 gezwungen ist. Auch die Beschränkung auf die Zulässigkeit einer Spezialvollmacht, wie sie für das GmbH-Recht zur Aufrechterhaltung der Strafsanktion versucht wird (vgl. vor allem Feine a. a. O.), erscheint hier nicht gerechtfertigt, weil die für diese Beschränkung angegebenen Gründe nicht für die Anmeldung durch die Gründer zutreffen. Vor allem werden aber die Gegenmeinungen den besonderen Verhältnissen bei der Anmeldung einer AG zur Eintragung in das Handelsregister, wie sie durch den vorausgehenden Gründungsbericht und den Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie durch die besondere Erklärung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 und die strafrechtliche Sanktion des § 295 gekennzeichnet sind, nicht gerecht. Diese Verhältnisse nötigen dazu, für alle Anmeldungserklärungen in gleicher Weise eine Ausnahme von der allgemein gehaltenen Vorschrift des § 12 Abs. 2 HGB zu machen (Würdinger RGRK HGB § 12 Anm. 5). So wie der Gründungsbericht und der Prüfungsbericht persönlich zu erstatten sind (§ 24 Anm. 2, § 25 Anm. 2), muß auch in gleicher Weise die Erklärung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 persönlich abgegeben werden; das folgt nicht nur aus der persönlichen Verantwortung, die mit diesen Berichten und dieser Erklärung verbunden sind, sondern auch daraus, daß es sich in beiden Fällen nicht um rechtsgeschäftliche Erklärungen, sondern um Wissenserklärungen handelt, für die eine Bevollmächtigung nicht zulässig ist. Diese besondere Sachlage zwingt hier auch der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister — in Abweichung von der allgemeinen Vorschrift des § 12 Abs. 2 HGB — einen höchstpersönlichen Charakter zuzusprechen, weil eine unterschiedliche Behandlung von Anmeldung (§ 28) und Erklärung (§ 29) zu einer ungerechtfertigten Zerreißung eines zusammengehörigen Vorgangs führen müßte. Anders ist es natürlich bei der gesetzlichen Vertretung anmeldungspflichtiger Personen. Sie ist nicht nur zulässig, sondern geboten, damit diese Personen ihrer zivilrechtlichen Anmeldungspflicht nachkommen können. Juristische Personen und andere Handelsgesellschaften, die sich etwa als Gründer an der Errichtung einer AG beteiligen, werden bei der Anmeldung durch ihre Handlungsorgane vertreten. Anm. 9 e) Die Form der Anmeldung; Die Anmeldung ist entweder persönlich beim Gericht zu erstatten oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen (§12 Abs. 1 HGB, § 128 RFGG). Die öffentliche Beglaubigung kann durch gerichtliche oder notarische Beurkundung ersetzt werden (§ 129 Abs. 2 BGB). Der Notar, der die Anmeldung beurkundet oder die Unterschriften der Anmelder beglaubigt, kann von ihnen ausdrücklich oder stillschweigend beauftragt werden, die Anmeldung beim Gericht einzureichen. In der Einreichung liegt an sich nur die Tätigkeit eines Boten; eines besonderen Eintragungsantrags bedarf es neben der Anmeldung nicht. Der Notar kann aber nach § 129 FGG die Eintragung namens der Anmelder beantragen und hat dann bei Ablehnung ein Beschwerderecht (KG RJA 17, 78). Anm. 10 3. Kein öffentlichrechtlicher Zwang zur Anmeldung. Die Anmeldung wird, wie nach bisherigem Recht (§319 HGB), nach § 303 Abs. 2 nicht vom Gericht erzwungen. Die Anmeldepflicht bedeutet nur, daß die AG nicht ohne Eintragung entsteht (§ 34 Abs. 1). Bei der ohne Eintragung entstehenden oHG liegt es anders (SS i o 5j i q 6 HGB), dort besteht ein Anmeldungszwang (§ 14 HGB). Anm. 11 II. Die Voraussetzungen für die Anmeldung. Die Reihenfolge der Gründungsvorgänge wird im Gesetz insofern nicht ganz übersichtlich dargestellt, als in Abs. 2 Erfordernisse genannt werden, die vor der Anmeldung erfüllt sein müssen. Gegenüber dem bisherigen Recht ist die Fassung immerhin ver-

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§28 Anm. 12—14

I. Buch: Aktiengesellschaft

vollkommnet, denn die Erfordernisse waren bisher als solche nicht genannt, sondern es war nur die Abgabe einer Erklärung vorgeschrieben, aus der sich ergeben mußte, d a ß sie erfüllt waren. Daraus hatte sich der Zweifel entwickelt, ob § 195 Abs. 3 H G B überhaupt Vorschriften f ü r die Einzahlung enthalte, und ob diese nicht auch auf andere als die dort vorgesehene Art geleistet werden könne. Das Reichsgericht hatte in § 195 Abs. 3 H G B zwingende Vorschriften f ü r die Einzahlung gesehen ( R G 94, 62; 144, 146, 351); die jetzige Fassung beseitigt jeden Zweifel. Die Vorschrift über die abzugebende Erklärung folgt nunmehr in § 29 Abs. 1. Die Erfordernisse betreffen die E i n z a h l u n g a u f B a r e i n l a g e n . Es m u ß 1. ein Betrag eingefordert sein, 2. der eingeforderte Betrag m u ß mindestens ein Viertel des Nennbetrags und das Aufgeld umfassen, 3. der eingeforderte Betrag m u ß ordnungsmäßig ( § 4 9 Abs. 3) eingezahlt sein, 4. der eingezahlte Betrag muß, soweit er nicht bereits zur Bezahlung der bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt wurde, endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Auch diese Erfordernisse gelten gleichmäßig f ü r die Einheits- u n d die Stufengründung.

Anm. 12 1. Die E i n f o r d e r u n g v o n E i n z a h l u n g e n auf die B a r e i n l a g e ; Diese Einforderung ist Sache des Vorstands (§ 70; a. M. Ritter Anm. 5a, der die Einforderung von Einzahlungen als Aufgabe der Gründer ansieht). Die Einforderung geschieht in der Form, die in der Satzung d a f ü r vorgesehen ist. Sieht die Satzung nichts anderes vor, namentlich keine Einzelaufforderung, so sind die Aktionäre zur Einzahlung so aufzufordern, wie es die Satzung f ü r Bekanntmachungen der Gesellschaft vorsieht; § 57 ist auch auf die erste Einzahlung anwendbar (vgl. R G 94, 65 oben; § 57 Anm. 2). Bei der ersten Einzahlung wird sich aber zum mindesten eine ergänzende Einzelaufforderung empfehlen, soweit die öffentliche Bekanntmachung wirkungslos geblieben ist; denn ohne die Einzahlung kann es nicht zur Eintragung der Gesellschaft kommen.

Anm. 13 2. Die H ö h e d e s e i n z u f o r d e r n d e n B e t r a g e s : Die Höhe des vor der Anmeldung einzufordernden Betrags kann in der Satzung bestimmt werden (§ 16 Anm. 18). Das Gesetz verlangt aber als Mindestbetrag ein Viertel des Nennbetrags und außerdem, wenn die Aktien über pari ausgegeben werden, auch den Mehrbetrag. Die Einforderung m u ß gleichmäßig sein, es sei denn, d a ß die Satzung verschiedene H ö h e der Einforderung festgesetzt und damit verschiedene Aktiengattungen geschaffen hat (§11 Anm. 7, 9). Unter den gesetzlichen Mindestbetrag kann aber die Satzung bei keiner Aktiengattung heruntergehen.

Anm. 14 3. Die o r d n u n g s m ä ß i g e E i n z a h l u n g : Der eingeforderte Betrag m u ß ordnungsmäßig eingezahlt sein. Was ordnungsmäßig ist, bestimmt § 49 Abs. 3. Gleichgültig ist, ob die Einzahlung f ü r eigene oder fremde Rechnung, mit eigenen oder dargeliehenen Mitteln, von dem Aktionär selbst oder von einem anderen f ü r ihn geleistet wird (RGSt. 30, 318). Die Einzahlung m u ß auf jede Aktie geleistet sein, ein Mehrbetrag der Einzahlung bei einer Aktie kann nicht auf einen Fehlbetrag bei einer anderen verrechnet werden; es genügt nicht, d a ß die Gesamtsumme der Einzahlungen gleich der Gesamtsumme der eingeforderten Beträge ist (RG 144, 352; RGSt. 26, 66; 33, 252; GoltdA 48, 304). Ebensowenig ist eine Verrechnung des Werts einer Sacheinlage auf Bareinlagen zulässig (KGJ 43 A 107). Die Einzahlung braucht nicht in körperlicher Aushändigung an den Vorstand zu geschehen (RG 144, 148). Dies verbietet sich schon in den Fällen, wo sie durch Gutschrift auf ein Bank- oder Postscheckkonto geleistet wird (§ 49 Abs. 3). Aber auch Aushändigung baren Geldes an eine vom Vorstand bestimmte Person genügt, wenn diese im Verhältnis des Besitzdieners oder Besitzmittlers zu ihm steht (z. B. an den Kassierer; vgl. R G J W 1889,501®) und die Voraussetzung unter 4. erfüllt ist (folg. Anm.). Eine Barzahlung liegt aber nicht schon darin, d a ß auf Anweisung der Gesellschaft an einen Dritten gezahlt wird ( R G 144, 148). Ist auf ein Bank- oder Post-

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 28 Anm. 15

scheckkonto des Vorstands, nicht der Gesellschaft eingezahlt, so gelten dennoch Forderungen der Gesellschaft aus diesen Einzahlungen gegen die Bank oder die Bundespost als Forderungen der Gesellschaft (§ 49 Abs. 3 Satz 2; vgl. § 49 Anm. 10). Anm. 15 4. Die freie Verfügung des Vorstands über den einzezahlten Betrag: Der Betrag muß, soweit er nicht bereits zur Bezahlung der bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt wurde, endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Diese Vorschrift enthält gegenüber dem bisherigen Recht zwei Erleichterungen. Ein Abzug für angefallene Steuern und Gebühren war bisher nicht gestattet, obwohl die Gesellschaft ohne solche Ausgaben kaum entstehen kann. Wenn also nicht die Gründer die Grüdungskosten übernommen hatten, kam die Gesellschaft in Verlegenheit; die Erleichterung entspricht daher einem dringenden Bedürfnis. Zu den „Gebühren" sind auch die „Auslagen" nach der Kostenordnung vom 25. 1 1 . 35 (RGBl. I 1371) zu rechnen (Ritter Anm. 5d; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6), ferner die vom Gericht festgesetzte Vergütung für die Gründungsprüfer (§27 Abs. 2; Baumbach-Hueck § 28 Anm. 36). Im übrigen kommen namentlich Beurkundungs- und Beglaubigungskosten sowie die Kapitalverkehrsteuer in Betracht. Selbstverständlich sind nicht abzugsfahig Steuern und Gebühren, die den Gründern im Endergebnis zur Last fallen und für die die Gesellschaft auch nach außen nicht Schuldnerin ist. Für die Kapitalverkehrsteuer ist sie Steuerschuldnerin nach § 10 K V G ; dieser Betrag kann also vom Vorstand aus der gesetzlichen Einzahlung bezahlt werden unbeschadet eines etwaigen Rückgriffs gegen die Gründer. Dagegen sind für die Beurkundungs- und Beglaubigungskosten sowie für die vor der Eintragung festgesetzte Vergütung der Gründungsprüfer (§27 Anm. 5) Schuldner die Gründer; diese Beträge dürfen von der gesetzlichen Einzahlung nur dann bestritten werden, wenn sie zu dem satzungsgemäß festgesetzten Gründungsaufwand (§ 19 Abs. 2) gehören (Heim Z H R 108, 207f.). Vermittlergebühren (Provisionen) sowie andere Schulden privatrechtlicher Natur sind nicht unter die Gebühren im Sinne des § 28 Abs. 2 zu zählen. Die andere Erleichterung gegenüber dem bisherigen Recht besteht darin, daß die Beträge nicht im „Besitz" des Vorstands sein (§ 195 Abs. 3 HGB), sondern „zu seiner freien Verfügung stehen" müssen. Die bisherigen Streitfragen, ob mittelbarer Besitz im Bardepot genüge (bejaht R G 144, 148; RGSt. 24, 292; 43, 186) oder auch Einzahlung bei einem Treuhänder (Notar), der verpflichtet ist, die Beträge nach der Eintragung dem Vorstand auszuhändigen (für GmbH angenommen vom R G L Z 1913, 946*), sind zu bejahen (a. M. für Zahlung an einen Treuhänder SchlegelbergerQuassowski § 49 Anm. 7; einschränkend v. Godin-Wilhelmi Anm. 9; wie hier Baumbach-Hueck Anm. 3 A). Die Neufassung war schon darum notwendig, weil nach § 49 Abs. 3 auch gewisse Gutschriften genügen. Der Vorstand muß aber f r e i e Verfügung über den eingezahlten Betrag haben. Diese hat er nicht, wenn er durch Gegenforderungen beschränkt ist (§ 29 Abs. 1 Satz 2), weil er alsdann mit Aufrechnungs-oder Zurückbehaltungseinreden rechnen muß. Und die Beträge müssen e n d g ü l t i g zu seiner Verfügung stehen. Zahlungen mit der Vereinbarung alsbaldiger Rückzahlung (RG J W 1 9 1 1 , 5i4 ao ) und Scheinzahlungen (RGSt. 30, 318; R G J W 1915, 35Ö28) sind damit nicht nur selbstverständlich wie bisher, sondern ausdrücklich ausgeschlossen. Der Vorstand muß die freie Verfügung zur Zeit der A n m e l d u n g haben. Die Anmeldung kann dem Notar zu treuen Händen überlassen bleiben mit dem Auftrage, sie einzureichen, sobald ihm die Anmelder die Einzahlung mitgeteilt haben. Bisher war streitig, wie l a n g e der „Besitz" des Vorstands dauern müsse, ob es genüge, daß zur Zeit der Anmeldung ein „Bardepot" vorhanden sei, und ob dieses vor der Eintragung wieder aufgelöst werden könne, um das Geld nutzbringend anzulegen. Das Gesetz verlangt nur, daß die Beträge zur Zeit der Anmeldung zur Verfügung des Vorstands stehen und zwar in einer der in § 49 Abs. 3 zugelassenen Formen, die bis dahin gewechselt haben können. Nach dem Eingang der Anmeldung beim Gericht kann der Vorstand von seiner freien Verfügung Gebrauch machen. Die Frage hat dadurch an Bedeutung verloren, daß die Einzahlung auf ein Bank- oder Postscheckkonto zugelassen ist. 169

§ 28 Anm. 16—18

§29

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 16 5. Keine Einforderung von Sacheinlagen: Die Vorschriften des Abs. 2 betreffen nur Bar-, nicht Sacheinlagen. So wenig wie das bisherige Recht bestimmt das AktG., wann Sacheinlagen an den Vorstand zu leisten sind (KG OLGE 27, 345; RGSt. 48, 158). Demgemäß wird auch nach § 29 keine Erklärung über die Leistung von Sacheinlagen abgegeben, und der Registerrichter hat nicht zu prüfen, ob sie geleistet worden sind (KG OLGE 27, 345), selbst dann nicht, wenn eine AG. ausschließlich mit Sacheinlagen gegründet werden sollte. Es steht aber nichts im Wege, daß auch Sacheinlagen schon vor der Eintragung der Gesellschaft geleistet werden. Bei Einbringung von Grundstücken wird sich freilich eine Übereignung an die Gesamtheit der Gründer nicht empfehlen, da nach der Eintragung eine neue Übereignung an die AG. vorgenommen werden müßte. Die Praxis gestattet aber eine Auflassung an die künftige AG. (RG J W 1925, 1109; Kolmar OLGE 6,486), auch die Übergabe an den Vorstand der Gründungsgesellschaft ist unbedenklich. Anm. 17 6. Rechtslage bei der gemischten Einlage: Der Fall, daß ein Aktionär auf eine Aktie sowohl eine Sach- als auch eine Bareinlage zu leisten hat (gemischte Einlage), kann vorkommen (§ 20 Anm. 2; a. M. Budmann § 195 Anm. 6e; v. Godin-Wilhelmi Anm. 11). In solchem Fall hatte das Reichsgericht in GoltdA 48, 304 angenommen, es sei das bar zu zahlende Viertel von dem Nennbetrag der Aktie (Stammeinlage) zu berechnen und davon der Wert der Sacheinlage abzuziehen. Schlegelberger-Quassowski (Anm. 5) verlangen eine Barzahlung, die den eingeforderten Hundertsatz des Nennbetrags (der Aktie) und das Aufgeld deckt, also u. U. Leistung „in voller Höhe". Weder der einen noch der anderen Ansicht ist zu folgen. Nach RGSt. 48, 160 (vgl. K G J 43, 107 Anm.) ist nur ein Viertel — oder der etwa eingeforderte höhere Bruchteil — des baren Teils und das Aufgeld zu zahlen. Diese Berechnung entsprach dem § 195 Abs. 3 HGB (ebenso Düringer-Hachenburg § 195 Anm. 31) und entspricht auch dem § 28 Abs. 2 AktG. (Ritter Anm. 5f.). Dessen Vorschriften gelten nur, „soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind". Eine Zahlung, die den eingeforderten Hundertsatz des Nennbetrags der Aktie deckt, also z. B. 25%, könnte aber schon höher sein als der ganze bar zu leistende Teil der Einlage. Unter dem „Nennbetrag", von dem mindestens ein Viertel eingefordert sein muß, ist hier sinngemäß nicht der Nennbetrag der Aktie, sondern der bar zu zahlende Teil dieses Nennbetrags zu verstehen. Anm. 18 III. Das Scheitern der Eintragung. Kommt es nicht zur Entstehung der Gesellschaft, so können die Einleger ihre Einlagen z u r ü c k f o r d e r n , und zwar nicht nach Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung. Die Grundlage der Rückforderung bildet für die Gründer das unter ihnen begründete, nunmehr beendete Gesellschaftsverhältnis (§22 Anm. 9, 11), für die Zeichner bei der Stufengründung der bedingte Beitrittsvertrag (§ 30 Anm. 3). Was von den geleisteten Einlagen im Interesse des Zustandekommens der Gründung nach den Grundsätzen ordentlicher Geschäftsführung verbraucht worden ist, kann nicht zurückverlangt werden; der Vorstand ist dafür rechenschaftspflichtig. § 3 9 Inhalt der Anmeldung (1) In der Anmeldung ist die Erklärung abzugeben, daß die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 erfüllt sind; dabei sind der Betrag, zu dem die Aktien ausgegeben werden, und der darauf eingezahlte Betrag anzugeben. Es ist nachzuweisen, daß der Vorstand in der Verfügung über den eingezahlten Betrag nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen, beschränkt ist. Der Nachweis ist im Fall der Einzahlung durch Gutschrift auf ein Bankkonto der 170

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 29

Anm. 1, 2

Gesellschaft oder des Vorstands (§ 49 Abs. 3) durch Vorlegung einer schriftlichenBestätigung der Bank zu führen; für die Richtigkeit der Bestätigung ist die Bank der Gesellschaft verantwortlich. Sind von dem eingezahlten Betrag Steuern und Gebühren bezahlt worden, so ist dies nach Art und Höhe der Beträge nachzuweisen. (2) Der Anmeldung sind beizufügen: 1. die Satzung und die Urkunden über § 16 Abs. 2 u n d § 22 Abs. 2 ; 2. im Fall der§§ 19 und 20 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen sind, und eine Berechnung des der Gesellschaft zur Last fallenden Gründungsaufwands; in der Berechnimg sind die Vergütungen nach Art und Höhe und die Empfänger einzeln anzuführen; 3. die Urkunden über die Bestellung des Vorstands und des Aufsichtsrats; 4. der Gründungsbericht und die Prüfungsberichte der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie der Gründungsprüfer nebst ihren urkundlichen Unterlagen; ferner die Bescheinigung, daß der Bericht der Gründungsprüfer der amtlichen Vertretung des Handelsstands eingereicht i s t ; 5. wenn es für den Gegenstand des Unternehmens oder eine sonstige Satzungsbestimmung der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde. (3) Die Vorstandsmitglieder haben ihre Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen. (4) Die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift aufbewahrt. Übersicht Anm. i

Einleitung I. Die Erklärung der Anmelder gemäß Abs. i Satz i . . . . I I . Der Nachweis Satz 2

gemäß

2

Abs. i 3

Anm. I I I . Die erforderlichen Anlagen f ü r die Anmeldung 4—6 I V . Die Zeichnung der Namensunterschrift 7 V . Die Aufbewahrung der Urkunden 8, 9

Anm. 1 Unter der Überschrift „Inhalt der Anmeldung" bringt § 29 Vorschriften, die im wesentlichen bisher in § 1 9 5 H G B mitenthalten waren (vgl. § 28 A n m . 1). Sie gelten für die Einheits- wie für die Stufengründung, jedoch kommt bei dieser noch etwas hinzu (§ 30 Abs. 5).

Anm. 2 I. Die Erklärung der Anmelder gemäß Abs. 1 Satz 1. Die Anmelder haben zu erklären, daß die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 erfüllt sind. Die Erklärung muß von sämtlichen Anmeldern (§ 28 Abs. 1) abgegeben werden; für die Richtigkeit sind sie bürgerlich-rechtlich (§§ 39, 4 1 ) und strafrechtlich (§ 2 9 5 Abs. 1 Nr. 1) verantwortlich, weshalb keinem der Anmelder gestattet ist, sich vertreten zu lassen (§ 28 Anm. 8). I m einzelnen muß die Erklärurg enthalten: 1. D i e A n g a b e des B e t r a g s , z u d e m d i e A k t i e n a u s g e g e b e n w e r d e n . Wenn das B a y O b L G ( O L G E 4 3 , 2 7 5 ) eine ausdrückliche Erklärung darüber nicht f ü r nötig gehalten hat, so trifft das [nach dem A k t G keinesfalls mehr zu. Daß der Ausgabebetrag sich aus der beigefügten Urkunde über die Aktienübernahme (§ 16 Abs. 2, § 22 Abs. 2) und aus den Zeichnungsscheinen (§ 30 Abs. 2 Nr. 4) ergeben muß, genügt nicht; die Angabe muß auch in der Erklärung enthalten sein. Das ist auch strafrechtlich von Bedeutung (§ 2 9 5 Abs. 1 Nr. 1).

171

§ 29

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm, 3 , 4 2. D i e A n g a b e d e r e i n g e z a h l t e n B e t r ä g e . Sacheinlagen kommen hier nicht in Betracht (§ 28 Anm. 16, 17). Die eingezahlten Beträge selbst sind anzugeben; eine allgemeine Erklärung, es sei auf jede Aktie der gesetzliche Mindestbetrag eingezahlt worden, genügt nicht ( K G J 38 A 165). Die Angabe muß wahr sein, auch insoweit der angegebene Betrag den gesetzlichen Mindestbetrag übersteigt (vgl. § 295 Anm.9).

Anm. 3 II. Der Nachweis gemäß Abs. 1 Satz 2 . Z u der Erklärung haben Nachweise zu treten. 1. I n jedem Fall ist nachzuweisen, daß der Betrag zur freien Verfügung des Vorstands steht. Es muß nachgewiesen werden, daß der Vorstand in der Verfügung völlig frei, namentlich nicht durch Gegenforderungen beschränkt ist (§ 28 Anm. 15). Z u diesem Zweck ist, wenn die Einzahlung durch Gutschrift auf ein Bankkonto der Gesellschaft oder des Vorstands bewirkt ist — die Forderung des Vorstands aus solchen Einzahlungen gilt nach § 49 Abs. 3 Satz 2 als Forderung der Gesellschaft — eine schriftliche Bestätigung der Bank beizubringen. Die Bestätigung muß besonders ergeben, daß keine Gegenforderungen bestehen. Die Bank ist f ü r die Richtigkeit ihrer Bestätigung der Gesellschaft verantwortlich, haftet ihr also f ü r einen etwaigen Fehlbetrag. Ist der Betrag auf ein Postscheckkonto der Gesellschaft oder des Vorstands eingezahlt, so genügt die Beifügung des vom Postscheckamt übersandten Abschnitts oder Benachrichtigungstelegramms (§ 2 V I , § 3 I I I , § 4 I I , V I , § 5 I I der Postscheckordnung vom 16. 12. 27, PAB1. S. 5 1 9 ) . Die freie Verfügung über das Postscheckkonto ist dem Inhaber durch § 4 des Postscheckgesetzes vom 22. 3. 2 1 ( R G B l . S. 247) gewährleistet. V o n einer besonderen Bescheinigung des Postscheckamts, daß das Guthaben nicht gepfändet sei, wird regelmäßig abgesehen werden können (v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). 2. D a nach § 28 Abs. 2 gestattet ist, daß von den Einzahlungen die bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren entrichtet werden (§ 28 Anm. 15), insoweit also schon der Gesamtbetrag vermindert sein kann, so ist dies, wenn es der Fall ist, nach Art und Höhe der Beträge nachzuweisen. Ist es nicht der Fall, so bedarf es darüber keiner besonderen Angabe, wenn sich schon aus dem Nachweis zu 1 ergibt, daß dem Vorstand der volle Gesamtbetrag zur Verfügung steht. Z u r Vermeidung von Rückfragen wird sich immerhin eine Angabe hierüber empfehlen. Z u m Nachweis der Ausgaben werden Bescheinigungen der Empfänger einzureichen sein. J e d o c h werden auch Posteinlieferungsscheine, bei Überweisungen vom Bankkonto Benachrichtigungen von der Ausführung des Auftrags, bei Überweisungen vom Postscheckkonto die entsprechenden Lastschriftzettel ( § 7 V I , § g I V 2 der Postscheckordnung) in Verbindung mit den Steuerbescheiden und Gebührenrechnungen genügen. Ritter Anm. 2 und Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 machen zwischen den Pflichten zur „ A n g a b e " und zum „ N a c h w e i s " keinen sachlichen Unterschied; sie gestatten namentlich dem Gericht dort, wo zwar ein Nachweis, aber nicht in bestimmter Art gefordert ist, sich in geeigneten Fällen mit der Erklärung der Beteiligten zu begnügen. Dem wird man trotz der Fassung des Gesetzes zustimmen können. Über eine Barzahlung kann der Vorstand den Nachweis derselben n u r durch eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Registergericht fordern (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). I m einzelnen muß es dem pflichtmäßigen Ermessen des Richters überlassen bleiben, welche Anforderungen an den Nachweis zu stellen sind.

Anm. 4 III. Die erforderlichen Anlagen für die Anmeldung. Außer der Erklärung (Anm. 2), die in der Anmeldung enthalten sein muß, und den Nachweisen (Anm. 3), die ihr beizufügen sind, verlangt das Gesetz noch die Beifügung einer Reihe von Anlagen, und zwar in Übereinstimmung mit § 195 H G B . Hier ist nur an die Einheitsgründung gedacht, f ü r die Stufengründung fügt § 30 Abs. 5 noch ein Erfordernis hinzu. Beizufügen sind:

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§29

Nr. i . Die Satzung und die — in derselben Urkunde enthaltene — Aktienübernahme nach § 16 Abs. 2, gegebenenfalls die Urkunde oder die Urkunden über nachträgliche Aktienübernahmen nach § 22 Abs. 2. Sind Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen worden (§ 16 Anm. 20), so sind auch die darüber errichteten Urkunden beizufügen. Nr. 2 betrifft die Fälle der §§ 19 und 20. Beizufügen sind die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen (Verpflichtungsgeschäfte) oder zu ihrer Ausführung geschlossen sind (Erfüllungsgeschäfte), aber nur, wenn darüber besondere Schriftstücke vorhanden sind. Die Vorschrift ist nicht dahin zu verstehen, daß alles, was die Festsetzungen nach § 19 oder § 20 betrifft, noch außerhalb dieser Festsetzungen mindestens in Schriftform vorhanden sein müßte. Fehlt es daran, so ist das anzugeben (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 ; Teichmann-Köhler Anm. 2 ; a. M . Ritter Anm. 3 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Der Gründungsaufwand, soweit er der Gesellschaft zur Last fällt, ist in der Satzung nur im Gesamtbetrag festzusetzen ( § 1 9 Anm. 12). Bei der Anmeldung ist eine Berechnung beizufügen, in der die Vergütungen nach Art und Höhe und die Empfanger einzeln aufzuführen sind. I m übrigen kann die Berechnung gruppenweise aufgestellt werden; noch jetzt gilt die Bemerkung in der Begründung zum Gesetz von 1884 (S. 57), es sei nicht nötig, bei Porti jeden abgesandten Brief zu verzeichnen. Dasselbe wird f ü r Ferngespräche, Reisen u. dgl. zu gelten haben. Belegt braucht der Gründungsaufwand nicht zu werden. Künftiger A u f w a n d ist zu schätzen ( § 1 9 Anm. 12). Die Kosten der Einführung der Aktien an der Börse gehören nicht zum Gründungsaufwand. Soweit der Gründungsaufwand von den Gründern übernommen wird (§ 19 Anm. 14), bedarf es weder einer Festsetzung in der Satzung noch der Beifügung einer Berechnung. Nr. 3. Die Urkunden über die Bestellung des Vorstands (§ 23 Anm. 5) und des Aufsichtsrats (§ 23 Anm. 3) sind beizufügen. Über die — formlos gültige — Annahme der Bestellung braucht nichts beigebracht zu werden, die Beteiligung an der Anmeldung genügt dafür schon. Die Ordnungsmäßigkeit der Bestellung hat der R e gisterrichter aber zu prüfen ( K G R J A 6, 1 8 1 ) . Nr. 4. Ferner sind der Gründungsbericht (§ 24), die Prüfungsberichte des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 25 Abs. 1 , § 26 Abs. 2) und in den Fällen des § 25 Abs. 2 der Bericht der Gründungsprüfer (§ 26 Abs. 2) „nebst ihren urkundlichen Unterlagen" beizufügen. M i t den Unterlagen sind Gutachten, Taxen und sonstige Schriftstücke gemeint, die den Berichten zur Grundlage gedient und ihnen beigelegen haben. Nach § 26 Abs. 3 haben die Gründungsprüfer eines von den drei Stücken ihres Berichts der amtlichen Vertretung des Handelsstands einzureichen; deren Bescheinigung über die Einreichung ist ebenfalls beizufügen. Was das Gericht hiervon schon vor der Anmeldung erhalten hat, bedarf keiner erneuten Einreichung (Bericht der Gründungsprüfer § 26 Anm. 4). Nr. 5. Wenn es f ü r den Gegenstand des Unternehmens oder f ü r eine sonstige Satzungsbestimmung (z. B. § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2, § 12 Abs. 2) der staatlichen Genehmigung bedarf, so ist auch die Genehmigungsurkunde beizufügen. Für den Gegenstand des Unternehmens bedarf es heute in weitem U m f a n g einer staatlichen Genehmigung. Neben die klassischen Fälle einer Genehmigungsbedürftigkeit aus wirtschaftspolizeilichen Gründen, z. B. für den Betrieb von Eisenbahnen (pr. Eisenbahnges. v. 3. 1 1 . 1838, GesS. S. 505), f ü r Versicherungsgeschäfte (Versicherungsaufsichtsgesetz v. 6. 6. 1 9 3 1 , R G B l . I 3 1 5 ) , f ü r Hypothekenbankgeschäfte (Ges. v. 1 3 . 7. 99, R G B l . S. 375), überhaupt von Bank- und Sparkassengeschäften (Ges. über das Kreditwesen v. 25. 9. 39, R G B L I 1955) sind zahlreiche Fälle aus wirtschaftspolitischen Gründen getreten, z. B. die Konzession nach § 30 der Gewerbeordnung f ü r Privatkrankenanstalten, nach § 1 des Gaststättengesetzes v. 28. 4. 30 f ü r den Betrieb der Gastwirtschaften. Wie Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 e mit Recht bemerken, ist es bei der Fülle der in Betracht kommenden Fälle nicht zu erwarten, daß der Registerrichter über sie alle unterrichtet ist. E r wird sich daher in dieser Hinsicht der Unterstützung der amtlichen Vertretung der Handelsstände (das ist die Industrie- und Handelskammer § 25 Anm. 5) bedienen müssen. Nicht hierher

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§29

Anm. 5—8

I. Buch: Aktiengesellschaft

gehört freilich der Fall, daß nicht f ü r den Gewerbebetrieb, sondern nur f ü r gewisse Anlagen (§§ i 6 f f . GewO) eine staatliche Genehmigung erforderlich ist. Auch bildet die Möglichkeit, daß die A G ein genehmigungspflichtiges Gewerbe betreiben könne, f ü r sich allein noch keinen Grund, die Beibringung einer Genehmigungsurkunde zu verlangen ( O L G Karlsruhe R i n g 2, 250). Sieht aber die Satzung den Übergang zu solchem Gewerbe vor, so macht diese Satzungsbestimmung die Beibringung erforderlich. Die Urkunde ist beizubringen, bevor der Registerrichter über die Eintragung entscheidet ( K G J 1 1 , 2 3 ; über die Prüfungspflicht vgl. § 3 1 Anm. 4). Es ist also nicht möglich, wie Düringer-Hachenburg § 195 Anm. 27 meinen, daß das Gericht vor der Genehmigung f ü r den Fall, daß genehmigt wird, oder unter dem Vorbehalt der nachträglichen Beibringung der Genehmigung einträgt (wie hier Ritter Anm. 3). Verlangt aber die Genehmigungsbehörde, wie es bisweilen vorkommt, zunächst eine Bescheinigung darüber, daß die Gesellschaft eintragungsfahig sei, so wird der Registerrichter, wenn der Eintragung sonst keine Bedenken entgegenstehen, eine entsprechende Bescheinigung auszustellen haben, da Behörden sich gegenseitig unterstützen müssen. Andererseits ist er, wenn die Genehmigungsbehörde die Genehmigung erteilt, versagt oder f ü r nicht erforderlich erklärt, einer Nachprüfung dieser Frage enthoben; er ist daran gebunden ( K G R J A 1 7 , 107).

Anm. 5 Nach § i 8 g d R A b g O (Fassung v. 29. 3. 40, R G B l . I 585) darf eine Kapitalgesellschaft oder ihre Kapitalerhöhung (bei einer A G oder K G a A die Durchführung ihrer Erhöhung) ins Handelsregister erst dann eingetragen werden, wenn eine B e s c h e i n i g u n g d e s F i n a n z a m t s vorgelegt wird, daß der Eintragung steuerliche Bedenken nicht entgegenstehen. Das Finanzamt erteilt die Bescheinigung, wenn die Kapitalverkehrsteuern entrichtet worden oder gestundet sind, oder wenn Steuerfreiheit gegeben ist.

Anm. 6 Ist die A G trotz Fehlens einer dieser E r f o r d e r n i s s e e i n g e t r a g e n w o r d e n , so ist das Fehlende nachzufordern und die Beibringung durch Ordnungsstrafen nach § 14 H G B zu erzwingen ( R G 130, 256; K G O L G E 24, 1 7 1 ; K G J 41 A 1 2 3 , 130). Das gilt auch von der in Anm. 5 genannten Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Anm. 7 IV. Die Zeichnung der Namensunterschrift.

In Übereinstimmung mit § 195 Abs. 4 H G B bestimmt das AktG, daß die Vorstandsmitglieder ihre Namensunterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen haben, nicht auch die Firma wie der Einzelkaufmann (§ 29 H G B ) und die vertretungsberechtigten Gesellschafter einer o H G ( § 1 0 8 H G B ) . Auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder haben ihre Unterschrift zu zeichnen. Der Natur der Sache nach ist nur persönliche Zeichnung zulässig. Die Zeichnung geschieht nach § 12 H G B , § 128 F G G entweder zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Gerichts oder vor einer zur öffentlichen Beglaubigung zuständigen Person; die Beglaubigung muß ergeben, daß die Unterschrift vor dem Beglaubigenden selbst geleistet, nicht nur vor ihm anerkannt worden ist ( R G 54, 168). Auch die Nachreichung einer fehlenden Zeichnung kann nach der Eintragung der A G erzwungen werden (Anm. 6).

Anm. 8 V. Die Aufbewahrung der Urkunden.

Der bisherigen Bestimmung ( § 1 9 5 Abs. 5), wonach die eingereichten Schriftstücke beim Gericht in Urschrift oder beglaubigter Abschrift aufzubewahren sind, hat das A k t G die „Ausfertigung" hinzugefügt, also eine Abschrift, die bestimmt ist, die Urschrift nach außen zu vertreten, und die den Vermerk der Urkundsperson „ausgefertigt" trägt. Über Einsicht und Erteilung von Abschriften s. § 33 Abs. 2, ferner § 9 HGB.

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 29 A n m . 9

§30 Anm. 9 Will die Gesellschaft bei Einbringung oder Übernahme eines Handelsgeschäfts mit Firma die H a f t u n g nach § 25 Abs. 2 H G B ausschließen, so bedarf es dazu nicht der Anmeldung nach § 29 AktG.; es genügt der Eintragungsantrag des Vorstands nach § 12 HGB, §§ 128, 129 FGG ( K G OLGE 43, 325). § 3 0 Stufengründung (1) Übernehmen die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben, nicht alle Aktien, so sind die folgenden besonderen Vorschriften einzuhalten. (2) Vor Erstattung des Gründungsberichts sind die nicht übernommenen Aktien zu zeichnen. Die Zeichnung geschieht durch eine schriftliche Erklärung (Zeichnungsschein), aus der die Beteiligung des Zeichners nach der Zahl, dem Nennbetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, der Gattung der Aktien hervorgehen muß. Der Zeichnungsschein soll doppelt ausgestellt werden; er hat zu enthalten: 1. den Tag der Feststellung der Satzung; 2. die i m § 16 A b s . 3 und in den §§ 19 und 20 vorgesehenen Festsetzungen und, wenn mehrere Gattungen bestehen, den Gesamtnennbetrag einer jeden Aktiengattung; 3. den Namen, Stand und Wohnort der Gründer; 4. den Ausgabebetrag der Aktien und den Betrag der festgesetzten Einzahlungen sowie den Umfang von Nebenverpflichtungen; 5. den Zeitpunkt, in dem die Zeichnung unverbindlich wird, wenn nicht bis dahin die Errichtung der Gesellschaft beschlossen ist. (3) Zeichnungsscheine, die diese Angaben nicht vollständig oder die außer dem Vorbehalt i m A b s . 2 N r . 5 Beschränkungen der Verpflichtung des Zeichners enthalten, sind nichtig. Auf die Unverbindlichkeit oder Nichtigkeit der Zeichnung kann sich der Zeichner nicht berufen, wenn die Gesellschaft i m Handelsregister eingetragen ist und wenn er auf Grund einer den Erfordernissen des A b s . 2 Satz 2 entsprechenden Erklärung in der zur Beschlußfassimg über die Errichtung der Gesellschaft berufenen Hauptversammlung gestimmt oder später als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. Jede nicht i m Zeichnungsschein enthaltene Beschränkung ist der Gesellschaft gegenüber unwirksam. (4) Den ersten Aufsichtsrat ( § 2 3 ) bestellt eine Hauptversammlung, die die Gründer nach der Zeichnung des Grundkapitals zu berufen haben. (5) Der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister sind außer den Urkunden nach§ 29 A b s . 2 die Doppelstücke der Zeichnungsscheine und ein von den Gründern unterschriebenes Verzeichnis aller Aktionäre beizufügen; das Verzeichnis muß die auf jeden Aktionär entfallenden Aktien und die auf die Aktien geleisteten Einzahlungen angeben. (6) Nach der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister beruft das Gericht eine Hauptversammlung der in dem Verzeichnis aufgeführten Aktionäre zur Beschlußfassung über die Errichtung der Gesellschaft. (7) Der Richter leitet die Versammlung. (8) Der Vorstand und der Aufsichtsrat haben sich über die Ergebnisse der Gründungsprüfung auf Grund der Berichte nach § 26 A b s . 2 und ihrer urkundlichen Grundlagen zu erklären. Bis zur Beschlußfassung kann jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats die Unterzeichnung der Anmeldung zurückziehen. (9) Die Mehrheit für die Errichtung der Gesellschaft m u ß mindestens ein Viertel aller in dem Verzeichnis aufgeführten Aktionäre umfassen; der Nennbetrag ihrer Aktion muß mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals

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§30

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1 erreichen; Personen, denen Sondervorteile oder Gründungsaufwand gewährt werden sollen (§ 19), die Sacheinlagen machen sollen oder von denen Vermögensgegenstände übernommen werden sollen (§ 20), können weder für sich noch für andere mitstimmen. (10) Die Zustimmung aller erschienenen Aktionäre ist nötig, wenn die i m § 16 Abs. 3 und im§ 17 bezeichneten Bestimmungen der Satzung geändert oder die in den §§ 19 und 20 vorgesehenen Festsetzungen zu Lasten der Gesellschaft erweitert werden sollen; gleiches gilt, wenn die Dauer der Gesellschaft über die in der Satzung bestimmte Zeit verlängert oder die in der Satzung für Beschlüsse der Hauptversammlung vorgesehenen erschwerenden Erfordernisse beseitigt werden sollen. (11) Die Beschlußfassung ist zu vertagen, wenn es die Aktionäre mit einfacher Stimmenmehrheit verlangen. (12) Soweit vorstehend nichts anderes bestimmt ist, wird vor der Eintragung der Gesellschaft bei Berufung und Beschlußfassung der Hauptversammlungen nach den Vorschriften verfahren, die nach der Eintragung maßgebend sind. Ü b ersieht Einleitung

Anm. i

I. Der Begriff der Stufengründung 2 I I . Die Zeichnung der Aktien 1. Die Rechtsnatur der Aktienzeichnung und ihre Wirkung 3—6 2. Der Zeitpunkt der Zeichnung 7 3. Der Zeichnungsschein als notwendige Form der Zeichnung 8—10 4. Der notwendige Inhalt des Zeichnungsscheins a) Inhalt der Erklärung des Zeichners . . . . 11 b) Weiterer Inhalt des Zeichnungsscheins . . 12 5. Der fehlerhafte Zeichnungsschein a) Nichtigkeit der Zeichnungserklärung . . . . 13 b) Heilung der Nichtigkeit 14 c) Wirkung der Heilung . 15

Anm. 6. Beschränkungen und Erweiterungen der Zeichnungsverpflichtung 16, 1 7 7. Die Zeichnung durch Sacheinleger und Gründer . . 18 I I I . Die Bestellung des ersten A u f sichtsrats 19 I V . Die Anmeldung der Gesellschaft 20 V . Die Errichtung der Gesellschaft 1. Die errichtende Hauptversammlung 21, 22 2. Rechte und Aufgaben des Vorstandes und des A u f sichtsrats 23 3. Die Abstimmung über die Errichtung 24, 25 4. Die Abstimmung über Satzungsänderungen . . . 26 5. Die Vertagung der Hauptversammlung 27 6. Anwendung der Vorschriften über die ordentliche Hauptversammlung . . . 28

Anm. 1 Die Stufengründung, früher Sukzessivgründung genannt (vgl. §§ 189 fr. H G B ) , war in Deutschland so selten geworden, daß die Entwürfe von 1930 und 1931 die Bestimmungen darüber nicht übernahmen. Das A k t G hält die Stufengründung jedoch nicht f ü r völlig entbehrlich, weil der Mindestbetrag des Grundkapitals auf 500000 R M heraufgesetzt ist und eine Möglichkeit geboten werden soll, Gründungen ohne Bankenhilfe vorzunehmen. Diese Erwartung hat sich jedoch bisher nicht erfüllt. Die Bedeutung der Vorschriften über die Stufengründung besteht heute praktisch nur noch darin, daß die Vorschriften z. T . bei der Kapitalerhöhung wiederkehren (vgl. § 152), insbesondere die Vorschriften über den Zeichnungsschein, und daß sie dort auch praktisch von Gewicht sind.

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 30 Anm. 2, 3

Anm. 2 I. Der Begriff der Stufengründung. Eine Stufengründung ist allemal dann erforderlich, wenn die Aktionäre, welche die Satzung festgestellt, nicht alle Aktien übernommen haben, weder bei der Feststellung der Satzung (§ 16) noch nachträglich (§22 Abs. 2). Alsdann muß der noch fehlende Teil des Grundkapitals von anderer Seite aufgebracht werden, und dies geschieht nach den besonderen Vorschriften des § 30. Die Gesellschaft ist dann noch nicht errichtet (§ 22), sondern wird es erst im Laufe der Stufengründung. Dies gilt auch dann, wenn nur eine einzige Aktie von den Feststellern der Satzung nicht übernommen worden ist. Die Fassung des AktG weicht von dem bisherigen Recht ab. In § 189 HGB hieß es: „Übernehmen die Gründer nicht alle Aktien", jetzt heißt es: „Übernehmen die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben, nicht alle Aktien". Damit ist klargestellt, daß eine Stufengründung auch dann vorliegt, wenn ein Sacheinleger, der sich an der Feststellung der Satzung nicht beteiligt hat, den Rest der Aktien übernimmt (§21, vgl. unten Anm. 18). Anm. 3 II. Die Zeichnung der Aktien. 1. Die Rechtsnatur der Aktienzeichnung und ihre Wirkung: Die Zeichnung der Aktien durch Personen, die nicht zu den Gründern gehören — dies gilt auch von der Aktienzeichnung bei der Kapitalerhöhung —, hat ebenso wie die Übernahme von Aktien durch die Gründer Vertragsnatur, verbunden mit einer für die Öffentlichkeit bestimmten, einen Rechtsschein begründenden Erklärung (§ 2 Anm. 3f.). Freilich ist der Vertrag kein gegenseitiger, bei dem der Leistung des Zeichners die Gewährung der Mitgliedschaft als Gegenleistung entspräche (RG 79, 114, 177; 118,274). Ebenso wie der Zusammenschluß der Gründer durch Aktienübernahme ist auch der Beitrittsvertrag des Aktienzeichners ein eigentümlicher, dem Körperschaftsrecht angehörender Vertrag. Es ist aber nicht gerechtfertigt, die Vertragsnatur zu leugnen (ebenso die fast allgemeine Ansicht im Schrifttum, wobei die verschiedenen Nuancen, etwa die Annahme eines rein schuldrechtlichen Vertrages oder der eines körperschaftsrechtlichen Akts für die Auffassung vom Vorliegen eines Vertrages ohne Bedeutung sind; lediglich in den angegebenen Entscheidungen des R G wird der Charakter des Vertrages nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit hervorgehoben). Die an die Öffentlichkeit gerichtete Aufforderung der Gründer, Aktien zu zeichnen, ist eine Einladung zu Vertragsangeboten. Bei der Kapitalerhöhung geschieht dieses häufig durch einen Prospekt unter Angabe von Zeichnungsstellen. Diese sind in der Regel nur Geschäftsbesorger und Empfangsboten der Gründer (RG J W 1908, 48013). Der Zeichner macht durch den Zeichnungsschein das Angebot, Mitglied der AG zu werden, falls die Hauptversammlung die Errichtung beschließen sollte. Die Zeichnung enthält noch nicht die unwiderrufliche Zustimmung zur Errichtung der Gesellschaft; insoweit hat der Zeichner noch freie Hand, er kann in der Errichtungsversammlung auch gegen die Errichtung der Gesellschaft stimmen (Teichmann-Koehler Anm. 2 b). Das Angebot wird wirksam, indem es den Gründern oder einer Zeichnungsstelle zugeht. Der Zeichner ist für die im Zeichnungsschein angegebene Frist gebunden; denn die Bindung innerhalb dieser Frist bezieht sich nicht nur auf den durch die Zuteilung der gezeichneten Aktien zustande gekommenen Vertrag, sondern ebenfalls auf das Vertragsangebot des Aktienzeichners (Brodmann § 189 Anm. 3 b, 5 c). Ist trotz der Vorschrift des § 30 Abs. 2 Nr. 5 im Zeichnungsschein keine Frist angegeben, so ist der Schein nichtig, unbeschadet einer Heilungsmöglichkeit nach Abs. 3. Die Gründer können das Angebot annehmen oder ablehnen, dies schon darum, weil Überzeichnungen eintreten können. Die Gründer erklären die Annahme des Angebots — ebenfalls unter der Bedingung, daß die Hauptversammlung die Errichtung der Gesellschaft rechtzeitig beschließt —, indem sie dem Zeichner die Zuteilung der gewünschten Aktien mitteilen. Damit ist der Vertrag unter der genannten Bedingung zustande gekommen. Der Zeichner ist nunmehr verpflichtet, die Einzahlung zu leisten, die ihm schon vor der Errichtung der Gesellschaft obliegt. Kommt es nicht zur Errichtung, so kann er seine Einzahlung vertraglich, nicht aus 12

Akliengesetz, 2. Aufl.

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§30

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 4, 5 ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangen ( R G 154, 70 unter Annahme eines Treuhandverhältnisses; vgl. § 28 Anm. 18). Andererseits ist der Zeichner nach Annahme seines Angebots berechtigt zu verlangen, daß er in das dem Gericht mit der Anmeldung einzureichende Verzeichnis (§ 30 Abs. 5) aufgenommen wird. Die beiderseitigen, wenn auch nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stehenden Pflichten sind im Klagewege erzwingbar. Die Vorschriften über den K a u f , namentlich die kurze Verjährung nach § 196 Nr. 1 B G B , sind nicht anwendbar (Hamm O L G E 24, 132). Ist die Gesellschaft errichtet und eingetragen, so ist der Zeichner damit Aktionär geworden; die Verpflichtung zur Gewährung des Aktienrechts ist erfüllt ( R G 79, 177). Gerät er nunmehr in Konkurs, so kann die A G . den noch rückständigen Teil seiner Einlage als Konkursforderung geltend machen. Zur Aushändigung der Aktienurkunde ist sie nicht verpflichtet, solange nicht die volle Einlage geleistet ist; § 1 7 K O ist nicht anwendbar, weil kein zweiseitiger Vertrag vorliegt und überdies die A G ihre Pflicht schon erfüllt hat ( R G a. a. O.). Auch wenn der Zeichner vor der Errichtung der Gesellschaft in Konkurs fällt, ist § 17 K O unanwendbar. Der Konkursverwalter kann aber kraft seiner Verwaltungsbefugnis ( § 6 K O ) die vollen Zahlungen leisten, wenn er den Erwerb der Mitgliedschaft f ü r den Gemeinschuldner als im Interesse der Masse liegend erachtet. Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn es zu einem Zwangsvergleich kommt, weil durch die Zahlung der Vergleichsquote die Einlageforderung getilgt wird (vgl. dazu J a e g e r K o m m . K O 6-/7. Aufl. § 1 7 Anm. 5 ; z. T . abweichend Brodmann § 2 1 8 Anm. 6 c).

Anm. 4 Der Vertragsinhalt der Zeichnung erschöpft ihre Bedeutung ebensowenig, wie dies bei der Übernahme von Aktien durch die Gründer der Fall ist. Die Erklärungen richten sich auch a n d i e Ö f f e n t l i c h k e i t , sie begründen f ü r diese einen Rechtsschein, und das ist f ü r die Frage, inwieweit A n f e c h t u n g s - u n d N i c h t i g k e i t s g r ü n d e des bürgerlichen Rechts geltend gemacht werden können, entscheidend. Es kann hierzu auf die Ausführungen zur Aktienübernahme ( § 2 Anm. 4) verwiesen werden, wo auseinandergesetzt ist, daß nach der Eintragung der A G aus Gründen des bürgerlichen Rechts keine Anfechtung oder Nichtigkeit mehr geltend gemacht werden kann, die den Beitritt betrifft, weil damit der A G die Grundlage ihres Bestehens entzogen würde. In § 30 Abs. 3 sind die Fälle der teils heilbaren, teils unheilbaren Nichtigkeit von Zeichnungsscheinen erschöpfend geregelt (unten Anm. 1 3 f r . ) . Darüber hinaus gibt es nach Eintragung der A G keinen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund f ü r den Beitritt. Auch wenn der Zeichner gar keine Aktienzeichnung gewollt, sich hierüber in einem Irrtum befunden, den Zeichnungsschein aber den Gründern hat zugehen lassen, so kann das trotz entgegenstehender Bemerkungen in den Entscheidungen R G 9, 39; O L G Nürnberg J W 1930, 2 8 0 1 4 keinesfalls nach dem A k t G noch einen Anfechtungsgrund geben. Denn das ist nur ein Fall des Irrtums, der nach § 1 1 9 B G B mit dem Irrtum über den Inhalt der Erklärung auf derselben Stufe steht. Das gleiche gilt f ü r den Fall der Simulation ( R G 43, 4 1 2 ) , der Drohung usw. Des weiteren ist auch hier nach der Errichtung der A G (Abs. 6) die Geltendmachung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen nur in dem beschränkten U m f a n g möglich, wie das bei der Einheitsgründung der Fall ist (vgl. § 2 2 Anm. 1 1 ) .

Anm. 5 Aus den gleichen Erwägungen ist auch eine S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t d e r G e s e l l s c h a f t aus § 31 B G B zu v e r n e i n e n , wenn der Zeichner durch betrügerisches Handeln des Vorstandes zur Zeichnung bestimmt worden ist. Denn auch in diesem Fall würde die Kapitalgrundlage der A G in ähnlicher Weise gefährdet werden, wie wenn der Zeichner seine Beitrittserklärung anfechten könnte ( R G 54, 129; 88, 1 8 8 ; J W 1906, 3 2 4 2 ; 1 9 1 5 , 5 1 4 1 2 ; Holdheim 25, 203; O L G Dresden S e u f f A 60, 407). Diese Frage hat namentlich bei der Kapitalerhöhung Bedeutung; auch schon f ü r Nachwirkungen aus dem Gründungsstadium könnte aber § 31 B G B in Betracht kommen ( § 2 2 Anm. 10).

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 30 Anm. 6—9

Anm. 6 Die ans dem Grundsatz der Kapitalerhaltung gezogenen Folgerungen (Anm. 4, 5) gelten auch im K o n k u r s e der AG (LG Leipzig Bauer 1 1 , 5) und nach ihrer sonstigen Auflösung, unabhängig davon, ob die Gläubiger noch nicht voll befriedigt sind. Denn der Grundsatz gilt nicht nur zum Schutz der Gläubiger, sondern auch zum Schutz der anderen Aktionäre (vgl. R G 81, 412; J W 1929, 30063). Anm. 7 2. Der Zeitpunkt der Zeichnung: Die Zeichnung der nicht übernommenen Aktien muß der Erstattung des Gründungsberichts (§ 24) vorangehen. Das ist selbstverständlich, da die Unterbringung aller Aktien unmittelbar zum Wesen der Gründung und daher auch zum Inhalt des Gründungsberichts gehört. Der Zeichnung selbst muß aber die Feststellung der Satzung vorangegangen sein (§16 Abs. 1). Regelmäßig wird auch, ein Teil der Aktien schon von den Gründern übernommen worden sein (§16 Abs. 2, § 22 Abs. 2). Alles übrige steht noch aus. Anm. 8 3. Der Zeichnungsschein als notwendige F o r m der Zeichnung: Die Zeichnung geschieht in Form einer schriftlichen Erklärung, die Zeichnungsschein genannt wird. Zeichnungsscheine kommen auch bei der Kapitalerhöhung vor (§ 152), wo dies die einzige Form der Beteiligung ist. Der Zeichnungsschein ist kein Wertpapier (RG 85, 286); denn seine Innehabung ist nicht Bedingung für die Ausübung des darin verbrieften Rechts. Es ist nur eine Urkunde über eine gegenüber den Gründern übernommene Verpflichtung und weder bestimmt noch geeignet, von einem anderen als von ihnen verwertet zu werden. Aber er ist eine begründende (konstitutive), keine nur beweisende (deklaratorische) Urkunde. Die Verpflichtung des Zeichners entsteht, ähnlich wie die des Schuldners aus einem abstrakten Schuldversprechen (§ 780 BGB), durch den Zugang der unterzeichneten Urkunde und deren Annahme. Geht der Zeichnungsschein verloren, wogegen übrigens die Vorschrift schützt, daß er doppelt ausgestellt werden soll (Satz 3), so ist damit die Verpflichtung des Zeichners nicht etwa erloschen; nötigenfalls muß auf andere Weise bewiesen werden, daß der Zeichner den Schein ausgestellt hat. Die Schriftform ist wesentlich (RG 19, 194). Eine mündliche Zusage ist auch als Vorvertrag gänzlich wirkungslos (vgl. OLG Köln L Z 1914, 693 2 ). Ein Vorvertrag müßte ebenfalls von Seiten des Zeichners schriftlich sein und alles Wesentliche mit genügender Bestimmtheit erkennen lassen (vgl. § 16 Anm. 22); käme er vor, so könnte daraus auf Ausstellung eines Zeichnungsscheins geklagt werden (§ 894 ZPO). Die Schriftform muß dem § 126 BGB entsprechen. Sie gilt aber nur für die Zeichnungserklärung, nicht auch für ihre Annahme; diese kann vielmehr auch formlos, selbst stillschweigend erfolgen. Bei der Zeichnungserklärung ist Vertretung zulässig, Vollmacht und Genehmigung (RG 63, 97) bedürfen keiner Form. Der Zeichnende muß „eigenhändig" unterschreiben; der Vertreter kann entweder mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnen (RG 50, 5 1 ; 74, 69 [v. Z.]; 81, 2) oder mit seinem eigenen Namen, indem er die Person des Vertretenen erkennbar macht. Der Registerrichter wird in der Regel keinen Anlaß haben, sich die Vollmacht oder Genehmigung nachweisen zu lassen, da der Vertreter ohne Vertretungsmacht für die volle Einlage haftet (KGJ 23, 104; § 1 6 Anm. 2 1 ; a. M. Brodmann §189 Anm. 2c; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 2C). Zeichnungsscheine, die im A u s l a n d ausgestellt sind (vgl. OLG Köln L Z 1914, 6g32), müssen den deutschen Vorschriften genügen, die nicht nur die Form (Art. 11 EG z. BGB), sondern auch den Inhalt betreffen, und müssen, da sie für die deutsche Öffentlichkeit bestimmt sind (Anm. 4), in deutscher Sprache abgefaßt sein (a. M. Brodmann § 189 Anm. 3c; Ritter Anm. 3b dd). Anm. 9 Aus dem Ausdruck „Zeichnungsschein" darf nicht geschlossen werden, daß jeder Zeichner eine besondere Urkunde auszustellen habe. Es ist zulässig, daß an einen Zeich12*

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§30

Anm. 10—12

I. Buch: Aktiengesellschaft

nungsschein mit gesetzlichem Inhalt eine L i s t e angeschlossen wird, in der jeder Zeichner seine Beteiligung nach Zahl, Nennbetrag und Gattung der Aktien angibt und die Angabe unterschreibt (jetzt allgemeine Ansicht).

Anm. 10 Die Vorschrift, daß der Zeichnungsschein d o p p e l t ausgestellt werden „ s o l l " , kennzeichnet sich in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht ( § 1 8 9 Abs. 3 H G B ) als Ordnungsvorschrift. Das eine Stück bleibt bei der Gesellschaft und dient ihr dazu, nötigenfalls das Recht aus dem Zeichnungsschein gegen den Zeichner geltend zu machen; das andere wird dem Gericht eingereicht (Abs. 5) und kann dort eingesehen werden (§ 9 H G B , vgl. § 33 Abs. 2).

Anm. 11 4. Der notwendige Inhalt des Zeichnungsscheins. a) Für die Erklärung des Zeichners im Zeichnungsschein ist ein bestimmter

I n h a l t vorgeschrieben. Aus der Erklärung muß seine Beteiligung a) nach Zahl, b) nach Nennbetrag, c) nach Aktiengattung, wenn mehrere bestehen, hervorgehen. Hieran ist gegenüber dem bisherigen Recht die Bestimmung zu b) und die Fassung zu c) neu. § 189 Abs. 2 H G B verlangte, daß aus der Erklärung die Beteiligung nach der Anzahl und, falls verschiedene Aktien ausgegeben würden, „ n a c h dem Betrag oder der G a t t u n g " hervorgehen müsse; die Verschiedenheit war dort also nicht nur solche der Gattung. Nach jener Fassung hat das Reichsgericht ( R G 85, 286; 1 1 8 , 272) angenommen, daß eine der Erklärung anhaftende Unklarheit, die durch Vergleich mit dem Kapitalerhöhungsbeschluß (oder der Satzung) ohne weiteres klargestellt werden könne, der Gültigkeit nicht schade. So war die Angabe eines Zeichners, er übernehme 50000 R M Aktien ( R G 85, 284), f ü r genügend erachtet worden, weil nach dem Kapitalerhöhungsbeschluß nur Aktien im Nennwert von 1000 R M ausgegeben wurden, die Zahl der Aktien also f ü r den Zeichner 50 betragen mußte. Ebenso wird auch nach dem A k t G zu entscheiden sein. Denn das Gesetz verlangt nicht, daß Zahl, Nennbetrag und Gattung in der Erklärung a n g e g e b e n sein (so R u d . Fischer Ehrenb. Hdb. I I I 1 S . i 1 4 ; v. GodinWilhelmi Anm. 4), sondern nur, daß sie daraus h e r v o r g e h e n müssen, wobei nicht gesagt ist, daß sie aus dem Inhalt der Erklärung f ü r s i c h a l l e i n schon hervorgehen müßten, wenngleich das natürlich regelmäßig der Fall sein wird. Es kann nicht im Sinn des Gesetzes liegen, wegen einer derartigen, ohne weiteres zu ergänzenden Auslassung die Fälle unheilbarer Nichtigkeit der Zeichnungsscheine (unten Anm. 13) zu vermehren (ebenso Brodmann § 189 Anm. 3 a ; Düringer-Hachenburg-Bing § 189 Anm. 1 7 ; zu weitgehend Ritter Anm. 3 c, der es nicht f ü r erforderlich hält, daß die Stückelung der übernommenen Aktien überhaupt erkennbar ist).

Anm. 12 b) Das Gesetz schreibt f ü r den Inhalt des Zeichnungsscheins eine Reihe weiterer vor, deren Kenntnis im Interesse des Zeichners liegt ( R G 85, 287). Dies sind im einzelnen:

Angaben

Nr. 1. Der T a g der Feststellung der Satzung. Sie muß also schon festgestellt sein (Anm. 7). Nr. 2. Die Festsetzungen, die in § 16 Abs. 3 (wesentlicher Inhalt der Satzung) und in den §§ 19, 20 vorgesehen sind, und, wenn mehrere Gattungen bestehen, auch der Gesamtnennbetrag jeder Aktiengattung. Durch diese Angaben wird der Zeichner über die Grundlage der A G unterrichtet. Nr. 3. Namen, Stand und Wohnort der Gründer. Deren Persönlichkeit ist f ü r die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens von Bedeutung. Z u den Gründern gehört auch der Sacheinleger ( § 2 1 Satz 2 ; unten Anm. 18). Nr. 4. Der Ausgabebetrag der Aktien (§§ 9, 16 Abs. 2, § 22 Abs. 2), der Betrag der festgesetzten Einzahlungen, nicht nur der ersten Einzahlung, die nach § 28 Abs. 2 mindstens ein Viertel der Bareinlage und das Aufgeld betragen muß, sondern auch spätere Einzahlungen, sofern sie schon festgesetzt sind (herrsch. Ansicht; a. M .

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 30 Anm. 13

Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I i S. 114), sowie der Umfang von Nebenverpflichtungen (§ 50, z. B. einer Rübenlieferungspflicht). Die Nebenverpflichtungen waren im bisherigen Recht an dieser Stelle nicht genannt; die h. M. nahm aber an, daß sie im Zeichnungsschein angegeben werden müßten. Das AktG stellt das klar. Auch in der Aktienurkunde sind sie anzugeben (§ 50 Abs. 1 Satz 2). Nr. 5. Der Z e i t p u n k t , in dem die Z e i c h n u n g u n v e r b i n d l i c h w i r d , wenn nicht bis dahin die Errichtung der Gesellschaft beschlossen ist; auf die Eintragung der Gesellschaft kommt es insoweit nicht an (anders dagegen bei der Kapitalerhöhung; vgl. § 152 Abs. 1 Nr. 4). Der Zeichnungsschein ist also seinem Wesen nach befristet. Es ist dies für die Verpflichtung des Zeichners die einzige Beschränkung, die zugelassen, aber auch geboten ist (vgl. Abs. 3 Satz 1). Als Endtermin ist für alle Zeichner derselbe zu bestimmen, da über die Errichtung der Gesellschaft nur in einem einzigen Beschluß entschieden wird (herrsch. Ansicht; a. M. Vorauf!, und Brodmann § 189 Anm. 5d). Verstreicht der Endtermin, ohne daß die Errichtung beschlossen worden ist, so wird der Zeichnungsschein kraftlos, ebenso dann, wenn das satzungsmäßige Grundkapital nicht vollständig gezeichnet ist und die Hauptversammlung es nicht mit Einstimmigkeit aller erschienenen Zeichner — die nicht erschienenen gelten als zustimmend (Anm. 26) •— auf den gezeichneten Betrag herabsetzt (RG 55, 68). Der Zeichner kann alsdann den eingezahlten Betrag zurückverlangen (oben Anm. 3). Nach dem Endtermin darf der Registerrichter die Anmeldung nicht mehr annehmen (KG OLGE 43, 316). Geschieht es dennoch, so gehört der Fehler zu denen, die nach Abs. 3 geheilt werden können. Möglich ist auch, durch eine Änderung oder Ergänzung der Zeichnungsscheine oder durch Ausstellung neuer Zeichnungsscheine einen neuen Endtermin wirksam festzusetzen (RG 154, 70). Es genügt hier, daß die E r r i c h t u n g der Gesellschaft vor Ablauf der Bindungsfrist beschlossen ist; die Eintragung kann später erfolgen. Anders ist es bei der Kapitalerhöhung. Dort ist nach § 152 Abs. 1 Nr. 4 im Zeichnungsschein ein Endpunkt zu bestimmen, bis zu dem die Durchführung der Kapitalerhöhung eingetragen sein muß. Anm. 13 5. Der fehlerhafte Zeichnungsschein. a) Nichtigkeit der Zeichnungserklärung: Sind die Vorschriften des Abs. 2 über den Inhalt des Zeichnungsscheins nicht eingehalten, so ist dieser nichtig. Dabei macht es für den Eintritt der Nichtigkeit keinen Unterschied, ob die Erklärung des Zeichners (Anm. 11) Mängel aufweist, oder ob die Vorschriften über die weiteren Angaben im Zeichnungsschein (Anm. 12) verletzt sind. Dies ist nur für die weitere Frage, ob die Nichtigkeit des Zeichnungsscheins später geheilt werden kann (Anm. 14) von Bedeutung. Als Verstoß gegen die Vorschriften des Abs. 2 gilt es, wenn keine schriftliche Erklärung ausgestellt, sondern nur eine mündliche Zusage erteilt ist (Anm. 8), oder wenn aus der schriftlichen Erklärung die Beteiligung nicht genügend hervorgeht (Anm. 1 1 ) ; als Verstoß gilt es auch, wenn der Zeichnungsschein ohne den Willen des Zeichnenden in die Hände der Gründer gelangt ist; denn damit ist überhaupt keine Erklärung abgegeben (OLG Hamburg Recht 1915 Nr. 938). Ist auch nur ein Zeichnungsschein nichtig, so hat der Registerrichter die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen, und zwar auch hier ohne Unterschied darauf, ob die Nichtigkeit durch Mängel in der Erklärung des Zeichners (Anm. 11) oder durch eine Verletzung der Vorschriften über die weiteren Angaben im Zeichnungsschein (Anm. 12) bedingt ist. Ist versehentlich trotzdem die Eintragung der Gesellschaft erfolgt, so macht auch diese — abgesehen von dem Ausnahmefall einer Heilung der Nichtigkeit (darüber Anm. 14) — den Zeichner nicht zum Aktionär. Seine Einlage kann er als ungerechtfertigte Bereicherung von der Gesellschaft zurückverlangen. Durch die Nichtigkeit des Zeichnungsscheins wird aber die Entstehung der Gesellschaft auf Grund der Eintragung nicht in Frage gestellt. Die Eintragung der Gesellschaft kann demzufolge auch nicht nach § 144 FGG von Amts wegen wieder gelöscht werden. Auch eine Nichtigkeitserklärung nach § 216 181

§30

Anm. 14

I. Buch: Aktiengesellschaft

kommt nicht in Betracht; denn die Nichtigkeit eines einzelnen ZeichnungsVertrages hat nicht zur Folge, daß damit auch die Bestimmung der Satzung über die Höhe des Grundkapitals nichtig wäre. Daraus folgt des weiteren, daß die in dem nichtigen Zeichnungsvertrag bezeichneten Aktien gleichwohl entstanden sind; sie stehen der Gesellschaft zu, sie kann sie, etwa durch Verkauf, verwerten, um dadurch den Ausfall auszugleichen, den sie durch die Nichtigkeit des Zeichnungsvertrages bei der Aufbringung des Grundkapitals erlitten hat. Gelingt ihr eine solche Verwertung nicht und will sie den Ausfall nicht hinnehmen, so muß sie eine Kapitalherabsetzung durchführen. Der Zeichner haftet aus dem nichtigen Zeichnungsvertrag nicht, auch nicht etwa den Gesellschaftsgläubigern (so jetzt allgemeine Ansicht; a. M . noch K G R J A 3, 127). Beruft sich der Zeichner gegenüber dem Zahlungsverlangen der Gesellschaft auf den Formmangel, so kommt jedoch die Replik der unerlaubten Rechtsausübung in Frage, die dann durchgreift, wenn derjenige, der sich auf den Formmangel beruft, die Nichtbeobachtung der Form, wenn nicht gar arglistig herbeigeführt, so doch durch Irrtumserregung fahrlässig verschuldet hat ( R G 1 0 7 , 3 6 1 ; 1 1 7 , 1 2 4 ; 1 5 3 , 6 0 ; B G H 1 6 , 3 3 6 ) . In der Entsch. R G 1 1 8 , 274 ist die Replik bei einem nichtigen Zeichnungsschein abgelehnt worden, weil jene Grundsätze nur auf dem Gebiet des Vertragsrechts entwickelt worden seien, es sich beim Zeichnungsschein aber nicht um Vertragspflichten handle, und weil im gegebenen Fall der Zeichner keinen Irrtum erregt, sondern sich als Aufsichtsratsmitglied im selben Irrtum befunden habe wie die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats und die Mitglieder des Vorstands. V o n diesen Gründen ist der zweite unbedenklich, der erste aber nicht überzeugend. Daß die Erklärung des Zeichners sich auch an die Öffentlichkeit wendet (Anm. 4), ist gewiß kein Grund, die Berufung auf den Formmangel zu erleichtern; die Replik ist unter derselben Voraussetzung zuzulassen wie sonst.

Anm. 14 b) Heilung d e r Nichtigkeit. Entspricht die Erklärung des Zeichners nicht den Formerfordernissen (Anm. 8, 1 1 ) , so ist die Zeichnung in jedem Fall unheilbar nichtig. Nur wenn die Vorschriften über die weiteren Angaben im Zeichnungsschein (Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 — 5 ; vgl. Anm. 12) verletzt sind, kann eine Heilung der Nichtigkeit in Betracht kommen. Die weiteren Angaben gehören nicht eigentlich zum Inhalt der Erklärung des Zeichners. Jedenfalls richtet sich dieser Teil nicht an die Gründer; denn ihnen ist ohnehin bekannt, was er enthält. Die weiteren Angaben dienen vielmehr dem Schutz des Zeichners, um ihm die Bedeutung seiner Beteiligung gerade an dieser Gesellschaft zum Bewußtsein zu bringen. Diese Besonderheit rechtfertigt allein die verschiedene Behandlung bei der Frage der Heilung eines nichtigen Zeichnungsscheins. Als Verstoß gegen die Inhaltserfordernisse des Abs. 2 Satz 3 kommt in Betracht, daß die dort vorgeschriebenen Angaben nicht vollständig enthalten sind, oder daß außer dem Endtermin der Bindung (Nr. 5) noch eine andere Beschränkung hinzugefügt ist, z. B. eine Bedingung ( R G 83, 258), selbst eine solche, die sich schon nach allgemeinen Vorschriften auf Grund ihres Inhalts als unzulässig erweist (Brodmann § 189 Anm. 6 a). Die Heilung der Nichtigkeit bei Verstößen gegen Abs. 2 Satz 3 setzt nicht nur eine dem Abs. 2 Satz 2 genügende Erklärung des Zeichners voraus, sondern erfordert noch zwei weitere Umstände ( R G 55, 69): 1. D i e G e s e l l s c h a f t m u ß trotz des Verstoßes, der eigentlich zur Zurückweisung der Anmeldung hätte führen müssen ( K G O L G E 43, 3 1 6 ) , e i n g e t r a g e n worden sein. 2. D e r Z e i c h n e r m u ß auf Grund seiner Beitrittserklärung entweder in der E r r i c h t u n g s v e r s a m m l u n g g e s t i m m t oder später als Aktionär R e c h t e a u s g e ü b t o d e r V e r p f l i c h t u n g e n e r f ü l l t h a b e n . Die Abstimmung auf Grund der Beitrittserklärung genügt, gleichviel, ob der Zeichner f ü r oder gegen die Errichtung stimmt. Hat er sich an der Abstimmung nicht beteiligt, so genügt es, daß er „ s p ä t e r " Aktionärrechte ausübt oder Aktionärpflichten erfüllt. Das muß also nach der Errichtungsversammlung geschehen; was in dieser Hinsicht vorher geschehen ist — etwa bei der Bestellung des Aufsichtsrats (Abs. 4) •— kommt nicht in Betracht. O b es vor oder nach der Eintragung geschieht, ist gleichgültig ( O L G Düsseldorf L Z 1 9 1 6 , 1059 1 4 ). Die Rechte, deren Ausübung heilend wirkt, müssen Aktionärrechte

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 30 Anm. 15,16

sein, ob allgemeine Mitgliederrechte oder Sonderrechte (§ i Anm. io). Dahin gehören z. B. die Ausübung des Stimmrechts (§ 1 1 4 ) , des Gewinnanteilrechts oder eines Bezugsrechts ( K G R J A 3, 128), aber auch schon die Teilnahme an Erörterungen in der Hauptversammlung (vgl. R G Holdheim 1 5 , 200), ferner die Beteiligung am Antrag auf Einberufung einer Hauptversammlung ( § 1 0 6 Abs. 2), das Verlangen nach Sondermitteilung (§ 109), nach Auskunft (§ 1 1 2 ) , nach Abschrift der Vorlagen ( § 1 2 5 Abs. 6), überhaupt die Ausübung eines gesetzlichen oder satzungsmäßigen Hilfsrechts (§ 1 Anm. 17). Dagegen ist nicht schon die Betätigung irgendeines Interesses an der Gesellschaft, etwa durch Besichtigung ihrer Fabrikräume oder durch eine Anfrage an den Vorstand außerhalb der Hauptversammlung, als Ausübung eines Aktionärrechts anzusehen. Heilend wirkt aber auch schon die Annahme der Aktienurkunde, denn diese Annahme ist ein Recht des Aktionärs, keines anderen (ebenso Teichmann-Koehler Anm. 4 b ; Baumbach-Hueck Anm. 3 B ; а. M . Brodmann § 189 Anm. 8 b ; Ritter Anm. 4 b ; Schlegelberger-Quassowski § 152 Anm. 1 6 ; Baumbach-Hueck § 152 Anm. 3). Die von Ritter gegebene Begründung, die Annahme der Aktienurkunde sei keine Pflicht des Aktionärs, weil eine solche nur beim Aktienkauf (§ 433 Abs. 2 B G B ) , nicht aber bei der Aktienzeichnung anerkannt werden könne, erscheint unter Berücksichtigung des f ü r die Heilung der Nichtigkeit in Betracht kommenden Grundgedankens schon reichlich formalistisch. Aber daß er ein dahingehendes Recht hat, kann schwerlich bezweifelt werden, da ihm doch gewiß ein Anspruch auf Aushändigung der Urkunde zusteht. Veräußert der Zeichner sein Anteilsrecht, was vor der Eintragung der A G nicht möglich ist (§ 34 Abs. 4), so liegt in der Veräußerung die heilende Ausübung eines Aktionärrechts. Heilend wirkt andererseits die Erfüllung von Aktionärpflichten, also namentlich die Leistung von Einzahlungen ( O L G Düsseldorf L Z 1 9 1 6 , 1059 1 4 ), aber auch die Erfüllung von Nebenverpflichtungen (§ 50). Freilich wird es, wenn z. B. ein Zeichner an die A G R ü b e n liefert, eine Auslegungsfrage sein, ob er damit eine Nebenverpflichtung erfüllt oder ein Kaufangebot macht.

Anm. 15 c) D i e W i r k u n g d e r H e i l u n g ; Die Heilung nach Abs. 3 Satz 2 führt dazu, daß der nichtige Zeichnungsschein als von Anfang an gültig angesehen wird. E r kommt aber nicht so zur rechtlichen Wirkung, wie sein Inhalt lautet. Vielmehr gilt das etwa Fehlende als vorhanden, das Zuvielgeschriebene als nicht vorhanden. UnVollständigkeiten oder der Ablauf der Bindungsfrist schaden also nichts mehr, Beschränkungen der Verpflichtung gelten als nicht geschrieben. Das Gesetz drückt diese Folgen dadurch aus, daß es sagt, der Zeichner könne sich auf die Unverbindlichkeit oder Nichtigkeit der Zeichnung nicht mehr berufen. Das besagt aber zugleich auch, daß sich ebenfalls die Gesellschaft nicht auf die Unverbindlichkeit oder Nichtigkeit der Zeichnung berufen kann. Mit Eintritt der Heilung wird also der Zeichner auch vollberechtigtes Mitglied der Gesellschaft (ebenso Ritter Anm. 4 a ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4). M i t der „Unverbindlichkeit" meint das Gesetz die Unverbindlichkeit wegen Ablaufs der Bindungsfrist (Abs. 2 Satz 3 Nr. 5), nicht etwa die wegen Willensmängel oder dgl. Für derartige Mängel bleibt es dabei, daß sie nach der Eintragung der Gesellschaft überhaupt nicht mehr in Betracht kommen, auch wenn der Zeichner weder Aktionärrechte ausgeübt noch Aktionärpflichten erfüllt hat (oben Anm. 4).

Anm. 16 б. Beschränkungen und Erweiterungen der Zeichnungsverpflichtung: Be-

s c h r ä n k u n g e n der Zeichnungsverpflichtung sind Zumindestens der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Sind sie im Zeichnungsschein aufgenommen, so führen sie zur Nichtigkeit der Zeichnung (Abs. 3 Satz 1). Wird diese Nichtigkeit später geheilt (Anm. 14), so gelten diese Beschränkungen als nicht geschrieben (Anm. 15). Sind die Beschränkungen dagegen nicht im Zeichnungsschein enthalten, so sind sie der Gesellschaft gegenüber unwirksam. Das stellt Abs. 3 Satz 3 ausdrücklich klar. Allerdings läßt hier die Unwirksamkeit gegenüber der Gesellschaft eine etwaige persönliche Haftung der Gründer unberührt (vgl. § 20 Anm. 26). Die einzig zulässige und sogar notwendige Beschränkung der Zeichnungsverpflichtung ist die Befristung (Abs. 2 Satz 3 Nr. 5).

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§30

Anm. 17—20

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 17 V e r p f l i c h t u n g e n , die der Zeichner über den Nennbetrag oder höheren Ausgabebetrag (§ 49 Abs. i) oder über satzungsmäßige, nur bei gebundenen Aktien zulässige Nebenpflichten (§ 50) h i n a u s übernimmt, sind ebenfalls gesetzwidrig und nichtig. Wie es mit einem Zeichnungsschein zu halten ist, in dem sich solche nichtigen V e r pflichtungen finden, sagt das Gesetz nicht, auch das H G B enthielt nichts darüber. Solche Zeichnungsscheine sind vom Registerrichter zurückzuweisen. K o m m t es dennoch zur Eintragung der A G , so gebietet der Grundsatz möglichster Erhaltung des Grundkapitals, nicht den Zeichnungsschein als nichtig, sondern die nichtige Verpflichtung als ungeschrieben zu behandeln. Eine Heilung des gültigen Teils nach § 30 Abs. 3 durch Ausübung von Aktionärrechten oder durch Erfüllung von Aktionärpflichten erscheint nicht erforderlich.

Anm. 18 7. Die Zeichnung d u r c h S a c h e i n l e g e r u n d G r ü n d e r : Auch der Sacheinleger, der an der Feststellung der Satzung nicht beteiligt gewesen ist (§ a i Satz 2), hat einen Zeichnungsschein auszustellen. Das Gesetz macht f ü r ihn keine Ausnahme. Gleiches gilt übrigens bei der Kapitalerhöhung mit Sacheinlage (§§ 150, 152). Daneben bleibt es bei der Vorschrift des § 20 über die Feststellung, auch der Person des Sacheinlegers, in der Satzung. Die Zeichnung eines Sacheinlegers wird daher bei der Gründung sehen vorkommen. Sind Zeichnungen von Bareinlegern nicht mehr erforderlich, u m das Grundkapital aufzubringen, so ist es einfacher, daß die Feststellung der Satzung unter Beteiligung des Sacheinlegers wiederholt und damit der Weg der Einheitsgründung beschritten wird. Die Gründer, die die Satzung festgestellt haben ( § 2 1 Satz 1), können sich ebenfalls noch durch Zeichnung von Aktien beteiligen. Sind sie aber die einzigen, die zeichnen, und bringen sie damit den noch ausstehenden Teil des Grundkapitals auf, so sind sie nicht genötigt, den umständlichen Weg der Stufengründung weiterzugehen (a. M . Schlegelberger-Quassowski § 22 Anm. 2). Sie können die von ihnen gezeichneten Aktien nachträglich in der Form des § 22 Abs. 2 übernehmen, womit die Gesellschaft ohne weiteres „errichtet" ist.

Anm. 19 III. Die Bestellung des ersten Aufsichtsrats. Während bei der Einheitsgründung die Gründer den ersten Aufsichtsrat bestellen (§ 23 Abs. t), geschieht dies bei der Stufengründung nach § 30 in einer Hauptversammlung, die von den Gründern nach der Zeichnung des Grundkapitals einzuberufen ist. Z u r Teilnahme berechtigt sind diejenigen Zeichner, deren Zeichnung angenommen worden ist (oben Anm. 3). Für die Einberufung der Hauptversammlung und ihre Beschlußfassung gelten im übrigen nach Abs. 12 dieselben Vorschriften wie f ü r Hauptversammlungen nach der Eintragung (§§ 105 fr.; vgl. unten Anm. 2 1 ) ; der Hergang wird gerichtlich oder notarisch beurkundet (§ i n ) . Gewählt wird nach § 87 Abs. 1, § 1 1 3 Abs. 1 mit einfacher Stimmenmehrheit, soweit nicht die Satzung darüber anderes bestimmt ( § 1 1 3 Abs. 2). I m übrigen gilt das in Anm. 4 zu § 23 Gesagte entsprechend, f ü r den Widerruf der Bestellung gilt jedoch § 87 Abs. 3 Satz 2. Der V o r s t a n d wird auch bei der Stufengründung vom Aufsichtsrat bestellt ( § 2 3 Abs. 2). Für den Widerruf gilt § 75 Abs. 3.

Anm. 20 IV. Die Anmeldung der Gesellschaft. Für den Gründungsbericht, die Gründungsprüfung und die Anmeldung der Gesellschaft gelten die §§ 24 bis 29. Den Anlagen, die bei der Anmeldung beizufügen sind (§ 29 Anm. 4), treten aber bei der Stufengründung hinzu: Nr. 6. Die Doppelstücke der Zeichnungsscheine. Die andern Stücke behält der Vorstand (Anm. 10).

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 30

Anm. 21—23

Nr. 7. Ein Verzeichnis der Aktionäre, worin die auf jeden entfallenden Aktien und die auf die Aktien geleisteten Einzahlungen angegeben sein müssen. Das Verzeichnis muß von den Gründern, also auch von Sacheinlegern ( § 2 1 Satz 2) unterschrieben sein. Eine Beglaubigung der Unterschrift ist nicht erforderlich.

Anm. 21 V. Die Errichtung der Gesellschaft. 1. D i e e r r i c h t e n d e H a u p t v e r s a m m l u n g : N a c h der Anmeldung und vor der Eintragung der Gesellschaft muß bei der Stufengründung eine zweite Hauptversammlung zusammentreten, und zwar diejenige, die über die Errichtung der Gesellschaft beschließt. Für die Berufung dieser Hauptversammlung gelten nach Abs. 12 die Vorschriften der §§ 105 fr., jedoch mit der Abänderung, daß nicht der Vorstand, sondern das Registergericht die Versammlung beruft. Die Berufung ist in allen Gesellschaftsblättern zu veröffentlichen (§ 105), auch ist die zweiwöchige Einberufungsfrist (§ 107) einzuhalten. Der Einberufung muß, obwohl das Gesetz darüber nichts sagt, eine vorläufige Prüfung der Gründungsvorgänge durch das Gericht vorangehen. Denn es ist eine selbstverständliche Pflicht des Richters, nicht eine nutzlose Hauptversammlung einzuberufen. Stellt er also bei der vorläufigen Prüfung der Gründungsvorgänge Mängel fest, die in der Hauptversammlung nicht behoben werden können, so m u ß er von der Einberufung der Hauptversammlung Abstand nehmen. Wenn aber die Hauptversammlung nach der Art der festgestellten Mängel ohne weiteres in der L a g e ist, diese zu beheben, so k a n n er die Einberufung vornehmen. I n diesem Fall ist die Entscheidung über die Einberufung nicht eine Rechts-, sondern eine Zweckmäßigkeitsfrage ( K G R J A 6, 184; Ritter Anm. 7 ; a. M . Brodmann § 186 Anm. 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 7A). Daß die Versammlung „ohne V e r z u g " einzuberufen ist, ist zwar nicht mehr ausdrücklich vorgeschrieben, aber doch selbstverständlich.

A n m . 22 D e r R i c h t e r l e i t e t d i e E r r i c h t u n g s v e r s a m m l u n g , nicht wie spätere Hauptversammlungen der satzungsmäßig oder im Fall des § 106 Abs. 4 möglicherweise vom Gericht bestimmte „Vorsitzer". Die Versammlung ist nicht öffentlich. Über Ausschluß vom Richteramt vgl. § 6 F G G . Der Hergang wird gerichtlich beurkundet. Der Richter hat im wesentlichen dahin zu wirken, daß die erforderlichen Erklärungen abgegeben, Unklarheiten aufgeklärt und etwa noch vorhandene Mängel beseitigt werden. Eine Beweiserhebung über die Wahrheit des Vorgebrachten zum Zweck der Feststellung von Tatsachen gehört nicht zum Zweck der Errichtungsversammlung, sondern bleibt, soweit sie erforderlich ist ( § 1 2 F G G ) , zweckmäßig der Prüfungstätigkeit des Gerichts außerhalb der Versammlung ( § 3 1 ) vorbehalten. Indessen können die Umstände so liegen, daß eine sofortige Beweiserhebung z. B. über Angaben des Vorstands oder des Aufsichtsrats, möglich und geboten erscheint.

A n m . 23 2. Rechte und Aufgaben des Vorstands und des A u f s i c h t s r a t s : Der V o r -

s t a n d u n d d e r A u f s i c h t s r a t haben in der Errichtungsversammlung eine Pflicht und ein Recht. V e r p f l i c h t e t sind sie, sich über die Ergebnisse der Gründungsprüfung auf Grund ihrer Berichte, des etwaigen Berichts der Gründungsprüfer und der urkundlichen Grundlagen dieser Berichte (§ 29 Anm. 4 Nr. 4) zu erklären. Auf diese Erklärung kann nicht verzichtet werden, mindestens j e ein Mitglied des Vorstands und ein Mitglied des Aufsichtsrats müssen sie abgeben. Wer abweichender Meinung ist, muß sie kundgeben; andernfalls gilt die abgegebene Erklärung auch als die seine. Eine Erklärung der Gründungsprüfer wie überhaupt deren Anwesenheit ist nicht vorgeschrieben. Es steht aber nichts im Wege, sie hinzuzuziehen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. B e r e c h t i g t ist jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats, seine Unterschrift unter der Anmeldung bis zur Beschlußfassung zurückzuziehen. Dieses Recht haben sie auch schon vor der Errichtungsversammlung. Macht einer von ihnen davon vorher Gebrauch, so wird die Versammlung gar nicht einberufen, oder wenn sie schon ein-

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§30

Anm. 24, 25

I. Buch: Aktiengesellschaft

berufen worden war, wieder abbestellt. Wird eine Unterschrift erst in der Versammlung zurückgezogen, so hat der Richter diese zu schließen. Die Zurückziehung der Unterschrift braucht nicht begründet zu werden. Da das Gesetz den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats die Freiheit des Entschlusses lassen will, um sie mit keiner Verantwortung zu belasten, die sie nicht glauben tragen zu können, so sind sie f ü r die Zurückziehung ihrer Unterschrift nicht auf Grund ihres Vertragsverhältnisses verantwortlich zu machen. Es ist dies eine Eigentümlichkeit, die in der Eigenart der Stufengründung liegt und sich nicht auf die Einheitsgründung übertragen läß (§ 28 Anm. 4 u. 5). Nur unter dem Gesichtspunkt des § 826 B G B könnte eine Verantwortung begründet sein, also wenn das Recht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise mißbraucht und dadurch vorsätzlich einem andern Schaden zugefügt würde. Als Geschädigte kämen in solchem Fall in erster Linie die Gründer in Betracht. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 B G B ) könnten sie Wiederherstellung der Unterschrift verlangen; gelänge es ihnen, eine rechtskräftige Verurteilung so zeitig zu erstreiten, daß die Bindungsfrist f ü r die Zeichner (Abs. 2 Nr. 5) noch nicht abgelaufen und die Einberufung einer neuen Versammlung noch möglich wäre, so könnte die Sache ihren Fortgang nehmen. Auch ist eine neue Anmeldung, nachdem das widerstrebende Mitglied durch ein anderes ersetzt ist, möglich, aber nur, wenn die neue Versammlung noch vor Ablauf der Bindungsfrist stattfinden kann; andernfalls muß die Zeichnung wiederholt werden. — Den G r ü n d e r n ist das Recht, ihre Unterschriften zurückzuziehen, nicht zuerkannt, sie bleiben auf Grund der zwischen ihnen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts verpflichtet, zur Beschlußfassung über die Errichtung der Gesellschaft mitzuwirken (§ 22 Anm. 18), unbeschadet des Rechts, das Vorliegen eines wichtigen Grundes einzuwenden ( § 2 8 Anm. 7). Die Zurückziehung ihrer Unterschrift hindert aber zunächst ebenfalls den Fortgang des Verfahrens.

Anm. 24 3. Die A b s t i m m u n g ü b e r die E r r i c h t u n g : Bei der Abstimmung über die Errichtung der Gesellschaft muß eine besonders qualifizierte Mehrheit vorliegen. Die Mehrheit muß sein: a) einfache Mehrheit der a n w e s e n d e n Stimmberechtigten nach Aktienbeträgen unter Berücksichtigung etwa zugelassener Mehrstimmrechte (§ 12 Abs. 2), b) ein Viertel a l l e r im Verzeichnis aufgeführten Aktionäre nach der Kopfzahl (Erben eines Zeichners gelten als eine Person, ebenso eine o H G ) , c) ein Viertel des g e s a m t e n , zum Nennwert berechneten Grundkapitals; auf das in der Versammlung vertretene Grundkapital und auf die geleisteten Einzahlungen kommt dabei nichts an. Der Kreis der Stimmberechtigten bei dieser Abstimmung ist jedoch eingeschränkt. Alle Gründer und Zeichner, die eine Sacheinlage machen sollen oder von denen die Gesellschaft Sachen übernimmt, sowie diejenigen, denen ein besonderer Vorteil eingeräumt oder Gründungs aufwand gewährt werden soll, sind von der Abstimmung ausgeschlossen. Sie können weder f ü r sich noch als Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter f ü r andere mitstimmen. Daneben finden auch die weiteren Vorschriften über den Entzug des Stimmrechts (§ 1 1 5 ) oder über eine Beschränkung des Stimmrechts (§ 1 1 4 ) Anwendung, und zwar ebenso wie die Vorschriften über ein zugelassenes Mehrstimmrecht nach § 12 (von Godin-Wilhelmi Anm. 18). Das alles gilt aber nur f ü r die Berechnung der Mehrheit nach a, so daß bei der Berechnung der Viertel zu b und c weder der Entzug des Stimmrechts — auch der nach Abs. 9 — noch die Beschränkung des Stimmrechts noch die Einräumung eines Mehrstimmrechts zum Zuge kommen (v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 9 ; a. M . Teichmann-Koehler Anm. 7 b, soweit der Entzug des Stimmrechts nach Abs. 9 nicht f ü r die Berechnung der Viertel zu b und c in Betracht kommt). Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sind von der Abstimmung nicht ausgeschlossen. A n Stelle von weggefallenen Gründern oder Zeichnern können deren Gesamtrechtsnachfolger nach § 63 stimmen.

Anm. 25 Wie bisher besteht F r e i h e i t d e r A b s t i m m u n g . Gründer und Zeichner sind nur verpflichtet, dazu mitzuwirken, daß über die Errichtung der Gesellschaft beschlossen werden kann, sind aber nicht gehindert, dagegen zu stimmen. Wie überall bilden auch

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 30 Anm. 2 6 , 2 7

hier die guten Sitten (§ 826 BGB) die Grenze der Freiheit. Wer mehrere Aktien gezeichnet hat, konnte nach früherer Ansicht nur einheitlich stimmen, allenfalls sich zum Teil der Stimme enthalten. Jedoch ist verschiedene Abstimmung zulässig (§ 114 Anm. 11). Kommt die erforderliche Mehrheit (Abs. 9) zustande, so ist die Gesellschaft damit ,,errichtet". Es ist also jetzt derselbe Zustand eingetreten wie bei der Einheitsgründung mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer (§ 22 Abs. 1). „Entstanden" ist die Gesellschaft noch nicht, dazu bedarf es im einen wie im anderen Fall der Eintragung (§ 34 Abs. 1). Anm. 26 4. Die Abstimmung über Satzungsänderungen: Für gewisse Fälle der Satz u n g s ä n d e r u n g ist die Zustimmung aller erschienenen Aktionäre erforderlich, nämlich 1. wenn die im § 16 Abs. 3 und — richtig wohl: „oder" — im § 17 bezeichneten Bestinmmungen der Satzung geändert werden sollen, 2. wenn die in den §§ 19 und (oder) 20 vorgesehenen Festsetzungen zu Lasten der Gesellschaft erweitert werden sollen, 3. wenn die für die Dauer der Gesellschaft in der Satzung bestimmte Zeit verlängert werden soll, 4. wenn die in der Satzung für Beschlüsse der Hauptversammlung vorgesehenen erschwerenden Erfordernisse beseitigt werden sollen. Dies gilt nicht nur, wenn sie gänzlich, sondern auch dann, wenn sie nur teilweise beseitigt — gemildert — werden sollen. Die Vorschriften über die Möglichkeit einer Erweiterung der in den §§ 19, 20 vorgesehenen Festsetzungen ist rechtspolitisch bedenklich, weil insoweit eine Gründungsprüfung durch den besonderen Prüfer nicht vorliegt. Man wird deshalb diese Vorschrift einschränkend auslegen müssen und sie deshalb nicht auf die Umwandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage erstrecken können (Brodmann § 196 Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi Anm. 20; a. M. Ritter Anm. 12a). Für Satzungsänderungen anderer Art gilt die Verschärfung nicht. Für solche ist die für die Errichtung vorgeschriebene Mehrheit genügend, aber auch erforderlich. Insbesondere finden hier die Vorschriften, die bei Satzungsänderungen für die fertige Gesellschaft gelten (§§ 145fr.), keine Anwendung. Denn man kann von einer Satzungsänderung im Sinne dieser Vorschriften nicht sprechen, solange die Satzung noch gar nicht feststeht; auch läßt sich die Errichtung der Gesellschaft von der Satzung, mit der sie errichtet wird, überhaupt nicht trennen (Brodmann § 197 Anm. 1 d; Baumbach-Hueck Anm. 7 C d; a. M. DüringerHachenburg-Bing § 197 Anm. 5; Ritter Anm. 14b; Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; Teichmann-Kochler Anm. 7b; v. Godin-Wilhelmi Anm. 22). Demzufolge kommen auch hier die Stimmrechtsverbote des Abs. 9 zum Zuge. Die bisherige Streitfrage, ob es bei Satzungsänderungen der Ankündigung bedürfe (§108 AktG), ist zu verneinen. Denn es liegt in der Natur der Sache, daß in der Errichtungsversammlung noch Änderungen der Satzung angeregt werden können; die Ankündigung, daß über die Errichtung beschlossen werden solle, enthält daher zugleich die Ankündigung, daß dabei möglicherweise auch Satzungsänderungen angeregt und beschlossen werden würden. Der Richter kann auch in der Regel im voraus gar nicht wissen, welche Anregungen zu erwarten sind (Brodmann § 196 Anm. 5; Düringer-Hachenburg-Bing § 196 Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 7 C d; a. M. Ritter Anm. 14b; v. Godin-Wilhelmi Anm. 22; anscheinend auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 10). Anm. 27 5. Die Vertagung der Hauptversammlung: Die Vertagung kann mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden. Hierbei haben auch die mitzustimmen, die nach Abs. 9 von der Abstimmung ausgeschlossen sind. Den Vertagungsbeschluß hat der Richter auszuführen. Nach Möglichkeit muß die neue Hauptversammlung so zeitig anberaumt werden, daß die Bindungsfrist für die Zeichner (Abs. 2 Nr. 5) nicht in187

§30 Anm. 28

I. Buch: Aktiengesellschaft

zwischen verstreicht. Ist das nicht möglich, und wird auch die Bindungsfrist nicht von allen Zeichnern verlängert (oben Anm. 12), so muß von neuem gezeichnet werden. Neben der Vertagung durch Beschluß der Hauptversammlung kommt auch eine Vertagung durch den Richter in Betracht, weil die Leitung der Versammlung unter dem Grundsatz des Amtsbetriebs (§12 FGG) steht. Anm. 28 6. Anwendung der Vorschriften über die ordentliche Hauptversammlung: Vor der Eintragung der Gesellschaft ist nach Abs. 12 bei Berufung und Beschlußfassung der Hauptversammlung nach den Vorschriften zu verfahren, die nach der Eintragung maßgebend sind, allerdings mit der gewichtigen Einschränkung, „soweit vorstehend nichts anderes bestimmt ist". Diese Vorschrift enthält zunächst — zumindest für die Stufengründung — einen wichtigen Hinweis darauf, daß auch schon vor der Entstehung der A G auf die in der Entstehung befindliche Gesellschaft die Vorschriften des Aktienrechts Anwendung zu finden haben, soweit das mit der Rechtsnatur der noch nicht rechtsfähigen Gesellschaft vereinbar ist (vgl. dazu § 22 Anm. 3). Sodann ist die Einschränkung nicht dahin zu verstehen, daß Abweichendes vorstehend „ausdrücklich" bestimmt sein muß. Eine solche Auffassung wäre ein ungerechtfertigter Positivismus; vielmehr muß es genügen, wenn nach dem Sinnzusammenhang der vorstehenden Vorschriften eine Anwendung der allgemeinen Bestimmungen ausgeschlossen ist. Aus diesem Grund folgt für die errichtende Hauptversammlung die Unanwendbarkeit des § 108 Abs. i Satz 1, soweit es sich um den Beschluß von Satzungsänderungen handelt (Anm. 26), der § 145 fr. bei der Beschlußfassung über Satzungsänderungen (Anm. 26), der §§ 114, 1 1 5 bei der Berechnung des nach Abs. 9 für die Abstimmung über die Errichtung der Gesellschaft zusätzlich erforderlichen Viertel der Abstimmungsberechtigten (Anmerkung 24). Gewisse Schwierigkeiten bereitet die Frage nach einer Anwendung der Vorschriften über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ I 95ff-)- Man wird eine Anwendung nicht deshalb ablehnen können, weil Abs. 12 nur von der „Beschlußfassung" und nicht auch von den Wirkungen eines gefaßten Beschlusses spricht (so herrsch. Ansicht; vgl. dazu K G R J A 6, 182; a. M. offenbar Brodmann § 197 Anm. 1 c). Jedoch wird man eine Anwendung dieser Vorschriften mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse bei der errichtenden Hauptversammlung insoweit verneinen müssen, als es sich um die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Errichtungsbeschlusses handelt, sofern die Gesellschaft auf Grund dieses Beschlusses inzwischen eingetragen und zur Entstehung gelangt ist. Die Entstehung und der Bestand der Gesellschaft können unter Berücksichtigung des Grundgedankens des § 2 1 6 nicht durch eine Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage, die sich gegen den Errichtungsbeschluß wendet, nachträglich beseitigt werden (im Ergebnis ebenso Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I . 1 S. 1 1 7 ; Ritter Anm. 14c; v. Godin-Wilhelmi Anm. 22; a. M. Düringer-Hachenburg-Bing § 197 Anm. 6). Das gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft erst nach der Erhebung der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage eingetragen worden ist. Aus der Bedeutung, die in dieser Hinsicht der Eintragung zukommt, folgt die Pflicht des Registerrichters, von einer Eintragung der Gesellschaft gemäß § 127 F G G auch bei einer Anfechtungsklage zunächst Abstand zu nehmen. Die Verhältnisse liegen hier also anders wie bei einer Anfechtungsklage gegenüber einem anderen Hauptversammlungsbeschluß, wo eine Eintragung des angefochtenen Beschlusses nicht ausgeschlossen ist (vgl. § 197 Anm. 2 1 ; K G H R R 1936 Nr. 2 1 1 ) . Trägt der Registerrichter in einem Einzelfall die Gesellschaft gleichwohl ein, so wird man hier dem Kläger ein Beschwerderecht gegen die Eintragung auf jeden Fall zubilligen müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er bei der Anfechtung eines anderen Hauptversammlungsbeschlusses ein solches Beschwerderecht hat oder nicht (vgl. dazu § 197 Anm. 2 1 ; Schlegelberger Komm. F G G § 20 Anm. 24 und andererseits K G J F G 1 255; Keidel Komm. F G G § 20 Anm. 5 C b). Soweit eine Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage zulässig ist, ist die Klage gegen die Gesellschaft zu richten (§§ 199, 201), und zwar auch dann, wenn die Gesellschaft noch nicht zur Entstehung gelangt ist; sie ist in diesem Fall als passiv parteifahig zu betrachten (vgl. auch § 22 Anm. 8). Die Vertretung der Gesellschaft

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 30 § 31 A n m . 1 , 2

in dem Prozeß richtet sich ebenfalls nach § 199 Abs. 2 Satz 2 (ebenso Ritter Anm. 1 4 c ; a. M. Düringer-Hachenburg-Bing § 197 Anm. 6, die bei ihrem verfehlten Ausgangspunkt annehmen, daß eine solche Klage überhaupt erst nach Eintragung der Gesellschaft zulässig sei, wobei die Klage dann gegen die entstandene Gesellschaft zu richten sei). § 3 1 Prüfung durch das Gericht 1 . D a s G e r i c h t h a t z u p r ü f e n , ob die G e s e l l s c h a f t o r d n u n g s g e m ä ß e r r i c h t e t u n d a n g e m e l d e t i s t . I s t dies n i c h t d e r F a l l , so h a t es die E i n t r a g u n g a b z u lehnen. 2 . D a s G e r i c h t k a n n die E i n t r a g u n g a u c h a b l e h n e n , w e n n die G r ü n d u n g s p r ü f e r e r k l ä r e n o d e r w e n n es o f f e n s i c h t l i c h i s t , d a ß d e r G r ü n d u n g s b e r i c h t o d e r d e r P r ü f u n g s b e r i c h t d e r M i t g l i e d e r des V o r s t a n d e s u n d des A u f s i c h t s r a t s u n r i c h t i g o d e r u n v o l l s t ä n d i g i s t o d e r den gesetzlichen V o r s c h r i f t e n n i c h t ents p r i c h t o d e r d a ß die f ü r eingelegte o d e r ü b e r n o m m e n e G e g e n s t ä n d e g e w ä h r t e n L e i s t u n g e n u n a n g e m e s s e n h o c h s i n d . Es soll den Beteiligten v o r h e r Gelegenh e i t g e b e n , den B e a n s t a n d u n g e n a b z u h e l f e n . Übersicht Anm.

Einleitung 1 1. Prüfung der Ordnungsmäßigkeit 2—5 2. Prüfung der sachlichen Vollständigkeit und Richtigkeit . . 6—7

Anm.

3. Ablehnung der Eintragung . . 8—9 4. Beschwerde gegen Ablehnung . 10

Anm. 1 Wie weit sich R e c h t u n d P f l i c h t des R e g i s t e r r i c h t e r s z u r P r ü f u n g der Gründungsvorgänge erstrecke, war bisher eine gesetzlich nicht geregelte Frage. Die ältere Rechtsprechung beschränkte ihn auf eine formale Prüfung. Er hatte zu prüfen, ob die Erklärungen in gültiger Form abgegeben seien, ob die überreichten Urkunden den gesetzlichen Erfordernissen entsprächen ( O L G Karlsruhe Ring 1, 214), und ob sie den gestellten Antrag rechtfertigten ( K G J 27 A 230; 40 A 78). Dagegen wurde ihm ein sachliches Prüfungsrecht abgesprochen ( K G J 8, 1 5 ) ; er wurde also nicht für berechtigt erachtet, die Wahrheit der abgegebenen Erklärungen, z. B. über geleistete Einzahlungen, nachzuprüfen. Allmählich gestand ihm die Rechtsprechung ein sachliches Prüfungsrecht unter der Voraussetzung zu, daß er Verdachtsgründe habe ( K G D J Z 1903, 33; K G J 39 A 123). So wurde die Eintragung v e r s c h l e i e r t e r ' S a c h g r ü n d u n g e n abgelehnt (§ 20 Anm. 29), so auch die Eintragung von V o r r a t s - o d e r F a s s o n g r ü n d u n g e n , bei denen der angegebene Gegenstand des Unternehmens nicht verwirklicht werden sollte ( § 1 6 Anm. 13). Weiter noch ging das Kammergericht, indem es bei sogenannten M a n t e l k ä u f e n die Eintragung der Satzungsänderung zurückwies, weil die Benutzung solcher Mäntel mißbräuchlich sei und den guten Sitten widerspreche ( J W 1924, 1 5 3 5 1 ; 1925, Ö356). Diese Rechtsprechung wurde vielfach angegriffen (vgl. dazu O L G Dresden J F G 8, 157); das Reichsgericht neigte aber dazu, sie zu billigen (RGSt. 64, 83 f. mit Anführungen aus dem Schrifttum). Dagegen wurde angenommen, daß ein u n g ü n s t i g e r B e r i c h t d e r G r ü n d u n g s p r ü f e r , namentlich eine Überbewertung von Sacheinlagen (vgl. K G J W 1934, 1 1 2 5 ; 1935, 2899), die Eintragung der Gesellschaft nicht hindern könne. Man hielt es für ausreichend, daß der Bericht zu jedermanns Einsicht offen liege. Hiernach bestand unzweifelhaft ein Bedürfnis, die Frage der Prüfungspflicht gesetzgeberisch zu klären. Dies ist in § 31 geschehen. Nach der Verkündung des AktG hat sich auch für das Recht der GmbH eine freiere Auffassung des dem Registergericht zukommenden Prüfungsrechts Bahn gebrochen ( R G 155, 2 1 5 ; K G H R R 1937, 1647). Anm. 2 1. P r ü f u n g d e r O r d n u n g s m ä ß i g k e i t : Das Gericht hat zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsmäßig errichtet und ordnungsmäßig angemeldet worden ist. Findet es

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§31 A n m . 3—6

I. Buch: Aktiengesellschaft

keine Ordnungswidrigkeit, so hat es, wie das Gesetz als selbstverständlich nicht besonders sagt, die Gesellschaft einzutragen. Ist das geschehen, obwohl in Wirklichkeit Mängel vorgelegen haben, so rechtfertigen nur bestimmte Gründe die Annahme der Nichtigkeit ( § § 2 1 6 ff.). Bei der Prüfung, ob die Gesellschaft ordnungsmäßig errichtet worden ist, sind sämtliche Vorgänge zu betrachten. Das ist schon immer angenommen worden. Ist auch nur ein Teil ordnungswidrig, z. B. ein Teil der Satzung, so ist die Eintragung überhaupt abzulehnen ( O L G Dresden Z A k t W io, 182; B a y O b L G O L G E 2, 51631).

Anm. 3 Die P r ü f u n g d e r O r d n u n g s m ä ß i g k e i t i s t f o r m e l l , a b e r a u c h s a c h l i c h . Soweit es sich um die Anmeldung handelt, wird die Prüfung überwiegend formell sein. Wenn aber geprüft wird, ob die Gesellschaft ordnungsmäßig errichtet worden ist, so hat sich die Prüfung nicht nur darauf zu erstrecken, ob die gesetzlichen Formvorschriften erfüllt worden sind, sondern auch darauf, ob die Form der Sache entspricht. Wird ein Gegenstand des Unternehmens angegeben, der nicht verwirklicht werden soll (Fassongründung, § 16 Anm. 13), werden in der Satzung Bareinlagen festgesetzt, obwohl Sacheinlagen vereinbart worden sind, oder werden Sachübernahmen verschwiegen (verschleierte Sachgründung, § 20 Anm. 29), so ist die Gesellschaft nicht ordnungsmäßig errichtet, denn sie entspricht nur scheinbar, aber nicht in Wirklichkeit dem Gesetz. Ebensowenig entspricht, wie sich aus den §§ 138, 826 B G B ergibt, eine gegen die guten Sitten verstoßende Gründung dem Gesetz. Es wird also auch unter dem A k t G im wesentlichen bei der Rechtsprechung zu bleiben haben, die sich in neuerer Zeit entwickelt und das Prüfungsrecht des Richters erweitert hatte (Anm. 1). A u c h daran wird festzuhalten sein, daß der Richter nicht ohne Verdachts- oder doch Zweifelsgründe Ermittlungen über den Sachverhalt anzustellen hat. Das wäre eine nicht zu rechtfertigende Übertreibung. Hat er aber solche Gründe, so muß er den Sachverhalt aufklären und die erforderlichen Ermittlungen von Amts wegen gemäß § 1 2 F G G treffen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7 ; abw. v. Godin-Wilhelmi Anm. 2).

Anm. 4 Soweit es sich um das G e n e h m i g u n g s e r f o r d e r n i s ( § 2 9 Abs. 2 Nr. 5) handelt, hat der Registerrichter der zuständigen Stelle die Entscheidung zu überlassen ( K G R J A 1 7 , 108). Hat er Zweifel, so kann er eine Bescheinigung darüber fordern, daß es keiner Genehmigung bedarf (vgl. § 29 Anm. 4 Nr. 5).

Anm. 5 W i r t s c h a f t l i c h e E r w ä g u n g e n anzustellen, etwa darüber, ob das Unternehmen lebensfähig ist, gehört nicht zu den Aufgaben des Registerrichters (Braunschweig O L G E 43, 295; K G J W 1924, 1 1 7 8 5 ; ebenso Schlegelberger-Quassowski A n m . 1 1 ) .

Anm. 6 2. P r ü f u n g d e r s a c h l i c h e n V o l l s t ä n d i g k e i t u n d R i c h t i g k e i t : Insoweit gibt Abs. 2 Beispiele, worauf sich die richterliche Prüfung zu erstrecken hat, und bringt darin gegenüber der bisherigen Rechtsprechung Neues. Z w a r ist es nicht neu, daß das Gericht die Eintragung auch dann ablehnen kann, wenn nach der Erklärung der Gründungsprüfer oder offensichtlich der Gründungsbericht (§ 24) oder der Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 25 Abs. 1, § 26 Abs. 2) „nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht". Denn das wäre j a ein Fall von Gesetzwidrigkeit, der die Eintragung nach Abs. 1 (Anm. 2, 3) ohne weiteres ausschließen würde. Auf welchem Wege die Gesetzwidrigkeit zur Kenntnis des Richters kommt, ist gleichgültig. Neu ist aber, daß die Eintragung auch dann versagt werden kann, wenn nach der Erklärung der Gründungsprüfer oder offensichtlich der Gründungsbericht oder der Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats auch nur u n r i c h t i g o d e r u n v o l l s t ä n d i g ist. Es braucht also durch die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nicht gerade eine Gesetzwidrigkeit verschleiert zu sein (Anm. 3).

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 32 Anm, 7—10

Dahin würden z. B. Angaben über die Zahlungsfähigkeit von Gründern oder Zeichnern gehören. Solche Angaben sind in den Berichten an sich nicht erforderlich (§ 26 Anm. 2). Werden sie aber gemacht, und sind sie unrichtig oder unvollständig, so wirft das ein ungünstiges Licht auf die ganze Gründung und kann dem Registerrichter Anlaß geben, die Eintragung zu versagen. Damit wird, wie die Begründung bemerkt, der unwürdige Zustand beseitigt, daß das Gericht bisher nicht in der Lage war, bei ungünstigem Prüfungsergebnis die Eintragung abzulehnen. Neu und von größter Erheblichkeit ist ferner, daß die Eintragung auch dann abgelehnt werden kann, wenn nach dem Bericht der Gründungsprüfer oder offensichtlich die für eingelegte oder übernommene Gegenstände gewährten Leistungen unangemessen hoch sind. Das betrifft die Fälle des § 20. Auch in diesen Fällen hatte sich bisher das Gericht nicht für befugt gehalten, bei ungünstigem Prüfungsergebnis die Eintragung abzulehnen (Anm. 1 a. E.) — ein in der Tat unwürdiger Zustand. Anm. 7 Die „ O f f e n s i c h t l i c h k e i t " braucht in den Fällen des Abs. 2 nicht auf den ersten Blick vorhanden zu sein; offensichtlich heißt nicht offenkundig. Findet der Richter Anlaß zu Ermittlungen (Anm. 3), so kann sich auch durch deren Ergebnis die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Berichte sowie bei Sachgründungen die Unangemessenheit der Vergütung als „offensichtlich" nämlich als zweifelsfrei herausstellen (Schlegelberger-Quassowski Anm.8; Baumbach-Hueck Anm. 3 B; a. M. Ritter Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Anm. 8 3. Ablehnung der Eintragung: Während bei Gesetzwidrigkeit nach Abs. 1 der Richter die Eintragung abzulehnen „hat", sie also ablehnen muß, heißt es in den Fällen des Abs. 2, daß er die Eintragung ablehnen „ k a n n " . Der Unterschied ist ohne große praktische Bedeutung. Auch in den Fällen des Abs. 2 steht die Entscheidung über die Eintragung nicht im freien Ermessen der Richter. Vielmehr muß er auch in diesen Fällen die Eintragung ablehnen, wenn das pflichtgemäße Ermessen es verlangt. Das richterliche Recht ist insoweit zugleich eine richterliche Pflicht. Es wird daher kaum vorkommen, daß trotz offensichtlicher Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit die Eintragung der Gesellschaft angezeigt ist (allgem. Ansicht). Anm. 9 Vor der Entscheidung nach Abs. 2 soll den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden, den Beanstandungen abzuhelfen. Auch vor einer Entscheidung nach Abs. 1 ist das selbstverständlich zulässig, häufig auch zweckmäßig, nur nicht vorgeschrieben. Anm. 10 4. Beschwerde gegen Ablehnung: Wird die E i n t r a g u n g a b g e l e h n t , so haben die Anmelder, aber nur alle zusammen (KG R J A 14, 45; OLGE 41, 208), nach § 20 F G G dagegen das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde. Wird diese zurückgewiesen, so ist die weitere Beschwerde nur zulässig, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§27 FGG). § 3 3 Inhalt der Eintragung 1. Bei der Eintragung der Gesellschaft sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Grundkapitals, der Tag der Feststellung der Satzung und die Vorstandsmitglieder anzugeben. 2. Enthält die Satzung Bestimmungen über die Zeitdauer der Gesellschaft oder über die Befugnis der Vorstandsmitglieder oder der Abwickler zur Vertretung der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital, so sind auch diese Bestimmungen einzutragen. 191

§32 Anm. 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft Ü b ersieht

Anm. Einleitung i i. Notwendiger Inhalt der Eintragung 2

Anm. 2. Möglicher Inhalt der Eintragung . 3 3. Mängel der Eintragung 4

Anm. 1 Was im einzelnen einzutragen ist, bestimmt das A k t G in Übereinstimmung mit dem H G B . Neu ist nur die Hinzufügung des „genehmigten Kapitals" in Abs. 2.

Anm. 2 1. N o t w e n d i g e r I n h a l t d e r E i n t r a g u n g : Im einzelnen sind jedesmal einzutragen : 1. die F i r m a der Gesellschaft (§§4, 16 Abs. 3 Nr. 1), 2. der S i t z der Gesellschaft (§§5, 16 Abs. 3 Nr. 1), 3. der G e g e n s t a n d d e s U n t e r n e h m e n s (§§ 3, 16 Abs. 3 Nr. 2; § 16 Anm. 11), 4. die H ö h e d e s G r u n d k a p i t a l s (§§7, 16 Abs. 3 Nr. 3; § 16 Anm. 14), 5. der T a g d e r F e s t s t e l l u n g d e r S a t z u n g . Ist die Satzung nicht an einem T a g e festgestellt worden (§ 16 Anm. 2), so ist maßgebend der T a g , an dem die Feststellung abgeschlossen worden ist, ist sie abgeändert worden, der T a g der Abänderung. Über Abänderungen bei der Einheitsgründung vgl. § 16 Anm. 20. Bei der Stufengründung können Änderungen noch in der Errichtungsversammlung beschlossen werden (§30 Anm. 26); ist es geschehen, so ist der T a g der Errichtungsversammlung einzutragen. Der T a g der Aktienübernahme ist bei der Einheitsgründung (§ 22) nicht maßgebend, und ebensowenig der T a g der Errichtung der Gesellschaft bei der Stufengründung (§ 30 Anm. 28), wenn nicht zugleich eine Satzungsänderung beschlossen wird (Düringer-Hachenburg-Bing § 198 Anm. 9; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2 e ; Baumbach-Hueck Anm. 1; a. M . Brodmann § 198 Anm. 1 Nr. 5). 6. Die M i t g l i e d e r d e s V o r s t a n d s , auch die stellvertretenden. Die Angabe von Ruf- und Familiennamen genügt, Stand und Wohnort brauchen nicht eingetragen zu werden. Der Vorsitzer des Vorstandes (§ 75 Abs. 2) ist als solcher nur dann kenntlich zu machen, wenn ihm eine besondere Vertretungsbefugnis beigelegt ist (Anm. 3 Nr. 8). Aufsichtsratsmitglieder werden zwar angemeldet (§29 Abs. 2 Nr. 3), aber nicht eingetragen, ihre Namen werden jedoch veröffentlicht (§33 Abs. 1 Nr. 4).

Anm. 3 2. M ö g l i c h e r I n h a l t d e r E i n t r a g u n g : Außer den in jedem Fall vorzunehmenden Eintragungen sind noch andere zu bewirken, zu denen i m Einzelfall die Satzung Anlaß geben kann, nämlich: 7. Eine Bestimmung über die Z e i t d a u e r der Gesellschaft. Ist die Zeit bestimmt, so ist mit deren Ablauf die A G ohne besonderen Beschluß aufgelöst (§ 203 Abs. 1 Nr. 1). 8. Bestimmungen über die V e r t r e t u n g s b e f u g n i s d e r V o r s t a n d s m i t g l i e d e r . Gemeint sind Bestimmungen, durch die die Vertretungsbefugnis abweichend von der Regel des § 71 geordnet wird. Dahin gehört auch eine Ermächtigung des Aufsichtsrats nach § 71 Abs. 3 Satz 2. Bewendet es bei der Regel, so bedarf es nicht der Eintragung. 9. Bestimmungen über die V e r t r e t u n g s b e f u g n i s d e r A b w i c k l e r . Deren V e r tretungsbefugnis ist in § 2 1 0 gesetzlich geregelt. Es gilt hier das Entsprechende wie zu 8. 10. Eine Bestimmung über g e n e h m i g t e s K a p i t a l , eine Neuerung des A k t G (§§ 169ff.). Es gehört, solange von der Genehmigung kein Gebrauch gemacht und die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals nicht eingetragen ist (§§ 156, 170), nicht zum Grundkapital, ist also im Handelsregister nicht in der Spalte „Grund- oder Stammkapital" einzutragen (vgl. § 16 Anm. 14), sondern in der Spalte „Rechtsverhältnisse" (vgl. das Muster zur A V d. R J M v . 12. 8. 37, DJ 1251).

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 32 A n m . 4 § 33 A n m . 1

Anm. 4 3. M ä n g e l d e r E i n t r a g u n g : Die Eintragung bringt die Gesellschaft zur Entstehung (§ 34). Streitig war nach bisherigem Recht, ob diese Wirkung auch dann eintritt, wenn die Eintragung Mängel aufweist. Daß Mängel der nach Abs. 2 nur auf Grund besonderer Satzungsbestimmungen vorzunehmenden Eintragungen (Anm. 3) die Entstehung der A G nicht hindern können, versteht sich von selbst. Soweit es sich um die Vertretungsbefugnis des Vorstands oder der Abwickler handelt, muß die A G nach Analogie des § 1 5 Abs. 1 H G B die fehlerhafte und bekanntgemachte Eintragung gegen sich gelten lassen; sie muß sich durch Antrag oder Beschwerde (§§ 18, 20 F G G ) um die Berichtigung bemühen ( R G 1 3 1 , 1 2 ; R G J W 1928, 1586 3 1 ). Die Nichteintragung oder fehlerhafte Eintragung der Zeitdauer oder des genehmigten Kapitals ist rechtlich bedeutungslos, es entscheidet die Satzung. Die Berichtigung der Eintragung ist aber anzustreben und jederzeit möglich, gegebenenfalls unter Anwendung der § 1 4 H G B . Zweifelhafter liegt es bei den nach Abs. 1 zwingend vorgeschriebenen Eintragungen (Anm. 2). Aus § 2 1 6 ist dafür nichts zu entnehmen. Auch bei den zwingend vorgeschriebenen Eintragungen muß das f ü r die Entstehung Wesentliche vom Unwesentlichen unterschieden werden, und wesentlich ist allein eine Bezeichnung, die über die Identität der Gesellschaft keinen Zweifel läßt. Unter dieser Voraussetzung werden selbst Ungenauigkeiten in der Eintragung der Firma die Entstehung der A G nicht hindern können (ähnlich Brodmann § 198 Anm. 1 Nr. 1), ebensowenig eine unrichtige Eintragung des Sitzes, wenn nicht dadurch eine Verwechslung mit einer andern A G ermöglicht wird (ebenso Baumbach-Hueck Anm. 2 ; anders zum Teil Düringer-Hachenburg-Bing § 198 Anm. 4, aber das ist zu formal und sachlich nicht gerechtfertigt). Die unrichtige Eintragung des Gegenstandes des Unternehmens könnte nur unter besonderen Umständen Zweifel an der Identität des Unternehmens begründen, die unrichtige Eintragung der Höhe des Grundkapitals könnte dies wohl kaum jemals. Unrichtige Eintragung und Bekanntmachung der Vorstandsmitglieder kann wiederum nach § 1 5 H G B nachteilige Folgen f ü r die A G gegenüber Gutgläubigen haben, ist aber f ü r die Entstehung der Gesellschaft bedeutungslos. In allen Fällen muß ihr daran gelegen sein, den Fehler berichtigen zu lassen. Ist die Gesellschaft versehentlich ohne Anmeldung eingetragen worden, so muß die Eintragung nach § 142 F G G von Amts wegen gelöscht werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). § 3 3 Bekanntmachung

der

Eintragung

(1) In die B e k a n n t m a c h u n g d e r E i n t r a g u n g ( § 10 d e s H a n d e l s g e s e t z b u c h s ) sind a u ß e r d e r e n I n h a l t a u f z u n e h m e n : 1. die s o n s t i g e n in den § 16 A b s . 3 , § § 1 7 , 1 8 S a t z 2 , § § 19 u n d 2 0 v o r g e s e h e n e n Festsetzungen; 2. der Ausgabebetrag der Aktien; 3 . d e r N a m e , S t a n d und W o h n o r t d e r G r ü n d e r u n d die A n g a b e , o b sie die s ä m t l i c h e n Aktien ü b e r n o m m e n h a b e n ; 4 . d e r N a m e , S t a n d u n d W o h n o r t d e r Mitglieder des e r s t e n A u f s i c h t s r a t s . ( 2 ) Z u g l e i c h i s t b e k a n n t z u g e b e n , d a ß die m i t d e r A n m e l d u n g eingereichten S c h r i f t s t ü c k e , n a m e n t l i c h die P r ü f u n g s b e r i c h t e d e r M i t g l i e d e r des V o r s t a n d s u n d des A u f s i c h t s r a t s s o w i e d e r G r ü n d u n g s p r ü f e r , bei d e m G e r i c h t , d e r P r ü u n g s b e r i c h t d e r G r ü n d u n g s p r ü f e r a u c h bei d e r a m t l i c h e n V e r t r e t u n g d e s H a n d e l s s t a n d e s eingesehen w e r d e n k ö n n e n . Anm. 1 Der Inhalt der Bekanntmachung war in § 199 H G B geregelt. Das A k t G schließt sich an diese Regelung an. Z u veröffentlichen sind nach den §§ 10, 1 1 H G B im Deutschen Reichsanzeiger (an dessen Stelle ist jetzt f ü r das Bundesgebiet der Bundesanzeiger getreten, B G B l . 1950 S. 183) und in dem daneben f ü r gerichtliche Bekanntmachung 13

Aktlengesetz, 2. Aufl.

193

§ 33 A n m . 2—4 I. Buch: Aktiengesellschaft §34 bestimmten Blatt oder in den dafür bestimmten Blättern, die andere sein können als die Gesellschaftsblätter (§ 18), a) die Eintragung nach ihrem ganzen Inhalt, b) gewisse unter Nr. i bis 4 aufgeführte Zusätze. Anm. 2 Soweit der Inhalt der Eintragung bekanntgemacht wird, treten die Wirkungen des § 15 HGB ein, aber nur für die vorgesehenen Eintragungen (§ 32 Anm. 2 u. 3; RG 78, 363). Wer die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit nicht kennt, kann sich auf die unberichtigt gebliebene Eintragung verlassen, andererseits wirkt die eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gegen jedermann, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte. Für die Entstehung der AG ist die Bekanntmachung ihrer Eintragung nicht wesentlich, diese Wirkung tritt schon mit einer genügenden Eintragung ein (§ 32 Anm. 4). Anm. 3 Die außer dem ganzen Inhalt der Eintragung b e k a n n t z u m a c h e n d e n Zusätze — die selbst nicht einzutragen sind, und für die daher §15 HGB nicht in Betracht kommt — sind: 1. Die in den § 16 Abs. 3, §§ 17, 18 Satz 2, §§ 19, 20 vorgesehenen Festsetzungen. Eine wörtliche Wiedergabe ist nicht erforderlich, zusammenfassende Angaben genügen. 2. Der Ausgabebetrag der Aktien (§§9, 16 Abs. 2, § 22 Abs. 2, § 30 Abs. 2 Nr. 4). Werden die Aktien zum Nennbetrage ausgegeben, so ist das bekanntzumachen. 3. Name, Stand und Wohnort der Gründer (§21) — also mehr, als bei den Vorstandsmitgliedern einzutragen ist (§32 Anm. 2 Nr. 6) — und die Angabe, ob sie die sämtlichen Aktien übernommen haben. Wieviel jeder einzelne übernommen hat, wird nicht bekanntgemacht. Haben sie nicht alle Aktien übernommen, so genügt diese Angabe; zweckmäßig wird aber angegeben, wieviel sie insgesamt übernommen haben. 4. Name, Stand und Wohnort der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (§§23, 30 Abs. 4), also auch bei ihnen mehr, als bei den Vorstandsmitgliedern eingetragen wird (§ 32 Anm. 2 Nr. 6). Wer Vorsitzer des Aufsichtsrats ist, wird nicht bekanntgemacht, sondern nur zum Handelsregister angemeldet, aber nicht eingetragen (§ 92 Abs. 1). Ein Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder wird vom Vorstand in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht; die Bekanntmachung ist zum Handelsregister einzureichen (§91). Anm. 4 Die Einsicht in die Beilagen der Anmeldung wird ebenso wie nach bisherigem Recht gewährt (§9 HGB), auch der Hinweis darauf entspricht dem bisherigen Recht (§199 Abs. 2 HGB). Mit der Neuerung, daß die Gründungsprüfer vom Gericht ernannt werden (§25 Abs. 3) und ihren Bericht sowohl dem Gericht als auch der amtlichen Vertretung des Handelsstandes einzureichen haben (§ 26 Abs. 3), hängt es zusammen, daß der Bericht an beiden Stellen eingesehen werden kann und der Hinweis, wenn Gründungsprüfer bestellt waren, dementsprechend lauten muß.

§ 3 4 Handeln i m N a m e n der Gesellschaft vor der Eintragung Verbotene Aktienausgabe (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Wird vor der Eintragung der Gesellschaft in i h r e m N a m e n gehandelt, so haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, s o haften sie als Gesamtschuldner. 194

2. Teil: G r ü n d u n g der Gesellschaft (Fischer)

§ 34 Anm. 1

(2) Ü b e r n i m m t d i e G e s e l l s c h a f t e i n e v o r i h r e r E i n t r a g u n g i n i h r e m N a m e n eingegangene Verpflichtung durch Vertrag m i t d e m Schuldner in der Weise, daß sie an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, so bedarf es zur Wirksamkeit der Schuldübernahme der Z u s t i m m u n g des Gläubigers nicht, w e n n die S c h u l d ü b e r n a h m e binnen drei Monaten nach der Eintragung der Gesellschaft vereinbart und d e m Gläubiger von der Gesellschaft oder d e m Schuldner mitgeteilt wird. (3) V e r p f l i c h t u n g e n a u s V e r e i n b a r u n g e n ü b e r S a c h e i n l a g e n u n d S a c h übernahmen können nicht übernommen werden. (4) A n t e i l s r e c h t e k ö n n e n v o r d e r E i n t r a g u n g d e r G e s e l l s c h a f t n i c h t ü b e r tragen, Aktien oder Zwischenscheine können vorher nicht ausgegeben werden. Die vorher ausgegebenen Aktien oder Zwischenscheine sind nichtig; für den Schaden a u s der A u s g a b e sind die A u s g e b e r den Besitzern als G e s a m t s c h u l d ner verantwortlich. Übersicht Anm.

Einleitung • _ ah I. Allgemeines 1. Die Einheitstheorie . . 2. Die Gegner der Einheitst h e o n e

Anm

i, 2 3,

b) F o r m der SchuldÜbernahme c) Die Wirkung der Schuldübernahme. .

4 2 5

3. Eigene Stellungnahme .

1. Bei Sacheinlagen u n d S a c h ü b e r n a h m e n , beim Gründungsaufwand . . 2. Bei sonstigen Verträgen a) Z a h l u n g der Bareinjage

Iv

7, 8

16

bei

17

3- D u r c h Genehmigung bei den in ihrem N a m e n abgeschlossenen RechtsgeSchäften

18

Die

H a f t u n g des H a n d e l n ( A b s - 1 S a t z 2) 1. Allgemeines

d e n

19

2

- Voraussetzungen der Haftung 20 23 3. I n h a l t der H a f t u n g . . 24, 25

g

b) Verpflichtungen aus weiteren rechtlich notwendigen Geschäften 10 c) Verpflichtungen aus wirtschaftlich notwendigen Geschäften . . 1 1 , 1 2 , 1 3

4- Fortfall der H a f t u n g . . y . Verbotene Schuldübernähme Bedeutung des Verbots . u 2 . Einschränkung des Verbots

I I I . Der Eintritt der A G in R e c h t e u n d Verbindlichkeiten d u r c h Rechtsgeschäft 1. D u r c h S c h u l d ü b e r n a h m e bei den Verbindlichkei-

V

ten

. . . .

-

G e n e h m i g u n g

den in ihrem N a m e n begründeten R e c h t e n . .

6

I I . Der selbsttätige Ü b e r g a n g von R e c h t e n u n d Verbindlichkeiten auf die entstandene A G

a) Allgemeines

D u r c h

i

14

26

27 2g

V I . K e i n e Ü b e r t r a g u n g von Anteilsrechten vor Eintragung der A G

29

I I . Keine Ausgabe von Aktienu r k u n d e n u n d Zwischenscheinen vor Eintragung der AG

30

Anm. 1 G r u n d l a g e n f ü r den I n h a l t des § 34 enthielt schon Art. 211 des alten H G B , i n d e m dort bestimmt war, d a ß vor Genehmigung u n d E i n t r a g u n g ins Handelsregister die A G als solche nicht bestehe u n d , wenn vorher im N a m e n der Gesellschaft gehandelt w o r d e n sei, die H a n d e l n d e n persönlich u n d solidarisch hafteten. Das Gesetz von 1870 strich die 13*

195

§ 34 A n m . 2, 3

I. Buch: Aktiengesellschaft

Genehmigung und fügte jenen Bestimmungen hinzu, daß die vor der Eintragung ausgegebenen Aktien oder Aktienanteile nichtig seien und die Ausgeber den Besitzern f ü r den Schaden solidarisch hafteten. Das Gesetz von 1884 enthielt dieselben Vorschriften in den Art. 2 1 1 und 2 1 5 c, in das H G B gingen sie als § 200 und mit § 209 Abs. 2 über. Ferner erklärte § 200 Abs. 2 H G B die Anteilsrechte mit Wirksamkeit gegenüber der Gesellschaft vor deren Eintragung für unübertragbar. Alle diese Bestimmungen sind in § 34 zusammengefaßt, neu hinzugefügt sind der zweite und der dritte Absatz. Anm. 2 Sämtliche Vorschriften des § 34 haben es mit dem Rechtszustand vor d e r Eintragung der Gesellschaft zu tun und hängen dadurch miteinander zusammen. Aber das ist eigentlich auch der einzige Zusammenhang, der zwischen diesen Vorschriften besteht. Eine erschöpfende Regelung der schwierigen Fragen, die sich namentlich für die Zeit zwischen der Errichtung der Gesellschaft (§ 22) und der Eintragung der Gesellschaft ergeben, enthält § 34 nicht. Vielmehr sind insoweit nur einzelne Punkte, und diese zusammenhanglos, herausgegriffen worden. Vor allem läßt § 34 einen bei der wichtigen Frage völlig im Stich, ob vor der Eintragung der Gesellschaft über einzelne gesetzliche Gründungsbestimmungen hinaus (§§ 19, 20, 23, 28 Abs. 2, 29 Abs. 1) noch weitere Rechte und Verbindlichkeiten mit unmittelbarer Wirkung f ü r und gegen die A G begründet werden können, und in welchem Umfang dieses bejahendenfalls möglich ist. Auch die im Schrifttum so sehr umstrittene Frage, in welchem Verhältnis die entstandene A G zu der errichteten A G steht, bleibt offen und damit auch die •weitere Frage, wer bis zur Eintragung Träger der namens der A G begründeten Rechte und Verbindlichkeiten ist, und auf welchem Wege die entstandene A G solche Rechte und überhaupt das ihr zugedachte Vermögen erwirbt. Es erscheint nicht verwunderlich, daß bei dieser Sachlage die Neuregelung des § 34 entgegen der Erwartung Gadows (JherJ 87, 268) nicht zur Klarheit über den Rechtszustand vor der Eintragung der Gesellschaft beigetragen hat, sondern daß sie sich als eine der problematischsten und zweifelhaftesten Vorschriften des Aktienrechts erwiesen hat, an die sich eine Fülle von Streitfragen und Unklarheiten anschließt. Anm. 3 I. Allgemeines. 1. Die Einheitstheorie: In Übereinstimmung mit der im Vereinsrecht herrschenden Auffassung, wonach die Erlangung der Rechtsfähigkeit die Identität zwischen dem zuvor nicht rechtsfähigen Verein und dem nunmehr rechtsfähig gewordenen Verein nicht berührt ( R G 85, 256; Staudinger-Coing § 21 Anm. 34 m.w. N.; a. M. EnneccerusNipperdey § 107 Anm. V I I m. w. N.), wird auch im Aktienrecht die Frage nach dem Verhältnis zwischen der errichteten Gesellschaft und der entstandenen Gesellschaft (der rechtsfähigen AG) und damit die Frage nach dem Übergang der im Gründungsstadium namens der A G begründeten Rechte und Verbindlichkeiten unter dem Gesichtspunkt der Identität zu lösen versucht. Für diese Auffassung ist die errichtete Gesellschaft mit der entstandenen Gesellschaft identisch. Die Rechtsform der Gesellschaft hat sich mit der Eintragung zwar insofern geändert, als diese nunmehr rechtsfähig geworden ist, aber die Vereinigung als solche ist gleichwohl dieselbe geblieben (Schreiber Die Kommanditgesellschaft auf Aktien 1925 S. 65fr.; Feine Ehrenb. Hdb. I I I . 3 S. 201 ff. Müller-Erzbach Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 188 ff.; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 50ff., 63fr.; Scholz GmbHRdsch. 1956, 3ff.). Aus dieser Beurteilung wird sodann gefolgert, daß die entstandene A G grundsätzlich ohne weiteres alle Rechte der errichteten Gesellschaft übernimmt und grundsätzlich auch ohne weiteres mit allen Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft belastet wird. Einer besonderen Übertragung dieser Rechte und einer besonderen Übernahme der Verbindlichkeiten bedarf es grundsätzlich nicht; denn die Gesellschaft ist und bleibt auch nach der Eintragung dieselbe, die sie schon vorher gewesen ist. Nur eine Einschränkung wird in dieser Hinsicht gemacht. Diese ergibt sich aber nicht aus der Auffassung von der Einheit der

196

§ 34 Anm. 4, 5 errichteten und der entstandenen Gesellschaft, sondern aus besonderen aktienrechtlichen Vorschriften, den § 19, 20. Mit dem Gründungsaufwand, den Sacheinlagen und den Sachübernahmen kann die entstandene Gesellschaft nur belastet werden, wenn dabei die besonderen, erschwerenden Voraussetzungen, nämlich die Festsetzung in der Satzung, eingehalten sind. 2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

Anm. 4 Das Reichsgericht, das ebenfalls grundsätzlich auf dem Boden der Einheitstheorie steht, hat jedoch in der Rechtsan Wendung aus aktienrechtlichen Gründen wesentliche E i n s c h r ä n k u n g e n vorgenommen. Es geht davon aus, daß die Organe der errichteten Gesellschaft vor der Eintragung nur eine beschränkte Vertretungsbefugnis haben und daß demzufolge die entstandene Gesellschaft nur Rechte und Verbindlichkeiten aus solchen Handlungen der Organe ohne weiteres übernimmt, die von der Vertretungsbefugnis dieser Organe gedeckt werden. Dabei meint das Reichsgericht, daß die Vertretungsbefugnis dieser Organe entsprechend dem Zweck der Gründungsgesellschaft auf die Vornahme der zur Entstehung der AG rechtlich u n u m g ä n g l i c h notwendigen M a ß n a h m e n beschränkt sei und daß die übrigen im Namen der Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäfte die entstandene AG nur berechtigen und verpflichten, wenn diese nach Maßgabe der §§ 177 ff. BGB hierzu ihre Genehmigung erteilt hat (RG 82, 290; 83, 373; 105, 229; 134, 1 2 1 ; 143, 372; 1 5 1 ; 91; 154, 286). Dieser Auffassung ist das Schrifttum z . T . gefolgt (v. Gierke Handelsrecht 6. Aufl. §41 IV, 2; Teichmann-Koehler Anm. 2, 3; Scholz J W 1938, 3152; für die GmbH Scholz § 11 Anm. 8), teilweise jedoch nur mit gewissen Einschränkungen (Düringer-Hachenburg §200 Anm. 9, 10; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2, 3: auch notwendige Rechtsgeschäfte können die AG nicht ohne weiteres belasten) und teilweise auch mit gewissen Erweiterungen (Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III, 1 S. 1 1 0 ; für die GmbH Hachenburg J W 1924, 199; Hachenburg-Schilling § n Anm. 4: auch die Vorbereitungsgeschäfte sind als notwendige Geschäfte in diesem Sinn anzusehen). Anm. 5 2. Die Gegner der Einheitstheorie: Von einem Teil des Schrifttums wird die Einheitstheorie für das Aktienrecht abgelehnt (Brodmann §200 Anm. l a ; Ritter Anm. 3 b; Gadow JherJ 87, 251 ff. und Vorauf!. Anm. 17; Heim ZHR 108, ige ff".; wohl auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 1). Diese ablehnende Ansicht hat nach Erlaß des Aktienrechts an Boden gewonnen, sie beruft sich dabei vor allem auf § 34 Abs. 2. Die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer Schuldübernahme, durch die die AG erst Schuldnerin der zwar in ihrem Namen, aber vor ihrer Entstehung begründeten Verbindlichkeiten wird, schließe die Annahme der Einheitstheorie aus, daß die AG grundsätzlich schon ohne weiteres Schuldnerin dieser Verbindlichkeiten geworden sei. Auch könne von einer Anwendung der §§ 177 ff. BGB und damit von einer Genehmigung seitens der AG nicht gesprochen werden, wenn Abs. 2 diesen Vorgang als eine Schuldübernahme bezeichnet (Gadow a. a. O.). Die Konstruktion einer Vertretung ohne Vertretungsmacht scheitere auch daran, daß es nicht an der Vertretungsmacht fehle (der Vorstand einer nicht eingetragenen AG sei zum gesetzlichen Vertreter bestellt), sondern am Vertretenen, also ein anderer Sachverhalt vorliege, wie ihn die §§ I77ff. BGB voraussetzten (v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Die Gegner der Einheitstheorie weichen in der positiven Beantwortung der Frage, wie der Übergang der im Namen der AG begründeten Rechte und Verbindlichkeiten auf die entstandene AG zu erfolgen habe, nicht unerheblich voneinander ab. v. GodinWilhelmi Anm. 5 lassen mit der Entstehung der AG Verbindlichkeiten auf diese ohne weiteres nur dann übergehen, wenn es sich um Gründungsaufwand, Sacheinlagen oder Sachübernahmen handelt und diese entsprechend den §§ ig, 20 in der Satzung festgesetzt sind. Sonstige Verbindlichkeiten könnten nur durch eine Schuldübernahme nach Abs. 2 mit Wirkung für die AG begründet werden. Demgegenüber läßt Gadow a. a. O. (ebenso Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 10; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Teichmann-Koehler Anm. 3 b, c) es zu, daß auch andere als die in §§ ig, 20

197

§34

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 6 bezeichneten Verbindlichkeiten mit unmittelbarer Wirkung gegen die A G dann begründet werden können, wenn sie ebenfalls in der Satzung festgesetzt werden. Darüber hinaus bejahen Brodmann § 200 Anm. 1 b ; Gadow a. a. O . ; Baumbach-Hueck Anm. 2 C ; wohl auch Ritter Anm. 2 (a. M. insoweit v. Godin-Wilhelmi Anm. 5; v. Godin Z i v A 147, 33; Heim Z H R 108, a n ; auch Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 15) die Möglichkeit, daß die entstandene A G nach den Vorschriften über die G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g gegenüber dem Handelnden auch dann schuldrechtlich verpflichtet wird, wenn die zwar vor ihrer Entstehung, aber für ihre Rechnung abgeschlossenen Rechtsgeschäfte der Vorschrift des § 683 BGB genügen, also der Abschluß dieser Rechtsgeschäfte dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen der A G entsprochen haben. Einen selbsttätigen Übergang der im Namen der A G vor ihrer Entstehung begründeten Rechte bejahen die meisten Gegner der Einheitstheorie insoweit, als diese auf ordnungsgemäß festgesetzten Sacheinlagen und Sachübernahmen beruhen (a. M . insoweit Gadow JherJ 87, 266 und Vorauf!. Anm. 21). Darüber hinaus lassen sie einen solchen selbsttätigen Übergang dann zu, wenn Rechte durch einen Vertrag zugunsten der A G nach § 328 BGB begründet worden sind (vgl. Brodmann §200 Anm. 1 b; Ritter Anm. 3; noch weitergehend v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Anm. 6 3. Eigene Stellungnahme: Bei einer Beurteilung der verschiedenartigen Begründungen fällt einmal auf, daß nicht nur die Anhänger der Einheitstheorie, sondern auch ihre Gegner untereinander im Ergebnis zu praktisch recht wesentlichen Abweichungen gelangen, sodann aber vor allem auch, daß im Ergebnis ein Teil der Anhänger und ein Teil der Gegner der Einheitstheorie zu praktisch gar nicht erheblichen Abweichungen und der andere Teil im Ergebnis zu nicht entscheidenden Unterschieden gelangt. Das wird besonders deutlich, wenn man die Ergebnisse der unbedingten Anhänger der Einheitstheorie und die ihrer Gegner, soweit sie die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag anwenden, miteinander vergleicht. Jene lassen im wesentlichen alle Rechtsgeschäfte, die vor der Entstehung der A G in ihrem Namen geschlossen worden sind, ohne weiteres mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die A G gelten, aber, wenn man insoweit die Worte Müller-Erzbachs (a. a. O . S. 191) heranzieht nur dann, wenn sie für die A G „zweckförderlich" sind. Die Gegner der Einheitstheorie hingegen bejahen eine Befreiungsverpflichtung der entstandenen A G gegenüber dem Handelnden, also auch eine bindende schuldrechtliche Verpflichtung derselben, soweit die abgeschlossenen Rechtsgeschäfte für die A G nützlich (§ 683 BGB) sind. Das ist im Ergebnis kein großer Unterschied, nur die konstruktive Begründung ist grundlegend verschieden (vgl. auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 2, wonach dem Streit um die Einheitstheorie jetzt im wesentlichen seine Bedeutung genommen ist). M a n sollte daher dem Streit um die Einheitstheorie für die Beantwortung der praktisch allein bedeutsamen Fragen, wann und unter welchen Voraussetzungen die A G aus den vor ihrer Entstehung in ihrem Namen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte Rechte erwirbt und mit Verbindlichkeiten belastet wird, kein entscheidendes Gewicht beimessen (so auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 1; Baumbach-Hueck Anm. 1). Denn so viel ist klar, daß einerseits die Anhänger der Einheitstheorie sich zu mehr oder weniger wichtigen Einschränkungen eines selbsttätigen Übergangs der Rechte und Verbindlichkeiten veranlaßt sehen und daß andererseits ihre Gegner in einem mehr oder weniger großen Umfang die unmittelbare Berechtigung und Belastung der A G aus dem Abschluß von Rechtsgeschäften vor ihrer Entstehung bejahen. Auf diese Einschränkungen, die sowohl die Anhänger wie die Gegner der Einheitstheorie von ihrem jeweils gewählten Prinzip machen, kommt es praktisch allein an. Dabei ist es bedeutsam, daß diese Einschränkungen in beiden Fällen im Grunde genommen auf aktienrechtlichen Erwägungen beruhen, so daß diese auch bei der Beantwortung der hier praktisch allein bedeutsamen Fragen entscheidend sein sollten.

198

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 34 Anm. 7, 8

II. Der selbsttätige Übergang von Rechten und Verbindlichkeiten auf die entstandene AG. Anm. 7 i. Bei Sacheinlagen und Sachübernahmen, beim Gründungsaufwand: Sind Sacheinlagen und Sachübernahmen nach Maßgabe des § 20 in der Satzung festgesetzt, so haben diese Abkommen unmittelbare Wirkung gegenüber der entstandenen AG. Das ist der Sinn des § 20. Diese Bestimmung ist zwar negativ gefaßt, indem sie derartige Abkommen ohne ordnungsgemäße Festsetzung in der Satzung gegenüber der Gesellschaft als unwirksam bezeichnet. Aber aus dieser Fassung ist der Umkehrschluß zwingend, daß nämlich bei ordnungsgemäßer Festsetzung derartige Abkommen wirksam sind, und zwar gegenüber der entstandenen AG, wie sich ebenfalls aus diesem Umkehrschluß zwingend ergibt. Bei Sachübernahmen wird daher die AG mit ihrer Entstehung durch den nach Maßgabe des § 20 abgeschlossenen individualrechtlichen Vertrag (§ 20 Anm. 22, 24) unmittelbar verpflichtet (allg. Ansicht; vgl. Anm. 3, 5), aber auch berechtigt. Das gegen letztere Annahme geäußerte Bedenken Gadows (JherJ 87, 266 und Vorauf!. Anm. 21), die Festsetzung von Verträgen in der Satzung sei nicht zur Regelung des Rechtserwerbs bestimmt, kann nicht durchgreifen. Schon das Ergebnis der abweichenden Auffassung von Gadow sollte stutzig machen. Aus dem gegenseitigen Vertrag, den das Abkommen über die Sachübernahme darstellt, würde gegenüber dem Dritten die AG lediglich verpflichtet, der Handelnde (oder die Gründergesellschaft ?) dagegen berechtigt sein, und zwar auf Grund einer Vorschrift, die eine besondere Schutzmaßnahme für die AG darstellt. Die AG hätte wohl bei dieser Auffassung auch nicht einmal einen Anspruch auf Abtretung dieses Rechts gegen den Handelnden; denn nach der gegebenen Begründung könnte sie auch nicht einmal einen solchen Anspruch auf Grund des § 20 erworben haben. Spricht somit schon das Ergebnis gegen Gadow, so ist auch sein Ausgangspunkt falsch. Das Schwergewicht des § 20 liegt, wie seine negative Fassung zeigt, darin, die Unwirksamkeit der in dei Satzung nicht oder nicht ordnungsgemäß festgesetzten Sachübernahmeabkommen gegenüber der Gesellschaft auszusprechen, und zwar zum Schutz der Gesellschaft. Ist aber eine solche ordnungsgemäße Festsetzung in der Satzung erfolgt und damit das Abkommen gegenüber der Gesellschaft wirksam, so muß das auch für die Rechte gelten, die aus diesem Abkommen gegenüber dem Dritten bestehen. Die Festsetzung in der Satzung ist zur Regelung der Wirksamkeit dieser Abkommen und damit zur Regelung der unmittelbaren Berechtigung und Verpflichtung der AG erfolgt. Die Unhaltbarkeit der Auffassung Gadows erweist sich besonders deutlich, wenn man sie auch auf die Sacheinlagen überträgt und den Anspruch auf die Sacheinlage nicht unmittelbar der Gesellschaft, sondern (zunächst?) dem Handelnden (oder den Gründern?) zusprechen wollte. Ordnungsgemäß festgesetzte Sacheinlagen und Sachübernahmen begründen also Ansprüche und Verpflichtungen der AG, die sie mit ihrer Entstehung unmittelbar erwirbt und die sie mit ihrer Entstehung unmittelbar belasten. Dasselbe gilt für den Gründungsaufwand und für Sondervorteile, soweit diese nach § 19 ordnungsgemäß in der Satzung festgesetzt sind. In dieser Hinsicht erweist sich also — im Sinn der Einheitstheorie — ein enger rechtlicher Zusammenhang zwischen der errichteten Gesellschaft (Gründergesellschaft) und der entstandenen Gesellschaft (vgl. Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 40). Andererseits ergibt sich aber aus dieser Regelung auch, daß alle Abkommen über die in §§ 19, 20 genannten Sachgegenstände, die in der Satzung nicht oder nicht ordnungsgemäß festgesetzt sind — mögen solche Verträge auch im übrigen nach allgemeinen Grundsätzen wirksam (formgerecht) abgeschlossen sein, — keine unmittelbare Wirkung gegenüber der entstandenen AG haben. In dieser Hinsicht wird also die entstandene AG — entgegen der Auffassung der Einheitstheorie — nicht mit Verbindlichkeiten belastet, die die Gründer oder der Vorstand namens der AG begründet haben, und die sie selbst unter Umständen persönlich weiterbelasten. Anm. 8 Sind Abkommen über Sacheinlagen und Sachübernahmen nach Maßgabe der Satzung schon vor der Eintragung der AG in der Weise ausgeführt worden, daß 199

§34

Anm. 9

I. Buch: Aktiengesellschaft

die in Betracht kommenden Gegenstände nach der Errichtung der Gesellschaft dieser zu Händen ihres Vorstandes übertragen worden sind, so wird die A G mit ihrer Entstehung unmittelbar Träger dieser Rechte (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 1 8 ; Teichmann-Koehler Anm. 3 c, 6 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 ; Baumbach-Hueck A n m . 2 B ; Heim Z H R 108, 190; v. Godin Z i v A 147, 40 und die Vertreter der unbedingten Einheitstheorie; a. M . auch hier G a d o w J h e r J 87, 266 und Vorauf!. A n m . 2 1 ; ferner Ritter § 20 Anm. 2 d und wohl auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 9). Denn wer sollte sonst Träger dieser Rechte geworden sein, von dem sie nach der Entstehung der A G auf diese erst übertragen werden müßten ? Die handelnden Vorstandsmitglieder persönlich oder die Mitglieder der Gründergesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit? Eine so,1 che Annahme entspricht gewiß nicht dem Willen der Beteiligten, die f ü r die künftige A G erwerben und die künftige A G berechtigen wollen, so wie die A G j a auch aus dem fraglichen Abkommen unmittelbar mit ihrer Entstehung verpflichtet wird. In Übereinstimmung mit dieser Auffassung bejaht das Reichsgericht die Möglichkeit einer A u f l a s s u n g an die künftige A G ( R G J W 1925, 1 1 0 9 ; ebenso K G D R 1 9 4 1 , 1 0 8 7 — J F G 22, 2 1 7 und die herrschende Ansicht im Schrifttum sowie selbst G a d o w J h e r J 87, 268). Dagegen ist eine Eintragung der A G ins Grundbuch vor ihrer Entstehung noch nicht möglich. Ritter Anm. 3 b und G a d o w J h e r J 87, 266/67 sehen darin eine Inkonsequenz vom Standpunkt der Einheitstheorie. Das mag sein, ist aber in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil es hier nicht u m die Ableitung logisch oder begrifflich einwandfreier Ergebnisse aus einer Begriffs konstruktion geht, an der sich zugleich die Richtigkeit eines — wie bei den Anhängern der unbedingten Einheitstheorie — selbst gewählten Begriffsschemas bewähren soll.

Anm. 9 2. Bei sonstigen Verträgen. a) Z a h l u n g d e r B a r e i n l a g e : Nach § 28 Abs. 2 müssen vor der Anmeldung der errichteten Gesellschaft von der Bareilage mindestens 2 5 % und ein etwaiges Aufgeld eingezahlt worden sein. Diese Einzahlung ist f ü r die Entstehung der Gesellschaft rechtlich unumgänglich notwendig, die künftigen Aktionäre sind demgemäß zur Einzahlung verpflichtet. Bei dieser Rechtslage kann es keinem Zweifel unterliegen, daß solche gesetzlich notwendigen Einzahlungen gegenüber der A G unmittelbar wirksam sind, sobald sie entstanden ist. Das bedeutet, daß die A G nach ihrer Entstehung einerseits nicht nochmals Zahlung in dieser Höhe verlangen kann und daß sie andererseits mit ihrer Entstehung unmittelbar ein Recht an den erbrachten Leistungen (Eigentum oder bei Bankguthaben ein entsprechendes Forderungsrecht) erlangt. Das ist in Rechtsprechung und Schrifttum unbestritten (vgl. dazu R G 58, 5 5 ; 83, 3 7 0 ; 149, 3 0 3 ; J W 1 9 2 2 , 94). Dieselben Gesichtspunkte müssen auch f ü r solche Zahlungen auf die Bareinlage gelten, die über den gesetzlichen Mindestbetrag hinaus auf Grund einer entsprechenden Satzungsbestimmung vor der Entstehung der Gesellschaft geleistet worden sind. Die Zulässigkeit solcher Zahlungen sieht § 28 Abs. 2 Satz 2 mit dem Wort „mindestens" selbst vor. Es kann von einem künftigen Aktionär, der auf Grund der Satzung zu einer solchen Einzahlung über den gesetzlichen Mindestbetrag hinaus in zulässiger Weise besonders verpflichtet worden ist, nicht verlangt werden, daß er insoweit nach der Entstehung der A G nochmals eine Zahlung an diese erbringt (vgl. auch B G H 15, 66 mit A n m . bei Lind.-Möhr. Nr. 1 zu § 1 3 G e n G ) . Dagegen wird man eine dahingehende unmittelbare Wirkung gegenüber der entstandenen A G nicht annehmen können, soweit der künftige Aktionär zu einer solchen Einzahlung nicht verpflichtet ist und gleichwohl eine dahingehende Zahlung leistet. Das tut er dann auf eigene Gefahr. Die A G kann daher nach ihrer Entstehung insoweit nochmals Zahlung von dem Aktionär verlangen, wenn der gezahlte Betrag in dieser Höhe ihr bei der Entstehung nicht zur V e r f ü g u n g steht ( R G 83, 3 7 0 ; 149, 3 0 3 ; J W 1922, 94; Ritter § 20 Anm. 2 d ; v. Godin-Wilhelmi § 28 Anm. 1 0 ; Scholz J W 1938, 3 1 5 2 Anm. 2 1 , vgl. aber auch v. Godin-Wilhelmi § 49 Anm. 6; a. M . f ü r die G m b H O L G Saarbrücken J Z 1 9 5 1 , 446; Scholz § 7 A n m . 8 e ; ders. G m b H R d s c h . 1956, 5 ; Hachenburg-Schilling § 7 Anm. 26).

200

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 34

Anm. 10,11 Anm. 10 b) Verpflichtungen aus weiteren rechtlich notwendigen G e s c h ä f t e n : Das

R G (vgl. Anm. 4) ist der Auffassung, daß die entstandene A G ganz allgemein aus solchen Rechtsgeschäften unmittelbar verpflichtet wird, deren Abschluß f ü r ihre Entstehung rechtlich unumgänglich notwendig ist. Es begründet diese Auffassung damit, daß der Abschluß solcher Rechtsgeschäfte von der Vertretungsbefugnis der vor ihrer Entstehung bestellten Organe umfaßt werde. Z u diesen Geschäften werden im Schrifttum (vgl. Staub-Pinner § 200 Anm. 5 ; Teichmann-Koehler Anm. 3 a) die Zahlung der mit der Gründung verbundenen Kosten f ü r Gericht, Notar, Anwalt, die Steuern, Auslagen f ü r Saalmiete f ü r die Gründungsversammlung u. a. gerechnet. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Bei den Verpflichtungen aus diesen sog. rechtlich unumgänglichen Rechtsgeschäften handelt es sich um solche, die zum G r ü n d u n g s a u f w a n d gehören und f ü r die in § 19 eine besondere abschließende Regelung getroffen ist. Denn es sind in diesem Zusammenhang irgendwelche Verbindlichkeiten kaum denkbar, die nicht unter den Gründungsaufwand fallen (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 1 0 ; Heim Z H R 108, 2 1 2 ; v. Godin Z i v A 147, 34; G a d o w J h e r J 87, 263/64). Es muß daher f ü r die Wirksamkeit solcher Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft gefordert werden, daß sie nach Maßgabe des § 19 in der Satzung festgesetzt werden (außer den vorstehenden ebenso auch v. Gierke Handelsrecht 6. A u f l . § 4 1 I V 2 c; Schlegelberg er-Quassowski Anm. 3 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 A). Bemerkenswert ist, daß auch das R G trotz seiner weitreichenden Begründung niemals Verbindlichkeiten, die zum Gründungsaufwand gehören, ohne Einhaltung des § 19 als unmittelbar wirksam gegenüber der entstandenen A G betrachtet hat. Seine Entscheidungen befassen sich vielmehr immer mit der Wirksamkeit vorher geleisteter Zahlungen auf die zugesagte Bareinlage oder mit solchen Geschäften, die es nicht zu den rechtlich unumgänglich notwendigen Geschäften rechnet.

A n m . 11 c) Verpflichtungen

aus

wirtschaftlich

notwendigen

Geschäften:

Die

schwierigste Frage in diesem Zusammenhang ist die, ob die A G mit ihrer Entstehung aus solchen Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, die im Gründungsstadium von dem bestellten Vorstand in ihrem Namen abgeschlossen worden sind und die zur Vorbereitung des Geschäftsunternehmens oder zur Erhaltung der erbrachten Sacheinlagen oder Sachübernahmen aus wirtschaftlichen Gründen unumgänglich notwendig sind. F ü r die Beantwortung dieser Frage gibt das Gesetz keinen unmittelbaren Aufschluß. Das liegt wohl vor allem daran, daß das A k t G bei seiner Regelung von dem Fall der Bargründung als dem typisch regelmäßigen Fall ausgeht und nicht beachtet, daß in der Rechtswirklichkeit die S a c h g r ü n d u n g , und zwar eine solche unter Einbringung oder Übernahme eines Handelsgeschäfts, den R e g e l f a l l bildet (vgl. dazu auch v. Godin-Wilhelmi Zusatz zu Anm. 2-—10, unrichtig insoweit Lobedanz Einfluß von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte 1938 S. 132) und daß sich gerade bei diesem Regelfall aus wirtschaftlichen Gründen die Notwendigkeit zum laufenden Abschluß von Rechtsgeschäften von der Zeit der Einbringung eines solchen Handelsgeschäfts bis zur Entstehung der A G ergibt. Denn ein solches Handelsgeschäft kann nicht auf Zeit stillgelegt werden. Damit würde vor allem der künftigen A G , ihren Gläubigern und etwaigen späteren Aktionären am wenigsten gedient sein. I n einem solchen Fall kann nicht bis zur Eintragung der Gesellschaft gewartet, es muß vielmehr laufend, und zwar im wesentlichen auch rechtsgeschäftlich gehandelt werden. Dieser wirtschaftlichen Notwendigkeit steht der in den §§ 19, 20, 28/29 zum Ausdruck gekommene Grundsatz gegenüber, daß die Belastung der A G mit Verbindlichkeiten im Zeitpunkt ihrer Entstehung durch Festsetzung in der Satzung allgemein ersichtlich und der Prüfung im Gründungsstadium zugänglich sein muß. Auch ist zu berücksichtigen, daß es nicht erwünscht sein kann, vor der Eintragung der A G die Aufnahme eines Geschäftsbetriebs mit unmittelbarer Wirkung gegenüber der A G zu ermöglichen. Derartiges könnte dazu führen, daß die Beteiligten unter Umständen f ü r eine längere Zeit das Handelsgeschäft mit beschränkter Haftung führen, ohne insoweit den einengenden Vorschriften über die Gründung einer A G unterworfen zu sein (vgl. dazu auch

201

§34

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 12 Heim Z H R 108, 1 8 2 ; Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 56 fr.). M a n hat versucht diesen Konflikt dadurch zu lösen, daß man über den Wortlaut der §§ 19, 20 hinaus auch d i e F e s t s e t z u n g noch w e i t e r e r V e r t r ä g e i n d e r S a t z u n g zugelassen und diesen so festgesetzten Verträgen sodann ebenfalls unmittelbare Wirkung f ü r und gegen die entstanden A G beigelegt hat (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 1 0 ; Gadow J h e r J 87, 264; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 ; Teichmann-Koehler Anm. 3 b, c). Allein dieser Versuch erweckt Bedenken (ablehnend auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 4, § 20 Anm. 12). Zunächst läßt er sich mit dem Wortlaut der §§ 19, 20 nur schwer vereinbaren; insbesondere hätte es in diesem Fall der kasuistischen Aufgliederung in Gründungsaufwand und Sondervorteile, in Sacheinlagen und Sachübernahmen wohl kaum bedurft (vgl. dazu Dregger a. a. O. S. 55). Entscheidend erscheint aber, daß dieser Weg im Ergebnis nicht weiter führt, insbesondere nicht geeignet ist, solchen Rechtsgeschäften unmittelbare Wirkung f ü r und gegen die entstandene A G zu verschaffen, welche bei Übernahme eines Handelsgeschäfts vor der Entstehung der A G aus wirtschaftlich unabweisbaren Gründen abgeschlossen werden müssen. Denn es ist nicht möglich, diese Verträge nach Maßgabe des § 20 schon bei der Feststellung der Satzung festzusetzen, da die hierzu notwendigen Angaben in diesem Zeitpunkt meist noch gar nicht gemacht werden können. Auch eine entsprechende Anwendung des § 19 (so Düringer-Hachenburg a. a. O.) hilft nicht weiter, weil ebenso auch die Gesamtsumme des Aufwands in diesem Zeitpunkt noch nicht angegeben werden kann.

Anm. 12 In diesem Zusammenhang ist vielmehr anzuknüpfen an die Frage, welche Aufgaben der bereits im Gründungs Stadium bestellte Vorstand hat. F ü r den Fall

der Bargründung wird man im allgemeinen mit dem R G ( R G 83, 3 7 3 ; 105, 229; 134, 1 2 2 ; 154, 286) sagen können, daß sich seine Aufgabe darin erschöpft, die gesetzlich ihm auferlegten Maßnahmen vorzunehmen, die f ü r die Entstehung der A G erforderlich sind. Bei einer Sachgründung oder einer Sachübernahme, bei der ein Handelsgeschäft schon im Gründungsstadium eingebracht oder übernommen wird (also in dem Regelfall, vgl. Anm. 1 1 ) , wird man die Aufgabe des Vorstands nicht in der gleichen Weise beschränken dürfen. Die Einstellung von Lohn- und Gehaltszahlungen an die übernommenen Arbeiter und Angestellten, die Unterbrechung laufender Lieferungsverträge, die Unterlassung notwendiger Geschäftsabschlüsse f ü r die Fortführung des Unternehmens könnten das eingebrachte oder übernommene Handelsgeschäft zum Erliegen bringen oder müßten ihm wenigstens schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen. Der Vorstand muß in einem solchen Fall handeln, will man nicht um eines aktienrechtlichen Dogmas willen ein völlig wirklichkeitsfremdes Ergebnis hinnehmen. Der Vorstand muß in einem solchen Fall als verpflichtet angesehen werden, die wirtschaftlich notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Handelsgeschäft in seinem wirtschaftlichen Wert zu erhalten und es der A G bei ihrer Entstehung in einem solchen Zustand zuzuführen (vgl. auch §41 A n m . 3 1 ) . Insoweit beschränkt sich der Zweck der Gründungsgesellschaft nicht darauf, die A G formal juristisch zur Entstehung zu bringen, sondern umschließt auch die Aufgabe, das eingebrachte oder übernommene Unternehmen wirtschaftlich f ü r die A G bis zum Zeitpunkt ihrer Entstehung zu erhalten ( § 2 2 Anm. 4). Diese Beurteilung zwingt — ohne daß es insoweit einer Auseinandersetzung mit der Einheitstheorie bedarf (vgl. Anm. 6) — zu dem Schluß, daß solche Geschäfte unmittelbare Wirkung f ü r und gegen die A G haben, sobald diese zur Entstehung gelangt ist. Denn man kann nicht den Vorstand einerseits f ü r verpflichtet halten, solche Geschäfte im Gründungsstadium im Namen der künftigen A G abzuschließen, ihn andererseits aber mit einer persönlichen Haftung aus solchen Geschäftsabschlüssen belasten, wenn die A G nach ihrer Entstehung die Verbindlichkeiten aus diesen Geschäften nicht übernimmt. Die Folge wäre, daß das wirtschaftliche Wagnis solcher Geschäfte, die der Vorstand im Namen der A G abschließen m u ß , auf diesen allein abgewälzt werden würde. Seine Pflichterfüllung würde also b e s t r a f t werden (wenn K u h n L M , Sonderbeilage 5/1956 S. 6 — freilich in einem etwas anderen Zusammenhang — das deshalb zu leugnen sucht, weil die Haftung des persönlich Handelnden keine Strafe sei, so ist das wohl

202

a. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§34

Anm. 13

keine atisreichende Begründung.). Zur Übernahme einer derartig undankbaren Aufgabe wird kaum jemand bereit sein. Mit der Bejahung einer unmittelbaren Wirkung solcher Geschäftsabschlüsse f ü r und gegen die A G im Zeitpunkt ihrer Entstehung erweist sich auch in dieser Hinsicht — wie bei den Sacheinlagen, den Sachübernahmen und dem Gründungsaufwand (Anm. 7) —• der enge rechtliche Zusammenhang zwischen der Gründungsgesellschaft und der entstandenen A G . Der durchaus anzuerkennende aktienrechtliche Grundsatz, daß die A G bei ihrer Entstehung nach Möglichkeit nur mit aus dem Gründungshergang ersichtlichen Verbindlichkeiten belastet sein soll, muß insoweit zurücktreten. Anderenfalls würde der Schutzcharakter dieses Grundsatzes in sein Gegenteil verkehrt werden (die Entscheidung B G H 17, 385 gibt zu dieser Frage nichts her; vgl. dazu im einzelnen Rob. Fischer in Anm. bei Lind.-Möhr. Nr. 2 zu § 1 3 GenG). I m Hinblick auf die §§ 19, 20 muß sich aber die unmittelbare Wirkung der wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Geschäfte auf die A G auf solche Geschäfte beschränken, die d e r V o r s t a n d abgeschlossen hat. Geschäftsabschlüsse von Gründern dürfen nach dem Grundgedanken der §§ 19, 20 in diesen Kreis nicht hineingezogen werden, da das Gesetz den Gründern im Gründungsstadium mit Recht ein besonderes Mißtrauen entgegenbringt. Die weitgehende Haftung des Vorstands f ü r sein Verhalten im Gründungsstadium ( § 4 1 ) muß insoweit als Schutzmaßnahme f ü r die entstandene A G ausreichen. Z u den wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Rechtsgeschäften können grundsätzlich Rechtsgeschäfte aller Art, also nicht nur Verträge, sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte, wie Kündigung eines Anstellungsvertrages, Rücktritt von einem Kaufvertrag usw. gehören. Ferner fallen darunter auch V e r fügungen, z. B. die Veräußerung von zum eingebrachten Handelsgeschäft gehöriger Sachen wie auch der Erwerb solcher Sachen f ü r das Handelsgeschäft. Diese Verfügungen, soweit sie wirtschaftlich unumgänglich notwendig sind, wirken ebenfalls unmittelbar zugunsten und zu Lasten der A G .

Anm. 13 Die Beschränkung der unmittelbaren Wirkung auf die wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Rechtsgeschäfte (ähnlich R u d . Fischer Ehrenb. H d b .

I I I , 1 S. 1 1 0 ; f ü r die G m b H Hachenburg J W 1924, 199; Hachenburg-Schilling § 1 1 Anm. 4 ; unter Anwendung des § 683 B G B [vgl. Anm. 5, 6] im Ergebnis nicht wesentlich abweichend Brodmann § 200 Anm. 1 b ; Gadow J h e r J 87, 257 und Vorauf!. Anm. 1 7 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 G ; a. M., nämlich ohne jede Beschränkung, Scholz G m b H Rdsch. 1956, 5) ist zum Schutz der A G geboten. Diese Beschränkung mag im Einzelfall f ü r den am Geschäftsabschluß beteiligten Dritten eine gewisse Unsicherheit mit sich bringen (Müller-Erzbach Das Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 1 9 1 ) . Aber das muß im Interesse der A G hingenommen werden, zumal der am Geschäftsabschluß beteiligte Dritte dadurch nicht unbillig belastet wird; ihm ist in jedem Fall entweder die entstandene A G oder das persönlich handelnde Vorstandsmitglied (Abs. 1 Satz 2) aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft verpflichtet. Die Beschränkung der unmittelbaren Wirkung auf die wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Rechtsgeschäfte ist auch nicht, wie Dregger (Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 47ff., 54f.) meint, deshalb willkürlich und nutzlos, weil der Vorstand solche Rechtsgeschäfte im Unterschied zu den Vereinbarungen über Sacheinlagen, Sachübernahmen usw. (Abs. 3) ohnehin sofort nach der Eintragung der A G abschließen könnte und weil es angesichts dieser Möglichkeit nicht darauf ankommen dürfte, ob er solche Rechtsgeschäfte eine Stunde vor oder eine Stunde nach der Eintragung abgeschlossen habe. Dieses Argument erscheint allzu theoretisch und überspitzt und wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Die Notwendigkeit eines noch stärkeren Schutzes der A G gegenüber Vereinbarungen von Sacheinlagen, Sachübernahmen usw., die auch noch f ü r die Zeit nach der Entstehung der A G fortbesteht (vgl. Abs. 3, § 45), kann und darf nicht dazu führen, die A G im übrigen aus allen Rechtsgeschäften unmittelbar zu verpflichten, die vor ihrer Entstehung in ihrem Namen abgeschlossen worden sind. Zudem würde bei der gegenteiligen Auffassung von Dregger Abs. 2 keinen rechten Sinn mehr haben.

203

§34

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 14,15 Anm. 14 III. Der Eintritt der AG in Rechte und Verbindlichkeiten durch Rechtsgeschäft. i. Durch Schuldübernahme bei den Verbindlichkeiten. a) Allgemeines: Abs. 2 regelt den Eintritt der entstandenen A G in solche Ver-

bindlichkeiten, die in ihrem Namen während des Gründungsstadiums begründet worden sind. Diese Vorschrift greift nur insoweit ein, als die im Namen der A G begründeten Verbindlichkeiten die A G nicht schon ohne weiteres mit ihrer Entstehung unmittelbar treffen. Denn insoweit bedarf es keiner Schuldübernahme mehr. Das ist im Schrifttum allgemein anerkannt, nur so viel ist streitig, in welchem Ausmaß die schon im Gründungsstadium begründeten Verbindlichkeiten gegen die A G unmittelbar wirken (dazu Anm. 7ff.). Daher ist das Argument, das G a d o w (vgl. Anm. 5) aus dieser Bestimmung gegen die Einheitstheorie, und zwar auch in der abgeschwächten Form des R G herleitet, wohl nicht ohne weiteres durchschlagend, weil immer vor der A n w e n d u n g des Abs. 2 zu prüfen ist, ob die A G nicht schon aus einem anderen Grunde ohne weiteres aus der in ihrem Namen begründeten Verbindlichkeit verpflichtet ist. Darüber hinaus besteht die Besonderheit dieser Vorschrift darin, daß sie die Voraussetzungen regelt, unter denen der Handelnde von seiner persönlichen Haftung (Abs. 1 Satz 2 ; dazu Anm. 19ff.) frei wird. Insofern unterscheidet sich die Schuldübernahme des Abs. 2 von einer Genehmigung, die unter entsprechender Anwendung der §§ 1 7 7 f f . B G B ebenfalls möglich ist (Anm. 17, 18). Denn eine solche Genehmigung führt nicht ohne weiteres zu einer Freistellung des Handelnden von seiner Haftung. Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß die Regelung des Abs. 2 über die Schuldübernahme von vornherein die Zulässigkeit einer Genehmigung ausschließe (Ritter Anm. 5 ; Teichmann-Koehler Anm. 6 ; Heim Z H R 108, i 8 7 f . , 194; Dregger a. a. O. S. 80). — Dagegen ist die Schuldübernahme in bestimmten Fällen unzulässig (Abs. 3 ; dazu Anm. 27, 28).

Anm. 15 b) Form der Schuldübernahme:

Die Schuldübernahme des Abs. 2 unterscheidet sich von der Schuldübernahme des § 4 1 5 B G B . Sie bedarf nicht der Zustimmung des Gläubigers; denn dieser hatte j a von vornherein mit der A G gerechnet und wollte diese als Schuldnerin seiner Forderung. Der Handelnde ist auch nicht deshalb zunächst Schuldner geworden, weil er die Verbindlichkeit im eigenen Namen eingegangen war, sondern er ist es nur auf Grund der besonderen Vorschrift des Abs. 1 Satz 2 geworden. Deshalb ist die Erleichterung bei der Schuldübernahme des Abs. 2 gegenüber der Schuldübernahme des § 4 1 5 B G B auch innerlich gerechtfertigt. Die Schuldübernahme bedarf einer Vereinbarung zwischen der A G und dem Handelnden, der nach Abs. 1 Satz 2 zunächst haftet. Warum das Gesetz insoweit eine Vereinbarung, also die Zustimmung des Handelnden verlangt, ist unklar. Eine einfache Anzeige der A G an den Handelnden von der erfolgten Schuldübernahme müßte bei den gegebenen Verhältnissen an sich schon ausreichend sein, weil der Handelnde ohnehin die A G verpflichten wollte (v. Godin Z i v A 147, 29). Aber der Gesetzeswortlaut ist in dieser Hinsicht eindeutig. Immerhin sind insoweit keine strengen Anforderungen zu stellen. Die Vereinbarung der Schuldübernahme braucht nicht ausdrücklich getroffen zu werden (a. M . Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ) ; auch eine solche durch schlüssige Handlungen, j a durch schlüssiges Schweigen muß ausreichend sein (Gadow J h e r J 87, 260/61). Das gilt vor allem bei Dauerverträgen, in die die A G eintritt ( R G Z 1 1 6 , 74). Da das Gesetz nun einmal eine Vereinbarung zwischen der A G und dem Handelnden verlangt, kann diese im Hinblick auf § 181 B G B nicht zwischen dem Handelnden einerseits und diesem als Vorstandsmitglied der A G andererseits getroffen werden. Ist kein anderes Vorstandsmitglied vorhanden, das nicht zugleich als Handelnder haftet, so muß der Aufsichtsrat die Vereinbarung mit dem Handelnden treffen ( § 9 7 ; ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; ähnlich auch Scholz J W 1938, 3 1 5 3 f ü r die G m b H ; a. M . v. Godin-Wilhelmi, die f ü r den Fall der Verfügung ( § 1 8 5 B G B ) auch eine Genehmigung durch den handelnden Vorstand f ü r zulässig halten). Aber auch in dieser Hinsicht wird man an das Vorliegen einer Vereinbarung auf seiten des Aufsichtsrats keine strengen Anforderungen zu stellen haben. Gegenüber dem Gläubiger genügt f ü r die Wirksamkeit

204

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 34 Anm. 16,17

der Schuldübernahme eine einfache Mitteilung. Diese kann zwar nicht stillschweigend erfolgen, das wäre ein Widerspruch in sich (vgl. Gadow JherJ 87, 261). Aber sie kann formlos geschehen, auch durch schlüssige Handlungen (RG H R R 1929, 1723); ein Zugeständnis der Schuldübernahme genügt (RG 125, 104). Innerhalb einer Frist von drei Monaten seit der Eintragung muß die Schuldübernahme vereinbart und dem Gläubiger mitgeteilt sein. Ist die Frist versäumt, so bewendet es für die befreiende Schuldübernahme bei der Regel des § 415 BGB. Übrigens schließt § 415 BGB nicht die Möglichkeit aus, daß der Gläubiger von vornherein in die befreiende Schuldübernahme einwilligt, bevor sie noch vereinbart ist. Dann wird sie ohne weiteres mit der Vereinbarung wirksam, ohne daß es noch einer Mitteilung bedürfte (RG 60, 416; Warn. 1911 Nr. 262; 1919 Nr. 29). Das gilt auch im Fall des Abs. 2; denn diese Bestimmung dient dazu, die befreiende Schuldübernahme zu erleichtern, nicht, sie zu erschweren. Anm. 16 c) Die Wirkung der Schuldübernahme: Die Wirkung der befreienden Schuldübernahme besteht einmal darin, daß die AG nunmehr Schuldnerin der in ihrem Namen eingegangenen Verbindlichkeiten wird und daß andererseits der Handelnde von seiner persönlichen Haftung (Abs. 1 Satz 2) gegenüber dem Dritten frei wird. Mit dieser gesetzlichen Regelung erledigen sich die Angriffe gegen die frühere Rechtsprechung des R G (vgl. Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 20), daß zur Freistellung des Handelnden von seiner persönlichen Haftung es noch einer besonderen, wenn auch stillschweigenden Vereinbarung mit dem Dritten bedürfe, daß also die Genehmigung des Vertrages durch die AG nach ihrer Eintragung dazu noch nicht ausreiche (RG 72, 401; 116, 72; 159, 43). Die Rechtsprechung des R G hat auch heute noch Bedeutung, falls die Schuldübernahme nicht innerhalb von 3 Monaten vereinbart und dem Gläubiger mitgeteilt ist. Hier bedarf es zur Freistellung des Handelnden nach der jetzigen Regelung jedenfalls einer — wenn auch schlüssigen — Zustimmung des Gläubigers (Anm. 26). Anm. 17 2. Durch Genehmigung bei den in ihrem Namen begründeten Rechten: Ein selbsttätiger Eintritt der AG in die in ihrem Namen für sie begründeten Rechte tritt nach allgemeinen Grundsätzen dann ein, wenn ein solches Recht durch einen Vertrag zugunsten der A G (§ 328 BGB) geschaffen worden ist. Das gilt jedoch nicht für gegenseitige Verträge (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 14), soweit diese nicht nach den in Anm. 7 ff. dargelegten Grundsätzen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die AG abgeschlossen worden sind. Denn die gegenseitigen Verträge können nicht derart aufgespalten werden, daß die Begründung von Rechten als Vertrag zugunsten der AG (§ 328 BGB) anzusehen ist und damit die AG unmittelbar berechtigt wird (so im Ergebnis v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 S. 134), die Begründung von Verbindlichkeiten dagegen die AG nur trifft, wenn sie in diese durch eine Schuldübernahme selbst eintritt. Andererseits ist es aber auch nicht möglich, daß die AG solche Rechte durch eine besondere Rechtsübertragung erwirbt (so Brodmann § 200 Anm. 1 b; Gadow JherJ 87, 266 und Voraufl. Anm. 2 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 9). Denn eine solche Rechtsübertragung könnte nur seitens des Handelnden, den die persönliche Haftung nach Abs. 1 Satz 2 trifft, vorgenommen werden. Dieser hat aber aus einem solchen gegenseitigen Vertrag keinen Erfüllungsanspruch gegen den Dritten auf Leistung an sich selbst (Anm. 24). Es ist daher auch nicht denkbar, daß dieser bei einer Schuldübernahme den Erfüllungsanspruch auf die AG überträgt. Hier kann sich der Eintritt der AG in die in ihren Namen begründeten Rechte nur unter entsprechender Anwendung der §§ 177fr. BGB vollziehen (Ritter Anm. 4 c; Teichmann-Koehler Anm. 5 a ; Heim Z H R 108, 190). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß ein Handeln im Namen der AG vor ihrer Entstehung begrifflich ausgeschlossen sei (so Gadow JherJ 87, 254 und Voraufl. Anm. 17; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5, wobei jedoch v. Godin ZivA 147, 41 die Genehmigung einseitiger Rechtsgeschäfte, wie z. B. einer Kündigung für zulässig hält), da § 34 selbst ein Handeln „im Namen" (und nicht für Rechnung, wie Gadow den Text einfach ändert) der Gesellschaft voraussetzt, dieses damit rechtlich als möglich und zulässig ansieht. Welche Bedeutung die Möglichkeit eines solchen 205

§34

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 18,19 Handelns im Namen der Gesellschaft während des Gründungsstadiums für den Streit u m die Einheitstheorie hat, braucht auch in diesem Zusammenhang nicht erörtert zu werden (vgl. dazu Anm. 6). Es genügt einfach die Tatsache, daß § 34 ein solches Handeln als möglich ansieht. Demgegenüber ist der Versuch, ein solches Handeln aus begrifflichen Gründen als unmöglich zu erklären, von vornherein aussichtslos. Da des weiteren ein solches Handeln im Namen der AG — abgesehen von den unter Anm. 7 ff. erörterten, hier aber nicht in Betracht kommenden Rechtsgeschäften — aus aktienrechtlichen Gründen nicht die Wirkung hat, daß dadurch die vertretene AG unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, bevor sie nach ihrer Entstehung eine dahingehende freiwillige Entschließung trifft, liegt es nahe, in dieser Hinsicht die Vorschriften der §§ 177fr. BGB in entsprechender Anwendung heranzuziehen. Eine nur entsprechende Anwendung ist deshalb geboten, weil insoweit die Anwendung der § 177fr. BGB aus der Besonderheit der hier gegebenen Rechtslage gewissen Abweichungen unterliegen m u ß (vgl. dazu Anm. 18). Durch die Genehmigung tritt die AG unmittelbar in die in ihrem Namen begründeten Rechte ein; sie erwirbt dadurch gegenüber dem Dritten unmittelbar das Forderungsrecht. In der Mitteilung einer vereinbarten Schuldübernahme an den Gläubiger liegt zugleich auch eine solche Genehmigung, da davon ausgegangen werden muß, d a ß die AG mit der Übernahme der Verbindlichkeiten aus einem gegenseitigen Vertrag auch Träger der darin f ü r sie begründeten Rechte werden will.

Anm. 18 3. Die Genehmigung von i m Namen der AG abgeschlossenen Rechts-

g e s c h ä f t e d u r c h die A G : Die Schuldübernahme nach Abs. 2 schließt nicht aus, d a ß die A G nach ihrer Entstehung ein in ihrem Namen abgeschlossenes Rechtsgeschäft in entsprechender Anwendung der §§ 177ff. BGB genehmigt (Anm. 17). Gegen die Zulässigkeit einer solchen Genehmigung bestehen keine Bedenken. Im Unterschied zur Schuldübernahme f ü h r t sie nicht zu einer Freistellung des Handelnden von seiner persönlichen Haftung (Abs. 1 Satz 2). Sie hat besondere Bedeutung, wenn die 3-Monatsfrist f ü r die Vereinbarung der Schuldübernahme und die Mitteilung an den Gläubiger verstrichen ist und der Gläubiger seine Zustimmung zu einer Schuldübernahme nach § 415 BGB nicht erteilt. Dann kann auf diesem Wege die A G unmittelbar in den in ihrem Namen abgeschlossenen Vertrag eintreten. Eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmungen ist nicht möglich, weil sich die Rechtslage hier in einer Reihe von Punkten von derjenigen unterscheidet, die in den §§ 177 fr. BGB vorausgesetzt wird (grundsätzlich anders Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1951 S. 115fr.). So wird im Fall des §34 der Handelnde selbst Schuldner des Geschäftsgegners ; er haftet gemäß Abs. 1 Satz 2 auf Erfüllung und nicht nur auf Schadensersatz (Anm. 24). Auch tritt seine Haftung ohne Rücksicht darauf ein, ob der Geschäftsgegner wußte oder wissen mußte, d a ß die AG noch nicht zur Entstehung gelangt ist (herrsch. Ansicht; vgl. dazu Anm. 21). Schließlich hat der Geschäftsgegner nicht das Recht zum Widerruf gemäß § 178 BGB (v. Godin ZivA 147, 32; abw. z. T. Teichmann-Koehler Anm. 5 b). Diese Abweichungen, die sich aus der Rechtslage im Fall des § 34 ergeben, rechtfertigen es aber nicht, eine Genehmigung des Vertrages unter entsprechender Anwendung der §§ 177fr. BGB überhaupt auszuschließen. Denn in dem entscheidenden Punkt, der f ü r eine Genehmigung des Vertrages durch den Vertretenen nach § 177 BGB maßgeblich ist, ist hier die Rechtslage gleich oder so rechtsähnlich, d a ß eine Heranziehung des § 177 BGB in entsprechender Anwendung geboten ist (Anm. 17). Des weiteren ist es auch möglich, daß die A G Verfügungen, die während des Gründungsstadiums in ihrem Namen, etwa über bewegliche, zu einem eingebrachten H a n delsgeschäft gehörigen Sachen vom Vorstand vorgenommen worden sind und die, weil sie wirtschaftlich nicht unumgänglich notwendig waren (Anm. 11 ff.) gegenüber der AG nicht ohne weiteres wirksam sind, in entsprechender Anwendung des § 185 BGB genehmigt (in diesem Punkt ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 9 a).

Anm. 19 IV. Die Haftimg des Handelnden (Abs. 1 Satz 2). 1. A l l g e m e i n e s : Die Vorschrift über die persönliche Haftung des Handelnden f ü r Verbindlichkeiten, die er vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem N a m e n

206

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§34

Anm. 20

begründet hat, ist alt; sie befand sich schon im Art. 2 1 1 des alten H G B und wurde sodann auch in das Gesetz von 1884 (Art. 2 1 1 ) und in das H G B (§ 200) übernommen (vgl. auch die entsprechende Vorschrift in § 1 1 Abs. 2 G m b H und in § 54 Satz 2 B G B ) . Diese Vorschrift wurde zunächst als eine Strafvorschrift verstanden; sie sollte nämlich nach dieser Auffassung verhindern, daß vor der Erteilung der Rechtsfähigkeit im Namen der Gesellschaft gehandelt werde. Auch das R G hat die Vorschrift zunächst in diesem Sinn ausgelegt und angewendet ( R G 32, 9g; 47, 1 ; J W i g o i , 253). I m L a u f e der Zeit wurde aber immer mehr dieser Gesichtspunkt in den Hintergrund gerückt. M a n erblickte in dieser Vorschrift auch eine Vorschrift zum Schutz des anderen Teils ( R G 55, 3 0 3 ; 70, 298) und bestimmte sodann die Bedeutung und den Sinn dieser Vorschrift ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt ( R G 75, 205). Denn man erkannte, daß es entgegen der ursprünglichen Auffassung mitunter aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist, daß schon während des Gründungsstadiums der Gesellschaft Rechtsgeschäfte in ihrem Namen abgeschlossen werden und daß daher die persönliche Haftung des Handelnden nicht die Bedeutung einer Bestrafung haben könne ( R G 159, 43). Auch die erleichterte Form einer Freistellung des Handelnden von seiner persönlichen Haftung durch Vereinbarung einer Schuldübernahme spricht gegen den Strafcharakter dieser Vorschrift (vgl. Ritter Anm. 4 c; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 C ; a. M . freilich Scholz J W 1938, 3 1 5 3 ; auch Brodmann [§ 200 Anm. 2 b] spricht noch von dem „rechtspolizeilichen" Charakter dieser Vorschrift und läßt mehrere Mitglieder des Vorstandes „als Mittäter" haften). Diese Beurteilung ist f ü r die Auslegung des Abs. 1 Satz 2 von unmittelbarer Bedeutung. Die Haftung des persönlich Handelnden kann nicht weiter ausgedehnt werden, als dieses zum Schutz des anderen Teils erforderlich ist. Das wird praktisch wichtig f ü r die Frage, wer als anderer T e i l dieses Schutzes teilhaftig wird (Anm. 2 1 ) , ob abweichende Vereinbarungen über die Haftung zwischen den Beteiligten zulässig sind (Anm. 23) und wann die Haftung de Handelnden wieder entfallt (Anm. 26).

Anm. 20 2. V o r a u s s e t z u n g e n der H a f t u n g : Es muß vor der Eintragung der Gesellschaft

in ihrem Namen gehandelt worden sein. Dabei ist es nicht erforderlich, daß ausdrücklich im Namen der künftigen A G gehandelt worden ist, auch ein Handeln im Namen der Gründergesellschaft genügt; denn im Rechtsverkehr werden in dieser Hinsicht keine Unterschiede gemacht (das ist f ü r die Anhänger der Einheitstheorie selbstverständlich, aber auch die Gegner machen insoweit meist keinen Unterschied, vgl. etwa G a d o w J h e r J 87, 2 5 0 / 5 1 ; a. M . Scholz J W 1938, 3 1 5 1 und K o m m . G m b H § 1 1 Anm. 6 b und zuletzt G m b H R d s c h . 1956, 3). Schließt der Handelnde dagegen im Gründungsstadium ein Rechtsgeschäft im eigenen Namen (wenn auch f ü r Rechnung der künftigen A G ) ab, so tritt die persönliche Haftung des Abs. 1 Satz 2 nicht ein; der Handelnde ist vielmehr als unmittelbarer Vertragspartner nach allgemeinen Grundsätzen selbst berechtigt und verpflichtet. I m Zeitpunkt des Handelns muß die künftige A G schon „ i m K e i m " vorhanden sein ( R G 122, 1 7 2 ; 1 5 1 , 9 1 ; K G J W 1926, 2100). Es genügt daher ein gültiger, wenn auch vielleicht sachlich zu beanstandender Gründungsvertrag ( R G 70, 298), j a es ist nicht einmal der Abschluß eines formell gültigen Gesellschaftsvertrages erforderlich, wenn nur die Verhandlungen über die Errichtung der A G so weit gediehen sind, daß nach der allgemeinen Verkehrsanschauung kein Zweifel daran besteht, f ü r wen der Handelnde auftreten will, wenn er im Namen der Gesellschaft handelt (Ritter A n m . 4 c; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck A n m . 2 D ; K u h n W M , Sonderbeilage 5/1956 S. 1 2 ; dagegen ohne jede zeitliche Einschränkung Vorauf!. Anm. 7 ; Gadow J h e r J 87, 2 5 9 ; Scholz J W 1938, 3 1 5 0 ; mit der Einschränkung, daß erst mit der Errichtung der Gesellschaft die persönliche Haftung eingreift Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 2 7 ; u n richtig O L G Bremen W M 1956, 1 5 3 2 , das den Abschluß eines förmlichen V o r v e r trages verlangt). — Die Haftung tritt nur bei rechtsgeschäftlichem Handeln ein; eine Haftung des Handelnden f ü r Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung scheidet daher aus ( B G H Urt. v. 12. 7. 1952 — I I Z R 19/52; K u h n a. a. O.).

207

§34

Anm. 21—23

I. B u c h : Aktiengesellschaft

Anm. 21 Aus der Schutzfunktion des Abs. i Satz 2 zugunsten Dritter folgt, daß die persönliche H a f t u n g des Handelnden n i c h t g e g e n ü b e r G e s e l l s c h a f t e r n , sondern n u r g e g e n ü b e r D r i t t e n eingreift ( R G 105, 1 5 3 ; B G H 1 5 , 206; Lind.-Möhr. Nr. 1 zu § 11 G m b H G ; allg. Ansicht im Schrifttum). Auch gilt die Haftung nicht f ü r körperschaftsrechtliche Akte, die während des Gründungsstadiums vorgenommen werden; es haften daher die Aufsichtsratsmitglieder, die den ersten Vorstand bestellen, diesem nicht aus Abs. 1 Satz 2 (Düringer-Hachenburg §200 Anm. 24; Ritter Anm. 4 ; a. M . wohl v. Godin-Wilhelmi Anm. 7). Gleichgültig ist dagegen f ü r die Haftung, o b d e r D r i t t e im Augenblick des Handelns g e w u ß t h a t oder nicht gewußt hat, d a ß die A G n o c h n i c h t e n t s t a n d e n i s t ( R G 47, 1 ; 55, 3 0 5 ; 70, 299; 72 403; 1 2 2 , 1 7 5 ; herrsch. Ansicht; kritisch insoweit Dregger Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft 1 9 5 1 S. 1 1 6 ; Scholz G m b H R d s c h . 1956, 4). Insoweit unterscheidet sich die Haftung des Handelnden grundlegend von der Haftung des vollmachtlosen Vertreters (vgl. § 179 B G B ) . Auch ist es f ü r die Haftung des Handelnden ohne Bedeutung, wenn er zu Unrecht angenommen hat, daß die A G im Zeitpunkt seines Handelns schon durch Eintragung zur Entstehung gelangt sei. Die Haftung tritt auch dann ein, wenn die Gesellschaft n i c h t e i n g e t r a g e n w i r d ( R G 70, 297; O L G Hamburg L Z 1927, 62). I n diesem Fall ist der Dritte des Schutzes besonders bedürftig.

Anm. 22 Die persönliche Haftung trifft nur den H a n d e l n d e n . Insoweit kommen im wesentlichen nur die Gründer und hauptsächlich die Vorstandsmitglieder in Betracht. Bedient sich ein Vorstandsmitglied einer Hilfsperson, so ist nicht diese, sondern das Vorstandsmitglied Handelnder im Sinn des Abs. 1 Satz 2 (Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 23). Es trifft also „den eigentlichen Urheber des Handelns" die Haftung (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6). Insofern kann —- etwa bei mehreren Vorstandsmitgliedern — neben dem Handelnden auch derjenige zur Haftung herangezogen werden, der durch sein Verhalten (Zustimmung) den Anstoß zum Handeln gegeben hat. Die Rechtsprechung des R G geht in dieser Hinsicht weiter; sie sieht schon jede v o r h e r g e h e n d e Zustimmung zur Begründung der Haftung als ausreichend an, wobei nicht einmal die Zustimmung zu dem konkreten Geschäftsabschluß gefordert, sondern schon das allgemeine Einverständnis mit der Geschäftseröffnung als ausreichend angesehen wird ( R G 55, 3 0 3 ; 70, 3 0 1 ; jetzt auch B G H [ I V . ZivSen.] Lind.-Möhr. Nr. 6 zu § 1 1 G m b H G , ebenso K G J W 1926, 2 1 0 0 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 C ; ähnlich SchlegelbergerQuassowski A n m . 6 Teichmann-Koehler A n m . 4 a ; Düringer-Hachenburg §200 Anm. 25, Heymann J h e r J 75, 4 1 9 f . ; Hachenburg-Schilling G m b H G § 1 1 Anm. 1 1 ; Schilling Anm. J Z 1955, 6 1 5 ) . Aber diese Ausweitung, die ihren Grund in der früheren Annahme von dem Strafcharakter dieser Vorschrift haben dürfte, ist bei Beachtung der Schutzfunktion dieser Vorschrift schwerlich gerechtfertigt (ebenso Dregger G m b H R d s c h . 1952, 1 8 5 ; K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S. 1 0 ; noch weiter einschränkend, also auch jeden Auftraggeber von der Haftung freistellend Ritter Anm. 4; Scholz G m b H G Anm. 3 b und GmbHRdsch. 1956, 5 ; Schultze-v. Lassaulx J Z 1952, 392; ähnlich auch M D R 1955, 729; wohl auch Ganßmüller GmbHRdsch. 1955, 228). Auf keinen Fall trifft die persönliche Haftung denjenigen, der nur n a c h t r ä g l i c h dem Handeln zugestimmt hat (so schon R G 70, 3 0 2 ; auch R A r b G J W 1930,- 3790 und allgem. Ansicht im Schrifttum).

Anm. 23 Abweichende Vereinbarungen über die persönliche Haftung des Handeln-

den sind zulässig. Die Haftung kann eingeschränkt oder ausgeschlossen werden ( R G 72, 4 0 1 ; 1 1 6 , 7 3 ; Recht 1923 Nr. 3 7 2 ; B G H 1 5 , 206; Lind.-Möhr. Nr. 2, 6 zu § 1 1 G m b H G ) . Sie ist ausgeschlossen, wenn ein Vertrag unter der Bedingung geschlossen wird, daß die künftige A G ihn genehmige ( R G 32, 97), oder wenn aus der Natur des Rechtsgeschäfts hervorgeht, daß es erst unter dieser Bedingung wirksam werden soll ( O L G Dresden in Sachs. O L G E 38, 1 1 1 ) . I n diesem Fall erlangt der geschlossene Vertrag überhaupt keine

208

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 34 Anm. 24—26

Wirksamkeit, wenn die vereinbarte Bedingung nicht eintritt. Über die Möglichkeit eines nachträglichen Verzichts auf die Haftung des Handelnden vgl. Anm. 26. Anm. 24 3. Inhalt der Haftung: Die persönliche Haftung des Handelnden richtet sich nach dem abgeschlossenen Vertrag. Der Haftende hat ihn so zu erfüllen, wie die Gesellschaft ihn zu erfüllen hätte, wenn er mit ihr nach der Eintragung abgeschlossen worden wäre (RG 117, 194; K G J W 1926, 2100; GmbHRdsch. 1928, 413). Er ist gegenüber dem Dritten so lange der Schuldner aus dem Vertrag, bis die AG durch Schuldübernahme an seine Stelle in den Vertrag eintritt. Er haftet also nicht wie der vollmachtlose Vertreter wahlweise auf Erfüllung oder Schadensersatz (a. M. Düringer-Hachenburg § 200 Anm. 32). Der Dritte hat demgemäß einen Schadensersatzanspruch nur, wenn dem Handelnden gegenüber die Voraussetzungen der §§ 323 fr. BGB gegeben sind (RG L Z 1927, 1473; Teichmann-Koehler Anm. 4 b). Das gilt auch für den Fall, daß der Dritte nicht gewußt hat, daß die AG noch nicht entstanden war. Neben dem Rechtsbehelf aus Abs. 1 Satz 2 kann sich der Dritte nicht auch auf § 179 Abs. 1 BGB berufen (Anm. 18; a. M. insoweit Teichmann-Koehler Anm. 5 b; Dregger a . a . O . S. 116). Die Haftung erstreckt sich nur auf die Erfüllung des abgeschlossenen Vertrages, nicht auf Geschäfte, die von der Gesellschaft nach ihrer Eintragung auf Grund des Vertrages vorgenommen werden (RG 117, 194). Sie erstreckt sich auch auf Ansprüche, die daraus entstehen, daß der Vertragsgegner nach der Eintragung zurücktritt (RG Recht 1927 Nr. 1668). Enthält der namens der Gesellschaft abgeschlossene Vertrag eine Schiedsgerichtsabrede, so gilt diese auch für die Haftung des Handelnden (KG J W 1929, 2163). Neben dem Handelnden kann auch die AG haften, nämlich dann, wenn sie die Schuld nicht befreiend (durch Schuldübernahme gemäß Abs. 2) übernimmt, sondern durch Genehmigung des Vertrages in diesen eintritt (Anm. 18). Dann sind beide Gesamtschuldner (§§421 ff. BGB). Die in §425 Abs. 2 BGB genannten Umstände •—• Kündigung, Verzug, Fristsetzung nach § 326 BGB (RG L Z 1924, 466), Verschulden, rechtskräftiges Urteil ( R G 72, 406) usw. — treffen nur den Gesamtschuldner, in dessen Person sie vorliegen. Die Verjährung richtet sich nach den Grundsätzen, die gelten würden, wenn der Vertrag mit der Gesellschaft abgeschlossen worden wäre (RG 75, 206); sie läuft aber für jeden Gesamtschuldner besonders (§ 425 Abs. 2 BGB). Anm. 25 Der Handelnde haftet nur, er kann seinerseits grundsätzlich nicht Erfüllung des Vertrages vom Dritten verlangen, auch nicht Leistung an die AG. Da er nicht im eigenen Namen gehandelt hat, ist er nicht Vertragspartei geworden. Abs. 1 Satz 2 statuiert nur seine Haftung, er wird also nur Schuldner und grundsätzlich nicht auch Gläubiger des Dritten (BayObLG J F G 2, 340 OLG Frankfurt M D R 1952, 363; Teichmann-Koehler Anm. 5 b; Kuhn WM, Sonderbeilage 5/1956 S. 12; a. M. K G J W 1937, 46; Scholz, § 1 1 Anm. 5; GmbHRdsch. 1956, 4). Dagegen wird man dem Handelnden, wenn er vor der endgültigen Entschließung der AG über die Vereinbarung einer Schuldübernahme oder über den Ausspruch einer Genehmigung in Anspruch genommen wird, gegenüber dem Dritten die Einrede des nicht erfüllten Vertrages wegen der noch ausstehenden Gegenleistung zubilligen müssen (insoweit gilt also das gleiche wie für den vollmachtlosen Vertreter; vgl. dazu R G 120, 129; ebenso Heim Z H R 108, 183; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7). Auch dürften keine Bedenken bestehen, dem Handelnden dann, wenn die AG nach ihrer Eintragung endgültig die Vereinbarung einer Schuldübernahme oder die Genehmigung des Vertrages abgelehnt hat, und wenn er darauf von dem Dritten in Anspruch genommen wird, den Anspruch zuzubilligen (Hachenburg-Schilling § 11 Anm. 13; Scholz GmbHRdsch. 1952, 109). Anm. 26 4. Fortfall der Haftung: Die persönliche Haftung des Handelnden soll dem Dritten das Risiko abnehmen, daß die AG überhaupt zur Entstehung gelangt, und das 14

Aktiengesetz, 2. Aufl.

209

§34

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 27, 28 Risiko, daß der Vertrag gegen die entstandene A G Wirksamkeit erlangt. Aus dieser Schutzfunktion der Vorschrift zugunsten des Dritten folgt, daß die Haftung des Handelnden nicht schon von vornherein entfällt, wenn der geschlossene Vertrag seinem Inhalt nach mit der Eintragung ohne weiteres Wirksamkeit erlangen wird. I n diesen Fällen besteht zunächst gleichwohl die persönliche Haftung des Handelnden; sie entfällt jedoch, wenn die A G zur Entstehung gelangt und damit der Vertrag ohne weiteres f ü r und gegen die A G wirksam wird (Ritter Anm. 4 b ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; Scholz § 1 1 Anm. 1 1 ; a. M . v. Godin-Wilhelmi Anm. 8 ; K u h n W M Sonderbeilage 5/1956 S. 1 1 ; Hachenburg-Schilling § 1 1 A n m . 1 2 ; die von letzteren f ü r ihre Auffassung in Anspruch genommene Entscheidung B G H N J W 1953, 2 1 9 = Lind.-Möhr. Nr. 2 zu § 1 1 G m b H G besagt zu dieser Frage nichts). Anders ist es dagegen in den Fällen, in denen die A G erst auf Grund einer rechtsgeschäftlichen Erklärung als Schuldner in den Vertrag eintritt. Hier tritt eine Freistellung des Handelnden von seiner Haftung ohne Zustimmung des Dritten nach Abs. 2 nur ein, wenn innerhalb von drei Monaten zwischen der A G und dem Handelnden eine Schuldübernahme vereinbart und diese Vereinbarung innerhalb dieser Frist dem Dritten mitgeteilt ist. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt — z. B. wenn die Frist verstrichen ist oder die A G den Vertrag nur genehmigt hat — , dann kann eine Freistellung des Handelnden nur eintreten, wenn der Dritte auf diese Haftung verzichtet ( R G 72, 406; 1 1 6 , 72; B G H Lind.-Möhr. Nr. 2, 6 zu § 1 1 G m b H G und die herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M . Scholz § 1 1 Anm. 1 1 , und G m b H R d s c h . 1956, 6, der einen Fortfall der Haftung auch ohne Verzicht annimmt, eine Auffassung, die angesichts der Regelung im Abs. 2 jedenfalls f ü r das Aktienrecht nicht vertretbar erscheint). Die Freistellung von der Haftung kann auch stillschweigend erfolgen; besonders strenge Anforderungen wird man in dieser Hinsicht vor allem bei Dauerschuldverhältnissen nicht zu stellen haben ( R G 122, 74; 159, 4 3 ; vgl. auch B G H 20, 286; nicht unbedenklich in der Formulierung B G H ( I V . ZivSen.) Lind.-Möhr. Nr. 6 zu § 1 1 G m b H G ) .

Anm. 27 V. Verbotene Schuldübernahme (Abs. 3). 1. Bedeutung des Verbots: Nach Abs. 3 können

Verpflichtungen aus Vereinbarungen über Sacheinlagen und Sachübernahmen nicht übernommen werden. Die Bedeutung dieser Vorschrift ist nicht recht verständlich (vgl. Ritter Anm. 6; v. Godin Z i v A 147, 26 ff.; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Wirksame Vereinbarungen über Sacheinlagen und Sachübernahmen können nicht gemeint sein; denn bei ihnen ist f ü r eine Schuldübernahme seitens der Gesellschaft (Abs. 2) ohnehin kein R a u m . Sie wirken mit der Eintragung ohne weiteres f ü r und gegen die Gesellschaft. Solche Vereinbarungen, die in der Satzung nicht oder nicht ordnungsgemäß festgesetzt und deshalb gegenüber der Gesellschaft unwirksam sind, können nach der Eintragung der Gesellschaft nicht von dieser bestätigt oder durchgeführt werden. Insoweit ist eine Heilung nur auf dem Wege des § 45 möglich. Das ergibt sich ohne weiteres aus den §§ 20, 45. Also bedurfte es auch in dieser Hinsicht keiner besonderen Regelung mehr (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 und Scholz J W 1938, 3 1 5 2 glauben in dieser Hinsicht gleichwohl einen Sinn erblicken zu können. Unrichtig ist es jedenfalls mit TeichmannKoehler Anm. 7 anzunehmen, daß § 20 Abs. 2 nur ein relatives Veräußerungsverbot sei und der A G erst durch § 34 Abs. 3 verwehrt sei, eine unwirksame Sacheinlage oder Sachübernahme zu Kräften zu bringen). Überdies kommt bei den Vereinbarungen über Sacheinlagen eine Schuldübernahme im Sinn des Abs. 2 ohnehin schon von vornherein nicht in Betracht, weil hier eine persönliche Haftung des Handelnden überhaupt nicht denkbar ist. Auch werden Vereinbarungen über Sacheinlagen nicht namens der Gesellschaft, sondern von den Gründern im eigenen Namen als Bestandteil des Gesellschaftsvertrages getroffen.

Anm. 28 2. Einschränkung des Verbots:

v. Godin ( Z i v A 147, 35fr.) hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Vorschrift des Abs. 3 zu überaus unerwünschten Folgerungen führt, wenn damit der entgeltliche Erwerb von Vermögensgegenständen vor der

210

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 34

Anm, 29

Eintragung der AG schlechthin ausgeschlossen ist, ein solcher Erwerb also in keinem Fall nach der Eintragung der Gesellschaft von dieser genehmigt werden kann (vgl. § 20 Anm. 12). Es könnte bei einem eingebrachten Unternehmen dann zwar im Gründungsstadium etwa die Produktion verkauft, aber wirtschaftlich dringend erforderliche Ankäufe, etwa der Ankauf von Rohstoffen für die laufende Produktion, nicht vorgenommen werden. Das müßte zu Weiterungen führen, die mit dem Schutzgedanken der §§20, 45, 34 Abs. 3 überhaupt nicht mehr im Einklang stehen und erhebliche Schäden für das eingebrachte Unternehmen der künftigen AG zur Folge haben. Andererseits ist nicht zu verkennen, wie v. Godin ebenfalls zutreffend hervorhebt, daß jede Einschränkung des Verbots Bedenken erwecken muß, wenn nicht die Gewähr besteht, daß eine solche Einschränkung nicht zu einer gefahrvollen Durchbrechung der wichtigen Schutzvorschriften der §§ 20, 45, 34 Abs. 3 führt, v. Godin glaubt, die notwendige Ausnahme auf die Fälle beschränken zu können, in denen die Übernahme von Vermögensgegenständen (also niemals die Vereinbarung von Sacheinlagen) zwischen dem Veräußerer und dem Vorstand (also nicht den Gründern) während des Gründungsstadiums vereinbart wird. Dieser Auffassung wird man in ihremGrundsatzzustimmen können. Aus § 45 Abs. 8 ergibt sich, daß das Gesetz aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen das Verbot von Sachübernahmen im Unterschied zu dem Verbot nicht festgesetzter Sacheinlagen oder eines nicht festgesetzten Gründungsaufwands nicht auf die Zeit nach der Entstehung der AG erstreckt, soweit der Erwerb von Vermögensgegenständen den Gegenstand des Unternehmens bildet. Diese Bestimmung muß nach ihrem Grundgedanken auch auf die Zeit des Gründungsstadiums angewendet werden, wenn ein Unternehmen während dieses Stadiums eingelegt oder eingebracht ist und wenn aus wirtschaftlichen Gründen eine Führung dieses Unternehmens durch den Vorstand schon im Gründungsstadium erforderlich ist. Das Gesetz, das bei der Regelung der Gründungsvorschriften von der Bargründung als dem typischen Fall ausgeht (Anm. 11), hat an die notwendige Einschränkung der Vorschriften der §§ 20, 45, 34 Abs. 3 für den Fall der Sachgründung während des Gründungsstadiums nicht gedacht, und es erscheint bei dieser Sachlage daher gerechtfertigt, die gesetzliche Regelung des § 45 Abs. 8 in diesem Fall auch auf das Gründungsstadium anzuwenden. Dagegen besteht für eine Übernahme auch des § 45 Abs. 1 insoweit keine Notwendigkeit. Daß sich danach die Zulässigkeit von Sachübernahmeverträgen nur auf solche bezieht, die vom Vorstand und nicht auch von den Gründern namens der künftigen AG abgeschlossen worden sind, ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 45 Abs. 8 ohne weiteres. Gegenüber der Auffassung v. Godins bedeutet die hier vertretene Ansicht nur eine noch etwas weitergehende Einschränkung, nämlich insofern, als bei einer entsprechenden Anwendung von § 45 Abs. 8 der Erwerb von Vermögensgegenständen im Gründungsstadium nur dann zulässig ist, wenn er den Gegenstand des Unternehmens bildet. In allen Fällen, in denen hiernach auch schon im Gründungsstadium vom Vorstand namens der AG Verträge über den Erwerb von Vermögensgegenständen gegen Geld abgeschlossen werden können, bestimmt sich die Wirksamkeit dieser Verträge gegenüber der AG nach den allgemeinen Grundsätzen.

Anm. 29 VI. Keine Übertragung von Anteilsrechten vor Eintragung der AG. Jede Übertragung von Anteilsrechten vor der Eintragung der AG ist unwirksam, und zwar nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber. Die insoweit früher bestehende Streitfrage ist durch den jetzigen Gesetzeswortlaut unzweideutig klargestellt. Abgesehen von dem Fall, daß beim Tod eines Gründers dessen Erben an seine Stelle treten (§22 Anm. 13), kann während des Gründungsstadiums ein neuer Gründer nur durch Neuvornahme der Satzungsfeststellung und des Vertragsschlusses eintreten. Auch die Abtretung eines Anteilsrechts unter der Bedingung, daß die Gesellschaft eingetragen werde, ist unwirksam (Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; Baumbach-Hueck Anm. 5; Kuhn WM Sonderbeilage 5/1956, S. 7). Die Gründe der Gegenmeinung (v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; Ritter Anm. 7 a) sind vom wirtschaftlichen Standpunkt aus an sich verständig, müssen jedoch u•

211

§ 34 Anm. 30

§35

I. Buch: Aktiengesellschaft

an den klaren Gesetzeswortlaut scheitern (angesichts einer fehlenden gesetzlichen Regelung bei der GmbH mögen sie dort durchgreifen; vgl. Hachenburg-Schilling § 15 Anm. 41). Demgemäß wird stets nur der Übernehmer oder Zeichner der Aktie, nicht der Abtretungsempfanger Aktionär, und es kann somit auch nur jener, nicht auch dieser von der AG die Herausgabe der Aktienurkunde verlangen (RG J W 1928, 621). Immer bedarf es in diesen Fällen nach der Eintragung der AG einer neuen Abtretung. Für diese ist allerdings, solange dem Aktionär eine Aktienurkunde noch nicht erteilt ist, eine Form nicht notwendig (§10 Anm. 2). Die Unwirksamkeit der Übertragung bedeutet aber nicht, daß auch das schuldr e c h t l i c h e G e s c h ä f t unwirksam sei, das die Übertragung zum Gegenstand hat (RG 123, 404; 154, 71). Ein solches Geschäft wird regelmäßig dahin auszulegen sein, daß es für den Fall der Eintragung der Gesellschaft geschlossen werde (§ 308 BGB). Der Übergang durch Erbschaft oder andere Gesamtrechtsnachfolge ist keine „Übertragung". Die Unübertragbarkeit des Anteilsrechts vor der Eintragung schließt auch die V e r p f ä n d u n g aus, auch die des „künftigen" Anteilsrechts (§ 1274 Abs. 2 BGB), und ebenso die Pfändung (§ 857 Abs. 3 ZPO). Nach der Eintragung der Gesellschaft kann das Anteilsrecht mit dem Anspruch auf Erteilung einer Aktienurkunde nach § 857 ZPO gepfändet werden. Auch dieser Anspruch ist vor der Eintragung nicht pfandbar (a. M. anscheinend Schlegelberger-Quassowski Anm. 10), weil er in dem Anteilsrecht enthalten und von ihm nicht lösbar ist. Anm. 30 VII. Keine Ausgabe von Aktienurkunden und Zwischenscheinen vor der Eintragung der AG. Vor der Eintragung der AG können auch Aktienurkunden oder Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. Die Folgen sind die gleichen wie bei der Ausgabe von Aktien über einen geringeren als den gesetzlich zulässigen Nennbetrag (§ 8 Abs. 3) und bei der Ausgabe von Zwischenscheinen auf den Inhaber (§10 Abs. 4). Die verbotswidrig ausgegebenen Aktienurkunden und Zwischenscheine sind nichtig, die Ausgeber haften als Gesamtschuldner den Besitzern für den Schaden und machen sich nach § 296 Nr. 4 strafbar. Es kann hierzu auf § 8 Anm. 5 bis 11 verwiesen werden. Mit der Eintragung der AG wird die Nichtigkeit der vorzeitig ausgegebenen Urkunden nicht, wie in R G 10, 72 angenommen worden ist, ohne weiteres geheilt. Statt der Einziehung und Neuausgabe genügt aber eine Erklärung der AG, daß die Urkunden als nach der Eintragung ausgegebene gelten sollen. Die Erklärung braucht nicht einmal ausdrücklich zu sein, namentlich genügt die Eintragung ins Aktienbuch (RG in J W 1896, 189 1 1 ; 1933, 1012 4 ; vgl. Schlegelberger-Quassowski Anm. 11). § 3 5 Errichtung einer Zweigniederlassung (1) Die Errichtung einer Zweigniederlassung hat der Vorstand beim Gericht des Sitzes der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung anzumelden; der Anmeldung ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Satzung beizufügen. Das Gericht des Sitzes hat die Anmeldung unverzüglich mit einer beglaubigten Abschrift seiner Eintragungen, soweit sie nicht ausschließlich die Verhältnisse anderer Zweigniederlassungen betreffen, an das Gericht der Zweigniederlassung weiterzugeben. (2) Die Vorstandsmitglieder haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht der Zweigniederlassung zu zeichnen; gleiches gilt für Prokuristen, soweit sie nicht ausschließlich für den Betrieb einer anderen Zweigniederlassung bestellt sind. (3) Das Gericht der Zweigniederlassung hat zu prüfen, ob die Zweigniederlassung errichtet und§ 30 des Handelsgesetzbuchs beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Zweigniederlassung einzutragen und dabei die ihm mit212

§ 35

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

Asm. 1,2

geteilten Tatsachen nicht zu prüfen, soweit sie i m Handelsregister des Sitzes eingetragen sind. Die Eintragung hat die Angaben nach § 32 und den Ort der Zweigniederlassung zu enthalten; ist der F i r m a f ü r die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser einzutragen. (4) In die Bekanntmachung der Eintragung sind a u ß e r deren Inhalt die sonstigen in d e n § 1 6 Abs. 3 , § § 17, 1 8 Satz 2 vorgesehenen Festsetzungen aufzunehmen. W i r d die Errichtung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister des Gerichts der Zweigniederlassung in den ersten zwei J a h r e n eingetragen, nachdem die Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes eingetragen w o r d e n ist, so sind in der Bekanntmachung der Eintragung alle Angaben nach§ 33 zu veröffentlichen; in diesem Fall hat das Gericht des Sitzes bei der Weitergabe der Anmeldung ein Stück der f ü r den Sitz der Gesellschaft ergangenen gerichtlichen Bekanntmachung beizufügen. (5) Die Eintragung der Zweigniederlassung ist von A m t s wegen a e m Gericht des Sitzes mitzuteilen und in dessen Register zu v e r m e r k e n ; ist d e r F i r m a f ü r die Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser zu v e r m e r k e n . Der V e r m e r k w i r d nicht veröffentlicht. (6) Die vorstehenden Vorschriften gelten sinngemäß f ü r die Aufhebung einer Zweigniederlassung.

Einleitung 1. Die Hauptniederlassung

. . .

2. Die Zweigniederlassung

Übersicht Anm. Anm. 3. Die Anmeldung der Zweigi niederlassung 9—11 2 4. Die Zeichnung der Unterschrift durch den Vorstand . . . . 12

a) Der Begriff der Zweigniederlassung

3

b) Die Rechtsnatur der Zweigniederlassung

4

c) Die Vertretung der Zweigniederlassung

5

d) Die Firma der Zweigniederlassung

6

e) Die Errichtung der Zweigniederlassung

7, 8

5. Die Prüfung und Eintragung durch das Gericht der Zweigniederlassung 13, 14 6. Die Bekanntmachung der Eintragung

15

7. Die Mitteilung der Eintragung an das Gericht der Hauptniederlassung

16

8. Die Aufhebung niederlassung

17

der

Zweig-

Anm. 1 Die Anforderungen, welche die Errichtung, das Bestehen und die Aufhebung von Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e n an die A G stellt, sind vom A k t G gegenüber dem bisherigen Recht ( § 2 0 1 H G B ) in den §§35 und 36 erheblich v e r e i n f a c h t worden. Nach der jetzigen Regelung hat es der Vorstand unmittelbar nur noch mit dem Gericht der Hauptniederlassung zu tun; dieses leitet die Anmeldung, soweit erforderlich, an die f ü r die einzelnen Zweigniederlassungen zuständigen Gerichte weiter, es führt somit eine Art von Zentralhandelsregister. Die Zahl der Veröffentlichungen ist zudem in § 36 wesentlich herabgesetzt worden. Nach dem Vorbild dieser Neuregelung hat das Gesetz vom 10. 8. 37 ( R G B l . I 897) auch den § 1 3 H G B umgestaltet und damit den Fortschritt verallgemeinert. Die §§ 35, 36 betreffen, wie der Zusammenhang ergibt, nicht ausländische Zweigniederlassungen, f ü r die kein deutsches Register besteht (a. M . Danielcik § 37 Anm. 7).

Anm. 2 1. D i e H a u p t n i e d e r l a s s u n g : Wo die A G ihren Sitz hat ( § 5 ) , hat sie auch ihre Hauptniederlassung ( § 5 Anm. 5 ) ; das Gesetz nennt die Hauptniederlassung „ d i e

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§35

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 3, 4 Niederlassung am Sitz der Gesellschaft". Mehrere Hauptniederlassungen kann die A G nicht haben, so wie sie auch nicht einen mehrfachen Sitz haben kann. Das war bis zum Zusammenbruch f ü r die A G wohl unbestritten, im Unterschied zum bürgerlichrechtlichen Vereinsrecht, wo schon immer von einem Teil des Schrifttums die Möglichkeit eines mehrfachen Sitzes f ü r eine juristische Person bejaht worden ist (vgl. etwa Staudinger-Coing § 24 Anm. 5 ; Enneccerus-Nipperdey § 108 Anm. 15). Nach dem Zusammenbruch ist aber auch vielfach die Möglichkeit eines mehrfachen Sitzes der A G angenommen worden. Allein diese Auffassung läßt sich f ü r das Aktienrecht nicht vertreten (vgl. Näheres § 5 Anm. 5 a ; a. M . K l u g Z i v A 1 5 1 , 67fr. m. w. N.). J e d e andere Niederlassung, die die A G räumlich getrennt von ihrer Hauptniederlassung, namentlich an einem anderen Ort hat, ist eine Zweigniederlassung ( B a y O b L G L Z 1 9 1 5 , 1 4 7 ; O L G Nürnberg J W 1927, 1708). I n der Wahl ihres Sitzes und damit ihrer Hauptniederlassung ist die A G nicht mehr so frei wie früher (§ 5 Anm. 1, 2).

Anm. 3 2. Die Zweigniederlassung. a) D e r B e g r i f f d e r Z w e i g n i e d e r l a s s u n g : Wesentlich f ü r eine Zweigniederlassung ist eine gewisse Selbständigkeit, die sich in einer räumlichen Trennung von der Hauptniederlassung und einer eigenen O r g a n i s a t i o n mit der Befugnis zu selbständigen Geschäftsabschlüssen zeigt, wobei sie auch mit einem besonderen Geschäftsvermögen ausgestattet ist und eine eigene Buchführung aufweist (vgl. dazu K G O L G E 14, 3 3 2 ; 45, 97). Bei der räumlichen Trennung ist es nicht erforderlich, wie früher angenommen wurde, daß sich die Zweigniederlassung an einem anderen Ort wie die Hauptniederlassung befinden muß ( K G J W 1929, 671). Bei der Befugnis zu selbständigen Geschäftsabschlüssen darf es sich nicht um die Befugnis zur Vornahme von bloßen Hilfsgeschäften f ü r die Geschäfte der Hauptniederlassung handeln, also z. B. nicht nur zur Vornahme von Vorbereitungs-, Vermittlungs- und Ausführungsgeschäften. I n einem solchen Fall würde es sich nicht um eine Zweigniederlassung, sondern etwa u m Fabrikations-, Auslieferungs- oderVersandstellen handeln. Die eigene Organisation der Zweigniederlassung muß derart sein, daß sie eine ä u ß e r l i c h s e l b s t ä n d i g e L e i t u n g besitzt und daß sie nach Art ihres Geschäftsbetriebes beim Fortfall der Hauptniederlassung als selbständige Handelsniederlassung fortbestehen könnte. O b sie stets auch mit einem eigenen Geschäftsvermögen ausgestattet sein und eine eigene Buchführung aufweisen muß, ist umstritten; in der Regel werden aber auch diese beiden Voraussetzungen vorliegen (vgl. Würdinger R G R K H G B § 1 3 Anm. 8). Da jede Zweigniederlassung ihren eigenen Geschäftsbereich hat, ist es auch nicht möglich, daß die eine ohne weiteres in den Geschäftsbereich der anderen eingreifen kann ( R G 108, 2 1 1 ) . Andererseits ist zu beachten, daß die Selbständigkeit der Zweigniederlassung gegenüber der Hauptniederlassung nicht eine vollständige sein darf. Das gilt zunächst in rechtlicher Hinsicht. Rechtlich verselbständigte Unternehmen sind niemals Zweigniederlassungen; die sog. Tochtergesellschaften einer A G mögen zwar wirtschaftlich einer Zweigniederlassung gleichstehen, rechtlich sind sie aber selbständige Rechtspersonen (Düringer-Hachenburg § 201 Anm. 2). Aber auch im übrigen darf die Selbständigkeit der Zweigniederlassung nicht eine unbeschränkte sein. Die „gewisse" Selbständigkeit der Zweigniederlassung umfaßt zugleich auch eine gewisse Abhängigkeit der Zweigniederlassung von der Hauptniederlassung ( R G D R 1 9 4 1 , 1549). Diese zeigt sich in einer W e i s u n g s b e f u g n i s d e r H a u p t n i e d e r l a s s u n g , wobei die Ausgestaltung im einzelnen meist Gegenstand besonderer organisatorischer Anordnungen sein wird. Aber auch beim Fehlen solcher Anordnungen kann nicht angenommen werden, daß die Leitung der Zweigniederlassung eine völlig freie und unabhängige Stellung hat (Düringer-Hachenburg § 201 Anm. 17).

Anm. 4 b) Die R e c h t s n a t u r d e r Z w e i g n i e d e r l a s s u n g : Die Zweigniederlassung st niemals ein eigenes Rechtssubjekt ( R G J W 1924, 97; K G J W 1924, 7 1 4 ; O G H 2, 1 4 6 ; B G H 4, 65), sie unterscheidet sich insoweit von den sog. Tochtergesellschaften. Sie ist stets nur ein Bestandteil des Unternehmens der A G . So wie die A G Träger der Hauptniederlassung ist, ist sie es in gleicher Weise bei der Zweigniederlassung. Die Zweig214

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§35

Anm. 5

niederlassung ist deshalb auch nicht selbständiger Träger des Geschäftsvermögens, mit dem sie ausgestattet ist ( R G 107, 46); vielmehr ist dieses Vermögen nur ein Bestandteil des der A G gehörenden Vermögens. Rechte, die die Zweigniederlassung erwirbt, sind Rechte der A G ( R G J W 1904, 297); die von einer Zweigniederlassung begründeten Verbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten der A G . Demgemäß sind Rechtsgeschäfte zwischen der Zweigniederlassung und der Hauptniederlassung oder zwischen mehreren Zweigniederlassungen nicht denkbar; es kann sich insoweit nur um einen Rechtsverkehr nicht rechtsgeschäftlicher Art handeln, der lediglich eine interne betriebswirtschaftliche Bedeutung f ü r das Unternehmen zukommt. Die Zuweisung von Vermögensgegenständen aus dem Geschäftsvermögen der Hauptniederlassung in das Geschäftsvermögen einer Zweigniederlassung oder umgekehrt ist ein rein tatsächlicher Vorgang ohne jeden rechtsgeschäftlichen Gehalt. Ferner ist eine K l a g e zwischen mehreren Niederlassungen einer A G nicht denkbar; Streitigkeiten zwischen Niederlassungen entscheiden die satzungsmäßigen Organe der A G , auch insoweit handelt es sich um einen innerbetrieblichen Vorgang. Diese Beurteilung erfahrt keine Einschränkung dadurch, daß die Zweigniederlassung im Rechtsverkehr unter einer eigenen Firma auftreten kann (Anm. 6). A u c h die Möglichkeit, daß die Zweigniederlassung einer A G — und zwar im Unterschied zu der Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns — im G r u n d b u c h unter ihrer Firma als Berechtigte eingetragen werden kann ( R G 62, 8 ; K G J W 1937, 1743), ändert nichts daran, daß immer nur die A G selbst Träger des eingetragenen Rechts ist. Die Umschreibung eines unter der Firma der Hauptniederlassung eingetra genen Rechts auf die Firma der Zweigniederlassung ist lediglich eine Berichtigung des Grundbuchs im Sinn des § 22 G B O ( K G J W 1937, 1743). Die Zweigniederlassung kann unter ihrer eigenen Firma klagen und verklagt werden ( B G H 4, 65); aber auch in diesem Fall ist immer nur die A G selbst die Partei des Rechtsstreits, nicht etwa die Zweigniederlassung. Parteivertreter sind demgemäß hier stets die Vorstandsmitglieder der A G , der Filialleiter kommt nur als Prozeßvertreter in Betracht (Anm. 5). Ist eine A G unter der Firma ihrer Zweigniederlassung verurteilt, so bedarf es zur Vollstreckung in das Vermögen der Hauptniederlassung nicht einer Umschreibung des Titels (DüringerHachenburg § 2 0 1 Anm. 15). Bei einer K l a g e gegen die A G begründet eine Zweigniederlassung einen besonderen Gerichtsstand ( § 2 1 Z P O ) . Voraussetzung ist insoweit, daß der geltend gemachte Anspruch auf den Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung Bezug hat; dazu bedarf es eines unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhangs ( R G L Z 1 9 1 7 , 926).

Anm. 5 c) Die V e r t r e t u n g d e r Z w e i g n i e d e r l a s s u n g : Die Zweigniederlassung kann keinen besonderen Vorstand haben. Der Vorstand der A G ist f ü r alle ihre Niederlassungen derselbe ( R G S t . 47, 4 1 ; K G J 53 A 97). Eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes in der Weise, daß er f ü r den Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung nicht handeln kann, ist nicht möglich. Daneben kommen b e s o n d e r e V e r t r e t e r f ü r den Bereich der Z w e i g n i e d e r l a s s u n g in Betracht, und zwar Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte. Die Prokura kann auf den Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung beschränkt werden, wenn die Zweigniederlassung unter einer besonderen Firma betrieben wird (§ 50 Abs. 3 H G B ) , wobei aber schon die Beifügung eines Filialzusatzes genügt. Ist dem sog. „Direktor einer Zweigniederlassung" nicht Prokura erteilt, so ist er als Handlungsbevollmächtigter anzusehen; er kann als solcher nicht in das Handelsregister eingetragen werden. F ü r den U m f a n g einer solchen Handlungsvollmacht gilt zunächst § 54 Abs. 1 H G B . Bei den „Filialdirektoren" wird aber häufig eine Erweiterung der Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 2 H G B in Betracht kommen; hierzu bedarf es keiner ausdrücklichen Ermächtigung, auch eine solche durch schlüssiges Verhalten ist ausreichend (Würdinger R G R K H G B § 54 Anm. 6 m. w. N.). Wenn nämlich, was meist der Fall sein wird, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Begründung von Darlehn und namentlich die Prozeßführung zum Betrieb der Zweigniederlassung erforderlich ist, dann umfaßt bei den Filialdirektoren ihre Handlungsvollmacht auch die Vornahme dieser Rechtshandlungen (Düringer-Hachenburg § 20 x

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§35

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 6—9 Anm. 8). Ist in der Satzung die Errichtung von Zweigniederlassungen vorgesehen, so ist der Leiter der Zweigniederlassung besonderer Vertreter im Sinn des § 30 B G B . Die A G haftet daher f ü r ihn nach § 31 B G B und nicht nur nach § 831 B G B ( R G 9 1 , 1 ; 1 1 7 , 6 4 ; J W 1930, 2927; H R R 1936 Nr. 864).

Anm. 6 d) Die F i r m a der Z w e i g n i e d e r l a s s u n g : Für die Firma der Zweigniederlassung

gilt zunächst die Vorschrift des § 30 H G B . Die Firma der Zweigniederlassung muß sich von allem am selben Ort oder in derselben Gemeinde bestehenden und im Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Notfalls ist das durch einen Zusatz zur Firma der Zweigniederlassung zu erreichen (§ 30 Abs. 3 H G B ) . Darüber hinaus muß die Firma der Zweigniederlassung erkennen lassen, daß es sich bei dem Geschäftsbetrieb um eine Filiale der A G handelt. I m übrigen ist es jedoch nicht erforderlich, daß die Firma der Zweigniederlassung mit der Firma der Hauptniederlassung identisch ist oder daß sie jedenfalls den K e r n der Firma der Hauptniederlassung enthält. Die früher gegenteilige Auffassung in der Rechtsprechung ( R G 1 1 3 , 2 1 5 m. w. N.) kann jetzt als überholt angesehen werden ( K G J F G 8, 146; O L G München H R R 1937 Nr. 460; vgl. auch § 4 Anm. 4 ; a. M . jetzt noch Teichmann-Koehler A n m . 1).

Anm. 7 e) D i e E r r i c h t u n g d e r Z w e i g n i e d e r l a s s u n g : Hierbei handelt es sich u m einen rein tatsächlichen Vorgang. E r gehört zur Verwaltungstätigkeit des Vorstands und erfordert keine Satzungsänderung (so jetzt auch Baumbach-Hueck Vorbem. 3 A ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7 ; a. M . Düringer-Hachenburg § 2 0 1 A n m . 1 1 ) . Das gleiche gilt hinsichtlich der Firmengebung und Firmenänderung f ü r die Zweigniederlassung (Dresden O L G E 2, 5 1 6 ) , aber doch wohl nur mit der Einschränkung, daß eine Satzungsbestimmung dann erforderlich ist, wenn die Firma der Zweigniederlassung im K e r n anders ist wie die Firma der A G (Anm. 6; Baumbach-Hueck A n m . 3). Eine Satzungsbestimmung, die die Errichtung von Zweigniederlassungen zuläßt, ist zwar f ü r die Errichtung einer Zweigniederlassung ohne Bedeutung — der Vorstand kann eine solche Niederlassung auch ohne eine derartige Bestimmung wirksam errichten — , sie ist aber gleichwohl rechtlich nicht ohne Belang. Denn nur wenn die Errichtung in der Satzung vorgesehen ist, ist ihre Leitung Vertreter im Sinn des § 30 B G B (Anm. 6).

Anm. 8 Die Prüfung und Eintragung durch das Gericht der Zweigniederlassung: Die Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister ist o h n e B e d e u t u n g f ü r

den rechtlichen B e s t a n d sowohl der A G als der Zweigniederlassung (RG L Z 1917,

926 1 4 ). Die A G entsteht mit ihrer Eintragung im Register ihres Sitzes (§ 34), die Zweigniederlassung entsteht mit dem Beginn ihres Geschäftsbetriebs. Ihre Eintragung entspricht einer Ordnungsvorschrift und ist im Geschäftsverkehr mit der Zweigniederlassung f ü r die Anwendung des § 1 5 Abs. 3 H G B von Bedeutung, kann aber durch Ordnungsstrafen erzwungen werden ( § 1 4 H G B ) , auch wenn die Zweigniederlassung im selben Gerichtsbezirk errichtet wird, wo sich der Sitz der A G befindet (vgl. B a y O b L G L Z 1 9 1 9 , 273). Die Eintragung ist erst zulässig, nachdem die A G selbst eingetragen ist.

Anm. 9 3. Die Anmeldung der Zweigniederlassung (Abs. 1): Der Vorstand hat die Errichtung einer Zweigniederlassung beim Gericht des Sitzes der A G anzumelden. Die Anmeldung kann nach § 14 H G B erzwungen werden; zuständig dafür ist das Gericht des Sitzes (§ 36 Anm. 8). Die Anmeldung ist also nicht mehr, wie bisher (Anm. 1 ) , an das Gericht zu richten, in dessen Bezirk die Zweigniederlassung betrieben wird. Es ist auch nicht mehr erforderlich, daß sämtliche Vorstandsmitglieder die Anmeldung unterzeichnen; es genügt die Anmeldung durch die Vertretungsberechtigten (§ 7 1 ) . Nur die zur Aufbewahrung bestimmten Unterschriften müssen von allen geleistet werden (Abs. 2 ; unten Anm. 12). Obwohl das Gesetz Anmeldung durch den „ V o r stand" anordnet, sind Prokuristen bei unechter Gesamtvertretung ( § 7 1 Abs. 3) nicht

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2. T e i l : Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 35

Anm. 10—12 ausgeschlossen ( K G B a n k A 36, 232; vgl. R G 134, 307 a. M . G r o s c h u f f J W 1937, 890); dagegen sind Prokuristen allein nicht zur Anmeldung befugt (herrsch. Ansicht; der Gegenansicht von Ritter Anm. 4 b läßt sich angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht begründen). Die Form der Anmeldung richtet sich nach § 12 H G B , § 128 F G G . Beizufügen ist eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Satzung in ihrer zur Zeit der Anmeldung gültigen Fassung ( K G J 26, 225).

Anm. 10 Ist die Zweigniederlassung i m s e l b e n G e r i c h t s b e z i r k errichtet, wo sich der Sitz der A G befindet, so hat das Gericht die Errichtung in seinem Register, jedoch auf besonderem Registerblatt und unter Anlegung besonderer Registerakten, einzutragen; das Gericht des Sitzes ist in diesem Fall zugleich Gericht der Zweigniederlassung (Abs. 1 Satz 1). Eine Pflicht zur Übersendung (Abs. 1 Satz 2) kommt nicht in Frage, wohl aber besteht die Pflicht der Bekanntmachung nach Abs. 4, unabhängig von der Bekanntmachung nach § 33. Auch im übrigen gelten die Vorschriften des § 35 entsprechend (Anm. u f f . ) .

Anm. 11 Ist die Zweigniederlassung im B e z i r k e i n e s a n d e r n G e r i c h t s errichtet, so prüft das Gericht des Sitzes die Anmeldung auf formelle Mängel, veranlaßt gegebenenfalls deren Behebung und übersendet die Anmeldung unverzüglich dem Gericht der Zweigniederlassung. Beizufügen ist die mit der Anmeldung eingereichte beglaubigte Abschrift der Satzung sowie eine beglaubigte Abschrift der Eintragungen im Hauptregister. Wegzulassen sind nur diejenigen Eintragungen, die ausschließlich die Verhältnisse anderer Zweigniederlassungen betreffen. Auch die Errichtung anderer Zweigniederlassungen wird unter den „Verhältnissen" zu verstehen sein, denn es ist f ü r das Gericht der Zweigniederlassung bedeutungslos, welche andern Zweigniederlassungen noch bestehen; ferner Änderung der Firma einer andern Zweigniederlassung, die auf eine andere Zweigniederlassung beschränkte Prokura (§ 50 Abs. 3 H G B ) u. dgl. Sinngemäß sind ferner diejenigen Eintragungen wegzulassen, die nur f ü r die Hauptniederlassung von Bedeutung und f ü r die Zweigniederlassung bedeutungslos sind, also eine auf die Hauptniederlassung beschränkte Prokura. Besteht die Möglichkeit, daß die Zweigniederlassung noch innerhalb der in Abs. 4 genannten zweijährigen Frist eingetragen wird, so ist bei der Weitersendung der Anmeldung auch ein Stück der nach § 33 ergangenen Bekanntmachung beizufügen (Abs. 4 a. E.).

Anm. 12 4. Die Zeichnung der Unterschrift durch den Vorstand (Abs. 2): Die Vor-

standsmitglieder, und zwar sämtliche, auch die stellvertretenden, haben ihre U n t e r s c h r i f t zur Aufbewahrung beim Gericht der Zweigniederlassung zu z e i c h n e n (vgl. § 29 Anm. 7). Das gleiche gilt f ü r Prokuristen, soweit sie nicht ausschließlich f ü r den Betrieb einer andern Zweigniederlassung — oder der Hauptniederlassung (vgl. Anm. 1 1 ) — bestellt sind. Prokuristen, die f ü r alle Niederlassungen oder doch f ü r die angemeldete Zweigniederlassung bestellt sind, haben also zu zeichnen. Bei welchem Gericht die Zeichnungen einzureichen sind, ob bei dem des Sitzes oder der Zweigniederlassung, sagt Abs. 2 nicht. Der Neuregelung — vgl. namentlich § 36 Abs. 5 — entspricht es aber, daß es beim Gericht des Sitzes geschieht und daß dieses die Unterschriften mit der Anmeldung und deren Anlagen (Anm. 1 1 ) dem Gericht der Zweigniederlassung übersendet, gegebenenfalls nachsendet. Das Gericht des Sitzes muß alle Unterschriften haben, die zu zeichnen sind, die der Vorstandsmitglieder nach § 29 Abs. 3, § 73 Abs. 3, die der Prokuristen, auch derjenigen, die nur f ü r den Betrieb einer Zweigniederlassung bestellt sind (§ 50 Abs. 3 H G B ) , nach § 53 Abs. 2 H G B . Die Unterschriften sind also, wenn Zweigniederlassungen bestehen, mehrmals zu zeichnen. Nach § 53 Abs. 2 H G B hat der Prokurist auch die Firma zu zeichnen; es ist anzunehmen, daß das auch nach § 35 Abs. 2 gelten soll ( G r o s c h u f f J W 1937, 2632; a. M . v. Godin-Wilhelmi Anm. 3).

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§35 Anm. 13—16

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 13 5. Die Prüfung und Eintragung durch das Gericht der Zweigniederlassung (Abs. 3 ) : Über die Frage, was das Gericht der Zweigniederlassung zu prüfen hat, bestand bisher Zweifel. Das Kammergericht hat geschwankt. Früher hatte es angenommen, es sei nur das zu prüfen, was die Zweigniederlassung angehe (OLGE 14, 332; K G J 31 A 175), später (OLGE 43, 292) legte es dem Gericht der Zweigniederlassung auch die Prüfungspflicht, mindestens das Prüfungsrecht für die Eintragung der Gesellschaft bei. Der Zweifel ist nunmehr durch eine ausdrückliche Vorschrift behoben. Das Gericht der Zweigniederlassung hat nur zweierlei zu prüfen: erstens, ob die Zweigniederlassung errichtet, und zweitens, ob bei der ihr erteilten Firma §30 HGB beachtet worden ist. Diese beiden Fragen hat nur das Gericht der Zweigniederlassung, nicht das Gericht des Sitzes zu prüfen. Andererseits hat das Gericht der Zweigniederlassung nicht die ihm vom Gericht des Sitzes mitgeteilten Eintragungen, also namentlich nicht die Entstehung der AG, zu prüfen (dazu Anm. 6). Das schließt aber nicht aus, daß jedes Gericht das andere auf Bedenken hinweist, die in die Prüfungspflicht des anderen fallen; nur hat jedes die Entscheidung lediglich innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenkreises. A n m . 14 Findet das Gericht der Zweigniederlassung bei der ihm obliegenden Prüfung (Anm. 13) nichts zu beanstanden, so hat es die Zweigniederlassung einzutragen. Der Inhalt der Eintragung hat ebenso zu lauten wie der, mit dem die A G im Hauptregister eingetragen steht (§ 32), unter Berücksichtigung der seit ihrer Entstehung eingetretenen, vom Gericht des Sitzes mitgeteilten Änderungen. Hinzuzufügen ist der Ort der Zweigniederlassung. Als Firma wird nicht die der A G eingetragen, sondern nur die der Zweigniederlassung in der für diese bestimmten Form (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 1 ) . Jede Zweigniederlassung erhält ein eigenes Registerblatt. Anm. 15 6. Die Bekanntmachung der Eintragung (Abs. 4 ) : Die Bekanntmachung (§§ 10, 11 HGB, vgl. § 33 Anm. 1) der Eintragung im Register des Gerichts der Zweigniederlassung ist im wesentlichen wie nach bisherigem Recht (§ 201 Abs. 4 HGB) v e r e i n f a c h t , wenn die Zweigniederlassung erst nach Ablauf von zwei Jahren eingetragen wird, nachdem die A G in das Register ihres Sitzes eingetragen worden war. In diesem Fall sind in die Bekanntmachung außer dem Inhalt der Eintragung selbst (Anm. 14) nur die sonstigen in den § 16 Abs. 3, § 17, § 18 Satz 2 vorgesehenen Festsetzungen aufzunehmen, also nicht die Festsetzungen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen, Sachübernahmen (§§ 19, 20) und nicht die in § 33 sonst noch genannten Angaben. Wird die Zweigniederlassung aber in den ersten zwei Jahren eingetragen, nachdem die A G in das Register ihres Sitzes eingetragen worden ist, so gilt die Beschränkung nicht. Denn bei einem jungen Unternehmen ist das Bedürfnis nach Offenlegung größer. In diesem Fall ist alles zu veröffentlichen, was § 33 vorschreibt, anch der Hinweis nach § 33 Abs. 2, der aber so zu fassen ist, daß sich erkennen läßt, die Schriftstücker könnten beim Gericht des Sitzes—nicht bei dem der Zweigniederlassung, das sie nicht erhält — eingesehen werden. Das Gericht des Sitzes hat in diesem Fall der Anmeldung ein Stück seiner eigenen Bekanntmachung beizufügen (Anm. 1 1 ) , woraus das Gericht der Zweigniederlassung das Erforderliche entnehmen kann. Anm. 16 7. Die Mitteilung der Eintragung an das Gericht der Hauptniederlassung (Abs. 5 ) : § 131 F G G bestimmte bereits, daß die Eintragung und Aufhebung einer Zweigniederlassung von Amts wegen dem Registergericht der Hauptniederlassung mitzuteilen und in dessen Register zu v e r m e r k e n sei. Das AktG hat das übernommen und hinzugefügt, daß ein der Zweigfirma beigefügter Zusatz — d. h. überhaupt jede Abweichung der Zweigfirma von der Hauptfirma — ebenfalls zu vermerken ist und daß der (ganze) Vermerk nicht veröffentlicht wird. Diese Hinzufügungen entsprechen der bisherigen Praxis (vgl. Schlegelberger1 § 131 F G G Anm. 5). Der Vermerk dient dem

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 22 A n m . 17 §36 Gericht des Sitzes als Unterlage für die nach § 36 zu treffenden Maßnahmen, hat aber sonst keine rechtliche Bedeutung. Nachdem das in Anm. 1 genannte Gesetz vom 10. 8. 37 die gleiche Vorschrift in § 13 (Abs. 4, 5) HGB eingefügt hat, ist § 131 FGG durch § 38 der 1. DVO zum AktG vom 29. 9. 37 (RGBl. I 1026) aufgehoben worden. Anm. 17 8. Die Aufhebung der Zweigniederlassung (Abs.6): Für die Aufhebung einer Zweigniederlassung gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 5 sinngemäß. Der Aufhebung steht es gleich, wenn die Stelle die Selbständigkeit verliert, die sie zur Zweigniederlassung gemacht hatte (Anm. 3). Der Vorstand ist verpflichtet, die Aufhebung behufs Löschung anzumelden (KG „Recht" 1915 Nr. 2335). Zuständig für die Erzwingung der Anmeldung nach § 14 HGB ist wiederum das Gericht des Sitzes (§36 Anm. 8), an das die Anmeldung zu richten ist (§36 Anm. 8). Bleibt das Zwangsverfahren erfolglos, so hat das Gericht der Zweigniederlassung das Amtslöschungsverfahren nach § 31 Abs. 2 Satz 2 HGB, § 141 FGG einzuleiten (vgl. Waldmann DJ 1940, 362). Das Gericht des Sitzes prüft nur, ob die Anmeldung formell in Ordnung ist, veranlaßt gegebenenfalls die Beseitigung formeller Mängel und gibt dann die Anmeldung an das Gericht der Zweigniederlassung weiter. Das Gericht der Zweigniederlassung hat lediglich zu prüfen, ob sie aufgehoben ist. Trifft das zu, so hat es die Aufhebung in sein Register einzutragen, die Eintragung nach §10 HGB bekanntzumachen und dem Gericht des Sitzes mitzuteilen. Dieses vermerkt die Eintragung der Aufhebung in seinem Register. Der Vermerk wird nicht veröffentlicht. Das Gericht der Zweigniederlassung rötet auf deren Registerblatt alle Eintragungen, das Gericht des Sitzes rötet den Vermerk über die Errichtung der Zweigniederlassung und die übrigen nur sie betreffenden Eintragungen. Befindet sich die Zweigniederlassung im Gerichtsbezirk des Sitzes (Anm. 10), so wird auf dem Registerblatt der Zweigniederlassung die Aufhebung eingetragen und, daß dies geschehen, auf dem Registerblatt der Hauptniederlassung vermerkt. Für die Bekanntmachung und Rötung gilt das Entsprechende. § 3 6 Behandlung bestehender

Zweigniederlassungen

(1) Ist eine Zweigniederlassung in das Handelsregister eingetragen, so sind alle Anmeldungen, die die Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder eine eingetragene Zweigniederlassung betreffen, beim Gericht des Sitzes zu bewirken; es sind so viel Stücke einzureichen, wie Niederlassungen bestehen. (2) Das Gericht des Sitzes hat in der Bekanntmachung seiner Eintragung im Deutschen Reichsanzeiger, anzugeben, daß die gleiche Eintragung für die Zweigniederlassungen bei den namentlich zu bezeichnenden Gerichten der Zweigniederlassungen erfolgen w i r d ; ist der Firma f ü r eine Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser anzugeben. (3) Das Gericht des Sitzes hat sodann seine Eintragung unter Angabe der Nummer des Deutschen Reichsanzeigers, in der sie bekanntgemacht ist, von Amts wegen den Gerichten der Zweigniederlassungen mitzuteilen; der Mitteilung ist ein Stück der Anmeldung beizufügen. Die Gerichte der Zweigniederlassungen haben die Eintragung ohne Nachprüfung in ihr Handelsregister zu übernehmen. In der Bekanntmachung der Eintragung im Register der Zweigniederlassung ist anzugeben, daß die Eintragung im Handelsregister des Gerichts des Sitzes erfolgt und in welcher Nummer des Deutschen Reichsanzeigers sie bekanntgemacht ist. Im Deutschen Reichsanzeiger wird die Eintragung im Handelsregister der Zweigniederlassung nicht bekanntgemacht. (4) Betrifft die Eintragung ausschließlich die Verhältnisse einzelner Zweigniederlassungen, so teilt sie das Gericht des Sitzes nur den Gerichten der Zweigniederlassungen mit, deren Verhältnisse sie betrifft. Die Eintragung 219

§36 Anm. 1—4

I. Buch: Aktiengesellschaft

i m Register des Sitzes wird in diesem Kall nur i m Deutschen Reichsan^eiger bekanntgemacht. (5) Abs. 1,3 und 4 gelten sinngemäß für die Einreichung vonSchriftstücken und die Zeichnung von Unterschriften. Anm. 1 ( A b s . 1 . ) M e h r noch als bei der Errichtung und A u f h e b u n g einer Zweigniederlassung zeigt sich die Vereinfachung (§ 35 A n m . 1) bei den l a u f e n d e n E i n t r a g u n g e n . A l l e A n m e l d u n g e n , sie mögen die Hauptniederlassung, eine eingetragene Zweigniederlassung oder mehrere betreffen, sind an das G e r i c h t d e s S i t z e s zu richten, dem zunächst die Behandlung obliegt. U m dem Gericht des Sitzes die erforderlichen Mitteilungen an die Gerichte der Zweigniederlassungen zu ermöglichen, ist die Anmeldung in der entsprechenden Zahl von Stücken einzureichen. Grundsätzlich sind so viel Stücke einzureichen, wie Niederlassungen bestehen. Betrifft jedoch die Eintragung nur die Verhältnisse einzelner Zweigniederlassungen (Abs. 4), so genügt die Einreichung eines Stücks für das Hauptregister und so vieler Stücke für die Zweigregister, als Zweigniederlassungen von der Eintragung betroffen werden (Anm. 4). Für die Form der Anmeldung gelten § 12 H G B und § 128 F G G . Was an Anlagen beizufügen ist, richtet sich nach dem einzutragenden V o r g a n g (Anm. 5).

Anm. 2 ( A b s . 2 . ) Das G e r i c h t d e s S i t z e s prüft die Anmeldung nach ihrer Form und g e m ä ß der ihm nach dem Gegenstand obliegenden sachlichen Prüfungspflicht, trägt, falls nichts z u beanstanden ist, die angemeldeten Tatsachen in sein Register ein und macht die Eintragung nach § 10 H G B im Deutschen Reichsanzeiger (jetzt Bundesanzeiger § 18 A n m . 2) und in dem daneben bestimmten Blatt oder in den daneben bestimmten Blättern bekannt. In der Bekanntmachung im Bundesanzeiger — nicht in den andern Blättern — gibt es dabei an, daß die gleiche Eintragung f ü r die Zweigniederlassungen bei deren Gerichten erfolgen werde; diese Gerichte sind namentlich zu bezeichnen. Ist der Firma f ü r eine Zweigniederlassung ein Zusatz beigefügt •— d. h. unterscheidet sie sich überhaupt irgendwie von der Hauptfirma ( § 4 A n m . 4, § 35 A n m . 13) — so ist die Firma der Zweigniederlassung anzugeben.

Anm. 3 ( A b s . 3 . ) Sodann teilt das Gericht des Sitzes den G e r i c h t e n d e r Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e n seine Eintragung von Amts wegen, also ohne Antrag, mit. Dabei gibt es die Nummer des Bundesanzeigers bekannt und f ü g t ein Stück der Anmeldung bei, von der es j a nach Abs. 1 die erforderliche Z a h l besitzen muß. Die Gerichte der Zweigniederlassungen haben die Eintragung ebensowenig wie bei der Errichtung ( § 3 5 A n m . 13) nachzuprüfen, sondern haben sie ohne weiteres in ihre Register zu übernehmen. Ihre Eintragung haben sie, abweichend von § 10 H G B , nicht wieder im Bundesanzeiger bekanntzumachen, sondern nur in dem daneben bestimmten Blatt oder in den daneben bestimmten Blättern. In der Bekanntmachung ist anzugeben, d a ß die Eintragung im Register des Gerichts des Sitzes erfolgt ist, auch ist die Nummer des Bundesanzeigers anzugeben, in der jene Eintragung bekanntgemacht worden ist.

Anm. 4 ( A b s . 4 . ) Noch einfacher gestaltet sich das Verfahren, wenn die Eintragung ausschließlich die V e r h ä l t n i s s e e i n z e l n e r Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e n betrifft, z. B. Änderung der Firma einer Zweigniederlassung, Bestellung eines Prokuristen f ü r den Betrieb einer Zweigniederlassung (§50 Abs. 3 H G B ) . In diesem Fall wird die Eintragung zwar auch — wie immer — zunächst im Register des Gerichts der Hauptniederlassung vorgenommen. Die Anmeldung ist also wie immer (Abs. 1) dorthin zu richten. A b e r das Gericht des Sitzes macht seine Eintragung nur im Bundesanzeiger bekannt, nicht auch in dem daneben bestimmten Blatt oder in den daneben bestimmten Blättern (§ 10 H G B ) , und es teilt seine Eintragung nur den Gerichten der Zweigniederlassungen mit, deren Verhältnisse sie betrifft. Daraus folgt:

220

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 36 A n m . 5—7

1. Von Anmeldungen sind nur so viel Stücke einzureichen, als Eintragungen vorzunehmen sind (Abs. i ; Anm. i). 2. In der Bekanntmachung des Gerichts des Sitzes sind nur diejenigen Gerichte zu bezeichnen, bei denen die Eintragungen erfolgen werden (Abs. 2). Die Zweigniederlassungen, denen die Eintragung mitgeteilt wird, haben nach Abs. 3 zu verfahren, haben also die Eintragung ohne Nachprüfung in ihr Register zu übernehmen. Eine Nachprüfung steht ihnen auch nicht nach der Richtung zu, ob die Eintragung gerade die Zweigniederlassung betrifft, die in ihrem Register eingetragen ist. Bedenken können sie selbstverständlich geltend machen (§35 Anm. 13), aber die Entscheidung steht dem Gericht des Sitzes zu, das damit eine gegen das bisherige Recht gesteigerte Verantwortung trägt. Das Gericht der Zweigniederlassung hat seine Eintragung wie nach Abs. 3 bekanntzumachen, also nicht im Bundesanzeiger. Es hat in seiner Bekanntmachung anzugeben, daß die Eintragung im Register des Sitzes erfolgt ist; auch hat es die Nummer des Bundesanzeigers anzugeben, in der jene Eintragung bekanntgemacht worden ist. Betrifft die Eintragung nur die Niederlassung am Sitz, so geschieht die Bekanntmachung sinngemäß im Bundesanzeiger und in den anderen Blättern; den übrigen Gerichten wird nichts mitgeteilt. Anm. 5 (Abs. 5.) Die Vorschriften der Absätze 1, 3 und 4 gelten sinngemäß für die E i n r e i c h u n g v o n S c h r i f t s t ü c k e n u n d die Z e i c h n u n g v o n U n t e r s c h r i f t e n , mag es sich um Beilagen zu Anmeldungen handeln oder nicht. Alles dieses ist beim Gericht des Sitzes einzureichen, und zwar in so viel Stücken, als Niederlassungen bestehen (Abs. 1), wenn es aber nur für einzelne Zweigniederlassungen in Betracht kommt (Abs. 4), in entsprechend weniger Stücken. Das Gericht der Hauptniederlassung behält für sich ein Stück und gibt die andern an die in Betracht kommenden Gerichte weiter. Nicht immer sind jedoch die der Anmeldung beizufügenden Schriftstücke auch für Zweigniederlassungen bestimmt. Nach § 73 Abs. 2 und § 207 Abs. 2 sind die daselbst genannten Urkunden nur „für das Gericht des Sitzes", also in einem Stück, beizufügen. Ebenso wird der Bericht der Sonderprüfer (§121 Abs. 3) und die Bekanntmachung des Jahresabschlusses (§143 Abs. 2) nur dem Gericht des Sitzes eingereicht. An anderen Stellen des Gesetzes ist das zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber aus dem Sinn zu entnehmen, weil die Urkunden nur dem Gericht des Sitzes ermöglichen sollen, die Ordnungsmäßigkeit einer Anmeldung zu prüfen, so in den Fällen des § 155 Abs. 3, § 162 Abs. 2, § 168 Abs. 2 (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Über die Zeichnung von Unterschriften vgl. § 35 Anm. 12. Anm. 6 Soweit die Eintragung rechtsbegründend wirkt, k o m m t es nur auf die Eintragung i m Hauptregister an. Das gilt wie für die Entstehung der AG (§ 34, § 35 Anm. 8), so auch für den Nachgründungsvertrag (§45 Abs. 5), für Satzungsänderungen (§ 148 Abs. 3), für die Durchführung der Kapitalerhöhung (§§ 156, 170), für die Kapitalherabsetzung (§ 177, § 182 Abs. 2, § 193), für den Fortsetzungsbeschluß (§215 Abs. 4), für die Nichtigkeit (§ 218 Abs. 1), für die Verschmelzung (§ 240 Abs. 4) und die Umwandlung (§§ 259, 262, 265, 274, 279, 281, 285). Auch die Frist nach § 196 Abs. 2 beginnt mit der Eintragung ins Hauptregister (vgl. zu alledem Schlegelberger-Quassowski Anm. 4). Ist aber eine Satzungsänderung ins Hauptregister eingetragen worden, z. B. eine Änderung der Vertretungsbefugnis des Vorstandes (§ 73), und handelt es sich überhaupt darum, inwieweit jemand nach § 15 HGB das Handelsregister gegen sich gelten lassen muß, so ist für den Geschäftsverkehr mit einer eingetragenen Zweigniederlassung das Register des Gerichts der Zweigniederlassung und die Veröffentlichung daraus entscheidend, nicht das Hauptregister (§15 Abs. 3 HGB; § 35 Anm. 8). Anm. 7 Befindet sich eine Zweigniederlassung i m B e z i r k des G e r i c h t s des S i t z e s (§ 35 Anm. 10, 17), so daß dieses zugleich Registergericht für die Zweigniederlassung ist, so sind die Vorschriften des § 36 diesem Umstand entsprechend anzuwenden. Die Zahl der 221

§ 36 A n m . 8

§37

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anmeldungen sowie der einzureichenden Schriftstücke und Zeichnungen (Abs. i und 5) bleibt davon unberührt, weil für die Zweigniederlassung besondere Registerakten geführt werden. Die Bekanntmachung im Bundesanzeiger (Abs. 2) lautet dahin, daß die gleiche Eintragung im Register der Zweigniederlassung erfolgt sei (SchlegelbergerQuassowski Anm. 19). Die Mitteilung nach Abs. 3 ergeht zu den Registerakten der Zweigniederlassung. Im Fall des Abs. 4 gilt alles das nur, wenn die Eintragung auch die Zweigniederlassung betrifft, die sich im Bezirk des Gerichts des Sitzes befindet. Anm. 8 Die §§ 35, 36 regeln nur das Verfahren auf Anmeldung, sind aber sinngemäß auch anzuwenden, soweit Eintragungen oder Löschungen v o n A m t s w e g e n vorzunehmen sind. Alles das hat grundsätzlich vom Gericht des Sitzes auszugehen. Ist jedoch eine Zweigniederlassung, die in Wirklichkeit nicht besteht, dennoch eingetragen worden, so hat der örtliche Registerrichter nach § 35 Abs. 3 AktG, § 142 F G G die Eintragung von Amts wegen zu löschen und die Löschung dem Gericht des Sitzes mitzuteilen, das sie in seinem Register vermerkt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 15). Dieses ist auch zuständig, Z w a n g s m a ß n a h m e n nach § 14 HGB anzuwenden, soweit Anmeldungen erzwungen werden können (§ 303), oder soweit eine bestimmte Stückzahl von Anmeldungen (§ 303 Abs. 2 Satz 2) oder andere Schriftstücke einzureichen oder Unterschriften zu zeichnen sind. Das gilt auch für den Zwang, die Errichtung oder Aufhebung einer Zweigniederlassung anzumelden (§35 Anm. 9, 17), obwohl das Gericht der Zweigniederlassung, nachdem ihm das Gericht des Sitzes die Anmeldung hat zugehen lassen, die Fragen, ob die Zweigniederlassung errichtet oder aufgehoben ist, zuständigkeitsgemäß entscheidend zu prüfen hat (§35 Anm. 13, 17). Über das Anitslöschungsverfahren in dem Fall, daß die Löschung einer aufgehobenen Zweigniederlassung nicht hat erzwungen werden können, s. § 35 Anm. 17. Nachteilige Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Gerichten sind kaum zu besorgen, da das Gericht des Sitzes, bevor es ein Ordnungsstrafverfahren einleitet, um die Anmeldung der Errichtung oder Aufhebung einer Zweigniederlassung zu erzwingen, sich mit dem örtlichen Registergericht in Verbindung setzen wird; meistens wird sogar von diesem die Anregung zur Einleitung eines Zwangsverfahrens in solchen Fällen ausgehen. In den Fällen des § 36 kann ein ähnlicher Konflikt überhaupt nicht in Betracht kommen, da nach Abs. 3 die Gerichte der Zweigniederlassungen die Eintragung ohne Nachprüfung zu übernehmen haben. Im übrigen setzt das Gesetz das Bestreben der Gerichte nach Zusammenarbeit als selbstverständlich voraus. Auch für das F i r m e n m i ß b r a u c h s v e r f a h r e n (§ 37 Abs. 1 HGB) ist grundsätzlich das Gericht des Sitzes zuständig, das örtliche Gericht jedoch dann, wenn die Firma der Zweigniederlassung — gleichviel, ob die Zweigniederlassung schon in seinem Register eingetragen ist oder nicht — dem § 30 HGB nicht entspricht (Schlegelberger-Quassowski Anm. 16). § 3 7 Zweigniederlassungen von G e s e l l s c h a f t e n

mitausländischemSitz

(1) Befindet sich der Sitz der G e s e l l s c h a f t i m A u s l a n d , s o i s t die Gesells c h a f t zur Eintragung in das Handelsregister eines Gerichts, i n d e s s e n Bezirk sie eine Zweigniederlassung besitzt, durch s ä m t l i c h e V o r s t a n d s m i t g l i e d e r a n z u m e l d e n . Der A n m e l d u n g i s t die Satzung in öffentlich b e g l a u b i g t e r Abs c h r i f t beizufügen. § 29 A b s . 1 und 2 sind nicht anwendbar. (2) Bei der A n m e l d u n g i s t das B e s t e h e n der Aktiengesellschaft als solcher u n d , w e n n der Gegenstand des U n t e r n e h m e n s oder die Zulassung z u m Gewerbebetrieb i m Inland der staatlichen G e n e h m i g u n g bedarf, auch d i e s e n a c h z u w e i s e n . S o w e i t nicht das ausländische Recht eine A b w e i c h u n g erforderlich m a c h t , sind in die A n m e l d u n g die in d e n § 16 A b s . 3, § § 1 7 , 1 8 Satz 2 v o r g e s e h e n e n F e s t s e t z u n g e n und, w e n n die A n m e l d u n g in den e r s t e n z w e i J a h r e n nach der Eintragung der G e s e l l s c h a f t in das H a n d e l s r e g i s t e r ihres 222

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 37 Anm. 1

S i t z e s e r f o l g t , a u c h die w e i t e r e n A n g a b e n n a c h § 33 A b s . 1 a u f z u n e h m e n . D e r A n m e l d u n g i s t d i e f ü r den S i t z d e r G e s e l l s c h a f t e r g a n g e n e g e r i c h t l i c h e B e kanntmachung beizufügen. (3) Die E i n t r a g u n g h a t die A n g a b e n n a c h § 32 u n d d e n O r t d e r Zweign i e d e r l a s s u n g zu e n t h a l t e n ; i s t d e r F i r m a f ü r die Z w e i g n i e d e r l a s s u n g ein Zusatz beigefügt, so ist auch dieser einzutragen. (4) In die B e k a n n t m a c h u n g d e r E i n t r a g u n g s i n d a u ß e r d e r e n l n h a l t a u c h die i m § 33 A b s . 1 v o r g e s e h e n e n F e s t s e t z u n g e n a u f z u n e h m e n , s o w e i t s i e n a c h d e n v o r s t e h e n d e n V o r s c h r i f t e n in d i e A n m e l d u n g a u f z u n e h m e n s i n d . (5) I m ü b r i g e n gelten f ü r d i e A n m e l d u n g e n , Zeichnungen u n d E i n t r a g u n g e n , s o w e i t nicht d a s a u s l ä n d i s c h e R e c h t A b w e i c h u n g e n n ö t i g m a c h t , sinng e m ä ß die V o r s c h r i f t e n f ü r N i e d e r l a s s u n g e n a m S i t z d e r G e s e l l s c h a f t . Übersicht Anm.

Anm.

1. Die Aktiengesellschaft mit ausländischem Sitz 2. Die inländische Zweigniederlassung 3. Die Verpflichtung zur Eintragung der Zweigniederlassung . 4. Die anmeldepflichtigen Personen

1, 2 3 4 5

5. 6. 7. 8.

Der Inhalt der Anmeldung . 6—8 Der Inhalt der Eintragung . . 9 Der Inhalt der Bekanntmachung 1o Die entsprechende Anwendung der Vorschriften für eine inländische A G 11,12 9. Die Buchführungspflicht . . . 13

Anm. 1 1. D i e A k t i e n g e s e l l s c h a f t m i t a u s l ä n d i s c h e m S i t z : In § 37 wird von Aktiengesellschaften mit ausländischem Sitz gehandelt. Ebenso wie § 201 Abs. 5 H G B vermeidet es hier das AktG, von „ausländischen" A G zu sprechen, nach SchlegelbergerQuassowski (Anm. 1) darum, weil das Gesetz in den Theorienstreit über die Staatsangehörigkeit der Gesellschaften nicht habe eingreifen wollen und auch nicht habe einzugreifen brauchen. Das hat das Gesetz nun aber doch nicht durchgeführt, denn in § 292 spricht es von „ausländischen" A G und K G a A . Aus § 37 wird entnommen werden müssen, daß das Gesetz den Sitz als Kennzeichen der Nationalität einer A G ansehen will, sich also zur S i t z t h e o r i e bekennt. Das ist die in Deutschland durchaus herrschende Auffassung ( K G L Z 1929, 786; O L G Nürnberg N J W 1952, 109; Quassowski bei Gruch. 65, 406; M. Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands 3. Aufl. 1954 S. 114fr.; Schilling, Recht d. intern. Wirtsch. 1954, 37ff). Abgelehnt wird damit die sog. K o n t r o l l t h e o r i e , welche die Nationalität einer A G nach derjenigen der Mehrheit ihrer Mitglieder oder ihrer sie beherrschenden Organe bestimmen will. In diesem Sinne sprachen Art. 74 Abs. 1 und Art. 297 b Abs. 1 des Versailler Vertrages von den von Deutschland oder deutschen Reichsangehörigen „abhängigen" Gesellschaften. Die Kontrolltheorie ist mehrmals von gemischten Schiedsgerichten angewandt worden (JW 1921, 1645 1 ; 1922, 1157"; 1923, 548 1 ; 1929, 80 1 ), aber auch nicht durchgehends ( J W 1922, 1159 1 ); sie hat immerhin für das deutsche Devisenrecht und mit gewissen Abwandlungen auch für das deutsche Steuerrecht Bedeutung (Schilling a. a. O.). Der für die N a t i o n a l i t ä t m a ß g e b e n d e S i t z muß der s a t z u n g s m ä ß i g e sein. Soweit dieser aber nach § 5 in Deutschland zu bestimmen gewesen wäre, wird eine A G sich nicht mit Erfolg darauf berufen können, daß sie ihren Sitz im Ausland und nach dortigem Recht Anerkennung als A G gefunden habe. Hat sie ihren Betrieb, ihre Geschäftsleitung und Verwaltung nur in Deutschland, so wird der willkürlich im Ausland begründete Sitz als Scheinsitz zu betrachten und der A G die Anerkennung nach deutschem Recht zu versagen sein, weil sie nicht in ein deutsches Register eingetragen ist, sondern die deutschen Gründungsvorschriften umgangen hat. Ist aber der ausländische Sitz nach den Grundsätzen des § 5 zu rechtfertigen, also jedenfalls nach sachlichen 223

§37 A n m . 2—4

I. Buch: Aktiengesellschaft

Gesichtspunkten, nicht willkürlich gewählt worden, und wird die A G nach dem Rechte ihres Sitzes anerkannt, so besteht sie auch nach deutschem Recht, es müßte denn sein, daß ihre Anerkennung gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstieße (Art. 30 EG z. BGB), oder daß ihr nach einem Vergeltungsrecht (Art. 31 EG z. BGB) die Anerkennung in Deutschland zu versagen wäre (RG 83, 369; K G JW 1926, 1351 1 ). Nicht etwa bedarf es für eine A G mit ausländischem Sitz, deren Rechtsfähigkeit nach dortigem Recht anerkannt ist, einer förmlichen Anerkennung der Rechtsfähigkeit für das Inland nach Art. 1 o EG z. BGB. Denn diese Bestimmung betrifft lediglich Vereine, die nur nach den §§ 21, 22 BGB die Rechtsfähigkeit erlangen könnten; für Aktiengesellschaften ist aber die Erlangung der Rechtsfähigkeit durch besondere reichsgesetzliche Vorschriften geregelt (§ 22 BGB; R G 83, 367). Ist eine ausländische A G nach dem Rechte des Staates, dem sie angehört, in ihrer Rechtspersönlichkeit völlig vernichtet worden, besteht sie auch nicht mehr als Abwicklungsgesellschaft fort, so können nicht ehemalige Aktionäre in Form einer in Deutschland nicht eingetragenen Abwicklungsgesellschaft Rechte der ehemaligen A G in Deutschland verfolgen (RG 129, 98). Über die Zulassung zum Gewerbebetrieb s. Anm. 6. Anm. 2 Die Rechtsverhältnisse einer AG m i t ausländischem Sitz bestimmen sich im allgemeinen nach dem Recht des Staates, dem der Sitz angehört (RG 73, 367; DJZ 1910, 966; O L G Frankfurt Bauer 15, 152). Das gilt namentlich auch für den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft. Steht aber nach dem ausländischen Recht fest, daß Inhaberaktien wie bewegliche Sachen zu behandeln sind, so gilt für den Erwerb des Eigentums an ihnen die lex rei sitae (RG SeufFA 88, 194). Um eine A G mit ausländischem Sitz als A G anzuerkennen, ist völlige Übereinstimmung mit den deutschen Vorschriften nicht erforderlich. Es genügt, daß sie die wesentlichen Merkmale einer A G nach deutschen Begriffen aufweist, wobei aber die Festsetzung eines bestimmten Grundkapitals in der Satzung nicht einmal unerläßliche Voraussetzung ist (nennwertlose Aktien im amerikanischen Recht! Vgl. § 1 Anm. 6). Unwesentlich ist, ob die Anteile frei übertragbar sind, ob Aktienurkunden ausgestellt werden, ob die Gesellschaft einen Aufsichtsrat hat usw. Der deutschen A G entspricht in England die Company limited by shares (RG 35, 39; R G BadRpr. 80, 76; Bauer 22, 2), in Frankreich die société anonyme, in Schweden actiebolaget, in Holland die maatschappy. Über amerikanische Gesellschaften vgl. R G 68, 83. Eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands nach außen verstößt nicht gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes und hindert nicht die Eintragung einer Zweigniederlassung (KG LZ 1929, 7861). Ebenso steht der Eintragung nicht die Eigentümlichkeit des englischen Rechts entgegen, das der Company limited by shares zwar Rechtspersönlichkeit beilegt, aber die Handlungsfähigkeit für Geschäfte abspricht, die über den Gegenstand des Unternehmens — ultra vires — hinausgehen. Die Rechtsgeschäfte, die sie vornehmen kann, werden in dem Gründungsmemorandum sorgfältig aufgezählt; Hilfsgeschäfte sind ohne besondere Anführung zugelassen (vgl. Bender, Deutsches und englisches Aktienrecht 1937 S. 44f.). Anm. 3 2. Die inländische Zweigniederlassung: Von den Rechtsverhältnissen ausländischer Aktiengesellschaften regelt das AktG nur die Errichtung inländischer Zweigniederlassungen in § 37 und die Zulassung zum inländischen Gewerbebetrieb in § 292. Was eine Zweigniederlassung ist, bestimmt sich nach inländischem Recht (§ 35 Anm. 3; vgl. KGJ 35 A 355). Sie ist kein selbständiges Rechtssubjekt, so wenig wie die Zweigniederlassung einer inländischen AG. Daher gilt die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen A G als Ausländerin und hat, wenn sie klagt, nach den §§ n o f f . ZPO Sicherheit zu leisten (RG 38, 406 oben; vgl. Hamburg O L G E 15, 172). Anm. 4 3. Die Verpflichtung zur Eintragung der Zweigniederlassung: Eine AG, die ihren Sitz im Ausland, aber im Inland eine Zweigniederlassung hat, ist nach § 37 verpflichtet, eine Eintragung im Handelsregister herbeizuführen. Unterbleibt die An224

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 37 A n m , 5, 6

meidung, so wird dadurch nicht die Zulässigkeit des Betriebes der Zweigniederlassung und auch nicht die Zulässigkeit ihrer Firmenführung berührt ( K G H R R 1934 Nr. 1046). Einzutragen ist, da für die Gesellschaft kein Hauptregister im Inland geführt wird, die Gesellschaft als solche in das Register des Gerichts, in dessen Bezirk sie eine Zweigniederlassung besitzt. Besitzt sie Zweigniederlassungen in mehreren Gerichtsbezirken, so ist sie zum Register eines jeden dieser Gerichte anzumelden und daselbst einzutragen. Die Anmeldung kann durch Ordnungsstrafen (§14 HGB) nur dann erzwungen werden, wenn sich anmeldepflichtige Vertreter der A G im Inland aufhalten; gegen Bevollmächtigte der anmeldepflichtigen Personen kann das Ordnungsstrafverfahren nicht gerichtet werden (BayObLG R J A 9, 39). Die Ansicht von Schlegelberger-Quassowski (Anm. 2), daß sich das Gericht mit dem Ordnungsstrafverfahren an die im Inland befindlichen Leiter der Zweigniederlassung halten könne, erscheint daher in dieser Allgemeinheit bedenklich. Das Gesetz hätte ja die Leiter der Zweigniederlassung für anmeldepflichtig erklären können, hat es aber nicht getan (Anm. 5). Die Eintragung liegt jedoch schon wegen der Vorschriften des § 15 HGB im eigenen Interesse der ausländischen Gesellschaften. Auch steht nichts im Wege, bei der Zulassung zum Gewerbebetrieb, soweit dieser einer Genehmigung bedarf (§ 292), die Genehmigung unter der Bedingung zu erteilen, daß eine im Inland errichtete Zweigniederlassung ordnungsmäßig angemeldet und eingetragen werde. Anm. 5 4. Die anmeldepflichtigen P e r s o n e n : Anmeldepflichtig sind, anders als nach den §§ 35, 36, s ä m t l i c h e Mitglieder des Vorstands. Die Anmeldung ist in deutscher Sprache abzufassen. Beizufügen ist die Satzung oder das, was ihr nach dem Recht des Heimatstaates entspricht, und zwar in öffentlich beglaubigter Abschrift. Für englische A G werden außer dem „memorandum of association", das nur die Grundzüge enthält, auch die „articles of association", die den Ausbau der Gesellschaft näher regeln, beizufügen sein (vgl. Bender, Deutsches und englisches Aktienrecht 1937 S. isff.). Das Gericht kann von dieser Anlage sowie von allen sonst noch zu beschaffenden ausländischen Unterlagen beglaubigte Ubersetzungen verlangen. Die beiden ersten Absätze des § 29 sind nur auf inländische Gesellschaften zugeschnitten und werden daher ausdrücklich für unanwendbar erklärt. Daraus ergibt sich zugleich, daß der dritte und vierte Absatz des § 29 anzuwenden sind: die Vorstandsmitglieder haben ihre Namensunterschriften zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen (§ 29 Anm. 7), und die eingereichten Schriftstücke werden beim Gericht in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift aufbewahrt (§29 Anm. 8). Anm. 6 5. Der Inhalt der A n m e l d u n g ( A b s . 2 ) : Bei der Anmeldung ist das Bestehen der A G als solcher nach den in Anm. 1 und 2 entwickelten Grundsätzen nachzuweisen, nicht aber die Ordnungsmäßigkeit des Gründungshergangs. Diesen hat der inländische Richter nicht nachzuprüfen ( K G J 13 A 50). Wird die A G in ihrem Heimatstaat eingetragen, so wird in der Regel der beglaubigte Nachweis der Eintragung genügen, andernfalls werden Konsulatsbescheinigungen od. dgl. beizubringen sein. Nach dem letzten Satz des Abs. 2 ist auch die für den Sitz der Gesellschaft ergangene gerichtliche Bekanntmachung beizufügen, aber selbstverständlich nur dann, wenn eine solche ergangen oder nach dem Recht des Heimatstaates erforderlich ist. Bedarf der Gegenstand des Unternehmens (§29 Anm. 4 Nr. 5) oder die Zulassung zum Gewerbebetrieb im Inland (§ 292) der staatlichen Genehmigung, so ist auch diese nachzuweisen. Ferner bedarf es zur Errichtung der Zweigniederlassung einer Devisengenehmigung (Mitteilung der Bank deutscher Länder Nr. 6021/51 vom 6. 4. 51, abgedruckt bei Langen Komm. DevG 3. Aufl. 1954 Gesetz Nr. 53 Art. X Anm. 44); das Vorliegen der Devisengenehmigung hat der Registerrichter vor Eintragung zu prüfen (Bamberg BB 1951, 653). Nach Art. 16 und 17 EinfG bedürfen ausländische A G oder K G a A , die am 1. 10. 37 einen Gewerbebetrieb im Inland zulässigerweise bereits ausübten, keiner Genehmigung nach § 292. Für ausländische Versicherungsunternehmungen gelten die §§ 105fr. VersAufsG. 15

Aktiengesetz, 2. Aufl.

225

§37

Anm. 7—11

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7 I n d i e A n m e l d u n g ist ferner mehreres a u f z u n e h m e n , was bei inländischen A G nach § 33 bekanntgemacht wird. Das A k t G nimmt hierbei aber auf das ausländische Recht Rücksicht, indem es Abweichungen zuläßt, die jenes Recht erforderlich macht. Mit dieser Beschränkung sind die in den § 16 Abs. 3, §§ 17, 18 Satz 2 vorgesehenen Festsetzungen in die Anmeldung aufzunehmen, wenn aber die Anmeldung in den ersten zwei J a h r e n nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ihres Sitzes erfolgt, sämtliche Angaben nach § 33 Abs. 1 (nicht Abs. 2). Wird die Gesellschaft nach dem Recht ihres Heimatsstaates nicht in ein Handels- oder dem ähnliches Register eingetragen, besteht sie aber dennoch, so wird die zweijährige Frist von ihrer Entstehung zu rechnen sein. I m übrigen kann das Gericht eine tunliche Anpassung an die deutschen Vorschriften verlangen, denn auf das ausländische Recht wird nur insoweit Rücksicht genommen, als dieses eine Abweichung „erforderlich" macht. Wenn daher die A G nach dem Recht ihres Heimatstaats die Form ihrer Bekanntmachungen in der Satzung ( § 1 6 Abs. 3 Nr. 6) nicht bestimmen muß, wohl aber bestimmen kann, so wird das deutsche Gericht eine solche Bestimmung zu verlangen haben ( K G J 26 A 65).

Anm. 8 I m e i n z e l n e n ist hierzu noch folgendes zu bemerken: § 16 Abs. 3 Nr. 1. Es genügt, daß die F i r m a dem ausländischen Recht entspricht. Daß sie dem § 4 oder dem Art. 22 E G z. H G B genüge, kann nicht gefordert werden, namentlich nicht, daß sie die Bezeichnung „Aktiengesellschaft" oder eine entsprechende enthalte, wenn das ausländische Recht einen solchen Zusatz nicht verlangt. Dagegen sind täuschende Zusätze nach § 18 Abs. 2 H G B , Art. 30 E G z. B G B nicht zuzulassen ( K G J 42 A 160). § 16 Nr. 2. Der G e g e n s t a n d des Unternehmens muß nach deutschem Recht erlaubt sein (Art. 30 E G z. B G B ) . § 16 Nr. 3. Das G r u n d k a p i t a l kann in ausländischer Währung angegeben werden. Nur das gezeichnete, nicht auch das autorisierte (genehmigte) Grundkapital ist anzugeben. Wo kein festes Grundkapital besteht (Anm. 2), ist das anzugeben. § 16 Nr. 4. Haben die Aktien keinen N e n n w e r t (§ 1 Anm. 6), so ist das anzugeben. § 18. Sind G e s e l l s c h a f t s b l ä t t e r f ü r Bekanntmachungen bestimmt, so müssen diese f ü r die inländische Zweigniederlassung auch im Deutschen Reichsanzeiger (jetzt Bundesanzeiger § 18 Anm. 2), und zwar hier in deutscher Sprache veröffentlicht werden. § 33 Abs. 1 Nr. 3. Ist dem ausländischen Recht der Begriff der „ G r ü n d e r " unbekannt, so sind die Personen anzugeben, die die ersten Aktien übernommen haben. § 33 Abs. 1 Nr. 4. Ist nach ausländischem R e c h t kein A u f s i c h t s r a t vorhanden, so ist das anzugeben. Das Gericht kann verlangen, daß ihm die Abweichungen des ausländischen Rechts vom inländischen nachgewiesen werden.

Anm. 9 6. Der Inhalt der Eintragung (Abs. 3): Die Vorschrift entspricht dem § 35 Abs. 5 Satz 3. Vgl. § 35 Anm. 14.

Anm. 10 7. Der Inhalt der Bekanntmachung (Abs. 4): Die Bekanntmachung geschieht wie nach § 35 Abs. 4 mit dem Unterschied, daß die Bekanntmachung nach § 33 Abs. 2 in jedem Fall wegfallt. Vgl. § 35 Anm. 1 5 .

Anm. 11 8. Die entsprechende Anwendung der Vorschriften für Zweignieder-

l a s s u n g e n e i n e r i n l ä n d i s c h e n A G : I m übrigen erklärt das Gesetz, soweit nicht das

226

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 37 A n m , 1 2 , 1 3

§38

ausländische Recht Abweichungen nötig macht, für A n m e l d u n g e n , Z e i c h n u n g e n u n d E i n t r a g u n g e n die Vorschriften sinngemäß für anwendbar, die für Niederlassungen am Sitz der Gesellschaft gelten. Die ausländische A G hat also für ihre Zweigniederlassung grundsätzlich die Vorschriften zu erfüllen, die eine deutsche A G gegenüber dem Registergericht ihres Sitzes zu erfüllen haben würde; jede Zweigniederlassung wird in dieser Hinsicht so behandelt wie eine inländische Hauptniederlassung ( K G D R 1940, 2007). Bestehen mehrere Zweigniederlassungen, so vervielfältigen sich danach die Anmeldungen usw. Keiner Anmeldung, Zeichnung oder Eintragung bedarf es, wenn solche zwar nach dem ausländischen Recht erforderlich wäre, nicht aber nach deutschem Recht erforderlich ist. Dagegen bedarf es zur Eintragung in das Register der Zweigniederlassung nicht einer vorherigen Eintragung in das ausländische Register, wenn diese — etwa bei einer Satzungsänderung — nach ausländischem Recht nicht notwendig ist ( K G D R 1940, 2007). Aus Abs. 5 ergibt sich, daß sämtliche Vorstandsmitglieder ihre Unterschriften zu zeichnen haben (oben Anm. 5); der Prokurist hat die Firma nebst seiner Namensunterschrift zu zeichnen (§ 53 Abs. 2 HGB). Die Löschungen haben entsprechend zu geschehen. § 15 H G B gilt in vollem Umfang (oben Anm. 4). A n m . 12 Das Gesetz spricht nur von Anmeldungen, Zeichnungen und Eintragungen, nicht auch von der Einreichung von Schriftstücken. Daß auch dafür die deutschen Vorschriften „sinngemäß" gelten sollen — so Schlegelberger-Quassowski (Anm. 6, 8) —, ist nicht zuzugeben. Die ausländische A G ist daher nicht genötigt, eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Niederschriften über ihre Hauptversammlungen zum Handelsregister ihrer deutschen Zweigniederlassung einzureichen, wenn daselbst nichts einzutragen ist ( § 1 1 1 Abs. 5). Zur Einreichung ihrer Jahresabschlüsse beim deutschen Registergericht (§143 Abs. 1) ist sie ebensowenig verpflichtet. Macht sie aber satzungsmäßig ihre Jahresabschlüsse in den Gesellschaftsblättern bekannt (vgl. § 143 Abs. 2), so hat das, da der Bundesanzeiger zu den Gesellschaftsblättern gehört (oben Anm. 8), auch darin zu geschehen. Falls das ausländische Recht derartige Pflichten „nicht kennt", so würde das, wenn man die deutschen Vorschriften auch hierin sinngemäß anzuwenden hätte, zur Befreiung davon noch nicht genügen, wie SchlegelbergerQuassowski (Anm. 8) meinen; das ausländische Recht muß Abweichungen „nötig machen". Zuzugeben ist aber, daß der ausländischen A G bei der Erteilung der Genehmigung oder bei der Zulassung gewisse Pflichten auferlegt werden können. A n m . 13 9. Die Buchführungspflicht: Die Buchführungspflicht mit ihren zivil- und strafrechtlichen Folgen trifft auch eine ausländische A G in ihren inländischen Zweigniederlassungen ( R G bei Bauer 22, 2). § 3 8 Sitzverlegung (1) Wird der Sitz der Gesellschaft i m Inland verlegt, so ist die Verlegung beim Gericht des bisherigen Sitzes anzumelden. Dieses hat unverzüglich von A m t s wegen die Sitzverlegung dem Gericht des neuen Sitzes mitzuteilen. Der Mitteilung sind die Eintragungen für den bisherigen Sitz sowie die bei d e m bisher zuständigen Gericht aufbewahrten Urkunden beizufügen. (2) Das Gericht des neuen Sitzes hat zu prüfen, ob die Sitzverlegung ordnungsmäßig beschlossen und § 30 des Handelsgesetzbuchs beachtet ist. Ist dies der Fall, so hat es die Sitzverlegung einzutragen und hierbei die ihm m i t geteilten Eintragungen ohne weitere Nachprüfung in sein Handelsregister zu übernehmen. Mit der Eintragung wird die Sitzverlegung w i r k s a m . Die Eintragung ist dem Gericht des bisherigen Sitzes mitzuteilen. Dieses hat die erforderlichen Löschungen von A m t s wegen vorzunehmen. 15»

227

§ 38

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1—3 (3) Wird in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister des ursprünglichen Sitzes die Sitzverlegung eingetragen, so sind alle Angaben nach § 33 Abs. 1 in der Bekanntmachung der Eintragung zu veröffentlichen.

Einleitung 1. Die Anmeldung der Sitzverlegung (Abs. 1)

Übersicht Anm. 1,2 5. Die gleichzeitige Anmeldung der Sitzverlegung und anderer T a t ^ Sachen

Anm. 7

6. Die Sitzverlegung an den Ort einer Zweigniederlassung . . .

8

7. Die Sitzverlegung ins Ausland .

9

2. Die Eintragung der Sitzverlegung (Abs. 2)

4

3. Die Bekanntmachung der Sitzverlegung (Abs. 3)

5

4. Die Prüfungsbefugnis des R e gisterrichters nach durchgeführter Sitzverlegung

8. Die Sitzyerlegung aus dem Ausland, den abgetrennten Gebieten und aus der Sowjetzone . . . 10, 1 1

6

9. Die Sitzverlegung Zweigniederlassung

Anm. 1

bei

einer 12

Die f ü r Zweigniederlassungen in den §§ 35, 36 getroffene Regelung wird im § 38 f ü r die Sitzverlegung verwertet. Die V o r s c h r i f t i s t n e u . Bisher bestand bei der Sitzverlegung eine gewisse Schwierigkeit. Die Verlegung wurde mit der Eintragung in das Handelsregister des alten Sitzes wirksam. Damit' hörte die Tätigkeit des bisherigen Registergerichts auf. Die Gesellschaft mußte zum Register des neuen Sitzes angemeldet werden (§§ 6 Abs. 1, 29 H G B ) . Bis zur Eintragung im dortigen Register war die Gesellschaft also nirgends eingetragen. Wenn das auch nicht ihren rechtlichen Bestand berührte, der auf der ersten Eintragung beruhte, so war dieser Zwischenzustand doch unerwünscht. Auch fehlte es an Vorschriften über die Anmeldung beim neuen Gericht, so daß sich daran mancherlei Streitfragen knüpften. Demgegenüber schreibt § 38 ein klares und einfaches Verfahren vor. Dessen Grundzüge sind: 1. Die Sitzverlegung wird beim bisherigen Gericht angemeldet. 2. Dieses teilt sie dem Gericht des neuen Sitzes mit. 3. Mit der Eintragung im Register des neuen Sitzes wird die Sitzverlegung wirksam.

Anm. 2 Der Sitz einer A G kann nur durch S a t z u n g s ä n d e r u n g verlegt werden (§ 145), nicht in anderer Form. Denn der Sitz gehört nach § 16 Abs. 3 zu den wesentlichen Bestandteilen der Satzung. Eine Satzungsbestimmung, die etwa den Aufsichtsrat oder den Vorstand zur Sitzverlegung ermächtigen würde, wäre nichtig.

Anm. 3 1. Die A n m e l d u n g d e r Sitzverlegung ( A b s . 1 ) : Die Verlegung des Sitzes im I n l a n d — ü b e r Verlegung ins Ausland und vom Ausland s. §5 Anm. 6, 6 a, unten Anm. 9 ff. — ist beim Gericht des bisherigen Sitzes anzumelden, um ihre Wirksamkeit herbeizuführen; ein Zwang zur Anmeldung besteht nicht (§ 303 Abs. 2). Die Streitfrage des bisherigen Rechts, ob die Anmeldung durch sämtliche Mitglieder des Vorstands geschehen müsse, ist erledigt; es genügt die Anmeldung durch die Vertretungsberechtigten (§ 7 1 ) ; bei unechter Gesamtvertretung sind Prokuristen nicht ausgeschlossen ( § 3 5 Anm. 9). Die Niederschrift über die Hauptversammlung, in der die Sitzverlegung beschlossen worden ist, ist in öffentlich beglaubigter Abschrift ( § 1 1 1 Abs. 5) beizufügen, wenn sie nicht schon vorher eingereicht worden ist. Das Gericht des bisherigen Sitzes prüft nichts, sondern leitet unverzüglich die Anmeldung an das Gericht des neuen Sitzes weiter. Es fügt der Mitteilung die Eintragungen f ü r den bisherigen Sitz bei, also einen beglaubigten Auszug aus seinem Handelsregister, und außerdem die bei ihm aufbewahrten Urkunden in der Gestalt, wie sie sich bei ihm befinden, also mit einem Wort die Registerakten. Z u den Urkunden gehören auch die eingereichten

228

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 38 A n m , 4—7

Zeichnungen von Unterschriften; diese brauchen daher beim neuen Gericht nicht wiederholt zu werden. Anm. 4 2. Die Eintragung der Sitzverlegung (Abs. 2 ) : Wie nach § 35 Abs. 3 ist die P r ü f u n g s p f l i c h t des neuen Gerichts beschränkt. Es hat außer der Anmeldung nur zu prüfen, ob die Sitzverlegung — formell und sachlich (§5) — ordnungsmäßig beschlossen worden ist und ob die Firma der AG sich von allen im selben Ort oder in derselben Gemeinde bestehenden, in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet (§30 HGB). Nötigenfalls muß nochmals eine Satzungsänderung beschlossen werden. Ist nichts zu beanstanden, so hat das Gericht die Sitzverlegung einzutragen und die ihm mitgeteilten Eintragungen zu übernehmen, und zwar „ohne weitere Nachprüfung". Damit ist gemeint, daß es bei der Eintragung der Sitzverlegung die ihm mitgeteilten Eintragungen nicht zu prüfen hat; später kann es noch geschehen (Anm. 6). Mit der Eintragung im Register des neuen Sitzes wird die Sitzverlegung wirksam; ein Zwischenzustand, während dessen die Gesellschaft nirgends eingetragen wäre (Anm. 1), kann daher nicht mehr entstehen. Die geschehene Eintragung der Sitzverlegung wird dem Gericht des bisherigen Sitzes mitgeteilt. Dieses vermerkt nach § 20 H R V die Sitzverlegung in seinem Register, rötet die Eintragungen und verweist auf das neue Registerblatt, in dem auf das alte verwiesen wird. Anm. 5 3. Die Bekanntmachung der Sitzverlegung (Abs. 3 ) : Die B e k a n n t m a c h u n gen der beiden beteiligten Gerichte bestimmen sich nach § 10 HGB. Das Gericht des neuen Sitzes macht die Eintragungen bekannt, die es in sein Register übernommen hat, sowie die Sitzverlegung; das Gericht des bisherigen Sitzes macht die Sitzverlegung und die Löschung der AG bekannt. Wird aber die Sitzverlegung in den ersten beiden Jahren eingetragen, nachdem die Gesellschaft in das Register ihres ursprünglichen Sitzes eingetragen worden war, so besteht wie bei der Errichtung von Zweigniederlassungen so junger Unternehmen (§ 35 Abs. 4 Satz 2, § 37 Abs. 2 Satz 2) ein Bedürfnis für eine umfassendere Veröffentlichung. In diesem Falle sind vom Gericht des neuen Sitzes alle Angaben nach § 33 Abs. 1 zu veröffentlichen, nicht auch der Hinweis nach § 33 Abs. 2. Anm. 6 4. Die Prüfungsbefugnis des Registerrichters nach durchgeführter Sitzverlegung : Wenn nach Abs. 2 das Gericht des neuen Sitzes die ihm vom Gericht des bisherigen mitgeteilten Eintragungen „ohne weitere Nachprüfung" zu übernehmen hat, so kann das nicht heißen, daß es sie auch nach der Ü b e r n a h m e nicht mehr nachzuprüfen hätte. Das Nachprüfungsrecht des Registerrichters nach § 144 FGG wird vom AktG nicht berührt, wie sich aus § 195 Nr. 5 und aus § 216 Abs. 3 ergibt. Der Registerrichter des neuen Sitzes ist aber der einzige, der zu solcher Nachprüfung noch imstande ist; denn der des alten Sitzes hat seine Eintragungen gelöscht und seine Akten abgegeben. Die Sitzverlegung soll selbstverständlich diese Nachprüfung nicht vereiteln (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; vgl. auch K G J 44 A 152). Anm. 7 5. Die gleichzeitige Anmeldung der Sitzverlegung und anderer Tatsachen: Werden zugleich mit der Sitzverlegung noch andere T a t s a c h e n zur Eintragung angemeldet, so wird, wenn nicht das Gericht des bisherigen Sitzes noch diese Tatsachen einträgt, das Gericht des neuen Sitzes für zuständig zu erachten sein, zugleich mit der Sitzverlegung diese Tatsachen einzutragen und die Bekanntmachung entsprechend zu fassen. Das gilt trotz des Wortlauts des § 148 Abs. 3 auch von Satzungsänderungen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6). 229

§38

Anm. 8—11

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 8 6. Die Sitzverlegung a n den O r t einer Z w e i g n i e d e r l a s s u n g : Wird der Sitz an den Ort einer Z w e i g n i e d e r l a s s u n g verlegt und diese zur Hauptniederlassung, so ist die damit verbundene Aufhebung der Zweigniederlassung nach § 35 Abs. 6 zu behandeln; die Bekanntmachungen sind zu verbinden und entsprechend zu fassen. Wird die bisherige Hauptniederlassung durch die Sitzverlegung zur Zweigniederlassung, so ist diese als solche anzumelden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7).

Anm. 9 7. Die Sitzverlegung ins A u s l a n d : Eine Sitzverlegung ins A u s l a n d hat die Bedeutung eines Auflösungsbeschlusses ( § 5 Anm. 6). Die dabei auftauchenden Fragen sind im A k t G nicht geregelt, wie sie auch im H G B nicht geregelt waren. Jedenfalls sind § 203 Abs. 1 Nr. 2 und § 204 zu beobachten. Auch eine Abwicklung wird stattzufinden haben, jedoch dadurch begrenzt, daß das Vermögen nicht verteilt, sondern die A G im Ausland fortgesetzt werden soll. Vgl. § 203 Anm. 82.

Anm. 10 8. Die Sitzverlegung aus dem Ausland, den abgetrennten Gebieten und aus

d e r Sowjetzone. Eine Sitzverlegung aus dem Ausland in das Inland ist grundsätzlich nicht möglich. Insoweit muß eine Neugründung vorgenommen werden, die ihrerseits in jeder Hinsicht den deutschen Vorschriften über die Errichtung einer A G unterworfen ist (Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; Teichmann-Koehler § 1 Anm. 7 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. a. E . ; grundsätzlich gegenteiliger Ansicht Süß Festschrift f ü r Hans Lewald 1954 S. 603fr.). Von diesem Grundsatz hat das Reichsgericht nach dem 1. Weltkrieg eine Ausnahme f ü r den Fall zugelassen, daß eine in den a b g e t r e n n t e n Gebieten D e u t s c h l a n d s domizilierte A G nach Deutschland verlegt wurde ( R G 107, 97; K G J W 1926, 1 3 5 1 ) . Diese Ausnahme hat nach dem 2. Weltkrieg f ü r Sitzverlegungen aus den Gebieten ostwärts der Oder-Neiße, dem Sudetenland, Elsaß-Lothringen usw. erneut praktische Bedeutung gewonnen, und zwar mit der Maßgabe, daß die Anmeldung und Eintragung beim Gericht des neuen Sitzes ohne weiteres zuzulassen ist, da eine Mitwirkung des Registergerichts an dem bisherigen Sitz der A G nicht mehr möglich ist ( O L G Hamburg M D R 1947, 1 2 6 ; O L G Gera H E Z 1, 60; O L G Nürnberg N J W 1952, 109; v. Godin-Wilhelmi Anm. a. E . ; Würdinger R G R K H G B Allg. Einl. Anm. 80). Diese Auffassung hat nunmehr auch gesetzliche Anerkennung gefunden ( § 1 4 des Zuständigkeitsergänzungsgesetzes vom 7. 8. 52 — B G B l . I S. 407), allerdings mit der Einschränkung, daß dies nicht f ü r Sitzverlegungen aus Österreich gilt. M a n muß angesichts dieser gesetzlichen Regelung davon ausgehen, daß jedenfalls vom Zeitpunkt des Erlasses dieses Gesetzes eine Sitzverlegung aus Österreich nicht mehr möglich ist, hier demgemäß bei Verlegungen nur noch die Möglichkeit einer Neugründung gegeben ist.

Anm. 11 Anders ist an sich die Rechtslage bei Sitzverlegungen aus dem Gebiet der Sowjetzone. Hier handelt es sich nicht um Ausland, und es wäre daher eine unmittelbare Anwendung des § 38 möglich. Infolge der politischen Verhältnisse in der Sowjetzone ist es jedoch dazu gekommen, daß die gebotene Mitwirkung des Registergerichts am bisherigen Sitz der Hauptniederlassung in der Sowjetzone bei Sitzverlegungen in das Gebiet der Bundesrepublik versagt wird und daher das Verfahren nach § 38 nicht eingehalten werden kann. Deshalb wird es auch in diesen Fällen aus rein praktischen Gründen als ausreichend angesehen, wenn die Sitzverlegung beim Gericht des neuen Sitzes angemeldet und eingetragen wird ( L G Göttingen NdsRpfl. 1948, 3 9 ; O L G Düsseldorf N J W 1950, 470; L G München N J W 1953, 465). Die gelegentlich aufgestellte Voraussetzung f ü r ein solches Verfahren, daß nämlich zunächst der Beschwerdeweg wegen der versagten Mitwirkung seitens des sowjetzonalen Registergerichts ausgeschöpft sein müsse (so O L G Celle M D R 1948, 360) oder daß wenigstens die Versagung der Mitwirkung nachgewiesen werde (Drobnig N J W 1953, 465), wird man nicht verlangen können. Es kann mittlerweile als allgemein bekannt angesehen werden,

230

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 38 A n m . 12

§39 daß die sowjetzonalen Gerichte bei Sitzverlegungen ihre Mitwirkung nach § 38 ablehnen, so daß es insoweit eines besonderen Nachweises nicht mehr bedarf (OLG Düsseldorf NJW 1950, 470; LG München NJW 1953, 465; Beitzke MDR 1949, 761; W. Schmidt J R 1949, 553; Wendel Betrieb 1951, 267; Würdinger R G R K HGB Allg. Einl. Anm. 80). Voraussetzung einer solchen Sitzverlegung ist aber stets, daß die AG im Zeitpunkt der Verlegung noch als solche besteht. Ist ihr Vermögen in der Sowjetzone enteignet und die AG daraufhin im Handelsregister der Zone gelöscht, so kann eine Sitzverlegung nicht mehr in Betracht kommen. Hat die AG in einem solchen Fall Vermögen im Gebiet der Bundesrepublik, das von der sowjetzonalen Enteignungsmaßnahme nicht betroffen wurde, so ist sie zwar für das Gebiet der Sowjetzone untergegangen, sie besteht aber im Gebiet der Bundesrepublik fort. Sie kann dann durch eine Satzungsänderung unmittelbar einen Sitz im Gebiet der Bundesrepublik begründen (Würdinger a. a. O.; Benck Betrieb 1955, 829; etwas abweichend W. Schmidt J R 1949, 553, der nicht einmal eine Satzungsänderung für erforderlich hält). Für die Annahme einer Sitz V e r l e g u n g ist hier demgemäß kein Raum. Hat die enteignete AG dagegen kein Vermögen in der Bundesrepublik, hat also die Enteignung in der Sowjetzone ihre volle Vermögenslosigkeit herbeigeführt, so ist sie endgültig untergegangen (Beitzke NJW 1952, 842). Sie kann dann in der Bundesrepublik nur durch eine Neugründung wieder entstehen. A n m . 12 9. Sitzverlegung bei einer Zweigniederlassung: Bei einer Zweigniederlassung kommt eine Anwendung des § 38 grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Zweigniederlassung wird im Rechtssinn nicht verlegt, sie wird vielmehr am bisherigen Niederlassungsort aufgehoben und an dem anderen Ort neu errichtet. Dabei handelt es sich wie auch sonst um einen rein tatsächlichen Vorgang (§ 35 Anm. 7). Eine abweichende Beurteilung ist bei der Zweigniederlassung einer ausländischen AG in registerrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt. Diese wird insoweit wie eine inländische Hauptniederlassung behandelt (§37 Anm. 11), so daß auch ihre Verlegung in registerrechtlicher Hinsicht nach den Vorschriften über die Verlegung der Hauptniederlassung zu erfolgen hat (LG Köln NJW 1951, 75). Das bedeutet eine erhebliche Vereinfachung des Verfahrens vor dem Registergericht. Nur kann diese Gleichstellung der Zweigniederlassung einer ausländischen AG mit der inländischen Hauptniederlassung einer AG nicht zur Folge haben, daß materiellrechtlich die Sitzverlegung einer solchen Zweigniederlassung nach Abs. 2 Satz 3 erst mit der Eintragung im Handelsregister des neuen Sitzes wirksam wird. Insoweit verbleibt es auch hier bei dem allgemeinen Grundsatz, daß die Verlegung einer Zweigniederlassung ein rein tatsächlicher Vorgang ist, weil in materiellrechtlicher Hinsicht eine Gleichstellung der Zweigniederlassung einer ausländischen AG mit einer inländischen Hauptniederlassung nicht in Frage kommt.

§ 3 9 Verantwortlichkeit der Gründer (1) Die Gründer sind der Gesellschaft als Gesamtschuldner verantwortlich für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben, die z u m Zwecke der Gründung der Gesellschaft über Übernahme der Aktien, Einzahlung auf die Aktien, Verwendung eingezahlter Beträge, Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen gemacht worden sind; sie sind ferner dafür verantwortlich, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf das Grundkapital b e s t i m m t e Stelle (§ 49 Abs. 3) hierzu geeignet ist, namentlich die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstandes stehen. Sie haben, unbeschadet der Verpflichtung z u m Ersatz des sonst entstehenden Schadens, fehlende Einzahlungen zu leisten und eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand a u f g e n o m m e n ist, zu ersetzen. 231

§ 39 Anm. 1,2

I. Buch: Aktiengesellschaft

(2) Wird die Gesellschaft von Gründern durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gründer als Gesamtschuldner z u m Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gründer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns kennen mußte. (4) Entsteht durch Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs der Gesellschaft ein Ausfall, so sind ihr z u m Ersatz als Gesamtschuldner die Gründer verpflichtet, die die Beteiligung des Aktionärs in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit angenommen haben. (5) Neben den Gründern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben. Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gründer kannte oder kennen mußte. Übersicht Anm.

Einleitung

I

I. Allgemeines 1. Rechtsnatur der Haftung 2. Verhältnis zur Haftung aus anderem Rechtsgrund 3 Haftung gegenüber Ak'

tionären

und

2 3

Anm.

IV. Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand i. Der Haftungstatbestand 2. Inhalt der Haftung . V

" Haftung für die Zahlungs-

Gesell-

schaftsgläubigern . . .

Unfähigkeit eines Aktionärs

4

VI.

15-18

Verschulden. Entlastungs-

II. Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben 1. Der Haftungstatbestand 2. Berichtigung unrichtiger Angaben . . . . 3. Inhalt der Haftung .

7 8—11

beweis. i- Das Verschulden des haftenden Gründers. . 2. Die Vermutung eines Verschuldens . . . . VII. Gesamtschuldverhältnis bei einer Mehrheit von haf-

III. Haftung für Eignung der Zahlstelle

12

VIII. Haftung anderer Personen

5, 6

13 14

19, 20 21

23

Anm. 1 §39 regelt die V e r a n t w o r t l i c h k e i t d e r G r ü n d e r f ü r d e n G r ü n d u n g s h e r g a n g . Die Vorschriften lehnen sich an das bisherige Recht an (§ 202 HGB), enthalten aber einzelne Verschärfungen, die sich als notwendig erwiesen haben. Anm. 2 I. Allgemeines 1. Die Rechtsnatur der Haftung: Die Haftung der Gründer für den Gründungshergang besteht nach § 39 nur gegenüber der Gesellschaft. Sie setzt daher stets die Eintragung der Gesellschaft voraus. Die Haftung ist eine außervertragliche Haftung, sie bedeutet ihrem Inhalt nach im wesentlichen, wenn auch mit gewissen Einschränkungen eine Gewähr dafür, daß das Grundkapital der Gesellschaft entsprechend den gemachten Angaben aufgebracht wird. Sie steht sachlich der Haftung wegen unerlaubter Handlung nahe (v. Godin-Wilhelmi Vorbem. 2 hält sie für ähnlich mit der Haftung aus einer Amtspflicht) und kann insofern als deliktsähnlich bezeichnet werden. 232

2. Teil: G r ü n d u n g der Gesellschaft (Fischer)

§39

Anm. 3—5

D a h e r A n w e n d u n g des § 32 Z P O (Gerichtsstand der unerlaubten H a n d l u n g ) möglich, nicht dagegen die A n w e n d u n g des § 852 BGB, weil insoweit § 44 eine besondere Regelung f ü r die V e r j ä h r u n g enthält.

Anm. 3 2. Verhältnis zur Haftung aus anderem Rechtsgrund: Die Haftung der

G r ü n d e r aus § 39 ist nicht ausschließlich in d e m Sinn, d a ß d a n e b e n eine H a f t u n g der G r ü n d e r gegenüber der Gesellschaft, etwa unter d e m Gesichtspunkt einer unerlaubten H a n d l u n g nicht in Betracht kommen könnte. Erfüllen die in § 39 behandelten Verfehlungen z. B. zugleich den T a t b e s t a n d des § 826 BGB, so k a n n die Gesellschaft auch nach § 826 BGB Schadensersatz verlangen; f ü r einen solchen Anspruch gilt d a n n die Verjährungsvorschrift des § 852 BGB u n d nicht die des § 44. Die A n w e n d u n g des § 826 BGB ist aber nicht einmal a n die in § 39 genannten T a t b e s t ä n d e gebunden. Die Gesellschaft k a n n also auch in anderen Fällen, w e n n die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen, vom Schädiger Ersatz verlangen (vgl. R G 100, 177). Auch die H a f t u n g aus Verträgen, namentlich aus Einbringungsverträgen k a n n neben der H a f t u n g aus § 39 bestehen.

Anm. 4 3. Haftung gegenüber Aktionären und Gesellschaftsgläubigern: Die Vorschrift des § 39 — das gleiche gilt f ü r die §§ 40fr. — bezweckt den Schutz der Gesellschaft, nicht den Schutz der Aktionäre oder der Gesellschaftsgläubiger; denn n u r jene, nicht auch diese sind anspruchsberechtigt. D a r a u s folgt, d a ß diese Vorschriften als S c h u t z g e s e t z i m S i n n d e s § 823 A b s . 2 B G B a u c h n u r zugunsten der Gesellschaft, nicht auch zugunsten der Aktionäre u n d der Gesellschaftsgläubiger angesehen werden können ( R G 159, 223; Ritter A n m . 11; B r o d m a n n § 2 0 3 A n m . 3). Es erscheint aber nicht möglich, aus dieser Regelung auch die Folgerung zu ziehen, d a ß das gleiche ebenfalls f ü r die Strafvorschrift des § 295 Abs. 1 Nr. 1 gelten müsse (so Vorauf!. A n m . 3; T e i c h m a n n - K o e h l e r A n m . 1). Der Schutzzweck dieser Bestimmung würde, ebenso wie der der anderen Strafbestimmungen, in u n t r a g b a r e r Weise eingeengt werden, wenn er allein unter H e r a n z i e h u n g des § 39 bestimmt werden würde. Es m u ß daher a u c h den Aktionären u n d den Gesellschaftsgläubigern auf d e m Wege über § 823 Abs. 2 BGB in V e r b i n d u n g mit § 295 Abs. 1 Nr. 1 ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch zugebilligt werden, w e n n sie d u r c h ein unter Strafe bedrohtes Verhalten der G r ü n d e r in ihrem eigenen V e r m ö g e n geschädigt werden ( R G Z 157, 2 1 7 ; 159, 223; J W 1935, 3 3 0 1 ; 1938, 3297 u n d herrsch. Ansicht i m Schrifttum; vgl. d a z u auch § 8 4 A n m . 68). Gewisse Schwierigkeiten bereitet in diesem Z u s a m m e n h a n g die Frage, wieweit der Kreis der Personen zu ziehen ist, die d u r c h § 295 Abs. 1 Nr. 1 geschützt werden. M i t v. GodinWilhelmi V o r b e m . 3 wird m a n nicht n u r die ersten Zeichner von Aktien als geschützt anzusehen haben, vielmehr wird m a n die Grenze zwischen den geschützten u n d den nicht geschützten Personen unter d e m Gesichtspunkt des a d ä q u a t e n ursächlichen Zusammenhangs zu ziehen haben, so d a ß sich also nicht jeder, der irgendwann einmal Aktionär oder Gläubiger der A G wird, auf den Schutz des § 823 Abs. 2 BGB in Verb i n d u n g mit § 295 Abs. 1 Nr. 1 berufen k a n n . D a n e b e n k a n n zugunsten einzelner Personen auch ein Schadensersatzanspruch nach § 8 2 6 BGB gegeben sein ( R G Z 1 1 5 , 296 oben). Z u beachten ist jedoch in diesem Z u s a m m e n h a n g , d a ß mit der Entschädigung der Gesellschaft i m allgemeinen auch der Schaden eines einzelnen Aktionärs oder Gläubigers beseitigt ist ( R G Z 157, 266; Ritter A n m . 11; v. Godin-Wilhelmi V o r b e m . 3; vgl. dazu auch § 40 A n m . 18).

Anm. 5 II. Haftimg für Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben 1. D e r H a f t u n g s t a t b e s t a n d : Es m u ß sich hier zunächst stets u m A n g a b e n h a n deln, die z u m Z w e c k d e r G r ü n d u n g gemacht worden sind. Gegenüber der f r ü h e r e n Fassung in § 202 H G B — „ A n g a b e n z u m Zweck der E i n t r a g u n g " (so noch jetzt § 295 Abs. 1 Nr. 1) — bedeutet das eine Klarstellung, d a ß es sich hierbei nicht n u r u m

233

§ 39 Anm. 6, 7

I. Buch: Aktiengesellschaft

Angaben gegenüber dem Gdricht handeln muß. Auch Angaben gegenüber den prüfenden Gesellschaftsorganen (RGSt. 18, 112) oder in der Errichtungsversammlung gehören hierher und des weiteren selbst Angaben gegenüber einer Behörde, um die erforderliche Konzession zu erlangen (Brodmann § 202 Anm. 4 b; Ritter Anm. 2 b; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4; a. M. Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 12). Freilich werden in erster Linie hier die Angaben im Gründungsbericht (RG 26, 42), und in der Anmeldung (RGSt. 30, 310) in Betracht kommen. Nicht notwendig ist, daß die Angaben gesetzlich vorgeschrieben sind (RGSt. 33, 252; 43, 324; J W 1911, 257), oder daß sie geeignet sind, die Gründung der Gesellschaft herbeizuführen; es reicht stets aus, wenn die Angaben diesem Zweck zu dienen bestimmt sind. Insofern müssen sie daher im Gründungsverfahren gemacht sein; gelegentliche Äußerungen außerhalb des Verfahrens fallen nicht unter § 39. Ferner ist es nicht notwendig, daß die Angaben von den Gründern selbst gemacht worden sind; das ist angesichts der Erweiterung der Haftung i n § 39 gegenüber der Regelung in § 202 HGB zweifelsfrei. Die Gründer können also auch für die Richtigkeit und Vollständigkeit von A n g a b e n d r i t t e r P e r s o n e n haftbar gemacht werden. Eine uferlose Ausdehnung der Haftung für Angaben dritter Personen wird durch das Erfordernis des Verschuldens (Anm. 19) verhütet. Anm. 6 Die Gegenstände der in Betracht kommenden Angaben führt das Gesetz abschließend auf; es wird daher für die Richtigkeit und Vollständigkeit nur dieser gegenständlich bezeichneten Angaben gehaftet. Es handelt sich dabei um folgende: a) Die Ü b e r n a h m e d e r A k t i e n . § 202 HGB sprach von Zeichnung des Grundkapitals. Der jetzige Ausdruck ist umfassender, er deckt außer der Zeichnung im engeren Sinne auch die Übernahme von Aktien, die nicht „gezeichnet" werden, also die Übernahme durch die Feststeller der Satzung (§ 16 Abs. 2, § 22 Abs. 2). b) Die E i n z a h l u n g auf die A k t i e n . Bisher hieß es „Einzahlung des Grundkapitals". Eingezahlt wird aber auch das Aufgeld (§ 28 Abs. 2); auch drückt die jetzige Fassung klarer aus, daß die Angaben über die Einzahlung auf jede einzelne Aktie richtig und vollständig sein müssen (§ 28 Anm. 14, §§ 29 Anm. 2 Nr. 2). Die Angabe, daß die Beträge zur freien Verfügung des Vorstandes ständen, fällt ebenfalls hierunter (vgl. Anm. 12). c) Die V e r w e n d u n g e i n g e z a h l t e r B e t r ä g e . Dies ist neu. Es hängt damit zusammen, daß Einzahlungen zur Bezahlung der bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt werden dürfen (§ 28 Abs. 2) und daß diese Verwendung in der Anmeldung nachzuweisen ist (§ 29 Abs. 1 letzter Satz). d) S o n d e r v o r t e i l e , Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachü b e r n a h m e n , also das, was in den §§19 und 20 behandelt ist. Hierunter fallen auch Angaben im Gründungsbericht, die die Angemessenheit der Leistungen für eingelegte oder übernommene Gegenstände betreffen, also z. B. Angaben über Rentabilität, Beginn des Geschäftsbetriebs, Konzessionserteilung,vorausgegangene, auf den Erwerb durch die Gesellschaft hinzielende Geschäfte. Verheimlichter Gründerlohn kann in zu hoher Anrechnung eines eingebrachten Werks liegen (RG26, 37; LZ 1912, 3931). Anm. 7 2. Berichtigung unrichtiger Angaben: Unrichtige Angaben können bis zur Eintragung der Gesellschaft berichtigt werden. Damit entfällt die Haftung aus § 39 (RGZ 127, 193). Zweifelhaft ist jedoch, wann im Einzelfall eine Berichtigung unrichtiger Angaben angenommen werden kann. Die im Schrifttum vertretene Auffassung (vor allem Düringer-Hachenburg §202 Anm. n ; Pinner J W 1930, 3734), eine Berichtigung liege schon immer dann vor, wenn sich z. B. aus der Gesamtheit der dem Registergericht eingereichten Unterlagen die Unrichtigkeit einer einzelnen Angabe ergebe, erscheint zu weitgehend. Die Berichtigung m u ß vielmehr klar und unzweideutig z u m Ausdruck gebracht werden und damit ohne weiteres für einen Außenstehenden ersichtlich sein, ohne daß dieser mit einer umfassenden Prüfung aller 234

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 39 Anm. 8—10

Unterlagen und den Zweifeln einer oft schwierigen und vieldeutigen Auslegung belastet wird (ähnlich Cohn J W 1930, 3733; Ritter Anm. 2 e; anders v. Godin-Wilhelmi Anm. 5, die im Ergebnis eine Berichtigung wohl überhaupt nicht zulassen). Anm. 8 3. Inhalt der Haftung: Überwiegend wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, daß es sich hier um einen echten Schadensersatzanspruch im Sinn der §§ 249fr. BGB handele, daß also die Gründer der Gesellschaft den ihr entstandenen Schaden zu ersetzen haben (Brodmann §202 Anm. 2b; Düringer-Hachenburg §202 Anm. 49; Ritter Anm. 5; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; Teichmann-Koehler Anm. 3). Das ist jedoch nur mit Einschränkungen richtig. Es ist denkbar, daß der Gesellschaft durch eine unrichtige Angabe überhaupt kein Schaden erwachsen ist und daß die Gründer gleichwohl zur Haftung herangezogen werden (vgl. dazu v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Die Gründer haben nämlich mit ihrer Ersatzpflicht nicht wie bei einem echten Schadensersatzanspruch den Zustand wiederherzustellen, der ohne ihr haftungsbegründendes Verhalten, also bei richtiger Angabe des Sachverhalts, bestehen würde. Sie müssen sich vielmehr so behandeln lassen, als ob ihre unrichtige Angabe richtig wäre. Sie haben also für die Angaben, so wie sie gemacht sind, einzustehen. Ihre Haftung ist damit in ihrem Inhalt eine Gewährleistung, ein Einstehen für die gemachte Angabe, wobei freilich ein Verschulden des Haftenden (vgl. Anm. 19) Voraussetzung ist (v. GodinWilhelmi Anm. 5/6). Eine Anwendung der §§ 249fr. BGB kommt hier somit nur mit der Maßgabe in Betracht, daß die Gründer den Zustand herzustellen haben, der bestehen würde, wenn die Angaben, so wie sie gemacht sind, richtig gewesen wären (RG 144, 357). Insofern haften sie auch für einen entgangenen Gewinn (§ 252 BGB). Auch einer Anwendung des § 255 BGB steht grundsätzlich nichts im Wege. Dagegen kommt nach dem Grundgedanken der §§ 39ff. eine Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, so daß die Gesellschaft ein m i t w i r k e n d e s V e r s c h u l d e n des Vorstands oder des Aufsichtsrats in der Zeit vor ihrer Eintragung nicht zu vertreten hat (RG 154, 286); dagegen erscheint eine Anwendung des § 254 Abs. 2 BGB für die Zeit nach der Eintragung der Gesellschaft nicht als ausgeschlossen (RG 154, 290; herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M. Ritter Anm. 2 a). Anm. 9 Bei unrichtigen Angaben hinsichtlich der Übernahme von Aktien haben die Gründer für den ungedeckt gebliebenen Teil des Grundkapitals selbst aufzukommen. Sie haben also die nicht übernommenen Aktien selbst zu übernehmen. Die Gesellschaft muß ihnen andererseits nach Erstattung des Fehlbetrages auch die offen gebliebene Beteiligung einräumen (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 49). Die Geltendmachung eines weiteren Schadens durch die Gesellschaft ist nicht ausgeschlossen. Anm. 10 Unrichtige Angaben über die vorgenommenen Einzahlungen auf die Aktien führen zur Verpflichtung der Gründer, die fehlenden Einzahlungen selbst zu leisten. Die Gründer können dabei nicht verlangen, daß sich die Gesellschaft zunächst an den Aktienübernehmer wendet oder gar ein Kaduzierungsverfahren durchführt. Die Gründer haben auch nicht einen Anspruch auf die Aktie. Das Rechtsverhältnis zwischen Aktienübernehmer und Gesellschaft wird durch die Haftung der Gründer für unrichtige Angaben über die Einzahlungen auf Aktien überhaupt nicht berührt. Nur wenn ein von der Gesellschaft in Anspruch genommener Gründer auf Grund seiner Haftungsverpflichtung zahlt, erfüllt er damit eine Leistung, die dem Aktienübernehmer gegenüber der Gesellschaft obliegt. Über die daraus sich ergebenden Ausgleichsansprüche vgl. Anm. 22. Bei der u n r i c h t i g e n A n g a b e , daß die e i n g e z a h l t e n B e t r ä g e zur f r e i e n V e r f ü g u n g des V o r s t a n d e s stehen, ist der haftende Gründer zur Zahlung des nicht zur freien Verfügung stehenden Betrages verpflichtet. Diese Haftung ist eine 235

§39 Anm. 11—13

I. Buch: Aktiengesellschaft

echte Gewährleistung für die Richtigkeit der gemachten Angaben. Ein Schaden braucht der Gesellschaft durch das haftungsbegründende Verhalten des Gründers nicht entstanden zu sein (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Anm. 11 Bei unrichtigen Angaben über Sondervorteile, Sacheinlagen usw. ist zu beachten, daß in der Satzung nicht festgesetzte Vereinbarungen über Sondervorteile usw. nicht angegeben zu werden brauchen. Derartige Vereinbarungen sind nach §§ 19, 20 ohne weiteres nichtig. Werden sie also z. B. bei der Anmeldung nicht erwähnt, so sind die Angaben in diesem Punkt auch nicht unvollständig (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 27; Ritter Anm. 2f.). Etwas anderes gilt auf Grund ausdrücklicher Vorschrift für den Gründungsaufwand. Ist ein solcher nämlich nicht festgesetzt, aber gleichwohl an einen gutgläubigen Dritten gezahlt worden, so wird dieser geschützt. Es mußte daher auf dem Wege der Haftung nach § 39 die Gewähr dafür geschaffen werden, daß die Gesellschaft einen Ersatz für die nicht festgesetzte und angegebene Auszahlung eines Gründerlohns erhält (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 54). Eine Haftung der Gründer ist gegeben, wenn eine Sacheinlage angegeben, die Vereinbarung über die Sacheinlage jedoch fehlerhaft ist und die Gesellschaft statt der erwarteten Sacheinlage nur eine Geldeinlage erhält (vgl. dazu §20 Anm. 15 fr.). Anm. 12 III. Haftung für Eignung der Zahlstelle. Neben die Verantwortlichkeit für unrichtige und unvollständige Angaben stellt Abs. 1 als zweiten Tatbestand die Verantwortlichkeit dafür, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf das Grundkapital bestimmte Stelle hierzu geeignet ist. Dieser Haftungsgrund ist neu. Er hängt damit zusammen, daß Einzahlungen durch Gutschrift auf ein Bankkonto der Gesellschaft oder des Vorstandes geleistet werden können (§49 Abs. 3). Die Gründer sind also dafür verantwortlich, daß die zu Einzahlungen bestimmte Bank z a h l u n g s f ä h i g und zuverlässig ist, daß namentlich auch deren Bestätigung zutrifft, der Betrag stehe ohne Gegenforderungen zur freien Verfügung des Vorstands (§ 29 Abs. 1 Satz 2 und 3). Bei Einzahlungen auf ein Reichsbank- oder Postscheckkonto der Gesellschaft oder des Vorstandes trifft die Gründer keine Verantwortung. Die Haftung für die Eignung der Zahlstelle begründet eine reine Schadensersatzpflicht für Verschulden bei der Auswahl. Anm. 13 IV. Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand (Abs. 2). 1. Der Haftungstatbestand: Der dritte Haftungsgrund ist die vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand. Dieser Tatbestand ist unabhängig davon, ob die gemachten Angaben unrichtig oder unvollständig sind. Auch bei deren Richtigkeit und Vollständigkeit tritt die Haftung ein, aber nur, wenn die Schädigung von einem Gründer vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt worden ist. Das bisherige Recht (§ 202 HGB) beschränkte sich auf Sacheinlagen und Sachübernahmen und setzte eine „bösliche" Handlungsweise voraus. Das AktG erweitert den Tatbestand objektiv und subjektiv. Die „Einlage" umfaßt auch die Bareinlage (Scheinzahlungen). Die Gründer können nicht mehr jeden beliebigen Aufwand bewilligen, wenn sie ihn nur offenbaren, sondern müssen auch dabei vermeiden, die Gesellschaft zu schädigen. Ob der Sacheinleger schon ohne Rücksicht auf sein oder eines anderen Gründer Verschulden für den vollen Wert seiner Sacheinlage haftet, ist zweifelhaft, v. Godin-Wilhelmi Anm. 10 verneinen diese Frage; man wird sie aber wohl mit Boesebeck (DR 1939, 436) bejahen müssen, weil sich der Sacheinleger an seine Deckungszusage — ähnlich wie in den Fällen eines mangelhaften Einbringungsvertrages (§ 20 Anm. 15 fr.) — halten lassen muß. 236

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 39 Anm. 14,15

Anm. 14 2. Der Inhalt der Haftung: Der Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Gründer nach Abs. 2 ist ein echter Schadensersatzanspruch; die Gesellschaft ist so zu stellen, wie sie ohne das haftungsbegründende Verhalten gestanden haben würde. Der Gesellschaft ist im allgemeinen bei einer Überwertung der Sacheinlage oder der Sachübernahme der Unterschiedsbetrag zwischen Wert und Bewertung zu ersetzen und bei einem überhöhten Gründungsaufwand die entsprechende Differenz zu erstatten. Eine Naturalherstellung kommt hier im allgemeinen nach Lage der Dinge nicht in Betracht. Dagegen kann die Gesellschaft bei einer ü b e r b e w e r t e t e n S a c h e i n l a g e grundsätzlich nicht verlangen, daß die Sacheinlage unter Verzicht auf die Beteiligung zurückgenommen wird. Ob in einem solchen Verlangen allerdings ein Rücktritt vom Einbringungsvertrag zu erblicken ist (so Düringer-Hachenburg §202 Anm. 57), der nach allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen nicht zulässig wäre (§20 Anm. 17), erscheint immerhin zweifelhaft. Denn eine rückwirkende Kraft würde ein solches Verlangen nicht haben. Das wird besonders deutlich, wenn zwischen der Gesellschaft und dem Sacheinleger eine dahingehende Vereinbarung getroffen wird, die beim Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 als zulässig angesehen werden muß (Düringer-Hachenburg a. a. O.; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4). Entscheidend für die Unzulässigkeit eines solchen einseitigen Verlangens ist vielmehr, daß dieses einen einseitigen Ausschluß des Sacheinlegers darstellen würde. Ob freilich die Gesellschaft im Einzelfall gegen den ersatzpflichtigen Sacheinleger nach Treu und Glauben einen Anspruch auf Zustimmung zu einer solchen Vereinbarung (Rücknahme der Sacheinlage gegen Übertragung des Beteiligungsrechts) hat, erscheint nicht ausgeschlossen, und zwar dann nicht, wenn der Sacheinleger den Schadensersatz nicht leisten kann, die Gesellschaft aber die Aktie zum vollen Nennbetrag verwerten könnte. Bei einer ü b e r b e w e r t e t e n S a c h ü b e r nahme kann die Gesellschaft statt des Unterschiedsbetrags zwischen Wert und Bewertung von dem ersatzpflichtigen Gründer auch verlangen, daß dieser den überbewerteten Gegenstand abnimmt und den bezahlten Betrag in voller Höhe erstattet (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 58). Anm. 15 V. Haftung für die Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs (Abs. 4). Diese Haftung setzt zunächst Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs voraus. Hierunter wird im Schrifttum im allgemeinen Zahlungsunfähigkeit im Sinn des § 102 K O verstanden, also das auf Mangel unflüssiger Mittel beruhende, andauernde Unvermögen, sofort zu erfüllende Geldschulden noch im wesentlichen zu berichtigen oder für Sachschulden Geldersatz zu leisten (vgl. Jaeger Komm. K O § 102 Anm. 2). Diese Einschränkung erscheint jedoch bedenklich. Nach dem Sinnzusammenhang der Vorschrift, die auch für diesen Fall die rechtzeitige und vollständige Aufbringung des Grundkapitals sicher stellen will, wird man das einfache Unvermögen eines Aktionärs, die zugesagte Bareinlage aufzubringen, als ausreichend ansehen müssen (so auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 11). Die Zahlungsunfähigkeit muß nach dem Wortlaut des Abs. 4 schon in dem Zeitpunkt bestanden haben, in dem die Gründer die Beteiligung des Aktionärs angenommen haben; das ist bei der Einheitsgründung der Zeitpunkt, in dem die Gründer mit dem Zahlungsunfähigen die Übernahme der Aktien vereinbaren. Trotz des Wortlauts kann nach dem Grundgedanken dieser Haftung eine erst nachher, aber vor der Eintragung der Gesellschaft eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Aktionärs nicht ohne Belang sein. Da die Gründer in diesem Fall das Recht haben, die Annahme des zahlungsunfähig Gewordenen wiederaufzuheben, so muß man auch ihre Pflicht bejahen, von diesem Recht bei Kenntnis einer erst nachträglich bekanntgewordenen Zahlungsunfähigkeit Gebrauch zu machen. Daraus ergibt sich sodann die Folgerung, daß die Gründer auch dann haften, wenn sie das in einem solchen Fall nicht tun (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 30; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; a. M. Ritter Anm. 8b; Schlegelberger-Quassowski Anm. 5; Teichman-Koehler Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 4).

237

§39

Anm. 16—19

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 16 Die Gesellschaft muß ferner durch die Zahlungsunfähigkeit einen A u s f a l l erlitten haben; zum Nachweis eines solchen Ausfalls bedarf es nicht unbedingt einer fruchtlosen Zwangsvollstreckung gegen den Aktionär (Brodmann § 202 Anm. 7). Der Ausfall kann sowohl bei der ersten R a t e wie auch bei einer späteren eintreten; denn wenn der Aktionär auch gerade noch die erste R a t e hat aufbringen können, so schließt das doch nicht aus, daß er zahlungsunfähig war. Hat ein Bareinleger seine Aktie veräußert, so steht der Ausfall nicht eher fest, als bis das K a d u z i e r u n g s v e r f a h r e n (§§ 58/59) durchgeführt ist (allg. Ansicht). Zweifelhaft ist dagegen, ob ein K a d u zierungsverfahren auch dann notwendig ist, wenn der Bareinleger seine Aktie nicht veräußert hat. Der Wortlaut des Abs. 4 gibt f ü r die Beantwortung dieser Frage keinen greifbaren Anhalt. Eine Ansicht im Schrifttum (Vorauf!. Anm. 1 1 ; Ritter Anm. 8 c ; Baumbach-Hueck Anm. 4; wohl auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 5) hält ein Kaduzierungsverfahren nicht f ü r erforderlich und nimmt dabei in K a u f , daß dem säumigen Aktionär oder seiner Konkursmasse unverdientermaßen die von dem in Anspruch genommenen Gründer voll eingezahlte Aktie zufallt und der zahlende Gründer auf einen fragwürdigen Regreßanspruch (vgl. dazu Anm. 22) gegen den zahlungsunfähigen Aktionär oder den Konkursverwalter verwiesen wird. Das erscheint so unbillig und durch den Zweck der Haftung so wenig gerechtfertigt — denn die vorherige Durchführung eines Kaduzierungsverfahrens ist auch hier der Gesellschaft durchaus zumutbar —, daß man das nicht billigen kann (ebenso Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 5 5 ; Brodmann § 202 Anm. 7 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ) . Diese Ansicht führt dann auch zu dem sinnvollen Ergebnis, daß es insoweit ohne Belang ist, ob der erste Aktionär die Aktie weiterveräußert hat oder nicht.

Anm. 17 Nach seinem Wortlaut bezieht sich Abs. 4 nur auf die Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs bei einer Bareinlage. M a n wird diese Vorschrift nach ihrem Grundgedanken auch bei einer S a c h e i n l a g e anwenden müssen (a. M . wohl nur Brodmann § 202 Anm. 8). Es fragt sich insoweit lediglich, ob die Haftung der Gründer nur eingreift, wenn das Unvermögen des Sacheinlegers auf seiner Zahlungsunfähigkeit beruht (so Ritter Anm. 8 a ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ) oder auch dann, wenn das Unvermögen zur Leistung des Sacheinlegers durch andere Gründe bedingt ist (so Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 3 2 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 ; Baumbach-Hueck Anm. 4). M a n wird sich f ü r die zweite Lösung zu entscheiden haben. Denn da das Unvermögen zur Leistung einer Bareinlage immer nur auf einer Zahlungsunfähigkeit beruhen kann, beschränkt der Tatbestand des Abs. 4 die Haftung der Gründer nicht auf bestimmte Fälle des Unvermögens eines Aktionärs; es erscheint daher nicht gerechtfertigt, bei der entsprechenden Anwendung des Abs. 4 auf die Sacheinlage eine solche Beschränkung nur auf einen bestimmten Fall des Unvermögens zur Leistung der Sacheinlage vorzunehmen. Die Gründer haften daher in jedem Fall auch dann, wenn bei einer Sacheinlage die Beteiligung des Aktionärs in Kenntnis seiner Leistungsunfähigkeit angenommen wird.

Anm. 18 Hervorzuheben ist, daß sich die Haftung des Gründers f ü r die Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs grundsätzlich von der Haftung des Mitgesellschafters einer G m b H nach § 24 G m b H G unterscheidet. Die Haftung des Gründers nach Abs. 4 ist gegenüber der Regelung nach § 24 G m b H G außerordentlich stark eingeschränkt. Die f ü r § 24 G m b H G geltenden Grundsätze werden daher f ü r den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 4 im allgemeinen nicht herangezogen werden können.

Anm. 19 VI. Verschulden. Entlastungsbeweis.

1. D a s Verschulden der haftenden G r ü n d e r : Grundsätzlich ist in allen Fällen

Voraussetzung f ü r die Haftung eines einzelnen Gründers Verschulden. Dabei ist f ü r eine Haftung des Gründers in den Fällen des Abs. 1 (Anm. 5 fr.) und des Abs. 2 (Anm.

238

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 39 Anm. 20—22

13/14) Vorsatz oder Fahrlässigkeit ausreichend. Hat der in Anspruch genommene Gründer die die Ersatzpflicht begründenden T a t s a c h e n gekannt oder hätte er sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen müssen, so haftet er der Gesellschaft. Das bedeutet bei einer Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben (Abs. 1), daß der in Anspruch genommene Gründer von seiner Haftung nur frei kommt, wenn er die Unrichtigkeit der von ihm oder einem anderen gemachten Angaben nicht gekannt hat und auch nicht erkennen konnte, oder wenn ihm die von einem Dritten gemachten unrichtigen Angaben überhaupt unbekannt waren und ihm auch nicht bekannt sein mußten. Bei der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Schädigung der Gesellschaft durch Sacheinleger usw. kann unter T a t s a c h e n , was hier besonders hervorzuheben ist, nur der objektive Tatbestand, also die Ursache der Schädigung, verstanden werden. Hatte ein anderer Gründer diese gekannt oder hätte er sie kennen müssen, so ist er haftbar, auch wenn ihm der Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit des unmittelbaren Schädigers nicht erkennbar gewesen sein sollte. Er hätte eingreifen und den Schaden verhindern müssen. Nur dann, wenn es ihm bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht mehr möglich gewesen wäre, den Eintritt des Schadens zu verhindern, kann er nicht haftbar gemacht werden. Er haftet also aus einfacher Fahrlässigkeit mit für die vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungsweise des unmittelbaren Schädigers. Soweit er sich auf Taxen einwandfreier Sachverständiger verlassen hat, wird in der Regel eine Fahrlässigkeit nicht angenommen werden können. Als M a ß s t a b f ü r eine F a h r l ä s s i g k e i t ist in den Fällen des Abs. 1 und 2 die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns — nicht wie in § 347 HGB die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, da die Gründung einer AG nicht notwendig ein kaufmännisches Geschäft ist —- zugrunde zu legen. Es kann also nicht von den individuellen Verhältnissen des in Anspruch genommenen Gründers ausgegangen, auf seine persönliche Unfähigkeit keine Rücksicht genommen werden. Die anzuwendende Sorgfalt bestimmt sich vielmehr nach den Erfordernissen einer Gründung und dem Gegenstand des Unternehmens. Wer nicht die erforderliche Vorbildung hat, ein Unternehmen der beabsichtigten Art in Form einer AG zu gründen, muß sich davon fernhalten (RG 95) i7)Anm. 20 Im Unterschied zu der Haftung aus Abs. 1 und 2 genügt für die Haftung eines Gründers für die Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs Fahrlässigkeit nicht. Hier ist stets positive K e n n t n i s des einzelnen Gründers von der Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs erforderlich. Über den Zeitpunkt, in dem diese Kenntnis vorliegen muß, vgl. Anm. 15. Anm. 21 2. Die Vermutung eines Verschuldens nach Abs. 3 : Hinsichtlich des Verschuldens ist in den Haftungsfällen des Abs. 1 und 2 die Beweislast umgekehrt. Die Gesellschaft hat lediglich das Vorliegen des objektiven Haftungstatbestandes darzutun und zu beweisen, wozu im Fall des Abs. 2 allerdings auch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des unmittelbaren Schädigers gehören. Der in Anspruch genommene Gründer hingegen muß sich seinerseits entlasten und beweisen, daß ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt. Unklarheiten, die insoweit bestehenbleiben, treffen ihn. Die Umkehrung der Beweislast gilt nicht bei der Haftung des Gründers für die Zahlungsunfähigkeit eines Aktionärs. Hier muß also die Gesellschaft nicht nur den objektiven Haftungstatbestand, sondern auch die Kenntnis des in Anspruch genommenen Gründers von der Zahlungsunfähigkeit dartun und beweisen. Anm. 22 VII. Gesamtschuldverhältnis bei einer Mehrheit von haftenden Gründern. Für die Haftung des Gründers gegenüber der Gesellschaft ist es ohne Belang, ob der eine von ihnen wegen vorsätzlichen Verhaltens, der andere aber nur wegen fahrlässigen Verhaltens ersatzpflichtig ist. Sie haften der Gesellschaft stets als Gesamt239

§ 39 A n m . 23

§40

I. Buch: Aktiengesellschaft

Schuldner im Sinn der §§ 421 ff". B G B . I m Innenverhältnis haben sie daher das Recht des Rückgriffs gemäß § 426 B G B . Bei dieser Ausgleichung ist in jedem Fall die Stärke der Verursachung und des Verschuldens nach § 254 B G B zu berücksichtigen ( R G 75, 256; 87, 6 7 ; 102, 32). Danach kann einer von ihnen den ganzen Schaden allein tragen, z. B. der vorsätzlich Handelnde, wenn die übrigen Gründer nur wegen eigener Fahrlässigkeit haften. Die Streitfrage, ob ein solches echtes Gesamtschuldverhältnis auch dann vorliegt, wenn ein Gründer wegen unrichtiger Angaben f ü r fehlende Einzahlungen neben dem Ubernehmer der Aktie zu haften hat (bejahend DüringerHachenburg § 202 Anm. 5 1 ; verneinend Ritter Anm. 5 ; v. Godin-Wilhelmi Vorbem. 9), hat nur konstruktive Bedeutung. Denn Einigkeit besteht über die einzig wesentliche Frage, daß nämlich auch in diesem Fall der Gründer gegen den Aktienübernehmer einen Erstattungsanspruch in voller Höhe hat, wobei es wiederum nur von konstruktiven Interesse ist, ob der Anspruch der Gesellschaft gegen den Aktienübernehmer auf den zahlenden Gründer unter Anwendung des § 255 B G B (so Ritter a. a. O.), oder ob er kraft Gesetzes (§ 426 Satz 1 B G B ) auf ihn übergeht (so Düringer-Hachenburg a. a. O.). Haften mehrere Gründer wegen unrichtiger Angaben hinsichtlich der Übernahme der Aktien, so ist auch diese Haftung eine Gesamthaftung (a. M . Brodmann § 202 Anm. 5). Die Gesellschaft kann einen der Gründer auf den vollen Betrag in Anspruch nehmen, muß ihm freilich dann auf sein Verlangen die offen gebliebene Beteiligung einräumen (Anm. 9). Nimmt der in Anspruch genommene Gründer sodann Rückgriff gegen die übrigen Gesamtschuldner, so muß er einem jeden einen entsprechenden Anteil an der eingeräumten Beteiligung überlassen. A n m . 23 VIII. Haftung anderer Personen. Neben den Gründern sind in gleicher Weise die Personen verantwortlich, f ü r deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, neben den Strohmännern also auch deren Hintermänner (Abs. 5). Diese Regelung stellt eine überaus zweckmäßige Ergänzung der bisherigen Vorschriften dar. Die Gründerhaftung konnte leicht dadurch umgangen werden, daß vermögenslose Strohmänner, deren Haftung wertlos war, die Gründung vornahmen. Diese können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein f ü r ihre Rechnung handelnder Gründer kannte oder kennen mußte. D a sie aber in gleicher Weise haften wie die f ü r ihre Rechnung handelnden Gründer, so können sie sich auch nicht darauf berufen, daß die Gründer Umstände weder gekannt haben noch hätten kennen müssen, wenn sie selbst diese Kenntnis besessen haben oder hätten besitzen müssen. Damit ist der Anreiz zum Vorschieben von Strohmännern erheblich abgeschwächt und eine recht brauchbare W a f f e gegen Unredlichkeiten geschaffen. Diese Vorschrift ist entsprechend anzuwenden auf Bevollmächtigte und gesetzliche Vertreter, eine Heranziehung der insoweit unzulänglichen Bestimmung des § 166 B G B bedarf es jetzt nicht mehr (so schon Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 39).

§

4 0

Verantwortlichkeit anderer Personen neben den

Gründern

A l s G e s a m t s c h u l d n e r m i t den G r ü n d e r n u n d den Personen, f ü r deren Rechnung die G r ü n d e r A k t i e n ü b e r n o m m e n h a b e n , ist d e r G e s e l l s c h a f t z u m Schadenersatz verpflichtet: 1. w e r bei Empfang einer vorschriftswidrig in den G r ü n d u n g s a u f w a n d nicht aufgenommenen Vergütung w u ß t e oder den U m s t ä n d e n nach a n n e h m e n m u ß t e , d a ß die V e r h e i m l i c h u n g beabsichtigt o d e r e r f o l g t w a r , oder w e r zur Verheimlichung wissentlich mitgewirkt hat; 2. w e r i m Fall einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder S a c h ü b e r n a h m e n an der Schädigung wissentlich mitgewirkt hat;

240

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 40 A n m . 1, 2

3 . wer vor Eintragung der Gesellschaft In das Handelsregister oder in den ersten zwei J a h r e n nach der Eintragung die Aktien öffentlich ankündigt, u m sie in den Verkehr einzuführen, wenn e r die Unrichtigkeit oder UnVollständigkeit der Angaben, die z u m Zwecke der Gründung der Gesellschaft gemacht worden sind (§ 39 Abs. 1), oder die Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns kennen mußte. Übersicht Anm.

Einleitung I. Die Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Gründungsaufwand (Nr. i) 1. Allgemeines 2. Der objektive Haftungstatbestand 3. Die subjektiven Voraussetzungen der Haftung. .

i

2 3 4

II. Die Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen (Nr. 2) 5 III. Die Haftung für öffentliche Ankündigung von Aktien (Nr. 3) 6 1. Allgemeines 2. Der Begriff der öffentlichen Ankündigung 7—9 3. Der Haftungstatbestand . 10, 11

Anm.

4. Entsprechende Anwendung bei Kapitalerhöhung. . . 5. Die strafrechtliche Verantwortung bei öffentlicher Ankündigung IV. Die Haftung für unrichtige Angaben im Prospekt nach § 45 BörsG V . Die Haftung nach § 40 1. Die Haftung „gegenüber der Gesellschaft" . . . . 2. Der Inhalt der Haftung . 3. Das Gesamtschuldverhältnis bei einer Mehrheit von haftenden Personen . . . V I . Zusammentreffen der Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber Aktionären oder anderen Personen . .

12 13

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15 16 17

18

Anm. 1 Neben den Gründern machte unter gewissen Voraussetzungen das HGB in § 202 Abs. 4 sogenannte Gründergenossen für Schädigung der A G verantwortlich. Dazu trat in § 203 V G B die Haftbarkeit für öffentliche Ankündigungen. Diese Vorschriften faßt § 40 unter der Überschrift „Verantwortlichkeit neben den Gründern" unter drei Nummern zusammen. Die Verantwortlichkeit besteht aber, wie das Gesetz klarstellt, nicht nur neben den Gründern, sondern auch neben ihren Hintermännen (§ 39 Abs. 5), also neben allen Personen, die von § 39 betroffen werden. Die Mithaftung ist ebenfalls gesamtschuldnerisch. Anm. 2 I. Die Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Gründungsaufwand (Nr. 1). 1. Allgemeines: Empfängt jemand eine Vergütung, die entgegen der Vorschrift des § 19 Abs. 2 nicht in den Gründungsaufwand aufgenommen worden ist, so würde der Empfänger diese Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften der Gesellschaft als ungerechtfertigte Bereicherung zurückgewähren müssen. Denn die Verletzung des § 19 Abs. 2 führt dazu, daß die Abrede über die Gewährung der Vergütung gegenüber der Gesellschaft unwirksam ist (§19 Anm. 15). Diese Folgerung, die sich aus dem bürgerlichen Recht ergeben würde, ist jedoch zum Schutz solcher Personen, deren Hilfe bei der Gründung einer A G in Anspruch genommen wird, untragbar. Diese Personen können vielfach gar keine Gewißheit darüber erlangen, ob die Gründer die ihnen zugesagte 16

Aktiengesetz, 2. Aufl.

241

§40 Anm. 3,4

I. Buch: Aktiengesellschaft

Vergütung ordnungsgemäß in den festgesetzten Gründungsaufwand aufgenommen haben, ob insbesondere die Gesamtsumme des festgesetzten Gründungsaufwands ihre Vergütung mitumfaßt. Aus diesem Grund enthält die Nr. i eine w e s e n t l i c h e E i n s c h r ä n k u n g d e r H a f t u n g desjenigen, der eine im Gründungsaufwand nicht aufgenommene Vergütung empfangen hat (Düringer-Hachenburg §202 Anm. 60; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 4, die in der Haftung nach § 40 eine „viel weitergehende Verpflichtung" erblicken). Daraus folgt, daß gegenüber der Vorschrift des §40 eine Anwendung der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung nicht möglich ist. Im Fall einer Haftung nach Nr. 1 kann die Ersatzpflicht des Empfängers allerdings über den Umfang eines Anspruchs nach §§ 812, 819 BGB hinausgehen, weil diese auf vollen Schadensersatz geht (Anm. 16). Anm. 3 2. Der objektive Haftungstatbestand: Die Haftung nach der Nr. 1 setzt voraus, daß eine gewährte Vergütung in den Gründungsaufwand nicht aufgenommen worden ist, daß also insoweit die Vorschrift des § 19 Abs. 2 verletzt ist. Dabei ist es nicht notwendig, daß die Gründer dieses von vornherein beabsichtigt hatten, also nicht notwendig, daß die Gründer die gewährte Vergütung verheimlichen wollten. Der in diesem Zusammenhang recht unglücklich gewählte Ausdruck „Verheimlichung" darf nicht in einem solchen Sinn verstanden werden. Da es das Gesetz als gleichgültig betrachtet, ob die Verheimlichung „beabsichtigt" oder nur „erfolgt" war, ist das Wort Verheimlichung im Sinn von Weglassung aufzufassen. •— Neben dem Empfanger einer nicht im Gründungsaufwand aufgenommenen Vergütung trifft auch denjenigen die Haftung aus Nr. 1, der bei der Verheimlichung (Weglassung) der Vergütung im Zusammenhang mit der Festsetzung des Gründungsaufwands mitgewirkt hat. Dabei genügt zur Mitwirkung jede Förderung der — möglicherweise von den Gründern nicht beabsichtigten — Gesetzwidrigkeit. Die Haftung nach Nr. 1 setzt nicht voraus, daß auch einer der Gründer nach § 39 haftet. Anm. 4 3. Die subjektiven Voraussetzungen der Haftung: Für die Haftung des Empfangers ist es erforderlich, daß dieser wußte oder den Umständen nach annehmen mußte, daß die ihm gewährte Vergütung in dem Gründungs aufwand nicht aufgenommen war. In diesem subjektiven Erfordernis liegt die praktisch bedeutsame Einschränkung der Haftung nach § 40 gegenüber der Haftung nach §§ 812 ff. BGB (vgl. Anm. 2). Gleichzeitig führt dieses Erfordernis dazu, daß im Ergebnis Gründer und Nichtgründer insoweit unterschiedlich behandelt werden; denn es läßt sich, wie DüringerHachenburg mit Recht hervorheben (§ 202 Anm. 60), nur schwer ein Fall denken, in dem ein Gründer nicht wußte oder nicht wissen mußte, daß die ihm gewährte Vergütung in den Gründungsaufwand nicht aufgenommen worden war. Der Ausdruck „ d e n U m s t ä n d e n n a c h a n n e h m e n m u ß t e " kann nicht in Anlehnung an § 259 StGB dahin verstanden werden, daß damit nur eine gesetzliche Beweisregel begründet werde, die die Feststellung des Wissens entbehrlich macht (so Vorauf!. Anm. 2; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3); vielmehr wird man diesen Ausdruck in Anlehnung an die Umschreibung in § 122 Abs. 2 BGB dahin zu verstehen haben, daß damit die fahrlässige Nichtkenntnis gemeint ist (ebenso Düringer-Hachenburg §202 Anm. 60; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 2). Den Empfängern, die selbst nicht Gründer sind, wird man im allgemeinen eine besondere Nachforschungspflicht nicht auferlegen können; sie können in der Regel darauf vertrauen, daß die Feststellung des Gründungsaufwands ordnungsgemäß erfolgt (DüringerHachenburg §202 Anm. 61; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). Die Haftung für die Mitwirkung bei der Verheimlichung (Weglassung) einer im Gründungsaufwand nicht aufgenommenen Vergütung setzt eine wissentliche, also vorsätzliche Mitwirkung voraus. Hier würde also ein fahrlässiges Verhalten noch keine Haftung des Mitwirkenden begründen können. 242

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§40

Anm. 5—7

Anm. 5 II. Die Haftung für Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen (Nr. 2). Der zweite Fall setzt voraus, daß Gründer (oder Hintermänner, § 39 Abs. 5) vorsätzlich oder grob fahrlässig die A G . durch Einlagen oder Sachübernahmen geschädigt haben. Einlage umfaßt wiederum Bar- wie Sacheinlage ( § 3 9 A n m . 8), während § 202 H G B . sowohl in Abs. 1 als auch in Abs. 4 Nr. 2 nur Sacheinlagen im Auge hatte. Der Gründungsaufwand ist hier nicht genannt; f ü r diesen bewendet es bei der Haftung nach Nr. 1. Für mithaftend wird in Nr. 2 derjenige erklärt, der an der Schädigung wissentlich mitgewirkt hat, z. B. der Veräußerer bei der Sachübernahme. Wissentliche Mitwirkung bedeutet dasselbe wie im Fall Nr 1 (Anm. 4). Eine Alleinhaftung des wissentlich Mitwirkenden kann im Fall der Nr. 2 nicht eintreten, weil vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung durch mindestens einen Gründer (oder Hintermann) vorausgesetzt wird, dessen Haftung nach § 39 Abs. 2 (oder 5) begründet ist.

Anm. 6 III. Die Haftung für öffentliche Ankündigung von Aktien (Nr. 3). 1. A l l g e m e i n e s : Die öffentliche Ankündigung von Aktien ist üblich, um sie in den Verkehr einzuführen. Bei der Stufengründung wird von ihr Gebrauch gemacht, u m Aktienzeichner herbeizuziehen. Aber auch nach der Übernahme sämtlicher Aktien und nach der Eintragung der A G erfolgt sie, um die Aktien in Umlauf zu bringen. Insoweit kommen als Ankündiger praktisch nur Banken in Betracht, wobei Begebungskonsortien nicht selten sind. M a g die Ankündigung auch meist — nach der Übernahme sämtlicher Aktien — auch nicht mehr zur Gründung im Rechtssinn gehören, so steht sie doch im wirtschaftlichen Sinn in einem überaus engen Zusammenhang mit dieser; im wirtschaftlichen Sinn vollendet erst der Ankündiger die Gründung, in diesem Sinn ist die Ankündigung der Schlußakt der Gründung (Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 10). Es ist daher auch durchaus gerechtfertigt, die Haftung f ü r die öffentliche Ankündigung von Aktien in einem entsprechenden Zusammenhang mit der Gründerhaftung zu rücken und den Ankündiger als Gründergenossen haften zu lassen. Durch diese Haftung wird dem Ankündiger eine Verantwortung f ü r den Gründungsvorgang auferlegt, und zwar in der Weise, daß ihn im Hinblick auf die öffentliche Ankündigung eine Prüfungspflicht trifft. E r hat insofern ebenfalls f ü r die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben beim Gründungshergang einzustehen, weil er erst dann zur Beteiligung und Übernahme von Aktien auffordern soll, nachdem er geprüft hat, ob er eine solche Aufforderung auch verantworten kann. Die Haftung des Ankündigers ist daher auch unabhängig von der Richtigkeit seiner eigenen Angaben in der öffentlichen Ankündigung.

Anm. 7 2. Begriff der öffentlichen Ankündigung: Die Ankündigung muß öffentlich, also geeignet sein, einem unbegrenzten Personenkreis bekannt zu werden ( R G 39, 248). In Betracht kommen insoweit Zeitungsanzeigen, öffentlicher Aushang, Rundfunkmitteilungen. Die öffentliche Ankündigung kann auch auf brieflichen Weg geschehen, z. B. wenn eine Großbank ihrer ausgedehnten Kundschaft Rundschreiben zuleitet, die in ihrer Form (Druckschrift) und in ihrem Inhalt keine persönlich gehaltene Mitteilung an den einzelnen Empfanger enthält, sondern nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als eine Mitteilung an einen nicht mehr individuell bestimmten Personenkreis betrachtet wird (ähnlich Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 8; Brodmann § 203 Anm. 2 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; a. M . wohl Teichmann-Koehler Anm. 5). M a n wird auch mündliche Empfehlungen, die die Angestellten einer Bank auf Grund einer allgemein gehaltenen Anweisung ihrer Vorgesetzten dem anlagesuchenden Publikum zwecks Übernahme neu herausgekommener Aktien geben, hierunter zu rechnen haben (a. M . insoweit Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 8). — Die öffentliche Ankündigung muß n i c h t u n t e r s c h r i e b e n sein ( R G 80, 198). Es muß jedoch aus ihr hervorgehen, von wem sie herrührt (herrsch. Ansicht; a. M . Vorauf!. Anm. 5). 16*

243

§40 A n m . 8—10

I. Buch: Aktiengesellschaft

Insofern können auch Mitteilungen im r e d a k t i o n e l l e n T e i l e i n e r Z e i t u n g als öffentliche Ankündigung angesehen werden, sofern sie nur erkennen lassen, wer hinter ihnen steht (a. M. Ritter Anm. 2 Nr. 3 a); in einem solchen Fall kann man aber wohl nicht auch den Schriftleiter der Zeitung zur Haftung heranziehen (a. M. Vorauf!. Anm. 5; wie hier Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 8; Brodmann § 203 Anm. 1).

Anm. 8 Die öffentliche Ankündigung muß zu dem Zweck erfolgen, die A k t i e n in den V e r k e h r e i n z u f ü h r e n . Gleichgültig ist, ob sich Aktien derselben Gesellschaft schon im Verkehr befunden haben; nur die angekündigten Aktien selbst dürfen noch nicht im Verkehr gewesen sein. Aktien befinden sich im Verkehr, sobald ihr Inhaber sie freiwillig veräußert hat. Verkauf durch den Gerichtsvollzieher zum Zweck der Zwangsvollstreckung oder durch den Konkursverwalter behufs Verwertung der Konkursmasse ist kein Einführen in den Verkehr im Sinn des § 40 Nr. 3. — Die öffentliche Ankündigung muß sich auf Aktien beziehen; § 40 Nr. 3 ist unanwendbar bei der Ankündigung von Schuldverschreibungen. Bei der öffentlichen Ankündigung von Wandelschuldverschreibungen (§ 15g) ist jedoch wohl entsprechende Anwendung des § 40 Nr. 3 geboten (a. M. insoweit Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 14).

Anm. 9 A n k ü n d i g e r ist nicht nur, wer die Ankündigung unmittelbar hinausgehen läßt, sondern auch derjenige, von dem sie ausgeht (so ausdrücklich § 45 BörsG für die dort geregelte Prospekthaftung; vgl. dazu Anm. 13), der sie also veranlaßt, kurz jeder Urheber der Ankündigung. Als Urheber können mehrere in Betracht kommen, so neben der Emissionsbank, die die Ankündigung erscheinen läßt, auch der Vorstand der Gesellschaft oder ein anderer, welcher der Bank die Unterlagen für die Ankündigung übergeben hat. Z e i c h e n s t e l l e n sind in der Regel nur Werkzeuge des Ausgebers der Aktien zur Entgegennahme von Zeichnungen (RG J W 1908, 480). Nur unter besonderen Umständen sind sie selbständig und können als Urheber einer Ankündigung in Betracht kommen ( R O H G 20, 251). Ob der Ausgeber der Aktien im eigenen Namen, als K o m m i s s i o n ä r oder im fremden Namen als Vermittler handelt, ist gleichgültig. In diesen Fällen ist auch derjenige, für dessen Rechnung die Ankündigung erfolgt, als Ankündiger anzusehen, also z. B. auch der K o m m i t e n t (Düringer-Hachenburg § 203 Anm. 7; a. M . Ritter Anm. 2 Nr. 3 a). Erfolgt die Ankündigung durch ein B e g e b u n g s k o n s o r t i u m , so ist jeder Konsorte Ankündiger im Sinn des § 40 Nr. 3. Die Konsorten haften daher insoweit als Gesamtschuldner.

Anm. 10 3. D e r H a f t u n g s t a t b e s t a n d : § 40 Nr. 3 gibt als Haftungsgrund zwei verschiedene Tatbestände. Der eine ist, daß u n r i c h t i g e o d e r u n v o l l s t ä n d i g e A n g a b e n zum Zweck der Gründung gemacht worden sind. Die Verweisung auf § 39 Abs. 1 besagt, daß die zum Zweck der Gründung gemachten Angaben über Übernahme von Aktien usw. gemeint sind (§ 39 Anm. 5, 6). Ebenso wie dort ist es gleichgöltig, wer die Angaben gemacht hat. Es wird auch nicht vorausgesetzt, daß die Angaben in der Ankündigung selbst wiederkehren; für die Haftung des Ankündigers ist es daher ohne Bedeutung, was er in seiner Ankündigung angegeben hat. Der andere Tatbestand ist S c h ä d i g u n g d e r G e s e l l s c h a f t d u r c h E i n l a g e n — Bar- oder Sacheinlagen (§ 39 Anm. 13) — oder durch Sachübernahmen. In beiden Fällen ist es nicht notwendig, daß zwischen der Ankündigung und dem Schaden ein Kausalzusammenhang besteht, es genügt ein solcher zwischen dem Verhalten der Gründer und dem Schaden (SchlegelbergerQuassowski Anm. 7; Teichmann-Koehler Anm. 6). h||j Die Haftung nach Nr. 3 setzt nicht voraus, daß auch einer der Gründer nach § 39 haftet. Auch wenn sich alle Gründer nach § 39 Abs. 3 exkulpieren können, kann eine Haftung für die öffentliche Ankündigung in Betracht kommen (Düringer-Hachenburg §203 Anm. 10; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; Baumbach-Hueck Anm. 4 B ; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; abweichend z. T. auch die Vorauf!. Anm. 10).

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2. Teil: G r ü n d u n g der Gesellschaft (Fischer)

§ 40 A n m . 11—14

A n m . 11 I n s u b j e k t i v e r H i n s i c h t wird vorausgesetzt, d a ß der Ankündiger die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben oder die Schädigung d u r c h Einlagen oder Sachü b e r n a h m e n kannte oder bei A n w e n d u n g der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsm a n n s (§ 39 A n m . ig) kennen mußte. Wieweit die Prüfungspflicht des Ankündigers reicht, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung ( R G 8o, 196). Jedenfalls kann er sich nicht einfach darauf berufen, d a ß er auf die Zuverlässigkeit der i h m bekannten G r ü n d e r vertraut habe. Sämtliche Voraussetzungen, auch die subjektiven, müssen d e m Ankündiger bewiesen w e r d e n ; er b r a u c h t sich — anders als die G r ü n d e r n a c h § 39 Abs. 3 — nicht zu entlasten. I m m e r h i n wird m a n aber von dem Ankündiger, da ihn grundsätzlich eine Prüfungspflicht trifft, die Darlegung verlangen müssen, ob u n d in welcher Weise er sich über die Richtigkeit u n d Vollständigkeit der z u m Zweck der G r ü n d u n g gemachten A n g a b e n usw. unterrichtet hat (ebenso D ü r i n g e r - H a c h e n b u r g § 203 A n m . 10). A n m . 12 4. E n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g b e i K a p i t a l e r h ö h u n g : W e n n sich die H a f t u n g f ü r die öffentliche Ankündigung unmittelbar auch nur auf Ankündigungen i m Zus a m m e n h a n g mit der G r ü n d u n g einer A G bezieht, so wird m a n eine solche H a f t u n g unter Berücksichtigung des f ü r sie m a ß g e b e n d e n Grundgedankens auch auf die öffentliche Ankündigung neuer (junger) Aktien anläßlich einer K a p i t a l e r h ö h u n g ausdehnen müssen. I n diesem Fall können zwar nicht die Gründer, wohl aber Vorstand u n d Aufsichtsrat unrichtige A n g a b e n über Zeichnung u n d Einzahlung m a c h e n u n d d a d u r c h die Eintragung der K a p i t a l e r h ö h u n g herbeiführen. Der Beginn der Zweijahresfrist m u ß hier in entsprechender A n w e n d u n g des § 40 Nr. 3 von der E i n t r a g u n g der Kapitalerhöhung a n laufen (Düringer-Hachenburg § 203 A n m . 12; B a u m b a c h - H u e c k A n m . 4 B ; a. M . Schlegelberger-Quassowski A n m . 5 ; B r o d m a n n § 2 0 3 A n m . 1, der in dieser Vorschrift n u r eine E r g ä n z u n g der G r ü n d e r h a f t u n g erblickt, f ü r die bei einer Erh ö h u n g des Grundkapitals kein R a u m sei). W e n n einige (Ritter A n m . 2 Nr. 3 c; v. Godin-Wilhelmi A n m . 6; wohl a u c h die Vorauf!. A n m . 9) diese Vorschrift a u c h auf die Ankündigung neuer (junger) Aktien anwenden, aber n u r unter der Voraussetzung, d a ß eine solche Ankündigung i n n e r h a l b von zwei J a h r e n seit der E i n t r a g u n g der A G erfolgt, so ist das widerspruchsvoll u n d nur d u r c h ein äußeres H a f t e n a m Gesetzeswortlaut erklärlich. A n m . 13 5. D i e s t r a f r e c h t l i c h e V e r a n t w o r t u n g b e i ö f f e n t l i c h e r A n k ü n d i g u n g : Ü b e r die strafrechtliche V e r a n t w o r t u n g des Urhebers der A n k ü n d i g u n g s. § 295 Abs. 1 N r . 2; dort ist Unrichtigkeit oder Verschweigen in der A n k ü n d i g u n g selbst vorausgesetzt. I m Fall des § 40 Nr. 1 k a n n strafbare Beihilfe z u m Vergehen gegen § 295 Abs. 1 Nr. 1 vorliegen. A n m . 14 IV. Die Haftung für unrichtige Angaben i m Prospekt nach § 45 BörsG. U n a b h ä n g i g u n d selbständig neben der H a f t u n g f ü r die öffentliche Ankündigung von Aktien n a c h § 40 Nr. 3 steht die H a f t u n g f ü r unrichtige Angaben, die in einem Prospekt zwecks Zulassung der Aktien z u m Börsenhandel (vgl. d a z u § 38 Abs. 2 BörsG u n d die mehrfach geänderte B e k a n n t m a c h u n g über die Zulassung von W e r t p a p i e r e n z u m Börsenhandel vom 4. 7. 10 — RGBl. S. 917) gemacht worden sind. Diese H a f t u n g ist in den §§ 45—49 BörsG geregelt. Sie l a u t e n : § 4 5 . Sind in einem Prospekt, auf G r u n d dessen Wertpapiere z u m Börsenhandel zugelassen sind, Angaben, welche f ü r die Beurteilung des Wertes erheblich sind, unrichtig, so h a f t e n diejenigen, welche den Prospekt erlassen h a b e n , sowie diejenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgebt, w e n n sie die Unrichtigkeit gekannt h a b e n oder ohne grobes Verschulden h ä t t e n kennen müssen, als Gesamtschuldner j e d e m Besitzer eines solchen Wertpapieres f ü r den Schaden, welcher demselben aus der von den gemachten Angaben abweichenden Sachlage erwächst. Das gleiche gilt, wenn der Prospekt infolge der Fortlassung wesentlicher Tatsachen unvollständig

245

§40

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 15 ist und diese Unvollständigkeit auf böslichem Verschweigen oder auf der böslichen Unterlassung einer ausreichenden Prüfung seitens derjenigen, welche den Prospekt erlassen haben, oder derjenigen, von denen der Erlaß des Prospekts ausgeht, beruht. Die Ersatzpflicht wird dadurch nicht ausgeschlossen, d a ß der Prospekt die Angaben als von einem Dritten herrührend bezeichnet. § 4 6 . Die Ersatzpflicht erstreckt sich nur auf diejenigen Stücke, welche auf G r u n d •des Prospekts zugelassen und von dem Besitzer auf Grund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts erworben sind. Der Ersatzpflichtige kann der Ersatzpflicht dadurch genügen, d a ß er das Wertpapier gegen Erstattung des von dem Besitzer nachgewiesenen Erwerbspreises oder •desjenigen Kurswerts übernimmt, den die Wertpapiere zur Zeit der Einführung hatten. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer des Papiers die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospekts bei dem Erwerbe kannte. •Gleiches gilt, wenn der Besitzer des Papiers bei dem Erwerbe die Unrichtigkeit der Angaben des Prospekts bei Anwendung derjenigen Sorgfalt, welche er in eigenen Angelegenheiten beobachtet, kennen mußte, es sei denn, d a ß die Ersatzpflicht durch bösliches Verhalten begründet ist. § 4 7 . Der Ersatzanspruch verjährt in fünf J a h r e n seit der Zulassung der Wertpapiere. § 4 8 . Eine Vereinbarung, durch welche die nach den §§ 45 bis 47 begründete Haftung ermäßigt oder erlassen wird, ist unwirksam. Weitergehende Ansprüche, welche nach den Vorschriften des bürgerlichen Hechtes auf Grund von Verträgen erhoben werden können, bleiben unberührt. § 4 9 . Für die Entscheidung der Ansprüche aus den §§ 45 bis 48 ist ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich das Landgericht des Ortes zuständig, an dessen Börse die Einführung des Wertpapiers erfolgte. Besteht an diesem Landgericht eine K a m m e r f ü r Handelssachen, so gehört der Rechtsstreit vor diese. Die Revision sowie die Beschwerde gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts gehen an den Bundesgerichtshof. I m Unterschied zur Haftung nach § 40 Nr. 3 setzt diese Haftung unrichtige oder unvollständige Angaben in dem Prospekt voraus. Ursächlicher Zusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben und dem entstandenen Schaden ist hier erforderlich, anders bei der Haftung nach § 40 Nr. 3 (Anm. 10). H a f t b a r ist jeder, von dem der Prospekt mit den unrichtigen oder unvollständigen Angaben ausgeht (dazu oben Anm. 9). Die Haftung nach § 45 BörsG ist nicht an die 2-Jahresfrist geknüpft; sie greift unzweifelhaft auch bei der Einführung neuer (junger) Aktien anläßlich einer Kapitalerhöhung ein. Sie besteht im Unterschied zu § 40 Nr. 3 gegenüber jedem, der Aktien erworben hat. I n s u b j e k t i v e r H i n s i c h t setzt § 45 BörsG mehr voraus. Bei Unrichtigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben wird nur f ü r Vorsatz und grobes Verschulden gehaftet, bei Unvollständigkeit sogar nur f ü r bösliches Verschweigen oder f ü r bösliches Unterlassen einer ausreichenden Prüfung. Über einen Fall von groben Verschulden der Emissionsbank vgl. R G 80, 200. Über den Einwand mitwirkenden Verschuldens trifft § 46 Abs. 3 BörsG eine besondere Regelung, die die Anwendung des § 254 BGB ausschließt.

Anm. 15 V. Die Haftung nach § 40. 1. Die H a f t u n g „ g e g e n ü b e r der G e s e l l s c h a f t " : Die Haftung besteht i n a l l e n F ä l l e n d e s § 4 0 ebenso wie in denen des § 39 zunächst nur gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber Aktionären, Gesellschaftsgläubigern und anderen Personen. Z u beachten ist aber, daß in den Tatbeständen des § 40 unter Umständen die Strafvorschrift des § 295 Abs. 1 Nr. 2 eingreifen kann (Anm. 13) und d a ß diese Bestimmung ebenso wie § 295 Abs. 1 Nr. 1 als Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB auch zugunsten der Aktionäre, Gesellschaftsgläubiger usw. angesehen werden m u ß (vgl. dazu § 39 Anm. 4).

246

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 40 A n m . 16, 17

§41 In einem solchen Fall sind dann neben der Gesellschaft auch die Aktionäre, Gesellschaftsgläubiger usw. anspruchsberechtigt. A n m . 16 2. Der Inhalt der H a f t u n g : Soweit im Fall des § 40 Nr. 3 die Haftung darauf beruht, daß unrichtige oder unvollständige Angaben zum Zweck der Gründung gemacht worden sind, handelt es sich auch hier wie im Fall des § 39 um eine Gewährleistungspflicht (v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Der Ankündiger hat also neben dem Gründer für den Zustand einzustehen, der bestehen würde, wenn die Angaben richtig und vollständig wären (Einzelheiten vgl. bei § 39 Anm. 8). In den anderen Fällen der Haftung nach § 40 handelt es sich um eine echte Schadensersatzpflicht. Zur Möglichkeit einer Anwendung des § 254 BGB vgl. ebenfalls § 39 Anm. 8. A n m . 17 3. Das Gesamtschuldverhältnis bei einer Mehrheit von haftenden Personen : Zwischen den nach § 39 haftenden Gründern und ihren Hintermännern sowie den nach § 40 haftenden Personen besteht ein Gesamtschuldverhältnis. Die Gesellschaft kann also von diesen Personen nur einmal Ersatz ihres Schadens verlangen. Dagegen können anspruchsberechtigte Aktionäre, Gesellschaftsgläubiger usw. (§39 Anm. 4; oben Anm. 14, 15) ihren Anspruch grundsätzlich unabhängig von dem Anspruch der Gesellschaft geltend machen (vgl. dazu Anm. 18). Aktionär und Gesellschaft sind also insoweit nicht Gesamtgläubiger. Für das Verhältnis zwischen mehreren haftenden Personen gilt grundsätzlich § 426 BGB; danach sind diese im Innenverhältnis grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet, so daß der Zahlende in diesem Verhältnis auf die anderen zurückgreifen kann. Die Anwendung des § 254 BGB kann aber insoweit zu einer anderen Aufteilung zwischen mehreren haftenden Personen führen (§ 39 Anm. 22). Der ebenfalls haftende Empfänger einer nicht im Gründungsaufwand aufgenommenen Vergütung (Nr. 1) wird im Innenverhältnis grundsätzlich zur Rückerstattung des vollen Betrages verpflichtet sein, weil er anderenfalls auf Kosten der übrigen haftenden Personen grundlos bereichert bliebe (Düringer-Hachenburg § 202 Anm. 62). A n m . 18 VI. Zusammentreffen der Haftung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Aktionären oder anderen Personen. Sind außer der Gesellschaft auch Aktionäre oder andere Personen ersatzberechtigt (§ 39 Anm. 4; oben Anm. 14, 15), so stehen diese Ansprüche grundsätzlich selbständig nebeneinander. Im allgemeinen wird jedoch dadurch, daß der Anspruch der Gesellschaft befriedigt wird, der Schaden des ersatzberechtigten Aktionärs behoben sein (§ 39 Anm. 4 a. E.). Das gilt in der Regel auch für einen Anspruch aus § 45 BörsG. Ist jedoch der Anspruch eines Aktionärs erfüllt, so wird dadurch der Anspruch der Gesellschaft nicht berührt. Ob in einem solchen Fall der Haftende nach Erfüllung des Anspruchs der Gesellschaft von dem zunächst befriedigten Aktionär nach § 8 1 2 BGB Rückzahlung verlangen kann (so Ritter Anm. 2 Nr. 3 d), erscheint nicht unzweifelhaft.

§ 4 1 Verantwortlichkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, die bei der Gründung ihre Sorgfaltspflicht außer acht lassen,sind der Gesellschaft für den ihr daraus entstehenden Schaden als Gesamtschuldner verantwortlich; sie sind dafür verantwortlich, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf die Aktien bes t i m m t e Stelle (§ 49 Abs. 3) hierzu geeignet ist, namentlich die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. 247

§41 Anm. 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft Übersicht Anm.

1 Einleitung 1. Der Haftungstatbestand . . . . 2—5 2. Die Haftung „gegenüber der Ge6 sellschaft" 7 3. Der Inhalt der Haftung. . . .

Anm.

4. 5. 6. 7.

Die Beweislast Das Gesamtschuldverhältnis . . Der Gerichtsstand Die strafrechtliche Verantwortung

8 9 10 ii

Anm. 1 Das H G B (§ 204) ließ die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats für Verletzung ihrer Prüfungspflicht nur hilfsweise haften, soweit nämlich von Gründern, Gründergenossen und Ankündigern kein Schadensersatz zu erlangen war. Das AktG hat diese Beschränkung beseitigt und die Haftungsvoraussetzung erweitert. Schlegelberger-Quassowski (Anm. 1, ähnlich auch Teichmann-Koehler Anm. zu § 4 1 ) wollen in § 41 nur noch einen Anwendungsfall der §§84, 99 sehen; sie erklären §41 streng genommen für überflüssig und ziehen einzelne Bestimmungen der §§ 84, 99 ergänzend heran (Beweislastverteilung, Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern). Das erscheint nach der Fassung des Gesetzes nicht angängig; war es beabsichtigt, so hätte gesagt werden müssen, daß im übrigen die Vorschriften der §§ 84, 99 anzuwenden seien. So wie das Gesetz lautet, kann es nur dahin verstanden werden, daß § 4 1 die Verantwortlichkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats „bei der Gründung" regelt, während die §§ 84, 99 ihre nicht mit der Gründung zusammenhängenden Pflichten betreffen (vgl. § 84 Anm. 2; wie hier auch Baumbach-Hueck Anm. 1).

Anm. 2 1. D e r H a f t u n g s t a t b e s t a n d : Haftbar sind die M i t g l i e d e r des V o r s t a n d e s u n d des A u f s i c h t s r a t s . Sind sie schon aus § 39 oder aus § 40 haftbar, so trifft ihre Haftung aus § 41 damit zusammen. Die Haftung gründet sich darauf, daß Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats ihre Sorgfaltspflicht „bei der Gründung" außer acht gelassen haben. Das H G B (§ 204) sagt enger: „bei der ihnen durch Art. 209h (§§ 192, 193 HGB) auferlegten Prüfung". Die neue Fassung beschränkt sich nicht auf die Prüfung, sondern umfaßt alle Obliegenheiten bei der Gründung, also bis zur Gründung. Dahin gehören namentlich auch die Anmeldung und im Fall der Stufengründung die in der Errichtungsversammlung abzugebende Erklärung (§ 30 Abs. 8). Das Gesetz hebt die Auswahl der Stelle hervor, die nach § 49 Abs. 3 zur Annahme von Einzahlungen auf die Aktien bestimmt ist, und macht die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder besonders dafür verantwortlich, daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Dies sind nur Anwendungsfälle der bei der Gründung zu beobachtenden Sorgfalt; der Zusatz dient der Klarstellung.

Anm. 3 Im Schrifttum (Düringer-Hachenburg § 204 Anm. 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2) wird die Auffassung vertreten, daß sich die Vorstandsmitglieder nicht dadurch nach § 41 verantwortlich machen könnten, daß sie vor der Eintragung der Gesellschaft keine Geschäfte für sie abschließen. Diese Auffassung wird mit der Erwägung begründet, daß es den Vorstandsmitgliedern nicht zumutbar sei, die persönliche Haftung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 zu übernehmen. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Wie in Anm. 12 zu § 34 näher dargelegt ist, muß davon ausgegangen werden, daß die Vorstandsmitglieder auch schon vor der Eintragung der A G verpflichtet sind, f ü r die werdende A G die wirtschaftlich unumgänglich notwendigen Geschäfte abzuschließen, daß sie aber andererseits insoweit von ihrer persönlichen Haftung, mit der Eintragung der A G ohne weiteres frei werden (§ 34 Anm. 26). Daraus folgt, daß diese Verpflichtung der Vorstandsmitglieder auch unter der Haftungssanktion des § 41 steht.

248

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 41 Anm. 4—8

Anm. 4 Die Haftung nach § 41 ist zwingend, sie kann also vertraglich nicht vorher ausgeschlossen werden. Das ist zwar hier im Unterschied zu § 42 (vgl. § 42 Abs. 4) nicht ausdrücklich im Gesetz ausgesprochen worden; man wird das aber nach dem Sinnzusammenhang der ganzen Vorschriften (vgl. auch § 43) annehmen müssen (ebenso Ritter Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 2). Anm. 5 In subjektiver Hinsicht wird für die Haftung Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorausgesetzt. Als Maßstab für die Annahme einer Fahrlässigkeit ist von der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitgliedes bzw. Aufsichtsratsmitglieds auszugehen. Ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats kann sich nicht damit entlasten, daß er den normalerweise zu stellenden Anforderungen nicht gerecht zu werden vermöge. Dann hätte er eben ein solches Amt nicht übernehmen dürfen (RG 144, 355). Es erscheint daher auch nicht angängig, einen R e c h t s i r r t u m bei einem nicht rechtskundigen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ohne weiteres als Entschuldigungsgrund anzusehen (so v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 unter Berufung auf R G 144, 355). Ein Rechtsirrtum als Entschuldigungsgrund kann vielmehr nur beim Vorliegen besonderer Umstände, etwa bei der Auslegung unklarer Rechtssätze, in Betracht kommen (vgl. dazu im übrigen § 42 Anm. 11). Anm. 6 2. Die Haftung „gegenüber der Gesellschaft,,: Auch die Haftung der Vorstands* und Aufsichtsratsmitglieder besteht zunächst nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber den Aktionären, Gesellschaftsgläubigern oder anderen Personen. Jedoch ist auch hier wie in den Fällen des § 39 und des § 40 (vgl. § 39 Anm. 4; § 40 Anm. 15) zu beachten, daß die Vorschriften der §§294, 295 Abs. 1 Nr. 1 Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB auch zugunsten der Aktionäre, der Gesellschaftsgläubiger usw. sind, und daß daher diesen Personen danach ebenfalls ein selbständiger Schadensersatzanspruch zustehen kann. Daneben kann auch ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB in Betracht kommen. Dagegen ist eine Anwendung der §§84 Abs. 5, 99 zugunsten der Gesellschaftsgläubiger insoweit nicht möglich (a. M. Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; vgl. dazu oben Anm. 1). Anm. 7 3. Der Inhalt der Haftung: Die Haftung geht auf Leistung von Schadensersatz. Dabei hat der Ersatzpflichtige den Zustand herzustellen, der den gesetzlichen Erfordernissen der Eintragung entspricht; sind also z. B. die nach § 28 vorgeschriebenen Einzahlungen nicht geleistet, so hat sie das ersatzpflichtige Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied zu leisten (RG 144, 357). In keinem Fall kann sich der Ersatzpflichtige darauf berufen, daß ohne sein schuldhaftes Verhalten die AG nicht eingetragen worden wäre (RG 144, 357). Auch die Leistung entgangenen Gewinns kann in Betracht kommen. Der E i n w a n d mitwirkenden V e r s c h u l d e n s der Gesellschaft könnte nur dann erhoben werden, wenn nach ihrer Entstehung der Vorstand gewechselt und der neue Vorstand es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (§ 254 Abs. 2 BGB; vgl. § 39 Anm. 8). Anm. 8 4. Die Beweislast: Die Gesellschaft hat die Entstehung eines Schadens zu beweisen. Dagegen trifft die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats die Beweislast dafür, daß sie die erforderliche Sorgfalt aufgewendet haben. Das ergibt sich zwar nicht, wie Schlegelberger-Quassowski Anm. 2 meinen, aus einer unmittelbaren Anwendung der §§ 84 Abs. 2 Satz 2, 99 (vgl. dazu oben Anm. 1), sondern daraus, daß die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats in einem Dienstvertragsverhältnis stehen, das eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Aus solchen Verhältnissen 249

§ 4 1 A n m . 9—11 §42

I. Buch: Aktiengesellschaft

erwächst für den Geschäftsbesorger nach den §§ 666, 675 BGB die Pflicht, Rechenschaft abzulegen, und daraus folgt, daß sie sich zu entlasten haben (RG 144, 352; vgl. auch BGH L M Nr. 1 zu § 1 1 6 HGB). Anm. 9 5. Das Gesamtschuldverhältnis: Sind mehrere Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. Zwischen den nach §§ 39,40 haftenden Personen und den haftenden Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats ist ebenfalls eine Gesamtschuldverhältnis anzunehmen, wenngleich der Entstehungsgrund der beiderseitigen Haftung ein verschiedener ist. Das Gesamtschuldverhältnis wird hier durch die Einheit des Zwecks der Haftung bestimmt (vgl. dazu R G 77, 323; 82, 439; 159, 89; BGH L M Nr. 9 zu §426 BGB). Für das Rückgriffsrecht desjenigen, der die Gesellschaft befriedigt hat, gilt § 426 BGB, wobei gegebenenfalls auch § 254 BGB zu berücksichtigen ist (vgl. dazu § 39 Anm. 22, § 40 Anm. 17). A n m . 10 6. Der Gerichtsstand: Da die Haftung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nach § 41 auf Vertrag beruht (Anm. 8), so ist der G e r i c h t s s t a n d der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) nur dann gegeben, wenn zugleich der Tatbestand einer strafbaren Handlung (Anm. 9) vorliegt. Unberührt bleibt eine Inanspruchnahme aus den allgemeinen Vorschriften (§ 826 BGB) und ein sich daraus ergebender Gerichtsstand nach § 32 ZPO. Nimmt die Gesellschaft neben Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats zugleich auch Personen, die nach den §§ 39, 40 haften, in Anspruch, so muß unter Umständen nach § 36 Nr. 3 ZPO das zuständige Gericht bestimmt werden. A n m . 11 7. Die strafrechtliche Verantwortung: Über die strafrechtliche Verantwortlichkeit s. §§ 294, 295 Abs. 1 Nr. 1.

§43 Verantwortlichkeit der Gründungsprüfer (1) Die Gründungsprüfer, ihre Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie dürfen nicht unbefugt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verwerten, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten erfahren haben. Wer seine Obliegenheiten verletzt, ist der Gesellschaft zum E r s a t z des daraus entstehenden Schadens verpflichtet; m e h r e r e Personen haften als Gesamtschuldner. (2) Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich auf hunderttausend Deutsche Mark für eine Prüfung; dies gilt auch dann, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder m e h r e r e zum E r s a t z verpflichtende Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben. (3) Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht, wenn eine Prüfungsgesellschaft Gründungsprüfer ist, auch gegenüber dem Aufsichtsrat und den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft. Der Vorsitzer des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft und sein Stellvertreter dürfen jedoch die von der Prüfungsgesellschaft erstatteten Berichte einsehen, die dabei erlangten Kenntnisse aber nur verwerten, soweit es die Erfüllung der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats fordert. (4) Die Ersatzpflicht nach diesen Vorschriften kann durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. 250

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§42 Anm. 1—3

Ü b ersieht Anm.

Einleitung i I. Die Haftung der Gründungsprüfer 1. Allgemeines 2 2. Der Haftungstatbestand . a) Pflicht zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung . . . 3 b) Pflicht zur Verschwiegenheit 4—9 c) Das Verbot einer Verwertung 10 d) Der Sorgfaltsmaßstab . 11 3. Der Inhalt der Haftung . 12 4. Die Haftung für die Erfüllungsgehilfen . . . . 13, 14 5. Die Beweislast 15 II. Die Haftung der Gehilfen . 16 III. Die Haftung der gesetzlichen Vertreter 17 IV. Das Gesamtschuldverhältnis bei der Haftung mehrerer Personen 18

Anm.

V . Die Beschränkung der Haftung bei Fahrlässigkeit (Abs. 2) 19, 20 VI. Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats einer Prüfungsgesellschaft (Abs. 3) 1. Allgemeines 2. Das Recht des Aufsichtsratsvorsitzenden auf Einsicht in den Prüfungsbericht 3. Die Pflichten des Aufsichtsratsvorsitzenden . . 4. Zur entsprechenden Anwendung des Abs. 3 . .

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VII. Die Vorschrift des § 42 als zwingendes Recht (Abs. 4) 1. Der zwingende Charakter zugunsten der Gesellschaft 2. Ausnahme von dem relativ zwingenden Charakter des Abs. 4

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23 24

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Anm. 1 Das HGB in seiner Fassung von 1897 enthielt noch keine Vorschriften über die Haftung von Revisoren. Erst die Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 31 brachte in Anlehnung an die §§ 63, 137 VersAufsG Vorschriften über die Verantwortlichkeit von Bilanzprüfern (vgl. § 262 g HGB). Für Gründungsprüfer fehlte es an einer entsprechenden Vorschrift. Das AktG füllt mit § 42 die Lücke aus und stellt Gleichmäßigkeit mit den nach §118 bestellten Prüfern (§ 120) und den Abschlußprüfern (§ 141) her, in § 302 auch Gleichmäßigkeit der strafrechtlichen Verantwortung. I. Die Haftung der Gründungsprüfer. Anm. 2 1. Allgemeines: Gründungsprüfer sind nach §25 entweder Einzelpersonen oder Prüfungsgesellschaften. Sie werden vom Gericht bestellt, ähnlich wie ein Konkurs- oder Zwangsverwalter (§25 Anm. 5, 6), das Gericht setzt auch ihre erstattungsfähigen Auslagen und ihre Vergütung fest (§27 Abs. 2). Niemand ist genötigt, die amtsähnliche Aufgabe eines Gründungsprüfers zu übernehmen. Für denjenigen aber, der sie übernimmt, ergeben sich die daraus entspringenden Pflichten, im Grunde genommen, von selbst. Diese Pflichten sind nicht vertraglicher, sondern gesetzlicher Art. Zwischen den Gründungsprüfern einerseits und den Gründern und der Gesellschaft andererseits besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, auf das sinngemäß auch die für das Vertragsrecht geltenden Vorschriften anzuwenden sind, soweit das AktG eine besondere Regelung nicht enthält (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). 2. Der Haftungstatbestand: Verletzt der Gründungsprüfer schuldhaft eine der ihm obliegenden gesetzlichen Pflichten, so begründet das seine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft. Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner. Anm. 3 a) Pflicht zur unparteiischen P r ü f u n g : Diese Pflicht ist im wesentlichen dieselbe, wie sie einem Sachverständigen obliegt. Unparteilichkeit verlangt eine sittliche Haltung,

251

§42 Anm. 4—6

I. Buch: Aktiengesellschaft

die nur sachliche Gesichtspunkte gelten läßt und alles Persönliche ausscheidet. Der Prüfer muß diese Unparteilichkeit namentlich gegenüber den Gründern und gegenüber den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern wahren, er darf ihnen nicht gefallig sein, sofern sich ein solches Verhalten sachlich nicht rechtfertigen läßt. Seine Prüfungspflicht besteht in dieser Hinsicht nicht in der einseitigen Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft, sondern sie dient auch und vor allem den Interessen der Gesellschaftsgläubiger und der Allgemeinheit. Das wird mit dem Ausdruck Unparteilichkeit besonders unterstrichen. Unter Prüfung ist zunächst die Vornahme der Prüfung selbst, aber auch ihre rechtzeitige und vollständige Erledigung wie überhaupt die Erfüllung aller Aufgaben zu verstehen, die nun einmal mit einer sachgerechten Prüfung verbunden sind (vgl. dazu B G H 16, 25).

Anm. 4 b) P f l i c h t z u r V e r s c h w i e g e n h e i t : Die Gründer sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht verbietet es den Gründern, irgend etwas von dem, was sie bei Gelegenheit der Prüfung über die Gründung selbst, über die dabei beteiligten Personen oder über irgendwelche Verhältnisse der künftigen A G in Erfahrung gebracht haben, einem Unbeteiligten bekannt zu geben, sofern die Gesellschaft auch nur das geringste Interesse an einer Geheimhaltung haben kann. Die Verschwiegenheitspflicht wird nicht dadurch aufgehoben, daß von anderer Seite, etwa in der Presse, über Vorgänge berichtet wird, die sich bei der Prüfung herausgestellt haben; auch die Bestätigung einer wahrheitsgemäßen Darstellung solcher Vorgänge würde die V e r schwiegenheitspflicht verletzen.

Anm. 5 Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alle wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft und vor allem auf die G e s c h ä f t s - u n d B e t r i e b s g e h e i m n i s s e der künftigen A G . Dieser Begriff ist vornehmlich aus dem Wettbewerbsrecht bekannt ( § 1 7 U W G ) . Dabei ist als G e h e i m n i s jede Tatsache anzusehen, „die im Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb steht, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig ist und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll" ( R G , G R U R 1939, 3 1 1 ; vgl. auch R G 149, 3 3 4 ; R A G G R U R 1944, 48). Das Geschäftsgeheimnis betrifft die kaufmännische, das Betriebsgeheimnis die technische Seite des Unternehmens. Z u den Geschäftsgeheimnissen gehören Preiskalkulationen ( R G S t . 35, 136), Kundenlisten ( R G S t . 39, 322), der Plan, gewisse Waren plötzlich auf den Markt zu werfen ( R G S t . 48, 14), zu den Betriebsgeheimnissen Modelle ( R G S t . 3 1 , 9 1 ) , Muster ( R G S t . 38, 1 1 0 ) , Erfindungen ( R G S t . 32, 1 3 6 ; 2 1 7 ) , Rezepte ( R G S t . 6 1 , 418). Weitere Einzelheiten zum Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses bei Reimer Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht 3. Aufl. 1954 § 17 U W G Anm. 1. — Gesetz- oder sittenwidrige Geschäftsgeheimnisse werden nicht geschützt.

Anm. 6 Die Verschwiegenheitspflicht hat kein zeitliches Ende.

Selbst wenn die geheim zu haltenden Tatsachen durch andere bekannt geworden sein sollten, so kann es doch noch von Erheblichkeit sein, wenn der Gründungsprüfer aus eigener Kenntnis das bestätigt, was andere gehört haben (vgl. oben Anm. 4). Immerhin kann eine so allgemeine Offenkundigkeit eingetreten sein, daß Verschwiegenheit keinen Sinn mehr hätte; alsdann fällt der Zwang zur Verschwiegenheit weg. Davon abgesehen, kann die Gesellschaft die zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen von dieser Pflicht entbinden. Denn nur ihrem Schutz dient die Verschwiegenheitspflicht. Sie kann das aber erst, nachdem sie eingetragen ist. Zuständig ist der Vorstand. Mit der Erteilung einer solchen Erlaubnis ist aber noch nicht gesagt, daß ungünstige, wenn auch wahre Tatsachen beliebig ohne Rücksicht auf Personen und Umstände verbreitet werden dürften. Das kann gegen § 826 B G B verstoßen und Schadensersatzansprüche einzelner davon Betroffener begründen ( R G 76, 1 1 2 ; 1 1 5 , 4 1 7 ; S e u f f A 82 Nr. 1 2 2 ; Warn. 1 9 1 4 Nr. 186).

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 42 Anm. 8—10

Anm. 7 Wer nach § 42 zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, hat nach § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht, von dem er in der Regel Gebrauch machen muß (RG 53, 317). Eine entsprechende Regelung gilt nach dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. 8. 53 (BGBl. I 735) auch für den Strafprozeß. Diese Erweiterung des Zeugnisverweigerungsrechts war bedingt durch die Neufassung des § 300 StGB. Merkwürdigerweise ist aber bislang § 177 R A O noch nicht geändert, so daß der Gründungsprüfer nach § 175 R A O wohl auch jetzt noch dem Finanzamt gegenüber auskunftspflichtig ist. Diese Privilegierung fiskalischer Interessen ist keineswegs gerechtfertigt. Anm. 8 Grenzen der Verschwiegenheitspflicht: Die Verschwiegenheitspflicht der Gründungsprüfer kann selbstverständlich nicht gegenüber denjenigen bestehen, zu deren Kenntnis der Prüfungsbericht bestimmt ist. Das ist außer dem Gericht und der amtlichen Vertretung des Handelsstandes in erster Linie der Vorstand der in der Gründung begriffenen Gesellschaft. Aus der Aufgabe des Aufsichtsrats, darüber zu wachen, daß alles ordnungsmäßig zugeht (§ 23 Anm. 4c), wird ferner zu schließen sein, daß die Gründungsprüfer sich zur Aufklärung verdächtiger oder überhaupt aufklärungsbedürftiger Umstände auch mit Mitgliedern des Aufsichtsrats der in der Gründung befindlichen Gesellschaft in Verbindung setzen können. Werden bei der Stufengründung die Gründungsprüfer zur Errichtungsversammlung hinzugezogen, was zwar nicht vorgeschrieben, aber statthaft ist (§ 30 Anm. 23), und werden sie dort zur Äußerung aufgefordert, so hat der Richter, der die Versammlung leitet, darüber zu entscheiden, wieweit sie Auskunft zu geben haben. Im übrigen gilt die Verschwiegenheitspflicht auch gegenüber Aktionären und Angestellten der Gesellschaft. Ist eine Prüfungsgesellschaft Gründungsprüfer, so besteht die Verschwiegenheitspflicht selbstverständlich nicht gegenüber dem V o r s t a n d der P r ü f u n g s g e s e l l s c h a f t . Denn dieser ist ja, auch wenn er einen Gehilfen (Angestellten) mit der Prüfung beauftragt, derjenige, der die Prüfung leitet und den Prüfungsbericht unter eigener Verantwortung erstattet. Zum Umfang der Verschwiegenheitspflicht g e g e n ü b e r dem A u f s i c h t s r a t der Prüfungsgesellschaft vgl. Anm. 21 ff. Anm. 9 Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, daß die Verschwiegenheitspflicht auch dort ihre Grenze finde, wo der Gründungsprüfer zur Wahrnehmung eigener Rechte genötigt sei, Geheimnisse zu offenbaren (Vorauf!. Anm. 8; Baumbach-Hueck Anm. 3 A). Diese Ansicht erscheint nicht unbedenklich. Man wird hier wohl die einander widerstreitenden Interessen nach einem objektiven Maßstab abwägen müssen und dem Gründungsprüfer in einem solchen Fall ein Recht zur Offenbarung nur dann zubilligen können, wenn ihm mit Rücksicht auf das Verhalten der Gesellschaft die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht zuzumuten ist (ähnlich Ritter Anm. 3). Hierbei wird man einerseits das wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft an der Geheimhaltung des im Einzelfall in Frage stehenden Geheimnisses und andererseits das wirtschaftliche Interesse des Gründungsprüfers an der Wahrnehmung des ihm zustehenden Rechts abzuwägen haben. Auch erscheint es sachgerecht, daß der Gründungsprüfer in einem solchen Fall zunächst der Gesellschaft die Offenbarung androht und ihr damit die Gelegenheit gibt, diese Offenbarung abzuwenden. Anm. 10 c) Das Verbot einer Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen : Das Verwertungsverbot ist von der Pflicht zur Verschwiegenheit zu unterscheiden, es steht selbständig neben dieser. Eine Verwertung liegt nicht schon in der Mitteilung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an andere, wie umgekehrt eine Verwertung solcher Geheimnisse nicht eine Mitteilung an andere voraussetzt, also auch ohne eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht erfolgen kann. Die Verwertung ist eine V e r w e n d u n g zu eigenen Z w e c k e n , sei es auch nur mittelbare Verwendung. 253

§42

Anm. 11—13

I. Buch: Aktiengesellschaft

Sie kann auch durch eine Mitteilung an andere vorgenommen werden. I n einem solchen Fall fallt die unbefugte Verwertung mit der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zusammen. Verboten ist die u n b e f u g t e Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Unbefugt ist die Verwertung, wenn sie weder mit (ausdrücklicher oder stillschweigender) Erlaubnis der Gesellschaft noch auf Grund eines besonderen Rechts geschieht.

Anm. 11 d) D e r S o r g f a l t s m a ß s t a b : Der Gründungsprüfer ist zu einer g e w i s s e n h a f t e n Prüfung verpflichtet. Gewissenhaftigkeit verlangt Anwendung jeder erdenklichen Sorgfalt; es sind dabei hohe Anforderungen zu stellen, wie sie die Standespflichten eines angesehenen Berufs mit sich bringen (Baumbach-Hueck Anm. 2). Das Bewußtsein einer Schädigung der Gesellschaft ist hierbei nicht erforderlich. Schwierig ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie der R e c h t s i r r t u m e i n e s P r ü f e r s zu behandeln ist. Schlegelberger-Quassowski Anm. 7 wollen bei bestrittenen rechts- oder betriebswissenschaftlichen Grundsätzen die Möglichkeit einer Exkulpation mit Rechtsirrtum in der Mehrheit der Fälle bejahen. M a n wird dieser Meinung insoweit zustimmen können, als der Rechtsirrtum im Einzelfall durchaus die Annahme einer Fahrlässigkeit ausschließen kann. Jedoch erscheint in dieser Richtung eine gewisse Zurückhaltung geboten. Auszugehen ist zunächst davon, daß dem Gründungsprüfer eine gewissenhafte Prüfung der in Betracht kommenden rechts- oder betriebswissenschaftlichen Fragen obliegt. Sodann ist er gehalten, bei mehreren rechtlich oder betriebswirtschaftlich ernsthaft vertretbaren Möglichkeiten diejenige zu wählen, die sicherer und zweifelsfrei ist (vgl. R G 152, 344 f ü r die insoweit recht ähnliche Pflicht des Rechtsanwalts), die also in einer umfassenderen Weise dem Zweck der Gründungsprüfung gerecht wird. I n solchen Fällen muß er also bei seiner Prüfung im allgemeinen die strengere Auffassung berücksichtigen, nämlich diejenige, die dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger und der Allgemeinheit in einem weiteren U m f a n g Rechnung trägt. Daher wird man nur dort, wo zwischen verschiedenen ernsthaft vertretbaren Möglichkeiten eine Auswahl unter diesem Gesichtspunkt nicht erfolgen kann, und wo auch die höchstrichterliche Rechtsprechung keinen geeigneten Anhaltspunkt f ü r die Auswahl bietet, eine Exkulpation des Prüfers wegen Rechtsirrtums bejahen können.

Anm. 12 3. D e r I n h a l t d e r H a f t u n g : Die Haftung der Gründungsprüfer ist auf eine echte Schadensersatzpflicht im Sinne der §§249 ff. B G B gerichtet. Die Gründungsprüfer haben den Schaden zu ersetzen, den die Gesellschaft durch die Verletzung der ihnen obliegenden Verpflichtungen erlitten hat. Insoweit unterscheidet sich die Haftung der Gründungsprüfer von der Haftung der Gründer, die ihrem Inhalt nach wesentlich eine Gewährleistungspflicht ist (§ 39 Anm. 8; vgl. auch § 40 Anm. 16). Die Haftung besteht gegenüber der Gesellschaft, nur sie hat den Schadensersatzanspruch aus § 42, also nicht auch die Aktionäre oder Gesellschaftsgläubiger. Letztere können allerdings gegen den Gründungsprüfer einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 B G B haben, da § 302 auch S c h u t z g e s e t z zu ihren Gunsten ist. Insoweit gilt das gleiche wie zu § 39 Anm. 4. Für den E i n w a n d d e s m i t w i r k e n d e n V e r s c h u l d e n s gegenüber der Gesellschaft gilt ebenfalls das gleiche wie bei § 39 Anm. 8.

Anm. 13 4. D i e H a f t u n g f ü r d i e E r f ü l l u n g s g e h i l f e n : Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, daß der Gründungsprüfer f ü r die von ihm bei der Prüfung zugezogenen Gehilfen nicht nach § 2 7 8 B G B hafte (Vorauf!. Anm. 2 ; Ritter Anm. 4 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Das wird im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei den Pflichten des Gründungsprüfers um solche höchstpersönlicher Art handele, daß man sich insbesondere f ü r die bei der Prüfung anzuwendende Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit keiner Erfüllungsgehilfen bedienen könne. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden (ebenso Schmidt § 141 Anm. 8 ; Schlegelberger-Quassowski § 1 4 1

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 42 Anm. 14,15

Anm. 3, 9; Baumbach-Hueck Anm. 4 B). Zwar wird man der Gegenmeinung darin zustimmen müssen, daß bei höchstpersönlichen Leistungen eines Schuldners für die Anwendung des § 278 BGB kein Raum ist. Das hat seinen Grund darin, daß die Heranziehung eines Gehilfen zur Erbringung einer höchstpersönlichen Leistung bereits eine Vertragsverletzung des Schuldners darstellt und dieser daher für jeden Schaden, der durch eine solche Heranziehung entstanden ist — und zwar unabhängig von einem Verschulden des Gehilfen —• zu haften hat. Eine Anwendung des § 278 B G B bei höchstpersönlichen Leistungen würde sich also mit dem besonderen Inhalt der Schuldnerverpflichtung überhaupt nicht vertragen. Bei der Gründungsprüfung kann aber von einer höchstpersönlichen Leistung in diesem Sinne nicht gesprochen werden. Denn es ist anerkannt, daß sich ein Prüfer, vor allem eine Prüfungsgesellschaft, bei der Vornahme der Prüfung im allgemeinen auch vertrauenswürdiger Angestellter als Erfüllungsgehilfen bedienen kann. Damit entfallt in diesem Umfang der höchstpersönliche Charakter der Prüfungspflichten, so daß insoweit die Anwendung des § 278 BGB nicht nur möglich, sondern auch geboten ist. A n m . 14 Schwieriger erscheint die Frage einer A n w e n d u n g d e s § 278 B G B bei d e r V e r s c h w i e g e n h e i t s p f l i c h t des Prüfers, also dann, wenn ein bei der Prüfung zugezogener Erfüllungsgehilfe geheimzuhaltende Umstände einem Unbeteiligten mitteilt. Zwar ist die Anwendung des § 278 BGB bei Unterlassungspflichten nicht grundsätzlich ausgeschlossen ( R G 63, 1 1 6 ; 79, 42; 160, 3 1 4 ; B G H Lind.-Möhr. Nr. 1 zu §827 BGB, insoweit allerdings nicht abgedruckt); es ist aber erforderlich, daß sich in einem solchen Fall der Schuldner des Erfüllungsgehilfen zur Erbringung seiner Unterlassungspflicht bedient. Schmidt (§141 Anm. 8) meint, daß diese Voraussetzung bei einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch einen Erfüllungsgehilfen nicht bejaht werden könne. Das erscheint jedoch nicht richtig. Man muß die Verschwiegenheitspflicht des Prüfers in den notwendigen Zusammenhang mit dem Umstand, daß die geheim zu haltenden Tatsachen dem Prüfenden erst durch die Prüfung bekannt wurden, bringen und demgemäß wohl sagen, daß der Prüfer nach dem Grundgedanken des § 278 BGB auch dafür einzustehen hat, daß sein Erfüllungsgehilfe die ihm bei der Prüfung und nur durch die Prüfung bekannt gewordenen und geheim zu haltenden Umstände nicht schuldhaft Unbeteiligten mitteilt. A n m . 15 5. Die B e w e i s l a s t : Die Gesellschaft trägt die Beweislast zunächst dafür, daß ihr ein Schaden entstanden ist. Darüber hinaus muß sie auch beweisen, daß der Gründungsprüfer oder sein Erfüllungsgehilfe die ihm obliegenden Verpflichtungen verletzt hat (Anm. 3ff.). Beruft sich in diesem Zusammenhang der Gründungsprüfer darauf, daß er zur Offenbarung geheim zu haltender Umstände oder zur Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen berechtigt gewesen sei, so muß er dieses seinerseits beweisen. Schließlich muß die Gesellschaft auch beweisen, daß der Gründungsprüfer die ihm obliegende Gewissenhaftigkeit nicht beobachtet hat (v. Godin-Wilhelmi Anm. I ; Baumbach-Hueck Anm. 4 B ; a. M. wohl Ritter Anm. 6). Die Verhältnisse liegen hier insoweit grundsätzlich anders als im Fall des §41 (vgl. §41 Anm. 8). Die Vorstands* und Aufsichtsratsmitglieder trifft die Beweislast für die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt, weil sie der Gesellschaft für ihre Geschäftsbesorgung rechnungslegungspflichtig sind, also u. a. auch darzutun haben, wie sie die ihnen obliegenden Aufgaben erfüllt haben. Eine solche Rechnungslegungspflicht obliegt den Gründungsprüfern nicht, so daß es hier bei der allgemeinen Regel verbleibt, daß die Gesellschaft das Vorliegen der Voraussetzungen ihres Anspruchs, also auch das Verschulden der Gründungsprüfer, zu beweisen hat. Wenn im Schrifttum dazu die Ansicht vertreten wird, daß der Gesellschaft der ihr obliegende Beweis durch den B e w e i s d e s e r s t e n A n s c h e i n s erleichtert werden könne (Vorauf!. Anm. 1 5 ; Baumbach-Hueck Anm. 4 B), so begegnet das Bedenken. Auch beim Nachweis des Verschuldens ist für den Beweis des ersten Anscheins nur bei typischen Vorgängen Raum, also nur bei solchen Vorgängen, die nach den Erfahrungs-

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§42 Anm. 16—18

I. Buch: Aktiengesellschaft

Sätzen des Lebens einen bestimmten Verlauf nehmen, und bei denen daher in einem konkreten Einzelfall eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen ebensolchen Verlauf der Dinge begründetist (vgl. dazu B G H L M Nr. 2, 4, 7, 15 zu § 286 [C] Z P O ; Nr.2 zu §61 V V G ) . Davon kann bei einer Gründungsprüfung im allgemeinen nicht gesprochen werden, da die Verletzung individueller Prüfungspflichten in der Regel nicht einen typischen Geschehensablauf auslöst oder selbst darstellt. Anm. 16 II. Die Haftung der Gehlifen: Zwischen den Gehilfen eines Gründungsprüfers und der Gesellschaft besteht nach den allgemeinen Vorschriften kein Schuldverhältnis, so daß der Gehilfe danach der Gesellschaft auch nicht unmittelbar wegen fahrlässigen Verhaltens haften würde. Abs. 1 stellt jedoch ein solches Schuldverhältnis zwischen dem Prüfungsgehilfen und der Gesellschaft her und verpflichtet die Prüfungsgehilfen ebenfalls zu einer unparteiischen und gewissenhaften Prüfung. •> Als G e h i l f e n kommen nicht nur die Angestellten in Betracht, die mit der Prüfung selbst ganz oder teilweise beauftragt werden, wie z. B. ein Angestellter, der einen Warenbestand aufnimmt, sondern auch frei angenommene Hilfskräfte, auch solche untergeordneter Art, z. B. eine zur Niederschrift des Prüfungsberichts verwandte Schreibhilfe. Wenn auch nach dem Wortlaut des Abs. 1 allen Gehilfen eines Gründungsprüfers die gleichen Pflichten wie diesem obliegen, so muß man doch nach der Art der Tätigkeit dieser Gehilfen Unterschiede machen. Jeder zugezogene Gehilfe kann von der Gesellschaft nur für die schuldhafte Verletzung der ihm übertragenen Aufgaben verantwortlich gemacht werden, wobei der anzuwendende S o r g f a l t s m a ß s t a b nach der Art der jeweils in Betracht kommenden Tätigkeit ein verschiedener sein kann. Schreibkräfte werden praktisch wohl nur wegen schuldhafter Verletzung der auch ihnen obliegenden Verschwiegenheitspflicht oder wegen schuldhaften Verstoßes gegen das auch für sie geltende Verbot einer Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen der Gesellschaft ersatzpflichtig sein. Neben der Haftung der Gehilfen aus § 42 kann auch ihre Haftung wegen u n e r l a u b t e r H a n d l u n g in Betracht kommen (§ 302 Nr. 1 und 2 in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB, § 826 BGB). Anm. 17 III. Die Haftung der gesetzlichen Vertreter: Nach Abs. 1 können auch die gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft unmittelbar und persönlich verantwortlich gemacht werden. Ohne diese Vorschrift würden auch sie — genau wie die Prüfungsgehilfen -— nur aus unerlaubter Handlung haften können. Sie sind der Gesellschaft auch persönlich zu einer gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Hierbei sind an sie die gleichen Anforderungen wie an einen Einzelprüfer zu stellen. Ritter (Anm. 4) will den Abs. 1 bei einer OHG und einer K G sinngemäß anwenden und demgemäß nicht alle Mitglieder, sondern nur die geschäftsführenden prüfenden Mitglieder neben der Gesellschaft haften lassen. Dem ist zuzustimmen, soweit es sich um die persönliche Prüfungspflicht eines einzelnen Gesellschafters, also um seine Pflicht zur persönlichen Vornahme einer gewissenhaften und unparteiischen Prüfung handelt; abzulehnen ist diese Ansicht jedoch, soweit diese eine Beschränkung der Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter (§128 HGB) gegenüber der in der Gründung befindlichen A G für die Verbindlichkeit der Prüfungsgesellschaft zur Folge haben würde. Anm. 18 IV. Das Gesamtschuldverhältnis bei der Haftung mehrerer Personen. Haften mehrere Personen der Gesellschaft nach § 42, so haften sie dieser als Gesamtschuldner. Die Ausgleichspflicht der Gesamtschuldner im Innenverhältnis bestimmt sich nach §426 BGB. Dabei kann auch hier (vgl. dazu §39 Anm.22) die Anwendung des §254 BGB zu einer wesentlich anderen Aufteilung im Innenverhältnis führen. Für das Verhältnis zwischen dem nach § 278 BGB haftenden Prüfer und seinem Erfüllungsgehilfen, 256

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 42 A n m . 19—21

der durch sein schuldhaftes Verhalten den Schaden herbeigeführt hat, kann nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages im allgemeinen angenommen werden, daß der Erfüllungsgehilfe im Innenverhältnis den von ihm schuldhaft verursachten Schaden allein zu tragen hat (RG 75, 256; J W 1936, 2066; Schlegelberger-Quassowski § 141 Anm. 7). Auch im Verhältnis zu solchen Personen, die nach §§ 39/41 haften, besteht ein Gesamtschuldverhältnis, wenngleich der Entstehungsgrund der Haftung in den einzelnen Fällen der §§ 39 ff. ein verschiedener ist, und wenngleich die Haftung im Fall des § 42 auf echten Schadensersatz und in den anderen Fällen mitunter auf eine Gewährleistung gerichtet ist (vgl. §41 Anm. 9). Anm. 19 V. Die Beschränkung der Haftung bei Fahrlässigkeit (Abs. 2 ) . Bei Fahrlässigkeit bestimmt das Gesetz in Abs. 2 für die Haftung eine Höchstgrenze. Für e i n e Prüfung wird nur bis zum Betrage von 100000 DM gehaftet, und zwar auch dann, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere zum Ersatz verpflichtende Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben. Alle wegen Fahrlässigkeit Verantwortlichen haften also zusammen nur auf 100000 DM, die wegen Vorsatzes Verantwortlichen unbeschränkt. Haben bei einer und derselben Prüfung mehrere an einer schadenverursachenden Unrichtigkeit im Prüfungsbericht mitgewirkt, zwei Gehilfen vorsätzlich, zwei andere fahrlässig, und beträgt der Schaden 200000 DM, so haften alle vier in Höhe von 100000 DM als Gesamtschuldner, die beiden vorsätzlich handelnden Gehilfen darüber hinaus für nochmals 100000 DM als Gesamtschuldner. Der Zweck dieser Beschränkung ist nach der Begründung zu § 63 Abs. 2 VersAG (Reichstagsdrucksache Nr. 848 von 1930 S. 16) der Schutz des Prüfers vor der drückenden Besorgnis unbegrenzter Ersatzpflicht und die Verbilligung der Prämie für die Haftpflichtversicherung des Prüfers. Es mag zweifelhaft erscheinen, ob diese Begründung die Vorschrift des Abs. 2 wirklich ausreichend rechtfertigt. Denn wie Ritter Anm. 9 mit Recht hervorhebt, könnte das gleiche für die Berufshaftung der Richter, Rechtsanwälte, Notare und Ärzte gesagt werden, ohne daß der Gesetzgeber für diesen Personenkreis eine gleiche Folgerung gezogen hat. Anm. 20 Haftet ein Gründungsprüfer für das vorsätzliche Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB, so muß man ihm nach dem Grundgedanken des Abs. 2 den Schutz dieser Vorschrift ebenfalls zuteil werden lassen. Denn wenn der Prüfer nach § 278 BGB für den Vorsatz seines Erfüllungsgehilfen auch wie für eigenen Vorsatz einzustehen hat, so kann man doch nicht sagen, daß damit der Prüfer selbst vorsätzlich gehandelt habe und daher im Sinn des Abs. 2 nicht schutzwürdig sei (ebenso Schmidt § 141 Anm. 9; Schlegelberger-Quassowski § 141 Anm. 9; a. M. Voraufl. Anm. 14; Ritter Anm. 9). Dagegen ist schuldhaftes Verhalten von verfassungsmäßigen Vertretern einer Prüfungsgesellschaft als schuldhaftes Verhalten der Prüfungsgesellschaft selbst anzusehen. Sie haftet dafür nach § 31 BGB, also unbeschränkt bei Vorsatz, beschränkt bei Fahrlässigkeit. Anm. 21 VI. Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats einer Prüfungsgesellschaft. I.Allgemeines: Die Verschwiegenheitspflicht (Anm. 4 fr.) besteht, wenn eine Prüfungsgesellschaft Gründungsprüfer ist, auch gegenüber dem Aufsichtsrat der Prüfungsgesellschaft und dessen Mitglieder. Das Gesetz befürchtet, daß bei der verschiedenartigen Zusammensetzung der Aufsichtsräte die Geheimhaltung nicht gewährleistet sei, wenn beliebige Mitglieder des Aufsichtsrat der Prüfungsgesellschaft Einblicke in die Prüfungsberichte erhielten. Um die Unzuträglichkeiten abzumildern, die für die Prüfungsgesellschaften damit verbunden sein können, daß der Aufsichtsrat von den Prüfungsberichten, also von einem wichtigen Teil der Geschäftsführung, keine 17

Aktiengesetz, 2. Aufl.

257

§42

Anm. 22—25

I. Buch: Aktiengesellschaft

Kenntnis erhält, ist eine Ausnahme f ü r den Vorsitzer und den stellvertretenden Vorsitzer des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft gemacht. Ihnen ist gestattet, die Prüfungsberichte einzusehen.

Anm. 22 2. Das Recht des Aufsichtsratsvorsitzenden auf Einsicht in den Prüfungs-

b e r i c h t : Dieses Einsichtsrecht hat nach dem Wortlaut des Abs. 3 keinen allzu großen Wert, da gemäß § 26 Abs. 3 jedermann das Recht zur Einsicht in den Prüfungsbericht beim Handelsregister hat (§ 26 Anm. 4). Insoweit ist dieses Recht daher nur von einer gewissen Bedeutung, solange der Prüfungsbericht beim Registergericht noch nicht eingereicht ist (v. Godin-Wilhelmi Anm. 7). Aus der Tatsache, daß der Aufsichtsratsvorsitzendc und sein Stellvertreter wegen seines Einsichtrechts eine Verschwiegenheitspflicht trifft (Anm. 23), ist zu folgern, daß dieses Einsichtsrecht sich auch auf etwaige interne Bemerkungen zum Prüfungsbericht erstrecken muß (Baumbach-Hueck Anm. 3 B ; a. M . offenbar Vorauf!. Anm. 8); denn anderenfalls wäre die Bestimmung des Abs. 3 überhaupt völlig überflüssig.

Anm. 23 3. Die Pflichten des Aufsichtsratsvorsitzenden: Der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Stellvertreter dürfen die bei der Einsicht erlangten Kenntnisse nur in beschränktem U m f a n g verwerten, nämlich nur insoweit, als es die Erfüllung der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats erfordert. Darüber hinaus sind auch sie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Finden also der Vorsitzende des Aufsichtsrats oder sein Stellvertreter an der Art der Prüfungsberichte etwas zu beanstanden, so können sie das nicht nur gegenüber dem Vorstand zur Sprache bringen, sondern nötigenfalls auch in einer Sitzung des Aufsichtsrats, in der über geeignete Maßnahmen zur Abstellung der vorgefundenen Anstände beraten wird, äußerstenfalls auch in einer Hauptversammlung, die darüber beschließt, ob gegen den Vorstand K l a g e wegen Pflichtverletzung erhoben werden soll (§ 97). Auch zur Begründung einer solchen Klage wie zu einer Strafanzeige nach § 302 Nr. 1 können Tatsachen vorgebracht werden, die sonst unter die Verschwiegenheitspflicht fielen. Verletzt der Aufsichtsratsvorsitzende seine Verschwiegenheitspflicht, so ist er nach § 42 nicht haftbar. Ihn kann — rechtspolitisch recht fragwürdig — nur eine Haftung aus unerlaubter Handlung, also nur aus vorsätzlicher, nicht auch aus fahrlässiger Verletzung dieser Pflicht treffen, nämlich dann, wenn er sich nach § 302 Nr. 3 strafbar macht. Denn § 303 Nr. 3 ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B auch zugunsten der Gesellschaft. Abweichende Vereinbarungen können in in diesem Zusammenhang nicht getroffen werden, und zwar auch nicht zugunsten der A G (vgl. dazu Anm. 26).

Anm. 24

4. Z u r e n t s p r e c h e n d e n A n w e n d u n g d e s A b s . 3 : Abs. 3 kann auf andere Gesellschaften, die keinen Aufsichtsrat, aber ein entsprechendes Überwachungsorgan haben, entsprechend angewendet werden. Das gilt vor allem f ü r Prüfungsgesellschaften in der Form einer G m b H , die etwa einen Verwaltungsrat als Überwachungsorgan haben (Ritter Anm. 1 0 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 B). Eine entsprechende Anwendung ist aber auch bei Personalgesellschaften grundsätzlich nicht ausgeschlossen, was vor allem bei kapitalistisch organisierten Kommanditgesellschaften von Bedeutung ist, da diese meist ein aus Vertretern der Kommanditisten zusammengesetztes Überwachungsorgan besitzen.

Anm. 25 VII. Die Vorschrift des § 42 als zwingendes Recht (Abs. 4). 1. Der zwingende Charakter der Vorschrift zugunsten der Gesellschaft:

Die Ersatzpflicht nach § 42 kann durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden (Abs. 4). Dieser relativ zwingende Charakter hat lediglich den Schutz der Gesellschaft im Auge (Ausnahme vgl. Anm. 26). Dieser Schutz beschränkt sich jedoch darauf, daß die Ersatzpflicht nicht v o r h e r durch Vertrag ausgeschlossen oder be-

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§ 42 Anm, 26

§43

schränkt werden kann. Ist eine Schadensersatzpflicht bereits begründet, so steht im Unterschied zu den Haftungsansprüchen der Gesellschaft aus den §§ 39/41 einem vertraglichen Erlaß (§ 397 BGB) nichts entgegen; § 43 gilt nicht für die Ansprüche aus §42Aus dem nur relativ zwingenden Charakter dieser Vorschrift folgt, daß eine Verschärfung der Haftung vertraglich grundsätzlich vereinbart werden kann. So kann z. B. die Haftungsgrenze bei Fahrlässigkeit (Abs. 2; Anm. 19) erhöht oder überhaupt aufgehoben werden (Ritter Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 4 B ; a. M. Schlegelberger-Quassowski § 141 Anm. 10 mit der durch nichts begründeten Annahme, daß Abs. 2 auch eine Schutzvorschrift zugunsten der Prüfer sei; unklar insoweit v. GodinWilhelmi Anm. 8). Das Verbot einer Beschränkung oder eines Ausschlusses der Haftung muß sich nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift auch auf die Haftung der Gründungsprüfer für seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB; vgl. dazu Anm. 13, 14) beziehen (a. M. Ritter Anm. 1 1 ) ; denn andernfalls würde die Haftungsregelung des § 42 wesentlich an Wert verlieren und der durch Abs. 4 gerade bezweckte Schutz der Gesellschaft wesentlich eingeschränkt werden können. Anm. 26 2. Ausnahme von dem relativ zwingenden Charakter des Abs. 4 : Die Vorschrift des Abs. 3 (Anm. 21 ff.) enthält absolut zwingendes Recht (SchlegelbergerQuassowski § 141 Anm. 6). Es ist daher nicht möglich, die Rechte des Aufsichtsratsvorsitzenden einer Prüfungsgesellschaft (Anm. 22) vorher einzuschränken. Dieses würde einen unzulässigen Eingriff in die Überwachungsaufgaben des Aufsichtsratsvorsitzenden darstellen. Es kann daher auch kein Ersatzanspruch aus dem Grunde geltend gemacht werden, daß der Aufsichtsratsvorsitzende von seinem Verwertungsrecht nach Abs. 3 Satz 2 Gebrauch gemacht hat; eine entgegenstehende Vereinbarung würde ohne rechtliche Wirkung sein. § 4 3 V e r z i c h t und V e r g l e i c h Die Gesellschaft kann auf Ersatzansprüche gegen die Gründer, die neben diesen haftenden Personen und gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§§ 39 bis 41) erst nach fünf Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und nur dann verzichten oder sich darüber vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile den fünften Teil des Grundkapitals erreichen, widerspricht. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkurses mit seinen Gläubigern vergleicht. Ubersicht Einleitung I. Die Unzulässigkeit von Verzicht und Vergleich 1. Allgemeines 2. Vergleich und Verzicht . a) Der Vergleich . . . . b) Der Verzicht . . . . 3. Prozessuale Fragen a) Zahlungsklage der Gesellschaft b) Feststellungsklage des Schuldners c) Klage auf Erteilung der Entlastung . . . 17*

Anm.

Anm.

I

d) Wirkung eines rechtskräftigen Urteils . . 10 II. Ausnahme nach Ablauf von 5 Jahren 11 1. Die Sperrfrist von 5 Jahren 12 2. Die Zustimmung der Hauptversammlung. . . 13—15 3. Kein Widerspruch einer Minderheit 16, 17 III. Zulässigkeit von Vergleich und Verzicht bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners . 18 IV. Keine Anwendung des § 43 im Konkurs des Schuldners 19

2 3 4 5, 6 7 8 9

259

§43

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1—4 Anm. 1 Vor dem Gesetz von 1884 war es nicht selten vorgekommen, daß die mit der Gründung befaßten Personen sich alsbald, mitunter schon in der Errichtungsversammlung, f ü r ihre ganze Gründungstätigkeit Entlastung erteilen ließen. Diesem Mißbrauch trat das Gesetz entgegen, indem es in Art. 2 i 3 d Bestimmungen traf, die in § 205 H G B übergingen u n d vom AktG in § 43 übernommen worden sind. Die Frist betrug ursprünglich drei J a h r e , wurde aber schon in § 205 H G B auf fünf J a h r e verlängert. Die Vorschrift des § 43 deckt sich im wesentlichen mit der Regelung über die Ersatzansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (§§84 IV, 99), wobei diese jedoch eine praktisch ungleich größere Bedeutung besitzt. Ergänzt wird die Vorschrift des § 4 3 durch die Bestimmungen der §§ 122 ff., die sich mit der Geltendmachung der hier behandelten Ansprüche befassen, wobei vor allem § 124 in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist.

Anm. 2 I. Die Unzulässigkeit von Verzicht und Vergleich. 1. A l l g e m e i n e s : Die Vorschrift betrifft die Ersatzansprüche gegen alle in den §§ 39> 40 u n d 41 f ü r verantwortlich erklärten Personen, nicht aber Ansprüche gegen Gründungsprüfer, deren Gehilfen und gesetzliche Vertreter einer Prüfungsgesellschaft nach § 42, ebensowenig Ansprüche gegen den Vorsitzer oder den stellvertretenden Vorsitzer des Aufsichtsrats einer Prüfungsgesellschaft (§ 42 Anm. 23). Die Vorschrift gilt auch n u r f ü r A n s p r ü c h e , die s i c h auf die § § 39 b i s 41 s t ü t z e n , nicht f ü r Ansprüche, die l e d i g l i c h aus Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, sei es aus unerlaubten Handlungen, sei es aus Verträgen, hergeleitet werden. Ein Gründer, der im Einbringungsvertrag eine Gewährleistung übernommen, aber die Gesellschaft nicht durch Minderwert des Eingebrachten geschädigt hat, haftet aus der Gewährleistung, nicht aus § 39, und kann sich darüber ohne Rücksicht auf § 43 vergleichen. Anders ist es im allgemeinen, wenn die Haftung aus Gewährleistung mit der H a f t u n g aus den §§ 39/41 z u s a m m e n t r i f f t — z. B. der Einbringer leistet Gewähr dafür, d a ß er nur Selbstkostenpreise berechnet habe, hat aber in Wirklichkeit einen Zuschlag berechnet, der noch dazu den angemessenen Preis übersteigt und insoweit die Gesellschaft schädigt. I n diesem Fall fällt freilich nur der Vergleich über den Schaden unter § 43, nicht aber auch der Vergleich über die darüber hinausgehende Gewährleistung, also über die Spanne zwischen Selbstkostenpreis u n d angemessenem Preis. Trotzdem wird m a n hier im Zweifel den ganzen Vergleich als nichtig ansehen müssen (a. M. Vorauf!. Anm. 2), da im allgemeinen nicht angenommen werden k a n n , d a ß der Schuldner die zugesagte Leistung nur zur Befreiung von dem einen Haftungsgrund erbringen will (§139 BGB; ebenso Düringer-Hachenburg §205 Anm. 3; v. GodinWilhelmi Anm. 4).

Anm. 3 2. V e r g l e i c h u n d V e r z i c h t : Vergleiche und Verzichtleistungen über die Ersatzansprüche der §§39/41 sind grundsätzlich (Ausnahmen vgl. Anm. 11 ff.) a b s o l u t n i c h t i g . Sie können durch keinerlei Umstände zur Wirksamkeit gebracht werden.

Anm. 4 a) D e r V e r g l e i c h : Gemeint ist zunächst der Vergleich im Sinne des § 779 BGB, also der rechtsgeschäftliche Vergleich, nicht jedoch der Z W a n g s v e r g l e i c h i m K o n k u r s u n d der g e r i c h t l i c h e V e r g l e i c h z u r A b w e n d u n g d e s K o n k u r s e s (hierzu Anm. 18). Darüber hinaus wird von § 43 auch jede Vereinbarung erfaßt, die ihrem sachlichen Inhalt nach ein Element des Vergleichs in sich schließt. Das gilt namentlich f ü r die A b t r e t u n g , wenn die Gesellschaft hierbei nicht den entsprechenden Gegenwert erhält, und wenn die Abtretung damit die Gefahr einer U m g e h u n g des Verbots in sich schließt. Das bedeutet jedoch keineswegs, d a ß die Abtretung in allen Fällen unwirksam sei; denn ein solches Verfügungsverbot enthält § 43 nicht (a. M. B r o d m a n n § 205 Anm. 2 a). Darüber hinaus wird man die Abtretung eines Anspruchs gegen einen

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2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 43 A n m . 5—7

zahlungsunfähigen Gründer auch dann für zulässig ansehen müssen, wenn die Gesellschaft hierbei nicht den vollen Nominalwert erhält, die Verwertung des Anspruchs gegen das vereinbarte Entgelt jedoch wirtschaftlich sinnvoll ist (ebenso DüringerHachenburg § 205 Anm. 9). Die Annahme einer Sachleistung a n Erfüllungs Statt kann einem Vergleich im Sinne des § 43 gleichstehen, muß es aber nicht. Auch hier kommt es darauf an, ob die Gesellschaft auf diesem Wege den vollen Gegenwert f ü r ihren Anspruch erhält, oder ob eine solche Vereinbarung ihrem sachlichen Inhalt nach ein Element des Vergleichs (Nachgeben der Gesellschaft) in sich schließt. Ähnlich ist die Frage bei einer S c h u l d u m s c h a f f u n g ( N o v a t i o n ) zu beurteilen. Anm. 5 b) D e r Verzicht: Hierunter ist zunächst der E r l a ß v e r t r a g im Sinne des § 397 BGB zu verstehen, aber auch das A n e r k e n n t n i s der Gesellschaft, keine Ansprüche gegen eine der nach §§ 39/41 ersatzpflichtigen Personen zu haben (§ 397 Abs. 2 BGB). Einem Verzicht im Sinne des § 43 ist ferner die S t u n d u n g gleichzustellen; denn Stundung ist teilweiser Verzicht (RG 133, 38). Weiterhin gehören auch einseitige Verzichtserklärungen, wie der Verzicht auf eine Aufrechnungsbefugnis hierher (Ritter Anm. 2). Anm. 6 Zweifelhaft ist die Frage, ob auch die Verjährung als Verzicht im Sinne des § 43 anzusehen ist. In ihrer tatsächlichen Wirkung steht sie einem Verzicht (Erlaß) sicherlich gleich oder doch sehr nahe. Trotzdem erscheint es bedenklich, die Verjährung hier dem Verzicht gleichzustellen und damit dem Schuldner die Einrede der Verjährung zu nehmen. Denn das ließe sich schwerlich mit § 44 vereinbaren, weil eine solche Auffassung praktisch zu einer Beseitigung der Verjährungseinrede führen und damit den § 44 gegenstandslos machen würde. Gegen die Untätigkeit des Vorstands bei der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach §§ 39/41 und gegen die dadurch bedingte Gefahr einer Verjährung besteht nur der Rechtsbehelf der §§ 122/23; § 4 3 selbst gewährt nur einen Schutz gegen rechtsgeschäftliche Abmachungen und nicht auch gegen ein rein tatsächliches Verhalten des Vorstands. Die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung (Rechtsmißbrauch) wird dem Schuldner daher gegenüber seiner Einrede der Verjährung nur entgegengehalten werden können, wenn er mit dem Vorstand böslich zusammengewirkt hat (im Ergebnis ebenso die herrsch. Ansicht im Schrifttum). 3. P r o z e s s u a l e F r a g e n : In dieser Hinsicht bestehen im Schrifttum erhebliche Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten. Anm. 7 a) Klagt die G e s e l l s c h a f t gegen den ersatzpflichtigen Schuldner auf Z a h l u n g , so kann die Gesellschaft einen Vergleich nicht schließen. Das Verbot des § 43 erfaßt wie den außergerichtlichen, so auch den gerichtlichen (Prozeß-)Vergleich. Dieser ist nach dem in der Rechtsprechung vertretenen Standpunkt nicht eine reine Prozeßhandlung, sondern zugleich auch ein privatrechtlicher Vertrag (vgl. dazu R G R K BGB § 779 Anm. 11). Dasselbe m u ß aber auch f ü r den Verzicht im Sinn das § 306 Z P O gelten; auch er ist nicht nur Prozeßhandlung, sondern zugleich auch ein privatrechtliches Rechtsgeschäft (Stein-Jonas-Schönke Komm. Z P O § 306 Anm. I m. w. N.). Ein im Prozeß erklärter Verzicht über den Klaganspruch ist daher nichtig, so daß daraufhin nicht ein klagabweisendes Urteil auf Antrag des Beklagten ergehen kann. Die prozeßrechtlichen Vorschriften bedürfen, soweit sie unter dem Gesichtspunkt der Verhandlungsmaxime von der materiellrechtlichen Dispositionsbefugnis des Klägers über den geltend gemachten Anspruch ausgehen, einer Einschränkung, weil gerade diese Voraussetzung im Anwendungsbereich des § 43 nicht besteht (vgl. dazu BGH Lind.Möhr. Nr. 1 zu § 199 AktG m. Anm. und Weipert § 199 Anm. 11). Anders steht es mit den r e i n e n P r o z e ß h a n d l u n g e n und mit der Wirkung eines bestimmten prozessualen Verhaltens; diesen kann ihre prozeßrechtliche Bedeutung und ihre prozeßrechtliche Wirksamkeit nicht abgesprochen werden. Das gilt zunächst f ü r die K l a g r ü c k n a h m e , f ü r das G e s t ä n d n i s und f ü r den R e c h t s m i t t e l v e r z i c h t . Beim

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§43 Anm. 8

I. Buch: Aktiengesellschaft

Geständnis könnte das allerdings im Hinblick auf seine bindende Wirkung zweifelhaft sein. Aber auch mangelhafter und lückenhafter Sachvortrag der klagenden Gesellschaft muß hier die allgemeinen prozessualen Wirkungen haben und gegebenenfalls zur Abweisung der Klage führen; es ist nicht möglich, wegen des Schutzgedankens des § 43 die Verhandlungsmaxime völlig preiszugeben und für Prozesse dieser Art die Untersuchungsmaxime einzuführen. Deshalb muß das Geständnis die Wirkungen der §§ 288fr. ZPO haben (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; a. M. Weipert aaO. im Fall des § 199). Den notwendigen Schutz können auch hier — ähnlich wie bei der Verjährung (Anm. 6) — nur die Rechtsbehelfe der §§ 122/23, insbesondere des § 122 Abs. 2 gewähren. Aus dem gleichen Grund muß man auch die Zulässigkeit eines Versäumnisurteils bejahen (herrsch. Ansicht). Mag auch hier die Wirkung eines solchen Urteils (Anm. 10) einem Verzicht tatsächlich gleichstehen oder wenigstens sehr nahe kommen, so kann daraus noch kein Schluß gegen die Zulässigkeit des Versäumnisurteils gezogen werden. Denn die Säumnis einer Partei ist nur ein Unterfall mangelhafter Prozeßführung. So wie ein klagabweisendes Urteil bei einem entscheidend lückenhaften Sachvortrag der klagenden Gesellschaft nicht verhindert werden kann, ohne daß man den Grundsatz der Verhandlungsmaxime aufgibt, so ist auch bei dem Ausbleiben der Gesellschaft im Termin die Folge unabweisbar, daß auf Antrag des Beklagten ein Versäumnisurteil ergehen muß. Auch hier kann nur der Rechtsbehelf des § 122 Abs. 2 praktisch Abhilfe gewähren. Anm. 8 b) Klagt der Schuldner auf Feststellung, daß eine Forderung gegen ihn nicht bestehe, so setzt eine solche Klage zunächst voraus, daß der Schuldner ein Feststellungsinteresse hat. Dieses von Amts wegen zu berücksichtigende Rechtsschutzinteresse wird in der Regel nur gegeben sein, wenn die Gesellschaft sich vorher eines entsprechenden Ersatzanspruchs berühmt hat. Dieses Feststellungsinteresse muß auch noch am Schluß der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein; es wird daher in der Regel in Fortfall kommen, wenn die Gesellschaft im Lauf des Rechtsstreits ausdrücklich davon Abstand nimmt, sich des Ersatzanspruchs weiterhin zu berühmen. Im Regelfall ist daher bei der negativen Feststellungsklage ein Anerkenntnis im Sinn des § 307 ZPO schon aus prozessualen Gründen gar nicht denkbar; in einem solchen Fall erledigt sich die Hauptsache, so daß für ein Anerkenntnisurteil schon aus diesem Grunde kein Raum ist. Immerhin läßt sich für einen Ausnahmefall eine abweichende Fallgestaltung denken (vgl. dazu R G 95, 260; J W 1936, 2546; DR 1939, 1916). In einem solchen Ausnahmefall ist der Erlaß eines Anerkenntnisurteils nicht zulässig (a. M. schlechthin Düringer-Hachenburg §205 Anm. 7; Brodmann §205 Anm. 4; Ritter Anm. 5; nur z. T. abweichend v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Das Anerkenntnis im Sinn des § 307 ZPO ist zugleich ein privatrechtliches Rechtsgeschäft, das deshalb gemäß § 43 unwirksam ist (Anm. 5) und deshalb auch nicht die Wirkungen eines Anerkenntnisses nach § 307 ZPO zeitigen kann. Denn auch im Anwendungsbereich des § 307 ZPO ist der Richter nicht der Prüfung enthoben, ob der Anerkennende rechtlich überhaupt in der Lage ist, über den im Streit befindlichen Anspruch wirksam zu verfügen (BGH 10, 333; SteinJonas-Schönke Komm. ZPO § 307 Anm. I I I b). Insoweit gilt also völlig das gleiche wie für den Verzicht gemäß §306 ZPO (vgl. dazu Anm. 7). Ein Versäumnisurteil gegen die Gesellschaft ist hier aus dem gleichen Grund wie im Fall der Anm. 7 zulässig (herrsch. Ansicht). Die Tatsache, daß die Sperrfrist von 5 Jahren abgelaufen ist, kann man nicht als klagbegründende Tatsache einer solchen Feststellungsklage ansehen (ebenso wohl auch Düringer-Hachenburg §205 Anm. 7; a. M. Baumbach-Hueck Anm. 1 B). Denn es ist durchaus möglich, daß sich die Gesellschaft während der Sperrfrist zu Unrecht eines Ersatzanspruchs nach §§ 39/41 gegen einen Gründer oder Gründergenossen berühmt. Es wäre ungerechtfertigt, in einem solchen Fall einem Gründer die Möglichkeit zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage zu versagen. Der Umstand allein, daß auf diesem Wege eine Gefahrdung des durch § 43 bezweckten Schutzes der Aktionäre oder der Allgemeinheit eintreten könnte, rechtfertigt eine solche Versagung nicht. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn die Klage darauf gestützt wird, 262

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 43 Anm. 9—13

daß der Vorstand innerhalb der Sperrfrist auf den Anspruch verzichtet habe. Dann ist die K l a g e nicht schlüssig und unterliegt auch beim Ausbleiben der Gesellschaft im Termin der Abweisung.

Anm. 9 c) K l a g e a u f E r t e i l u n g d e r E n t l a s t u n g : Die K l a g e einer nach den §§39/41 verantwortlichen Person auf Erteilung der Entlastung ist nur dann schlüssig begründet, wenn darin behauptet wird, daß die Voraussetzungen des § 43 vorlägen, daß also die fünfjährige Frist abgelaufen sei und die Hauptversammlung mit der erforderlichen Mehrheit der Entlastung zugestimmt habe. Fehlt es an einer dieser Behauptungen, so ist die K l a g e als unbegründet abzuweisen (ebenso Baumbach-Hueck Anm. 1 B).

Anm. 10 d) Wirkung eines rechtskräftigen Urteils: Ergeht auf die Zahlungsklage der

Gesellschaft, auf die negative Feststellungsklage eines angeblichen Schuldners oder auf die K l a g e auf Erteilung der Entlastung ein rechtskräftiges Urteil, also auch ein rechtskräftiges Versäumnisurteil gegen die Gesellschaft^ so steht einer späteren K l a g e der Gesellschaft nach allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen in der Regel die Einrede der Rechtskraft entgegen. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich das rechtskräftige Urteil später als sachlich falsch erweist und ein Wiederaufnahmegrund nicht gegeben ist. Nur in äußersten Ausnahmefallen kann der Rechtskraft des Urteils mit der E i n r e d e d e r A r g l i s t begegnet werden. Dabei ist hervorzuheben, daß der B G H in dieser Hinsicht, vielleicht im Gegensatz zu der Rechtsprechung des R G , eine besondere Zurückhaltung f ü r angebracht hält ( B G H 13, 7 1 ; B G H Lind. Möhr. Nr. 10 zu § 3 2 2 Z P O ; Nr. 3 zu §826 [Fa] B G B ) .

Anm. 11 II. Ausnahme nach Ablauf von 5 Jahren. Nach Ablauf von 5 J a h r e n seit Eintragung der Gesellschaft können Vergleiche und Erlaßverträge über die in den §§39/41 geregelten Ansprüche wirksam geschlossen werden, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile den 5. Teil des Grundkapitals erreichen, widerspricht.

Anm. 12 1. D i e S p e r r f r i s t v o n 5 J a h r e n : D a die Ersatzansprüche gegen die Gründer, Gründergenossen usw. nach 5 J a h r e n verjähren (§ 44), so kommt der Abschluß eines wirksamen Vergleichs oder Erlaßvertrages nach Ablauf von 5 J a h r e n praktisch nur dann in Betracht, wenn die Verjährung gehemmt oder unterbrochen worden ist oder wenn die Verjährungseinrede nicht erhoben wird. Der Vergleich oder der Verzicht muß nach Ablauf von 5 J a h r e n zustande gekommen sein; maßgeblich ist insoweit der V e r t r a g s a b s c h l u ß , nicht vorherige Verhandlungen oder die Abgabe eines Angebots. Ein vor Abschluß der Sperrfrist abgeschlossener Vergleich (Verzicht) kann auch nicht dadurch wirksam werden, daß in ihm die Zustimmung der Hauptversammlung nach Ablauf der Frist vorbehalten und sodann später die Zustimmung erteilt wird ( R G 1 3 3 , 3 8 ) ; denkbar wäre höchstens, daß der Ersatzpflichtige ein ihn einseitig bindendes Vertragsangebot macht und die Bindungsfrist über den Ablauf der 5 J a h r e erstreckt (vgl. R G 1 3 3 , 39). Dagegen ist eine irgendwie geartete Bindung der Gesellschaft vor Ablauf der Sperrfrist nicht zulässig; innerhalb dieser Frist muß sie stets die Möglichkeit zur Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche haben, auch ein unter Vorbehalt abgeschlossener Vergleich darf sie daran nicht hindern können.

Anm. 13 2. Die Zustimmung der Hauptversammlung: Die Zustimmung ist für einen Vergleich oder Verzicht nach Ablauf von 5 J a h r e n Wirksamkeitserfordernis. Das bedeutet jedoch nicht, daß ein solcher Vergleich oder Verzicht ohne die Zustimmung

263

§43

Anm. 14—16

I. Buch: Aktiengesellschaft

der Hauptversammlung absolut nichtig sei, er ist vielmehr schwebend unwirksam. Ohne diese Zustimmung f e h l t d e m V o r s t a n d d i e V e r t r e t u n g s m a c h t beim Abschluß des Vergleichs oder Verzichts. Es ist dies einer der Fälle, in denen die Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands nach außen wirkt. Der Vorstand befindet sich hierbei in ähnlicher Lage wie ein gesetzlicher Vertreter, dem die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts fehlt (§§ 1643, 1829 BGB). Der Schuldner ist in einem solchen Fall an den abgeschlossenen Vergleich so lange gebunden, bis die Zustimmung der Hauptversammlung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang eingeholt werden kann; die kurzen Fristen der §§ 177 Abs. 2 Satz 2, 1829 Abs. 2 B G B können hier nicht gelten. Die Zustimmung kann als Einwilligung auch schon vor Abschluß des Vergleichs oder des Verzichts erklärt werden; doch setzt das bei der Einwilligung zu einem Vergleich voraus, daß sich die Einwilligung auf einen Vergleich mit einem bestimmten Inhalt bezieht. Die Hauptversammlung kann dem Vorstand nicht im voraus freie Hand zum Abschluß irgendeines Vergleichs geben (Düringer-Hachenburg § 205 Anm. 14).

Anm. 14 Erteilt die Hauptversammlung einem Vergleich oder Verzicht nur t e i l w e i s e ihre Zustimmung, so ist es eine Frage der Auslegung ( § 1 3 9 BGB), ob der Vergleich oder der Verzicht wenigstens insoweit (teilweise) wirksam ist. Bei einem Vergleich wird man das im Zweifel nicht annehmen können, anders beim Verzicht, weil hier davon ausgegangen werden kann, daß der Schuldner wenigstens einen teilweisen Erlaßvertrag abgeschlossen haben würde.

Anm. 15 Das Erfordernis der Zustimmung gilt im gleichen Umfang auch für einen Prozeßvergleich (herrsch. Ansicht). Auch dieser wird daher ohne die Zustimmung der Haupt-

versammlung nicht wirksam. Die gegenteilige Auffassung von Brodmann (§ 205 Anm. 4), die Beschränkung der Vertretungsmacht gelte nicht für die prozessualen Bestimmungen über die Vertretung einer Partei im Prozeß, ist durch nichts gerechtfertigt; § 5 1 Z P O ergibt vielmehr das Gegenteil. Über die Mehrheitsverhältnisse bei Erteilung der Zustimmung vgl. Anm. 16, über die Stimmrechtsbefugnis Anm. 17.

Anm. 16 3. Kein Widerspruch einer Minderheit: Weiteres Erfordernis für die Wirk-

samkeit eines Vergleichs oder Verzichts nach Ablauf der Sperrfrist ist es, daß nicht eine Minderheit von 20% des vorhandenen (nicht des vertretenen) Grundkapitals widerspricht. Die Formulierung des Gesetzes ist in diesem Punkt unglücklich, sie hat deshalb auch zu Zweifeln Anlaß gegeben. Es fragt sich nämlich, ob mit der Zustimmung der Hauptversammlung und dem Fehlen eines Widerspruchs seitens der Minderheit zwei voneinander getrennte Wirksamkeitsvoraussetzungen in dem Sinn gemeint sind, daß für die Zustimmung die einfache Mehrheit genügt und daß für den Widerspruch eine besondere ausdrückliche Erklärung erforderlich ist. Man wird diese Frage verneinen müssen. Die gegenteilige Auffassung (Brodmann §205 Anm. 3 b ; Schlegelberger-Quassowski § 84 Anm. 1 7 ; Ritter Anm. 2; Teichmann-Koehler Anm. 3) haftet zu sehr am Wortlaut und übersieht, daß nach dem Sinn des Gesetzes hier nicht die einfache Mehrheit gegen den Vorschlag, sondern eine Minderheit entscheiden soll (so zutreffend Düringer-Hachenburg § 205 Anm. 13). Stimmt eine Minderheit gegen den Vorschlag, einem Vergleich oder einem Verzicht die Zustimmung zu erteilen, so liegt für eine unbefangene Beurteilung in einem solchen Verhalten auch zugleich die Äußerung, daß sie den Vergleich oder den Verzicht nicht will, dem Abschluß also widerspricht. Daraus folgt, daß die Zustimmung wirksam nur dann erteilt ist, wenn die Mehrheit des vertretenen Grundkapitals dafür gestimmt hat und wenn die dagegen stimmenden Aktionäre nicht eine Minderheit von 20% des vorhandenen Grundkapitals darstellen (ebenso Düringer-Hachenburg §205 Anm. 1 3 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 1 A). 264

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 43 Anm, 17—19

Wird gegen einen Vergleich oder gegen einen Verzicht nur teilweise Widerspruch erhoben, so gilt hier das gleiche, wie wenn nur eine teilweise Zustimmung erteilt wird (Anm. 12); der weitergehenden Ansicht, daß dann der vom Widerspruch nicht betroffene Teil in jedem Fall bestehenbleibe (Schlegelberger-Quassowski § 84 Anm. 17; Teichmann-Koehler Anm. 3), kann im Hinblick auf § 139 BGB nicht gefolgt werden. Hat eine Minderheit von 10% (oder nur 5%) des vorhandenen Grundkapitals nach § 122 das Verlangen auf Geltendmachung der Ersatzansprüche gestellt, so kann die Gesellschaft nur noch verzichten oder sich vergleichen, wenn von den die Minderheit bildenden Aktionäre so viele zustimmen, daß die Aktie der übrigen nicht mehr den 10. (oder 20.) Teil des vorhandenen Grundkapitals erreichen (§ 124). Anm. 17 Für die Abstimmung gelten die allgemeinen Vorschriften. Danach sind von der Abstimmung die Aktionäre ausgeschlossen, mit denen der Vergleich geschlossen oder denen gegenüber verzichtet werden soll ( § 1 1 4 Abs. 5). Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats wie überhaupt gesamtschuldnerisch Mithaftende können mitstimmen, wenn sie Aktien besitzen und der Vergleich oder Verzicht sie selbst nicht umfaßt (Düringer-Hachenburg §205 Anm. 12; Ritter Anm. 3; Teichmann-Koehler Anm. 3; a. M. Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Ob ein Verzicht (Erlaßvertrag), den die Gesellschaft mit einem der als Gesamtschuldner haftenden ersatzpflichtigen Personen geschlossen hat, auch zugunsten der übrigen Gesamtschuldner wirkt, bestimmt sich nach § 423 BGB. Anm. 18 III. Die Zulässigkeit von Vergleich und Verzicht bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Die zeitliche Beschränkung von 5 Jahren für den Abschluß eines Vergleichs oder Verzichts gilt nicht, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkurses mit seinen Gläubigern vergleicht. In diesem Fall kann die Gesellschaft also auch schon vor Ablauf von 5 Jahren einen Vergleich oder Verzicht wirksam abschließen. Diese Voraussetzungen sind ohne weiteres bei einem Z w a n g s v e r g l e i c h im K o n k u r s und bei einem gerichtlichen Z w a n g s v e r g l e i c h zur A b w e n d u n g des Konkurses gegeben. In diesen Fällen tritt eine Bindung der Gesellschaft selbst dann ein, wenn die Hauptversammlung einem solchen Vergleich ihre Zustimmung nicht gegeben hat (§ 193 KO, § 82 VerglO). Auch ein a u ß e r g e r i c h t l i c h e r V e r g l e i c h kann hierher gehören. Er setzt freilich Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (vgl. dazu § 102 KO) voraus. Ferner muß der Vergleich der Abwendung des Konkurses dienen und von dem Schuldner „mit seinen Gläubigern" geschlossen sein. Damit ist allerdings nicht verlangt, daß sich alle Gläubiger an dem Vergleichsabschluß beteiligen; es genügt bereits die große Mehrheit der Gläubiger. Ob das mit allen zugleich oder mit jedem einzeln geschieht, ob schon ein Konkursantrag gestellt worden war oder nicht, ob die Gläubiger gleichmäßig befriedigt oder ob einzelne bevorzugt werden, ist gleichgültig. In allen diesen Fällen kommt aber nur die zeitliche Beschränkung in Wegfall, dagegen bleibt das Erfordernis bestehen, daß die Hauptversammlung mit der vorgeschriebenen Mehrheit zustimmen muß; ohne diese Zustimmung kann der Vorstand nicht für irgendeinen Vergleich mit dem Ersatzpflichtigen stimmen. Anm. 19 IV. Keine Anwendung von § 43 im Konkurs der Gesellschaft. Ist die AG selbst im Konkurs, so fallen die Beschränkungen, die sich aus § 43 ergeben, nach konkursrechtlichen Grundsätzen ganz weg.

265

§45 A n m . 7—9

I. Buch: Aktiengesellschaft

§44 Verjährung der Ersatzansprüche Ersatzansprüche der Gesellschaft nach den §§ 39 bis 42 verjähren in fünf Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister.

. Einleitung

Ubersicht Anm, Anm. 2. Die Anwendung der allgemeinen i Verjährungsvorschriften 3

1. Der Anwendungsbereich des § 44 . 2

3. Der Beginn der Verjährung

. . .

4

Anm. 1 Die fünfjährige Verjährungsfrist f ü r die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Gründer, Gründergenossen, Ankündiger sowie Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats kannte schon das H G B (§ 206), das A k t G hat sie beibehalten. Anm. 2 1. Der Anwendungsbereich des § 44: Die Vorschrift trifft alle in den §§ 39, 40, 41 und 42 geregelten Ersatzansprüche, also, abweichend von § 43, auch die Ansprüche gegen die Gründungsprüfer und die ihnen Gleichgestellten. Sie trifft aber nur Ersatzansprüche, d i e a u f d e n §§ 39 b i s 42 b e r u h e n , nicht solche, die nur in allgemeinen Vorschriften ihre Grundlage haben, sei es in unerlaubter Handlung, sei es in vertraglichen Zusicherungen. Erfüllt ein Verhalten zugleich einen der nach den §§39 bis 42 die Ersatzpflicht begründenden Tatbestände und den Tatbestand einer unerlaubten Handlung, so gilt die Sondervorschrift des § 44, die dem § 852 B G B vorgeht. Ansprüche gegen den Vorsitzer des Aufsichtsrats einer Prüfungsgesellschaft und gegen seinen Stellvertreter (§ 42 A n m . 23) beruhen nur auf unerlaubter Handlung; f ü r sie gilt § 44 daher nicht. Ausgleichsansprüche verjähren nach § 195 B G B in dreißig J a h r e n ( R G 69, 426). Anm. 3 2. Die Anwendung der allgemeinen Verjährungsvorschriften: Die Vorschrift regelt nur den Beginn der Verjährung und die Dauer der Verjährungsfrist. Die allgemeinen Vorschriften, namentlich über Hemmung und Unterbrechung, bleiben daneben anwendbar. Z u beachten ist auch die in der Rechtsprechung des R G entwickelte Gegeneinrede der unstatthaften Rechtsausübung gegen die Einrede der Verjährung ( R G 143, 240 u. 2 5 3 ; 1 5 3 , 107; 156, 3 0 1 ; 157, 2 2 7 ; B G H Lind.Möhr. Nr. 2 zu § 222 B G B , Nr. 2 zu § 242 B G B [ C b ] ) . Anm. 4 3. Der Beginn der Verjährung: Der Beginn der Verjährung wird auf den Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft bestimmt. Es kommt also nicht darauf an, ob schon ein Schaden entstanden ist, geschweige darauf, wann die Gesellschaftsorgane von dem Schaden Kenntnis erlangt haben (§§ 198, 852 B G B ) . Das Gesetz will nach Ablauf von fünf J a h r e n seit der Eintragung einer K l a g e begegnen, die sich auf Verfehlungen aus der Gründungszeit stützt. Wie aber, wenn die Handlung erst nach der Eintragung, vielleicht sogar erst nach Ablauf der fünf J a h r e begangen worden ist? Diese Frage legt namentlich der neu eingefügte § 42 nahe. Es ist z. B. leicht möglich, daß ein Gründungsprüfer oder sein Gehilfe fünf J a h r e nach der Eintragung warten, um dann ein Betriebsgeheimnis, das sie bei der Gründungsprüfung erfahren haben, unbefugt zu verwerten. § 63 VersAufsG (vgl. auch § 141 AktG), dem die Vorschriften des §42 nachgebildet sind, bestimmt nur die Dauer der Verjährungsfrist auf fünf J a h r e , läßt es aber f ü r ihren Beginn bei den allgemeinen Vorschriften (§ 198 B G B ) , so daß dort die Schwierigkeit nicht entsteht. Sie entsteht hier dadurch, daß § 44 unterschiedslos die Verjährung mit der Eintragung der Gesellschaft beginnen läßt. M a n könnte in dem 266

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§45

genannten Beispiel versucht sein, mit § 826 BGB zu helfen; aber dem steht entgegen, daß die §§ 39 bis 44 eine erschöpfende Sonderregelung für die darin behandelten Gegenstände enthalten. Auch sind andere Fälle denkbar, in denen der Tatbestand des §826 BGB nicht vorliegen würde; z.B. ein Gründungsprüfer verletzt nach mehr als fünf Jahren fahrlässig seine Pflicht zur Verschwiegenheit und schädigt dadurch die Gesellschaft. Es kann nicht angenommen werden, daß das Gesetz in solchem Fall die Verjährungseinrede zulassen will. Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs beginnen zu lassen, bevor noch die schädigende Handlung begangen worden ist, läßt sich überhaupt nicht rechtfertigen (§ 198 BGB). Man muß daher § 44 dahin ergänzen, daß die Verjährung frühestens m i t der Begehung der z u m Ersatz verpflichtenden Handlung beginnt. Das ist nicht nur für § 42 von Bedeutung, sondern auch für § 40 Nr. 1 und 3 (ebenso Düringer-Hachenburg § 206 Anm. 3; Ritter Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 1 ; a. M. Brodmann § 206 Anm. 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; Teichmann-Koehler Anm.; v. Godin-Wilhelmi Anm.). § 4 5 Nachgründung (1) Verträge der Gesellschaft, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung und der Eintragung in das Handelsregister, wenn sie in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden; ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung i m Handelsregister sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam. (2) Vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat den Vertrag zu prüfen und einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht). Für den Nachgründungsbericht gilt sinngemäߧ 24 Abs. 2 und 3 über den Gründungsbericht. (3) Außerdem hat vor der Beschlußfassung eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer stattzufinden. § 25 Abs. 3 bis 5, § § 2 6 , 27 über die Gründungsprüfung gelten sinngemäß. (4) Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt; wird der Vertrag i m ersten Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen. Die Satzung kann diese Mehrheit durch eine größere Kapitalmehrheit ersetzen und noch andere Erfordernisse aufstellen. (5) Nach Zustimmung der Hauptversammlung hat der Vorstand den Vertrag in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift m i t d e m Nachgründungsbericht und dem Bericht der Gründungsprüfer nebst den urkundlichen Grundlagen zur Eintragung in das Handelsregister einzureichen. (6) Bestehen gegen die Eintragung Bedenken, weil die Gründungsprüfer erklären oder weil es offensichtlich ist, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder daß die für die zu erwerbenden Vermögensgegenstände gewährte Vergütung unangemessen hoch ist, so kann das Gericht die Eintragung ablehnen. Es soll der Gesellschaft vorher Gelegenheit geben, den Beanstandungen abzuhelfen. 267

§ 45 Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft

(7) Bei der Eintragung genügt die Bezugnahme auf die eingereichten U r kunden. In der Bekanntmachung der Eintragung sind aufzunehmen der Tag des Vertragsabschlusses und der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der zu erwerbende Vermögensgegenstand, die Person, von der die Gesellschaft ihn erwirbt, und die zu gewährende Vergütung. (8) Vorstehende Bestimmungen gelten nicht, wenn der E r w e r b der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet oder wenn sie in der Zwangsvollstreckung erworben werden. (9) Die Wirksamkeit eines Vertrags nach A b s . l wird, gleichviel ob er vor oder nach Ablauf von zwei J a h r e n seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen ist, nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Vereinbarung der Gründer über denselben Gegenstand nach § 20 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. Ü b ersieht Anm.

Einleitung I. Der Nachgründungsvertrag 1. Die rechtlichen Voraussetzungen 2. Die Wirksamkeitserfordernisse. Schwebende U n wirksamkeit 3. Das Erfüllungsgeschäft. . 4. Der Konkurs der Gesellschaft 5. Entsprechende Anwendung bei Kapitalerhöhung II.

Die Zustimmung der Hauptversammlung 1. Die Form der Zustimmung 2. Die Beschlußfassung mit qualifizierter Mehrheit. .

III. Die Prüfung durch Aufsichtsrat und Gründungsprüfer 1. Allgemeines 2. Das Fehlen der Prüfung

a,3 4 5

8 9

10 11

Anm.

IV. Die Eintragung in das Handelsregister 1. Die Einreichung der Unterlagen 2. Die Prüfung durch den Registerrichter . . . . 3. Die Eintragung und Bekanntmachung . . . .

12 13 14

V. Ausnahmen 1. Der Erwerb von Gegenständen, die den Gegenstand des Unternehmens bilden 2. Der Erwerb von Gegenständen in der Zwangsvollstreckung

16

V I . Die Heilung einer unwirksamen Sachgründung 1. Die Heilung durch Nachgründung 2. Die einfache Heilung .

17, 18 19

V I I . Übergangsvorschrift

. . .

15

20

Anm. 1 Schon der Gesetzgeber von 1884 hatte die Notwendigkeit erkannt, die der Offenlegung von Sachgründungen dienenden Vorschriften durch solche zu ergänzen, die in die erste Zeit des Bestehens der A G hineinreichen. Denn es liegt allzu nahe, jene Vorschriften dadurch zu umgehen, daß zunächst eine Bargründung vorgenommen wird und nach der Eintragung die Verträge geschlossen werden, deren Offenlegung die Gründer hatten vermeiden wollen. So entstanden die in Art. 213 f. enthaltenen Vorschriften über die „Nachgründung". Das Gesetz blieb aber auf halbem Wege stehen. Es erschwerte zwar die Nachgründung, indem es sie an die Zustimmung der Generalversammlung mit verschärftem Mehrheitserfordernis band, auch eine vorgängige Prüfung durch den Aufsichtsrat und Erstattung eines Prüfungsberichts vorschrieb sowie Gründern und Gründergenossen unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Gründung eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft auferlegte, wenn 268

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 45 Anm. 2, 3

die Nachgründung auf eine schon vor der Entstehung der Gesellschaft von den Gründern getroffene Vereinbarung zurückging. Aber das wesentlichste Stück der für die Sachgründung getroffenen Sicherungen ließ das Gesetz bei der Nachgründung weg, nämlich die Prüfung durch unparteiische Revisoren. Das HGB übernahm diese Vorschriften im wesentlichen unverändert (§§ 207, 208 HGB). Das AktG hat die vielfach beklagte Lücke ausgefüllt. Es verlangt eine Prüfung durch Gründungsprüfer und gleicht die Erfordernisse der Nachgründung denen der Sachgründung auch dadurch an, daß es zur Wirksamkeit der Nachgründung deren Eintragung ins Handelsregister verlangt. Das setzt wiederum eine Prüfung durch den Registerrichter voraus, die diesem in entsprechender Weise wie bei der Gründung auferlegt wird. Auch im übrigen sind die Vorschriften verbessert worden. Anm. 2 I. Der Nachgründungsvertrag. 1. Die rechtlichen Voraussetzungen: Als Nachgründungsvertrag unterliegt den Vorschriften des § 45 jeder Vertrag, den die Gesellschaft in den ersten 2 Jahren seit ihrer Eintragung abschließt (nicht nur erfüllt, R G 130, 253), der den Erwerb von Vermögensgegenständen zum Inhalt hat, und bei dem die von der Gesellschaft zu leistende Vergütung den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigt. Unter dem G r u n d k a p i t a l ist hier wie immer deren satzungsmäßiger Nennbetrag zu verstehen, nicht der Betrag der geleisteten Einzahlungen. Wird das Grundkapital erhöht, so entscheidet der zur Zeit des Vertragsschlusses geltende Betrag. Die Vergütung braucht nicht in Geld zu bestehen; besteht sie in einer anderen Vermögenswerten Leistung, so ist ihr Wert zu schätzen. Gegenstand des Nachgründungsvertrages sind v o r h a n d e n e oder h e r z u s t e l l e n d e Anlagen oder sonstige V e r m ö g e n s g e g e n s t ä n d e . Der Ausdruck ist so umfassend wie nur möglich und bedarf keiner weiteren Erläuterung (Beispiele s. § 20 Anm. 6, 7, 23). Wird ein einheitlicher Vertrag in mehrere Verträge zerlegt, so fallen diese gleichwohl insgesamt unter § 45. Anders dagegen, wenn selbständige Verträge mit verschiedenen Vertragsgegnern geschlossen werden, mögen sie auch eine gemeinsame Beziehung zueinander aufweisen oder eine wirtschaftliche Einheit miteinander bilden, etwa der Errichtung derselben Produktionsanlage dienen (herrsch. Ansicht; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. II, 1). Liegt jedoch in einem solchen Fall offenbar eine Umgehungsabsicht vor, dann kann auch die Zerlegung in mehrere selbständige Verträge für die Anwendung von § 45 nicht von Bedeutung sein. Eine besondere F o r m ist für den Nachgründungsvertrag nicht vorgeschrieben, jedoch ist wegen Abs. 5 (Einreichung beim Registergericht, Anm. 12) die Schriftform praktisch unerläßlich. Anm. 3 Seiner rechtlichen Natur nach ist der Nachgründungsvertrag ein einfacher schuldrechtlicher Vertrag, der mit dem Gründungsäkt in keinem rechtlichen Zusammenhang steht. Er wird jedoch seinem Inhalt nach dadurch gekennzeichnet, daß er nach § 20 in der Satzung hätte festgesetzt werden müssen, wenn er bei der Gründung der AG abgeschlossen worden wäre. Daher der Name Nachgründungsvertrag (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). In dieser Hinsicht ist jedoch eine Einschränkung geboten, die sich aus dem Zweck des § 45 ergibt. Erforderlich ist, daß die Vergütung aus dem Kapital der Gesellschaft, nicht aus dem späteren Gewinn der Gesellschaft gezahlt wird; daher fallt der Erwerb eines Vermögensgegenstandes (z. B. Patent) gegen Gewährung eines Gewinnanteils nicht unter § 45 (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 10). Im übrigen gilt aber inhaltlich für den Nachgründungsvertrag alles, was für den Übernahmevertrag nach § 20 gilt (§ 20 Anm. 23, 6). Danach können nicht nur K a u f - und Werkv e r t r ä g e , sondern auch M i e t v e r t r ä g e Nachgründungsverträge im Sinn des § 45 sein (ebenso Ritter Anm. 2 a). Die gegenteilige Auffassung, die mit Rücksicht auf den Wortlaut des Gesetzes einen Vertrag verlangt, der auf den Erwerb eines dinglichen Rechts gerichtet ist (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 1 1 ; Teichmann-Koehler Anm. 2 b), übersieht insoweit den engen Zusammenhang zwischen § 20 und § 45. — 269

§45 A n m . 4—6

I. Buch: Aktiengesellschaft

V o r v e r t r ä g e fallen ebenfalls unter § 45, wenn durch sie eine Verpflichtung der Gesellschaft begründet wird (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 10).

Anm. 4 2. Die W i r k s a m k e i t s e r f o r d e r n i s s e . Schwebende U n w i r k s a m k e i t :

Nach-

gründungsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung (Anm. 8, 9) und der Eintragung in das Handelsregister (Anm. 12 ff.). Das ist auch dann notwendig, wenn inzwischen die Zwei-Jahresfrist abgelaufen ist. Sie können dann nur durch einen erneuten Abschluß zu voller Wirksamkeit gelangen. Durch diese Wirksamkeitserfordernisse wird die an sich unbeschränkte Vertretungsmacht des Vorstandes sachlich beschränkt (wie im Fall des § 4 3 ; vgl. dort Anm. 1 3 ) . Nachgründungsverträge sind bis zur Erteilung der Zustimmung und bis zur Vornahme der Eintragung n i c h t n i c h t i g , sondern s c h w e b e n d u n w i r k s a m . Der Vertragsgegner ist an einen solchen Vertrag innerhalb einer angemessenen Frist gebunden. Eine entsprechende Anwendung des § 178 B G B ist nicht möglich, der Vertragsgegner hat also kein einseitiges W i d e r r u f s r e c h t . Eine solche Annahme würde mit dem Zweck des § 45, Schutz der Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger, in Widerspruch stehen und die hier typisch anders gelagerte Interessenlage gegenüber dem Vertrag mit einem Vertreter ohne Vertretungsmacht außer acht lassen. Der Vertragsgegner kann hier lediglich in entsprechender Anwendung des § 1829 B G B eine angemessene Frist zur Beibringung der Zustimmung der Hauptversammlung und zur Eintragung in das Handelsregister setzen; nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist wird der Vertragsgegner von seiner Bindung frei (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 20; SchlegelbergerQuassowski Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 ; Geiler J W 1929, 2925; Flechtheim J W 1929, 2944; a. M . R G 1 2 1 , 1 0 4 ; J W 1929, 2944; Ritter Anm. 2 b ; v. GodinWilhelmi Anm. 2 ; abweichend auch U r y J W 1930, 1 3 5 3 ; Abraham J W 1930, 1354). Wird die Zustimmung von der Hauptversammlung verweigert oder die Eintragung in das Handelsregister abgelehnt, so wird der Vertrag endgültig unwirksam.

Anm. 5 3. D a s E r f ü l l u n g s g e s c h ä f t : Nach jetzt ausdrücklicher Vorschrift sind auch die Ausführungsgeschäfte ohne Zustimmung der Hauptversammlung und ohne Eintragung in das Handelsregister unwirksam. Das bedeutet aber auch hier wie bei den Verpflichtungsgeschäften n i c h t n i c h t i g , sondern s c h w e b e n d u n w i r k s a m . Die Ausführungsgeschäfte bedürfen also nach Zustimmung und nach Eintragung nicht der Wiederholung. Das ist bedeutsam f ü r die A u f l a s s u n g ; dem steht auch § 925 Abs. 2 B G B nicht entgegen, da eine rechtsbedingte Auflassung wirksam ist ( B G H Lind. Möhr. Nr. 1 zu § 1477 B G B ) . Trägt der Grundbuchrichter vor Erteilung der Zustimmung die beantragte Eigentumsänderung ein, so wird das Grundbuch unrichtig (Brodmann § 207 Anm. 4 b ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4). Wird die Zustimmung von der Hauptversammlung verweigert oder die Eintragung in das Handelsregister abgelehnt, so ist das Ausführungsgeschäft endgültig unwirksam. Die Gesellschaft hat bei beweglichen Sachen das Erlangte nach § 985 B G B herauszugeben, bei Grundstücken zudem der Berichtigung des Grundbuchs zuzustimmen. Einer Anwendung der § § 8 1 2 ff. B G B bedarf es im allgemeinen nicht.

Anm. 6 4. D e r K o n k u r s d e r G e s e l l s c h a f t : Fällt die Gesellschaft vor Erteilung der Z u stimmung in Konkurs, so bedarf es nur noch der Zustimmung des Konkursverwalters (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 24; Ritter Anm. 2 b ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 10). Der Gegenmeinung ( B a y O b L G J W 1925, 1646; Vorauf!. Anm. 7; Brodmann §207 Anm. 4 a ; Baumbach-Hueck Anm. 3 ; J a e g e r K o m m . K O §§207/08 Anm. 1 0 ; Menzel-Kuhn K o m m . K O § 207 Anm. 5 ; J a e g e r J W 1926, 596), die neben der Z u stimmung des Konkursverwalters auch weiter die Zustimmung der Hauptversammlung f ü r erforderlich hält, kann nicht gefolgt werden. Zunächst kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der Konkursverwalter nach Konkurseröffnung in der selbständigen Verwertung des Gesellschaftsvermögens frei und nicht an die Zustimmung der Haupt-

270

2. Teil : Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§44

Anm. 1—4

Versammlung gebunden ist; er kann also solche Verwertungsverträge, die ohne Konkurseröffnung Nachgründungsverträge wären, selbständig abschließen (so auch J a e g e r J W 1926, 596). Das folgt einerseits zwingend aus dem Konkurszweck und andererseits aus der Tatsache, daß mit der Konkurseröffnung der Schutzgedanke des § 45, Schutz der Aktionäre usw. gegen Gründereinflüsse, gegenstandslos geworden ist. Warum sollte hier nun etwas anderes gelten, wenn der Vertrag vor der Konkurseröffnung noch vom Vorstand abgeschlossen worden w a r ? Auch hier entfällt mit der Konkurseröffnung der Grundgedanke des § 4 5 ; die Gefahr eines ungerechtfertigten Gründereinflusses besteht nun nicht mehr. Wenn demgegenüber J a e g e r ( J W 1926, 596) in dieser Hinsicht einen Vergleich mit Satzungsänderungen und körperschaftsrechtlichen Beschlüssen zieht und meint, so wie in diesen Fällen die Zuständigkeit der Hauptversammlung durch die Konkurseröffnung nicht berührt werde, so müsse das gleiche f ü r die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 45 gelten, so erscheint auch das nicht richtig. Denn es ist gerade der entscheidende Unterschied, daß es sich bei den sog. Nachgründungsverträgen um reine Verkehrsgeschäfte handelt, die zum Aufgabenbereich des Konkursverwalters gehören und deshalb z. B. einer Satzungsänderung nicht gleichgestellt werden können.

Anm. 7 5. Entsprechende Anwendung bei Kapitalerhöhung: Der Zweck des § 45 erfordert es, diese Bestimmung auch bei Kapitalerhöhungen entsprechend anzuwenden, wenn diese innerhalb der Zwei-Jahresfrist nach Eintragung der Gesellschaft vorgenommen wird. Denn f ü r die Anwendung des § 45 kann es, wie Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 mit Recht bemerken, keinen Unterschied machen, ob die Gesellschaft als Gegenleistung junge Aktien oder ein anderes Entgelt hingibt (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. I).

Anm. 8 II. Die Zustimmung der Hauptversammlung. 1. Die F o r m d e r Z u s t i m m u n g : Die Zustimmung der Hauptversammlung muß a u s d r ü c k l i c h durch einen besonderen Beschluß erteilt werden. Dabei muß sich die Hauptversammlung ihres Prüfungsrechts und der daraus entspringenden Pflicht bewußt sein und von sämtlichen Bedingungen des Vertrages eingehend Kenntnis erhalten haben ( R G 1 2 1 , 104; H R R 1929 Nr. 1 0 3 3 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 ; Teichmann-Koehler Anm. 3 c ; Cohnitz J W 1930, 2644). Es gilt insoweit das gleiche wie f ü r die Genehmigung des § 184 B G B , die die Kenntnis und den Willen des Genehmigenden voraussetzt, daß der Vertrag erst mit seiner Genehmigung wirksam wird ( B G H 2, 153). Die Auffassung, die Zustimmung könne auch stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten erteilt werden (Düringer-Hachenburg § 207 Anm. 1 8 ; Ritter Anm. 2 b), erscheint nicht richtig und läßt sich wohl auch kaum damit vereinbaren, daß die Zustimmung der Hauptversammlung bei der Eintragung in das Handelsregister nachzuweisen ist (Anm. 12). I m Schrifttum wird fast einhellig die Ansicht vertreten, die Zustimmung könne auch vor Abschluß des Vertrages als Einwilligung erteilt werden. Gegen diese Auffassung bestehen jedoch Bedenken. D a der Aufsichtsrat und die Gründungsprüfer den abgeschlossenen Vertrag zu prüfen haben (Anm. 1 0 / 1 1 ) , die Prüfungsberichte sodann der Hauptversammlung bei ihrer Beschlußfassung vorliegen müssen, ist die Folgerung zwingend, daß die Zustimmung erst nach Abschluß des Vertrages erteilt werden kann (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 7).

Anm. 9 2. Die B e s c h l u ß f a s s u n g m i t qualifizierter M e h r h e i t : Der Beschluß muß mit einer besonders gearteten Mehrheit gefaßt werden. Erstens muß die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§§ 1 1 3 , 1 1 4 ) f ü r die Zustimmung sein. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen muß aber zugleich mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals (nach dem Nennbetrag, ohne Rücksicht auf die

271

§45

Anm. 10—12

I. Buch: Aktiengesellschaft

Höhe der Einzahlungen) umfassen. Wird der Beschluß schon im ersten J a h r nach der Eintragung der Gesellschaft gefaßt, so liegt der Verdacht eines Zusammenhangs mit der Gründung noch näher. In diesem Fall müssen die Anteile der zustimmenden Mehrheit nicht nur drei Viertel des bei der Beschlußfassung v e r t r e t e n e n Grundkapitals umfassen, sondern außerdem noch mindestens ein Viertel des g e s a m t e n Grundkapitals (ebenfalls nach dem Nennbetrag, ohne Rücksicht auf die Höhe der geleisteten Einzahlungen) erreichen, gleichviel, wieweit es bei der Beschlußfassung vertreten ist. Dieses letzte Erfordernis stimmt mit dem in § 30 Abs. 9 für die Errichtungsversammlung bei der Stufengründung aufgestellten Erfordernis überein, jedoch wird hier nicht angeordnet, daß Personen nicht mitstimmen können, von denen Vermögensstücke übernommen werden sollen. Nach den jetzigen Vorschriften über die Abstimmung (§ 114) ist der Vertragsgegner, wenn er selbst Aktionär ist, von der Abstimmung nicht ausgeschlossen. Unter Umständen kann der Beschluß nach § 197 Abs. 2 angefochten werden. Die Satzung könnte den Vertragsgegner von der Abstimmung ausschließen, wie sie überhaupt das Mehrheitserfordernis verschärfen und noch andere Erfordernisse für die Zustimmung der Hauptversammlung aufstellen kann. Dagegen kann sie die gesetzlichen Erfordernisse nicht abmildern.

Anm. 10 III. Die Prüfung durch Aufsichtsrat und Gründungsprüfer. 1. A l l g e m e i n e s : Der Beschlußfassung der Hauptversammlung haben z w e i P r ü f u n g e n vorauszugehen: eine durch den Aufsichtsrat, die zweite durch G r ü n d u n g s p r ü f e r . Die erste entspricht dem bisherigen Recht. Die zweite ist neu eingeführt, ihre Einführung bedeutet einen wesentlichen Fortschritt (Anm. 1). Über beide Prüfungen sind schriftliche Berichte zu erstatten. Für den vom Aufsichtsrat zu erstattenden Bericht, den das Gesetz den „Nachgründungsbericht" nennt, gilt sinngemäß § 24 Abs. 2 und 3 ; er hat also wie der Gründungsbericht sehr eingehende Angaben zu enthalten. Für die Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer gelten sinngemäß § 25 Abs. 3 bis 5, und die §§ 26 und 27. Es kann auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften verwiesen werden.

Anm. 11 2. D a s F e h l e n d e r P r ü f u n g : Ob diese beiden Prüfungen vorgenommen worden sind, hat der Registerrichter vor der Eintragung des Nachgründungsvertrags festzustellen. Fehlt eine der Prüfungen, so hat er die Eintragung abzulehnen. Die Prüfungen sind aber kein unmittelbares Gültigkeitserfordernis für den Vertrag. Hat die Hauptversammlung zugestimmt und hat der Registerrichter — was kaum vorkommen wird — den Vertrag versehentlich eingetragen, obwohl es an einer der Prüfungen oder an beiden gefehlt hat, so ist der Zustimmungsbeschluß nichtig. Denn er ist dann in beiden Fällen unter Verletzung einer im öffentlichen Interesse gegebenen Vorschrift ergangen, so daß § 195 Nr. 3 eingreift. Die im Schrifttum zumeist angenommene Unterscheidung, wonach der Zustimmungsbeschluß beim Fehlen einer Prüfung durch den Aufsichtsrat anfechtbar, beim Fehlen einer Prüfung durch die Gründungsprüfer nichtig sei (so auch Vorauf!. Anm. 6), erscheint nicht gerechtfertigt (wie hier auch Teichmann-Koehler Anm. 3 a, b; gegen die Unterscheidung wenden sich auch v. GodinWilhelmi Anm. 7, sie halten jedoch den Zustimmungsbeschluß in beiden Fällen nur für anfechtbar). Ist der Beschluß aus dem einen oder anderen Grunde nichtig, so tritt wiederum der oben (Anm. 4) genannte Schwebezustand ein, dem der Vertragsgegner ein Ende machen kann. Ob die Prüfungsberichte ungünstig lauten, ist für die Wirksamkeit des zustimmenden Beschlusses gleichgültig, kann aber einen Grund geben, die Eintragung abzulehnen (Anm. 13).

Anm. 12 I V . Die E i n t r a g u n g in das H a n d e l s r e g i s t e r . 1. Die Einreichung d e r U n t e r l a g e n : Nach der Zustimmung der Hauptversammlung hat der Vorstand den Vertrag dem R e g i s t e r g e r i c h t z u r E i n t r a g u n g e i n 272

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 45 Anm. 13,14

z u r e i c h e n , um die Nachgründung wirksam zu machen; ein Zwang zur Einreichung besteht nicht (§ 303 Abs. 2). Es ist nicht wie bei der Anmeldung der Gesellschaft nötig, daß sämtliche Vorstandsmitglieder mitwirken; Einreichung durch die Vertretungsberechtigten ( § 7 1 ) genügt, auch unechte Gesamtvertretung ist zulässig (vgl. § 35 Anm. g). Diese Einreichung ist eine Art der Anmeldung; sie hat persönlich beim Gericht oder in beglaubigter Form zu geschehen ( § 1 2 H G B , § 128 F G G ) . Über Einreichung durch den beglaubigenden Notar vgl. § 28 Anm. 8. Der Vertrag ist in Urschrift, Ausfertigung (§29 Anm. 8) oder beglaubigter Abschrift einzureichen; der Bericht des Aufsichtsrats (Nachgründungsbericht) und der Bericht der Gründungsprüfer nebst den urkundlichen Grundlagen der Berichte (§ 29 Anm. 4 Nr. 4) sind beizufügen. Eine öffentlich beglaubigte Abschrift der über den Hauptversammlungsbeschluß aufgenommenen Niederschrift ist nach § 1 1 1 Abs. 5 einzureichen. A n m . 13 2. D i e P r ü f u n g d u r c h d e n R e g i s t e r r i c h t e r : Die Prüfungspflicht des Registerrichters ist im wesentlichen die gleiche wie im Fall des § 3 1 . Es kann im allgemeinen auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden. Das Gericht hat also in erster Linie zu prüfen, ob die gesetzlichen Formvorschriften erfüllt sind, d. h. außer der Ordnungsmäßigkeit der Einreichv^ng, ob der Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats und der Bericht der Gründungsprüfer erstattet, ob die Hauptversammlung ordnungsmäßig berufen, ob Ordnungsmäßig abgestimmt und der Beschluß mit der erforderlichen Mehrheit gefaßt worden ist. Dahin gehört auch die Prüfung, ob der Nachgründungsbericht den gesetzlichen Vorschriften entspricht; es bedarf in diesem Punkt keiner Erklärung der Gründungsprüfer, daß das nicht der Fall sei; durch solche Erklärung kann der Registerrichter allerdings auf Verstöße gegen das Gesetz hingewiesen werden. Fehlt eine gesetzliche Voraussetzung, so muß die Eintragung abgelehnt werden. Darüber hinaus „ k a n n " das Gericht sie aber auch ablehnen, wenn die Gründungsprüfer erklären oder wenn es „offensichtlich" ist, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig oder daß die Vergütung f ü r die zu erwerbenden Gegenstände unangemessen hoch ist. Über die „Offensichtlichkeit" s. § 31 Anm. 7, über das „ k a n n " § 31 Anm. 8. Vor der Entscheidung, in der das Gericht die Eintragung aus diesen Gründen ablehnen kann, soll wie nach § 31 der Gesellschaft Gelegenheit gegeben werden, den Beanstandungen abzuhelfen. Auch wenn der Registerrichter Mängel anderer Art zu finden glaubt, ist es ihm unbenommen, der Gesellschaft Gelegenheit zur Abhilfe zu geben; nur ist es in diesem Fall nicht vorgeschrieben. A n m . 14 3. D i e E i n t r a g u n g u n d B e k a n n t m a c h u n g : Nach dem bisherigen Recht wurde der Vertrag nicht eingetragen, die Einreichung zum Handelsregister genügte nur einer Ordnungsvorschrift und war kein Gültigkeitserfordernis. Da nach dem AktG die Eintragung Rechtsbedingung f ü r die Wirksamkeit des Vertrags ist, so bedurfte es näherer Vorschriften über die Eintragung und deren Bekanntmachung. Bei der Eintragung selbst genügt die Bezugnahme auf die eingereichten Urkunden. Mehr ist in die Bekanntmachung ( § 1 0 H G B ) aufzunehmen, die aber keine Gültigkeitserfordernis f ü r den Vertrag ist. In die Bekanntmachung sind aufzunehmen: 1. der T a g des Vertragsabschlusses, 2. der T a g der Zustimmung der Hauptversammlung, 3. der zu erwerbende Vermögensgegenstand, 4. die Person, von der die Gesellschaft erwirbt, 5. die zu gewährende Vergütung. Da sich alles dies aus den Urkunden ergibt, auf welche die Eintragung Bezug nimmt, so wird hier angenommen werden müssen, daß die Wirkungen des § 15 H G B im vollen Umfang der Bekanntmachung eintreten (vgl. dagegen § 3 3 Anm. 2). Nach der in § 36 getroffenen Regelung ist der Vertrag nebst Anlagen in so vielen Stücken, als Niederlassungen bestehen, beim Gericht des Sitzes einzureichen. Dieses teilt seine Eintragung den einzelnen Gerichten der Zweigniederlassungen unter Beifügung der entsprechenden Stücke mit, diese Gerichte haben die Eintragung ohne Nachprüfung in ihre Register zu übernehmen. I m übrigen kann auf die Erläuterungen zu § 36 verwiesen werden. 18 Aktiengesetz, 2. Aufl.

273

§45 Anm. 1 5 , 1 6

I. Buch: Aktiengesellschaft

V. Ausnahmen (Abs. 8). Von den Vorschriften über die Nachgründung macht das AktG, im wesentlichen übereinstimmend mit dem bisherigen Recht, zwei Ausnahmen. Anm. 15 1. Der Erwerb von Gegenständen, die den Gegenstand des Unternehmens bilden: Die erste Ausnahme betrifft Gesellschaften, bei denen der Erwerb der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet (vgl. R G J W 1910, 8006). Das bisherige Recht sprach nur von Grundstücken; auch künftig wird das wohl der Hauptfall sein. Es wäre ungerechtfertigt, bei solchen Gesellschaften innerhalb der eisten zwei Jahre ihres Bestehens in dem Erwerb eines jeden Grundstücks eine Nachgründung zu sehen, während sie in Wirklichkeit nur ihrem Gewerbe nachgeht. Die Ausnahme ist aber streng auf solche Gesellschaften zu beschränken. Es genügt nicht, daß eine Gesellschaft zum Betriebe eines andersartigen Unternehmens irgendwelcher Grundstücke bedarf (RG J W 1929, 294412), auch wenn sie den Erwerb dieser Grundstücke neben dem Betrieb, dem sie dienen sollen, mißbräuchlich als Gegenstand des Unternehmens mitbezeichnet. Gerade für solche Gesellschaften sind die Vorschriften über die Nachgründung bestimmt (KGJ 10, 33; BayObLG Holdheim 5, 201). Es genügt auch nicht, daß in der Satzung der Erwerb einer bestimmten Betriebsstätte und anderer Grundstücke als Gegenstand des Unternehmens bezeichnet ist, geschweige die überhaupt unzulässige Bezeichnung „Betrieb von Handelsgeschäften aller Art" (§16 Anm. 11). Es müssen wirklich „Grunderwerbsgesellschaften" sein, also Gesellschaften, deren Unternehmen darauf gerichtet ist, Grundstücke zu erwerben, um durch den Erwerb Geschäfte zu machen. Hauptsächlich gehören dahin Siedlungsgesellschaften, die Grundstücke erwerben, um sie zu veräußern oder zu verpachten. Was hier für Grundstücke gesagt ist, gilt entsprechend für andere Vermögensgegenstände, deren Erwerb den Gegenstand des Unternehmens bildet. Hierher ist vor allem der Ankauf von Rohstoffen oder von Halbfertigfabrikaten zu rechnen, die für den Fabrikationsbetrieb der Gesellschaft benötigt werden. Auch hier würde eine Einschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes den laufenden, satzungsmäßig vorgesehenen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft behindern. Über die Bedeutung dieser Ausnahme für die Zeit zwischen Entstehung und Eintragung der Gesellschaft vgl. § 34 Anm. 28. Anm. 16 2. Der Erwerb von Gegenständen in der Zwangsvollstreckung: Die zweite Ausnahme wird für den Erwerb in der Zwangsvollstreckung gemacht. Das entspricht dem Art. 2 i 3 f . des Ges. von 1884, während § 207 Abs. 5 HGB vom Erwerb im Wege der „Zwangsversteigerung" sprach; beide Gesetze hatten dabei nur Grundstücke zum Gegenstand. Auch das AktG hatte in der ersten Veröffentlichung das Wort „Zwangsversteigerung", durch Bekanntmachung des Reichsministers der Justiz vom 1 1 . 5. 37 (RGBl. I 588) ist es in „Zwangsvollstreckung" berichtigt worden. Damit erledigen sich Zweifelsfragen des bisherigen Rechts. Ein Erwerb in einer beliebigen Zwangsversteigerung, an der die Gesellschaft nicht anders beteiligt war, als daß sie mitbot, konnte nicht wohl gemeint sein; das wurde allgemein angenommen. Zweifelhaft war aber, inwieweit die Gesellschaft beteiligt sein mußte. Der Begriff einer Zwangsversteigerung in das unbewegliche Vermögen geht in macher Hinsicht über den einer Zwangsvollstreckung hinaus. Dieser ist (nach Schlegelberger-Quassowski Anm. 4) gewählt worden, weil die Nachgründung Vermögensgegenstände aller Art umfassen kann. An diesen Begriff muß man sich nunmehr halten. Kommt nur ein Erwerb in der „Zwangsvollstreckung" in Trage, so ist klar, daß dies keine fremde, sondern eine eigene Zwangsvollstreckung sein, die Gesellschaft also einen vollstreckbaren Titel haben muß. Ob das ein persönlicher oder dinglicher ist, ob sie die Vollstreckung an erster Stelle oder als beigetretene Gläubigerin betreibt, bleibt sich gleich. Die Versteigerung zwecks Aufhebung einer Gemeinschaft (§ 753 BGB, §§ 180 ff. ZVG) fällt zwar bei Grundstücken unter den Begriff der Zwangsversteigerung, aber weder bei ihnen noch bei anderen Gegenständen immer unter den Begriff der Zwangsvollstreckung (a. M. Schlegelberger-Quassowski 274

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 45 Anm, 17,18

Anm. 4), sondern nur dann, wenn sie auf Grund eines vollstreckbaren Titels von der Gesellschaft betrieben wird. Ähnlich steht es mit einem Pfand verkauf; betreibt ihn die A G auf Grund eines vollstreckbaren Titels (§ 1233 Abs. 2 BGB), so kann sie den Gegenstand ohne Rücksicht auf § 45 AktG erwerben, beim Erwerb im Privatverkauf müßte sie § 45 beachten. Hat sie ein Absonderungsrecht und einen vollstreckbaren Titel, so kann sie im Konkurs des Schuldners auch aus einer vom Konkursverwalter betriebenen Zwangsversteigerung in unbewegliches oder Zwangsvollstreckung in bewegliches Vermögen (§§ 126, 127 KO) den Gegenstand des Absonderungsrechts erwerben, ohne durch § 45 behindert zu sein. Von einem vollstreckbaren Titel wird man aber in keinem Fall absehen können, wenn man den Begriff der Zwangsvollstreckung nicht gänzlich verflüchtigen will. Es besteht auch kein Bedürfnis, die Ausnahmevorschrift weit auszulegen. A n m . 17 V I . Die Heilung einer unwirksamen Sachgründung. 1. Die Heilung durch Nachgründung: Der letzte Absatz des § 45 beendigt den Streit darüber, ob die Nachgründung dazu dienen könne, eine Sachgründung zu heilen, die entgegen der gesetzlichen Vorschrift nicht in der Satzung verlautbart worden war (§ 20 Anm. 32). Das Gesetz erklärt die Wirksamkeit eines Nachgründungsvertrags nicht dadurch für ausgeschlossen, daß eine Vereinbarung der Gründer über denselben Gegenstand nach § 20 Abs. 2 der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist. Danach kann also über eine in der Satzung nicht festgesetzte Sacheinlage oder Sachübernahme ein Nachgründungsvertrag geschlossen werden, der wirksam ist, wenn •— bei Abschluß innerhalb der ersten zwei Jahre seit der Eintragung — die Vorschriften des § 45 beachtet werden. Damit wird aber die Bareinlage nicht schlechthin zur Sacheinlage, weil Aufrechnung nur in beschränktem Umfang möglich ist (§60). Auch wird auf diesem Wege lediglich die Heilung einer mangelhaften Sachgründung ermöglicht; die Heilung eines nach § 19 Abs. 2 nichtigen Gründungsabkommens ist auf diesem Wege nicht möglich ( R G 167, 117). Anm. 18 Wie steht es aber mit den Erfüllungsgeschäften, die nach § 20 Abs. 2 (und § 186 Abs. 4 HGB) ebenfalls unwirksam sind? Es ist z. B. auf Grund einer in der Satzung nicht festgesetzten Sachübernahme der Gesellschaft ein Grundstück übereignet worden, sie hat dem Veräußerer Barzahlung geleistet. Alles das ist unwirksam. Der Veräußerer ist trotz der Auflassung an die Gesellschaft und deren Eintragung im Grundbuch Eigentümer des Grundstücks geblieben, das Grundbuch ist unrichtig. Die Gesellschaft hat am baren Gelde kein Eigentum auf den Veräußerer übertragen und ist durch Vermischung des Geldes mit dem seinigen Miteigentümerin seines Barbestandes geworden (§ 948 BGB). Wird nun der schuldrechtliche Vertrag unter Beachtung des § 45 wiederholt, so daß er nunmehr wirksam geschlossen ist, so hat sich damit die dingliche Rechtslage noch nicht geändert. Die A G ist nach wie vor nur Bucheigentümerin, nicht wirkliche Eigentümerin. Sie hat aber gegen den Berichtigungsanspruch des Veräußerers nunmehr eine Einrede (§§ 894, 986 Abs. 2 BGB), auch kann der Veräußerer auf seinen Berichtigungsanspruch durch formlosen Vertrag verzichten, und ein solcher Verzicht wird regelmäßig schon im Nachgründungsvertrag, als stillschweigend darin enthalten, gefunden werden können. Die Gesellschaft wird mit alledem zwar nicht wirkliche Eigentümerin, hat aber den Berichtigungsanspruch nicht mehr zu fürchten und kann über das Grundstück vermöge der unwiderruflichen Einwilligung des wahren Eigentümers (§§ IÖ3) Abs. 1 BGB) wirksam verfügen, es belasten oder veräußern. Genügt ihr das alles nicht, will sie wahre Eigentümerin werden, so müßte freilich das Grundbuch berichtigt und es müßten Auflassung und Eintragung wiederholt werden. Einfacher liegt es mit der Vergütung. Bei ihr genügt eine formlose Einigung nach § 929 Satz 2 BGB, den Grundstücksveräußerer zum Eigentümer des Geldes zu machen. Ist die Vergütung durch Banküberweisung geleistet worden, so macht ein formloser Vertrag den Unberechtigten zum Berechtigten. Stillschweigendes Einverständnis genügt in beiden Fällen. 18*

275

§ 45 A n m . 19, 20

§ 46 A n m . 1,2

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 19 2. Die einfache Heilung: Das Gesetz läßt ohne die Sicherungen des § 45 eine Heilung der Sachgründung auch dann zu, wenn seit der Eintragung der Gesellschaft mehr als zwei Jahre vergangen sind oder wenn die Vergütung den zehnten Teil des Grundkapitals nicht übersteigt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 12, 13; BaumbachHueck Anm. 8, Herbig DNotZ 1937, 202; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 14). In diesen Fällen erscheint das Schutzbedürfnis geringer. A n m . 20 VII. Übergangsvorschrift: Für Verträge, die vor dem 1. 1. 37 geschlossen worden sind, enthält § 4 EinfG eine Übergangsvorschrift; vgl. die Erläuterungen zu § 4 EinfG. § 4 6 E r s a t z a n s p r ü c h e bei der Nachgründung Für die Nachgründung gelten die § 3 9 , 4 0 , 4 2 bis 44 über die Ersatzansprüche der Gesellschaft. An die Stelle der Gründer treten die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats; sie haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Ü b ersieht Anm.

Anm.

Einleitung 1. Die haftpflichtigen Personen . 2. Der Haftungstatbestand . . . 3. Verzicht und Vergleich . . .

1 2 3 4

4. Die Verjährung

5

5. Ausnahme

6

6. Die Strafbarkeit des Nachgründungsschwindels

7

Anm. 1 Art. 2i3f. des Gesetzes von 1884 ließ in Abs. 5 die Gründer und Gründergenossen für eine Schädigung der Gesellschaft nach den für die Gründung geltenden Vorschriften haften, wenn der Erwerb eines Vermögensgegenstandes innerhalb der ersten zwei Jahre in A u s f ü h r u n g e i n e r v o r d e r E r r i c h t u n g d e r G e s e l l s c h a f t v o n d e n G r ü n d e r n g e t r o f f e n e n V e r e i n b a r u n g stattgefunden hatte. Ähnlich bestimmte § 208 HGB eine Ersatzpflicht von Gründern und Gründergenossen, wenn die Gesellschaft vor dem Ablauf der zweijährigen Frist Vermögensgegenstände in A u s f ü h r u n g e i n e r vor i h r e r E i n t r a g u n g v o n G r ü n d e r n g e t r o f f e n e n V e r e i n b a r u n g erworben hatte. Auf die Bedeutung dieser Vorschriften ist nicht mehr einzugehen, weil §46 etwas w e s e n t l i c h a n d e r e s a n i h r e S t e l l e s e t z t . §46 betrifft zwar auch Ersatzpflichten, aber nicht solche von Gründern oder Gründergenossen und nicht wegen früherer Vereinbarungen. Anm, 2 1. Die haftpflichtigen Personen: Nach § 46 sind folgende Personen haftpflichtig: 1. Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Wo in den §§ 39, 40 und 43 von den Gründern die Rede ist, sind statt ihrer die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einzusetzen. 2. Personen, für deren Rechnung Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen haben (§ 39 Abs. 5). 3. Wer bei Empfang einer vorschriftswidrig in den Nachgründungsaufwand nicht aufgenommenen Vergütung wußte oder den Umständen nach annehmen mußte, daß die Verheimlichung beabsichtigt oder erfolgt war, oder wer zur Verheimlichung wissentlich mitgewirkt hat (§40 Nr. 1). Ob auch §40 Nr. 1 hier gelten soll, ist freilich nicht unzweifelhaft, weil das Gesetz für den Nachgründungs276

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

§ 46 A n m . 3—5

aufwand keine Festsetzung in der Satzung vorschreibt wie f ü r den Gründungsaufwand (§ 19). Dennoch ist auch der Nachgründungsaufwand klarzulegen, z. B. eine f ü r das Zustandekommen des Nachgründungsvertrags zu Lasten der Gesellschaft gewährte Belohnung. Das ergibt sich schon aus dem Sinn und Zweck der vorgeschriebenen Berichte (§ 45 Abs. 2 u n d 3). Z u m mindesten erscheint eine entsprechende Anwendung des § 40 Nr. 1 geboten (a. M . Teichmann-Koehler Anm. 2). 4 . Wer im Fall einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Schädigung der Gesellschaft durch den Nachgründungsvertrag an der Schädigung wissentlich mitgewirkt hat (§ 40 Nr. 2). 5 . Wer vor der Eintragung des Nachgründungsvertrags in das Handelsregister oder in den ersten zwei J a h r e n nach dieser Eintragung die Aktien öffentlich ankündigt, u m sie in den Verkehr einzuführen, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Nachgründung gemacht worden sind, oder die Schädigung der Gesellschaft durch den Nachgründungsvertrag kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns kennen m u ß t e (§40 Nr. 3). 6 . Die mit der Prüfung der Nachgründung befaßten Gründungsprüfer, ihre Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft (§ 42). Anm. 3 2. D e r H a f t u n g s t a t b e s t a n d : Die Tatbestände, an die § 46 die Ersatzpflicht der in Anm. 2 aufgeführten Personen knüpft, sind die in den §§ 39, 40, 42 genannten, jedoch durchweg übersetzt in die bei der Nachgründung entwickelte Tätigkeit. Bei den zu 3, 4, 5 aufgeführten Personen ist es schon in Anm. 2 zum Ausdruck gebracht worden, es gilt entsprechend auch von den Personen zu 1, 2 u n d 6. Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haften also f ü r die Richtigkeit u n d Vollständigkeit der zum Zwecke der Nachgründung gemachten Angaben (§ 39 Abs. 1), sie sind ersatzpflichtig, wenn von einem ihrer Mitglieder die AG durch die Sacheinlage (Sachkapitalerhöhung) oder die Sachübernahme oder durch Nachgründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt wird (§ 39 Abs. 2). Sie haben sich zu entlasten (§ 39 Abs. 3) und dabei nachzuweisen, d a ß sie die Sorgfalt „eines ordentlichen u n d gewissenhaften Geschäftsleiters" — statt „eines ordentlichen Geschäftsmanns", wie es f ü r die Gründer heißt — angewandt haben. Neben ihnen sind in gleicher Weise ihre etwaigen Hintermänner (§ 39 Abs. 5) ersatzpflichtig. Die Gewissenhaftigkeit u n d Unparteilichkeit der Gründungsprüfer u n d der ihnen gleichgestellten Personen (§42) hat der Prüfung der Nachgründung zu gelten; ihre Pflicht zur Verschwiegenheit u n d das Verbot, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu verwerten, betrifft die Kenntnisse, die sie bei der Prüfung der Nachgründung erworben haben. Anm. 4 3. V e r z i c h t u n d V e r g l e i c h : Die Vorschriften über Verzichte u n d Vergleiche (§ 43) gelten auch f ü r Ersatzansprüche aus der Nachgründung. Die fünfjährige Frist, innerhalb deren Verzicht u n d Vergleiche, abgesehen von dem im letzten Satz des § 43 genannten Ausnahmefall, nicht geschlossen werden können, wird hier nicht von der Eintragung der Gesellschaft, sondern von der Eintragung des Nachgründungsvertrags gerechnet werden müssen, in dem j a der H a u p t g r u n d der H a f t u n g liegt (a. M . anscheinend Teichmann-Köhler Anm. 4). Anm. 5 4. D i e V e r j ä h r u n g : Ebenso gilt die Vorschrift des § 44 auch f ü r die Ersatzansprüche aus der Nachgründung. Die V e r j ä h r u n g s f r i s t ist wie die Frist des § 4 3 (s. vorige Anm.) von der Eintragung des Nachgründungsvertrags zu berechnen (a. M . Teichmann-Köhler Anm. 4). Will man sie von der Eintragung der Gesellschaft berechnen, so kommt das widersinnige Ergebnis heraus, d a ß die Verjährung des Schadens277

§ 46 A n m . 6, 7

I. Buch: Aktiengesellschaft

§ 47 A n m . 1 , 2 ersatzanspruchs beginnt, bevor noch die schädigende Handlung begangen worden ist. Aus diesem Grunde beginnt die Verjährung, wenn die Handlung erst nach der Eintragung des Nachgründungsvertrags begangen wird, erst mit dem Zeitpunkt der Begehung (§ 44 Anm. 4). Anm. 6 5. A u s n a h m e : Die Vorschriften des §46 gelten nur für die N a c h g r ü n d u n g im Sinne des § 45, also nicht für Verträge über Vermögensgegenstände, deren Vergütung den zehnten Teil des Grundkapitals nicht übersteigt, und nicht für Verträge, die erst später als zwei Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft geschlossen werden. Auch solche Verträge haben zwar nach § 45 Abs. 9 heilende Wirkung (§ 45 Anm. 19), Sicherungen sind aber für sie nicht vorgeschrieben. Eine Schadensersatzpflicht kann jedoch auch in diesen Fällen nach allgemeinen Vorschriften begründet sein, z. B. bei Untreue des Vorstands oder bei einem Verstoß gegen § 826 BGB. Anm. 7 6. Die S t r a f b a r k e i t des N a c h g r ü n d u n g s s c h w i n d e l s : des Nachgründungsschwindels vgl. § 295 Anm. 1, 12, 13, 14.

Über S t r a f b a r k e i t

§ 4 7 Ermächtigung D e r Reichsminister der J u s t i z w i r d e r m ä c h t i g t , i m E i n v e r n e h m e n m i t d e m Reichswirtschaftsminister 1. die B e f ä h i g u n g z u r A u s ü b u n g d e r Tätigkeit als Gründungsprüfer v o n b e s o n d e r e n Voraussetzungen abhängig zu m a c h e n , 2 . a l l g e m e i n e Vorschriften für die Durchführung der G r ü n d u n g s p r ü f u n g zu erlassen. Anm. 1 Art. X I V der Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 31 (RGBl. I 493) ermächtigte die Reichsregierung u. a., Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Befähigung zur Ausübung der Tätigkeit als Gründungsprüfer oder Bilanzprüfer zu erlassen und allgemeine Anweisungen für die Durchführung der Gründungsoder Bilanzprüfung aufzustellen. Von der ersten Ermächtigung ist zwar für Bilanzprüfer Gebrauch gemacht worden (Art. 5 der 1. D V O vom 15. 12. 31, RGBl. I 760, vgl. jetzt § 137 AktG), aber nicht für Gründungsprüfer, nach den Mitteilungen von Schlegelberger-Quassowski-Schmölder im Kommentar zur Aktienrechtsverordnung (S. 397) wegen Widerstandes der Industrie- und Handelskammern. Anm. 2 Die in Anm. 1 genannte E r m ä c h t i g u n g wird hier in betreff der Gründungsprüfer und der Durchführung der Gründungsprüfung wiederholt, und zwar wird sie dem Reichsminister der Justiz unter der Bedingung des Einvernehmens mit dem Reichswirtschaftsminister erteilt. Solange von der Ermächtigung kein Gebrauch gemacht wird, bilden für die Befähigung der Gründungsprüfer § 25 Abs. 4, für die Durchführung der Gründungsprüfung die §§ 26, 27 die einzigen Vorschriften. An die Stelle der Reichsminister sind jetzt die entsprechenden Bundesminister getreten (Art. 129 GG).

278

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 48

Anm, 1, 2 Dritter

Teil

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 4 8

Rechtliche Natur der A k t i e n g e s e l l s c h a f t (1) Die Aktiengesellschaft hat eigene Rechtspersönlichkeit. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. Ü b ersieht Anm.

Einleitung

b) Die Bestellung eines Vorstands zum Zweck der Prozeßführung gegen die AG

2—4

7

c) Die Auflösung der A G während des Prozesses . d) Die Rechtskraftwirkung des Urteils e) Der Gerichtsstand . . . f) Das Armenrecht für die AG

8

4. Die Stellung der A G im Strafrecht

17

9

5. Die Stellung der A G im sonstigen öffentlichen Recht .

18

II. Die Haftung der A G für ihre Verbindlichkeiten

19

I. Die eigene Rechtspersönlichkeit der A G 1. Allgemeines 2. Die Stellung der A G im Privatrecht a) Die A G als Verwalterin fremden Vermögens . . b) Die A G als Trägerin einer Vollmacht . . . c) Die A G als Trägerin von Vermögensrechten . . d) Die A G als Schiedsrichter und Schiedsgutachter . e) Erwerbsbeschränkungen für die A G 3. Die Stellung der A G im Prozeßrecht a) Allgemeines

Anm

i

5 6

10

12 13 14 15 16

Anm. 1 Bisher waren im § 2 1 0 H G B zwar Merkmale der juristischen Persönlichkeit angegeben, aber es war nicht gesagt, daß die A G eigene Rechtspresönlichkeit hat. Das sagt das A k t G jetzt an zwei Stellen, in § 1 (vgl. Anm. 3 das.) und in § 48 Abs. 1. Der zweite Absatz betrifft die Haftung für die Gesellschaftsschulden und enthält das Gegenstück zu dem in § 1 enthaltenen Merkmal der A G , wonach die Aktionäre für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haften.

I. Die eigene Rechtspersönlichkeit der AG. Anm. 2 1. A l l g e m e i n e s : Der Begriff der eigenen Rechtspersönlichkeit ist aus dem bürgerlichen Recht bekannt. Rechtsgebilde, die eigene Rechtspersönlichkeit haben, nennt das BGB mit herkömmlichem Ausdruck „juristische Personen". Es spricht nicht von eigener Rechtspersönlichkeit, sondern von Rechtsfähigkeit (vgl. §§ 21, 22, 23, 80 BGB), meint damit aber dasselbe. Die juristischen Personen werden als rechtsfähig grundsätzlich mit natürlichen Personen auf gleiche Stufe gestellt. Immerhin bestehen Unterschiede, die teils in der Natur der Sache liegen, teils auf positiver Gesetzesvorschrift (vgl. §§ 2044, 210g, 2163 BGB) beruhen.

279

§48

A n m . 3—6

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 3 Dadurch, daß die A G eigene Rechtspresönlichkeit hat, wird sie von den natürlichen oder juristischen Personen, die als Aktionäre ihre M i t g l i e d e r sind, klar u n t e r s c h i e den. Daraus fließen die Folgen, die § 210 HGB im einzelnen aufführte. Diese Folgen sind nach dem AktG völlig dieselben wie nach bisherigem Recht. Anm. 4 Die A G hat s e l b s t ä n d i g ihre Rechte u n d Pflichten. Ihre Rechte und Pflichten sind nicht solche der Aktionäre und umgekehrt. Ihr Vermögen ist ein anderes als das der einzelnen Aktionäre. Ein „Recht der Gesamtheit der Aktionäre" gibt es neben den Rechten der A G nicht. Über die Einmanngesellschaft s. § 15 Anm. 8. Anm. 5 2. Die Stellung d e r A G i m P r i v a t r e c h t : Auf dem Gebiet des Privatrechts ist die A G grundsätzlich von keinerlei Rechten und Verbindlichkeiten ausgeschlossen. Es ergeben sich jedoch zum Teil recht weitragende Ausnahmen da, wo die Begründung von Rechten und Verbindlichkeiten an das Vorhandensein einer natürlichen Person geknüpft ist. Das ist auf dem Gebiet des F a m i l i e n r e c h t s ganz offensichtlich; es gilt aber auch über den Bereich des Familienrechts hinaus. In dieser Hinsicht ist manches unklar; eine eindeutige, begrifflich einsehbare Abgrenzung ist insoweit kaum möglich (vgl. dazu Bondi ZB1HR 1929, 34fr.). Anm. 6 a) Die A G a l s V e r w a l t e r i n f r e m d e n V e r m ö g e n s : Zum V o r m u n d kann eine A G nicht bestellt werden, denn eine solche Bestellung setzt — abgesehen von der Amts-, Anstalts- und Vereinsvormundschaft — eine natürliche Person voraus (allg. Ansicht); dasselbe wird wohl auch für die Bestellung als P f l e g e r zu gelten haben (abw. z. T. Bondi aaO. S. 38). Dagegen wird die Einsetzung der A G als T e s t a m e n t s v o l l s t r e c k e r i n heute wohl allgemein anerkannt (a. M. noch Brodmann § 210 Anm. 2a); dasselbe ist auch für ihre Bestellung als N a c h l a ß v e r w a l t e r i n und N a c h l a ß p f l e g e r i n anzunehmen. Kraft positiver Bestimmung (§ 206 Abs. 1 Satz 2) kann sie auch zum L i q u i d a t o r bestellt werden. Dies alles läßt sich im Grunde nur mit einem praktisch unabweisbaren Bedürfnis rechtfertigen und kann — z. B. bei der Bestellung zum Liquidator — zu Erschwernissen im Rechtsverkehr führen, weil die zur Verwaltung berufenen natürlichen Personen in diesen Fällen nicht ohne weiteres für die Allgemeinheit erkennbar sind, und weil bei der Anwendung der strafrechtlichen Sanktionsbestimmungen die A G nicht unmittelbar getroffen werden kann (vgl. dazu Brodmann in Anm. J W 1930, 1410; andererseits O L G Karlsruhe J W 1925, 2017; 2338; K G J W 1930, 1410; Bondi ZB1HR 1929, 37). Analogieschlüsse sollte man aus der Zulässigkeit der Bestellung der A G zum Liquidator nicht ziehen, soweit nicht ebenfalls ein unabweisbares praktisches Bedürfnis besteht. Daher wird man mit der herrschenden Meinung — obwohl logisch nicht begründbar — die Bestellung einer A G zum K o n k u r s - , V e r g l e i c h s - u n d Z w a n g s v e r w a l t e r als unzulässig anzusehen haben (a. M. Bondi aaO. S. 38; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 0 Anm. 3 ; Ritter Anm. 2 a ; Hachenburg-Schilling § 13 Anm. 4). Dasselbe gilt für die Bestellung einer A G zum Mitglied des V o r s t a n d s (§ 75 Abs. 1 Satz 3) oder des A u f s i c h t s r a t s (§86 Abs. 2 Satz 1) einer anderen AG, obwohl hier der Vergleich zur Bestellung als Liquidator oder zu der Rechtsstellung der A G als persönlich haftende Gesellschafterin einer Personalhandelsgesellschaft (vgl. dazu § 1 Anm. 2), vor allem als alleinige Komplementärin einer kapitalistischen Kommanditgesellschaft, nicht allzu fern liegt. Dagegen wird — wiederum nicht recht begründbar, wenn man den Vergleich mit dem Ausichtsrat zieht — aus praktischen Gründen mit Recht die Möglichkeit bejaht, daß die A G zum M i t g l i e d eines G l ä u b i g e r a u s s c h u s s e s (OLG Dresden Seuff. A. 60 Nr. 22; Jaeger KommKO §87 Anm. 5), oder zum M i t g l i e d eines G l ä u b i g e r b e i r a t s (§44 VergO) berufen oder als Vertreterin der Gläubiger nach § 1189 BGB bestellt wird.

280

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 48 Anm, 7—10 Anm. 7 b) Die AG als Trägerin einer Vollmacht: Es wird heute allgemein anerkannt, daß der AG als solcher eine Vollmacht erteilt werden kann; aus dem Wesen der Vollmacht kann nicht der Schluß gezogen werden, daß der Bevollmächtigte eine natürliche Person sein muß. Dagegen kann die AG nach der herrschenden Meinung nicht Trägerin einer Prokura sein (a. M. insoweit Ritter Anm. 2 a). Diese Meinung kann jedoch nicht aus dem Wesen der Prokura (besonderes Vertrauen, das nur einer bestimmten natürlichen Person entgegengebracht werden kann; Interesse der Öffentlichkeit, aus dem Handelsregister die zum Handeln unmittelbar berechtigte natürliche Person ersehen zu können) hergeleitet werden (zutreffend insoweit Bondi ZB1HR 1929, 35). Vielmehr folgt das daraus, daß der Prokurist im allgemeinen ein kaufmännischer Angestellter ist, und daß die AG ihrem Wesen nach nicht Angestellte eines anderen Kaufmanns (Handlungsgehilfin) sein kann (abweichend insoweit freilich Bondi aaO. S. 36). Demgemäß wird man die Erteilung einer Prokura an eine AG in ihrer Stellung als Kommanditistin wohl als zulässig ansehen müssen, da sie insoweit nicht als Angestellte der Kommanditgesellschaft auftritt (vgl. dazu BGH 17, 392; Rob. Fischer in Anm. Lind.-Möhr. Nr. 1 zu § 52 HGB). Auch die Erteilung einer H a n d l u n g s v o l l macht wird im allgemeinen nicht in Betracht kommen, weil im Regelfall auch der Handlungsbevollmächtigte Angestellter eines Kaufmanns ist. Anm. 8 c) Die AG als Trägerin von Persönlichkeitsrechten: Die AG ist Trägerin eines Namens-(Firmen-)rechts (§37 HGB; R G 109, 213; H R R . 1930 Nr. 483; BGH WM 1955, 1250); sie kann auch Trägering eines W a r e n z e i c h e n r e c h t s sein. Ausgeschlossen ist auch nicht, daß sie Trägerin eines E r f i n d e r - und U r h e b e r r e c h t s ist. Hierbei kann nur fraglich sein, ob sie auch in ihrer Person Urheberrechte unmittelbar erwerben und Erfindungen machen kann (bejahend v. Godin-Wilhelmi Anm. II, 1 ; verneinend Brodmann § 210 Anm. 2 a). Man wird diese Frage verneinen müssen, weil es die Achtung vor der Persönlichkeit erfordert, daß der Schaffende selbst als Urheber anerkannt wird (vgl. dazu Ulmer Urheber- und Verlagsrecht 1951 S. 122). Anm. 9 d) Die AG als Schiedsrichter und Schiedsgutachter: Nach wohl herrschender Meinung (Stein-Jonas-Schönke Komm. ZPO § 1032 Anm. I; Seuffert-Walsmann Komm. ZPO § 1032 Anm. 1 c; Bondi ZB1HR 1929, 39; vgl. dazu auch R G J W 1905, 54; OLG Hamburg Seuff. A. 72 Nr. 22) wird es für zulässig gehalten, daß eine AG in einem Schiedsvertrag als Schiedsrichter bestellt wird. Ein solcher Schiedsvertrag wird von der herrschenden Meinung dahin ausgelegt, daß als Schiedsrichter die Personen ernannt sein sollen, die jeweilig satzungsmäßig zur Vertretung der AG berufen sind. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden; sie verträgt sich nicht mit der Aufgabe des Richteramts und führt zu unauflösbaren Schwierigkeiten, wenn während eines schwebenden Schiedsgerichtsverfahrens ein Wechsel im Vorstand bei der zum Schiedsrichter bestellten AG eintritt. Schiedsrichter können immer nur natürliche Personen sein (ebenso Baumbach-Lauterbach Komm. ZPO § 1025 Anm. 5 c). Unbedenklich ist dagegen die Bestellung einer AG als Schiedsgutachter oder Taxator (§§ 317fr. BGB). Anm. 10 e) Erwerbsbeschränkungen für die A G : Für den Erwerb von Rechten durch eine AG gelten durch Art. 86 EG z. BGB aufrechterhaltene zahlreiche landesrechtliche Bestimmungen, die den Grundstückserwerb Beschränkungen unterwerfen. Diese Beschränkungen sind durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts vom 5.3.1953 II. Teil Art. 2 (BGBl. I 33) aufgehoben worden, soweit sie den Erwerb von Rechten durch eine inländische AG von einer staatlichen Genehmigung abhängig machten. Eine besondere Bestimmung gilt für V e r s i c h e r u n g s u n t e r n e h m u n g e n . Sie bedürfen nach § 54 VersAufG zum Grunderwerb der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, soweit sie nicht Grundstücke beliehen haben und diese im Zwangsversteige281

§48

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 11—13 rungsverfahren erwerben. Für vom 13. 7. 99 (RGBl. 375).

Hypothekenbanken

gilt § 5 Abs. 3

HypothBankG

3. Die Stellung der AG i m Prozeßrecht Anm. 11 a) A l l g e m e i n e s : I m Rechtsstreit erscheint die Rechtsfähigkeit als Parteifähigkeit, die Fähigkeit, sich durch Verträge zu verpflichten (die Geschäftsfähigkeit), als Prozeßfähigkeit (§§ 50, 52 Z P O ) . Die A G ist demnach parteifähig, p r o z e ß f ä h i g a b e r n u r d u r c h i h r e g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r . Sie wird regelmäßig durch den Vorstand vertreten (§ 71), bei Rechtsstreitigkeiten gegen Vorstandsmitglieder u n d bei der Anfechtungsklage durch den Aufsichtsrat, bei der Anfechtungsklage u. U. durch Vorstand und Aufsichtsrat (§§ 97, 199 Abs. 2, vgl. dazu B G H Z 13, 188 u n d Rob. Fischer in Anm. bei L M Nr. 7 zu § 75 AktG). Die Vertreter sind im Urteil zu benennen (§313 Nr. 1 Z P O ) , doch kann die Benennung nachgeholt werden, selbst noch in dem Revisionsurteil (RG 63, 372). Bei einer Mehrheit gesetzlicher Vertreter genügt die Zustellung an einen von ihnen (§171 Abs. 3 Z P O , vgl. § 71 Abs. 2 Satz 3 AktG). Die gesetzlichen Vertreter sind als Partei zu vernehmen (§§ 445fr., 455 Z P O ) ; auch kann das Gericht nach § 141 Z P O ihr persönliches Erscheinen anordnen. Dagegen können sie nicht als Zeugen vernommen werden (RG 2, 400). Wohl aber kann ein Aktionär, der nicht gesetzlicher Vertreter der A G ist, als Zeuge vernommen werden, denn er ist nicht Partei (RG J W 1902, 394 1 5 ); f ü r seine Beeidigung gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 39 1 ff- Z P O ) . Ebenso steht es mit den Mitgliedern des Aufsichtsrats, wenn sie nicht die A G vertreten. Ein Aktionär kann grundsätzlich dem Prozeß einer AG nicht als Nebenintervenient beitreten, weil ihm das rechtliche Interesse im Sinn des § 66 Z P O fehlt (RG 83, 182; Brodmann §210 Anm. 3 a ; Ritter § 1 Anm. 2 b ; SchlegelbergerQuassowski Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 2 C ; Stein-Jonas-Schönke Z P O §66 Anm. I I I 2; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 210 Anm. 6; zweifelnd v. Godin-Wilhelmi Anm. I I 2). Eine Ausnahme gilt f ü r einen Anfechtungsprozeß nach § ig9, weil hier die Rechtskraft des Urteils nach § 200 auch gegenüber jedem einzelnen Aktionär wirkt (allg. Ansicht; vgl. Karlsruhe O L G E 11, 33). Auch vom Richteramt ist ein Aktionär in einem Rechtsstreit, in dem die A G Partei ist, nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen; § 41 Nr. 1 Z P O trifft nicht zu. Etwas anderes wird jedoch zu gelten haben, wenn der Aktionär sämtliche Aktien besitzt (Brodmann § 210 Anm. 3 a ; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim §210 Anm. 6). Unbedeutender Aktienbesitz wird auch regelmäßig noch nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen (§42 Z P O ) , bei größerem Aktienbesitz ist sie gerechtfertigt (RG 7, 312).

Anm. 12 b) Die Bestellung eines Vorstands zum Zweck der Prozeßführung gegen die A G : Ist k e i n V o r s t a n d v o r h a n d e n und soll die A G verklagt werden, so sind zwei Wege möglich. Der Gläubiger kann in dringenden Fällen nach § 76 AktG beim Gericht des Sitzes die Bestellung eines Vorstands beantragen; dieser Antrag ist vom Registerrichter zu erledigen (§ 14 Anm. 2). Der Kläger kann aber auch nach § 57 Z P O , wenn mit dem Verzuge Gefahr verbunden ist, beim Vorsitzenden des Prozeßgerichts die Bestellung eines besonderen Vertreters beantragen. Der zweite Weg hat eine strengere Voraussetzung als der erste; ein Fall kann dringend sein, ohne daß mit dem Verzuge schon Gefahr verbunden sein müßte, d. h. dem Kläger wesentliche Nachteile drohen (Stein-Jonas § 57 Z P O Anm. I I 3).

Anm. 13 c) Die A u f l ö s u n g d e r A G w ä h r e n d d e s P r o z e s s e s : Wird die AG a u f g e l ö s t , so hört damit die Vertretungsbefugnis des Vorstands auf; der Rechtsstreit wird nach § 241 Z P O unterbrochen, bis die Abwickler dem Gegner von ihrer Bestellung Anzeige machen oder der Gegner ihnen seine Absicht anzeigt, das Verfahren fortzusetzen. Das gilt auch dann, wenn die Vorstandsmitglieder Abwickler sind (§206; a. M . Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 vor § 203); ihre Vertretungsbefugnis als Abwickler beruht auf einem neuen Grunde (§§ 207, 210; vgl. Schlegelberger-Quassowski § 207

282

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 48 Anm. 14—17 Anm. 2). Legen die Abwickler ihr Amt nieder, so ist nach Anm. 12 zu verfahren. Im Fall der V e r s c h m e l z u n g (§§ 233fr.) oder der V e r m ö g e n s ü b e r t r a g u n g ohne A b w i c k l u n g (§§ 253, 254) liegt Gesamtrechtsnachfolge vor; in diesen Fällen ist § 239 ZPO entsprechend anzuwenden (§240 Anm. 32; Stein-Jonas § 239 ZPO Anm. I 3). War die AG durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten, so wird aber weder im Fall der Auflösung noch in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge das Verfahren unterbrochen (§ 264 ZPO), sondern es ist nur auf Antrag einer Partei auszusetzen. Die U m w a n d l u n g e n nach den §§ 257fr. A k t G . wahren die Rechtspersönlichkeit unter Änderung ihrer Form und begründen nicht einmal eine Gesamtrechtsnachfolge, sind aber — ähnlich wie der Fall der Auflösung — mit einem Wechsel der Vertretungsbefugnis, wenn auch nicht immer der Personen der Vertreter, verbunden; also ist nach den §§241, 246 zu verfahren (a. M. Schlegelberger-Quassowski § 259 Anm. 1). Anm. 14 d) Die Rechtskraftwirkung des Urteils: Ein gegen die AG ergangenes rechtsk r ä f t i g e s U r t e i l ist nur gegen sie vollstreckbar. Die Aktionäre werden davon nicht berührt. Weitergehende Wirkungen haben Urteile, durch die ein Beschluß der Hauptversammlung, ein Jahresabschluß oder die Gesellschaft selbst für nichtig erklärt wird (§§ 200, 201, 202 Abs. 3, § 216 Abs. 4). Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer Nebenintervention für Aktionäre (§§ 66, 69 ZPO). Anm. 15 e) Der Gerichtsstand: Über den allgemeinen G e r i c h t s s t a n d der AG und den daneben nach § 1 7 Abs. 3 ZPO zulässigen satzungsmäßigen Gerichtsstand s. § 5 Anm. 5. Außerdem kommen die Gerichtsstände für Zweigniederlassungen (§ 21 ZPO) und die besonderen Gerichtsstände in Betracht, namentlich die des Erfüllungsorts (§29 ZPO; R G 52, 54) und der unerlaubten Handlung (§32 ZPO, §§31, 831 BGB). Für Versicherungsunternehmungen, deren Geschäftsbetrieb sich über ein Land hinaus erstreckt, bestimmt § 147 Abs. 3 VersAufsG neben den Gerichtsständen der ZPO einen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk der Hauptbevollmächtigte wohnt. Anm. 16 f) Das Armenrecht für die AG: Das A r m e n r e c h t kann nach § 144 Abs. 4 ZPO einer inländischen juristischen Person, also auch einer inländischen AG, unter den sonstigen Voraussetzungen dann gewährt werden, wenn die zur Führung des Rechtsstreits erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten (dazu R G 148, 196; K G NJW 1955, 469) aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Als „wirtschaftlich beteiligt" werden in der Regel alle Aktionäre angesehen werden müssen, unter Umständen auch ein Gläubiger der AG (RG 148, 196). Das Armenrecht wird daher für eine AG nur selten praktisch werden. In Patentstreitigkeiten kann auch zugunsten einer AG der Streitwert zum Zweck der Kostenersparnis herabgesetzt werden (§53 PatG); die Voraussetzungen des § 114 Abs. 4 ZPO brauchen dabei nicht gegeben zu sein (BGH L M Nr. 2 zu § 53 PatG). Anm. 17 g) Der Offenbarungseid: Im Zivilprozeß trifft die AG als solche eine Pflicht zur Eidesleistung nicht; hier haben vielmehr die als Partei vernommenen, vertretungsberechtigten Organe der AG (Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder) den Eid zu leisten, diese Pflicht trifft sie persönlich. Anders beim Offenbarungseid; diese Pflicht trifft die AG als solche. Diesen Eid haben daher die zur Zeit der Eidesabnahme im Amt befindlichen Vertreter zu leisten (OLG Dresden SächsOLG 24, 78; L G Hamburg HansGZ 1912, 300). Auf ein Ausscheiden, mit dem bezweckt wird, der Eidesleistung zu entgehen, wird aber keine Rücksicht genommen; in solchem Fall haben auch die Ausgeschiedenen den Eid zu leisten (OLG Karlsruhe H R R 1930 Nr. 458). 283

§ 48 A n m . 1 7 a — 1 9 §49

2. Teil: Gründung der Gesellschaft (Fischer)

Anm. 17 a 4. Die Stellung der AG im Strafrecht: Straffähig ist die AG wohl nicht, weil ihr ein Schuldvorwurf im strafrechtlichen Sinn nicht gemacht werden kann. Schuldig in diesem Sinn kann nur der mit einem Willen begabte Einzelmensch werden (bedenklich insoweit BGHSt. 5, 32; vgl. dazu kritisch Bruns J Z 1954, 251 m. w. N.). Eine andere Frage ist es dagegen, ob die AG im Einzelfall zur Haftung für Bußgeldbescheide oder zur Abführung von Mehrerlösen unmittelbar herangezogen werden kann (vgl. dazu BGHSt. 3, 130; aber auch §§416/17, 408, 404, 103, 107 R A O ; ferner HachenburgSchilling § 13 Anm. 5 m. w. N.). Nach der neueren Rechtsprechung ist der Ehrenschutz nach den §§ 185 fr. StGB (aber auch nach § 823 Abs. 2 BGB) nicht auf natürliche Personen beschränkt. Daher ist auch die AG beleidigungsfähig im Sinn der §§ 185 fr. StGB (vgl. dazu RGSt. 70, 140; 74, 269; BGHSt. 6, 187; Bruns NJW 1955, 689; Baumbach-Hueck § 1 Anm. 2 A ; Birk GmbH Rdsch. 1956, 105; a. M. Hachenburg-Schilling § 13 Anm. 6; bedenklich auch BGH Lind.Möhr. Nr. 2 zu § 185 StGB). Anm. 18 5. Die Stellung der AG im sonstigen öffentlichen Recht: Die Rechtsfähigkeit der AG wird im übrigen öffentlichen Recht weitgehend anerkannt. Das HGB und das AktG legen ihr öffentliche Pflichten (z. B. Führung der Bücher, Ziehung der Jahresabschlüsse, Anmeldung von Veränderungen usw.) auf. Auf dem Gebiet des S t e u e r rechts ist sie ebenfalls als solche rechtsfähig. Im Rahmen der GewO und der Sozialversicherung sind ihr zahlreiche öffentlichrechtliche Verpflichtungen auferlegt. Sie ist auch als solche wahlberechtigt zu den Industrie- und Handelskammern. Das Recht zum Börsenbesuch kann ihr freilich nicht erteilt werden; dieses Recht ist auf persönliche Eigenschaften abgestellt, so daß es nur natürlichen Personen erteilt werden kann (§ 7 BörsG). Anm. 19 II. Die Haftung der AG für ihre Verbindlichkeiten. Der zweite Absatz des § 48 spricht über die Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bejahend aus, was in § 1 schon in verneinender Form mit Bezug auf die Aktionäre gesagt ist. In § 1 ist als Merkmal der AG genannt, daß die Gesellschafter nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften (§ 1 Anm. 8). In § 48 Abs. 2 heißt es, daß für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft das Gesellschaftsvermögen haftet, aber auch nur dieses. Die Haftung des Gesellschaftsvermögens für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist eine selbstverständliche Folge ihrer Rechtsfähigkeit. § 4 9 Hauptverpflichtung der Aktionäre (1) Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien begrenzt. (2) Soweit nicht in der Satzung Sacheinlagen bedungen sind, haben die Aktionäre den Nennbetrag oder den höheren Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. (3) Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag (§ 28 Abs. 2) kann nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln oder durch Gutschrift auf ein Bankkonto i m Inland oder Postscheckkonto der Gesellschaft oder des Vorstands zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden. Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gegen Banken oder die ReiVAipost gelten als Forderungen der Gesellschaft. 284

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 49 Anm. 1,2 Übersicht Einleitung

Anm.

I

I. Die Verpflichtungen des Aktionärs 1. Der Umfang der Einlagepflicht 2. Keine weiteren Verpflichtungen des Aktionärs . . . a) Verbot einer Nachzahlungspflicht b) Verbot der Begründung weiterer Verpflichtungen c) Verbot der Verwirkung von Mitgliedschaftsrechten d) Ausnahme bei Begründung von Hilfspflichten e) Freiwillige Leistungen der Aktionäre 3. Persönliche Verpflichtungen des Aktionärs

3 4) 5 6 7 8 9

a) Sie sind grundsätzlich zulässig b) Ausnahmen c) Übernahme durch Erwerber

10 11 12

II. Die Erfüllung der Einlageverpflichtung 1. Die Erfüllung der Sacheinlagepflicht

13 2. Die Erfüllung der Bareinlagepflicht 14 a) Zahlungen vor Eintragung der AG 15 a) Die Barzahlung . . 16 ß) Die Einzahlung auf Bankkonto . . . . 17, 18 b) Zahlungen nach Eintragung der AG 19 c) Die Haftung des Rechtsnachfolgers für die Bar20 einlagepflicht

Anm. 1 Art. 219 des Gesetzes von 1884 bestimmte, daß die V e r p f l i c h t u n g des Aktion ä r s , zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten beizutragen, durch den Nominalbetrag der Aktie, bei Ausgabe für einen höheren Betrag durch diesen begrenzt werde. Diese Fassung erwies sich als zu eng. Sie trug den Bedürfnissen gewisser AG, namentlich solcher der Rübenzuckerindustrie, nicht Rechnung, die auf wiederkehrende Naturalleistungen ihrer Mitglieder angewiesen waren. Die Rechtsprechung lehnte es nach Art. 219 ab, Verpflichtungen dieser Art als Mitgliederpflichten anzuerkennen, und ließ sie nur als vertragliche zu, die neben der Mitgliedschaft beständen. Ob eine gewohnheitsrechtliche Umbildung des Aktienrechts in diesem Punkte anzunehmen war, blieb zweifelhaft; vgl. RG 17, 5; 21, 148; 26, 85; 37, 140; RG JW 1903, 3435. Die Entwicklung drängte jedoch dahin, solche Nebenverpflichtungen als Mitgliederpflichten zuzulassen. Das geschah durch das HGB in §212. Dementsprechend mußte die allgemeine Bestimmung über die Beitragspflicht der Aktionäre geändert werden; das geschah im §211 HGB. § 49 I hat sodann die Fassung des § 211 HGB fast wörtlich übernommen. Wenn hier für „Kapitaleinlage" nur „Einlage" gesagt ist, so bedeutet das keinen sachlichen Unterschied. Einlage umfaßt sowohl Bar- wie Sacheinlage; auch bei dieser können Aktien zu einem Betrage gewährt werden, der den Nennbetrag übersteigt (§9 Anm. 7). Den Gegensatz zur Einlage bilden die in § 50 daneben zugelassenen wiederkehrenden, nicht in Geld bestehenden Leistungen der Aktionäre. § 49 regelt ferner im zweiten und dritten Absatz die Einzahlungspflicht bei Bareinlagen (bisher § 195 HGB). Anm. 2 I. Die Verpflichtungen des Aktionärs. 1. Der U m f a n g der Einlagepflicht: Abs. 1 begrenzt die Einlagepflicht des Aktionärs durch den Ausgabebetrag der Aktien, die er übernimmt oder zeichnet. Die Vorschrift ist zwingend und gilt auch für die Sacheinlage. Beschlüsse, die gegen § 49 verstoßen, sind mit dem Wesen der AG unvereinbar und darum nach § 195 Nr. 3 285

§49 A n m . 3—6

I. Buch: Aktiengesellschaft

nichtig (vgl. R G 1 1 3 , 155, 1931, 2100; Karlsruhe O L G E 43, 309). Abs. 1 findet seine Ergänzung durch die §§ 5 7 f f . Danach kann eine Erhöhung der Einlagepflicht bei Verzug des zahlungspflichtigen Aktionärs eintreten; die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen, zur Zahlung einer Vertragsstrafe, zur Entrichtung eines weiteren Schadensersatzes ist durch Abs. 1 also nicht ausgeschlossen. Hierdurch ist aber auch zugleich die äußerste Grenze für die Geldleistungen der Aktionäre bezeichnet (Teichmann-Koehler Anm. 2). Zur Auslegung dieser Bestimmung während der Inflation vgl. R G 143, 398 m. w. N.

Anm. 3 2. K e i n e w e i t e r e n V e r p f l i c h t u n g e n des A k t i o n ä r s : Die zwingende Begrenzung der Einlagepflicht des Aktionärs durch Abs. 1 bezieht sich nur auf Verpflichtungen des Aktionärs; sie schließt daher freiwillige Leistungen des Aktionärs an die Gesellschaft nicht aus (dazu Anm. 9). Weiterhin bezieht sie sich nur auf mitgliedschaftliche Pflichten des Aktionärs, die diesen in seiner Eigenschaft als Aktionär treffen und die daher auch jeden Rechtsnachfolger des Aktionärs als Mitglied der Gesellschaft binden würden. Abs. 1 steht daher grundsätzlich nicht der Übernahme rein persönlicher Verpflichtungen des Aktionärs entgegen, die dieser nur für seine Person gegenüber der A G eingeht (dazu Anm. 10).

Anm. 4 a) V e r b o t e i n e r N a c h z a h l u n g s p f l i c h t : Unzulässig sind alle Satzungsbestimmungen und Beschlüsse, die dem Aktionär eine Nachzahlungspflicht, etwa für den Fall, daß das Vermögen der A G zur Deckung etwaiger Verluste nicht ausreicht, auferlegen. Auf die rechtliche Einkleidung derartiger Nachzahlungen kommt es nicht an. Unzulässig ist daher auch die Verpflichtung zur Gewährung von Darlehen an die A G , zur Übernahme von Bürgschaften oder Garantien für Verbindlichkeiten der A G oder auch die Begründung von Zahlungsverpflichtungen als Entgelt für Sachleistungen der A G an die Aktionäre (§ 50 Anm. 8).

Anm. 5 Dagegen fallt es nicht unter die gesetzwidrigen Nachzahlungen, wenn die Satzung vorschreibt, daß zunächst nur ein Teil der Einlage eingefordert und der Rest erst bei Bedarf nachgefordert werden soll. Auf diesem Weg kann im praktischen Ergebnis etwas ähnliches wie eine b e g r e n z t e N a c h s c h u ß p f l i c h t eingeführt werden, indem nämlich das Grundkapital von vornherein in Höhe der vorgesehenen begrenzten Nachschußpflicht festgesetzt wird (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). Derartige Bestimmungen finden sich namentlich in Satzungen von Versicherungsgesellschaften; sie werden in § 149 Abs. 4 Satz 2 ausdrücklich als gültig anerkannt, indem dort für Versicherungsgesellschaften eine Kapitalerhöhung zugelassen wird, obwohl noch ausstehende Einlagen auf das bisherige Grundkapital geleistet werden können. Die Satzungen nennen in solchen Fällen manchmal die zuerst geleisteten Einzahlungen „Einschüsse", die späteren „Nachschüsse"; im Rechtssinn sind beides Leistungen auf die Einlage, die nur zu verschiedenen Zeiten bewirkt werden. Derartige Bestimmungen verstoßen nicht gegen § 49 (vgl. R G 92, 317). Da aber diese Nachschüsse Leistungen auf die Einlage sind, so können sie nicht, wie das R G (a. a. O.) für zulässig erachtet hat, unter dem Vorbehalt der Rückerstattung aus späteren Gewinnen geleistet und aus diesen Gewinnen zurückgezahlt werden; das verstieße gegen § 52 (vgl. Brodmann § 2 1 1 H G B Anm. 2). Die Gegenansicht (so auch Ritter Anm. 3 ; Teichmann-Koehler § 52 Anm. 1) bringt insoweit in einer nicht vertretbaren Form den Gesichtspunkt der Nachschußpflicht zur rechtlichen Anerkennung.

Anm. 6 b) Verbot der Begründung weiterer Verpflichtungen: Unzulässig ist im

Regelfall auch die Begründung sonstiger Verpflichtungen des Aktionärs. Hier bildet jedoch die Vorschrift des § 50 eine wesentliche Ausnahme, die im beschränkten Umfang bei vinkulierten Namensaktien die Begründung mitgliedschaftlicher Nebenverpflich286

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 49 A n m . 7—9 tungen zuläßt, wenn es sich nämlich bei ihnen um wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen handelt. Das bedeutet, daß bei Inhaberaktien und nicht gebundenen Namensaktien die Begründung jeglicher weiterer mitgliedschaftlicher Verpflichtungen, wie Dienstleistungen, Sachlieferungen, Unterlassungspflichten unzulässig, dagegen bei vinkulierten Namensaktien die Begründung solcher Verpflichtungen nur insoweit unzulässig ist, als es sich bei ihnen nicht um wiederkehrende und nicht in Geld bestehende Leistungen handelt (dazu § 50 Anm. 8). Anm. 7 c) V e r b o t d e r V e r w i r k u n g von M i t g l i e d s c h a f t s r e c h t e n : Unzulässig sind ferner alle Satzungsbestimmungen, die abgesehen von den gesetzlich vorgesehenen Fällen (§§ 58fr., 179, 192) unmittelbar oder mittelbar eine Verwirkung von Mitgliedschaftsrechten vorsehen oder androhen (RG 49, 80; J W 1904, 218; Kiel O L G E 19, 364; Karlsruhe O L G E 43, 309). Dabei ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, daß durch die Androhung einer Verwirkung von Mitgliedschaftsrechten nicht ein Ergebnis herbeigeführt werden kann, daß auf dem Wege über die Begründung bestimmter Verhaltenspflichten (Unterlassungspflichten) durch den Abs. 1 gerade verwehrt wird. Auch persönliche Verpflichtungen eines Aktionärs (Anm. 10ff.) können nicht durch die Androhung einer Verwirkung des Mitgliedschaftsrechts für den Fall einer Verletzung dieser persönlichen Verpflichtung gesichert werden ( R G 49, 80; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 1 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Daher kann sich ein Aktionär nicht wirksam verpflichten, Mitglied eines anderen Vereins zu sein und beim Austritt aus diesem die Mitgliedschaft bei der A G zu verlieren oder aufzugeben (RG 49, 80; J W 1928, 2624/25; 1938, 2623; bedenklich Brodmann J W 1931, 776; a. M. Weipert § 192 Anm. 12). Unzulässig ist auch die Begründung einer Verpflichtung, auf Verlangen der A G das Mitgliedschaftsrecht (die Aktie) auf einen Dritten zu übertragen. Nicht zu billigen ist daher R G 120, 180 (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 227 Anm. 50; Ritter § 192 Anm. 14; v. Godin-Wilhelmi Anm. 13; vgl. auch die kritischen Anmerkungen zu dieser Entscheidung von Nord J W 1928, 2617 sowie von Simon und Goldschmidt J W 1928, 2618). Mag auch in dem Sachverhalt dieser Entscheidung der Weg der Zwangseinziehung durch Auslosung (§ 192) zum Zweck der Übertragung der Aktie auf einen Dritten gewählt worden sein, so ändert das doch nichts daran, daß hier die Zwangseinziehung nur das formale Mittel zur Erreichung eines nach § 49 Abs. 1 unzulässigen Erfolges darstellt. Anm. 8 d) A u s n a h m e bei B e g r ü n d u n g von Hilfspflichten : Durch Abs. 1 wird nicht die Begründung sog. Hilfspflichten berührt, die lediglich den Anspruch der A G auf die noch ausstehende Einlage sichern sollen. Es ist daher zulässig, daß Aktionären die Pflicht zur Hingabe von Sicherheitswechseln (RG 92, 317), die Pflicht zur Anzeige von Wohnungswechsel, dem Erben des Aktionärs die Pflicht zur Anzeige von dessen Tode ( R G J W 1930, 2 7 1 3 ; Karlsruhe O L G E 43, 309) auferlegt werden. Das entspricht auch der allgemeinen Auffassung im Schrifttum. Bedenklich ist jedoch die darüber hinausgehende Meinung von Möhring-Schwarz Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht 1938 S. 37, die auch in der Verpflichtung, die Aktie auf einen Dritten zu übertragen, sobald eine Gefährdung des Anspruchs der A G auf die noch ausstehende Einlage eintritt, eine solche Hilfsverpflichtung erblicken wollen; diese Meinung steht mit der Vorschrift des § 58, die diesen Sachverhalt abschließend regelt, in Widerspruch. Das Kaduzierungsverfahren selbst darf nicht in den Dienst der Sicherung der Gesellschaft gegen die Nichtzahlung noch ausstehender, auf die Aktien zu entrichtender Beträge gestellt werden (RG J W 1930, 2713). Anm. 9 e) Freiwillige L e i s t u n g e n d e s A k t i o n ä r s : Freiwillige Zuzahlungen oder freiwillige Leistungen anderer Art werden von dem Verbot des Abs. 1 nicht erfaßt; sie sind unbegrenzt zulässig. Dagegen ist die freiwillige Übernahme von Verpflichtungen,

287

§49

Anm. 10,11

I. Buch: Aktiengesellschaft

die den Aktionär als solchen binden würden und die sich ihrem Inhalt nach nicht von der Mitgliedschaft trennen ließen, nicht zulässig. Deshalb kann sich ein Aktionär auch bei freiwilliger Übernahme nicht vertraglich damit einverstanden erklären, daß seine Mitgliedschaft für einen bestimmten Fall verwirkt sein solle. Ein r e c h t l i c h e r Z w a n g zur Erbringung freiwilliger Leistungen, etwa durch Androhung der Zwangseinziehung in der Satzung, ist nicht statthaft (v. Godin-Wilhelmi Anm. 14). Ein w i r t s c h a f t l i c h e r Z w a n g dagegen ist im allgemeinen nicht unzulässig. So ist es üblich, Aktionären einen gewissen Anreiz zu bieten, um sie zu freiwilligen Zuzahlungen ohne Erhöhung des Grundkapitals zu veranlassen. Das geschieht entweder dadurch, daß den zuzahlenden Aktionären Vorrechte (Umwandlung in Vorzugsaktien) angeboten oder den nicht zuzahlenden Aktionären Nachteile (Zusammenlegung ihrer Aktien) angesonnen werden. Ein solcher wirtschaftlicher Zwang darf aber nicht so weit gehen, daß der angebotene Vorteil oder der angesonnene Nachteil mit der bezweckten Leistung (Zuzahlung) nicht mehr äquivalent ist; in einem solchen Fall würde ein unzulässiger Zwang vorliegen, der mit Abs. 1 nicht mehr in Einklang zu bringen ist ( R G 52, 287; 68, 235; 80, 81; Brodmann §185 Anm. 1; Ritter §11 Anm. 4 a ; SchlegelbergerQuassowski Anm. 2, 3 vor § 49; bedenklich v. Godin-Wilhelmi § 11 Anm. 5).

Anm. 10 3. Persönliche Verpflichtungen der Aktionäre. a) Sie sind g r u n d s ä t z l i c h z u l ä s s i g (herrsch. Meinung; a. M. in sehr grundsätzlichen Ausführungen Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III, 1 S. 376fr.). Das ergibt sich aus dem Prinzip der Vertragsfreiheit. Sie binden jedoch den sich verpflichtenden Aktionär immer nur persönlich, die Verpflichtung selbst ist also niemals Ausfluß der Mitgliedschaft. Gegenstand einer solchen nur persönlich übernommenen Verpflichtung können Leistungen oder Unterlassungen jeglicher Art sein, einmalige (auch in Geld bestehende) ebenso wie wiederkehrende oder dauernde Leistungen; die Einschränkung nach § 50 für gesellschaftliche Nebenleistungen besteht für diese persönlichen Verbindlichkeiten nicht. Eine besondere Form ist für ihre Begründung nicht vorgeschrieben, vor allem bedürfen sie nicht der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Im Einzelfall ist es eine Frage der A u s l e g u n g , ob eine Verpflichtung als eine persönliche oder eine mitgliedschaftliche gewollt ist. Dabei wird man in Fällen, in denen die besonderen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer mitgliedschaftlichen Nebenverpflichtung nach § 50 nicht gegeben sind (Anm. 4, 6), in denen also eine solche Verpflichtung als mitgliedschaftliche Pflicht nicht wirksam begründet werden kann, im Zweifel davon ausgehen können, daß sie als eine persönliche Pflicht gewollt war (ähnlich Düringer-Hachenburg-Flechtheim §211 Anm. 7). Aber auch dort, wo eine solche Auslegung an dem eindeutigen Willen der Beteiligten scheitert, ist immer zu fragen, ob eine solche Vereinbarung im Wege der U m d e u t u n g (§ 140 BGB) aufrechterhalten werden kann; eine solche Möglichkeit wird in den meisten Fällen gegeben sein (Düringer-Hachenburg-Flechtheim §211 Anm. 11; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; ähnlich auch Ritter Anm. 3).

Anm. 11 b) A u s n a h m e n : Bei der Übernahme solcher persönlicher Verpflichtungen kann nicht vereinbart werden, daß im Fall ihrer Verletzung die Sondervorschriften der §§ 57ff- eingreifen sollen. Die K a d u z i e r u n g d e r A k t i e kann nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen vorgenommen, sie kann nicht zur Sicherung rein persönlicher Verpflichtungen eines Aktionärs herangezogen werden. Es kann also niemals die Verwirkung von Mitgliedschaftsrechten auf Grund einer besonderen vertraglichen Vereinbarung eintreten. Aus aktienrechtlichen Gründen (§114 Abs. 6) kann sich ein Aktionär nicht persönlich gegenüber der Gesellschaft verpflichten, sein S t i m m r e c h t in der Hauptversammlung in einem bestimmten Sinn auszuüben (Rob. Fischer GmbHRdsch. 1953, 66; so jetzt auch Baumbach-Hueck § 102 Anm. 2 F ; Einzelheiten bei § 114).

288

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 49 A n m , 12—15 A n m . 12 c) Ü b e r n a h m e durch E r w e r b e r : Der Erwerber einer Aktie kann aus einer persönlichen Verpflichtung seines Vormanns nur in Anspruch genommen werden, wenn er diese Verpflichtung durch Schuldübernahme seinerseits selbst übernimmt. Hierin erweist sich der persönliche'Charakter einer solchen Verbindlichkeit. Eine derartige Schuldübernahme kann auch stillschweigend vorgenommen werden. Eine stillschweigende Schuldübernahme aber schon immer dann anzunehmen, wenn der Erwerber die persönliche Verpflichtung kennt oder wenn sie in der Satzung Aufnahme gefunden hatte und dem Erwerber die Satzungsbestimmung bekannt war (so DüringerHachenburg-Flechtheim § 2 i i Anm. io; Küster Soz.Pr. 1938, 863; vgl. auch Ritter Anm. 3), geht zu weit. Diese Auffassung birgt die Gefahr in sich, daß auf diesem Weg praktisch der Unterschied zwischen einer persönlichen und einer mitgliedschaftlichen Pflicht eingeebnet wird. Bei vinkulierten Namensaktien kann die Gesellschaft die Genehmigung zur Übertragung der Aktie davon abhängig machen, daß der Erwerber in die persönliche Verpflichtung des Veräußerers eintritt (v. Godin-Wilhelmi Anm. 12). A n m . 13 II. Die Erfüllung d e r Einlageverpflichtung. 1. Die Erfüllung der Sacheinlagepflicht: Über die Erfüllung der Sacheinlagepflicht besagen die Absätze 2 und 3 nichts. Hierfür sind die besonderen Vereinbarungen über die Sacheinlage maßgebend, die in ihren Grundzügen in der Satzung festgesetzt sein müssen (§ 20 Anm. 25; § 28 Anm. 16). Das gilt namentlich auch für den Zeitpunkt, in dem die Sacheinlage zu erbringen ist. Die P f l i c h t zur L e i s t u n g der S a c h e i n l a g e trifft im Unterschied zur Bareinlage (Anm. 20) nur den ursprünglichen Aktionär (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Veräußert er also die Aktie, so bleibt er weiterhin zur Leistung der Sacheinlage verpflichtet. Über die Rechtsstellung des Sacheinlegers vor vollständiger Bewirkung seiner Sacheinlage vgl. v. Godin-Wilhelmi aaO. A n m . 14 2. Die Erfüllung der Bareinlagepflicht: Für Bareinlagen schreibt §49 vor, daß die Aktionäre den Nennbetrag der Aktie oder den höheren Ausgabebetrag „einzuzahlen" haben. Bei der Frage, wie das zu geschehen hat, ist zu unterscheiden zwischen den Zahlungen, die vor der Eintragung vorgenommen werden müssen (§28 Abs. 2), und den Zahlungen, die nach der Eintragung geleistet werden. A n m . 15 a) Zahlungen v o r Eintragung der A G : Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 müssen vor der Anmeldung der A G zur Eintragung in das Handelsregister von der Bareinlage mindestens ein Viertel des Nennbetrages sowie ein etwaiges Aufgeld eingezahlt sein (§ 28 Anm. 12ff.). Für die Erfüllung dieser Einlageschuld bestehen ganz bestimmte formale Grundsätze; sie kann nur auf dem in Abs. 3 besonders vorgeschriebenen Weg vorgenommen werden. Tilgung auf anderem Wege, etwa durch Leistung an Erfüllungs Statt, ist nicht möglich; eine solche Leistung befreit den Schuldner insoweit nicht von seiner Einlageschuld (RG 94, 6 1 ; 144, 146; 3 5 1 ; 156, 30). Der Einlageschuldner kann aber auf Grund einer solchen Leistung einen Bereicherungsanspruch gegen die Gesellschaft haben, wenn und soweit die Gesellschaft durch seine Leistung noch bereichert ist. Der Einlageschuldner kann diesen Bereicherungsanspruch nicht im Wege der Aufrechnung zur Tilgung seiner Einlageschuld benutzen (§60; ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 8; vgl. dazu andererseits aber auch R G 156, 33). Einzahlungen über den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Mindestbetrag hinaus führen vor Eintragung der A G nicht zur Tilgung der Einlageschuld (Näheres bei § 34 Anm. 9; z. T. abweichend wohl v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Für die Erfüllung der Einlageschuld vor Eintragung der A G sind nur die Barzahlung und die Einzahlung auf ein Bankkonto zugelassen. 19

Aktiengesetz, 2. Aufl.

289

§49

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 16—19 Anm. 16 Die Barzahlung

ist Zahlung in gesetzlich zugelassenen Zahlungsmitteln. Hingabe von S c h e c k und W e c h s e l ist nicht Barzahlung ( R G S t . 36, 186); sie können nur zahlungshalber, nicht an Zahlungs Statt angenommen werden. Erfüllung tritt in diesen Fällen erst ein, wenn der angenommene Scheck oder Wechsel eingelöst wird. Auch die Hingabe eines bestätigten Landeszentralbankschecks führt heute nicht mehr zur Erfüllung der Einlageschuld; diese früher bei bestätigten Reichsbankschecks zugelassene Tilgungsmöglichkeit war vielfach mißbraucht worden (vgl. dazu R G 157, 225).

Anm. 17 Die Einzahlung auf Bankkonto

der Gesellschaft oder des Vorstandes: Der Einzahlung gleichzustellen ist die Überweisung, sobald die Gutschrift auf dem Bankkonto der Gesellschaft oder des Vorstandes erfolgt ist. Immer muß das Bankkonto im Inland bestehen. Das Konto des Vorstandes muß ihm als solchem, nicht einem Vorstandsmitglied persönlich eingeräumt sein. Dafür, daß die f ü r die Einzahlungen bestimmte Privatbank geeignet ist, sind die Gründer sowie die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates verantwortlich (§§39 Abs. 1, 4 1 ) . Der eingezahlte Betrag muß zur freien, nicht durch Gegenforderungen beschränkten Verfügung des Vorstands stehen (§§ 28 Abs. 2, 29 Abs. 1 ; vgl. dazu § 28 Anm. 15, § 29 Anm. 3). Ist das nicht der Fall, so führt eine solche Einzahlung nicht zur Tilgung der Einlageschuld (v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; a. M . Schlegelberger-Quassowski Anm. 8). Der Einlageschuldner wird sich daher von der Bank richtigerweise bestätigen lassen, daß der eingezahlte Betrag zur freien Verfügung des Vorstands steht. Der Einzahlung auf einem Bankkonto ist die Einzahlung auf einem P o s t s c h e c k k o n t o gleichgestellt.

Anm. 18 Die Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gelten als Forderungen Sie sind somit Vermögen der errichteten Gesellschaft (v. GodinWilhelmi Anm. 9; Baumbach-Hueck Anm. 4 A). Die hiergegen gerichteten, rein konstruktiven Bedenken von Ritter Anm. 6 können gegenüber dem Gesetzeswortlaut nicht durchgreifen. Die Forderungen werden mit der Eintragung der A G ohne weiteres Vermögen der A G ( § 3 4 Anm. 9). Daraus folgt des weiteren, daß die Forderungen f ü r den Vorstand fremde Forderungen sind. Sie sind daher dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen; die Gesellschaft hat im Fall der Pfändung die Widerspruchsklage nach § 771 Z P O und im Konkurs das Aussonderungsrecht nach § 43 K O . Bei Verwertung der Forderungen zu eigenen Zwecken macht sich der Vorstand strafrechtlich verantwortlich (§266 S t G B ) .

der Gesellschaft.

Anm. 19 b) Zahlungen nach Eintragung der

A G : Für sie gelten die einschränkenden Bestimmungen des Abs. 3 nicht. Bei ihnen greift aber die Vorschrift des § 60 Platz, wonach Erfüllung durch einseitige Aufrechnung seitens des Einlageschuldners oder durch Erlaß ausgeschlossen ist. Uber den Umfang dieses Verbots, insbesondere bei Leistungen an Erfüllungs Statt vgl. § 60 Anm. 9, 1 4 — 1 6 . I m Unterschied zu den Zahlungen vor Eintragung der A G können Zahlungen nach Eintragung der A G nicht mehr auf einem Bankkonto des Vorstandes mit befreiender Wirkung geleistet werden. Das kann auch nicht auf rechtsgeschäftlichem Wege vereinbart werden. Denn der Vorstand ist f ü r solche Einzahlungen nicht Treuhänder der A G im eigentlichen Sinn, weil die Einzahlungen nicht aus ihrem Vermögen herrühren, sondern nur f ü r sie bestimmt sind ( R G 84, 2 1 7 ; 9 1 , 1 6 ; 127, 344; 1 3 3 , 87; J W 1936, 1433). Denkbar wäre es an sich, daß die A G bestimmte, Zahlungen auf ein Bankkonto des Vorstandes sollten so angesehen werden, als ob sie an sie selbst geleistet seien. Indessen wäre das f ü r Zahlungen auf die Einlageschuld nicht mit § 60 vereinbar. Es besteht auch kein Bedürfnis dazu. V o r der Anmeldung der Gesellschaft wird sie häufig kein eigenes Bankkonto haben, so daß ein Bankkonto des Vorstands aushelfen muß. Nach ihrer Entstehung wird sie sich regelmäßig ein Bankkonto einrichten lassen.

290

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 49 Anm.20 § 50

Anm. 20 c) Die Haftung des Rechtsnachfolgers für die Bareinlagepflicht: Im Unterschied zur Sacheinlage (Anm. 13) trifft die Pflicht zur Erbringung der Bareinlage grundsätzlich den jeweiligen Aktionär; eine besondere Übernahmeerklärung ist hierzu nicht erforderlich. Daneben kommt auch hilfsweise eine Haftung des Veräußerers für die Einlageschuld in Betracht (§ 59). Die Haftung des Aktienerwerbers ist erträglich, da bei nicht voll eingezahlten Aktien nur auf den Namen ausgestellte Aktienurkunden ausgegeben werden dürfen und diese Urkunden den Betrag der geleisteten Teilzahlungen anzugeben haben (§10 Abs. 2). Ist jedoch in der Namensaktie die geleistete Teilzahlung zu hoch angegeben oder sind vor der Vollzahlung unzulässigerweise Inhaberaktien ausgegeben worden, so muß der gutgläubige Erwerber geschützt werden (RG 144, 145; K G J W 1927, 2434; W. Schmidt § 10 Anm. 1 1 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2); er kann, soweit er sich auf die Eintragung in der Namensaktie oder auf die Ausgabe der Inhaberaktie gutgläubig verlassen hat, von der Gesellschaft nicht in Anspruch genommen werden (vgl. dazu §50 Anm. 18). Zur Frage eines gleichen Schutzes, wenn keine Aktienurkunden ausgegeben waren und der Erwerber das Mitgliedschaftsrecht durch Abtretung erworben hat, vgl. K G aaO. mit Anm. von Homburger. In den Fällen, in denen der gutgläubige Erwerber geschützt ist, haftet der schlechtgläubige Veräußerer der Gesellschaft für die Einlageschuld unmittelbar weiter (W. Schmidt § 10 Anm. 1 1 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2).

§ 5 0 Nebenverpflichtungen der Aktionäre (1) Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so kann die Satzung Aktionären die Verpflichtung auferlegen, neben den Einlagen auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen. Die Verpflichtung und der Umfang der Leistungen sind in den Aktien und Zwischenscheinen anzugeben. (2) Die Satzung kann Vertragsstrafen festsetzen für den Fall, daß die Verpflichtung nicht oder nicht gehörig erfüllt wird. Übersicht Anm.

Einleitung

1

I. Die Nebenleistungspflicht 1. Die Voraussetzungen für die Begründung der Nebenleistungspflicht 2. Die Begründung der Nebenleistungspflicht a) Die Festsetzung in der Satzung b) Die Angabe in der Aktie c) Die nachträgliche Festsetzung oder Erhöhung durch Satzungsänderung

2,3

4 5 6, 7

Anm.

5. Die Nebenleistungspflicht als Teil des Mitgliedschaftsverhältnisses a) Allgemeines 10 b) Die Anfechtung der Nebenleistungspflicht . . 11 c) Die Rechtsbehelfe bei Nichterfüllung und bei mangelnder Erfüllung 12—15 d) Die Übertragung der Aktie 16—19 6. Die Beendigung der Nebenleistungspflicht . . .

20

3. Der Inhalt der Nebenleistungspflicht

a) Durch Satzungsänderung

21

8

4. Das Entgelt für die Nebenleistungspflicht

b) Durch nachträgliche Unmöglichkeit . . .

22

9

c) Durch Auflösung der AG 23, 24

lö*

291

§50

Anm. 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft Anm.

d) Der Konkurs des Aktionärs 7. Das Ausscheiden des Aktionärs a) Durch Verzicht (Abandon) b) Durch Kündigung . .

25

26 27

Anm. I I . Die Sicherung der Nebenleistungspflicht 1. Durch Hilfspflichten . . 2. Durch Vertragsstrafe . . I I I . Die persönliche Nebenleistungspflicht

28 29 30

Anm. 1 Über die V o r g e s c h i c h t e der Nebenleistungs-AG s. Anm. 1 zu §49. Die Rechtsprechung verhielt sich gegen diese Form der A G ablehnend, bis sie durch § 2 1 2 H G B anerkannt worden war ( R G 48, 102). Sie ist zwar aus der Rübenzuckerindustrie hervorgegangen, in ihrer Anwendung aber nicht darauf beschränkt. So findet sie sich z. B. auch bei Molkereien und Brennereien (vgl. den Tatbestand in R G 104, 349). Für Kartelle eignet sie sich weniger als die G m b H , bei der den Gesellschaftern Nebenverpflichtungen aller Art auferlegt werden können (§ 3 Abs. 2 G m b H G ) , während bei der A G die A r t der zulässigen Nebenverpflichtungen beschränkt ist (vgl. zu den vielfachen Gestaltungsmöglichkeiten eines Kartells in der Rechtsform der G m b H , Hachenburg-Schilling K o m m . G m b H G Anhang I I zu § 3).

Anm. 2 I. Die Nebenleistungspflicht. 1. Die Voraussetzungen für die Begründung einer Nebenleistungspflicht: Gesellschaftliche Nebenleistungspflichten können nur bei solchen A G begründet werden, bei denen die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist ( v i n k u l i e r t e N a m e n s a k t i e n im Sinn des § 6 1 Abs. 3). I n diesem Erfordernis kommt die stärkere gesellschaftliche Bindung der Aktionäre an die Gesellschaft zum Ausdruck, die die Begründung von Nebenleistungspflichten stets zur Folge hat. Außerdem erhält hierdurch die Gesellschaft die Möglichkeit, die freie Übertragung der Aktien zu verhindern. Dazu besteht auch ein unmittelbares Bedürfnis, weil mit jeder Übertragung der Aktie die Gefahr einer Nichterfüllung der Nebenpflichten durch den Erwerber verbunden sein kann. Die A G muß bei der f ü r sie meist weittragenden Bedeutung der Nebenpflichten die Möglichkeit haben, den Erwerber einer Aktie als neuen Schuldner der Nebenverpflichtung abzulehnen oder von dem Veräußerer oder dem Erwerber jedenfalls Sicherheiten f ü r die Erfüllung der Nebenverpflichtung zu verlangen (vgl. dazu Anm. 17).

Anm, 3 Nebenleistungspflichten können n u r neben einer Einlagepflicht, n i c h t a n Stelle e i n e r Einlagepflicht begründet werden. Es wäre unzulässig, Aktionären die Verpflichtung zu Nebenleistungen als einzige aufzuerlegen; eine solche Satzungsbestimmung würde gegen die Vorschriften über das Grundkapital (§§ 1, 16 Abs. 3 Nr. 3) verstoßen und unheilbar nichtig sein (§§ 2 1 6 / 1 7 ) . Andererseits bilden die Ansprüche der Gesellschaft auf Erfüllung der Nebenleistungen nicht einen Teil des Grundkapitals, sie erhöhen vielmehr das Gesellschaftsvermögen über das Grundkapital hinaus. Für sie gelten daher auch nicht die Vorschriften, die der Sicherung oder Erhaltung des Grundkapitals dienen (§§ 52, 54, 60; vgl. dazu § 55). Nicht erforderlich ist es, daß die Nebenverpflichtungen allen Aktionären auferlegt werden; in einem solchen Fall werden v e r s c h i e d e n e A k t i e n g a t t u n g e n geschaffen ( § 1 1 Anm. 7); denn die unterschiedliche Ausstattung der Aktien braucht nicht nur in der Ausstattung mit verschiedenen Rechten zu bestehen, sondern kann sich auch in der Ausstattung mit verschiedenen Lasten zeigen (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 9; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 0 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 B ; vgl. auch R G 80, 95; Braunschweig O L G E 36, 278). 292

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 50 Anm. 4—7 Anm. 4 2. Die Begründung der Nebenleistungspflicht. a) Die Festsetzung in der Satzung: Die Nebenleistungspflicht muß, um wirksam zu sein, in der Satzung festgesetzt werden (RG 79, 335; 83, 218). Ihre Aufnahme in einem besonderen Vertrag genügt nicht (KG OLGE 27, 345). Dagegen ist es nicht notwendig, daß die Satzung eine Regelung der Nebenleistungspflichten in allen Einzelheiten enthält (RG 87, 261; 121, 243; 136, 318; J W 1937, 2836). Es genügt vielmehr, wenn der Inhalt der Nebenleistungspflichten nach der in der Satzung erfolgten Festsetzung bestimmbar ist. Es muß also ein gewisser Rahmen für den Umfang der Nebenleistungspflichten aus der Satzung ersichtlich sein (Düringer-Hachenburg-Flechtheim §212 Anm. 10; Flechtheim Anm. J W 1916, 126; vgl. auch Hachenburg-Schilling GmbHG § 3 Anm. 25). Innerhalb dieses Rahmens kann die Bestimmung dem billigen Ermessen der Verwaltungsträger oder auch eines Dritten gemäß §§ 315fr. BGB überlassen werden (RG 87, 266; Braunschweig OLGE 36, 278; Schlegelberger-Quassowski Anm. 11). Die Auffassung, daß in solchen Fällen eine gerichtliche Nachprüfung des Ermessens nach dem § 315 BGB nicht möglich sei, die Bestimmung der Nebenleistungspflichten durch die Verwaltungsträger vielmehr nur bei einem Verstoß gegen die guten Sitten oder bei einer Verletzung des Gleichheitssatzes nichtig sei (so Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 212 Anm. 7; ähnlich auch Brodmann § 212 Anm. 2 b), kann nicht gefolgt werden. Die Satzung kann ihren Verwaltungsträgern nicht eine so weitgehende Autonomie einräumen. Anm. 5 b) Die Angabe in der Aktie: Die Nebenverpflichtungen und der Umfang der Leistungen sind in den Aktien und Zwischenscheinen anzugeben. Fehlt die Angabe, so hat das aber nicht die Nichtigkeit der Aktienurkunde oder des Zwischenscheins zur Folge. Die unterbliebene Angabe ist für die Verpflichtung des ersten Nehmers der Aktie ohne jede Bedeutung; er ist also auch in einem solchen Fall zur Erbringung der satzungsmäßigen Nebenleistungen verpflichtet. Jedoch kann das Unterbleiben der vorgeschriebenen Angabe im Fall einer Veräußerung der Aktie von Bedeutung werden (vgl. dazu Anm. 18). Anm. 6 c) Die nachträgliche Festsetzung oder Erhöhung durch Satzungsänderung: Nebenleistungspflichten können auch im Wege einer späteren Satzungsänderung begründet werden. Für sie gilt zunächst im vollen Umfang das in Anm. 4 Gesagte. Außerdem ist zur Wirksamkeit die Zustimmung aller davon betroffenen Aktionäre erforderlich. Das gleiche gilt, wenn bestehende Nebenleistungspflichten durch spätere Satzungsänderung ihrem Inhalt nach erhöht oder verschärft werden. Als eine solche E r h ö h u n g oder V e r s c h ä r f u n g bestehender Nebenleistungspflichten ist es anzusehen, wenn eine Vergütung (vgl. dazu Anm. 9) gemindert (Braunschweig OLGE 36, 278) oder eine Vertragsstrafe eingeführt oder erhöht wird (RG 121, 242), und wohl auch, wenn die Satzung dahin geändert wird, daß nunmehr die Zustimmung zur Aktienveräußerung auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes versagt werden darf (Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; Rob. Fischer J Z 1956, 363; vgl. dazu auch §61 Anm. 11). Ob auch die Verlängerung der satzungsmäßigen Lebensdauer der Gesellschaft hierher zu rechnen ist (so R G 136, 188 und die herrsch. Ansicht im Schrifttum), erscheint zweifelhaft. Sinnvoller dürfte es sein, in einem solchen Fall dem nicht zustimmenden Gesellschafter ein Kündigungsrecht (vgl. dazu Anm. 27) einzuräumen (Rob. Fischer GmbH.Rdsch. 1955, 168). Dagegen ist es ohne Zustimmung aller Aktionäre möglich, bestehende Nebenleistungspflichten allgemein aufzuheben oder einzuschränken. Hierzu ist lediglich eine Satzungsänderung erforderlich (Anm. 21). Anm. 7 Der satzungsändernde Beschluß über die nachträgliche Begründung, Erhöhung oder Verschärfung der Nebenleistungspflichten ist weder nichtig noch anfechtbar, 293

§50 Anm. 8

I. Buch: Aktiengesellschaft

er ist vielmehr schwebend u n w i r k s a m , solange die erforderliche Zustimmung der dadurch betroffenen Aktionäre noch nicht erteilt ist ( R G 1 2 1 , 244; 136, 189; J W 1931, 2975; vgl. auch R G 148, 186). Der Beschluß wird endgültig unwirksam, wenn nur einer der vom Beschluß betroffenen Aktionäre seine Zustimmung verweigert ( R G 1 2 1 , 244). Die für die GmbH haltbare Auslegung, daß ein derartiger Beschluß in einem solchen Fall wenigstens gegenüber den zustimmenden Gesellschaftern wirksam ist (so R G 136, 189), kommt für die A G im allgemeinen nicht in Betracht; denn es würden dann verschiedene Aktiengattungen geschaffen werden (Anm. 3), was insbesondere bei der Abstimmung zu weittragenden Folgerungen führen würde (§§ 146 Abs. 2, 149 Abs. 2, 175 Abs. 2), und was im allgemeinen nicht dem Willen der zustimmenden Gesellschafter entsprechen wird (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 8). Die Zustimmung der betroffenen Aktionäre kann in jeder beliebigen Form vor, bei oder nach der Hauptversammlung, auch durch schlüssige Handlung erklärt werden ( R G 1 2 1 , 244; 136, 189; J W 1931, 2975). So kann die Zustimmung darin erblickt werden, daß dem Beschluß über die Satzungsänderung zugestimmt wird. Der Beschluß bedarf zu seiner Wirksamkeit der Eintragung in das Handelsregister (§147 Abs. 3). Bei der Anmeldung zur Eintragung muß die Zustimmung der betroffenen Aktionäre nachgewiesen werden. Hierfür ist abgesehen von dem Fall, daß die betroffenen Aktionäre dem Beschluß über die Satzungsänderung selbst zugestimmt haben, Nachweis in öffentlich beglaubigter oder beurkundeter Form erforderlich (RG 136, 192; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; ähnlich Brodmann §276 Anm. 1 ; unklar insoweit die Vorauf!. Anm. 13). Die abweichende Meinung von Düringer-HachenburgFlechtheim § 212 Anm. 8, der Registerrichter könnte sich unter Umständen auch mit einer einfachen Bescheinigung des Vorstands oder mit der Bestätigung eines Angestellten begnügen, läßt sich mit der Bedeutung der Eintragung schlechterdings nicht vereinbaren. Anm. 8 3 . Der Inhalt der Nebenleistungspflicht: Die nach §50 zulässigen Nebenverpflichtungen können nur auf Leistungen gerichtet sein, die nicht in Geld bestehen und wiederkehrender Art sind. Unter diesen Voraussetzungen kann jede Leistung in Frage kommen. Nach § 241 BGB, der auf Nebenverpflichtungen der Mitglieder entsprechend anwendbar ist, braucht die Leistung keinen Vermögenswert zu haben (anders R G 49, 78); es genügt ein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft. Denn der A G ist ein wirtschaftlicher Zweck überhaupt nicht wesentlich (§ 3 Anm. 2). Allerdings gehören hierher hauptsächlich Leistungen von Vermögenswert wie die Lieferung oder Herstellung von Sachen. Unzulässig sind Verpflichtungen, bei denen der Aktionär eine Leistung in Geld machen müßte, also z. B. die Verpflichtung, der A G Waren (Rübensamen) gegen Kaufpreiszahlung abzunehmen, in Häusern der A G gegen Mietzins zu wohnen oder sich bei seinen Geschäften der Vermittlung der Gesellschaft (Bank, Spedition) zu bedienen (vgl. auch R G 84, 3287; ebenso herrsch. A. im Schrifttum). Ferner sind auch solche Verpflichtungen unzulässig, die eine Leistung von Nachschüssen oder Garantieübernahmen irgendwelcher Art zum Gegenstand haben. Da die Leistungen wiederkehrende sein müssen, so sind sowohl einmalige als dauernde ausgeschlossen. Daher kann den Aktionären weder die Zugehörigkeit zu einem Verein noch die Pflicht zur Übernahme von Gesellschaftsämtern, etwa als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als kaufmännischer Angestellter, nach § 50 auferlegt werden. Soweit die Dienste wiederkehrender Art sind, steht aber kein Bedenken entgegen, so z. B. bei Revisionen, die in gewissen Zeitabständen vorzunehmen sind. Nach § 241 BGB kann die Leistung auch in einem Unterlassen bestehen. Da es aber nach § 50 wiederkehrende Leistungen sein müssen, so kommen Unterlassungen hier nur in Frage, wenn ein wiederkehrender Anlaß zum Handeln besteht (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6 schließen Unterlassungspflichten überhaupt aus). So kann bei Verkäufen eine Abweichung von vorgeschriebenen Bedingungen verboten werden ( R G 87, 265, allerdings für die GmbH, bei der die Beschränkung nicht gilt). Dagegen würde ein Wettbewerbsverbot eine Verpflichtung zu dauernder Unterlassung begründen; es ist daher wohl für die GmbH zulässig (RG J W 1930, 2675), aber nicht für die A G 294

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 50

A n m . 9—11

(vgl. K G O L G E 27, 345 am Schluß). Das gleiche gilt f ü r die Verpflichtung, etwa das Rübengrundstück f ü r die Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft nicht zu veräußern oder sich solange nicht an einer anderen Zuckerfabrik zu beteiligen (Ritter Anm. 3 c ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 C ; a. M . Düringer-HachenburgFlechtheim § 2 1 2 Anm. 6, die ohne Begründung auch die Verpflichtung zu einem Dauer-Unterlassen als Inhalt einer Nebenleistungspflicht f ü r zulässig halten; a. M . f ü r den Fall einer Verpflichtung, das Rübengrundstück nicht zu veräußern, auch Vorauf!. Anm. 10).

Anm. 9 4. D a s E n t g e l t f ü r d i e N e b e n l e i s t u n g s p f l i c h t : I m allgemeinen ist für die Nebenleistung ein Entgelt vorgesehen. Das ist zulässig. Das Entgelt darf jedoch den Wert der Leistung nicht übersteigen, braucht aber nicht so bemessen zu werden, daß der Jahresabschluß einen Reingewinn ergibt (§ 55). I m übrigen läßt das Gesetz freie Hand. Die Gegenleistung kann in der Satzung bestimmt oder doch als bestimmbar festgesetzt, die Bestimmung kann aber auch den Verwaltungsträgern oder der Hauptversammlung überlassen werden; § 103 Abs. 2 steht der Überlassung an die Hauptversammlung nicht entgegen (ebenso Ritter Anm. 3 a ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 D). Die Bestimmung ist alsdann im Zweifel in den Grenzen des § 55 nach billigem Ermessen zu treffen ( § 3 1 5 B G B ) . Eine gerichtliche Nachprüfung im R a h m e n des § 3 1 5 B G B ist also in einem solchen Fall statthaft ( R G 87, 266; Braunschweig O L G E 36, 278). Die gegenteilige Auffassung von Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 7 kann aus den bereits in Anm. 4 dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Zulässig ist auch eine Satzungsbestimmung, nach der die Gegenleistung herabgesetzt werden kann, wenn der Reingewinn nicht genügt, sie in der bestimmten Höhe auszuzahlen. Zulässig ist ferner eine Satzungsbestimmung, nach der der Reingewinn oder ein gewisser Teil davon den Aktionären, die ihre Lieferpflicht erfüllen, überlassen wird (vgl. R G 104, 350). Es steht aber auch nichts im Wege, die Nebenleistungspflicht ohne jedes Entgelt in der Satzung festzulegen. O b der Leistungspflicht des Aktionärs auch eine Pflicht der A G entspricht, die Leistung entgegenzunehmen, ist eine Frage der Auslegung der Satzung (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 1 6 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ) .

A n m . 10 5. Die Nebenleistungspflicht als Teil des Mitgliedschaftsverhältnisses. a) A l l g e m e i n e s : Die Nebenleistungspflicht ist eine gesellschaftliche Verpflichtung, sie beruht auf der Mitgliedschaft zur A G und trifft den Aktionär als solchen ( R G 80, 98; 136, 3 1 5 ) . Wird f ü r die Nebenleistung von der A G ein Entgelt entrichtet (Anm. 9), so ist das Rechtsverhältnis insoweit zwar ein gegenseitiges, aber gleichwohl kein K a u f , kein Werkvertrag oder Dienstvertrag. Eine entsprechende Anwendung der §§ 320ff. B G B ist allerdings möglich und geboten (a. M . freilich Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens 1948 S. 323), soweit nicht aktienrechtliche Grundsätze entgegenstehen (dazu Anm. 1 1 ff.). Ein Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t an dem zugesagten Entgelt steht der Gesellschaft zu. Der Gesellschafter selbst hat bei der Erfüllung seiner Verpflichtung nach § 276 B G B f ü r Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen (also keine Anwendung von § 708 B G B , unter Umständen aber Anwendung von § 347 H G B ) und gegebenenfalls das Verschulden seiner Gehilfen zu vertreten (§278 B G B ) .

A n m . 11 b) D i e A n f e c h t u n g d e r N e b e n l e i s t u n g s p f l i c h t : I m Unterschied zum Recht der G m b H (vgl. dazu Scholz § 3 Anm. 29; Hachenburg-Schilling § 3 Anm. 25 a ; Baumbach-Hueck § 3 Anm. 8 C ; a. M . R o b . Fischer J Z 1954, 428) nimmt die herrschende Meinung im Schrifttum bei der Nebenleistungs-AG an, daß eine selbständige Anfechtung der Nebenleistungspflicht durch einen einzelnen Aktionär nach Eintragung

295

§50

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 12 der A G nicht möglich ist (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 1 3 ; Brodmann § 2 1 2 Anm. 2 e ; Ritter Anm. 4 a ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7 ; v. GodinWilhelmi Anm. 6 ; a. M . Lobedanz Einfluß von Willensmängel auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte 1938 S. 170fr.). Die hierbei zumeist gewählte Begründung, die Verpflichtung zur Nebenleistung sei insoweit der Verpflichtung zur Sacheinlage (vgl. dazu § 20 Anm. 14) gleichzustellen, erscheint jedoch, wie schon die Stellungnahme des Schrifttums zu der gleichen Frage bei der G m b H erweist, fragwürdig. Denn die Nebenleistungen dienen gerade nicht der Aufbringung der Kapitalgrundlage (Anm. 3 ) ; auch würde hier die Anfechtung nicht rechtlich zwingend der A G ihre Rechtsgrundlage entziehen, wie das bei der Anfechtung der Sacheinlageverpflichtung der Fall sein würde. Schließlich greift hier auch nicht der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes durch, da die Hauptversammlung jederzeit im Wege der Satzungsänderung eine Aufhebung der Nebenleistungspflichten beschließen kann (Lobedanz aaO. S. 1 7 2 ; a. M . Bergmann Z H R 99, 389). Richtiger erscheint daher schon die von Düringer-Hachenburg-Flechtheim aaO. gegebene Begründung, daß es der einzelne Aktionär nicht in der H a n d haben könne, durch eine Anfechtung seiner Nebenleistungspflicht ohne den Willen der übrigen Aktionäre f ü r seine Aktien eine besondere Gattung gegenüber den anderen Aktien (Anm. 3) zu begründen. Entscheidend f ü r den Ausschluß der Anfechtung einer Nebenleistungspflicht ist aber der auch f ü r die Personalhandelsgesellschaften geltende Gesichtspunkt, daß solche im Gesellschaftsverhältnis wurzelnde und tatsächlich ausgeführte Vereinbarungen nicht mit rückwirkender K r a f t im Rechtssinn wieder beseitigt werden können. Mit dieser Begründung (vgl. dazu Rob. Fischer J Z 1954, 428) ist auch heute an der schon vom R G ( R G 88, 187) vertretenen Auffassung, daß eine Anfechtung von Nebenleistungspflichten nicht zulässig, ist, festzuhalten (ebenso Ganßmüller GmbH.Rdsch. 1955, 1 7 2 f f . ) . Dabei ist es auch ohne Bedeutung, ob die A G schon eingetragen ist; denn auch schon vor der Eintragung der A G kann die Anfechtung nach allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen sein (vgl. dazu § 22 Anm. 1 1 ) .

Anm. 12 c) Die Rechtsbehelfe bei Nichterfüllung und bei mangelhafter Erfüllung:

Erfüllt der Aktionär seine Nebenleistungspflicht nicht und hat er nach §§ 280, 286, 276 B G B hierfür einzustehen, so kann die Gesellschaft unter entsprechender Anwendung der §§ 325/26 B G B S c h a d e n s e r s a t z w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g verlangen. Dieses Verlangen kann sich jedoch nur auf die jeweils fällige Einzelleistung des Aktionärs beziehen; die Verpflichtung des Aktionärs zur Erbringung seiner später fällig werdenden Leistungen wird dadurch nicht berührt. Die Gesellschaft hat also durch ihr Verlangen auf Leistung von Schadensersatz nicht die Möglichkeit, die Nebenleistungspflicht als solche zum Erlöschen zu bringen (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 1 4 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Das würde die Grundlage der Gesellschaft und den Inhalt ihrer Satzung berühren, weil dadurch Aktien verschiedener Gattung (Anm. 3, 1 1 ) geschaffen werden würden. Mit dieser Einschränkung ist auch ein R ü c k t r i t t der Gesellschaft f ü r zulässig zu erachten (a. M . Vorauf!. Anm. 1 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8), weil dadurch die Nebenleistungspflicht des Aktionärs als solche nicht berührt wird. Soweit nach dem Inhalt der Nebenleistungspflicht Grundsätze des Kaufrechts entsprechende Anwendung finden können, steht der Gesellschaft bei mangelhafter Leistung auch das R e c h t a u f M i n d e r u n g zu (Brodmann § 2 1 2 Anm. 2 d ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Das gleiche gilt f ü r das R e c h t a u f W a n d l u n g , jedoch mit derselben Einschränkung wie beim Rücktritt, daß sich nämlich die Wandlung nicht auf das ganze Nebenleistungsverhältnis, sondern nur auf die jeweils mangelhafte Einzelleistung bezieht. Auch gegen die entsprechende Anwendung der V o r s c h r i f t e n ü b e r d i e M ä n g e l r ü g e werden im allgemeinen keine Bedenken bestehen (v. Godin-Wilhelmi Anm. 8; a. M . Düringer-Hachenburg § 2 1 2 Anm. 15). — Der Aktionär hat die Nichterfüllung der Nebenleistungspflicht insbesondere dann zu vertreten, wenn sie darauf beruht, daß er bei einer Rübengesellschaft sein Rübengut verkauft hat. Ein solcher Verkauf führt also nicht dazu, daß der Aktionär von seiner Nebenleistungspflicht frei wird, da ihn diese Pflicht in seiner Eigenschaft als Aktionär trifft.

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 50 A n m . 13—17 A n m . 13 Hat der Aktionär die Nichterfüllung nicht zu vertreten (nachträgliche objektive Unmöglichkeit), so wird der Aktionär von seiner Leistungsverpflichtung frei. Auch das bezieht sich jedoch grundsätzlich nur auf die jeweils fällig werdende Einzelleistung. Denn in aller Regel läßt sich nicht übersehen, ob die Leistung dem einzelnen Aktionär für alle Zukunft unmöglich sein werde (Ritter Anm. 4 b). Es wird dann also auch in diesem Fall durch den Eintritt einer nachträglich objektiven Unmöglichkeit nicht eine besondere Aktiengattung für den von seiner Einzelleistung frei werdenden Aktionär geschaffen. Schwierigkeiten können sich in dieser Hinsicht unter Umständen freilich dann ergeben, wenn dem Aktionär z. B. infolge der Spaltung Deutschlands und der Enteignungsmaßnahmen in der Sowjetzone die Erfüllung der ihm obliegenden Leistung endgültig unmöglich geworden ist (vgl. dazu GmbH.Rdsch. 1955, 131). Ob die Gesellschaft in all diesen Fällen das zugesagte Entgelt zu zahlen hat, richtet sich nach den §§ 3 2 3/ 2 4 BGB. — Zum Eintritt einer nachträglich eintretenden objektiven Unmöglichkeit für die Nebenleistungspflichten aller Aktionäre vgl. Anm. 22. A n m . 14 Die Erfüllung der Nebenleistungspflichten kann durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe gesichert werden (vgl. dazu Anm. 29). Dagegen ist es nicht zulässig, für den Fall der Nichterfüllung oder der mangelhaften Erfüllung den Ausschluß des Aktionärs vorzusehen (allg. Ansicht). § 58 regelt den Tatbestand der Ausschließung eines Aktionärs erschöpfend; er kann durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung oder durch eine Satzungsbestimmung nicht erweitert werden. Dagegen ist es zulässig, für einen solchen Fall die Einziehung der Aktie nach § 192 anzudrohen (herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M. Rud. Fischer EhrenbHdb. I I I 1 S. 385; Weipert § 192 Anm. 13). Denn die Einziehung der Aktie darf nur dann nicht angedroht werden, wenn dadurch Ziele erreicht werden sollen, die nicht als aktienrechtliche Verpflichtungen begründet werden können, oder für die — wie im Fall des § 58 — eine anderweitige gesetzliche Regelung abschließend vorgesehen ist. A n m . 15 Auch der Aktionär hat seinerseits eigene Rechtsbehelfe, wenn die Gesellschaft ihre Verpflichtungen aus dem Nebenleistungsverhältnis nicht erfüllt. Insoweit finden die Vorschriften der §§ 320fr. BGB ebenfalls entsprechende Anwendung (§ 55 Anm. 6; v. Godin-Wilhelmi Anm. n ) . Zu dem Fall einer umfassenden nachträglichen objektiven Unmöglichkeit vgl. Anm. 22, zu den Ansprüchen des Aktionärs im Fall des Konkurses der AG vgl. Anm. 24. A n m . 16 d) Die Übertragung der Aktie: Mit der Übertragung der Aktie, für die die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist (vgl. dazu Anm. 2; Einzelheiten darüber Anm. 17), geht die Verpflichtung aus den Nebenleistungen auf den Erwerber ohne weiteres, also ohne besondere Schuldübernahme, über. Das ergibt sich allein daraus, daß die Nebenleistungspflicht eine gesellschaftliche Verpflichtung ist und den Aktionär als solchen trifft (Anm. 10). Eine abweichende Vereinbarung, wonach der Erwerber mit der Übertragung der Aktie für die Nebenleistungspflicht nicht haften soll, ist wirkungslos, und zwar selbst dann, wenn die Gesellschaft einer solchen Vereinbarung ihre Zustimmung gibt. Denn eine solche Vereinbarung läuft auf die Schaffung von Aktien ohne Nebenleistungspflicht und auf die Begründung einer persönlichen Verpflichtung des Verkäufers hinaus. Dieses Ziel ist aber nur durch eine Satzungsänderung zu erreichen (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 212 Anm. 18; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7). Für rückständige Leistungen haftet mangels abweichender Vereinbarungen unter den Beteiligten in allen Fällen freilich der Veräußerer allein weiter. A n m . 17 Zur rechtsgeschäftlichen Übertragung ist die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich (Anm. 2). Solange diese Zustimmung nicht vorliegt, ist die Übertragung 297

§50

Anm. 18—20

I. Buch: Aktiengesellschaft

s c h w e b e n d u n w i r k s a m . Es gilt insoweit das gleiche wie f ü r die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils oder eines Anteils an einer Personalhandelsgesellschaft, die von der Zustimmung der Gesellschaft oder der Gesellschafter abhängig ist (vgl. dazu B G H 1 3 , 182). Die Gesellschaft kann, falls die Satzung nicht etwas anderes vorsieht, die Erteilung ihrer Zustimmung von Auflagen abhängig machen, so etwa davon, daß der Veräußerer die Garantie oder die Bürgschaft f ü r die Erfüllung der Nebenleistungspflichten durch den Erwerber übernimmt, oder daß der Veräußerer bei einer Rübengesellschaft gleichzeitig mit der Aktie auch sein Rübengrundstück an den Erwerber der Aktie überträgt, oder auch daß der Erwerber die Haftung f ü r etwaige Rückstände übernimmt (v. Godin-Wilhelmi Anm. 1). Ferner kann die Satzung bestimmen, daß die Zustimmung nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes verweigert werden darf ( § 6 1 Abs. 3 Satz 2 ; Einzelheiten bei § 61 Anm. 16). Die Zustimmung der Gesellschaft ist nur bei r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e r Übertragung erforderlich, nicht dagegen bei einer Universalnachfolge, die kraft Gesetzes eintritt. Daher bedarf der Erbe zum Erwerb nicht die Zustimmung (Einzelheiten bei § 61 Anm. 2 1 ) ; er haftet daher auch mit der Annahme der Erbschaft ohne weiteres f ü r die Nebenleistungspflichten. Inwieweit bei der Umwandlung einer Erbengemeinschaft in eine Personalgesellschaft, bei der Umwandlung einer Personalgesellschaft in eine andere Gesellschaft sowie bei der Auseinandersetzung einer Gesellschaft die Zustimmung der A G erforderlich ist, vgl. R o b . Fischer J Z 1956, 363.

Anm. 18 Sind entgegen Abs. 1 Satz 2 in der Aktie oder in dem Zwischenschein die Nebenverpflichtungen und der U m f a n g der Leistungen nicht oder nicht richtig angegeben, so kann der g u t g l ä u b i g e E r w e r b e r einer Aktie wegen der Nebenleistungen nicht in Anspruch genommen werden, soweit diese nicht aus der Aktie oder dem Zwischenschein ersichtlich sind ( R G 82, 7 3 ; herrsch. Ansicht im Schrifttum, anders wohl nur Ritter Anm. 3 h). Das bedeutet jedoch nicht, daß dadurch eine Aktie ohne Nebenleistungsverpflichtung geschaffen wird und dadurch verschiedene Aktiengattungen entstehen (ebenso wohl auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 12). Vielmehr bleibt die Aktie auch in der Hand des gutgläubigen Erwerbers eine solche mit einer Nebenleistungsverpflichtung, nur steht dem Erwerber nach § 823 Abs. 2 B G B eine Einrede gegen den Anspruch auf Erfüllung der Nebenverpflichtung zu, da Abs. 1 Satz 2 ein Gesetz zum Schutz des gutgläubigen Erwerbers ist. Hieraus folgt weiter, daß in einem solchen Fall der V e r ä u ß e r e r eine aktienrechtliche Verpflichtung auf Erfüllung der Nebenleistung nicht mehr trifft, da diese notwendigerweise mit der Aktie als solcher verbunden ist (herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M . v. Godin-Wilhelmi Anm. 13). Eine andere Frage ist es, ob der Veräußerer sich in einem solchen Fall der Gesellschaft gegenüber nach § 826 B G B schadensersatzpflichtig macht. Auch kann eine Schadensersatzpflicht des Vorstands und gegebenenfalls des Aufsichtsrats wegen der unterbliebenen oder unvollständigen Angabe der Nebenleistungen in der Aktienurkunde in Betracht kommen.

Anm. 19 Die Möglichkeit einer A b t r e t u n g des Anspruchs auf die Nebenleistungen ist zu verneinen. Insoweit findet §399 B G B Anwendung ( R G 136, 3 1 5 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 0 ; Baumbach-Hueck Anm. 1 ; a. M . Ritter Anm. 3 a). Denn der Zweck der Nebenleistungen, die f ü r die A G bestimmt sind, ist so sehr mit der Gesellschaft und ihrem Unternehmen verbunden, daß es sich schon danach als eine Änderung ihres Inhalts darstellen würde, wenn die Gesellschaft diesen Anspruch abtreten und die Nebenleistungen damit von dem Betrieb ihres Unternehmens loslösen würde. Der von Ritter aaO. gezogene Vergleich mit dem Einlegungsanspruch kann bei dieser Besonderheit, die f ü r die Nebenleistung gilt, nicht überzeugen.

Anm. 20 6. Die Beendigung

der Nebenleistungspflicht: Die Nebenleistungspflicht

ist nicht in der Weise mit der Aktie verbunden, daß sie auch unauflöslich mit dem

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 50 Anm. 21—25 Mitgliedschaftsrecht bestehenbleiben muß. Sie kann zwar nicht von dem Mitgliedschaftsrecht gelöst werden (Anm. io), sie kann aber unbeschadet des Fortbestands des Mitgliedschaftsrechts selbst untergehen. Solche Beendigungsgründe sind: Anm. 21 a) Aufhebung der Nebenleistungspflicht durch Satzungsänderung: Die einzelnen Aktionäre haben kein unentziehbares Recht darauf, daß die Nebenleistungspflichten allgemein bestehen bleiben. Die Gesellschaft hat vielmehr das Recht, sie durch einen satzungsändernden Beschluß ganz allgemein aufzuheben. Anders ist es, wenn die Nebenleistungspflichten nur für einzelne oder für eine Gruppe von Aktionären aufgehoben werden; hier kann der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre ver letzt sein (dazu § n Anm. 2). Von der Aufhebung der Nebenleistungspflicht durch Satzungsänderung zu unter scheiden ist der Verzicht (Erlaßvertrag) auf eine Einzelleistung. Dieser ist zulässig, da insoweit § 60 nicht gilt (Anm. 3; vgl. auch Bergmann ZHR 99, 391). Er ist vom Vorstand auszusprechen und berührt die Nebenverpflichtung als solche nicht, sondern bezieht sich nur auf die in Frage stehende Einzelleistung. Anm. 22 b) Aufhebung der Nebenleistungspflicht durch nachträgliche Unmöglichkeit : Die Nebenleistungspflichten können auch dadurch erlöschen, daß ihre Erbringung nachträglich, etwa durch gesetzliche Bestimmungen, ganz allgemein objektiv unmöglich werden. Der Tatbestand in R G 104, 349 bietet hierfür ein kennzeichnendes Beispiel. Der Bestand der Gesellschaft wird dadurch nicht ohne weiteres berührt; die Mitgliedschaftsrechte der einzelnen Aktionäre bleiben dann ohne die Nebenleistungspflicht weiter bestehen. Anm. 23 c) Aufhebung der Nebenleistungspflicht durch Auflösung der AG: Im allgemeinen erlöschen die Nebenleistungspflichten mit der Auflösung der Gesellschaft (RG 125, 114; J W 1931, 3112), dagegen grundsätzlich nicht bei der Fusion (RG 136, 316 mit Anm. J W 1932, 2599). Freilich bleibt auch bei der Auflösung die Verpflichtung zur Erbringung der rückständigen Leistungen bestehen. Beim Vorliegen besonderer Umstände kann jedoch auch bei der Auflösung ausnahmsweise die Annahme gerechtfertigt sein, daß die Nebenleistungspflicht auch noch während des Liquidationsstadiums bestehenbleibt (RG 72, 236; Brodmann §212 Anm. 2f.; Ritter Anm. 4 c; a. M. Düringer-Hachenburg-Flechtheim §212 Anm. 17; Vorauf!. Anm. 11). Anm. 24 Für den Fall des Konkurses der AG gilt folgendes. Sind bei Konkurseröffnung Nebenleistungen noch rückständig, so kann der Konkursverwalter entsprechend § 17 K O (dazu Anm. 25) von dem Aktionär Erfüllung verlangen; der Anspruch des Aktionärs auf das zugesagte Entgelt ist dann Masseschuld (§ 59 Nr. 2 KO). Hat die AG für erbrachte Nebenleistungen noch nicht in voller Höhe das geschuldete Entgelt entrichtet, so wird diese Forderung des Aktionärs zur Konkursforderung. Eine Leistungspflicht für erst nach Konkurseröffnung fällig werdende Nebenleistungen besteht nicht; die Nebenleistungspflicht findet mit Konkurseröffnung ihr Ende, und zwar auch dann, wenn der Konkursverwalter das Unternehmen für Rechnung der Masse gemäß § 132 K O fortführen will (Düringer-Hachenburg-Flechtheim §212 Anm. 17; SchlegelbergerQuassowski § 203 Anm. 13; a. M. Jaeger-Lent Komm. K O § 17 Anm. 8; mit Einschränkungen auch Ritter Anm. 4 c). Die gegenteilige Annahme erscheint auch unter Würdigung der Interessen, die für eine Fortführung des Unternehmens sprechen können, vom Standpunkt der einzelnen Aktionäre aus nicht vertretbar. Anm. 25 d) Der Konkurs des Aktionärs: Der Konkurs eines Aktionärs führt nicht zum Erlöschen der diesen Aktionär treffenden Nebenleistungspflicht. Es findet jedoch § 17 K O 299

§50 Anm. 26—28

I. Buch: Aktiengesellschaft

mit der Maßgabe Anwendung, daß der Konkursverwalter die Erfüllung der jeweils fällig werdenden Einzelleistung ablehnen kann (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 2 1 ; Ritter Anm. 4 c; Schlegelberger-Quassowski §203 Anm. 1 3 ; JaegerLent Komm. K O § 1 7 Anm. 8; a. M . Mentzel-Kuhn Komm. K O § 2 5 Anm. 3). Dagegen kann sich seine ablehnende Erklärung niemals auf die Gesamtheit der Nebenleistungspflichten für alle Zukunft erstrecken ( R G 108, 20). Lehnt der Konkursverwalter die Erfüllung im Einzelfall ab, so hat die A G einen Schadensersatzanspruch als einfache Konkursforderung. Andererseits kann sich eine Erfüllungserklärung des Konkursverwalters gemäß § 17 K O ebenfalls immer nur auf die jeweils fällig werdende Einzelleistung beziehen. Anm. 26 7. Das Ausscheiden des A k t i o n ä r s . a) Durch Verzicht (Abandon): Der einzelne Aktionär kann sich nicht dadurch von seinen Nebenleistungspflichten lösen, daß er einseitig auf seine Mitgliedschaft in der A G verzichtet (allg. Ansicht im Schrifttum). Von der Aufnahme einer dahingehenden Bestimmung ist, wie die Beratungen zu § 2 1 2 ergeben, ausdrücklich abgesehen worden; das ist auch heute noch für die Auslegung des § 50 von Bedeutung. A n m . 27 b) Durch Kündigung: Im Schrifttum ist die Frage, ob sich ein Aktionär beim Vorliegen eines wichtigen Grundes von seinen Verpflichtungen in einer NebenleistungsA G einseitig lösen kann, außerordentlich umstritten. Man kann diese Frage sicherlich nicht mit Ritter Anm. 4 b deshalb verneinen, weil für ein solches Gestaltungsrecht kein Bedürfnis bestehe. Ein solches Bedürfnis wird man vielmehr immer bejahen müssen, wenn für den Aktionär keine andere Möglichkeit besteht, sich von den f ü r ihn völlig unzumutbar gewordenen Fesseln der Nebenleistungspflicht zu lösen (so schon R G 128, 16; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 20; Herzog Z B 1 H R 1929, 3 1 3 ; 1930, 201). Darüber hinaus kann es auch nicht zweifelhaft sein, daß eine solche Lösungsmöglichkeit bei untragbar gewordenen Verhältnissen unserem heutigen Rechtsempfinden allein entspricht (vgl. dazu namentlich Scholz Ausschließung und Austritt aus der G m b H 3. Aufl. 1950 S. 10ff., 42 ff.; auch B G H 9, 162/63). Es kann sich daher nur fragen, ob eine solche Möglichkeit zur einseitigen Lösung hier deshalb versagt werden muß, weil sie sich mit der Rechtsnatur der A G schlechterdings nicht verträgt (so im Ergebnis Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; wohl auch Brodmann § 2 1 2 Anm. 2 e). Diese Frage muß man verneinen. Nachdem die Vorschrift des § 50 das streng kapitalistische Prinzip der A G durchbrochen hat, muß man bei der Beurteilung der Nebenleistungs-AG auch das in ihr liegende personalistische Element entsprechend berücksichtigen und daher dem einzelnen Aktionär auch die Befugnis zur einseitigen Lösung durch Kündigung aus wichtigem Grund gewähren. Freilich sind dabei an die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes strenge Anforderungen zu stellen ( R G 128, 1 7 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9; Baumbach-Hueck Anm. 3 E ; insoweit nicht unbedenklich Herzog Z H R 97, 426f.). Anm. 28 I I . Die Sicherimg der Nebenleistungspflicht. 1. Durch Hilfspflichten: Von der eigentlichen Nebenleistungspflicht zu unterscheiden sind die sog. Hilfspflichten, die nur der Ergänzung oder Sicherstellung der Nebenleistungspflicht dienen. So ist es bei den Rübengesellschaften üblich, den Aktionären die Verpflichtung zum Bezug des Rübensamens und des Kunstdüngers aufzuerlegen, um dadurch die einheitliche Qualität der abzuliefernden Ernte zu gewährleisten. Gegen die Begründung solcher Hilfspflichten bestehen keine rechtlichen Bedenken. Hierdurch wird auch nicht in unzulässiger Weise der Aktionär zu Geldzahlungen verpflichtet (vgl. dazu Anm. 8), sondern durch den Bezug des Samens oder des Düngers mindert sich nur das Entgelt für die abzuliefernde Ernte (DüringerHachenburg-Flechtheim § 2 1 2 Anm. 5 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; etwas einschränkend v. Godin-Wilhelmi Anm. 5 ; a. M. Brodmann § 2 1 2 Anm. 2 a).

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 44 A n m . 29, 30

§51 A n m . 29 2. D u r c h Vertragsstrafe: Wenn es auch nicht zulässig ist, in irgendeiner Form Nebenleistungen in Geld festzulegen (Anm. 8), so ist es doch deshalb nicht ausgeschlossen, die Erfüllung wirksam begründeter Nebenleistungspflichten durch Vertragsstrafen zu sichern. Das stellt Abs. 2 ausdrücklich klar. Diese Vorschrift ist nicht, wie v. GodinWilhelmi Anm. 4 meinen, eine Ausnahme von dem allgemeinen Verbot, Geldleistungen als Nebenleistungen zu bestimmen. Die Vertragsstrafe dient nur der Sicherung bestehender Nebenleistungen und steht insoweit einem etwaigen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft wegen Nichterfüllung oder Verzugs gleich (vgl. Brodmann §212 Anm. 7; Ritter Anm. 5; vgl. auch §49 Anm. 2). Als Vertragsstrafen kommen aber immer nur Leistungen der davon betroffenen Aktionäre in Betracht. Daher kann auf dem Weg über eine Vertragsstrafe nicht der A u s s c h l u ß des A k t i o n ä r s vorgesehen werden (Anm. 14). Auf die Vertragsstrafe finden die allgemeinen Vorschriften der §§ 339/45 BGB, § 348 HGB Anwendung. A n m . 30 III. Die persönliche N e b e n l e i s t u n g s p f l i c h t . Die einschränkenden Vorschriften für die Begründung und für den Inhalt der mitgliedschaftlichen Nebenleistungspflichten (Anm. 2—8) finden auf die Begründung rein persönlicher Verpflichtungen der einzelnen Aktionäre keine Anwendung. Für sie gelten vielmehr die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts (hierzu vgl. im einzelnen § 4g Anm. 10—12). § 5 1 A k t i e n ü b e r n a h m e für Rechnung der G e s e l l s c h a f t oder durch ein abhängiges U n t e r n e h m e n (1) W e r als Gründer oder Zeichner oder in A u s ü b u n g eines B e z u g s r e c h t s nach § 165 eine Aktie für Rechnung der G e s e l l s c h a f t oder eines abhängigen U n t e r n e h m e n s ü b e r n o m m e n hat, kann sich nicht darauf berufen, daß er die Aktie n i c h t für eigene Rechnung ü b e r n o m m e n hat. Er haftet ohne R ü c k s i c h t auf Vereinbarungen m i t der Gesellschaft oder d e m abhängigen U n t e r n e h m e n auf die v o l l e Einlage. Bevor er die Aktie für eigene Rechnung ü b e r n o m m e n hat, s t e h e n i h m keine Rechte aus der Aktie zu. (2) Ein a b h ä n g i g e s U n t e r n e h m e n darf als Gründer oder Zeichner oder in A u s ü b u n g eines B e z u g s r e c h t s n a c h § 165 eine Aktie der herrschenden Gesells c h a f t nicht ü b e r n e h m e n . Die W i r k s a m k e i t einer solchen Ü b e r n a h m e w i r d durch einen Verstoß g e g e n d i e s e Vorschrift nicht berührt. Ubersicht Anm.

Einleitung I. Die Übernahme von Aktien f ü r Rechnung der Gesellschaft 1. Die Übernahme für Rechnung der Gesellschaft . . 2. Die aktienrechtlichen Pflichten des Übernehmers 3. Der Übernehmer hat keine Rechte 4. Umwandlung in Übernahme auf eigene Rechnung II. Die Übernahme von Aktien f ü r Rechnung einer abhängigen Gesellschaft

i

Anm.

I I I . Die Übernahme von Aktien durch ein abhängiges Unternehmen 1. Allgemeines 2. Die Übernahme ist wirksam 3. Kein Stimmrecht, kein Bezugsrecht

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IV. Die Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft durch ein abhängiges Unternehmen

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V. Die gebundenen Aktien (Schutz- oder Herrschaftsaktien)

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4

7 8

301

§51 Anm. 1 , 2

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1 Die Vorschriften des ersten Absatzes enthalten neues R e c h t ; dagegen hatte der Grundgedanke des Abs. 2 bereits in § 226 Abs. 4 Satz 2 HGB in der Fassung der Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 31 seinen Niederschlag gefunden. Anlaß und Ziel des Abs. 1 sind in der amtlichen Begründung ausführlich dargelegt. Sie wenden sich gegen eine in der Zeit des Währungsverfalls aufgekommene, seitdem aber nicht wieder verschwundene Erscheinung, die der sogenannten V o r r a t s a k t i e n . Die durch den Währungsverfall gebotene Gelegenheit, mit Papiermarkbeträgen von hohem Nennwert, aber geringem Goldwert, Einzahlungen zu leisten, wurde von vielen Gesellschaften dazu benutzt, Personen zu gewinnen, welche die Einzahlungen leisteten und die Aktien zur Verfügung der Gesellschaft hielten. Von diesen Vorratsaktien machten dann die Verwaltungsorgane zur Abstimmung oder zur Weitergabe an befreundete Unternehmungen vielfach einen willkürlichen Gebrauch, der nicht im Interesse der Aktionäre lag. Nach Beendigung des Währungsverfalls kam es sogar vor, daß Gesellschaften den zur Einzahlung erforderlichen Betrag der übernehmenden Stelle zur Verfügung stellten oder ihn sofort nach der Einzahlung an sie zurückfließen ließen. Inwieweit ein solches Verfahren sich schon nach bisherigem Recht hätte unterbinden lassen (vgl. R G 132, 161), bedarf keiner Untersuchung mehr. Das AktG tritt der Einrichtung der Vorratsaktien überhaupt entgegen. Sie führen der Gesellschaft kein neues Kapital zu, höchstens einen unsicheren Gegenwert, wenn der Strohmann sie veräußert. Wie sie verwertet werden, wie der Gegenwert sichergestellt wird, läßt sich nicht überwachen, Gläubiger und Aktionäre werden dadurch gefährdet. Ein wirtschaftlich vertretbarer Zweck der Vorratsaktien lag allenfalls darin, daß sie der A G ermöglichten, eine gute Lage des Kapitalmarkts schnell auszunutzen. Da aber durch das AktG die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten vermehrt worden sind und namentlich genehmigtes Kapital zugelassen worden ist (§§ iögff.), so sind die Vorratsaktien entbehrlich. Das AktG hat sie aber weder verboten noch ihre Ausgabe für nichtig erklärt, sondern hat es vorgezogen, ihnen jeden Anreiz zu nehmen. Es behandelt sie als gültig und vermeidet damit, die Kapitalgrundlage der A G zu gefährden. I. Die Ü b e r n a h m e von Aktien f ü r Rechnung d e r G e s e l l s c h a f t . Anm. 2 1. Die Ü b e r n a h m e f ü r Rechnung der G e s e l l s c h a f t : Hierbei handelt es sich um den Fall, daß jemand als Gründer (§ 22) oder Zeichner (bei der Stufengründung [§ 30], bei der Kapitalerhöhung [§ 152], bei genehmigtem Kapital [§ 170]) oder in Ausübung eines Bezugsrechts nach § 165 (bei der bedingten Kapitalerhöhung) eine Aktie „ f ü r R e c h n u n g " der Gesellschaft übernommen hat. Dabei wird es sich im allgemeinen insoweit nur um den Zeichner neuer Aktien (§§ 152, 165, 170) handeln, da nur in Ausnahmefällen ein Gründer für Rechnung der noch nicht entstandenen A G Aktien übernehmen wird (Ritter Anm. 3). Durchweg ist hier nur von der ersten Übernahme die Rede, der abgeleitete Erwerb wird in § 65 behandelt. Die Übernahme für Rechnung eines andern setzt regelmäßig einen unentgeltlichen Auftrag oder einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) voraus; aber auch Geschäftsführung ohne Auftrag oder ein Gesellschaftsverhältnis können in Frage kommen. Bei der Kommission im engeren Sinne (§ 383 HGB) ist das Ausführungsgeschäft Kauf oder Verkauf; die hier in Rede stehende erste Übernahme von Aktien kann nur Gegenstand eines kommissionsähnlichen Geschäfts (§ 406 HGB) sein. Wesentlich ist jedenfalls, daß der Übernehmer verpflichtet ist, die Aktien der Gesellschaft oder dem von ihr abhängigen Unternehmen zur Verfügung zu halten (§ 667 BGB) und sich von den Weisungen (§ 665) oder dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen (§ 677) der Geschäftsherrin leiten zu lassen, hauptsächlich aber, daß die Gesellschaft die Kosten zu tragen hat, daß also jener für Aufwendungen würde Ersatz verlangen können (§§670, 683 BGB; vgl. § 713 BGB). Die Bindung des Aktionärs an Weisungen der Verwaltungsträger allein genügt freilich noch nicht, um schon eine Übernahme „für Rechnung" der A G anzunehmen. Hinzutreten muß, daß die Gesellschaft auch das Risiko für die Übernahme trifft, die Gesellschaft also die Vorteile und Nachteile des Geschäfts im Verhältnis zum 302

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 51 Anm. 3—5 Übernehmer allein tragen soll. Es ist daher nicht jede „Schutz-" oder „Herrschaftsaktie" (Anm. io) zugleich eine „Vorratsaktie". Keinen Uuterschied macht es, ob derjenige, der eine Aktie für Rechnung der Gesellschaft übernimmt, dies selbst oder durch eine Hilfsperson tut, die er seinerseits vorschiebt. Anm. 3 2. Die aktienrechtlichen Pflichten d e s Ü b e r n e h m e r s : Übernimmt jemand Aktien für Rechnung der Gesellschaft, so kann sich der Übernehmer gegenüber der Gesellschaft auf dieses Rechtsverhältnis nicht berufen. Seine Pflichten sind genau dieselben, als wenn das Rechtsverhältnis nicht bestände. Er haftet daher auf die volle Einlage. Der Vorstand hat sie von ihm einzufordern, das Rechtsverhältnis gibt dagegen keinen Einwand. Jede Rückforderung, etwa unter dem Gesichtspunkt der Auslagenerstattung, ist ausgeschlossen; hat die Gesellschaft ihrerseits Mittel zur Übernahme vorgestreckt, so kann und muß sie diese zurückfordern. Der Vorstand würde sich, wenn er die Geltendmachung dieser Rechte der A G versäumte, nach § 84 schadensersatzpflichtig, bei vorsätzlicher Unterlassung sogar nach § 294 strafbar machen. Diese Rechtslage dauert so lange, bis das Rechtsverhältnis beendet ist (dazu Anm. 5). Anm. 4 3. D e r Ü b e r n e h m e r h a t keine R e c h t e : Dem Übernehmer stehen nach Abs. 1 Satz 3 keine Rechte aus der Aktie zu. Vielmehr ruhen alle Rechte aus der Aktie, das Recht auf den Gewinnanteil, das Stimmrecht und sämtliche Hilfsrechte. So hat er auch nicht das Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen, eine Anfechtungsklage zu erheben oder ein Recht auf den Bezug neuer Aktien geltend zu machen. J a selbst bei der Berechnung des Grundkapitals, auf die in zahlreichen Bestimmungen des Gesetzes abgehoben wird, werden seine Aktien nicht mitgezählt (v. Godin-Wilhelmi Anm. 4). Auch von der Gesellschaft können diese Rechte nicht geltend gemacht werden, weil die Aktie nicht ihr, sondern dem Übernehmer zusteht. Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang lediglich die Frage, ob der Übernehmer ein Recht auf den Abwicklungserlös hat (dazu Anm. 5). Anm. 5 4. U m w a n d l u n g in Ü b e r n a h m e a u f eigene R e c h n u n g : Sobald das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen die Übernahme der Aktien auf Rechnung der Gesellschaft erfolgt ist, endet und der Übernehmer die Aktien also nicht mehr für Rechnung der Gesellschaft hat, fallen alle Beschränkungen des Abs. 1 fort. Eine Beendigung dieses Zustandes kann freilich noch nicht darin gesehen werden, daß der Übernehmer die Einlage vollständig leistet. Denn das kann immer noch für Rechnung der Gesellschaft geschehen sein. Eine Beendigung dieses Rechtsverhältnisses tritt dann ein, wenn beide Parteien, der Übernehmer und die Gesellschaft, eine dahingehende Vereinbarung treffen und der Übernehmer die Aktien nunmehr für eigene Rechnung besitzt. Eine einseitige Aufhebung des Rechtsverhältnisses durch den Übernehmer wird im allgemeinen nicht in Betracht kommen, da hierfür nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen an sich keine Handhabe besteht (Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; BaumbachHueck Anm. 2 C ; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Nur beim Vorliegen besonderer Umstände ist eine solche einseitige Aufhebung möglich, etwa wenn die Voraussetzungen einer Anfechtung gegeben sind, oder wenn der Übernehmer sich über die Tragweite seiner Übernahmeerklärung (eigene Pflichten und keine eigenen Rechte) nicht im klaren war und man insofern von einem Fehlen der Geschäftsgrundlage sprechen kann (ähnlich, aber wohl noch weitergehend Ritter Anm. 4). Im übrigen ist eine einseitige Lösung des Übernehmers von dem auch ihn verpflichtenden Rechtsverhältnis nicht denkbar. Hieraus folgt, daß der Übernehmer auch kein R e c h t a u f den A b w i c k l u n g s e r l ö s hat (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 8); denn das könnte nur angenommen werden, wenn der Übernehmer sich einseitig von dem RechnungsRechtsverhältnis lösen könnte und in der Geltendmachung des Rechts auf den Abwicklungserlös eine solche einseitige Lossagung zu erblicken wäre (so v. Godin-Wilhelmi Anm. 4).

303

§51

Anm. 6—9

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 6 II. Die Übernahme von Aktien für Rechnung eines abhängigen Unternehmens. Es macht keinen Unterschied, ob die Übernahme von Aktien f ü r Rechnung der Gesellschaft oder f ü r Rechnung eines von dieser abhängigen Unternehmens erfolgt. Alles, was f ü r jene Übernahme gilt, gilt in gleicher Weise f ü r die Übernahme f ü r Rechnung eines abhängigen Unternehmens. Der Begriff des abhängigen Unternehmens ergibt sich aus § 1 5 Abs. 2 (vgl. dazu auch R G 167, 49). Daß die Abhängigkeit kapitalmäßig ist, ist nicht erforderlich; auch ist es nicht notwendig, daß das abhängige Unternehmen ebenfalls eine A G oder doch wenigstens eine Gesellschaft ist.

III. Die Übernahme von Aktien durch ein abhängiges Unternehmen. Anm. 7 1. A l l g e m e i n e s : Hierüber enthielt schon die Aktienrechtsverordnung vom 19. 9. 31 ( R G B l . I 493) eine Vorschrift (§ 226 Abs. 4 Satz 2 H G B ) . Danach durfte eine abhängige Gesellschaft Aktien der herrschenden Gesellschaft nicht zeichnen; jedoch wurde die Wirksamkeit der Zeichnung durch einen Verstoß gegen diese Vorschrift nicht berührt. D a § 226 H G B im übrigen nur Fälle abgeleiteten Erwerbs von Aktien betraf, hierbei es sich aber um einen ursprünglichen Erwerb handelt, so stand die Vorschrift nicht am richtigen Ort. Das A k t G hat sie aus jenem Zusammenhang gelöst und in den § 51 übernommen, der nur den ursprünglichen Erwerb betrifft. Zugleich hat das A k t G die Vorschrift erweitert. A n die Stelle des Begriffs der abhängigen Gesellschaft ist im Einklang mit § 1 5 (vgl. Anm. 1 das.) der umfassendere des abhängigen Unternehmens getreten. Die Vorschrift beschränkt sich auch nicht mehr auf die Zeichnung von Aktien, sondern trifft alle Fälle der Aktienübernahme, mag das abhängige Unternehmen dabei als Gründerin der herrschenden A G oder als Zeichnerin von deren Aktien auftreten oder ein Bezugsrecht nach § 165 ausüben (vgl. Anm. 2). Auch hier handelt es sich wie nach Abs. 1 nur um ursprünglichen Aktienerwerb, von dem abgeleiteten handelt § 65.

Anm. 8 2. Die Ü b e r n a h m e i s t w i r k s a m : Die Vorschrift geht davon aus, daß eine A G nicht ihre eigenen Aktien übernehmen kann, und will verhindern, daß das dadurch umgangen wird, daß ein a b h ä n g i g e s U n t e r n e h m e n Aktien der herrschenden A G übernimmt. Abs. 2 verbietet daher eine solche Übernahme. Abweichend von der Regel des § 1 3 4 B G B wird aber an die Übertretung des Verbots nicht die Nichtigkeit geknüpft, sondern ausdrücklich angeordnet, daß die Wirksamkeit der Übernahme durch einen Verstoß gegen die Vorschrift nicht berührt wird. Die Kapitalbeschaffung und die Erhaltung der Kapitalgrundlage soll unter dem Verbot nicht leiden. Das abhängige Unternehmen wird also durch die verbotswidrige Übernahme Aktionär der herrschenden A G . Dagegen ist der Registerrichter befugt, die verbotswidrige Aktienübernahme zu beanstanden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 2 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 0 ; a. M . Vorauf!. A n m . 7; Baumbach-Hueck Anm. 3). Denn das steht dem Grundgedanken des Abs. 2, der der Übernahme lediglich im Interesse der Erhaltung der Kapitalgrundlage und im Interesse der Rechtssicherheit die Wirksamkeit nicht versagt, nicht entgegen. Das Verbot äußert seine Wirkung weiter in einer Schadensersatzpflicht f ü r den Fall, daß ein Schaden entsteht. Die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats des abhängigen Unternehmens sind, wenn dieses eine A G ist, nach § 84 Abs. 3 Nr. 3, § 99 f ü r die Übertretung des Verbots und den Schaden der abhängigen A G verantwortlich, die der herrschenden A G für ihre Mitwirkung und den Schaden der herrschenden A G nach denselben Vorschriften.

Anm. 9 3. Kein S t i m m r e c h t , kein B e z u g s r e c h t : Dem abhängigen Unternehmen, das Aktionär der herrschenden A G geworden ist, versagt § 1 1 4 Abs. 6 die Ausübung des S t i m m r e c h t s . Da es Aktien der herrschenden A G nicht zeichnen darf, so ist es auch

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 51 Anm. 1 0 , 1 1 von der Ausübung des Bezugsrechts auf neue Aktien ausgeschlossen. Und zwar gilt dies nicht nur vom unmittelbaren Bezugsrecht, sondern auch von dem fast allgemein üblichen mittelbaren Bezugsrecht. Dessen Ausübung besteht darin, daß das (unmittelbare) Bezugsrecht formell ausgeschlossen wird, ein Dritter — regelmäßig eine Bank — die Aktien zeichnet und sich verpflichtet, den bisherigen Aktionären so viel Aktien anzubieten, als sie bei Ausübung des unmittelbaren Bezugsrechts würden beanspruchen können. Da das nur eine andere Form für die Ausübung des Bezugsrechts ist, so gilt das Verbot auch dafür. Das Bezugsrecht ist aber regelmäßig von der Aktie lösbar (§ i Anm. 13) und dadurch einer selbständigen Verwertung fähig. Das abhängige Unternehmen kann es daher durch Veräußerung an einen Dritten verwerten, dem nicht verboten ist, die Aktien zu zeichnen (allg. Ansicht im Schrifttum). Die übrigen Rechte aus der Aktie, insbesondere das Recht auf Beteiligung am Gewinn und das Recht auf den Abwicklungserlös, stehen dem abhängigen Unternehmen zu. Insoweit ist die Rechtsstellung nach Abs. 2 ungleich günstiger als die nach Abs. 1. A n m . 10 IV. Die Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft durch ein abhängiges Unternehmen. Die Voraussetzungen der beiden Absätze des § 51 treffen zusammen, wenn ein abhängiges Unternehmen eine Aktie der herrschenden Gesellschaft für deren Rechnung übernimmt. Alsdann treten die Wirkungen des ersten Absatzes ein: das abhängige Unternehmen hat nur die Pflichten, nicht die Rechte des Aktionärs (SchlegelbergerQuassowski Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 3; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 11). Es bedarf einer Aufhebung des Rechtsverhältnisses, indem das abhängige Unternehmen die Aktie nach den Grundsätzen in Anm. 5 für eigene Rechnung übernimmt, um diese Wirkungen zu beseitigen. Die Beschränkungen, denen das abhängige Unternehmen nach Anm. 9 unterliegt, bleiben jedoch bestehen, bis es die Aktie an jemand veräußert, der den Beschränkungen nicht unterworfen ist. Anm. 11 V. Die gebundenen Aktien (Schutz- oder Herrschaftsaktien). Über „gebundene" Aktien (oben Anm. 2) enthält das AktG, abweichend von § 260 a Abs. 3 Nr. 3 HGB (in der Fassung der Aktienrechtsverordnung von 1931), keine Vorschriften. Unter gebundenen Aktien (auch Schutz- oder Herrschaftsaktien genannt) sind nach der Begriffsbestimmung in § 30 Abs. 1 der 2. DV zur GoldbilVO und nach § 260a Abs. 3 Nr. 3 HGB Aktien zu verstehen, deren Inhaber durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung zugunsten der Gesellschaft (oder eines Konzernunternehmens, worunter auch ein abhängiges Unternehmen fallt) in der Ausübung der Aktienrechte oder in der Veräußerung oder sonstigen Verfügung über die Aktie gebunden ist. Es handelt sich also um Bindungen schuldrechtlicher Art, wie sie von der Rechtsprechung grundsätzlich als gültig anerkannt worden sind, soweit sie nicht gegen die guten Sitten oder gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen (RG 107, 67; 113, 188; 119, 388; 133, 95; 148, 183). Bindungen dieser Art können auch zwischen Aktionärgruppen untereinander oder zwischen Aktionären und Außenstehenden zugunsten der Gesellschaft eingegangen werden. Soweit es sich dabei um Bindungen des Stimmrechts zugunsten der Gesellschaft handelt, können diese jetzt nicht mehr als wirksam anerkannt werden; die in diesem Punkt abweichende Rechtsprechung des R G ist durch die Vorschrift des § 1 1 4 Abs. 6 überholt. Stimmrechtsbindungen zugunsten der Gesellschaft stehen mit dieser Vorschrift im Widerspruch und sind daher unwirksam (Rob. Fischer GmbH.Rdsch. 1953, 66; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck § 102 Anm. 2 F; a. M. Ritter § 1 1 4 Anm. 1 1 ; Schlegelberger-Quassowski § 1 1 4 Anm. 2). Nach §26oa Abs. 3 Nr. 3 HGB mußten über die gebundenen Aktien im Geschäftsbericht des Vorstandes Angaben gemacht werden. Das AktG hat das gestrichen (s. dagegen über Vorratsaktien § 128 Abs. 2 Nr. 1).

20 Aktiengesetz, 2. Aufl.

305

§52 Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft

§ 5 3 Keine R ü c k g e w ä h r der

Einlagen

Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden; sie haben, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den Reingewinn, der sich aus der Jahresbilanz ergibt, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung ausgeschlossen ist. Als Rückgewähr von Einlagen gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen E r w e r b eigener Aktien (§ 65). Übersicht Einleitung

Anm.

Anm.

i

II. Das allgem. Mitgliedschaftsrecht auf Gewinnverteilung . 16—18

I. Das Verbot einer Rückgewähr der Einlage 1. Der Begriff der Einlage. . 2 2. Die unzulässige Rückgewähr a) Allgemeines 3 b) Die Rückgewähr als solche 4,5 c) Die Leistung für Rechnung der Gesellschaft . 6 d) Umsatzgeschäfte des Aktionärs mit der Gesellschaft 7,8 e) Rückgewähr bei Kapitalherabsetzung . . . 9 3. Der Rückforderungsanspruch a) Nichtigkeit von Rückgewährsversprechen und Rückgewähr . . . . 10 b) Der rechtliche Charakter des Rückforderungsanspruchs 11 c) Die Abtretung des Rück12 forderungsanspruchs . 4. Der Kauf eigener Aktien durch die Gesellschaft . . 13,14 5. Keine Lockerung des Verbots 15

III. Der Anspruch auf den Gewinnanteil 1. Allgemeines 19 2. Die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs 20 a) Die Feststellung des Jahresabschlusses . . 21—23 b) Der Beschluß über die Gewinnverteilung . . 24—28 3. Die Rechtsnatur des Anspruchs 29 4. Der Inhalt des Anspruchs 30, 31 5. Die Verjährung des Anspruchs 32 IV. Der Gewinn- und Erneuerungsschein 1. Der Gewinnschein . . . a) Die Rechtsnatur des Gewinnscheins b) Die Veräußerung des Gewinnscheins . . . . c) Der Gewinnschein bei Übertragung der Aktie 2. Der Erneuerungsschein .

33 34 35 36 37

Anm. 1 Das Verbot der Rückgewähr von Einlagen an die Aktionäre ist einer der Grundpfeiler des Aktienrechts. Die Erhaltung des Grundkapitals ist ein notwendiges Gegenstück dazu, daß für die Verbindlichkeiten der A G nur deren Vermögen, nicht das der Aktionäre haftet. Im bisherigen Recht (§213 HGB) war das Verbot unvollkommen damit ausgedrückt, daß der Aktionär seine Einlage nicht „zurückfordern" könne. Das wurde aber schon so ausgelegt, wie es das AktG jetzt ausdrückt, daß nämlich die Einlage überhaupt nicht, auch nicht freiwillig, zurückgewährt werden dürfe. Auch der übrige Inhalt des § 52 entspricht dem bisherigen Recht, der zweite Satz entscheidet eine Streitfrage.

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 52 A n m . 2, 3 I. Verbot einer R ü c k g e w ä h r der Einlage. Anm. 2 1. Der Begriff der Einlage: Unter Einlage ist jede Zahlung zu verstehen, die der Aktionär in seiner Stellung als Gesellschafter an die AG leistet, also nicht nur der Betrag, den er auf den Nennbetrag oder als Aufgeld ( § 9 Abs. 2) gezahlt hat, sondern auch freiwillige Zahlungen, die er in seiner Stellung als Gesellschafter (§49 Anm. 9), z. B. zur Erlangung von Vorrechten gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 4 leistet. Für die Anwendung des § 52 macht es keinen Unterschied, ob es sich bei den Einlagen um eine Bareinlage oder um eine Sacheinlage handelt; auch die Rückgewähr einer Sacheinlage fallt unter das Verbot des § 52 (vgl. dazu aber auch Anm. 8). 2. Die u n z u l ä s s i g e R ü c k g e w ä h r . Anm. 3 a) A l l g e m e i n e s : Das Verbot einer Rückgewähr der Einlage dient der E r h a l t u n g d e r V e r m ö g e n s s u b s t a n z d e r G e s e l l s c h a f t . Es soll jeden Anspruch des Aktionärs als solchen auf etwas anderes als den bilanzmäßigen Gewinn des verflossenen Jahres gegenüber der Gesellschaft ausschließen. Aus diesem Grundgedanken folgt, daß „Rückzahlung der Einlage gleichbedeutend ist mit einer Zahlung auf die Einlage bzw. auf Rechnung der Beteiligung an der Gesellschaft, soweit es sich dabei nicht um Ausschüttung der festgestellten Jahresdividende handelt" (RG J W 1932, 3732; s. auch R G 107, 168). Der Schutzgedanke des § 52 geht also erheblich weiter als bei der entsprechenden Vorschrift des § 30 G m b H G (vgl. dazu im allgemeinen auch § 54 Anm. 2; eingeschränkt ist der Schutz im Aktienrecht freilich bei Auszahlung des festgestellten Gewinnanteils, vgl. Anm. 29). Bei der G m b H ist nur das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft vor Auszahlungen an die Gesellschafter geschützt, bei der AG dagegen das gesamte Vermögen, auch soweit es den Betrag des Grundkapitals und der gesetzlichen Reserven übersteigt, es sei denn, daß es sich bei der Auszahlung um eine Ausschüttung von Reingewinn in gesetzlich und satzungsmäßig zulässiger Form handelt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; Ritter Anm. 3 b ; Baumbach-Hueck Anm. 2 A; Ballerstedt: Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften 1949 S. 122f.). Eine Rückgewähr der Einlage ist somit jede Zahlung, die die Gesellschaft an die Aktionäre in ihrer Eigenschaft als solche leistet, soweit es sich dabei nicht um Ausschüttung von Reingewinn handelt. „Ein Drittes außer Zahlung von Dividende und Rückzahlung auf Einlage gibt es nicht." (Brodmann § 213 Anm. i a ) . Die gegenteilige Ansicht, die eine Rückgewähr der Einlage nur dann annimmt, wenn die Zahlung bilanzmäßig gesehen aus dem Grundkapital erfolgt (so Breit Z H R 76, 449; Wieland Handelsrecht II S. 25/26), läßt sich nach dem Wortlaut und dem Grundgedanken des § 52 nicht halten. Der abweichenden Regelung des § 52 gegenüber der des § 30 G m b H G liegt neben dem Gedanken einer möglichst weitgehenden Erhaltung der Vermögenssubstanz der Gesellschaft noch ein weiterer Gesichtspunkt zugrunde. Es soll auf diese Weise die organisatorische K o m p e t e n z v e r t e i l u n g z w i s c h e n d e m V o r s t a n d u n d d e r H a u p t v e r s a m m l u n g gewahrt werden. Die Entscheidung über die Gewinnverteilung steht ausschließlich der Hauptversammlung zu (§ 126). Das Verbot des § 52 ermöglicht es, eine Aushöhlung dieses ausschließlichen und zwingenden Zuständigkeitsbereichs der Hauptversammlung zu verhindern. Dem Vorstand wird es durch § 52 verwehrt, in Form von verschleierten Gewinnausschüttungen der Gewinnverteilung durch die Hauptversammlung vorzugreifen (vgl. dazu Ballerstedt Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften 1949 S. 133, 144 fr.). Deshalb ist es gerechtfertigt, eine unzulässige Rückgewähr auch dann anzunehmen, wenn die Zahlung nicht zu Lasten des Grundkapitals geht, sondern aus dem Reingewinn geleistet wird. Daneben dient § 52 zugleich dazu, die gesetzlichen und satzungsmäßigen Gewinnverteilungsvorschriften (§ 53) sicherzustellen und in diesem Rahmen das Gebot der G l e i c h b e h a n d l u n g d e r A k t i o n ä r e zu gewährleisten (vgl. dazu Ballerstedt aaO. S. 132, 139 fr.), ein Gesichtspunkt, auf den das R G bereits in J W 1932, 733 zutreffend hingewiesen hat. Es ist notwendig, bei der Auslegung des § 52 auch diese für das Verbot 20*

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§52 A n m . 4—6

I. Buch: Aktiengesellschaft

einer Rückgewähr der Einlage maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Da dem Aktionär seine Einlage nicht zurückgewährt werden darf, so folgt daraus, daß er mit seinem A n s p r u c h auf den A b w i c k l u n g s e r l ö s den Gläubigern der A G nachsteht. Erst wenn nach Beobachtung der Gläubigerschutzvorschriften noch Vermögen vorhanden ist, kann es unter die Aktionäre verteilt werden ( R G 149, 297; Warn. 1932, Nr. 64). Bis dahin müssen die Maßnahmen der A G darauf zugeschnitten sein, daß das Vermögen erhalten bleibt. Anm. 4 b) Die R ü c k g e w ä h r a l s s o l c h e : Unter Rückgewähr der Einlage ist jede Zuwendung zu verstehen, die einem Aktionär als solchem außerhalb der ordnungsgemäßen Gewinnausschüttung von der Gesellschaft gewährt wird. Auf die rechtliche Einkleidung einer solchen Zuwendung kommt es nicht an; maßgeblich ist der sachliche Inhalt und die Art des Geschäfts (RG 149, 400). So sind als eine Rückgewähr der Einlage anzusehen übermäßige Vergütungen für entgeltliche Leistungen der Aktionäre (§ 55), der Höhe nach nicht gerechtfertigte Provisionen, zinslose Darlehn, Erlaßverträge zugunsten von Aktionären, Vorauszahlungen auf den noch nicht festgestellten Jahresgewinn (RG 107, 168; H R R 1937 Nr. 13), kurz alle Leistungen, in denen eine verdeckte Gewinnausschüttung erblickt werden kann (RG 146, 93; 149, 400). Hierzu gehören auch Bürgschaften, die die Gesellschaft zugunsten eines Aktionärs übernimmt, oder andere Sicherheiten, die sie bestellt (RG J W 1930, 3730; 1932, 2602), ferner Zusagen fester Zinsen (Ausnahme §54 Abs. 2) oder Dividendengarantien ( R G 1 2 1 , 106; H R R 1936 Nr. 814). Ein besonders wichtiger Fall der Rückgewähr einer Einlage ist der K a u f e i g e n e r A k t i e n durch die Gesellschaft (vgl. dazu Anm. 13). Aber auch dann, wenn ein Aktionär seine Aktie an einen Dritten verkauft, darf die Gesellschaft nicht die Mittel für die Bezahlung des Kaufpreises zur Verfügung stellen, auch nicht in Form eines Darlehns; denn hierin wäre ebenfalls eine verschleierte Form der Rückgewähr zu erblicken ( R G 146, 93; unten Anm. 13). Ohne Bedeutung ist es auch, ob die Einlage dem ersten Aktienzeichner oder einem späteren Aktienerwerber zurückgewährt wird. Die insoweit abweichende Rechtsprechung des R G (vgl. R G 146, 88 m. w. N.) wird heute mit Recht allgemein als überholt betrachtet (vgl. dazu Vorauf!. Anm. 4). Besonderes gilt lediglich dann, wenn jemand eine Aktie etwa durch Kauf von der Gesellschaft selbst erworben hat (dazu Anm. 7). Anm. 5 Da die Zeichnung einer Aktie nicht wegen Willensmängel angefochten werden kann (§ 2 Anm. 4), hat der Zeichner einer Aktie in einem solchen Fall auch nicht einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage. Wird ihm jedoch aus diesem Anlaß gleichwohl die Einlage von der Gesellschaft erstattet, so ist das eine unzulässige Rückgewähr der Einlage (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 2 B); anders nur, wenn jemand in der irrigen Annahme, er sei Aktionär, eine Zahlung geleistet hat. Hier hat der Zahlende einen Rückforderungsanspruch nach § 813 BGB; die Erstattung einer solchen Zahlung ist keine Rückgewähr einer Einlage im Sinn des § 52, weil eine solche Zahlung keine Einlage im Rechtssinn ist. Anm. 6 c) Die L e i s t u n g f ü r Rechnung d e r G e s e l l s c h a f t : Von dem Verbot des § 52 werden grundsätzlich nicht Leistungen betroffen, die ein Dritter einem Aktionär erbringt. Aus aktienrechtlichen Gründen ist es irrelevant, wenn ein Dritter einem Aktionär die von ihm geleistete Einlage erstattet. Denn nicht die Rückgewähr der Einlage als solche, sondern die Rückgewähr der Einlage durch die Gesellschaft ist es, die nach dem Grundgedanken des § 52 verhindert werden soll. Daher muß die Leistung, die ein Dritter für Rechnung der Gesellschaft einem Aktionär erbringt, unter das Verbot des § 52 fallen, weil eine solche Leistung letzten Endes die Gesellschaft belastet (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 213 Anm. 9; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6;

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3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 52 Anm, 7, 8 Ritter Anm. 3 b). Darüber hinaus gilt das Verbot des § 52 auch für Leistungen, die ein a b h ä n g i g e s U n t e r n e h m e n dem Aktionär eines herrschenden Unternehmens erbringt. Die insoweit gegenteilige Auffassung von Düringer-Hachenburg-Flechtheim §213 Anm. 9 kann jedenfalls heute nicht mehr aufrechterhalten werden, nachdem durch die §§ 51, 65 Abs. 5 im Rahmen des Gläubigerschutzes eine weitgehende Gleichstellung zwischen dem herrschenden und dem abhängigen Unternehmen vorgenommen worden ist (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; im Ergebnis ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 1). Anm. 7 d) Umsatzgeschäfte des Aktionärs mit der Gesellschaft: Umsatzgeschäfte, die ein Aktionär mit der Gesellschaft abschließt, fallen grundsätzlich nicht unter das Verbot des § 52. Hier tritt der Aktionär nicht in seiner Eigenschaft als solcher, sondern wie ein Dritter der Gesellschaft gegenüber. Zahlungen oder Leistungen, die der Aktionär in Ausführung solcher Umsatzgeschäfte erhält, werden daher von § 52 im allgemeinen nicht berührt. Das gilt auch dann, wenn er von der Gesellschaft Aktien kauft. Einem solchen Erwerb liegt ein gewöhnlicher Kaufvertrag zugrunde, auf den die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften Anwendung finden (unstreitig; vgl. dazu Werneburg ZHR 90, 211 ff.). Das bedeutet, daß ein solcher Kaufvertrag wegen Willensmängel anfechtbar oder aus einem sonstigen gesetzlichen Grund nichtig sein kann. Daher muß die AG in einem solchen Fall dem Käufer den Kaufpreis erstatten (RG 68, 309; 88, 272; 121, 106). Die Rückerstattung des Kaufpreises ist dann nicht eine Rückgewähr der Einlage im Sinn des § 52, weil der Käufer nicht Aktionär geworden ist. Dagegen kann sich die AG beim Verkauf eigener Aktien im allgemeinen nicht vertraglich zu einem Wiederkauf verpflichten. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze über den Kauf eigener Aktien durch die AG (Anm. 13). Die AG kann beim Verkauf eigener Aktien dem Käufer auch nicht eine Kursgarantie geben, um so dem Käufer die Vollwertigkeit ihrer Leistung zu gewährleisten (vgl. dazu auch § 54 Anm. 2; § 65 Anm. 30). Eine solche Garantie ist der Verpflichtung zum Wiederkauf gleichzuachten (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 213 Anm. 6; a. M. R G 87, 340). Gewöhnliche Umsatzgeschäfte zwischen der Gesellschaft und einem Aktionär können dann gegen das Verbot des § 52 verstoßen, wenn sie dem Zweck einer verdeckten Gewinnausschüttung dienen, also namentlich dann, wenn dem Aktionär auf diesem Wege mit Rücksicht auf seine gesellschaftliche Beteiligung eine wirtschaftlich nicht gerechtfertigte (zu hohe) Vergütung für seine Leistung versprochen oder gewährt wird (vgl. Anm. 4). Anm. 8 Im Anschluß an R G 81, 404 wird im Schrifttum zum Teil die Ansicht vertreten, daß es ein unzulässiges Versprechen zur Rückgewähr der Einlage sei, wenn dem Sacheinleger ein Wiederkaufsrecht an seiner Sacheinlage eingeräumt wird (Vorauf!. Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 2 B). Dies erscheint unrichtig. § 52 schützt nicht den Einlagegegenstand als solchen, sondern bezweckt den Wert des Gesellschaftsvermögens zu erhalten. Es kann daher ein Rückkauf des Sacheinlagegegenstandes gegen ein angemessenes Entgelt nach § 52 nicht beanstandet werden, weil dadurch der Wert des Gesellschaftsvermögens nicht berührt wird (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim §213 Anm. 5; Brodmann § 2 1 3 Anm. 1 d; Teichmann-Koehler Anm. 1; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; Breit ZHR 76, 448; Ballerstedt a.a.O. (Anm. 3) S. 123; vgl. auch BGH WM 1955, 1251). Etwas anderes ist es, wenn der Aktionär als Entgelt für den Sacheinlagegegenstand die Aktie der Gesellschaft (teilweise) zurückgibt; das wäre eine unzulässige Rückgewähr der Einlage (insofern ist die Entscheidung R G 8 1 , 404 im Ergebnis richtig). Gegen den Rückkauf des Sacheinlagegegenstandes für ein angemessenes Entgelt bestehen auch keine allgemeinen aktienrechtlichen Bedenken, weil die Gläubiger keinen unentziehbaren Anspruch daraufhaben, daß die erbrachte Sacheinlage der Gesellschaft erhalten bleibt (§ 19 Anm. 22). 309

§ 52 Anm. 9—11

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Anm. 9 e) Rückgewähr bei Kapitalherabsetzung: Wird das Grundkapital durch Satzungsänderung herabgesetzt (§ 175), so kann es zu Zurückzahlungen an die Aktionäre kommen. Dies ist der einzige Fall, wo die Zurückzahlung zulässig ist. Aber den Aktionären gehen dabei die Gläubiger vor. Soweit diese sich fristgemäß melden, sind sie zunächst zu befriedigen oder sicherzustellen (§ 178). Und nur im Fall der ordentlichen Kapitalherabsetzung kann es zu Zurückzahlungen von Grundkapital an die Aktionäre kommen, nicht bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung (§ 184). Bei der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien entfällt der Gläubigerschutz nur in den Fällen des § 192 Abs. 3, wenn nämlich die Aktien entweder unentgeltlich zur Verfügung gestellt oder zu Lasten des Reingewinns oder einer freien Rücklage eingezogen werden, also mit frei verfügbaren Mitteln. Anm. 10 3. Der Rückforderungsanspruch. a) Nichtigkeit von Rückgewährsversprechen und Rückgewähr: Ein Geschäft, das gegen das Verbot der Rückgewähr von Einlagen verstößt, ist nichtig (§134 BGB). Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats machen sich durch Zuwiderhandlung gegen das Verbot schadensersatzpflichtig (§ 84 Abs. 3 Nr. 1, § 99), und zwar nicht nur der Gesellschaft, sondern auch den Gläubigern gegenüber (§ 84 Abs. 5). Auch die Aktionäre haften für verbotswidrig empfangene Zahlungen den Gläubigern (§ 56). Wie das unmittelbar auf Rückgewähr der Einlage gerichtete Geschäft nichtig ist, so ist auch ein schuldrechtliches Geschäft nichtig, durch das die AG sich zu solcher Rückgewähr verpflichtet (§ 30g BGB; R G 149, 400), so z. B. ein Vertrag, durch den die AG sich verpflichtet, einem Aktionär die von ihm übernommenen Aktien gegen Entgelt wieder abzunehmen (RG 77, 71). Solche Verträge sind bisweilen von Gesellschaften mit ihren Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern für den Fall der Beendigung des Verhältnisses geschlossen worden; derartige Verträge sind nichtig (RG J W 1912, 876), nicht nur im Konkurse der Gesellschaft, wie das OLG Jena gemeint hatte (LZ 1912, 4062). Anm. 11 b) Der rechtliche Charakter des Rückforderungsanspruchs: Aus der Nichtigkeit einer unzulässigen Rückgewähr folgt, daß die AG einen Anspruch gegen den Empfänger hat. Dieser Anspruch wird von der Rechtsprechung (RG H R R 1937 Nr. 13) und von der herrschenden Lehre im Schrifttum (Voraufl. Anm. 1 1 ; §56 Anm. 1 1 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §213 Anm. 12; Ritter Anm. 3 a; Baumbach-Hueck Anm. 1) im Hinblick auf die Nichtigkeit des dinglichen Erfüllungsgeschäft sowie des schuldrechtlichen Grundgeschäfts als Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) oder als Bereicherungsanspruch (§951 BGB) angesehen. Es wird jedoch dabei die Einschränkung vorgenommen, daß auf den Bereicherungsanspruch der AG die Vorschriften der §§ 814, 817 BGB keine Anwendung finden (abweichend insoweit StaubPinner § 217 Anm. 2 1 ; Ruth Eigene Aktien und Verwaltungsaktien 1928 S. 43). Demgegenüber weisen jedoch v. Godin-Wilhelmi Anm. 4 mit Recht darauf hin, daß sich die Rechtsgrundlage für den Rückforderungsanspruch allein aus aktienrechtlichen Grundsätzen in Verbindung mit den §§ 52, 56 ergibt (vgl. dazu auch § 56 Anm. 17; ebenso Ballerstedt a.a.O. (Anm. 3) S. 128, 138; vgl. auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; der Bundesgerichtshof hat diese Frage im Urteil vom 1 1 . 10. 56 •— II Z R 47/55 offen gelassen). Anders läßt sich der im Ergebnis richtige Ausschluß der §§ 814, 817 BGB überhaupt nicht begründen. Auch könnten sich aus einer im Einzelfall notwendigen Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB Schwierigkeiten ergeben, die den Rückforderungsanspruch der Gesellschaft jedenfalls seiner Höhe nach beeinträchtigen würden, was sich wiederum mit dem aktienrechtlichen Grundsatz einer Erhaltung der Vermögenssubstanz der Gesellschaft nicht vereinbaren ließe (im Ergebnis auch insoweit a. M. die Voraufl. § 56 Anm. 11). 310

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 52 Anm. 12—15 A s m . 12 c) Die Abtretung des Rückforderungsanspruchs: Der Zweck des § 52 (Anm. 3) würde vereitelt werden, wenn die AG über den Rückforderungsanspruch in der Weise verfügen könnte, daß sie dem verpflichteten Aktionär diesen Ansprch erläßt. Ein derartiger Erlaß wird daher allgemein als unzulässig angesehen. Dasselbe gilt für eine Abtretung dieses Anspruchs an einen Dritten dann, wenn die AG dabei nicht ein vollwertiges Entgelt für ihren Rückforderungsanspruch erhält (RG J W 1930, 3732); die Vorschrift des § 60 findet insoweit ebenfalls Anwendung (§ 60 Anm. 2). Es ist auch denkbar, daß die Gesellschaft den verpflichteten Aktionär anweist, an einen Dritten (an ihre Bank oder an einen ihrer Gläubiger) zu zahlen. Insoweit ist ebenfalls der Gesichtspunkt der Vollwertigkeit zu beachten. Deshalb ist eine solche Anweisung nicht wirksam, wenn die Forderung des Dritten gegen die Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nichts wert ist (Ritter Anm. 3e; Baumbach-Hueck Anm. 2 C; vgl. dazu auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim §221 Anm. 7). Anm. 13 4. Der Kauf eigener Aktien durch die Gesellschaft: Einer der wesentlichsten Anwendungsfälle des § 52 ist der Ankauf eigener Aktien durch die Gesellschaft. Hier erhält der Aktionär seine Einlage in Form des Kaufpreises von der Gesellschaft zurück. Dabei ist es für die Anwendung des § 52 ohne Bedeutung, ob der Kaufpreis ein vollwertiges Entgelt für die Aktie darstellt oder ob der Kaufpreis zu hoch bemessen ist. Im Unterschied zu den Umsatzgeschäften (Anm. 7) ist hier die Vollwertigkeit des Entgelts für die Anwendung des § 52 ohne Belang, da die Zahlung eines Kaufpreises für die Rückgabe von Aktien immer eine Rückgewähr der Einlage ist. Gleichgültig ist es, ob die Gesellschaft die Aktien von dem ersten Zeichner oder von einem späteren Erwerber zurückkauft. Die ältere Rechtsprechung des RG zu § 213 HGB, die insoweit einen Unterschied gemacht hatte (vgl. RG 146, 88 m. w. N.), wird heute mit Recht allgemein als überholt betrachtet (vgl. dazu Vorauf!. Anm. 4). Dem Ankauf eigener Aktien ist bei der Anwendung des § 52 der Fall gleichzuachten, daß die AG zwar nicht die Aktien selbst kauft und erwirbt, aber für den Käufer der Aktien den Kaufpreis zahlt oder Sicherheiten für die Kaufpreisforderung bestellt (RG 146, 93; J W 1930, 373°> 1932, 2602; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §213 Anm. 9; Ritter Anm. 3c). Anm. 14 Durch § 52 Satz 2 ist eine Streitfrage aus der früheren Zeit abschließend geregelt, nämlich die Frage, in welchem Verhältnis das Verbot einer Rückgewähr der Einlage zu dem der Gesellschaft unter Umständen erlaubten Erwerb eigener Aktien steht. Die Regelung geht dahin, daß das Verbot des § 52 nicht eingreift, soweit es sich um einen nach § 65 erlaubten Erwerb eigener Aktien handelt. Bei einem solchen erlaubten Erwerb ist es daher zulässig, daß die Gesellschaft dem Veräußerer ein angemessenes Entgelt entrichtet. Insoweit wird also der nach § 52 1. Halbs, umrissene Anwendungsbereich des § 52 eingeschränkt. Darüber gibt es heute im Schrifttum keinen Streit mehr. A n m . 15 5. Keine Lockerung des Verbots: Ballerstedt (Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften 1947 S. 128 ff.) meint, daß man an den strengen Grundsätzen für das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung nicht festhalten sollte. Dabei sind es namentlich zwei Gesichtspunkte, die ihn zu einer solchen Lockerung des Verbots bewegen, einmal der Umstand, daß die nichtigen Formen der Gewinnverteilung im Wirtschaftsleben einen breiten Raum einnehmen, und sodann die Erwägung, daß die starre Nichtigkeitsfolge für verdeckte Gewinnausschüttungen keineswegs immer von dem Grundgedanken für dieses Verbot gefordert werde. In diesen Gedankengängen liegt eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Dem Umstand, daß das Verbot im Wirtschaftsleben, namentlich bei kleinen Aktiengesellschaften vielfach nicht beachtet wird, sollte man bei der weittragenden Bedeutung dieser Schutzvorschrift — Ballerstedt selbst rechnet sie zum ordre public des Aktienrechts — keine 311

§ 52

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Anm. 16,17 Beachtung schenken; vielmehr ist hier die gleiche Beurteilung wie gegenüber der Schutzvorschrift des § 30 G m b H G am Platz, die zu umgehen im Wirtschaftsleben auch immer wieder versucht wird, und an deren strenge Beachtung die Rechtsprechung gleichwohl mit Recht immer festgehalten hat (vgl. dazu B G H 1 3 , 49; Lind.-Möhr. Nr. 1 zu § 30 G m b H G ) . Was die weiteren Erwägungen Ballerstedts anlangt, daß nämlich die starre Nichtigkeitsfolge nicht immer von dem Grundgedanken dieses Verbots erfordert werde, daß namentlich unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung des Gesellschaftskapitals die Nichtigkeit der verdeckten Gewinnausschüttung dann nicht notwendig sei, wenn eine solche Ausschüttung von dem am Ende des Geschäftsjahres ausgewiesenen Reingewinn gedeckt werde, so sollte man auch diesen Gedankengängen nicht folgen. Das würde nämlich sonst dazu führen, Vorauszahlungen auf einen noch nicht festgestellten und ausgewiesenen Reingewinn zunächst als schwebend wirksam zu betrachten und damit f ü r diesen Zeitraum die Rechtstellung der Gesellschaftsgläubiger und der Gesellschaft zu gefährden. Das könnte eine bedenkliche Aufweichung der Schutzvorschrift des § 52 zur Folge haben. I m übrigen beachtet Ballerstedt bei seiner Kritik an der starren Nichtigkeitsfolge, die f ü r das Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen gilt, wohl nicht im genügenden M a ß die Vorschriften der §§ 946 fr. B G B . Hat nämlich die A G einem ihrer Aktionäre mit Rücksicht auf seine Gesellschaftereigenschaft Waren zu einem verbiligten Preis abgegeben, so werden diese Waren nach einem längeren Zeitraum in ihrem ursprünglichen Zustand nicht mehr bei dem Aktionär erhalten sein, so daß die Eigentumsklage gegen den Aktionär schon aus diesem Grunde nicht mehr durchdringt. Dann ist der Rückforderungsanspruch ein Anspruch auf Erstattung des Werts, den der Aktionär durch die Vereinbarung eines zu niedrigen Kaufpreises zu viel erhalten hat und es wird dadurch — auch im Sinn der Ausführungen von Ballerstedt (S. 134/35) — dem Begriff des durch die §§ 52, 54 geschützten Gesellschaftskapitals als eines Wertbegriffs in sachgerechter Weise Rechnung getragen.

Anm. 16 II. Das allgemeine Mitgliedschaftsrecht auf Gewinnbeteiligung.

Das Recht des Aktionärs auf Beteiligung an dem erzielten Gewinn der Gesellschaft ist ein allgemeines Mitgliedschaftsrecht, nicht ein Sonderrecht. Es ist möglich, daß dieses Recht von vornherein in der Satzung für alle Aktien oder f ü r eine besondere Gruppe von Aktien ausgeschlossen wird. Es kann aber dieses Recht, da es sich dabei um ein allgemeines Mitgliedschaftsrecht und nicht um ein Sonderrecht des einzelnen Aktionärs handelt, durch satzungsändernden Beschluß später beseitigt oder geschmälert werden (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 3 Anm. 1 5 ; Ritter Anm. 4 b ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 4 C ; a. M . Brodmann § 2 1 3 Anm. 7 a ; R u d . Fischer Ehrenb. Hdb. I I I . 1 S. 344; v. Gierke Handelsrecht § 44 I I I 1 b ß). Einer besonderen Zustimmung der durch einen solchen Beschluß beeinträchtigten Aktionäre bedarf es also nicht. Dagegen ist es f ü r die Wirksamkeit eines Beschlusses, der das allgemeine Mitgliedschaftsrecht auf Gewinnbeteiligung aufhebt oder beeinträchtigt, notwendig, daß er nicht gegen die guten Sitten und nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt (vgl. dazu auch § 195 Nr. 4).

A n m . 17 Dieses allgemeine Mitgliedschaftsrecht auf Gewinnbeteiligung enthält n i c h t einen

Anspruch auf Beteiligung an d e m erzielten Jahresgewinn der Gesellschaft.

V o n einem solchen Anspruch konnte unter der Geltung des H G B vielleicht grundsätzlich noch gesprochen werden, weil damals die Organe der Gesellschaft (Generalversammlung) mangels abweichender Bestimmungen in der Satzung nicht ohne Einschränkungen befugt waren, den erzielten Jahresgewinn anderen Zwecken, insbesondere der Bildung freier Rücklagen (Stärkung der Betriebsmittel) zuzuführen ( R G 72, 3 8 ; 94, 2 1 3 ; 1 1 6 , 1 2 1 ; L Z 1 9 1 7 , 394; J W 1 9 1 9 , 3 1 2 ; L Z 1932, 8 2 1 ; Ballerstedt a.a.O. (Anm. 3) S. 60f., 1 0 2 f . ; vgl. aber auch R G J W 1936, 3188). Heute sind die Organe der Gesellschaft, die den Jahresabschluß festzustellen haben (Anm. 2 1 ) , in der Bildung solcher Rücklagen grundsätzlich frei, so daß die Aktionäre insoweit auch nicht einen Anspruch darauf haben, daß der erzielte Jahresgewinn als Reingewinn zur Ausschüttung an die

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3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 52

Anm. 18 Aktionäre gelangt. Es ist jedoch zulässig, daß die Satzung dem Verwaltungsorgan der Gesellschaft bei der Bildung freiwilliger Rücklagen in dem Jahresabschluß Beschränkungen auferlegt (dazu Anm. 22) und dadurch das allgemeine Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre auf Gewinnbeteiligung verstärkt. Inwieweit die Aktionäre einen Anspruch darauf haben, daß der in dem Jahresabschluß ausgewiesene Reingewinn zur Ausschüttung an sie gelangt, ist im einzelnen streitig (vgl. dazu Anm. 25).

A n m . 18 Die Beteiligung dritter Personen an dem Gewinn der Gesellschaft bedeutet

im Rechtssinn nicht eine Einschränkung des allgemeinen Mitgliedschaftsrechts auf Gewinnbeteiligung. Sie bedarf daher zu ihrer Wirksamkeit auch nicht eines satzungsändernden Beschlusses ( R G 83, 3 7 7 ; J W 1930, 3 7 3 5 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 3 Anm. 1 7 ; Ritter Anm. 4 d ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 0 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 2 ; Baumbach-Hueck Anm. 4 C ; a. M . Brodmann § 2 1 3 Anm. 6 b ; Wieland H R I I S. 2 1 9 A n m . 2 2 ; Bondi D J Z 1 9 1 4 , 9 1 2 ; Roth Z B I H R 1930, 70; R a u c h , Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 1947 S. 136 Fußnote2, S. 1 4 1 ; HefermehlBetr. 1954, 1037fr., i o 6 i f . ) . Der Vorstand ist kraft seiner Vertretungsmacht befugt, dritten Personen durch schuldrechtlichen Vertrag eine solche Gewinnbeteiligung einzuräumen. Die Gegenmeinung ist schon deshalb nicht richtig, weil der Abschluß solcher Verträge nicht einen Eingriff in die körperschaftsrechtliche Verfassung der A G darstellt, die einer Satzungsänderung bedürfen würde, sondern weil er in den Rahmen einer normalen Geschäftsführung gehört. Die Berechnung des Entgelts — ob nämlich in Form eines Fixums oder einer partiarischen Beteiligung — kann den Charakter derartiger Verträge nicht berühren und muß daher auch f ü r die Vertretungsmacht des Vorstands ohne Einfluß sein. Das ist bei einer Tantiemebeteiligung höherer Angestellter (Prokuristen) oder bei einer Patent-Gebrauchsüberlassung gegen Gewinneinräumung ganz offensichtlich, gilt aber in gleicher Weise auch f ü r die Aufnahme partiarischer Darlehn oder f ü r die Beteiligung stiller Gesellschafter. Eine solche Tantieme gehört zu den Geschäftsunkosten und mindert daher wie jedes andere Passivum den zu verteilenden Reingewinn; durch eine solche Tantieme wird zwar der Gewinn der Gesellschaft geschmälert, aber nicht durch einen Eingriff in die statutarische Gewinnverteilungsregelung, sondern durch eine Erhöhung der Geschäftsunkosten ( B G H Lind.-Möhr. Nr. 2 zu § 53 G m b H G ) . Die Befugnis des Vorstands zum Abschluß solcher Verträge ist f ü r das besonders wichtige Gebiet der sog. Interessengemeinschaften überdies heute auch noch durch die Vorschrift des § 256 klargestellt worden (Einzelheiten bei § 256); hier ist aber die Vertretungsbefugnis des Vorstands eingeschränkt und der Vorstand an die Zustimmung der Hauptversammlung gebunden worden, sofern die Gesellschaft durch einen solchen Vertrag — allein oder in Zusammenhang mit anderen Verträgen — zur Abführung von mehr als drei Vierteln ihres gesamten Gewinns verpflichtet wird. Anders ist es bei den sog. O r g a n s c h a f t s v e r t r ä g e n . Hier liegt die Besonderheit darin, daß diese Verträge zwischen der A G (Tochtergesellschaft) und ihrem Großaktionär (Muttergesellschaft) abgeschlossen werden, daß hier also nicht die Gewinnbeteiligung eines Dritten, sondern die eines Aktionärs in Frage steht. Insoweit gelten die in Anm. 3 ff. dargelegten Grundsätze über die Unzulässigkeit verdeckter Gewinnausschüttungen an Aktionäre im vollen Umfang. Der Großaktionär oder auch der Alleinaktionär kann dar her nicht auf Grund eines solchen Organschaftsvertrages die Gewinne der A G von vornherein abschöpfen, und zwar auch dann nicht, wenn er an Minderheitsaktionäre Ausgleichszahlungen (Zahlungen in Höhe einer übernommenen Garantie; vgl. dazu § 54 Anm. 6 ff.) abführt. Denn solche Ausgleichszahlungen sind kein vollwertiges Entgelt f ü r die Leistungen der A G (ebenso Ballerstedt Betr. 1956, 8 3 7 ; Duden B B 1957, 50; nicht unbedenklich insoweit der Bericht der Studienkommission des Deutschen Juristentages: Untersuchungen zur Reform des Unternehmensrechts 1955 S. 52ff.). Solche schuldrechtlich begründeten Gewinnbeteiligungen sind zu berücksichtigen, bevor es zu einer Gewinnbeteiligung an die Aktionäre kommt; der Vertragsgegner hat darauf einen klagbaren Anspruch ( R G J W 1930, 3735), gegebenenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz.

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§52

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A n m . 19—22 A n m . 19 III. Der Anspruch auf den Gewinnanteil. 1. A l l g e m e i n e s : Wenn es in § 52 Satz 1 2. Halbs, heißt, daß die Aktionäre während des Bestehens der Gesellschaft „ n u r " Anspruch auf den Reingewinn haben, so ist das nicht ganz richtig (Ritter Anm. 4). Es kommen insoweit auch noch andere Ansprüche in Betracht, so der Anspruch auf Bauzinsen (§ 54), auf die Vergütung von Nebenleistungen (§ 55), auf Zuteilung junger Aktien bei Kapitalerhöhungen (§ 153). Auch ist es der A G nicht verwehrt, den Aktionären in der Satzung noch andere Vorteile zu gewähren, durch die die Substanz des Gesellschaftsvermögens nicht angegriffen wird. So finden sich B e n u t z u n g s r e c h t e wie das Recht freien Zutritts in den Garten (Zoologischer Garten) oder das Theater der A G , das Recht jederzeitiger Besichtigung ihrer Fabrik. Die Bestimmung des § 52 Satz 1 2. Halbs, findet daher mit ihrem Wortlaut nur dann ihren rechten Sinn, wenn man sie in notwendigen Zusammenhang mit dem vorausgehenden Verbot der Rückgewähr von Einlagen stellt (vgl. dazu Anm. 3). Der Anspruch auf den Gewinnanteil ist zu unterscheiden von dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs, an dem Gewinn der A G teilzuhaben (Anm. 16). Der Anspruch auf den Gewinnanteil ist gewissermaßen die Konkretisierung des allgemeinen Mitgliedschaftsrechts einer Teilhabe an dem Gewinn der Gesellschaft f ü r den Einzelfall. E r entsteht durch den Gewinnverteilungsbeschluß der Hauptversammlung (§ 126) und ist gerichtet auf Zahlung der Dividende nach Maßgabe des Gewinnverteilungsbeschlusses.

A n m . 20 2. D i e V o r a u s s e t z u n g e n f ü r d i e E n t s t e h u n g d e s A n s p r u c h s : Der Anspruch auf den Gewinnanteil setzt zu seiner Entstehung voraus, daß zunächst von den dazu zuständigen Organen der Gesellschaft der Jahresabschluß festgestellt wird, und daß sodann die Hauptversammlung über die Verteilung des im Jahresabschluß ausgewiesenen Reingewinns einen Beschluß faßt. Dieser Verteilungsbeschluß bildet sodann den notwendigen Entstehungstatbestand (Rechtsgrundlage) f ü r den Anspruch des einzelnen Aktionärs auf seinen so konkretisierten Gewinnanteil.

A n m . 21 a) D i e F e s t s t e l l u n g d e s J a h r e s a b s c h l u s s e s : Der verteilbare Reingewinn ergibt sich aus dem Jahresabschluß, der die Jahresbilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung umfaßt (§ 125). Nur der in dem Jahresabschluß ausgewiesene Reingewinn kann zur Ausschüttung an die Aktionäre gelangen, mehr niemals. Hierin liegt die entscheidende Bedeutung des Jahresabschlusses f ü r den Anspruch des einzelnen Aktionärs. In der Jahresbilanz sind bereits die Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rücklagen und Rückstellungen vorzunehmen (9 1 3 1 Abs. 2). Das A k t G weicht von dem bisherigen Recht darin ab, daß es die Feststellung des Jahresabschlusses regelmäßig dem Vorstand und dem Aufsichtsrat überträgt und nur noch ausnahmsweise der Hauptversammlung beläßt, wenn nämlich der Aufsichtsrat den vom Vorstand festgestellten Jahresabschluß nicht billigt, oder wenn sich beide dafür entscheiden, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellen soll (§ 125). Eine weitere bedeutsame Abweichung des A k t G von dem bisherigen Recht besteht darin, daß die Rücklagen schon in der Jahresbilanz vorzunehmen sind und daß daher die Aktionäre grundsätzlich gegen die Bildung von Rücklagen keine Einwendungen mehr erheben können. Es steht nach dem AktG dem f ü r die Feststellung des Jahresabschlusses zuständigen Organ frei, über die gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Rücklagen hinaus, weitere Rücklagen vorzunehmen, wenn er solche f ü r sachgerecht hält.

A n m . 22 Die Satzung kann jedoch d a s R e c h t des f ü r die Feststellung des Jahresabschlusses zuständigen Organs z u r B i l d u n g v o n R ü c k l a g e n e i n s c h r ä n k e n , soweit dadurch die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über die Rücklagen nicht berührt werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 0 ; Baumbach-Hueck Anm. 4 C ; v. Godin Z H R 104,

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 52 Anm. 23—25 266ff.; Möhring-Schwarz, Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht 1938 S. 150; Bengs J W 1938, 7 1 0 / 1 1 ; a. M. Ritter Anm. 4 a e e ; Würdinger ZivA 146, 87; unklar v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; Teichmann-Koehler Anm. 2 a). § 1 3 1 Abs. 2 enthält zwingendes Recht nur insoweit, als es die Aufnahme der Rücklagen bereits in der Jahresbilanz vorschreibt, nicht aber insoweit, als diese Bestimmung dem feststellenden Organ keine Bindungen bei der Bildung von Rücklagen über die gesetzlichen Rücklagen hinaus auferlegt. Auch aus § 125 kann nichts Gegenteiliges entnommen werden, weil diese Vorschrift zwingenden Charakter nur insoweit hat, als sie die Zuständigkeit für die Feststellung des Jahresabschlusses regelt. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, daß Satzungsbestimmungen, die die Möglichkeit zur Bildung freier Rücklagen einschränken, wegen Gesetzesverletzung unwirksam seien (so Ritter Anm. 4 a ee). A n m . 23 Werden solche einschränkenden Satzungsbestimmungen über die Bildung freier Rücklagen bei der Feststellung des Jahresabschlusses verletzt, so sind die Rechtsfolgen verschiedene, je nachdem ob der Jahresabschluß von der Verwaltung (Vorstand und Aufsichtsrat) oder von der Hauptversammlung festgestellt ist. Der von der Verwaltung festgestellte Jahresabschluß unterliegt in einem solchen Fall nicht der Anfechtung und er ist nach Maßgabe des § 302 nur in Ausnahmefällen nichtig. Das mag bei offenbaren Pflichtverletzungen seitens der Verwaltung im Einzelfall unbefriedigend sein, muß aber angesichts der klaren Bestimmung des § 302 hingenommen werden. Der insoweit notwendige Schutz der Aktionäre kann nur darin bestehen, daß ein solches Verhalten der Verwaltungsorgane einen wichtigen Grund für ihre sofortige Abberufung darstellt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; v. Godin DGemWR. 1939, 249). Werden dagegen einschränkende Satzungsbestimmungen bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung verletzt, so berechtigt ein solcher Beschluß eine Minderheit der Aktionäre von 5 % zur Anfechtung (§ 198 Abs. 2). Die Verletzung einschränkender Satzungsbestimmungen bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung gewährt also den Aktionären weitergehende Rechte, als wenn dasselbe durch die Verwaltungsorgane der Gesellschaft geschieht. Auch das mag unbefriedigend erscheinen, muß jedoch angesichts der abweichenden, aber eindeutigen Bestimmungen der §§ 302, 198 Abs. 2 ebenfalls hingenommen werden. A n m . 24 b) Der Beschluß über die Gewinnverteilung: Die Verteilung des Reingewinns ist Sache der Hauptversammlung geblieben (§ 126). Diese Befugnis kann ihr durch die Satzung nicht entzogen werden. Die Hauptversammlung ist bei ihrer Entschließung nicht an den Vorschlag gebunden, den der Vorstand der Hauptversammlung zusammen mit dem Bericht des Aufsichtsrats vorzulegen hat. Die Bindung der Hauptversammlung erstreckt sich nur darauf, daß sie n i c h t m e h r Gewinn zur Ausschüttung an die Aktionäre bringen kann, als in dem festgestellten Jahresabschluß als Reingewinn ausgewiesen ist. Über diesen Punkt besteht im Schrifttum Einmütigkeit und er kann bei der insoweit klaren Gesetzeslage (§126 Abs. 3 Satz 1) auch nicht zweifelhaft sein. A n m . 25 Kann die Hauptversammlung aber auch weniger als den in dem festgestellten Jahresabschluß ausgewiesenen Reingewinn zur Ausschüttung an die Aktionäre bringen? Diese Frage ist unbedenklich zu bejahen, wenn die Ausschüttung des ausgewiesenen Reingewinns eine Verletzung zwingender gesetzlicher Vorschriften darstellen würde, etwa wenn in dem Jahresabschluß die Vorschriften über die zwingend vorgeschriebenen Rücklagen nicht beachtet sind oder wenn andere gesetzliche Vorschriften (vgl. etwa das früher geltende Anleihestockgesetz vom 4. 12. 34 — R G B l . I S. 1222) einer Ausschüttung des gesamten Reingewinns entgegenstehen (BGH N J W 1957, 588). Ferner ist die gestellte Frage unbedenklich zu bejahen, wenn der Hauptversammlung in der Satzung die Ermächtigung eingeräumt ist, über den 315

§52 Anm. 26

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ausgewiesenen Reingewinn oder über einen Teil desselben anderweit etwa nach ihrem Ermessen zu bestimmen (herrsch. Ansicht; a. M. Trumpler Die Bilanz der AG 1950 S. 72). In diesen beiden Fällen wird der Anspruch des einzelnen Aktionärs auf Verteilung des ausgewiesenen Reingewinns nicht berührt, da dieser nach § 52 Satz 1 2. Halbs, nur insoweit besteht, als nicht die Verteilung des ausgewiesenen Reingewinns nach Gesetz oder Satzung ausgeschlossen ist. Anm. 26 Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang lediglich die Frage, ob die Hauptversammlung auch dann von einer (teilweisen) Ausschüttung des ausgewiesenen Reingewinns absehen kann, wenn ihr dazu eine besondere Ermächtigung in der Satzung nicht erteilt ist, oder wenn ihr in der Satzung ein solches Vorgehen gar (teilweise) untersagt ist. Diese Frage rührt an das Verhältnis von § 52 Satz 1, 2. Halbs, zu § 126 Abs. 3 Satz 2. Nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 3 Satz 2 erscheint es unbedenklich, eine solche Befugnis der Hauptversammlung zu bejahen; denn danach kann sie „den Reingewinn ganz oder teilweise von der Verteilung ausschließen". Demgemäß wird im Schrifttum auch die Ansicht vertreten, daß der Hauptversammlung eine solche Befugnis nicht nur zusteht, sondern daß diese Befugnis darüber hinaus auch eine durch die Satzung nicht einschränkbare Befugnis der Hauptversammlung sei (Ritter Anm. 4 a ee; Würdinger ZivA 146, 87). Dem kann jedoch in Übereinstimmung mit der insoweit herrschenden Ansicht für die Frage, ob eine solche Befugnis eine unentziehbare und nicht einschränkbare sei, nicht gefolgt werden. Denn es ist kein zwingender Grund ersichtlich, weshalb eine solche Befugnis unentziehbar und nicht einschränkbar sein sollte. Im Gegenteil, wenn man sich das Wesen einer auf Gewinn ausgerichteten AG vor Augen hält, an deren Reingewinn die Aktionäre nach der Satzung teilhaben sollen, so läßt sich die Annahme, daß die Hauptversammlung gleichwohl und entgegen einer ausdrücklichen Bestimmung in der Satzung in der Lage sei, die Aktionäre von der Teilhabe an dem ausgewiesenen Reingewinn auszuschließen, nicht halten. Ein gesetzgeberisch verständlicher Grund für eine solche Annahme ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, worauf v. Godin-Wilhelmi Anm. 8 mit Recht hinweisen, daß bei einer solchen Annahme für die Anwendung des § 198 Abs. 2 kaum noch Raum bliebe. Die eigentliche Schwierigkeit der Frage nach dem Verhältnis des § 52 Satz 1, 2. Halbs, zu § 126 Abs. 3 Satz 2 liegt daher nur darin, ob die Hauptversammlung ohne eine dahingehende besondere Ermächtigung in der Satzung von einer (teilweisen) Ausschüttung des ausgewiesenen Reingewinns absehen kann (verneinend BGH NJW 1957, 588; Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; BaumbachHueck Anm. 4 B ; W.Schmidt, Umgestaltung der Satzungen der AG 1938 S. 129; Rauch, Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln I. Teil 1947 S. 137; Hefermehl J W 1937, 3072; Dietrich J W 1938, 713; Braunbehrens BB 1954, 697 Kuhn WM 1957, 4'8; bejahend OLG Karlsruhe BB 1955, 746; Ritter Anm. 4 aee; TeichmannKoehler Anm. 2 a; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8, insbes. §126 Anm. 1; MöhringSchwartz, Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht 1938 S. 149; Bengs J W 1938, 709; Würdinger ZivA 146, 87). Man wird sich bei dieser gewiß zweifelhaften Frage dafür entscheiden müssen, eine Befugnis der Hauptversammlung, den ausgewiesenen Reingewinn ohne eine besondere Ermächtigung der Satzung ganz oder teilweise nicht an die Aktionäre auszuschütten, zu verneinen. Der Wortlaut der beiden hier in Betracht kommenden Bestimmungen ist widerspruchsvoll. Es ist daher nicht angängig, die eine dieser beiden Bestimmungen ohne weiteres als die Spezialvorschrift zu bezeichnen und ihr deshalb den Vorzug vor der anderen zu geben (so OLG Karlsruhe a.a.O.) Vielmehr ist zunächst zu fragen, ob der Wortlaut des § 126 Abs. 3 Satz 2 so zwingend ist, daß er den Vorrang vor § 52 Satz 1, 2. Halbs, beanspruchen muß. Das meint Ritter a.a.O., indem er die Frage stellt: „Will § 126 Abs. 3 Satz 2 wirklich sagen, die Hauptversammlung kann den Reingewinn von der Verteilung ausschließen, wegen des § 52 Satz 1, 2. Halbs, kann sie es jedoch nicht?" Diese Frage täuscht über den wirklichen Sachverhalt hinweg. Natürlich kann die Hauptversammlung den Reingewinn von der Verteilung ausschließen, wenn dafür besondere gesetzliche oder satzungsmäßige Handhaben gegeben sind. Darauf hat bereits Gadow aaO. mit Recht hin316

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 52 A n m . 27, 2 8 gewiesen. Mit der Fragestellung von Ritter läßt sich daher dieser Zweifel nicht beheben. Schwerwiegender erscheint das Argument von Möhring-Schwartz aaO., daß nämlich nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 3 Satz 2 nicht angenommen werden könne, daß die Hauptversammlung die Befugnis, den ausgewiesenen Reingewinn von der Verteilung (teilweise) auszuschließen, nicht kraft eigenen Rechts, sondern nur (abgeleitet) auf Grund einer entsprechenden Satzungsbestimmung haben solle. Dieses Argument läßt sich gewiß hören. Aber was hilft es, wenn eine andere Gesetzesbestimmung das Gegenteil von dem sagt, was aus § 126 Abs. 3 Satz 2 entnommen wird? Der aufgezeigte Widerspruch zwischen den beiden Gesetzesbestimmungen läßt sich, wie sich das so oft in der Rechtsprechung bei der praktischen Rechtsanwendung zeigt, wohl nur durch eine Willensentscheidung lösen, nämlich dadurch, daß man dem Grundgedanken der einen oder der anderen Bestimmung den Vorzug gibt. U n d hierbei sollte die Wahl nicht schwer fallen, sich f ü r das Recht des Aktionärs und nicht f ü r die Befugnis der Hauptversammlung zu entscheiden. Es handelt sich praktisch hier um eine Frage des Minderheitenschutzes. Soll sich die Minderheit (u. U . auch eine sehr starke Minderheit) bei einer Verkürzung der Gewinnausschüttung dem Mehrheitsbeschluß beugen müssen? Diese Frage wird man gerade im Hinblick darauf, daß das A k t G das zur Feststellung des Jahresabschlusses berufene Gesellschaftsorgan in einem recht weitgehenden M a ß bei der Bildung von Rücklagen frei gestellt hat (Anm. 2 1 ) , wohl unbedenklich bejahen können. Diese Beurteilung führt dazu, daß die Hauptversammlung nicht ohne besondere Ermächtigung in der Satzung den ausgewiesenen Reingewinn von der Gewinnverteilung an die Aktionäre ausschließen kann. Anm. 27 Danach behalten d i e bisherigen Satzungsbestimmungen ihre Bedeutung, die der Hauptversammlung in der Verteilung des Reingewinns ganz oder teilweise — nach Anordnung einer „Vordividende" — freie Hand lassen. Der dafür übliche Ausdruck lautet etwa: „ D e r Rest steht zur Verfügung der General-(Haupt-)Versammlung". ( R G L Z 1932, 8 2 1 ; vgl. auch R G D J Z 1924, 3 1 6 . Rauch, Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmittel I. Teil 1947 S. 1 3 4 Fußnote 3 will diesen Ausdruck noch nicht f ü r ausreichend ansehen.) Dagegen würde eine Satzungsbestimmung wie: „ D i e Hauptversammlung setzt die Dividende fest" keine genügend klare Ermächtigung zur f r e i e n Verfügung enthalten (Trumpler, Die Bilanz der A G 1937 S. 3 0 1 ; W. Schmidt, U m gestaltung der Satzungen der A G , S. 128). Fehlt es an solcher Ermächtigung, so ist die Hauptversammlung trotz § 126 Abs. 3 Satz 2 durch § 52 genötigt, den Reingewinn, soweit er zur Verteilung an die Aktionäre verfügbar ist, unter sie zu verteilen. Verwendet sie ihn ohne gesetzlichen oder satzungsmäßigen Zwang — zum gesetzlichen Z w a n g gehört auch die Vertragserfüllung (Anm. 18) — und ohne satzungsmäßige Ermächtigung zu anderen Zwecken, etwa zu wohltätigen, so ist ihr Beschluß wegen Verletzung des § 52 nach § 197 anfechtbar. Nimmt sie bei der Verteilung ohne gesetzlichen oder satzungsmäßigen Z w a n g und ohne satzungsmäßige Ermächtigung Abschreibungen, Wertberichtigungen, Rücklagen oder Rückstellungen vor, so kann ihr Beschluß ebenfalls angefochten werden, allerdings nach § 198 Abs. 2 nur von Aktionären, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals erreichen. Die erwähnte satzungsmäßige „Vordividene" ist ihrem Wesen nach nicht von einem gewöhnlichen Gewinnanteil verschieden. Auch sie setzt einen verteilbaren Reingewinn in entsprechender Höhe voraus. Ist ein solcher aber vorhanden und würde die Hauptversammlung den verfügbaren Betrag nicht zur Verteilung der Vordividende verwenden, so wäre der Beschluß wiederum nach § 197 anfechtbar, gegebenenfalls unter der Beschränkung des § 198 Abs. 2. Anm. 28 Die Hauptversammlung ist verpflichtet, ihren Beschluß über die Verteilung des ausgewiesenen Reingewinns innerhalb der in § 126 Abs. 1 bezeichneten Frist zu fassen. Die Aktionäre haben darauf einen Anspruch; ihre Interesse an einer fristgemäßen Beschlußfassung beruht darauf, daß sie ohne einen solchen Beschluß den Anspruch auf ihren Gewinnanteil noch nicht haben (Anm. 20). Verzögert die Hauptversammlung

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§52

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 29 den Gewinnverteilungsbeschluß über Gebühr oder weigert sie sich gar, einen solchen zu fassen, so kann der einzelne Aktionär d i e G e s e l l s c h a f t a u f H e r b e i f ü h r u n g e i n e s s o l c h e n B e s c h l u s s e s v e r k l a g e n . Die Bedenken, die Brodmann § 2 1 3 A n m . 5 b mit dem Hinweis vorbringt, nicht die Gesellschaft, sondern die Hauptversammlung als ihr Organ sei in diesem Fall verpflichtet, sind, wie schon Ritter Anm. 4 e betont hat, unbegründet. Denn in allen Fällen sind die Verpflichtungen einer juristischen Person notwendiger Weise durch ein Verhalten ihrer Organe, die gerade dazu da sind, zu erbringen. Die K l a g e ist eine Leistungsklage, und zwar darauf gerichtet, daß die Gesellschaft durch ihre Hauptversammlung den Gewinnverteilungsbeschluß herbeiführt. Die V o l l s t r e c k u n g eines der Klage stattgebenden Urteils muß dann nach § 8 8 8 Z P O , nicht etwa nach § 894 Z P O erfolgen (ebenso R u d . Fischer Ehrenb. Hdb. I I I 1 S. 292, 3 9 1 ; Ritter Anm. 4 e ; Baumbach-Hueck Anm. 4 B).

A n m . 29 3. D i e R e c h t s n a t u r d e s A n s p r u c h s : H a t die Hauptversammlung den Beschluß über die Ausschüttung des ausgewiesenen Reingewinns gefaßt und den Gewinnanteil festgesetzt, so ist damit der Anspruch des einzelnen Aktionärs auf den Gewinnanteil entstanden. Dieser Anspruch ist ein r e i n e s G l ä u b i g e r r e c h t ( B G H 7, 264; herrsch. Ansicht im Schrifttum), nicht, wie die Vorauf!. Anm. 20 annahm, ein Sonderrecht. Denn dieser Anspruch ist kein „Sonder"recht eines einzelnen Aktionärs oder einer Gruppe von Aktionären; auch bedarf er zu seiner Entstehung nicht wie bei der Begründung eines echten Sonderrechts einer Zustimmung der insoweit benachteiligten Aktionäre (Rob. Fischer Anm. bei Lind.-Möhr. Nr. 1 zu § 51 GenG). Die Tatsache allein, daß dieser Anspruch aus dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre erwachsen ist, genügt f ü r die Annahme eines Sonderrechts nicht; vielmehr muß das Sonderrecht mit dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht unauflöslich verbunden sein, weil es dieses notwendiger Weise f ü r seinen weiteren Bestand voraussetzt (§ 19 Anm. 2). Der Anspruch ist a b t r e t b a r , pfandbar und verpfändbar ( R G 98, 320). Auch im voraus kann er abgetreten werden. Er kann nach seiner Entstehung nicht mehr durch irgendwelche Maßnahmen (Beschlüsse) der A G in seinem Bestand oder in seinem U m f a n g beeinträchtigt werden ( R G 87, 386). Das folgt ohne weiteres aus dem Umstand, daß dieser Anspruch mit seiner Entstehung ein reines Gläubigerrecht geworden ist. Ein Hauptversammlungsbeschluß, der gleichwohl in den Bestand dieses Anspruchs einzugreifen sucht, ihn in seinem Umfang mindert oder in seinem Inhalt sonstwie ändert, ist völlig wirkungslos. Der Anfechtung eines solchen Beschlusses bedarf es daher nicht; der berechtigte Aktionär kann ohne weiteres auf Zahlung des ihm zustehenden Gewinnanteils klagen ( R G 87, 386). Für die Durchsetzung des Anspruchs ist es auch ohne Belang, ob die A G inzwischen (in dem laufenden Geschäftsjahr) Verluste erlitten hat und den Gewinnanteil daher nur noch z u L a s t e n d e s G r u n d k a p i t a l s a u s z a h l e n könnte. Eine Schutzvorschrift wie die des § 30 G m b H G gibt es im Aktienrecht nicht. Hier wird der notwendige Schutz der Gläubigerinteressen zum Zweck der Erhaltung der Vermögenssubstanz durch die im allgemeinen weitergehende Vorschrift des § 52 Satz 1, 1. Halbs, (vgl. Anm. 3) gewährleistet; diese greift aber hier nicht ein, weil die Auszahlung eines ordnungsgemäß festgestellten Gewinnanteils niemals Rückzahlung einer Einlage ist. Anders liegt es nur, wenn sich ein solcher Verlust schon vor dem Verteilungsbeschluß herausstellt. In einem solchen Fall muß der Jahresabschluß berichtigt werden, was keinem rechtlichen Bedenken begegnet, solange die Verteilung des Reingewinns noch nicht beschlossen ist (Anm. 25). Das alles entspricht allgemeiner Auffassung im Schrifttum. Der Anspruch auf den Gewinnanteil ist im Konkurs der A G — auch dieses ist eine an sich selbstverständliche Folge aus der Rechtsnatur dieses Anspruchs — eine gewöhnliche K o n k u r s f o r d e r u n g , die also gleichberechtigt neben anderen nicht bevorrechtigten Forderungen sonstiger Gesellschaftsgläubiger geltend gemacht werden kann (a. M . insoweit Brodmann § 2 1 3 Anm. 5 b). E i n „ B o n u s " , der bisweilen über die Dividende hinaus verteilt wird, ist seinem Wesen nach nicht von der Dividende verschieden. Auch er darf nur aus dem Reingewinn gezahlt werden. Die Bezeichnung soll andeuten, daß es sich nur um eine einmalige Mehrausschüttung handelt, die nicht auf eine dauernde Erhöhung der Dividende schließen läßt.

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 52 A n m . 30—32 Ist der Verteilungsbeschluß r e c h t s k r ä f t i g f ü r n i c h t i g e r k l ä r t w o r d e n (§ 200), so verliert damit der Anspruch auf den Gewinnanteil seine rechtliche Grundlage. Das muß im Fall der Abtretung auch der Erwerber gegen sich gelten lassen; er kann sich nur an den Veräußerer halten (§437 BGB). Ist aber der Gewinnanteil schon ausgezahlt, so schützt den gutgläubigen Empfanger § 56 Abs. 3. Vgl. auch § 125 Anm. 20. A n m . 30 4. Der Inhalt des A n s p r u c h s : Der Anspruch auf den Gewinnanteil ist auf Zahlung in baren Geld gerichtet, er ist ein reiner Geldanspruch. Die Gesellschaft kann daher den berechtigten Aktionär nicht ohne weiteres mit anderen Werten, z. B. mit Gratisaktien abfinden (vgl. dazu Rauch, Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln I. Teil 1947 S. 141fr.). Sie kann das grundsätzlich nur tun, wenn der Aktionär damit einverstanden ist. Der Aktionär hat also die Wahl, ob er in einem solchen Fall Geld verlangen oder sich stattdessen mit der Hingabe von Gratisaktien begnügen will. Das gilt aber nur dann, wenn man mit dem hier vertretenen Standpunkt (Anm. 26) davon ausgeht, daß die Hauptversammlung ohne eine dahingehende Ermächtigung in der Satzung nicht dazu befugt ist, den in dem Jahresabschluß ausgewiesenen Reingewinn nicht zur Ausschüttung an die Aktionäre zu bringen (v. Godin-Wiehelmi Anm. 7). Denn ist sie dazu berechtigt — bei dem hier vertretenen Standpunkt also nur bei einer besonderen Ermächtigung in der Satzung —, dann muß sie auch befugt sein, die Aktionäre anders als mit barem Geld abzufinden. Eine solche Abfindung stellt ein Mehr gegenüber der der Hauptversammlung in einem solchen Fall auch gegebenen Möglichkeit, von einer Ausschüttung des ausgewiesenen Reingewinns überhaupt abzusehen, dar und kann daher nicht beanstandet werden. A n m . 31 Über den Zeltpunkt, zu dem der Gewinnanteil auszuzahlen ist, trifft das Gesetz in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht keine ausdrückliche Bestimmung. Aus § 52 ist aber, ebenso wie bisher aus § 213 HGB, zu entnehmen, daß die Aktionäre Anspruch auf sofortige Auszahlung haben, sobald diese nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang möglich ist. Soweit jedoch die Satzung in der Verteilung des Reingewinns der Hauptversammlung freie Hand läßt (Anm. 27), liegt darin als das Mindere auch die Ermächtigung, die Verteilung hinauszuschieben. Schiebt ohne eine solche Ermächtigung die Hauptversammlung die Auszahlung hinaus, so nimmt sie damit unbefugt eine Rücklage vor, und der Beschluß ist nach § 198 Abs. 2 anfechtbar. A n m . 32 5. Die Verjährung des A n s p r u c h s : Der Anspruch auf den Gewinnanteil verjährt, wenn über ihn kein Gewinnanteilschein auf den Inhaber ausgegeben ist, in 30 Jahren (§ 195 BGB). Das ist in R G 88, 46 — allerdings nur für den Gewinnanteil eines Gesellschafters, nicht eines Aktionärs — mit der überzeugenden Begründung angenommen worden, daß Gewinnanteile keine regelmäßig wiederkehrenden Leistungen sind, der Gewinnanteil auch in § 197 BGB im Gegensatz zu § 1 0 1 Nr. 2 BGB (vgl. R G Gruch. 52, 1093) nicht genannt ist, und daß die beiden Vorschriften verschiedenen Rechtsgebieten angehören. Ist ein Gewinnanteil auf den Inhaber ausgestellt, so gelten die besonderen Vorschriften des § 801 BGB. Er muß innerhalb der Vorlegungsfrist von 4 Jahren, die mit dem Schluß des Fälligkeitsjahres beginnt, vorgelegt, oder es muß der Anspruch in dieser Zeit gerichtlich geltend gemacht werden. Die Frist ist eine Ausschlußfrist. Ist sie ohne Vorlegung oder gerichtliche Geltendmachung verstrichen, so ist der Anspruch erloschen. Ist die Frist gewahrt, so verjährt der Anspruch vom Ende der Vorlegungsfrist in 2 Jahren. Dauer und Beginn der Vorlegungsfrist können von der A G im Gewinnanteilschein auch anders bestimmt werden. Einer Satzungsbestimmung bedarf es dazu nicht, wie überhaupt die ganze Einrichtung der Gewinnanteilscheine nicht in der Satzung vorgesehen zu sein braucht; selbstverständlich können aber diese Dinge in der Satzung geregelt werden. Die Vorlegungsfrist kann kürzer oder länger

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§52

Anm. 33, 34

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bestimmt, aber nicht ausgeschlossen werden. Manchmal heißt es in der Satzung falschlich, daß die Gewinnanteile in 4 J a h r e n „verjähren", während in Wirklichkeit damit die Vorlegungsfrist gemeint ist. Der Verlust des Rechts ist nicht davon abhängig, daß die Versäumung der Ausschlußfrist verschuldet ist.

IV. Der Gewinn- und der Erneuerungsschein. Anm. 33 1. Der Gewinnschein: Über den Anspruch auf den

Gewinnanteil pflegt ein Wertpapier ausgestellt zu werden, der Gewinn-(Dividenden-) schein. Notwendig ist die Ausgabe solcher Scheine nicht ( O L G Hamburg L Z 1 9 1 7 , 1 1 0 3 1 1 ) , die Geltendmachung des Anspruchs kann von der A G auch an die Vorlegung der Aktienurkunde geknüpft werden. O b Gewinnscheine auszugeben sind, bestimmt regelmäßig die Satzung, mangels einer Satzungsvorschrift der Vorstand. Die Satzung kann die Bestimmung darüber auch dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung übertragen, denn es handelt sich dabei nicht um eine Frage der Geschäftsführung (§ 95 Abs. 5, § 103 Abs. 2), sondern um das Verhältnis der A G zu ihren Mitgliedern (W. Schmidt, Umgestaltung der Satzungen der A G , S. 125). Die Gewinnscheine sind heute so üblich, daß der Aktionär sie im Zweifel, also beim Fehlen entgegenstehender Bestimmungen in der Satzung von der A G verlangen kann (Ritter Anm. 5 ; Baumbach-Hueck Anhang nach § 52 Anm. 1 A ) .

Anm. 34 a) Die Rechtsnatur des Gewinnscheins:

Der Gewinnschein lautet nach allgemeiner Übung auf den Inhaber, auch bei Namensaktien. Ein W e r t p a p i e r ist er, weil seine Vorlegung, wenn er ausgestellt ist, zur Ausübung des Rechts notwendig ist, und weil sich andererseits die A G von ihrer Schuld, abgesehen von dem Fall, daß der Schein nach § 804 B G B seine Wirkung verloren hat, nur gegen seine Rückgabe befreit. Der Schein ist daher k e i n L e g i t i m a t i o n s p a p i e r . Läßt die A G den Schein in den Händen des Empfängers der Zahlung, so muß sie, wenn dieser den Schein weiterveräußert, dem Erwerber nochmals Zahlung leisten, es sei denn, daß sie ihm wegen Unredlichkeit die Einrede unerlaubter Rechtsausübung (§ 826 B G B ) entgegensetzen kann. Der Gewinnschein wird unter den Vorschriften des B G B über Schuldverschreibungen auf den Inhaber mehrmals genannt (§§ 799, 801, 804 B G B ) . E r ist aber keine Schuldverschreibung auf den Inhaber in dem Sinne, daß f ü r ihn die Beschränkung der Einwendungen nach § 796 B G B ausnahmslos gelte. Denn außer den daselbst als zulässig genannten Einwendungen, — die die Gültigkeit der Ausstellung betreffen oder sich aus der Urkunde ergeben oder der A G unmittelbar gegen den Inhaber zustehen — , muß der Inhaber sich auch solche Einwendungen entgegenhalten lassen, die sich aus dem Aktienrecht ergeben. Dahin gehört der Einwand, daß die Aktie vor dem Verteilungsbeschluß kaduziert (§ 58 Abs. 3), das Mitgliedrecht also schon vorher erloschen gewesen, die Aktienurkunde nach § 66 (vgl. Abs. 2 das.) vor Fälligkeit des Scheins f ü r kraftlos erklärt, der Verteilungsbeschluß nichtig (Anm. 29), der Aktionär mit der Einlage im Rückstand sei (vgl. auch § 65 Anm. 32, § 67 Anm. 4). Mit Forderungen, die nicht mit der Mitgliedschaft zusammenhängen, kann die A G jedoch nicht aufrechnen; insoweit schützt den Inhaber § 796 B G B (ebenso Brodmann § 2 1 3 Anm. 5 c; weitergehend Ritter Anm. 5 und Baumbach-Hueck, die die Anwendung des § 406 B G B überhaupt anschließen, also jede Aufrechnung als unzulässig ansehen). Weil dem Inhaber der Schutz des § 796 B G B nicht im vollen U m f a n g gewährt wird, hat man den Gewinnanteilschein ein „Inhaberpapier im weiteren Sinne" genannt ( R G 77, 3 3 5 ; 82, 1 4 5 ; K G D N o t Z 1926, 28). Der Gewinnanteilschein lautet auch nicht auf eine bestimmte Geldsumme, da der Betrag des Anspruchs von dem jeweiligen .Verteilungsbeschluß abhängt. Es bedarf daher f ü r die Ausstellung von Gewinnanteilscheinen keiner staatlichen Genehmigung nach § 795 B G B . Der Gewinnanteilschein bedarf auch keiner Unterschrift (vgl. K G D N o t Z 1926, 28). Auf gestohlene, verlorengegangene oder sonst abhanden gekommene Gewinnanteilscheine ist § 935 Abs. 2 B G B anwendbar. Sie können also gutgläubig erworben werden, nach § 367 Abs. 3 H G B

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3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 52 A n m , 35—37 mit der daselbst bestimmten Einschränkung selbst von einem Bankier. Ein Aufgebotsverfahren ist ausgeschlossen (§ 799 BGB). Statt dessen kann aber nach § 804 BGB, wenn ein Gewinnanteilschein abhanden gekommen oder vernichtet ist, der bisherige Inhaber des Scheins der AG den Verlust innerhalb der vierjährigen Vorlegungsfrist (§ 801 Abs. 2 BGB) anzeigen und dann nach Ablauf der Frist den Anspruch geltend machen, wenn der Schein nicht innerhalb der Frist der AG vorgelegt oder der Anspruch gegen sie gerichtlich geltend gemacht worden ist. Die AG kann übrigens, wenn sie dem Vorleger des Scheins unredlichen Erwerb nachweisen kann, nach § 242 BGB nicht mit befreiender Wirkung an ihn zahlen. A n m . 35 b) Die Veräußerung des Gewinnscheins: Der Gewinnanteilschein ist ebenso wie der Anspruch, den er verbrieft, selbständig ohne die Aktie veräußerlich, wie auch umgekehrt die Aktie ohne ihn. Der Inhaber gilt der AG gegenüber als Gläubiger des Anspruchs (RG 4, 142 oben; 77, 335). Wird der Schein vor dem Verteilungsbeschluß veräußert, so hat, da er keinerlei Mitgliedrecht überträgt, beim Verteilungsbeschluß der Aktionär, nicht der Inhaber des Scheins mitzuwirken (RG 15, 9g; OLG Hamburg Bauer, 20, 108). Der Aktionär, nicht der Inhaber des Scheins kann den Beschluß, wenn dieser anfechtbar ist, anfechten (RG 14, 170; 98, 320). Andererseits kommt die eingetretene Unantastbarkeit des Anspruchs (Anm. 29) dem Inhaber des Scheins ebenso zugute, wie sie dem Aktionär zugute kommen würde, wenn er den Schein nicht veräußert hätte (RG 22, 114). A n m . 36 c) Der Gewinnschein bei Übertragung der Aktie: Wird die Aktie veräußert, so geht mit dem Eigentum an der Aktie nicht ohne weiteres auch das Eigentum am Gewinnanteilschein über (RG 77, 335); es bedarf für diesen der Einigung und Mitübergabe (oder eines Übergabeersatzes, §§ 929fr. BGB). Auch wenn die Aktie verpfändet wird, ist der Gewinnanteilschein nur dann mitverpfändet, wenn er mitübergeben wird (§ 1296 BGB). Beim Nießbrauch ist es anders; da der Nießbraucher ohne weiteres Gläubiger des Anspruchs auf den Gewinnanteil ist (§§954, 1030, 1068 BGB; R G Holdheim 25, 204), so ist er auch Eigentümer des Gewinnanteilscheins (§ 952 BGB), auch ohne daß dieser ihm übergeben wird; er kann ihn herausverlangen (§ 1081 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zwischen dem Nießbraucher und dem Aktionär gilt für die Frage, von wann ab dem einen oder andern der Gewinnanteil gebührt, §101 Nr. 2 BGB: es findet eine Teilung pro rata temporis statt, auf den Zeitpunkt des Verteilungsbeschlusses der Hauptversammlung kommt nichts an (RG J W 1913, 193 1 ; Gruch. 52, 1093). Bei der Veräußerung der Aktie wird aber nach Börsenbrauch nicht in dieser Weise geteilt. Vielmehr behält im Zweifel der Verkäufer die bereits fälligen Gewinnanteilscheine, die noch nicht fälligen hat er dem Käufer zu liefern, die noch nicht festgesetzte Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr gilt als durch den Kaufpreis mitabgegolten. Als Zubehör der Aktie sind die Gewinnanteilscheine nicht anzusehen, weil sie nicht dem wirtschaftlichen Zweck der Aktienurkunde zu dienen bekannt sind (Ritter Anm. 5; Baumbach-Hueck Anhang nach § 52 Anm. 1 B). Auf das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft ist daher § 314 BGB nicht anwendbar. Ist die Aktie Gegenstand eines Vermächtnisses, so ist nach § 2184 BGB anzunehmen, daß die Dividende für die bis zum Tode des Erblassers abgelaufene Zeit dem Erben, für die spätere dem Vermächtnisnehmer gebührt. A n m . 37 2. Der Erneuerungsschein: Die Gewinnanteilscheine werden meistens in Form von Bogen ausgegeben, aus denen die einzelnen Scheine („Coupons") abtrennbar sind. Das Hauptpapier, die Aktienurkunde, pflegt man im Gegensatz zu den Bogen den „Mantel" zu nennen. Den Schluß des Bogens pflegt der „Erneuerungsschein" oder „ T a l o n " zu bilden, gegen dessen Vorlegung ein neuer Bogen ausgegeben wird. Der Erneuerungsschein ist kein Wertpapier, sondern nur ein Legitimationspapier (RG 3, 154; 3 1 ) 147; 74> 34i)- Die AG kann gegen Vorlegung des Erneuerungsscheins einen 21

Aktiengesetz, 2. Aufl.

321

§ 53 A n m . 1, 2

I. Buch: Aktiengesellschaft

neuen Bogen ausgeben, ohne daß sie die Berechtigung des Inhabers zu prüfen braucht. Aber ein Recht auf Aushändigung eines neuen Bogens wird man dem Inhaber des Erneuerungsscheins nicht zugestehen können (so jetzt allgemeine Ansicht im Schrifttum), da schon der einfache Widerspruch des Besitzers der Haupturkunde genügt, der Ausgabe des neuen Bogens an den Inhaber des Erneuerungsscheins die^ befreiende Wirkung zu nehmen (§ 69, vgl. für Zins- und Rentenscheine § 805 BGB; R G 77, 336; in LZ 1916, 10078). Weil der Erneuerungsschein kein Wertpapier ist, kann er nicht selbständig veräußert oder verpfändet werden (KG 3, 155; 4, 141; 74, 341); das'^Eigentum an ihm steht demjenigen zu, der berechtigt ist, den neuen Bogen zu fordern (§ 952 BGB). In der Übergabe des Erneuerungsscheins kann aber die stillschweigende Abtretung dieses Rechts liegen. Zubehör der Aktienurkunde ist der Erneuerungsschein so wenig wie der Gewinnanteilschein (Anm. 35); § 314 BGB ist daher auch auf den Erneuerungsschein nicht anwendbar. In der Regel wird aber anzunehmen sein, daß der Verkäufer der Aktie dem Käufer mit den diesem gebührenden Gewinnanteilscheinen (Anm. 35) auch den Erneuerungsschein zu liefern hat. Mit der Kraftloserklärung der Aktienurkunde verliert der Erneuerungsschein jede Bedeutung (§66 Abs. 2). Er selbst kann nicht für kraftlos erklärt werden. § 5 3 Gewinnbeteiligung der Aktionäre (1) Die Anteile a m Gewinn bestimmen sich nach dem Verhältnis d e r Aktiennenn beträge. (2) Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien in d e m selben Verhältnis geleistet, so erhalten die Aktionäre aus dem verteilbaren Gewinn vorweg einen Betrag von vier v o m Hundert der geleisteten Einlagen; reicht der Gewinn dazu nicht aus, so b e s t i m m t sich der Betrag nach einem entsprechend niedrigeren Satz. Einlagen, die i m Laufe des Geschäftsjahrs geleistet wurden, werden nach dem Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die seit der Leistung verstrichen ist. (3) Die Satzung kann eine andere A r t der Gewinnverteilung b e s t i m m e n . Übersicht Anm.

Einleitung

Anm.

1

I. Der gesetzliche Gewinnverteilungsschlüssel

3. Anwendung IL

1. G r u n d s a t z

2

2. Ausnahme

3,4

Der

bei

Kapital-

erhöhung satzungsmäßige Gewinn-

Verteilungsschlüssel

5 6

Anm. 1 Die Vorschrift gibt in ihrem Abs. 1 und 2 den gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüssel. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist gering. Denn sie ist nachgiebigen Rechts, die Satzung kann eine andere Regelung treffen (Abs. 3). Da dies praktisch stets in den Satzungen der A G geschieht, kommt es auf den gesetzlichen Gewinnverteilungsschlüssel nicht an. §53 ist aus §214 HGB übernommen, beseitigt aber Unklarheiten, die damals bei der Auslegung dieser Bestimmung bestanden (dazu Anm.3); überdies bringt es in Abs. 2 Satz 2 eine sachliche Abweichung (dazu Anm. 4). Anm. 2 I. Der gesetzliche Gewinnverteilungsschlüssel. 1. Grundsatz: Der erste Absatz geht von der Regel aus, daß für die Rechtsstellungder Aktionäre, so auch für ihren Anteil am Gewinn, der Nennbetrag ihrer Aktien bestimmend ist, nicht der Betrag der geleisteten Einlagen. 322

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 53 A n m . 3—6 Anm. 3 2. A u s n a h m e : Davon macht der zweite Absatz eine Ausnahme für den Fall, daß die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien im selben Verhältnis geleistet sind, daß z. B. einige Aktionäre erst 25 v. H. ihrer Einlagen auf das Grundkapital geleistet haben (§ 28 Abs. 2, § 49 Abs. 3), andere schon mehr. In diesem Falle erhalten die Aktionäre zunächst eine Vorzugsdividende, die 4 v. H. der geleisteten Einzahlungen beträgt, wenn aber der Gewinn hierzu nicht ausreicht, einen entsprechend niedrigeren Hundertsatz. Reicht der Gewinn dazu aus und bleibt noch etwas übrig, so wird der Rest nach Abs. 1, also nach den Nennbeträgen, verteilt. Unter Einlagen sind hier sowohl Bar- wie Sacheinlagen zu verstehen. Der Ausnahmefall des Abs. 2 liegt also schon dann vor, wenn ein Aktionär seine Sacheinlage vollständig geleistet hat, die übrigen Aktionäre aber ihre Bareinlagen erst zum Teil geleistet haben. Überhaupt genügt es, daß nur ein Aktionär im Verhältnis mehr — oder weniger •— geleistet hat als die andern. Es kommt nicht darauf an, was von den einzelnen eingefordert, sondern was von ihnen geleistet worden ist. Hierüber bestanden nach § 2 1 4 H G B Zweifel, namentlich deswegen, weil Abs. 2 Satz 2 des § 2 1 4 H G B vom Fälligkeitstage eingeforderter Leistungen ausging. Da § 53 durchweg von der Leistung ausgeht, ist dieser Zweifel behoben. Die Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung (§ 57) bleiben unberührt. Andererseits handelt es sich im Fall des Abs. 2 nur um Einlagen auf das Grundkapital, nicht um den Mehrbetrag, den die Aktionäre bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als den Nennbetrag außerdem zu leisten haben (§28 Abs. 2, §49 Abs. 1). Dieses Aufgeld bleibt für die Frage, ob alle im gleichen Verhältnis auf das Grundkapital geleistet haben, ganz außer Betracht, es mag gezahlt oder nicht gezahlt sein. Das Aufgeld gehört nicht zum Grundkapital, sondern zur gesetzlichen Rücklage ( § 1 3 0 Abs. 2 Nr. 2). Anm. 4 Eine Verschiebung kann sich noch dadurch ergeben, daß Einlagen e r s t i m L a u f e d e s G e s c h ä f t s j a h r s geleistet worden sind, dessen Gewinn zu verteilen ist. Dies ist der Punkt, in dem § 53 AktG von § 214 H G B sachlich abweicht. § 214 Abs. 2 Satz 2 ging davon aus, daß Einzahlungen im Laufe des Geschäftsjahrs „zu leisten", also erfordert waren, und bestimmte, daß sie nach dem Verhältnis der Zeit zu berücksichtigen seien, die seit dem Fälligkeitstage verstrichen seien. Gerade diese Bestimmung machte den ganzen zweiten Absatz, in dem sonst nicht von der Einforderung, sondern von der Leistung die Rede war, unklar (Anm. 3). Die Unklarheit ist nunmehr beseitigt. Auch in Satz 2 des Abs. 2 geht § 53 von der Leistung aus und läßt Einforderung wie Fälligkeit beiseite. Die im Laufe des Geschäftsjahrs geleisteten Zahlungen werden nach dem Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die seit der Leistung — nicht seit ihrer Fälligkeit — verstrichen ist. Auch hiervon bleiben die Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung (§57) unberührt. Anm. 5 3. A n w e n d u n g bei K a p i t a l e r h ö h u n g : Der gesetzliche Gewinnverteilungsschlüssel gilt auch bei der Ausgabe junger Aktien. Auch hier ist seine Bedeutung gering, da der Bschluß über die Kapitalerhöhung die notwendigen Bestimmungen über die Gewinnbeteiligung der jungen Aktien ebenfalls regelmäßig enthält. Die Anwendung von Abs. 1 und 2 bei einer Kapitalerhöhung führt dazu, daß mangels abweichender Bestimmungen im Kapitalerhöhungsbeschluß voll eingezahlte junge Aktien gemäß Abs. 2 Satz 2 am Gewinn nur pro rata temporis teilnehmen (a. M. von v. GodinWilhelmi Anm. 3). Anm. 6 II. D e r s a t z u n g s m ä ß i g e G e w i n n v e r t e i l u n g s s c h l ü s s e l . Die Satzung kann von alledem abweichen, sowohl von der Regel des Abs. 1 als von den Ausnahmebestimmungen des Abs. 2. Sie kann z. B. bestimmen, daß am Gewinn nur diejenigen Aktionäre teilnehmen, die ihre Einlage vollständig geleistet haben; 21'

323

§ 54 A n m . 1, 2

I- Buch: Aktiengesellschaft

sie kann auch bestimmen, daß der Betrag der Leistungen überhaupt nicht zu berücksichtigen und daher auch keine Vorzugsdividende zu verteilen sei. Sie kann ferner bestimmen, daß für die Verteilung des Gewinns nicht die Aktiennennbeträge maßgebend seien, sondern die Verteilung nach einem andern Maßstabe vorzunehmen sei, z. B. bei Belieferung der A G durch Aktionäre (§ 50) nach dem Verhältnis der Lieferungen ( R G 104, 350; § 50 Anm. 9). Die Satzung kann auch für gewisse Aktiengattungen Vorzüge bei der Gewinnverteilung festsetzen (§ 11). Soweit aber die Satzung nichts anderes bestimmt oder ihre Bestimmung unausführbar ist ( R G 104, 350; Teichmann-Koehler Anm. zu §53), ist der Gewinn nach §53 zu verteilen. Der Gewinnverteilungsschlüssel kann auch durch eine Satzungsänderung geändert werden (a. M . z. T . v. Godin-Wilhelmi II 1). Trifft die Änderung nicht gleichmäßig alle Aktionäre, wird z. B. das bestehende Gewinnverteilungsverhältnis zu Lasten einzelner Aktionäre durch die Satzungsänderung verschoben, so ist ihre Zustimmung zu dem Beschluß erforderlich. § 5 4 Keine Verzinsung der

Einlagen

(1) U n t e r die A k t i o n ä r e d a r f n u r d e r a u s d e r J a h r e s b i l a n z sich e r g e b e n d e Reingewinn v e r t e i l t w e r d e n ; Zinsen dürfen ihnen w e d e r z u g e s a g t n o c h a u s gezahlt w e r d e n . ( 2 ) F ü r den Z e i t r a u m , den die V o r b e r e i t u n g d e s U n t e r n e h m e n s bis z u m Anfang d e s vollen B e t r i e b s e r f o r d e r t , können den A k t i o n ä r e n Zinsen von b e s t i m m t e r H ö h e z u g e s a g t w e r d e n ; die Satzung m u ß den Zeitpunkt bezeichnen, m i t d e m die E n t r i c h t u n g v o n Zinsen s p ä t e s t e n s a u f h ö r t . Übersicht Anm.

Einleitung I. Das Verbot einer Verzinsung von Einlagen 1. Allgemeines 2. Umfang des Verbots . . 3. Nichtigkeit einer Zinszusage 4. Der Begriff des Jahresabschlusses II. Die Dividendengarantie 1. Allgemeines 2. Die Rentengarantie . . . 3. Die Rentabilitätsgarantie 4. Der Einfluß späterer Änderungen auf die Garantie

I

2 3 4 5 6—7 8—11 12

Anm.

III. Die Zusage von Bauzinsen 1. Allgemeines 2. Der Anspruch auf Bauzinsen 3- Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Bauzinsen a) Festsetzung in der ursprünglichen Setzung b) Festsetzung der Zeitdauer Die zeitliche Begrenzung für den Anspruch . . . Die bilanzmäßige Behandlung

14 !5 16 17 18 19 20

13

I. D a s V e r b o t einer Verzinsung v o n E i n l a g e n . Anm. 1 Das Verbot, den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe zu gewähren, sowie die einzige Ausnahme von diesem Verbot, die Gewährung sogenannter Bauzinsen, enthielt bereits § 2 1 5 H G B . § 5 4 hat diese Bestimmung übernommen, nur unter Weglassung der bedeutungslosen Worte „von bestimmter Höhe". Anm. 2 1. A l l g e m e i n e s : Der Zweck der Vorschrift des Abs. 1 ist, ebenso wie der des § 52, das Gesellschaftsvermögen im Interesse der Gläubiger möglichst unversehrt zu erhalten. 324

3. T e i l : Rechtsverhältnisse der Gesellschaft u n d der Gesellschafter (Fischer)

§ 54 Anm. 3

Die G e w ä h r u n g fester Zinsen kann, wenn kein genügender Reingewinn v o r h a n d e n ist, auf eine Rückgewähr der Einlage hinauslaufen u n d w ü r d e alsdann nach § 52 (Anm. 4 das.) ohnehin unzulässig sein. Das Verbot geht aber d a r ü b e r h i n a u s ; es gilt auch da, wo in der G e w ä h r u n g fester Zinsen keine Rückgewähr der Einlage liegt. Das ist der Fall, w e n n die A G eigene Aktien, die sie erworben hat, veräußert. Hierin liegt ein reines Verkaufsgeschäft (§ 52 A n m . 7), der Erwerber m a c h t keine Einlage, sondern zahlt einen Kaufpreis. N a c h § 52 wäre es daher denkbar, d a ß die A G — zwar nicht sich z u m Wiedererwerb verpflichtete (§ 52 A n m . 7), wohl aber — d e m K ä u f e r einen Gewinnanteil garantierte. Das wird d u r c h § 54 unmißverständlich verboten (vgl. R G 72, 30; 107, 168; 121, 106; H R R 1936 Nr. 8 1 4 ; D a r m s t a d t O L G E 12, 429); das ist heute auch allgemeine Ansicht im Schrifttum. A u c h in diesem Z u s a m m e n h a n g ist hervorzuheben (vgl. schon § 52 A n m . 3, 29), d a ß die bei jeder Kapitalgesellschaft notwendige Sicherung der Gesellschaftsgläubiger gegenüber Zugriffen der Gesellschafter oder gegenüber Ausschüttungen a n die Gesellschafter im Aktienrecht eine grundsätzlich andere wie i m G m b H - R e c h t ist. I m G m b H R e c h t besteht diese Sicherung darin, d a ß j e d e Auszahlung a n die Gesellschafter verboten ist, sofern d a d u r c h das Stammkapital angegriffen wird (§§ 30, 31 G m b H G ) ; im Aktienrecht dagegen ist bereits j e d e Z a h l u n g a n die Aktionäre verboten, die sich nicht mehr als eine Auszahlung auf den Gewinnanteil darstellt, wie es sich aus d e m gesetzlich ausgewiesenen Reingewinn ergibt (vgl. dazu Ballerstedt, Kapital, Gewinn u n d Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften 194g S. 89ff.; H a c h e n b u r g - S c h m i d t § 30 Anm. 1). Daraus ergibt sich auch, d a ß das f ü r das G m b H - R e c h t ebenfalls entwickelte Verbot einer Auszahlung fester Zinsen a n die Gesellschaften (vgl. d a z u H a c h e n b u r g - S c h m i d t § 29 A n m . 11 m. w. N.) sich n a c h anderen Grundsätzen wie die Vorschrift des § 54 ausrichtet. Anm. 3 2. U m f a n g d e s V e r b o t s : U n t e r Zinsen im Sinn des Abs. 1 sind feste laufende Erträgnisse zu verstehen, die den Aktionär als solchen geleistet w e r d e n ; d a ß es sich daher hier nicht wie bei echten Zinsen u m eine V e r g ü t u n g f ü r eine K a p i t a l n u t z u n g h a n d e l t — eine Schuld der Gesellschaft, f ü r die sie Zinsen zahlen könnte, besteht nicht — ist gleichgültig. Was nur aus d e m R e i n g e w i n n versprochen wird, sind keine Zinsen, wenn es a u c h so genannt wird. Mitunter ist in Satzungen bestimmt, d a ß Vorzugsaktien aus d e m Reingewinn z. B. 5 % „ Z i n s e n " vorweg erhalten, der Rest a n alle Aktien oder auch allein a n die Stammaktien verteilt wird. Hierbei handelt es sich u m Gewinnanteil, ebenso beim Nachbezugsrecht ( R G 68, 238; B G H 7, 264; § 11 A n m . 4). Nicht unter das Verbot fallt es, wenn Vorzugsaktionären aus d e m Abwicklungserlös der N e n n b e t r a g ihrer Aktien mit einem Aufgeld oder a u c h mit einer Verzinsung f ü r die Abwicklungsperiode zugesagt wird ( R G 68, 239). Dabei ist natürlich vorausgesetzt, d a ß der Erlös unter Beobachtung des Gläubigerschutzes d a z u ausreicht; andernfalls ist der auszuzahlende Betrag entsprechend niedriger. N u r in diesem Sinne läßt sich sagen, d a ß das Verbot f ü r die Zeit nach der Auflösung nicht mehr gelte ( R G W a r n . 1932 Nr. 64; vgl. § 52 A n m . 3). D a n u r der aus der Jahresbilanz sich ergebende Reingewinn verteilt werden darf (§ 54); u n d zwar auf G r u n d eines von der H a u p t v e r s a m m l u n g gefaßten Verteilungsbeschlusses (§ 126), so ergibt sich daraus, d a ß die Auszahlung von A b s c h l a g s d i v i d e n d e n vor dieser Beschlußfassung u n z u l ä s s i g ist ( R G 107, 168; H R R 1937 Nr. 1 3 ; § 52 A n m . 4). Es läge darin eine Rückgewähr der Einlage oder eines Teils derselben. Die Haftbarkeit der Beteiligten w ü r d e sich aus den §§ 56, 84 Abs. 3 Nr. 1, 99 ergeben. Die H a u p t v e r s a m m l u n g ist befugt, Teile des i m Jahresabschlusses ausgewiesenen Reingewinns, die nicht zur Ausschüttung a n die Aktionäre gelangt sind, noch i m Laufe des Geschäftsjahres zur Auszahlung a n die Gesellschafter zu bringen ( R G 103, 370; 167, 70). Anders verhält es sich dagegen mit freiwilligen Rücklagen, die A u f n a h m e in den Jahresabschluß gefunden h a b e n ; solche Zahlungen w ü r d e n nicht mehr Ausschüttungen aus d e m ausgewiesenen Reingewinn sein, sie sind deshalb verboten (herrsch. Ansicht, vgl. dazu K n u r D N o t Z 1941, 320; Ballerstedt a a O . (Anm. 2) S. 124/25; v. Godin-Wilhelmi A n m . 3).

325

§54 A n m . 4—6

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 4 3. Nichtigkeit einer Zinszusage: Wird einem Aktionär gegen das Verbot des § 54 von der A G ein f e s t e r G e w i n n a n t e i l g a r a n t i e r t , so ist das Versprechen nichtig, nicht aber die Übernahme der Aktie, auch wenn das Versprechen in Verbindung damit gegeben wird (vgl. O L G Jena L Z 1912, 406); denn das würde das Grundkapital gefährden, also dem Zweck der §§ 52, 54 gerade entgegenlaufen. Von der Nichtigkeit werden auch entsprechende Satzungsbestimmungen und Hauptversammlungsbeschlüsse erfaßt; letztere bedürfen also nicht erst die Anfechtung (vgl. § 195 Nr. 3). Wird aber eine solche Garantie von der A G beim Verkauf eigener Aktien dem Käufer gegeben (Anm. 2), so ist nach der Regel des § 139 BGB das ganze Rechtsgeschäft nichtig, es sei denn, daß aus besonderen Gründen anzunehmen ist, der Kauf würde auch ohne die Garantie abgeschlossen worden sein. Werden von der A G an Aktionäre feste Zinsen gezahlt, so begründet das eine Haftung der Aktionäre nach § 56 sowie eine Haftung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats nach § 84 Abs. 3 Nr. 2, § 99. Anm. 5 4. Der Begriff J a h r e s a b s c h l u ß : Aus dem Ausdruck „Jahresabschluß" darf nicht gefolgert werden, daß eine Gewinnverteilung nur in Jahresabständen zulässig sei. Das „ J a h r " , das beim Jahresabschluß gemeint ist, ist nicht das Kalenderjahr, sondern das Geschäftsjahr. Dieses kann kürzer sein als 12 Monate (RG Recht 1909 Nr. 3283; R F H 2, 179; herrsch. Ansicht auch im Schrifttum, abweichend Brodmann § 2 1 3 Anm. 5 a), nur nicht länger (§ 39 Abs. 2 HGB). Kürzere Geschäftsjahre kommen namentlich vor, wenn der Beginn der A G in ein Kalenderjahr fallt und die Satzung das Kalenderjahr als Geschäftsjahr bestimmt, ferner wenn das Geschäftsjahr verlegt wird. Auch in solchen Fällen ist ein Jahresabschluß aufzustellen, und es besteht kein rechtliches Bedenken dagegen, daß der in der Bilanz ausgewiesene Reingewinn verteilt wird (OLG Hamburg Z H R 37, 551). Das gilt besonders auch in dem Falle, daß in die neu errichtete Gesellschaft ein bestehendes Unternehmen eingebracht und von ihr weitergeführt wird. Ist als ihr Geschäftsjahr das Kalenderjahr bestimmt, so ist nach Ablauf des Kalenderjahrs, gleichviel, ob die A G erst kurzen Bestand gehabt hat, ein Jahresabschluß aufzustellen. Der Verteilung des in der Bilanz ausgewiesenen Reingewinns steht das Gesetz nicht entgegen; ob die Hauptversammlung auf Grund satzungsmäßiger Ermächtigung vorsichtshalber beschließt, ihn für das nächste J a h r vorzutragen (§52 Anm. 25), ist eine andere Frage. Unzulässig ist es aber, mit rückwirkender Kraft ein bereits abgeschlossenes Geschäftsjahr zu verlegen (RG D R 1942, 735; K G J 53 A 99; O L G Hamburg J R 1925 Nr. 153; R F H J W 1929, 695»). Wird die A G im Laufe eines Geschäftsjahrs aufgelöst, so ist streitig, ob außer der für die Abwicklung bestimmten Eröffnungsbilanz noch eine Bilanz für die Verteilung des Gewinns aus der bis zur Auflösung verflossenen Zeit aufzustellen ist. Vgl. hierüber § 2 i i Anm. 3. II. Die Dividendengarantie. Anm. 6 1. A l l g e m e i n e s : § 54 verbietet lediglich, daß die Gesellschaft selbst ihrein Aktionären Zinsen gewährt oder verspricht. Diese Bestimmung umfaßt ihrem Grundgedanken nach allerdings auch den Fall, daß ein Dritter f ü r R e c h n u n g der G e s e l l s c h a f t Zinsen gewährt oder verspricht (Ritter Anm. 2 b). Dagegen ergreift das Verbot des § 54 nicht solche Zusagen (Garantien), die ein Dritter für eigene Rechnung abgibt. Solche Zusagen (Garantien) spielen im heutigen Wirtschaftsleben eine große Rolle und dienen dabei „einem dringenden Bedürfnis" (RG J W 1929, 642); sie werden unter dem Begriff der Dividendengarantie zusammengefaßt (kritisch zu diesem Ausdruck Flume Betr. 1956, 462). Hierbei haben sich zwei Hauptarten der Dividendengarantie herausgebildet, die R e n t e n g a r a n t i e und die R e n t a b i l i t ä t s g a r a n t i e (vgl. dazu R G 147, 47). Mit der Rentengarantie wird den Aktionären —• unmittelbar oder mittelbar — die

326

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 54 Anm, 7

Gewähr dafür geleistet, daß sie auf ihre Aktien eine bestimmte Rente beziehen. Bei der Rentabilitätsgarantie dagegen übernimmt der Garant die Gewähr dafür, daß die Gesellschaft in jedem Geschäftsjahr einen verteilbaren Reingewinn von einer bestimmten Höhe hat. Die Dividendengarantie dient den verschiedensten Zwecken. In den seltensten Fällen wird sie unentgeltlich gewährt; geschieht das allerdings im Ausnahmefall doch einmal, dann bedarf sie zu ihrer Wirksamkeit der Form des § 518 BGB. Ihre eigentliche Bedeutung liegt auf dem Gebiet der Konzentrierung wirtschaftlicher Macht, sei es daß sie im Rahmen von Interessengemeinschaftsverträgen, sei es daß sie im Rahmen der Konzernbildung von der Muttergesellschaft einer Tochtergesellschaft gegeben werden. Mit Hilfe der Dividendengarantie wird das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht der betreffenden A G in einem mehr oder weniger weitgehenden Umfang ausgehöhlt; sie kann dadurch im Rahmen von Interessengemeinschaftsverträgen oder im Rahmen der unmittelbaren Konzernbildung fremden Interessen untergeordnet werden, wobei sie bei umfassenden Organschaftsverträgen mit Gewinn- und Verlustübernahme im weitgehenden Umfang ihr Eigenleben aufgibt und zu einem Werkzeug des Organträgers herabsinkt (vgl. dazu Flume Betr. 1956, 455fr.). Schließlich kann sich eine Dividendengarantie ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach einem Pachtzins annähern, wenn nämlich das die Dividende garantierende Unternehmen das Unternehmen der A G wirtschaftlich gesehen in eigene Regie übernimmt und dafür als Entgelt eine Dividendengarantie gewährt (RFH 14, 303; R F H St. u. W. 1932 Nr. 526; Rasch Deutsches Konzernrecht 2. Aufl. 1955 S. 6gf.). Ihrem rechtlichen Gehalt nach ist die Dividendengarantie ein unmittelbares Leistungsversprechen, und nicht eine Bürgschaft; denn es fehlt insoweit schon an einer Hauptschuld, die für das Vorliegen einer Bürgschaft stets notwendig ist. Die Dividendengarantie kann so erteilt werden, daß sie entweder eine zahlenmäßig festgelegte Rente für die Aktionäre oder einen zahlenmäßig festgelegten Reingewinn für die Gesellschaft (beide in Prozentzahlen ausgedrückt) sicherstellt oder daß sie die gleiche Rente (Dividende) bzw. den gleichen Gewinn gewährleistet, den das garantierende Unternehmen selbst in dem jeweiligen Geschäftsjahr an ihre Gesellschafter zahlt oder erarbeitet. I m Z w e i f e l wird man bei einer Dividendengarantie davon ausgehen können, daß es sich bei ihr um eine Renten- und nicht um eine Rentabilitätsgarantie handelt ( K G O L G E 2 8 , 358; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 215 Anm. 8; Ritter Anm. 2 c; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; Rasch a a O. S. 70; a. M. in dem Sinn, daß sich eine allgemeine Auslegungsregel insoweit nicht aufstellen lasse: Vorauf!. Anm. 17; Baumbach-Hueck Anm. 1 B). Eine solche Auslegungsregel ist deshalb gerechtfertigt, weil die Rentabilitätsgarantie für den Garanten eine außerordentlich viel weitgehendere Haftung mit sich bringen, unter Umständen für den Garanten sogar ein von vornherein gar nicht übersehbares Risiko in sich tragen kann (Anm. 12). Bei dieser Sachlage erscheint es nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen angebracht, im Zweifel die in ihrer Wirkung geringere Garantie als vereinbart anzunehmen. Anm. 7 Gegen die Zulässigkeit von Verträgen, die die Zusicherung von Dividendengarantien enthalten, können aktienrechtliche Bedenken unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten bestehen (vgl. dazu namentlich Rasch aaO. S. 80, 86; Ballerstedt Betr. 1956, 837fr.; Duden BB 1957, 49ff.). In diesem Zusammenhang (im übrigen vgl. bei § 256) ist nur darauf hinzuweisen, daß solche Verträge häufig einen Verstoß gegen § 52 enthalten (§ 52 Anm. 18). Denn in den weitaus meisten Fällen ist der Garant ein Großaktionär (Muttergesellschaft), dem als Gegenleistung für die Dividendengarantie die Erträgnisse (der Gewinn) der Gesellschaft erhält, wobei es keinem Zweifel unterliegen kann, daß ihm diese Zusage nur im Hinblick auf seine Stellung als Aktionär, nämlich im Hinblick auf seine beherrschende Stellung als Großaktionär gemacht wird. Erfolgt nun diese Gewinnabführung nicht unter Einhaltung der Vorschriften der §§ 125/26, so liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, die nach § 52 unzulässig ist (§52 Anm. 3ff.). Auch erscheint es nicht möglich, einen solchen Vertrag gegen den Willen irgendwelcher Minderheitsaktionäre abzuschließen, wenn nach dem Inhalt des 327

§54

Anm. 8—10

I. Buch: Aktiengesellschaft

Vertrages die Minderheitsaktionäre nicht mehr an den Erträgnissen ihrer Gesellschaft teilnehmen, sondern statt ihrer Gewinnbeteiligung eine Rente in Form der Dividendengarantie erhalten. Denn dadurch würde das Gewinnbezugsrecht praktisch in einen Anspruch ähnlich einer Schuldobligation umgewandelt werden, was keiner der Aktionäre gegen seinen Willen hinzunehmen braucht (Duden BB 1957, 5 1 ) .

Anm. 8 2. Die Rentengarantie:

M i t der Rentengarantie übernimmt der Garant die Gewähr dafür, daß die Aktionäre auf ihre Aktien eine bestimmte Rente (Dividende) erhalten. Die Haftung des Garanten erstreckt sich dabei im äußersten Fall auf den vollen Betrag der garantierten Dividende. Darüber hinaus kann die Haftung aus der Rentengarantie niemals gehen, weil sie nicht auch die Gewähr dafür enthält, daß die A G keine Verluste erleidet. Der Ausgleich solcher Verluste ist nicht Gegenstand der Rentengarantie.

Anm. 9 Die Rentengarantie wird begründet, entweder durch Vertrag zwischen dem Garanten und den Aktionären oder durch Vertrag zwischen dem Garanten und der

Gesellschaft. Der erste Fall ist selten. Hier erwerben allein die Aktionäre die Ansprüche aus der Garantie, die Gesellschaft selbst hat keinen Anspruch. Wird in einem solchen Fall die Zahlung des garantierten Dividendenbetrages an die Gesellschaft geleistet, so nimmt sie diesen Betrag lediglich als Beauftragte der Aktionäre entgegen. Die gezahlte Summe fließt nicht in das Vermögen der Gesellschaft, sie ist daher auch in dem Jahresabschluß nicht zu berücksichtigen. Die Gesellschaft ist ihrerseits den Aktionären gegenüber verpflichtet, den erhaltenen Betrag an diese abzuführen. Hierbei kommen selbstverständlich die Vorschriften über die Ausschüttung von Reingewinn (§ 126) nicht zur Anwendung, weil eine solche Weiterleitung keine Ausschüttung von Reingewinn im Sinn des § 126 ist. Änderungen eines solchen Garantievertrages sind nur durch Vereinbarung zwischen dem Garanten und den Aktionären möglich, die Beteiligung der Gesellschaft an einer solchen Vereinbarung ist nicht notwendig, aber auch nicht ausreichend, falls die Aktionäre selbst nicht zustimmen.

Anm. 10 Wird die Rentengarantie durch Vertrag zwischen dem Garanten und der so ist es eine Frage der Auslegung, ob aus diesem Vertrag lediglich die Gesellschaft oder auch die Aktionäre gegenüber dem Garanten berechtigt sind. I m Zweifel wird das erstere anzunehmen sein ( R F H St. u. W. 1929 Nr. 1 0 2 5 ; vgl. auch R G 147, 4 7 ; herrsch. Ansicht im Schrifttum). Auch in einem solchen Fall kann der an die Gesellschaft gezahlte Garantiebetrag nicht zum Ausgleich eines Verlustes oder zur Bildung gesetzlicher oder freier Rücklagen in der Gesellschaft dienen ( K G O L G E 6, 28); er ist f ü r die Jahresrechnung der Gesellschaft nichts anderes wie ein Durchgangsposten (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 5 Anm. 1 0 ; Flume Betr. 1956, 463), der von vornherein zur Ausschüttung an die Aktionäre bestimmt ist. Daher ist den Aktionären, auch wenn sie nicht einen unmittelbaren Anspruch gegen den G a ranten haben, ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die Gesellschaft auf Weiterleitung des an sie gezahlten Garantiebetrages zuzubilligen ( R G H R R 1935 Nr. 1606; Düringer-Hachenburg-Flechtheim a a O . ; Ritter Anm. 2 b). Soweit den Aktionären aus einer Rentengarantie Ansprüche, sei es gegen den Garanten sei es gegen die Gesellschaft, zustehen, stehen sie den j e w e i l i g e n Aktionären zu. Gleichwohl beruhen sie nicht auf der Mitgliedschaft, sondern auf dem besonderen schuldrechtlichen Vertrag mit dem Garanten. Es kann daher schon aus diesem Grunde nicht davon gesprochen werden, daß diese Ansprüche Sonderrechte der begünstigten Aktionäre seien (so Vorauf!. Anm. 10); denn die Tatsache, daß sie durch den Inhalt des (schuldrechtlichen) Garantievertrages mit der Mitgliedschaft verknüpft worden sind, berechtigt nicht zu einer solchen Annahme. Vielmehr wird der hier gegebenen Rechtslage durch die auf Flechtheim zurückgehende Formel „akzessorische Rechte der Aktio-

Gesellschaft begründet,

328

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 33 A n m . 11—13 näre" (ZB1HR 1930, 271 ff; vgl. auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 5 Anm. 10) sinnfälliger Ausdruck verliehen. A n m . II Abgesehen von den in Anm. 12 erörterten Umständen e r l i s c h t die Rentengarantie durch Zeitablauf, durch Kündigung aus wichtigem Grund sowie durch Vereinbarung zwischen den Vertragschließenden. Hat der Garant den Garantievertrag mit der Gesellschaft abgeschlossen, so müssen die Aktionäre einer vertraglichen Aufhebung der Rentengarantie im Zweifel zustimmen, falls sie gegen den Garanten einen eigenen Anspruch aus dem Garantievertrag haben (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 5 Anm. 10; Ritter Anm. 2 b; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; a. M. v. GodinWilhelmi Anm. 7). Haben die Aktionäre jedoch gegen den Garanten einen solchen unmittelbaren Anspruch nicht, dann genügt zur Aufhebung der Rentengarantie eine dahingehende Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Garanten. In einem solchen Fall ist daher die Rechtsposition der Aktionäre gefährdet, falls der Garant die Gesellschaft beherrscht; die Sicherung der Minderheitsaktionäre durch die Vorschriften der §§ 1 0 1 , 197 ist verhältnismäßig gering. A n m . 12 3. D i e R e n t a b i l i t ä t s g a r a n t i e : Durch diese Garantie wird der A G die Rentabilität ihres Unternehmens in der Weise garantiert, daß die Gewähr für einen verteilbaren Reingewinn in einer bestimmten Höhe übernommen wird. Das Risiko dieser Garantie ist im Unterschied zur Rentengarantie (Anm. 7) unübersehbar, weil durch sie nicht nur ein etwaiger Betriebsverlust gedeckt wird ( K G O L G E 6, 28; 28, 358), sondern weil außerdem die gesetzlich u n d die satzungsmäßig vorgeschriebenen Rücklagen usw. vorgenommen werden müssen, da erst dann der garantierte Reingewinn nach § 126 ausgewiesen werden kann. Wegen dieses weitgehenden Risikos wird eine solche Garantie im allgemeinen nur übernommen, wenn der Garant die Möglichkeit hat, einen bestimmenden Einfluß auf die Geschäftsführung der AG. auszuüben, wenn er also das Risiko einigermaßen zu beherrschen vermag (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 5 Anm. 8). Die Aktionäre erwerben bei der Rentabilitätsgarantie keine eigenen Ansprüche; ihre Rechtsstellung ist eine verhältnismäßig schwache. Sie haben nicht einmal einen Anspruch darauf, daß der garantierte Reingewinn zur Ausschüttung gelangt. Hat nämlich die Hauptversammlung nach der Satzung das Recht, von der Ausschüttung des ausgewiesenen Reingewinns abzusehen (§ 52 Anm. 25, 26), so kann sie dies auch bei der Rentabilitätsgarantie tun. Des weiteren sind sie — abgesehen von den §§ 101, 197 — auch nicht davor geschützt, daß die Rentabilitätsgarantie durch Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Garanten wieder aufgehoben wird, eine Möglichkeit, mit der regelmäßig zu rechnen ist, da bei einer Rentabilitätsgarantie der Garant die Gesellschaft zu beherrschen und damit den entscheidenden Einfluß auf die Geschäftsführung sowie auf die Beschlußfassung in der Hauptversammlung zu haben pflegt. A n m . 13 4. Einfluß s p ä t e r e r Ä n d e r u n g e n auf die G a r a n t i e : Inwieweit der Eintritt von Veränderungen die Garantie berührt, ist eine Frage der Auslegung des Garantievertrags, wofür sich bestimmte Regeln nicht aufstellen, sondern höchstens Fingerzeige geben lassen. Mit einiger Sicherheit läßt sich sagen, daß eine Rentabilitätsgarantie durch freiwillig vorgenommene nachträgliche Satzungsänderungen, die durch Steigerung von Rücklagen, Abschreibungen u. dgl. den Reingewinn schmälern, die Verpflichtung des Garanten nicht erweitern kann. Ob eine Rentengarantie nur den derzeitigen Aktionären oder im Fall der Kapitalerhöhung auch den neu hinzugekommenen zugute kommen soll, wird bei Unklarheit des Vertrags davon abhängen, ob der Garant Anlaß hatte, die weitergehende Garantie zu übernehmen. Umgekehrt hat das R G bei einer durch Aktienzusammenlegung vorgenommenen Herabsetzung des Grundkapitals die auf die Umstände der Garantieübernahme gestützte Vertragsauslegung gebilligt, daß die Rente so weiter zu gewähren war, als ob keine Zusammenlegung stattgefunden

329

§54

Anm. 14—17

I. B u c h : Aktiengesellschaft

hätte ( R G 147, 49). Wird die Gesellschaft durch Zeitablauf aufgelöst, so erlischt die Garantie. Dasselbe ist anzunehmen, wenn sie durch Beschluß aufgelöst wird, es sei denn, daß der Garant selbst die Auflösung wider T r e u und Glauben herbeigeführt hat ( § 1 6 2 B G B ) . Die Auflösung durch Eröffnung des Konkurses oder durch einen Beschluß, der die Eröffnung mangels Masse ablehnt, hat aber ein Erlöschen der Rentengarantie nicht unter allen Umständen zur Folge; ist die Garantie f ü r eine bestimmte Zeitdauer übernommen, so kann die Auslegung gerechtfertigt sein, daß die Rente f ü r diese Zeit trotz jener Auflösungsgründe weiterzuzahlen ist ( R G 147, 57).

III. Die Zusage von Bauzinsen. Anm. 14 1. A l l g e m e i n e s : Von der Vorschrift, daß den Aktionären feste Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden dürfen, macht das A k t G im Anschluß an das bisherige Recht (Anm. 1) eine einzige Ausnahme, indem es die Gewährung sogenannter „ B a u zinsen" gestattet. Die Ausnahme hat sich als notwendig erwiesen, weil manche Unternehmungen, namentlich solche von Eisenbahnen, f ü r die Vorbereitung längerer Zeit bedürfen und die Beteiligung von Aktionären nur gering sein würde, wenn sie f ü r diese ganze Zeit keinerlei Vergütung f ü r ihre Einlage erhielten (Begründung zum Gesetz von 1884 S. 1 1 7 ) .

Anm. 15 2. Der Anspruch auf Bauzinsen: Bauzinsen sind nicht wirkliche Zinsen,

denn es fehlt an einer Kapitalschuld. Sie haben mit Zinsen nur gemeinsam, daß sie nach einem festen Hundertsatz berechnet werden. Rechtlich sind sie eine gesetzlich gestattete Rückgewähr von Teilen der Einlage. Der Anspruch beruht auf der Mitgliedschaft; er ist wie der Anspruch auf den festgesetzten Gewinnanteil ( § 5 2 A n m . 29) e i n r e i n e s G l ä u b i g e r r e c h t und nicht, wie die Vorauf!. Anm. 10 annahm, ein Sonderrecht. Es ist daher abtretbar, pfändbar und verpfändbar. Auch durch den Konkurs der A G erlischt der einmal entstandene Anspruch (für die zweckliegende Zeit) nicht, er begründet eine einfache Konkursforderung. Ferner kann er nicht ohne Zustimmung des berechtigten Aktionärs durch einen Beschluß der Hauptversammlung in seinen Bestand beeinträchtigt werden. Alles das liegt wie beim Anspruch auf den festgesetzten Gewinnanteil (vgl. dazu § 52 Anm. 29). Bei den Bauzinsen ist immer nur eine Verzinsung der Einlagen, nicht auch eine Verzinsung der Nennbeträge der übernommenen Aktien möglich.

Anm. 16 3. Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Bauzinsen: Die Zulassung von

Bauzinsen ist eng begrenzt. Die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen müssen unbedingt eingehalten werden. A u c h läßt sich die Rechtsstellung des berechtigten Aktionärs nicht nachträglich verbessern, weil das die Gläubiger der A G gefährden würde. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind folgende:

Anm. 17 a) Festsetzung in der ursprünglichen Satzung: Die Zusage muß in der ur-

sprünglichen Satzung enthalten sein, denn Bauzinsen sind nur f ü r den Anfang zulässig. Durch eine Satzungsänderung läßt sich das Recht nicht wirksam begründen, auch n i c h t i n e i n e m B e s c h l u ß ü b e r K a p i t a l e r h ö h u n g ( B a y O b L G Z H R 40, 4 7 5 ; K G J 20 A 42). Das R G (77, 255) hat allerdings auch bei einer Erweiterung des Unternehmens in Verbindung mit einer Kapitalerhöhung die Zusage von Bauzinsen zugelassen. M a n wird aber von einer „Vorbereitung d e s Unternehmens" schwerlich sprechen können, wenn es sich nur um eine Erweiterung oder einen Ausbau eines schon bestehenden Unternehmens handelt, ganz abgesehen davon, daß das schwankende Begriffe sind, die sich von einer Verbesserung des Unternehmens kaum unterscheiden lassen. I m Interesse der Gesellschaftsgläubiger muß an einer strengen Auslegung festgehalten werden. Die allzuweite Auslegung in R G 77, 255 wurde übrigens im Schrifttum

330

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 54 Anm.18—20 §55 überwiegend abgelehnt. Da das AktG die Ausdrucksweise des §215 HGB nicht gemildert hat, so ist anzunehmen, daß ihm die strengere Auslegung entspricht (so auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; v. Godin-Wilhelmi Anm. 10; Baumbach-Hueck Anm. 4 B ; a. M. Teichmann-Koehler Anm. 3; Ritter Anm. 3a). Bauzinsen müssen i n b e s t i m m t e r H ö h e festgesetzt werden. Es ist nicht gestattet, eine Höchstgrenze festzusetzen und das Nähere den Gesellschaftsorganen zu überlassen. Eine solche Satzungsbestimmung wäre nach ihrem ganzen Inhalt nichtig. A n m . 18 b) Festsetzung der Zeitdauer: Es muß kalendermäßig ein Zeitpunkt bestimmt sein, mit dem die Entrichtung der Bauzinsen spätestens aufhört. Es genügt nicht, daß die „Bauzeit" als Frist genannt ist, auch nicht, daß die staatliche Konzessionsurkunde eine Frist für die Fertigstellung enthält (ROHG 22, 22). Mit dem bestimmten Tage hört die Zahlung auf, auch wenn die Vorbereitung des Unternehmens noch nicht beendet ist. Fehlt die Angabe des Tages, so ist die Satzungsbestimmung gleichfalls im vollen Umfang nichtig. A n m . 19 4. Die zeitliche Begrenzung für den Anspruch: Der Zeitraum, den die Vorbereitung des Unternehmens erfordert, setzt die andere Grenze. Ist die Vorbereitung vor dem bestimmten Zeitpunkt (Anm. 17) beendet, so hört die Zahlung ebenfalls auf. Satzungsbestimmungen, welche die Zahlung darüber hinaus erstrecken — etwa bis zum Ablauf des Jahres oder Halbjahres, in dem die Vorbereitung beendet sein werde —, sind insoweit nichtig. Wird die Vorbereitung des Unternehmens endgültig oder für längere Zeit eingestellt, so daß sich von einem Zeitraum, den „die Vorbereitung erfordert", nicht mehr sprechen läßt, so ist die Zahlung gleichfalls einzustellen. Ob die Vorbereitung beendet ist, ist eine Frage, die objektiv festzustellen, nötigenfalls gerichtlich zu entscheiden ist, und die nicht der Hauptversammlung überlassen werden kann. A n m . 20 5. Die bilanzmäßige Behandlung: B i l a n z m ä ß i g rechnete schon nach dem HGB die herrsch. M. die Bauzinsen zu den Herstellungskosten, die der Bewertung der Anlagen zugrunde gelegt werden konnten (§261 Nr. 1 HGB; KGJ 20 A 48). Da sie die Hereinnahme von Leihkapital ersparen, so ist das auch nach dem AktG anzunehmen ( § 1 3 1 Nr. 1; Schlegelberger-Quassowski § 54 Anm. 8; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8; Ritter Anm. 3 f.; Baumbach-Hueck Anm. 4 A). Soweit sie für abgelaufene Geschäftsjahre unbezahlt geblieben sind, ist ein Gegenposten unter die Passiven zu stellen (Schlegelberger-Quassowski § 54 Anm. 8). Trumpler (Bilanz der AG S. 94) will sie unter die Kosten der Betriebseinrichtung rechnen (§ 133 Nr. 4). § 5 5 Vergütung von

Nebenleistungen

Für wiederkehrende Leistungen, zu denen die Aktionäre nach der Satzung neben den Einlagen auf das Grundkapital verpflichtet sind, darf eine den Wert der Leistungen nicht übersteigende Vergütung ohne Rücksicht darauf gezahlt werden, ob die Jahresbilanz einen Reingewinn ergibt. Üb ersieht Anm.

. Einleitung 1. Die Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch . . . .

1 2—-4

Anm.

2. Die Rechtsnatur gütungsanspruchs

des

Ver-

3. Der Schadensersatzanspruch des Aktionärs

5 6

331

§55

Anm. 1—4

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1 Nachdem N e b e n v e r p f l i c h t u n g e n d e r A k t i o n ä r e , hauptsächlich wegen der Bedürfnisse der Rübenzuckerindustrie, in § 2 1 2 H G B zugelassen worden waren (§49 Anm. 1, § 50 Anm. 1), bedurfte es einer Bestimmung über die f ü r die Nebenleistungen zu gewährende Vergütung. Äußerlich betrachtet, scheint beiderseitige Erfüllung eines Vertrages vorzuliegen; i n W i r k l i c h k e i t e r f ü l l t a b e r d e r A k t i o n ä r m i t d e r N e b e n l e i s t u n g eine M i t g l i e d p f l i c h t , und die von der A G g e w ä h r t e V e r g ü t u n g i s t L e i s t u n g d e r K ö r p e r s c h a f t a n i h r e M i t g l i e d e r (§ 50 Anm. 10). Leistungen der A G an die Aktionäre sind nun grundsätzlich nur aus dem Reingewinn zulässig. Hätte man diesen Grundsatz aber auch bei den Nebenleistungen der Aktionäre durchführen wollen, so hätte das f ü r diese zu schweren Verlusten führen können. Darum war es das Gegebene, das kaufähnliche Geschäft in Hinsicht auf die Vergütung kaufähnlich zu behandeln. So entstand die Vorschrift des § 2 1 6 H G B . Sie gestattete ohne Rücksicht auf den Reingewinn eine Vergütung, die sich allerdings, u m die Gesellschaftsgläubiger nicht zu gefährden, in angemessenen Grenzen halten mußte. Das A k t G hat diese Vorschrift ohne Veränderung ihres Sinnes übernommen.

Anm. 2 1. Die Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch:

Die Vergütung

muß a n g e m e s s e n sein. Das wird im einzelnen dahin bestimmt, daß die Vergütung den Wert der Leistung nicht übersteigen darf. Es entscheidet also der Marktpreis, den die A G hätte zahlen müssen, wenn die Leistung nicht von einem Aktionär, sondern von einem Nichtmitgliede erbracht worden wäre, und zwar der Marktpreis zu der Zeit, wo die Leistung erbracht wird. Dieser Preis ist der Höchstpreis. Weder späteres Sinken noch späteres Steigen des Marktpreises kommt in Betracht. Werden dem Aktionär von der A G Waren (Rübensamen) geliefert oder Rückstände zurückgeliefert, so ist deren Marktpreis in die Vergütung einzurechnen ( R G 48, 105).

Anm. 3 Da dieser Preis nur der H ö c h s t p r e i s ist, so ist gestattet, die V e r g ü t u n g g e r i n g e r z u b e m e s s e n , sei es, daß der Preis satzungsmäßig bestimmt (z. B. 5 v. H. unter dem Marktpreis), sei es, daß die Bestimmung in der Satzung den Gesellschaftsorganen über lassen ist ( § 5 0 Anm. 9). So kann auch eine Herabsetzung f ü r den Fall vorgesehen sein, daß der Reingewinn nicht ausreicht, den Marktpreis zu bezahlen (vgl. R G Holdheim 23, 204). Ü b e r s c h r e i t u n g e n des Höchstpreises sind dagegen u n s t a t t h a f t . Sie begründen eine Haftung des Aktionärs, der den Mehrbetrag empfangen hat, nach § 56 Abs. 1 und 2 gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Aber auch die A G kann den Mehrbetrag zurückfordern (§56 Anm. i6fF.). Hat jedoch der Aktionär ihn im guten Glauben a l s G e w i n n a n t e i l empfangen — eine Voraussetzung, die nicht schlechthin als unmöglich bezeichnet werden kann — , so ist er von der Haftung und der Rückerstattungspflicht frei (§ 56 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3). Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats machen sich nach § 84 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 5, § 99 der Gesellschaft und den Gesellschaftsgläubigern durch solche Mehrzahlungen verantwortlich, denn diese sind als verbotene Rückgewähr von Einlagen anzusehen. I m Rechtsstreit hat nötigenfalls das Gericht zu entscheiden, welchen Wert die Leistung zur Zeit ihrer Erbringung hatte.

Anm. 4 Die Festsetzung einer M i n d e s t v e r g ü t u n g , die auf den wahren Wert der Leistung keine Rücksicht nimmt, widerspricht dem § 55, da die Mindestvergütung möglicherweise den zugelassenen Höchstpreis übersteigt ( R G 48, 1 0 5 ; nicht unbedenklich Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). Anders ist es dagegen, wenn die Mindestvergütung so bemessen ist, daß sie i n k e i n e m F a l l den Betrag der angemessenen Vergütung übersteigt (Brodmann § 2 1 6 Anm. 1 a). Ferner widerspricht es dem § 55 nicht, wenn die A G außer der daselbst zugelassenen Vergütung den Aktionären, die geliefert haben,

einen Zuschuß aus dem Reingewinn gewährt (vgl. RG 104, 350; §50 Anm. 9).

332

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 55 A n m . 5, 6 §56

Denn in der Verteilung des Reingewinns hat nach § 54 Abs. 1, § 126 die Hauptversammlung, soweit es ihr die Satzung gestattet, freie H a n d ; daran will § 55 nichts ändern. Anm. 5 2. Die R e c h t s n a t u r d e s V e r g ü t u n g s a n s p r u c h s : Insoweit gilt grundsätzlich das gleiche wie f ü r den Anspruch auf den festgesetzten Gewinnanteil (§ 52 Anm. 29) und f ü r den Anspruch auf Bauzinsen ( § 5 4 Anm. 14). Auch dieser Anspruch beruht zwar auf das Mitgliedschaftsverhältnis und ist insofern kein Anspruch schuldrechtlicher Art (Anm. 1; § 50 Anm. 10). Mit der Bewirkung der Nebenleistung wird jedoch auch dieser Anspruch zu einem r e i n e m G l ä u b i g e r r e c h t , es kann durch Abtretung, Verpfändung und Pfändung vom Mitgliedschaftsrecht (teilweise) gelöst wercen, und es ist daher nicht, wie die Vorauflage annahm, ein Sonderrecht. Auch bei Beeinträchtigung dieser Ansprüche durch Hauptversammlungsbeschlüsse gilt das gleiche wie f ü r den Anspruch auf den festgesetzten Gewinnanteil (vgl. die Einzelheiten bei § 52 Anm. 29). Der Anspruch kann durch gewöhnliche Klage verfolgt werden, es sei denn, d a ß die Satzung ein Schiedsgericht dafür vorsieht (vgl. R G 153, 270). I m Konkurse der A G gibt der Anspruch auf rückständige Vergütung eine Konkursforderung (Näheres § 50 Anm. 24). Wird die satzungsmäßige Vergütung durch S a t z u n g s ä n d e r u n g allgemein heruntergesetzt, so ist § 147 anzuwenden ( § 5 0 Anm. 6, 7, 21). Anm. 6 3. D e r S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h d e s A k t i o n ä r s : § 55 schließt nicht die Möglichkeit aus, daß einem Aktionär gegen die AG deshalb Schadensersatzansprüche zustehen, weil diese ihre Verpflichtungen aus dem Nebenleistungsverhältnis schuldhaft verletzt hat ( § 5 0 Anm. 15). Für die Höhe eines solchen Schadensersatzanspruchs finden die einschränkenden Voraussetzungen, die f ü r den Vergütungsanspruch selbst gelten, keine Anwendung. Es kann bei einem solchen Schadensersatzanspruch auch keine Rede davon sein, daß er gegen das allgemeine Verbot des § 52 verstößt (im Ergebnis ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). § 5 6 Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Zahlungen (1) Die A k t i o n ä r e h a f t e n d e n G l ä u b i g e r n f ü r die V e r b i n d l i c h k e i t der Gesellschaft, soweit sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes Zahlungen v o n d e r G e s e l l s c h a f t e m p f a n g e n h a b e n . D i e s g i l t n i c h t , s o w e i t s i e B e t r ä g e in g u t e m Glauben a l s G e w i n n a n t e i l e o d e r Z i n s e n b e z o g e n h a b e n . (2) I s t ü b e r d a s V e r m ö g e n der G e s e l l s c h a f t d a s K o n k u r s v e r f a h r e n eröffnet, s o ü b t w ä h r e n d d e s s e n D a u e r der K o n k u r s v e r w a l t e r d a s R e c h t d e r G e s e l l s c h a f t s g l ä u b i g e r g e g e n die A k t i o n ä r e a u s . (3) Die G e s e l l s c h a f t kann B e t r ä g e n i c h t z u r ü c k f o r d e r n , die A k t i o n ä r e i n g u t e m Glauben a l s G e w i n n a n t e i l e o d e r Z i n s e n b e z o g e n h a b e n . (4) Die A n s p r ü c h e n a c h d i e s e n V o r s c h r i f t e n v e r j ä h r e n i n fünf J a h r e n s e i t d e m E m p f a n g der Z a h l u n g . Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Die Haftung des Aktionärs gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft 1. Allgemeines 2. Die Haftung des Aktionärs

2 3

3. Die Haftung f ü r den Empfang verbotswidriger Zahlungen 4. Der Gegenstand der Haftung 5. Die den Aktionären zustehenden Einwendungen

4 5,6 7,8 333

§ 56

Anm. 1, 2

I. Buch: Aktiengesellschaft Anm.

6. Die Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft 9 7. Das Rechtsverhältnis bei Mehrheit haftender Aktionäre und bei Mehrheit anspruchsberechtigter Gläubiger 10—12 8. Haftungsausschluß bei gutem Glauben des Aktionärs 13 9. Die Haftung im Konkurs der Gesellschaft 14 10. Die Verjährung des Anspruchs 15

Anm.

I I . Die Haftung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft .

16

1. Die Rechtsnatur des Anspruchs

17

2. Der Anspruch bei anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlüssen

18

3. Die Verjährung des Anspruchs

19

I I I . Haftung bei Zahlungen an andere Gewinnbeteiligungsberechtigte

20

Anm. 1 Während das alte H G B nur f ü r die K G a A eine unmittelbare Haftung der K o m m a n ditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aus gesetzwidrig empfangenen Zahlungen vorsah (Art. 197 Abs. 3), und zwar in Anlehnung an die Vorschriften über die K o m m a n ditgesellschaft (Art. 165 Abs. 5 und 6), und auch das Gesetz von 1884 dies beibehielt (Art. 198), dehnte das neue H G B in § 2 1 7 die Haftung auf die Aktionäre der A G aus. Aus dem älteren Recht (Art. 218) übernahm es die Vorschrift, daß der Aktionär zur Zurückzahlung dessen, was er im guten Glauben als Gewinnanteil oder als Zinsen bezogen habe, in keinem Fall verpflichtet sei. Zweifelhaft blieb, ob und inwieweit § 2 1 7 H G B außer den Ansprüchen der Gesellschaftsgläubiger auch den Rückforderungsanspruch der Gesellschaft gegen den Aktionär betraf. Das A k t G schließt sich im wesentlichen dem bisherigen Recht an, enthält aber in Abs. 3 des § 56 eine ausdrückliche Vorschrift über das Rückforderungsrecht der A G .

I. Die Haftung des Aktionärs gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Anm. 2 1. A l l g e m e i n e s : Die unmittelbare und persönliche Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ist eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz (§§ 1 , 48 Abs. 2), daß die Aktionäre f ü r die Verbindlichkeiten der A G nicht haften. Diese unmittelbare Haftung besteht nicht, soweit die Aktionäre ihre geschuldete Einlage überhaupt noch nicht geleistet haben, sondern nur, soweit sie auf ihre geleistete Einlage etwas gesetzwidrig zurückerhalten haben. O b dieser Unterschied innerlich gerechtfertigt ist, mag immerhin zweifelhaft sein. I m Schrifttum werden über den Rechtsgrund dieser Haftung die verschiedensten Ansichten geäußert. Die Vorauf!. (Anm. 2) hielt insoweit den Rechtsgedanken der Haftung aus unerlaubter Handlung f ü r maßgebend, wobei das gesetzliche Verbot, Zahlungen an die Gläubiger zu leisten, als ein Gesetz zum Schutz der Gläubiger im Sinn des § 823 Abs. 2 B G B angesehen wurde. Dabei konnte jedoch der dem § 8 2 3 Abs. 2 B G B wesentliche Gesichtspunkt der Verschuldenshaftung (schuldhafte V e r letzung des Verbotsgesetzes) angesichts der positiven Regelung des § 56 nicht zur Durchführung gebracht werden, weswegen dieser Haftungstatbestand dann kurzer H a n d als ein besonderer Tatbestand der Gefährdungshaftung neben die Haftung des Tierhalters und des Kraftfahrzeughalters gestellt wurde (ähnlich auch BaumbachHueck Anm. 2 A). Demgegenüber erblickt Brodmann ( § 2 1 7 A n m . 1) in dem A n spruch der Gesellschaftsgläubiger gegen den Aktionär einen solchen quasikontraktlicher Art, während Düringer-Hachenburg-Flechtheim ( § 2 1 7 Anm. 4) die Haftung des. Aktionärs als weitgehend ähnlich mit der Haftung eines Kommanditisten (dagegen ausdrücklich die Vorauf!. A n m . 2) erklären. Schließlich wird im Schrifttum bei der Haftung des Aktionärs aus § 56 vielfach der Vergleich mit der Haftung des Bürgen gezogen (Ritter Anm. 2 e ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Der Wert dieser konstruktiven

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3- Teil: R echtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 56 Anm. 3 Versuche erscheint mehr als zweifelhaft, weil sie für die praktische Rechtsanwendung ohne Bedeutung sind. Sie tragen überdies die Gefahr in sich, bei der Beantwortung zweifelhafter Fragen einen begrifflichen Eigenwert für sich in Anspruch zu nehmen, der ihnen in keinem Fall zukommt. So können z. B. nur einzelne Vorschriften aus dem Recht der Bürgschaft bei der Haftung des Aktionärs zur Anwendung kommen (etwa § 770 BGB, nicht dagegen §§ 771, 774 BGB); ferner kann der Vergleich mit der Haftung des Kommanditisten nicht über den wesentlichen Unterschied hinweghelfen, daß der Kommanditist für die Gesellschaftsschulden als seine eigene Schuld haftet, ein Unterschied, der für das Verhältnis mehrerer haftender Gesellschafter untereinander von Bedeutung wird. Schließlich führt die Konstruktion mit der Gefährdungshaftung •— kann die unzulässige Entgegennahme einer Abschlagsdividende als ein Eingriff in die Rechtssphäre des Gläubigers bezeichnet und wirklich mit dem Eingriff des Tierhalters oder Kraftfahrzeughalters in die Rechtssphäre des Geschädigten verglichen werden ? — nicht zu einer sinnvollen Erklärung bei der Frage, welche Einwendungen der Aktionär gegenüber dem Gläubiger hat, in welchem Verhältnis mehrere Gläubiger zueinander stehen oder auf welche Weise sich der Aktionär, zumal wenn er selbst Gesellschaftsgläubiger ist, von seiner Haftung befreien kann. Angesichts dieser Rechtslage sollte man sich damit begnügen, den Rechtsgrund für die Haftung des Aktionärs in einem gesetzlichen Schuldverhältnis zu erblicken, dessen näherer Inhalt nur nach dem Zweck und dem Grundgedanken dieser Haftung bestimmt werden kann. Anm. 3 2. Die Haftung des Aktionärs: Die Haftung trifft „die Aktionäre", die gesetzwidrig Zahlungen empfangen haben. Es haftet derjenige Aktionär, der die Zahlung empfangen hat; ob er zur Zeit der Inanspruchnahme noch Aktionär ist oder die Aktie inzwischen veräußert hat, ist gleichgültig. Der Erwerber der Aktie, der die Zahlung nicht empfangen hat, wird von der Haftung nicht getroffen (allgemeine Ansicht). Streitig ist es, ob dem Aktionär auch der Dividendenscheininhaber gleichsteht, der zwar selbst nicht Aktionär ist, aber auf Grund abgetretenen Rechts (§ 52 Anm. 34) gesetzwidrig Zahlungen empfangen hat. Man muß diese Frage verneinen (ebenso Ritter Anm. 2 a; Baumbach-Hueck Anm. 1). Die Haftung des Aktionärs beruht auf seiner mitgliedschaftlichen Stellung; nur seine Mitgliedschaft gibt den inneren Rechtsgrund für seine Haftung. Hieran fehlt es beim Dividendenscheininhaber, er hat keine Mitgliederpflichten, die eine besondere Haftung begründen könnten, sondern ist nur Gläubiger der AG. Er mag daher, wenn er gesetzwidrig Zahlungen empfangen hat, der Gesellschaft auf Erstattung haften; ihn aber den anderen Gläubigern der Gesellschaft haftbar zu machen, fehlt es an einem Rechtsgrunde. Auch der Wortlaut des § 56 spricht gegen die Gegenmeinung, weil hier nur von dem Aktionär die Rede ist und für den Gesetzgeber aller Anlaß bestanden hätte, die Haftung des Dividendenscheininhabers ausdrücklich miteinzubeziehen, wenn das beabsichtigt gewesen wäre. Die Gegenmeinung (Düringer-Hachenburg-Flechtheim §217 Anm. 3; Brodmann §217 Anm. 3 a; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; Teichmann-Koehler Anm. 2; v. GodinWilhelmi Anm. 3) stützt sich im wesentlichen auf die Erwägung, daß auch der Anspruch des Dividendenscheininhabers den aktienrechtlichen Einwendungen unterliege und daß daher auch den Dividendenscheininhaber die Haftung aus § 56 treffe. Das ist nicht überzeugend. Einmal handelt es sich bei der Haftung aus § 56 nicht um eine Einwendung gegenüber dem Gewinnscheininhaber, sondern um die Rechtsfolge einer unzulässigen Zahlung. Sodann läßt die Gegenmeinung den Umstand außer Acht, daß allein die Mitgliedschaft der tragende Gesichtspunkt für die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubiger ist und daß bei dem Gewinnscheininhaber die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür gerade nicht gegeben sind. Ferner haften der Genusscheininhaber oder sonstige gewinnanteilberechtigte Personen, wie tantiemeberechtigte Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nicht nach § 56, wenn sie Zahlungen über den ihnen zustehenden Gewinnanteil hinaus erhalten haben (Anm. 20; allg. Ansicht); auch hier fehlt es an der Mitgliedschaft, die für die Haftung aus § 56 wesentlich ist. Für die Anwendung des § 56 ist es ohne Belang, ob der Aktionär die Zahlung selbst empfangt oder ob eine dritte Person sie für ihn (für seine Rechnung) entgegennimmt.

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§56

Anm. 4, 5

I. Buch: Aktiengesellschaft

So haftet nicht die Bank, sondern der Aktionär, wenn sie den Dividendenschein f ü r ihren Kunden (Aktionär) einzieht (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 7 Anm. 3).

Anm. 4 3. Die Haftung für den Empfang verbotswidriger Zahlungen: Voraus-

setzung der Haftung ist Empfang verbotswidriger Zahlungen. Dahin gehört jede gesetzlich nicht erlaubte Vermögensleistung der A G an die Aktionäre, also insbesondere die Rückgewähr von Einlagen, die Zahlung von Zinsen außerhalb der Grenzen erlaubter Bauzinsen, die Verteilung von Dividenden ohne Feststellung eines Reingewinns, die Zahlung übermäßiger Vergütungen f ü r Nebenleistungen, Ausschüttungen bei der Kapitalherabsetzung oder bei der Abwicklung ohne die gesetzlichen Voraussetzungen. Der Ausdruck „ Z a h l u n g e n " ist nicht auf Geldzahlungen zu beschränken; auch andere Vermögensleistungen gehören hierher, z. B. Rückgewähr von Sacheinlagen oder andere Sachleistungen (herrsch. Ansicht; abweichend nur Brodmann § 2 1 7 Anm. 3 b). Es ist gleichgültig, ob durch die Zahlung das Grundkapital angegriffen wird oder nicht, etwa eine gesetzliche oder auch nur eine freie Rücklage (Denkschrift 1897 S. 145). Die herrschende Ansicht im Schrifttum (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 7 Anm. 2 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 B ; abweichend Ritter Anm. 2 c) sieht eine Zahlung „entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes" nur dann als gegeben an, wenn die vorgenommene Zahlung zwingende gesetzliche Vorschriften, die zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, verletzt. Eine Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern tritt danach nicht ein, wenn nur eine Verletzung der f ü r die Verteilung unter die Gesellschafter geltenden Vorschrift des § 53 vorliegt, wenn also nicht mehr als der ordnungsgemäß ausgewiesene und zur Ausschüttung bestimmte Reingewinn ausgezahlt und nur der f ü r die Aufteilung geltende Verteilungsschlüssel nicht beachtet ist. Dieser Ansicht ist beizutreten. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die Gläubiger in einem Fall, in dem aufs Ganze gesehen eine unzulässige Schmälerung des Gesellschaftsvermögens nicht eingetreten ist, einen Anspruch gegen die einzelnen Aktionäre haben sollten; denn ihre Interessen sind durch eine Gewinnausschüttung, die nur einen Verstoß gegen den Verteilungsschlüssel des § 53 darstellt, jedenfalls nicht verletzt. Dem kann auch nicht mit der Erwägung entgegengetreten werden (so Ritter aaO.), daß die Gesellschaft in einem solchen Fall verpflichtet sei, die Gewinnansprüche der bei der Gewinnausschüttung nicht voll befriedigten Aktionäre zu erfüllen, und daß dadurch doch eine Schmälerung des Gesellschaftsvermögens zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger eintreten könnte. Bei dieser Erwägung wird übersehen, daß die Gesellschaft einen Rückforderungsanspruch gegen die Aktionäre hat, die zuviel erhalten haben (Anm. 1 7 ) , und daß auf diese Weise der gebotene Ausgleich herbeigeführt werden kann. Sind bei der Kapitalherabsetzung oder der Abwicklung die Gläubigerschutzvorschriften beachtet worden, bevor Vermögen ausgeschüttet worden ist, so kann ein sich nachträglich meldender Gläubiger sich nicht nach § 56 an die Empfanger halten. E r kann auch nicht verlangen, daß das Empfangene an die Gesellschaft zurückgezahlt werde, denn diese hat bei gesetzmäßiger Ausschüttung keinen Rückforderungsanspruch. Auch ein Bereicherungsanspruch steht dem sich nachträglich meldenden Gläubiger gegen die Empfänger einer gesetzmäßigen Ausschüttung nicht zu ( R G 124, 2 1 0 ; 129, 108).

Anm. 5 4. D e r G e g e n s t a n d d e r H a f t u n g : Die Aktionäre haften den Gesellschaftsgläubigern f ü r die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, s o w e i t sie gesetzwidrige Zahlungen (Leistungen) von der Gesellschaft erhalten haben. Das besagt ein Doppeltes. Einmal, daß die Aktionäre f ü r fremde Schulden, nämlich f ü r die Schulden der Gesellschaft, einzustehen haben, und zum anderen, daß ihre Haftung eine nur beschränkte ist, nämlich soweit sie verbotswidrige Zahlungen erhalten haben. Gegenstand des Haftungsanspruchs ist niemals die empfangene Leistung, sondern eine Haftung f ü r eine fremde Schuld. Die empfangene Leistung oder besser der Wert dieser Leistung bestimmt lediglich den U m f a n g oder die Höhe der Haftung. Dabei ist

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 56 A n m . 6, 7 dieser Wert und damit die Höhe der Haftung nicht von späteren Ereignissen abhängig, so daß eine Bereicherung im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Aktionärs nicht mehr vorzuliegen braucht. Es handelt sich also mit anderen Worten nicht um einen Bereicherungsanspruch, aber auch nicht um eine Haftung mit einem bestimmten Gegenstand, nicht um eine Sachhaftung, sondern vielmehr um eine Haftung in Höhe eines festbestimmten, nicht mehr veränderlichen Wertes (de Boor, Die Kollision von Forderungsrechten igs8 S. 73; ähnlich Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 217 Anm. 4). Die Haftung des Aktionärs ist nicht wie die Haftung nach §§ 84 Abs. 5, 99 davon abhängig, daß die Gläubiger von der A G keine Befriedigung erlangen können. Sie ist eine unmittelbare, keine nur subsidiäre; eine (entsprechende) Anwendung des § 771 BGB ist daher ausgeschlossen (Ritter Anm. 2 a aa). Der Aktionär haftet also nicht hinter, sondern neben der A G , allerdings aus einem anderen Rechtsgrund. Die Gesellschaft haftet aus ihrer Verbindlichkeit, der Aktionär auf Grund des gesetzwidrigen Empfangs für die Erfüllung der Verbindlichkeit. Anm. 6 Da der Rechtsgrund für die Haftung des Aktionärs in dem Empfang einer gesetzwidrigen Zahlung seitens der Gesellschaft liegt, kann er sich von seiner Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auch dadurch befreien, daß er das gesetzwidrig Empfangene der A G vollwertig zurückerstattet. Das kann auch durch eine Leistung an Erfüllungsstatt geschehen, sofern diese Leistung nur ein v o l l w e r t i g e r E r s a t z für das Empfangene ist. Denn dadurch ist die Gefährdung der Gläubiger und damit der Haftungsgrund nach § 56 beseitigt. Eine Aufrechnung ist dem Aktionär insoweit nur nach Maßgabe des § 60 gestattet, also nicht mittels einseitiger Aufrechnungserklärung, und nur wenn seine Gegenforderung vollwertig ist (§60 Anm. 9 ff.; ähnlich DüringerHachenburg-Flechtheim § 217 Anm. 4). Die Gegenmeinung, die dem Aktionär, der selbst Gläubiger der Gesellschaft ist (sog. Gläubigeraktionär), stets auch das Recht zur einseitigen Aufrechnung, und zwar ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Vollwertigkeit seiner eigenen Forderung, zubilligt (Ritter Anm. 2 d; SchlegelbergerQuassowski Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7), läßt außer Acht, daß der sog. Gläubigeraktionär in dieser Hinsicht anderen Gläubigern nicht völlig gleichgestellt ist. Überall dort, wo es sich wie bei der Einlageforderung der Gesellschaft um die Aufbringung des Grundkapitals oder wie bei der Rückerstattungsforderung der Gesellschaft (§52) um die Erhaltung des Gesellschaftsvermögens im Interesse der Gläubiger handelt, ist es dem Aktionär — und darin liegt gerade die weitreichende Schutzfunktion des § 60 — verwehrt, durch einseitige Aufrechnung seine Schuld gegenüber der Gesellschaft zu tilgen und sich dadurch gegenüber den anderen Gesellschaftsgläubigern eine bevorzugte Stellung zu verschaffen. Bei dem engen Zusammenhang, der zwischen dem aktienrechtlichen Rückerstattungsanspruch der Gesellschaft und dem unmittelbaren Anspruch des Gläubigers nach § 56 Abs. 1 besteht, muß der Grundgedanke des § 60 auch auf diesen Anspruch angewendet werden. Die Notwendigkeit zu einer solchen Anwendung ergibt sich ohne weiteres daraus, daß es zu unauflösbaren Schwierigkeiten führen würde, wenn sich der Gläubigeraktionär durch eine einseitige Aufrechnung gegenüber der Gesellschaft dem Zugriff der anderen Gesellschaftsgläubiger entziehen könnte. Denn es erhebt sich hier sofort die Frage, wie es nach einer solchen Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch der Gesellschaft gegen diesen Gläubigeraktionär steht, da ja nach allgemeiner Ansicht dieser Anspruch durch die einseitige Aufrechnungserklärung des Gläubigeraktionärs nicht zum Erlöschen gebracht werden kann (§ 60 Anm. 9). Die Gegenmeinung führt letzten Endes zu dem Ergebnis, daß die einseitige Aufrechnung des Gläubigeraktionärs gegenüber dem Anspruch der anderen Gesellschaftsgläubiger wirksam, gegenüber dem Erstattungsanspruch der Gesellschaft unwirksam ist, ein Ergebnis, das unmöglich hingenommen werden kann. Anm. 7 5. Die dem Aktionär zustehenden Einwendungen: Da der Aktionär dem Gesellschaftsgläubiger lediglich für die Verbindlichkeit der Gesellschaft haftet, ergibt 22

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§56 A n m . 8—10

I. Buch: Aktiengesellschaft

sich daraus die akzessorische Natur seiner Haftung. Alle Einwendungen und Einreden, die aus der Verbindlichkeit der Gesellschaft geltend gemacht werden können, müssen daher auch dem Aktionär gegenüber dem Anspruch des Gesellschaftsgläubigers aus § 56 Abs. 1 zustehen. I n s o w e i t ist die Rechtslage ähnlich wie bei der Haftung des Bürgen. Es ist daher auch nichts gegen eine entsprechende Anwendung des § 770 BGB einzuwenden, da diese Bestimmung dem akzessorischen Charakter der Haftung einen entsprechenden Ausdruck verleiht (so auch allg. Ansicht im Schrifttum). Der Aktionär kann daher die Zahlung verweigern, solange der Gesellschaft wegen ihrer Verbindlichkeit die Befugnis zur Anfechtung oder zur Aufrechnung zusteht. Auch kann der Aktionär die der Gesellschaft zustehende Einrede der Verjährung geltend machen, und zwar selbst dann, wenn sich die Verjährung erst im Laufe eines gegen ihn angestrengten Prozesses vollendet, weil die Verjährung des Anspruchs gegen die Gesellschaft nicht durch die Klage gegen den Aktionär unterbrochen wird (Brodmann § 2 1 7 Anm. 6; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 7 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Die Aktionäre sind aber Mitschuldner im Sinn des § 193 K O und des § 82 VerglO; ein Zwangsvergleich der Gesellschaft mit ihren Gläubigern kommt daher den Aktionären nicht zustatten. Anm. 8 Außer diesen Einwendungen steht dem Aktionär gegebenenfalls auch der Einwand zu, daß der Gläubiger selbst die unerlaubte Zahlung veranlaßt habe. Das hat das R G (Warn. 1932 Nr. 64) unter allgemeiner Billigung des Schrifttums in einem Fall angenommen, wo der Gläubiger als Vorstand der A G selbst Urheber der verbotswidrigen Zahlung gewesen war. Es erscheint nicht ausgeschlossen, in solchem Fall § 254 BGB anzuwenden und den Aktionär gegebenenfalls zu einem Teilbetrag der Verbindlichkeit haften zu lassen. Anm. 9 6. Die Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft: und zwar nicht nur gegenüber den Gläubigern, die es schon zu Zeit des gesetzwidrigen Empfanges waren, sondern auch gegenüber denjenigen, die es später werden. Denn sie alle werden durch gesetzwidrige Zahlungen gefährdet. In irgendeinem Rangverhältnis stehen die Gläubiger nicht. Der haftende Aktionär kann sich durch Zahlung an irgendeinem der Gesellschaftsgläubiger von seiner Haftung befreien. Das gilt selbst dann, wenn er auf die Klage eines der Gläubiger rechtskräftig zur Zahlung an diesen verurteilt worden ist. Auch in diesem Fall kann sich der Aktionär noch durch Zahlung an einen anderen Gesellschaftsgläubiger von seiner Haftung befreien und diese Befreiung bei der Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil gemäß § 767 ZPO geltend machen (v. Godin-Wilhelmi Anm. 7). Die Auffassung de Boor's (Die Kollision von Forderungsrechten 1928 S. 74), dem haftenden Aktionär nach Erlaß eines rechtskräftigen Urteils die Möglichkeit zur Befriedigung eines anderen Gläubigers unter entsprechender Anwendungder §§ 1973 Abs. 2 Satz 3, iggi Abs. 3 BGB abschneiden zu können und ihm in einem solchen Fall nur noch die Möglichkeit zu einer Rückerstattung der empfangenen Leistung an die Gesellschaft zu belassen, läßt sich wohl nach dem geltenden Recht nicht halten, weil sich für den Analogieschluß aus den genannten erbrechtlichen Bestimmungen kein ausreichender Anhaltspunkt ergibt. Anm. 10 7. Das Rechtsverhältnis beiMehrheit haftender Aktionäre und beiMehrheit anspruchsberechtigter Gläubiger: Haben mehrere Aktionäre von der Gesellschaft verbotswidrige Zahlungen (Leistungen) empfangen, so haften sie nicht als Gesamtschuldner i m Sinn d e r § § 421 ff. B G B . Das ist freilich nicht ganz zweifelsfrei, da vom Standpunkt des Gläubigers aus gesehen bei der Haftung mehrerer Aktionäre wohl eine Identität des Zwecks gegeben ist und er natürlich nur einmal für seine Forderung gegen die Gesellschaft Befriedigung verlangen kann. Das dürfte jedoch für die Frage nach dem Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses nicht entscheidend sein, sondern der Umstand, daß vom Standpunkt der haftenden Aktionäre aus eine Identität der Leistung

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 56 Anm. 11—13 nicht gegeben ist. Jeder haftende Aktionär ist selbständig zur Rückgewähr der empfangenen Leistung an die Gesellschaft verpflichtet und haftet deshalb auch dem Gesellschaftsgläubiger (Düringer-Hachenburg-Flechtheim §217 Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi Anm. 10; a. M. Ritter Anm. 2 e a a ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; TeichmannKoehler Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 2 C). Von großer praktischer Bedeutung ist diese Frage nicht, da im allgemeinen Übereinstimmung darüber besteht, daß im Verhältnis zwischen den Aktionären eine Ausgleichspflicht nach § 426 BGB nicht besteht (vgl. auch R G 67, 132; abweichend insoweit nur Ritter aaO). Denn mit Rücksicht auf die jeden Aktionär selbständig treffende Pflicht zur Rückgewähr des verbotswidrig Empfangenen ist der gebotene Ausgleich zwischen den haftenden Aktionären dadurch herbeizuführen, daß die übrigen von dem Gesellschaftsgläubigern nicht in Anspruch genommenen Aktionäre ihrer Rückgewährspflicht gegenüber der Gesellschaft nachkommen. Anm. 11 Die Aktionäre haften dem Gesellschaftsgläubiger neben der Gesellschaft (Anm. 5). Insoweit liegt ein Gesamtschuldverhältnis sicherlich nicht vor. Wenn sich auch aus dem akzessorischen Charakter der Haftung der Aktionäre (Anm. 7) zwangsläufig ergibt, daß ihre Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern entfallt, wenn die Gesellschaft die ihr abliegende Verbindlichkeit erfüllt, so ist das noch kein Grund für die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses .Das erhellt ohne weiteres aus den insoweit gleichliegenden Verhältnissen bei der Bürgschaft (vgl. auch die Rechtslage bei der Gesellschaftsschuld einer offenen Handelsgesellschaft und der daneben bestehenden persönlichen Haftung der Gesellschafter; dazu BGH 22 ,240 [246]). Aber auch der Umstand, daß die Zahlung des haftenden Aktionärs an den Gläubiger dazu führt, daß die Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftsgläubigern erlischt, besagt in diesem Zusammenhang nichts (im Ergebnis ebenso Ritter Anm. 2 e aa; v. GodinWilhelmi Anm. 10; a. M. Düringer-Hachenburg-Flechtheim §217 Anm. 3; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 2 C). In keinem Fall kann der Aktionär, der mit Rücksicht auf seine eigene Haftung einen Gesellschaftsgläubiger befriedigt, deswegen von der Gesellschaft einen Ausgleich nach § 426 BGB verlangen (allg. Ansicht); einem solchen Ausgleichverlangen steht der Umstand entgegen, daß der Aktionär der Gesellschaft zur Rückgewähr der verbotswidrig empfangenen Leistung verpflichtet ist. Anm. 12 Mehrere Gesellschaftsgläubiger sind gegenüber einem haftenden Aktionär nicht Gesamtgläubiger im Sinn des § 428 BGB. Denn ihr Anspruch gegen den Aktionär hat nicht denselben Entstehungsgrund. Auch das ist freilich nicht ganz zweifelsfrei. Berücksichtigt man aber, daß der Anspruch des Gesellschaftsgläubigers gegen den haftenden Aktionär nicht nur auf der Entgegennahme der verbotswidrigen Leistung, sondern zugleich auch darauf beruht, daß der Gläubiger einen Anspruch gegen die Gesellschaft hat oder erlangt, so wird man das Vorliegen eines Gesamtgläubigerrechtsverhältnisses verneinen müssen (Düringer-Hachenburg-Flechtheim §217 Anm. 4; Ritter Anm. 2 e a a ; a. M. Vorauf!. Anm. 6; Brodmann §217 Anm. 1 ; TeichmannKoehler Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 2 C). Die praktische Bedeutung dieser Frage liegt in der Anwendbarkeit des § 429 BGB; insoweit weist Ritter mit Recht daraufhin, daß es unangemessen wäre, wenn der Aktionär sich durch Erlaßvertrag mit einem Gesellschaftsgläubiger auch den übrigen Gesellschaftsgläubigern gegenüber befreien könnte. Anm. 13 8. Haftungsausschluß bei gutem Glauben des Aktionärs: Die Aktionäre haften nicht, soweit sie die Zahlung im guten Glauben als Gewinnanteil oder als Zinsen bezogen haben. Sind Gewinnanteile ausgezahlt worden, obwohl die Voraussetzung dafür gefehlt hatte, so sollen die gutgläubigen Empfanger darum nicht haften. Dasselbe gilt von Zinsen. In erster Linie ist wohl an Bauzinsen gedacht, die über die zu22«

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§56

Anm. 14

I. Buch: Aktiengesellschaft

lässigen Grenzen hinaus bezogen worden sind ( § 5 4 Abs. 2). Doch können auch sonst unerlaubte Zinszahlungen vorkommen (§ 54 Abs. 1 ; R G 77, 9 1 ) , wobei freilich guter Glaube des Empfangers selten sein wird. Unter gutem Glauben ist dasselbe zu verstehen wie in § 93a Abs. 2 B G B ; er fehlt, wenn dem Empfänger die Rechtswidrigkeit bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war (ebenso Brodmann § 2 1 7 A n m . 4 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 ; Baumbach-Hueck Anm. 4 A ; dagegen halten Düringer-Hachenburg § 2 1 7 Anm. 6; Ritter Anm. 3 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 bereits leichte Fahrlässigkeit zum Ausschluß des guten Glaubens f ü r ausreichend). Eine Entschuldigung durch Rechtsirrtum ist nicht ausgeschlossen (allgem. Ansicht; vgl. R G 77, 92). Streitig ist es, wen f ü r das Vorliegen oder f ü r das NichtVorliegen des guten Glaubens die B e w e i s l a s t trifft. I m Unterschied zu den zahlreichen Vorschriften des B G B , in denen der gute oder böse Glaube eine Rolle spielt (vgl. etwa §§ 892/93, 932fr., 936, 1032, 1207/08, 1262, 2366/67), gibt die Fassung des Gesetzes hier keinen sicheren Anhaltspunkt f ü r die Beantwortung der Frage nach der Beweislast. Aus dem Umstand, daß der Haftungsausschluß beim Vorliegen des guten Glaubens eine Ausnahme darstellt, sollte nichts Entscheidendes hergeleitet werden; denn man wird nicht sagen können, daß das Gesetz insoweit grundsätzlich davon ausgehen wollte, daß der die Leistung empfangende Aktionär bösgläubig sei und sein guter Glaube nur eine Ausnahme darstelle. Es liegt daher näher, bei der Beantwortung dieser Frage die allgemeinen Beweislastgrundsätze zugrunde zu legen. Diese gehen grundsätzlich dahin, jeder Partei nach Möglichkeit den Beweis von Negativen zu ersparen und demgemäß der Partei, die sich auf den bösen Glauben beruft, die Beweislast aufzulegen (vgl. dazu Rosenberg, Die Beweislast 3. Aufl. S. 3 3 1 m. w. N.). Das bedeutet, daß hier der Gesellschaftsgläubiger (oder die Gesellschaft) den Nachweis zu führen hat, daß der Aktionär sich bei der Entgegennahme der Zahlung nicht im guten Glauben befunden hat (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 ; Baumbach-Hueck Anm. 4 A ; a. M . Vorauf!. Anm. 8; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 7 Anm. 6 ; Brodmann § 2 1 7 Anm. 4 ; Ritter Anm. 3 ; Teichmann-Koehler Anm. 4 ; auch Hachenburg-Schmidt § 32 Anm. 5 f ü r die gleichliegende Frage im GmbH-Recht). Die Ausnahme gilt nicht f ü r Zahlungen, die in anderer Eigenschaft wie als Gewinnanteile oder Zinsen, z. B. als Abwicklungserlös oder als Vorschüsse auf Gewinnanteil, bezogen werden.

Anm. 14 9. Die H a f t u n g i m K o n k u r s d e r G e s e l l s c h a f t : Der Konkurs der A G — nicht das Vergleichsverfahren — bringt insofern eine Änderung, als das Recht aus § 56 nicht mehr von den einzelnen Gläubigern geltend gemacht werden kann, sondern nur noch vom Konkursverwalter (vgl. R G 74, 428; J W 1930, 3 7 3 1 ) . Für dessen K l a g e ist der Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft gegeben ( § 2 2 Z P O ) . Wenn es in Übereinstimmung mit § 2 1 7 H G B im Gesetz heißt, der Konkursverwalter übe das Recht der Gläubiger aus, so ist das nicht dahin zu verstehen, als sei er Vertreter der Gläubiger. Der Konkursverwalter ist auch nicht Vertreter der Gemeinschuldnerin (vgl. f ü r § 1 7 1 H G B R G 46, 3 5 3 ; 5 1 , 37). E r übt auch in dieser Hinsicht sein Amt aus, indem er die gesetzwidrig geleisteten Zahlungen der Konkursmasse wieder zuführt. Dem Konkursverwalter stehen im Hinblick auf die Regelung in § 56 Abs. 2 zwei Forderungen zu, einmal die Forderung der Gesellschaft auf Rückerstattung des verbotswidrig Empfangenen (dazu Anm. i 6 f f . ) und sodann die Forderung der Gesellschaftsgläubiger gemäß § 56 Abs. 1. E r kann von diesen nach seiner Wahl Gebrauch machen; es handelt sich insoweit um einen gewöhnlichen Fall der Anspruchskonkurrenz (de Boor, Die Kollision von Forderungsrechten 1928 S. 76). Macht der Konkursverwalter gemäß Abs. 2 den Anspruch geltend, der den Gläubigern nach Abs. 1 zusteht, so ist die Rechtslage ähnlich wie bei der Anfechtung nach § 1 3 des A n f G (vgl. auch die Regelung in § 1 7 1 Abs. 2 H G B , §§ 1978 Abs. 2, 1985 Abs. 2 Satz 2 B G B ) . Die dort geltenden Vorschriften über die Unterbrechung und Aufnahme des Verfahrens lassen sich, wenn ein Gläubiger bereits K l a g e erhoben hatte, entsprechend anwenden, da es hier an Vorschriften darüber fehlt (Brodmann § 2 1 7 Anm. 5 ; J a e g e r K O §§207/08 Anm. 30). Nimmt demgemäß der Konkursverwalter den unterbrochenen Rechtsstreit

340

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 56 Anm. 15—17 des Gläubigers auf, so hat er die Stellung des Rechtsnachfolgers des bisherigen Klägers im Sinn von §325 ZPO (RG J W 1935, 3301; v. Godin-Wilhelmi Anm. 11). Nach Beendigung des Konkurses müssen die Gläubiger die Rechtskraft des gegen den Konkursverwalter ergangenen Urteils gemäß § 325 ZPO gegen sich gelten lassen ( R G aaO.); auch an einem zwischen dem Konkursverwalter und dem Aktionär geschlossenen Vergleich sind die Gläubiger gebunden (RG 39, 64; vgl. dazu auch § 13 Abs. 4 AnfG). Lehnt der Konkursverwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so kann der klagende Gläubiger den Rechtsstreit nicht selber fortführen, weil ihm für die Dauer des Konkurses die Sachberechtigung zur Geltendmachung des Anspruchs aus Abs. 1 fehlt; der Rechtsstreit kann in diesem Fall von jeder Partei nur wegen der Prozeßkosten aufgenommen werden ( § 1 3 Abs. 2 Satz 4 AnfG). War bei Konkurseröffnung ein Rechtsstreit zwischen einem Gläubiger und einem Aktionär noch nicht anhängig und lehnt der Konkursverwalter die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ab, so ist auch außerhalb des Prozesses kein Gläubiger zur Geltendmachung eines solchen Anspruchs für die Dauer des Konkurses befugt (RG 74, 86). Nach der Konkurseröffnung kann ein Aktionär nicht mehr mit befreiender Wirkung an einen Gläubiger leisten, er befreit sich nur noch durch Zurückzahlung an die Konkursmasse (vgl. R G 37, 86). Nach der Beendigung des Konkurses kann jeder Gläubiger wieder das Recht aus § 56 ausüben, soweit er weder befriedigt ist noch der Aktionär sich durch Zurückzahlung an die Konkursmasse befreit hat. Anm. 15 10. Die Verjährung des Anspruchs: Hierfür gibt Abs. 4 eine Sonderregelung. Danach verjährt der Anspruch in 5 Jahren, wobei die Verjährung mit dem Empfang der Zahlung beginnt. Insoweit unterscheidet sich diese Regelung von der Vorschrift in § 159. Abs. 3 HGB. Das ist von praktischer Bedeutung, wenn ein Gläubiger erst längere Zeit nach dem Empfang der verbotswidrigen Zahlung eine Forderung gegen die Gesellschaft erwirbt; in einem solchen Fall kann die Verjährungsfrist für den Gläubiger unter Umständen eine sehr kurze sein. Ist die Forderung des Gläubigers gegen die Gesellschaft verjährt — insoweit sind die allgemeinen Verjährungsfristen maßgeblich —, so kann der in Anspruch genommene Aktionär auch diese Einrede geltend machen (Anm. 7). A n m . 16 11. Die Haftung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft. Abweichend von §217 HGB, wo der Rückforderungsanspruch der A G nicht erwähnt, wenn auch nicht ausgeschlossen war (RG 77, 90), behandelt Abs. 3 ausdrücklich das Rückforderungsrecht der Gesellschaft. Allerdings geschieht das nur, indem die in Abs. 1 Satz 2 enthaltene Beschränkung wiederholt wird: Beträge, die ein Aktionär im guten Glauben als Gewinnanteile oder Zinsen bezogen hat, können nicht zurückgefordert werden (RG H R R 1936, 408; 1937, 13). Wegen des Sinnes dieser Beschränkung kann auf Anm. 13 verwiesen werden. Hier ist noch zu untersuchen, worauf sich der Rückforderungsanspruch der Gesellschaft überhaupt gründet. Anm. 17 1. Die Rechtsnatur des Anspruchs: Es ist bereits in § 52 Anm. 11 dargelegt, daß sich der Rückforderungsanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär allein aus aktienrechtlichen Grundsätzen ergibt, und daß der herrschenden Meinung im Schrifttum, daß es sich hierbei nämlich um einen gewöhnlichen Bereicherungsanspruch im Sinn der § § 812 ff. BGB — allerdings mit gewissen Abwandlungen — handele, nicht gefolgt werden kann. Nicht der Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung des Aktionärs, sondern der zwingende aktienrechtliche Gesichtspunkt einer Erhaltung der Kapitalgrundlage im Interesse der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und der übrigen und späteren Aktionäre gibt diesem Anspruch nicht nur das entscheidende Gepräge, sondern auch die innere Rechtfertigung und rechtliche Grundlage. Nur so ist es auch zu verstehen, daß bei diesem Anspruch eine Reihe von Vorschriften des Bereicherungsrechts aus

341

§56

A n m . 18, 19

I. Buch: Aktiengesellschaft

zwingenden Gründen nicht angewendet werden kann. Darüber hinaus kann aber auch nur so begründet werden, daß die Dispositionsbefugnis der Gesellschaft über diesen Anspruch den einschneidenden Einschränkungen des § 6o unterliegt (§ 52 Anm. 1 2 ; § 60 A n m . 2) und daß auch der Aktionär die sich daraus ergebenden Beschränkungen (keine einseitige Aufrechnungsbefugnis usw.) auf sich nehmen muß.

Anm. 18 2. Der Anspruch bei anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlüssen: Aus den aktienrechtlichen Besonderheiten ergibt sich des weiteren, daß der Gesellschaft ein Rückforderungsanspruch nicht zusteht, wenn ein Aktionär nicht auf Grund eines

nichtigen, sondern auf Grund eines nur anfechtbaren, aber nicht angefochtenen

H a u p t v e r s a m m l u n g s b e s c h l u s s e s eine Zahlung erhalten hat (ebenso die herrschende Ansicht im Schrifttum; abweichend R G 32, 96 mit unzutreffender Begründung). Der Fall eines nur anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlusses ist bei einer unzulässigen Zahlung an einen Aktionär nur gegeben, wenn dadurch nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, die zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, verletzt werden (§ 195 Nr. 3). Das trifft lediglich zu, wenn die f ü r die Verteilung unter die Gesellschafter geltende Vorschrift des § 53 verletzt ist, also in einem Fall, in dem die Gläubiger der Gesellschaft keinen Anspruch gegen den in Betracht kommenden Aktionär haben (Anm. 4). Ist in einem solchen Fall der Hauptversammlungsbeschluß, der die Verteilung des ausgewiesenen Reingewinns unter Verletzung des nach § 53 maßgeblichen Verteilungsschlüssels vorgenommen hat, nicht angefochten worden und hat er damit f ü r das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären rechtlichen Bestand, dann bildet er zugleich auch eine ausreichende Rechtsgrundlage f ü r die vorgenommene Gewinnverteilung und kann nicht auf dem Wege über den Rückforderungsanspruch der Gesellschaft zu Lasten der dabei begünstigten Aktionäre und auf dem Wege über Nachforderungsansprüche der benachteiligten Aktionäre zu deren Gunsten abgeändert werden. Andererseits muß aber ein Rückforderungsanspruch der Gesellschaft bejaht werden, wenn der anfechtbare Hauptversammlungsbeschluß angefochten worden ist. I n diesem Fall hat die unter Verletzung des § 53 vorgenommene Gewinnverteilung im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären keinen Bestand. Das bedeutet, daß die dabei benachteiligten Aktionäre einen entsprechenden Nachforderungsanspruch gegen die Gesellschaft haben und daß dadurch die Kapitalgrundlage der Gesellschaft beeinträchtigt wird. Z u m Ausgleich dieser Beeinträchtigung, also —• ebenso wie in den sonstigen Fällen des Rückforderungsanspruchs der Gesellschaft — zur Erhaltung ihrer Kapitalgrundlage (Anm. 17) hat die Gesellschaft hier gegen die bei der Gewinnverteilung zu Unrecht begünstigten Aktionäre einen Anspruch auf Rückgabe des zuviel Erhaltenen (ebenso die herrsch. Ansicht im Schrifttum, freilich meist mit der in Anm. 17 abgelehnten Begründung, es handele sich hierbei um einen Bereicherungsanspruch). Die Dispositionsbefugnis der Gesellschaft über den Rückforderungsanspruch unterliegt natürlich auch in diesem Fall den Beschränkungen des §60 (vgl. dazu § 52 Anm. 12), weil die innere Rechtfertigung und rechtliche Grundlage des Anspruchs in diesem Fall keine andere wie in den sonstigen Fällen sind (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 2 ) .

Anm. 19 3. D i e V e r j ä h r u n g d e s A n s p r u c h s : I m Schrifttum wird auch heute noch überwiegend angenommen, daß der Rückforderungsanspruch der Gesellschaft nicht der 5jährigen Verjährung des § 56 unterliegt (Ritter Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; Teichmann-Koehler Anm. 2 ; Baumbach-Hueck Anm. 5). Das ist folgerichtig, wenn man diesen Anspruch als einen Bereicherungsanspruch ansieht (vgl. dazu Anm. 1 7 ; § 52 Anm. 1 1 ) , weil er nämlich dann nicht, wie § 56 sagt, auf „diesen" Vorschriften beruht (anders freilich insofern V o r a u f l . Anm. 13). D a jedoch dieser Ansicht aus den in Anm. 17 dargelegten Gründen in ihrem Ausgangspunkt nicht gefolgt werden kann, dieser Anspruch vielmehr als ein besonderer aktienrechtlicher Anspruch angesehen werden muß, so folgt daraus ohne weiteres auch die Anwendbarkeit des Abs. 4. Daher verjährt nicht nur der Anspruch der Gesellschaftsgläubiger,

342

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft u n d der Gesellschafter § 56 A n m . 2 0 §57 sondern auch der Rückforderungsanspruch der Gesellschaft gegen die Aktionäre in 5 J a h r e n (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 13; im Ergebnis ebenso bereits die Voraufl. Anm. 13; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 217 Anm. n ) . A n m . 20 III. H a f t u n g b e i Zahlungen an a n d e r e G e w i n n b e t e i l i g u n g s b e r e c h t i g t e . § 56 handelt nicht von Zahlungen, die auf Grund von G e w i n n b e t e i l i g u n g s b e r e c h t i g u n g e n an Mitglieder des Vorstands (§ 77), des Aufsichtsrats (§ 98), an Angestellte der A G oder an Genußscheininhaber auf G r u n d des festgestellten Reingewinns zu leisten sind. Soweit diese Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet worden sind, kann die Gesellschaft sie nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 812 ff. BGB) zurückfordern. Gegenüber den Gesellschaftsgläubigern besteht keine Haftung, es sei denn nach Anfechtungsvorschriften oder nach § 826 BGB, keinesfalls nach § 56. Für die Frage, ob der Zahlung der Rechtsgrund gefehlt hat, ist in erster Linei der Inhalt des Vertrags entscheidend, soweit dieser nicht gegen zwingende Vorschriften (§§ 77, g8) verstößt. Gibt der Vertrag keinen anderen Anhalt, so werden Gewinnbeteiligungszahlungen auf Grund von nichtigen (oder mit Erfolg angefochtenen) Beschlüssen als des Rechtsgrundes entbehrend anzusehen sein, ebenso auch dann, wenn eine unrichtige Bilanz richtig gestellt wird (RArbG H R R 1929 Nr. 817). Wird eine unrichtige Bilanz nicht richtig gestellt u n d ist der Jahresabschluß auch nicht nichtig, so bildet die Bilanz, soweit nicht der Vertrag etwas anderes ergibt, die Rechtsgrundlage der Zahlung, eine ungerechtfertigte Bereicherung liegt also nicht vor. Gegen den hier behandelten Bereicherungsanspruch sind aber Einwendungen nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, also namentlich der Einwand, das zahlende Gesellschaftsorgan habe gewußt, d a ß die Gesellschaft nicht zur Leistung verpflichtet sei (§ 814 BGB). Bei Kollusion kommt der Einwand nicht in Betracht, weil die Klage sich dann auf unerlaubte H a n d lung (§ 826 BGB) stützen kann. Andererseits ist dem Empfänger der Einwand versagt, er habe die Leistung im guten Glauben als Gewinnanteil bezogen. Die Unkenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes hat aber f ü r den Einwand Bedeutung, die Bereicherung sei weggefallen (vgl. § 818 Abs. 3, 4 BGB und § 819 BGB). § 5 7 Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung (1) W e n n die S a t z u n g n i c h t s a n d e r e s b e s t i m m t , s i n d die A k t i o n ä r e z u r E i n z a h l u n g s o a u f z u f o r d e r n , w i e e s die S a t z u n g f ü r B e k a n n t m a c h u n g e n d e r Gesellschaft vorsieht. (2) A k t i o n ä r e , die den eingeforderten B e t r a g n i c h t rechtzeitig e i n z a h l e n , h a b e n ihn v o m E i n t r i t t d e r Fälligkeit a n m i t fünf v o m H u n d e r t f ü r d a s J a h r zu verzinsen. Weitere Schadenersatzansprüche sind nicht ausgeschlossen. (3) F ü r den Fall n i c h t rechtzeitiger E i n z a h l u n g kann die S a t z u n g V e r t r a g s strafen festsetzen. Üb ersieht Anm.

Einleitung

1

I. Die Voraussetzungen f ü r Zinsen und Vertragsstrafe 1. Allgemeines 2. Die Aufforderung zur Einzahlung a) Die rechtliche Bedeutung der Aufforderung b) Form und Inhalt der Aufforderung . . . .

2

3 4

Anm.

c) Die gleichmäßige Behandlung bei der Aufforderung 3. Die nicht rechtzeitige EinZahlung

I I . Die Pflicht zur Zahlung von Zinsen 1. Die Pflicht als Nebenpflicht zur Einlagepflicht . . . 2. Der Inhalt der Pflicht zur Zahlung von Zinsen . .

5 6

7 8 343

§57

I. Buch: Aktiengesellschaft

Ahm. 1—3 Anm.

I I I . Die Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe 1. Die Festsetzung in der Satzung 2. Die Vertragsstrafe für nicht rechtzeitige Erfüllung . . 3. Der Inhalt der Vertragsstrafe I V . Der derzeitige Aktionär als Schuldner

An

1. Der Begriff des derzeitigen Aktionärs 2. Die Verpflichtung bei gutgläubigen Erwerb . . .

13

V . Konkursrechtliche Fragen 1. Der Konkurs des zahlungspflichtigen Aktionärs . .

1

4r

2. Der Konkurs der Gesellschaft

Anm. 1 Die § § 5 7 bis 60 bilden eine Gruppe von Vorschriften, die anwendbar sind, wenn, die Aktionäre ihrer Hauptverpflichtung, der Leistung der Einlagen, nicht oder nicht gehörig nachkommen. Soweit dies bei Nebenverpflichtungen der Fall ist, gilt § 50 (vgl. Anm. 10ff. das.). Vorschriften über die Verzinsung rückständiger Einlagen und über die Zulässigkeit von Vertragsstrafen fanden sich schon in Art. 220 des alten H G B . Sie gingen im wesentlichen unverändert in das Gesetz von 1884 (Art. 184, 2 1 9 Abs. 2),. sodann in das H G B (§ 218) über und kehren in § 57 AktG wieder.

Anm. 2 I. Die Voraussetzungen für Zinsen und Vertragsstrafe. 1. A l l g e m e i n e s : Die ersten 25 v. H. der Bareinlage und das Aufgeld müssen v o r der Anmeldung der Gesellschaft oder vor der Anmeldung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals bereits eingezahlt sein (§ 28 Abs. 2, § 1 5 5 Abs. 2, § 1 7 0 Abs. 1). Regelmäßig können also die §§ 57ff. für diesen ersten Teil der Bareinlage nicht in Betracht kommen. Immerhin ist es denkbar, daß dieser Teil der Einzahlung unterblieben oder nicht ordnungsmäßig, etwa durch Verrechnung geleistet worden ist; alsdann sind die §§ 57 ff. auch hierauf anwendbar (§ 28 Anm. 12; R G 94, 65 oben; Brodmann § 218 Anm. 1 a ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6 ; Baumbach-Hueck Anm. 1; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 8 Anm. 3 ; Ritter Anm. 2; ebenso, anscheinend auch R G 144, 148, wo aber nur die Anwendbarkeit des § 220 H G B — jetzt § 59 AktG — in Frage stand und wegen der Ausgabe von Inhaberaktien verneint, werden mußte). Auf Sacheinlagen findet § 57 ebenso wenig Anwendung wie die §§ 58, 59. Das ist zwingend und kann durch die Satzung nicht abweichend geregelt werden. K o m m t der Aktionär mit seiner Einlage in Verzug, so kommen ausschließlich die in § 20 Anm. 18. dargelegten Grundsätze zur Anwendung (vgl. dazu § 58 Anm. 2).

Anm. 3 2. Die Aufforderung zur Einzahlung. a) Die r e c h t l i c h e B e d e u t u n g d e r A u f f o r d e r u n g : Die Verpflichtung zur Zahlung der restlichen Bareinlage wird erst fallig, wenn und soweit die Aktionäre zur Einzahlung aufgefordert worden sind ( R G 85, 368). Insoweit unterscheidet sich die Aufforderung von der Mahnung (§ 284 BGB), die ihrerseits Fälligkeit voraussetzt. Sie unterscheidet sich auch in ihrer Wirkung von der Mahnung, da sie nur die Fälligkeit der Einlageforderung herbeiführt und nicht zugleich auch den Verzug des säumigen Aktionärs begründet. Das gilt auch dann, wenn die Satzung einen bestimmten Zeitpunkt für die restliche Einzahlung vorgesehen hat. Auch in diesem Fall ist zur Herbeiführung der Fälligkeit der restlichen Einlageforderung eine Aufforderung erforderlich (Brodmann § 2 1 8 Anm. 2 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 8 Anm. 4 ; a. M . Ritter Anm. 3). Dabei tritt die Fälligkeit zu dem Zeitpunkt ein, der in der Aufforderung als Einzahlungstermin angegeben ist. 344

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 57 A n m . 4, 5 Anm. 4 b) Form und Inhalt der Aufforderung: Für die Form ist in erster Linie die Satzung, und zwar nicht nur die ursprüngliche, sondern auch die erst später geänderte Satzung maßgebend (vgl. § 18 Anm. 4). Enthält sie darüber keine Bestimmung, so ist die Aufforderung so zu erlassen, wie es die Satzung f ü r Bekanntmachungen der Gesellschaft vorsieht (§ 16 Abs. 3 Nr. 3). Es handelt sich also in diesem Fall um eine öffentliche Bekanntmachung und nicht wie bei der Mahnung um eine empfangsbedürftige (individuelle) Erklärung gegenüber dem einzelnen Aktionär. Die Bekanntmachung muß genügend ersehen lassen, auf welche Aktien sie sich bezieht. Da sich die Aufforderung an die Aktionäre richtet, ist es jedoch ausreichend, wenn der Inhalt der Bekanntmachung für diese ersichtlich ist. Ferner muß die Aufforderung den Zeitpunkt enthalten, zu dem die Leistungen zu zahlen sind. Mangels einer entgegenstehenden Satzungsbestimmung ist es unerheblich, wenn die Unterschrift des Vorstands unter der Bekanntmachung fehlt ( R G Bolze 5 Nr. 755). Der Vorstand muß die Aufforderung erlassen, da es sich hierbei um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt. Die Satzung kann hierfür nicht die Zuständigkeit der Hauptversammlung begründen (§ 103 Abs. 2; vgl. auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ; a. M . Wcipert § 203 Anm. 7; W. Schmidt Die Satzungen der Aktiengesellschaften 1938 S. 102). Der Vorstand kann im Innenverhältnis an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden werden (§95 Abs. 5 ; ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ; MöhringSchwartz Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht 1938 S. 37). An die Stelle des Vorstands tritt im Fall des Konkurses der Konkursverwalter, während der Abwicklung die Abwickler. Im Zweifel hat das pflichtgemäße Ermessen des Vorstands darüber zu entscheiden, ob er die Aufforderung zur Einzahlung an die Aktionäre erläßt, und in welchen Zeitabständen er die Zahlung der noch offen stehenden Einlagen verlangt. Die Aktionäre können gegenüber seiner Aufforderung nicht einwenden, daß für die weitere Einzahlung ein Bedürfnis nicht bestehe. Anders im Fall des Konkurses und der Abwicklung, da in der Zeit nach Auflösung der Gesellschaft nicht mehr eingefordert werden darf, als zur Befriedigung der Gläubiger nötig ist ( R G 79, 1 7 5 ; S e u f f A 87 Nr. 30). Z u r Frage der Aufforderung nach Abtretung der Einlageforderung vgl. § 60 Anm. 2 1 . ^ Anm. 5 c) Die gleichmäßige Behandlung bei der Aufforderung: Die Aufforderung muß an alle Inhaber derselben Ausgabe und Gattung von Aktien gleichmäßig unter Bestimmung eines einheitlichen Fälligkeitstermins ergehen. Eine verschiedenartige Behandlung der Aktionäre einer und derselben Ausgabe und Gattung würde|das Recht auf gleichmäßige Behandlung verletzen und ohne Zustimmung der benachteiligten Aktionäre nicht wirksam sein. Es geht nicht an, daß der eine aufgefordert wird, 25 v. H . , der andere, 50 v. H. einzuzahlen, der eine in drei Monaten, der andere in einem Monat. Der benachteiligte Aktionär kann gegenüber einer Klage einwenden, daß er ebenso gestellt werden müsse wie der bestbegünstigte, wenn also einzelne überhaupt nicht zur Zahlung aufgefordert sind, daß er gar nichts einzuzahlen habe. Die gegenteiligeJMeinung in R G 85, 367 beruht auf der nicht zu billigenden Auffassung, daß es sich um ein gewöhnliches Schuldverhältnis zwischen der A G und den Aktionären handle, während in Wirklichkeit die Aktionäre ihre Mitgliederpflichten erfüllen und hierbei das[Recht auf gleichmäßige Behandlung haben (so jetzt auch die herrsch. Ans: :ht im Schrifttum; abweichend nur Teichmann-Koehler Anm. 1). Die richtige Auffassung scheint der Entsch. R G 132, 3g6 4 für die G m b H zugrunde zu liegen. Eine ungleichmäßige Behandlung wäre auch dann anzunehmen, wenn die A G es gegenüber einzelnen Aktionären bei der Aufforderung bewenden ließe und nur andere verklagte. Indessen werden in solchem Fall gewisse zeitliche Unterschiede nach Treu und Glauben unvermeidlich, auch kann die Unterlassung der Klage gegen einzelne Aktionäre wegen deren Vermögenslosigkeit zwecklos sowie aus besonderen anderen Gründen gerechtfertigt sein. Das alles gilt auch dann, wenn der Gesellschafter eine Einlageforderung abgetreten hat (dazu im einzelnen § 60 Anm. 21).

345

§57

Anm. 6—9

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 6 3. Die nicht rechtzeitige Einzahlung: Zur Begründung der in § 57 genannten

Nebenpflichten ist es neben der Aufforderung zur Einzahlung des weiteren notwendig, daß ein einzelner Aktionär seiner Zahlungsverpflichtung zu dem in der Aufforderung genannten Zeitpunkt, also nach Eintritt der Fälligkeit (Anm. 3), nicht nachkommt. Dabei bedarf es zur Begründung des Anspruchs auf Zinsen nicht einmal eines Verzugs des säumigen Aktionärs. Der Aktionär kann sich also gegenüber dieser Verpflichtung nicht durch den Nachweis befreien, daß die (rechtzeitige) Einzahlung infolge eines Umstandes unterblieben sei, den er nicht zu vertreten habe (§ 285 B G B ) . Anders dagegen bei der Verpflichtung zur Zahlung einer in der Satzung vorgesehenen Vertragsstrafe. Hierfür ist im allgemeinen nach allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen Verzug, also eine schuldhaft nicht rechtzeitige Einzahlung notwendig (Anm. 10).

Anm. 7 II. Die Pflicht zur Zahlung von Zinsen. 1. Die Pflicht als Nebenpflicht zur Einlagepflicht: Die Pflicht zur Zahlung von

Zinsen f ü r die nicht rechtzeitige Erfüllung der fälligen Zahlungen auf die Bareinlage ist eine Nebenpflicht zur Einlagepflicht. Sie ist also nicht Inhalt der Einlagepflicht selbst. Das ist rechtlich bedeutsam. Die Vorschriften über die Einlagepflicht gelten nicht auch f ü r die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen. Es kann deshalb nicht wegen Verletzung dieser Verpflichtungen das Ausschlußverfahren (§ 58) eingeleitet und auch kein Rückgriff auf einen etwaigen Vormann (§ 59) genommen werden. Auch § 60 findet, insoweit keine Anwendung, so daß gegen einen späteren Erlaß durch die Gesellschaft nichts eingewendet werden kann. Desgleichen ist eine uneingeschränkte Abtretung und Verpfandung dieser Forderung durch die Gesellschaft zulässig. Schließlich brauchen die geleisteten Zahlungen an Zinsen nicht in die gesetzliche Rücklage (§ 130) eingestellt zu werden. Sie gehören nicht zu dem in § 130 Abs. 2 Nr. 2 genannten Aufgeld. Sie sind als Einnahmen in die Gewinn- und Verlustrechnung einzustellen und können zur V e r stärkung des verteilbaren Reingewinns verwandt werden. Die insoweit abweichende Ansicht von R u d . Fischer (EhrenbHdb. I I I 1 S. 368) und Wieland (Handelsrecht I I S. 52) wird heute im Schrifttum nicht mehr vertreten.

Anm. 8 2. Der Inhalt der Pflicht zur Zahlung von Zinsen: Der Ablauf der in der Auf-

forderung bestimmten Zahlungsfrist begründet ohne weiteres einen Anspruch auf 5 % Jahreszinsen ( R G 9, 44). Die Zinspflicht wird so behandelt wie bei beiderseitigen Handelsgeschäften (§ 353 H G B ) , auch wenn der Aktionär nicht K a u f m a n n ist. Auch die Höhe der Zinsen ist die handelsrechtliche (vgl. § 352 H G B ) . Einer besonderen Bestimmung über die Zinspflicht in der Satzung bedarf es nicht. Die Satzung kann aber einen anderen Zinsfuß bestimmen. Ist dieser niedriger, so gilt er ohne weiteres. Ist er jedoch höher als 5 % , so ist der Mehrbetrag im Rechtssinn eine Vertragsstrafe. E r kann daher von der Gesellschaft nur verlangt werden, wenn die weitere Voraussetzung f ü r die Vertragsstrafe — Verzug des säumigen Aktionärs (Anm. 10) — gegeben ist (Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5 ; a. M . Ritter Anm. 6 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 ; wohl auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 8 Anm. 8). Ansprüche auf Ersatz eines weitergehenden Schadens läßt das Gesetz ausdrücklich zu (vgl. §§ 286, 288 Abs. 2 BGB). Ein solcher kann z. B. dadurch entstehen, daß das Ausbleiben der Einzahlung die Gesellschaft nötigt, Kredit aufzunehmen. Voraussetzung f ü r die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs ist aber Nachweis eines weitergehenden Schadens und Verzug.

Anm. 9 III. Die Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe. 1. D i e F e s t s e t z u n g i n d e r S a t z u n g : Die Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung der Einlagepflicht ist nur gegeben, wenn die Satzung eine dahingehende Bestimmung enthält. Die Bestimmung muß grundsätzlich in der

346

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 57 Anra. 10, 1 1 ursprünglichen Satzung enthalten sein; die nachträgliche Festsetzung einer Vertragsstrafe durch Satzungsänderung bedarf der Zustimmung aller davon betroffenen Aktionäre. War jedoch bei einer Kapitalerhöhung die Satzungsänderung schon vor der Übernahme der Aktien in Kraft getreten, so ist die in einer solchen Satzungsänderung getroffene Bestimmung über eine Vertragsstrafe für die Einzahlung auf die neuen (jungen) Aktien wirksam.

Anm. 10 2. Die V e r t r a g s s t r a f e f ü r die n i c h t rechtzeitige E r f ü l l u n g : Eine Vertragsstrafe darf nur für die nicht rechtzeitige Erfüllung der Einlagepflicht, nicht aber auch für den Fall ihrer Nichterfüllung vorgesehen werden. § 340 BGB findet daher hier keine Anwendung; vielmehr kann die Gesellschaft stets neben der Strafe auch die Erfüllung der Einlagepflicht verlangen (§ 341 BGB). Für die Vertragsstrafe ist Verzug des säumigen Aktionärs erforderlich (§ 33g BGB). Dieser setzt außer der stets notwendigen allgemeinen Aufforderung zur Einzahlung (Anm. 3 fr.) des weiteren eine individuelle, an den säumigen Aktionär gerichtete und empfangsbedürftige Mahnung (§ 284 BGB) voraus, es sei denn, daß die besonderen Voraussetzungen des § 284 Abs. 2 BGB gegeben sind. Ferner liegt Verzug des säumigen Aktionärs nur vor, wenn die Zahlung infolge eines Umstands unterblieben ist, den der Aktionär zu vertreten hat (§ 285 BGB). Zu vertreten hat er Vorsatz und Fahrlässigkeit seiner selbst und seiner Erfüllungsgehilfen (§§ 276, 278 BGB). Ist er Kaufmann und der A G im Betriebe seines Handelsgewerbes beigetreten, so haftet er für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 HGB). Die Haftungsbeschränkung für die Gesellschafter (§ 708 BGB) ist nicht anwendbar ( vgl. § 50 Anm. 8). Hat die A G Anspruch auf Schadensersatz, so bildet die Vertragsstrafe den Mindestbetrag ihres Schadensersatzanspruchs. Nimmt sie die Einzahlung an, ohne sich den Anspruch auf die Vertragsstrafe vorzubehalten, so kann sie diese nicht mehr verlangen, wohl aber noch Schadensersatz. Ist die Strafe unverhältnismäßig hoch, so gilt das richterliche Ermäßigungsrecht nach § 343 HGB, es sei denn, daß der Aktionär — d. h. nicht der erste Nehmer, sondern derjenige, derzur Zeit der Verletzung der Einzahlungspflicht Aktionär ist oder wegen seiner Eintragung im Aktienbuch dafür gilt (§ 62 Abs. 3) — zur Zeit des Erwerbs Vollkaufmann war und der A G im Betriebe seines Handelsgewerbes beigetreten ist. (herrsch. Ansicht; a.M. Staub-Pinner § 218 Anm. 7, die insoweit den Zeitpunkt der Verpflichtung für maßgebend halten). Z i n s e n u n d V e r t r a g s s t r a f e k ö n n e n in der S a t z u n g n e b e n e i n a n d e r v o r g e s e h e n sein Ist das nicht der Fall, so sind, entsprechend der Entsch. R G 9, 44, auch nach jetzigem Recht neben der Vertragsstrafe nicht noch Zinsen zu fordern. Ein die Vertragsstrafe übersteigender Schadensersatz kann nur dann gefordert werden, wenn ein entsprechender Schaden nachgewiesen wird, und ebenso wie die Vertragsstrafe nur unter der Voraussetzung des Verzuges.

Anm. 11 3. D e r I n h a l t d e r V e r t r a g s s t r a f e : Als Gegenstand der Vertragsstrafe kommt in erster Linie eine Geldzahlung von bestimmter Höhe in Betracht. Es können aber auch (vgl. § 342 BGB) in der Satzung andere Leistungen als Inhalt der Vertragsstrafe vorgesehen werden. Insoweit gilt jedoch aus aktienrechtlichen Gründen eine Einschränkung. Inhalt der Vertragsstrafe darf niemals der Entzug des Mitgliedschaftsrechts sein. § 58, der den Ausschluß eines Aktionärs im Fall der Nichtserfüllung der Einlagepflicht regelt, ist zwingenden Rechts auch zugunsten der Aktionäre (§ 58 Anm. 2). Auch die Beschränkung in der Ausübung von Verwaltungsrechten (z. B. Ausschluß vom Stimmrecht) kann nicht als Gegenstand einer Vertragsstrafe bestimmt werden, weil das ebenfalls gegen zwingende aktienrechtliche Grundsätze (§ 12) verstoßen würde (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 218 Anm. 9; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; Baumbach-Hueck Anm. 4). Etwas anderes dürfte lediglich für den Entzug des Gewinnrechts als Inhalt der Vertragsstrafe während der Dauer des Verzuges gelten, da eine solche Vertragsstrafe im Ergebnis einer Geldzahlung als Gegenstand einer Vertragsstrafe gleichkommt.

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§57

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 12—14 Anm. 12 IV. Der derzeitige Aktionär als Schuldner. 1. D e r B e g r i f f des derzeitigen A k t i o n ä r s : Die Pflicht zur Zahlung von Zinsen und zur Zahlung einer in der Satzung vorgesehenen Vertragsstrafe trifft grundsätzlich denjenigen, der in dem Zeitpunkt, in dem die restliche Einlageforderung fallig wird (Anm. 3), gegenüber der Gesellschaft als Aktionär gilt. Da die Gesellschaft vor Vollzahlung der Einlage nur Namensaktien oder Zwischenscheine ausgeben darf (§ 10 Abs. 2, 3), ist derjenige verpflichtet, der in dem maßgeblichen Zeitpunkt im Aktienbuch als Aktionär verzeichnet ist (§ 62 Abs. 3 ; R G 86, 159). Niemals kommt es also insoweit darauf an, wer im Zeitpunkt der Aufforderung der Gesellschaft gegenüber als Aktionär galt. Zweifelhaft ist es, wen die Zahlungspflicht trifft, wenn die Aktie nach der Fälligkeit auf einen anderen wirksam übertragen worden ist. Hier wird man mit v. GodinWilhelmi Anm. 9 annehmen müssen, daß der Erwerber auch zur Zahlung der Zinsen verpflichtet ist, die sich auf den Zeitraum von der Fälligkeit bis zum Erwerb der Aktie beziehen, daß er dagegen nicht die Vertragsstrafe und den Schadensersatz schuldet, der sich auf den Verzug seines Vormanns gründet. Dieser Unterschied ist gerechtfertigt, weil Vertragsstrafe und Schadensersatz ein bestimmtes subjektives Moment in der Person des Ersatzpflichtigen voraussetzen (teilweise abweichend Schlegelberger-Quassowski Anm. 9). Der Erwerber haftet also in einem solchen Fall auf Vertragsstrafe und Schadensersatz nur, soweit die dafür notwendigen subjektiven Voraussetzungen (Verzug: Anm. 10, 8) in seiner Person gegeben sind.

Anm. 13 2. Die Verpflichtung bei gutgläubigen E r w e r b : Die Aktie ist auch schon vor der vollen Einzahlung der Bareinlage übertragbar. D a sie in diesem Fall notwendiger Weise Namensaktie ist und da ferner in ihr der Betrag der geleisteten Teilzahlungen angegeben werden muß (§ 10 Abs. 2), ist dem Erwerber im Regelfall bekannt, wie hoch der Betrag der noch ausstehenden Teilzahlungen ist. I n diesem Fall haftet er daher auch der Gesellschaft f ü r die noch rückständige Einlage. Das ist jedoch anders, wenn die Gesellschaft im Einzelfall entgegen der Vorschrift des § 10 Abs. 2 vor der Einzahlung der Bareinlage entweder Inhaberaktien ausgegeben oder den Betrag der bereits geleisteten Teilzahlungen zu hoch angegeben hat. In einem solchen Fall muß der gute Glaube des Erwerbers geschützt werden (vgl. dazu im einzelnen § 49 Anm. 20). Das hat zur Folge, daß der Erwerber von der Gesellschaft nicht in Anspruch genommen werden kann, soweit er sich auf die Ausgabe der Inhaberaktie oder auf die Eintragung in der Namensaktie gutgläubig verlassen hat ( R G 144, 1 4 5 ; K G J W 1927, 2434). Die weitere Folge ist, daß er auch nicht auf Zahlung von Zinsen oder auf die Entrichtung einer Vertragsstrafe von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden kann, da er j a nicht der Schuldner der restlichen Einlageverpflichtung ist (herrsch. Ansicht; abweichend nur Ritter Anm. 3 d ) . Da in einem solchen Fall der schlechtgläubige Veräußerer der Gesellschaft f ü r die restliche Einlageschuld unmittelbar weiter verhaftet bleibt (ebenso Flechtheim B a n k A 30, 196/97; a. M . Brodmann § 2 1 8 A n m . i a ; vgl. dazu auch § 49 Anm 20), kann es sich hier nur fragen, ob der schlechtgläubige Veräußerer dann auch Zinsen und etwaige Vertragsstrafen nach § 57 schuldet. Diese Frage ist zu verneinen (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 8 Anm. 3), da § 57 — ebenso §§ 58/59 — nur auf den derzeitigen Aktionär, nicht auch auf einen früheren Aktionär Anwendung findet.

Anm. 14 V. Konkursrechtliche Fragen. 1. D e r K o n k u r s des zahlungspflichtigen A k t i o n ä r s : I m K o n k u r s e des Aktionärs kann die A G den Einlagerückstand und den Schadensersatz als Konkursforderung geltend machen, ebenso die schon verwirkte Vertragsstrafe und die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen Zinsen ( § 6 2 K O ) . Sie ist nicht genötigt, vorher das Kaduzierungsverfahren nach § 58 einzuschlagen ( R G 79, 1 7 8 ; herrsch. Ansicht im Schriftum; a. M Brodmann § 2 1 8 A n m 6 c). Der Konkursverwalter des Aktionärs hat nicht die

348

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft ud der Gesellschafter (Fischer) § 57 A n m , 15 Rechte aus § 17 K O (heute unstreitig). Ein gegenseitiger Vertrag zwischen der AG und dem Aktionär liegt nicht in dem Mitgliedverhältnis (§ 2 Anm. 3; vgl. auch R G 122, 349). Dieses ist dadurch hergestellt, daß der Aktionär mit der Eintragung der Gesellschaft oder mit der Eintragung der durchgeführten Kapitalerhöhung Mitglied geworden ist (RG 79, 177). Die etwa noch ausstehende Aushändigung der Aktienurkunde dient nur zur Legitimation des Aktionärs und hat für die Anwendbarkeit des § 17 K O keine Bedeutung (RG 79, 177). Die Gesellschaft ist nicht verpflichtet, ja nicht einmal berechtigt, gegen Auszahlung der Konkursdividende eine Inhaberaktie auszuhändigen, da eine solche nur bei Vollzahlung ausgegeben wird ( § 1 0 Abs. 2). Eine Namensaktie mit dem Vermerk der Teilzahlung kann der Konkursverwalter dann verlangen, wenn die Ausgabe solcher Aktien angeordnet ist (§ 10 Anm. 9) und die Zahlung den danach erforderlichen Teilbetrag erreicht. Der Konkursverwalter ist aber nach § 6 KO berechtigt, wenn das im Interesse der Masse liegt, die eingeforderten Einlagen zu bezahlen und dadurch das Kaduzierungsverfahren abzuwenden, sogar Vollzahlung zu leisten und dadurch den Anspruch auf Aushändigung der Aktienurkunde für die Masse zu erwerben. Im Falle eines Zwangsvergleichs im Konkurse oder Vergleichsverfahren gilt die Zahlung der Vergleichsquote, unbeschadet des Bestehenbleibens iner natürlichen Verbindlichkeit, als Vollbefriedigung. Die Gesellschaft kann daher in solchem Falle zur Aushändigung der Aktienurkunde genötigt werden, obwohl sie in Wirklichkeit nicht die volle Einlage erhalten hat (herrsch. Ansicht im Schrifttum; a. M. Staub-Pinner § 219 Anm. 9). A n m . 15 2. Der Konkurs der Gesellschaft: Im Konkurse der AG treibt deren Konkursverwalter die Einlagerückstände ein, da der Anspruch auf diese Rückstände zur Konkursmasse gehört (RG 133, 82). Aber auch hier bedarf es zur Herbeiführung der Fälligkeit einer Aufforderung gemäß Abs. 1. Die Aufforderung auszusprechen, ist ebenfalls Aufgabe des Konkursverwalters (Anm. 4). Der Aktionär muß Vollzahlung leisten; er kann aber gegebenenfalls einwenden, daß mehr eingefordert werde, als zur Befriedigung der Gläubiger nötig sei (Anm. 4 a. E.). Hat er Vollzahlung geleistet, so kann er vom Konkursverwalter die Aushändigung der Aktienurkunde verlangen, aber nur, falls sie schon ausgefertigt ist. Das Reichsgericht (RG 94, 64; ebenso Brodmann § 218 Anm. 6b) begründet das damit, daß der Aktionär mit der vollen Leistung seiner Einlage Eigentümer der Urkunde nach § 952 BGB geworden sei und deshalb ein Aussonderungsrecht nach § 43 K O habe. Diese Begründung erscheint jedoch nicht richtig, da ein Eigentumsübergang nach § 952 BGB hier nicht stattfindet (vgl. dazu die kritischen Bemerkungen bei Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 218 Anm. 17; Jaeger J W 1919, 190). Auch die Einschränkung in der Vorauf!. Anm. 12 dahin, daß § 952 BGB zwar auf bereits ausgestellte Inhaberaktien keine Anwendung finden könne, aber doch bei ausgestellten Namensaktien zum Zuge komme, begegnet Bedenken (dazu Näheres § 61 Anm. 8,9). Der Anspruch des Aktionärs auf Aushändigung einer bereits ausgestellten Urkunde ergibt sich vielmehr allein daraus, daß es sich bei diesem Anspruch um eine Masseforderung handelt, nachdem der Konkursverwalter die Zahlung der restlichen Einlage entgegengenommen hat (§59 Nr. 1 KO). Entgegen der Ansicht von Düringer-Hachenburg-Flechtheim aaO. gilt das gleiche jedoch nicht, wenn im Zeitpunkt der Zahlung Aktienurkunden noch nicht ausgefertigt waren, und zwar deshalb nicht, weil die Ausfertigung von Aktienurkunden nicht Sache des Konkursverwalters, sondern Sache des Abwicklers der AG ist, der im Konkursverfahren neben dem Konkursverwalter in seiner Stellung bleibt. Der Aktionär kann daher den Anspruch auf Ausfertigung der Aktienurkunden auch nur gegen die durch den Abwickler vertretene AG geltend machen (ebenso schon die Voraufl. Anm. 12; die Begründung in R G 94, 64 ist auch in diesem Punkt abzulehnen, insofern ist die Kritik von Düringer-Hachenburg-Flechtheim aaO. sicherlich berechtigt).

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§58 Anm. 1

§ 5 8 Ausschluß säumiger Aktionäre (1) Aktionären, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, kann eine Nachfrist m i t der Androhung gesetzt werden, daß sie n a c h F r i s t ablauf ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden. (2) Die Nachfrist m u ß d r e i m a l in den Gesellschaftsblättern bekanntgem a c h t werden; die erste Bekanntmachung m u ß mindestens drei Monate, die letzte mindestens einen Monat vor Fristablauf ergehen. Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so genügt an Stelle der öffentlichen Bekanntmachungen die einmalige Einzelaufforderung an die säumigen Aktionäre; dabei m u ß eine Nachfrist gewährt werden, die mindestens einen Monat seit dem Empfang der Aufforderung beträgt. (3) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag t r o t z d e m nicht zahlen, werden durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt. (4) Anstelle der alten Urkunden werden neue ausgegeben; diese haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rückständigen Betrag anzugeben. F ü r den Ausfall der Gesellschaft an diesem Betrag oder an den später eingeforderten Beträgen haftet ihr d e r ausgeschlossene Aktionär. Übersicht Anm.

Einleitung

i

I. Der Anwendungsbereich für das Ausschlußverfahren . .

2, 3

II. Die Voraussetzungen für das Ausschlußverfahren . . .

4

III. Die Einleitung des Ausschlußverfahrens 1. Der Entschluß zur Einleitung des Verfahrens .

5

2. Die Setzung einer Nachfrist unter Androhung der Verlustigkeitserklärung a) Inhalt rung

dieser

Erklä-

6

b) Form dieser Erklärung

7

c) Die gleichmäßige Behandlung

8

Anm.

IV. Die Verlustigkeitserklärung 9 1. Der Inhalt und der Zeitpunkt der Verlustigkeitserklärung 10 2. Die Form der Verlustigkeitserklärung 11 3. Die Wirkung der Verlustigkeitserklärung . . 12—14 4. Die Ersatzhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs 15 V . Die Ausstellung einer neuen Urkunde 1. Die alte Aktienurkunde 2. Die neue Aktienurkunde V I . Das fehlerhafte Verfahren . 1. Die Rechte des betroffenen Aktionärs 2. Die Rechtsstellung des gutgläubigen Erwerbers

16 17 18 19 20

VII. Konkursrechtliche Fragen . 21 Anm. 1 Schon das alte HGB eröffnete der A G neben der Möglichkeit, rückständige Einlagen im Klagewege zu erlangen, den Weg des Kaduzierungsverfahrens (Art. 221 Abs. 2). Dieses wurde im Gesetz von 1884 näher ausgestaltet (Art. 184a, 184b, 219 Abs. 2). Die Bestimmungen gingen im wesentlichen unverändert in die §§ 219, 220 HGB über und sind vom AktG in den §§ 58, 59 übernommen worden. Das Verfahren besteht darin, daß der Aktionär, der nicht zahlt, seines Anteilrechts für verlustig erklärt, dann Rückgriff gegen die Vormänner genommen und schließlich, wenn alles fehlschlägt, die Aktie verkauft wird.

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 58 Anm. 2

Anm, 2 I. Der Anwendungsbereich für das Ausschlußverfahren. In § 58 wird das Ausschlußverfahren erschöpfend und abschließend geregelt. Diese Vorschrift ist zwingendes Recht, und zwar sowohl zugunsten der Gesellschaft wie aber auch zugunsten der einzelnen Aktionäre. Die Satzung kann insoweit nichts Abweichendes bestimmen (Karlsruhe O L G E 43, 309; K G J W 1930, 2712). Die Möglichkeit eines Ausschlusses kann daher durch die Satzung nicht beseitigt, eingeschränkt oder erschwert werden. Das gilt in jeder Hinsicht. Andererseits kann aber das Ausschlußverfahren auch nicht durch die Satzung auf andere Tatbestände ausgedehnt oder mit Rücksicht auf die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen in irgendeiner Form, etwa durch Abkürzung der Fristen, erleichtert werden. Nach § 58 findet das Ausschlußverfahren nur Anwendung, wenn ein Aktionär mit seiner Bareinlage im Rückstand ist. Es kann daher nicht durch eine Satzungsbestimmung auch dann für anwendbar erklärt werden, wenn sich ein Aktionär mit wiederkehrenden Nebenleistungen (§ 50 Anm. 14) oder mit den nach § 57 geschuldeten Zinsen, Vertragsstrafen oder Schadensersatzleistungen im Rückstand befindet (§ 57 Anm. 7, 1 1 ) . Das gilt auch für die umstrittene Frage, ob das Ausschlußverfahren durch die Satzung dann für anwendbar erklärt werden kann, wenn ein Aktionär die zugesagte Sacheinlage nicht rechtzeitig erbringt ( R G 68, 271), und zwar auch hier lediglich aus dem Grunde, weil § 58 als zwingende Vorschrift ebenfalls zugunsten der Aktionäre gilt und nicht zu ihren Lasten auf einen weiteren Tatbestand erstreckt werden kann. Dieser allein maßgebliche Grund wird von der herrschenden Ansicht, die im Ergebnis denselben Standpunkt vertritt (vgl. etwa Brodmann § 219 Anm. 1 b; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 219 Anm. 2; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 1 ; a. M. Ritter Anm. 2; Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1932 S. 55), nicht immer genügend beachtet. Denn insoweit wird zur Begründung der zutreffenden Ansicht vielfach angeführt (vgl. Düringer-Hachenburg-Flechtheim aaO.; v. GodinWilhelmi aaO.), daß sich eine Anwendung des § 58 auf Sacheinlagen deshalb verbiete, weil dadurch die Sacheinlegungspflicht in eine Geldeinlegungspflicht übergehen und weil dies der Vorschrift des § 60 widerstreiten würde. Daß diese Begründung nicht richtig sein kann, hat Ritter aaO. dargelegt, indem er zutreffend darauf hinweist, daß sich die Sacheinlegungspflicht bei nachträglicher Unmöglichkeit ebenfalls in eine Geldeinlegungspflicht umwandelt (vgl. § 20 Anm. 17), und daß daher unter diesem Gesichtspunkt kein hinreichender Grund besteht, im Fall der Säumnis des Sacheinlegers eine solche Umwandlung für unzulässig zu erklären. Maßgeblich ist vielmehr — und das übersieht Ritter bei seiner gegenteiligen Ansicht —, daß die Anwendung des § 58 auf Sacheinlagen zu einer entscheidenden Schlechterstellung des dadurch betroffenen Aktionärs führen würde. Im Fall einer nachträglichen Unmöglichkeit der Sacheinlage kann sich der Aktionär vor einem Ausschlußverfahren dadurch schützen, daß er statt der Sacheinlage die an ihre Stelle getretene Geldeinlegungspflicht erfüllt; im Fall der Säumnis könnte er das nicht, da für das Verhältnis zwischen ihm und der Gesellschaft eine Umwandlung seiner Sacheinlagepflicht nicht eingetreten ist. Eine solche Schlechterstellung des Aktionärs zu verhindern, ist aber gerade die Aufgabe des § 58 mit seinem zwingenden Charakter auch zugunsten der Aktionäre, so daß aus diesem Grunde, und zwar allein aus diesem Grund die Vorschrift des § 58 nicht durch eine Satzungsbestimmung auch auf Sacheinlagen für anwendbar erklärt werden kann (im Ergebnis wie hier Crisolli Z H R 93, 238/39). Der zwingende Charakter des § 58 bewährt sich auch gegenüber solchen Satzungsbestimmungen von Versicherungsgesellschaften, die das Ausschlußverfahren auf den Fall ausdehnen, daß Aktionäre nicht die Sicherheit leisten, die die Gesellschaft für den einstweilen nicht eingeforderten Betrag, meistens in Form von Wechseln, verlangt. Auch eine solche Ausdehnung ist unzulässig ( K G J W 1930, 2 7 1 2 ; Düringer-Hachenburg-FIechtheim § 219 Anm. 2 m. w. N.; a. M. Pinner J W 1930, 2 7 1 2 ; ders. ZB1HR 1930» 3o8).

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§58 Anm. 3—5

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Anm. 3 Eine andere Frage ist es, ob ein einzelner Aktionär durch eine besondere schuldrechtliche V e r e i n b a r u n g die Verpflichtung übernehmen kann, für bestimmte Fälle, etwa bei nicht rechtzeitiger Erfüllung von Nebenpflichten oder bei nicht rechtzeitiger Entrichtung von Vertragsstrafen, mit dem Verkauf seiner Aktie durch die Gesellschaft einverstanden zu sein. Die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen kann nicht in Zweifel gezogen werden, weil sich das ohne weiteres aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ergibt. Es kann insoweit auf die Ausführungen in Anm. io zu § 49 verwiesen werden. Anm. 4 II. Die V o r a u s s e t z u n g f ü r d a s A u s s c h l u ß v e r f a h r e n . Vorausgesetzt ist, daß der eingeforderte Betrag nicht rechtzeitig eingezahlt w o r d e n i s t . Es muß also in jedem Fall schon eine Aufforderung nach § 57 vorangegangen sein, und zwar selbst bei offenbarer Zahlungsunfähigkeit oder bei Konkurs des Aktionärs. Denn erst die Aufforderung führt die Fälligkeit der noch ausstehenden Einlagebeträge herbei (§ 57 Anm. 3) und erst nach Eintritt der Fälligkeit kann davon gesprochen werden, daß der eingeforderte Betrag nicht rechtzeitig eingezahlt worden ist. Da das Gesetz von „Aktionären" spricht, so setzt es weiter voraus, daß die Gesellschaft oder die durchgeführte Kapitalerhöhung schon eingetragen ist (§§ 34, 156, 170 Abs. 1 ; R G 54, 390, vgl. auch R G 58, 551). Auf die vor der Anmeldung einzuzahlenden 25 v. H. und das Aufgeld (§ 28 Abs. 2, § 155 Abs. 2, § 170 Abs. 1) kann sich das Kaduzierungsverfahren — ebenso wie die Aufforderung nach § 57 (Anm. 2 das.) — nur dann beziehen, wenn diese Einzahlung regelwidrig nicht oder nicht ordnungsmäßig, etwa durch Verrechnung, geleistet worden ist. Sind I n h a b e r a k t i e n gesetzwidrig vor der Vollzahlung ausgegeben worden, so ist das Kaduzierungsverfahren nicht anwendbar (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 9 Anm. 2; Ritter Anm. 3 b). Denn der redliche Erwerber einer Inhaberaktie haftet nicht für den rückständigen Betrag (§ 57 Anm. 13), und auf unredliche Erwerber läßt sich das Verfahren nicht beschränken. Daß überhaupt schon Aktienurkunden oder Zwischenscheine ausgegeben worden sind, ist nicht vorausgesetzt. Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Aktionär sich im Verzuge befindet (§ 285 BGB). Nicht rechtzeitige Einzahlung genügt. Den etwas zweifelhaften Ausdruck „säumige Aktionäre" in § 219 HGB hat das AktG im Abs. 1 vermieden; nur in der Überschrift zum § 58 und im Abs. 2 findet er sich (übereinstimmend Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). Anm. 5 III. Die Einleitung des A u s s c h l u ß v e r f a h r e n s , i. D e r E n t s c h l u ß zur Einleitung d e s V e r f a h r e n s : Wem die E n t s c h e i d u n g d a r ü b e r z u s t e h t , ob das K a d u z i e r u n g s v e r f a h r e n e i n g e l e i t e t w e r d e n s o l l , konnte bisher die Satzung bestimmen. Mangels einer Satzungsbestimmung entschied der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen, ohne also beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verpflichtet zu sein, das Verfahren einzuleiten (RG 79, 178). Das wird auch jetzt noch anzunehmen sein, da es sich nicht um eine Frage der Geschäftsführung (§ 95 Abs. 5, § 103 Abs. 2), sondern um das Verhältnis der A G zu ihren Mitgliedern handelt (Teichmann-Koehler Anm. 1 b; ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 3 ; Baumbach-Hueck Anm. 2; a. M. Brodmann § 219 Anm. 3; Düringer-HachenburgFlechtheim § 219 Anm. 4, die für alle Fälle von der Zuständigkeit des Vorstandes ausgehen; ebenso wohl auch Möhring-Schwartz Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht 1938 S. 37). Insofern ist also hier die Rechtslage eine grundlegend andere wie bei der Aufforderung gemäß § 57 (§ 57 Anm. 4), die ausschließlich eine Maßnahme der Geschäftsführung ist. Im Abwicklungsverfahren tritt an die Stelle des Vorstands der Abwickler. Im Konkurse der A G steht die Entscheidung dem Konkursverwalter zu, der auch das Kaduzierungsrecht ausübt (vgl. R G 86, 422 oben). Das eingeleitete Verfahren braucht nicht notwendig durchgeführt zu werden. Die A G kann daher, auch wenn sie schon eine Nachfrist (Abs. 2) gesetzt hatte, das Verfahren abbrechen (herrsch. Ansicht; abweichend wohl nur Wieland Handelsrecht II S. 246, der annimmt, daß das 352

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 58 Anm. 6, 7 einmal eingeleitete Verfahren auch auf jeden Fall durchgeführt werden muß), von der Kaduzierung absehen und diejenigen Aktionäre, die auch innerhalb der Nachfrist noch nicht gezahlt haben, auf Zahlung verklagen, gegebenenfalls Konkursforderungen geltend machen (§57 Anm. 14). Der Abbruch kann sich empfehlen, wenn die Aktionäre zahlungsfähig sind. Der angedrohte Ausschluß gibt ihnen kein Leistungsverweigerungsrecht (RG 51, 416). Dagegen wäre es unzulässig, einzelnen Aktionären bei der Durchführung des Verfahrens Erleichterungen oder gar Befreiungen zu gewähren. Wird das Verfahren durchgeführt, so regelt es sich nach den gesetzlichen Vorschriften, auch die Satzung kann daran nichts ändern (KG OLGE 1, 435; Gelle OLGE 6, 191). Jeder Aktionär kann aber die Kaduzierung, solange sie noch nicht ausgesprochen ist, durch Zahlung des rückständigen Betrages (Anm. 4) von sich abwenden (Anm. 12). Dagegen hat er nicht das Recht, sich gegen Aufgabe der Aktie (Abandon) seiner Zahlungspflicht zu entledigen. Anm. 6 2. Die Setzung einer Nachfrist unter Androhung der Verlustigkeitserklärung. a) Inhalt dieser Erklärung: Der erste Teil des Kaduzierungsverfahrens besteht in der Setzung einer Nachfrist mit der Androhung, daß nach Fristablauf die Aktionäre ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen würden für verlustig erklärt werden. Diese oder gleichlautende Worte müssen gebraucht werden. Die Androhung: „Zur Vermeidung der gesetzlichen Nachteile" würde nicht genügen (ebenso v. GodinWilhelmi Anm. 3). Die Aktionäre brauchen nicht mit Namen genannt zu werden; selbst die Angabe der Aktiennummern ist nicht unbedingt erforderlich, wenn nur die Bezeichnung deutlich genug ist, daß diejenigen, denen die Androhung gilt, sie nach Treu und Glauben auf sich beziehen müssen. Das Kammergericht hat in OLGE 1, 435 die Angabe: „Alle die Zeichner, die sich mit der Einzahlung der fünften Rate im Rückstand befinden" nicht für genügend erachtet, weil im Rückstand, ohne es zu wissen, auch diejenigen seien, deren rechtzeitig abgeschickte Geldsendung die AG nicht erreicht habe. In der Tat ist dieses Bedenken begründet. Man kann auch nicht annehmen, daß nur die Kaduzierung derjenigen Aktien nichtig gewesen wäre, deren Inhaber aus jenem Grunde die Androhung nicht auf sich zu beziehen brauchten. Denn das Verfahren kann nur im ganzen gültig oder nichtig sein. Die Nachfrist kann erst gesetzt werden, wenn der Zeitpunkt verstrichen ist, der in der Aufforderung für die Zahlung des eingeforderten Einlagebetrages bezeichnet ist (vgl. dazu § 57 Anm. 4). Daraus folgt, daß die Setzung der Nachfrist nicht mit der Aufforderung nach § 57 verbunden werden kann, sondern ihr stets nachfolgen muß (KG O L G E 19, 376; Brodmann § 219 Anm. 3; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 2; a. M. Ritter Anm. 3d). Anm. 7 b) F o r m dieser Erklärung: Die Nachfrist mit der Androhung muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden, also jedenfalls im BAnz. (§ 18). Die erste Bekanntmachung muß mindestens drei Monate, die letzte muß mindestens einen Monat vor Fristablauf ergehen. Welche Zwischenräume zwischen den einzelnen Bekanntmachungen zu liegen haben, ist nicht bestimmt. Gleichzeitig können sie nicht erscheinen, weil alsdann keine dreimalige Bekanntmachung herauskäme. Ein Zwischenraum von einem Tage würde aber genügen, selbst der Zwischenraum zwischen Morgen- und Abendblatt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Bei gebundenen Namensaktien (§61 Abs. 3) genügt eine einmalige Einzelaufforderung mit einmonatiger Nachfrist. Eine besondere Form ist dafür nicht vorgeschrieben. Einschreibebriefe o d e r Zustellungen durch Gerichtsvollzieher sind vorzugsweise geeignet Im übrigen sind besondere Erklärungen gegenüber den einzelnen Aktionären nicht nötig, nicht einmal die Beantwortung von Anfragen. Nur unter besonderen Umständen kann sich aus solcher Nichtbeantwortung eine Schadensersatzpflicht ergeben (OLG München HRuHB 1, 81), die Wirksamkeit des Kaduzierungsverfahrens bleibt davon unberührt. 23 Aktiengesetz, 2. Aufl.

353

§58

Anm. 8—10

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Anm. 8 c) Die g l e i c h m ä ß i g e B e h a n d l u n g : Die Gesellschaft ist verpflichtet, bei der Einleitung des Ausschlußverfahrens alle säumigen Aktionäre gleichmäßig zu behandeln (in diesem Punkt zutreffend R G 85, 368; vgl. im übrigen wegen der Kritik an dieser Entscheidung § 57 Anm. 5). Es ist grundsätzlich unzulässig, das Verfahren nur gegen einzelne Aktionäre einzuleiten und andere ebenfalls säumige Aktionäre insoweit zu verschonen. Ein solches Vorgehen würde gegen den auch hier geltenden Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Aktionäre verstoßen und damit das ganze Verfahren unzulässig machen (heute allg. Ansicht im Schrifttum). Die Gesellschaft ist nur beim Vorliegen besonderer Umstände befugt, gegen den einen oder den anderen säumigen Aktionär nicht mit dem Ausschlußverfahren vorzugehen, nämlich dann, wenn hierzu sachlich gerechtfertigte Gründe gegeben sind. Das ist etwa der Fall, wenn" die Zahlungsverpflichtung eines der Aktionär zwischen ihm und der Gesellschaft streitig ist und es daher sachgerecht erscheint, diese Frage zunächst durch eine gerichtliche Entscheidung zu klären. In einem solchen Fall ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Gesellschaft gegen die übrigen säumigen Aktionäre das Auschlußverfahren einleitet und gegebenenfalls auch durchführt, und wenn die Gesellschaft den seine Zahlungspflicht bestreitenden Aktionär durch K l a g e auf Zahlung seiner rückständigen Einlage in Anspruch nimmt und damit die Frage seiner Zahlungspflicht einer gerichtlichen K l a r stellung zuführt. Das Gebot der! gleichmäßigen Behandlung gilt insoweit nicht|nur f ü r die Einleitung, sondern auch f ü r die Durchführung des Verfahrens. Es kann daher ein eingeleitetes Verfahren grundsätzlich nicht gegenüber einzelnen Aktionären abgebrochen und gegen die übrigen zu Ende geführt werden. Auch ein solches Vorgehen würde die Unzulässigkeit des durchgeführten Ausschlußverfahrens zur Folge haben (wegen der Wirkungen eines unzulässigen Ausschlußverfahrens vgl. Anm. i 8 f f . ) .

Anm. 9 IV. Die Verlustigkeitserklärung. Der zweite Teil des Ausschlußverfahrens besteht darin, daß die Aktionäre, die trotz der Setzung der Nachfrist und trotz der Androhung den eingeforderten Betrag nicht oder nicht ganz bezahlt haben, ihrer Aktien u n d der entrichteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft f ü r verlustig erklärt werden.

Anm. 10 i. Der Inhalt und der Zeitpunkt der Verlustigkeitserklärung: Die Be-

k a n n t m a c h u n g muß die kaduzierten Aktien in einer f ü r d e n V e r k e h r erkennbaren Weise bezeichnen, denn der Verkehr soll vor dem Erwerb kaduzierter Aktien geschützt werden. Regelmäßig wird also die Angabe der Nummern der betroffenen Aktien erforderlich sein (vgl. K G O L G E 1, 435). Streitig ist es, w a n n die Bekanntmachung ergehen muß, ob das nämlich unverzüglich oder wenigstens ohne ungebührliche Verzögerung geschehen muß, mit der Folge, daß die Bekanntmachung anderenfalls unwirksam ist (so K G O L G E 1, 4 3 5 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 9 Anm. 7 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6 ; Ritter A n m . 4 b ; v. Godin-Wilhelmi A n m . 6; Baumbach-Hueck Anm. 4 A), oder ob es der Gesellschaft frei gestellt ist, wänn sie die Verlustigkeitserklärung durch öffentliche Bekanntmachung ausspricht (so Celle O L G E 6, 1 9 1 ; Vorauf!. Anm. 8; Brodmann § 2 1 9 A n m . 5 c). M a n wird sich im Grundsatz f ü r die erste Ansicht entscheiden müssen. Der Umstand, daß das Gesetz nicht eine unverzügliche Bekanntmachung vorschreibt und auch nicht eine ungebührlich verzögerte Bekanntmachung als unwirksam bezeichnet, besagt nichts Entscheidendes (a. M . in dieser Hinsicht Vorauf!. aaO.). Auch kann nicht mit Brodmann aaO. gesagt werden, daß in einer ungebührlichen Verzögerung der Bekanntmachung ein Verzicht auf das Ausschlußverfahren liege und daß ein solcher Verzicht angesichts des zwingenden Charakters des § 58 nicht wirksam sein könne. Abgesehen davon, daß eine ungebührliche Verzögerung der Bekanntmachung keine rechtsgeschäftliche Erklärung der Gesellschaft zu sein braucht, kann hier auch nicht davon gesprochen werden, daß damit die Gesellschaft endgültig das Recht zur Ausschließung verliert, was allerdings 354

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 58 A n m . 11—13 nicht möglich wäre; vielmehr ist dieser Fall dem anderen gleichzustellen, daß die Gesellschaft aus eigenem Entschluß von der Durchführung eines eingeleiteten Ausschlußverfahrens Abstand nimmt (vgl. dazu Anm. 5). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der allgemeine Rechtsgedanke der V e r w i r k u n g . Hierfür kommt es darauf an, ob ein zu langes Zögern der Gesellschaft mit der Bekanntmachung für den redlichen Verkehr, aber auch für den säumigen Aktionär den Eindruck vermitteln konnte und vermittelt hat, daß die Gesellschaft nun nicht mehr auf die Durchführung des zunächst eingeleiteten Ausschlußverfahrens beharren werde. A n m . 11 2. Die F o r m d e r V e r l u s t i g k e i t s e r k l ä r u n g : Die Verlustigkeitserklärung geschieht durch eine neue, einmalige Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (§ 18); mit der Bekanntmachung im letzten Gesellschaftsblatt wird der Ausschluß wirksam (abweichend insoweit nur Brodmann § 219 Anm. 5 c, der ohne Grund insoweit lediglich den Zeitpunkt der Veröffentlichung im Reichsanzeiger als maßgeblich ansieht). Eine solche Bekanntmachung ist im Unterschied zu der Nachfristsetzung (vgl. Anm. 7) stets, also auch bei gebundenen Namensaktien, erforderlich. A n m . 12 3. Die W i r k u n g d e r V e r l u s t i g k e i t s e r k l ä r u n g : Solange die Verlustigkeitserklärung nicht in allen Gesellschaftsblättern bekannt gemacht worden ist, ist sie noch nicht wirksam. Daher kann der Aktionär so lange noch seine Mitgliedschaftsrechte ausüben. Er kann, obwohl die Nachfrist bereits abgelaufen ist, auch noch durch Zahlung des rückständigen Betrages die Kaduzierung seiner Aktie abwenden ( R G D J Z 1903, 345 für GmbH) Daß dabei auch die Kosten des Ausschlußverfahrens erstattet werden, ist zu dieser Abwendung nicht erforderlich. Die Aktionäre, die das Verfahren durch Verzug, also schuldhaft, veranlaßt haben, sind zwar für die Kosten ersatzpflichtig (§ 286 BGB). Aber der Grund der Kaduzierung liegt ausschließlich in dem Rückstand mit dem eingeforderten Betrag, andere Leistungen kommen dafür nicht in Betracht (Anm. 2). A n m . 13 Die Wirkung der Verlustigkeitserklärung besteht darin, daß der betroffene Aktionär „seiner Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig" geht. Das ist, was die geleisteten Einzahlungen anlangt, recht ungeschickt ausgedrückt. Es soll — und darüber besteht kein Streit — soviel bedeuten, daß der ausgeschlossene Aktionär wegen seiner geleisteten Einzahlungen keinen Rückforderungsanspruch, insbesondere keinen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Gesellschaft hat. Unklar und außerordentlich umstritten ist, was es bedeuten soll, daß der Aktionär mit der Verlustigkeitserklärung seiner Aktien zugunsten der Gesellschaft verlustig geht. Es lassen sich insoweit drei Ansichten vertreten, wobei in allen drei Fällen davon auszugehen ist, daß das Mitgliedschaftsrecht durch die Verlustigkeitserklärung nicht untergeht. Und zwar einmal die Ansicht, daß mit der Kaduzierung zunächst die Gesellschaft Träger des Mitgliedschaftsrechts — freilich mit gewissen Einschränkungen — wird (so Vorauf!. Anm. 10 (mit dem etwas unklaren Ausdruck „Heimfall"); Brodmann § 219 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; wohl auch Baumbach-Hueck Anm. 4 B, bei ihnen im Anschluß an Feine Ehrenb. Hdb. I I I , 3 S. 307 der Vergleich mit der Eigentümergrundschuld, so auch Hachenburg-Schmidt Komm. GmbHG § 21 Anm.26; vgl. dazu schließlich auch R G 98, 278). Die andere Ansicht geht dahin, daß zunächst der betroffene Aktionär — aber nur mit beschränkten Rechten und Pflichten •— Träger des Mitgliedschaftsrechts bleibt (so Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 219 Anm. 8; ähnlich Ritter Anm. 4d). Nach der dritten Ansicht bleibt zwar das objektive Aktienrecht bestehen, es fehlt ihm aber vorübergehend der Rechtsträger (so v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Allen diesen Konstruktionsversuchen haftet etwas Unbefriedigendes an. Der Vergleich mit der Eigentümergrundschuld verwischt den praktisch bedeutsamen Unterschied zwischen der Kaduzierung und dem Erwerb eigener Aktien durch die Gesell23'

355

§58 A n m . 14, 15

I. Buch: Aktiengesellschaft

schaft (dazu Anm. 14). Das wird besonders deutlich, wenn die Gesellschaft später die kaduzierte Aktie in der öffentlichen Versteigerung selbst erwirbt. Was soll ein solcher Erwerb im Rechtssinn sein? Dieselbe (oder umgekehrte) Frage stellt sich, wenn man den ausgeschlossenen Aktionär noch als Rechtsträger betrachtet, nämlich dann, wenn •dieser später den kaduzierten Anteil erwirbt. Sodann läßt sich bei diesem Standpunkt die Annahme eines Mitgliedschaftsrechts, das praktisch überhaupt keine Rechte und Pflichten mehr vermittelt, mit unseren Vorstellungen wohl nicht vereinbaren. Und die dritte Ansicht?, ein Mitgliedschaftsrecht ohne Rechtsträger, ist das nicht eine reine Abstraktion, bei der nur noch ein Begriff (und welcher?) ohne jeden Inhalt und ohne jeden Aussagewert übrig bleibt? Alle diese theoretischen Bemühungen sind bei näherer Betrachtung lediglich Versuche um der reinen Konstruktion willen, ohne daß man hier, wie es noch Brodmann tut, von einem Bedürfnis zur Konstruktion sprechen kann. Dabei kann es nur begrüßt werden, daß im Schrifttum aus diesen Konstruktionen im allgemeinen keine Folgerungen für die praktische Rechtsanwendung abgeleitet werden, j a daß über die rechtliche Wirkung der Verlustigkeitserklärung keine entscheidenden Meinungsverschiedenheiten bestehen (so auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; vgl. allerdings auch die in § 59 Anm. 13, 20 behandelten Fragen, bei deren Beantwortung in bedenklicher Weise dem konstruktiven Ausgangspunkt ausschlaggebende Bedeutung beigemessen wird). Man sollte sich daher damit begnügen, das Augenmerk allein auf •diese Wirkungen zu richten. A n m . 14 In der Person des ausgeschlossenen Aktionärs führt die Verlustigkeitserklärung dazu, daß er kein Mitgliedschaftsrecht mehr ausüben oder geltend machen kann. Er hat kein Stimmrecht mehr, kein sonstiges Verwaltungsrecht (z. B. kein Anfechtungsrecht: O L G München H R u H B 1, 81) mehr und auch kein Recht auf den Gewinn, soweit nicht im Zeitpunkt der Verlustigkeitserklärung bereits ein wirksamer Beschluß über die Gewinnverteilung gefaßt worden war. Andererseits sind auch seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft erloschen, er haftet nicht mehr für die rückständige Einlage (a. M. insoweit allerdings Ritter § 59 Anm. 3 c ; unklar Brodmann § 220 Anm. 1) oder für sonstige Nebenpflichten körperschaftsrechtlicher Art (§ 50). Es können daher auch weitere Zinsen nicht mehr auflaufen. Hierbei gilt allerdings eine Besonderheit; der ausgeschlossene Aktionär haftet für den Ausfall, den die Gesellschaft bei der Durchführung des Kaduzierungsverfahrens erleidet (Abs. 4; dazu Anm. 15). Zugleich gehen mit der Verlustigkeitserklärung ohne weiteres alle Niesbrauchs-, Pfand- usw. Rechte unter, die an dem Mitgliedschaftsrecht des ausgeschlossenen Aktionärs bestanden haben. Die Gesellschaft erhält mit der Verlustigkeitserklärung ein Verwertungsrecht an der kaduzierten Aktie. Für dieses Verwertungsrecht gilt im einzelnen die zwingende Vorschrift des § 59. Danach ist die Gesellschaft befugt, über die kaduzierte Aktie nach Maßgabe des §59 zu verfügen. Im Unterschied zum Erwerb eigener Aktien (§ 65) erwirbt dabei die Gesellschaft nicht einen Vermögenswert, der dem Zugriff ihrer Gläubiger unterliegt oder der wie bei den eigenen Aktien in der Bilanz der Gesellschaft aktiviert werden kann. Insoweit liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen der Kaduzierung und dem Erwerb eigener Aktien vor. Das zeigt sich auch darin, daß die Gesellschaft, wenn sie die Aktie nach Maßgabe des § 59 einem anderen überträgt und der Erwerber später bei der Einforderung weiterer rückständiger Einlagen säumig wird, für das neue Ausschlußverfahren nicht gehindert ist, in diesem Verfahren wiederum die Vormänner in Anspruch zu nehmen. Denn die Gesellschaft ist im Unterschied zum Erwerb eigener Aktien (§65 Anm. 1 i ) nicht inzwischen selbst Träger des Mitgliedschaftsrechts im Sinn des § 59 geworden (dazu im einzelnen § 59 Anm. 13). Anm. 15 4. Die Ersatzhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs: Mit der Verlustigkeitserklärung endet auch die Pflicht des ausgeschlossenen Aktionärs, an die Gesellschaft die rückständige Einlage zu leisten (Anm. 14). Er haftet jedoch der Gesellschaft weiter für den Ausfall, den die Gesellschaft bei der Verwertung der kaduzierten Aktie erleidet (Abs. 4). Da diese Haftung in einem engen Zusammenhang mit seiner ur-

356

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 58 Anm. 16 sprünglichen Einlageschuld steht, gilt für diese Haftung auch die Vorschrift des § 6o (RG 98, 276; allgem. Ansicht). Der ausgeschlossene Aktionär kann also gegenüber diesem Anspruch der Gesellschaft nicht einseitig aufrechnen; andererseits ist die Gesellschaft in ihrer Verfügungsbefugnis über diesen Anspruch nach Maßgabe des § 60 beschränkt. Die Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs für den Ausfall ist nur subsidiär. Sie ist ferner davon abhängig, daß die Gesellschaft bei dem Versuch einer Verwertung der kaduzierten Aktie die zwingenden Vorschriften des § 59 einhält. Erst wenn feststeht, daß die Gesellschaft einen Ausfall erlitten hat, also erst dann, wenn die Gesellschaft die Vormänner des ausgeschlossenen Aktionärs nach Maßgabe des § 59 ohne Erfolg in Anspruch genommen und auch keine (volle) Befriedigung bei dem Verkauf oder der öffentlichen Versteigerung der kaduzierten Aktie (§ 59 Abs. 3) gefunden hat, entsteht der Anspruch der Gesellschaft gegen den ausgeschlossenen Aktionär auf den erlittenen Ausfall (v. Godin-Wilhelmi § 59 Anm. 9). Auf diese Ausfallhaftung beschränkt sich aber die Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs nicht. Ist nämlich die Aktie von der Gesellschaft auf Grund des ihr zustehenden Verwertungsrechts (§ 59) auf einen anderen übertragen worden und leistet dieser Erwerber später bei der Einforderung einer weiteren Einlagerate den nunmehr eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig, so daß gegen den Erwerber ein neues Ausschließungsverfahren eingeleitet wird, so kann unter Umständen der zunächst ausgeschlossene Aktionär auch für den Ausfall in Anspruch genommen werden, den die Gesellschaft in dem zweiten Ausschlußverfahren erleidet (§ 59 Anm. 13, 19). Von dem Ausschlußverfahren werden die Ansprüche nicht berührt, zu deren Leistung der ausgeschlossene Aktionär neben der Einlage im Zeitpunkt der Verlustigkeitserklärung verpflichtet war. Das sind namentlich die Ansprüche der Gesellschaft auf Zinsen, Vertragsstrafen und Schadensersatz gemäß § 57. Insoweit bleibt der ausgeschlossene Aktionär primär und ausschließlich der Gesellschaft verpflichtet. Die Klage auf den Ausfall kann die Gesellschaft gegen ihr ehemaliges Mitglied im Gerichtsstand des § 22 ZPO erheben. Durch die Zahlung des Ausfalls erwirbt der ausgeschlossene Aktionär keine Ansprüche gegen die Gesellschaft, insbesondere auch nicht auf Aushändigung der neuen Aktienurkunde, wenn der Verkaufsversuch ergebnislos geblieben war. Will er das Mitgliedschaftsrecht wieder erwerben, so muß er es der Gesellschaft abkaufen (§59 Anm. 15, 16). Anm. 16 V. Die Ausstellung einer neuen Urkunde. 1. Die alte Aktienurkunde: Mit der Verlustigkeitserklärung wird die alte Aktienurkunde kraftlos, ohne daß es dazu einer besonderen Kraftloserklärung bedarf. Sie verbrieft nunmehr kein Anteilsrecht mehr (herrsch. Ansicht; a. M. Ritter Anm. 5, der insoweit in bedenklicher Weise aus seiner Ansicht, daß der ausgeschlossene Aktionär zunächst Träger des Mitgliedschaftsrechts bleibe (vgl. dazu Anm. 13), praktische Rechtsfolgen ableitet). Wer diese Urkunde erwirbt, wird nicht Aktionär und muß sich an seinen Veräußerer halten (§437 BGB). Die AG ist, da sie die Kaduzierung bekanntgemacht hat, nicht verpflichtet, die wertlos gewordenen Aktienurkunden aus dem Verkehr zu ziehen (abweichend zum Teil Brodmann § 219 Anm. 9). Alles das gilt auch für Dividendenscheine über eine vor der Kaduzierung noch nicht festgesetzte Dividende (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 219 Anm. 9; Baumbach-Hueck Anm. 4 B); sie sind mit der Kaduzierung der Aktie ebenfalls wertlos geworden, auch wenn sie sich in Händen redlicher Erwerber befinden (§ 52 Anm. 32). Dagegen bleiben die vorher fallig gewordenen Dividendenscheine, d. h. die, welche auf eine vor der Kaduzierung festgesetzte Dividende lauten, in Geltung; jedoch kann die AG mit ihrer Ausfallforderung, wenn diese ordnungsmäßig festgestellt ist, aufrechenen (Düringer-HachenburgFlechtheim § 219 Anm. 9; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 4 B).

357

§58

Anm. 17—20

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 17 2. D i e n e u e A k t i e n u r k u n d e : Die Gesellschaft hat an Stelle der alten Urkunden neue Urkunden auszugeben, um damit die Anteilsrechte zu verwerten. Diese Verwertung ist Pflicht des Vorstandes, da anderenfalls das Grundkapital herabgesetzt würde. Hatte die A G noch keine Urkunden ausgegeben, so gibt sie auch keine neuen aus; das kaduzierte Anteilsrecht wird dann ohne Ausgabe einer Urkunde verwertet. Die neuen Urkunden haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rückständigen Betrag „anzugeben" — § 2 1 9 H G B sagte deutlicher „ z u umfassen" — und zwar so, als ob er schon bezahlt wäre; denn nach § 59 wird die Urkunde dem Vormann, der den rückständigen Betrag zahlt, ausgehändigt, gegebenenfalls wird das Anteilsrecht zu dem Börsenpreis, den die Aktien nach Zahlung des eingeforderten Betrages haben, verkauft (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7), äußerstenfalls versteigert. Ist daher der eingeforderte Betrag der letzte der vollen Zahlung, so kann die Urkunde ohne Angabe gezahlter Beträge auf den Inhaber gestellt werden. Die Urkunde kann die Nummer der kaduzierten Aktie erhalten, wenn darin angegeben ist, daß sie an die Stelle jener getreten ist. Die neue Urkunde verkörpert kein neues Mitgliedschaftsrecht, sondern das alte Recht des ausgeschlossenen Aktionärs (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 ig Anm. g).

Anm. 18 VI. Das fehlerhafte Ausschlußverfahren. Ist das Verfahren unzulässig oder fehlerhaft gewesen, lag z. B. deren Voraussetzung nicht vor (Anm. 4), oder ist nicht gleichmäßig vorgegangen worden (Anm. 8), oder war nicht genügend deutlich angedroht, daß die Verlustigkeitserkiärung bevorstehe (Anm. 6) oder entsprach die Nachfrist nicht dem Gesetz (Anm. 7), so ist die K a d u z i e r u n g u n g ü l t i g . Sowohl die Aktionäre wie auch die Gesellschaft können die Ungültigkeit geltend machen ( R G g, 4 1 ; K G O L G E 19, 370). Das ganze Verfahren muß wiederholt werden. War aber nur die Verlustigkeitserkiärung in fehlerhafter Form bekannt gemacht worden, so genügt deren fehlerfreie Wiederholung, einer neuen Fristsetzung bedarf es in diesem Fall nicht, vorausgesetzt freilich, daß nicht inzwischen eine Verwirkung des Rechts auf Durchführung des zunächst eingeleiteten Verfahrens eingetreten ist (ähnlich K G O L G E 1, 4 3 5 ; vgl. dazu auch Anm. i o l .

Anm. 19 1. Die Rechte des betroffenen Aktionärs: Ist das Ausschlußverfahren unzu-

lässig ioder fehlerhaft und daher wirkungslos gewesen, so kann der davon betroffene Aktionär auf Feststellung klagen, daß seine Mitgliedschaft fortbestehe. Auch schon während Schwebens des Verfahrens wird ihm eine Feststellungsklage mit entsprechendem Antrag verstattet werden müssen sowie der Antrag auf eine einstweilige V e r f ü g u n g zur Abwendung von Nachteilen (§ 940 Z P O ; R G 27, 50). Die Kaduzierung beeinträchtigt, auch wenn sie unwirksam ist, die Verkehrsfähigkeit der Aktie. Der Aktionär kann daher verlangen, daß die Unwirksamkeit in derselben Weise bekannt gemacht werde, wie die Kaduzierung bekannt gemacht worden war. Das ergibt sich nicht nur aus der Schadensersatzpflicht nach den §§ 249, 823 Abs. 1 B G B , aus der sich eine Pflicht zum Widerruf herleiten läßt, um einen rechtswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. R G 60, 1 9 ; 88, 1 3 3 ; 97, 345), sondern es ergibt sich schon unmittelbar aus dem Verhältnis der Körperschaft zu ihren Mitgliedern, so daß es nicht einmal des Nachweises eines Verschuldens bedarf, das regelmäßig Voraussetzung einer Schadensersatzpflicht ist ( R G 97, 345).

Anm. 20 2. Die Rechtsstellung des gutgläubigen Erwerbers: Hat die AG auf Grund einer nichtigen Kaduzierung eine neue Aktienurkunde ausgegeben, so kann der mit Unrecht ausgeschlossene Aktionär auch verlangen, daß die neue Urkunde wieder eingezogen und, wenn das nicht gelingt, ihre Ungültigkeit bekannt gemacht werde. Denn die neue Urkunde ist ebenso ungültig wie die Kaduzierung ( K G O L G E 1 , 4 3 5 ; M ü n chen O L G E 22, 15). Der Erwerber der neuen Urkunde erwirbt, auch wenn er gut-

358

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 58 A n m . 2 1

§59 gläubig und die Urkunde auf den Inhaber ausgestellt worden war, kein Aktienrecht. § 794 BGB ist nicht anwendbar (§ io Anm. 5). Der geschädigte Erwerber kann sich aber in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 3, § 10 Abs. 4, § 34 Abs. 4 an die Ausgeber als Gesamtschuldner halten. Früher hatte das Reichsgericht (RG 27, 53) den gutgläubigen Erwerber der neuen Aktienurkunde f ü r den Berechtigten gehalten (so noch jetzt Weipert § 179, Anm. 32; Baumbach-Hueck § 179 Anm. 3 C; die Entsch. RG. 54, 395 verneint das f ü r den Erwerb eines Geschäftsanteils, der vor der Eintragung des Erhöhungsbeschlusses versteigert worden war; wie hier Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. I I I . 1 S. 371, Brodmann § 220 Anm. 7; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 219 Anm. 11; Ritter Anm. 6; Teichmann-Koehler Anm. 2; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9; Baumbach-Hueck Anm. 4 G). A n m . 21 VII. Konkursrechtliche Fragen. I m Konkurse des ehemaligen Aktionärs kann die AG den Anspruch auf Ersatz des nach § 59 festsgestellten Ausfalls (Anm. 15) als Konkursforderung geltend machen. Kommt es zu einem Zwangsvergleich im Konkurs- oder Vergleichsverfahren, so gilt die Zahlung der Vergleichsquote, unbeschadet des Bestehenbleibens einer natürlichen Verbindlichkeit, als Vollbefriedigung der Gesellschaft wegen des Ausfalls (vgl. § 57 Anm. 14). Die Wirkung der bereits eingetretenen Kaduzierung wird aber dadurch nicht beseitigt. Der ausgeschlossene Aktionär erwirbt dadurch auch keinen Anspruch auf Aushändigung der neuen Aktienurkunde (Anm. 15). Über die Kaduzierung im K o n k u r s e d e r AG s. Anm. 5. § 5 9 Zahlungspflicht der

Vormänner

(1) J e d e r i m A k t i e n b u c h verzeichnete V o r m a n n des a u s g e s c h l o s s e n e n Aktionärs i s t der G e s e l l s c h a f t zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, s o w e i t dieser von seinen N a c h m ä n n e r n nicht zu erlangen i s t . Von der Z a h l u n g s a u f f o r d e r u n g an einen früheren Aktionär h a t die G e s e l l s c h a f t s e i n e n u n m i t t e l b a r e n V o r m a n n zu benachrichtigen. D a ß die Zahlung nicht zu erlangen i s t , w i r d v e r m u t e t , w e n n sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsauf forderung u n d der Benachrichtigung des V o r m a n n s eingegangen ist. Gegen Zahlung des rückständigen Betrags w i r d die n e u e U r k u n d e ausgehändigt. (2) Jeder V o r m a n n i s t n u r zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen z w e i J a h r e n eingefordert w e r d e n ; die F r i s t beginnt m i t d e m T a g e , an d e m die Übertragung der Aktie z u m Aktienbuch der G e s e l l s c h a f t a n g e m e l d e t w i r d . (3) I s t die Zahlung d e s rückständigen B e t r a g s von V o r m ä n n e r n nicht zu erlangen, so kann die G e s e l l s c h a f t die Aktie z u m B ö r s e n p r e i s u n d b e i m Fehlen eines solchen durch öffentliche Versteigerung verkaufen. Übersicht Anm.

Einleitung

1

Anm.

a) Die Zahlungsaufforderung und die Benachrichtigungspflicht . .

6

b) Die Beweisvermutung

7

I. Der Anwendungsbereich des § 59

a>3

II. Die Voraussetzungen f ü r die Haftung des Vormanns 1. Der Ausschluß des Aktionärs

4

i- Der Inhalt der Haftung

2. Nur Haftung im Staffelregreß

5

2. Die Befristung der Haftung

I I I . Die Haftung des Vormanns .

359

§ 59 A n m , 1, 2

I. Buch: Aktiengesellschaft Anm.

I V . Der E r w e r b der Aktie d u r c h einen V o r m a n n 1. Wer ist erwerbsberechtigt ? 2. E r w e r b kraft Gesetzes . . 3. Haftungsbefreiung der übrigen V o r m ä n n e r . . 4. H a f t u n g bei späterem Ausschluß des Erwerbers . . V. Der Verkauf der Aktie 1. Die Pflicht der Gesellschaft z u m Verkauf

Anm.

2. Der Verkauf z u m Börsen15 10 11

12 13

14

3- Der Verkauf in öffentlicher Versteigerung 4- Die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs 5- Die Rechtsstellung des Käufers der Aktie . . . 6. Die H a f t u n g bei späterem Ausschluß des Käufers . 7- Der formell fehlerhafte Verkauf

16 17 18 19 20

Anm. 1 Auf den Z u s a m m e n h a n g zwischen § 58 u n d § 59 ist schon in A n m . 1 zu § 58 hingewiesen worden. I n § 58 wird die K a d u z i e r u n g der Aktie geregelt u n d die H a f t u n g des ausgeschlossenen Aktionärs f ü r den Ausfall angeordnet, § 59 regelt die Voraussetzungen, u n t e r denen der Ausfall geltend zu m a c h e n ist. Sie betreffen die R e g r e ß p f l i c h t der V o r m ä n n e r des Ausgeschlossenen u n d die Möglichkeit eines Verkaufs des Anteils. Die Vorschriften finden sich schon im Gesetz von 1884 (Art. 184b, 2 1 9 Abs. 2), sie sind sachlich u n v e r ä n d e r t in das H G B (§ 220) u n d mit einer kleinen A b w e i c h u n g (Anm. 6) n u n m e h r in das A k t G übergegangen. Anm. 2

I. Der Anwendungsbereich des § 59. Die H a f t u n g der V o r m ä n n e r des ausgeschlossenen Aktionärs b e r u h t d a r a u f , d a ß sie ihre Aktie veräußert haben, bevor die volle Einlage darauf geleistet w o r d e n w a r . Es handelt sich auch hier, wie im § 58, n u r u m B a r e i n l a g e n . Z u r Leistung der rückständigen Sacheinlage ist u n d bleibt derjenige verpflichtet, der sie n a c h der getroffenen Festsetzung (§§ 20, 150, 1 6 1 , 172) zu erbringen h a t ; ein Schuldbeitritt wird damit nicht ausgeschlossen. Die Bareinlage h a t dagegen in erster Linie derjenige zu leisten, der z u r Zeit ihrer Einforderung Aktionär ist. W e r es aber gewesen war, bleibt wenigstens ersatzweise d a f ü r h a f t b a r , d a ß der eingeforderte Betrag geleistet wird. Die H a f t u n g n a c h § 59 trifft j e d o c h n u r s o l c h e A k t i o n ä r e , d i e i m A k t i e n b u c h e i n g e t r a g e n s i n d (Abs. 1 u . 2 ) . Ist die E i n t r a g u n g sachlich fehlerhaft u n d steht d e m Eingetragenen daher eine Einw e n d u n g gegen die E i n t r a g u n g zu (§ 62 A n m . 16), so k a n n er freilich nicht in A n s p r u c h genommen werden ( R G 86, 159; v. Godin-Wilhelmi A n m . 1; B a u m b a c h - H u e c k A n m . 2 A ; teilweise abweichend Vorauf!. A n m . 2). Sind Inhaberaktien oder ü b e r h a u p t keine U r k u n d e n ausgegeben u n d die Aktionäre nicht im Aktienbuch eingetragen, so ist § 5g unmittelbar nicht a n w e n d b a r . Es k o m m t jedoch insoweit eine entsprechende Anw e n d u n g des § 59 in Betracht. Das ist der Fall, w e n n keine U r k u n d e n ausgegeben sind, d e r Erwerber jedoch gleichwohl f ü r die Einlageverpflichtung haftet (§ 49 A n m . 20, § 57 A n m . 13) u n d der Gesellschaft Mitteilung von der A b t r e t u n g g e m a c h t w o r d e n ist ( K G J W 1927, 2344; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 A n m . 1 5 ; R i t t e r § 61 A n m . 7; v. Godin-Wilhelmi A n m . 1; a. M . Vorauf!. A n m . 2; Staub-Pinner §218 A n m . 1). Die zweijährige Frist f ü r die Fortdauer der H a f t u n g des Rechtsvorgängers (Abs. 2) rechnet in diesem Fall von der Mitteilung der A b t r e t u n g a n die Gesellschaft ( K G a a O . ; Ritter a a O . ; insoweit abweichend Düringer-Hachenburg-Flechtheim a a O ) . D a b e i ist a u c h in diesem Fall Voraussetzung f ü r eine entsprechende A n w e n d u n g des § 5g, d a ß gegen den Erwerber der Aktie als d e m derzeitigen Aktionär das Ausschlußverfahren d u r c h g e f ü h r t worden ist (vgl. d a z u A n m . 4). Ein solches V e r f a h r e n ist bei I n h a b e r a k t i e n nicht möglich, wohl aber bei Aktien, über die ü b e r h a u p t keine U r k u n d e n ausgegeben worden sind (§ 58 Anm.4). D a h e r k a n n eine entsprechende A n w e n d u n g des § 5g nicht bei Inhaberaktien, sondern n u r d a n n in Betracht k o m m e n , w e n n bisher noch keine U r k u n d e n ausgegeben worden sind.

360

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 59 Anm. 3—6 Anm. 3 Die in § 59 geregelte Haftung der im Aktienbuch eingetragenen Vormänner ist die gesetzliche. Sie ist in jeder Hii.sicht zwingend. Sie kann durch die Satzung weder gemindert noch gesteigert werden. Es gibt davon nach § 6o auch keine Befreiung. Doch steht nichts im Wege, daß sich der Aktionär für die später einzufordernden Beträge besonders, namentlich durch Wechsel, verpflichtet. Er kann sich dann nicht darauf berufen, daß er nach § 59 nur ersatzweise haftet. Anm. 4 II. Die Voraussetzungen für die Haftung des Vormanns. 1. Der Ausschluß des Aktionärs: Die Voraussetzung der Haftung nach § 59 ist die ordnungsmäßige Kaduzierung der Aktie. Ist diese überhaupt nicht kaduziert worden, oder ist die Kaduzierung fehlerhaft und daher ungültig (§ 58 Anm. 18), so kann der in Anspruch genommene Vormann den Klagegrund bestreiten (vgl. für GmbH R G 86, 420). Anm. 5 2. Nur Haftung im Staffelregreß: Jeder Vormann haftet nach § 59 nur ersatzweise für seinen Nachfolger. Der Rückgriff gegen die Vormänner ist kein „Sprungregreß" wie beim Wechsel, wo der Indossatar jeden beliebigen Vormann oder auch alle zugleich gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen kann, sondern er ist ein „Staffelregreß". Allerdings ist nicht nötig, daß der Nachmann jedesmal erst verklagt wird. Anm. 6 a) Die Zahlungsaufforderung und Benachrichtigungspflicht: Die Durchführung des StafTelregresses ist so geregelt, daß der unmittelbare Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs auf den eingeforderten und nicht gezahlten Teil der Einlage von der Gesellschaft unmittelbar in Anspruch genommen werden kann (RG 85, 241). Dieser kann sich also in keinem Fall darauf berufen, daß der Ausgeschlossene trotz des durchgeführten Ausschlusses gleichwohl zahlungsfähig gewesen sei (Brodmann §220 Anm. 2; Düringer-Hachenburg-Flechtenheim § 220 Anm. 9). Anders ist es dagegen mit den folgenden Vormännern. Sie können von der Gesellschaft jeweils nur in Anspruch genommen werden, wenn diese jeden von ihnen einzeln darüber benachrichtigt, daß sie seinen Nachmann zur Zahlung des rückständigen Einlagebetrages aufgefordert hat, und wenn sie von diesem Nachmann Zahlung nicht erlangen kann. Die Benachrichtigung des Vormanns von der Zahlungsaufforderung soll diesem die Möglichkeit geben, auf seinen Nachmann kraft seiner vertraglichen Beziehung dahin einzuwirken, daß er zahlt. Besondere Formen sind weder für die Aufforderung noch für die Benachrichtigung vorgeschrieben. Sie sind empfangsbedürftige Erklärungen, die dem Erklärungsempfänger also zugehen müssen und daher nicht im Wege einer allgemeinen Bekanntmachung erfolgen können. Die Form des eingeschriebenen Briefes ist zu empfehlen, da im Streitfall die Gesellschaft den Zugang der Erklärung beweisen muß. Ist der Aufenthalt des Erklärungsempfängers unbekannt, so kann die Benachrichtigung in Form der öffentlichen Zustellung vorgenommen werden (§132 Abs. 2 BGB). Von der Zahlungsaufforderung an den letzten Vormann (Aktienzeichner) braucht die Gesellschaft niemanden zu benachrichtigen, insbesondere auch nicht den ausgeschlossenen Aktionär. Das folgt aus dem Zweck, dem die Benachrichtigung dient. Der ausgeschlossene Aktionär hat nicht die Möglichkeit, kraft vertraglicher Beziehung auf den letzten Vormann dahin einzuwirken, daß er zahlt. Die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs ist daher unabhängig davon, ob er von der Zahlungsaufforderung an den letzten Vormann benachrichtigt worden ist oder nicht (Düringer- HachenburgFlechtheim § 220 Anm. 9; a. M. Ritter Anm. 5a). Die Benachrichtigung des Vormanns ist abweichend von § 220 HGB. Voraussetzung für seine Inanspruchnahme durch die Gesellschaft. Ist sie unterblieben, so ist der Vormann von seiner Zahlungspflicht frei (herrsch. Ansicht; a. M. Ritter Anm. 3 e).

361

§59

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7—10 Anm. 7 b) Die Beweisvermutung:

Die rechtliche Bedeutung der Benachrichtigung liegt nicht nur darin, daß sie eine Voraussetzung f ü r den Rückgriffanspruch der Gesellschaft gegen den zu benachrichtigenden Vormann ist. Darüber hinaus begründet sie zugunsten der Gesellschaft noch eine Vermutung. Der Rückgriffsanspruch gegen frühere Vormänner ist jeweils davon abhängig, daß von ihrem Nachmann Zahlung nicht zu erlangen ist. Die Gesellschaft braucht jedoch diesen Nachweis nicht zu führen. Vielmehr wird zu ihren Gunsten vermutet, daß die Zahlung von dem Nachmann nicht zu erlangen ist, wenn dieser nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns gezahlt hat. Diese Vermutung ist freilich widerlegbar, sie führt also nur zu einer Umkehr der Beweislast. Der benachrichtigte Vormann hat das Recht, im Fall seiner Inanspruchnahme durch die Gesellschaft den Nachweis zu führen, daß die Zahlung von seinem Nachmann dennoch zu erlangen sei ( R G 85, 241). Diese Vermutung gilt sinngemäß auch f ü r die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 Anm. 9; Ritter Anm. 5 a) , wobei hier freilich eine Benachrichtigung an den letzten V o r m a n n (Aktienzeichner) nicht erforderlich ist (Anm. 6).

Anm. 8 III. Die Haftung des Vormanns. 1. Der Inhalt der Haftung: Die Haftung

erstreckt sich ebenso wie das ganze K a duzierungsverfahren nur auf den eingeforderten Betrag, nicht auf Zinsen, Vertragsstrafen, Schadensersatz und Kosten (§ 58 Anm. 2). Das Gesetz wechselt sinngemäß in der Ausdrucksweise: im ersten und dritten Absatz spricht es vom „rückständigen" Betrage, im zweiten von „eingeforderten" Beträgen (vgl. auch § 58 Abs. 3 und 4). Unter den rückständigen Beträgen sind diejenigen zu verstehen, die eingefordert, aber nicht bezahlt worden sind. Hat ein in Anspruch genommener Vormann bereits einen Teil des rückständigen Betrages gezahlt, so erstreckt sich die Haftung eines weiteren in Anspruch genommenen Vormanns nur noch auf den Rest des rückständigen Betrages. Da sich die Rückgriffshaftung nur auf den eingeforderten Betrag bezieht, braucht der Vormann natürlich nicht den ganzen Rest der noch offenen Einlage zu zahlen, wenn dieser nicht im vollen U m f a n g eingefordert worden war.

Anm. 9 2. Die Befristung der Haftung:

Die Haftung der Vormänner ist nach Abs. 2 befristet. Sie besteht nur f ü r diejenigen Beträge, die binnen zwei J a h r e n gemäß § 57 eingefordert werden. Die Frist beginnt mit dem T a g e —- dieser T a g ist also der erste der Frist ( § 1 8 7 Abs. 2 B G B ) — , an dem die Übertragung der Aktie zum Aktienbuch der Gesellschaft angemeldet wird. Die Anmeldung liegt daher im Interesse des Veräußerers. Soweit Beträge innerhalb der zweijährigen Frist eingefordert werden, verjährt der Anspruch gegen die Vormänner innerhalb einer Frist von dreißig J a h r e n (§ 195 B G B ) . Der Beginn der Verjährungsfrist ist aber gegen jeden Vormann so lange gehemmt, bis fessteht, daß die Zahlung vom Nachmann nicht zu erlangen ist, gegen den unmittelbaren Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs beginnt die Verjährungsfrist mit der Kaduzierung (§ 202 B G B ) .

IV. Erwerb der Aktie durch einen Yormann. Anm. 10 1. Wer ist erwerbsberechtigt?: Der Vormann,

der auf die Zahlungsaufforderung der Gesellschft hin den rückständigen (eingeforderten) Einlagebetrag zahlt, erwirbt die kaduzierte Aktie. Das ist unstreitig. Fraglich ist jedoch, ob auch ein Vormann, der von der Gesellschaft (bisher) noch nicht im Rückgriffsweg in Anspruch genommen worden ist, gegen Zahlung des Rückstandes die Aktie erwerben kann. Das wird vielfach mit der Erwägung bejaht, daß es äußerst unpraktisch wäre, wenn ein solcher Vormann mit der Zahlung so lange zuwarten müßte, bis die Gesellschaft im Wege des Staffelregresses an ihn die Zahlungsaufforderung richtet, und daß es nur im Interesse

362

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 59

Anm. 11, 12

aller Beteiligter liegt, wenn ein solcher Vormann sofort zahlt und damit das Rückgriffsverfahren zum Abschluß bringt (so Vorauf!. Anm. io; Ritter Anm. 3i; BaumbachHueck Anm. 2C). Demgegenüber wenden v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ein, daß einem Vormann das Recht zum Erwerb der kaduzierten Aktie nicht von seinem oder einem früheren Vormann streitig gemacht werden könne und daß deshalb nur der im Rückgriffsweg in Anspruch genommene Vormann durch Zahlung des rückständigen Betrages die Aktie erwerben könne. Dieses Bedenken von v. Godin-Wilhelmi ist in der Tat berechtigt, es zwingt jedoch nicht dazu, in jedem Fall das umständliche Rückgriffsverfahren einzuhalten. Vielmehr ist diesem Bedenken vollauf Genüge getan, wenn man das Recht zum Erwerb der Aktie jedem Vormann unter der Voraussetzung zubilligt, daß nicht einer seiner Nachmänner widerspricht und dieses Recht selbst für sich in Anspruch nimmt (ähnlich wohl auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 4). Der ausgeschlossene Aktionär ist nicht mehr berechtigt, durch nachträgliche Zahlung des Rückstandes die Aktie von neuem zu erwerben; auch die AG ist nicht berechtigt, ihn gegen Zahlung des Rückstandes wiederum zum Aktionär zu machen. Das mag in einem Einzelfall unpraktisch sein (so Ritter Anm. 3c; v. Godin-Wilhelmi Anm. I); das rechtfertigt jedoch angesichts der insoweit klaren gesetzlichen Regelung nicht die gegenteilige Annahme (so auch die herrsch. Ansicht). Der ausgeschlossene Aktionär hat lediglich nach Abschluß des Rückgriffsverfahrens die Möglichkeit, die kaduzierte Aktie im Wege des freihändigen Verkaufs oder der öffentlichen Versteigerung käuflich zu erwerben.

Anm. 11 2. E r w e r b k r a f t Gesetzes: Mit der Zahlung des eingeforderten Betrages erwirbt der Vormann kraft Gesetzes das Mitgliedschaftsrecht. Einer besonderen Übertragung bedarf es nicht; § 22 Abs. 4 GmbHG findet insoweit entsprechende Anwendung (herrsch. Ansicht; abweichend Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 Anm. 10). Der zahlende Vormann kann daher auch nicht den Erwerb der Aktie ablehnen; er wird mit der Zahlung ohne weiteres wieder Aktionär. Seine Ablehnung ist also rechtlich bedeutungslos.

Die AG kann das Rückgriffsrecht nur Zug um Zug gegen Aushändigung der

neuen Urkunden (§ 58 Anm. 17) ausüben (Abs. 1 Satz 4). Die neue Urkunde muß also zuvor ausgefertigt sein. Der in Anspruch genommene Vormann hat ein Leistungsverweigerungsrecht, das den Eintritt seines Verzuges hindert, so lange die Gesellschaft nicht bereit und imstande ist, ihm die neue Urkunde auszuhändigen (Ritter Anm. 3g; a. M. Brodmann § 220 Anm. 5 a). Macht er das Recht im Prozeß geltend, so wird er Zug um Zug verurteilt. Mit der Aktienurkunde sind ihm die Scheine über die seit der Kaduzierung festgesetzten Dividenden zu übergeben; denn ihm gebührt der Anspruch auf den Reingewinn in dem Umfang, in dem der ausgeschlossene Aktionär infolge der Verlustigkeitserklärung davon ausgeschlossen worden ist (§58 Anm. 14); die Gesellschaft kann den inzwischen erzielten und auf die kaduzierte Aktie entfallenden Reingewinn nicht vorenthalten, da hierin eine unzulässige Verschärfung der Rückgriffshaftung (Anm. 3) liegen würde (ebenso Brodmann § 219 Anm. 7). Der zahlende Vormann wird also Aktionär mit den Rechten und Pflichten, die der ausgeschlossene Aktionär haben würde, wenn er seine Zahlungspflicht erfüllt hätte.

Anm. 12 3. Haftungsbefreiung der übrigen V o r m ä n n e r : Erwirbt ein Vormann das Anteilsrecht gegen Zahlung des eingeforderten Betrages, so sind alle Vormänner des ausgeschlossenen Aktionärs von der Haftung gegenüber der Gesellschaft für diesen Betrag befreit. Auch die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs gegenüber der Gesellschaft kommt für diesen Betrag nicht zum Zuge, weil die Voraussetzung für die Entstehung dieser Haftung ein Ausfall der Gesellschaft in dem Ausschlußverfahren ist (§58 Anm. 15). Eine andere Frage ist es, ob der zahlende Vormann gegen seinen Nachmann und die folgenden Nachmänner einen Erstattungsanspruch hat. Diese Frage ist zu bejahen. Gegen seinen eigenen Nachmann wird der zahlende Vormann schon auf Grund vertraglicher Beziehungen einen solchen Anspruch haben, gegen die übrigen Nachmänner wird man ihm unbedenklich einen Bereicherungsanspruch zubilligen können (Dü-

363

§59

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 13, 14 ringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 Anm. i o ; Schlegelberger-Quassowski A n m . 4 ; Ritter Anm. 3 k ; v. Godin-Wilhelmi Anm. I ; z. T . abweichend R u d . Fischer Ehrenb. Hdb. I I I , 1 S. 3 7 2 ; Brodmann § 220 Anm. 5 a ; Staub-Pinner § 220 Anm. 18).

Anm. 13 4. Die H a f t u n g bei s p ä t e r e m A u s s c h l u ß des E r w e r b e r s : Hatte die Gesellschaft nur einen Teil des noch offenen Einlagebetrages eingefordert und hatte die Nichtzahlung dieses eingeforderten Teilbetrages den Grund f ü r das Ausschlußverfahren gebildet, so kann es später bei der Einforderung einer weiteren R a t e oder des Restbetrages zu einem neuen Ausschlußverfahren kommen. Dieses Verfahren richtet sich dann gegen den Erwerber der Aktie in dem ersten Ausschlußverfahren oder seinem Nachmann als dem derzeitigen Aktionär (§ 57 A n m . 12). I n diesem Fall haften wiederum auch sämtliche Vormänner des ersten Verfahrens der Gesellschaft im Wege des Staffelregresses. Das ist heute im wesentlichen allgemein anerkannt (Ritter Anm. 3 h ; v. GodinWilhelmi Anm. I ; Baumbach-Hueck Anm. 2 C ; vgl. auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 Anm. 1 0 ; abweichend teilweise noch Schlegelberger-Quassowski A n m . 7). Die noch in der Vorauf!. Anm. 9 vertretene gegenteilige Auffassung (so auch Brodmann § 220 Anm. 5 b ) beruhte auf der rein konstruktiven Erwägung, daß die Gesellschaft im Laufe des ersten Kaduzierungsverfahrens Träger des Mitgliedschaftsrechts geworden war (vgl. dazu § 58 Anm. 13). Dieser konstruktiven Erwägung kann kein rechtlicher Eigenwert beigemessen werden. Sie übersieht die rechtliche Tragweite einer begrifflichen Konstruktion und läßt um ihretwillen den Zweck und den rechtlichen Grundgedanken des Ausschlußverfahrens außer acht (insofern typisch die Worte Brodmanns aaO., daß die von ihm vertretene, hier abgelehnte Ansicht „lediglich in der juristischen Folgerichtigkeit begründet" sei, sachlich jedoch nicht zu befriedigen möge). A u c h in diesem Zusammenhang ist ebenso wie bei der Frage, welche Rechte der zahlende Vormann als Erwerber der Aktie erhält (Anm. 1 1 ) , davon auszugehen, daß dieser Erwerb so anzusehen ist, wie wenn der zahlende Vormann unmittelbar im Anschluß an den ausgeschlossenen Aktionär Aktionär geworden wäre (so übrigens auch Brodmann § 58 Anm. 7 in einem allerdings anderen Zusammenhang). Allein so wird dem entscheidenden Unterschied zwischen der Stellung der Gesellschaft im Ausschlußverfahren und ihrer Stellung beim Erwerb eigener Aktien (vgl. dazu auch § 58 Anm. 14) Rechnung getragen. I n dem zweiten Ausschlußverfahren haftet auch der im ersten Ausschlußverfahren ausgeschlossene Aktionär als Vormann. I m Unterschied zur Vorauf!. (Anm. 16, § 58 Anm. 1 2 ; ebenso Brodmann § 2 1 9 Anm. 8) kann jedoch nicht angenommen werden, daß die beiden ausgeschlossenen Aktionäre der Gesellschaft als Gesamtschuldner haften. Der zunächst ausgeschlossene Aktionär ist f ü r das zweite Ausschlußverfahren lediglich Vormann und seine Haftung richtet sich allein nach den Grundsätzen des Staffelregresses (Anm. 5 fF.; vgl. dazu auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 1 9 A n m . 1 0 ; Schlegelberger-Quassowski A n m . 7 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. I).

Anm. 14 V. Der Verkauf der Aktie. 1. Die P f l i c h t d e r G e s e l l s c h a f t z u m V e r k a u f : Hat das Rückgriffsverfahren gegen die Vormänner nicht zur vollen Befriedigung der Gesellschaft wegen des rückständigen Betrages geführt oder ist kein Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs vorhanden, so „ k a n n " die Gesellschaft zum Verkauf der kaduzierten Aktie schreiten. Das bedeutet, daß sie das nicht nur tun darf, sondern im allgemeinen auch tun muß (SchlegelbergerQuassowski Anm. 6 ; Ritter Anm. 5 b ; Baumbach-Hueck Anm. 4; a. M . Vorauf!. Anm. 1 2 ; K G O L G E 19, 3 7 1 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 202 A n m . 1 1 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Denn der Übergangszustand, der durch die Verlustigkeitserklärung eingetreten ist, nötigt dazu diesen Zustand zu beenden. Auch die schutzwerten Interessen der Gläubiger an einer Erhaltung der Kapitalgrundlage erfordern es, daß das Verfahren durch Verwertung der kaduzierten Aktie und durch eine etwaige Inanspruchnahme des ausgeschlossenen Aktionärs (§ 58 Abs. 4 Satz 2) zum Abschluß gebracht wird. Nur beim Vorliegen besonderer Umstände hat der Vorstand das Recht,

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3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 59

Anm. 15—18

mit dem Verkauf einige Zeit abzuwarten, etwa wenn im Augenblick wegen der allgemeinen Marktlage ein Verkauf bei verständiger Beurteilung untunlich erscheint, oder wenn berechtigte Aussicht besteht, daß einer der vergeblich in Anspruch genommenen Vormänner in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, seiner Zahlungspflicht nachzukommen, und eine Verwertung der Aktie durch Verkauf mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer vollen Befriedigung der Gesellschaft wegen des rückständigen Betrages führen wird. Ist ein Verkauf der Aktie von vornherein zwecklos, so kann der Verkauf (Versuch) unterbleiben.

Anm. 15 2. Der Verkauf zum Börsenpreis: Ist für die kaduzierte Aktie ein Börsenpreis vorhanden — eine amtliche Börsennotiz wird dabei nicht zu verlangen sein —• so kann die Gesellschaft die Aktie zu diesem Preis freihändig verkaufen Die Differenz zwischen dem erzielten Börsenpreis und dem rückständigen Betrag stellt dann den Ausfall dar, für den der ausgeschlossene Aktionär der Gesellschaft gemäß § 58 Abs. 4 Satz 2 haftet (Anm. 17). Hat die Gesellschaft beim Verkauf dem Käufer den Kaufpreis gestundet, so wird der Ausfall durch die Zahlung des Kaufpreises bestimmt (Ritter Anm. 5 c). Auch der ausgeschlossene Aktionär selbst kann die Aktie kaufen.

Anm. 16 3. Der Verkauf in öffentlicher Versteigerung: Ist für die kaduzierte Aktie ein Börsenpreis nicht vorhanden, so hat der Verkauf in öffentlicher Versteigerung zu erfolgen. Die Versteigerung muß so vorgenommen werden, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gebieten; die Vorschriften des § 179 Abs. 3 können entsprechend angewandt werden. Öffentliche Bekanntmachung ist erforderlich. Die Bedingungen müssen übliche sein, Barzahlung kann verlangt werden. Daß jede Aktie einzeln ausgeboten wird, ist nicht nötig; ein Ausgebot mehrerer oder sämtlicher kaduzierten Aktien kann vorteilhafter sein. Die Gesellschaft selbst könnte nach § 65 nur mitbieten, wenn es notwendig wäre, um einen schweren Schaden von sich abzuwenden. Diese strenge Voraussetzung wird bei kaduzierten Aktien höchst selten vorliegen. In jedem Fall kann es aber der ausgeschlossene Aktionär. Ersteht er die Aktie, so wird dadurch an seiner Haftung für den Ausfall (§58 Abs. 4) nichts geändert.

Anm. 17 4. Die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs: Die Folge des ord-

nungsmäßigen V e r k a u f s ist f ü r den ausgeschlossenen A k t i o n ä r , daß die Ausfallforderung nunmehr gegen ihn rechtlich entstanden ist (§ 58 Anm. 15). Dies gilt auch dann, wenn er selbst der Käufer oder der Ersteher ist (Anm. 15, 16). Die Ausfallschuld des ausgeschlossenen Aktionärs beruht auf der ursprünglichen Einlageverpflichtung des Aktionärs; auf sie findet daher § 60 Anwendung (§60 Anm. 2). Außerdem schuldet er der Gesellschaft die vor der Kaduzierung entstandenen Nebenforderungen an Zinsen usw. (§ 57). Mit dem Verkauf der Aktie werden die Vormänner von ihrer Rückgriffhaftung für den rückständigen (eingeforderten) Betrag frei (vgl. dazu aber auch Anm. 19).

Anm. 18 5. Die Rechtsstellung des K ä u f e r s d e r A k t i e : Der Erwerber des Anteilrechts ist Aktionär geworden mit den Rechten und Pflichten des ausgeschlossenen Aktionärs, wie dieser stehen würde, wenn er seine Pflichten erfüllt hätte. Die Scheine über die seit der Kaduzierung festgesetzten Dividenden sind ihm mit der Aktienurkunde auszuhändigen (vgl. Anm. 11). Der eingeforderte Betrag, wegen dessen die Aktie kaduziert worden war, gilt durch den Kaufpreis als bezahlt (§ 58 Anm. 17). Ergibt der Kaufpreis einen Überschuß, so gebührt dieser der AG, nicht dem ausgeschlossenen Aktionär. Für die Kaufpreisforderung der Gesellschaft gilt § 60 nicht (Düringer-HachenburgFlechtheim § 220 Anm. 13; Schlegelberger-Qjiassowski Anm. 6; Ritter Anm. 5d; a. M. Brodmann § 220 Anm. 6e). Der Käufer kann daher gegen diese Forderung mit einer eigenen Forderung aufrechnen. 365

§ 59 A n m . 19, 20

§60

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 19 6. Die Haftung bei späterem Ausschluß des Käufers: Es ist möglich, daß bei der späteren Einforderung eines weiteren Einlagebetrages gegen den Käufer ein Ausschlußverfahren durchgeführt wird. In diesem Fall ist die Rechtslage genau die gleiche, wie wenn ein Vormann im Rückgriffsverfahren die kaduzierte Aktie erworben hat und später gegen ihn ein Ausschlußverfahren duichgeführt wird (insoweit abweichend Schlegelberger-Quassowski Anm. 7). Insoweit kann auf die Ausführungen in Anm. 13 verwiesen werden. Die Vormänner des zunächst ausgeschlossenen Aktionärs können also in dem zweiten Ausschlußverfahren ebenfalls wegen des nunmehr eingeforderten und nicht gezahlten Betrages in Anspruch genommen werden. Ihre Befreiung von der Rückgriffshaftung durch Verkauf der Aktie (Anm. 17) bezieht sich nicht auf die später eingeforderten Beträge. A n m . 20 7. Der formell fehlerhafte Verkauf: Hat die Gesellschaft nach wirksam ausgesprochener Verlustigkeitserklärung die Verwertung durch Verkauf nicht unter Beachtung des hierfür vorgeschriebenen Verfahrens, z. B. ohne vorherige Zahlungsaufforderung und Benachrichtigung aller Vormänner, vorgenommen, so wird dadurch die Wirksamkeit des Verkaufs nicht berührt. Die Folge eines solchen Vorgehens besteht lediglich darin, daß die Gesellschaft dadurch ihren Anspruch auf die Ausfalihaftung gegen den ausgeschlossenen Aktionär verliert. Denn dieser hat einen Anspruch darauf, daß das in § 59 vorgeschriebene Rückgriffsverfahren eingehalten wird, damit seine Ausfallhaftung möglichst niedrig ist. Das ist freilich nicht unbetritten. Diejenigen Schriftsteller, die meinen, daß der ausgeschlossene Aktionär durch die Verlustigkeitserklärung sein Mitgliedschaftsrecht noch nicht verliere und die Gesellschaft dadurch nur ein besonders geartetes Verwertungsrecht erhalte (§58 Anm. 13), fühlen sich in diesem Zusammenhang zu der Folgerung genötigt, daß ein solcher fehlerhafter Verkauf grundsätzlich unwirksam sei, weil er nicht mehr von dem Verwertungsrecht der Gesellschaft gedeckt werde (vgl. Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 220 Anm. 10; Ritter Anm. 5 g). Hierbei handelt es sich ganz entsprechend wie bei der in Anm. 13 erörterten Frage um eine rein konstruktive Erwägung ohne rechtlichen Eigenwert. Dabei ist es auch hier kein Zufall, daß Ritter das ihm auf diesem Wege aufgezwungene Ergebnis selbst als „unleidlich" bezeichnet. Aus denselben Gründen, die bereits in Anm. 13 dargelegt sind, kann auch hier nach dem Grundgedanken des § 59 dieser Erwägung keine Bedeutung beigemessen werden.

§ 6 0 Keine Befreiung der A k t i o n ä r e von ihren

Leistungspflichten

Die Aktionäre und ihre Vormänner können von ihren Leistungspflichten nach den § § 49 und 59 nicht befreit werden, sie können gegen diese Pflichten eine Forderung an die Gesellschaft nicht aufrechnen. Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Der Anwendungsbereich des § 60 II. Die unzulässige Befreiung von Leistungspflichten 1. Der Begriff der unzulässigen Befreiung 2. Die Stundung

366

2-

3. Die Leistung an Erfüllungs Statt 4. Der Vergleich III. Das Aufrechnungsverbot 1. Die Aufrechnung seitens des Aktionärs 2. Die Aufrechnung seitens der Gesellschaft . . . .

7 8

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 60 Anm. 1—3 Anm.

a) Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis 11—13 b) Abgrenzung gegenüber Sacheinlage und Leistung an Erfüllungs Statt 14—16 c) Aufrechnung im gegenseitigen Einverständnis 17,18 d) Aufnahme der Einlageforderung in ein Kontokorrent 19 e) Ausnahme 20 IV. Die Abtretung der Einlageforderung 1. Allgemeines 21 2. Verstoß gegen § 399 BGB ? 22

Anm.

3. Tragweite der Verbotsvorschrift des § 60 . . . 23, 24 4. Die Verpfändung der Einlageforderung . . . 25 5. Die Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers durch den Aktionär . . 26 V . Die Pfändung der Einlageforderung 1. Allgemeines 2. Die Zulässigkeit der Pfändung

27 28

VI. Das Zurückbehaltungsrecht

29

V I I . Der Konkurs der Gesellschaft

30

Anm. 1 Das alte HGB enthielt keine dem § 60 entsprechende Bestimmung: Erst das Gesetz von 1884 brachte in Art. 184 c und 219 Abs. 2 das Verbot der Aufrechnung gegen die Verpflichtungen aus einer Bareinlage und ließ an dem Gegenstand der Einlage ein Zurückbehaltungsrecht nur wegen der sich darauf beziehenden Forderungen zu. § 221 HGB gab der Vorschrift die Fassung, die ohne sachliche Änderung in § 60 AktG übergegangen ist. Sie bildet eine wichtige Ergänzung des § 52 und dient mit ihm dazu, die Kapitalgrundlage der A G zu sichern. Anm. 2 I. Das Anwendungsbereich des § 60. Die Vorschrift betrifft, wie die darin enthaltene Verweisung auf § 49 ergibt, sowohl B a r - wie Sacheinlagen. Die Pflicht zur Entrichtung der Bareinlage mit Einschluß des Aufgelds liegt dem zeitigen Aktionär ob; er kann nach § 60 davon nicht befreit werden. Seine Vormänner sind nach § 59 rückgriffspflichtig; auch sie können laut § 60 von der Rückgriffspflicht nicht befreit werden. Dasselbe gilt von der Ausfallschuld des ausgeschlossenen Aktionärs nach § 58 Abs. 4. Sie wird hier zwar nicht besonders genannt, ist aber im Grunde nur ein Überbleibsel der Einlageverpflichtung nach § 49 (RG 98, 277). § 60 trifft auch die Einlageschulden bei verbotswidriger Ausgabe von Inhaberaktien und bei Aktien, über die keine Urkunden ausgestellt sind (§ 59 Anm. 2), sowie die Forderung auf Rückgewähr verbotener Zahlungen (§ 56 Anm. 17). Die Verpflichtung zur Leistung der Sacheinlage liegt demjenigen ob, der sie nach der Festsetzung zu erbringen hat. Diese Verpflichtung kann nicht durch Veräußerung der Aktie übertragen werden, doch ist ein Schuldbeitritt möglich (§ 59 Anm. 2). Der hiernach Verpflichtete kann nicht befreit werden, auch nicht von der Mängelhaftung (RG JW 1902, 259), die ihm nach der in der Satzung festgestellten Einlageverpflichtung (§ 20 Anm. 20) obliegt. Die Vorschriften des § 60 gelten auch im Zustand der Abwicklung (RG 149, 297), es sei denn, daß der Geschäftsbetrieb ganz aufgehört hat, keine Gläubiger, die sich gemeldet haben oder sonst bekannt sind, mehr zu befriedigen, keine neuen Verbindlichkeiten mehr zu erwarten sind und es nach alledem der Erhaltung der Kapitalgrundlage nicht mehr bedarf (RG 149, 298; 156, 25). Anm. 3 Die nach § 57 geschuldeten Z i n s e n , V e r t r a g s s t r a f e n u n d S c h a d e n s e r s a t z l e i s t u n g e n sowie Kosten werden von § 60 nicht betroffen. Wie in § 221 HGB der § 218 HGB nicht aufgeführt worden war, so wird auch in § 60 AktG der § 57 nicht aufgeführt. Eine Schadensersatzforderung kann aber, abgesehen von § 57, dadurch entstehen, daß die Pflicht zur Einbringung einer Sacheinlage nicht oder nicht gehörig erfüllt wird. Eine solche Schadensersatzpflicht wird von § 60 betroffen.

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Anm. 4—6 Anm. 4 Die Aktionäre und ihre Vormänner können von den Verpflichtungen (Anm. 2) durch kein G e s e l l s c h a f t s o r g a n , auch nicht durch die H a u p t v e r s a m m l u n g b e f r e i t w e r d e n ( R G J W 1 9 3 1 , 2098; K G J 47 A 108; O L G Hamburg H a n s G Z 1927, 45). Das geht auch nicht im Wege der Satzungsänderung, denn auch diese würde die Gläubiger gefährden. Der einzige Weg ist der der Herabsetzung des Grundkapitals und zwar nur in Form der ordentlichen Kapitalherabsetzung oder mittels Einziehung von Aktien (§§ 178, 184, 192).

Anm. 5 II. Die unzulässige Befreiung von den Leistungspflichten. 1. Der Begriff der unzulässigen Befreiung: J e d e Befreiung

des Aktionärs von seinen Leistungspflichten gemäß §§ 49, 59 ist unzulässig. Dabei ist dieser Begriff der Befreiung außerordentlich weit zu fassen. Es fällt darunter nicht nur der Erlaß, sondern jede Erleichterung, die dem Aktionär f ü r die Erfüllung seiner Leistungspflichten rechtsgeschäftlich gewährt wird. So etwa die Stundung (Anm. 6), die Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt (Anm. 7), aber auch die Annahme einer mangelhaften Sachleistung (dazu Anm. 2). Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Umwandlung der ursprünglichen Einlageschuld in eine andere Schuld, etwa in eine Darlehnsschuld. Auch das ist unzulässig. Dabei werden hiervon auch alle Umgehungsgeschäfte betroffen, z. B. wenn die Gesellschaft dem Aktionär ein Darlehn gewährt und der Aktionär sodann mit der Darlehnssumme seine Bareinlage erbringt ( R G 98, 277). Durch eine solche Leistung wird der Aktionär von seiner Einlageverpflichtung nicht befreit. Unzulässig ist es auch, wenn der Aktionär zwar formell zunächst seine Bareinlage leistet, den Geldbetrag von der Gesellschaft jedoch danach als Darlehn zurückerhält. Freilich wird ein solches Vorgehen wohl nicht als eine unzulässige Befreiung im Sinn des § 60 (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 2), sondern als eine unzulässige Rückgewähr der Einlage im Sinn des § 52 anzusehen sein (ebenso Düringer-HachenburgFlechtheim § 221 Anm. 3). Unzulässig ist ferner die Umwandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage und umgekehrt die Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage (dazu Anm. 7). Die Verwirkung des Anspruchs auf die Einlage ist dem Erlaß nicht gleichzustellen; sie ist keine unzulässige Befreiung im Sinn des § 60 ( R G 134, 270; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 Anm. 3 ; Teichmann-Koehler Anm. 1). V o n § 60 werden nur Erleichterungen der Einlagepflicht erfaßt, die auf rechtsgeschäftlichem Wege gewährt werden.

Anm. 6 2. Die Stundung:

Die Stundung einer Einlageforderung ist eine Befreiung des verpflichteten Aktionärs auf Zeit und daher ebenfalls unzulässig (unstr.). Als eine solche Befreiung kann allerdings nur die nachträgliche Stundung einer bereits fälligen (eingeforderten, § 57) Einlageforderung angesehen werden. Unbedenklich wird man einer solchen Stundung eine Vereinbarung gleichzustellen haben, in der die Gesellschaft die Verpflichtung übernimmt, f ü r eine bestimmte Zeit von einer Einforderung rückständiger Einlagen abzusehen. Selbst durch eine nachträgliche Satzungsänderung kann die Gesellschaft nicht gebunden werden, f ü r eine bestimmte Zeit rückständige Einlagen nicht einzufordern, jedenfalls dann nicht, wenn sie diese f ü r ihren Geschäftsbetrieb benötigt. Eine andere Frage ist es dagegen, ob das gleiche auch dann gilt, wenn bereits in der ursprünglichen Satzung oder in dem Kapitalerhöhungsbeschluß feste Termine f ü r die Einforderung der rückständigen Einlageraten aufgenommen •worden sind. I m Schrifttum wird auch diese Frage bejaht (vgl. Brodmann § 2 2 1 Anm. 1 d ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 Anm. 3 ; Ritter Anm. 2 d ; Baumbach-Hueck A n m . 2 A), aber doch wohl zu Unrecht. Ein berechtigtes Schutzbedürfnis f ü r die Gesellschaft oder f ü r die Gesellschaftsgläubiger kann insoweit nicht anerkannt werden. Die gegenteilige Auffassung führt zu einer Erweiterung oder Erhöhung der von den Aktionären übernommenen Beitragspflicht. Das kann aber nicht mehr unter den Gesichts-

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3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 60 A n m . 7—9 punkt, eine Befreiung der Aktionäre von ihrer ursprünglichen Einlageverpflichtung auszuschließen,gerechtfertigt sein (ähnlich Hachenburg-SchillingGmbHG § 19 Anm. 13). Anm. 7 3. Die Leistung an E r f ü l l u n g s S t a t t : Einen wichtigen Anwendungsfall einer unzulässigen Befreiung bildet dieAnnahme einer Leistung an Erfüllungs Statt. Der Aktionär kann sich von seiner Einlagepflicht nur dadurch befreien, daß er die zugesagte Einlage auch wirklich erbringt, eine andere Leistung, die an Stelle der zugesagten Leistung erbracht wird, führt nicht zu einer Befreiung des Aktionärs von seiner Verpflichtung. Dabei ist es nicht erforderlich, daß die Gesellschaft durch die Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt geschädigt wird (jetzt allgemeine Auffassung; a. M. noch Rud. Fischer Ehrenb. Hdb. III, 1 S. 364; Mann Die Sachgründung im Aktienrecht 1931 S. 124). Dabei ist der Begriff einer Leistung an Erfüllungs Statt weit zu fassen (vgl. dazu auch Anm. 16). Die rechtsgeschäftliche Umwandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage oder einer Sacheinlage in eine Bareinlage ist der Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt gleichzustellen. Sie ist also unzulässig. Der Umwandlung einer Bareinlage in eine Sacheinlage würde zudem das weitere Bedenken entgegenstehen, daß auf diesem Wege die f ü r Sacheinlagen vorgeschriebenen Sicherungen (§§ 20, 24fr., 150, 161, 172) spielend umgangen werden könnten (RG 41, 122; K G O L G E 31, 287). Für das Verbot der Umwandlung einer Sacheinlage in eine Bareinlage gilt eine Einschränkung. Nach § 145 Abs. 3 ist eine solche Umwandlung nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 44 zulässig, vorausgesetzt, daß der volle Wert der Sacheinlage berücksichtigt wird (§ 20 Anm. 35). Bis d a h i n wäre nur der Weg der Herabsetzung des Grundkapitals (Anm. 4), verbunden mit einer Wiedererhöhung gegeben. Dagegen könnte eine bei der Gründung zugesagte Bareinlage auch nicht auf diesem Wege in eine Sacheinlage umgewandelt werden, weil die f ü r Sachgründungen vorgeschriebenen Sicherungen nicht vollständig vorhanden wären. Für eine bei der Kapitalerhöhung zugesagte Bareinlage wäre eine Umwandlung durch Herabsetzung und Wiedererhöhung des Grundkapitals möglich. Eine Änderung nach § 145 Abs. 3 ist für Bareinlagen nicht zugelassen. Die Befugnis des Aktionärs zur H i n t e r l e g u n g wird durch § 60 nicht berührt. Beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist der Aktionärs mithin berechtigt, sich von seiner Einlageverpflichtung durch Hinterlegung zu befreien (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 2 A). Anm. 8 4. D e r Vergleich: Ein Vergleich über die in Anm. 2 genannten Ansprüche ist unzulässig, wenn nur die Verwirklichung des Anspruchs unsicher ist (§ 779 Abs. 2 BGB). Zulässig ist aber ein Vergleich, wenn er bei zweifelhafter Rechtslage geschlossen wird, u m die AG vor Schaden zu bewahren. Das kann namentlich bei Sacheinlagen der Fall sein (vgl. R G 79, 274 f ü r GmbH). Die Rechtslage ist hier also anders wie im Fall des § 43, der neben dem Verzicht auch ausdrücklich den Abschluß eines Vergleichs f ü r unzulässig erklärt. Der Zwangsvergleich im Konkurse des Aktionärs oder im Vergleichsverfahren ist stets zulässig; er wird von dem Verbot des § 60 nicht berührt (unstr.). Er befreit den Aktionär teilweise von seiner Einlagepflicht ( § 5 7 Anm. 14). Anm. 9 III. D a s A u f r e c h n u n g s v e r b o t . 1. Die A u f r e c h n u n g seitens des A k t i o n ä r s : § 60 verbietet, daß sich die Aktionäre von ihren Leist ungspflichten nach den § § 4 9 und 59 durch Aufrechnung befreien. Gemeint ist damit die einseitige Aufrechnung durch Erklärung gegenüber der Gesellschaft (§ 388 BGB) ohne den Willen der Gesellschaftsorgane. Es besteht also ein ähnliches Aufrechnungsverbot wie im Fall des § 393 BGB. Das Aufrechnungsverbot gilt, wenn die AG ihre Forderung abgetreten hat, auch gegenüber dem Erwerber (RG 85, 351). Der Aktionär kann auch nicht mit einer Schadensersatzforderung aufrechnen, die er gegen die Gesellschaft hat (RG 93, 330 f ü r GmbH). Als verdeckte Aufrechnung ist es 24

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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Anm. 10—12 anzusehen, wenn ein Aktionär, der zugleich Gläubiger der Gesellschaft ist, die Einlageforderung p f ä n d e n u n d sich überweisen l ä ß t ; auch das befreit ihn nicht von seiner Einlageschuld ( K G J W 1930, 3779 3 ).

Anm. 10 2. D i e A u f r e c h n u n g s e i t e n s d e r G e s e l l s c h a f t : § 60 befaßt sich nicht ausdrücklich mit der Zulässigkeit einer A u f r e c h n u n g seitens der Gesellschaft. Sie ist dort, wo das Gesetz ausdrücklich Z a h l u n g oder Gutschrift vorschreibt, also bei d e n vor der Anmeld u n g einzufordernden Beträgen (§ 28 Abs. 2, § 155 Abs. 2 ; R G 94, 62; J W 1 9 3 1 , 2098), schon d a n a c h in j e d e m Fall unzulässig (herrsch. Ansicht; a. M . Wittgenstein BankA 3 1 , 298; wohl a u c h M a n n ZB1HR 1932, 134/35). D a r ü b e r hinaus m u ß ihre Zulässigkeit n a c h d e m G r u n d g e d a n k e n des § 60, der die A u f b r i n g u n g der K a p i t a l g r u n d l a g e sicherstellen will, weiteren Einschränkungen unterliegen.

Anm. 11 a) E i n s c h r ä n k u n g d e r A u f r e c h n u n g s b e f u g n i s : W ü r d e die Gesellschaft ohne Einschränkungen befugt sein, mit ihrer Einlageforderung gegen den Aktionär aufzurechnen, d a n n w ü r d e sie in der Lage sein, auf diesem Wege — jedenfalls i m wirtschaftlichen Ergebnis — d e n Aktionär von seiner Einlagepflicht teilweise freizustellen u n d d a m i t den Sicherungszweck des § 60 zu gefährden. Das ist namentlich der Fall, wenn die Gegenforderung des Aktionärs noch nicht fällig ist ( U m g e h u n g des Stundungsverbots) oder wenn diese mit Rücksicht auf die Vermögenslage der Gesellschaft wirtschaftlich nicht gleichwertig, vor allem deshalb nicht realisierbar ist. Diese Erkenntnis h a t das Reichsgericht unter Billigung des Schrifttums schon f r ü h dazu v e r a n l a ß t , die Aufrechnung seitens der Gesellschaft n u r zuzulassen, w e n n die Gegenforderung des Aktionärs

vollwertig, fällig und liquide ist (RG 18, 5; 54, 392; 68, 121; 72, 266; 85, 354; 94,

63; r34> 268; J W 1926, 1 1 5 3 ; 1932, 7 1 8 ; 1938, 1400; ebenso B G H 15, 52). Das gilt auch d a n n , w e n n die Gesellschaft aus d e n Einzahlungen des Aktionärs R ü c k z a h l u n g e n zur Tilgung einer d e m Aktionär zustehenden F o r d e r u n g leistet, weil das eine klare U m g e h u n g des Aufrechnungsverbots wäre ( R G 152, 300). Sagt die Gesellschaft d e m einlagepflichtigen Aktionär ein Darlehn zu u n d rechnet sie sodann mit ihrer Einlageforderung gegenüber d e m Anspruch des Aktionärs auf Auszahlung des zugesagten D a r lehns a u f , so ist eine solche A u f r e c h n u n g unzulässig; denn der Anspruch auf Auszahlung eines Darlehns, das wieder zurückgezahlt werden m u ß , ist der Einlageschuld nicht gleichwertig. Maßgeblich f ü r das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Zeitp u n k t , in d e m die A u f r e c h n u n g erklärt u n d wirksam wird ( R G J W 1938, 1400).

Anm. 12 Die Gegenforderung des Aktionärs ist n i c h t v o l l w e r t i g , wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist ( R G 134, 268; B r o d m a n n § 2 2 1 A n m . 2 c; B a u m bach-Hueck A n m . 3), w e n n die Gesellschaft also nicht in der Lage ist, ihre fälligen Schulden zu bezahlen. Es k o m m t insoweit auf den objektiven Sachverhalt a n ( R G 134, 268). Z u weit gehen in dieser Hinsicht Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 A n m . 7, die die Vollwertigkeit der Gegenforderung schon d a n n verneinen, w e n n sie „zweifelh a f t " in d e m Sinn sei, d a ß ein vorsichtiger K a u f m a n n sie nicht z u m vollen N e n n w e r t bilanzieren würde. Z u weit ist diese Formulierung d a n n , wenn sie a u c h d e n Fall u m faßt, d a ß ein vorsichtiger K a u f m a n n als Außenstehender ohne vollständige K e n n t nis des objektiven Sachverhalts so verfahren würde. N a c h R G J W 1938, 1400 k a n n bei einer K a p i t a l e r h ö h u n g die Vollwertigkeit der Gegenforderung eines Aktionärs nicht bejaht werden, wenn sie aus d e n Mitteln der Gesellschaft erst d a n n voll befriedigt werden könnte, n a c h d e m die anderen Aktionäre ihrer Einlagepflicht aus der K a p i t a l erhöhung nachgekommen sind (ebenso W a l d m a n n D G e m W R 1942, 13 fr.; zweifelnd Boesebeck J W 1938, 1402). D e m k a n n nicht beigetreten werden (wie hier H a c h e n b u r g Schilling G m b H G § 19 A n m . 15). Namentlich wird d u r c h eine solche A u f r e c h n u n g nicht der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Aktionäre verletzt. D a v o n könnte n u r gesprochen werden, w e n n a n d e r e einlagepflichtige Aktionäre ebenfalls Gegenforderungen gegen die Gesellschaft hätten u n d insoweit von der Gesellschaft eine

370

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 60 Anm. 13—16 Aufrechnung nicht erklärt wird. Das hat aber mit dem rechtlichen Gesichtspunkt der Vollwertigkeit überhaupt nichts zu tun. In einem Fall dieser Art ist die Vollwertigkeit der Gegenforderung nur dann, und zwar unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Zahlungsunfähigkeit, zu verneinen, wenn andere einlagepflichtige Aktionäre ebenfalls Gegenforderungen gegen die Gesellschaft haben und diese wegen fehlender Mittel nicht durch Aufrechnung getilgt werden können, ohne daß die übrigen Gesellschafter dadurch wegen ihrer Forderungen gefährdet werden. Anm. 13 Die Beweislast dafür, daß die Gegenforderung des Aktionärs im Zeitpunkt der Aufrechnung nicht vollwertig war, trifft die Gesellschaft (a. M. Brodmann §221 Anm. 2d). Das ergibt sich schon daraus, daß das Gesetz grundsätzlich von der Zulässigkeit der von der Gesellschaft erklärten Aufrechnung ausgeht, und daß die in der Rechtsprechung entwickelte Einschränkung ihrer Zulässigkeit eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist. Darüber hinaus ist es bei den gegebenen Verhältnissen auch allein sachgerecht, die Beweislast insoweit der Gesellschaft aufzubürden, weil es sich hierbei um Tatsachen handelt, die die Sphäre der Gesellschaft berühren, und weil es für den Aktionär im Einzelfall schwierig, wenn nicht unmöglich ist, den Beweis dafür zu führen, daß seine Forderung im Zeitpunkt der Aufrechnung vollwertig war. Anm. 14 b) Abgrenzung gegenüber Sacheinlage und Leistung an Erfüllungs Statt: Die einseitige Aufrechnung seitens der Gesellschaft ist von der Sacheinlage (§ 20) und der unzulässigen Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt abzugrenzen. Daraus ergibt sich eine wesentliche Einschränkung für den Anwendungsbereich einer zulässigen einseitigen Aufrechnung durch die Gesellschaft. Anm. 15 Bringt ein Gesellschafter bei der Errichtung der Gesellschaft oder bei einer Kapitalerhöhung eine Forderung gegen die Gesellschaft in Anrechnung auf seine Einlagepflicht (als Einlage) ein, so handelt es sich hierbei um eine Sacheinlage (§ 20 Anm. 12). Für diese Beurteilung ist es ohne Bedeutung, ob dieses Einbringen in Form einer Abtretung der Forderung an die Gesellschaft mit der Wirkung, daß diese durch Vereinigung von Gläubiger und Schuldner in einer Person erlischt, oder in der Form geschieht, daß die Aufrechnung mit dieser Forderung erklärt wird (§20 Anm. 12). In rechtlicher Hinsicht ist dieser Vorfall in jedem Fall als eine Sacheinlage anzusehen. Es ist daher erforderlich, daß insoweit auch die für Sacheinlageli vorgeschriebenen Sicherungen eingehalten werden. Namentlich können diese Sicherungen nicht dadurch umgangen werden, daß zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär eine Aufrechnung zunächst nur vorgesehen und dann später von der Gesellschaft dem Aktionär gegenüber erklärt wird. Eine solche Aufrechnung muß auch dann als unzulässig angesehen werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Aufrechnung durch die Gesellschaft (Anm. 11) gegeben sind. Da Gegenstand einer Sacheinlage nur solche Forderungen eines Aktionärs sein können, die im Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft oder des Beschlusses der Kapitalerhöhung bereits bestehen (§20 Anm. 12), ergibt sich daraus, daß die Gesellschaft unter dem vorstehenden Gesichtspunkt nur gegen solche Forderungen nicht mit ihrer Einlageforderung aufrechnen kann, die in diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben. Andererseits gilt dies aber für die Aufrechnung gegen solche Forderungen auch ohne Einschränkungen (vgl. dazu Boesebeck Anm. J W 1938, 1401; Waldmann DGemWR 1942, 13 fr.; Rob. Fischer Lind.-Möhr. Anm. zu Nr. 1 bei § 19 GmbH.; ähnlich auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Anm. 16 Die Gesellschaft ist nicht befugt, als Erfüllung für eine Bareinalge eine andere Leistung, etwa eine Sachleistung anzunehmen, da darin eine unzulässige Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt er zublicken ist. Die Gesellschaft ist aber auch nicht befugt, dieses Ergebnis auf dem Weg über eine einseitige Aufrechnung herbeizu24»

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A n m . 17, 1 8 führen, und zwar auch dann nicht, wenn im übrigen die Voraussetzungen f ü r die Z u lässigkeit einer einseitigen Aufrechnung seitens der Gesellschaft gegeben wären. Eine solche Aufrechnung wäre als eine Umgehung des Befreiungsverbots unwirksam. Es ist daher nicht möglich, daß die Gesellschaft die Sachleistung, die als Ersatz f ü r die Bareinlage vorgesehen ist, von dem Aktionär gegen Berechnung eines Entgelts entgegennimmt und sodann gegen die so begründete Forderung des Aktionärs mit ihrer Einlageforderung aufrechnet. Das gilt stets dann, wenn eine solche Aufrechnung zwischen den Parteien vorher abgesprochen worden war oder sich in anderer Weise die Absicht einer Umgehung des Verbots für Leistungen an Erfüllungs Statt ergibt (DüringerHachenburg-Flechtheim § 221 Anm. 8; Staub-Pinner § 221 Anm. 4 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3 ; Flechtheim J W 1929, 2 1 0 7 ; Boesebeck J W 1938, 1 4 0 1 ; im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung R G 1 4 1 , 209; D R 1944, 7 7 5 ; a. M . Ritter Anm. 5).

Anm. 17 c) Die Aufrechnung i m gegenseitigen Einverständnis: In der Rechtsprechung

und im Schrifttum wird die vertragliche Aufrechnung mit der einseitigen Aufrechnung seitens der Gesellschaft vielfach gleichgestellt und demgemäß die Zulässigkeit der vertraglichen Aufrechnung unter den gleichen Voraussetzungen wie die einseitige Aufrechnung bejaht. Das ist jedoch irreführend, weil sich unter dem Begriff der vertraglichen Aufrechnung (Aufrechnungsvertrag) zwei verschiedene rechtliche Vorgänge verbergen, nämlich einmal der Vertrag, künftig (zu einem bestimmten Zeitpunkt) aufrechnen zu wollen, und sodann die Aufrechnungserklärung im beiderseitigen Einverständnis. Da in diesem Zusammenhang nur die einverständliche Aufrechnungserklärung der einseitig von der Gesellschaft erklärten Aufrechnung gleichgestellt werden kann, sollte man hier zur Vermeidung von Mißverständnissen besser nicht von Aufrechnungsvertrag oder von der vertraglichen Aufrechnung sprechen (so schon Brodmann § 221 Anm. 2 a ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 A n m . 7 vermeiden diesen Ausdruck offenbar bewußt). Gegen die Zulässigkeit einer einverständlichen Aufrechnungserklärung können keine Bedenken hergeleitet werden (vgl. dazu R o b . Fischer Lind.-Möhr. Anm. zu Nr. 1 bei § 19 G m b H G ) . Soweit das im Schrifttum gleichwohl geschieht (vgl. etwa Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 16), richten sich diese Bedenken allein dagegen, daß sich die Gesellschaft nicht vertraglich binden kann, später eine Aufrechnung auszusprechen. Die praktische Bedeutung der einverständlichen Aufrechnung besteht lediglich darin, Hindernisse f ü r eine einseitige Aufrechnung seitens der Gesellschaft auszuräumen (Rob. Fischer a. a. O.).

Anm. 18 Die Zulässigkeit der von der Gesellschaft einseitig erklärten Aufrechnung bestimmt sich danach, ob die Gegenforderung des Aktionärs im Zeitpunkt der Aufrechnung v o l l w e r t i g , f ä l l i g und l i q u i d e ist (Anm. 1 1 ) . Diese Einschränkung ist geboten, u m auch in diesem Zusammenhang dem Sicherungszweck des § 60 Geltung zu verschaffen. Wendet man diesen Grundsatz auch auf den A u f r e c h n u n g s v e r t r a g an, also auf einen Vertrag, durch den sich die Gesellschaft verpflichtet, später zu einem bestimmten Zeitpunkt die Aufrechnung zu erklären, so sind gegen einen solchen Vertrag keine Bedenken herzuleiten. Denn die Anwendung dieses Grundsatzes auf den Aufrechnungsvertrag bedeutet, daß im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung oder besser, daß in dem f ü r die Aufrechnungserklärung vorgesehenen Zeitpunkt die Voraussetzungen f ü r die Zulässigkeit einer einseitigen Aufrechnung durch die Gesellschaft gegeben sind (ebenso wohl auch Brodmann § 221 Anm. 2a). Denn es ist, auch unter Berücksichtigung des Grundgedankens des § 60, nicht einzusehen, warum sich die Gesellschaft zu einer solchen ihr rechtlich möglichen Leistung nicht vertraglich verpflichten könnte. Erweist sich freilich in dem f ü r die Aufrechnungserklärung vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt, daß dann die Voraussetzungen f ü r eine einseitige Aufrechnung durch die Gesellschaft nicht (mehr) gegeben sind, dann kann sie an die vertraglich übernommene Verpflichtung nicht gebunden sein, und zwar deshalb nicht, weil sich nunmehr herausgestellt hat, daß ihr die Erfüllung dieser Verpflichtung rechtlich unmöglich ist. 372

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

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Anm. 19—21

Anm. 19 d) Die A u f n a h m e der Einlageforderung in ein K o n t o k o r r e n t : Dem Grundgedanken des § 6o sowie den Bilanzvorschriften ( § 1 3 1 Abs. 1 A I) widerspricht es, die Einlageschuld des Aktionärs in dessen Kontokorrent aufzunehmen (Colmar OLGE 14, 364; OLG Hamburg Hans. R G Z 1932 B 3 5 1 ; Brodmann § 221 Anm. 2g; BaumbachHueck Anm. 3; a. M. Ritter Anm. 5). Schon die Tatsache, daß die Aufnahme der Einlageforderung in ein Kontokorrent eine Stundung der Einlageforderung darstellen kann, spricht gegen ihre Zulässigkeit. Eine andere Frage ist es dagegen, ob das gleiche auch für die spätere Abrechnung (Abschluß der Rechnung) gilt. Das kann nicht gesagt werden, da sich diese nach ihrem rechtlichen Gehalt als eine einverständliche Aufrechnung (Anm. 17) darstellen kann. Sie muß daher als wirksam angesehen werden, soweit diese Abrechnung im gegenseitigen Einvernehmen erfolgt und im Zeitpunkt ihrer Vornahme die Voraussetzungen für eine zulässige einverständliche Aufrechnung gegeben sind (ähnlich R G J W 1930, 2687 [für Genossenschaft]; ebenso Brodmann § 221 Anm. 2 g).

Anm. 20 e) A u s n a h m e : Die vorstehend erörterten Einschränkungen für die Zulässigkeit einer Aufrechnung seitens der Gesellschaft, einer einverständlichen Aufrechnung zwischen den Beteiligten sowie eines Aufrechnungsvertrages bezwecken ausschließlich, im Interesse der Gesellschaftsgläubiger, im Interesse der Gesellschaft und im Interesse der übrigen Aktionäre die Aufbringung der Kapitalgrundlage für die Gesellschaft sicherzustellen. Dieser Zweck umreißt auch zugleich die Grenzen für die Geltung dieser Einschränkungen. Sie dürfen daher im Einzelfall nicht dazu führen, die Gesellschaft so zu schädigen, daß sie bei der Aufbringung ihrer Kapitalgrundlage schlechter gestellt sein würde, als wenn diese Einschränkungen nicht gelten würden. Das wird namentlich im Konkurs des Aktionärs der Fall sein; hier muß man deshalb der Gesellschaft das Recht zur Aufrechnung unbeschränkt zubilligen (RG 141, 212; BGH 15, 57/58; Baumbach-Hueck Anm. 3). Die von Hachenburg-Schilling GmbHG § 19 Anm. 16 a hiergegen geäußerten Bedenken, daß nämlich diese von der Rechtsprechung zugelassene Ausnahme nicht ganz konsequent sei, erscheinen nicht begründet (vgl. dazu Rob. Fischer Lind.-Möhr. Anm. zu Nr. 1 bei § 19 GmbHG).

Anm. 21 IV. Die Abtretung der Einlageforderung. 1. Allgemeines: § 60 enthält nichts darüber, ob die Gesellschaft zur Abtretung ihrer Einlageforderung befugt ist. Die Rechtsprechnung hat daher diese Frage ausschließlich unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob eine solche Abtretung nach den allgemeinen für die Abtretung geltenden Grundsätzen zulässig sei oder nicht, ob insbesondere die Vorschrift des § 399 BGB der Zulässigkeit einer solchen Abtretung entgegenstehe. Da die Rechtsprechung geglaubt hat, diese Frage verneinen zu können, hat sie zunächst, und zwar unter Billigung des Schrifttums, die Zulässigkeit einer Abtretung der Einlageforderung ganz allgemein bejaht (RG 76, 434; 85, 352; 102, 385; K G OLGE 24, 1 5 1 ; Hamburg O L G E 27, 137). Die entscheidende Wendung in dieser Rechtsprechung trat mit der Entscheidung R G 124, 380 ein; in dieser Entscheidung wurde der enge Zusammenhang der Frage nach der Zulässigkeit einer Abtretung der Einlageforderung mit dem Grundgedanken des Befreiungsverbots des § 60 deutlich. Bei dem hierbei zur Entscheidung gestellten Sachverhalt wurde es klar, daß die unbeschränkte Zulassung einer Abtretung der Einlageforderung ernsthaft die Aufbringung der Kapitalgrundlage der Gesellschaft gefährden und deshalb ebenfalls dem Grundgedanken des § 60 widersprechen kann. Seitdem hat sich die Rechtsprechung dahin gefestigt, daß die Abtretung einer Einlageforderung nur dann zulässig ist, wenn die Gesellschaft als Gegenleistung ein vollwertiges Entgelt dafür erhält (RG 133, 83; 135, 57; 156, 25; J W 1936, 445). Dieser Auffassung ist das Schrifttum im wesentlichen gefolgt (Rud. Fischer Ehrenb. Hbd. III, 1 S. 365; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 218 Anm. 14; Staub-Pinner § 221 Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; Ritter § 52 Anm. 3e;

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Anm. 22, 23

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Teichmann-Koehler Anm. 3 ; v. Godin-Wilhelmi § 1 Anm. 9; Baumbach-Hueck Anm. 2 B ; a. M . Brodmann § 2 1 8 Anm. 6 a ; Feine Ehrenb. Hdb. I I I , 3 S. 300; Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 25 m. w. N. aus dem GmbH-Schrifttum).

Anm. 22 2. V e r s t o ß gegen § 3 9 9 B G B ? : Die erste Frage, die sich in diesem Zusammenhang bei der Zulässigkeit einer Abtretung der Einlageforderung stellt, ist die, ob sich eine solche Abtretung mit der Vorschrift des § 399 B G B vereinbaren läßt. Nach § 399 B G B ist die Abtretung einer Forderung ausgeschlossen, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Die Beantwortung dieser Frage ist durchaus problematisch. Es sind im wesentlichen zwei eng miteinander zusammenhängende Gesichtspunkte, die nach § 399 B G B Bedenken gegen die Zulässigkeit der Abtretung auslösen, nämlich einmal der Umstand, daß der Anspruch auf die rückständige Einlage erst fällig wird, wenn der Aktionär nach Maßgabe des § 57 zur Einzahlung aufgefordert ist (§ 57 Anm. 3), und des weiteren der Umstand, daß die Einforderung der rückständigen Beiträge nur unter Wahrung des Grundsatzes der gleichmäßigen Behandlung aller Aktionäre vorgenommen werden kann (§ 57 Anm. 5). Diese Umstände geben der Einlageforderung einen bestimmten Inhalt. Dieser Inhalt würde eine Veränderung im Sinn des § 399 B G B erfahren, wenn die genannten Umstände nach einer Abtretung der Forderung in der Hand des Zessionars nicht mehr den Inhalt der Forderung bestimmen würden. Insoweit kann den entgegenstehenden Ausführungen in R G 76, 434 gewiß nicht gefolgt werden (vgl. dazu auch R G 1 3 3 , 82 mit einer sehr viel vorsichtigeren Formulierung). Es wäre mit § 399 B G B nicht zu vereinbaren, wenn der Zessionar nach Abtretung von dem Aktionär ohne Rücksicht auf eine Aufforderung im Sinn des § 57 und ohne Berücksichtigung des Gleichheitssatzes Zahlung verlangen könnte. Das ist dann auch in der Entscheidung R G 1 3 5 , 57 erkannt worden, in der das Reichsgericht zutreffend auch auf den in diesem Zusammenhang zu beachtenden Grundsatz der Gleichbehandlung hinweist und ausführt, daß deswegen die Möglichkeit einer rechtswirksamen Abtretung solcher Einlageforderungen tatsächlich vielfach entfallen wird. Den Bedenken, die sich danach gegen die Zulässigkeit einer Abtretung von Einlageforderungen aus § 399 B G B ergeben, kann entgegen der Auffassung des Reichsgerichts ( R G 76, 438; 1 3 1 , 146; J W 1932, 7 3 3 ; ähnlich insoweit auch Teichmann-Koehler Anm. 3) nur dadurch begegnet werden, daß man trotz der Abtretung das Recht der Gesellschaft, die Aktionäre zur Einzahlung gemäß § 57 aufzufordern, unberührt läßt und daß die Gesellschaft hierbei weiterhin an dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre gebunden bleibt (DüringerHachenburg-Flechtheim § 2 1 8 Anm. 1 4 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; Ritter § 57 Anm. 3 b ; v. Godin-Wilhelmi § 57 Anm. 1 ; Baumbach-Hueck § 57 Anm. 2). Bei einer solchen Behandlung können die Bedenken, die unter dem Gesichtspunkt des § 399 B G B im Schrifttum gegen die Zulässigkeit einer Abtretung geltend gemacht werden (vgl. namentlich Brodmann § 2 1 8 Anm. 6 a ; Feine Ehrenb. Hdb. I I I , 3 S. 300; Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 25), nicht als stichhaltig angesehen werden (ähnlich auch Rospatt Z B 1 H R 1932, 32ff.). Hierdurch verliert allerdings die Abtretung einer Einlageforderung viel an praktischer Bedeutung, da sie dadurch f ü r den Zessionar zu einer höchst unsicheren Sache wird. E r kann sich lediglich durch schuldrechtliche Vereinbarungen mit der Gesellschaft sichern, daß die gleichmäßige Aufforderung zur Einzahlung innerhalb einer bestimmten Frist geschieht, und daß damit die ihm abgetretene Forderung fällig wird.

Anm. 23 3. Die T r a g w e i t e d e r V e r b o t s v o r s c h r i f t des § 6 0 : In Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechnung des Reichsgerichts (Anm. 2 1 ) steht der unbeschränkten Zulassung der Abtretung einer Einlageforderung der Grundgedanke des § 60 entgegen. Mit diesem ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Gesellschaft in der L a g e wäre, auf dem Wege über eine Abtretung ihrer Einlageforderung die Aufbringung ihrer Kapitalgrundlage zu gefährden. Es muß daher verlangt werden, daß die Gesellschaft f ü r den abgetretenen Anspruch ein vollwertiges Entgelt erhält. Anderenfalls ist eine Abtretung der

374

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 60 A n m , 24—26 Einlageforderung unwirksam. Mit dieser weiteren Einschränkung verliert die Abtretung einer Einlageforderung eigentlich jede praktische Bedeutung. Denn welcher Gläubiger der Gesellschaft wird sich bei einem guten Vermögensstand der Gesellschaft auf eine so unsichere Sache wie die Abtretung einer Einlageforderung einlassen ? Das wird nur dann der Fall sein, wenn sich die Gesellschaft in schlechten Vermögensverhätnissen befindet und sich der Gläubiger durch eine Abtretung der Einlageforderung noch befriedigen zu können glaubt. In diesem Fall schwebt aber das Damoklesschwert der Unwirksamkeit der Abtretung über ihm, weil dann die Vollwertigkeit des Abtretungsentgelts meist nicht gegeben ist. Dieses ist um so unangenehmer, als für ihn die Verhältnisse meist nicht mit Sicherheit übersehbar sind. Diese praktische Bedeutungslosigkeit einer Abtretung der Einlageforderung kann aber nicht die Annahme rechtfertigen, daß sie deshalb nicht zugelassen werden sollte und daß sie deshalb unwirksam ist (so Nußbaum J W 1929, 3006; Rospatt ZB1HR 1932, 38; Schumacher J W 1936, 3155; auch Hachenburg-Schilling GmbHG § 19 Anm. 25 verwerten dieses Argument für ihren gegenteiligen Standpunkt). A n m . 24 Auch die Stellung des Aktionärs ist bei einer Abtretung seiner Einlageforderung wegen des Erfordernisses eines vollwertigen Abtretungsentgelts prekär. Denn auch für ihn ist es kaum mit Sicherheit übersehbar, ob das gezahlte Entgelt vollwertig war und die Abtretung der gegen ihn gerichteten Forderung wirksam ist. Für ihn wird daher in einem solchen Fall praktisch nur die Hinterlegung (§ 378 BGB; dazu Anm. 7) offenbleiben, um sich vor Schaden zu hüten. Denn ihm dadurch zu helfen, daß man ihm den Gutglaubensschutz der §§ 409/10 BGB zuteil werden läßt (so Vorauf!. Anm. 1 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8), erscheint bei der grundlegenden Bedeutung des § 60 und bei der mit einer Anwendung der §§ 409/10 BGB verbundenen Gefahrdung der Kapitalgrundlage nicht annehmbar. A n m . 25 4. Die Verpfändung der Einlageforderung: Alles, was zur Abtretung der Einlageforderung gesagt ist (Anm. 21 ff.), gilt entsprechend für die Verpfändung der Einlageforderung. Besonderheiten ergeben sich in dieser Hinsicht nicht. A n m . 26 5. Die Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers durch einen A k t i o n ä r : Befriedigt ein Aktionär auf Anweisung oder mit Zustimmung der Gesellschaft einen Gesellschaftsgläubiger, um sich so von seiner Einlage Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft zu befreien, so erhebt sich auch hier die Frage, ob eine solche Befreiung ohne weiteres möglich ist oder ob sie im Hinblick auf den Sicherungszweck des § 60 an Einschränkungen gebunden werden muß. Eine solche Befriedigung steht in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis einer Abtretung nahe. Denn es könnte das gleiche Ergebnis auch dadurch erreicht werden, daß die Gesellschaft gegen Befreiung von ihrer Schuld ihre Einlageforderung gegen den Aktionär an ihren Gläubiger abtritt. Es ist daher notwendig, auch bei einer solchen Befriedigung an dem Erfordernis der Gleichwertigkeit zwischen der Gläubigerforderung und der von dem Aktionär geleisteten Zahlung festzuhalten, weil anderenfalls auf diesem Weg der Sicherungszweck des § 60 gefährdet werden könnte. Auch muß die Forderung des Gläubigers fällig sein (RG J W 1907, 845; 1914, 983; Brodmann § 221 Anm. 2d; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 221 Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Mann ZB1HR 1932, 134; a. M. OLG Frankfurt J W 1930, 2798). Der hiergegen erhobene Einwand von v. Godin-Wilhelmi Anm. 4, die Gesellschaft könne ja auch nicht gehindert werden, das von dem Aktionär auf seine Einlageschuld empfangene Geld zur Bezahlung ihrer nicht vollwertigen Schuld an den Dritten zu verwenden, greift nicht durch. Mit gleichem Recht müßten dann v. GodinWilhelmi auch die Einschränkung der einseitigen Aufrechnung und der Abtretung durch das Erfordernis der Vollwertigkeit nicht gelten lassen, was sie jedoch mit gutem Grund nicht tun.

375

§ ¿0

A n m . 27—29

I. Buch: Aktiengesellschaft

V. Die Pfändung der Einlageforderung. Anm. 27 1. A l l g e m e i n e s : Die Stellungsnahme der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Pfändung einer Einlageforderung ist völlig die gleiche wie zur Zulässigkeit der Abtretung (Anm. 2 1 ) . Demgemäß wurde sie zunächst (vgl. R G 36, 1 1 3 und die weiteren Entscheidungen Anm. 2 1 ) . ohne Einschränkung f ü r zulässig erklärt und später ihre Zulässigkeit ebenfalls davon abhängig gemacht, daß die Forderung des pfändenden Gläubigers gleichwertig sei. Auch in diesem Punkt ist das Schrifttum im wesentlichen der Auffassung des Reichsgerichts gefolgt. Diese Auffassung bedeutet, daß praktisch die Pfändung einer Einlageforderung ausgeschlossen ist. Denn eine A G , die es zur Zwangsvollstreckung und Pfändung ihrer rückständigen Einlageforderungen kommen läßt, wird sich immer in Zahlungsschwierigkeiten befinden. M a n wird daher in einem solchen Fall immer annehmen können, daß die Forderung des pfändenden Gläubigers nicht gleichwertig ist.

Anm. 28 2. D i e Z u l ä s s i g k e i t d e r P f ä n d u n g : Die Gleichstellung von Abtretung und P f ä n dung, soweit es sich u m das Zulässigkeitserfordernis der Vollwertigkeit handelt, erweckt grundsätzliche Bedenken (vgl. Schumacher J W 1936, 3 1 5 5 ; zweifelnd auch Kiesow D J 1937, 1824). Sie bedeutet in ihrer praktischen Auswirkung, daß das Prinzip der Prävention, das f ü r die Einzelvollstreckung gilt, zugunsten der untätigen Gläubiger zurückgedrängt und praktisch schon in diesem Stadium das Prinzip des Konkurses, einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger, zur Geltung gebracht wird. E i n e solche einschneidende Beschränkung der Rechtsstellung einzelner Gesellschaftsgläubiger schon in der Zeit vor der Konkurseröffnung kann nicht mit dem Sicherungsgedanken des § 60 begründet werden (bedenklich insoweit Hachenburg-Schilling G m b H G § 19 Anm. 27). M a n wird daher bei der Pfändung einer Einlageforderung grundsätzlich, von der Erfordernis der Vollwertigkeit absehen müssen (a. M . Vorauf!. A n m . 12 u n d die herrschende Ansicht im Schrifttum). Das kann freilich lediglich f ü r Nur-Gläubiger der Gesellschaft gelten. Einem Aktionär, der gleichzeitig Gläubiger ist, kann das Z u griffsrecht im Wege der Pfändung nicht zugebilligt werden, und zwar deshalb nicht, weil das praktisch zu einer Umgehung des f ü r ihn geltenden Aufrechnungsverbots, führen müßte.

Anm. 29 VI. Das Zurückbehaltungsrecht. Bei der Abfassung des § 2 2 1 H G B wurde die früher vorhandene Vorschrift über das. Zurückbehaltungsrecht gestrichen, ohne daß jedoch damit eine sachliche Ä n d e r u n g beabsichtigt war. Es wurde angenommen, daß sich schon aus § 2 7 3 B G B dasselbe ergebe wie vorher. In der T a t trifft das zu. Denn § 273 B G B läßt das Zurückbehaltungsrecht nur zu, „sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt". Die 4 Vorschriften des Aktienrechts, die auf die Aufbringung des Grundkapitals zielen, insbesondere auch § 60, ergeben aber „etwas anderes" ( R G 83, 268; J W 1929, 1 7 4 5 ; H a m burg O L G E 27, 139 oben). Daß eine geschuldete Bareinlage nicht wegen einer G e l d forderung zurückbehalten werden kann, ergibt sich daraus, daß das auf eine Aufrechnung hinauslaufen ( R G 83, 140; 85, 1 1 0 ; 1 2 3 , 8 oben) und unmittelbar unter das Aufrechnungsverbot des § 60 fallen würde. Aber auch die Zurückbehaltung einer Bareinlage wegen einer von der Gesellschaft geschuldeten Sachleistung •— abgesehen von d e r unten genannten Aktienurkunde — könnte, selbst wenn der nach § 273 B G B erforderliche Zusammenhang bestände, nach der Eigenart der Einlageschuld nicht zugelassen werden. Anwendbar ist aber das Zurückbehaltungsrecht bei Sacheinlagen, wenn d e r Einbringende eine sich auf den Gegenstand beziehende Forderung hat, z. B. aus Aufwendungen, die nach dem Inhalt des Einbringungsvertrages der Gesellschaft obliegen. Ferner hat der Aktionär ein Zurückbehaltungsrecht an der ihm obliegenden Schlußleistung, bis ihm die Aktienurkunde ausgehändigt wird ( R G 94, 64). Das'* alles w i r d auch im Schrifttum nicht in Zweifel gezogen. O b dem Aktionär die Leistung des^ein-

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 60 Anm. 30 §61

geforderten Teilbetrags das Recht gibt, eine Aktienurkunde mit Angabe des geleisteten Teilbetrags oder einen Zwischenschein zu verlangen und bis zur Aushändigung die Leistung zurückzuhalten, richtet sich danach, ob die Gesellschaft solche Urkunden überhaupt ausgibt (vgl. § io Anm. 9, 11). A n m . 30 VII. Der Konkurs der Gesellschaft. Im Konkurse der A G gehören die Einlagerückstände zur Konkursmasse und werden vom Konkursverwalter geltend gemacht. Das Aufrechnungsverbot gilt auch hierbei. Die §§ 53ff. K O sind daher nicht anwendbar, die Aktionäre müssen ihre Gegenforderungen als Konkursforderungen anmelden. § 6 1 Buchung und Übertragung der Namensliste (1) Namensaktien sind unter Bezeichnung des Inhabers nachNamen, Wohnort und Stand in das Aktienbuch der Gesellschaft einzutragen. (2) Sie können durch Indossament übertragen werden; für die F o r m des Indossaments, den Rechtsausweis des Inhabers und seine Verpflichtung zur Herausgabe gelten sinngemäß Artikel 12, 13 und 16 des Wechselgesetzes. (3) Die Satzung kann die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft binden. Die Zustimmung gibt der Vorstand, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. Die Satzung kann ferner bestimmen, daß die Zustimmung nur aus wichtigen Gründen verweigert werden darf. (4) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Das Aktienbuch 1. Die Aufgabe des Aktien buchs 2. Die Führung des Aktienbuchs 3. Die Eintragung in das Aktienbuch 4. Die Einsicht in das Aktienbuch I I . Die Übertragung der Aktie 1. Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit . . . . 2. Die Übertragung der Namensaktie durch Abtretung 3. Die Übertragung der Namensaktie durch Indossament I I I . Die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung 1. Allgemeines 2. Die Aufnahme des Zustimmungserfordernis in die Satzung

1,2

3 4 5 6

7 8 9

10

3. Die Erteilung der Zustimmung a) Die Form der Zustimmung b) Wer ist zustimmungsberechtigt ? 13. 4. Die Verweigerung der Zustimmung 15. 5. Die Rechtsfolgen bei verweigerter Zustimmung. . a) Im Verhältnis zwischen Erwerber und Gesellschaft b) Im Verhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer 6. Die Zustimmung beiBlankozessionen 7. Die Pfändung gebundener Namensaktien 8. Die Erbfolge bei gebundenen Namensaktien . . . IV. Der Zwischenschein

n

. . . .

12 14 16

17 18 19 20 21 22

V. Die Legitimationsübertragung 2 1—27 377

§61 Anm. 1—4

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1 Schon die Art. 182, 183, 223 des alten H G B enthielten für Namensaktien Bestimmungen über Eintragung ins Aktienbuch und Übertragung. Die Bestimmungen gingen ohne wesentliche Änderung in das Gesetz von 1884 (Art. 182, 183, 183a, 220) und sodann in das neue H G B (§§ 222, 223, 224) über. Auch die §§ 61, 62 AktG halten im wesentlichen an dem bisherigen Recht fest. Anm. 2 Die §§ 61, 62 gelten n u r für N a m e n s a k t i e n , nicht für die in Deutschland weitaus häufigeren Inhaberaktien. Deren Übertragung und Verpfandung vollzieht sich in sachenrechtlichen Formen (§§ 929fr., I205f., 1293 BGB). Ein Aktienbuch im Sinn der §§ 61, 62 kommt für sie nicht in Frage. Jedoch wird auch für sie regelmäßig ein Buch geführt, das als „Aktienbuch" bezeichnet wird. Darin werden die Ausgaben von Aktienurkunden, Verlustanzeigen, Kraftloserklärungen, Zusammenlegungen u. dgl. eingetragen, nicht die Namen der jeweiligen Inhaber; eine auch nur entsprechende Anwendung der §§ 61, 62 auf ein solches sog. Aktienbuch scheidet aus. Anm. 3 I. Das Aktienbuch. 1. Die Aufgabe des Aktienbuchs: Das Aktienbuch hat die Aufgabe, bei Namensaktien den jeweiligen Inhaber der Aktie ersichtlich zu machen (vgl. Köln O L G E 11, 384). Das Aktienbuch gehört nicht zu den Handelsbüchern im Sinn des § 38 HGB, da es nicht dazu bestimmt ist, die Handelsgeschäfte der A G und die Lage ihres Vermögens ersichtlich zu machen, sondern es gehört zu den in § 43 Abs. 1 H G B genannten „sonst erforderlichen Aufzeichnungen". Deshalb finden insoweit auch nicht die Strafvorschriften der §§ 239/240 K O Anwendung (Richter Das Aktienbuch 1934 S. 66). O b es Aktienbuch genannt wird, ist gleichgültig; auch ein Buch mit Empfangsbescheinigungen über Aktien kann so eingerichtet sein, daß es dem Gesetz genügt, und ist dann ein Aktienbuch (RG 41, 19). In das Aktienbuch ist nicht nur der jeweilige Inhaber einzutragen, sondern auch die Umwandlung der Namensaktie in eine Inhaberaktie ( § 1 7 Abs. 2), eine vollzogene Kaduzierung (§ 58 Abs. 3), Zusammenlegungen, Einziehungen, Änderungen des Nennbetrags u. dgl. Anm. 4 2. Die F ü h r u n g des Aktienbuchs: Sobald Namensaktien oder Zwischenscheine ausgegeben sind, ist die Gesellschaft zur Führung des Aktienbuchs verpflichtet ( R G J W 1906, 17726) • Jeder Aktionär hat alsdann einen klagbaren Anspruch gegen die A G auf Einrichtung des Buchs (Köln O L G E 11, 384). Das Recht, im Aktienbuch eingetragen zu werden, ist ein unentziehbares allgemeines Mitgliedschaftsrecht (§ 1 Anm. 17). Vor der Ausgabe von Namensaktien oder Zwischenscheinen besteht noch keine Pflicht der A G zur Einrichtung des Buchs. Gleichwohl kann auch während dieses Zeitraums, in dem die Anteilrechte formlos abgetreten werden können (§ 10 Anm. 2), ein Aktienbuch angelegt werden. Es besteht kein Grund, einem solchen Buch die Bedeutung eines Aktienbuchs und den Eintragungen die Wirkung des § 62 Abs. 3 abzusprechen (RG 86, 155; Brodmann § 222 Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1; Baumbach-Hueck Anm. 2; Richter 46; a. M. K G J 14 A 32; vgl. auch R G 34, 117; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 3, 15; Ritter Anm. 3b, 7; Schlegelberger-Quassowski § 61 Anm. 12, § 62 Anm. 1). Sind für unverbriefte Aktienrechte keine Eintragungen vorgenommen oder ist überhaupt kein Buch angelegt worden, so ist freilich § 62 Abs. 3 unanwendbar. Wie alle Geschäftsbücher der A G , so ist auch das Aktienbuch v o m V o r s t a n d zu führen. Der Vorstand kann diese ihm gesetzlich obliegende Pflicht nicht auf andere leitende Angestellte der Gesellschaft übertragen (Richter aaO. S. 65). Dem steht nicht entgegen, daß der Vorstand die mechanische Führung des Aktienbuchs anderen überläßt, wenn er nur die Entscheidung über die vorzunehmenden Eintragungen in seiner Hand behält. .378

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 61 A n m . 5—8 Anm. 5 3. Die Eintragung in das Aktienbucb: Einzutragen ist der Aktionär, dem das Anteilrecht derzeit (RG 86, 155) gehört, nach Namen, Wohnort und Stand. Die Eintragung des ersten Aktionärs erfolgt ohne Antrag durch die Gesellschaft. Alle späteren Eintragungen, die durch den Übergang der Aktie auf einen anderen notwendig werden, erfolgen nur auf Anmeldung nach Maßgabe des § 62 Abs. 1 (vgl. dazu § 6a Anm. 3). Zu der sehr streitigen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft befugt ist, das Aktienbuch auch ohne Zustimmung der dadurch Betroffenen zu berichtigen, vgl. § 62 Anm. 19 fr. Anm. 6 4. Die Einsicht in das Aktienbuch: Die Einsicht in das Aktienbuch kann unter den Voraussetzungen des § 810 BGB verlangt werden, also z. B. von dem eingetragenen Aktionär, von demjenigen, der einen Nießbrauch oder ein Pfandrecht an der Aktie hat, aber auch von dem nicht eingetragenen Aktionär, da das Buch den Interessen aller Aktionäre dient (Richter aaO. S. 69/70 m. w. N.). Anm. 7 II. Die Übertragung der Aktie. 1. Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit: Die freie Übertragbarkeit der Aktie ist eine ihrer wesentlichen Vorzüge und ein gewisser Ersatz dafür, daß der Aktionär nicht wie ein anderes Vereinsmitglied ( § 3 9 BGB) austreten kann. Die Abtretbarkeit kann aber nach Abs. 3 durch die Satzung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werden. Nach dem bisherigen Recht wurde z. T. angenommen, die Satzung könne die Übertragbarkeit auch auf andere Weise beschränken, sie z. B. nur an Familienmitglieder, an Mitglieder eines bestimmten Vereins oder eines bestimmten Gewerbes (RG in BankA 14, 104), nur an Deutsche usw. zulassen, ja, sie ganz ausschließen, und es bedürfe dann, wenn davon abgewichen werden solle, einer Satzungsänderung, die Genehmigung der Gesellschaft genüge nicht (RG aaO.). Die Fassung des § 222 Abs. 2 HGB konnte der Annahme Nahrung geben, daß solche Satzungsbestimmungen zulässig seien. Die Fassung des § 61 AktG läßt solche Deutung nicht mehr zu. § 61 geht von der freien Übertragbarkeit der Aktie aus, stellt dafür in Abs. 2 — neben der Abtretung — die Form des Indossaments zur Verfügung und läßt in Abs. 3 nur e i n e satzungsmäßige Beschränkung der Übertragbarkeit zu: die Bindung an die Zustimmung der Gesellschaft (jetzt allgemeine Ansicht). Jede andere Beschränkung ist nichtig. Auch ein V o r k a u f s r e c h t kann der AG nicht satzungsmäßig, sondern — wenn überhaupt (§ 65) — nur schuldrechtlich eingeräumt werden. Nichtige Satzungsbestimmungen dieser Art machen aber die eingetragene Gesellschaft nicht nichtig (§216). Anm. 8 2. Die Übertragung der Namensaktie durch Abtretung: Die Namensaktien „können" durch I n d o s s a m e n t übertragen werden. Die einzige Form der Übertragung ist das nicht. Das Anteilrecht kann auch durch Abtretungsvertrag nach § 413 BGB übertragen werden, allerdings, da die Aktienurkunde ein Wertpapier ist (§ 10 Anm. 3), nur unter Übergabe der Urkunde, falls solche ausgegeben ist (RG 86, 157; J W 1932, 25991). Denn da nach dem Wesen des Wertpapiers dessen Besitz privatrechtliche Voraussetzung für die Ausübung des darin verbrieften Rechts ist, so wäre es sinnwidrig, eine Abtretung des Rechts ohne Übergabe des Papiers für vollendet zu halten (vgl. für Wechsel RG 88, 292). Im übrigen ist der Abtretungsvertrag formlos gültig, auch schlüssige Handlungen genügen, z. B. Anmeldung zur Eintragung ins Aktienbuch, verbunden mit Wahrnehmung von Aktionärrechten durch den Eingetragenen (RG LZ 1915, 115020). Es ist also nicht erforderlich, daß die Abtretungserklärung schriftlich erteilt wird. Dies kann auch in der Satzung nicht vorgeschrieben werden, weil darin eine unzulässige Erschwerung der freien Übertragbarkeit der Aktie (Anm. 7) liegen würde. Gleichwohl ist schriftliche Abtretungserklärung allgemein üblich, weil sie zur Legiti379

§61

Anm. 9, 10

I. Buch: Aktiengesellschaft

mation des Erwerbers gegenüber der Gesellschaft notwendig ist. Statt der körperlichen Übergabe genügt Übergabeersatz nach den §§ 930, 931 B G B . Die Eintragung im Aktienbuch ist kein Erfordernis des Rechtsübergangs, sondern hat nur gegenüber der Gesellschaft Bedeutung (dazu im einzelnen § 62 Anm. 15). Der gute Glaube des Erwerbers wird bei dieser Art von Übertragung nur nach § 405 B G B geschützt, der hier kaum in Frage kommen kann.

Anm. 9 6. Die Übertragung der Namensaktie durch Indossament: Die Namens-

aktie ist indossabel, auch wenn sie nicht an Order lautet. Sie ist also gesetzliches Orderpapier. Die Möglichkeit, wie beim Wechsel (Art. 1 1 Abs. 2 W G ) die Indossabilität durch Vermerke wie „nicht an O r d r e " auszuschließen, sieht das Gesetz nicht vor. Derartige Vermerke sind rechtlich bedeutungslos. D a sie aber die Verwertbarkeit des Papiers tatsächlich zu stören geeignet sind, kann der Aktionär eine von solchem Vermerk freie Urkunde verlangen. Das Gesetz erklärt die Art. 12, 1 3 , 16 W G f ü r sinngemäß anwendbar. Von diesen Vorschriften ist Art. 16 Abs. 2 besonders hervorzuheben. Wer hiernach nicht zur Herausgabe verpflichtet ist, ist rechtmäßiger Inhaber der Aktie. Der Schutz des gutgläubigen Erwerbs geht erheblich über den Schutz hinaus, den die §§ 932 ff. B G B und auch § 366 H G B gewähren. Der Schutz deckt nicht nur den Mangel des Rechts oder der Verfügungsbefugnis des Veräußerers, sondern alle Mängel des sachlichen Begebungsvertrags, also auch den Mangel der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers, seiner Vertretungsbefugnis, der Echtheit der Indossamente, auch des letzten, usw. Die Übergabe der Urkunde (oder Übergabeersatz) muß freilich zum Indossament hinzukommen. Die Eintragung im Aktienbuch ist auch f ü r diese Art der Übertragung kein Erfordernis, sondern hat nur gegenüber der Gesellschaft Bedeutung (Anm. 8).

Der gute Glaube des Indossatars schützt ihn aber nicht vor Einwendungen, die den Bestand oder den Inhalt des Aktienrechts selbst betreffen, auch wenn

sie sich nicht aus der Urkunde ergeben. Weder Art. 17 W G noch § 364 Abs. 2 H G B sind anwendbar; vgl. jedoch § 10 Anm. 1 1 , § 50 Anm. 18, § 57 Anm. 13. Der gute Glaube ersetzt bei gebundenen Namensaktien die fehlende Zustimmung der Gesellschaft nur insoweit, als es sich um das Recht des Veräußerers handelt. Dagegen wird sie f ü r die letzte Veräußerung selbst nicht durch guten Glauben ersetzt (Anm. 15).

Anm. 10 III. Die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung. 1. A l l g e m e i n e s : Die Gesellschaft ist nicht befugt, die eine oder die andere der beiden Übertragungsformen (Anm. 8, 9) zu verbieten (heute wohl allgemeine Ansicht; anders noch R G 77, 276) Darin würde eine unzulässige Erschwerung der freien Übertragbarkeit der Aktie (Anm. 7) liegen. Beide Übertragungsmöglichkeiten stehen selbständig nebeneinander ( R G J W 1932, 2599). Die einzig zulässige Beschränkung der Übertragbarkeit der Namensaktie ist die Bindung an die Zustimmung der Gesellschaft. Die Zustimmung der Gesellschaft kann f ü r alle Namensaktien, sowohl f ü r vollbezahlte wie f ü r nicht vollbezahlte Aktien vorgeschrieben werden ( R G 1 3 2 , 154). Ein Vermerk auf der Aktienurkunde ist nicht erforderlich; der Erwerber einer Namensaktie muß also damit rechnen, daß die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung der Aktie notwendig ist (Schlegelberger-Quassowski A n m . 6; Teichmann-Koehler Anm. 3 a). Satzungsmäßige Nebenverpflichtungen der Aktionäre sind nur bei gebundenen Namensaktien zulässig. Ist entsprechend Abs. 3 die „ Ü b e r t r a g u n g " der Aktie an die Zustimmung gebunden, so fällt darunter jeder rechtsgeschäftliche Übertragungsakt, also auch Schenkung, Tausch usw. ( R G H R R 1933 Nr. 45). Ist dagegen der „ V e r k a u f " der Aktien an die Zustimmung gebunden, so fallen unentgeltliche Veräußerungen nicht unter das Zustimmungserfordernis; einer abweichenden Auslegung ist eine solche Satzungsbestimmung kaum zugänglich ( R G 1 0 1 , 246; teilweise abweichend Vorauf!. Anm. 1 1 , die aber insoweit die besonderen Grundsätze f ü r die Auslegung der Satzung [§ 16 Anm. 19] außer acht läßt). Darin, daß die Gesellschaft die Zulassung ihrer Aktien an der Börse beantragt, liegt kein Verzicht auf das Zustim-

380

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 61

Anm. 11—13

mungserfordernis (RG 132, 156; JW 1932, 2599). Von dem Zustimmungserfordernis wird man absehen können, wenn der Alleinaktionär (Aktionär einer E i n m a n n g e s e l l schaft) gebundene Namensaktien überträgt. Denn in diesem Fall verliert das Zustimmungserfordernis von vornherein jeden vernünftigen Sinn (Ritter § 203 Anm. Je; Baumbach-Hueck Anm. 4 A ; Boesebeck NJW 1952, 1116; a. M. Wilhelmi NJW 1952, 324)-

Anm. 11 2. Die Aufnahme des Zustimmungserfordernisses in die Satzung: Die Bin-

dung der Übertragung von Namensaktien an die Zustimmung der Gesellschaft muß in der ursprünglichen Satzung, die Bindung der Übertragung von jungen Namensaktien in dem Kapitalerhöhungsbeschluß enthalten sein. Eine nachträgliche Bindung kann nicht durch eine gewöhnliche Satzungsänderung eingeführt werden, für sie ist vielmehr die Zustimmung aller dadurch betroffenen Aktionäre notwendig. Das ergibt sich freilich nicht daraus, daß eine solche nachträgliche Bindung einen Eingriff in das Sonderrecht der Aktionäre auf freie Übertragung ihrer Aktien darstellt (so R G 68, 212). Denn von einem „Sonder"-recht kann insoweit nicht gesprochen werden. In dieser Hinsicht kann den Gegnern des Reichsgerichts (vgl. LG Kiel MDR 1949, 647; Vorauf!. Anm. 10; Ritter Anm. 5b; Baumbach-Hueck Anm. 4 A ; Hachenburg-Schilling GmbHG § 15 Anm. 50), die eine nachträgliche Bindung durch gewöhnliche Satzungsänderung für zulässig halten, durchaus gefolgt werden. Man wird aber bei der weittragenden Bedeutung, die einer solchen nachträglichen Bindung zukommt, davon ausgehen müssen, daß es sich bei der zunächst vorhandenen freien Übertragbarkeit der Aktien um ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht handelt, das abzuändern die Gesellschaft nur mit Zustimmung der davon betroffenen Aktionäre in der Lage ist (ebenso Brodmann § 222 Anm. 4h; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 5; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Teichmann-Koehler Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi Anm. 10; Küsters BankA 37, 176; W. Schmidt Umgestaltung der Satzungen der Aktiengesellschaften 1938 S. 114; Mügel SozPr. 1939, 989; Rob. Fischer JZ 1956, 363).

Anm. 12 3. Die Erteilung der Zustimmung. a) Die F o r m d e r Z u s t i m m u n g : Mangels einer abweichenden Satzungsbestimmung kann die Zustimmung formlos abgegeben werden (§ 182 Abs. 2 BGB; R G 160, 232), selbst durch schlüssige Handlung, so durch Umschreibung im Aktienbuch (RG 72, 294; H R R 1933 Nr. 45) oder durch Ausstellung der Stimmkarte auf den Erwerber (RG JW 1931, 2097). Die Satzung kann aber auch wirksam bestimmen, daß die Erteilung der Zustimmung schriftlich erfolgen muß. In diesem Fall ist eine formlos erteilte Zustimmung wirkungslos (OGH NJW 1950, 347; Düringer-Hachenburg-Flechtheim §222 Anm. 5; Ritter Anm. 5c; v. Godin-Wilhelmi Anm. 11; a. M. K G J W 1939, 296; Brodmann § 222 Anm. 4c; in BGH 15, 330 ist diese Frage ausdrücklich offen gelassen); eine unzulässige Erschwerung der freien Übertragbarkeit der Aktie liegt in einem solchen Formerfordernis nicht (insoweit bedenklich O G H aaO.). — Die Zustimmung kann vor der Übertragung als Einwilligung oder nach der Übertragung als Genehmigung erteilt werden (RG 160, 232). Spricht die Satzung von „Genehmigung", so ist damit nicht notwendig nur eine nachträgliche Zustimmung gemeint (RG 132, 155). Die Zustimmung ist u n w i d e r r u f l i c h , wenn sie als Genehmigung nachträglich erteilt wird (§§ j 83, 184 BGB; R G 139, 123; H R R 1933 Nr. 45), sie kann aber wegen Willensmängel angefochten werden (RG aaO.). Sie ist eine empfangsbedürftige Erklärung, die gegenüber einem der Beteiligten abzugeben ist (§182 Abs. 1 BGB; vgl. dazu auch BGH 15, 330). Allgemein im voraus kann sie nicht erteilt werden (RG 132, 155); jahrzehntelange Duldung des Börsenhandels mittels Blankozessionen bedeutet noch keine Zustimmung für den einzelnen Fall (RG 132, 156; H R R 1933 Nr. 45).

Anm. 13 b) W e r i s t z u s t i m m u n g s b e r e c h t i g t ? Die Übertragung kann an die Zustimmung der G e s e l l s c h a f t gebunden werden. Das bedeutet, daß sie nur an die Zustimmung

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§61

Anm. 14

I. Buch: Aktiengesellschaft

eines Gesellschaftsorgans, nicht an die Zustimmung eines Dritten, auch nicht an die Zustimmung eines Aktionärs gebunden werden kann. Enthält die Satzung keine Bestimmung darüber, welches der Gesellschaftsorgane die Zustimmung zu erteilen hat, so hat nach der ausdrücklichen Vorschrift des Abs. 3 Satz 2 der Vorstand die Zustimmung zu erteilen. Ist jedoch durch die Satzung einem anderen Gesellschaftsorgan — dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung — die Entscheidung über die Zustimmung übertragen, so ist dieses Organ, und zwar allein und ausschließlich, f ü r die E r teilung der Zustimmung zuständig. Der Vorstand kann eine solche Zuständigkeitsbestimmung nicht von sich aus ändern.

Anm. 14 Das Reichsgericht ( R G 104, 4 1 4 ; 160, 2 3 1 , beide f ü r die G m b H ) und die herrschende Ansicht im Schrifttum (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 5 ; SchlegelbergerQuassowski Anm. 6; Teichmann-Koehler Anm. 3 b ; v. Godin-Wilhelmi A n m . 1 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 4 B ; Küsters BankA 37, 1 7 7 ; auch Vorauf!. Anm. 1 3 , 1 4 ; f ü r die G m b H Scholz § 1 5 Anm. 4 5 ; Baumbach-Hueck § 15 Anm. 5 C) sind der M e i nung, daß auch dann, wenn nach der Satzung f ü r die Erteilung der Zustimmung nicht der Vorstand, sondern ein anderes Gesellschaftsorgan zuständig ist, die vom Vorstand erteilte Zustimmung f ü r alle Beteiligte bindende Wirkung habe. Dem kann nicht gefolgt werden (Brodmann § 22 Anm. 4 d ; Ritter Anm. 5 d ; f ü r die G m b H . Feine Ehrenb. Hdb. I I I , 3 S 386, 489; Wieland Handelsrecht I I S. 324; Hachenburg-Schilling § 1 5 Anm. 5 2 ; R o b . Fischer G m b H R d s c h . 1953, 136). Die rechtliche Begründung f ü r die herrschende Meinung geht dahin, daß sich die Gesellschaft an die Erklärungen ihres vertretungsberechtigten Organs halten lassen müsse, daß also hier wie auch in anderen Fällen eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Vorstands nur eine interne Wirkung habe (§ 74). Diese Begründung ist gewiß nicht richtig. Die Bedeutung von Abs. 3 Satz 2, wonach auch einem anderen Gesellschaftsorgan die Erteilung der Z u stimmung übertragen werden kann, geht gerade dahin, daß in einem solchen Fall der Vorstand nicht die Befugnis, also insoweit auch nicht die Vertretungsbefugnis hat, die Zustimmung zur Übertragung einer Namensaktie zu erteilen. Anderenfalls wäre diese Bestimmung sinnlos, jedenfalls überflüssig. Die herrschende Meinung führt zu dem eigenartigen Ergebnis, daß die Mitteilung des Vorstandes einen etwa notwendigen Beschluß der Hauptversammlung ersetzt oder einen anfechtbaren Beschluß zu einem fehlerfreien, jedenfalls praktisch nicht mehr anfechtbaren Beschluß macht. Bei dieser Sachlage ist es kein Wunder, daß namhafte Vertreter der herrschenden Ansicht die Schwäche dieser rechtlichen Begründung durchaus einräumen (vgl. etwa DüringerHachenburg-Flechtheim a a O . ; Baumbach-Hueck G m b H G a a O . ; Küsters aaO.). Sie halten jedoch das zweite Argument der herrschenden Ansicht f ü r durchschlagend, daß es nämlich aus praktischen Gründen, im Interesse der Verkehrssicherheit, im Interesse eines reibungslosen Wertpapierverkehrs unbedingt geboten sei, der Mitteilung des Vorstandes über die Erteilung der Zustimmung bindende Wirkung beizumessen, und daß man daher insoweit „etwaige formaljuristische Bedenken hinter die Bedürfnisse der Sicherheit und Klarheit im Geschäftsverkehr zurücktreten" lassen müsse (Küsters aaO.). Daß dieses Argument keine rechtliche Begründung enthält, liegt auf der Hand. Ihm kann aber darüber hinaus auch nicht eine sachliche Bedeutung beigemessen werden. Es geht nämlich hierbei letzten Endes um die Frage, in welchen U m f a n g man den Handel mit vinkulierten Namensaktien, unter Umständen auch den börsenmäßigen Handel mit solchen Aktien erleichtern soll. Hierfür kann — und das gilt namentlich f ü r den börsenmäßigen Handel von gebundene Namensaktien (vgl. dazu auch Anm. 18) — ein schutzwertes praktisches Bedürfnis nicht anerkannt werden. Wenn die Gesellschaft und ihre Aktionäre es f ü r richtig halten, ihie Namensaktien nicht nur zu vinkulieren, sondern darüber hinaus auch noch dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung die Befugnis zur Zustimmung zu übertragen, dann muß eben auch die mit diesem Entschluß verbundene Erschwerung des Aktienverkehrs hingenommen werden. Die Gesellschaft und die Mehrheit ihrer Aktionäre haben j a die Möglichkeit, auch eine andere Ausgestaltung f ü r ihre Namensaktien zu wählen; tun sie es aus diesem oder aus jenem Grunde nicht, dann müssen sie auch die Folgen dieser von ihnen frei gewählten Ausge-

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 61

A n m . 15, 16 staltung ihrer Namensaktien hinnehmen. Auch etwaige Interessen Dritter werden bei einer solchen Regelung nicht ungebührlich beeinträchtigt. Sie haben vor dem Erwerb solcher Aktien die Möglichkeit, sich darüber zu unterrichten, unter welchen Voraussetzungen der von ihnen ins Auge gefaßte Erwerb solcher Aktien wirksam vollzogen werden kann. Wenn die Gesellschaft den Verkehr mit ihren gebundenen Namensaktien in rechtlich zulässiger Weise durch eine entsprechende Satzungsbestimmung — Erteilung der Zustimmung durch Aufsichtsrat oder Hauptversammlung — erschwert, dann kann ein solcher Wille nicht deshalb einfach beiseite geschoben werden, weil es f ü r den Erwerber einer solchen Aktie vorteilhafter oder praktischer wäre, wenn er sich gleichwohl schon an eine entsprechende Mitteilung des Vorstands über die Erteilung der Zustimmung halten kann (vgl. dazu auch die Ausführungen in R G 1 3 2 , 158).

A n m . 15 4. D i e V e r w e i g e r u n g d e r Z u s t i m m u n g : Die Entschließung über die Erteilung oder über die Verweigerung der Zustimmung steht mangels abweichender Satzungsbestimmungen grundsätzlich im f r e i e n E r m e s s e n des hierfür zuständigen Gesellschaftsorgans. Dabei ist es auch nicht zu verlangen, daß eine etwaige Versagung der Zustimmung mit Gründen versehen wird. Jedoch muß die Gesellschaft bei einer Versagung der Zustimmung die allgemeinen Grundsätze und Schranken f ü r die Ausübung von Rechten einhalten. Eine solche Versagung darf daher nicht schikanös sein (§ 226 B G B ) , sie darf sich auch nicht als Rechtsmißbrauch darstellen und damit gegen die Grundsätze von T r e u und Glauben verstoßen (§ 242 B G B ) . Überschreitet die Gesellschaft bei der Verweigerung der Zustimmung diese allgemeinen Schranken der Rechtsausübung, so ist die Verweigerung nicht nur unwirksam, sondern man wird darüber hinaus auch dem Veräußerer einen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung geben müssen. Diesen Anspruch kann der Veräußerer im Wege der K l a g e geltend machen. In einem solchen Fall wird die Gesellschaft auch nicht umhin können, die Gründe f ü r die Verweigerung ihrer Zustimmung darzulegen. Unter welchen Voraussetzungen die Verweigerung der Zustimmung einen Rechtsmißbrauch darstellt, kann nur nach den Umständen des einzelnen Falls beurteilt werden. Die im Schrifttum z. T . besonders hervorgehobene Freiheit der Gesellschaft bei ihrer Entschließung über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung (vgl. etwa O. Möhring B B 1953, 775) kann jedenfalls nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von T r e u und Glauben als richtig erachtet werden. Andererseits ist es aber auch nicht möglich, im Anschluß an die von Scholz ( G m b H G § 1 5 Anm. 49) f ü r die G m b H entwickelten Grundsätze zu verlangen, daß die Gesellschaft nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes die Zustimmung zur Übertragung der Aktie versagen dürfe. Eine solche Auffassung steht im Widerspruch mit Abs. 3 Satz 3 ; diese Bestimmung geht ganz offensichtlich davon aus, daß es eine Einschränkung der allgemeinen Zustimmungsbefugnis der Gesellschaft ist, wenn diese die Zustimmung nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes verweigern darf. Ist die Zustimmung (Genehmigung) wirksam verweigert worden, so ist diese Verweigerung u n w i d e r r u f l i c h ( R G 139, 1 2 3 ; B G H 13, 1 8 7 ; O L G Hamburg W M 1954, 586; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; a. M . Baumbach-Hueck Anm. 4 B ) .

Anm. 16 Nach Abs. 3 Satz 3 kann die Satzung das Zustimmungserfordernis durch die Bestimmung abschwächen, daß die Zustimmung n u r a u s w i c h t i g e m G r u n d e verweigert werden darf. Die Satzung kann selbst bestimmte Gründe erschöpfend oder als Beispiele nennen oder sich mit der allgemein gehaltenen Bestimmung begnügen (ein Beispiel eines wichtigen Grundes bringt die Entsch. des R G L Z 1 9 1 4 , 949 1 5 ). Hält der Veräußerer den Grund nicht f ü r wichtig, so kann er auf Erteilung der Zustimmung gegen die Gesellschaft klagen. Das Gericht hat dann über die Wichtigkeit des Grundes zu entscheiden. Dem Erwerber wird man ein solches Klagerecht nicht einräumen können. Denn solange die Zustimmung weder erteilt noch durch rechtskräftiges Urteil ersetzt ist (§ 894 Z P O ) , ist die Wirksamkeit des Erwerbs in der Schwebe.

383

§61

Anm. 17, 18

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 17 5. Die Rechtsfolgen bei verweigerter Zustimmung. a) I m Verhältnis zwischen Erwerber und Gesellschaft: Ist die Zustimmung

zur Veräußerung der Aktie versagt und hat der Veräußerer auch keinen im Wege der K l a g e verfolgbaren Anspruch auf Erteilung der Zustimmung (Anm. 1 5 , 16), so ist die bis dahin schwebend unwirksame Veräußerung der Aktie endgültig nichtig ( R G J R 1926 Nr. 1 7 1 8 ) . Der Erwerber ist auf Grund der Abtretung nicht Aktionär der Gesellschaft geworden. E r hat daher auch gegenüber der Gesellschaft keine Rechte und keine Pflichten. E r hat in keinem Fall gegenüber der Gesellschaft einen Anspruch darauf, daß diese die Zustimmung zu der Übertragung der Aktie erteilt (vgl. dazu schon Anm. 16). Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft, um die Zulassung ihrer Aktien an der Börse zu erreichen, der Börse die Zusage gemacht hat, die Zustimmung zur Übertragung zu erteilen. Denn einmal liegt in einer solchen Zusage kein Vertrag zugunsten von Dritten, den jeweiligen Erwerbern, der diesen einen klagbaren Anspruch gegen die Gesellschaft geben würde (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 5 ; Küsters BankA 37, 1 7 9 ; a. M . Nußbaum J W 1932, 3 1 8 1 ; O. Möhring B B 1953, 774 Fußnote 7 a. E.). Sodann scheitert ein solcher Anspruch auch daran, daß die Gesellschaft, so wie sie aus Rechtsgründen keine Blankozustimmung zu irgendwelchen Aktienübertragungen geben kann (Anm. 12), sie sich auch nicht zur Erteilung von solchen Zustimmungen verpflichten kann.

Anm. 18 b) Im Verhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer: Das Zustimmungser-

fordernis berührt die Wirksamkeit des der Aktienübertragung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrages nicht ( R G 1 2 3 , 283; 1 3 2 , 1 5 7 ; L Z 1 9 1 3 , 766; B a n k A 3 1 , 4 1 1 ; teilweise abweichend Ritter Anm. 5f.). Dieses Erfordernis führt lediglich dazu, daß die Übertragung der Aktie, das dingliche Erfüllungsgeschäft, schwebend unwirksam und bei Verweigerung der Zustimmung endgültig unwirksam wird. Aus dem voll wirksamen schuldrechtlichen Grundgeschäft ist der Veräußerer verpflichtet, seinerseits alles zu tun, um die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung der Aktie herbeizuführen ( R G 88, 3 1 9 ; L Z 1 9 1 9 , 5 3 4 ; Boesebeck N J W 1952, 1 1 1 7 m. w. N. aus dem Schrifttum). Welche Rechtsfolgen sich im übrigen bei einer Versagung der Zustimmung durch die Gesellschaft f ü r das wirksame schuldrechtliche Grundgeschäft ergeben, richtet sich nach dem jeweiligen Inhalt dieses Vertrages. Ist dieser Vertrag nicht nur aufschiebend bedingt f ü r den Fall der Zustimmung der Gesellschaft zu dem Erfüllungsgeschäft abgeschlossen, weiß jedoch der Käufer, daß es der Zustimmung der A G bedarf, dann hat er bei deren Versagung keinen Gewährleistungsanspruch ( R G 1 3 2 , 157). I n diesem Fall erweist sich nach der Verweigerung der Genehmigung, daß dem Veräußerer die Erfüllung seiner Vertragspflichten unmöglich ist, ohne daß er selbst die Unmöglichkeit zu vertreten hat; es finden daher dann die Vorschriften der §§ 440, 323 B G B Anwendung, so daß mangels abweichender Vereinbarungen der Veräußerer zwarjjnicht zum Schadensersatz, wohl aber zur Rückgabe des erhaltenen Kaufpreises nach § 323 Abs. 3 B G B verpflichtet ist (Rospatt B a n k A 30, 198 fr.; K o c h B a n k A 30, 274; a. M . , aber falsch, weil hierbei ohne Grund die Schadensersatzpflicht und die Rückerstattungspflicht des Verkäufers nach Bereicherungsgrundsätzen, also § 325 B G B und § 323 B G B miteinander gleichgesetzt werden: der Schiedsspruch des Berliner Börsenvorstandes vom 15. J a n . 1930 in W u R . 1930 Entsch. 1 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 6; M a r x B a n k A 30, 295; wohl auch O. Möhring B B 1953, 775). Eine völlig andere Frage ist es, ob in einem solchen Fall auf Grund besonderer vertraglicher Vereinbarungen der Anspruch des Käufers auf Rückerstattung des Kaufpreises gemäß § 323 Abs. 3 . B G B ausgeschlossen ist. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn die gebundenen Namensaktien zum Handel an der Börse zugelassen sind und der Ankauf unter Einschaltung einer Bank vorgenommen wird. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken verweisen nämlich insoweit auf die Börsen-Usancen, die ihrerseits einen solchen Erstattungsanspruch ausdrücklich ausschließen (vgl. dazu Berenberg-Gossler B B 1954, 429; O. Möhring B B 1953, 774). Die Folge einer solchen Vereinbarung ist, daß der K ä u f e r 384

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 61 Anm. 19, 20 der Aktie den gezahlten Kaufpreis nicht zurückerhält und den nicht gezahlten Kaufpreis noch zahlen muß, obwohl er nicht Inhaber der Aktie wird. Daß dieses Ergebnis an sich unerträglich ist, kann nicht zweifelhaft sein. Es sollte daher um so mehr Veranlassung dazu bieten, den börsenmäßigen Handel in gebundenen Namensaktien auszuschließen, wenn nicht die Gewähr besteht, daß die Gesellschaft ihre Zustimmung zur Übertragung der Aktie erteilt (vgl. dazu auch Koch BankA 30, 274; BerenbergGossler aaO.). Wenn Börsenhandel und Großbanken sich auf diese Ausschlußklausel berufen, so ist im Einzelfall zu erwägen, ob das nicht eine mißbräuchliche Rechtsausübung ist. Über die mageren Ansprüche, die dem Käufer gebundener Namensaktien bei Wirksamkeit der Ausschlußklausel (kein Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises gemäß § 323 Abs. 3 BGB) zustehen, vgl. Küsters BankA37, 179, der hierbei in Übereinstimmung mit R G 132, 157/58 (ebenso Teichmann-Koehler Anm. 3c) und entgegen dem Schiedsspruch des Berliner Börsenvorstandes vom 15. Jan. 1930 und Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 6 zutreffend den Anspruch des Käufers auf Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht ablehnt. Anm. 19 6. Die Zustimmung bei Blankozessionen: Beim Handel mit gebundenen Namensaktien, insbesondere mit den an der Börse zugelassenen gebundenen Namensaktien kommt es vielfach vor, daß beginnend vom eingetragenen Aktionär zahlreiche Abtretungen vorgenommen werden, ohne daß für diese die erforderliche Zustimmung der Gesellschaft eingeholt wird. Hierbei erhebt sich die rechtlich nicht einfache Frage, wie diese Abtretungen zu beurteilen sind, wenn nach einer Reihe von Abtretungen für die letzte von ihnen die Zustimmung der Gesellschaft nachgesucht und erteilt wird. Man wird in diesem Fall davon ausgehen müssen, daß eine solche Zustimmung nur das letzte Rechtsgeschäft erfaßt, also nicht auch die Wirksamkeit aller Zwischenabtretungen herbeiführt (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 9; Ritter Anm. 4a; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Nußbaum J W 1932, 3180; a. M. Vorauf!. Anm. 16). Dabei kann man entgegen R G J W 1932, 2599 diese Auffassung nur damit begründen, daß bei solchen Blankozessionen der zunächst eingetragene Aktionär seinem Nachmann eine übertragbare Ermächtigung (§ 185 BGB) zur Veräußerung der Aktie erteilt (vgl. zu den Bedenken gegenüber der vom R G aaO. gegebenen Begründung, daß nämlich alle Zwischenpersonen als Bote des eingetragenen Aktionärs zu betrachten seien, namentlich Nußbaum aaO. und ihm folgend Düringer-Hachenburg-Flechtheim aaO.; diese Schwäche der reichsgerichtlichen Begründung wird von O. Möhring BB 1953, 774 und Berenberg-Gossler BB 1954, 428, die dem Reichsgericht beipflichten, gar nicht gesehen). Anm. 20 7. Die Pfändung gebundener Namensaktien: Während für die V e r p f ä n d u n g gebundener Namensaktien unstreitig die gleichen Grundsätze wie für die Übertragung solcher Aktien gelten, hierfür also die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich ist (dazu Hamburg OLGE 26, 206), ist es von vornherein nicht unzweifelhaft, wie diese Frage bei der Pfändung gebundener Namensaktien zu beurteilen ist. Die ganz überwiegende Ansicht ist der Meinung, daß das Zustimmungserfordernis bei einer Pfändung gebundener Namensaktien nicht gilt (RG 70, 64; 142, 376; Brodmann § 222 Anm. 4f.; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 6; Ritter Anm. 5b; Teichmann-Koehler Anm. 3d; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; BaumbachHueck Anm. 4A; Küsters BankA 37, 176; Stein-Jonas-Schönke Komm. ZPO § 859 Anm. II 5; Baumbach-Lauterbach Komm. ZPO Anhang zu § 859 Anm. 2). Gegen diese Ansicht sind von Mügel (Soz. Pr. 1939, 991) eingehend begründete Bedenken geltend gemacht worden, die sich vor allem auf die Erwägung stützen, daß die herrschende Meinung nicht in genügendem Maß die schutzwerten Belange der Gesellschaft berücksichtigt. Die Berechtigung dieser Bedenken kann nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden. Die Fragwürdigkeit der herrschenden Ansicht tritt dann zutage, wenn die gepfändete Aktie verwertet wird. Soll es wirklich möglich sein, daß der AG auf diesem Wege ein unliebsamer Aktionär aufgezwungen wird ? Man wird diese 25

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§61

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 21—23 Frage doch wohl verneinen müssen, wenn wirklich schutzwerte Belange der Gesellschaft dem entgegenstehen, wenn m. a. W. die Gesellschaft einen wichtigen Grund hat, dem Eintritt eines solchen Aktionärs in die Gesellschaft ihre Zustimmung zu versagen. Das würde bedeuten, daß zwar f ü r die Pfändung selbst das Zustimmungserfordernis nicht gilt, daß aber eine Verwertung der Aktie durch Veräußerung an einen Dritten nur wirksam ist, wenn die Gesellschaft einer solchen Veräußerung nicht aus einem wichtigen Grund ihre Zustimmung versagt hat. Denn man muß sich bei dieser Frage wohl doch auch vor Augen halten, daß vom Standpunkt der herrschenden Meinung aus eine Umgehung des Abs. 3 kaum zu vermeiden ist, wenn die Pfändung und die anschließende Verwertung der Aktie im Einvernehmen von Vollstreckungsschuldner und Vollstrekkungsgläubiger vorgenommen werden.

A n m . 21 8. D i e E r b f o l g e b e i g e b u n d e n e n N a m e n s a k t i e n : Das Aktienrecht ist vererblich. Der Ubergang auf den Erben ist keine Übertragung und kann nicht satzungsmäßig an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werden, auch nicht in der Weise, daß die A G satzungsmäßig verpflichtet wird, im Fall der Nichtgenehmigung die Aktie zu erwerben ( K G J W 1930, 2 7 1 4 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 222 Anm. 8; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 0 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9; a. M . R u d . Fischer Ehrenb. Hdb. I I I , i S. 1 4 5 ; Brodmann § 222 Anm. 4 a ; Küsters Soz. Pr. 1938, 860). Auch schuldrechtliche Bindungen dieser Art sind nach § 65 nicht möglich. Wohl aber kann die Satzung f ü r den Fall des Todes die Z w a n g s e i n z i e h u n g nach § 192 zulassen (§ 50 Anm. 1 4 ; § 192 Anm. 12). Ist eine gebundene Aktie Gegenstand eines Vermächtnisses, so kann der Erbe die Vermächtnisforderung nur mit Zustimmung der Gesellschaft erfüllen. Seine Pflichten sind, wenn die Zustimmung versagt wird, entsprechend denen des Verkäufers (Anm. 18, vgl. dazu weiter Hueck Betrieb 1956, 735 fr.). Setzen sich die Miterben in der Weise auseinander, daß einzelnen von ihnen gebundene Namensaktien übertragen werden, so bedarf auch diese Übertragung der Zustimmung der Gesellschaft (v. Godin-Wilhelmi Anm. 9; a. M . Mügel Soz. Pr. 1939, 990). I n einem solchen Fall wird freilich die Versagung einer solchen Zustimmung zu einer besonderen Prüfung dahin Anlaß geben, ob die Versagung nicht einen Rechtsmißbrauch darstellt (Anm. 15). Für andere Fälle der Gesamtrechtsnachfolge (Verschmelzung, Umwandlung nach dem Gesetz vom 12. November 1956 — B G B l . I S 844), ist § 61 Abs. 2 und 3 ebenfalls ohne Bedeutung.

A n m . 22 IV. Der Zwischenschein. Daß die Vorschriften des § 6 1 auch f ü r Zwischenscheine gelten, ist schon in Anm. 4 erwähnt. Auch die Ausgabe von Zwischenscheinen verpflichtet die A G zur Anlegung und Führung eines Aktienbuchs ( R G J W 1906, 177 2 6 ). Auch Zwischenscheine sind gesetzliche Orderpapiere. Ist satzungsmäßig zur Übertragung des Anteilrechts die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich, so gilt das auch, wenn Zwischenscheine ausgegeben sind. Es gilt übrigens auch dann, wenn weder Aktien noch Zwischenscheine ausgegeben sind und demgemäß die Anteilrechte formlos übertragen werden können ( § 1 0 Anm. 2 ; oben Anm. 4).

A n m . 23 V. Die Legitimationsübertragung. Neben der Übertragung, die den Erwerber zum Eigentümer der Aktie macht, hat der Verkehr eine beschränkte Art der Übertragung, die sogenannte Legitimationsübertragung ausgebildet. Sie findet sich namentlich im D e p o t s t i m m r e c h t d e r B a n k e n . Es ist eine ähnliche Rechtserscheinung wie die Ermächtigung des Gläubigers an einen andern, die Forderung einzuziehen, oder die Erteilung eines Wechselindossaments, der ein verstecktes Prokuraindossament ist. Die Gültigkeit dieser Rechtserscheinung ist, wenn auch nicht ohne Widerspruch im Schrifttum, anerkannt, da sie einem

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 61 A n m . 24—27 §62 Bedürfnis entspricht. Das AktG hat diesen Rechtszustand hingenommen und die damit verbundenen Gefahren durch die Bestimmungen in § r io Satz 2, § 114 Abs. 4 und § 300 gemildert. Die Begründung (1. Buch, 4. Teil, 4. Abschnitt Nr. 4) besagt, daß das Depotstimmrecht der Banken im Interesse der Kleinaktionäre beibehalten worden sei, die sonst in den Hauptversammlungen kaum irgendwelchen Einfluß würden ausüben können. Ist zur Übertragung der Namensaktie satzungsmäßig die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich, so gilt das auch für die Legitimationsübertragung (RG 159, 272; Küsters BankA 37, 176; O. Möhring BB 1953, 775; unklar insoweit v. GodinWilhelmi Anm. 7, 9). A n m . 24 Nach außen verschafft die Legitimationsübertragung dem Erwerber die Stellung des Aktionärs. Er kann dessen Rechte ausüben, namentlich das Stimmrecht und das Recht der Anfechtung. Nach § 1 1 0 Satz 2 muß aber derjenige, der das Stimmrecht im eigenen Namen für Aktien ausüben will, die ihm nicht gehören, dies zur Aufnahme in das Verzeichnis der Teilnehmer angeben (Strafvorschrift in § 300 Nr. 4). Nach § 114 Abs. 4 dürfen Banken das Stimmrecht für Aktien, die ihnen nicht gehören, nur ausüben, wenn sie zur Ausübung des Stimmrechts besonders und schriftlich ermächtigt worden sind; die Ermächtigung kann nur für längstens fünfzehn Monate erteilt werden und ist jederzeit widerruflich. Sie muß zur Übertragung der Aktie hinzutreten, um das Stimmrecht der Bank zu begründen (Schlegelberger-Quassowski § 114 Anm. 13; BaumbachHueck § 114 Anm. 6 B; Strafvorschrift in § 300 Nr. 1). Die Gesellschaft kann daraus, daß keine Vollübertragung vorliegt, keinen Einwand herleiten. Wohl aber kann sie dem Erwerber dieselben Einwendungen entgegensetzen, die sie auch dem Aktionär entgegensetzen könnte (vgl. § 114 Abs. 5). Der Erwerber ist auch zur Veräußerung an einen anderen legitimiert. Daß dieser wußte, es liege nur eine Legitimationsübertragung vor, ist grundsätzlich gleichgültig, denn deren Zweck ist es, den Legitimierten nach außen zu berechtigen. Ausgenommen ist der Fall eines sittenwidrigen Zusammenwirkens des Legitimierten mit dem andern. A n m . 25 Die Kehrseite ist, daß die Gesellschaft sich an den Legitimierten auch wegen der Pflichten des Aktionärs halten kann. Er tritt bei Weiterveräußerung in die Reihe der Vormänner (§ 59). A n m . 26 Das Innenverhältnis zwischen dem Aktionär und dem von ihm Legitimierten bestimmt sich nach dem der Legitimationsübertragung zugrunde liegenden Vertrage. Im Konkurse des Legitimierten hat der Aktionär ein Aussonderungsrecht (vgl. RG 91, 14). Der Legitimierte ist auch verpflichtet, dem Aktionär die Ausübung der von der Mitgliedschaft lösbaren Rechte zu überlassen, so des Rechts auf den Gewinnanteil, des Bezugsrechts (RG 63, 405). A n m . 27 Die Legitimationsübertragung kann durch die Satzung ausgeschlossen oder beschränkt werden (RG LZ 1920, 567; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7). Dahin gehört eine Satzungsbestimmung, wonach nur der Eigentümer der Aktie stimmberechtigt ist. Dagegen steht die Bestimmung, daß die Aktionäre ihre Aktien zu hinterlegen haben (§107 Abs. 2), für sich allein der Legitimationsübertragung nicht entgegen (RG aaO., ausführlicher hierzu im „Recht" 1920 Nr. 721). § 6 3 Umschreibung der Namensaktie (1) Geht eine Namensaktie auf einen anderen über, so ist dies bei der Gesellschaft anzumelden; die Aktie ist vorzulegen und der Übergang nachzuweisen. Die Gesellschaft vermerkt den Übergang i m Aktienbuch. 25*

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§ 62 A n m . 1, 2

I. Buch: Aktiengesellschaft

(2) Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente und der Abtretungserklärungen, aber nicht die Unterschriften zu prüfen. (3) I m Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. (4) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. Ü b ersieht Anm.

Einleitung I. Die Anmeldung auf Vornahme der Umschreibung . 1. Die anmeldungsberechtigten Personen . . . . 2. Die Form und der Inhalt der Anmeldung . . . . 3. Keine Pflicht zur Anmeldung 4. Die Rechtsnatur der Anmeldung II. Die Prüfung der Anmeldung 1. Die Prüfungspflicht der Gesellschaft 2. Das Prüfungsrecht der Gesellschaft III. Die Umschreibung im Aktienbuch 1. Die Pflicht zur Umschreibung 2. Kein Recht zur eigenmächtigenUmschreibung IV. Die Wirkung der Umschreibung 1. Die Stellung der Gesellschaft gegenüber dem Eingetragenen

i, 2 3 4 5, 6 7 8

9—11 12

13 14 15 16

Anm.

2. Die Stellung der Gesellschaft gegenüber dem nicht eingetragenen Aktionär 3. Die Rechte des Eingetragenen V. Die Berichtigung von Eintragungen im Aktienbuch 1. Die rechtliche Bedeutung einer Berichtigung . . . 2. Die Berichtigung von Schreibfehlern . . . . 3. Die Berichtigung bei mangelhaftem Verfahren a) Allgemeines . . . . b) Das Fehlen einer wirksamen Anmeldung. . c) Sonstige Verfahrensmängel 4. Die Berichtigung bei sachlicher Unrichtigkeit . . 5. Die Berichtigung auf Antrag der Beteiligten . .

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19 20 21 22 23 24 25

VI. Die Verpfandung, der Nießbrauch und die Pfändung von Namensaktien . . . .

26, 27

VII. Die Behandlung der Zwischenscheine

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Anm. 1 Über die Entstehungsgeschichte der §§ 61 u. 62 s. Anm. 1 zu §61. Im § 62 werden für den Fall des Übergangs der Namensaktie auf einen andern Vorschriften über die Umschreibung im Aktienbuch gegeben. Der u r s p r ü n g l i c h e E r w e r b von Namensaktien von der Gesellschaft ist in § 61 geregelt; dessen Erwerb ist von der Gesellschaft ohne besondere Anmeldung in das Aktienbuch einzutragen. § 62 hingegen hat es lediglich mit dem abgeleiteten E r w e r b zu tun; dieser ist lediglich auf Grund einer besonderen Anmeldung in das Aktienbuch einzutragen. Anm. 2 Unter dem Übergang auf einen andern ist nicht nur die Übertragung zu verstehen, die in § 61 Abs. 2 u. 3 behandelt wird, sondern auch jede andere Rechtsnachfolge, namentlich der Erbgang. Für die Rechtsgültigkeit des Übergangs, auch des388

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 62 A n m . 3—5 jenigen durch Übertragung (§ 6i Anm. 8, 9), ist die Umschreibung im Aktienbuch bedeutungslos, sie hat nur Bedeutung für die Legitimation gegenüber der Gesellschaft (Anm. 15). Anm. 3 I. Die Anmeldung auf Vornahme der Umschreibung. Im Unterschied zu dem ursprünglichen Erwerb (§ 61) darf die Gesellschaft den Übergang von Namensaktien auf einen anderen (abgeleiteten Erwerb) nicht eigenmächtig, sondern nur auf Anmeldung in dem Aktienbuch vermerken. Das gilt auch dann, wenn sie von dem Übergang der Namensaktie sichere Kenntnis erhalten hat. Das etwaige Interesse der Gesellschaft an der Vornahme einer solchen Umschreibung, etwa bei nicht voll eingezahlten Aktien wegen der Haftung des Erwerbers und der (zeitlich beschränkten) Weiterhaftung des Veräußerers (§ 59) ist insoweit ohne Belang. Erwerber und Veräußerer haben es also in der Hand, wie sie ihre Rechtsbeziehungen zu der Gesellschaft gestalten wollen, und ob und wann der Erwerber der Namensaktie mit Rücksicht auf Abs. 3 auch gegenüber der Gesellschaft die Rechte aus der Aktie wahrnehmen und gegenüber der Gesellschaft die Pflichten aus der Aktie übernehmen soll. Der Gesellschaft steht in dieser Hinsicht also nicht das Recht zu, auf die Gestaltung dieser Rechtsbeziehungen ihrerseits einen Einfluß auszuüben. Hierin erweist sich die Bedeutung des Abs. 1, wonach eine Umschreibung im Aktienbuch nur auf Grund einer Anmeldung erfolgen darf. Anm. 4 1. Die anmeldungsberechtigten Personen: Das Gesetz sagt nichts darüber, wer zur Anmeldung befugt ist. Sicherlich ist es der Erwerber der Aktie. Sein Recht, die Umschreibung im Aktienbuch zu veranlassen und dadurch auch gegenüber der Gesellschaft seine volle Legitimation zur Ausübung des ihm zustehenden Aktienrechts herbeizuführen, kann nicht zweifelhaft sein. Aber auch dem Veräußerer muß man die Befugnis zur Anmeldung zugestehen. Die vom Reichsgericht zunächst vertretene gegenteilige Ansicht (JW 1906, 433; wohl auch R G 86, 159; 92, 318) ist überholt (RG Warn. 1943 Nr. 24, S. 73; ebenso auch heute die allgemeine Ansicht im Schrifttum; über die früher vertretenen abweichenden Ansichten vgl. die Nachweise bei Richter Das Aktienbuch 1934 S. 40 Anm. 2). Praktisch wird freilich meist der Erwerber die Anmeldung vornehmen, weil er auf Grund des Erwerbsgeschäfts regelmäßig im Besitz der Aktienurkunde sein wird und weil die Vorlage der Aktienurkunde bei der Anmeldung notwendig ist. Aus dem Erwerbsgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber wird sich bei nicht voll eingezahlten Aktien für den Erwerber regelmäßig die Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer ergeben, den Übergang der Aktie zum Zweck der Umschreibung anzumelden. Das folgt aus dem klar zutage liegenden Interesse des Veräußerers, seine weitere Haftung für die Einlagerückstände nach § 59 zeitlich zu beschränken. Wer im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber die Kosten der Umschreibung zu tragen hat, muß aus dem Inhalt des Erwerbsgeschäfts entnommen werden. Einen Anhaltspunkt bietet beim Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung insofern die Frage, wer von ihnen das überwiegende Interesse an der Umschreibung hat. § 448 Abs. 2 BGB findet jedenfalls keine Anwendung, weil die Kosten der Umschreibung keine Kosten der Übertragung sind. Anm. 5 2. Die F o r m und der Inhalt der Anmeldung: Eine Form ist für die Anmeldung nicht vorgeschrieben. Sie kann schriftlich oder mündlich geschehen. Dabei ist aber die Aktienurkunde vorzulegen und der Übergang nachzuweisen (vgl. R G 40, 80). Sind noch keine Aktienurkunden ausgegeben, so fallt das erste Erfordernis weg, und es ist nur der Rechtsübergang nachzuweisen (RG 85, 155; Brodmann § 223 Anm. 4c; wohl auch Baumbach-Hueck § 61 Anm. 2; Richter Das Aktienbuch 1934 S. 47; Rospatt L Z 1930, 489; a. M. Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 10; unklar Ritter § 61 Anm. 7). Da die Anmeldung keiner Form bedarf, kann sie auch stillschwei389

§62

Anm. 6—8

I. Buch: Aktiengesellschaft

g e n d vorgenommen werden. Aber auch in diesem Falle muß eine Willensäußerung vorliegen (zu weitgehend R G 127, 2 4 1 ; vgl. dazu die berechtigte Kritik von Hachenburg J W 1930, 267g; in diesem Sinn auch Dürenberg-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 4 ; Ritter Anm. 3 c). Die Anmeldung ist auch durch einen Bevollmächtigten möglich.

Anm. 6 Bei der Anmeldung ist der Gesellschaft der R e c h t s ü b e r g a n g n a c h z u w e i s e n . Ist im Aktienbuch bereits ein Aktionär eingetragen, so ist f ü r den Nachweis die Vorlage einer ununterbrochenen Reihe von Indossamenten oder Abtretungserklärungen, ausgehend von dem Eingetragenen bis zum angemeldeten Erwerber, erforderlich. Folgt auf ein Blankoindossament ein anderes Indossament, so wird angenommen, daß der Aussteller dieses Indossament die Aktie durch das Blankoindossament erworben hat (Art. 16 W G , § 61 Abs. 2). Ist das letzte Indossament ein Blankoindossament, so ist das f ü r den Inhaber zum Zweck seiner eigenen Anmeldung ausreichend. Legt dagegen der Veräußerer eine blanko indossierte Aktie vor, so ist das kein Nachweis dafür, daß der in der Anmeldung genannte Erwerber die Aktie erworben hat. Ist im Aktienbuch noch kein Aktionär eingetragen, so ist der Nachweis, ausgehend von dem ursprünglichen Aktionär (Zeichner) bis zu dem in der Anmeldung bezeichneten Erwerber zu führen. Bei Erwerb durch Erbfolge ist diese — meist durch Erbschein — nachzuweisen. Gegebenenfalls ist auch der Nachweis einer gesetzlichen Vertretung oder einer Vollmacht (Registerauszug, Bestallungsurkunde) erforderlich.

Anm. 7 3. Keine P f l i c h t z u r A n m e l d u n g : Weder f ü r den Veräußerer noch f ü r den Erwerber einer Namensaktie besteht die Pflicht, den Übergang der Aktie bei der Gesellschaft anzumelden. Es steht vielmehr im freien Ermessen der Beteiligten, ob sie von ihrer Anmeldungsbefugnis Gebrauch machen oder nicht. Die Gesellschaft kann sie in keinem Fall dazu zwingen. Es kann insoweit lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung des Erwerbers g e g e n ü b e r d e m V e r ä u ß e r e r nach Maßgabe des Erwerbsgeschäfts (dazu Anm. 4) in Betracht kommen. Die Gegenmeinung (so noch R G 79, 1 6 4 ; R u d . Fischer Ehrenb. Hdb. I I I , 1 S. 155) wonach die Gesellschaft von dem Erwerber einer Namensaktie die Anmeldung zur Umschreibung im Aktienbuch verlangen könne, ist von der Rechtsprechung inzwischen aufgegeben ( R G 86, 159) und wird heute im Schrifttum wohl nur noch von Teichmann-Koehler Anm. 2 vertreten. Das von dieser Gegenmeinung herangezogene Argument, daß anderenfalls die Gesellschaft beim T o d des eingetragenen Aktionärs dessen Erben vor seiner Eintragung im Aktienbuch mit Rücksicht auf Abs. 3 nicht auf die noch ausstehende Einlageforderung in Anspruch nehmen könne, greift nicht durch. Denn der Erbe des eingetragenen Aktionärs haftet nach allgemeinen erbrechtlichen Gesichtspunkten bis zu einer etwaigen Ausschlagung der Erbschaft im gleichen U m f a n g wie sein Erblasser, also wie der eingetragene Aktionär (Abs. 3), nur daß der Erbe vor seiner eigenen Eintragung als Aktionär sich insoweit auf die erbrechtliche Haftungsbeschränkung berufen kann. Abs. 3 schließt also nicht aus, daß der Erbe des eingetragenen Aktionärs in seiner Eigenschaft als Erbe f ü r die Verpflichtung seines eingetragenen Erblassers auf die rückständige Einlageforderung in Anspruch genommen wird (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 A n m . 1 1 ; Brodmann § 223 Anm. 4 a ; Ritter Anm. 4 f . ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 ; vgl. dazu auch Anm. 17). Die Gesellschaft kann bei der Anmeldung auch nicht verlangen, daß d i e Z w i s c h e n m ä n n e r , die von dem eingetragenen Aktionär die Aktie zunächst erworben hatten, eingetragen werden, bevor der nunmehr angemeldete Erwerber der Aktie als Aktionär eingetragen wird. Insoweit besteht ebenfalls keine Pflicht zur Anmeldung, mag auch die Gesellschaft im Hinblick auf § 59 durchaus ein Interesse an einer solchen Eintragung haben. Es ist daher durchaus möglich, daß auf eine Eintragung unter Weglassung der Zwischenerwerber eine andere folgt.

Anm. 8 4. Die R e c h t s n a t u r d e r A n m e l d u n g : Die Anmeldung ist eine einseitige, empfangsbedürftige geschäftsähnliche Handlung, die eine Willensäußerung zum Inhalt hat,

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 62

A n m . 9—12

n i c h t aber e i n e r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e W i l l e n s e r k l ä r u n g , da die Rechtswirkung der Anmeldung nicht durch den Willen des Anmeldenden, sondern unmittelbar durch das Gesetz bestimmt wird ( R G 127, 240; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 4 ; Ritter Anm. 3 b ; Richter aaO. S. 47; a. M . Brodmann § 223 Anm. 4 f . ; Rospatt L Z 1930, 488). Da die Anmeldung eine Willensäußerung zum Inhalt hat, ist zu ihrer Wirksamkeit G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t des Anmeldenden e r f o r d e r l i c h ( R G 92, 3 1 5 ; 1 2 3 , 285). Aber auch im übrigen sind die Vorschriften über die rechtsgeschäftliche Willenserklärung entsprechend anzuwenden, wie etwa die Bestimmung des § 1 1 7 B G B über die Scheinerklärung ( R G J W 1934, 363; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6 a ; kritisch Ritter Anm. 4 c) und die Bestimmung über die A n f e c h t u n g einer Willenserklärung. Bei der Anfechtung ist jedoch zu beachten, daß dann, wenn Erwerber und Veräußerer gemeinsam angemeldet haben, die Anfechtung des einen die Anmeldungserklärung des anderen nicht beseitigt ( R G Warn. 1943 Nr. 24, S. 73).

Anm. 9 II. Die P r ü f u n g der Anmeldung. 1. D i e P r ü f u n g s p f l i c h t d e r G e s e l l s c h a f t : Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente und der Abtretungserklärungen zu prüfen (Abs. 2). Das bedeutet, daß die Gesellschaft die formelle Ordnungsmäßigkeit der bei der Anmeldung vorgelegten Unterlagen zum Nachweis des Ubergangs der Aktie, also nur „ d e n äußeren Ausweis des Erwerbers" (Baumbach-Hueck Anm. 2), nicht aber auch die sachliche Richtigkeit dieser Unterlagen, insbesondere nicht aber die Echtheit der Unterschriften zu prüfen hat. Dabei erstreckt sich die Beschränkung der Prüfungspflicht auf den äußeren Ausweis des Erwerbers hier im Unterschied zu Art. 40 Abs. 3 W G auch auf die vorgelegten Abtretungserklärungen. Nach dem Grundgedanken des Abs. 2 muß man die formelle Prüfungspflicht der Gesellschaft aber auch auf solche Urkunden beziehen, die neben den Indossamenten und Abtretungserklärungen zum Nachweis des Übergangs der Aktie, wie etwa eine Vollmacht, eine Registerauszug, ein Erbschein (Anm. 6), vorgelegt werden müssen.

Anm. 10 Über diese formelle Prüfungspflicht hinaus wird man auch eine s a c h l i c h e P r ü f u n g s p f l i c h t der Gesellschaft bejahen müssen, nämlich dann, wenn die sachliche U n richtigkeit des Nachweises der Gesellschaft bekannt und von ihr im Streitfall ohne Schwierigkeiten bewiesen werden kann. M a n wird die zum U m f a n g der Prüfungspflicht bei Art. 40 Abs. 3 W G entwickelten Rechtsgrundsätze ( R G 53, 207) auch hier anzuwenden haben (im Ergebnis wohl ähnlich Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 5 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 ; zu weitgehend Brodmann § 223 Anm. 4 b , der eine Prüfungspflicht schon bei dringenden Verdachtsmomenten annimmt, ohne dabei die Möglichkeit eines Beweises durch die Gesellschaft zu berücksichtigen).

A n m . 11 D i e V e r l e t z u n g d e r P r ü f u n g s p f l i c h t begründet eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft, nicht nur des Vorstandes gegenüber demjenigen, der dadurch in seinen Rechten verletzt oder beeinträchtigt worden ist. Das bedeutet, daß die Umschreibung im Aktienbuch ohne die vorgeschriebene Prüfung auf die Gefahr der Gesellschaft geht (Baumbach-Hueck Anm. 1 B). Dagegen ist es unrichtig, eine Umschreibung ohne Prüfung als gesetzlich unzulässig und damit als vollständig wirkungslos anzusehen (so Rospatt L Z 1930, 490); jedenfalls ist eine solche Annahme nach der jetzigen Fassung des Abs. 2 nicht mehr haltbar (ebenso Ritter Anm. 3 d ) .

A n m . 12 2. D a s P r ü f u n g s r e c h t d e r G e s e l l s c h a f t : Der Gesellschaft ist unbedenklich über den Rahmen der ihr obliegenden Prüfungspflicht hinaus das Recht zu einer weiteren Prüfung der sachlichen Richtigkeit des angemeldeten Übergangs der Aktie zuzubilligen. Sie ist daher befugt, auch die Echtheit der Unterschriften und die Wirksamkeit des Rechtsübergangs zu prüfen. K o m m t die Gesellschaft bei einer solchen Prüfung zu dem

391

§62 Anm. 13—16

I. Buch: Aktiengesellschaft

Ergebnis, daß die Aktie aus Rechtsgründen nicht auf den angemeldeten Erwerber übergegangen ist, so kann sie die Umschreibung ablehnen. Hierbei handelt die Gesellschaft insofern auf eigene G e f a h r , als sie im Streitfall die Berechtigung ihrer Ablehnung, das Fehlen eines wirksamen Rechtsübergangs, darlegen und gegebenenfalls beweisen muß. Anm. 13 III. Die Umschreibung i m Aktienbuch. 1. Die Pflicht zur Umschreibung: Ergibt die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung, daß die Anmeldung zur Umschreibung den gesetzlichen Erfordernissen genügt, und vermag die Gesellschaft die Unwirksamkeit des Rechtsübergangs nicht zu beweisen (vgl. Anm. 12), so ist die Gesellschaft zur Umschreibung verpflichtet. Der Anmeldende kann gegebenenfalls die Erfüllung dieser Pflicht im Klagweg erzwingen. Die Gesellschaft kann sich insoweit auch nicht auf irgendwelche Satzungsbestimmungen berufen, die für die Anmeldung weitere Erfordernisse aufstellen. Denn solche Satzungsbestimmungen sind unwirksam, weil die Anmeldung nicht erschwert werden darf (Ritter Anm. 3 d ; Baumbach-Hueck Anm. i A ; a. M. Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 4). A n m . 14 2. Kein Recht zur eigenmächtigen Umschreibung: Die Anmeldung als notwendige Voraussetzung für die Vornahme der Umschreibung schließt es aus, daß die Gesellschaft von sich aus eigenmächtig die Umschreibung vornimmt, wenn ihr die Übertragung von Namensaktien bekannt geworden ist (Anm. 3). Eine solche Umschreibung wäre rechtlich bedeutungslos und könnte insbesondere nicht die Wirkungen des Abs. 3 zeitigen. Die durch eine solche eigenmächtige Umschreibung Betroffenen könnten das gegenüber der Gesellschaft jederzeit geltend machen (dazu Anm. 22). A n m . 15 IV. Die Wirkung der Umschreibung. Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. Uber die Bedeutung dieser Vorschrift ist erst allmählich Klarheit gewonnen worden. Früher nahm das Reichsgericht an, daß die Eintragung durch Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär das Aktionärrecht begründe ( R G 3, 163; 41, 17; J W 1906, 433 23 ). Diese Ansicht ist längst aufgegeben, sie war namentlich für den Übergang durch Erbfall unhaltbar ( R G 79, 163; 86, 157, 1 6 1 ; 92, 318 oben; 123, 282; H R R 1933 Nr. 45). Die Eintragung hat lediglich die Bedeutung, daß sie den Eintragenen, sofern sie nur rechtsgültig zustande gekommen ist, gegenüber der Gesellschaft legitimiert; ob das Aktionärrecht rechtsgültig erworben ist, hat mit der Eintragung nichts zu tun (neuerdings wieder abweichend Hachenburg-Schilling § 15 Anm. 66 ff.; dazu Rob. Fischer J Z 1956, 363). Diese Wirkung äußert sich nach verschiedenen Richtungen : Anm. 16 1. Die Stellung der Gesellschaft gegenüber dem Eingetragenen: Die Gesellschaft kann den Eingetragenen auf Erfüllung der Aktionärspflichten in Anspruch nehmen. Er kann nicht einwenden, er habe die Aktie nicht rechtsgültig erworben CRG 86, 159, 1 6 1 ; 123, 285; J W 1931, 20978). Er kann auch nicht mit Wirkung gegenüber der Gesellschaft den Erwerb wegen arglistiger Täuschung, Drohung oder Irrtums anfechten; in dieser Hinsicht gilt dasselbe wie bei der Übernahme und Zeichnung von Aktien (RG 72, 294; J W 1915, 588"; vgl. § 2 Anm. 4; § 30 Anm. 4); Schadensersatzansprüche gegen den Veräußerer bleiben unberührt. Der Eigentümer kann auch nicht einwenden, daß er die Aktie nach der Eintragung veräußert habe, mag auch die Gesellschaft von der Veräußerung Kenntnis haben (RG J W 1931, 2097 9 ; Köln O L G E 1 1 , 384); es wäre seine Sache gewesen, die Umschreibung auf den Erwerber zu veranlassen. Er haftet als Aktionär, solange er eingetragen ist. Das gilt selbst dann, wenn die Um392

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 62 Anm. 17—19 Schreibung beantragt, aber infolge grober Fahrlässigkeit unterblieben war (RG J W 1931, 2907; Richter Das Aktienbuch 1934 S. 56/57). Wohl aber kann er geltend machen, er sei ohne seine Zustimmung eingetragen worden (RG J W 1906, 43328)> oder seine Zustimmung sei mit Mängeln behaftet gewesen, die sie nichtig machten (RG 86, 159; 92, 318 oben; 123, 285), oder er sei im Einverständnis mit einem Vorstandsmitglied nur zum Schein eingetragen worden (RG J W 1934, 363; dazu im einzelnen Anm. 22, 25). Eine Besonderheit gilt beim Erwerb eigener Aktien durch die AG (§ 65 Anm. 11). Anm. 17 2. Die Stellung der Gesellschaft gegenüber dem nicht eingetragenen Aktion ä r : Die Gesellschaft kann gegen einen nicht eingetragenen Aktionär nicht Rechte geltend machen, als ob er eingetragen wäre (Köln OLGE 1 1 , 384). Das Gegenteil hat das Reichsgericht (RG 79, 164) für den Todesfall des eingetragenen Aktionärs angenommen; es hat die Inanspruchnahme der Erben auf Erfüllung von Nebenleistungspflichten zugelassen und es für formalistisch erklärt, wenn man verlangen wollte, daß die Gesellschaft zunächst die Eintragung der Erben ins Aktienbuch im Klagewege erzwingen müsse. Die Gesellschaft hat aber gar kein Recht, die Eintragung zu fordern (Anm. 14). Sie kann andererseits die nicht eingetragenen Erben nicht wie Aktionäre in Anspruch nehmen, wohl aber auf Grund der Erbenhaftung, deren Beschränkung die Erben geltend machen können (dazu Anm. 7). Zweifelhaft erscheint in diesem Zusammenhang lediglich, ob der Erbe des eingetragenen Aktionärs seinerseits auch ohne eigene Eintragung die Rechte aus der Aktie gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen kann (so v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; unklar Ritter Anm. 4f). Diese Auffassung mag unter Berücksichtigung der Darlegungen zu Anm. 7 in sich folgerichtig sein, aber begegnet aus praktischen Gründen Bedenken. Richtiger dürfte es sein, insoweit die Eintragung des Erben zu verlangen (ebenso Brodmann § 223 Anm. 4a; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 11). Die Gesellschaft hat demzufolge die Möglichkeit, auf den Erben durch Vorenthaltung der Aktionärsrechte einen Druck dahin auszuüben, daß diese sich eintragen lassen. Bei Nebenverpflichtungen (§ 50) führt das dazu, daß die Gesellschaft, solange die Erben nicht eingetragen sind, ihnen die satzungsmäßige Vergütung nicht zu zahlen braucht; denn diese schuldet sie nicht auf Grund eines gegenseitigen Vertrages, sondern als Leistung an ihre Mitglieder (§ 50 Anm. 10, § 55 Anm. 1). Vgl. über die Haftung der Erben § 63 Anm. 8. Anm. 18 3. Die Rechte des Eingetragenen: Der Eingetragene allein ist gegenüber der Gesellschaft befugt, die Aktionärrechte geltend zu machen, namentlich das Stimmrecht und das Recht der Anfechtung auszuüben (RG 86, 158; Köln OLGE 1 1 , 384). Mit Unrecht hat das OLG Dresden (ZHR 35, 237) angenommen, für die Ausübung des Stimmrechts genüge die Vorlegung der Aktie, wenn über die Aktionäreigenschaft kein Streit bestehe. Solange kein Aktienbuch eingerichtet ist, gilt der Übernehmer oder erste Zeichner der Aktie als Aktionär (RG J W 1906, 177 26 ); wer die Aktie späterhin erworben hat, bedarf der Eintragung. Da jeder Aktionär einen klagbaren Anspruch auf Einrichtung des Aktienbuchs und auf Eintragung hat (§61 Anm. 4), so liegt darin nichts Unbilliges. Zu den Einwendungen, die die Gesellschaft gegenüber dem Eingetragenen wegen fehlerhafter oder unrichtiger Eintragung geltend machen kann, vgl. Anm. 25. Anm. 19 V. Die Berichtigung von Eintragungen im Aktienbuch. i. Die rechtliche Bedeutung einer Berichtigung: Wenn auch die Eintragung im Aktienbuch für die Übertragung der Aktie keine rechtsbegründende Bedeutung besitzt, die Übertragung der Aktie vielmehr unabhängig von der Eintragung im Aktienbuch ist, so hat doch die Eintragung gleichwohl auch materiellrechtliche Bedeutung. Sie führt die Legitimationswirkung nach Maßgabe des Abs. 3 herbei, ermöglicht damit dem eingetragenen Aktionär seine Rechte aus der Aktie gegen die Gesellschaft geltend 393

§62

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 20—22 zu machen und setzt seinen Vormann im Aktienbuch in die Lage, sich gegen eine Inanspruchnahme wegen Einlagerückstände zu verteidigen und seine Rückgriffshaftung gemäß § 59 zeitlich zu beschränken. Angesichts dieser materiellrechtlichen Bedeutung einer jeden Eintragung im Aktienbuch erscheint es bedenklich, der Gesellschaft ein Recht zur Berichtigung von Eintragungen unbeschränkt zuzubilligen, weil es nicht ohne weiteres angängig ist, daß die Gesellschaft die materiellrechtliche Position der von der Eintragung Betroffenen einseitig ändern könne. Dabei bedarf es noch der Hervorhebung, daß eine Berichtigung des Aktienbuchs dazu führt, daß die bisherige Eintragung als nicht geschehen behandelt wird, die berichtigte Eintragung also an ihre Stelle tritt. Dadurch unterscheidet sich die Berichtigung von einer Neueintragung, die — und das ist f ü r die Rückgriffshaftung des § 59 wesentlich — die bisherige Eintragung als solche, nämlich als eine Voreintragung bestehen läßt (vgl. dazu DüringerHachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 12).

Anm. 20 2. Die B e r i c h t i g u n g von S c h r e i b f e h l e r n : Die grundsätzlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit einer einseitigen Berichtigung durch die Gesellschaft (Anm. 19) richten sich nicht dagegen, daß die Gesellschaft Schreibfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten richtig stellt. Das trifft zu, wenn die Gesellschaft etwa versehentlich einen falschen Namen eingetragen oder den richtigen Namen bei einer unrichtigen Aktie vermerkt hat (vgl. Brodmann § 223 Anm. 4 g ; ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 1 2 ; Ritter Anm. 4 d ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6). Für die Zulässigkeit einer solchen Berichtigimg ist es ohne Bedeutung, ob die richtig zu stellende Eintragung nach § 61 (ohne Anmeldung) oder nach § 62 (auf Grund einer Anmeldung) vorgenommen worden war.

Anm. 21 3. Die Berichtigung bei mangelhaften Verfahren. a) A l l g e m e i n e s : Außerordentlich umstritten ist die Frage nach der Zulässigkeit einer Berichtigung bei mangelhaftem Verfahren. Das Reichsgericht hat eine solche Berichtigung durch die Gesellschaft zugelassen ( R G 86, 1 6 1 ; 123, 286). Es hat angenommen, daß demgegenüber der von der Löschung Betroffene durch eine Leistungsklage gegen die Gesellschaft seine Wiedereintragung erzwingen ( L Z 1 9 1 5 , 893) oder auf Feststellung klagen könne, daß er noch Aktionär sei, und zwar j e nach L a g e des Falles durch K l a g e gegen den nunmehr Eingetragenen oder gegen die Gesellschaft ( H R R 1933 Nr. 45). Dieser Auffassung stehen die in Anm. 19 hervorgehobenen Bedenken entgegen. Das Recht der Gesellschaft, in die materielle Rechtsposition des durch die Löschung Betroffenen einseitig einzugreifen, hat offensichtlich keine Grundlage. Auch die Möglichkeit, daß es im Prozeßweg zu einer Wiedereintragung des Gelöschten kommen kann, zeigt das Fragwürdige dieser Auffassung (im Grundsatz ebenso Brodmann § 223 Anm. 4 g ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 1 2 ; SchlegelbergerQuassowski Anm. 6; Ritter Anm. 4 e ; Baumbach-Hueck Anm. 3 C ; Richter Das Aktienbuch 1934 S. 48). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Eintragung nach § 61 ohne Antrag oder nach § 62 auf Antrag vorgenommen worden ist (a. M . insoweit Schlegelberger-Quassowski aaO.). Denn f ü r die Frage, ob die Gesellschaft zu einem selbständigen Eingriff in die Rechtsposition des Eingetragenen befugt ist oder nicht, ist es ohne Belang, wie es zu dieser Eintragung gekommen ist. Allerdings werden die Fälle einer unrichtigen Eintragung nach § 61 praktisch nicht wesentlich ins Gewicht fallen, zumal wenn man berücksichtigt, daß die Berichtigung von Schreibfehlern und offenbaren Unrichtigkeiten zulässig ist (Anm. 20). Für die rechtliche Behandlung unrichtiger oder fehlerhafter Eintragungen ergeben sich, unbeschadet des grundsätzlichen Ausgangspunktes, daß eine einseitige Berichtigung seitens der Gesellschaft unzulässig ist, wesentliche Unterschiede (dazu Anm. 2 2 f f . ) .

Anm. 22 b) D a s F e h l e n einer w i r k s a m e n A n m e l d u n g : Fehlt es an einer Anmeldung oder ist diese wegen Geisteskrankheit des Anmeldenden oder aus einem sonstigen Grund

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3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 62

Anm. 23, 24

nichtig oder ist die Anmeldung wegen eines Willensmangels angefochten (dazu Anm. 8), so fehlt die entscheidende Grundlage für die vorgenommene Eintragung. Die Eintragung ist nichtig, sie äußert keine rechtlichen Wirkungen. Diese Nichtigkeit kann von dem betroffenen Aktionär ohne Einschränkung gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden. Andererseits kann sich auch die Gesellschaft gegenüber dem Eingetragenen auf die Nichtigkeit der Eintragung berufen. Darüber hinaus wird im Schrifttum vielfach die Ansicht vertreten, daß die Gesellschaft in einem solchen Fall auch befugt sei, die fehlerhafte Eintragung zu löschen und damit die alte Eintragung wiederherzustellen (so Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 12; Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Ritter Anm. 4c; Rospatt LZ 1930, 495). Das erscheint jedoch nicht richtig. Die Vertreter dieser Ansicht geben hierbei ohne ersichtlichen Grund den auch von ihnen als zutreffend anerkannten Grundsatz auf, wonach die Gesellschaft nicht befugt ist, eine Berichtigung der Eintragung einseitig vorzunehmen, weil sie nicht die Rechtsposition des Eingetragenen von sich aus beeinträchtigen darf. Dieser entscheidende Gesichtspunkt für die Unzulässigkeit einer einseitigen Berichtigung muß auch in diesen Fällen eingreifen. Denn nur selten wird die Rechtslage in dieser Hinsicht klar und eindeutig sein, und es erscheint gerade beim Widerspruch des Eingetragenen bedenklich, der Gesellschaft zunächst die Entscheidung über eine solche Streitfrage zu übertragen. Vielmehr wird man auch hier wie in anderen Fällen der Gesellschaft das Recht zur Berichtigung nur überlassen können, wenn das von den Beteiligten übereinstimmend beantragt wird (Anm. 25). Ist der eine von ihnen zu einer solchen Anmeldung nicht bereit, so muß er gegebenenfalls von dem anderen im Klageweg dazu angehalten werden. Nimmt die Gesellschaft auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten die Berichtigung vor, weil eine Anmeldung oder eine wirksame Anmeldung nicht vorgelegen hat, so handelt es sich hierbei um eine Löschung der nichtigen Eintragung. Das hat zur Folge, daß die vorausgehende Eintragung ohne weiteres wieder wirksam wird, die nichtige Eintragung also als nicht geschrieben gilt.

Anm. 23 c) Sonstige V e r f a h r e n s m ä n g e l : Es ist denkbar, daß die Eintragung auf Grund einer Anmeldung vorgenommen worden ist, die den gesetzlichen Erfordernissen nicht genügt, daß z. B. der vom Gesetz vorgeschriebene Nachweis vom Übergang der Aktie nicht ordnungsgemäß geführt worden ist (dazu Anm. 6). Eine solche Eintragung ist fehlerhaft, aber wirksam. Sie begründet gegebenenfalls eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft. Der Gesellschaft aus diesem Grund in einem solchen Fall das einseitige Recht zur Berichtigung einzuräumen (so Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 12; wohl auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 6), geht nicht an. Das schuldhafte Verhalten der Gesellschaft bei der Umschreibung kann ihr nicht weitergehende Rechte geben, als sie es ohne ihr Verschulden haben würde. Die Gesellschaft muß in einem solchen Fall gegenüber etwaigen Ansprüchen des eingetragenen Aktionärs die ihr zustehenden Einwendungen aus der fehlerhaften Eintragung erheben und notfalls im Wege der Klage (Widerklage) das Einverständnis des eingetragenen Aktionärs zur Neueintragung seines Vormanns herbeiführen. Dieses ist der einzige Weg, der der Gesellschaft die Möglichkeit eröffnet, ihre Schadensersatzpflicht gegenüber dem Vormann des eingetragenen Aktionärs abzuwenden oder nicht größer werden zu lassen. Im Unterschied zu der nichtigen Eintragung beim Fehlen einer (wirksamen) Anmeldung ist hier eine einfache Löschung der fehlerhaften Eintragung nicht möglich. Diese kann, da sie trotz ihrer Fehlerhaftigkeit nicht unwirksam ist, nicht einfach wieder beseitigt werden. Der Vormann des eingetragenen Aktionärs muß vielmehr neu eingetragen werden, mit der Wirkung, daß die vorausgegangene Eintragung im Rahmen des § 59 von Bedeutung bleibt (ähnlich Ritter Anm. 4e).

Anm. 24 4. Die Berichtigung bei sachlicher Unrichtigkeit: Ist das Anmeldeverfahren formell in Ordnung und ist die Umschreibung entsprechend den gesetzlichen Vorschriften vorgenommen worden, so kann die Umschreibung gleichwohl deshalb unrichtig

395

§62

Anm. 25

I. Buch: Aktiengesellschaft

sein, weil die Aktie aus sachlichrechtlichen Gründen nicht wirksam auf den eingetragenen Erwerber übergegangen ist. Eine solche sachlichrechtliche Unrichtigkeit ist f ü r das Verhältnis zwischen den Beteiligten einerseits und der Gesellschaft andererseits grundsätzlich ohne Bedeutung. Die Umschreibung ist gegenüber der Gesellschaft voll wirksam ( R G 72, 295; 77, 276; L Z 1 9 1 5 , 1 1 5 0 ; J W 1934, 363). Es ist daher Sache der Beteiligten, eine n e u e Umschreibung entsprechend der gegebenen Rechtslage herbeizuführen, wobei dann auch hier die vorausgegangene Eintragung im R a h m e n des § 59 ihre Bedeutung behält. Der Veräußerer muß also notfalls die Einwilligung des Eingetragenen zur Vornahme der Umschreibung im Klageweg erzwingen. Weiß allerdings in einem solchen Fall der Vorstand, daß der Eingetragene nicht der Berechtigte ist und kann er dieses auch ohne Schwierigkeiten beweisen, so wird man von ihm nach T r e u und Glauben verlangen müssen, daß er der Geltendmachung von Rechten aus der Aktie durch den Eingetragenen widerspricht. Insoweit liegt die Sachlage ähnlich wie bei der Umschreibung selbst, bei der die Gesellschaft unter den hier in Betracht kommenden Voraussetzungen eine sachliche Prüfungspflicht trifft (Anm. 10). Widerspricht die Gesellschaft in einem solchen Fall der Geltendmachung von Rechten durch den Eingetragenen nicht, so macht sie sich gegenüber dem Veräußerer schadensersatzpflichtig. Die Besonderheit des Aktienrechts schließt es aber aus, einen Beschluß der Hauptversammlung darum anzufechten (§ 197), weil ein zur Abstimmung auf G r u n d seiner Eintragung Zugelassener in Wirklichkeit nicht Aktionär gewesen sei ( R G 77, 276).

Anm. 25 5. Die B e r i c h t i g u n g a u f A n t r a g d e r B e t e i l i g t e n : Die Unzulässigkeit einer einseitigen Berichtigung durch die Gesellschaft bedeutet, daß eine Richtigstellung unrichtiger oder fehlerhafter Eintragungen grundsätzlich nur auf übereinstimmenden Antrag der durch eine solche Richtigstellung Betroffenen, also des bisher Eingetragenen und des nunmehr Eingetragenen erfolgen darf. Nur so wird in dem gebotenen U m f a n g die Rechtsposition der dadurch Betroffenen gewahrt. Dabei macht es natürlich keinen Unterschied, ob ein solcher übereinstimmender Antrag von den Beteilgten freiwillig gestellt wird oder ob der eine von ihnen durch K l a g e zur Stellung eines solchen Antrags gezwungen worden ist. Die Notwendigkeit eines übereinstimmenden Antrags entfallt nicht deshalb, weil die zunächst erfolgte Umschreibung nur auf Anmeldung eines der Beteiligten vorgenommen worden war. Bei einem übereinstimmenden Antrag ist die G e s e l l s c h a f t n i c h t u n t e r allen U m s t ä n d e n verpflichtet, diesem Antrag zu entsprechen. Bei nicht voll eingezahlten Aktien können auch ihre Interessen wesentlich berührt werden, nämlich dann, wenn mit diesem Antrag eine Löschung der bisherigen Eintragung herbeigeführt werden soll (Anm. ig, 22). Die Gesellschaft würde bei einer solchen Löschung gegen den Eingetragenen nach Vornahme der Löschung nicht mehr Rückgriff nach § 59 nehmen können, da seine Eintragung in einem solchen Fall als nicht geschrieben gilt. Der Gesellschaft wird man daher ein eigenes Prüfungs- und gegebenenfalls Ablehnungsrecht zubilligen müssen, wenn der übereinstimmende Antrag der Beteiligten auf Löschung des bisher Eingetragenen gerichtet ist. Denn die Beteiligten haben es nicht in der Hand, durch übereinstimmende Erklärungen eine Löschung der zunächst vorgenommenen Umschreibung herbeizuführen, obwohl es sich dabei in Wirklichkeit um eine Rückübertragung der Aktie handelt. Das gleiche gilt, wenn es sich bei den Aktien um vinkulierte Aktien handelt. Denn auch hier kann nicht durch die Beteiligten das Zustimmungserfordernis der Gesellschaft dadurch umgangen werden, daß sie übereinstimmend die Anmeldung der Rückübertragung in die Form einer Richtigstellung der bisherigen Eintragung kleiden (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 223 Anm. 1 2 ; wohl auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Bei unberechtigter Weigerung der Gesellschaft, dem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten zu entsprechen, kann sie von diesen im Klageweg dazu angehalten werden. Abs. 3 steht einer solchen K l a g e gegen die Gesellschaft nicht im Wege (dazu v. Godin-Wilhelmi a a O . ; a. M . offenbar Baumbach-Hueck Anm. 3 C).

396

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 62 A n m . 26—28

§63 A n m . 26 VI. Die Verpfändung, der Nießbrauch und die Pfändung von Namensaktien. Wird das Aktienrecht verpfändet, so wird das nicht ins Aktienbuch eingetragen, wenngleich die Eintragung nicht unstatthaft ist. Zur Verpfandung einer Namensaktie genügt nach § 1292 BGB Einigung über die Verpfändung und Übergabe des indossierten Papiers. Es genügt aber nach § 1274 BGB auch ein formloser Verpfandungsvertrag mit Übergabe des nicht indossierten Papiers. Einer Benachrichtigung der Gesellschaft bedarf es nicht zur Gültigkeit der Verpfändung, § 1280 BGB ist nicht anwendbar. Die Benachrichtigung ist aber nach § 1275 in Verbindung mit § 407 BGB empfehlenswert, damit nicht die Gesellschaft an den eingetragenen Aktionär mit befreiender Wirkung leistet. Verpfändete Namensaktien werden vom Pfandgläubiger nach den §§ 1228ff., 1295 BGB verwertet. Für die Bestellung eines Nießbrauchs gilt das Entsprechende (§§ 1069, 1070 BGB). Auch der Nießbraucher braucht nicht ins Aktienbuch eingetragen zu werden. Seine Eintragung kann sich empfehlen, wenn keine Gewinnanteilscheine ausgegeben sind (v. Godin-Wilhelmi § 61 Anm. 9). Für Namensaktien, die mit Blankoindossament versehen sind, gelten wie für Inhaberaktien die §§ 1081 ff. BGB. Anm. 27 Gepfändet werden Namensaktien wie bewegliche Sachen (§ 808 ZPO). Die Verwertung geschieht durch den Gerichtsvollzieher nach den §§ 821, 822 ZPO. Das Vollstreckungsgericht hat nur insofern mitzuwirken, als es nach § 822 ZPO den Gerichtsvollzieher ermächtigt, die Namensaktie an den Käufer zu indossieren. Dagegen hat es keinen Überweisungsbeschluß zu erlassen, § 831 ZPO gilt nur für Forderungspapiere. Sind keine Aktienurkunden ausgegeben, so ist das Anteilrecht nach § 857 ZPO durch das Vollstreckungsgericht zu pfänden, das auch die Veräußerung anordnen kann. Das Aktienbuch bleibt von alledem unberührt, bis der Erwerber sich eintragen läßt. A n m . 28 VII. Die Behandlung der Zwischenscheine. Alles Vorstehende gilt nach Abs. 4 des § 62 auch für Zwischenscheine. Vgl. § 61 Anm. 19. § 6 3 R e c h t s g e m e i n s c h a f t an einer Aktie (1) Steht eine Aktie mehreren Berechtigten zu, so können sie die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. (2) Für die Leistungen auf die Aktie haften sie als Gesamtschuldner. (3) Hat die Gesellschaft eine Willenserklärung d e m Aktionär gegenüber abzugeben, so genügt, wenn die Berechtigten keinen gemeinschaftlichen Vertreter haben, die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Berechtigten. Bei mehreren Erben eines Aktionärs gilt dies nur bei Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit d e m Anfall der Erbschaft abgegeben werden. Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Die Rechtsgemeinschaft an einer Aktie 1. Die negative Abgrenzung. 2. Der Anwendungstatbestand des § 63 . . . . . . . . 3. Die Eintragung in das Aktienbuch

4. Die Beendigung der Rechtsgemeinschaft II. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters 1. Allgemeines 2. Die Mitteilung an die Gesellschaft 397

§63 A n m . 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft Anm.

III. Die Haftung als Gesamtschuldner

8, 9

Anm.

I V . Erklärungen der A G gegenüber den Mitberechtigten

IO

Anm. 1 Der Grundsatz der U n t e i l b a r k e i t d e r A k t i e (§ 8 Abs. 4, Anm. 12fr. das.) hat nur aktienrechtliche Bedeutung. Er soll verhindern, daß der Aktionär seine Mitgliedschaft in mehrere Mitgliedschaften spaltet. Die Mitberechtigten sollen nicht jeder für sich das Recht auf Teilnahme in der Hauptversammlung haben, und sie sollen ihre Aktienrechte nicht in verschiedenem Sinn ausüben können. Aber dieser Grundsatz kann und soll nicht hindern, daß an einer Mitgliedschaft aus Gründen des bürgerlichen Rechts Mehrere beteiligt sind. Dennoch wurde der Grundsatz, der schon im alten H G B galt, vielfach in dieser Weise mißverstanden. Das führte zu Schwierigkeiten, namentlich im Erbfall. Den Schwierigkeiten sollte durch § 225 H G B abgeholfen werden (Denkschrift 1897 S. 147). Die Vorschriften des § 225 H G B sind vom AktG ohne sachliche Änderung übernommen worden. Anm. 2 I. Die R e c h t s g e m e i n s c h a f t a n einer A k t i e . 1. Die n e g a t i v e A b g r e n z u n g : § 63 setzt voraus, daß eine Aktie mehreren Berechtigten zusteht. Diese Möglichkeit wird also anerkannt. Die Voraussetzung liegt nicht vor, wenn der Aktionär eine natürliche oder juristische Person (z. B. AG, rechtsfähiger Verein) ist, auch wenn sie mehrere gesetzliche Vertreter hat. Die Voraussetzung liegt auch nicht vor, wenn eine Aktie einer oHG oder Kommanditgesellschaft zusteht. Denn diese werden als einheitliche Rechtsgebilde behandelt; sie können unter ihrer Firma Rechte und Verbindlichkeiten eingehen, klagen und verklagt werden (§ 124 HGB). Aktionär ist also die oHG oder Kommanditgesellschaft (herrsch. Auffassung; a. M. Ritter Anm. i b ) ; sie wird nach § 125 oder § 161 H G B vertreten, die gesamtschuldnerische Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter für die Erfüllung der Aktionärpflichten ergibt sich aus den §§ 128, 161 HGB, die beschränkte Haftung der Kommanditisten aus § 171 HGB. Willenserklärungen werden nach § 125 Abs. 2 Satz 3 H G B gültig gegenüber einem vertretungsberechtigten Gesellschafter abgegeben. Neben alledem ist für § 63 kein Raum. Anm. 3 2. D e r A n w e n d u n g s t a t b e s t a n d d e s § 6 3 : § 63 gilt sowohl für I n h a b e r a k t i e n wie für Namensaktien. Dabei ist die praktische Bedeutung für die Inhaberaktien freilich außerordentlich gering. Denn diese Aktien müssen vor der Ausgabe voll bezahlt sein, so daß bei ihnen die Einforderung rückständiger Beiträge nicht in Betracht kommt. Auch legitimiert die Innehabung der Aktie den Inhaber ohne weiteres gegenüber der Gesellschaft. Immerhin kann es auch bei Inhaberaktien vorkommen, daß die Berechtigten gemeinschaftlich der A G gegenübertreten, z. B. in der Hauptversammlung. Alsdann kann die A G verlangen, daß sie einen gemeinschaftlichen Vertreter bestellen. Eine R e c h t s g e m e i n s c h a f t an einer Aktie liegt vor, wenn mehrere Personen eine Aktie gemeinschaftlich erwerben, sei es durch Erbfall oder Vermächtnis, sei es durch Erwerb unter Lebenden, indem z. B. zwei Eheleute oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (ein Konsortium) oder ein nicht rechtsfähiger Verein eine Aktie von einem andern kaufen. Der Hauptfall ist der der E r b e n g e m e i n s c h a f t . Auch gehört der Fall hierher, daß die Aktie nach der Gründung in das Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft fallt. Wie diese Beispiele zeigen, kann die Rechtsgemeinschaft eine solche zur gesamten Hand oder eine Bruchteilsgemeinschaft sein. Dagegen, daß auch die eheliche Gütergemeinschaft hierher gerechnet wird, läßt sich nicht die Stellung des Ehemanns anführen, der sie nach § 1443 BGB kraft eigenen Rechts verwaltet ( K G J W 1930, 1009 31 ). (so Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 225 Anm. 4; SchlegelbergerQuassowski Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 1). Die Gegenmeinung hätte überdies zur Folge, daß auch Abs. 2 keine Anwendung findet, die Ehefrau also gegenüber der

398

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 63 A n m . 4—7 Gesellschaft nicht zu haften hätte. Allerdings bedarf es in einem solchen Fall nicht der Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters, weil hier der Ehemann schon legitimiert ist (Ritter Anm. i b ) . Insoweit liegt die Sachlage ähnlich wie bei einer Erbengemeinschaft, wenn ein Testamentsvollstrecker den Nachlaß verwaltet. Ist eine Rechtsgemeinschaft an einer Aktie eingetreten, so kann sie sich bei einer Kapitalerhöhung durch Ausübung des Bezugsrechts auch mittels Zeichnung einer neuen Aktie an dieser fortsetzen. Die Zeichnung geschieht dann aber durch den gemeinschaftlichen Vertreter. Der Fall wird selten sein, da das Bezugsrecht meistens als mittelbares ausgeübt wird.

Anm. 4 3. D i e E i n t r a g u n g i n d a s A k t i e n b u c h : Die Voraussetzung des § 63 liegt bei Namensaktien nur dann vor, wenn die m e h r e r e n Berechtigten im Aktienbuch eingetragen sind ( § 6 2 Abs. 3). Denn nur in diesem Fall gelten die mehreren Mitberechtigten der AG gegenüber als Aktionäre. Insoweit ist also nicht die wahre Rechtslage, sondern die Eintragung im Aktienbuch entscheidend. Bei Gütergemeinschaft sind M a n n und Frau einzutragen; den M a n n allein als Aktionär zu behandeln, besteht kein Grund (vgl. Anm. 3; a. M . v. Godin-Wilhelmi Anm. I).

Anm. 5 4. Die B e e n d i g u n g d e r R e c h t s g e m e i n s c h a f t : Die Vorschriften des § 6 3 sind n u r so l a n g e a n w e n d b a r , als die Rechtsgemeinschaft an der Aktie besteht. Wird die Aktie einem der Berechtigten zu alleinigem Recht zugeteilt oder an einen anderen veräußert, so fallt die Voraussetzung der Anwendbarkeit von da ab weg; über Nachwirkung der Gesamthaftung vgl. Anm. 9. Bei Namensaktien ist es hier jedoch auch wieder mit Rücksicht auf § 62 Abs. 3 notwendig, d a ß der Übergang von den mehreren Mitberechtigten auf den nunmehr allein Berechtigten im Aktienbuch eingetragen ist.

Anm. 6 II. Die Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters. 1. A l l g e m e i n e s : Nach Abs. 1 können die Berechtigten die Rechte nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. Sie können also nicht als Gesamtgläubiger nach § 428 BGB auftreten, sondern müssen einen gemeinschaftlichen Vertreter bestellen, wenn ein solcher nicht ohnehin vorhanden ist wie in der Person des Ehemanns oder des Testamentsvollstreckers (Anm. 3), ferner bei Nachlaß Verwaltung oder Nachlaßkonkurs. Der Vertreter hat namentlich das Stimmrecht auszuüben. Die Gewinnerhebung ist erleichtert, wenn Gewinnanteilscheine auf den Inhaber ausgegeben werden; denn alsdann ist jeder Inhaber legitimiert, den Gewinnanteil zu erheben. Eine Pflicht des Berechtigten zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters besteht nicht; die A G kann daher eine solche Bestellung nicht erzwingen. Ein mittelbarer Zwang besteht f ü r die Berechtigten jedoch insofern, als sie sonst ihre Rechte aus der Aktie gegenüber der Gesellschaft nicht ausüben können.

Anm. 7 2. D i e M i t t e i l u n g a n die G e s e l l s c h a f t : Der g e m e i n s c h a f t l i c h e V e r t r e t e r m u ß in irgendeiner Form — schriftlich oder mündlich — der Gesellschaft k e n n t l i c h g e m a c h t w e r d e n . Die Mitführung einer schriftlichen Vollmacht genügt (vgl. § 114 Abs. 3). Anzeige an die Gesellschaft und Eintragung im Aktienbuch sind zwar nicht vorgeschrieben (a. M. nur Teichmann-Koehler Anm.), aber empfehlenswert. Solange der Gesellschaft kein gemeinschaftlicher Vertreter namhaft gemacht worden ist, kann sie die Berechtigten zur Ausübung ihrer Rechte nicht zulassen. Ist ihr ein gemeinschaftlicher Vertreter namhaft gemacht worden, so kann sie nur diesen zulassen u n d mit befreiender Wirkung nur an ihn leisten, unbeschadet der Wirksamkeit von Leistungen an den Vorzeiger eines auf den Inhaber lautenden Gewinnanteilscheins (Anm. 6).

399

§63 Anm. 8—10

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 8 III. Die Haftung als Gesamtschuldner. Nach Abs. 2 haften die mehreren Berechtigten für die Leistungen auf die Aktie als Gesamtschuldner. Das gilt für Haupt- und Neben Verpflichtungen (§§ 49, 50), für Zinsen und Vertragsstrafen (§ 57) und unabhängig davon, welches Rechtsverhältnis zwischen den Berechtigten besteht. Es gilt namentlich auch für die Ehefrau bei gesetzlichem Güterstand und bei Gütergemeinschaft (Anm. 3). Es gilt weiterhin für die Erben bei einer Erbengemeinschaft: diese haften, solange sie nicht im Aktienbuch eingetragen sind, als Erben des eingetragenen Aktionärs unter dem Vorbehalt der Haftungsbeschränkung (§62 Anm. 17). Im Anschluß an den Bericht der Reichstagskommission zum HGB (S. 7of.) nahmen viele bisher an, daß die Erben sich die Beschränkung ihrer Haftung auch bei der Eintragung ins Aktienbuch bewahren könnten, indem sie sich nicht persönlich, sondern „als Erben" eintragen ließen (so auch die Vorauf!. Anm. 8; Baumbach-Hueck Anm. 3). Dem wird man jedoch im Einklang mit der herrschenden Meinung im Schrifttum nicht folgen können (vgl. Brodmann § 225 Anm. 4b; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 225 Anm. 8; Richter Anm. 2; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Denn für die Erbengemeinschaft muß insoweit das gleiche gelten wie für den Alleinerben (dazu § 62 Anm. 7, 17). Die Eintragung der Erbengemeinschaft in das Aktienbuch bildet einen selbständigen Grund für ihre Haftung gegenüber der Gesellschaft, und zwar für ihre unbeschränkte Haftung. Dies gilt auch für den Fall, daß eine Vorerbschaft mit mehreren Vorerben besteht. Sind sie nicht im Aktienbuch eingetragen, so haften sie als Erben mit dem Vorbehalt der Beschränkung, nach dem Eintritt der Nacherbfolge nur noch insoweit, als der Nacherbe nicht haftet (§ 2145 BGB). Dagegen haften sie ohne Rücksicht auf ihre Vorerbenstellung als Gesamtschuldner nach Abs. 2 des § 63, wenn sie im Aktienbuch eingetragen sind. Sie bleiben auch noch nach dem Eintritt der Nacherbfolge gemäß Anm. 9 gesamtschuldnerisch verhaftet. Dafür, daß die Nacherben während des Bestehens der Vorerbschaft ins Aktienbuch eingetragen werden müßten, besteht kein Anhalt und auch kein Bedürfnis. Treffen die Vorerben Verfügungen über die Aktie, die den Nacherben gegenüber unwirksam sind, so kann es die AG diesen überlassen, dagegen vorzugehen. Die Gesellschaft hat keinen Anlaß, die Rechtsgültigkeit der Verfügungen von Vorerben zu prüfen, sondern kann regelmäßig den Erwerber der Aktie auf Grund eines Indossaments oder einer Abtretungserklärung des oder der Vorerben oder ihres gemeinschaftlichen Vertreters ins Aktienbuch eintragen. Anm. 9 Die Gesamthaftung nach Abs. 2 ist ein selbständiger Haftungsgrund. Für sie ist das Rechtsverhältnis, in dem die Mitberechtigten zueinander stehen, ohne Bedeutung. Dabei haften auch die Mitberechtigten einer Bruchteilsgemeinschaft der AG alsGesamtschuldner. Ebenso finden insoweit die Vorschriften der §§ 2060/61 BGB keine Anwendung. Die Vorschrift des Abs. 2 ist zwingend, davon abweichende Satzungsbestimmungen sind daher ungültig. Die G e s a m t h a f t u n g f ä l l t f ü r die V e r g a n g e n h e i t nicht ohne weiteres weg, wenn die Rechtsgemeinschaft beendet wird (Anm. 5). Sie bleibt nicht nur für rückständige Nebenleistungen bestehen (§ 50), sondern auch für den Rückgriff nach § 59. Anm. 10 IV. Erklärungen der AG gegenüber den Mitberechtigten. Nach Abs. 3 werden Willenserklärungen gegenüber den Berechtigten, wenn sie keinen gemeinschaftlichen Vertreter haben, mit Wirksamkeit gegenüber einem von ihnen abgegeben, den die Gesellschaft beliebig auswählen kann. Sind die Berechtigten Erben eines Aktionärs, so gilt das erst vom Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft (§§ 1942, 2139 BGB). Bis dahin muß eine Willenserklärung gegenüber allen Erben abgegeben werden, wenn sie keinen gemeinschaftlichen Vertreter haben. Ist ein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt, so kann eine Willenserklärung der AG wirksam 400

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 64 A n m . 1, 2 nur ihm gegenüber abgegeben werden, aber nur, wenn er der Gesellschaft auch benannt worden ist. Ist das nicht geschehen, so liegt die Sache für sie ebenso, als wenn keiner bestellt worden wäre. Hierher gehören namentlich Aufforderungen zu Einzahlungen, Mahnungen bei rückständigen Nebenleistungen, Einladungen zur Hauptversammlung, aber alles dieses nur, sofern die Erklärung nicht öffentlich an die Gesamtheit der Aktionäre ergeht. § 6 4 Berechnung der Aktienbesitzzeit Ist die Ausübung von Rechten aus der Aktie davon abhängig, daß der Aktionär während eines b e s t i m m t e n Zeitraums Inhaber der Aktie gewesen ist, s o steht d e m Eigentum ein Anspruch auf Übereignung gegen eine Bank gleich. Die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers wird d e m Aktionär zugerechnet, wenn er die Aktie unentgeltlich, von seinem Treuhänder, als Gesamtrechtsnachfolger, bei Auseinandersetzung einer Gemeinschaft oder bei einer Bestandsübertragung nach § 14 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen v o m 6. Juni 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 315) erworben hat. Übe rsicht Anm.

Einleitung 1. Der Anwendungsbereich § 64

i des

2. Der Aktienbesitz als Grundlage der Berechnung

Anm.

a) Das Eigentum an der Aktie b

2, 3

)

4

Die

Gleichstellung mit dem Eigentum

5

3. Die Zurechnung der Zeit des Rechtsvorgängers

6, 7

Anm. 1 Die Vorschriften knüpfen an den § 230 a HGB an, der durch die Aktienrechtsverordnung vom 19. September 1931 dem HGB eingefügt wurde. § 230 a HGB entstammte seinerseits dem ersten Aktiengesetzentwurf von 1930 (§ 196) und lehnte sich an Vorschriften der Aufwertungsgesetzgebung an (§§ 3, 38 AufwG, § 10 AnlAblG), die für die Berechnung einer Eigentumsdauer gewisse Vergünstigungen gewährten. § 64 entspricht dem § 230 a HGB fast ganz, geht aber in einer Einzelheit (unten Anm. 6 Nr. 5) noch über ihn hinaus. Anm. 2 1. Der Anwendungsbereich des § 64: Für die Ausübung einiger Minderheitsrechte kommt es darauf an, daß die Ausübenden schon seit gewisser Zeit Aktionäre waren. Diese Fälle sind die folgenden. § 118 Abs. 2 Satz 3 : Die Minderheit von 1 / 10 des Grundkapitals, die gegen einen Beschluß der Hauptversammlung eine Sonderprüfung durch gerichtlich zu bestellende Prüfer durchsetzen will, muß seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sein. § 1 2 3 Abs. 2 : Die Minderheit von 1 / 10 , u. U. von 1 / 20 des Grundkapitals, die gegen einen Beschluß der Hauptversammlung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus der Gründung oder aus der Geschäftsführung durchsetzen will, muß seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sein. § 136 Abs. 3 Satz 2 : Bei der Auswahl der Abschlußprüfer ist der Widerspruch einer Minderheit von 1 / 10 des Grundkapitals nur dann zu berücksichtigen, wenn sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien war. § 206 Abs. 2 Satz 2 : Der Antrag einer Minderheit von V20 des Grundkapitals auf Bestellung oder Abberufung von Abwicklern setzt voraus, daß sie seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien war. 26 Aktiengesetz, 2. Aufl.

401

§64

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m , 3-—6 Abgesehen von diesen gesetzlichen Fällen kann auch die S a t z u n g die Ausübung von Rechten von einer ähnlichen Voraussetzung abhängig machen. Bestimmt sie nichts, was von § 64 abweicht, so sind dessen Vorschriften anzuwenden. Anm. 3 Die in Anm. 2 genannten Fristen w e r d e n n a c h § 188 Abs.2 B G B b e r e c h n e t . Hat z. B. im ersten Fall die Hauptversammlung am 2. Juli stattgefunden, so muß die Minderheit spätestens bis zum Ablauf des vorangegangenen 2. April die Aktien erworben haben. Bestand die A G damals noch nicht, so genügt die Innehabung seit der Entstehung (Bericht der Reichstagskommission zum HGB S. 92). Anm. 7 2. Der Aktienbesitz a l s G r u n d l a g e d e r B e r e c h n u n g . a) D a s E i g e n t u m an d e r A k t i e : Unter dem „Inhaber" der Aktie sowohl im Sinne des § 64 als in dem der in Anm. 2 genannten Vorschriften ist durchweg der E i g e n t ü m e r zu verstehen. Das HGB hatte zwischen den Ausdrücken „Inhaber" und „Besitzer" gewechselt, gemeint war auch dort der Eigentümer. Ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch an der Aktie genügt also nicht, andererseits schadet es für die Berechnung der Frist dem Eigentümer auch nichts, wenn ein solches Recht bestellt worden ist. Bei Namensaktien kommt es auch nicht darauf an, ob der Eigentümer im Aktienbuch eingetragen war; nur zur Zeit der Ausübung des Rechts muß er eingetragen sein, sofern er nicht der erste Nehmer der Aktie ist und die Gesellschaft noch kein Aktienbuch führt (§ 62 Anm. 18; so die herrsch. Ansicht; a. M. offenbar Baumbach-Hueck Anm. 3 a. E.). Anm. 5 Der Eigentumszeit wird für die Berechnung der Frist die Zeit gleichgestellt, in der ein A n s p r u c h gegen eine B a n k auf Ü b e r e i g n u n g bestanden hat. Der Grund dieser Gleichstellung liegt darin, daß die wirtschaftliche Verfügungsmacht im wesentlichen gleich ist. Unter einer Bank ist jedes Unternehmen zu verstehen, das Bankiergeschäfte (§ 1 Nr. 4 HGB) betreibt, ohne Rücksicht auf seine Größe. Ein Anspruch auf Übereignung kann individuell oder gattungsmäßig bestehen. Bei der Einkaufskommission besteht er, sobald der Auftrag angenommen ist (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; a. M. Ritter Anm. 2 c ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2), mag dieser auch noch nicht ausgeführt und eine Gutschrift auf Stückekonto noch nicht vorgenommen sein. Aber jedenfalls muß die Gesellschaft, bei Kapitalerhöhung oder genehmigtem Kapital die Durchführung der Kapitalerhöhung vor Beginn der Frist bereits eingetragen sein; denn vorher steht noch nicht fest, daß es zur Ausgabe der Aktien überhaupt kommt. Wer Aktien unmittelbar von der A G bezieht, also keinen Übereignungsanspruch gegen eine Bank erwirbt, hat nicht den Vorteil des § 64. Abgesehen von der Kommission kann ein Übereignungsanspruch auch auf Kauf oder Tausch beruhen, ferner auf jeder Art von Verwahrung, bei der die Bank ermächtigt ist, an Stelle der in Verwahrung gegebenen Aktien solche derselben Art zurückzugewähren, also nach dem Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4. Februar 1937 (RGBl. I 171) die Tauschverwahrung (§ 10), die Verwahrung mit Ermächtigung zur Verfügung über das Eigentum (§ 13), die unregelmäßige Verwahrung und das Wertpapierdarlehn (§ 15). Auch die Sammelverwahrung (§ 5) kann hierher gerechnet werden, sie fallt aber noch aus einem andern Grunde (Anm. 6 zu Nr. 4) unter § 64. Anm. 6 Auch die E i g e n t u m s z e i t von R e c h t s v o r g ä n g e r n wird in gewissen Fällen dem derzeitigen Eigentümer der Aktie gutgebracht. Das Gesetz führt fünf Fälle auf; die Aufzählung ist erschöpfend. N r . 1 D e r F a l l des u n e n t g e l t l i c h e n E r w e r b s . Dahin gehört der Erwerb durch Schenkung unter Lebenden oder von Todes wegen, durch Vermächtnis, als Abfindung auf einen Pflichtteilsanspruch. Eine Schenkung im Sinne des § 516 BGB, 402

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 64 Anm. 7

eine Zuwendung, über deren Unentgeltlichkeit beide Teile einig sind, braucht also nicht einmal vorzuliegen; es genügt, daß kein Entgelt vereinbart worden ist, auch nicht nachträglich. Nr. 2 Der F a l l des E r w e r b s von einem T r e u h ä n d e r . Der Begriff des Treuhänders ist hier in weitem Sinne zu nehmen. Darunter ist also nicht nur der zu verstehen, der vom Treugeber Eigentum erworben hat (echtes Treuhandverhältnis; R G 8 4 , 217; 91, 16; 127, 344; 133, 87; 145, 35; J W 1936, 1433 1 ), sondern auch der, der die Aktie als stiller Stellvertreter erworben hat und schuldrechtlich verpflichtet ist, sie an den Auftraggeber zu übereignen (unechtes Treuhandverhältnis, so jetzt wohl die allgemeine Ansicht; vgl. dazu auch Siebert ZB1HR 1932, 184). Unter das echte Treuhandverhältnis gehört nicht nur die Verwaltungs-, sondern auch die Sicherungstreuhand (Sicherungsübereignung). Hat der Aktionär nur die Legitimation übertragen (§61 Anm. 23), so bedarf es nicht der Heranziehung des § 64, da der Aktionär alsdann Eigentümer geblieben ist. Nr. 3 Der F a l l der G e s a m t r e c h t s n a c h f o l g e . Er liegt vor, wo die zu einem Vermögen gehörigen Gegenstände ohne Einzelübertragung übergehen. Der Hauptfall ist die Erbfolge (§ 1922 BGB). Es gehören dahin aber auch der Eintritt in das Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft (§ 1438 Abs. 2 BGB), der Anfall des Vereinsvermögens an den Fiskus (§ 46 BGB), die Verschmelzung (§ 240 Abs. 3, § 247 Abs. 5 Satz 3, § 249 Abs. 2, § 250, § 251 Abs. 2, § 252), die Verstaatlichung (§ 253), die Vermögensübertragung auf einen Versicherungsverein a. G. (§ 254), die Übernahme des Vermögens einer oHG durch einen Gesellschafter nach § 142 HGB (RG 65, 237; 68, 414; m , 274), die Umwandlung nach dem Gesetz vom 12. November 1956 (BGBl. I S. 844). Dagegen begründet die vertragliche Übernahme eines Vermögens (§ 419 BGB, § 255 AktG) keine Gesamtrechtsnachfolge, ebensowenig der Anfall des Vereinsvermögens an eine andere Person als den Fiskus. (§47 BGB); in diesen Fällen bedarf es der Übertragung der einzelnen Gegenstände. Nr. 4 Der F a l l der Auseinandersetzung einer G e m e i n s c h a f t . Hierher gehören die in § 63 Anm. 3 besprochenen Fälle vertraglicher oder gesetzlicher Gemeinschaft, sei es einer solchen nach Bruchteilen, sei es zur gesamten Hand. Auch der Erwerb aus einer Sammelverwahrung (Anm. 5) und die Übernahme des Vermögens einer oHG durch einen Gesellschafter nach § 142 HGB (Fall Nr. 3) können hierher gezählt werden, aber auch die Auseinandersetzung der Gesellschafter einer oHG im Wege der Abwicklung gehört hierher. Nr. 5 Der F a l l der B e s t a n d s ü b e r t r a g u n g nach § 14 V e r s A u f s G . Dieser Fall war schon in § 3 Nr. 10 des Aufwertungsgesetzes genannt, in § 230a HGB fehlte er. Er kann mit einer Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung oder durch Vermögensübertragung nach § 254 (Fall Nr. 3) zusammentreffen, muß es aber nicht. Anm. 7 Die in Anm.5 und 6 aufgeführten Fälle können i n m e h r f a c h e r V e r b i n d u n g miteinander auftreten. Hatte z. B. der Erblasser durch Schenkung einen Anspruch auf Übereignung gegen eine Bank erworben, war dieser Anspruch auf eine Erbengemeinschaft und sodann durch Auseinandersetzung auf den Aktionär übergegangen, so kommt ihm die ganze Zeit zugute, seitdem der Schenker den Anspruch erworben hatte. Und wenn schon dieser Erwerb unentgeltlich gewesen war, so kommt die Zeit hinzu, während welcher der Anspruch dem Rechtsvorgänger des Schenkers zugestanden hatte, wenn auch der Rechtsvorgänger schon unentgeltlich erworben hatte, die Zeit von dessen Rechtsvorgänger und so fort. Ebenso liegt es, wenn die Aktie hintereinander durch die Hände mehrerer Treuhänder gegangen und erst dann an den Aktionär gelangt ist. Auch § 3 AufwG wurde in dieser Weise ausgelegt (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 4). Nur darf die Kette der Ausnahmefalle, in denen dem Aktionär die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers zugute kommt, durch keinen Fall unterbrochen sein, der nicht unter § 64 gehört. So würde in dem aufgeführten Beispiel, wenn die Kette der 26*

403

§65

I. Buch: Aktiengesellschaft

unentgeltlichen Rechtsübertragungen durch eine entgeltliche unterbrochen worden wäre, dem Aktionär nur die Zeit rückwärts bis zum entgeltlichen Erwerb zugute gerechnet werden können.

§ 6 5 Erwerb eigener Aktien (1) Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien erwerben, wenn es zur Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft notwendig ist. Der Gesamtnennbetrag dieser Aktien darf zusammen mit dem Betrag anderer eigener Aktien, die die Gesellschaft bereits zur Abwendung eines schweren Schadens erworben hat und noch besitzt, zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigen; der ReiVAxwirtschaftsminister kann i m Einvernehmen m i t dem Reicfcminister der Justiz Ausnahmen zulassen. Sonst darf die Aktiengesellschaft eigene Aktien nur erwerben, wenn auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist und wenn 1. der Erwerb unentgeltlich geschieht oder 2. die Gesellschaft m i t dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt. (2) Der Erwerb eigener Aktien unterliegt den Beschränkungen des Abs. 1 nicht, wenn er auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsatzung des Grundkapitals geschieht. (3) Die Wirksamkeit des Erwerbs eigener Aktien wird durch einen Verstoß gegen Abs. 1 und 2 nicht berührt, es sei denn, daß auf sie der Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet ist. Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist nichtig, soweit der Erwerb gegen Abs. 1 und 2 verstößt. (4) Dem Erwerb eigener Aktien steht es gleich, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. (5) Ein abhängiges Unternehmen darf Aktien der herrschenden Gesellschaft nur nach den Vorschriften über den Erwerb und die Inpfandnahme eigener Aktien erwerben oder als Pfand nehmen. (6) Ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft oder einem abhängigen Unternehmen und einem anderen, wonach dieser berechtigt oder verpflichtet sein soll, eigene Aktien der Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft oder des abhängigen Unternehmens zu erwerben oder als Pfand zu nehmen, ist nichtig, soweit der Erwerb oder die Inpfandnahme der Aktien durch die Gesellschaft oder das abhängige Unternehmen gegen Abs. 1 , 2 , 4 und 5 verstößt. (7) Aus eigenen Aktien stehen der Gesellschaft keine Rechte zu. Gleiches gilt für Aktien, die ein anderer für Rechnung der Gesellschaft erworben hat. Übersicht Anm.

Einleitung

1

I. Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien 1. Der abgeleitete eigener Aktien

Erwerb

2. Aktien als Gegenstand des Erwerbsverbots . . . . 3. Anwendungsfalle des Erwerbsverbots

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2 3

4 5

4. Erwerb eigener Aktien durch Gesamtrechtsnachfolge

Anm.

6

II. DieAusnahmen von dem Erwerbsverbot 1. Der Erwerb zur Abwendung eines schwerenSchadens a) Der Begriff des schweren Schadens . . . .

7 8

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 65 Anm. 1

Anm. b) „ Z u r Abwendung" eines schweren Schadens c) Zahlenmäßige Begrenzung (10%) . . . . d) Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien . . 2. Der unentgeltliche Erwerb von Aktien . . . 3- Der Erwerb in Ausführung einer Einkaufskommission 4- Der Erwerb zum Zweck der Einziehung . . . . I I I . Die Wirkungen des Erwerbsverbots 1. Allgemeines 2. Das dingliche Erfüllungsgeschäft 3- Das schuldrechtliche Grundgeschäft 4- Die Ansprüche aus einem verbotenen Erwerbsgeschäft I V . Die unzulässige Inpfandnahme eigener Aktien 1. Das Vertragspfand als Gegenstand des Verbots 2. Die Ausnahmen von dem Verbot 3- Die Wirkung der unzulässigen Inpfandnahme . .

9 10 11 12

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19, 20 21 22

Anm. V. Erwerb eigener Aktien durch ein abhängigesUnternehmen 1. Gleichstellung mit dem Erwerb eigener Aktien durch die herrschende Gesellschaft 2. Erwerb durch ein abhängiges ausländisches Unter nehmen

23 24

V I . Erwerb eigener Aktien f ü r Rechnung der Gesellschaft oder f ü r Rechnung eines von ihr abhängigeUnternehmens 1. Allgemeines 25 2. Für Rechnung der Gesell26, 27 schaft 3. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen dieses 28, 29 Verbot 4. Die Kursgarantie . . . 30 V I I . Die Rechte aus den erworbenen eigenen Aktien 1. Allgemeines 2. Die Rechte der Gesellschaft selbst 3. Die Rechte bei Verpfändung der Aktie . . . . 4. Die Rechte des abhängigen Unternehmens . . 5. Die Rechte des für Rechnung der Gesellschaft handelnden Aktionärs .

3i 32 33 34

35

Anm. 1 Daß eine AG i h r e e i g e n e n A k t i e n e r w i r b t , ist, nach der reinen Rechtskonstruktion betrachtet, eine Unmöglichkeit. Denn die Körperschaft wird dadurch ihr eigenes Mitglied. Indessen sind solche konstruktiven Bedenken nicht immer durchschlagend. Erkennt das Gesetz doch auch Rechte an eigener Sache an (§§ 1163, 1256 Abs. 2 BGB), weil das Verkehrsbedürfnis danach drängt. M a n sollte auch daher, nachdem das Gesetz die Möglichkeit eines Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft einmal anerkannt hat, nicht polemische Erörterungen darüber anstellen, daß ein solcher Erwerb gleichwohl eine denkgesetzliche Unmöglichkeit sei (vgl. dazu etwa Ritter Anm. 3). Denn solche Erscheinungen sind im Grunde genommen unfruchtbar. Andererseits erscheint es auch nicht recht sinnvoll, Darlegungen darüber zu machen, d a ß ein solcher Erwerb logisch möglich oder begrifflich denkbar sei (vgl. dazu etwa Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 2 6 Anm. 28; auch Baumbach-Hueck Anm. 1). Ein solcher Beweis ist angesichts der gesetzlichen Regelung keinesfalls nötig und darüber hinaus sachlich auch nicht einmal förderlich (vgl. dazu Anm. 4). Das Bedürfnis der Aktiengesellschaften, eigene Aktien zu erwerben, ist schon früh hervorgetreten. Das Aktiengesetz von 1870 sah jedoch darin einen Mißbrauch u n d bestimmte in Art. 215 Abs. 3: „Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien nicht e r werben." Die Rechtsprechung faßte das dahin auf, d a ß solcher Erwerb nichtig sei

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§65 A n m . 2—4

I. Buch: Aktiengesellschaft

(ROHG 17, 385; 22, 191), machte aber eine Ausnahme für den Fall des Ankaufs eigener Aktien zum Zwecke der Amortisation (ROHG 18, 425). Die Aktiennovelle von 1884 milderte das Verbot. Sie bestimmte in Art. 215 d: „Die Aktiengesellschaft ,soll' eigene Aktien im geschäftlichen Betriebe, sofern nicht eine Kommission zum Einkauf ausgeführt wird, weder erwerben noch zum Pfände nehmen. Sie ,darf' eigene Interimsscheine im geschäftlichen Betriebe auch in Ausführung einer Einkaufskommission weder erwerben noch zum Pfände nehmen." Das HGB (§ 226) übernahm diese Vorschriften, ersetzte aber den „geschäftlichen Betrieb" durch den „regelmäßigen Geschäftsbetrieb", das „darf nicht" durch „kann nicht" und stellte den Interimsscheinen die nicht voll bezahlten Aktien gleich. Unter der Geltung dieser Vorschrift entwickelte sich ein reger Erwerb eigener Aktien. Der „regelmäßige Geschäftsbetrieb" wurde sehr weit ausgelegt; Ankäufe eigener Aktien zur Einwirkung auf den Kurs, zur sogenannten „Kurspflege", waren an der Tagesordnung und nahmen schließlich solchen Umfang an, daß nach der Wirtschaftskrisis vom Sommer 1931 die Gesetzgebung eingriff, um den Gefahren zu begegnen, denen Gläubiger und Aktionäre durch diese Übung ausgesetzt waren. Allein die Zahlen, die Brodmann ZB1HR 1932, 50 Anm. 3 über den Besitz eigener Aktien bei den Großbanken gibt, lassen den gefahrvollen Umfang erkennen, den damals der Besitz eigener Aktien angenommen hatte. Die Gläubiger wurden gefährdet, weil der Kaufpreis für eigene Aktien weggegeben wurde, ohne daß ein wirklicher Gegenwert in das Vermögen der AG gelangte. Die Aktionäre hatten namentlich darunter zu leiden, daß der Ankauf eigener Aktien einzelne bevorzugte und der Verwaltung eine übermächtige Stellung verschaffte. Die Aktienrechtsverordnung vom 19. September 1931 gab dem § 226 HGB eine neue Fassung, die den Erwerb eigener Aktien durch eingehende Vorschriften regelte. Das Gesetz über den Erwerb eigener Aktien vom 14. Mai 1936 (RGBl. I 439) gab dem Reichsminister der Justiz die Ermächtigung, im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister Ausnähmen von der Einhaltung des als Grenze vorgeschriebenen Hundertsatzes zu bewilligen. Auf dieser Grundlage beruht § 65, jedoch weisen dessen Vorschriften einige Änderungen auf. Anm. 2 I. Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien. Das Gesetz geht davon aus, daß der Erwerb eigener Aktien grundsätzlich unzulässig ist, und gestattet ihn nur in Ausnahmefallen. Unter eigenen Aktien sind an sich nur Aktien der Gesellschaft selbst zu verstehen, nicht solche von Mutter- oder Tochtergesellschaften, jedoch erweitert Abs. 5 die Vorschriften auf abhängige Unternehmen. Anm. 3 1. Der abgeleitete Erwerb eigener Aktien: Unter dem Erwerb eigener Aktien ist hier nur der abgeleitete Erwerb von einer Person zu verstehen, die schon Aktionär ist — Erstaktionär oder späterer Aktionär —, nicht der ursprüngliche Erwerb durch die Übernahme oder Zeichnung von Aktien. Daß die AG nicht ihre eigenen Aktien übernehmen oder zeichnen kann, ist eine Selbstverständlichkeit, die im Gesetz nicht besonders hervorgehoben ist. Das gilt auch im Fall einer Kapitelerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (vgl. dazu § 150 Anm. 12). Im übrigen enthält § 51 Beschränkungen des ursprünglichen Erwerbs; auf die Erläuterungen dazu wird verwiesen. Das grundsätzliche Erwerbsverbot des § 65 ist unabhängig davon, ob ein solcher Erwerb im Einzelfall jemanden gefährdet (RG 167, 48). Auch kann das Verbot nicht dahin eingeschränkt werden, daß es überall dort nicht gilt, wo mit dem Erwerb typischerweise keine Gefahren verbunden sind (so Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 5; zutreffend Ritter Anm. 5; vgl. auch Anm. 5). Unbeschränkt zulässig ist die Veräußerung eigener Aktien. Das ist keine Neuausgabe, die Gesellschaft ist Rechtsvorgängerin des Erwerbers (vgl. dazu § 52 Anm. 7; ferner R F H 32, 215; vgl. R G LZ 1931, 325). Anm. 4 2. Aktien als Gegenstand des Erwerbsverbots: Das Verbot des § 65 erfaßt den Erwerb eigener Aktien und Zwischenscheine, und ebenso den Erwerb vollbezahlter und 406

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 65 Anm. 5

nicht vollbezahlter Aktien. Dieser Unterschied spielt nun bei den gesetzlich zugelassenen Ausnahmen von dem Erwerbsverbot eine gewisse Rolle (Anm.i i, 12,13, 14). Für das Verbot ist es gleichgültig, ob über das Mitgliedschaftsrecht eine Urkunde ausgestellt ist oder nicht (nicht unbedenklich insoweit Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 28 und Baumbach-Hueck Anm. 1, die den Nachweis dafür, daß der Erwerb eigener Aktien denkgesetzlich möglich sei, darauf stützen, daß die Aktien durch ihre Verbriefung zu selbständigen Vermögenswerten geworden seien; vgl. dazu auch Anm. 1). Denn das Verbot bezieht sich nicht auf den Erwerb von Aktienurkunden, sondern auf den Erwerb von Mitgliedschaftsrechten. Dagegen erstreckt sich das Verbot nicht auf den Erwerb von S c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n (Obligationen) und von Wandelschuldverschreibungen (Ganssmüller Betrieb 1955, 865fr.; a. M. Meyer BB 1955, 551 f ü r Wandelschuldverschreibungen). Solange die Gesellschaft Gläubigerin und Schuldnerin zugleich ist, kann sie freilich keine Rechte aus den Papieren ausüben. Ferner kann sie bei Wandelschuldverschreibungen auch nicht das Recht auf den Bezug eigener Aktien geltend machen (Ganssmüller aaO.). Schließlich wird auch der Erwerb eigener Dividendens c h e i n e und G e n u ß s c h e i n e von dem Verbot des § 65 nicht erfaßt. Anm. 5 3. A n w e n d u n g s f ü l l e des E r w e r b s v e r b o t s : Zu welchem Zweck die eigenen Aktien erworben werden, ist, soweit nicht die Ausnahmen eingreifen, grundsätzlich gleichgültig. U n t e r d a s V e r b o t f ä l l t d a h e r auch die Annahme eigener Aktien zur Verwahrung mit der Ermächtigung, sie sich a n z u e i g n e n , zur u n r e g e l m ä ß i g e n V e r w a h r u n g oder zum W e r t p a p i e r d a r l e h n (§§ 13, 15 des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 4. Februar 1937, RGBl. I 171; a. M. Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 8, die hier wie auch in anderen Fällen von der unzutreffenden Annahme ausgehen, daß dasErwerbsverbot nur auf solche Fälle anwendbar sei, bei denen typisch die Gefahren eines Erwerbs eigener Aktien entstehen; vgl. dazu die Kritik von Ritter Anm. 5). Zwar ist f ü r die Einkaufskommission eine Ausnahme gemacht, um einem Bedürfnis der Aktienbanken entgegenzukommen. Aber diese Ausnahme läßt sich nicht auf jene Verwahrungsarten anwenden. Es besteht dazu auch kein Bedürfnis, weil es andere Verwahrungsarten gibt, bei denen ein Erwerb der Aktien durch die Gesellschaft nicht in Frage kommt. Ebenso ist der Erwerb durch Sicherungsübereignung verbotener Erwerb. Das wird durch Abs. 4 bestätigt, wonach sogar die gewöhnliche Pfandnahme dem Erwerb gleichstellt wird. Der Sicherungstreuhand muß hier aber auch die Verwaltungstreuh a n d gleichgestellt werden (abweichend Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 8; v. Godin-Wilhelmi Anm. I). Die AG als Treuhänderin eigener Aktien ist in der Lage, wirksam darüber zu verfügen, also auch mißbräuchliche Verfügungen zu treffen. Darum fallt auch die L e g i t i m a t i o n s ü b e r t r a g u n g an die Gesellschaft unter das Verbot (§ 61 Anm. 23fr.). Unter das Verbot fallt ferner das R e p o r t g e s c h ä f t in eigenen Aktien (allgemeine Ansicht im Schrifttum). Denn die Gesellschaft erwirbt damit als Reporteur das Eigentum an ihnen, wenn auch nur vorübergehend unter Wiederverkauf zu einem späteren Zeitpunkt an den Deporteur. Nicht ganz so unzweifelhaft liegt es beim Deportgeschäft, wo die AG eigene Aktien, die sie zulässigerweise erworben haben mag, einem Reporteur verkauft und sie gleichzeitig von ihm zu einem späteren Zeitpunkt zurückkauft. Hier ließe sich einwenden, daß im Endergebnis doch nur der frühere Zustand wiederhergestellt werde ( R O H G 17, 386). Indessen ist doch dieser Zustand durch eine Zwischenzeit unterbrochen worden, in der die Gesellschaft nicht Eigentümerin der Aktien war, und es folgt ein neuer Erwerb. Die Kürze der Zwischenzeit kann ebensowenig ins Gewicht fallen wie beim Reportgeschäft die Kürze des Eigentums der Gesellschaft (a. M. Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 9; wie hier R G 167, 48; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Teichmann-Koehler Anm. 3 b ; Baumbach-Hueck Anm. 2). Es besteht auch kein Bedürfnis, Deportgeschäfte in eigenen Aktien zuzulassen. Die Nichtigkeit der Report- und Deportabrede hat übrigens nicht nur die Nichtigkeit des ganzen schuldrechtlichen Geschäfts zur Folge, das einheitlich gewollt ist ( R O H G 17, 383), sondern es muß nach der Eigenart dieser Geschäfte angenommen werden, daß

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§65 Anm, 6-—8

I. Buch: Aktiengesellschaft

auch die Eigentumsübertragung durch die Gültigkeit des Kausalgeschäfts bedingt ist. Das Eigentum bleibt also, wo es war (Anm. 16). Anm. 6 4. Erwerb eigener Aktien durch Gesamtrechtsnachfolge: Eine verbreitete Ansicht im Schrifttum geht dahin, daß der Erwerb eigener Aktien im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nicht unter das Verbot des § 65 falle (Vorauf!. Anm. 5; SchlegelbergerQuassowski Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 2; Trumpler Die Bilanz der Aktiengesellschaft 1950 S. 334). Als Begründung für diese Ansicht wird im wesentlichen nur die Behauptung aufgestellt, daß das Gesetz lediglich den Erwerb durch Einzelrechtsnachfolge treffen wolle. Daß das jedoch keine ausreichende Begründung ist, liegt auf der Hand. Entscheidend kann insoweit nur sein, ob der entscheidende Gesichtspunkt für das Erwerbsverbot auch auf die Tatbestände der Gesamtrechtsnachfolge zutrifft. Das wird man in Übereinstimmung mit Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 12; Ritter Anm. 6c; v. Godin-Wilhelmi Anm. 17 bejahen müssen, da die juristische Form des Übergangs eigener Aktien auf die A G für den sachlichen Zweck des Erwerbsverbots vollkommen unerheblich ist. Die für die Gesamtrechtsnachfolge hier in Betracht kommenden Tatbestände sind die Erbschaft und die Verschmelzung (Fusion). Die Erbschaft ist ihrem Wesen nach ein unentgeltlicher Erwerb; für sie gilt daher der Ausnahmetatbestand des Abs. 1 Nr. 1 (Anm. 12), so daß sich insoweit praktisch nur die Frage stellt, ob auch der Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien im Wege der Erbfolge der Gesellschaft ohne weiteres gestattet ist. Hierfür kann mit Rücksicht auf die großen Gefahren, die für die Gesellschaft mit einem solchen Erwerb in der Regel verbunden sind (Anm. 1 1 ) , im allgemeinen ein schutzwertes Bedürfnis nicht anerkannt werden. Für einen besonderen Fall wird der Ausnahmetatbestand des Abs. 1 Satz 1 (Anm. 11) stets ausreichend sein (dazu auch Anm. 8). Den Erwerb eigener Aktien bei einer Verschmelzung (Fusion) zu erleichtern, besteht überhaupt kein Anlaß. Hierbei können, wie auch die Vorauf!. aaO. nicht verkennt, gerade die typischen Gefahren — Gefährdung der Gesellschaftsgläubiger, Bevorzugung einzelner Aktionäre — auftreten, die zu bannen die Aufgabe des Erwerbsverbots des § 65 ist. Anm. 7 II. Die Ausnahmen des Erwerbsverbots. 1. Der Erwerb zur Abwendung eines schweren Schadens: Die erste Ausnahme macht das Gesetz für den Fall, daß der Erwerb eigener Aktien notwendig ist, um einen schweren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Alsdann darf sie eigene Aktien erwerben, und zwar in diesem Fall auch dann, wenn auf die Aktien noch nicht der volle Ausgabebetrag geleistet ist. Aber die Befugnis wird zahlenmäßig begrenzt. Anm. 8 a) Der Begriff des schweren Schadens: Mit der Voraussetzung, daß der Gesellschaft ein schwerer Schaden drohe, sollte nach der halbamtlichen Verlautbarung zur Aktienrechtsverordnung (vgl. Schlegelberger-Quassowski-Schmölder § 226 HGB Anm. 1 1 ) die „normale Kurspflege" in eigenen Aktien ausgeschlossen, der Erwerb aber zugelassen sein, um z. B. schwere Baisse-Angriffe und damit gefahrliche Kursstürze hintanzuhalten (dazu Neufeld J W 1931, 3041). Immerhin ist der Rahmen weit gespannt; die Frage, ob ein schwere Schaden droht, kann recht zweifelhaft sein (sehr kritisch zu dem Begriff des schweren Schadens Brodmann ZB1HR 1932, 49 ff".; vgl. auch Kronstein ZB1HR 1931, 221). Der Schaden kann unmittelbar oder mittelbar drohen. Unmittelbar droht z. B. ein Schaden, wenn die Gesellschaft von einem Schuldner auf keine andre Weise als durch Erwerb eigener Aktien Befriedigung erlangen kann. Mittelbar kann ein Schaden z. B. durch Gefahrdung des Kredits drohen. Dahin kann auch ein Machtkampf der Aktionäre untereinander gehören; daß die Gesellschaft an solchen Kämpfen immer uninteressiert sei (vgl. R F H J W 1929, 2183 3 ), ist nicht anzuerkennen. Ferner kann eine Überfremdung einen schweren Schaden bedeuten; den Verkauf eines Aktienpakets an einen Wettbewerber oder ins Ausland zu verhin-

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 65 A n m . 9, 10 dem, kann den Ankauf eigener Aktien rechtfertigen. Schließlich kann der Gesellschaft durch die Erhebung und Durchführung einer Anfechtungsklage in einer besonders wichtigen Angelegenheit ein schwerer Schaden drohen und es deshalb rechtfertigen, daß die Gesellschaft von dem klagenden Aktionär dessen Aktien kauft. Nach bürgerlichem Recht umfaßt der Schaden sowohl den positiven Schaden wie den entgangenen Gewinn. Hier wird jedoch im allgemeinen der E n t g a n g eines Gew i n n s keinen schweren Schaden für die Gesellschaft bedeuten. Daher ist es unzulässig, eigene Aktien deshalb zu erwerben, weil der Kurs der Aktien im Augenblick sehr niedrig ist und die Aussicht besteht, sie in einem späteren Zeitpunkt wieder mit Gewinn abzustoßen (allgem. Ansicht im Schrifttum). Nur in einem besonders gelagerten Ausnahmefall wird es möglich sein, die Abwendung eines schweren Schadens anzunehmen, wenn es sich lediglich darum handelt, der Gesellschaft entscheidende wirtschaftliche Vorteile im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien zu sichern, etwa dann, wenn die Annahme einer wertvollen Erbschaft anders nicht möglich ist, weil sich im Nachlaß auch noch nicht voll bezahlte Aktien der Gesellschaft befinden (Anm. 6). Zur Abwendung eines schweren Schadens kann es auch gehören, wenn die Gesellschaft bereits einen schweren Schaden erlitten hat, jedoch durch den Erwerb eigener Aktien die Möglichkeit besteht, den Schaden so weit zu mindern, daß er nicht mehr schwer ist (Ritter Anm. 6d). Ob es sich im Einzelfall um einen s c h w e r e n Schaden handelt, richtet sich nach den besondenderen Umständen des Einzelfalles. Dabei ist es nicht erforderlich, daß der drohende Schaden die Existenz der Gesellschaft ernstlich gefährdet. Von wesentlicher Bedeutung ist es, in welchem Verhältnis der drohende Schaden zu dem mit dem Aktienerwerb verbundenen Risiko steht. Ist das Risiko besonders klein, so darf man an den Umfang des drohenden Schadens nicht zu große Anforderungen stellen. Der Begriff des schweren Schadens ist also nicht absolut aufzufassen, sondern in eine Relation zu dem mit dem Aktienerwerb verbundenen Risiko zu bringen (ähnlich Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 16; Ritter Anm. 6d). Ferner ist in diesem Zusammenhang natürlich auch die H ö h e des K a u f p r e i s e s zu berücksichtigen, den die Gesellschaft zum Erwerb der eigenen Aktien aufwenden muß. Denn die Höhe dieses Aufwands ist häufig für die Beanwortung der Frage, ob sich der Erwerb eigener Aktien zur Abwendung eines schweren Schadens lohnt, von wesentlicher Bedeutung. Anm. 9 b) „ Z u r A b w e n d u n g " eines s c h w e r e n S c h a d e n s : Der Erwerb muß n o t w e n d i g sein, um den schweren Schaden abzuwenden. Das ist objektiv in dem Sinn zu verstehen, daß nicht das subjektive Urteil des Vorstands oder des Aufsichtsrats entscheidet (abw. wohl nur Kronstein ZB1HR 1931, 221), sondern daß es darauf ankommt, wie ein objektiver und anständiger Geschäftsleiter die Sachlage in dem maßgeblichen Zeitpunkt beurteilt (Ritter Anm. 6 d ; Baumbach-Hueck Anm. 3 A). Danach kann es in einem Einzelfall auch möglich sein, daß der Erwerb eigener Aktien zur Abwendung eines schweren Schadens tatsächlich nicht notwendig war (a. M. insoweit wohl Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Es braucht nicht bewiesen zu werden, daß der Vorstand den Erwerb bewußtermaßen zu dem Zweck vorgenommen hat, den Schaden abzuwenden (herrsch. Ansicht; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 2). Es genügt der Nachweis, daß ohne den Erwerb der Schaden nicht abgewendet worden wäre. Der Erwerb muß aber in jedem Fall nicht nur das geeignete, sondern auch das notwendige Mittel zur Abwendung des drohenden Schadens sein; es darf also mit anderen Worten nicht auch noch ein anderes geeignetes Mittel zur Abwendung des Schadens zur Verfügung stehen (a. M. ohne Grund Ritter Anm. 6d; wie hier DüringerHachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 16; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; BaumbachHueck Anm. 3 A ; Neufeld J W 1931, 3041). A n m . 10 c) Z a h l e n m ä ß i g e B e g r e n z u n g : Die Ausnahme ist zahlenmäßig begrenzt. Der Gesamtnennbetrag der Aktien, deren Erwerb der Gesellschaft zur Abwendung eines schweren Schadens gestattet ist, darf 10 v. H. des Grundkapitals — nach dem Nenn-

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§65

Anm. 11

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betrage zur Zeit des Erwerbs berechnet, ohne bedingtes oder genehmigtes K a p i t a l — nicht übersteigen. Reicht dieser Betrag nicht aus, so ist der Erwerb überhaupt nicht, auch nicht bis zu diesem Betrage gestattet, es müßte denn der Teil des Schadens, der sich damit abwenden ließe, f ü r sich allein schon ein schwerer Schaden sein. Nach § 226 H G B in der Fassung der Aktienrechtsverordnung war zweifelhaft, welcher bereits vorhandene Besitz an eigenen Aktien auf die erlaubte Höchstzahl anzurechnen, wie es namentlich dann zu halten sei, wenn die Gesellschaft mehrmals von der Erlaubnis Gebrauch mache. Durch § 65 ist das geregelt. Auf die Höchstzahl ist der Betrag anderer Aktien anzurechnen, die die Gesellschaft bereits bei früherer Gelegenheit zur Abwendung eines schweren Schadens erworben hat und noch besitzt. Eigene Aktien, die sie aus einem andern Grunde erworben hat, sind nicht anzurechnen, ebensowenig eigene Aktien, die sie zwar bei früherer Gelegenheit zur Abwendung schweren Schadens erworben hat, die sie aber nicht mehr besitzt. Sie kann alsdann eigene Aktien zum vollen Höchstbetrage erwerben, hinter einander also mehrmals bis zum Betrage von 10 v. H . des Grundkapitals, immer vorausgesetzt, daß sie von den eigenen Aktien, die sie früher zur Abwendung eines schweren Schadens erworben hat, keine mehr besitzt. Da nach Abs. 4 dem Erwerb die Inpfandnahme eigener Aktien gleichgestellt wird, so sind in die Höchstzahl auch diejenigen Aktien einzurechnen, die die A G zur Abwendung eines schweren Schadens in Pfand genommen hat und noch besitzt. M a n wird aber noch weiter gehen müssen. Nach den Absätzen 5 und 6 soll es dem Erwerb oder der Inpfandnahme durch die herrschende Gesellschaft auch gleichstehen, wenn ein abhängiges Unternehmen oder ein anderer f ü r Rechnung der herrschenden Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens Aktien der herrschenden Gesellschaft erwirbt oder in P f a n d nimmt. Diese Gleichstellung kommt zwar in den Absätzen 5 und 6 nicht zu ebenso klarem Ausdruck wie die Gleichstellung in Abs. 4; sie liegt aber den Bestimmungen der Absätze 5 und 6 zugrunde. Daraus folgt, daß in die Höchstzahl auch einzurechnen sind: a) Aktien der herrschenden Gesellschaft, die ein abhängiges Unternehmen erworben oder in Pfand genommen hat, um einen schweren Schaden von der herrschenden Gesellschaft abzuwenden, b) Aktien der Gesellschaft, die ein anderer f ü r deren Rechnung oder f ü r Rechnung eines von ihr abhängigen Unternehmens erworben oder in Pfand genommen hat, um einen schweren Schaden von der (herrschenden) Gesellschaft abzuwenden, (a u. b) und die sie oder ein abhängiges Unternehmen oder der andere noch besitzt (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 9, Ritter A n m . 6 e, 12 a, 1 3 a ; Baumbach-Hueck Anm. 3 B ; dagegen nicht f ü r Anrechnung der Aktien, die ein anderer f ü r Rechnung der Gesellschaft erworben hat, v. GodinWilhelmi Anm. 10). Die Höchstzahl ist nicht starr. Der iJeicAiwirtschaftsminister kann im Einvernehmen mit dem Äeiefominister der Justiz Ausnahmen zulassen. Das läßt sich nur dahin verstehen, daß die Minister eine Überschreitung des Satzes von 10 v. H. ausnahmsweise gestatten, nicht aber diesen Satz, auch nicht im Einzelfall, herabsetzen können (so herrsch. Ansicht; a. M . Ritter Anm. 6e). Die Ausnahme kann f ü r einen Einzelfall, auch f ü r eine Gruppe von Fällen zugelassen werden, muß aber Ausnahme bleiben; die Befugnis zu einer allgemeinen Erhöhung ist den Ministern nicht eingeräumt. Zur Frage, wer nunmehr an die Stelle des Reichswirtschaftsministers und des Reichsministers der Jusitz getreten ist, vgl. § 7 Anm. 3 a.

Anm. 11 d) Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien:

Z u r Abwendung eines schweren Schadens ist es der Gesellschaft auch gestattet, nicht volleingezahlte Aktien zu erwerben. Ein solcher Erwerb ist jedoch f ü r die Gesellschaft mit besonderen Gefahren verbunden. E r wird daher nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen und ist nicht zulässig, solange der drohende Schaden durch Erwerb volleingezahlter Aktien abgewendet werden kann. Erwirbt die Gesellschaft solche Aktien, so kann sie den Einlagerückstand so lange nicht geltend machen, als sie Eigentümerin der Aktien ist. Dies gilt allerdings nur, wenn sie an Stelle des Veräußerers im Aktienbuch eingetragen ist (§ 62 Abs. 3 ) ; das kann aber der Veräußerer verlangen und ihr, wenn sie ihn in Anspruch nähme, einen Einwand aus dem Kaufvertrage (§ 242 B G B ) entgegenhalten. Erst nach

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 65

Anm. 12—14

Wiederveräußerung ist ihr die Geltendmachung möglich, in diesem Fall lebt die noch ausstehende Einlageforderung wieder auf, jedoch nur diese, nicht auch die Haftung des Rechtsvorgängers der AG nach § 59 (RG 98, 278; BayObLG OLGE 14, 355). Erwirbt jedoch ein abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens nicht vollbezahlte Aktien der Gesellschaft, um einen schweren Schaden von ihr abzuwenden (Anm. 10), so schuldet der Erwerber den Einlagerückstand; die Haftung des Rechtvorgängers gemäß § 59 bleibt in diesem Fall bestehen.

Anm. 12 2. Der unentgeltliche E r w e r b von A k t i e n : Die zweite Ausnahme macht das Gesetz für den Fall des unentgeltlichen Erwerbs, aber nur dann, wenn auf die Aktien der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag voll geleistet ist. Diese Ausnahme galt nach herrsch. M. ungeschrieben schon nach § 226 HGB, und zwar auch in der Fassung der Aktienrechtsverordnung. Der unentgeltliche Erwerb vollbezahlter Aktien geschieht vielfach zu Sanierungszwecken durch Schenkung oder Vermächtnis und wird nun mehr in § 65 ausdrücklich zugelassen. Er ist völlig unbedenklich, weil nicht der Erwerb der eigenen Aktie als solcher, sondern erst die mit dem Erwerb zumeist verbundene Rückzahlung von Kapital als Entgelt für die Aktien die Gefahren heraufbeschwört, gegen die sich das Erwerbsverbot des § 65 wendet (vgl. Nord ZB1HR 1931, 177, Brodmann ZB1HR 1932, 52). Bedenklich wäre dagegen der unentgeltliche Erwerb bei nicht vollbezahlten Aktien (Anm. 11). Darum wird er nicht zugelassen, es sei denn, daß die Aktien unentgeltlich der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden, wo es notwendig ist, um einen schweren Schaden von ihr abzuwenden, wo also der erste Ausnahmefall (Anm. 7 ff.) vorliegt. Hierher gehört auch der Erwerb durch Erbschaft, weil der Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge ebenfalls von § 65 erfaßt wird (Anm. 6).

Anm. 13 3. Der Erwerb in Ausführung einer Einkaufskommission: Der dritte Aus-

nahmefall liegt vor, wenn die Gesellschaft eigene Aktien in Ausführung einer Einkaufskommission erwirbt. Diese mit Rücksicht auf die Aktienbanken zugelassene Ausnahme entspricht dem seit 1884 geltenden Recht (Anm. 1). Wie nach dem HGB beschränkt sich die Ausnahme aber auf den Fall, daß die Aktien vollbezahlt sind. Auch hierbei sollen die Gefahren vermieden werden, die mit dem Erwerb eigener, nicht vollbezahlter Aktien verbunden sind (Anm. 1 1 , 12; über die Kommission zum Einkauf eigener, nicht vollbezahlter Aktien s. unten Anm. 22). Ob die Einkaufskommission dadurch ausgeführt wird, daß die AG die Aktien für Rechnung des Kommittenten anschafft und ihm liefert, oder dadurch, daß sie den Selbsteintritt erklärt (§ 400 HGB), ist gleichgültig. Auch im Fall des Selbsteintritts darf sie sich durch Anschaffung eigener Aktien decken (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 20). Sie kann auch als Verkaufskommissionärin auftreten, da die Veräußerung eigener Aktien nicht verboten ist (Anm. 2). In diesem Fall ist es ihr aber nicht erlaubt, die Aktien vom Kommittenten durch Selbsteintritt nach § 400 HGB als Käuferin zu beziehen, es müßte denn der erste Ausnahmefall (Anm. 6ff.) vorliegen (übereinstimmend SchlegelbergerQuassowski Anm. 1 1 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Die Ausnahme der Einkaufskommission auf andere Fälle auszudehnen, in denen die AG eigene Aktien für fremde Rechnung erwirbt, ist nicht gestattet.

Anm. 14 4. Der E r w e r b zum Zwecke der Einziehung: Die vierte Ausnahme bildet der Erwerb eigener Aktien zur Einziehung (Abs. 2). Das AktG kennt neben der Zwangseinziehung die Einziehung nach Erwerb der Aktien. § 65 Abs. 2 gestattet den Erwerb eigener Aktien zum Zweck nachfolgender Einziehung nur dann, wenn er auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals geschieht. Diese Herabsetzung kann in zweierlei Formen vor sich gehen. Geschieht sie im Wege der ordentlichen Kapitalherabsetzung

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§65

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm, 15, 16 (§§ 175fr.), so ist der Gläubigerschutz nach § 178 zu beachten; der Erwerbspreis darf also erst gezahlt werden, wenn das Sperrhalbjahr abgelaufen und den Gläubigern, die sich rechtzeitig gemeldet haben, Befriedigung oder Sicherheit gewährt worden ist. Eine e r l e i c h t e r t e F o r m der Einziehung — nicht zu verwechseln mit der „vereinfachten Kapitalherabsetzung" nach den §§ 182 fr. — ist aber in § 192 Abs. 3 bis 6 für zwei Fälle vorgesehen, denen gemeinsam ist, daß die Aktien v o l l b e z a h l t sein müssen; hier tritt erst beim Erwerb zur Einziehung der Unterschied zwischen vollbezahlten und nicht vollbezahlten Aktien in Erscheinung. Die beiden Fälle sind: 1. die Aktien werden der Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung gestellt (dieser Fall trifft mit dem oben genannten zweiten Ausnahmefall, Anm. 12, zusammen), oder 2. die Aktien werden zu Lasten des aus der Jahresbilanz sich ergebenden Reingewinns oder einer freien Rücklage eingezogen. In diesen beiden, für die Gläubiger weniger gefahrlichen Fällen treten die Erleichterungen ein, daß der Kapitalherabsetzungsbeschluß mit einfacher Mehrheit gefaßt werden kann, und daß der Gläubigerschutz nach § 178 wegfällt; jedoch ist in die gesetzliche Rücklage ein Betrag einzustellen, der dem Gesamtnennbetrag der eingezogenen Aktien gleichkommt (vgl. die Erläuterungen zu § 192). Wird von der erleichterten Form kein Gebrauch gemacht, sondern die ordentliche Kapitalherabsetzung gewählt, so bleibt es dabei, daß der Erwerb zur Einziehung auch bei nicht vollbezahlten Aktien zulässig ist.

Anm. 15 III. Die Wirkungen des Erwerbsverbots. 1. Allgemeines: Nach Abs. 2 des § 226 H G B in der Fassung der Aktienrechtsverordnung wurde die Wirksamkeit des Erwerbs eigener Aktien durch einen Verstoß gegen die Vorschriften des Abs. 1 nicht berührt, es sei denn, daß auf sie der Nennbetrag oder der höhere Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet war. K u r z gesagt: A u c h der verbotswidrige Erwerb eigener vollbezahlter Aktien war wirksam, wenn er nicht aus anderen Gründen unwirksam war. Das hat das A k t G übernommen. Aber dies gilt nur für das dingliche Erfüllungsgeschäft. Wie es mit dem schuldrechtlichen Grundgeschäft stehe, war nach dem bisherigen Recht streitig. Die einen nahmen Gültigkeit, andere nahmen Nichtigkeit an, noch andere erklärten das schuldrechtliche Geschäft zwar für unklagbar, aber doch für erfüllbar, hielten also eine natürliche Verbindlichkeit nach Art der §§ 222, 656, 762 B G B für vorliegend. Dagegen erklärt § 65 A k t G ein gegen die Absätze 1 und 2 verstoßendes schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien für nichtig und macht dabei keinen Unterschied zwischen vollbezahlten und nicht vollbezahlten Aktien. Die Nichtigkeit bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch, daß kein Teil auf das Geschäft Ansprüche gründen kann und auch die Erfüllung das schuldrechtliche Geschäft nicht gültig macht. Demgemäß bezeichnet die amtliche Begründung des Gesetzes das schuldrechtliche Geschäft als „unheilbar nichtig". V o n einer natürlichen Verbindlichkeit ist also keine Rede; wer den schuldrechtlichen Vertrag erfüllt, erfüllt damit eine Nichtschuld.

Anm. 16 2. Das dingliche Erfüllungsgeschäft: Beim unzulässigen Erwerb eigener Aktien ist das dingliche Erfüllungsgeschäft, soweit es den Erwerb eigener Aktien zum Gegenstand hat, gemäß Abs. 3 Satz 1 im allgemeinen gleichwohl wirksam. Jedenfalls stehen seiner Wirksamkeit regelmäßig aktienrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen. Die Wirksamkeit des dinglichen Erfüllungsgeschäfts ist daher insoweit nur davon abhängig, daß ihm kein Nichtigkeitsgrund nach bürgerlichen Recht, etwa Verstoß gegen die guten Sitten, Geschäftsunfähigkeit des Veräußerers oder dergl., anhaftet. Beim D e p o r t und R e p o r t g e s c h ä f t (Anm.5) bringt es der enge Zusammenhang zwischen dem schuldrechtlichen Grundgeschäft und dem dinglichen Erfüllungsgeschäft mit sich, daß das dingliche Erfüllungsgeschäft das rechtliche Schicksal des schuldrechtlichen Grundgeschäfts teilt und daher ebenfalls nichtig ist (v. Godin-Wilhelmi Anm. 11 (für Deportgeschäft); Baumbach-Hueck Anm. 5).

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 65 A n m . 17—19 Eine besondere Regelung gilt für nicht vollbezahlte Aktien. Hier ist das dingliche Erfüllungsgeschäft nur wirksam, wenn der Erwerb dieser Aktien zulässig war (vgl. die Ausnahmetatbestände in Anm. n , 14). Das hat seinen guten Grund. Wäre nämlich das dingliche Erfüllungsgeschäft beim unzulässigen Erwerb voll bezahlter Aktien wirksam, so würde die Gesellschaft mit dem Erwerb ihren Anspruch auf die restliche Einlageforderung verlieren (Anm. 11). Es würde also das eintreten, was u. a. zu verhindern gerade der Zweck des Erwerbsverbots ist (daher ist die Kritik von v. Godin-Wilhelmi Anm. 8 an dieser gesetzlichen Regelung unbegründet; vgl. dazu auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 15). A n m . 17 3. Das schuldrechtliche Grundgeschäft: Beim unzulässigen Erwerb eigener Aktien ist das schuldrechtliche Grundgeschäft stets nichtig (Abs. 3 Satz 2). Das gilt beim unzulässigen Erwerb vollbezahlter Aktien ebenso wie beim Erwerb nicht vollbezahlter Aktien (Brodmann ZB1HR 1932, 51). Das nichtige Grundgeschäft wird auch nicht durch die Wirksamkeit des dinglichen Erfüllungsgeschäfts geheilt, wie v. GodinWilhelmi Anm. 11 annehmen. Für eine solche Annahme fehlt jeder Anhaltspunkt im Gesetz. Auf die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts können sich natürlich beide Teile berufen, auch der Aktionär, der der Gesellschaft eigene Aktien verkauft hat. Wird dieser von der Gesellschaft auf Lieferung der verkauften Aktien in Anspruch genommen, so kann er die Erfüllung mit Rücksicht auf Abs. 3 Satz 2 verweigern. Das schuldrechtliche Grundgeschäft ist bei einem unzulässigen Erwerb eigener Aktien auch dann nichtig, wenn im Einzelfall eine Gefährdung der Gesellschaft, ihrer Gläubiger oder der übrigen Aktionäre nicht eintritt (RG 167, 48). A n m . 18 4. Die Ansprüche aus einem verbotenen Erwerbsgeschäft: Da das schuldrechtliche Grundgeschäft bei einem unzulässigen Erwerb eigener Aktien stets nichtig ist (Anm. 17), kann weder die Gesellschaft noch der Aktionär Erfüllung eines noch nicht abgewickelten Geschäfts verlangen. Hat die Gesellschaft ihre in dem Grundgeschäft zugesagte Leistung bereits erbracht, so liegt in dieser Leistung eine unzulässige Rückgewähr der Einlage an den Aktionär ( § 5 2 Anm. 13). Der Gesellschaft steht demgemäß der sich aus dieser Rückgewähr ergebende aktienrechtliche Anspruch (§ 52 Anm. 11) auf Rückerstattung zu. Dabei ist es für diesen Anspruch gleichgültig, ob die Gesellschaft bei ihrer Leistung schlechtgläubig war oder der Aktionär noch bereichert ist, da dieser Anspruch kein Bereicherungsanspruch ist und damit die Vorschriften der §§ 814, 817, 818 BGB keine Anwendung finden. Die Annahme von v. Godin-Wilhelmi Anm. 11, daß der Gesellschaft neben diesem aktienrechtlichen Anspruch auch noch ein Bereicherungsanspruch zustehe, erscheint überkonstruiert und daher sachwidrig. — Hat der Aktionär der Gesellschaft die Aktie bereits geliefert, so hat diese auch bei einem verbotenen Erwerbsgeschäft das Mitgliedschaftsrecht bei vollbezahlten Aktien gemäß Abs. 3 Satz 1 erworben (Anm. 16). Da jedoch das schuldrechtliche Grundgeschäft nichtig ist und nichtig bleibt, so steht dem Aktionär insoweit ein Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu, mit dem er von der Gesellschaft die Rückübertragung der Aktie verlangen kann (Schlegelberger-Quassowski Anm. 17; v. Godin-Wilhelmi Anm. 11; Baumbach-Hueck Anm. 5). Dieser Anspruch ist freilich ausgeschlossen, wenn dem Aktionär bekannt war, daß es sich um ein verbotenes Erwerbsgeschäft gehandelt hat (§814 BGB); in diesem Fall bleibt daher die Gesellschaft unangefochtene Inhaberin der ihr wirksam übertragenen Aktie. Hat der Aktionär der Gesellschaft dagegen nicht vollbezahlte Aktien geliefert, so hat die Gesellschaft an diesen Aktien kein Eigentum erworben (Anm. 16); der Aktionär kann daher von der Gesellschaft die Aktien ohne weiteres zurückverlangen. A n m . 19 IV. Die unzulässige Inpfandnahme eigener Aktien. 1. Das Vertragspfand als Gegenstand des Verbots: Dem Erwerb eigener Aktien wird es gleichgestellt, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. In-

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§65 A n m , 66—66

I. Buch: Aktiengesellschaft

pfandnahme bedeutet die Begründung eines vertraglichen Pfandrechts. Hierbei wird aber nicht mehr, wie nach dem H G B , unterschieden, ob das Pfandrecht innerhalb oder außerhalb des regelmäßigen Geschäftsbetriebes begründet worden ist. Daher fällt nicht nur die Kreditgewährung gegen Verpfändung eigener Aktien unter das V e r b o t , sondern auch jede andere Art der vertraglichen Inpfandnahme, so auch die Inpfandnahme eigener Aktien als Dienstkaution von Angestellten (ebenso SchlegelbergerQuassowski Anm. 1 9 ; Baumbach-Hueck Anm. 6 A ; Möhring-Schwartz Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht 1938 S. 5 7 ; a. M . Teichmann-Koehler A n m . 5 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9; vgl. dazu auch Brodmann Z B 1 H R 1932, 52). Selbstverständlich gilt das Verbot erst recht, wenn statt der Pfandrechtsbestellung die Sicherungsübereignung gewählt wird; denn diese steht nicht nur dem Erwerb gleich, sondern ist Erwerb (Anm. 4). Dagegen ist die Bestellung eines schuldrechtlichen Zurückbehaltungsrechts gestattet. Ein solches kann daher im Zusammenhang mit der Dienstkaution eines Angestellten statt der unzulässigen Pfandrechtsbestellung vereinbart werden (Ritter Anm. 1 1 ) .

Anm. 20 N i c h t b e t r o f f e n wird von dem Verbot die Entstehung eines g e s e t z l i c h e n P f a n d r e c h t s oder eines k a u f m ä n n i s c h e n Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t s ( R G 36, 38), denn in keinem von beiden liegt ein „ N e h m e n " zum Pfand. Auch das P f ä n d u n g s p f a n d r e c h t wird an eigenen Aktien gültig erworben. Das gesetzliche und das auf Grund von Geschäftsbedingungen erworbene Pfandrecht sind aber auseinanderzuhalten; dieses ist ein durch Vertrag erworbenes Pfandrecht. Wenn daher die A G als Verkaufskommissionärin ihres Aktionärs von ihm eigene Aktien zum Verkauf erhält, so erwirbt sie an ihnen, sie mögen vollbezahlt sein oder nicht, ein gesetzliches Pfandrecht nach § 397 H G B , denn dieser Fall wird von § 65 nicht getroffen. Nimmt sie aber eigene Aktien in Verwahrung, was ihr freisteht, wenn kein Eigentumserwerb damit verbunden ist (Anm. 4), so wird eine in ihren Geschäftsbedingungen enthaltene Bestimmung, wonach sie an allen in ihren Besitz gelangten Wertpapieren ihrer K u n d e n ein Pfandrecht erlangt, von dem Verbot betroffen. Das ist praktisch namentlich bedeutsam f ü r das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken vorgesehene Pfandrecht der Bank an sämtlichen Wertpapieren ihrer Kunden.

Anm. 21 2. D i e A u s n a h m e n v o n d e m V e r b o t : Wie das Verbot des Erwerbs f ü r die Inpfandnahme gilt, so auch die Ausnahmen von dem Verbot. Praktisch am bedeutsamsten ist die e r s t e A u s n a h m e : Abwendung eines schweren Schadens von der Gesellschaft. Auf den Gesamtnennbetrag eigener Aktien, deren Inpfandnahme zu diesem Zwecke gestattet ist, ist der Betrag anderer eigener Aktien anzurechnen, die die A G oder ein abhängiges Unternehmen oder ein anderer f ü r Rechnung der A G oder eines abhängigen Unternehmens (Anm. 10) bereits zur Abwendung eines schweren Schadens erworben oder in Pfand genommen hat und was einer von ihnen hiervon noch besitzt. A b e r auch die z w e i t e A u s n a h m e kann in Frage kommen. Ein Aktionär kann der Gesellschaft deren eigene, ihm gehörigen Aktien f ü r eine fremde Schuld verpfänden. Das ist zwischen ihm und der A G ein unentgeltliches Geschäft, das gestattet ist, wenn die Aktien vollbezahlt sind.

A n m . 22 3. D i e W i r k u n g d e r u n z u l ä s s i g e n I n p f a n d n a h m e : Auch die Wirkung der Inpfandnahme entspricht der Wirkung des Erwerbs (Anm. 1 5 f r ) . Wird die Inpfandnahme eigener Aktien durch keine der Ausnahmebestimmungen des § 65 gedeckt, so entsteht dennoch, wenn die Aktien vollbezahlt sind, nach Abs. 3 Satz 1 ein wirksames Pfandrecht; sind sie nicht vollbezahlt, so entsteht kein Pfandrecht. Unabhängig von der Aktie kann aber der Anspruch auf Gewinnanteil wirksam verpfändet werden (Verpfandung von Gewinnanteilscheinen). Eine schuldrechtliche Verpflichtung zu verbotswidriger Bestellung ist nichtig; der Besteller kann den Besitz der verpfändeten vollbezahlten Aktien kondizieren, es sei denn, daß ihm die Nichtigkeit der Verpflichtung

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer)

§ 65

A n m , 23 bekannt gewesen war (§§ 8 1 2 , 8 1 4 B G B ) . Sind die Aktien nicht vollbezahlt, und ist infolgedessen kein Pfandrecht entstanden, so ist der Besteller nicht auf die Kondiktion angewiesen, sondern kann mit dem Eigentumsanspruch vorgehen. Hat die A G gegen die nichtige Bestellung eines Pfandrechts an nicht vollbezahlten eigenen Aktien ein Darlehn gegeben, so ist wegen der Einheitlichkeit des Vertrages auch die Darlehnsabrede nichtig; die Gesellschaft kann kondizieren, ohne an Kündigungsfristen gebunden zu sein. War die Darlehnshingabe verschleierte Rückgewähr einer Einlage, so kann die Gesellschaft den aktienrechtlichen Anspruch auf Rückerstattung ihrer unzulässigen Leistung ( § 5 2 Anm. 11) geltend machen. Bei der E i n k a u f s k o m m i s s i o n liegt die Sache folgendermaßen. Führt die A G eine Kommission zum Einkauf eigener, vollbezahlter Aktien aus, so erwirbt sie an diesen regelmäßig zunächst selbst Eigentum, das sie an den Kommittenten zu übertragen hat. Erst recht gilt dies, wenn sie die K o m mission durch Selbsteintritt nach § 400 H G B ausführt. Ein Pfandrecht kommt hierbei f ü r sie regelmäßig nicht in Frage, weder ein vertragliches noch ein gesetzliches, da sie j a Eigentümerin ist. Hätte sie aber eine Kommission zum Einkauf eigener, nicht vollbezahlter Aktien übernommen, so wäre nicht nur der Kommissionsvertrag nach Abs. 3 Satz 2 nichtig, sondern sie würde auch kein Eigentum erwerben, aber auch kein Pfandrecht, weder das gesetzliche — wegen Nichtigkeit des Kommissionsvertrags — noch ein vertragliches, etwa auf Geschäftsbedingungen beruhendes (Abs. 3 Satz 1 , Abs. 4). Die Aktien sind also unbelastetes Eigentum des Verkäufers geblieben. Der gutgläubige Kommittent kann an ihnen aber durch Indossament Eigentum erwerben (§ 6 t Anm. 9).

A n m . 23 V. E r w e r b eigener Aktien durch ein abhängiges Unternehmen. 1. Gleichstellung m i t dem E r w e r b eigener Aktien durch die herrschende

G e s e l l s c h a f t : Erwerb und Inpfandnahme durch eine abhängige Gesellschaft werden dem Erwerb und der Inpfandnahme durch die herrschende Gesellschaft gleichgestellt (Abs. 5). Der Begriff der abhängigen Gesellschaft ergibt sich aus § 1 5 Abs. 2 (vgl. dazu die Erläuterungen bei § 15). Das abhängige Unternehmen darf Aktien der herrschenden A G nur da erwerben oder als Pfand nehmen, wo es das auch dürfte, wenn es selbst die herrschende Gesellschaft wäre und es sich um seine eigenen Aktien handelte. Die erste Ausnahme greift also ein, w e n n d e r h e r r s c h e n d e n G e s e l l s c h a f t e i n s c h w e r e r S c h a d e n d r o h t (herrsch. Ansicht; a. M . v. Godin-Wilhelmi Anm. 10, die ohne Grund auch die Abwendung eines schweren Schadens, der dem abhängigen Unternehmen droht, als ausreichend ansehen); zu dessen Abwendung kann, wenn es notwendig ist, das abhängige Unternehmen Aktien der herrschenden Gesellschaft bis zum Betrage von 10 v. H. von deren Grundkapital erwerben oder in Pfand nehmen. Darauf werden die eigenen Aktien angerechnet, die die herrschende Gesellschaft oder das abhängige Unternehmen oder ein anderes abhängiges Unternehmen oder ein anderer f ü r Rechnung der herrschenden Gesellschaft oder eines abhängigen Unternehmens bereits früher erworben oder als Pfand genommen hat, um einen schweren Schaden von der herrschenden Gesellschaft abzuwenden, und die einer von ihnen noch besitzt (vgl. oben Anm. 10). Ebenso kann das abhängige Unternehmen vollbezahlte Aktien der herrschenden Gesellschaft u n e n t g e l t l i c h erwerben oder in P f a n d n e h m e n oder eine K o m m i s s i o n z u m E i n k a u f vollbezahlter Aktien der herrschenden Gesellschaft ausführen. Der E r w e r b z u r E i n z i e h u n g auf Grund eines Kapitalherabsetzungsbeschlusses der herrschenden Gesellschaft ist dem abhängigen Unternehmen dann gestattet, wenn es die Aktien erwirbt, um sie der herrschenden Gesellschaft auf Grund von deren Kapitalherabsetzungsbeschluß zur Einziehung zu überlassen (a. M . Schlegelberger-Quassowski A n m . 25, die diesen Ausnahmefall beim abhängigen Unternehmen f ü r unanwendbar halten; wie hier v. Godin-Wilhelmi Anm. 10). Denn diese Einziehungsart setzt voraus, daß die herrschende Gesellschaft die einzuziehenden Aktien zunächst selbst erworben hat (§ 192). J e d e r a n d e r e E r w e r b u n d j e d e I n p f a n d n a h m e v o n A k t i e n d e r h e r r s c h e n d e n G e s e l l s c h a f t ist d e m a b h ä n g i g e n U n t e r n e h m e n v e r b o t e n . Die Wirkung eines verbotswidrigen Erwerbs und einer verbotswidrigen Inpfandnahme sowie die Nichtigkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts

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§65

Anm. 24, 25

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bestimmt sich nach Abs. 3 ebenso, wie wenn die herrschende Gesellschaft selbst statt des abhängigen Unternehmens die Handelnde wäre (Anm. 15). Die Zahlung des Erwerbspreises f ü r einen verbotenen Erwerb gilt jedoch, wenn ein abhängiges Unternehmen f ü r eigene Rechnung die Zahlung leistet, nicht als verbotene Rückgewähr der Einlage im Sinne des § 52 (v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 0 ; vgl. Schlegelberger-Quassowski § 52 A n m . 7). Hier zeigt sich, daß eben doch ein U n t e r s c h i e d zwischen dem Erwerb von Aktien der herrschenden Gesellschaft durch ein abhängiges Unternehmen und dem Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft selbst besteht. Dieser Unterschied zeigt sich ferner, wenn ein abhängiges Unternehmen in zulässiger Weise nicht vollbezahlte Aktien der herrschenden Gesellschaft erwirbt. In diesem Fall bleibt der Anspruch auf den noch ausstehenden Einlagerest bestehen, weil beim Erwerb durch ein abhängiges Unternehmen insoweit eine Vereinigung von Forderung und Schuld nicht eintritt (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 23). Auch die etwaige Haftung des Vormanns (§ 59) wird durch einen solchen Erwerb nicht berührt. Andererseits wird man nach dem Grundgedanken des Abs. 5, der hinsichtlich der Voraussetzungen den Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft mit dem Erwerb solcher Aktien durch ein abhängiges Unternehmen gleichstellt, es ohne Einschränkungen zulassen können, daß ein abhängiges Unternehmen von der herrschenden Gesellschaft deren Aktien erwirbt, sofern die herrschende Gesellschaft diese ihre eigenen Aktien vorher in zulässiger Weise erworben hatte (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 5 1 ) .

Anm. 24 2. Erwerb durch ein abhängiges ausländisches Unternehmen: Die Aktien,

die sich im Besitz eines abhängigen ausländischen Unternehmens befinden, sind bei der Berechnung des Höchstsatzes ( 1 0 % ; Anm. 10) stets mitzuberücksichtigen (unstr.). Zweifelhaft ist es dagegen, ob die Vorschrift des Abs. 5 auch auf den Erwerb von Aktien der herrschenden inländischen Gesellschaft durch ein abhängiges ausländisches Unternehmen Anwendung findet. Bei einem solchen Erwerb, und zwar auch dann, wenn er sich ganz oder teilweise im Inland vollzieht, kommt es zunächst auf die Vorschriften des ausländischen Rechts an. K e n n t dieses ein Erwerbsverbot f ü r abhängige Unternehmen nicht, so wird man wohl auf dem Wege über Art. 30 E G z. B G B insoweit die Anwendung des ausländischen Rechts ausschließen müssen (ebenso Ritter Anm. 1 2 b ; Baumbach-Hueck A n m . 7). Dabei kann man den Vertretern der Gegenmeinung (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 57) durchaus einräumen, daß hier gewisse Zweifel angebracht sind. Hält man sich aber vor Augen, daß die Gegenmeinung mit Rücksicht auf die Möglichkeit von Zweckgründungen abhängiger ausländischer Unternehmen praktisch zu einer fast vollständigen Aushöhlung des Abs. 5 und damit des § 65 führen würde, so wird man nach den bitteren Erfahrungen vor der Aktienrechtsnovelle 1931 wohl doch sagen müssen, daß hier die Anwendung des ausländischen Rechts die Grundlage des deutschen wirtschaftlichen Lebens angreifen könnte.

VI. Erwerb eigener Aktien für Rechnung der Gesellschaft oder für Rechnung eines von ihr abhängigen Unternehmens. Anm. 25 1. A l l g e m e i n e s : Der sechste Absatz befaßt sich mit dem Fall, daß ein anderer —• etwa eine Bank oder ein Konsortium — Aktien der Gesellschaft f ü r deren Rechnung oder f ü r Rechnung eines von ihr abhängigen Unternehmens erwirbt oder als Pfand nimmt. Als Erwerb kommt auch hierbei nur der abgeleitete in Betracht, von dem ursprünglichen handelt § 5 1 Abs. 1. Geschieht der Erwerb oder die Inpfandnahme auf Grund eines Rechtsgeschäfts zwischen der A G oder einem abhängigen Unternehmen und dem andern, so ist dieses Rechtsgeschäft nur dann gültig, wenn der Erwerb oder die Inpfandnahme der A G selbst — oder, was keinen Unterschied macht, dem abhängigen Unternehmen — gestattet wäre, wenn also einer der vier Ausnahmefälle v o r liegt. Bei dem ersten Ausnahmefall ist in den Höchstbetrag von 10 v. H . des Grundkapitals — oder in den von den Ministern zugelassenen höheren Betrag — alles einzurechnen, was die A G selbst, ein abhängiges Unternehmen, irgend einer f ü r Rechnung der A G oder eines abhängigen Unternehmens an Aktien der A G bereits erworben oder in

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 65 Anm. 26—28 Pfand genommen hat, um einen schweren Schaden von ihr abzuwenden, und was einer von ihnen hiervon noch besitzt (Anm. io). Es ist vorstellbar, daß die Tatbestände des Abs. 5 und des Abs. 6 zusammentreffen. Das ist der Fall, wenn ein abhängiges Unternehmen Aktien der herrschenden Gesellschaft für deren Rechnung erwirbt. In einem solchen Fall sind beide Bestimmungen nebeneinander anzuwenden (SchlegelbergerQuassowski Anm. 22; Baumbach-Hueck Anm. 7). Die Auffassung von v. GodinWilhelmi Anm. 13, es handele sich in einem solchen Fall um einen Tatbestand der Gesetzeskonkurrenz, der die Möglichkeit einer Anwendung des Abs. 5 ausschließe, läßt sich nicht begründen. A n m . 26 2. Für Rechnung der Gesellschaft: Ein Erwerb für Rechnung der Gesellschaft liegt immer dann vor, wenn das wirtschaftliche Ergebnis des Erwerbs zu Gunsten und zu Lasten der Gesellschaft gehen soll, wenn also die Gesellschaft das Risiko des Erwerbs trifft (§51 Anm. 2). Auf die rechtliche Einkleidung des Rechtsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem anderen kommt es nicht an; immer muß aber der andere im eigenen Namen handeln. Handelt er nämlich beim Erwerb im Namen der Gesellschaft, so liegt ein unmittelbarer Erwerb seitens der Gesellschaft vor, so daß insoweit Abs. 1—4 Anwendung finden. Für die Anwendung des Abs. 6 ist es nicht erforderlich, daß das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen der andere die Aktien für Rechnung der Gesellschaft besitzt, zwischen diesem und der Gesellschaft vor dem Erwerb der Aktien begründet worden ist. Auch eine erst nach dem Erwerb getroffene, nachträgliche Vereinbarung zwischen dem anderen und der Gesellschaft wird von Abs. 6 erfaßt. Anm. 27 Als Rechtsgeschäft dieser Art kommt namentlich die Einkaufskommission in Betracht, bei der die AG oder ein abhängiges Unternehmen als Kommittent auftritt (Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 36 wollen die Einkaufskommission dem Kauf eigener Aktien gleichstellen und auf sie daher Abs. 1 unmittelbar anwenden. Das mag vom wirtschaftlichen Standpunkt aus ganz sachgerecht sein, läßt sich aber rechtlich kaum begründen). Diese Kommission ist, wenn keiner der Ausnahmefälle vorliegt, nichtig. Die Nichtigkeit betrifft aber nicht das vom Einkaufskommissionär vorgenommene Ausführungsgeschäft. Hat er also Aktien der Gesellschaft durch Kauf erworben, so sind Kauf und Erwerb nicht darum ungültig, weil keiner der Ausnahmefalle vorliegt. Der Kommissionär kann aber von seinem Auftraggeber auf Grund der nichtigen Kommission weder Abnahme der Aktien noch Erstattung seiner Auslagen, der Auftraggeber kann nicht Lieferung der Aktien verlangen. Liefert der Kommissionär sie dennoch an den Auftraggeber, so treten die Wirkungen des Abs. 3 ein: sind die Aktien vollbezahlt, so wird der Auftraggeber Eigentümer, andernfalls nicht, die Kommission bleibt nichtig. Für die beiderseitigen Rückforderungsansprüche gelten die in Anm. 18, 23 entwickelten Grundsätze: Außer der Einkaufskommission kommen für Abs. 6 auch z. B. unentgeltlicher A u f t r a g und Beteiligungsverhältnisse in Frage. Es genügt, daß der Erwerb oder die Inpfandnahme nur zum T e i l für Rechnung der AG oder eines abhängigen Unternehmens geschehen soll (Schlegelberger-Quassowski Anm. 29). Entsprechende Anwendbarkeit des Abs. 6 erscheint für die Geschäftsführung ohne A u f t r a g geboten; erwirbt der auftraglose Geschäftsführer Aktien der Gesellschaft für deren Rechnung oder für die eines abhängigen Unternehmens, ohne daß einer der Ausnahmefalle vorliegt, in denen ihnen selbst der Erwerb gestattet wäre, so hat der Geschäftsführer weder die Rechte noch die Pflichten, die sich aus den §§ 677fr. BGB ergeben; sie können ihm auch nicht durch nachträgliche Vereinbarung beigelegt werden (ähnlich Schlegelberger-Quassowski aaO.). A n m . 28 3. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen dieses Verbot: Der unzulässige Erwerb für Rechnung der Gesellschaft hat die Nichtigkeit des Rechtsverhältnisses zur 27 Aktiengesetz, 2. Aufl.

417

§65

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 29, 30 Folge, auf Grund dessen der andere die Aktien f ü r Rechnung der Gesellschaft besitzt. Es kann daher weder die Gesellschaft noch der andere aus diesem Rechtsverhältnis Rechte gegeneinander herleiten. Der andere kann also nicht verlangen, daß die Gesellschaft ihm den gezahlten Erwerbspreis erstattet; die Gesellschaft ihrerseits kann von dem anderen nicht fordern, daß er die erworbenen Aktien ihr überträgt. H a t die Gesellschaft auf Grund des zwischen ihr und dem anderen geschlossenen Rechtsverhältnisses bereits eine Zahlung, etwa als Vorschuß geleistet, so kann sie Rückerstattung dieser Zahlung verlangen, weil darin eine unzulässige Rückgewähr der Einlage zu erblicken ist. Auf diesen Anspruch finden daher die in Anm. i o f f . zu § 52 dargelegten Grundsätze Anwendung. H a t dagegen der andere die erworbenen Aktien bereits auf die Gesellschaft übertragen, so findet Abs. 3 Satz 1 Anwendung; die Gesellschaft erwirbt also bei vollbezahlten Aktien das Eigentum an diesen. Für den Ausgleichsanspruch des anderen gegen die Gesellschaft gilt das in Anm. 18 Gesagte. Unberührt von der Nichtigkeitsfolge bleibt das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen der andere von einem Dritten die Aktien erwirbt. Dieser Erwerbsakt ist, und zwar auch das Grundgeschäft, gültig (allgem. Ansicht). Über die Rechte, die der andere aus solchen f ü r Rechnung der Gesellschaft erworbenen Aktien hat, vgl. Anm. 35. Hat der andere nicht vollbezahlte Aktien f ü r Rechnung der Gesellschaft erworben, so schuldet er der Gesellschaft die noch ausstehende Einlage, da er auf Grund dieses Erwerbs Aktionär mit sämtlichen Pflichten geworden ist. Der bisherige Aktionär^ (Veräußerer) haftet der Gesellschaft gegebenenfalls als Vormann (§ 59). Insoweit unterscheidet sich ein Erwerb f ü r Rechnung der Gesellschaft grundlegend von dem Erwerb durch die Gesellschaft selbst (vgl. dazu A n m . 1 1 ) . Wird der andere wegen der restlichen Einlageschuld von der Gesellschaft in Anspruch genommen, so kann er der Gesellschaft gegenüber nicht Einwendungen aus dem Rechtverhältnis geltend machen, insbesondere nicht mit irgendwelchen Ersatzansprüchen aufrechnen (Ritter A n m . i 3 d ; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 39). Das würde ein Verstoß gegen § 60 sein.

Anm. 29 Das Zuwiderhandeln gegen das Verbot des § 65 macht die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nach § 84 Abs. 3 Nr. 3, § 99 der Gesellschaft und ihren Gläubigern verantwortlich. Dabei begründet es keinen Unterschied, ob sie selbst gegen das Verbot handeln, oder ob sie die Zuwiderhandlung in den Fällen der Abs. 5 oder 6 dulden. Der Aktionär, der den Erwerbspreis bei einem Verstoß gegen § 65 erhält, haftet nach § 56.

Anm. 30 4. Die Kursgarantie:

Nicht aufgeführt ist in § 65 das in § 226 Abs. 3 H G B (in der Fassung der Aktienrechtsverordnung) enthaltene Verbot des Erwerbs von Aktien der Gesellschaft durch einen andern, wobei die Gesellschaft eine Kursgarantie übernimmt. Die Übernahme einer solchen Kursgarantie ist aber nicht etwa erlaubt. Schlegelberger-Quassowski (Anm. 29) rechnen einen derartigen Erwerb unter den Erwerb f ü r Rechnung der Gesellschaft. O b das richtig ist, mag zweifelhaft sein, wie j a auch in § 226 Abs. 3 H G B beide Fälle n e b e n einander gestellt worden waren. Aber jedenfalls fällt die Übernahme einer Kursgarantie durch die A G unter die verbotene Zusage einer Einlagerückgewähr (§ 52 Anm. 7). Sie ist also schlechthin unerlaubt; die Ausnahmefalle des § 65 kommen f ü r sie nicht in Frage, da Satz 2 des § 52 auf sie nicht zutrifft (a. M . v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 4 ; ebenso wohl auch Ritter Anm. 14, der jedenfalls insoweit auch nur Abs. 6 und nicht § 52 anwenden will). Auch eine beschränkte Kursgarantie — Gewährleistung eines Teiles eines bestimmten Kurses (SchlegelbergerQuassowski aaO.) — ist nicht anders zu behandeln. Die Abrede ist nichtig; Zahlungen, welche die A G auf dieser Grundlage geleistet hat, kann und muß sie zurückfordern (§ 52 Anm. 1 1 ) . O b die Nichtigkeit der Kursgarantie auch das Geschäft nichtig macht, dem sie beigefügt worden ist, bestimmt sich nach § 139 B G B .

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 65 Anm. 31, 32 Anm. 31 VII. Die Rechte aus den erworbenen eigenen Aktien. 1. Allgemeines: Uber die Rechtsstellung, die für die AG aus dem Erwerb eigener Aktien und für ein abhängiges Unternehmen aus dem Erwerb von Aktien der herrschenden Gesellschaft ensteht, trifft der Abs. 7 besondere Bestimmungen. Der Grundgedanke für diese Regelung ist ein völlig anderer wie der für die Regelung der Absätze 1—6. Die Vorschriften der Absätze 1—6 sollen die Gefahren bannen, die sich aus dem Erwerb eigener Aktien usw. für die Gesellschaft selbst und für ihre Gläubiger ergeben können, und sie sollen zugleich eine etwa mögliche Bevorzugung einzelner Aktionäre durch den Ankauf eigener Aktien seitens der Gesellschaft ausschließen (Anm. 1). Für die Regelung des Abs. 7 dagegen ist der Gedanke maßgebend, daß die Gesellschaft nicht mitgliedschaftliche Rechte an sich selbst ausüben kann, und daß es ferner unerwünscht ist, wenn sie auf ihre eigene Willensbildung durch ihre Organe einen mitbestimmenden Einfluß ausüben könnte (vgl. dazu sehr eindringlich schon R G 103, 66). Anm. 32 2. Die Rechte der Gesellschaft selbst: Hat die Gesellschaft eigene Aktien, sei es erlaubter Weise, sei es verbotswidrig, wirksam erworben, so stehen ihr aus diesen Aktien keine Rechte zu. Die Mitgliedschaft und die damit verbundenen Rechte ruhen. Die eigene Aktie im Besitz der Gesellschaft hat somit nur als „Gegenstand einer möglichen Veräußerung" Bedeutung (v. Godin-Wilhelmi Anm. 7). In der Hand des Erwerbers leben dann alle Rechte aus der Aktie wieder auf (dazu Werneburg Z H R 90, 211). Zur möglichst baldigen Wiederveräußerung ist die Gesellschaft grundsätzlich nicht verpflichtet (vgl. dazu im einzelnen v. Godin Soz.Pr. 1941, 177). Im einzelnen ist noch folgendes zu sagen: Die G e s e l l s c h a f t hat kein Stimmrecht. Das wurde schon früher angenommen (RG 103, 64). Ihre Aktien gehören zwar zum Grundkapital, aber nicht zu dem bei der Abstimmung vertretenen Grundkapital. Wo es auf das bei der Beschlußfassung vertretene Grundkapital ankommt — z. B. nach § 146 Abs. 1 —, werden ihre Aktien nicht mitgezählt. Anders liegt es, wo eine Minderheit nach einer Quote des gesamten Grundkapitals berechnet wird, wie z. B. nach § 118 Abs. 2. Hier sind bei der Berechnung der Quote die eigenen Aktien der Gesellschaft dem gesamten Grundkapital zuzuzählen, wie auch bei der Berechnung der 10 v. H. des Grundkapitals nach § 65 Abs. 1. Für die Ausübung von Minderheitsrechten kommt die Gesellschaft selbst aber nicht in Betracht. Sie kann ein Stimmrecht aus eigenen Aktien auch nicht durch einen Legitimationsaktionär (§ 61 Anm. 23) ausüben lassen. Umgekehrt kann sie aber auch nicht als Legitimationsaktionärin ein fremdes Stimmrecht aus üben (Anm. 4; ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 226 Anm. 32; Ruth J W 1930, 1374; a. M. Ritter Anm. 16a). Die G e s e l l s c h a f t hat kein Recht auf einen Gewinnanteil. Schon bei der Feststetzung des an die einzelnen Aktionäre auszuschüttenden Gewinnanteils bleiben ihre eigenen Aktien unberücksichtigt, so daß es zu einem aus der Festsetzung für sie entstehenden Gläubigerrecht (§ 52 Anm. 29) gar nicht erst kommen kann. Da ihr keine Rechte aus der Aktie zustehen, läßt sich auch nicht annehmen, daß sie befugt sei, Gewinnanteilscheine von der Aktie zu lösen und zu veräußern. Der Erwerber müßte sich den Mangel dieser Befugnis entgegenhalten lassen (§ 52 Anm. 32). Dagegen kann es vorkommen, daß vor dem Erwerb der AG schon Gewinnanteile gelöst worden sind, und daß sie überhaupt die Aktie ohne Gewinnanteilscheine erwirbt. In solchem Fall ist der Inhaber des Anteilscheins der Berechtigte und als solcher zu berücksichtigen. Die G e s e l l s c h a f t hat kein Bezugsrecht. Das unmittelbare ist ihr schon dadurch verschlossen, daß sie nicht eigene Aktien zeichnen kann (Anm. 2). Aber auch ein mittelbares Bezugsrecht läßt sich ihr nicht einräumen, indem die Bank, die die Zeichnungen übernimmt, sich verpflichtete, ihre Aktien zum Bezüge anzubieten (herrsch. Ansicht; a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 15). Das wäre nicht nur damit unvereinbar, daß ihr keine Rechte aus der Aktie zustehen, sondern auch mit dem Sinn und Zweck des ganzen § 65. Da ihr kein Bezugsrecht zusteht, so kann sie auch keines veräußern. 27»

419

§65 Anm. 33—35

I. Buch: Aktiengesellschaft

(anders auch hier v. Godin-Wilhelmi aaO.). Wohl aber kann sie die eigenen Aktien veräußern, womit die Rechte daraus aufleben. — Bei der Ausgabe von F r e i a k t i e n kann die A G f ü r ihre eigenen Aktien keine Freiaktien beziehen (§ 150 Anm. 12).

Die Gesellschaft hat auch keinen Anteil a m Abwicklungsüberschuß (so

schon R G 103, 66).

Anm. 33 3. D i e R e c h t e b e i V e r p f ä n d u n g d e r A k t i e : Hierüber sagt das Gesetz unmittelbar nichts. Es gilt insoweit der Grundsatz, daß bei wirksamer Verpfändung eigener Aktien die dem Verpfänder zustehenden Rechte aus der Aktie unberührt bleiben. D e m V e r pfänder verbleibt also das Stimmrecht, das Recht auf den Gewinnanteil und das Bezugsrecht. Es kann bei der Pfandrechtsbestellung auch nicht durch eine zusätzliche Vereinbarung bestimmt werden, daß f ü r die Zeit der Pfandbestellung der Gesellschaft das Stimmrecht und das Bezugsrecht zustehen soll. Das wäre ein Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften des § 1 1 4 Abs. 6 und gegen den allgemeinen ebenfalls zwingenden aktienrechtlichen Grundsatz, daß die Gesellschaft ihre eigenen Aktien nicht als Zeichner und nicht in Ausübung eines Bezugsrechts übernehmen kann. Anders ist es mit dem Anspruch auf den Gewinnanteil; dieser kann mitverpfändet werden (§§ 1274, 1296 B G B ) , weil dadurch eine zwingende aktienrechtliche Vorschrift nicht verletzt wird. Ist die Inpfandnahme unwirksam, so tritt überhaupt keine Rechtsverschiebung ein. Über die selbständige Verpfändbarkeit des Anspruchs auf den Gewinnanteil s. Anm. 22.

Anm. 34 4. Die Rechte des abhängigen Unternehmens: Hat ein abhängiges Unternehmen f ü r eigene Rechnung Aktien der herrschenden Gesellschaft erworben, so stehen ihm grundsätzlich die Rechte aus den Aktien zu. Das ist bisher auch in der Rechtsprechung angenommen worden ( R G 103, 67; 1 1 5 , 2 5 3 ; 149, 3 1 1 ) . Der Erwerb muß aber nach Abs. 5 in Verbindung mit den Absätzen 1 — 3 wirksam sein. Ist er unwirksam, so sind Eigentümer der Aktien die Veräußerer geblieben, ihnen stehen also die Aktienrechte zu. Das abhängige Unternehmen ist jedoch, auch wenn ihm die Aktienrechte an sich zustehen, an der Ausübung einzelner dieser Rechte gehindert. Nach § 51 Abs. 2 darf es das Bezugsrecht, auch das mittelbare, nicht ausüben (§ 51 Anm. 9); es darf aber das Bezugsrecht durch Veräußerung verwerten. Nach § 1 1 4 Abs. 6 kann das abhängige Unternehmen, abweichend vom bisherigen Recht ( R G 149, 3 1 1 ) , das Stimmrecht nicht ausüben.

Anm. 35 5. Die Rechte der für Rechnung der Gesellschaft handelnden Aktionäre:

Insoweit gibt Abs. 7 Satz 2 eine ausdrückliche Regelung. Für die Anwendung dieser Bestimmung ist es gleichgültig, ob der andere die Aktien nach Abs. 6 zulässigerweise erworben hat und das zugrundeliegende Rechtsgeschäft zwischen ihm und der A G gültig ist, oder ob er sie unzulässigerweise erworben hat und das Rechtsgeschäft nichtig ist. Indem das Gesetz f ü r diese Aktien das „ G l e i c h e " gelten läßt wie f ü r die in Satz 1 genannten Aktien, kann es nicht meinen, daß auch aus ihnen d e r G e s e l l s c h a f t ,

sondern nur, daß aus ihnen dem Erwerber keine Rechte zustehen (vgl. für das

Stimmrecht noch § 1 1 4 Abs. 6). Was in § 51 Abs. 1 Satz 3 f ü r den ursprünglichen Erwerb bestimmt ist, wird hier f ü r den abgeleiteten Erwerb angeordnet. Auch im übrigen ist Gleichheit des Rechtsstellung dessen, der f ü r Rechnung der A G erworben hat, bei abgeleitetem und ursprünglichem Erwerb anzunehmen. Die Wirksamkeit des Erwerbs ist nicht davon abhängig, ob die Aktien vollbezahlt sind oder nicht. Daß der auf Rechnung der A G Erwerbende auch bei abgeleitetem Erwerb f ü r Einlagerückstände haftet, ergibt sich schon aus § 49 und bedurfte hier keiner nochmaligen Hervorhebung. A u c h beim abgeleiteten Erwerb tritt er in den vollen Genuß der Aktionärrechte, sobald er durch neuen Vertrag mit der A G das bisherige Rechtsverhältnis beendet hat ( § 5 1 Anm. 5) und nunmehr die Aktie f ü r eigene Rechnung besitzt (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 35).

420

3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 66 Anm. 1, 2 Wer Aktien der herrschenden Gesellschaft f ü r R e c h n u n g eines a b h ä n g i g e n U n t e r n e h m e n s durch abgeleiteten Erwerb erworben hat, ist im Genuß der Rechte nicht beschränkt; nur das Stimmrecht kann er nach § 1 1 4 Abs. 6 nicht ausüben. Bei ursprünglichem Erwerb liegt es nach § 51 Abs. 1 anders (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 36). § 6 6 K r a f t l o s e r k l ä r u n g von Aktien i m A u f g e b o t s v e r f a h r e n (1) Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein abhanden gekommen oder vernichtet, so kann die Urkunde, wenn nicht das Gegenteil darin b e s t i m m t ist, i m Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt werden. § 799 Abs. 2 und § 800 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten sinngemäß. (2) Sind Gewinnanteilscheine auf den Inhaber ausgegeben, so erlischt m i t d e r Kraftloserklärung der Aktie oder des Zwischenscheins auch der Anspruch aus den noch nicht fälligen Gewinnanteilscheinen. Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung

1

4. Die Zahlungssperre

1. Das Aufgebotsverfahren . . . 2. Das A u s s c h l u ß u r t e i l . . . . . 3. Die Ausstellung einer Ersatzurkunde

2 5 . Der Gewinnanteilschein . . . 3 6 - Abweichende Satzungsbestimmungen 4

5 6,7 8

Anm. 1 Nach § 946 ZPO findet ein gerichtliches Aufgebotsverfahren mit der Wirkung, daß die Unterlassung der Anmeldung einen Rechtsnachteil zur Folge hat, nur in den gesetzlich bestimmten Fällen statt. Es bedurfte daher einer besonderen gesetzlichen Bestimmung, um das Aufgebotsverfahren für abhanden gekommene oder vernichtete Aktien und Zwischenscheine zulässig zu machen. § 799 BGB gilt unmittelbar nur für Schuldverschreibungen auf den Inhaber, für Namensaktien und Zwischenscheine hätte es an jeder Bestimmung über die Zulässigkeit des Aufgebotsverfahrens gefehlt, wenn nicht § 228 H G B Vorsorge getroffen hätte. Das AktG hat § 228 H G B ohne sachliche Änderung übernommen. Uber Vernichtung s. auch § 68 Anm. 2. Für die Konsolidierung der Verhältnisse, die durch die umfangreichen Verluste an Aktienurkunden im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg aufgetreten sind, gibt das Wertpapierbereinigungsgesetz vom 19. August 1949 eine Sonderregelung, neben der § 66 keine Anwendung findet. Anm. 2 1. Das Aufgebotsverfahren: Die Kraftloserklärung auf Grund des Aufgebotsverfahrens ist bei Inhaber- und Namensaktien sowie bei Zwischenscheinen zulässig, bei diesen beiden auch dann, wenn sie nicht in blanco indossiert sind (Denkschrift 1897 S. 149). Das Verfahren ist in den §§ 1003 fr. ZPO geregelt. Antragsberechtigt ist bei Inhaberaktien sowie bei Namensaktien (und Zwischenscheinen), die in blanco indossiert sind, derjenige, der vor dem Abhandenkommen oder der Vernichtung der Inhaber war (Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; a. M. Ritter Anm. 2 b). Ist eine Inhaberaktie bei der Ausgabe auf dem Wege zum ersten Aktionär verloren gegangen, so hat sie noch keinen Inhaber gehabt. Es bedarf alsdann auch keines Aufgebotsverfahrens (DüringerHachenburg-Flechtheim § 228 Anm. 3; a. M. Baumbach-Hueck Anm. 2A). Denn die Urkunde ist nicht mit Willen der Gesellschaft in den Verkehr gelangt, § 794 BGB ist auf sie nicht anwendbar (§ 10 Anm. 5); sie ist rechtlich bedeutungslos, namentlich ungeeignet, einen gutgläubigen Erwerber zum Aktionär zu machen. Bei Namensaktien (und Zwischenscheinen), die nicht in blanco indossiert sind, ist antragsberechtigt derjenige, den die Urkunde als Berechtigten ausweist, oder der das Recht durch Abtretung 421

§66

Anm, 3—6

I. Buch: Aktiengesellschaft

erworben hat. Die Eintragung im Aktienbuch ( § 6 2 Abs. 3) ist hier nicht entscheidend (herrsch. Ansicht; a. M . Staub-Pinner § 228 Anm. 1). Denn es handelt sich hier nicht nur um das Verhältnis des Aktionärs zur Gesellschaft. Demgemäß ist antragsberechtigt nach § 1004 Z P O der Berechtigte, nicht der durch das Aktienbuch gegenüber der Gesellschaft Legitimierte. Gerade das Ausschlußurteil kann ihn, wenn er nicht im Aktienbuch eingetragen ist, in die L a g e bringen, sich eintragen zu lassen. Die Gesellschaft ist nach § 799 Abs. 2 B G B verpflichtet, dem Antragsteller mit Auskünften und Zeugnissen behilflich zu sein. Der Antrag kann nach § 947 Z P O schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Zuständig ist nach § 1005 Z P O das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft. Nach § 1007 Z P O hat der Antragsteller entweder eine Abschrift der Urkunde beizubringen oder ihren wesentlichen Inhalt und alles anzugeben, was zu ihrer vollständigen Erkennbarkeit erforderlich ist (Nummer!), den Verlust und die Grundlagen seiner Antragsberechtigung glaubhaft zu machen, sich auch zur eidesstattlichen Versicherung der Wahrheit seiner Angaben zu erbieten.

Anm. 3 2. Das A u s s c h l u ß u r t e i l : In dem Ausschlußurteil wird die Urkunde f ü r karftlos erklärt (§ 1 0 1 7 ) . Derjenige, der das Ausschlußurteil erwirkt hat, kann nach § 1 0 1 8 Z P O gegenüber der Gesellschaft die Rechte aus der Urkunde geltend machen. Er kann sich also, wenn es sich um eine Namensaktie oder einen Zwischenschein handelt und er noch nicht im Aktienbuch eingetragen war, nunmehr eintragen lassen (Anm. 2). Die Wertpapiereigenschaft der etwa noch vorhandenen Urkunde ist vernichtet, auch wenn sie sich in Händen eines gutgläubigen Erwerbers befindet. Aber es ist auch n i c h t m e h r a l s d a s v e r n i c h t e t , w e d e r d a s — ohne die Urkunde entstandene — A n t e i l r e c h t a l s s o l c h e s (wie bei der Einziehung nach § 192) n o c h d i e B e r e c h t i g u n g d e s b i s h e r i g e n A k t i o n ä r s (wie bei der Kraftloserklärung nach § 179 und der Kaduzierung nach § 58). War in Wirklichkeit ein anderer als der Antragsteller der Aktionär, war er es auch nur zwischen dem Abhandenkommen und der Kraftloserklärung der Urkunde durch gutgläubigen Erwerb geworden, so hindert ihn das Ausschlußurteil nicht, gegen den, der es erwirkt hat, sein Recht geltend zu machen. E r kann von diesem auf der Grundlage des § 952 B G B die Herausgabe der etwa schon ausgestellten neuen Urkunde (Anm. 4) und nötigenfalls nach § 62 Abs. 3 die Zustimmung zur Berichtigung des Aktienbuchs verlangen. Sein Recht geht aber unter, wenn es mittels der neuen Urkunde von einem andern gutgläubig erworben wird (ebenso Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 228 Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. I).

Anm. 4 3. Die Ausstellung e i n e r E r s a t z u r k u n d e : Derjenige, der das Ausschlußurteil erwirkt hat, kann von der Gesellschaft nach § 800 B G B auf seine Kosten die Ausstellung einer Ersatzurkunde verlangen. Die von manchen (Staub-Pinner § 228 Anm. 2 ; Teichmann-Koehler Anm. 2) vertretene Ansicht, daß er bis dahin das Recht nicht abtreten könne, ist unbegründet. E r kann es, wenn er der Berechtigte ist, wirksam ebenso abtreten wie in der Zeit, wo noch keine Urkunde ausgegeben worden war ( § 1 0 Anm. 2 ; ebenso Brodmann § 228 Anm. 2 a ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 228 Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. I I 4). Dagegen ist vor dem Erlaß des Ausschlußurteils eine Übertragung all» rdings nicht möglich, weil die Urkunde noch wirksam, aber nicht zur Stelle ist ( R G 84, 3 1 4 ; v. Godin-Wilhelmi aaO.).

Anm. 5 4. Die Z a h l u n g s s p e r r e : Beim Verlust von Inhaberaktien kann der Antragsteller nach § 1 0 1 9 Z P O eine Z a h l u n g s s p e r r e herbeiführen. Auf Namensaktien (und Zwischenscheine), die mit Blankoindossament versehen sind, trifft das nicht zu (SteinJonas-Schönke § 1 0 1 9 Z P O Anm. I).

Anm. 6 5. D e r G e w i n n a n t e i l s c h e i n : Nach Abs. 2 des § 66 e r s t r e c k t s i c h d i e K r a f t l o s e r k l ä r u n g a u c h a u f d i e b e r e i t s a u s g e g e b e n e n Gewinnanteilscheine, die auf den

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3- Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft u n d der Gesellschafter

§ 66 A n m . 7 , 8 §67

I n h a b e r lauten u n d bis z u m Ausschlußurteil n o c h n i c h t f ä l l i g geworden waren (dazu R ü g e J W 1931, 3058). Bei ihnen wird, da sie Inhaberschuldverschreibungen mit konstitutiver Wertpapiereigenschaft sind, d u r c h die Kraftloserklärung nicht n u r die Legitimationskraft der U r k u n d e , sondern auch das verbriefte R e c h t selbst vernichtet. Die Vernichtung erstreckt sich folgerichtig auch auf den Erneuerungsschein. Derjenige, der das Ausschlußurteil erwirkt hat, erhält mit der neuen U r k u n d e auch die neuen Gewinnanteilscheine nebst Erneuerungsschein. Anders steht es jedoch mit den b e r e i t s f ä l l i g g e w o r d e n e n Gewinnanteilscheinen, die auf den I n h a b e r lauten. Diese bleiben n a c h der Regel des § 803 BGB in Kraft, sofern sie nicht eine gegenteilige Bestimmung enthalten. W o Gewinnanteilscheine vorkommen sollten, die a u f d e n N a m e n lauten, werden sie von der Kraftloserklärung der Aktie nicht mitbetroffen, a u c h insoweit sie noch nicht fällig sind. Solche Gewinnanteilscheine werden nicht als Wertpapiere (Rektapapiere) anzusehen sein, sondern als qualifizierte Legitimationspapiere (§ 808 BGB). Die Gesellschaft kann mit befreiender W i r k u n g a n den I n h a b e r leisten, dieser k a n n aber die Leistung nicht verlangen. Der Aktionär k a n n sich bei ihnen gegen M i ß b r a u c h d u r c h eine Anzeige a n die Gesellschaft schützen; eine solche Anzeige darf die Gesellschaft nach § 242 BGB nicht unbeachtet lassen, w e n n sie d a d u r c h instandgesetzt wird, d e m Vorzeiger des Gewinnanteilscheins den M a n g e l seines Rechts zu beweisen. Ü b e r die Unzulässigkeit der Kraftloserklärung von Gewinnanteilscheinen s. A n m . 8. Anm. 7 Für G e w i n n a n t e i l s c h e i n e ist in § 66 kein s e l b s t ä n d i g e s Aufgebotsverfahren zugelassen. L a u t e n sie auf den I n h a b e r , so bietet das Verfahren nach § 804 BGB einen gewissen Ersatz (§ 52 A n m . 33). L a u t e n sie auf den N a m e n , so können sie als qualifizierte Legitimationspapiere n a c h § 808 Abs. 2 Satz 2 BGB im Wege des Aufgebotsverfahrens f ü r kraftlos erklärt werden. Anm. 8 6. A b w e i c h e n d e S a t z u n g s b e s t i m m u n g e n : Das Aufgebotsverfahren kann, a u c h insoweit es n a c h § 66 zugelassen ist, d u r c h eine in der U r k u n d e selbst enthaltene Bes t i m m u n g ausgeschlossen werden (allgem. Ansicht). Dagegen ist es unzulässig, das Aufgebotsverfahren d u r c h die Satzung gegenüber den gesetzlichen F o r m e n zu erleichtern; das geht auch nicht d u r c h eine in die U r k u n d e aufgenommene Bestimmung (Schlegelberger-Quassowski A n m . 2; v. Godin-Wilhelmi A n m . 2; B a u m b a c h - H u e c k A n m . 1; a. M . Staub-Pinner § 228 A n m . 5 ; offengelassen bei T e i c h m a n n - K o e h l e r A n m . 1). § 6 7 K r a f t l o s e r k l ä r u n g von Aktien durch die G e s e l l s c h a f t (1) Ist der Inhalt v o n Aktienurkunden durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden, s o kann die Gesellschaft die Aktien, die trotz Aufforderung nicht zur Berichtigung oder z u m U m t a u s c h bei ihr eingereicht sind, m i t Genehmigung des Gerichts für kraftlos erklären. Beruht die Unrichtigkeit auf einer Änderung des Nennbetrags der Aktien, so können sie n u r dann für kraftlos erklärt werden, w e n n der Nennbetrag zur Herabsetzung des Grundkapitals herabgesetzt ist. Namensaktien können nicht deshalb für kraftlos erklärt werden, weil die Bezeichnung des Aktionärs unrichtig geworden ist. (2) D i e A u f f o r d e r u n g z u r E i n r e i c h u n g d e r A k t i e n h a t d i e K r a f t l o s e r k l ä r u n g anzudrohen u n d auf die G e n e h m i g u n g des Gerichts hinzuweisen. Die Kraftloserklärung kann n u r erfolgen, w e n n die Aufforderung n a c h § 58 A b s . 2 bekanntg e m a c h t worden ist. Sie geschieht durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern . (3) A n S t e l l e d e r f ü r k r a f t l o s e r k l ä r t e n A k t i e n s i n d n e u e A k t i e n a u s z u g e b e n u n d d e m Berechtigten auszuhändigen oder, w e n n ein Recht zur Hinterlegung

423

§67

Anm. 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft

besteht, zu hinterlegen. Die Aushändigung oder Hinterlegung ist dem Gericht anzuzeigen. (4) Soweit zur Herabsetzung des Grundkapitals Aktien zusammengelegt werden, gilt§ 179. Anm. 1 Die Vorschriften des § 67 entstammen dem Gesetz über die Kraftloserklärung von Aktien vom 20. Dezember 1934 ( R G B l . I 1254). Dieses Gesetz sowie die am selben T a g e dazu ergängene Durchführungsverordnung ( R G B l . I 1254) sind durch § 20 E i n f G z. A k t G aufgehoben worden. Der Inhalt des Gesetzes ist in § 67 AktG, der der D u r c h f V O ist im wesentlichen in den §§ 145 und 146 F G G in der Fassung des § 26 E i n f G z. A k t G aufgegangen. Der Wortlaut des § 67 ist in Abs. 2 Satz 2 durch Bekanntmachung des Reichsministers der Justiz vom 1 1 . M a i 1937 ( R G B l . I 588) berichtigt worden. Nach den Eingangsworten des Gesetzes von 1934 sollte die Befreiung des Verkehrs von unrichtig gewordenen Aktienurkunden befördert und damit schon vor der allgemeinen Reform des Aktienrechts eine Bereinigung aktienrechtlicher Verhältnisse angebahnt werden (vgl. die Erläuterungen von Herbig D J 1935, 1 1 2 ) . Die Vorschriften werden nunmehr als Dauereinrichtung beibehalten.

Anm. 2 Vorausgesetzt wird, daß der I n h a l t von A k t i e n u r k u n d e n d u r c h eine V e r ä n d e rung d e r rechtlichen V e r h ä l t n i s s e u n r i c h t i g g e w o r d e n i s t . Dahin gehören Änderung von Vorrechten einer Aktiengattung (§§ 1 1 , 146 Abs. 2), von Nebenverpflichtungen (§§ 50, 147) Umwandlung von Namensaktien in Inhaberaktien und umgekehrt (§ 17 Anm. 7), Firmenänderung, Sitzverlegung u. dgl. Das Gesetz hebt einen Fall hervor, nämlich Änderung des Nennbetrags der Aktien. Das war eine besondere durch die Umstellung auf Goldmark veranlaßte Erscheinung. In diesem Fall wird aber die Kraftloserklärung nur dann zugelassen, wenn der Nennbetrag zur Herabsetzung des Grundkapitals herabgesetzt worden ist (§ 175 Abs. 4 Nr. 1). Diese „Denomination" wirkt zwar auch ohne Kraftloserklärung; es empfiehlt sich aber, Aktienurkunden mit nicht mehr zutreffenden Nennbetragsziffern aus dem Verkehr zu ziehen. Dagegen ist § 67 nicht zum Zweck einer neuen Stückelung (§ 8 Anm. 13) anwendbar. Dem Umtausch der Kleinaktien dienen die Vorschriften des Art. I der 1. D u r c h f V O zum A k t G vom 29. September 1937 ( R G B l . I S. 1026, abgedruckt bei § 3 E i n f G ) . Diese lehnen sich an § 179 an, der die Kraftloserklärung bei Zusammenlegung von Aktien regelt (vgl. § 67 Abs. 4). — Wegen der Regelung, die anläßlich der Umstellung der Währung von R M auf D M notwendig geworden ist, vgl. § 54 D M B i l G . Nicht zugelassen wird die Kraftloserklärung von Namensaktien, wenn sie nur darin unrichtig geworden sind, daß die Bezeichnung des Aktionärs nicht mehr zutrifft. In solchem Fall besteht f ü r eine Kraftloserklärung kein Bedürfnis. Die Gesellschaft hat sich nach § 62 Abs. 3 an das Aktienbuch zu halten, dessen Berichtigung grundsätzlich nicht die Gesellschaft, sondern nur derjenige herbeiführen kann, der anmeldeberechtigt ist und an der Berichtigung Interesse hat (§ 62 Anm. i g f f . ) .

Anm. 3 O b das Verfahren eingeleitet werden soll, ist eine Frage der Geschäftsführung und v o m V o r s t a n d zu e n t s c h e i d e n . Das Recht auf Wahrung des Ranges (oder auf gleichmäßige Behandlung, § 1 Anm. 12, § 57 Anm. 5, § 58 Anm. 8) fordert auch hierbei, daß gegen alle in gleicher L a g e befindlichen Aktionäre gleichmäßig vorgegangen wird (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 b ; a. M . Ritter Anm. 2 b). Andernfalls hat das Gericht seine Genehmigung, deren es zu diesem Verfahren bedarf, zu versagen. Wird sie dennoch erteilt, so kann sie, da sie unanfechtbar ist ( § 1 4 6 Abs. 3 F G G ) , der einzelne Aktionär also keinen Schutz dagegen hat, ein ungleichmäßiges Verfahren nicht wirksam machen. Zuständig f ü r die Genehmigung ist das Amtsgericht des Sitzes (§ 145 Abs. 1 F G G , § 14 AktG). Wird sie versagt, so hat die Gesellschaft dagegen das Recht der sofortigen Beschwerde (§ 146 Abs. 2 F G G ) , gegebenenfalls der sofortigen weiteren Beschwerde (§§ 27, 29 Abs. 2 F G G ) .

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3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (Fischer) § 67 A n m , 4, 5 Ist die Genehmigung erteilt, so hat die Gesellschaft die A u f f o r d e r u n g z u r Einr e i c h u n g d e r u n r i c h t i g g e w o r d e n e n U r k u n d e n zu erlassen und dabei unter Hinweis auf die Genehmigung des Gerichts die Kraftloserklärung anzudrohen. Dies geschieht nach den Vorschriften des § 58 Abs. 2. Es muß also eine Frist gesetzt, die Frist mit der Androhung muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden und zwar so, daß die erste Bekanntmachung mindestens drei Monate, die letzte mindestens einen Monat vor Fristablauf ergeht (vgl. § 58 Anm. 6). Die Fassung des § 67 Abs. 2, auch die berichtigte, bringt zwar nicht zum Ausdruck, daß bei gebundenen Namensaktien an Stelle der öffentlichen Bekanntmachung durch die Gesellschaftsblätter die einmalige Einzelaufforderung mit einmonatiger Frist genügen soll. Dennoch wird das von Schlegelberger-Quassowski (Anm. 4; vgl. auch § 179 Anm. 8) angenommen (so auch Herbig D J 1935, 115). Man wird dem beizutreten haben, da ein Grund für eine verschieden Behandlung nicht ersichtlich ist. Werden Urkunden zwar nach Fristablauf, aber noch vor der Kraftloserklärung eingereicht, so werden sie nicht mehr für kraftlos erklärt, sondern in berichtigte umgetauscht. Anm. 4 Die trotz Aufforderung nicht eingereichten Urkunden werden — wie nicht besonders gesagt ist, aber sich in entsprechender Anwendung des § 58 Abs. 3 von selbst versteht —• durch eine neue, e i n m a l i g e B e k a n n t m a c h u n g in d e n G e s e l l s c h a f t s b l ä t t e r n f ü r k r a f t l o s e r k l ä r t ; mit der Bekanntmachung im letzten Gesellschaftsblatt wird die Kraftloserklärung wirksam. Das Gericht kann seine Genehmigung nun nicht mehr nach § 18 F G G ändern (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 der aufgehobenen D V O vom 20. Dezember 1934). Die K r a f t l o s e r k l ä r u n g trifft ebenso wie die nach § 66 (Anm. 3 das.) n u r die U r k u n d e , nicht d a s A n t e i l r e c h t o d e r d e s s e n T r ä g e r . Wer Berechtigter war, bleibt es mit dem bisherigen Inhalt des Rechts. Das Gesetz sagt nichts darüber, ob die Kraftloserklärung auch die G e w i n n a n t e i l s c h e i n e ergreift. Die Mehrheit der Schriftsteller nimmt das an, zum mindesten für die noch nicht fälligen Gewinnanteilscheine und den Erneuerungsschein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; Baumbach-Hueck Anm. 3 B; Herbig D J 1935, 1 1 5 ) . Soviel ist sicher, daß der Anspruch auf Gewinnanteil, soweit er von der Veränderung der rechtlichen Verhältnisse betroffen wird, nur gemäß dieser Änderung geltend gemacht werden kann ( § 5 2 Anm. 24). Da das Gesetz unrichtige Urkunden aus dem Verkehr entfernen will, so wird anzunehmen sein, daß die Kraftloserklärung auch auf die ausgegebenen und unrichtig gewordenen Gewinnanteilscheine und den Erneuerungsschein erstreckt werden k a n n , daß das aber in den Aufforderungen und in der Kraftloserklärung selbst zum Ausdruck kommen muß, und daß derjenige, dem das Recht zusteht, den Umtausch in gültige Scheine, entsprechend Abs. 3, von der A G verlangen kann. Anm. 5 ( A b s . 3) Der Berechtigte hat, wie nach § 800 BGB und nach § 66 AktG, einen Anspruch auf eine E r s a t z u r k u n d e , die natürlich den richtigen Inhalt haben muß. Bei Namensaktien hat den Anspruch nur der im Aktienbuch Eingetragene, da es sich hier — anders als im Fall des § 66 (Anm. 2 das.) •— nur um das Verhältnis des Aktionärs zur A G handelt, von der die Kraftloserklärung ausgeht. Daß der Eingetragene auch in der Lage sein müsse, die alte Urkunde vorzulegen (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 5, anscheinend auch v. Godin-Wilhelmi Anm. I), ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Es würde auch eine überflüssige Erschwerung bedeuten. Die Urkunde kann verlorengegangen und dies kann der Grund gewesen sein, warum sie nicht eingereicht worden ist. Die kraftlos gewordene Urkunde nochmals nach § 66 für kraftlos zu erklären, hätte keinen Sinn. Bei Inhaberaktien mag der Besitz der alten Urkunde die Legitimation zum Empfang der neuen erleichtern; unbedingtes Erfordernis ist er auch dort nicht. Die Gesellschaft hat auch nicht abzuwarten, bis der Berechtigte eine neue Urkunde verlangt. Sie hat diese ihrerseits dem Berechtigten auszuhändigen, also zunächst anzubieten. Ist er im Verzuge der Annahme, oder liegt in seiner Person ein anderer Hinderungsgrund vor, oder ist seine Person, •— was bei Inhaberaktien die Regel sein wird —, nicht fest-

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§ 67 Anm. 6 Anm. 68 Anm. 1—3

I. Buch: Aktiengesellschaft

zustellen, so hat die Gesellschaft das Recht zur Hinterlegung (§ 372 BGB) und muß demgemäß verfahren (vgl. Hinterlegungsordnung vom 10. März 1937, RGBl. I 285, und AV des Reichsministers der Justiz vom 15. März 1937, DJ S. 426). Verzichtet sie auf das Recht der Rücknahme, so ist sie befreit (§378 BGB). Kosten der Neuausgabe treffen den Berechtigten nicht, anders als in den Fällen der §§ 66, 68. Die Aushändigung oder Hinterlegung ist dem G e r i c h t anzuzeigen (Abs. 3 Satz 2). Dies kann vom Gericht nach § 14 HGB, § 132 FGG, § 303 AktG durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. Daß das Gesetz hier nicht von einer „Anmeldung", sondern von einer „Anzeige" spricht, ist gleichgültig (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5; Herbig DJ 1935, 1 1 5 ; a. M. Ritter Anm. 5; v. Godin-Wilhelmi Anm. 9). Anm. 6 (Abs. 4) Neben der Kraftloserklärung in den Fällen des § 67 besteht im Fall der Z u s a m m e n l e g u n g von Aktien die Kraftloserklärung nach § 179. Beide Arten sind nach § 240 Abs. 7 bei der Verschmelzung anwendbar, die nach § 179, wenn nach dem Umtauschverhältnis Aktien der übertragenden Gesellschaft zusammengelegt werden müssen, die nach § 67, wenn es keiner Zusammenlegung bedarf; eine Genehmigung des Gerichts ist dabei nicht erforderlich (§ 240 Anm. 52). Entsprechendes gilt bei der Umwandlung (§§ 266, 276, 279). § 6 8 N e u e U r k u n d e n an S t e l l e b e s c h ä d i g t e r o d e r v e r u n s t a l t e t e r A k t i e n oder Zwischenscheine Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein infolge einer Beschädigung oder einer Verunstaltung zum Umlauf nicht mehr geeignet, so kann der Berechtigte, wenn der wesentliche Inhalt und die Unterscheidungsmerkmale der Urkunde noch mit Sicherheit erkennbar sind, von der Gesellschaft die E r teilung einer neuen Urkunde gegen Aushändigung der alten verlangen. Die Kosten hat er zu tragen und vorzuschießen. Anm. 1 Die Vorschrift ist aus § 229 HGB übernommen und entspricht dem § 798 BGB. Sie gilt für Inhaber- wie Namensaktien und Zwischenscheine. Anm. 2 Vorausgesetzt ist, daß die Urkunde infolge von Beschädigung oder Verunstaltung zum Umlauf nicht mehr geeignet, aber doch noch soweit lesbar ist, das sich ihr wesentlicher Inhalt und die Unterscheidungsmerkmale noch mit S i c h e r h e i t erkennen lassen. Ist das nicht mehr der Fall, so ist die Urkunde als „vernichtet" zu betrachten, und es bleibt nur der Weg der Kraftloserklärung nach § 66. Ist es aber der Fall, so kann die Erteilung einer neuen Urkunde verlangt werden, jedoch, wie das Gesetz hier ausdrücklich vorschreibt — vgl. dagegen § 67 Anm. 5 —, nur gegen Aushändigung der alten Urkunde, die damit aus dem Verkehr verschwindet. Anm. 3 Das Verlangen kann „der Berechtigte" stellen. Das ist bei einer Inhaberaktie der Inhaber, bei einer Namensaktie oder einem Zwischenschein derjenige, auf dessen Namen die Urkunde ursprünglich oder durch Indossament lautet, oder der seinen auf Abtretung beruhenden Erwerb nachweisen kann. Man wird aber auch hier, im Gegensatz zu § 66 (vgl. § 66 Anm. 2, § 67 Anm. 5), bei Namensaktien und Zwischenscheinen verlangen müssen, daß der Berechtigte, wenn er nicht im Aktienbuch eingetragen ist, sich zuvor eintragen läßt. Zwar ist der Umtausch nur eineÄußerlichkeit ohne rechtliche Bedeutung. Immerhin handelt es sich dabei um die Ausübung eines Aktionärrechts, und nach § 62 Abs. 3 gilt nun einmal als Aktionär im Verhältnis zur Gesellschaft nur, 426

3. Teil: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft u. der Gesellschafter (Fischer) § 6 8 A n m . 4 § 69 A n r a . 1—3 wer als solcher im Aktienbuch eingetragen ist. Die Gesellschaft hat auch ein Interesse daran, daß der Inhalt des Aktienbuchs richtig ist; die Gelegenheit zur Berichtigung ist hier gegeben. Da die Urkunde noch soweit leserlich sein muß, daß sie die Grundlage für die Eintragung des Berechtigten ins Aktienbuch bilden kann, so besteht kein Grund, davon abzusehen (herrsch. Ansicht; a. M. Brodmann § 229 Anm. 1 ; Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 229 Anm.). Anm. 4 Alle K o s t e n — auch die der Eintragung nach Anm. 3 — hat der Berechtigte zu tragen und vorzuschießen (vgl. § 66 Anm. 4, dagegen § 67 Anm. 5). § 6 9 Neue Gewinnanteilscheine Neue Gewinnanteilscheine dürfen an den Inhaber des Erneuerungsscheins nicht a u s g e g e b e n w e r d e n , w e n n d e r B e s i t z e r d e r A k t i e o d e r d e s Z w i s c h e n s c h e i n s d e r A u s g a b e w i d e r s p r i c h t . I n d i e s e m F a l l s i n d die S c h e i n e d e m B e sitzer der Aktie oder des Zwischenscheins auszuhändigen, wenn er die Haupturkunde vorlegt. Anm. 1 Die Vorschrift ist aus § 230 H G B übernommen und entspricht dem § 805 BGB. Anm. 2 Es hegt im Wesen des nur als Hilfspapier zur Legitimation dienenden Erneuerungsscheins (§ 52 Anm. 37), daß er hinter dem Hauptpapier zurückstehen muß. Wo dessen Besitzer dem widerspricht, daß neue Gewinnanteilscheine an den Inhaber des Erneuerungsscheins ausgehändigt werden, e r w e i s t s i c h die L e g i m a t i o n s k r a f t d e s H a u p t p a p i e r s a l s die s t ä r k e r e (RG 77, 336; L Z 1916, 1007 7 ). Gegen Vorlegung der Haupturkunde sind alsdann an deren Besitzer die neuen Gewinnanteilscheine auszuhändigen. Über die Frage der sachlichen Berechtigung wird damit nichts ausgemacht, sondern es wird nur ein einstweiliger Zustand geschaffen. Ist der Inhaber des Erneuerungsscheins im Verhältnis zum Besitzer der Haupturkunde — z. B. durch Abtretung — berechtigt, die neuen Gewinnanteile zu beziehen, so bleibt es ihm unbenommen, den Widerspruch des Besitzers der Haupturkunde im Klagewege zu beseitigen oder, wenn dieser die neuen Gewinnanteilscheine schon erhalten hat, deren Herausgabe zu verlangen. Die Klage kann sich auf § 95 2 BGB, gegebenenfalls auch auf schuldrechtliche Gründe stützen. Anm. 3 Der „ B e s i t z e r " des Hauptpapiers ist sowohl der unmittelbare als auch der mittelbare Besitzer, sofern er in der Lage ist, das Papier der Gesellschaft auf deren Verlangen vorzulegen (ebenso Brodmann § 230 Anm. 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 1 ; a. M . Düringer-Hachenburg-Flechtheim § 2 3 0 Anm.). Die Eintragung im Aktienbuch (§ 62 Abs. 3) ist nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 69, da es sich hier nicht um das Verhältnis des Besitzers der Haupturkunde zur Gesellschaft, sondern um sein Verhältnis zum Inhaber des Erneuerungsscheins handelt (übereinstimmend Düringer-Hachenburg-Flechtheim aaO.; Ritter Anm. 2, Schlegelberger-Quassowski aaO.; Baumbach-Hueck aaO., a. M . Brodmann § 230 Anm. 2).

28

Aktiengesetz, 2. Aufl.

427

§70

I. Buch: Aktiengesellschaft

Vorbem. Vierter

Teil

Verfassung der Aktiengesellschaft Vorbemerkungen Die Vorschriften dieses Teils des Aktiengesetzes enthalten die wichtigsten und grundlegenden Änderungen der Reform von 1937 gegenüber dem früheren Recht. Z w a r ist der A u f b a u der Verfassung der Aktiengesellschaft formal unverändert geblieben: gesetzliche Verwaltungsträger der Gesellschaft sind, wie früher, Vorstand, Aufsichtsrat und die Versammlung der Aktionäre, die „Hauptversammlung". Auch der frühere Aufgabenkreis dieser Verwaltungsträger ist grundsätzlich beibehalten worden: der Vorstand ist Leiter des Unternehmens und gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft; der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen; die Hauptversammlung ist „oberstes Willensorgan". Der grundlegende Unterschied gegenüber dem früheren Recht ist aber die Erweiterung und Sicherung der Stellung des Vorstands, die entsprechende Abschwächung der Machtbefugnisse der Hauptversammlung und die Ausschaltung der Vertragsfreiheit mit Bezug auf die gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Verwaltungsträger. Die aktienrechtlichen Vorschriften des H G B §§ 2 3 1 f r . sahen einen zwingenden Charakter der Kompetenzverteilung zwischen den Organen nicht vor. Die Generalversammlung war im wahrsten Sinn oberstes Organ der A G ; sie konnte alle Kompetenzen an sich ziehen. Sie hatte den Aufsichtsrat zu wählen; sie konnte sich aber auch die Bestellung des Vorstands vorbehalten. Sie konnte den Vorstand in allen Geschäftsführungsfragen Weisungen erteilen oder den Abschluß von Geschäften von ihrer Zustimmung abhängig machen. Die Satzung konnte in allen diesen Beziehungen die gewünschten Regelungen vorsehen. Das galt auch für die Befugnisse des Aufsichtsrats. Das Gesetz sah ihn als Überwachungsorgan für die Geschäftsführung vor. Die Satzung konnte aber die entscheidende Geschäftsführungsbefugnis dem Aufsichtsrat verleihen. Dies geschah in der Regel nicht in der Weise, daß dem Aufsichtsrat die Geschäftsführung und dem Vorstand nur die Ausführung der für die Geschäftsführung gefaßten Beschlüsse des Aufsichtsrats übertragen wurde, sondern in der Weise, daß der Aufsichtsrat die Richtlinien für die Geschäftspolitik festzulegen hatte, die für den Vorstand bei allen seinen Maßnahmen maßgebend sein sollten, und daß er schlechthin befugt war, dem Vorstand — auch im Einzelfall — Weisungen zu erteilen. Die Generalversammlung konnte durch satzungsändernde Beschlüsse die Regelung der Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ändern und der jeweiligen Lage, insbesondere entsprechend den gegebenen Persönlichkeiten, anpassen. Waren die starken Persönlichkeiten im Aufsichtsrat und diese in der Lage, das Unternehmen zu leiten, so konnte der Schwerpunkt für die Geschäftsführung in den Aufsichtsrat verlegt werden; hatte man die starken Persönlichkeiten für den Vorstand zur Verfügung, so konnte man ihm die eigentliche Leitung des Unternehmens übertragen und den Aufsichtsrat auf die Überwachung beschränken. Daneben blieb der Generalversammlung die Möglichkeit, jederzeit selbst in die Geschäftsführung einzugreifen, soweit die Satzung dies nicht ausdrücklich ausschloß. Diese freie Gestaltungsmöglichkeit hat das Aktiengesetz von 1937 radikal ausgeschlossen. Die Verteilung der Kompetenzen zwischen den Organen der A G ist zwingend, unabänderlich im Gesetz festgelegt. Insoweit ist eine Entthronung der Hauptversammlung vollzogen (s. Schlegelberger, Die Erneuerung des deutschen Aktienrechts, S. 28). Sie kann in die Geschäftsführung unmittelbar nicht mehr eingreifen. Bindende Beschlüsse über Geschäftsführungsmaßnahmen kann sie vielmehr nach § 103 Abs. 2 nur auf Verlangen des Vorstandes fassen, wenn dieser sich für eine Maßnahme von

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 70 Vorbem.

vornherein Deckung verschaffen will. Die Bestellung des Vorstandes ist ausschließlich dem Aufsichtsrat vorbehalten. Die Hauptversammlung kann eine Änderung der Geschäftspolitik nicht durch Abberufung des Vorstands und Bestellung eines neuen, ihr willfährigen Vorstandes herbeiführen; sie wäre hierfür, wenn der A R die Geschäftspolitik des Vorstands billigt, auf die Abberufung des Aufsichtsrats und auf eine Neuwahl eines Aufsichtsrats beschränkt, von dessen Mitgliedern sie die Umbesetzung des Vorstands erwarten könnte. Die Hauptversammlung entscheidet aber allein über den verfassungsmäßigen und kapitalmäßigen A u f b a u der Gesellschaft (§§ 145, 149, 169, 174, 175). Sie ist somit nach wie vor oberstes Organ der Gesellschaft (s. auch § 7 0 Anm. 1). Für die Entmachtung der Generalversammlung ist der Gedanke maßgebend gewesen, daß angesichts der wachsenden Bedeutung der großen in Form der A G betriebenen Unternehmen nicht einer dem Wechsel unterworfenen Mehrheit einer oft unübersehbaren Zahl von Aktionären, sondern nur durch Gesetz und Anstellungsvertrag verantwortlichen Persönlichkeiten, die nach Vorbildung und Charakter befähigt und sachkundig sowie durch die ausschließliche Hingabe an ihre Aufgabe m ; t den Bedürfnissen des Unternehmens vertraut sind, die oberste Leitung anvertraut werden kann. Deshalb bestimmt § 70 AktGes. zwingend, daß der Vorstand das Unternehmen selbständig unter eigener Verantwortung zu leiten hat. V o n dieser Grundkonzeption aus ergibt sich von selbst für den Aufsichtsrat, daß er auf die Überwachung der Geschäftsführung beschränkt ist. Auch er kann — ebensowenig wie die Hauptversammlung -— in die Geschäftsführung befehlend eingreifen. § 95 Abs. 5 schließt ausdrücklich Weisungen des Aufsichtsrats an den Vorstand aus. Dem Aufsichtsrat kann durch die Satzung zum Zwecke wirksamerer Überwachung die Genehmigung bestimmter Arten von Rechtsgeschäften vorbehalten bleiben; auch kann er selbst hierfür jederzeit eine Genehmigungspflicht festlegen. Nur eine mittelbare Einwirkung auf die Geschäftsführung ist dem Aufsichtsrat mit seinem Recht der Bestellung und Abberufung des Vorstands gegeben. Das Gesetz macht bei alledem keinen Unterschied, ob die Aktien der A G in weitem Streubesitz verteilt sind oder ein Großaktionär oder eine Gruppe von Großaktionären die Gesellschaft beherrscht. I m letzteren Fall brauchen der Mangel an Sachkunde und die Befürchtung ständigen Wechsels, die die Hauptversammlung als für die Geschäftsführung ungeeignet erscheinen lassen, nicht vorzuliegen. Hier pflegt der Großaktionär seinen Einfluß auf die Geschäftsführung dadurch zu sichern, daß er selbst oder meist angestellte Vertreter von ihm im Vorstand oder zum mindesten im Aufsichtsrat der A G sind. Die neue zwingende gesetzliche Kompetenzregelung hat sich im Konzernwesen nicht durchgesetzt (dazu etwa Walter Schmidt in N J W 1957, 1337). Hier gehört es zum Wesen der Konzernherrschaft, daß die Konzernspitze die Konzernglieder leitet ( § 1 5 Abs. 1). Ein Mittel hierzu war die Besetzung des Aufsichtsrats der Tochtergesellschaften mit Vorstandsmitgliedern und leitenden Angestellten der Konzernspitze und das in der Satzung der Töchter festgelegte Weisungsrecht ihrer Aufsichtsräte gegenüber den Vorständen. Das gesetzliche Verbot dieses Weisungsrechts (§95 Abs. 5) hat seine fortdauernde tatsächliche Handhabung nicht zu verhindern vermocht und einen Zwiespalt zwischen Recht und Wirklichkeit entstehen lassen (hierzu § 1 5 Anm. 7 a). Soweit hinsichtlich der Vorschriften über die Verfassung der Aktiengesellschaft R e f o r m v o r s c h l ä g e unterbreitet worden sind, wird hierauf bei den einzelnen Bestimmungen eingegangen werden. Zusammenfassende Darstellungen über den Ref.Entw. des Bundesjustizministeriums bringen insoweit Franta in Betr. 1958, 1347 fr. sowie Eckardt in N J W 1958, 1945 fr. und N J W 1959, 9 ff. Soweit der Entwurf weitgehende Reformvorschläge zur Regelung der Konzernverfassung enthält, ist an dieser Stelle nur auf die Ausführungen von K r o p f f in N J W 1959, 1 7 3 ff- zu verweisen, sowie besonders auf Würdinger in Betr. 1958, 1447 fr. 28«

429

§70 Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft Erster Abschnitt Vorstand § 7 0

Leitung der Aktiengesellschaft ( 1 ) D e r V o r s t a n d h a t u n t e r eigener V e r a n t w o r t u n g die Gesellschaft s o zu leiten, wie d a s W o h l d e s B e t r i e b s u n d seiner Gefolgschaft u n d d e r g e m e i n e N u t z e n v o n Volk u n d R e i c h es f o r d e r n . ( 2 ) D e r V o r s t a n d k a n n a u s einer o d e r m e h r e r e n P e r s o n e n b e s t e h e n . I s t ein V o r s t a n d s m i t g l i e d z u m V o r s i t z e r des V o r s t a n d s e r n a n n t , s o entscheidet dieser, w e n n die S a t z u n g n i c h t s a n d e r e s b e s t i m m t , bei M e i n u n g s v e r s c h i e d e n heiten i m V o r s t a n d . Ü b ersieht Einleitung I. Die Bezeichnung „Vorstand" II. Leitung der Gesellschaft: 1. Geschäftsführung . . . 2. Gesetzliche Vertretung 3. Willensorgan 4. Notwendiger Verwaltungsträger III. 1. Eigenverantwortlichkeit 2. Mitwirkung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung 3. Haftung 4. Entstehungsgeschichte und Reformbestrebungen I V . Die sozial- und wirtschaftspolitischen Pflichten des Vorstands

3 4 5 6 7 8 9 10

1. 2. 3. 4.

Gemeinwohl Wohl des Betriebes . . Interessen der Aktionäre Wohl der Belegschaft .

11 11 a 11b 12

V . Zusammensetzung des Vorstands

13 V I . Geschäftsführung und Geschäftsverteilung . . . . 14—15 V I I . Vorsitzer des Vorstands . Allgemeines 1 6 — 17 Entscheidungsbefugnis . . 18 Mitbestimmungsrecht . . ig Reformbestrebungen . . . 20 Übergangsrecht 21 V I I I . Vorstandspräsidium . . . I X . Außerordentliche Vertreter

22 23

Einleitung Anm. 1 Das H G B hatte in § 231 Abs. 2 nur die Bestimmung über die Zusammensetzung des Vorstands im gleichen Wortlaut wie § 70 Abs. 2 Satz 1. Die weiteren Bestimmungen des § 70 sind neu. § 70 Abs. 1 umschreibt die rechtliche Stellung des Vorstands als o b e r s t e s g e s c h ä f t s f ü h r e n d e s Organ und gibt die Richtlinien, wie die Leitung der Gesellschaft zu erfolgen hat. § 70 Abs. 2 Satz 2 behandelt die Entscheidungsgewalt eines V o r s i t z e r s des V o r s t a n d e s . § 70 in der Fassung des A k t G von 1937 ist auch nach 1945, trotz seiner unverkennbar nat.-soz. Terminologie in Abs. 1 und dem, wie man annahm, hier verwirklichten „Führerprinzip" in Kraft geblieben; (über Reformerfordernisse vgl. Anm. 10 und 19). In Wirklichkeit hat nämlich das A k t G zwar die Befugnisse der notwendigen Organe der A G , des Vorstands, des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung neu abgegrenzt und zwingend geordnet, jedoch die Hauptversammlung nach wie vor als o b e r s t e s Organ der Gesellschaft anerkannt (h. L. vgl. Baumbach-Hueck, Ü b . vor § 70, Anm. i B ; Teichmann-Köhler, §102 Anm. 1; v. Godin-Wilhelmi, § 1 0 2 Anm. I). Denn wenn auch nach dem Aktienrecht von 1937 die Bestellung des Vorstands allein dem Aufsichtsrat übertragen wurde (§ 75), wird letzterer durch die Hauptversammlung gewählt und abberufen (§ 87, mit Ausnahme der Arbeitnehmervertreter), die somit auch auf die Bestellung des Vorstands Einfluß nehmen kann. Außerdem kann allein die Hauptversammlung den Vorstand entlasten (§ 104 Abs. 2); wegen der Befugnisse der

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Anm. 2

Hauptversammlung im übrigen s. Einleitung zu § 102. Bereits für das frühere Recht des H G B ist jedoch vom R G ausgesprochen, daß die Bezeichnung der Generalversammlung als oberstes Willensorgan der A G nicht bedeute, daß es dieser erlaubt sei, in die durch Gesetz (oder Satzung) getroffene Regelung über die Abgrenzung der Befugnisse und Zuständigkeiten der einzelnen Organe der A G einzugreifen, ihr vielmehr nur die Beschlußfassung über die wichtigsten Maßnahmen für das Bestehen und Gedeihen der Gesellschaft vorbehalten sei, R G 1 1 7 , 206. Diese Ausführungen gelten auch heute noch. Natürlich ist nicht zu verkennen, daß die Befugnisse der Hauptversammlung gerade durch § 70 im Vergleich zum früheren Recht stark eingeschränkt worden sind, da ihr jede direkte Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft genommen ist, es sei denn, der Vorstand verlangt ausdrücklich eine Beschlußfassung (§ 103 Abs. 2). Die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands bei der Leitung der Gesellschaft ist aber nicht ein verfehlter nat.-sozialistischer Wirtschaftsauffassung entspringender Fremdkörper im Aktienrecht. Es ist vielmehr durch diese Regelung eine Entwicklung der Unternehmensstruktur, besonders des Großunternehmens in seiner gesamtvolkswirtschaftlichen und sozialen Bedeutung berücksichtigt, die keineswegs allein auf den Bereich des Aktienrechts in Deutschland beschränkt ist. So sehr man beklagen möge, daß sich gerade im Aktienwesen das Gesetz und die Praxis der großen Gesellschaften — auch schon vor der Reform von 1937 — immer mehr zum „Unternehmen an sich" hin bewegen (vgl. G. E. Fischer in AcP Bd. 154 S. i o i f f . und v. Godin-Wilhelmi Anm. 2), so läßt sich doch eine Entwicklung nicht aufhalten, die zu einer gewissen^Zurückdrängung der Aktionäre als den formellen Eigentümern der A G führen muß. Die A G als Gesellschaftsform des Großunternehmens der modernen Volkswirtschaft mit ihren Tausenden von Arbeitnehmern und als Trägerin von Millionen-, gar Milliarden-Werten, ist nicht mehr allein aus der Sicht des häufig nur an einer gewinnbringenden Verzinsung seiner Aktie interessierten Aktionärs zu erfassen, ganz abgesehen davon, daß es Außenstehenden, ohne Kenntnis aller Betriebszusammenhänge, in der Regel gar nicht möglich ist, sich ein zutreffendes und erschöpfendes Bild von den in der Leitung eines Unternehmens zu treffenden Maßnahmen und Entscheidungen zu machen. Den — legitimen — Aktionärsinteressen stehen die — nicht minder legitimen — Interessen der Öffentlichkeit entgegen: der wirtschaftliche Bestand eines Unternehmens als Faktor der Nationalwirtschaft und als Arbeitgeber. Durch das BetrVG und das MitbestG sind zur Befriedung der sozialen Gegensätze über das AktG von 1937 hinaus weitere Einschränkungen der Rechte der Aktionäre vorgenommen worden, wobei die Struktur und das Verhältnis der Organe der A G zueinander im übrigen nicht angetastet wurden. Etwaige Reformwünsche, die eine Stärkung der Hauptversammlung befürworten, werden daher heute auch notwendig in ihrer Auswirkung auf die gesetzliche Arbeitnehmerbeteiligung in den Organen der A G Rücksicht nehmen müssen, wie umgekehrt allerdings eine weitere Beschränkung der Rechtsstellung der Aktionäre zu einer nicht mehr vertretbaren Aushöhlung des Eigentumsbegriffs und damit zu einer Sozialisierung auf kaltem Wege führen kann.

Anm. 2 I. Als juristische Person (§ 1 Anm. 3) muß die A G eine natürliche Person haben, durch die sie im Verkehr handelt und sich betätigen kann. Dieses Organ ist der V o r s t a n d . Er ist selbständiger Verwaltungsträger und leitet seine Befugnisse und Obliegenheiten nicht aus einer „Bevollmächtigung" durch Aufsichtsrat oder Hauptversammlung ab; R G 1 1 7 , 203 (207). Vgl. auch Anm. 4. Die Bezeichnung „ V o r s t a n d " ist zwingend vorgeschrieben. Die Bezeichnung „Direktorium" oder „Verwaltungsrat" für das Gesamtkollegium oder die Bezeichnung „Geschäftsführer" oder „Direktor" für ein einzelnes Vorstandsmitglied sind unklar und unbestimmt. „Verwaltungsrat" oder „Direktorium" kann auch ein anderes Gremium genannt werden (vgl. §95 Anm. 28); der Titel „Direktor" wird auch sonstigen Angestellten, z. B. Prokuristen oder Filialvorstehern verliehen. Der Registerrichter muß daher die Eintragung einer A G , deren Satzung in der Bestimmung über die Zusammensetzung des Vorstands (§ 16) eine andere Bezeichnung für diesen, z.B. Geschäftsführer, Direktorium und dgl. enthält, oder die Anmeldung der Bestellung eines Direktors oder Ge-

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Anm. 3—6

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schäftsführers zurückweisen (vgl. Baumbach-HueckAnm. i ) . O L G K o l m a r ( L Z 1 9 0 8 , 8 7 1 ) hat ausnahmsweise die Eintragung eines als „Direktor" Gewählten als Vorstandsmitglied zugelassen, weil die besonderen Umstände des Falls jeden Zweifel an der Bedeutung der Wahl ausschlössen. Dem ist zuzustimmen. I m übrigen hat die Frage heute keine besondere Bedeutung, da sich die gesetzlichen Bezeichnungen der Organe der A G inzwischen im Verkehr weitgehend durchgesetzt haben, vgl. auch Ritter, § 70 Anm. 3. Uber die Bezeichnung „Generaldirektor" vgl. Anm. 17.

Anm. 3 II. 1. Der V o r s t a n d h a t die G e s e l l s c h a f t zu leiten. Die Leitung umfaßt sowohl die V e r t r e t u n g der A G wie die G e s c h ä f t s f ü h r u n g . Beides, Vertretung und Geschäftsführung, ist der gleiche Handlungsvorgang, nur von verschiedenen Seiten oder in bezug auf verschiedene Wirkungen gesehen. Geschäftsführung ist Betätigung jeder Art zur Gestaltung der Wirtschaftsleistung der A G , Vertretung ist das Handeln für die A G im Rechtsverkehr mit Dritten. Die Geschäftsführung umfaßt alle innerorganisatorischen Maßnahmen und Leistungen wie alle rechtsgeschäftlichen Handlungen: das Durchlesen des täglichen Posteingangs, die Besichtigung des Betriebes, die Anweisungen für das tägliche Arbeitsprogramm, die Aufstellung der Betriebsordnung, die Führung der Bücher, die Erprobung einer Erfindung wie den Vertrieb der hergestellten Waren, den Einkauf der Rohstoffe und Maschinen, den Abschluß von Verträgen und Absprachen aller Art, die Durchführung und Überwachung aller sozialen und öffentlichen Aufgaben, die Repräsentation der Gesellschaft. J e d e Handlung des Vorstands ist hiernach Geschäftsführung. Vertretung liegt nur vor, wenn eine geschäftsführende Handlung im Rechtsverkehr mit Dritten vorgenommen wird. Geschäftsführung ist die Betätigung des Vorstands im Verhältnis nach innen zur Gesellschaft betrachtet. § 70 behandelt in Abs. 1 nur die Geschäftsführung des Vorstands, die sich im übrigen nach den allgemeinen Auftragsregeln bestimmt, §§664 bis 670 B G B (vgl. §§ 27 I I I und 7 1 3 B G B ) , so auch B G H 24, 53. Die Vertretung der Gesellschaft ist in § 71 geregelt.

Anm. 4 2. Der Vorstand ist „ g e s e t z l i c h e r V e r t r e t e r " , nicht nur weil die A G nach dem Gesetz einen Vorstand haben m u ß (vgl. auch § 32), sondern auch weil seine Vertretungsmacht nach Inhalt und U m f a n g durch das Gesetz bestimmt ist. Z w a r beruht die Bestellung des Vorstands regelmäßig auf einem r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e n Akt (Bestellung durch den Aufsichtsrat § 75; ausnahmsweise Bestellung durch das Gericht § 76); aber die Vertretungsmacht — Dritten gegenüber — ist nach dem Gesetz unbeschränkbar (§ 74 Abs. 2); vgl. auch R G 1 1 7 , 207f. Auch der Einschränkung der Vertretungsund Geschäftsführungsbefugnis sind — verschärft gegenüber dem früheren Recht — Grenzen gesetzt (§ 74 Abs. 1 ; vgl. Anm. 1).

Anm. 5 3. Als gesetzlicher Vertreter der A G ist der Vorstand W i l l e n s o r g a n der A G . Sein Wissen und Kennen ist Wissen und Kennen der A G . Sein Kennenmüssen wird der A G zugerechnet. Die A G handelt durch den Vorstand. Seine in Handlungen umgesetzten Willensentschlüsse sind solche der A G . Diese wird durch die r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e n Handlungen des Vorstands berechtigt und verpflichtet. Sie haftet auch außervertraglich für die Handlungen und Unterlassungen ihres Vorstands ( B G B §§278, 3 1 ; vgl. § 1 Anm. 3 und § 71 Anm. 27f.).

Anm. 6 4. Der Vorstand ist n o t w e n d i g e r V e r w a l t u n g s t r ä g e r der A G . Die Entstehung der A G , ihre Eintragung in das Handelsregister, setzt die Bestellung eines Vorstands voraus (§ 32). Diesem liegt die Gründungsprüfung ob (§ 25, 26). V o n sämtlichen Mitgliedern des Vorstands ist die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§28). Zeitweiliger späterer Fortfall des Vorstands oder der zur Leitung der A G erforderlichen Zahl von Vorstandsmitgliedern ist ohne Einfluß auf den B e s t a n d der A G (so auch Schlegelberger-Quassowski § 7 1 Anm. 3). Ein Auflösungsgrund ist

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Anm. 7

nicht gegeben (§ 203). Die A G arbeitet durch ihre sonstigen Angestellten und Arbeiter weiter. Sie kann auch im Rechtsverkehr weiter handeln, soweit sie durch Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte vertreten ist. Vgl. auch § 71 Anm. 3. Nur solche Handlungen müssen unterbleiben, für die das Gesetz die persönliche Vornahme durch den Vorstand verlangt, wie Anmeldungen zum Handelsregister, bei denen mindestens ein Vorstandsmitglied mitwirken muß (§ 73 Anm. 4) oder die von sämtlichen Mitgliedern des Vorstands vorzunehmen sind (§ 28), oder Unterzeichnung der Aktienurkunden (§ 13 Anm. 3), Einberufung der Hauptversammlung (§ 105 Abs. 1), überhaupt alle Maßnahmen, die die Beziehungen der A G zu den Aktionären betreffen und nicht den Betrieb der AG. Ebensowenig kann die A G Klage erheben oder verklagt werden, solange sie ohne Vorstand ist (Brodmann § 231 Anm. l a ; J W 1907, 516 1 9 ; § 71 Anm. 2a). In bestimmten Fällen kann aber ein Prozeßvertreter gem. § 57 Z P O bestellt werden, vgl. § 71 Anm. 2 und §48 Anm. 12. Wegen außerordentlicher Vertreter für A G , die in der Ostzone und in den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie ihren Sitz haben, s. Anm. 23 unten. Für Abhilfe hat der Aufsichtsrat zu sorgen, dem gemäß § 75 die Bestellung des Vorstands obliegt. Versäumung dieser Pflicht kann zur Schadensersatzpflicht führen (§ 99), unter Umständen bei Gefährdung des Gemeinwohls und gröblichen Verstößen der unverantwortlichen Angestellten gegen die Grundsätze verantwortungsbewußter Wirtschaftsführung zur Auflösung der A G von Staats wegen (§ 288). Unterbleibt die Bestellung der fehlenden Zahl der Vorstandsmitglieder, so kann die Bestellung durch das Gericht gemäß § 76 vorgenommen werden; dagegen kann der Registerrichter nicht den Aufsichtsrat durch Ordnungsstrafen zur Bestellung eines Vorstands zwingen. Solange ein Vorstand fehlt, sind nicht die übrigen Verwaltungsträger der AG, Aufsichtsrat oder Hauptversammlung, befugt, die Gesellschaft zu leiten. Sie bleiben auf ihre Zuständigkeiten beschränkt (vgl. § 95 Anm. 18; § 103 Anm. 4ff.). Insbesondere kann der Aufsichtsrat nicht an Stelle des Vorstands Anmeldungen zum Handelsregister vornehmen, z. B. für eine Prokurenbestellung. Die Prokuristen oder sonstigen Angestellten sind nicht den Weisungen des Aufsichtsrats unterworfen, werden auch nicht von der Haftung für schuldhaftes Handeln befreit, wenn sie solchen Weisungen folgen. Anders, wenn der Aufsichtsrat gemäß § 90 Abs. 2 einzelne seiner Mitglieder in den Vorstand delegiert. Dann handeln diese Aufsichtsratsmitglieder als Vorstand.

Anm. 7 I I I . 1. Der Vorstand leitet die Gesellschaft u n t e r eigener V e r a n t w o r t u n g . Ihm ist hiermit s e l b s t ä n d i g e E n t s c h e i d u n g s b e f u g n i s zuerkannt. Dadurch ist sein Verhältnis zu den übrigen Verwaltungsträgern bestimmt. Entscheidungen für die Leitung der A G , Maßnahmen der Geschäftsführung können von den übrigen Verwaltungsträgern nicht getroffen werden. Die Satzung kann sie dem Aufsichtsrat nicht übertragen. Der Aufsichtsrat kann sie sich selbst nicht anmaßen (§ 95 Abs. 5 u. Anm. i8fF.). Auch die Hauptversammlung kann Entscheidungen über Fragen der Geschäftsführung nicht an sich ziehen. Die Satzung kann der Hauptversammlung solche Entscheidungen nicht vorbehalten. Die gesetzliche Abgrenzung der Zuständigkeiten der Organe der A G ist zwingenden Rechts, vgl. schon für das frühere Recht R G 1 1 7 , 206 und R G 43, 286. Der Aufsichtsrat kann zwar mit dem ihm in § 95 Abs. 4 zugebilligten Recht auf Einberufung der Hauptversammlung deren Beschlußfassung über eine Frage der Geschäftsführung herbeiführen, dadurch aber die Befugnis des Vorstands zu selbständiger Entscheidung in dieser Frage nicht ausschalten (§ 103 Abs. 2 s. Anm. 5). Mit dieser Regelung ist eine grundlegende Änderung gegenüber dem früheren Recht erreicht (vgl. auch § 74 Anm. 1). Das H G B hatte keine dem § 70 Abs. 1 entsprechende Vorschrift. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, durch die Satzung eine Verschiebung der Zuständigkeiten, wie sie grundsätzlich auch dem H G B vorschwebten, zwischen den Verwaltungsträgern vorzunehmen. Vielfach bestimmten die Satzungen, daß der Vorstand den Weisungen des Aufsichtsrats zu folgen verpflichtet ist. Bestritten war, ob dem Aufsichtsrat, abgesehen von den dem Vorstand durch Gesetz vorbehaltenen Maßnahmen und den gesetzlichen Rechten der Generalversammlung, die gesamte Geschäftsführung übertragen werden konnte. Brodmann (§231 Anm. ie) hatte dies verneint,

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§ 70 Anm. 8

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die herrschende Lehre und Rechtsprechung hatte es anerkannt (RG in H R R 1930 Nr. 305; OLG Hamburg in J H R 35, 247; Staub § 246 Anm. 10). Der Vorstand war in solchen Fällen zum bloßen Vollziehungsorgan des Aufsichtsrats geworden. Es wurde sogar für zulässig erachtet, in der Satzung neben dem Aufsichtsrat ein besonderes Verwaltungsgremium, etwa einen Verwaltungsrat, einzurichten und diesem die Leitung anzuvertrauen (s. im einzelnen auch Vorbemerkung zu §70). Derartige Satzungsbestimmungen sind gemäß § 70 unzulässig (§ 95 Anm. 18). Die Zuständigkeitsregelung des § 70 ist, wie schon erwähnt, zwingender Natur. Die Vertragsfreiheit ist mit Bezug auf die Abgrenzung der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Vorstandes und der übrigen Verwaltungsträger aufgehoben, soweit das Gesetz nicht selbst Abweichungen zuläßt. Wegen der Stellung des Vorstands in Konzerngesellschaften siehe die Vorbemerkung u. Anm. 7a zu § 15. Anm. 8 2. Von der zwingenden gesetzlichen Zuständigkeitsabgrenzung der Organe ergeben sich Abweichungen aus § 95 Abs. 5. Die Satzung kann bestimmen, daß der Vorstand bestimmte Arten von Rechtsgeschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf. Gemäß § 95 Abs. 5 kann der Aufsichtsrat — auch ohne derartige Satzungsbestimmung oder über sie hinaus — von sich aus derartige Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands vorsehen (vgl. § 95 Anm. 20). Dagegen sind für die Hauptversammlung gleiche Eingriffsrechte gegenüber dem Vorstand nicht vorgesehen. Die Satzung kann daher nicht mehr bestimmen, daß bestimmte Arten von Rechtsgeschäften der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen (Schmidt Umgestaltung S. 133; Möhring-Schwartz S. 105). § 103 Abs. 3 bestimmt ausdrücklich, daß die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur Beschluß zu fassen hat, wenn der V o r s t a n d es verlangt. Selbst wenn der Aufsichtsrat gemäß § 95 Abs. 4 die Hauptversammlung einberuft und über eine Frage der Geschäftsführung entscheiden läßt, wird der Vorstand durch diese Beschlußfassung nicht gebunden. Das Gesetz hat aber in bestimmten Fällen die Vertretungsmacht des Vorstands dadurch beschränkt, daß es zur Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte die Zustimmung der Hauptversammlung erfordert (§ 74 Anm. 6; siehe die dort angeführten Fälle). Eine Ausdehnung dieser Vorschriften in der Satzung auf andere Fälle, insbesondere auch auf die Aufhebung der in § 256 genannten Verträge ist unzulässig (aM Möhring-Schwartz S. 107). Im Hinblick auf die Vorschläge des Ref.-Entw. in §§ 270 fr., die Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Abschluß, Änderung und Beendigung von sog. Unternehmensverträgen erheblich zu erweitern, ist in § 78 Ref.-Entweine Bestimmung aufgenommen worden, die den Vorstand auf entsprechenden Beschluß der Hauptversammlung hin verpflichtet, bei Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, die erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen und die beschlossenen Maßnahmen durchzuführen. Im einzelnen vgl. über die Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht des Vorstands die Anm. zu § 74. 3. Die Vorschrift, daß der Vorstand die Gesellschaft „unter eigener Verantwortung" leitet, bedeutet neben der zwingenden Zuständigkeitsabgrenzung die Begründung eigener Haftung und einer besonderen T r e u p f l i c h t gegenüber der Gesellschaft (dazu § 75 Anm. 21) innerhalb des dem Vorstand zugewiesenen Aufgabenkreises. Der Vorstand hat seine Leitung und Geschäftsführung selbst zu verantworten. Es genügt nicht, daß er die Beschränkungen innehält, die ihm Gesetz und Satzung für seine Geschäftsführung auferlegen (§ 74 Anm. 4). Die Einholung der Zustimmung des Aufsichtsrats entlastet ihn nicht, auch wenn die Satzung für das Geschäft diese Zustimmung erfordert (§ 84 Abs. 4). Daß er das Geschäft vornimmt, muß er selbständig verantworten. Für schuldhaftes Handeln kann er schadensersatzpflichtig sein (§ 84); auch ohne daß ihn ein Verschulden trifft, kann seine Handlungsweise zur Entziehung des Vertrauens und zur Verweigerung der Entlastung führen (§ 104 Anm. 3fr.; § 75 Anm. 14 u. 17). Jedes Vorstandsmitglied ist daher auch nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, bei Geschäfts- und Verwaltungsmaßnahmen, die vom Gesamtvorstand, dem Aufsichtsrat 434

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 70 Anm. 9, 10 oder der Hauptversammlung getroffen wurden, seine Bedenken und Einwände zu äußern; daß diese in sachlicher Form vorgebracht werden müssen, versteht sich (BGH '5, 7i [78]). Anm. 9 Das Gesetz gibt dem Vorstand eine Möglichkeit, seine Verantwortung g e g e n ü b e r der G e s e l l s c h a f t auszuschließen. Er kann gemäß § 103 Abs. 2 die Beschlußfassung der Hauptversammlung über eine Frage der Geschäftsführung herbeiführen. Folgt er dann der von der Hauptversammlung getroffenen Entscheidung, so entfällt im Schadensfall die Ersatzpflicht des Vorstands gegenüber der Gesellschaft (§ 84 Abs. 4 u. Anm. 31 ff.). Von einer Haftung gegenüber den Gläubigern der AG befreit ihn auch ein Beschluß der Hauptversammlung nicht. Uber die Verantwortlichkeit des Vorstands bei Schaffung der Konzernzugehörigkeit der Gesellschaft vgl. Anm. 7 b zu § 15; über die Verantwortlichkeit des Vorstands einer Konzerngesellschaft (insbes. bei Organverhältnis) s. Anm. 7 c zu § 15. Anm. 10 4. Die gesetzliche Regelung in rechtspolitischer Sicht In der unabdingbaren Übertragung der Leitung (Geschäftsführung) und Verantwortung an den Vorstand hat man die Einführung des nat.-soz. „Führerprinzips" gesehen, vgl. etwa Schlegelberger-Quassowski, Allg. zu § 70; die Vorauf!. Anm. 10 und auch Ritter, Anm. 4. Daran ist soviel richtig, daß der Gesetzgeber von 1937 für sich in Anspruch nahm, mit § 70 Abs. 1 nat.-soz. Gedankengut ins Aktienrecht eingeführt zu haben, wie es überhaupt damals üblich war, jede Verwirklichung längst vor dem Machtantritt der Nat.-Soz. in Angriff genommenen Reformen als N.S.-Produkt auszugeben. Die Stärkung der Stellung des Vorstandes im Rahmen der Reform von 1937 war jedoch sachlich durchaus gerechtfertigt, entsprach, wie erwähnt, früheren Reformbestrebungen und hat sich inzwischen bewährt. Vgl. auch Mähler, Die AktGes. 1957, I74f. Daß sich in der Praxis schon vor 1933 die Stellung des Vorstands wesentlich gegenüber der formal weisungsberechtigten Generalversammlung verselbständigt hatte, weist, allerdings kritisch, C. E. Fischer in AcP Bd. 154 S. 106 nach; s. auch Hachenburg in Düringer-Hachenburg Einl. zu Bd. I I I (1) Anm. 95 ff., insbes. Anm. 104. In der amtlichen Begründung zu § 70 heißt es: „Die grundsätzlichen Entscheidungen über die Geschicke der Aktiengesellschaft lagen bei der persönlich unverantwortlichen Mehrheit der Geldgeber, denen meistens der genaue und sachkundige Einblick in die Geschäfte und in den Stand der Gesellschaft fehlt und die im wesentlichen darauf bedacht sind, die Belange des Kapitals in den Vordergrund zu stellen. Die Entwicklung des Aktienwesens hat gezeigt, daß sich aus diesen Gründen zwischen der Verwaltung und der Hauptversammlung Gegensätze und Machtkämpfe herausbildeten, die keineswegs zum Vorteil der Gesellschaft und des Wirtschaftslebens dienten." Diese Ausführungen sind im wesentlichen zutreffend. Auch der Bericht der Studienkommission des Deutschen Juristentages kommt nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis, daß sich die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands, wie sie die Aktienrechtsreform von 1937 gebracht hat, bewährt hat. Es heißt in dem Bericht (S. 73): „Diese unabhängige Stellung des Vorstandes in der Geschäftsführung scheint dem Ausschuß die notwendige Voraussetzung für die Entfaltung der unternehmerischen Initiative zu sein. Dazu kommt, daß die Hauptversammlung nicht die geeignete Stelle für die Erörterung und Entscheidung von Geschäftsführungsfragen ist. Bei wechselnder Mehrheit wird die Kontinuität der Geschäftsführung gefährdet. Großaktionäre können sich ohnehin durchsetzen." Auch von anderen Gremien durchgeführte Untersuchungen zur Aktienrechtsreform befürworten nicht eine Rückkehr zur früheren Regelung des HGB, vgl. die Vorschläge des Deutschen Industrie- und Handelstages, S. 24 und, mit Einschränkungen, auch die Denkschrift der Schutzvereinigungen für Wertpapierbesitz, S. 15 fr. Dem hat sich auch der Ref.Entw. § 71 angeschlossen. Auch während der Geltung von Mil.-Reg G Nr. 1, das in Art. I I I die Anwendung allen deutschen Rechts, soweit es nat.-soz. Grundsätze enthielt, verbot, ist die Gültigkeit von § 70 Abs. 1 überwiegend bejaht worden, vgl. Teichmann-Köhler, § 70 Anm. 1; v. Godin-Wilhelmi Anm. II 2; Kersten, Hand-

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buch für Vorstände usw., 1953, S. 3; aA v. Gierke, Z H R 1 1 1 , 49; s. auch die Ubersicht bei Henn, M D R 1957, 392 ff. Daß im Absatz 1 die Pflichten des Vorstands unter Verwendung einer überholten Terminologie umschrieben werden, ist eine andere Frage, s. dazu Anm. 1 1 . Durch Abs. 1 wird die Leitung der A G eigenverantwortlich dem Vorstand übertragen, also regelmäßig nicht einer Einzelperson, sondern dem Gesamtkörper als solchem. Die Vorteile und Sicherungen, die in einer Kollektiv-Vertretung liegen, sind also nicht aufgegeben. Nur wenn der Vorstand aus einer Person besteht, ist diese natürlich allein verantwortlich für die Geschicke der Gesellschaft. Außerdem kann, mit gewissen Einschränkungen, Alleinverantwortlichkeit des entscheidungsbefugten Vorstandsvorsitzers gegeben sein (s. dazu Anm. 18), wenn die Satzung sie nicht ausschließt. Die selbstverständliche Folge größerer Selbständigkeit des Vorstands ist die entsprechend höhere Verantwortlichkeit (Anm. 7 und 9), die den Vorstand zu einer erhöhten Rücksichtnahme auf die Belange der Gesellschaft nötigt (vgl. BGH ao, 246 u. die Anm. von Fischer in L M zu § 75 AktG Nr. 10). Eine Verantwortlichkeit des Vorstands wegen Maßnahmen der Geschäftsführung entfällt gegenüber der Gesellschaft nur, wenn entweder ein Beschluß der Hauptversammlung nach § 103 Abs. 2 herbeigeführt worden ist oder es sich um den Abschluß von Verträgen gemäß § 256 handelt. Beschließt die Hauptversammlung etwa den Abschluß eines Gewinnabführungs- oder Betriebsüberlassungs-Vertrages, so hat der Vorstand den Vertrag auszuführen, auch wenn er ihn nicht billigen sollte (s. v. Godin-Wilhelmi Anm. I a. E.). Uber das Problem der riskanten Geschäftsführung vgl. § 294 Anm. 20 und § 84 Anm. 15. Während des Krieges waren vorübergehend die Befugnisse von Vorstand (und Aufsichtsrat) auf Kosten der Hauptversammlung über das Gesetz hinaus erweitert, vgl. V O vom 8. 1 . 4 5 R G B l I, 8. Eine gleichfalls vorübergehende Beschränkung der Stellung insbesondere des Vorstands (und auch der anderen Organe) brachte die Bestellung von Treuhändern in den einzelnen Besatzungszonen gemäß Mil.-Reg G Nr. 52, sowie die von den Alliierten ergriffenen Maßnahmen zur Entflechtung der Montan-Industrie, der Großbanken, der Ufa und der I.G.-Farbenindustrie AG. Uber die Rechtsstellung der Treuhänder nach G Nr. 52 vgl. eingehend v. Godin-Wilhelmi in Anm. I I I und Teichmann-Köhler, Anm. 5. Über die Stellung des Vorstands in Konzernunternehmen, insbesondere die Frage, wie weit die nach § 70 erforderliche Unabhängigkeit des Vorstands in konzernabhängigen Gesellschaften noch gewährleistet ist, vgl. Anm. 7 a und 7 c zu § 15, ferner Walter Schmidt in N J W 1957, 1337 fr. Bei einer neuen Reform des Aktienrechts wäre zu erwägen, ob nicht die frühere Gestaltungsfreiheit für die Satzung weitgehend wiederhergestellt werden sollte, um im Konzernwesen das Recht dem tatsächlich bestehenden Zustand anzupassen und damit aktienrechtlich zu ermöglichen, daß die Konzernspitze die Konzernglieder leitet (vgl. Vorbemerkungen zu § 70 am Schluß). A n m . 11 IV. Die sozial- und wirtschaftspolitischen Pflichten des Vorstands Richtschnur für die Leitung des Unternehmens ist nicht nur das Interesse der Aktionäre und das W o h l des B e t r i e b e s , sondern, nach dem Wortlaut des Gesetzes, auch das W o h l d e r G e f o l g s c h a f t u n d d e r g e m e i n e N u t z e n v o n V o l k u n d R e i c h . Wenn auch die Ausdrucksweise des Gesetzes der Sprache des Gesetzgebers von 1937 entlehnt ist, so bringt der in § 70 aufgestellte Leitsatz für die Geschäftsführung doch eine seit der Zeit nach dem ersten Weltkrieg sich immer mehr durchsetzenden Wandlung der Wirtschaftsgesinnung zum Ausdruck, die heute mehr als je zu den wesentlichen Erfordernissen jeder wirtschaftlichen Betätigung gehört. Die der sozialen Marktwirtschaft verpflichtete staatliche Ordnung der Bundesrepublik (Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG) verlangt bereits kraft Verfassungsrecht vom Gesetzgeber und auch von der ihm unterworfenen Gemeinschaft die Berücksichtigung des gemeinen Wohls und des öffentlichen Interesses. Wenn auch eine begriffliche Definition des „Gemeinwohls" gerade für das Wirtschaftsleben sich einer juristischen Normierung entzieht (vgl. S t D J T S. 22), so ist mit § 70 Abs. 1 doch eine Richtschnur gegeben, die klarstellt, daß weder allein das Interesse des Unternehmens der A G noch das Aktionärsinteresse im Letzten

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 70 Anm. I I a die Geschäftsführung bestimmen kann. Übergeordnet ist in jedem Falle das Gemeinwohl, so auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 und Teichmann-Köhler Anm. 3 b. Gemeinwohl, Wohl des Unternehmens und das seiner Arbeitnehmer sowie die Belange der Aktionäre werden sich in einer konsolidierten und geordneten Volkswirtschaft decken. Das Gemeinwohl ist auch an anderen Stellen im AktG ausdrücklich hervorgehoben: § n a Abs. 3 (Verweigerung einer Auskunft bei Gefährdung des Gemeinwohls), §121 Abs. 3 (Beschränkungen der Publizität des Prüfungsberichts bei Geheimhaltung im öffentlichen Interesse), § 128 Abs. 3 (desgleichen für den Geschäftsbericht). Die Gefährdung des Gemeinwohls durch eine AG, insbesondere bei gröblichen Verstößen der Verwaltungsträger gegen die Gesetze oder die Grundsätze einer verantwortungsbewußten Wirtschaftsführung kann eine Auflösung der Gesellschaft gemäß § 288 herbeifuhren. Der die Entwicklung der letzten Jahre kennzeichnende wirtschaftliche Aufbau in der Bundesrepublik war im Aktienwesen besonders durch eine gleichzeitige Konstitutionalisierung der Interessen der Arbeitnehmerschaft bestimmt. Die dem Vorstand in § 7° gegebene Eigenverantwortlichkeit hat diesen dadurch mehr als bisher in die Stellung einer „dritten Kraft" neben Arbeit und Kapital gerückt. Dieser, außerhalb der genannten Interessensphären stehenden Stellung, die nur aus einer verpflichtenden Berücksichtigung des Gemeinwohls verstanden werden kann, entspricht eine erhöhte Verantwortlichkeit, hier auf sozial- und wirtschaftspolitischem Gebiet ausgleichend zu wirken. Wegen der Haftung vgl. § 84 Anm. 9. Anm. I I a 2. Die dem Vorstand auferlegte Berücksichtigung des Wohls des „Betriebes", des Unternehmens also, bedeutet nicht, worauf v. Godin-Wilhelmini Anm. 2 zutreffend hinweisen, eine Konzession an die Theorie vom „Unternehmen an sich". Wenn auch die immer weiter fortschreitende technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte zusammen mit verschiedenen anderen, in der modernen Industriegesellschaft wirksamen Faktoren, besonders bei Großunternehmen und bei der gegebenen Konzernverflechtung, das aus sich selbst heraus lebende Unternehmen als faktische Instution begünstigt, so geht doch das geltende Aktienrecht eindeutig davon aus, daß die AG als Gesellschaftsform nicht etwa wie die Stiftung oder eine Anstalt öffentlichen Rechts einen Selbstzweck, sondern eine von einzelnen Aktionären geschaffene und über die Beschlußfassung in der Hauptversammlung'auch mittelbar und unmittelbar geleitete Zweckbestimmung hat (vgl. R G 59, 425). Wo Rechtsschein und Wirklichkeit auseinander fallen und Mißbräuche offenbar werden, ist es Aufgabe der Gerichte und Verwaltungsbehörden, ordnend einzugreifen. Auch die Begründung zum AktG geht davon aus, daß die Belange der Aktionäre auch die Belange des Unternehmens sind (vgl. SchlegelbergerQuassowski Anm. 5). Daß sie unlösbar miteinander verknüpft sind, ergibt sich schon aus der Abhängigkeit der AG vom Kapitalmarkt: Jede Erhöhung des Eigenkapitals der Gesellschaft (wie auch eine Fremdfinanzierung über die Börse) setzt eine die Aktionärsinteressen verständig in Betracht ziehende Geschäftspolitik voraus, die damit auch wieder dem Wohl des Unternehmens, der Arbeitnehmer und auch der Allgemeinheit dient. Dabei erscheint es nicht angängig, zwischen dem Interesse von Gegenwartsaktionären und dem zukünftiger Aktionäre zu unterscheiden (so v. Godin-Wilhelmini Anm. 2; s. auch Henn MDR 1957, 392ff.). Der Bestand und die Entwicklung eines Unternehmens und damit sein „Wohl" i. S. von § 70 kann immer nur zum Interesse der „gegenwärtigen" Aktionäre in Bezug gesetzt werden. Das mögliche Interesse, im Wege der Kapitalerhöhung künftige Aktionäre heranzuziehen, kann im Einzelfall unter den erschwerten Bedingungen des § 153 Abs. 2 (Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts) eine Zurücksetzung der Interessen der „Gegenwartsaktionäre" erforderlich machen, ist aber ohne entsprechenden Hauptversammlungsbeschluß undurchführbar. Und auch ein derartiger Beschluß unterläge der Anfechtung, wenn eine nicht vertretbare Zurückdrängung oder Schädigung der überstimmten Minderheit die Folge wären. Ebenso ist es verfehlt, gar noch eine besondere Kategorie von „Aktionären des Augenblicks" zu schaffen (vgl. v. Godin-Wilhelmini Anm. 2) und deren Interesse als weniger schutzbedürftig hinzustellen. Das AktG kennt eine derartige Differenzierung grundsätzlich nicht (§12 Anm. 1), außer für den Fall der Ausübung gewisser Minderheitsrechte, vgl. § 64 Anm. 2. 437

§70

Anm. Hb, 12 Anm. IIb

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3. Die Frage, ob der Vorstand gehalten sei, die I n t e r e s s e n d e r A k t i o n ä r e etwa gegenüber denen „des Betriebes" oder der Belegschaft nachzuordnen, ist nicht richtig gestellt. Das Gesetz gibt insoweit keine Rangordnung der Interessen: In eigener Verantwortung hat der Vorstand vielmehr das Wohl des Unternehmens der A G und d a m i t auch das Wohl ihrer Aktionäre (im Ref.-Entw. § 71 ausdrücklich aufgeführt) und Arbeitnehmer — unter Beachtung des gemeinen Wohls — zu wahren. Verletzt der Vorstand vorsätzlich berechtigte Belange der Aktionäre, so handelt er „zum Nachteil der Gesellschaft" und kann sich nach § 294 (vgl. daselbst Anm. 15) strafbar machen. Vom Vorstand nur zu verlangen, sich gegenüber den Aktionären loyal zu verhalten (so BGH 15, 78), wird dem Wesen der Vorstandspflichten gegenüber den Aktionären nicht gerecht. Andererseits geht es zu weit, über die Konstruktion eines Unterschieds zwischen „Interessen des Unternehmens" und „Interessen der Gesellschaft", als der durch die Aktionäre repräsentierten Körperschaft, vom Vorstand p r i m ä r die Förderung des Gesellschaftsinteresses zu verlangen und dieses mit dem Interesse der Aktionäre an bestmöglichen Erträgnissen zu identifizieren, so Leo, Die AktGes. 1957, 152 (i56f.). Das Aktionärsinteresse, insbesondere soweit es allein auf Erträgnisse aus der Aktienbeteiligung gerichtet ist, oder soweit es sich als geschäftliches Interesse eines Großaktionärs darstellt, ist nur ein Aspekt, der allein, wie dargelegt, die dem Vorstand auferlegte Verantwortung für das Gesamtunternehmen der A G nicht umfaßt. Mit Recht weist Leo aaO., S. 154 m. w. N. im anderen Zusammenhang daraufhin, daß die Herrschaftsrechte aus dem umfassenden Eigentumsbegriff des § 903 BGB ihre legitime Autorität aus der Übernahme des persönlichen Risikos des Eigentümers herleiten, daß aber dieser sachenrechtliche Eigentumsbegriff für die Begründung eines absoluten Herrschaftsanspruchs der Aktionäre nicht herangezogen werden kann. Der Aktionär ist weder Miteigentümer der A G noch trägt er durch seine gesellschaftsrechtliche Beteiligung ein wirtschaftliches Risiko (vgl. §§ 1, 48). Diese Beschränkung des Risikos findet ihre sachgerechte Ergänzung in der verantwortlichen Fremdverwaltung durch die Organe der A G , insbesondere den geschäftsführenden Vorstand.

Anm. 12 4. Wie das richtig verstandene Wohl des Unternehmens mit dem seiner Aktionäre verknüpft ist, so sind auch das W o h l des Unternehmens und das d e r B e l e g s c h a f t keine Gegensätze, sondern Ergänzungen. Arbeitskämpfe und sozialer Unfriede im Betrieb werden sich immer nachteilig für das Unternehmen und damit auch die Aktionäre auswirken. Die Erhaltung und Förderung des sozialen Friedens ist daher ein notwendiges Erfordernis jeder verantwortungsbewußten Geschäftsleitung. In weitem Umfang sind die sozialen Forderungen der Gegenwart im übrigen durch die neuere Gesetzgebung verankert worden. Uber die Betriebsräte ist den Arbeitnehmern in sozialen (§§ 56fr. BetrVG), personellen (§§6off. BetrVG) und gewissen wirtschaftlichen Angelegenheiten (§67ff., insbesondere 72f. BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht in der Geschäftsführung eingeräumt worden. Weiterhin muß regelmäßig ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats einer A G aus Arbeitnehmervertretern bestehen, wobei Ausnahmen nur für sogenannte Tendenzbetriebe und Familiengesellschaften bestehen (vgl. §§ 81, 76 Ziff. 6 BetrVG), die insoweit freigestellt sind, und für die Unternehmen der Montan-Industrie und die Montan-Holding-Gesellschaften, die der qualifizierten Mitbestimmung unterliegen. Außer der hier erforderlichen paritätischen Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat ist der A r b e i t s d i r e k t o r zu nennen (§ 12 MitbestG, § 13 MitbestErgG), ein Amt, das geschaffen wurde, um die Interessen der Arbeitnehmer auch in den Vorständen der Montan-Gesellschaften möglichst nachhaltig vertreten zu können. Hingewiesen sei weiter auf das KündigungsschutzG vom 10. 8. 51 (BGBl. I 499), das sozial ungerechtfertigten Kündigungen die Rechtswirksamkeit versagt und einen besonderen Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder und bei Massenentlassungen schafft. Weitere Gesetze schützen den Arbeitsplatz bestimmter Gruppen und machen es den Verwaltungen zur Pflicht, unverschuldet in Not Geratene zu beschäftigen. Es seien beispielhaft erwähnt der Mutterschutz, das Verbot der Kinderarbeit, der Schutz der minderjährigen Arbeitnehmer und die Bestimmungen zugunsten der Opfer der

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) §70 A n m . 13, 14 nat.-soz. Verfolgung, der Spätheimkehrer und der Schwerbeschädigten. Gesetzliche Versicherungspflichten und die Anordnung zur Unfallverhütung sind hier weiter zu nennen. Durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen werden über das Gesetz hinaus zwischen den Sozialpartnern die Rechtsverhältnisse der Arbeitnehmer gestaltet; neben Regelungen über Lohn, Arbeitszeit und Urlaub finden sich hier häufig Vereinbarungen über zu gewährende Sozialleistungen. Das „Wohl des Betriebes" erfordert darüber hinaus angemessene f r e i w i l l i g e Sozialleistungen, wie sie heute auch allgemein und zum Teil in sehr weitem Ausmaß üblich sind. Für das A u s m a ß der s o z i a l e n L e i s t u n g e n im Interesse der Arbeitnehmer ist die Tragbarkeit für das Unternehmen maßgebend. Der Vorstand setzt den Umfang der freiwilligen Aufwendungen zu sozialen Zwecken nach eigenem pflichtmäßigen Ermessen fest. Er kann auch Rücklagen für künftige soziale Leistungen (Wohlfahrtsfonds, Pensionsfonds usw.) selbständig in den Jahresabschluß einstellen, sofern er ihn mit Billigung des Aufsichtsrats aufstellt und sich dabei im Rahmen der Satzung hält ( § 1 2 5 Abs. 3). Ein mittelbarer Zwang zu ausreichenden Aufwendungen für soziale Zwecke ist in den Bestimmungen der §§ 77 Abs. 3 und 98 Abs. 4 gegeben, nach denen Gewinnbeteiligungen des Vorstands und Aufsichtsrats in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufwendungen für die Belegschaft stehen müssen. Anm. 13 V. Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen (Abs. 1 Satz 1). Die Satzung muß die Art der Zusammensetzung des Vorstands bestimmen (§ 16 Abs. 3 Z. 5). Sie kann vorschreiben, daß nur ein Vorstandsmitglied bestellt werden darf oder daß immer mehrere Vorstandsmitglieder, d. h. mindestens zwei bestellt werden müssen. Sie kann auch die Vorschrift des § 70 Abs. 2 Satz 1 wiederholen. Damit ist dem Aufsichtsrat die Bestimmung der Zahl der Vorstandsmitglieder überlassen (§ 16 Anm. 16). Die Satzung kann auch eine bestimmte Zahl, eine Mindest- oder Höchstzahl vorsehen. AG, die dem MitbestimmungsG unterliegen, müssen mindestens zwei Vorstandsmitglieder haben, da gem. § 13 als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied der Arbeitsdirektor bestellt werden muß, vgl. Boldt, Komm. z. MitbestimmungsG § 13 Anm. 2 a, § 12 Anm. 4d. Die Vorschrift des § 70^Abs. 1 Satz 1, daß der Vorstand auch aus einer Person bestehen kann, ist für mitbestimmte Gesellschaften insoweit nicht anwendbar, § 2 MitbestimmungsG (s. auch Müller-Lehmann, Komm. z. MitbestimmungsG, § 13 Anm. 7). Die Reformbestrebungen gehen dahin, für größere Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Millionen zukünftig einen mindestens zweiköpfigen Vorstand zwingend vorzuschreiben (StDJT S. 32, 75); s. auch § 71 Abs. 2 Ref.-Entw. Uber die Bestellung des Vorstands und ihren Widerruf siehe § 75, über die Fähigkeit, Vorstandsmitglied zu werden, siehe § 75 Anm. 5, über seine Vertretungsbefugnis § 7iAnm. 14 V I . 1. Die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands. Die Unterscheidung von Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis ist in Anm. 3 erörtert. Während das Gesetz die Vertretungsbefugnis in den §§71 und 74 regelt, enthält es keine Bestimmung über die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands. Die gemäß § 74 nur intern wirkenden Beschränkungen der Vertretungsbefugnis begrenzen aber von selbst zugleich die Geschäftsführungsbefugnis. Solche Beschränkungen kann die Satzung dem Vorstand auferlegen, indem sie bestimmte Arten von Geschäften an die Zustimmung des Aufsichtsrats knüpft oder eine Geschäftsordnung vorsieht, die die Arbeit des Vorstands regelt. Der Aufsichtsrat kann die gleichen Beschränkungen anordnen (§ 95 Abs. 5), also dem Vorstand auch dann eine Geschäftsordnung geben, wenn die Satzung ihm diese Befugnis nicht ausdrücklich gibt. Endlich kann der Vorstand selbst sich eine Geschäftsordnung geben, soweit ihm nicht Satzung, Aufsichtsrat oder seine Anstellungsverträge vorgreifen. Unzulässig ist es, ein Mitglied des Vorstands von der Vertretung oder der Geschäftsführung auszuschließen. Nicht, notwendig ist es, daß Vertretungsbefugnis und Geschäfts-

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§ 70

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Anm. 15 führungsbefugnis zusammenfallt, wenn ein mehrgliedriger Vorstand vorhanden ist. Es kann Gesamtvertretungsbefugnis aller Vorstandsmitglieder oder Kollektivvertretung mehrerer Vorstandsmitglieder ( § 7 1 Anm. 3 u. 6) neben der Geschäftsführungsbefugnis jedes einzelnen Vorstandsmitglieds oder Einzelvertretung neben Kollektivgeschäftsführung vorgesehen sein. Brodmann ( H G B § 231 Anm. 2) vertritt den Standpunkt, daß Kollektivgeschäftsführung nach der E r f a h r u n g des täglichen Lebens ein „ U n d i n g " sei, weil die Vielheit der Einzelhandlungen, aus denen sich eine Geschäftsführung zusammensetze, unmöglich stets von der Gesamtheit eines Vorstands ausgeführt werden könne. Das hindert nicht, den G r u n d s a t z d e r K o l l e k t i v g e s c h ä f t s f ü h r u n g anzuerkennen. E r ist f ü r Beschlußfassungen des Vorstands und organisatorische Maßnahmen aller Art durchaus praktisch und wird durch die Notwendigkeit einer Geschäftsverteilung in Vorbereitungs- oder Überwachungsmaßnahmen nur bestätigt. Richtig ist, daß bei größeren Unternehmungen und mehrgliedrigem Vorstand eine Arbeitsteilung meist auch für organisatorische Maßnahmen unerläßlich sein wird. So ist eine Aufspaltung der Arbeit in den kaufmännischen und technischen Teil, nach Fabrikation und Vertrieb oder auch nach örtlichen Gesichtspunkten (Übertragung der Geschäftsführung einer Zweigniederlassung oder Geschäftsabteilung auf ein Vorstandsmitglied) üblich. Für die Vertretungsbefugnis sind derartige Aufteilungen unzulässig (§ 74 A n m . 7).

Anm. 15 2. Entsprechend dem Grundsatz der Gesamtvertretung (§ 71 Abs. 2) gilt f ü r e i n e n

m e h r g l i e d r i g e n V o r s t a n d g r u n d s ä t z l i c h G e s c h ä f t s f ü h r u n g d u r c h alle M i t -

g l i e d e r g e m e i n s a m (bestr.; wie hier Schlegelberger-Quassowski, Anm. 12 und Baumbach-Hueck, Anm. 4 jeweils zu § 70 und auch der Ref.-Entw. § 72 Abs. 1). Für Beschlußfassungen des Vorstands ist dann Einstimmigkeit erforderlich. Ist durch die Satzung oder den Aufsichtsrat gemeinsame Vertretung durch j e zwei Vorstandsmitglieder vorgesehen, so gilt das gleiche für die Geschäftsführungsbefugnis. Davon ist nur eine Ausnahme für die Fälle zu machen, in denen Gesetz oder Satzung ein Handeln des Gesamtvorstands erfordert. Für Beschlußfassungen des Vorstands empfiehlt sich daher eine Sonderregelung. Die Satzung oder eine Geschäftsordnung (Anm. 14) können einfache Stimmenmehrheit oder andere Erfordernisse (ausschlaggebende Stimme des Vorsitzers bei Stimmengleichheit; s / 4 Majorität oder dgl.) vorsehen Die Gegenmeinung (insbes. Brodmann § 231 Anm. 2 ; Ritter Anm. 6; TeichmannKöhler Anm. 4 b ; Kersten, S. 5) folgert aus § 28 B G B , daß bei Meinungsverschiedenheiten, wenn durch Satzung oder Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt ist, die M e h r h e i t innerhalb des Vorstands entscheidet. Dabei-wird übersehen, daß die Vorschriften des B G B nur subsidiär herangezogen werden können, das A k t G aber in § 71 Abs. 2 Satz 1 eine Sonderregelung, nämlich im Grundsatz das Kollegialprinzip vorsieht, freilich ausdrücklich nur für die Vertretung der A G . Aber die Gesamtvertretung nach außen findet ihre notwendige Entsprechung in der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis (vgl. auch Anm. 3 oben). Daher kann auch die von v. Godin-Wilhelmi (§70 Anm. 5) grundsätzlich angenommene Alleingeschäftsführungsbefugnis (wie sie für die o H G und die BGB-Gesellschaft besteht, §§115 H G B , 7 1 4 BGB) f ü r das Aktienrecht nicht anerkannt werden, wenn sich auch diese Auffassung praktisch mit dem hier vertretenen Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung deckt, da auch v. Godin-Wilhelmi bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand Einstimmigkeit fordern, vgl. auch v. Godin in Hans. R G Z 38, 1 ff. und für das G m b H - R e c h t Schilling in Hachenburg § 35 A n m . 34 a. Die hier erörterte Streitfrage, ob nämlich das A k t G für die Beschlußfassung innerhalb des Vorstands vom Mehrheitsprinzip, Kollegialprinzip oder der Alleingeschäftsführungsbefugnis ausgeht, dürfte für die Praxis keine große Bedeutung haben, da regelmäßig durch die Satzung, eine Geschäftsordnung für den Vorstand oder eine Regelung der Vertretungsbefugnisse des Vorstands die Geschäftsführungsbefugnisse der Vorstandsmitglieder geordnet werden. 3. Nicht zulässig ist es, Meinungsverschiedenheiten im Vorstand durch den Aufsichtsrat oder einen Ausschuß des Aufsichtsrats entscheiden zu lassen oder anzuordnen, daß der Aufsichtsrat von Fall zu Fall bestimmen kann, daß die Stimme eines einzelnen Vorstandsmitglieds den Ausschlag gibt. Durch eine derartige Bestimmung in der Satzung

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 70 Anm. 16 oder einer Geschäftsordnung für den Vorstand wäre § 95 Abs. 5 verletzt, der die Übertragung von Maßnahmen der Geschäftsführung auf den Aufsichtsrat verbietet, vgl. L G Berlin D R 1939, 1455; 1940, 3 3 1 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5; Teichmann-Köhler Anm. 4 b. Das hindert jedoch nicht, daß der Aufsichtsrat bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand schlichtend eingreift. Das ergibt sich schon aus seiner Uberwachungsfunktion. 4. Besteht Mehrheitsprinzip für Entscheidungen des Vorstands, es ist auch bei abweichend geregelter Vertretungsbefugnis in der Praxis mehrgliedriger Vorstände wohl die Regel, so hat sich das übereinstimmende Mitglied der Mehrheit zu beugen. Jedoch kann eine Ersatzpflicht bei die Gesellschaft schädigenden Beschlüssen entfallen, wenn das widersprechende Vorstandsmitglied den von ihm abgelehnten Beschluß im übrigen sorgfaltig und gewissenhaft ausgeführt hat. Weigert sich ein Vorstandsmitglied, ordnungsgemäß zustande gekommene Beschlüsse des Gesamtvorstands auszuführen, so ist das ein Abberufungsgrund (vgl. §75 Anm. 17 und v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Meint andererseits ein überstimmtes Vorstandsmitglied, die beschlossenen Maßnahmen nicht mitverantworten zu können, so muß es sein Amt niederlegen (im einzelnen § 75 Anm. 19). Eine Geschäftsverteilung, die den einzelnen Vorstandsmitgliedern besondere Arbeitsgebiete zuweist, gibt jedem Mitglied für sein Gebiet die alleinige Geschäftsführungsbefugnis und schließt damit die einzelnen Mitglieder von der selbständigen Geschäftsführung auf dem Gebiet des anderen aus. Die Vorstandsmitglieder sind damit aber nicht von jeder Verantwortung für die ihnen fremden Arbeitsgebiete frei. Es trifft sie, sofern sie selbst die Geschäftsverteilung vorgenommen haben, die Haftung für ordentliche Auswahl und in jedem Fall die Haftung für gegenseitige Überwachung. Jedes Vorstandsmitglied behält daher für die fremden Arbeitsgebiete ein W i d e r s p r u c h s r e c h t gegen Handlungen der dort zuständigen Vorstandsmitglieder. Es kann eine Entscheidung des Gesamtvorstands anrufen oder die Abberufung eines pflichtwidrig handelnden durch den Aufsichtsrat anregen. Es ist hierzu auch verpflichtet. Vgl. auch v. Godin-Wilhelmi, § 74, Anm. 2. Der Aufsichtsrat, der nur mittelbar über § 95 Abs. 2 (und § 74 Abs. 1) in die Geschäftsführung eingreifen kann, ist nicht befügt, durch eine Geschäfts verteilung innerhalb des Vorstands oder durch die Anstellungs verträge mit den einzelnen Vorstandsmitgliedern diese etwa zu Vorstandsmitgliedern minderen Rechts zu machen; so zutreffend v. Godin-Wilhelmini § 70 Anm. 5. Das Recht und die Pflicht der Vorstandsmitglieder zur Geschäftsführung der A G ist grundsätzlich unteilbar, und jede Beschränkung eines Vorstandsmitglieds durch Anstellungsvertrag, Anordnung des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung oder der Satzung (gem. § 74 Abs. 1) enthebt ihn nicht der Mitverantwortung für die ihm entzogenen Arbeitsgebiete, genausowenig, wie im Falle der intern vom Vorstand vorgenommenen Geschäftsverteilung, vgl. Anm. 7 oben und Anm. 1 zu § 74 sowie, wegen der Haftung, Anm. 30 f. zu § 84. Nimmt der Vorstand selbst eine Geschäftsverteilung vor, er muß es, wenn hierzu ein Bedürfnis besteht und eine ordnungsgemäße Geschäftsleitung es erfordert, so kann sich der Aufsichtsrat seine Zustimmung gem. § 95 Abs. 5 vorbehalten. Für die Aufgaben, die dem Gesamtvorstand obliegen, bleibt es bei der vollen Verantwortung aller Mitglieder. Dies gilt für die Aufstellung des Jahresabschlusses (§ 125 Abs. 1), die Sorge für die Buchführung (§ 82), die Berichterstattung an den Aufsichtsrat (§81), die Abfassung des Geschäftsberichts (§ 128). Anm. 16 V I I . Der Vorsitzer des Vorstandes (Abs. 2 Satz 2). 1. Das HGB enthielt keine Bestimmung über den Vorsitz im Vorstand und die Stellung eines Vorsitzers. Die Ernennung eines „Generaldirektors" war bei größeren Unternehmungen mit mehrgliedrigem Vorstand aber vielfach üblich geworden. Seine Befugnisse regelte die Satzung oder der Aufsichtsrat. Auch konnte eine Geschäftsordnung, die sich der Vorstand selbst gab, die Wahl eines Vorsitzers vorsehen. Die Rechtsstellung des „Generaldirektors" konnte sehr verschieden sein. Er konnte auf rein repräsentative Aufgaben beschränkt sein (Leitung der Vorstandssitzungen), während er in Vertretung und Geschäftsführung den übrigen Vorstandsmitgliedern 441

§70

Anm. 17, 18

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gleichgeordnet war; ihm konnte aber auch eine Vorrechtsstellung dadurch eingeräumt sein, daß er Alleinvertretungsbefugnis und bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand das alleinige und selbständige Entscheidungsrecht erhielt. Zwischenabstufungen waren üblich (z. B. Entscheidungsbefugnis bei Stimmengleichheit). Das Generaldirektorenprinzip der vergangenen Zeit hat zu mancherlei Mißbräuchen und Mißständen geführt und den Zusammenbruch großer Unternehmungen mit verschuldet. Das Aktiengesetz hat daher das Institut des „Generaldirektors" im Aktienwesen mit den Sicherungen ausgestattet, die vor einem Rückfall in frühere Mißstände schützen (vgl. oben Anm. io). N u r d e r A u f s i c h t s r a t kann einen Vorsitzer des Vorstands ernennen (§75 Abs. 2 und Anm. 22). Die Satzung kann eine abweichende Regelung nicht vorsehen. Der Vorstand selbst kann durch eine Geschäftsordnung, die er sich selbst gibt (Anm. 14), nicht mehr einen Vorsitzer mit entscheidenden Befugnissen aus seiner Mitte bestimmen. Der vom Aufsichtsrat bestellte V o r s i t z e r d e s V o r s t a n d s

entscheidet, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, bei Meinungsver-

schiedenheiten i m V o r s t a n d . Die Satzung kann hiernach das Entscheidungsrecht eines Vorsitzers des Vorstands ausschließen und auch sonst seine leitende Stellung in beliebiger Weise einschränken, z. B. sein Entscheidungsrecht auf Fälle der Stimmengleichheit im Vorstand beschränken oder ganz ausschließen, so auch v. Godin-Wilhelmi, Anm. 6 und Baumbach-Hueck, Anm. 5 B. Sie kann aber diese Regelung nicht dem Aufsichtsrat vorbehalten, soweit es sich um die alleinige Entscheidungsbefugnis des Vorsitzers handelt. Diese dem Vorsitzer abzuerkennen, ist nur die Satzung imstande. Die leitende Stellung des Vorsitzers im Sinne des § 70 Abs. 2 betrifft nur die Ge-

schäftsführung, nicht die Vertretung nach außen; sie setzt nicht Einzelvertre-

t u n g s b e f u g n i s des Vorsitzers voraus. Das AktG läßt grundsätzlich auch bei Bestellung eines Vorsitzers des Vorstands das Prinzip der Gesamtvertretung unberührt (§71 Anm. 3). Einzelvertretungsbefugnis hat der Vorsitzer nur, wenn dies die Satzung für alle Mitglieder des Vorstands oder für ihn persönlich vorsieht oder der Aufsichtsrat auf Grund einer Ermächtigung in der Satzung (§71 Abs. 3) ihm diese Befugnis gewährt. Das Gesetz geht von dem N o r m a l f a l l aus, daß der Vorsitzer alleiniges Entscheidungsrecht nach innen (§ 70 Abs. 2), aber Kollektiwertretungsbefugnis nach außen hat. Die Satzung kann verschiedenartige Regelungen vorsehen, z. B. bestimmen, daß das alleinige Entscheidungsrecht gemäß § 70 Abs. 2 nur ein.Vorsitzer des Vorstands hat, dem gleichzeitig die Alleinvertretungsbefugnis zusteht (vgl. Schmidt, Umgestaltung der Satzungen S. 179 und Muster B §20). Unzulässig erscheint aber die Bestellung eines Vorsitzers mit Gesamtvertretungsbefugnis, wenn andere Mitglieder des Vorstands zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind (§71 Anm. 5 u. 6): der Vorsitzer des Vorstands, dem das Entscheidungsrecht des § 70 Abs. 2 zusteht, darf in der Vertretung der Gesellschaft nicht schlechter als andere Mitglieder des Vorstands gestellt sein.

Anm. 17 2. Vorsitzer des Vorstands kann n u r ein M i t g l i e d des V o r s t a n d s werden. Die Bezeichnung „Vorsitzer" oder „Vorsitzender" ist wesentlich. Die Bezeichnung „Generaldirektor" bei der Bestellung genügt nicht, weil sie mehrdeutig ist (SchlegelbergerQuassowski Anm. 16; GeßlerJW 1937, 498). Bestimmt aber die Satzung, daß ein vom Aufsichtsrat zum Generaldirektor ernanntes Mitglied des Vorstands bei Meinungsverschiedenheiten die alleinige Entscheidungsbefugnis hat, so ist damit die leitende Stellung des § 70 Abs. 2 hinreichend gekennzeichnet.

Anm. 18 3. Das Entscheidungsrecht des Vorsitzers schließt die übrigen Mitglieder des Vorstands nicht von der Geschäftsführung aus (Schlegelberger-Quassowski Anm. 13). Der Vorsitzer darf nicht Maßnahmen, die dem Gesamtvorstand oder nach der Geschäftsverteilung einem einzelnen Vorstandsmitglied obliegen, an ihrer Stelle ohne ihr Wissen durchführen. Vielmehr kommt sein Entscheidungsrecht nur bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand über die Geschäftsführung zum Zuge, also bei Maßnahmen des Gesamtvorstands nach Erörterung im gesamten Kollegium und bei Einzelmaßnahmen, zu denen ein Vorstandsmitglied auf Grund der Geschäftsverteilung befugt ist, auf An442

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 70 A n m . 19, 20 ruf dieses Mitglieds oder infolge eigenen Eingreifens des Vorsitzers (vgl. Ritter, § 70 Anm. 6). Die Satzung oder Geschäftsordnung kann vorsehen, daß bei Widerspruch eines Vorstandsmitglieds gegen Maßnahmen des andern der gesamte Vorstand zu hören sei; dann kann der Vorsitzer erst auf Grund der Stellungnahme des Gesamtvorstandes entscheiden. Ein allgemeines Anweisungsrecht gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern hat der Vorsitzer nicht (s. v. Godin-Wilhelmi, Anm. 6), ebensowenig ein besonderes Oberwachungsrecht (unzutreffend daher R G D R 41, 1937; s. v.Godin-Wilhelmi a. a. O.). Die Entscheidung des Vorsitzers hat bindende Wirkung für die übrigen Vorstandsmitglieder. Sie müssen seine Entscheidung ausführen und bei Rechtsgeschäften, die eine gemeinschaftliche Vertretung voraussetzen, mitwirken (§ 84 Anm. 22). Sie sind damit grundsätzlich ihrer Verantwortung enthoben, müssen aber die Mitwirkung zu gesetz- und satzungswidrigen oder offensichtlich schädigenden Handlungen verweigern (§ 84 a. a. O.). Sie haben die Möglichkeit, den Aufsichtsrat anzurufen, und sind hierzu verpflichtet, wenn es gilt, eine Entscheidung des Vorsitzers zur Verhütung von Schaden nicht zur Ausführung gelangen zu lassen. Der Aufsichtsrat ist nicht befugt, die Entscheidung des Vorsitzers abzuändern oder aufzuheben (§ 95 Abs. 5); er kann ihn, falls gütliche Einwirkung nichts nützt, nur abberufen oder die Hauptversammlung einberufen (§ 95 Abs. 4). Andererseits kann für den Aufsichtsrat auch ein wichtiger Grund zur Abberufung der Vorstandsmitglieder gegeben sein, die zu Unrecht die Ausführung einer Entscheidung des Vorsitzers verweigern oder ihr zuwiderhandeln. Sie haften in diesem Falle auch gemäß § 84. Als letzte Möglichkeit gegenüber Entscheidungen eines Vorsitzers, deren Ausführung die übrigen Mitglieder des Vorstands nicht glauben verantworten zu können, bleibt die Niederlegung des Vorstandsamts (wie hier Schlegelberger-Quassowski, § 70 Anm. 18; Baumbach-Hueck, Anm. 5 A ; abw. v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Ob sie rechtmäßig erfolgt ist, entscheiden die Gerichte (§75 Anm. 19). Anm. 19 4. Für AG, die der Mitbestimmung für die Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie unterliegen, kann die Satzung die Bestellung eines Vorstandsvorsitzers i. S. von § 70 Abs. 2 Satz 2 nicht vorsehen. Denn nach § 13 MitbestG ist der Arbeitsdirektor als g l e i c h b e r e c h t i g t e s Vorstandsmitglied zu bestellen, er muß also eine der Stellung der anderen Vorstandsmitglieder entsprechende Stellung haben. Dem steht es entgegen, wenn ein Vorstandsmitglied bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand die alleinige Entscheidungsbefugnis hat, die selbst, wenn die Satzung nichts anderes vorsieht, gegen die Meinung aller anderen Vorstandsmitglieder durchgesetzt werden kann (vgl. Schlegelberger-Quassowski Anm. 13). § 70 Abs. 2 Satz 2 ist daher für mitbestimmte Unternehmen nicht anwendbar, vgl. § 2 MitbestG (so auch die Komm, zum MitbestG Boldt § 12 Anm. 4f. und Müller-Lehmann § 13 Anm. 4, § 12 Anm. 3; a. A. Möhring, M D R 1951, 515). Dagegen bestehen keine Bedenken, auch bei mitbestimmten A G einen Vorstandsvorsitzer zu bestellen, dessen Entscheidungsbefugnisse durch die Satzung auf Fälle der Stimmengleichheit im Vorstand beschränkt ist oder dessen Stellung sonstwie lediglich als primus inter pares ausgestaltet ist (vgl. Anm. 16; wie hier Boldt a. a. O.und Müller-Lehmann a. a. O.). Anm. 20 5. R e f o r m b e s t r e b u n g e n Auch die gesetzliche Verankerung der Stellung eines „Generaldirektors" durch die Reform von 1937 hat man als Ausfluß des nat.-soz. „Führerprinzips" angesehen, vgl. von Gierke Z H R 1 I i , 48. Dabei wird jedoch übersehen, daß das AktG durch die Ubertragung der Ernennung des Vorsitzers allein auf den Aufsichtsrat (§ 75 Abs. 2) und dadurch, daß die Satzung gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 die Entscheidungsbefugnis des Vorsitzers beliebig einschränken kann, gewisse Sicherungen gegen eingerissene Mißbräuche geschaffen hat (oben Anm. 16 und Baumbach-Hueck Anm. 5 C). Das Institut des Generaldirektors ist also keineswegs eine Erfindung des Nat.-Soz. (vgl. v. GodinWilhelmi Anm. 6 a. E. und, für die Zeit vor 1934, Düringer-Hachenburg, Bd. I I I Einleitung Anm. 98). § 70 Abs. 2 Satz 2 ist jedoch aus denselben Erwägungen, die schon 29

Aktiengesetz, 2. Aufl.

443

§70

Anm. 21—23

I. Buch: Aktiengesellschaft

die früheren Reformbestrebungen geleitet haben, daß nämlich die Alleinentscheidungsbefugnis mit der gemeinschaftlichen Verantwortung eines mehrköpfigen Vorstands für die Geschäftsleitung unvereinbar ist, änderungsbedürftig. Die Studienkommission des D J T (S. 32 und S 75) schlägt daher vor, die Vorschrift dahin zu ändern, daß der Aufsichtsrat zwar einen Vorsitzer des Vorstands bestellen, die Satzung aber nur bestimmen kann, daß dieser bei Stimmengleichheit im Vorstand den Ausschlag gibt (s. auch, allerdings zu weitgehend, die Reformvorschläge in der Denkschrift der Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigungen für Wertpapierbesitz, S. 2of. und andererseits die Vorschläge des Deutschen Industrie- und Handelstages, S. 25). Der Ref.-Entw. enthält in § 72 eine ausdrückliche Bestimmung, daß weder die Satzung noch die Geschäftsordnung bestimmen können, daß ein Vorstandsmitglied bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand gegen die Mehrheit der Mitglieder entscheidet. Es bleibt danach also unbenommen, einem Vorstandsvorsitzenden bei Stimmengleichheit das ausschlaggebende Stimmrecht zu verleihen, s. auch Ref.-Entw. § 79 Abs. 2.

A n m . 21 6. Vorstandsmitglieder, die b e i I n k r a f t t r e t e n d e s A k t i e n g e s e t z e s Vorsitzer des Vorstands mit Alleinentscheidungsbefugnis waren, mußten n e u als solche bestellt werden ( E G § 7 ; siehe Näheres Schmidt, Umgestaltung der Satzungen S. 179).

A n m . 22 V I I I . Die Satzung kann an Stelle eines Vorsitzers auch ein aus mehreren Mitgliedern des Vorstandes bestehendes P r ä s i d i u m des Vorstands vorsehen und dessen Befugnisse regeln, z.B. bestimmen, daß das Präsidium bei Meinungsverschiedenheiten des Vorstands entscheidet. Eine gleiche Regelung kann der Aufsichtsrat in einer Geschäftsordnung geben. S. auch Baumbach-Hueck, Anm. 5 C a. E . u. v. Godin-Wilhelmi, § 75 Anm. 6.

Anm. 23 Außerordentlicher Vertreter I X . U m den aus der Spaltung Deutschlands sich ergebenden Schwierigkeiten zu begegnen, ist für das im Gebiet der Bundesrepublik befindliche Teilvermögen im Osten enteigneter oder nicht handlungsfähiger Gesellschaften die Möglichkeit geschaffen worden, außerordentliche Vertreter zu bestellen. Gesellschaften, die ihren Sitz in Deutschland, aber außerhalb des Geltungsbereichs des D M B i l G haben, waren verpflichtet, für ihre westlichen Zweigniederlassungen einen oder mehrere „ s t ä n d i g e V e r t r e t e r " zu bestellen, sofern nicht im Währungsgebiet West eine ausreichende gesetzliche Vertretung vorhanden war, § 2 Abs. 2 D M B i l G . Der „ständige Vertreter" hat die Befugnis der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft, vertritt also insoweit nach außen das Westvermögen im Rahmen der vorhandenen oder zu errichtenden Zweigniederlassung. Durch die Bestellung eines derartigen Vertreters wird jedoch die Geschäftsführungsbefugnis eines nicht im Währungsgebiet West wohnhaften Vorstands nicht berührt, ebensowenig können die durch Satzung oder Gesetz bestehenden Regelungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis außer K r a f t gesetzt werden, vgl. Schmölder-Gessler-Merkel, K o m m . z. D M B i l G , § 2 Anm. 25; Teichmann-Köhler, § 70 Anm. 6. Sieht also die Satzung Kollektiwertretung vor, so mußten auch eine entsprechende Anzahl „ständiger Vertreter" bestellt werden. Der „ständige Vertreter" hat Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen und auf angemessene Vergütung. E r konnte gegebenenfalls auch durch das Gericht bestellt werden, vgl. § 2 Abs. 4 und 5 D M B i l G . Eine Sonderregelung für Geldinstitute mit dem Sitz in den Ostgebieten ist durch § g der 35. D V O z. U G geschaffen: für die Verwaltung der im Währungsgebiet West vorhandenen Vermögenswerte bestellt die Bank deutscher Länder T r e u h ä n d e r , welche gerichtlich und außergerichtlich das Westvermögen vertreten und hinsichtlich ihrer Geschäftsführung der Aufsicht der Bank deutscher Länder unterliegen. Schließlich können, unabhängig von den genannten Bestimmungen, die vornehmlich aus währungsrechtlichen Erwägungen geschaffen wurden, und in Abweichung von

444

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 71

den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts, für A G mit dem Sitz in den Gebieten, in denen die deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, Abwesenheitspfleger bestellt werden, „wenn die Verbindung mit . . . den zur Vertretung berechtigten Personen der juristischen Person . . . unterbrochen oder in einer Weise erschwert ist, daß die Vermögensangelegenheiten . . . nicht ordnungsgemäß besorgt werden können, § 10 ZustErgG v. 7. 8. 1952 (BGBl I 407), s. auch die V O über Abwesenheitspflegschaft für die OLG-Bezirke der britischen Zone vom 18. 1. 1946 (JBI. Düsseldorf, 2) und § 3 G zur vorläufigen Regelung des Reichsvermögens v. 21. 7. 51 (BGBl I 467). Außer den hier erwähnten außergewöhnlichen Vertretern, die anstelle weggefallener oder nicht erreichbarer Vorstandsmitglieder eingesetzt werden können, besteht noch die Möglichkeit, neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte in entsprechender Anwendung von § 30 BGB „besondere Vertreter" zu bestellen (§ 1 Anm. 3). Die Bestellung solcher Vertreter kann die Satzung vorschreiben; sie sind damit zwar Organe der A G und unterliegen somit der strengen Haftung des § 3 1 BGB, jedoch sind sie nicht gesetzliche Vertreter der A G und sind der Weisungsbefugnis des Vorstands unterworfen (v. Godin-Wilhelmi §70 Anm. 9). Im Einzelnen vgl. auch Frels in DieAktGes. 1958, 7gff. sowie, hinsichtlich der Möglichkeit, neben dem Aufsichtsrat noch satzungsmäßig besondere Überwachungsorgane zu bilden, § 95 Anm. 28. Hinsichtlich der Rechtsstellung der gem. Mil.-Reg.G Nr. 52 bestellten Treuhänder (custodian) s. v. Godin-Wilhelmi, § 7 0 Anm. 9 und Teichmann-Köhler § 7 0 Anm. 5,

§ 7 1 Vertretung der Aktiengesellschaft (1) Die Aktiengesellschaft wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. (2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Zeichnung für die Gesellschaft befugt. Der Vorstand kann einzelne Vorstandsmitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Ist eine Willenserklärung der Gesellschaft gegenüber abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied. (3) Die Satzung kann auch bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sein sollen. Gleiches kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung ihn hierzu ermächtigt hat. A b s . 2 Satz 2 und 3 gilt in diesen Fällen sinngemäß. Übersicht Anm.

Einleitung I. Vertretung der A G gerichtlich und außergerichtlich . II. 1. Gesamtvertretung. . . 2. Ausnahmen von der gesetzlichen Regelung . . 3. Im einzelnen: Einzelvertretung . . . Gesamtvertretung einzelner Vorstandsmitglieder Gesamtvertretung mit einem Prokuristen . . 29*

Anm.

4. Zuständigkeit des Aufsichtsrats

3 4 5 6—7 8—9

III. 1. Keine Änderung der Vertretungsbefugnis durch den Vorstand selbst 2. Ermächtigung einzelne Mitglieder . . . . 3. Rechtliche Natur de Ermächtigung . . 4. Form 5. Umfang 6. Widerruf . . . .

10

12 13 14 15 16

445

§71 Einl., Anm. 1, 2

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. IV. Ausübung der Gesamtvertretungsbefugnis 17—19 20 V. Passive Vertretung . . . 21 V I . Wissen und Wissenmüssen V I I . Wirkungen des Handelns von Vorstandsmitgliedern . V I I I . Insichgeschäfte

22 23—25

I X . Überschreitung der Vertretungsmacht X . Haftung der A G für Verschulden 1. aus unerlaubter Handlung 2. aus Vertrag 3. strafrechtlich

Anm. 26

27 28 29

Einleitung. § 71 stimmt mit HGB § 231 Abs. 1, § 232 überein. Anm. 1 I. 1. Die AG wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Vorstand ist ihr ordentlicher gesetzlicher Vertreter vgl. § 26 BGB und Anm. 3 zu § 1. Eine gesetzliche Vertretung der A G durch andere Organe ist nur in engem Umfang für ganz bestimmte Handlungen zugelassen (für den Aufsichtsrat s. § 97, §199 Abs. 2, für die Hauptversammlung §§ 98, 118). Der Eigentümer aller Aktien ist, auch wenn er Vorsitzer des Aufsichtsrats ist, nicht zur Vertretung berechtigt, auch nicht das alleinige Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft, die alle Aktien der A G besitzt ( R G in SeuffA Bd. 86 Nr. 185). Jede Überschreitung der gesetzlich normierten Zuständigkeiten der Organe verstößt gegen zwingendes Recht und ist unwirksam ( R G 43, 286; 1 1 7 , 206), sei es in Bestimmungen der Satzung, sei es in Beschlüssen einzelner Organe oder in Geschäftsführungshandlungen. Der Fortfall der gesetzlichen Vertretung hindert nicht die Vertretung der A G durch rechtsgeschäftliche Vertreter (Prokuristen, Handelsbevollmächtigte und sonstige Bevollmächtigte), soweit deren Vertretungsmacht reicht (§ 70 Anm. 6). Wegen außerordentlicher Vertreter für deutsche A G mit dem Sitz außerhalb der Bundesrepublik s. § 70 Anm. 23. Anm. 2 2. Die Vertretungsbefugnis unterliegt nur den gesetzlichen Beschränkungen; im übrigen ist ihr Umfang unbeschränkt und unbeschränkbar (s. darüber § 74 Abs. 2 nebst Anmerkungen). a) Insbesondere wird die A G in g e r i c h t l i c h e n A n g e l e g e n h e i t e n durch den Vorstand vertreten, der ihr gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 51 ZPO ist. Die gesetzliche Vertretung durch die Vorstandsmitglieder im Prozeß oder in Angelegenheiten und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann nicht durch die rechtsgeschäftliche Vertretung eines Prokuristen oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Vertreter, auch nicht durch die Mitwirkung eines Prokuristen neben einem Vorstandsmitglied (vgl. Anm. 9), ersetzt werden (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 5; R G 102, 331). Die Vorstandsmitglieder können nicht S c h i e d s r i c h t e r in einem Prozeß der A G sein (RG 92, 288) und auch nicht als Z e u g e n vernommen werden, R G 2,400; 46, 319; dies gilt auch für ein Vorstandsmitglied, das den Rechtsstreit nicht führt (siehe aber den nächsten Satz und § 97 Anm. 4). Die Vorstandsmitglieder sind im Wege der P a r t e i v e r n e h m u n g zu vernehmen. Das Gericht bestimmt nach Lage des Falles, ob alle oder nur einzelne Vorstandsmitglieder zu vernehmen sind (ZPO § 449 i. Verb. m. § 455 Abs. 1 S. 2). Die Mitglieder des Aufsichtsrats und die Aktionäre sind jedoch als Zeugen zu vernehmen. Vgl. im übrigen zu Vorstehendem Anm. 1 1 zu § 48. Den O f f e n b a r u n g s e i d haben alle Vorstandsmitglieder zu leisten, nicht jedoch solche, die zur Zeit der Eidesleistung aus dem Vorstand ausgeschieden sind (h. L. s. Baumbach-Hueck, Anm. 2 A ; v. GodinWilhelmi, Anm. II 1). Scheiden jedoch die letzten Vorstandsmitglieder aus, um sich der Eidesleistung zu entziehen, so ist der Eid trotz ihres Ausscheidens von ihnen zu leisten (OLG Frankfurt in J W 1926, 2114 8 und 1927, 726 12 ). Mit dem Kammergericht (JW 1929, 2164 2 ) wird die Pflicht zur Eidesleistung, wenn das letzte Vorstandsmitglied nach Stellung des Antrages auf Abnahme des Offenbarungseides sein Amt niederlegt, auch ohne Rücksicht darauf anzunehmen sein, ob die Niederlegung zu dem Zweck erfolgte, die Eidesleistung zu vermeiden (so auch Hachenburg-Schilling § 35 Anm. 4). Z u s t e l l u n g e n und L a d u n g e n können wirksam an ein Vorstandsmitglied erfolgen, 446

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt-—Meyer-Landrut)

§ 71

Anm. 3, 4

auch wenn es keine Einzelvertretungsbefugnis hat (Abs. 2 S. 3 ; ZPO § 171 Abs. 3 ; s. L A G Mannheim BB 5 1 , 972). Bei Gefahr im Verzuge kann das Prozeßgericht, falls zur Vertretung im Prozeß fähige Vorstandsmitglieder nicht vorhanden sind, gemäß §57 Z P O einen b e s o n d e r e n V e r t r e t e r bestellen. Vgl. §48 Anm. 12. Uber die prozessuale Vertretung der Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten mit Vorstandsmitgliedern vgl. § 97 Anm. 4, in Anfechtungs- und Nichtigkeitsprozessen vgl. §§ 199 und 200. Eine aufgelöste A G wird durch die Liquidatoren ( A b w i c k l e r ) vertreten, § 210. Durch die Eröffnung des K o n k u r s v e r f a h r e n s wird die Stellung des Vorstands oder der Abwickler — und der übrigen Organe der A G •— grundsätzlich nicht berührt, R G 76, 246; 81, 336. Nur die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der A G geht nach Maßgabe von § 6 K O auf den Konkursverwalter über (§ 203 Anm. 40). § 122 sieht für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Gründer und Verwaltungsmitglieder die Bestellung b e s o n d e r e r V e r t r e t e r durch die Hauptversammlung vor. b) Die a u ß e r g e r i c h t l i c h e Vertretung umfaßt den Verkehr gegenüber Behörden und den gesamten privaten Rechtsverkehr.

Anm. 3 II. 1. Die Vorstandsmitglieder haben k r a f t G e s e t z e s n u r G e s a m t v e r t r e t u n g s b e f u g n i s . Mangels einer anderen Bestimmung durch die Satzung oder durch den Aufsichtsrat auf Grund einer Ermächtigung in der Satzung (Abs. 3 ; Anm. 4) können also nur sämtliche Vorstandsmitglieder zusammen die A G vertreten. Hierin liegt keine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht, sondern nur ihre Ausübung. Eine weitergehende oder andere Beschränkung ist unzulässig. Die Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds kann weder ganz ausgeschlossen noch kann sie auf bestimmte Arten von Geschäften beschränkt werden (s. § 74). Das gilt auch, wenn ein Vorsitzer des Vorstands bestellt ist (vgl. § 70 Anm. 16; Baumbach-Hueck, Anm. 3; v. Godin-Wilhelmi, Anm. 6). Fallen Mitglieder des Vorstands fort, so können die übrigen solange gemeinsam die A G vertreten, als die in der Satzung vorgesehene Mindestzahl der Vorstandsmitglieder vorhanden ist. Sinkt die Zahl der vorhandenen Vorstandsmitglieder darunter, so ist ein zur Vertretung der A G berechtigter Vorstand nicht vorhanden (vgl. R G 103, 417); Prozesse werden nach § 241 ZPO unterbrochen (vgl. R G J W 98, 280), es sei denn, die A G wird durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten, vgl. § 246 ZPO. Schreibt die Satzung für die Zusammensetzung des Vorstands mehrere Mitglieder vor, so ist ein allein übrig bleibendes Vorstandsmitglied nicht vertretungsberechtigt (vgl. Ritter, Anm. 4 a m. w. N . ; Schlegelberger-Quassowski, Anm. 7). Die „passive" Seite der Vertretungsmacht bleibt jedoch erhalten (für Willenserklärungen und für die Haftung aus § 31 BGB, vgl. Anm. 20 und 27 unten). Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, für die Ergänzung des Vorstands durch Ernennung neuer Vorstandsmitglieder Sorge zu tragen. Äußerstenfalls kann das Gericht gemäß § 76 auf Antrag eines Beteiligten Abhilfe schaffen.

Anm. 4 2. Ausnahmen von der gesetzlichen Gesamtvertretungsmacht kann die S a t z u n g und, wenn ihn die Satzung dazu ermächtigt, auch der Aufsichtsrat anordnen (Abs. 3 S. 1, 2). Die Satzung kann sich hierbei jeder eigenen Regelung enthalten und sich darauf beschränken, die Ermächtigung an den Aufsichtsrat auszusprechen. Regelmäßig stellt aber die Satzung selbst den Vertretungsgrundsatz auf (z. B. Vertretung durch je zwei Vorstandsmitglieder oder ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen) und ermächtigt den Aufsichtsrat, hiervon im Einzelfall Ausnahmen vorzusehen, z. B. einzelnen Vorstandsmitgliedern Einzelvertretungsbefugnis zu verleihen (vgl. auch unten Anm. 10). Andere Organe der AG, insbesondere die Hauptversammlung oder ein Ausschuß des Aufsichtsrats, können eine solche Ermächtigung d u r c h d i e S a t z u n g nicht erhalten; vgl. R G 164, 177 (180, 184); jedoch kann der Aufsichtsrat selbst die Ausübung der ihm satzungsmäßig zustehenden Befugnis gemäß § g2 Abs. 4 einem Ausschuß über-

447

§71

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A n m . 5, 6 lassen (s. § 92 Anm. 24 u. 26; Schlegelberger-Quassowski, Anm. 1 6 ; Baumbach-Hueck, Anm. 4 A ; abw. v. Godin-Wilhelmi Anm. 7 ; Ritter, Anm. 4 c und für das frühere Recht auch O L G Dresden bei R i n g 1 , 227).

Anm. 5 3. Der gesetzliche Grundsatz der Gesamtvertretungsbefugnis kann in folgender Weise durchbrochen werden: a) Es kann bestimmt werden, daß alle Vorstandsmitglieder oder einzelne von ihnen E i n z e l v e r t r e t u n g s b e f u g n i s haben. Nicht vorgeschrieben ist, daß der zur Entscheidung befugte Vorsitzer des Vorstands (§ 70 Abs. 2 S. 2) Einzelvertretungsmacht haben muß. Es ist also die Beibehaltung der Gesamtvertretung auch zulässig, wenn es die Satzung bei der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Vorsitzers beläßt. Dagegen wäre es mit der Stellung des entscheidungsbefugten Vorsitzers unvereinbar, daß er nur Gesamtvertretungsbefugnis, ein anderes Vorstandsmitglied dagegen Alleinvertretungsbefugnis haben sollte; vgl. § 70 Anm. 16. Dies muß daher als unzulässig angesehen werden (vgl. auch Anm. 6). Wenn ein oder mehrere bestimmte Mitglieder Einzelvertretungsbefugnis erhalten, wird meistens zugleich auch eine Regelung für die Vertretungsbefugnis der übrigen Vorstandsmitglieder getroffen werden. Geschieht dies nicht, so bleibt es, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Auslegung fordern, für sie bei dem gesetzlichen Grundsatz der Gesamtvertretung durch den ganzen Vorstand. Sie können also die A G nicht ohne die Vorstandsmitglieder, denen Einzelvertretungsbefugnis verliehen ist, vertreten.

Anm. 6 b) Es kann bestimmt werden, daß m e h r e r e V o r s t a n d s m i t g l i e d e r g e m e i n s a m die A G vertreten. Während H G B § 232 nur Gesamtvertretungsbefugnis anordnete, „sofern nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist", und von den möglichen abweichenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags nur die Zulässigkeit der Gesamtvertretung durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen behandelte, sagt A k t G § 71 Abs. 3 S. 1, daß die Satzung bestimmen kann, daß einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sein sollen. Obwohl der Wortlaut den Anschein erweckt, daß die möglichen Ausnahmen von der gesetzlichen Gesamtvertretungsbefugnis hier erschöpfend angeführt seien, kann kein Zweifel darüber obwalten, daß die Möglichkeit der Gesamtvertretung durch mehrere Vorstandsmitglieder nicht beseitigt werden sollte und nach wie vor fortbesteht; s. R G 164, 382. Dieselbe Lücke enthielt schon H G B § 232, ebenso jetzt A k t G § 71 Abs. 3 S. 2 für die Ermächtigung des Aufsichtsrats zur Erteilung der Vertretungsbefugnis. Auch hier ist die Zulässigkeit der Bestimmung, daß mehrere Vorstandsmitglieder die A G gemeinsam vertreten können, nicht zu bezweifeln (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 5 ; K G i n J F G 10, 102 u n d J W 1933, 1 0 3 1 2 ) . Die Bestimmung der Satzung oder des Aufsichtsrats über die Vertretungsbefugnis kann etwa dahin lauten, daß eine bestimmte Zahl der Vorstandsmitglieder, z. B. j e zwei oder j e drei, die A G vertreten. Es kann aber auch bestimmt werden, daß nur bestimmte Vorstandsmitglieder gemeinsam die A G vertreten können, z. B. A nur zusammen mit B, und G nur zusammen mit D. Ebenso wie es möglich ist, daß ein Vorstandsmitglied zur alleinigen Vertretung der A G befugt ist, die andern dagegen Gesamtvertretungsbefugnis haben (s. z. B. K G in J W 1933, 1 0 3 1 2 ; oben Anm. 5), ist es auch möglich, daß bestimmte Vorstandsmitglieder gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied, andere dagegen nur gemeinsam mit zwei oder noch mehr Vorstandsmitgliedern die A G vertreten können. Es kann also etwa bestimmt werden, daß die A G entweder durch A und B oder durch C, D und E gemeinsam vertreten wird. In solchen Fällen dürfte im Zweifel anzunehmen sein, daß ein Mitglied mit stärkerer Vertretungsbefugnis ein Mitglied mit schwächerer Vertretungsbefugnis ersetzen kann; in dem letztgenannten Beispiel könnten also auch A oder B gemeinsam mit G und D oder mit C oder mit D und E die A G vertreten. Als im Widerspruch zu der Stellung eines entscheidungsbefugten Vorsitzers stehend und unzulässig müßte es angesehen werden, wenn er nicht zu den Vorstandsmitgliedern, die die stärkste Vertretungsmacht haben,

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 71 Anm. 7, 8 gehören würde (vgl. Anm. 5). Entscheidungsbefugter Vorsitzer kann daher in dem obigen Beispiel nur A und B sein. Wenn von den gemeinsam vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern je einer weggefallen ist, können die übrigbleibenden zusammen die A G vertreten, falls die in der Satzung vorgeschriebene Mindestzahl der Vorstandsmitglieder noch vorhanden ist (vgl. Anm. 3). Sind also A und B, oder C und D, oder E und F gemeinsam zur Vertretung der A G befugt und fallen B, D und F fort, so können A, G und E gemeinsam die AG vertreten, vorausgesetzt, daß die Satzung als Mindestzahl der Vorstandsmitglieder nicht mehr als drei vorsieht. Anm. 7 c) Zulässig ist auch die Bestimmung, daß ein V o r s t a n d s m i t g l i e d a l l e i n und ein a n d e r e s oder die a n d e r e n nur z u s a m m e n mit j e n e m die Gesellschaft vertreten können (KG in O L G R 27, 378; R J A 1 1 , 2 1 3 ; O L G Dresden in R J A 13, 222; Schlegelberger-Quassiwski Anm. 1 1 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; vgl. auch R G 90, 2 1 ; K G J 15, 96; a. A. Brodmann Anm. 2 b zu HGB §232; unklar Baumbach-Hueck Anm. 4 B). Mit Rücksicht darauf, daß ein Vorstandsmitglied nicht ganz von der Vertretungsbefugnis ausgeschlossen werden kann, besteht ein Bedürfnis an der Zulassung einer sochen Regelung der Vertretungsmacht. Es wäre sonst z. B. nicht möglich, einen aus zwei Mitgliedern bestehenden Vorstand zu bestellen, wenn eines dieser beiden Einzelbefugnis hat. Die einseitige Abhängigkeit des einen Vorstandsmitglieds von dem andern steht nicht mit der Stellung des Vorstands in Widerspruch. Das Gesetz zeigt nirgends das Bestreben, die Unabhängigkeit der Vorstandsmitglieder voneinander zu sichern. Jetzt ergibt die leitende Stellung des entscheidungsbefugten Vorsitzers (§ 70 Abs. 2) innerhalb des Vorstands klar das Gegenteil. Nur zu andern Organen soll der Vorstand nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich Ausnahmen zuläßt. Anm. 8 d) Es kann bestimmt werden, daß einzelne Vorstandsmitglieder gemeinsam mit einem Prokuristen vertretungsbefugt sein sollen (über die Bestellung von Prokuristen siehe Anm. 14 fr. zu § 74). Die Möglichkeit der gemeinsamen Vertretung der A G durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen darf nicht dahin führen, daß eine gesetzliche Vertretung der A G ohne Mitwirkung eines Prokuristen unmöglich wird. Es kann also nicht bestimmt werden, daß nur eine Person zum Vorstand bestellt werden, diese aber die A G nur gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten soll, oder daß bei Vorhandensein mehrerer Vorstandsmitglieder die A G ausschließlich durch ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten wird (wie hier Schlegelberger-Quassowski Anm. 12; Baumbach-Hueck Anm. 4C). Jedoch kann der Fall vorkommen, daß vorübergehend bis zur Neubestellung eines Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat oder das Gericht (§ 76) das einzige noch vorhandene Vorstandsmitglied die A G nur gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten kann, wenn nämlich das Vorstandsmitglied nur Gesamtvertretungsmacht hat und die übrigen Vorstandsmitglieder weggefallen sind (vgl. K G H R R 34, 338) — §76 Anm. 1. Nach Brodmann HGB § 232 Anm. 2 b meint das Gesetz, daß, wo und soweit Gesamtvertretung mehrerer Vorstandsmitglieder besteht, an Stelle eines Mitglieds auch ein Prokurist solle eintreten können und zwar von Fall zu Fall, je nach Bedarf. Dem ist zuzustimmen, nicht aber allen Folgerungen, die Brodmann daraus zieht. Als unzulässig wird man ansehen müssen, daß ein Prokurist eine weitergehende Befugnis, gemeinschaftlich mit einem Vorstandsmitglied die A G zu vertreten, erhält als igendein anderes Vorstandsmitglied. Hiernach kann nicht bestimmt werden, daß ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen, nicht aber gemeinsam mit einem andern Vorstandsmitglied die Gesellschaft vertreten kann. Ebenso ist es nicht zulässig zu bestimmen, daß ein Vorstandsmitglied nur in Gemeinschaft mit einem bestimmten anderen Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen, nicht aber gemeinsam mit einem der übrigen Vorstandsmitglieder die Gesellschaft vertreten kann. Die Ausübung der gesetzlichen Vertretung, die in Gemeinschaft mit einem Prokuristen möglich ist, muß auch in Gemeinschaft mit jedem anderen Vorstandsmitglied möglich sein. Als nicht zulässig wird 449

§71

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Anm. 9, 10 ferner die Bestimmung anzusehen sein, daß die A G gesetzlich vertreten wird entweder durch ein alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied oder durch ein solches Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen (abw. v. Godin-Wilhelmi Anm. 6 ; Schilling in Hachenburg, § 35 Anm. 23). Der Prokurist hat bei der gesetzlichen Vertretung nur ein anderes Vorstandsmitglied zu ersetzen; an einem dergestalt zu ersetzenden Vorstandsmitglied fehlt es aber, wenn keine gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder vorhanden sind. Auch ein Bedürfnis an der Zulässigkeit der Bestellung eines Prokuristen, der nur gemeinsam mit dem zum selbständigen Handeln befugten Prinzipal vertretungsberechtigt sein soll, ist nicht zu erkennen. Für alle diese Fälle ist also Brodmann zuzustimmen. Zulässig ist es dagegen zu bestimmen, daß ein Prokurist nur mit bestimmten Vorstandsmitgliedern zusammen handeln, also nur bestimmte andere ersetzen darf. Es kann etwa bestimmt werden, daß die A G vertreten wird durch das Vorstandsmitglied A gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied B oder G oder mit dem Prokuristen P, ohne daß dem P zugleich die Befugnis eingeräumt wird, gemeinsam mit B oder G die Gesellschaft zu vertreten; gleichgültig ist es dabei, ob B und G gemeinsam die Gesellschaft vertreten können.

Anm. 9 e) Auch die von einem Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen ausgeübte Vertretungsmacht ist die unbeschränkte, über die Vollmacht eines Prokuristen hinausgehende V e r t r e t u n g s m a c h t d e s V o r s t a n d s ( K G J 1 5 , 96; 43, 1 6 2 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 4 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck A n m . 4 D ; Brodmann H G B § 2 3 2 Anm. 2 b ; abw. die ältere Rechtsprechung). Ein häufig gebrauchter ungenauer Ausdruck hierfür ist, daß die Vertretungsmacht des Prokuristen erweitert ist. Es liegt vielmehr eine an die Mitwirkung eines Prokuristen gebundene Ausübung der gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds vor. Nur das Vorstandsmitglied, nicht der Prokurist, der gemeinsam mit jenem die A G vertritt, ist ihr gesetzlicher Vertreter ( K G in J F G 5, 238). Dies zeigt sich insbesondere im Prozeß, in dem eine gesetzliche Vertretung durch ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen nicht stattfindet (oben Anm. 2 und die flg. Anm. 19 sowie § 74 Anm. 20). I m übrigen handelt der Prokurist bei Gesamtvertretung mit einem Vorstandsmitglied als Vertreter der A G und nicht als Vertreter eines bestimmten Vorstandsmitglieds, auch wenn er Vertrauensperson eines verhinderten Vorstandsmitglieds ist ( B G H 13, 64). K r a f t Gesetzes wird er auf Grund eigener Entschließung und eigener Verantwortung tätig, und somit bei Pflichtverletzung der A G schadensersatzpflichtig (Baumbach-Hueck Anm. 4 D ) . Uber die Frage, ob ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen Anmeldungen zum Handelsregister vornehmen kann, s. Anm. 4 zu § 73 und Anm. 9 zu § 35.

Anm. 10 4. Der Wortlaut des Gesetzes erweckt Zweifel, ob die Satzung Einzelvertretungsbefugnis anordnen, aber d e n A u f s i c h t s r a t e r m ä c h t i g e n k a n n , d i e G e s a m t v e r t r e t u n g s b e f u g n i s e i n z u f ü h r e n . H G B § 232 Abs. 2 betraf nach seinen Anfangsworten („Steht nicht jedem einzelnen Vorstandsmitgliede die selbständige Vertretung der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrage zu") nicht den Fall, daß die Satzung den Vorstandsmitgliedern die Einzelvertretungsbefugnis einräumt. Hieraus wurde geschlossen, daß die Satzung, die die Einzelvertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder anordnete, nicht den Aufsichtsrat ermächtigen konnte, die Gesamtvertretungsbefugnis einführen (Brodmann H G B § 232 Anm. 6). Das A k t G §71 Abs. 3 enthält jene einleitenden Worte nicht. Nach Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 5 ist daraus zu entnehmen, daß der Aufsichtsrat jetzt auch ermächtigt werden kann, im Widerspruch mit der Satzung die Gesamtvertretung vorzuschreiben. Dagegen ließe sich freilich einwenden, daß Abs. 3 nur Ausnahmen von dem in Abs. 2 geregelten Grundsatz der gesetzlichen Gesamtvertretung enthält, aber nicht die Frage regelt, ob der Aufsichtsrat ermächtigt werden kann, von der in der Satzung getroffenen Regelung abzuweichen. Aber auch wenn man eine ausdrückliche Regelung der Frage in § 71 nicht findet,

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 71 Anm. 11, 12 wird man der von Schlegelberger vertretenen Ansicht zustimmen müssen, da das Gesetz eine solche Ermächtigung jedenfalls nicht verbietet und ein gegen ihre Zulässigkeit sprechenden Grund nicht ersichtlich ist. Mit Recht weist Schlegelberger a. a. O. darauf hin, daß es möglich sein muß, dem Aufsichtsrat, der kraft Gesetzes ausschließlich für die Bestellung der Vorstandsmitglieder zuständig ist, größere Freiheit in der Entscheidung über die Vertretungsmacht des Vorstands in der Satzung einräumen (zust. auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; a. A. Ritter Anm. 4.3.). Anm. 11 III. 1. Die Vorstandsmitglieder selbst können die Vertretungsbefugnis nicht ändern; insbesondere kann der Vorstand nicht einem seiner Mitglieder die Alleinvertretungsbefugnis einräumen, wenn sie es nicht durch die Satzung oder durch den Aufsichtsrat auf Grund einer Ermächtigung in der Satzung erhalten hat (Baümbach-Hueck Anm. 3 B). Ebensowenig kann ein Vorstandsmitglied durch Erteilung einer Generalvollmacht oder allgemeinen Zustimmung ermächtigt werden, die AG allgemein selbständig zu vertreten; eine solche Vollmacht ist unwirksam (RG 48, 56; R G in J W 1912, 52Ö3; K G J 20 A 74; OLG Karlsruhe im Recht 1905 Nr. 1629; Ritter Anm. 3b; vgl. aber § 74 Anm. 8 und Brodmann HGB § 232 Anm. 4a und b). Anm. 12 2. Hingegen erklärt Abs. 2 S. 2 es ausdrücklich für zulässig, daß der Vorstand einzelne seiner Mitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigt. Eine solche Ermächtigung braucht nicht von dem gesamten Vorstand erteilt zu werden (RG 80, 180; abw. K G J 20 A 74; K G in OLGR 27, 375; anscheinend auch R G 48, 56). Bei der Erteilung der Ermächtigung kann das zu ermächtigende Vorstandsmitglied selbst mitwirken (RG 80, 180; vgl. auch K G J 20 A 74). Die Befugnis zur Erteilung der Ermächtigung besteht nach Abs. 3 S. 3 sinngemäß auch in dem Falle, daß einzelne Vorstandsmitglieder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind; vgl. R G 116, 116ff. (eine entsprechende ausdrückliche Regelung enthält Ref. Entw. § 73 Abs. 4). Hiernach kann sich also das Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit dem Prokuristen die Ermächtigung zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften erteilen (zust. Schlegelberger-Quassowski Anm. 17; a. A. v. Godin-Wilhelmi Anm. 4, die jedoch, worauf auch Schilling in Hachenburg § 35 Anm. 14 mit Recht hinweist, die Regelung des § 71 Abs. 3 Satz 2 übersehen). Kann ein Vorstandsmitglied auch dem Prokuristen eine solche Ermächtigung erteilen? Dies hängt zunächst davon ab, ob man in der Erteilung einer solchen Ermächtigung eine selbständige Handlungsvollmacht sieht oder eine Befugnis zum alleinigen Handeln als gesetzlicher Vertreter (s. Anm. 13). Im ersten Falle besteht gegen die Zulässigkeit einer solchen Bevollmächtigung des Prokuristen kein Bedenken. Im zweiten Falle hingegen würde die Erteilung der Befugnis an den Prokuristen die Folge haben, daß dieser allein als gesetzlicher Vertreter der AG auftreten kann. Dies würde mit der Stellung des Prokuristen in Widerspruch stehen. Durch die Zulassung einer Gesamtvertretung der AG durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen wird der Prokurist nicht gesetzlicher Vertreter, sondern es wird nur die Ausübung der gesetzlichen Vertretungsmacht eines Vorstandsmitglieds an die Mitwirkung eines Prokuristen, der die Mitwirkung eines andern Vorstandsmitglieds ersetzt, gebunden (Anm. 9). Durch den Prokuristen allein kann die AG nicht gesetzlich vertreten werden. Daraus folgt aber nicht die Unwirksamkeit der dem Prokuristen erteilten Ermächtigung. Nur handelt es sich für ihn um eine echte Vollmachterteilung und nicht, wie bei einem Vorstandsmitglied, um eine Freistellung von den in der Gesamtvertretungsbefugnis liegenden Schranken der Ausübung der gesetzlichen Vertretungsmacht. Weshalb es widersinnig sein soll, daß ein Prokurist, dem nur Gesamtprokura zusteht, außerdem zur alleinigen Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften bevollmächtigt wird (so Brodmann HGB § 232 Anm. 4 a), ist nicht zu erkennen. Wegen Erteilung von Generalvollmacht s. Anm. 18 und Anm. 8 zu § 74. 451

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Anm. 13—15 Anm. 13 3. Die rechtliche Natur der Ermächtigung ist streitig. Uberwiegend wird sie

als eine echte Vollmacht angesehen ( R G 48, 56; 80, 180; R G in J W 1900, 6 6 3 1 8 ; K G in O L G R 27, 375), und zwar als eine Handlungsvollmacht im Sinne des § 54 H G B ( R A G in H R R 1929 Nr. 1924; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 7 ; Ritter Anm. 3 b ; Baumbach-Hueck Anm. 3 B ; Teichmann-Köhler Anm. 3 b ; Staub H G B § 232 Anm. 7). Hält man es grundsätzlich für zulässig, daß der gesetzliche Vertreter zugleich gewillkürter Vertreter ist, so würde sich die Zulässigkeit der Handlungsvollmacht an ein Vorstandsmitglied von selbst verstehen und Abs. 2 S. 2 wäre überflüssig. Folgerichtig müßte man es aber auch dann zulassen, daß einem Vorstandsmitglied Prokura erteilt wird; das Gegenteil hätte nur eine schwache Begründung in dem Schweigen des Gesetzes über diesen Punkt. I n Wirklichkeit ist mit der gesetzlichen leitenden Organstellung des Vorstandsmitglieds die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht, insbesondere einer Handlungsvollmacht oder gar einer Prokura, nicht zu vereinen. Es ist daher der von Brodmann H G B § 232 Anm. 4 b vertretenen Auffassung zuzustimmen, daß die Ermächtigung eine Erweiterung der Befugnis, die gesetzliche Vertretungsmacht zu handhaben, bewirkt, es sich also um einen organschaftlichen Akt handelt, nicht eine Bevollmächtigung. Hierfür spricht auch der Wortlaut des Gesetzes, das eben nicht von der Erteilung einer Vollmacht, sondern von einer Ermächtigung spricht. Das Vorstandsmitglied handelt also auf Grund einer solchen Ermächtigung als gesetzlicher Vertreter und nicht als Bevollmächtigter. Wie hier auch v. GodinWilhelmi Anm. 4 und Schilling in Hachenburg § 35 Anm. 13.

Anm. 14 4. Die Ermächtigung bedarf k e i n e r b e s o n d e r e n F o r m . Sie kann daher auch stillschweigend erteilt werden ( R G 1 2 3 , 280 auf S. 288). Das wissentliche Dulden der selbständigen Vornahme bestimmter Arten von Geschäften durch die andern Vorstandsmitglieder ist als Ermächtigung anzusehen ( R G S t . 47, 3 2 ; vgl. K G in O L G R 40, 199)Uberhaupt gilt als Erteilung einer Ermächtigung jedes Verhalten der Vorstandsmitglieder, das nach außen die Uberzeugung erwecken muß, daß eine Ermächtigung vorliegt ( R G 1 2 3 , 288). Es ist zwar grundsätzlich erforderlich, daß die Grenzen der Ermächtigung ersichtlich sind ( R G 48, 56). Doch ist eine deutliche scharfe Abgrenzung nicht für erforderlich zu erachten. H a t das Vorstandsmitglied mit Zustimmung oder Duldung der übrigen Vorstandsmitglieder die Gesellschaft bei Geschäften bestimmter Art fortgesetzt allein vertreten, so kann das Vorliegen einer Ermächtigung für solche Geschäfte nicht deshalb verneint werden, weil das Vorstandsmitglied darüber hinaus bei verschiedenartigen und nicht bestimmt abzugrenzenden Geschäften selbständig die A G nicht vertreten hat. Anders nur, wenn die selbständige Vertretung so weit ging, daß des Vorstandsmitglied allgemein die A G allein vertrat (vgl. oben Anm. 1 1 , bedenklich O L G Hamburg in O L G R 5, 47).

Anm. 15 5. Der U m f a n g d e r V e r t r e t u n g s m a c h t , die das Vorstandsmitglied durch eine Ermächtigung gemäß Abs. 2 S. 2 erwirbt, richtet sich in erster Linie nach dem Inhalt der Ermächtigung. H G B § 54 ist nicht unmittelbar anwendbar (vgl. Anm. 12). E r paßt nur für Handlungsgehilfen, über deren Vertretungsbefugnis das Handelsregister nichts aussagt, und nicht f ü r Vorstandsmitglieder, über deren Vertretungsbefugnis das Handelsregister Auskunft gibt. Allerdings ist die Erteilung einer Ermächtigung zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften nicht im Handelsregister eintragbar (a. A . wenn die Ermächtigung bestimmte Arten von Geschäften betrifft und für die Dauer erteilt ist, v. Godin-Wilhelmi Anm. 4 a. E.). Aber es ist dem Geschäftsgegner, der aus dem Handelsregister ersehen kann, daß das Mitglied nur Gesamtvertretungsbefugnis hat, sehr wohl zuzumuten, sich über den U m f a n g seiner Alleinvertretungsmacht zu unterrichten. Der Grundsatz, daß ein äußeres Verhalten, das auf eine Vollmachterteilung schließen läßt, rechtlich als solche angesehen wird, muß freilich auch für die Ermächtigung zur Vornahme einzelner Geschäfte oder be-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

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Anm. 16, 17

stimmter Arten von Geschäften durch ein Vorstandsmitglied gelten. Aber es kann weder angenommen werden, daß es zu den in HGB § 54 Abs. 2 vorgesehenen Handlungen für das Vorstandsmitglied einer besonderen Ermächtigung bedarf, noch daß Dritte in dem Umfang des HGB § 54 Abs. 3 geschützt sind. Es ist vielmehr ganz nach den besonderen Umständen des einzelnen Falls zu beurteilen, in welchem Umfang das Vorstandsmitglied zur Alleinvertretung ermächtigt worden oder nach dem Verhalten der übrigen Vorstandsmitglieder als ermächtigt anzusehen ist. Es ist nicht zu verkennen, daß durch das Institut der Ermächtigung eine gewisse Unsicherheit für den Rechtsverkehr geschaffen wird, zumal auch selbst bei förmlichen Geschäften (wie Wechselzeichnung und Notariatsakte) nicht verlangt wird, daß der Ermächtigte ausdrücklich erklärt, nicht als Gesamtvertreter, sondern kraft Ermächtigung zu handeln (vgl. R G 118, 170; K G R J A 2, 85). Doch haftet die AG, wie jedermann, nach außen für den von ihr erzeugten Rechtsschein (vgl. u. a. R G 75, 41g; 117, 165; 123, 288; 144, 388; BGH 5, 112), so daß Dritte weitgehend geschützt sind. Begrifflich muß allerdings eine Haftung der AG auf Grund vorliegender Ermächtigung oder aus Rechtsschein geschieden werden (Schilling in Hachenburg, § 35 Anm. 18; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4), da sich die Haftung aus Rechtsschein unter Berücksichtigung objektiver Umstände, wie sie dem Dritten erkenntlich waren, und damit aus Treu und Glauben herleitet, während die Ermächtigung auf einer wenn auch möglicherweise stillschweigenden Willenserklärung beruht. Die Haftung aus Rechtsschein berührt sich damit eng mit der Haftung der AG nach außen bei Vorliegen einer Ermächtigung durch schlüssiges Verhalten, insbesondere durch Duldung der übrigen Vorstandsmitglieder (Anm. 14 oben).

Anm. 16 6. Die Ermächtigung zur Vornahme bestimmter Geschäfte ist jederzeit w i d e r r u f l i c h . Denn das einzelne Vorstandsmitglied, das nur gesamtvertretungsberechtigt ist, hat keinen Anspruch darauf, daß ihm von den übrigen Vorstandsmitgliedern die alleinige Vornahme von Geschäften gestattet wird. Dies geschieht immer nur aus Zweckmäßigkeitsgründen im Interesse der AG, und es ist Pflicht der Vorstandsmitglieder, den Widerruf der Ermächtigung auszusprechen, wenn es ihnen bedenklich erscheint, dem Vorstandsmitglied die weitere alleinige Vertretung der Gesellschaft bei den betreffenden Geschäften zu überlassen. Wie steht es aber, wenn die übrigen Vorstandsmitglieder verschiedener Meinung sind? In diesem Fall wird gegen den Willen derjenigen Vorstandsmitglieder, die die Ermächtigung erteilt haben, ein Widerruf nur möglich sein durch den entscheidungsbefugten Vorsitzer (§ 70 Abs. 2) oder auf Grund eines von dem Gesamtvorstand gefaßten Beschlusses. Sind die übrigen Vorstandsmitglieder nur zusammen mit dem Ermächtigten zur Vertretung der A G befugt, so ist ein Widerruf ohne Mitwirkung des Ermächtigten möglich (s. Baumbach-Hueck Anm. 3 B und auch Schilling in Hachenburg, § 35 Anm. 17). Z. T. abweichend v. GodinWilhelmi, die Widerruf durch jedes Vorstandsmitglied zulassen, wenn nicht Mehrheitsprinzip gilt. War die Ermächtigung durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt, so bleibt sie nach BGB § 170, der entsprechend anzuwenden ist, in Kraft, bis dem Dritten das Erlöschen angezeigt wird (RG in J W 1915, 998"). Dasselbe gilt, wenn dem Dritten besondere Mitteilung von dem Bestehen der Ermächtigung gemacht war; ist die Ermächtigung öffentlich bekanntgegeben worden, so kann sie auch nur auf dieselbe Weise widerrufen werden (BGB § 171).

Anm. 17 IV. 1. Von der Frage, wie weit ein Gesamtvertreter auf Grund einer E r m ä c h tigung allein handeln kann, ist die Frage der Ausübung der Gesamtvertretungsbefugnis zu unterscheiden. Der Begriff der Gesamtvertretung besagt nicht mehr, als daß ein Vertreter nur im Zusammenwirken mit einem andern die Gesellschaft vertreten kann; in welcher Weise dieses Zusammenwirken vor sich gehen muß, ist damit nicht entschieden. Darüber kann nur der Sinn der Gesamtvertretung Auskunft geben. Die Gesamtvertretung verlangt das Zusammenwirken mehrerer Vorstandsmit453

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Anm. 18

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glieder, um den aus der Unzulänglichkeit oder Unehrlichkeit eines einzelnen Vorstandsmitglieds drohenden Gefahren zu begegnen. Welche Art das Zusammenwirken ist, ist unerheblich. Das Entscheidende ist allein, daß die Handlung dem Willen der gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigten Vorstandsmitglieder entspricht. Aus diesem von Brodmann H G B § 23a Anm. 3 entwickelten Gedanken folgt, daß nicht gleichzeitiges Handeln der Gesamtvertreter erforderlich ist, sondern vorherige oder nachträgliche Zustimmung genügt ( R G 81, 325; vgl. 106, 268; s. auch BaumbachHueck Anm. 3 C); daß ferner die Zustimmung nicht dem Dritten gegenüber, auch nicht stillschweigend, erklärt zu werden braucht ( R G 81, 325; 1 0 1 , 342; vgl. R G in J W 1901, 308 13 , abw. die überwiegende ältere Rechtsprechung R G 40, 17; 6 i , 223; 75, 419; R G in J W 1908, 1 5 1 2 6 ; R G im Recht 1907 Nr. 1783)5 daß sie als erklärt gilt, wenn der Vertragspartner nach Treu und Glauben den Umständen nach auf eine Zustimmung schließen konnte, R G 123, 288; daß die Zustimmung des andern Vertreters kein selbständiges Rechtsgeschäft ist, das selbst von den zur Vertretung befugten Gesamtvertretern zusammen vorgenommen werden müsse (so anscheinend R G 80, 180). Ferner folgt daraus, daß dies alles auch für formbedürftige Rechtsgeschäfte gilt und die Zustimmung nicht der für das Geschäft vorgeschriebenen Form bedarf, wie z. B. bei der Wechselzeichnung (RG 118, 168; R G in J W 1901, 518»), Bürgschaft ( R G 85, 256 auf S. 261), Aktienzeichnung (RG 63, 96). Voraussetzung ist jedoch, daß die Erklärung des handelnden Gesamtvertreters sich als fertige Vertragserklärung darstellt und nicht als bloßer Entwurf (Schlegelberger-Quassowski Anm. 8). Wird eine nachträgliche Zustimmung erteilt, so hat sie rückwirkende Kraft, jedoch bleiben zwischenzeitliche Verfügungen wirksam, § 184 BGB. Schließlich setzt eine Genehmigung voraus, daß der Handelnde selbst mit dem von ihm abgeschlossenen Rechtsgeschäft noch einverstanden ist ( R G H R R 42, 424; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6 a. E . ; Baumbach-Hueck Anm. 3 C). Bevor die erforderliche Genehmigung erteilt ist, handelt das zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglied als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Bei Rechtsgeschäften, die bei Vornahme durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht schwebend unwirksam, sondern nichtig sind, verpflichtet auch ein Handeln eines Gesamtvertreters ohne vorherige Zustimmung des andern die A G nicht. Entsprechendes gilt für die Stimmabgabe eines nur kollektivberechtigten Vorstandsmitglieds in der Hauptversammlung einer anderen A G ( § 1 1 4 Anm. 6 u. 22). Für einseitige Rechtsgeschäfte gilt BGB § 180 S. 1, 2. — Es ist auch die Genehmigung durch einen Gesamtvertreter zulässig, der erst nach Abschluß des Geschäfts die Vertretungsbefugnis erlangt hat ( R G in J W . 1908, 151 2 8 ).

Anm. 18 2. (a) Dagegen ergibt der Sinn der Gesamtvertretungsmacht nicht die Zulässigkeit einer allgemeinen Zustimmung des einen Gesamtvertreters zu Handlungen des andern. Dadurch würde gerade der Zweck der Gesamtvertretung vereitelt, daß nur durch den Entschluß mehrerer Vertreter Rechtsfolgen für die A G entstehen sollen. Das Verhältnis einer natürlichen Person zu ihrem Vertreter ist ein ganz anderes als das Verhältnis zweier Gesamtvertreter zueinander. Eine natürliche Person kann sich ganz in die Hand eines Vertreters geben, dem sie vertraut. Der Gesamtvertreter der A G hat aber nicht die Befugnis, die A G dem andern Gesamtvertreter auszuliefern. Daher kann die Bestimmung über die Ermächtigung einzelner Mitglieder zur Vornahme bestimmter Arten von Geschäften nicht aus der Natur der Gesamtvertretung abgeleitet werden (a. A. Brodmann H G B § 232 Anm. 4). Ebenso steht es hinsichtlich der Zulassung von Blankozustimmungen nicht wie sonst bei Willenserklärungen. Die Zulässigkeit einer solchen Blankozustimmung folgt aber aus der kraft gesetzlicher Vorschrift bestehenden Zulässigkeit der Ermächtigung eines Vorstandsmitglieds zur alleinigen Vertretung bei b e s t i m m t e n G e s c h ä f t e n o d e r b e s t i m m t e n A r t e n v o n G e s c h ä f t e n . Sie geht nicht weiter als die Möglichkeit einer solchen Ermächtigung. Sie kann nicht den Umfang einer G e n e r a l v o l l m a c h t annehmen, im einzelnen s. Anm. 8 zu § 74. Die Kenntnis des genauen Inhalts des Geschäfts ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung ( R G 101, 342; R G in J W 1908, 151 2 6 ).

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 71 A n m . 19—22 A n m . 19 3. Die vorstehenden Ausführungen in Anm. 17 und 18 gelten in gleicher Weise für die Vertretung durch mehrere Vorstandsmitglieder und für die Vertretung durch ein V o r s t a n d s m i t g l i e d u n d e i n e n P r o k u r i s t e n . Es liegt jedoch keine gesetzliche Vertretung vor, wenn nur der Prokurist abschließt und das Vorstandsmitglied zustimmt. Der Prokurist allein kann nicht als gesetzlicher Vertreter der A G auftreten (Anm. 9, i a ; s. auch § 74 Anm. 20). Er vermag nicht das Handeln eines Vorstandsmitglieds für die A G , sondern nur die M i t w i r k u n g eines andern Vorstandsmitglieds zu ersetzen. Freilich aber gelten die obigen Grundsätze über die Gesamtvertretung ebenso für die Prokura wie für die gesetzliche Vertretungsmacht. Sofern das Geschäft nicht außerhalb der Befugnisse eines Prokuristen überhaupt liegt, ist also seine Verbindlichkeit für die A G bei Vornahme durch den Prokuristen und Zustimmung eines Vorstandsmitglieds nicht zu bezweifeln. Auch wird anzunehmen sein, daß bei Zustimmung eines Vorstandsmitglieds der Prokurist alle Rechtsgeschäfte abschließen kann, die er gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied abschließen könnte, also auch Verfügungen über Grundstücke oder die Erteilung einer Prokura ( J F G 9, 1 ff.); nur Handlungen, die ein gewillkürter Vertreter der A G überhaupt nicht vornehmen kann, kann ein Prokurist trotz Zustimmung eines Vorstandsmitglieds nicht vornehmen. A n m . 20 V. Der Grundsatz der Gesamtvertretung gilt nicht für Entgegennahme von Willenserklärungen, die sog. p a s s i v e S t e l l v e r t r e t u n g . Willenserklärungen können vielmehr immer gegenüber jedem einzelnen Vorstandsmitglied abgegeben werden, § 71 Abs. 2 Satz 3 (vgl. § 28 Abs. 2 BGB). Die Satzung kann Abweichendes nicht bestimmen (so auch §40 BGB). Diese gesetzliche Einzelvertretungsbefugnis für die passive Vertretung der A G gilt, außer für Willenserklärungen, entsprechend auch für alle anderen Arten von Äußerungen und Mitteilungen (h. L . ; Ritter Anm. 3 c; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 18). Die Bestimmung Abs. 2 S. 3 ist nach Abs. 3 S. 3 entsprechend anwendbar auf den Fall, daß ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. Auch hier (vgl. Anm. 19) wird aber anzunehmen sein, daß die entsprechende Anwendung nur die Abgabe der Erklärung gegenüber dem Vorstandsmitglied gestattet, soweit die Erklärung wirksam nur gegenüber einem gesetzlichen Vertreter der A G abgegeben werden kann. Der Prokurist kann zwar ebenfalls Erklärungen allein wirksam entgegennehmen, aber nur im Rahmen der Prokura (vgl. die Erläuterungen zu H G B § 49 und Anm. 14 zu § 74). A n m . 21 V I . Verwandt hiermit ist die Frage, ob das W i s s e n n u r eines G e s a m t v e r t r e t e r s der A G zugerechnet wird. Dies ist grundsätzlich zu bejahen. Auf die A G finden die allgemeinen Grundsätze über die Gesamtvertretung Anwendung, nach denen die Kenntnis eines Gesamtvertreters dem Vertretenen zugerechnet wird (s. BGH 20, 149 und aus der älteren Rspr. z. B . ' R G 53, 227; 59, 400 auf S. 408; O L G Dresdenin O L G R 24, 144; in J W 1926, 2 1 1 7 ) . Ein Grund, für das Wissenmüssen etwas anderes anzunehmen, liegt um so weniger vor, als die A G auch für fahrlässige Handlungen eines zur Gesamtvertretung berechtigten Vorstandsmitglieds haftet (Anm. 27; vgl. BaumbachHueck Anm. 3 D ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 18). Uber eine Ausnahme s. Anm- 28. Das gleiche gilt für andere p s y c h i s c h e T a t b e s t ä n d e , wie Täuschung, Drohung (vgl. unten Anm. 22). Der I r r t u m eines Gesamtvertreters ist unbeachtlich, wenn die Kenntnis des andern Gesamtvertreters der A G von dem wahren Sachverhalt besteht; daher kann die A G ein Rechtsgeschäft wegen Irrtums nur anfechten, wenn b e i d e für sie handelnde Vorstandsmitglieder geirrt haben (vgl. jedoch R G 78, 347 auf S. 354 und Baumbach-Hueck Anm. 3 D sowie Schilling in Hachenburg, § 35 Anm. 8 a). Angesichts der Kenntnis des einen Gesamtvertreters scheint es angemessen, daß nicht der Geschäftsgegner, sondern die A G die Folgen des Irrtums tragen muß. A n m . 22 V I I . Die W i r k u n g e n d e s H a n d e l n s d e r v e r t r e t u n g s b e r e c h t i g t e n V o r s t a n d s m i t g l i e d e r richten sich nach BGB §§ 164, 166. BGB § 165, wonach die beschränkte

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Anm. 23

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Geschäftsfähigkeit des Vertreters unschädlich ist, kommt nicht in Betracht, da ein beschränkt Geschäftsfähiger nicht Vorstandsmitglied sein kann und auch ein Schutz Dritter in dieser Hinsicht nicht stattfindet ( § 7 5 Anm. 6). Auf den in Gemeinschaft mit einem gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglied handelnden Prokuristen ist § 165 jedoch anzuwenden. Grundsätzlich wird das W i s s e n u n d W o l l e n jedes Vorstandsmitglieds der A G zugerechnet (Anm. 2 1 ) ; B G H 20, 149 (152). Dies gilt auch für Vorstandsmitglieder, die am Abschluß eines Geschäfts nicht persönlich beteiligt sind, an ihm also überhaupt nicht mitgewirkt haben ( R G J W 1935, 2044; B G H 20, 149; B G H Urteil vom 17. 5. 1956 — I I Z R 10/55 — nicht veröffentlicht; Schilling in Hachenburg, § 35 Anm. 8 a ; a. A . die Vorauf!.; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5 ; Schlegelberger- Quassowski Anm. 1 9 ; Brodmann § 232 Anm. 5). D a das Wissen eines Organmitglieds als Wissen der A G gilt, sind die gleichen Grundsätze anzuwenden f ü r Vorstandsmitglieder, die ein anderes Vorstandsmitglied zum Abschluß bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigt haben. Das ermächtigte Vorstandsmitglied ist f ü r Geschäfte, f ü r die ihm die Ermächtigung erteilt ist, zwar selbständig vertretungsbefugt; es handelt auch auf Grund seiner für solche Geschäfte bestehenden Alleinvertretungsmacht und nicht auf Grund einer Zustimmung der andern Gesamtvertreter. Dennoch muß sich die A G das Wissen des ermächtigenden Vorstandsmitglieds anrechnen lassen (a. A . die Vorauf!.). Nichts anderes gilt auch, wenn ein gesamtvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied am Abschluß eines Geschäfts direkt in der Weise beteiligt ist, daß durch seine Zustimmung ein von einem andern Vorstandsmitglied abgeschlossenes Rechtsgeschäft Wirksamkeit f ü r die A G erlangt (Anm. 1 7 ) ; ist das zustimmende Vorstandsmitglied z. B. hinsichtlich des Eigentums an einer für die A G erworbenen Sache nicht gutgläubig, so findet ein Erwerb von Nichtberechtigten trotz des guten Glaubens des nach außen handelnden Vorstandsmitglieds nicht statt.

Anm. 23 VIII. Insichgeschäfte

1. Auf Rechtsgeschäfte, die ein Vorstandsmitglied mit sich selbst im Namen der AG abschließt, findet B G B § 1 8 1 Anwendung. Sie sind also nur wirksam,

wenn sie dem Vorstandsmitglied gestattet sind oder wenn es sich ausschließlich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt. Das gleiche wie für materielle Geschäfte gilt für die formellen Erklärungen des Grundbuchrechts, obgleich das Vorstandsmitglied diese nicht sich selbst gegenüber, sondern gegenüber dem Grundbuchamt abzugeben hat ( K G J 4 7 , 1 4 7 ) . Ein Selbstkontrahieren liegt nicht vor, wenn die A G bei dem Geschäft durch andere vertretungsbefugte Vorstandsmitglieder vertreten wird. Streitig ist die Frage, ob die A G bei einem Rechtsgeschäft mit einem Vorstandsmitglied wirksam durch ein anderes Vorstandsmitglied vertreten werden kann, das nur zusammen mit jenem zur Vertretung der A G befugt ist. Das R G hat die Frage in R G 89, 367 auf S. 373 verneint, weil in diesem Fall das Vorstandsmitglied auf beiden Seiten stehe. Dieses Urteil ist jedoch nicht zu vereinen mit der späteren Entscheidung R G 103, 4 1 7 . In diesem Fall schloß einer der beiden gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer einer G m b H im eigenen Namen einen Vertrag mit der G m b H , die durch den anderen Gesamtvertreter und einen Bevollmächtigten vertreten wurde. Dessen Vollmacht sah das Reichsgericht in der Tatsache, daß der eine Geschäftsführer mit ihm zusammen unterschrieb und der andere die Erklärung annahm. Die Anwendung des § 181 B G B lehnte das R G ab, weil § 1 8 1 nur den aus dem Wesen der Willenserklärung sich ergebenden Zweifel lösen wolle, ob und inwieweit Erklärungen eines Vertreters an sich selbst rechtsunwirksam sind, also nur auf die Art des Zustandekommens der Rechtsgeschäfte, nicht auf die zugrunde liegenden Interessen bezogen werden dürfe. I m Anschluß an diese Entscheidung hat das R G in R G 108, 405 grundsätzlich ausgesprochen, daß ein Unterbevollmächtigter im Namen des Vertretenen mit dem Bevollmächtigten einen Vertrag abschließen könne, ohne daß B G B § 181 entgegenstünde. K a n n hiernach ein Dritter im Namen der A G auf Grund einer Vollmacht des Vorstandsmitglieds im Namen der A G mit diesem einen Vertrag abschließen, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb nicht der eine Gesamtvertreter von dem andern die Ermächtigung zum Abschluß sollte erhalten können. R G 108, 405

456

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 71

A n m . 24

sieht zwar eine Schranke für die Wirksamkeit eines solchen Geschäfts nicht nur wie RG 103, 4*7 i n einer Kollusion zum Nachteil der Gesellschaft, sondern auch in der Absicht, BGB § 181 zu umgehen. Dies liegt nahe, wenn die Vollmacht oder Ermächtigung nicht eine allgemeine war, von der nur unter anderm zum Abschluß des Vertrages mit dem Vorstandsmitglied Gebrauch gemacht wurde —- so lag der Fall anscheinend in RG 108, 405 —, sondern wenn sie gerade zum Abschluß des Vertrages mit dem Vorstandsmitglied erteilt wurde. Aber genau dies war der Fall der die Anwendung des § 181 BGB ablehnenden und den Vertrag für wirksam erklärenden Entscheidung RG 103, 417, auf die sich RG 108, 405 stützt. In der Tat ist eine Absicht der Umgehung des Gesetzes schwer denkbar, wenn § 181 BGB sich nicht gegen die Interessenkollision richtet, sondern nur die sich aus dem Wesen der Willenserklärung ergebenden Zweifel über die Möglichkeit von Erklärungen an sich selbst lösen will (so jetzt die h. L.; s. RG 157, 24 [31 f.] m. w. N. BGH vom 30. 10. 58 in WM 1958, 1506). Denn dann kann es allein darauf ankommen, ob für die AG das Vorstandsmitglied selbst oder ein anderer Vertreter handelnd auftritt. Geht man von dieser Auffassung des § 181 BGB aus, die auch den in RG 103, 418 angeführten weiteren Entscheidungen des RG zu § 181 BGB und ebenso den in RG 108, 406 angeführten Entscheidungen des Kammergerichts und des Bayerischen Obersten Landesgerichts sowie RG 143, 354 zugrunde liegt und zu der hier nicht grundsätzlich Stellung genommen werden kann, so muß RG 8g, 367 als durch die spätere Rechtsprechung überholt angesehen werden. Allerdings sagt RG 108, 407, daß der Fall in RG 89, 361 anders läge, anscheinend deshalb, weil dort das Geschäft mit dem einen Geschäftsführer nicht nur von dem andern gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer, sondern auch von dem mit der Gesellschaft kontrahierenden Geschäftsführer selbst in deren Namen abgeschlossen wurde. Ist aber der Vertrag wirksam, wenn der eine Gesamtvertreter auf Grund einer in dem Abschluß liegenden stillschweigenden Ermächtigung des andern allein im Namen der Gesellschaft handelt, so kann er unmöglich unwirksam sein, wenn beide Gesamtvertreter die Erklärung im Namen der Gesellschaft abgeben (zustimmend OLG Celle in SJZ 1948, Sp. 313 mit kritischer Anm. von Lehmann). Hiernach kann also ein Gesamtvertreter ein Rechtsgeschäft wirksam abschließen, sofern nicht ein sittenwidriges Zusammenwirken der beiden Gesamtvertreter zum Schaden der AG stattfindet (im Ergebnis übereinstimmend Brodmann HGB § 232 Anm. 4g und in JW 1930, 1418 Anm.; Baumbach-Hueck Anm. 2 B; hingegen wie RG 89, 367 RG in LZ 1926, 438' und unter ausdrücklicher Ablehnung der vom Reichsgericht vertretenen grundsätzlichen Auffassung des § 181 KG in JW 1930, 14181; ferner abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 21; Staub HGB § 232 Anm. 48; Teichmann-Köhler Anm. 2 b). A n m . 24

2. Die G e s t a t t u n g zum Abschluß eines Rechtsgeschäfts mit sich selbst im Namen der Gesellschaft kann von dem Aufsichtsrat — auch stillschweigend — ausgehen, der nach § 97 befugt ist, die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern zu vertreten. Auch die Satzung kann den Vorstand zum Abschluß von Geschäften mit sich selbst ermächtigen, ebenso die Hauptversammlung, wenn ein entsprechender Beschluß gem. §103 Abs. 2 herbeigeführt wird (so auch Teichmann-Köhler Anm. 2b; abw. offenbar v. Godin-Wilhelmi § 97 Anm. 2). Dagegen ist nicht anzunehmen, daß die Gestattung der Vornahme von Rechtsgeschäften mit sich selbst im Namen der Gesellschaft von einem andern Vorstandsmitglied ausgehen kann (a. A. Brodmann HGB § 247 Anm. 1 a). Nicht entscheidend ist, daß ein anderes Vorstandsmitglied die AG bei Vornahme von Rechtsgeschäften mit dem Vorstandsmitglied vertreten kann (Anm. 23). Die Gestattung des Selbstkontrahierens ist etwas anderes als der Abschluß eines bestimmten Rechtsgeschäfts; sie gibt in ganz besonderem Maße die Gesellschaft in die Hand des Vorstandsmitglieds. Es muß angenommen werden, daß dazu nur dasjenige Organ imstande ist, das berufen ist, die Interessen der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied wahrzunehmen. Es wäre im höchsten Maße bedenklich, wenn die Vorstandsmitglieder in der Lage wären, sich gegenseitig die Befugnis zur Vornahme von Rechtsgeschäften im Namen der Gesellschaft mit sich selbst zu erteilen. Nur der Abschluß eines inhaltlich bestimmten Geschäfts mit sich selbst wird dem Vorstandsmitglied von einem andern 457

§71

Anm. 25—29

I. Buch: Aktiengesellschaft

Vorstandsmitglied, das Alleinvertretungsmacht hat oder mit jenem zusammen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist, gestattet werden können.

Anm. 25 3. Ein gegen BGB § 181 verstoßendes Geschäft ist nicht nichtig, sondern als ein von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossenes Geschäft s c h w e b e n d u n w i r k s a m . Durch Genehmigung seitens des Vertretenen wird das Geschäft wirksam ( R G 56, 104; 67, 51). Das ist jetzt allgemein anerkannt. Die Genehmigung kann für die A G von jedem ausgesprochen werden, der das Geschäft im Namen der A G mit dem Vorstandsmitglied hätte abschließen können, also von dem Aufsichtsrat oder einem andern Vorstandsmitglied, von letzterem auch dann, wenn es nur mit dem selbstkontrahierenden Vorstandsmitglied gemeinsam zur Vertretung der A G befugt ist (Anm. 23).

Anm. 26 IX. U b e r s c h r e i t e t ein V o r s t a n d s m i t g l i e d den U m f a n g oder die S c h r a n k e n d e r A u s ü b u n g s e i n e r V e r t r e t u n g s b e f u g n i s , so handelt es als Vertreter ohne Vertretungsmacht. B G B §§ 177 fr. sind anwendbar. Das Vorstandsmitglied wird dem Geschäftsgegner in aller Regel gemäß § 179 Abs. 1 BGB haften, da es die Grenzen seiner Vertretungsmacht kennen muß. U b e r die gesetzlichen Beschränkungen der Vertretungsmacht s. § 74 A n m . 6.

Anm. 27 X. 1. Die AG haftet für unerlaubte Handlungen der Vorstandsmitglleder

nach B G B § 3 1 , vgl. § 1 Anm. 3 (RG 57, 93; 76, 48; RG in JW 1903 Beil. 39 Nr. 81). Es handelt sich dabei um eine Haftung für das Handeln der Organe der A G , das dieser als eigenes Handeln zuzurechnen ist. A u f die Vertretungsbefugnis kommt es in dieser Hinsicht nicht an. Daher haftet die A G auch für die unerlaubte Handlung eines einzelnen nur gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieds ( R G 57, 93; 7 4 , 2 5 7 ; 110, 145; 117, 61). Es m u ß sich dabei jedoch immer um eine i n A u s ü b u n g d e r d e m V o r s t a n d z u s t e h e n d e n V e r r i c h t u n g e n begangene unerlaubte Handlung handeln ( R G 94, 318). Die Herstellung einer gefälschten Unterschrift eines andern Vorstandsmitgliedes, ohne das das gesamtvertretungsberechtigte Vorstandsmitglied nicht die A G vertreten könnte, ist keine in Ausführung der dem Vorstand zustehenden Verrichtungen begangene Handlung und macht die A G also nicht haftbar ( R G 134, 375).

Anm. 28 2. A u c h aus einem Vertrage haftet die A G für das Verschulden n u r e i n e s g e s a m t v e r t r e t u n g s b e r e c h t i g t e n V o r s t a n d s m i t g l i e d s ( R G 1 1 0 , 145; R G in J W 1925, I-9901). Dasselbe ist für die Haftung wegen culpa in contrahendo anzunehmen, soweit das Verschulden nicht gerade darin besteht, d a ß das Vorstandsmitglied ohne die erforderliche Vertretungsmacht abschließt oder den Geschäftsgegner über den Mangel der Vertretungsmacht täuscht.

Anm. 29 3. Strafrechtlich kann die A G als solche grundsätzlich nicht verantwortlich gemacht werden, da das deutsche Recht eine Bestrafung juristischer Personen nicht kennt (vgl. die Entschließung des D J T 1953 in J Z 53, 613 und andererseits B G H in N J W 53, 1838 aber auch § 393 AO).Begehen also Vorstandsmitglieder Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, so sind sie persönlich verantwortlich, auch wenn sie in ihrer Eigenschaft als Organe der Gesellschaft gehandelt haben. Jedoch ist vielfach in Gesetzen ausdrücklich eine H a f t u n g der A G für durch strafbare Handlungen ihrer Organe verwirkte Strafen, Bußen und Sicherungsmaßnahmen vorgesehen, vgl. u. a. § 103 A O ; § 5 W i S t r G ; § 41 KartellG. U b e r die strafrechtlichen Reformbestrebungen bei der sog. Organhaftung s. Bruns J Z 1958, 461.

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 72 Anm. 1

§ 7 3 Z e i c h n u n g des V o r s t a n d s Der Vorstand hat in der Weise zu zeichnen, daß die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft oder zu der Benennung des Vorstands ihre Namensunterschrift hinzufügen Übersicht Anm.

I. Art der Zeichnung i—2 II. Abweichende Satzungsbestimmungen 3 III. Zeichnung zum Handelsregister 4 Die Bestimmung stimmt völlig mit H G B § 233 überein und entspricht § 35 Abs. 3 G m b H G sowie § 51 H G B (Prokura). Anm. 1 I. 1. § 72 schreibt vor, wie der Vorstand für die A G zeichnen soll. Die Zeichnung soll die Firma der Gesellschaft oder die Benennung des Vorstands enthalten. Z u letzterem genügt, daß ein den Firmenaufdruck der Gesellschaft enthaltendes Schriftstück mit der Bezeichnung „ D e r Vorstand" abgeschlossen wird. Der Firma oder der Benennung des Vorstands soll aber nach § 72 das Vorstandsmitglied seine Namensunterschrift hinzufügen. Es handelt sich um eine O r d n u n g s v o r s c h r i f t , deren Verletzung die Gültigkeit der Erklärung nicht beeinträchtigt ( R G 119, 114; vgl. auch R G 75, 1; 83, 121). Vielmehr bindet jede schriftliche Erklärung des Vorstands die A G , sofern nur der Wille, für die [Gesellschaft zu zeichnen, erkenntlich ist; das ist nach der Verkehrsauffassung immer dann der Fall, wenn der Vorstand mit einem Dritten in Gesellschaftsangelegenheiten verhandelt (h. L., vgl. R G Z 1 1 9 , 1 1 5 ; Baumbach-Hueck Anm. 1; Schilling in Hachenburg § 35 Anm. 29). Eine Verletzung von § 72 beeinträchtigt auch die Gültigkeit einer Erklärung nicht bei Geschäften, bei denen das Gesetz die Schriftform verlangt (herrschende Lehre, abw. Brodmann H G B § 233 Anm. 2 b). Die Wirksamkeit von Erklärungen, die der Schriftform bedürfen, hängt allein davon ab, daß das Erfordernis der Eigenhändigkeit (BGB § 126) erfüllt ist. Nach der grundsätzlichen Entscheidung der Vereinigten Zivilsenate ( R G 74, 69) tut die Unterzeichnung des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen der Vorschrift des BGB § 126 Genüge (dagegen Brodmann H G B § 233 Anm. 2c). Nach § 126 BGB erfordert also die gesetzliche Schriftform nicht die Unterschrift des Vertreters. Hiernach genügt die Unterzeichnung eines Vorstandsmitglieds mit der Firma der A G — auch ohne Beifügung der Namensunterschrift — zur Beobachtung der Schriftform, wobei die verkehrsübliche Bezeichnung der Firma genügt ( R G in J W 1928, 218). Ebenso ist die Gültigkeit der Erklärung anzunehmen, wenn ein Vorstandsmitglied mit Zustimmung des andern zu der Firma beide Namen hinzugefügt hat; die Erklärung würde j a auch gültig sein, wenn nur ein gesamtvertretungsbefugtes Mitglied unterzeichnet und das andere zugestimmt hätte (vgl. R G 118, 168). Dagegen ist das Erfordernis der Eigenhändigkeit nicht erfüllt, wenn ein Vorstandsmitglied mit einem fremden Namen, z. B. mit dem Namen eines zur Zeit der Unterschrift noch nicht bestellten, aber in Aussicht genommenen Vorstandsmitglieds, unterzeichnet (vgl. R G 118, 168). Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für die Zeichnung von W e c h s e l n . Es genügt also entweder eigenhändige Zeichnung der Firma ohne Unterschrift oder Firmenstempel oder -druck mit handschriftlicher Namensunterschrift, (so heute h. L., vgl. v. Godin-Wilhelmi Anm. zu § 72; Baumbach-Hueck Anm. 1; Schilling in Hachenburg § 35 Anm. 30 m. w. N. und R G 47, 165; 118, 169; abw. die Vorauf!.). D a § 72 eine reine Ordnungsvorschrift ist, genügt bei formfreien Erklärungen auch eine faksimilierte Unterschrift (übereinstimmend v. Godin-Wilhelmi zu § 72). Für Inhaberschuldverschreibungen (Obligationen) gilt das gemäß § 793 Abs. 2 BGB, für Aktienurkunden gem. § 13. 80 Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§ 7 2 A n m . 2—4 § 73Einl.

I. Buch: Aktiengesellschaft

Ein Dritter, der eine formgerechte Erklärung von der A G zu fordern berechtigt ist, hat Anspruch auf Beobachtung der Form des § 72. Anm. 2 2. Die Ordnungsvorschrift des § 72 gilt nach dem Zusammenhang, in dem sie steht, unmittelbar nur für die rechtsgeschäftliche Vertretung der A G nach außen. Sie ist aber entsprechend auch im Verhältnis nach innen maßgebend, z. B. für die Einberufung von Hauptversammlungen oder Zahlungsaufforderungen an die Aktionäre. Gültigkeitserfordernis ist sie auch hier nicht. Anm. 3 II. Auch B e s t i m m u n g e n d e r S a t z u n g ü b e r die F o r m , in d e r d e r V o r s t a n d zu zeichnen h a t , sind nur Ordnungsvorschriften. Die Einführung von Formen, von denen die Gültigkeit der von dem Vorstand abgeschlossenen Geschäfte abhängt, würde eine Beschränkung der Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder darstellen, die nach § 74 Abs. 2 nach außen unwirksam wäre ( K G J 33 A 156; R O H G 18, 337 auf S. 341). Auch für die internen körperschaftlichen Handlungen des Vorstands sind solche Vorschriften im Zweifel nur als Ordnungsvorschriften anzusehen. Soll eine bestimmte Form der Zeichnung Gültigkeitserfordernis sein, so muß die Satzung dies klar ergeben. Anm. 4 I I I . In den Fällen, wo das Gesetz die Zeichnung des Vorstandes zur Aufbewahrung bei dem Registergericht verlangt (bei Gründung, § 29 Abs. 3; bei Neubestellung, § 73 Abs. 3 ; bei Errichtung einer Zweigniderlassung, § 35 Abs. 2; auch durch eine ausländische, A G , § 37 Abs. 5; für die Liquidatoren, § 20 Abs. 3), genügt dagegen, in Abweichung von § 72, die Namensunterschrift, vgl. § 73 Anm. 10. § 7 3 Änderung des V o r s t a n d s und der Vertretungsbefugnisse seiner Mitglieder ( 1 ) J e d e Ä n d e r u n g des V o r s t a n d s o d e r d e r V e r t r e t u n g s b e f u g n i s s e eines V o r s t a n d s m i t g l i e d s s o w i e eine A n o r d n u n g des A u f s i c h t s r a t s n a c h § 7 1 A b s . 3 S a t z 2 h a t d e r V o r s t a n d z u r E i n t r a g u n g in d a s H a n d e l s r e g i s t e r a n z u m e l d e n . (2) Der A n m e l d u n g sind die U r k u n d e n ü b e r die Ä n d e r u n g o d e r A n o r d n u n g i n U r s c h r i f t o d e r öffentlich b e g l a u b i g t e r A b s c h r i f t f ü r d a s G e r i c h t des S i t z e s der Gesellschaft beizufügen. (3) Die n e u e n V o r s t a n d s m i t g l i e d e r h a b e n i h r e U n t e r s c h r i f t z u r A u f b e w a h r u n g b e i m G e r i c h t z u zeichnen. Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Inhalt der Anmeldung (Abs. 1) 1—3 II. Pflicht zur Anmeldung . . . 4 I I I . Form der Anmeldung (Abs. 2) 5 I V . Prüfung durch den Registerrichter 6

V . Wirkung der Eintragung . . 7 V I . Folgen bei Nicht-Anmeldung . 8—9 V I I . Zeichnung der Unterschrift (Abs. 3) 10

Einleitung Die Bestimmung stimmt sachlich mit H G B § 234 überein. Sie behandelt die Pflicht des Vorstands zur Anmeldung von Änderungen des Vorstands oder der Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds sowie einer diesbezüglichen Anordnung des Aufsichtsrats zum Handelsregister. Befindet sich die Gesellschaft in Liquidation, so gilt § 207.

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt — Meyer-Landrut)

§ 73

A n m . 1, 2

Artm. 1 1. i . G e g e n s t a n d d e r A n m e l d u n g s p f l i c h t ( A b s . 1 ) ist jede Änderung des Vorstands, der Vertretungsbefugnis eines Mitglieds und jede durch die Satzung oder den Aufsichtsrat eingeführte Abweichung von dem gesetzlichen Grundsatz der Gesamtvertretungsbefugnis aller Vorstandsmitglieder. Das letztere sagt das Gesetz hier nur f ü r die vom Aufsichtsrat getroffene Anordnung. Soweit die Satzung selbst eine solche Anordnung enthält, folgt die Anmeldungs- und Eintragungspflicht aus den die Satzung und ihre Änderung im allgemeinen betreffenden Bestimmungen der §§ 29, 32 und 148. Der erste Vorstand ist nach § 29 Abs. 2 Z . 3 zugleich mit der Anmeldung der Gesellschaft anzumelden. Die Eintragung dient der Kundmachung der Vertretungsverhältnisse der A G . Die Ernennung eines entscheidungsbefugten Vorsitzers gemäß §§ 70 Abs. 2 S. 2, 75 Abs. 2, die keine Änderung der Vertretungsbefugnisse nach sich zu ziehen braucht (vgl. § 71 Anm. 5), ist daher nicht anzumelden (abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 2 wie hier Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 ; Ritter Anm. 2. Daß die Handelsregisterverfügung (s. Anm. 2) in § 43 Abs. 4 die Eintragung eines Vorsitzers für zulässig erachtet und auch die Praxis der Regjgtergerichte häufig entsprechend verfahrt ( L G Stuttgart vom 14. 10. 53 in BB 1953, 870), kann die nach § 73 bestehende Anmeldungspflicht nicht erweitern; unzutreffend daher auch Teichmann-Köhler Anm. zu § 73. Nicht anzumelden ist ferner die durch den Vorstand selbst erfolgende Ermächtigung einzelner Vorstandsmitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften gemäß § 7 1 Abs. 2 S. 2 ; darin liegt keine Änderung der Vertretungsbefugnis im Sinne des Gesetzes. Dagegen ist jeder Hinzutritt eines neuen Vorstandsmitglieds und jedes Ausscheiden eines bisherigen Vorstandsmitglieds, gleichviel aus welchem Grunde es erfolgt, anzumelden. Nach § 75 Abs. 3 S. 4 ist der Widerruf der Bestellung des Vorstands durch den Aufsichtsrat bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung seiner Unwirksamkeit wirksam. Der Widerruf ist also vom Registerrichter ohne Nachprüfung seiner Rechtmäßigkeit einzutragen, ebenso die rechtskräftige Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufs, durch die das Vorstandsmitglied seine Vorstandsstellung zurückerwirbt, sofern sie nicht aus einem andern Grunde, z. B. durch Zeitablauf, inzwischen erloschen ist.

Anm. 2 2. K r a f t Gesetzes eintragungspflichtig ist n u r d e r N a m e des Mitglieds. Durch Rechtsverordnung war in verschiedenen Ländern (s. f ü r Preußen die Verfügung des Preußischen Justizministers über die Führung des Handelsregisters vom 7. 1 1 . 9 9 , J M B 1 . S. 3 1 3 ; über deren Rechtsnatur und Gültigkeit s. K G J 29 A 2 1 3 ) angeordnet, daß die v o l l e n P e r s o n a l i e n (Name, Vorname, Stand und Wohnort) einzutragen sind. Später sind die Verfügungen der Landesjustizverwaltungen durch die V e r f ü g u n g d e s R e i c h s m i n i s t e r s d e r J u s t i z ü b e r d i e F ü h r u n g d e s H a n d e l s r e g i s t e r s vom 12. 8. 37 ( R M B 1 . S. 5 1 5 ; Deutsche Justiz S. 1 2 5 1 ) ersetzt worden. Sie enthält über die Eintragung der vollen Personalien die gleiche Bestimmung (§40 Z . 3). Diese nehmen nicht an der Publizitätswirkung des Handelsregisters teil. Die Eintragung der Personalien hat den Charakter einer einmaligen Identitätsfeststellung für die Zeit der Eintragung ( K G J a. a. O. auf S. 219). Eine Pflicht zur Anmeldung von Änderungen der Personalien besteht mangels einer diesbezüglichen Bestimmung nicht; die vorgenannte Verfügung des Reichsjustizministers begründet eine solche Verpflichtung nicht (s. K G J 29 A 2 1 3 ) . Die Eintragung der Änderung der eingetragenen Personalien ist aber zulässig ( K G J 30 B 32). Eine Ä n d e r u n g d e s N a m e n s muß jedoch nach dem Zweck der Bestimmung als eine Änderung aufgefaßt werden. Denn wenn auch nicht der Grundsatz gilt, daß das Handelsregister vom Registerrichter stets in allen seinen Teilen richtig und der jeweiligen Sachlage entsprechend zu erhalten ist ( K G J 29 A 218), so soll doch das Handelsregister dem Einsichtnehmenden Auskunft über die Person der Vorstandsmitglieder geben und ihn nicht irreführen. Es kommt hinzu, daß nach Abs. 3 die Vorstandsmitglieder ihre Unterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen haben und diese bei einer Namensänderung eine andere wird. Die Namensänderung ist also anmeldungspflichtig (Brodmann H G B § 2 3 4 Anm. 2 e ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ; 30*

461

§73 Anm. 3, 4

I. Buch: Aktiengesellschaft

abw. Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; anders jedoch Anm. 4; auch K G J 30 B hält anscheinend die Anmeldung der Namensänderung nur für zulässig, aber nicht für vorgeschrieben). Nicht eintragbar ist die Dauer der Vorstandschaft oder der Vertretungsmacht. Das Handelsregister soll nur über die jeweilige Rechtslage Auskunft geben, nicht über in der Zukunft voraussichtlich vor sich gehende Veränderungen. Eine dennoch erfolgte Eintragung ist ohne rechtliche Bedeutung. Anm. 3 3. Eine ihrer Art nach eintragungspflichtige Änderung bedarf nicht der Eintragung, wenn inzwischen die aus dem Handelsregister ersichtliche Rechtslage wieder eingetreten ist. Daher braucht das Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds nicht zum Handelsregister angemeldet zu werden, wenn es inzwischen wieder zum Vorstandsmitglied bestellt worden ist (RG 68, 381 auf S. 384). Für den umgekehrten Fall, daß ein Vorstandsmitglied bis zur Anmeldung wieder ausgeschieden oder die anzumeldende erweiterte Vertretungsmacht wieder beschränkt worden ist, kann dasselbe nur mit einer Einschränkung gelten. Ein öffentliches Interesse besteht hier allerdings an einer Eintragung der doch sofort wieder zu löschenden Tatsache nicht. Daher ist eine Anmeldungspflicht zu verneinen. Aber die A G kann ein Interesse an der Eintragung der Bestellung zum Vorstandsmitglied und des Wiederausscheidens haben. Denn mangels einer Eintragung kann sie sich gegenüber einem Dritten, der zwar von der Bestellung zum Vorstandsmitglied, nicht aber von seinem Ausscheiden Kenntnis erhalten hat, auf dieses nicht berufen. Entsprechendes gilt in dem Fall der Erweiterung und Wiederbeschränkung der Vertretungsmacht. Man wird daher die Anmeldung als ein Recht, nicht aber als eine Pflicht der A G ansehen müssen (vgl. die Erläuterungen zu HGB § 15). Anm. 4 II. Zur Anmeldung verpflichtet ist der Vorstand. Nicht erforderlich ist die Mitwirkung des ganzen Vorstands; vielmehr genügt die Anmeldung durch Vorstandsmitglieder, die die Gesellschaft wirksam vertreten können ( K G J 48 A 1 3 1 ; O L G Jena in K G J 37 A 320; jetzt allgemein anerkannt). Das n e u g e w ä h l t e V o r s t a n d s m i t g l i e d kann sich demnach selbst anmelden, und zwar allein, wenn es allein vertretungsberechtigt ist, mit anderen, wenn es gesamtberechtigt ist. Kommt es aber auf die Vertretungsbefugnis der anmeldenden Vorstandsmitglieder an, so muß die Anmeldung auch durch ein V o r s t a n d s m i t g l i e d in G e m e i n s c h a f t mit einem P r o k u r i s t e n , mit dem zusammen es die A G vertreten kann, erfolgen können. Dies gilt für a l l e Arten von Anmeldungen durch den Vorstand, auch für die Fälle der §§ 148, 1 5 1 , 155, 176, in denen das Gesetz die Anmeldungspflicht des „Vorstands" vorsieht (ebenso K G in J W 1937, 890 18 ; Brodmann HGB § 234 Anm. 2 a ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; Ritter § 71 Anm. 4b; § 73 Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; Baumbach-Hueck Anm. 2 B und Anm. 1 ; zu § 148; O L G Düsseldorf, JMB1. N R W 1949, 250; s. auch § 35 Anm. 9; a. A. K G in'OLGR 22, 34; BayObLG in O L G R 29, 301; Hamburg in O L G R 27, 352; O L G J e n a i n K G J 37 A 320; Groschuff in J W 1937, 890 Anm. ;vgl. auch R G 134, 303). Entscheidend muß sein, daß das Vorstandsmitglied im Falle der Mitwirkung eines Prokuristen zur vollen Ausübung seiner gesetzlichen Vertretungsmacht, die ebensoweit geht wie die eines einzelvertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedes, befähigt ist (vgl. § 71 Anm. 9). Ausgeschiedene Vorstandsmitglieder sind zur Anmeldung nicht mehr berechtigt, auch nicht zur Anmeldung ihres Ausscheidens ( K G J 45, 329; Hamburg in O L G R 27, 374 Fußnote; BayObLG in BayÖLGZ 23, 172). Fehlt es infolge des Ausscheidens an vertretungsbefugten Vorstandsmitgliedern, so muß zuerst die Ergänzung des Vorstands, sei es durch den Aufsichtsrat, sei es durch das Gericht nach § 76 erfolgen (RG in Rundsch. GmbH 1928, 1 2 1 ; K G J 45, 329; O L G Jena in K G J 37 A 320; O L G Hamburg in R J A 12, 233). — Prokuristen allein können die Anmeldung nicht vornehmen, ebensowenig der Aufsichtsrat (allg. Ansicht) oder ein Generalbevollmächtigter. Ist eine Satzungsänderung, die eine Änderung in der Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder einführt, anzumelden, so ist die Anmeldung von der nach der bisherigen Satzungsbestimmung erforderlichen Zahl von Vorstandsmitgliedern vorzu462

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 73 Anm. 5—7 nehmen; denn die neue Satzungsbestimmung tritt erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister in Kraft (§ 148 Abs. 3; K G in DNotZ 25, 56 Nr. 6a). Das gilt auch für den Fall, daß gleichzeitig mit der Satzungsänderung ein neuer Vorstand angemeldet wird. Sah die alte Satzung einen mehrgliedrigen Vorstand und Kollektiwertretung.vor und führt die neue Satzimgsbestimmung einen nur aus einem Mitglied bestehenden Vorstand ein, so muß die Satzungsänderung von mindestens einem Mitglied des alten Vorstands neben dem neu gewählten, in Zukunft alleinigen Vorstandsmitglied angemeldet werden. Erfolgt vor der Anmeldung die Abberufung oder Amtsniederlegung des alten Vorstands, so kann die Anmeldung der Satzungsänderung nur vorgenommen werden, wenn der Vorstand auf die nach der alten Satzungsbestimmung erforderliche Zahl seiner Mitglieder ergänzt wird (unklar Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Anm. 5 III. Die F o r m der Anmeldung (Abs. 2) richtet sich nach HGB § 12. Sie muß danach persönlich vor Gericht oder in öffentlich beglaubigter Form erfolgen. Für die Anmeldung bei dem Gericht einer Zweigniederlassung gilt § 36: es sind dem Gericht des Sitzes der Gesellschaft so viele Stücke der Anmeldung beizufügen, als Zweigniederlassungen vorhanden sind, und zwar genügen beglaubigte Abschriften der Anmeldung, wenn diese nicht Zeichnungen der Namensunterschrift enthält (vgl. Anm. 10). Für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft, nicht auch für das Gericht der Zweigniederlassung, sind nach § 73 Abs. 2 die Urkunden über die Änderung oder über die Anordnung des Aufsichtsrats — also die Verhandlungsniederschrift der Aufsichtsratssitzung oder das Niederlegungsschreiben des Vorstandsmitglieds — in Urschrift oder beglaubigter Abschrift beizufügen (vgl. auch Ritter Anm. 5). Die Urschrift braucht nicht öffentlich beglaubigt zu sein (KGJ 35 A 157). Die Urkunden müssen so beschaffen sein, daß sie die Nachprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der angemeldeten Rechtsänderung gestatten; es genügt daher nicht die Bestätigung des Aufsichtsratsbeschlusses, da sie nicht die Nachprüfung ermöglicht, ob der Aufsichtsrat beschlußfähig war und der Beschluß mit Stimmenmehrheit gefaßt ist (KG in OLGR 42, 215 Fußnote ib). Die Einreichung einer der Satzung entsprechenden von dem Vorsitzer des Aufsichtsrats unterschriebenen Ausfertigung des Beschlusses, die das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ergibt, genügt. Läßt sich die Beendigung des Amts nicht durch Urkunden nachweisen, so kann der Aufsichtsrat die Bestellung widerrufen und den Widerruf anmelden. Es genügt im übrigen der Nachweis durch Beweisurkunden; solche werden meistens vorhanden sein oder sich hestellen lassen, auch wenn die anzumeldende Änderung selbst durch eine mündliche Erklärung erfolgt (KG in R J A 16, 84; Brodmann HGB § 234 Anm. 3). Anm. 6 IV. Der Registerrichter hat die Voraussetzungen der Eintragung zu prüfen (KGJ 25 A 253; 31 A 197; K G in J R 1931 Nr. 775), in erster Linie auf Grund der eingereichten Urkunden, erforderlichenfalls durch Anstellung von Ermittlungen nach FGG § 12. Die angemeldete Rechtsänderung muß bereits eingetreten sein; dies ist nicht der Fall, wenn der Vorstand sein Amt in der an das Gericht gerichteten Erklärung niederlegt, da die Niederlegung dem Aufsichtsrat gegenüber ausgesprochen werden muß (KG in J W 1927, 1703 2 ). Ebensowenig liegt die angemeldete Rechtsänderung schon vor, wenn der Aufsichtsrat zwar die Abberufung des Vorstandsmitglieds beschlossen hat, der Beschluß aber nicht durch Erklärung gegenüber dem Vorstandsmitglied ausgeführt worden ist (KGJ 31 A 197). Anm. 7 V. Die Wirkung der Eintragung und Bekanntmachung und ihres Unterbleibens richten sich nach HGB § 15. Die Eintragung wirkt also nicht rechtsbegründend, sondern nur rechtsbekundend. Das Amt des Vorstands beginnt und endet unabhängig von der Eintragung; dasselbe gilt für Änderungen in den Vertretungsverhältnissen. Dritten kann aber die ihnen unbekannte nicht eingetragene und nicht bekannt gemachte Tatsache nicht entgegengesetzt werden. Im übrigen gilt der Inhalt des Handelsregisters

463

§ 73 Anm. 8—10

§74

I. Buch: Aktiengesellschaft

nicht schlechthin als richtig. Die AG kann sich aber gutgläubigen Dritten gegenüber auf die Unrichtigkeit der Eintragungen nicht berufen, wenn sich die falsche Eintragung selbst veranlaßt oder geduldet hat, es sei denn, daß sie überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, die im Handelsregister bekundete Rechtslage herzustellen, wie z. B. in dem Falle, daß eine nicht voll geschäftsfähige Person als Vorstandsmitglied eingetragen ist (§ 75 Anm. 6). — Der Schutz des § 15 wird nur Dritten zuteil, die mit der AG in rechtsgeschäftliche Beziehungen eintreten. Hierzu gehören nicht die Aktionäre in ihren mitgliedschaftlichen Beziehungen zu der AG (vgl. aber auch OLG Frankfurt in J W 1925, 151 6 nebst Anmerkung von Fischer); erst recht findet § 15 HGB keine Anwendung in bezug auf körperschaftsrechtliche Akte und im Verhältnis der verschiedenen Organe der AG zueinander (KGJ 3, 18). Es gilt hier das gleiche wie bei der Frage, ob interne Beschränkungen der Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder im Verhältnis zwischen der AG und den Aktionären geltend gemacht werden können (s. § 74 Anm. 13). Anm. 8 VI. 1. Der Vorstand kann nach § 14 HGB und § 303 AktG zur Anmeldung durch Ordnungsstrafen angehalten werden. Anm. 9 2. Ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied hat einen klagbaren Anspruch auf die Anmeldung des Ausscheidens. Mit der Rechtskraft des Urteils und seiner formlosen Einreichung bei dem Registergericht gilt die Anmeldung gemäß ZPO § 894 als erfolgt (KGJ 41 A 100; Staub HGB § 234 Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 2 G; Ritter Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; dagegen für Anwendung des §888 ZPO Brodmann HGB § 234 Anm. 2 c). Unter Umständen wird einem ausgeschiedenen Vorstandsmitglied nach Treu und Glauben ein klagbarer Anspruch auf Berichtigung zustehen, wenn bei der Anmeldung seines Ausscheidens ein falscher Grund angegeben wurde (vgl. O L G Frankfurt in J W 1930, 2983®). Anm. 10 VII. Die neuen Vorstandsmitglieder haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung beim Gericht zu zeichnen (Abs. 3). Erforderlich ist nur die Zeichnung des Namens des neuen Vorstandsmitglieds, nicht die Zeichnung der Firma (h. L.; vgl. § 29 Anm. 7; abw. Brodmann HGB §233 Anm. 5). Die Zeichnung muß persönlich erfolgen, und zwar mit Rücksicht auf etwaige allmähliche Veränderungen der Unterschrift bei oder nach dem Erwerb des Amts. Sie ist also selbst dann erforderlich, wenn das Vorstandsmitglied seine Unterschrift schon als Prokurist gezeichnet hatte (s. K G J 37 A 138). Voraussetzung der Eintragung ist die Zeichnung der Unterschrift nicht (KGJ 37 A 138; K G in R J A 9, 244). Siehe ferner die Erläuterungen zu HGB § 12. Sind Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e n vorhanden, so müssen der für das Gericht des Sitzes der AG bestimmten Urkunde, die die Zeichnung enthält, so viele Stücke weiterer öffentlich beglaubigter Originalzeichnungen der Unterschrift beigefügt werden, als Zweigniederlassungen vorhanden sind (§ 36). Es genügt nicht die Beifügung beglaubigter Abschriften. § 7 4 Beschränkung der Vertretungsbefugnis (1) Der Vorstand ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die die Satzung oder der Aufsichtsrat für den U m fang seiner Vertretungsbefugnis festgesetzt hat oder die sich aus einem Beschluß der Hauptversammlung nach § 103 ergeben. (2) Dritten gegenüber ist eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Vorstands unwirksam.

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 74

Einl., Anm. 1

Ubersicht Anm.

Einleitung I. Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis (Abs. i) 1. Allgemeines 2. durch die Satzung . . . . 3. durch die Geschäftsordnung 4. Verantwortlichkeit bei Zustimmung anderer Organe .

i 2 3 4

5. Bindung des Vorstands an die Schranken der Geschäftsführungsbefugnis 4a II.

1. Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht (Abs. 2) . . 2. Gesetzliche Beschränkungen 3. Unzulässigkeit sonstiger Beschränkungen 4. Generalvollmacht an Dritte 5. Gesamtvertretung 6. Keine Nachprüfung der Vertretungsbefugnis durch die Gerichte 7. Vorbehalt der Genehmigung durch andere Organe . . .

5 6 7 8 9

10

Anm.

8. Kollusion 12 9. Enteignung 12 a 10. Beschränkungen in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten 13 11. Ausländische Aktiengesellschaften 13a Zusatz: Prokura bei der A G 1. Bestellung 2. möglich, auch wenn kein Handelsgewerbe betrieben wird . 3. Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats 4. Widerruf. 5. keine Regelung der Bestellungserfordernisse durch die Satzung 6. Anmeldung zum Handelsregister . . 7. Stellung des Prokuristen . . 8. Prokura bei der AbwicklungsGesellschaft

14 15 16 17

18 19 20 21

11

Einleitung Der von den Beschränkungen der Geschäftsführungs- und Vertretungsbeugnis handelnde § 74 ist an die Stelle des § 255 H G B getreten. Die Bestimmung des Abs. I zieht eine Folgerung aus der veränderten Stellung der Organe der A G ; sie nennt als Grenze der Befugnis des Vorstands, von seiner Vertretungsmacht Gebrauch zu machen, neben der Satzung Bestimmungen des Aufsichtsrats und Beschlüsse der Hauptversammlung nach § 103, d. h. nur auf Verlangen des Vorstands ergangene Beschlüsse, während nach H G B § 235 Abs. 1 der Vorstand an Beschlüsse der Generalversammlung schlechthin gebunden war. Unverändert aufrechterhalten ist im Aktiengesetz der Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht des Abs. 2. Die Fortlassung des Satzes 2 des Abs. 2 in § 235 HGB, der Beispiele für die nach Satz 1 unzulässige Beschränkung der Vertretungsmacht enthielt, ist bedeutungslos. Eine Durchbrechung des Grundsatzes des Abs. 2 enthält § 15 MitbestErgG (Holding-Novelle) für den dort geregelten Ausnahmefall der Bindung des Vorstands an bestimmte Aufsichtsratsbeschlüsse (dazu § 95 Anm. 21).

Anm. 1 I. 1. Die Befugnisse des Vorstands zur Leitung des Unternehmens können d e r G e s e l l s c h a f t g e g e n ü b e r , also intern, durch die S a t z i m g oder den A u f s i c h t s r a t

oder einen nach § 103 (d. h. auf Verlangen des Vorstands selbst) ergehenden Be-

s c h l u ß d e r H a u p t v e r s a m m l u n g eingeschränkt werden. Solche Beschränkungen berühren gemäß Abs. 2 die Vertretungsmacht des Vorstands nach außen, g e g e n ü b e r D r i t t e n nicht und können sie auch nicht durch andere Organe, etwa die Hauptversammlung, ersetzen ( O L G Hamburg in Die A k t G 1959, 22). Überschreitet der Vorstand aber die ihm gesetzten Schranken, so macht er sich der Gesellschaft gegenüber haftbar. Die Beschränkungen, die Abs. 1 zuläßt, können die Geschäftsführungsbefugnis u n d die Vertretungsbefugnis betreffen; in allen Fällen, in denen sich beide Befugnisse in ihrer Ausübung decken, wirken die Beschränkungen gleichzeitig auf beide (§ 70

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§ 74 A n m . 2, 3

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Anm. 3 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). Gegenüber dem früheren Recht des H G B ist der Vorstand nicht nur insoweit freier gestellt, als er in Fragen der Geschäftsführung nicht von der Hauptversammlung gegen seinen Willen gebunden werden kann. Vielmehr schließt auch s e i n e g r u n d s ä t z l i c h e S t e l l u n g nach dem Aktiengesetz so weitgehende Beschränkungen, wie sie früher zulässig waren, aus. Nach § 70 ist es Recht und Pflicht des Vorstands, die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Daran vermögen weder die Satzung noch die andern Organe der A G etwas zu ändern; Einschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis, die dem Vorstand tatsächlich die Leitung der A G aus der Hand nehmen würden, sind unzulässig. Insbesondere kann ihm nicht die Pflicht auferlegt werden, Weisungen des Aufsichtsrats zu folgen (s. Vorbem. vor §70, Anm. 7 zu §70). Es können auch nicht einzelne Aufgaben der Geschäftsführung dem Vorstand abgenommen und dem Aufsichtsrat übertragen werden (§95 Abs. 5 S. 1). Dagegen können sowohl die Satzung wie der Aufsichtsrat selbst bestimmen, daß der Vorstand bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf (§ 95 Abs. 5 S. 2). Diese Bindungen dürfen jedoch nicht so weit gehen, daß sie den Vorstand seiner selbständigen Stellung entkleiden. Eine Satzungsbestimmung, die alle Rechtshandlungen des Vorstands an die Zustimmung des Aufsichtsrats knüpfen oder alle wesentlichen für das Unernehmen in Betracht kommenden Geschäfte für genehmigungspflichtig erkären würde, wäre unzulässig und nichtig (§ 95 Anm. 20). Aber man wird es als zulässig ansehen müssen, daß die Satzung beiden Organen (über den Gegenstand des Unternehmens hinaus, dazu Anm. 2) die Vornahme bestimmter Geschäfte mit interner Wirkung gänzlich verbietet, etwa Spekulationsgeschäfte u. ä. außergewöhnliche Maßnahmen (bestr.; wie hier v. Godin-Wilhelmi Anm. I I , 1 ; Schlegelberger-Quassiwski Anm. 4). Zum Teil verlangt das Gesetz selbst die Zustimmung eines andern Organs zu Handlungen des Vorstands, so z. B. für die Ausgabe der Aktien des genehmigten Kapitals und deren Bedingungen (§§ 169, 1 7 1 ) . Das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats zur B e s t e l l u n g v o n P r o k u r i s t e n (HGB § 238) ist fallen gelassen (s. Anm. 16). Die Satzung oder der Aufsichtsrat kann aber intern dieses Erfordernis aufstellen (§ g5 Abs. 5; s. unten Anm. 18). Siehe ferner die grundsätzlichen Ausführungen über die Leitung der A G durch den Vorstand in den Vorbemerkungen vor § 70 und die Anmerkungen zu dieser Bestimmung insbes. Anm. 7 ff. Anm. 2 2. Eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis enthält auch der in der S a t z u n g festgelegte Z w e c k u n d G e g e n s t a n d der A G (§ 16 I I I Ziff. 2); darüber hinausgehende Handlungen darf der Vorstand nicht vornehmen. Soweit nicht ausdrückliche oder durch den satzungsmäßigen Zweck und Gegenstand des Unternehmens bedingte Beschränkungen vorliegen, darf der Vorstand Geschäfte aller Art abschließen, z. B. Grundstücke erwerben, Bürgschaften übernehmen, Schiedsverträge eingehen. Auch u n e n t g e l t l i c h e L e i s t u n g e n darf er vornehmen, soweit solche im Rahmen des Unternehmens liegen; dies gilt insbesondere für Aufwendungen für soziale Zwecke zum Wohl der Gefolgschaft oder zum allgemeinen Nutzen (§ 70 Anm. 12). Anm. 3 3. Neben Gesetz, Satzung und Bestimmung des Aufsichtsrats ergeben sich weitere Beschränkungen der Leitungsbefugnis aus der G e s c h ä f t s o r d n u n g des Vorstands, mag diese von dem Aufsichtsrat oder von dem Vorstand selbst erlassen sein (§70 Anm. 14). Die Geschäftsverteilung unter den Mitgliedern des Vorstands verpflichtet jedes Vorstandsmitglied, sich innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenkreises zu halten und nicht störend in den Aufgabenbereich anderer Vorstandsmitglieder einzudringen (§ 70 Anm. 1 5 ; §84 Anm. 2 1 ; s. auch v. Godin-Wilhelmi Anm. II, 1). Auch der A n s t e l l u n g s v e r t r a g kann ergeben, welche Aufgaben das Vorstandsmitglied zu übernehmen hat. Die Mitwirkung bei Aufgaben, die Sache der Gesamtheit der Vorstandsmitglieder sind, bleibt davon unberührt. Der RefEntw. sieht in Erweiterung des Wortlauts von § 74 Abs. 1 ausdrücklich Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands auch durch eine Geschäftsordnung vor, s. § 77 Abs. 2.

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4. Buch: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 74 A n m . 4, 4 a Anm. 4 4. Da der Vorstand das geschäftsführende und in erster Linie verantwortliche Organ der AG ist, wird die Verantwortlichkeit d e r V o r s t a n d s m i t g l i e d e r nicht ohne w e i t e r e s d u r c h die Z u s t i m m u n g a n d e r e r G e s c h ä f t s o r g a n e a u s g e s c h l o s s e n (s. auch § 70 Anm. 9). Die Billigung der Handlung durch den Aufsichtsrat schließt die Haftung der Vorstandsmitglieder nicht aus (§ 84 Abs. 4 S. 2), auch nicht in den Fällen, in denen der Vorstand die Z u s t i m m u n g des A u f s i c h t s r a t s einzuholen hat (§ 84 Anm. 30). Wohl aber kann die Billigung der Handlung durch den Aufsichtsrat bei der Beurteilung der Frage, ob den Vorstand ein Verschulden trifft, ins Gewicht fallen. An Beschlüsse der H a u p t v e r s a m m l u n g ist der Vorstand in Fragen, die die Geschäftsführung betreffen, nicht gebunden, wenn er nicht selbst die Entscheidung der Frage durch die Hauptversammlung verlangt hat (§ 103 Abs. 2), wozu namentlich bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem Aufsichtsrat oder innerhalb des Vorstands selbst ein Anlaß gegeben sein kann (§84 Anm. 22). Durch einen von ihm herbeigeführten Beschluß der Hauptversammlung wird die Verantwortlichkeit des Vorstands gegenüber der Gesellschaft ausgeschlossen (§ 84 Abs. 4 S. 1 ; Anm. 31 ff.), soweit ihn nicht ein besonderes Verschulden trifft, indem er z. B. die Hauptversammlung vorsätzlich oder fahrlässig falsch unterrichtet hat. Die Haftung den Gläubigern gegenüber, die freilich nur eine subsidiäre ist und nur bei grober Fahrlässigkeit eintritt, wird auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Handlung auf einen Beschluß der Hauptversammlung beruht (§ 84 Abs. 5 S. 3; Anm. 31). Der Vorstand und auch jedes einzelne Vorstandsmitglied hat die Möglichkeit, Beschlüsse der Hauptversammlung anzufechten (§ 198 Abs. i Z. 4, 5) und kann dazu verpflichtet sein, wenn die Sachlage bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters die Anfechtung verlangt (§ 84 Anm. 33). Anm. 4a 5. Soweit die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands wirksam beschränkt werden kann (Anm. 1—3) ist der V o r s t a n d a n entsprechende „ W e i s u n g e n " (der Satzung, der Hauptversammlung, des Aufsichtsrats, einer Geschäftsordnung, auch des Anstellungsvertrages) g e b u n d e n . Er hat demgemäß zu verfahren. Sofern dem Vorstand unmittelbare Anweisungen erteilt werden können, kann gegebenenfalls die Gesellschaft auf Grund des Anstellungsvertrages, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 97) Vorstandsmitglieder auf Ausführung etwa eines der Hauptversammlung ordnungsgemäß gefaßten Beschlusses verklagen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7); s. auch § 1 2 2 . Handelt es sich um die Abgabe einer Willenserklärung, richtet sich die Vollstreckung nach §§894, 896 Z P O ; bei Vornahme unvertretbarer Handlungen ist eine Vollstrekkung allerdings ausgeschlossen, § 888 II ZPO. Dann bleibt nur der Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund gemäß § 75 Abs. 3. Ein solcher Widerruf wird ohnehin regelmäßig zulässig sein, wenn der Vorstand bestehende Schranken seiner Geschäftsführungsbefugnis überschreitet (v. Godin-Wilhelmi Anm. I I 3). Liegen die Voraussetzungen der §§ 294 fr. vor, kann auch Strafbarkeit — neben einer Schadensersatzpflicht aus § 84 — gegeben sein. Eine Bindung des Vorstands an Weisungen, also die Schranken der Geschäftsführungsbefugnis, findet ihre Grenze dort, wo vom Vorstand rechts- und sittenwidriges Handeln verlangt wird. Nur g e s e t z m ä ß i g e Beschlüsse der Hauptversammlung sind für den Vorstand verbindlich (arg. § 84 I V Satz 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 7). Beschlüsse der Hauptversammlung, die vom Vorstand staats- oder gemeinschaftsfeindliches Handeln verlangen (gegen § 70) oder die gegen die in § 84 für den Vorstand vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten verstoßen, sind unbeachtlich. Der Vorstand kann sogar verpflichtet sein, von derartigen Weisungen abzuweichen (§ 665 BGB). Aber auch Weisungen der Hauptversammlung, die den Vorstand anhalten, die Satzung zu verletzen, also etwa Maßnahmen zu treffen, die über den Gegenstand oder Zweck des Unternehmens hinausgehen, können im Einzelfall unverbindlich sein (Ritter Anm. 3 a). Sie sind es allerdings keinesfalls dort, wo die Hauptversammlung kraft Gesetzes zu beschließen hat (vgl. Anm. 6 unten und Anm. 36 zu § 84) oder durch entsprechende Satzungsänderungen den Weg für von ihr geforderte Maßnahmen freimacht (v. Godin-

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§ 74

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Anm. 5, 6 Wilhelmi Anm. 2). Der Aufsichtsrat kann dagegen, soweit er die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes einschränken kann (s. Anm. 1), nicht für den Vorstand verbindlich Satzungsverletzungen oder -Übertretungen verlangen (Ritter Anm. 2 c, d; Baumbach-Hueck Anm. 2 C). Schließlich wären auch gesetz- oder sittenwidrige Bestimmungen der Satzung selbst für den Vorstand unverbindlich (Ritter Anm. 2 b ; Baumbach-Hueck a. a. O.).

Anm. 5 II. 1. Abs. 2 erklärt die Vertretungsmacht des Vorstands für unbeschränk-

b a r . Das Gesetz spricht von der Unwirksamkeit der Beschränkung g e g e n ü b e r D r i t t e n . Darin liegt keine Einschränkung des Grundsatzes, sondern nur eine Verdeutlichung, daß in Abs. 2 ausschließlich von der gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstands die Rede ist, also von seinem rechtlichen Können, im Gegensatz zu dem rechtlichen Dürfen, dem Recht und der Pflicht, von der Vertretungsmacht Gebrauch zu machen, wovon Abs. 1 handelt. Die Bestimmung handelt auch nur von der Befugnis des Vorstands, die A G gegenüber Dritten bei Rechtsgeschäften und in Rechtsstreitigkeiten zu vertreten, nicht von den rein körperschaftlichen Handlungen wie z. B. Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen usw. Für solche gilt nicht der Grundsatz, daß die Macht des Vorstands vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Bestimmungen unbeschränkt ist. Vielmehr kommen in dieser Hinsicht dem Vorstand nur diejenigen Befugnisse zu, die das Gesetz ihm besonders zuweist oder die sich aus seiner Stellung und seinem Aufgabenkreis ergeben (vgl. hierzu Anm. 13 unten). Für A b w i c k l e r gilt zwar die Sonderregelung des § 210 Abs. 1 : sie vertreten die Gesellschaft nur „innerhalb ihres Geschäftskreises", doch ist auch hier nach Abs. 4 Dritten gegenüber die Beschränkung der Vertretungsbefugnis unwirksam, vgl. § 210 Anm. 5 fr.

Anm. 6 2. Die gesetzliche Vertretungsmacht des Vorstands unterliegt nur den gesetzlichen B e s c h r ä n k u n g e n . Einen Beschluß der Hauptversammlung, meist mit einer qualifizierten Mehrheit, schreibt das Gesetz für Verträge vor, die den rechtlichen Bestand oder die aktienrechtliche Struktur der Gesellschaft berühren, z. B. für die Übernahme neu auszugebender Aktien gegen Sacheinlagen (§§ 150, 161), Verschmelzung (§§234, 247), Verstaatlichung (§ 253), Vermögensübertragung auf einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (§,254), sonstige Vermögensübertragung (§ 255), Verträge über eine Gewinngemeinschaft, Verpachtung oder sonstige Überlassung des Betriebs oder Führung eines Betriebs auf Rechnung eines andern (§ 256). Siehe hierzu § 256 Anm. 17; vgl. auch O L G Hamburg vom 21. 5. 58 in Die AktG 1959, 22. Für die Ausgabe von Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen (§ 174) stellt die Zustimmung der Hauptversammlung nicht eine gesetzliche Beschränkung der V e r t r e t u n g s m a c h t , sondern nur der internen Geschäftsführungsbefugnis dar (§ 174 Anm. 15). Ebenso ist die Zustimmung des Aufsichtsrats zur Ausgabe der neuen Aktien des genehmigten Kapitals und zu den Bedingungen ihrer Ausgabe nur durch Sollvorschriften (§§ 169, 1 7 1 , 172) geboten. Dagegen liegt eine gesetzliche Vertretungsmacht wiederum in dem Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung für die Nachgründung (§45), auch im Fall der Umwandlung einer GmbH oder Gewerkschaft in eine A G (§§ 271, 279). Vergleiche und Verzichte auf Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder selbst, gegen Aufsichtsratsmitglieder und Gründer bedürfen der Zustimmung der Hauptversammlung, die nicht gegen den Widerspruch von Aktionären, die über ein Fünftel des Grundkapitals verfügen, erteilt werden kann (§§43, 46, 84, 99, 271, 279); dasselbe gilt für den Anspruch gegen Dritte wegen Mißbrauchs ihres Einflusses auf ein Vorstandsmitglied oder Aufsichtsratsmitglied (§ 101). Wegen der Zustimmung des Aufsichtsrats zur Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte s. § 80 Anm. 15. Zur rechtsgeschäfdichen Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern ist der Aufsichtsrat befugt, desgleichen zur Vertretung der A G in Aktivprozessen gegen Vorstandsmitglieder (§ 97), jedoch nicht gegenüber der Klage eines Vorstandsmitglieds auf Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufs seiner Bestellung auch in einem gegen die Gesellschaft gerichteten Rechtsstreit (§75 Anm. 15). Die 468

4» Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 74 Anm. 7, 8 Befugnis eines Vorstandsmitglieds, die AG gegenüber anderen Vorstandsmitgliedern zu vertreten, besteht in weitem Umfange neben der Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats (s. § 97 Anm. 3, § 71 Anm. 23). Zuweilen findet auch eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Verwaltungsträger der AG durch einen besonderen Vertreter auf Verlangen einer Minderheit statt (§§ 122, 244). Die von der Satzung vorgeschriebene Zustimmung eines andern Organs als des Vorstands zur Übertragung von vinkulierten Namensaktien (§61) ist nach richtiger Ansicht nicht Voraussetzung der Wirksamkeit der von dem Vorstand ausgesprochenen Zustimmung. Die Satzung kann Beschränkungen der Vertretungsmacht des Vorstands nicht einführen, insbesondere die Fälle, in denen nach dem Gesetz ein Beschluß der Hauptversammlung erforderlich ist, nicht erweitern. Uberschreitet ein Vorstandsmitglied die gesetzlichen Schranken der Vertretungsmacht, so gelten §§ 177fr. BGB, s. Anm. 26 zu § 71. Anm. 7 3. Im übrigen ist die Vertretungsmacht des Vorstands dem U m f a n g nach unbegrenzt. Er kann mit rechtlicher Wirksamkeit sämtliche Handlungen vornehmen, die überhaupt im Namen einer AG vorgenommen werden können. Die Grenzen des Tätigkeitsgebiets der A G sind die Grenzen der Tätigkeitsbefugnis des Vorstands (Gierke, Genossenschaftstheorie 607ff.), und diese wird durch den satzungsmäßigen Zweck und Gegenstand der Gesellschaft nicht beschränkt (RG 115, 246 allg. Ansicht; vgl. Teichmann-Köhler, Anm. 2; Schilling in Hachenburg Anm. 7 zu §37). Dieser bildet vielmehr nur für die Geschäftsführung eine Schranke (Anm. 2). Zur Übertragung des ganzen Vermögens reicht zwar die Vertretungsmacht des Vorstands nicht aus (Anm. 6), wohl aber zur Übertragung eines Teils oder Zweigs des von der AG betriebenen Geschäfts. Alle satzungsmäßigen Beschränkungen betreffen, soweit sie überhaupt zulässig sind (Anm. 1 u. 6), nur das Innenverhältnis und berühren die Vertretungsmacht nach außen nicht. HGB § 235 Abs. 2 S. 2 hob diese besonders hervor für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an gewissen Orten stattfinden soll oder daß für einzelne Geschäfte die Zustimmung der Generalversammlung, des Aufsichtsrats oder eines andern Organs der AG erfordert wird; vgl. § 37 I I Satz 2 GmbHG. Dies alles gilt auch heute, nachdem die Bestimmung als überflüssig gestrichen ist. Nur sind manche dieser Beschränkungen, wie namentlich das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung zu im Rahmen der Geschäftsführung liegenden Handlungen, jetzt auch im Innenverhältnis unzulässig (§ 103 Abs. 2). Unzulässig ist auch die Beschränkung eines Vorstandsmitglieds auf die Vertretung einer Zweigniederlassung; anders §§ 50, 126 HGB; vgl. Ritter Anm. 6 m. w. N. Ebensowenig kann durch die Satzung zwingend für Handlungen des Vorstands eine bestimmte Form vorgeschrieben werden. Der Vorstand kann auch Prokuristen oder andere Bevollmächtigte bestellen und auch diese Befugnis kann nicht ausgeschlossen oder mit Wirkung nach außen beschränkt werden (Anm. 1). Uber die Zulässigkeit der Prokura und die Rechtsstellung des Prokuristen der AG s. unten Anm. 14 ff. sowie bei Gesamtvertretung § 71 Anm. 8, 9 und 12. Anm. 8 4. Kann der Vorstand einem Dritten eine Generalvollmacht erteilen? Wie in Anm. u f f u . 18 zu §71 dargelegt, kann ein gesamtvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied dem andern keine allgemeine Ermächtigung oder Vollmacht erteilen (RG in J W 1912, 536®) auch nicht, wenn „sämtliche Organe" (formlos) zustimmen (so R G H R R 29, 25). Denn eine derartige Generalvollmacht würde praktisch auf die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Einzelvertreter hinauslaufen, was nur durch die Satzung oder dem Aufsichtsrat kraft satzungsmäßiger Ermächtigung bestimmt werden kann (v. Godin-Wilhelmi §71 Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski §71 Anm. 20; Baumbach-Hueck Anm. 3 B; die abweichende Ansicht von Ritter § 71 Anm. 3 b ist abzulehnen). Mit Recht hat das Reichsgericht auch die Generalvollmacht an einen Dritten, durch die diesem die gesamte Führung der Geschäfte übertragen werden soll, für unwirksam erklärt (RG 86, 262; R G im Recht 1928 Nr. 2276), da das mit der 469

§74

Anm. 9

I. Buch: Aktiengesellschaft

organschaftlichen Stellung des Vorstands unvereinbar ist (s. auch B G H 13, 65; Schlegelberger-Quassowski § 7 1 Anm. 20; Ritter Anm. 3 b ; Schmidt in Hachenburg §46 Anm. 47 und Schilling a. a. O. § 35 Anm. 7 m. w. N.). Aber hieraus ist nicht zu schließen, daß der Vorstand einem Dritten überhaupt keine Generalvollmacht erteilen könnte (vgl. R G in J W 1933, 121 5 ). In §80 Abs. 1 S. 2 regelt jetzt das Gesetz die Kreditgewährung an leitende Angestellte, denen Generalvollmacht erteilt ist; es geht also von der Zulässigkeit der Generalvollmacht aus. Das Unzulässige ist nicht die Erteilung der Generalvollmacht an sich, sondern die mit dieser beabsichtigte Übertragung der Funktionen des Vorstandsmitglieds auf einen andern (vgl. K G J 48 A 130). Wird die Generalvollmacht erteilt, um den Bevollmächtigten formal als Vertreter der A G zu legitimieren, darf er aber intern von der Vollmacht nur in bestimmtem Rahmen Gebrauch machen, liegt keine Übertragung der Vorstandsstellung vor. Für die Zulässigkeit einer Generalvollmacht spricht auch die Zulässigkeit einer Einzelprokura; denn die Befugnisse eines Einzelprokuristen stehen, wenn ihm auch die Befugnis zur Verfügung über Grundstücke eingeräumt wird, wenig hinter denen eines Generalbevollmächtigten zurück. Mit Recht hat daher das Kammergericht die Erteilung einer widerruflichen Generalvollmacht an einen Dritten für zulässig erklärt (DNotVZ 1925, 242). Die Erteilung einer unwiderruflichen Generalvollmacht kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die unwiderrufliche Generalvollmacht nur bei Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses des Bevollmächtigten erteilt werden kann, ein solches schutzwürdiges Interesse eines Dritten hier aber kaum denkbar ist. Der Generalbevollmächtigte erwirbt nicht mehr Befugnisse, als dem Vorstand selbst zustehen. Er ist überdies nicht gesetzlicher, sondern gewillkürter Vertreter. Er kann daher nicht in einem Rechtsstreit die Gesellschaft an Stelle des Vorstands vertreten; wohl aber kann er als Prozeßbevollmächtigter auftreten. Handlungen, die der Vorstand nur selbst vornehmen kann, können dem Generalbevollmächtigten nicht übertragen werden. Dazu gehört auch die Erteilung einer Prokura (vgl. auch Anm. 20). Über die Stellung des Generalbevollmächtigten vgl. im übrigen auch Schmidt in Hachenburg § 46 Anm. 44—48. Wegen der Möglichkeit, in besonderen Fällen außerordentliche Vertreter oder Pfleger für die A G zu bestellen, s. § 70 Anm. 23.

Anm. 9 5. Keine Beschränkung des Umfangs der gesetzlichen Vertretungsmacht ist die G e s a m t v e r t r e t u n g , die das Gesetz vielmehr selbst vorbehaltlich einer abweichenden Regelung vorschreibt. Es handelt sich dabei nur um eine Beschränkung der Ausübung der gesetzlichen Vertretungsmacht durch die einzelnen Vorstandsmitglieder (Näheres s. § 71 Anm. 3f.). Der Umfang der Vertretungsmacht des zur Gesamtvertretung berechtigten Vorstandsmitglieds ist der volle Umfang der gesetzlichen Vertretungsmacht überhaupt. Dies gilt auch in dem Fall, daß das Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. Ein Vorstandsmitglied und ein Prokurist, die nur zur gemeinsamen Vertretung befugt sind, können daher auch Einzelprokura erteilen ( R G 134, 303; abw. die ebenda angeführte überwiegende ältere Rechtsprechung der Oberlandesgerichte; ferner Brodmann H G B § 238 Anm. id). Diese Befugnis kann nicht m i t W i r k u n g n a c h a u ß e n durch die Satzung ausgeschlossen werden, da darin eine unzulässige Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht liegen würde. Jedoch ist der Vorstand verpflichtet, gemäß Abs. 1 eine solche Satzungsbestimmung innezuhalten. Dagegen würde § 181 BGB dem entgegenstehen, daß der Prokurist in Gemeinschaft mit dem Vorstandsmitglied sich selbst Einzelprokura erteilt. Siehe über die Prokura ferner unten Anm. 14. Unzulässig ist die Bestimmung, daß das Vorstandsmitglied nur zusammen mit einem Aufsichtsratsmitglied ( R G 123, 279 auf S. 288) oder einem Handlungsbevollmächtigten (vgl. K G in J F G 5 240) handeln darf. Ebensowenig können Handlungen des Vorstands mit Wirksamkeit nach außen an die Mitwirkung eines Beirats (vgl. § 128 Ziff. 7) geknüpft werden, noch gar an die eines Dritten, wie etwa einer Konzernspitze (v. Godin-Wilhelmi Anm. I).

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 74 A n m . 10—13 A n m , 10 6. Da eine Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht unwirksam ist, kann sie auch nicht in das H a n d e l s r e g i s t e r eingetragen werden. Ist sie unzulässigerweise eingetragen, so ist sie dennoch unwirksam. Ebenso kann der G r u n d b u c h r i c h t e r nicht den Nachweis der intern erforderlichen Zustimmung eines andern Organs verlangen, genau so wenig der Prozeßrichter, auch wenn ihnen Beschränkungen der Vertretungsmacht — außer den gesetzlichen Beschränkungen (Anm. 6) — bekannt sind; allg. Ansicht; s. R G 89, 369. A n m . 11 7. Der Vorstand ist nicht gehindert, ein Geschäft v o r b e h a l t l i c h , d. h. u n t e r d e r B e d i n g u n g d e r G e n e h m i g u n g durch eines der andern Organe abzuschließen (vgl. K G in O L G R 4 2 , 2 2 i ; R G in D J Z 1914, 753). Unter besonderen Umständen kann es auch vorkommen, d a ß der Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend unter der Bedingung abgeschlossen wird, d a ß die Zustimmung eines andern Organs vorliegt oder wirksam ist (s. R G im Recht 1915 Nr. 95). Wenn es sich hierbei auch u m keine echte Bedingung handelt, unterliegt die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung doch keinen Bedenken (wie hier Schilling in Hachenburg Anm. 13 zu § 3 7 ; BaumbachHueck Anm. 3 D). A n m . 12 8. Da die Vertretungsmacht nach außen nicht beschränkbar ist u n d die interne Pflicht, von ihr nicht Gebrauch zu machen, Dritte nicht angeht, kommt es auf die K e n n t n i s d e s D r i t t e n v o n d e n i n t e r n e n B e s c h r ä n k u n g e n nicht an (s. z. B. R G 73, 343; 102, 200 a. E . ; O L G H a m b u r g in O L G R 32, 142). Auch hier gilt aber der allgemeine Grundsatz, d a ß dem Dritten ein ihm erkennbarer Mißbrauch der gesetzlichen Vertretungsmacht entgegengehalten werden kann, wenn er daraus Rechte herleiten will ( R G 145, 315; vgl. auch Ritter Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski Anm. 12; Teichmann-Köhler Anm. 2). Das Gleiche gilt im Falle der Kollusion, d. h. wenn er in sittenwidriger Weise mit dem Vertreter zum Nachteil des Vertretenen zusammengewirkt hat ( R G 9, 148; 57, 388; 58, 536). Dasselbe ist auch anzunehmen, wenn der Dritte der A G aus einem besonderen Rechtsgrund f ü r den ihr durch die Erfüllung des Vertrages entstehenden Schaden ersatzpflichtig ist (RG 73, 343, ein Rechtsgeschäft mit einem Aufsichtsratsmitglied betreffend). I n solchen Fällen ist es unerheblich, ob das Vorstandsmitglied mit dem Abschluß des Geschäfts eine der internen Schranken der Vertretungsmacht überschritten hat oder nicht; doch kann die Nichtbeachtung einer solchen Schranke durch das Vostandsmitglied u n d deren Kenntnis durch den Geschäftsgegner ein Indiz f ü r ein sittenwidriges Zusammenwirken z u m Nachteil der A G bilden. A n m . 12a 9. Die Vertretungsmacht des Vorstands erlischt nicht, wenn die A G durch hoheitliche Zwangsmaßnahmen außerhalb des Bundesgebiets e n t e i g n e t wird oder in anderer Weise durch rechtswidrige, s t a a t l i c h e Z w a n g s e i n g r i f f e , auch etwa durch Einsetzung von Treuhändern, der Vorstand der Ausübung seiner Vertretungsmacht entkleidet wird, BGH in W M 1957, 846 = L M Nr. 11 zu § 75 AktG; BGH 25, 134 (150); O L G Düsseldorf in N J W 50, 47of.; R a a p e S. 360; Beitzke BB 49, 519; K u h n W M 1956, 7. Voraussetzung des Fortbestands der Vertretungsmacht ist selbstverständlich der Fortbestand der A G (dazu § 5 Anm. 6 a), sei es als werbende Gesellschaft, sei es als Liquidationsgesellschaft. Uber die Frage, ob bei enteigneten Gesellschaften der Vorstand auch über die Fünfjahresfrist des § 75 hinaus ohne Neubestellung im Amt bleiben kann s. Anm. 13 a zu § 75. A n m . 13 10. Der Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht gilt nur gegenüber D r i t t e n , d. h. e r g i l t n i c h t i n g e s e l l s c h a f t s r e c h t l i c h e n A n g e l e g e n h e i t e n . Aktionäre sind daher nicht Dritte, soweit es sich u m die Ausübung der Rechte handelt,

471

§74 Anm. 13a—15

I. Buch: Aktiengesellschaft

die im Verhältnis zwischen der A G und ihren Mitgliedern bestehen (z. B. Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen seitens des Vorstands ohne die in der Satzung vorgeschriebene Zustimmung des Aufsichtsrats; R G 24, 54 a. E.; anders jedoch R G in J W 1900, 133 1 3 ), wohl aber bei dem Abschluß selbständiger Rechtsgeschäfte mit der A G (RG 4, 7 1 ; 81, 17). Dasselbe gilt für Mitglieder des Aufsichtsrats (RG 73, 343) und sogar des Vorstandes selbst. Jedoch ist hier zu beachten, daß das mit der Gesellschaft abschließende Vorstandsmitglied oder Aufsichtsratsmitglied unter Umständen eine eigene Pflicht verletzen und dadurch schadensersatzpflichtig werden kann; in diesem Fall kann es sich gegenüber der A G auf das Rechtsgeschäft nicht berufen (Anm. 12; § 97 Anm. 1). Zweifelhaft ist, ob ein Vorstandsmitglied als Dritter anzusehen ist, soweit es sich um die Anstellungsverhältnisse handelt. Bei Abschluß des Anstellungsvertrages, auf Grund dessen es erst in den Vorstand berufen wird, ist es jedenfalls noch als Dritter anzusehen. Bei Änderungen des Anstellungsvertrages, insbesondere bei Vereinbarungen über die Höhe des Gehalts, werden sich aber im Amt befindliche Vorstandsmitglieder nicht auf die unbeschränkte Vertretungsmacht der die Gesellschaft vertretenden Vorstandsmitglieder berufen können. Es würde der Stellung, die dem Vorstand nach dem Aktiengesetz zukommt, widersprechen, wenn man ihn hinsichtlich seines Anstellungsvertrages als einen der Gesellschaft fremden Dritten ansehen wollte, der sich um die internen Pflichten der die A G ihm gegenüber vertretenden Personen nicht zu kümmern brauchte (vgl. hierzu einerseits Staub HGB § 235 Anm. 15; andererseits Brodmann § 235 Anm. 5 a, sowie Ritter Anm. 4). Angestellte und Arbeiter sind immer Dritte; sie können sich gegenüber Maßnahmen des Vorstands nicht auf dessen interne Beschränkungen berufen (Teichmann-Köhler Anm. 2). Anm. 13a 1 1 . Ausländische Aktiengesellschaften. Es gilt, auch für die Vertretungsmacht des Vorstands grundsätzlich das Heimatrecht (Personalstatut). Jedoch sind Beschränkungen der Vertretungsmacht, die über die Grundsätze des deutschen Rechts hinausgehen, insbesondere die ultra-vires-Lehre des angloamerikanischen Rechts (vgl. Nachweise bei Ritter Anm. 1), im Inland nicht anzuerkennen (s. im einzelnen Anm. 7 zu § 5 ; abw. Teichmann-Köhler Anm. 1). Derartige Beschränkungen können jedoch Wirksamkeit erlangen, wenn sie bei Zweigniederlassungen ausländischer A G zum Handelsregister angemeldet und eingetragen werden § 37 (Baumbach-Hueck Anm. 1). Zusatz. — Die Prokura bei der AG A n m . 14 1. HGB § 238 schrieb vor, daß mangels einer abweichenden Bestimmung der Satzung oder eines Beschlusses der Generalversammlung der Vorstand einen Prokuristen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats bestellen darf. Diese Bestimmung ist im AktG von 1937 nicht mehr enthalten. Die Zulässigkeit der Bestellung eines Prokuristen für die AG, die bis zur Novelle von 1884 zweifelhaft war und zu deren Klarstellung HGB § 238 in erster Linie diente, steht heute außer Zweifel; Prokuristen der A G werden vom Gesetz in § 80 Abs. 1 S. 2 erwähnt. Es gelten für die Bestellung eines Prokuristen die allgemeinen Grundsätze über die Geschäftsführung und Vertretungsmacht des Vorstands (s. Anm. 7); sie kann auch bei unechter Gesamtvertretung durch ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen erfolgen (RG 134, 304 ff.) .Ebenso gelten für die Prokura selbst die allgemeinen Bestimmungen des HGB §§ 48 ff. Es ergeben sich jedoch aus der Natur der A G einige Fragen und Besonderheiten. Anm. 15 2. Die A G ist zwar immer Handelsgesellschaft (§ 3), braucht aber kein Gewerbe zu betreiben. Die Prokura ermächtigt nach HGB § 49 nur zu Rechtsgeschäften, die der Betrieb eines H a n d e l s g e w e r b e s mit sich bringt. Ist daraus zu schließen, daß eine kein Gewerbe betreibende A G keinen Prokuristen haben kann? Brodmann (HGB §238 Anm. i a und § 210 Anm. 4) wendet gegen die Zulässigkeit der Bestellung eines Prokuristen ein, daß die Prokura ein spezifisch handelsgewerblicher Begriff sei. Dies ist zwar richtig; doch fordert die Rechtssicherheit, daß die Wirksamkeit der in das Handels472

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 74 Anm. 16—18 register eingetragenen oder einzutragenden Prokura nicht von der Frage des Vorliegens eines Gewerbes abhängt, die unter Umständen, z. B. bei einer Verwaltungszwecken dienenden AG, schwer und nur auf Grund genauer Kenntnis der Verhältnisse der AG zu entscheiden ist. Darüber hinaus folgt aus § 3 mit § 6 HGB, daß jede A G „Kaufmann" ist, das von ihr betriebene Unternehmen also als Handelsgewerbe gilt (§343 HGB). Der herrschenden Lehre, die auch bei Mangel eines Gewerbes die Bestellung von Prokuristen für zulässig erklärt, ist daher zuzustimmen (vgl. Ritter § 71 Anm. 2b; Baumbach-Hueck § 71 Anm. 5 D sowie oben Anm. 4 zu § 3). Der Prokurist muß in einem solchen Falle zur Vornahme aller Handlungen als ermächtigt gelten, die der Betrieb eines Handelsgewerbes oder der Betrieb eines Unternehmens solcher Art, wie die AG es betreibt, mit sich bringt. Anm. 16 3. HGB § 238 verlangte in Satz 1 die Zustimmung des Aufsichtsrats zur Bestellung eines Prokuristen und bestimmte in Satz 2, daß diese Beschränkung Dritten gegenüber keine Wirkung hat. Daraus war der Zweifel entstanden, ob der R e g i s t e r r i c h t e r den Nachweis der Z u s t i m m u n g des A u f s i c h t s r a t s v e r l a n g e n könnte, was von Brodmann § 238 Anm. 1 b und der dort nachgewiesenen älteren Rechtsprechung des Kammergerichts bejaht, dagegen von R G 134, 307; K G in J W 1935, 268* und der im Schrifttum herrschenden Meinung verneint wurde. Der letzteren Ansicht ist schon deshalb zuzustimmen, weil die Prokura überhaupt nur nach außen Wirkungen hervorruft und daher ihre Wirksamkeit gegenüber Dritten gleichbedeutend mit ihrer Wirksamkeit überhaupt ist. Das Fehlen der in HGB § 238 verlangten Zustimmung des Aufsichtsrats konnte daher nur Bedeutung für die Verantwortlichkeit des Vorstands und für die Frage des Widerrufs der Prokura haben. Nach Wegfall der Bestimmung des HGB § 238 kann vollends kein Zweifel darüber bestehen, daß die etwa in der Satzung vorgeschriebene Zustimmung des Aufsichtsrats ebensowenig wie sonst Gültigkeitserfordernis für die in Ausübung der Vertretungsmacht des Vorstands erteilte Prokura ist (s. auch § 74 Abs. 2) und also nicht dem Registerrichter nachgewiesen zu werden braucht (vgl. Anm. 10). Anm. 17 4. Das in der Satzung aufgestellte Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats für die Bestellung eines Prokuristen gilt im Zweifel nicht für den Widerruf der Prokura. Denn im Gegensatz zu der Erteilung enthält der Widerruf der Prokura keine Gefahren für die AG (Staub HGB § 238 Anm. 14; Brodmann HGB § 238 Anm. 2c). Anm. 18 5. Andere Beschränkungen als das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats kann die Satzung für die Prokurenbestellung nicht einführen. Insbesondere kann sie nicht bestimmen, daß der Vorstand eine Prokura nur als Gesamtprokura (§48 Abs. 2 HGB) erteilen oder daß für die Gesellschaft, wenn sie durch Prokuristen vertreten wird, nur zwei Prokuristen gemeinschaftlich vertretungsberechtigt sind. Die Prokuraerteilung ist eine Maßnahme der Geschäftsführung, die ausschließlich dem Vorstand obliegt (die allerdings an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden sein kann, § 95 Abs. 5). Er entscheidet allein, ob die Prokura als Einzel- oder Gesamtprokura zu erteilen ist. Die Satzung kann ihn hierin nur dadurch beschränken, daß sie die Prokuraerteilung an die Zustimmung des Aufsichtsrats knüpft; nicht aber kann die Satzung selbst die Entscheidung dieser Frage der Geschäftsführung vorwegnehmen. Die früher vielfach übliche Satzungsbestimmung, daß die Gesellschaft von zwei Vorstandsmitgliedern oder einem Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen oder von zwei Prokuristen vertreten werde, ist jetzt in ihrer letzten Alternative unzulässig und nichtig (Schmidt Umgestaltung S. 156; a. M. Schlegelberger § 71 Anm. 13). Der frühere Streit über die Auslegung und Zulässigkeit dieser Alternative (KGJ 52 A 98; K G bei Ring 5, 236; Staub § 232 Anm. 27; vgl. auch Möhring-Schwartz S. 66) ist bedeutungslos geworden, nachdem das AktG eine Satzungsbestimmung, daß nur Gesamtprokura erteilt werden dürfe, ausschließt. • 473

§ 74 A n m . 19—21 §75

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 19 6. Für die A n m e l d u n g d e r P r o k u r a z u m H a n d e l s r e g i s t e r gelten die allgemeinen Grundsätze (s. § 73 Anm, 4). Daß die Anmeldung auch durch ein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen erfolgen kann, hat das RG 134, 303 gerade für den Fall der Erteilung der Prokura ausgesprochen. A n m . 20 7. D e r P r o k u r i s t ist V e r t r e t e r d e r A G u n d n i c h t des V o r s t a n d s . Er ist überdies gewillkürter und nicht gesetzlicher Vertreter (§ 71 Anm. 9; R G xoa, 3 3 1 ; 134, 307; K G H R R 35, 1467; Schlegelberger-Quassowski, §71 Anm, 20; BaumbachHueck § 71 Anm. 5 B) und kann daher nicht diejenigen Handlungen vornehmen, zu deren Vornahme nur der gesetzliche Vertreter befugt ist, und ebensowenig diejenigen körperschaftlichen Handlungen, die das Gesetz dem Vorstand zuweist, wie z. B. die Einberufung der Hauptversammlung (§ 105), die Einforderung von Einzahlungen (§ 57) u. ä. (vgl, Ritter Anm. 2 b). A n m . 21 8. Befindet sich eine AG in Abwicklung, so können Prokuristen nicht bestellt werden; bisherige Prokuren erlöschen; Näheres in Anm. 11 zu § 210 (§ 210 Abs. 5). § 7 5 Bestellung und Abberufung des Vorstands (1) Vorstandsmitglleder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung ist zulässig. Eine juristische Person kann nicht z u m Vorstandsmitglied bestellt werden. Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag. (2) Werden mehrere Personen zu Vorstandsmitgliedern bestellt, so kann der Aufsichtsrat ein Mitglied z u m Vorsitzer des Vorstands ernennen. (3) Der Aufsichtsrat kann die Bestellung z u m Vorstandsmitglied und die Ernennung z u m Vorsitzer des Vorstands widerrufen, w e n n ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. Dies gilt auch für den v o m ersten Aufsichtsrat bestellten Vorstand. Der Widerruf ist w i r k s a m , solange nicht über seine Unwirksamkeit rechtskräftig entschieden ist. Für die Ansprüche aus d e m Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften. Übersicht Anm.

I. Begriffliche Scheidung von Bestellung und Anstellung. . . II. 1. Bestellung durch den Aufsichtsrat 2. nach den Mitbestimmungsgesetzen 3. Anstellungsvertrag . . . . 4. Einschränkung der Vertragsfreiheit III. Persönliche und rechtliche Voraussetzungen der Anstellung 1. beschränkte Geschäftsfähigkeit 2. Rechtsfolgen

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1 2

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3 4

5 6

Anm.

3- weitere sstzungsmäßige Erfordernisse Abschluß des Vertrages . 4Anfechtungsmöglichkeiten 56 . Rechtsnatur des Vertrages IV. 1. Höchstdauer der Bestellung 2 . Folgen bei Überschreitung. 3- Beginn und Ablauf der Frist 4- Staatliche Zwangseingriffe V. 1. Widerruf der Bestellung . . 2 . Rechtsfolgen und Rechtsbehelfe Kündigung des Anstellungs3vertrages

7 8

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13 13a

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 75

Anm. 1, 2 Anm.

Amn.

4. Einzelfälle für „wichtiger Grund" 5. Kündigung von Verträgen auf unbestimmte Zeit . . V I . Amtsniederlegung V I I . 1. Ansprüche der Vorstandsmitglieder auf Vergütung,

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Ruhegehalt und Auslagenerstattung

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2. Pflichten der Vorstandsmitglieder

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3. Treupflicht V I I I . Vorstandsvorsitzer

21a 22

Anm. 1 I. Mit dem Gesetz ist scharf zwischen B e s t e l l u n g und A n s t e l l u n g s v e r t r a g zu unterscheiden (s. auch W. Schmidt in J Z 1951, 689), wenn auch die Regelung des Abs. 1 gleichmäßig für beide gilt. Dabei darf nicht übersehen werden, daß beide Akte nur zwei verschiedene rechtliche Seiten des e i n e n wirtschaftlichen und sozialen Vorgangs sind. Dies führt dazu, worauf v. Gierke ( Z H R 114, 166) mit Recht hinweist, daß das Aktienrecht, trotz der rechtlichen Verschiedenheit, von einer grundsätzlichen Harmonie (Gleichschaltung) beider ausgeht. Die B e s t e l l u n g ist die einseitige Rechtshandlung, durch die der Bestellte Vorstandsmitglied wird. Voraussetzung ihrer Wirksamkeit ist die Zustimmung des Bestellten. Diese braucht der Bestellung nicht vorzugehen. Der A n s t e l l u n g s v e r t r a g ist ein echter Vertrag, der die schuldrechtlichen Beziehungen betrifft. Trotz des begrifflichen Unterschiedes werden Bestellung und Anstellung oft in einem e : nzigen Rechtsakt enthalten sein; der Anstellungsvertrag kann die Bestellung auch stillschweigend enthalten. Sein Abschluß kann aber auch der Bestellung vorangehen oder nachfolgen. Diese Trennung des nach außen gerichteten, organschaftlichen Aktes der Bestellung von dem das Innenverhältnis zwischen Vorstandsmitglied und A G regelnden Anstellungsvertrag ist auch nach dem Inkrafttreten des AktG in der Literatur in Frage gestellt worden, s. v. Godin Z A k D R 1938,596; v. Godin-Wilhelmi §75 Anm. 2 u. 7; Ritter § 75 Anm. 2a, h; Hefermehl D J 1942, 619. Neuerdings hat Schilling in Hachenburg § 35 Anm. 40 und 44 sowie Einl. zu § 38 erneut f ü r die G m b H die Auffassung vertreten, bei Anstellung und Bestellung der Geschäftsführer handele es sich um ein einheitliches, zweiseitiges Rechtsgeschäft (s. auch Krause BB 1957, 5 1 6 ; dagegen ausdrücklich — auch für die GmbH — BGH vom 18. 4. 58 in N J W 58, 945). Jedoch müssen auch Schilling (Anm. 40 zu § 35) und v. Godin-Wilhelmi (Anm. 2 zu § 75) einräumen, daß das AktG (in § 75 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 5) sich der herrschenden Lehre, nämlich der scharfen Unterscheidung von Bestellung und Dienstvertrag, angeschlossen hat. Damit entfällt aber die Möglichkeit, die Lehre über das einheitliche Rechtsverhältnis beider Akte für das Aktienrecht zu übernehmen; s. im übrigen Anm. 16 unten; wie hier auch ausdrücklich BGH vom 1 1 . 7. 53 in L M Nr. 5 zu § 75 AktG, während in BGH 3, 90 noch nicht abschließend Stellung genommen wird; ferner Baumbach-Hueck § 75 Anm. 1 ; Schlegelberger-Quassowski § 75 Anm. 2; Teichmann-Köhler § 70 Anm. 5d, § 75 Anm. 1 ; Hueck N J W 57, 862; Staudinger-Coing §27 Anm. 1 2 ; schließlich auch W. Schmidt, J Z 1951, 689, wo im einzelnen insbes. die von Ritter, Anm. 2 a, h vertretenen Ansichten widerlegt werden. In derPraxis hat sich die durch das AktG durchgeführte Trennung von Bestellung und Anstellung bewährt und als zweckmäßig erwiesen (s. Denkschrift zur Reform des Aktienrechts des Bundesverbands des privaten Bankgewerbes, 1958, S. 27). Der Ref.Entw. § 79 Abs. 1 u. 3 übernimmt sie. Der rechtlichen Trennung zwischen dem körperschaftlichen Akt der Bestellung und dem Dienstvertrag entspricht die Unterscheidung zwischen Widerruf der Bestellung und Kündigung des Anstellungsverhältnisses, dazu Anm. 16 unten.

Anm. 2 II. 1. Die Bestellung erfolgt durch den Aufsichtsrat (Abs. 1 S. 1). Die Satzung

kann nichts Abweichendes bestimmen, da sie in die gesetzliche Regelung der Zuständigkeit der verschiedenen Organe der A G nicht eingreifen darf (Vorbem. vor § 70 und Anm. 7 zu § 70). Sie kann die Bestellung also nicht der Hauptversammlung, 31

Aktiengesetz, 2. Aufl.

475

§75 Anm. 2 a , 3

I. Buch: Aktiengesellschaft

einem besondern durch die Satzung geschaffenen Verwaltungsrat oder gar einem Dritten zuweisen. Ebensowenig kann sie dem Vorstand für den Fall des Fehlens oder Fortfallens eines Mitglieds das Recht der Zuwahl einräumen. Auch ein Recht eines einzelnen Aktionärs auf die Mitgliedschaft im Vorstand kann in der Satzung nicht begründet werden; denn für die Bestellung zum Vorstandsmitglied dürfen nur das Wohl der Gesellschaft und das Gemeinwohl ausschlaggebend sein, nicht aber die Sonderinteressen einzelner Aktionäre. Es gibt also nach Aktienrecht kein S o n d e r r e c h t auf Bestellung oder Sitz im Vorstand —auch nicht im Rahmen der Fünfjahresfrist; anders das GmbH-Recht, vgl. Hachenburg-Schilling § 1 4 Anm. i8fF; § 3 5 Anm. 4 1 ; §38 Anm. 8. Die Bestellung ist von dem Gesetz dem g e s a m t e n Aufsichtsrat übertragen; die Satzung kann sie nicht dem Vorsitzer oder einem Ausschuß (in dieser Hinsicht a. A. Dietrich J W 1937, 1455) zuweisen. Dagegen kann der Aufsichtsrat selbst die Bestellung der Vorstandsmitglieder gemäß § 92 Abs. 4 einem Ausschuß übertragen (vgl. BGH 20, 239 [244fr.]). Die Satzung kann nur die M ö g l i c h k e i t der Bildung eines solchen Ausschusses vorsehen (§92 Anm. 24). Auch kann der Aufsichtsrat einzelne seiner Mitglieder zur Vertretung bevollmächtigten (BGH vom 27. 5. 57 in W M 1957, 846). Ein Vorschlagsrecht oder Zustimmungsrecht anderer Organe oder Dritter, das die Freiheit des Auffsichtsrats bei der Auswahl der Vorstandsmitglieder beschränkt, ist ebenfalls unzulässig (anscheinend abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Dagegen wird dem nichts im Wege stehen, daß die Satzung andern Organen oder auch Dritten ein den Aufsichtsrat nicht bindendes Vorschlagsrecht einräumt. Die Wirksamkeit der Bestellung eines Vorstandsmitglieds wird in diesem Fall nicht dadurch beeinträchtigt, daß dem Berechtigten keine Gelegenheit gegeben wurde, von dem Vorschlagsrecht Gebrauch zu machen. Die Satzung kann eine bestimmte F o r m für die Bestellung, z. B. notarische Beurkundung des Aufsichtsratsbeschlusses, vorschreiben; das Gesetz verlangt eine solche nicht. Uber B e s t e l l u n g von Vorstandsmitgliedern d u r c h das G e r i c h t s. § 76. Anm. 2 a 2. Durch das MitbestG betreffend den Bergbau und die Eisen und Stahl erzeugende Industrie ist eine Sonderregelung für die Bestellung des A r b e i t s d i r e k t o r s getroffen worden: Grundsätzlich erfolgen zwar Bestellung (und Widerruf) der Vorstände der dem MitbestG unterliegenden A G auch nach §75 durch den Aufsichtsrat (§ 12), jedoch kann der Arbeitsdirektor nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bestellt (und abberufen) werden ( § 1 3 Abs. 1, Satz 2 und 3). Auch das ErgG zum MitbestG vom 7. 8. 56 (BGBl. I, 707), die sog. Holding-Novelle, hat für die Obergesellschaften der Montan-Industrie das Institut des Arbeitsdirektors als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied eingeführt (§ 13); ausdrücklich sind aber die Bestimmungen des § 13 Abs. 1, Satz 2 und 3 MitbestG nicht für anwendbar erklärt werden. Hier bleibt es also hinsichtlich der Bestellung (und Abberufung) des Arbeitsdirektors uneingeschränkt bei der Regel des § 75. Anm. 3 3. Der Aufsichtsrat entscheidet auch über den Anstellungsvertrag (Abs. 1 S. 4). Diese Entscheidung kann ebenwowenig wie die Bestellung zum Vorstandsmitglied durch die Satzung einem andern Organ der A G oder einem Unterorgan des Aufsichtsrats zugewiesen werden. Zweifelhaft kann sein, ob bei einem bestimmten Inhalt des Anstellungsvertrages die Zustimmung der Hauptversammlung vorgeschrieben werden kann. Grundsätzlich ist dies zu verneinen, da sonst die Freiheit des Aufsichtsrats bei der Auswahl des Vorstandes praktisch beseitigt werden könnte. Nur für ungewöhnliche Bestimmungen wird die Satzung die Zustimmung der Hauptversammlung verlangen können. Doch hat auch in diesem Fall das Fehlen der Zustimmung auf die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages keinen Einfluß. — Der Ausschuß, dem der Aufsichtsrat die Bestellung des Vorstandes überträgt (vgl. Anm. 2 oben), entscheidet auch über den Anstellungsvertrag.

476

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 75 Anm. 4—6 Von der Entscheidung über den Anstellungsvertrag ist der Abschluß des Vertrages selbst zu unterscheiden. Hier handelt der Aufsichtsrat als gesetzlicher Vertreter der AG gemäß § 97 und kann daher den Vorsitzer oder ein anderes Mitglied zum Abschluß auf Grund des Beschlusses des Aufsichtsrats ermächtigen (s. Anm. 2 zu § 97). Anm. 4 4. Die AG kann sich auch nicht vertraglich verpflichten, eine bestimmte Person zum Vorstandsmitglied zu bestellen. Es ist klar, daß der Vorstand allein nicht eine solche Verpflichtung der AG begründen kann, da er nicht über die Bestellung zum Vorstandsmitglied zu entscheiden hat. Aber auch mit Zustimmung des Aufsichtsrats kann eine solche Verpflichtung nicht begründet werden. Der Aufsichtsrat muß in der Lage sein, seine Entscheidung über die Bestellung des Vorstandes frei zu treffen, ohne durch die Gefahr, die AG einem Schadensersatzanspruch auszusetzen, beengt zu sein. Eine persönliche vertragliche Verpflichtung eines Aufsichtsratsmitglieds, für die Bestellung einer bestimmten Person zum Vorstandsmitglied stimmen oder sich für sie einzusetzen, würde sittenwidrig sein. III. Persönliche und rechtliche Voraussetzungen der Anstellung Anm. 5 1. An die Fähigkeit, Vorstandsmitglied zu werden, stellt das Gesetz keine besonderen Anforderungen. Nur schließt es j u r i s t i s c h e Personen ausdrücklich aus (Abs. 1 S. 3). Es versteht sich von selbst, daß nur individuell bestimmte Personen zum Vorstand bestellt werden können, dagegen nicht Gesellschaften oder andere Personenvereinigungen. Der Bestellte muß voll geschäftsfähig sein. Beschränkte Ges c h ä f t s f ä h i g k e i t ist im Gegensatz zu der unter dem früheren Recht herrschenden Lehre (gegen sie Brodmann Anm. 4 a zu § 231 HGB) nicht als ausreichend anzusehen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Baumbach-Hueck § 70 Anm. 2; Schilling in Hachenburg § 35 Anm. 38; a. A. Teichmann-Koehler Anm. i a ; v . Godin-Wilhelmi § 70 Anm. 4; Ritter § 70 Anm. 5). § 165 BGB betrifft nicht die Erlangung der Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Zwar folgt aus dieser Bestimmung die Möglichkeit der Erteilung einer Vollmacht an einen beschränkt Geschäftsfähigen. Der Erwerb der Stellung eines gesetzlichen Vertreters ist jedoch unabhängig von § 165 BGB für die verschiedenen Arten der gesetzlichen Vertreter selbständig zu beurteilen. Der Vorstand einer AG ist nun nicht bloß gesetzlicher Vertreter, sondern hat ein mit vielseitigen Rechten und Pflichten, einer weitgehenden Selbständigkeit und Verantwortlichkeit verbundenes Amt, das nur ein voll Geschäftsfähiger bekleiden kann. Die Bestellung eines nicht voll Geschäftsfähigen zum Vorstandsmitglied ist unwirksam. — A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r können nicht zugleich dem Vorstand angehören (§90 Abs. 1 S. 1). Beamte bedürfen zum Eintritt in den Vorstand oder Aufsichtsrat einer AG der Genehmigung, die unter besonderen Umständen zu erteilen ist (vgl. u. a. § 65 Abs. 1 Ziff. 3 BundesbeamtenG i. d. F. vom 18.9.57 [BGBl. I, 1337]). Das Fehlen der Genehmigung beeinträchtigt aber die Wirksamkeit der Bestellung nicht. Der Bundespräsident und die Mitglieder der Bundesregierung dürfen kraft Verfassungsrechts nicht zu Vorstandsmitgliedern bestellt werden, Art. 55 Abs. 2 und Art. 66 GG. Anm. 6 2. Ist ein nicht voll G e s c h ä f t s f ä h i g e r zum V o r s t a n d s m i t g l i e d bestellt, so kann sich ein Dritter, mit dem dieses Vorstandsmitglied im Namen der AG ein Rechtsgeschäft vorgenommen hat, auch nicht auf den Grundsatz berufen, daß die AG gutgläubigen Dritten gegenüber als Vorstand gegen sich gelten lassen muß, wen sie als solchen hat nach außen auftreten lassen. Der Grundsatz über die Wirkung des äußeren Auftretens im kaufmännischen Verkehr kann keine Wirkungen haben, die nicht durch Rechtsgeschäft herbeigeführt werden könnten; er findet daher an der gesetzlichen Unfähigkeit, zum Vorstandsmitglied bestellt zu werden, eine Grenze. Daher versagt auch bei nachträglichem Wegfall der Geschäftsfähigkeit eines Vorstandsmitglieds § 15 HGB (abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 4). Dies wird auch gelten müssen, wenn das Vorstandsmitglied beschränkt geschäftsfähig ist. Zwar hätte die AG den beschränkt 31»

477

§ 75 A n m . 7—9

I. Buch: Aktiengesellschaft

Geschäftsfähigen durch Erteilung einer Vollmacht gemäß BGB § 165 wirksam zum Abschluß des Rechtsgeschäfts ermächtigen können. Aber da das Vorstandsmitglied nicht als Bevollmächtigter, sondern als gesetzlicher Vertreter der A G aufgetreten ist, kann es allein darauf ankommen, ob er die gesetzliche Vertretungsmacht hätte erhalten können. Die A G wird aber den von einem beschränkt geschäftsfähigen Vorstandsmitglied abgeschlossenen Vertrag nach den Grundsätzen über die Vertretung ohne Vertretungsmacht genehmigen können. Gegen die Anwendung des § 165 BGB i. Verb, m. § 177 BGB bestehen keine Bedenken.

Anm. 7 3. Die Satzung kann weitere Erfordernisse aufstellen, z. B. männliches Ge-

schlecht, deutsche Staatsangehörigkeit, inländischer Wohnsitz, Aktionäreigenschaft. Solche Bestimmungen sind keine gesetzlichen Verbote im Sinne des § 134 B G B ; ihre Verletzung hat n i c h t die N i c h t i g k e i t der Bestellung zum Vorstandsmitglied zur Folge (a. A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; zutreffend Brodmann Anm. 4d zu § 2 3 1 H G B ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck §70 Anm. 2). Es wäre eine schwere Belastung des Verkehrs, dem das Gesetz nur die Kenntnis des Inhalts des Handelsregisters, aber nicht der Satzung zumutet, wenn einem Geschäftsgegner der A G der Verstoß gegen eine solche Satzungsbestimmung und der daraus folgende Mangel der Vertretungsmacht entgegengehalten werden könnte. Im übrigen würden die hauptsächlichen Wirkungen der gegenteiligen Ansicht darin bestehen, daß das satzungswidrig bestellte Vorstandsmitglied von den gesetzlichen Pflichten und der Verantwortlichkeit eines Vorstandsmitglieds frei sein würde; dieses Ergebnis erscheint wenig angemessen. Ein Verstoß gegen eine solche Satzungsbestimmung hat daher nur die Wirkung, daß der Aufsichtsrat zum Widerruf der Bestellung berechtigt und verpflichtet ist.

Anm. 8 4. Die F ä h i g k e i t z u m A b s c h l u ß des A n s t e l l u n g s v e r t r a g e s unterliegt nicht unmittelbar den Einschränkungen, die sich aus dem Gesetz oder der Satzung für die Fähigkeit, zum Vorstandsmitglied bestellt zu werden, ergeben (a. A. SchlegelbergerQuassowski Anm. 7). Vielmehr richtet sich die Fähigkeit zum Abschluß des Anstellungsvertrages nach den allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit; ebenso ist nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen, welche Wirkungen das Fehlen einer Eigenschaft, die das Gesetz oder die Satzung für Vorstandsmitglieder fordert, auf den Anstellungsvertrag hat. Der Abschluß des Anstellungsvertrages kann vor dem Beginn der Amtszeit des Vorstandsmitgliedes liegen; wenn die Voraussetzungen bis dahin eingetreten sind, z. B. die vorläufige Vormundschaft aufgehoben, die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz oder der Aktienbesitz, den die Satzung fordert, erworben ist, ist der vorher im übrigen ordnungsmäßig abgeschlossene Anstellungsvertrag voll wirksam. Von dieser Möglichkeit abgesehen ist der Anstellungsvertrag wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Leistung (§ 306 BGB) nichtig, wenn die Bestellung zum Vorstandsmitglied infolge Mangels der vollen Geschäftsfähigkeit nicht wirksam erfolgen kann. Ebenso werden die Parteien gemäß § 323 BGB von ihren Leistungen frei, wenn der Bestellte nachträglich die Geschäftsfähigkeit verliert, soweit nicht in dem Vertrag etwas anderes vereinbart ist. Der Mangel einer von der Satzung verlangten Eigenschaft gibt dem Aufsichtsrat zugleich mit dem Recht des Widerrufs der Bestellung ein Recht zur Kündigung des Anstellungsvertrages.

Anm. 9 5. Auf den A n s t e l l u n g s v e r t r a g sind die allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts über die A n f e c h t u n g w e g e n I r r t u m s , T ä u s c h u n g , D r o h u n g und

die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten anwendbar (vgl. R G

SeuffA 61 Nr. 42). Der einseitige körperschaftliche Rechtsakt der B e s t e l l u n g unterliegt der Anfechtung nicht (W. Schmidt J Z 1951, 689 [690]). Das gleiche gilt für die Zustimmung des Bestellten, die für die Wirksamkeit der Bestellung erforderlich ist; bestr., wie hier Baumbach-Hueck Anm. 2 A. Die Rechtsstellung eines Vorstandsmitgliedes 478

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 75

Arnn. 10, 11

und die mit ihr verbundene Verantwortlichkeit verträgt eine rückwirkende Beseitigung nicht. Ebenso wird die Nichtigkeit des Anstellungsvertrages wegen Verstoßes gegen die guten Sitten sich nicht auf die Bestellung zum Vorstandsmitglied erstrecken. Auch § 139 BGB ist nicht anwendbar, selbst wenn die Bestellung in demselben Akt wie die Anstellung, selbst stillschweigend, erfolgt ist. Die Anfechtung oder Nichtigkeit des Anstellungsvertrages bildet aber einen wichtigen Grund zum Widerruf der Bestellung.

Anm. 10 6. Die rechtliche Natur des Anstellungsvertrages ist bei Unentgeltlichkeit

die eines Auftrages, bei Entgeltlichkeit die eines Dienstvertrages, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (Staudinger-Nipperdey Vorbem. § 6 1 1 Anm. 204 und § 6 1 1 Anm. 30). Die Bestimmungen der §§662 ff., bzw. §§ 611 ff., 675 BGB finden Anwendung, soweit das AktG keine Sonderbestimmungen enthält, ebenso grundsätzlich die für gegenseitige Verträge geltenden allgemeinen Vorschriften der §§ 323 ff. BGB (BGH 10, 191 m. w. Nachw.j 12, 9). Trotzdem können Treu und Glauben es im Einzelfall erforderlich machen, arbeitsrechtliche Grundsätze, wie sie von der Rechtsprechung des R A G für die Dienstverträge abhängiger Arbeitnehmer entwickelt worden sind, auch auf die Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder entsprechend anzuwenden, BGH 10, 187 (igoff.); R G 169, 300; Fischer, L M Anm. zu Nr. 5 § 75 AktG; Molitor, Die AktG 1957, 193ff.; Baumbach-Hueck Anm. 3 B; vgl. auch § 78 Anm. 7a wegen Ruhegehaltsvereinbarungen. Da aber eine Fürsorge- und Treupflicht, wie sie das Arbeitsrecht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und unselbständigem Arbeitnehmer kennt, zwischen der A G und den Vorstandsmitgliedern nicht besteht (dazu im einzelnen Anm. 21 a unten) ist daran festzuhalten, daß etwa auch bei objektiver Unmöglichkeit eines Vorstandsmitglieds, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, die A G grundsätzlich nach § 321 Abs. 1 BGB frei wird (Kuhn, W M 1955, 1 2 ; BaumbachHueck a. a. O., insoweit gegen BGH 10, 187). Zur Frage der V e r j ä h r u n g der Gehaltsansprüche s. BGH vom 5. 3. 59 in W M 59, 502 = Betr. 59, 456.

Die arbeitsrechtlichen Gesetze behandeln Vorstandsmitglieder durchweg nicht als Arbeitnehmer, tragen also dem Grundsatz Rechnung, daß ein abhängiges Arbeitsverhältnis nicht gegeben ist, vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 A r b G G ; § 12 (a) K S c h G vom 10. 8. 51 (BGH 20, 249); § 4 Abs. 2 a BetrVerfG; § 1 Abs. 2, Ziff. 1 ArbZO; § 5 Abs. 2 SchwerBG; auch das KündigungsschutzG für Angestellte vom 9. 7. 26 ist auf Vorstandsmitglieder nicht anwendbar (BGH 12, 8ff.), ebensowenig das Konkursvorrecht nach §61 Ziff. 1 K O ( R G 120, 300; 150, 99; O L G Stuttgart-Karlsruhe BB 5 1 , 82; Jäger K O , 6. u. 7. Aufl. § 61 Anm. 1 4 b ; vgl. auch Anm. 14 zu § 78). Die Vorstandsmitglieder sind nicht Handlungsgehilfen, sondern haben in der A G selbst die Stellung des Prinzipals. Die Vorschriften über die Handlungsgehilfen sind weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar ( R G 7, 77; R G in L Z 1912, 30g). Kaufmann im Sinne des H G B sind sie nicht ( O L G R 27, 375).

Anm. 11 IV. 1. Die Vorstandsmitglieder können höchstens für die Dauer von

5 J a h r e n b e s t e l l t u n d a n g e s t e l l t w e r d e n (Abs. 1 S. 1, 4). Die Bestellung kann auf kürzere Zeit erfolgen. Auch eine Bestellung auf unbestimmte Zeit (§ 620 Abs. 2 BGB) ist zulässig (Ritter Anm. 2c; Möhring-Schwartz Satzungsgestaltung S. 60; anscheinend abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 14). Die Bestellung erlischt in einem solchen Falle kraft Gesetzes nach Ablauf von höchstens 5 Jahren; Dritte schützt § 15 HGB. Eine automatische Verlängerung der Bestellung innerhalb der gesetzlichen fünfjahresfrist ist jedoch zuläs«'g; § 75 Abs. 1 Satz 1 steht dem nicht entgegen (offen gelassen in BGH 10, 195; wie hier Kuhn W M 1955, 16). Eine Bindung über 5 Jahre hinaus ist unwirksam, eine w i e d e r h o l t e Bestellung a b e r z u l ä s s i g (Abs. 1 S. 2). Der Zweck der Bestimmung liegt darin, daß die Gesellschaft an ein Vorstandsmitglied niemals länger als 5 Jahre gebunden sein soll. Daher kann nicht bestimmt werden, daß der Vertrag sich jeweils um 5 Jahre verlängert, wenn er nicht unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist gekündigt wird (a. M. Dietrich J W 1937, 652). Wenn das Gesetz eine wiederholte Bestellung für zulässig erklärt, so verlangt es für die Verlän-

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§75

Anm. 12

I. Buch: Aktiengesellschaft

gerung der Amtszeit einen bewußten, hierauf abzielenden Akt. Eine „stillschweigende" Weiterbestellung ist daher nicht möglich ( B G H 10, 194) und verbietet sich schon wegen der Vorschrift des § 92 Abs. 2 (Schriftform für Aufsichtsratsbeschlüsse, vgl. § 92 Anm. 2 1 ) . Auch kann eine Verlängerung der Amtszeit über eine fünfjährige Dauer hinaus überhaupt nicht durch bloßen Ablauf einer Kündigungsfrist erfolgen. Es kann z. B. nicht eine Verlängerung u m jeweils 4 J a h r e vorgesehen werden, wenn die Kündigung nicht ein J a h r vor Ablauf erfolgt ( B G H 20, 245, a. A . v. Godin-Wilhelmi Anm. 4). Ebenso hat eine allein im Anstellungsvertrag vorgesehene automatische Verlängerungsklausel nur dann rechtliche Wirksamkeit, wenn tatsächlich eine Wiederbestellung erfolgt, die der freien Entschließung des Aufsichtsrats unterliegt, B G H 3, 90. Ist ein Vorstandsmitglied auf kürzere Zeit bestellt, so kann die Amtsdauer am Ende der Amtszeit zweifellos um 5 J a h r e verlängert werden. Dasselbe ist jederzeit zulässig, wenn das Vorstandsmitglied auf unbestimmte Zeit bestellt ist. In diesen Fällen braucht also die Beschlußfassung über die fünfjährige Verlängerung nicht gerade nach einer fünfjährigen Amtszeit zu erfolgen. M a n wird auch sonst allgemein annehmen müssen, daß ein auf 5 J a h r e oder eine bestimmte kürzere Frist bestelltes Vorstandsmitglied jederzeit neu auf 5 J a h r e , gerechnet vom T a g e der Neubestellung ab, bestellt werden kann. Auch wenn dies fortgesetzt geschieht, ist die Gesellschaft zu keiner Zeit auf mehr als 5 J a h r e gebunden, wie es der Zweck der Bestimmung fordert. Es liegt kein Anlaß zu der Annahme vor, daß die Verlängerung nur am Ende der Amtszeit erfolgen könnte (a. A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 5). Das Gesetz sagt nicht, daß die wiederholte Bestellung erst nach Ablauf der Amtszeit zulässig ist. Eine solche Bestimmung wäre auch sinngemäß nur zu erwarten, wenn das Gesetz nicht nur eine Höchstfrist vorschreiben, sondern selbst eine bestimmte Dauer der Amtszeit festsetzen würde. Denn wenn die Vorstandsmitglieder auf beliebig kurze Zeit oder auf unbestimmte Zeit bestellt werden können, hat es wenig oder keinen Sinn, eine Verlängerung erst nach Ablauf der Amtszeit zu gestatten. Dies alles gilt in gleicher Weise für den Anstellungsvertrag wie f ü r die Bestellung. Die Belastung der A G mit einem R u h e g e h a l t oder einer einmaligen Entschädigung, die für den Fall des Ausscheidens des Vorstandsmitglieds aus den Diensten der A G versprochen ist, kann zwar die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats beschränken ( B G H vom 25. 5. 57 in W M 1957, 846). Die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Vereinbarungen ist jedoch eine wirtschaftliche Notwendigkeit ( B G H 8, 348 [360]). N u r bei unangemessener Höhe des Ruhegehalts oder der sonstigen Entschädigung ist die A G an die Vereinbarung nicht gebunden (siehe die amtliche Begründung). Das gilt auch, wenn einem Vorstandsmitglied die Weiterzahlung seiner vollen Bezüge nach Ausscheiden aus den Diensten der A G zugesagt wird (h. L . ) ; eine solche Vereinbarung stellt eine Gesetzesumgehung dar ( B G H 8, 360) und ist nach § 1 3 4 B G B nichtig. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind alle Umstände des einzelnen Falles, sowohl die Verhältnisse der A G wie die Höhe des Gehalts, des Ruhegehalts, die Dienstzeit und die persönlichen Verhältnisse des Vorstandsmitglieds zu berücksichtigen (vgl. B G H vom 25. 5. 57 in W M a. a. O.). Erscheint das Ruhegehalt unangemessen hoch, so wird die Auslegung nach T r e u und Glauben in der Regel nicht dazu führen, daß die Zusage als nichtig anzusehen, sondern daß sie auf den angemessenen Betrag herabzusetzen ist. Nur wenn wegen der außerordentlichen Höhe des Ruhegehalts oder etwaiger besonderer Umstände anzunehmen ist, daß eine Umgehung der gesetzlichen Begrenzung der Amtszeit der Vorstandsmitglieder beabsichtigt war, wird die Ruhegehaltsvereinbarung nichtig sein. Uber die Frage, ob damit der Anstellungsvertrag hinfällig wird, s. Anm. 1 2 .

Anm. 12 2. Hinsichtlich der Wirkungen der Überschreitung der gesetzlichen Höchst-

d a u e r d e r B e s t e l l u n g ist zwischen der Bestellung und dem Anstellungsvertrag zu unterscheiden. Die B e s t e l l u n g kann jedenfalls nicht länger als ¿ J a h r e wirksam sein. Das Gesetz ergibt nichts dafür, daß die Bestellung auf die vereinbarte Dauer wirksam ist und nur das Anstellungsverhältnis unwirksam und daher die Bestellung zu widerrufen ist. Dritte sind, wenn die Bestellung auf 5 J a h r e wirksam ist, durch § 1 5 H G B geschützt; der Vorstand ist auch zur Einberufung einer Hauptversammlung gemäß

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—-Meyer-Landrut)

§ 75

Anm. 13

§ 105 Abs. 1 S. 2 befugt, solange die Eintragung im Handelsregister besteht. Die Bestellung ist wegen der bedenklichen Folgen ihrer anfänglichen Nichtigkeit nicht als von vornherein unwirksam anzusehen, sondern muß als auf 5 Jahre erfolgt gelten, vorbehaltlich eines Widerrufs durch den Aufsichtsrat oder einer Niederlegung des Amts durch das Vorstandsmitglied (ebenso v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Die Folgen für den A n s t e l l u n g s v e r t r a g sind grundsätzlich nach § 139 BGB zu beurteilen (BGH 8, 3 6 1 ; 20, 245). Dabei ist jedoch folgendes zu beachten: Ein schutzwürdiges Interesse der A G an der Nichtigkeit des ganzen Vertrages wegen der Beschränkung seiner Dauer auf 5 Jahre ist schwer denkbar. Das Vorstandsmitglied, das mit der A G infolge mangelnder Rechtskenntnis einen Vertrag auf mehr als 5 Jahre oder auf unbegrenzte Zeit, z. B. bei Anstellung auf Lebenszeit, abgeschlossen hat, kann zwar ein dringendes Interesse daran haben, von dem Vertrage loszukommen, um eine andere, nicht solchen zeitlichen Beschränkungen unterliegende Stellung anzunehmen. Aber auf der anderen Seite kann [diese sich vielleicht erst nach jahrelanger Tätigkeit im Dienst der A G herausstellende Nichtigkeit des Anstellungsvertrages für das Vorstandsmitglied schwere Nachteile zur Folge haben. Eine Auslegung nach Treu und Glauben wird daher zu dem Ergebnis führen können, daß der Vertrag mit der gesetzlichen Fünfjahresfrist wirksam ist, dem Vorstandsmitglied aber ein Recht zur Kündigung des Vertrages und Niederlegung seines Amtes zusteht. Diese Auslegung dürfte im allgemeinen dem vermutlichen Parteiwillen besser entsprechen als die Annahme, daß der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen ist und von beiden Teilen stets nach § 621 BGB gekündigt werden kann (so Baumbach-Hueck Anm. 3 C). Das Kündigungsrecht des Vorstandsmitglieds wird nur unverzüglich nach Kenntnis der beschränkten Wirksamkeit ausgeübt werden können. Der Aufsichtsrat wird stets in der Lage sein, das Vorstandsmitglied über die wahre Rechtslage aufzuklären und damit eine baldige Entscheidung über die Ausübung des Kündigungsrechts herbeizuführen. Diese Lösung entspricht auch dem Grundgedanken der Übergangsregelung, die § 7 Abs. 2, 3 des Einführungsgesetzes für die bei Inkrafttreten des AktG laufenden langfristigen Verträge von Vorstandsmitglieder getroffen hat. — In gleicher Weise sind die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit der V e r e i n b a r u n g eines R u h e g e h a l t s (vgl. Anm. 1 1 ) zu beurteilen.

Anm. 13 3. Die f ü n f j ä h r i g e F r i s t l ä u f t v o n d e m B e g i n n d e r A m t s z e i t . Dieser Zeitpunkt braucht nicht notwendig mit dem Tag der Bestellung zusammenzufallen, da in der Bestellung ein späterer Beginn der Amtszeit festgesetzt sein kann (anscheinend abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 5). Der Vorstand kann aber auch nicht Jahre vor Beginn seiner Amtszeit bestellt werden, da dies dem Zweck der gesetzlichen Begrenzung der Amtsdauer zuwiderliefe. Die A m t s z e i t endet mit dem Ablauf der höchstens fünfjährigen Frist, für die das Vorstandsmitglied bestellt ist (vgl. R G 140, 3 1 5 ; BGH 8, 3 6 1 ; 10, 194; 20, 245). Eine stillschweigende Verlängerung auf unbestimmte Zeit gemäß § 625 BGB ist unzulässig, sofern sie nicht nur für den Fall einer ausdrücklichen Wiederbestellung vorgesehen wird (BGH 3, 93f.; W. Schmidt, Umgestaltung der Satzungen, S. 67f.; teilweise abw. die Vorauf!.). Das gleiche gilt für automatische Verlängerungsklauseln, sofern sie einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren umfassen. § 620 Abs. 2 BGB ist somit nur im Rahmen der Regelung des § 75 für das Aktienrecht anwendbar (vgl. auch Anm. 18 unten). Der Ref.Entw. § 79 Abs. 1 folgt dieser Rechtsauffassung. Da das Gesetz eine Bestellung für einen kürzeren Zeitraum als 5 Jahre nicht verbietet (v. Godin-Wilhelmi Anm. 3), kann eine auf unbestimmte Zeit erfolgte Bestellung (vgl. dazu auch Anm. 1 1 oben) nach Maßgabe des § 620 Abs. 2 BGB widerrufen werden. Es ist kein Grund ersichtlich, einen Widerruf der Bestellung innerhalb der Fünfjahresfrist aus der dem Vorstand nach dem AktG gegebenen starken Stellung heraus für unzulässig zu halten (so v. GodinWilhelmi Anm. 4; vgl. auch BGH vom 7. 5. 56 in W M 1956, 1182). Der Gesetzeszweck wird zwar umgangen, wenn durch Vertragsklauseln die notwendig freie Entscheidung des Aufsichtsrats über eine Wiederbestellung über einen Zeitraum von 5 Jahren hinaus eingeschränkt wird (BGH 3, 90; 10, 194). Von einer Mindestdauer der Bestellung stellt aber im Gesetz nichts (vgl. auch § 78 Abs. 2 2. Satz letzter Halbsatz), auch nichts

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§75

Anm. 13 a, 14

I. Buch: Aktiengesellschaft

von einer angemessenen Zeitdauer, die durch die Natur des Amtes bedingt ist (Baumbach-Hueck Anm. 2 B). Die Einschränkung des Gesetzes, daß der Widerruf nur aus wichtigem Grunde erfolgen darf, hat nur dann eine Berechtigung, wenn ein Widerruf vor Ablauf der Bestellung ausgesprochen werden soll, deren Dauer bei einer Bestellung auf unbestimmte Zeit allein durch die Fünfjahresfrist gesetzlich begrenzt ist. Z w a r löst der Widerruf der Bestellung nicht automatisch das Dienstverhältnis, sondern nur, wenn ein wichtiger Grund auch zur Entlassung vorliegt (dazu Anm. 14), aber die Organstellung endet notwendig, wenn das Dienstverhältnis, auf dem sie beruht, ihr Ende findet, R G 144, 384 (386); B G H in L M Nr. 5 zu § 75 A k t G ; s. auch Anm. 18. Ist die Bestellung eines Vorstandsmitglieds wirksam widerrufen, so hat dieses unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Wiedereinstellung als Organmitglied, da diese eine Wiederwahl durch den Aufsichtsrat voraussetzt, B G H 8, 348 (364). Die Löschung des Vorstandsmitglieds im Handelsregister erfolgt nach Ablauf der fünfjährigen Amtszeit nicht von Amts wegen. Das Handelsregister vermerkt nicht die Dauer der Amtszeit ( § 7 3 Anm. 2). Die verbleibenden Vorstandsmitglieder haben gemäß § 73 für die Anmeldung des Erlöschens des Vorstandsamts zu sorgen (§ 73 Anm. 4). Wird das Vorstandsmitglied, dessen Amtszeit abgelaufen ist, erneut bestellt, ist seine Anmeldung zum Handelsregister nicht erforderlich. Nach § 73 ist nur jede Änderung des Vorstands anzumelden, nicht aber eine wiederholte Bestellung eines amtierenden Vorstandsmitglieds.

Anm. 13a 4. Bei Enteignung

oder ähnlichen rechtswidrigen staatlichen ZwangseingrifFen außerhalb des Bundesgebiets wird — bei Fortbestand der A G — die Rechtsstellung des Vorstands (und der anderen Organe) der A G nicht berührt, insbesondere bleibt •auch die Vertretungsmacht des Vorstands bestehen (Anm. 12 a zu § 74). Gilt das auch für die Zeit nach Ablauf der fünfjährigen Amtszeit? Die Rechtsprechung hat aus Billigkeitsgründen diese Frage für enteignete Ostgesellschaften bejaht; s. K G in W M 1 9 5 1 , 8 8 1 ; O L G Bamberg in D N o t Z 50, 4 5 7 ; O L G Frakfurt i n N J W 54, 644 m. w. N. Für eine Ubergangszeit nach dem Zusammenbruch 1945 war diese Rechtsprechung sicher vertretbar; es ging nicht an, aus formellen Gründen den ohnehin schon stark betroffenen Ostgesellschaften in der Bemühung um einen Neuanfang oder wenigstens eine sachgemäße Wahrung der ihnen verbliebenen, oft nur bescheidenen Werte unüberwindbare Hindernisse in den Weg zu legen. Auch galt es, die Interessen der Gläubiger der Ostgesellschaften zu schützen, vgl. auch W. Schmidt, J R 49, 554. Diese ausnahmsweise gerechtfertigte Außerachtlassung der zwingenden Vorschrift des § 75 Abs. 1 Satz 1 muß aber auf Tatbestände, wie die erwähnten, beschränkt bleiben.

Anm. 14 V . 1. Der A u f s i c h t s r a t kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen (Abs. 3 S. 1). Dies gilt auch f ü r

den vom ersten Aufsichtsrat bestelltenVorstand (Abs. 3 S . 3 ) . Die Satzung kann das Recht zum Widerruf ebensowenig wie das Recht zur Bestellung des Vorstands einem andern Organ oder einem Unterorgan des Aufsichtsrats oder einem Dritten übertragen oder die Zustimmung der Hauptversammlung verlangen (vgl. Anm. 2). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der B G H im Falle der Funktionsunfähigkeit des Aufsichtsrats zugunsten des Alleinaktionärs angenommen (BB 1954, 456 = L M Nr. 8 zu § 75 AktG). Der Aufsichtsrat kann den Widerruf gemäß § 92 Abs. 4 einem Ausschuß übertragen. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Vorstandsmitglied; zu deren Abgabe kann der Aufsichtsrat seinen Vorsitzer oder eines seiner sonstigen Mitglieder ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigen (Anm. 1 zu § 9 7 ; R G in L Z 1920, 799 5 u. in H R R 1935 Nr. 1 4 7 7 ; vgl. R G 68, 381). Bei Übermittlung der durch den Aufsichtsrat beschlossenen Kündigung kann dieser sich des Vorstands als Boten bedienen ( B G H 12, 333fr.). Das Recht zum Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grunde kann w e d e r d u r c h d i e S a t z u n g n o c h d u r c h d e n A n s t e l l u n g s v e r t r a g a u s g e s c h l o s s e n o d e r b e s c h r ä n k t w e r d e n . Die Satzung kann dem Aufsichtsrat auch nicht ein von dem Vorliegen eines wichtigen Grundes unabhängiges f r e i e s 482

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 75

Anm. 14

W i d e r r u f s r e c h t einräumen, da dadurch die vom Gesetz gewollte Unabhängigkeit des Vorstandes vom Aufsichtsrat gefährdet werden würde. Sie kann auch nicht bindend vorschreiben, was als wichtiger Grund anzusehen ist, BGH 8, 3 6 1 ; K G J W 1939, 49a; Schlegelberger-Quassowski Anm. 9; Teichmann-Köhler Anm. 3 ; Baumbach-Hueck Anm. 5 C, gegen fr. Aufl. Als Beispiele eines w i c h t i g e n G r u n d e s nennt das Gesetz grobe Pflichtverletzung und Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung (Abs. 3 S. 2). Nach dem § 231 Abs. 3 H G B war jederzeit ein rein willkürlicher Widerruf zulässig; das Vorliegen eines wichtigen Grundes bildete nur die Voraussetzung für die Kündigung des Anstellungsvertrages, die mit der Aufhebung des Vertrages die Gesellschaft von der Pflicht zur Fortzahlung des Gehalts enthob. Ein Sachverhalt, der eine Kündigung des Anstellungsvertrages rechtfertigte, wird nach dem AktG auch einen wichtigen Grund zum Widerruf der Bestellung geben, soweit es sich nicht um eine Zuwiderhandlung gegen nach dem AktG. nicht bestehende Pflichten handelte, insbesondere um eine Weigerung, einer Weisung des Aufsichtsrats Folge zu leisten. Beispiele siehe unten Anm. 17. Zuweilen wird man aber auch das Vorliegen eines wichtigen Grundes für den Widerruf der Bestellung bejahen, für die Kündigung des Anstellungsvertrages aber verneinen müssen (a. A. v. Godin-Wilhelmi Anm. 7), so etwa, wenn sich aus Gründen, die dem Vorstand nicht zur Last gelegt werden können, ein weiteres Zusammenarbeiten mit den anderen Organen der A G als unmöglich erweist oder wenn die Hauptversammlung einem Vorstandsmitglied das V e r t r a u e n e n t z o g e n hat; BGH in N J W 54, 505 = BGH 12, 1 ff., dort aber insoweit nicht abgedruckt; BGH 13, i g 2 f f . ; 15, 71 ff.; ao, 246; BGH in W M 56, 1182. Die nach dem AktG erheblich gefestigte Machtstellung des Vorstands findet ihre gesellschaftsrechtliche Legitimation darin, daß sie vom Vertrauen der Hauptversammlung getragen wird (Baumbach-Hueck Anm. 5 C ; Kuhn W M 1955, 13f.). Ist diese Vertrauensgrundlage erschüttert und wird dem Vorstand das Vertrauen entzogen, so ist das stets ein wichtiger Grund zum Widerruf der Bestellung (so auch die amtliche Begründung), wobei es auf ein Verschulden des betroffenen Vorstandsmitglieds ebensowenig ankommt wie auf das Vorliegen anderer Gründe, als allein den Vertrauensentzug (BGH 13, 188 ff. insbesondere 192, 196). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann anzuerkennen, wenn der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung erkennbar aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen erfolgt oder nur als Vorwand für eine Abberufung dient, wenn er also willkürlich und rechtlich nicht vertretbar ist (so auch ausdrücklich der Ref.-Entw. § 79 Abs. 3), ferner wenn er gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben verstößt, BGH 13 a. a. O.; BGH in W M 1956, 1182 insbesondere 1184; teilweise abweichend Baumbach-Hueck Anm. 5 C. Ist einem Vorstandsmitglied das Vertrauen durch die Hauptversammlung entzogen, so muß der Aufsichtsrat die Bestellung widerrufen, sofern nicht das Mißtrauensvotum der Hauptversammlung offensichtlich ein Mißbrauch ist; er setzt sich andernfalls Schadensersatzansprüchen nach § 99 aus. Zwingen kann die Hauptversammlung den Aufsichtsrat aber nicht. Dieser entscheidet vielmehr auf Grund eigener Verantwortung (Baumbach-Hueck a. a. O.). Eine andere Frage ist, ob der Vertrauensentzug auch einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Dienstvertrages (§ 626 BGB) abgibt. Das braucht hier — wie grundsätzlich —- nicht der Fall zu sein. Vielmehr sind durchaus Gründe denkbar, die zwar den Vertrauensentzug und damit den Widerruf der Bestellung rechtfertigen — wie etwa sachlich-kritische Äußerungen eines Vorstandsmitglieds hinsichtlich der Eignung eines Mehrheitsaktionärs für ein Vorstandsamt (BGH 15, 71) —, nicht aber eine fristlose Entlassung, wo besonders bei verdienten und langjährigen Vorständen strengere Voraussetzungen zu fordern sind; s. auch BGH L M Nr. 5 zu § 75; BGH 20, 249; BGH in W M 56, 1 1 8 2 ; R G in J W 37, 2872. Besonders kritisch werden bei Konzernverhältnissen ein Vertrauensentzug der Hauptversammlung und eine ihm folgende Abberufung und Vertragskündigung zu beurteilen sein, wenn der Hauptversammlungsbeschluß und die folgenden Aufsichtsratsbeschlüsse von den gleichen Personen, nämlich den gesetzlichen Vertretern oder leitenden Angestellten der Konzernspitze herbeigeführt werden.

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§75

Anm. 15, 16

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Ob im Einzelfall ein wichtiger Grund zum Widerruf bzw. für eine fristlose Kündigung vorliegt, ist wesentlich Tatfrage ( R G J W 1930, 2701) und daher der Nachprüfung durch das Revisionsgericht insoweit entzogen; dieses prüft nur, ob die festgestellten Umstände geeignet sind, die getroffenen Maßnahmen zu begründen, nicht, ob sie auch im Einzelfall ausreichen (BGH in N J W 1954, 505f.; in W M 1956, 866; s. auch BayObLG in NJW 1955, 1678). Ein wichtiger Grund ist auch dann Voraussetzung des Widerrufs der Bestellung, wenn das Vorstandsmitglied u n e n t g e l t l i c h b e s t e l l t ist. §671 BGB beruht auf der Voraussetzung, daß ein Grund zur Aufrechterhaltung eines Auftrags gegen den Willen des Auftraggebers nicht besteht. Das AktG schließt aber den freien Widerruf aus, weil es eine Abhängigkeit des Vorstands vom Aufsichtsrat verhindern will. Auch wird ein unentgeltlich bestelltes Vorstandsmitglied in der Regel mittelbar, z. B. als Großaktionär, ein eigenes Interesse an der vorgesehenen Dauer seines Amts haben. Daher geht AktG § 75 Abs. 3 Satz 1 dem § 671 BGB vor. In dem Recht zum Widerruf der Bestellung ist auch das im Verhältnis dazu geringere Recht zur vorläufigen Enthebung von den Geschäften ( S u s p e n s i o n ) enthalten. Voraussetzung ist auch hier das Vorliegen eines wichtigen Grundes. In diesem Fall bleibt der Anstellungsvertrag unberührt; das Vorstandsmitglied muß auf Verlangen sein Amt wieder ausüben ( R G b. Bauer 22, 25 u. 50). Als ein im Vergleich zum Widerruf der Bestellung minderes Recht wird dem Aufsichtsrat auch das Recht zur E n t z i e h u n g d e r auf Grund der Satzung bestehenden A l l e i n v e r t r e t u n g s m a c h t zustehen (vgl. BayObLG in J W 1928, 666 1 ). Das Vorstandsmitglied wird in diesem Fall sein Amt niederlegen können; ob auch die Suspension einen wichtigen Grund zur Niederlegung seines Amtes bildet, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab.

Anm. 15 2. Der W i d e r r u f d e r B e s t e l l u n g gilt nach Abs. 3 S. 4 als w i r k s a m , solange nicht über seine Unwirksamkeit rechtskräftig entschieden ist; vgl. BGH vom 1 1 . 7. 53 in L M Nr. 5 zu § 75 AktG; BGH 20, 195. Dem Widerruf kann auch durch Abschluß eines außergerichtlichen Vergleichs endgültiger Bestand verliehen werden, BGH vom 13. 1. 58 in Betr. 58, 134 = W M 58, 166. Jeder Widerruf ist also o h n e N a c h p r ü f u n g s e i n e r R e c h t m ä ß i g k e i t in das H a n d e l s r e g i s t e r e i n z u t r a g e n . Das abberufene Vorstandsmitglied kann die A G auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung verklagen. In diesem Rechtsstreit wird die A G durch die andern Vorstandsmitglieder oder durch einen mangels solcher gemäß § 76 oder § 57 ZPO zu bestellenden Vertreter vertreten. Denn der Aufsichtsrat ist nur befugt, die A G bei Klagen gegen die Vorstandsmitglieder zu vertreten (§ 97), nicht auch umgekehrt bei Klagen der Vorstandsmitglieder gegen die A G (Anm. 8 zu § 97; R G in J W 1907, 5 1 6 1 9 ; BGH 13, 188; allg. Ansicht; abw. die Vorauf!.). Zur gerichtlichen Vertretung der A G ist der Aufsichtsrat nur in wenigen, besonders im Gesetz erwähnten Ausnahmefällen berufen (vgl. §§ 97, 199, 251, 202). Es erscheint richtig, daß aus diesen Vorschriften im Interesse der erforderlichen Eindeutigkeit der Vertretungsverhältnisse kein auch in entsprechender Interessenlage anwendbarer Grundsatz hergeleitet wird (s. im Einzelnen Anm. 8 zu §97). Wird die Unwirksamkeit des Widerrufs rechtskräftig festgestellt, so erwirbt das Vorstandsmitglied kraft Gesetzes wieder seine frühere Rechtsstellung und ist wieder ins Handelsregister einzutragen. Eine Rückwirkung tritt nicht ein. Das gleiche ist für die Entziehung der Alleinvertretungsbefugnis und die Suspension anzunehmen.

Anm. 16 3. Mit dem Widerruf der Bestellung wird der Aufsichtsrat meist zugleich die K ü n digung des A n s t e l l u n g s v e r t r a g e s aussprechen. Der Widerruf kann die Kündigung auch stillschweigend enthalten und wird im Zweifel so auszulegen sein (s. auch Baumbach-Hueck Anm. 6). Dennoch ist die Kündigung des Anstellungsvertrages von dem Widerruf der Bestellung begrifflich streng zu unterscheiden (s. auch Anm. 1). Der Widerruf betrifft die körperschaftliche Rechtsstellung des Vorstandsmitgliedes, die Kündigung die gegenseitigen vertraglichen Pflichten. Die Voraussetzungen des Widerrufs und der Kündigung sind nicht notwendig dieselben (BGH vom 30.4.56 I I Z R 106/55 — unver-

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt — Meyer-Landrut) § 75 A n m . 16 öffentlicht —; Schlegelberger-Quassowski Anm. 13; Baumbach-Hueck Anm. 6 A ; a. A. v. Godin-Wilhelmini Anm. 7, 11). Das gleiche wurde schon unter der Geltung des HGB von der herrschenden Lehre (s. R G in J W 1915, 653®; Staub HGB § 331 Anm. 19) angenommen. Die gegenteilige, namentlich von Brodmann HGB §231 Anm. 6 c und neuerdings von Schilling in Hachenburg Anm. 3 zu § 38 vertretene Ansicht, nach der der Widerruf der Bestellung die Auflösung des Dienstvertrages in sich schließt, ist unter dem AktG nicht haltbar. Der Widerruf ist nach Abs. 3 S. 4 ohne Rücksicht auf seine Berechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung, die nicht zurückwirkt (s. oben Anm. 15), wirksam. Das kann unmöglich für die Kündigung gelten. Ebenso kann unmöglich der Widerruf der Bestellung wegen eines Mißtrauensbeschlusses der Hauptversammlung dem Vorstandsmitglied seine Gehaltsansprüche für die vertragsmäßige Dauer nehmen. Die Frage war früher von weit geringerer praktischer Bedeutung, weil § 231 Abs. 3 HGB ausdrücklich den Anspruch auf die vertragsmäßige Vergütung vorbehielt. Nach AktG § 75 Abs. 3 S. 5 hingegen „gelten für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag die allgemeinen Bestimmungen". Hätte der Widerruf der Bestellung die Auflösung des Dienstverhältnisses zur Folge, so würde das Vorstandsmitglied gemäß § 628 BGB seine Gehaltsansprüche verlieren und nicht einmal einen Schadensersatzanspruch haben (so in der Tat — zum Teil widerspruchsvoll — von Godin-Wilhelmi Anm. 7, 1 1 ) . Das Vorstandsmitglied wäre also der Willkür der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats ausgeliefert. Mit Recht hat das R G unter der Geltung des alten HGB, das in Art. 225 Abs. 3 nur E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r ü c h e aus bestehenden Verträgen vorbehielt, und auch für den ebenso lautenden § 38 Abs. 1 GmbHG angenommen, daß der Widerruf der Bestellung nicht das Anstellungsverhältnis auflöst und daher nicht den Gehaltsanspruch ausschließt, sofern nicht die Voraussetzungen der Kündigung des Anstellungsvertrages aus wichtigem Grunde vorliegen (RG 7, 77; 22, 35; J W 1901, 542 16 ; J W 1915, Ö535 unter Aufhebung' des v. Godin-Wilhelmi Anm. 7 angeführten Urteils des O L G Hamburg in O L G R 32, 142). Der Dienstberechtigte kann zwar jederzeit, wenn nichts Gegenteiliges vereinbart ist, auf die Dienste des Dienstverpflichteten verzichten und das Gehalt weiter zahlen; daraus folgt jedoch nicht, wie Brodmann Anm. 6 c zu § 231 HGB meint, daß ein freies Widerrufsrecht selbstverständlich sei und daher § 231 Abs. 3 HGB bei Zugrundelegung der herrschenden Lehre überflüssig gewesen wäre. Denn es handelt sich hier nicht um das Rechtsverhältnis zwischen Dienstberechtigten und Dienstverpflichteten, sondern um das Verhältnis der verschiedenen Organe der A G zueinander. Es versteht sich keineswegs von selbst, daß der Aufsichtsrat jederzeit auf die Dienste des Vorstandes verzichten und ihn abberufen kann. Dies zeigt jetzt gerade das AktG, das den Widerruf der Bestellung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gestattet. Durch den Widerruf wird nicht die Leistung der versprochenen Dienste unmöglich, wie v. Godin-Wilhelmi Anm. 7, 11 meinen, sondern die A G gerät in Annahmeverzug. Das Vorstandsmitglied behält also für die Vertragsdauer den Gehaltsanspruch, muß sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was es dadurch erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (§615 BGB). Es braucht sich jedoch einen Verdienst nur insoweit anrechnen zu lassen, als er unter Benutzung der Arbeitskraft erfolgt ist, die es der Gesellschaft hätte zur Verfügung stellen müssen ( R G bei Bauer 1 1 , 2). Auch die Annahme von Schilling (in Hachenburg Anm. 3 zu § 38), daß bei Wegfall der Organstellung durch Widerruf der Bestellung ein Fortbestehen des Dienstvertrages sinnlos sei, trifft für das Aktienrecht nicht zu, da das Gesetz die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag auch bei Widerruf der Bestellung unberührt läßt und dem betroffenen Vorstandsmitglied damit bei fehlender Kündigung des Dienstvertrages nicht nur sein Gehaltsanspruch bleibt, sondern auch die Möglichkeit als Angestellter in den Diensten der Gesellschaft zu verbleiben. Für eine solche Lösung kann durchaus ein vernünftiges Interesse aller Beteiligten bestehen und sie wird daher in der Praxis, öfter als offenbar bekannt ist, gewählt. Auch sind von vornherein vertragliche Vereinbarungen dahingehend möglich, daß ein Vorstandsmitglied nach Ablauf oder Widerruf der Bestellung als (leitender) Angestellterinden Diensten der A G bleibt (s. Molitor, Die AktG 1957, 193fr. 197). § 75 steht dem nicht entgegen. Auch in BGH 9, 93 wird daraufhingewiesen, daß rechtlich die Möglichkeit bestehe, die Dauer von Bestellung und Anstellung ver-

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schieden zu regeln; unzulässig ist eine über die gesetzliche Höchstdauer für die Bestellung vereinbarte Anstellung nur dann, wenn diese a l l e i n die Stellung des Betreffenden als Vorstandsmitglied zur Voraussetzung und zum Inhalt hat (s. Anm. n ) . Nicht zuletzt werden auch erworbene Ruhegehaltsansprüche häufig das Vorstandsmitglied, dessen Bestellung widerrufen worden ist, zögern lassen, seinerseits den Dienstvertrag zu kündigen. Daß andererseits ein sachlich unberechtigter Widerruf der Bestellung ein Vorstandsmitglied berechtigt, seinerseits den Anstellungsvertrag fristlos zu kündigen, wird man wohl für den Regelfall annehmen müssen (dazu Anm. 19 unten), da hierin eine Mißtrauenskundgebung liegt, die sich ein Vorstandsmitglied nicht gefallen zu lassen braucht (Baumbach-Hueck Anm. 6 A). Ebenso braucht es sich nicht mit der Zuweisung einer anderen Tätigkeit als Angestellter der Gesellschaft abzufinden, wenn nicht entsprechende vertragliche Vereinbarungen vorliegen. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß durch das Fortbestehen des Gehaltsanspruchs die Ausübung des Widerrufsrechts erschwert wird. Aber dieser Beschränkung war auch das freie Widerrufsrecht des § 231 Abs. 3 HGB ausgesetzt; ein dringendes Bedürfnis an dem Ausschluß jeder mittelbaren Beschränkung des Widerrufsrechts liegt in dem Fall, daß die Voraussetzungen der Kündigung des Anstellungsvertrages aus wichtigem Grunde nicht gegeben sind, nicht vor. — Ist die Kündigung gemäß § 626 BGB wirksam, so fallen die Gehaltsansprüche des Vorstandsmitglieds für die Zukunft fort. Uber Ruhegehaltsansprüche s. Anm. 20. Auch das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde kann vertraglich weder ausgeschlossen noch beschränkt werden (BGH 8, 348 [361]; K G J W 1939, 492; R G 75> 2 34 auf S. 238; s. auch Baumbach-Hueck Anm. 6 B; v. Godin-Wilhelmi § 75 Anm. 7) Unzulässig ist insbesondere eine Beschränkung durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe (RG61, 328). A n m . 17 4. Die im Gesetz genannten Beispiele eines wichtigen G r u n d e s für den Widerruf der Bestellung, grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung, sind zugleich wichtige Kündigungsgründe. Weiterhin ist jeder Umstand ein wichtiger Grund zur Kündigung und damit auch zur Abberufung, angesichts dessen die Fortführung der Geschäfte durch das Vorstandsmitglied der AG nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (vgl. auch die Ausführungen bei Schilling in Hachenburg § 38 Anm. 11 bis 14). Insbesondere bilden einen wichtigen Grund alle Vorkommnisse innerhalb und außerhalb des Geschäftsbetriebes, die das Vertrauen zu dem Vorstandsmitglied zu erschüttern geeignet sind; z.B. Nichtdurchführung von bindenden Weisungen, soweit solche dem Vorstand nach Gesetz und Satzung erteilt werden können (s. Anm. 4 a zu § 74); Nichtdurchführung der vom Gesamtvorstand auf Grund von Mehrheitsbeschlüssen getroffenen Entscheidungen (s. Anm. 15 [4] zu § 70); Verletzung der Berichterstattungspflicht nach §81 (s. dort Anm. g); bewußt oder fahrlässig unrichtige Bilanzerstellung (vgl. BayObLG NJW 55, 1678); Verletzung des gesetzlichen und vertraglicher Konkurrenzverbote (Anm. 8 zu § 79; s. auch TeichmannKöhler §71 Anm. 5d); auch die heimliche Vorbereitung eines Konkurrenzgeschäfts (OLGR 27, 379); unter Umständen schon ein Verdacht, dem sich ein Vorstandsmitglied aussetzt (vgl. R G in J W 1930, 2701); Bestechlichkeit, insbesondere Annahme von Vergütungen seitens eines Vertragsgegners der Gesellschaft (OLG Hamburg in LZ 1919, 221); übermäßige Spekulationsgeschäfte, die das Vorstandsmitglied zur Erhebung des Spieleinwands zwingen (RG 53, 266); Teilnahme an Schiebereien und unsauberen Geschäften (BGH in WM 1956, 865); strafbare Handlungen und der Verdacht strafbarer Handlungen, soweit es sich nicht um geringfügige Übertretungen oder Ordnungswidrigkeiten handelt (vgl. BayObLG, NJW 55, 1678); Trunksucht (Bauer 20, 171); eine unter den Entnazifizierungsgesetzen die Weiterbeschäftigung hindernde Zugehörigkeit zur früheren NSDAP ist gleichfalls als wichtiger Kündigungsgrund angesehen worden (BGH 8, 363; 12, 339). Ein Verschulden des Vorstandsmitglieds braucht nicht immer vorzuliegen. Daher können auch Arbeitsunfähigkeit durch langandauernde Krankheit oder Unfall einen wichtigen Kündigungsgrund bilden (s. R O H G 19, 61). Als wichtigen Grund zum Widerruf der Bestellung führt die amtliche Begründung das 486

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 75 A n m . 18—20 Verlangen der Aufsichtsbehörde bei einem einer besonderen Aufsicht unterliegenden Unternehmen und die Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung an (dazu Anm. 14 oben). Ob diese Gründe zugleich eine Kündigung des Anstellungsvertrages rechtfertigen, hängt vom Einzelfall ab. Eine unberechtigte fristlose Kündigung des Dienstvertrages kann in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden; BGH 20, 239 (249). Hatte aber die AG nicht den Willen, das Dienstverhältnis auch für den Fall zu beenden, daß der Gekündigte seine Organstellung behält (bei Unwirksamkeit des Widerrufs der Bestellung also), so braucht das nicht zu gelten; BGH in WM 1956, 1182. Für den notwendigen Inhalt der Kündigungserklärung, für die Bedeutung zur Zeit der Kündigung unbekannter oder später eintretender Umstände, für die Zeit innerhalb deren der Aufsichtsrat von dem Kündigungsrecht Gebrauch machen muß, für die Zulässigkeit der Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt usw. gelten dieselben Grundsätze wie in den anderen Fällen, in denen ein Dienstverhältnis aus wichtigem Grunde gekündigt werden kann (s. darüber die Anmerkungen bei § 70 HGB und § 626 BGB). A n m . 18 5. Ist ein V o r s t a n d s m i t g l i e d unter den in Anm. 11 und 13 genannten Voraussetzungen auf unbestimmte Zeit bestellt, so ist die im Vertrag vorgesehene Kündigungsfrist maßgebend, mangels solcher kommen die Kündigungsfristen der §§ 621 ff. BGB zur Anwendung. Das Kündigungsschutzgesetz vom 9. Juli 1926 ist nicht anwendbar (BGH 12, 1 [5fr.] gegen R G in H R R 1935 Nr. 1475; R A G in J W 1930, 85 1 und die Vorauf!.), auch nicht, wenn auf Grund wiederholter Bestellung eine mehr als fünfjährige Amtszeit vorliegt. Ebenso entfallt nach § 12 a KündSchutzG v. 1 0 . 8 . 5 1 ein Schutz gegen sozial ungerechtfertigte Kündigung (s. Anm. 10 oben). Soweit eine Kündigung des Anstellungsvertrages wirksam ist, berechtigt sie zugleich zum Widerruf der Bestellung, der im Zweifel als stillschweigend zugleich mit der Kündigung ausgesprochen gelten muß (BGH in L M Nr. 5 zu § 75 AktG; s. auch Anm. 14 oben). A n m . 19 VI. Das Vorstandsmitglied kann sein A m t niederlegen, soweit es zur Kündigung des Dienstverhältnisses berechtigt ist (herrschende Lehre; K G in J W 1927, 1703 3 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 15; Baumbach-Hueck Anm. 6 C; a.A.v. Godin-Wilhelmi Anm. 9, nach denen das Vorstandsmitglied immer, außer zur Unzeit, sein Amt niederlegen kann). Zur K ü n d i g u n g des Anstellungsverhältnisses ist das Vorstandsmitglied bei U n entgeltlichkeit jederzeit berechtigt, wird aber schadensersatzpflichtig, wenn es ohne wichtigen Grund so kündigt, daß für die Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben nicht anderweit Fürsorge getroffen werden kann (§671 BGB). Bei E n t g e l t l i c h k e i t kann es nur aus wichtigem Grunde kündigen (§626 BGB). Nur wenn es keine festen Bezüge erhält, wie z.B. in dem Fall, daß seine Bezüge ausschließlich in einer nicht garantierten Tantieme bestehen, kann es jederzeit kündigen; für eine Kündigung zur Unzeit gilt dasselbe wie bei unentgeltlicher Anstellung (§ 627 BGB). Geben die anderen Organe der A G durch ihr schuldhaftes Verhalten dem Vorstandsmitglied Grund zur Kündigung, so haftet die AG nach § 628 Abs. 2 BGB für den dem Vorstandsmitglied durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schaden. Dieser wird in der Regel das Gehalt für die Dauer des Vertrages und ein etwaiges Ruhegehalt nicht übersteigen können. Die Niederlegung und Kündigung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem/Aufsichtsrat oder gegenüber einem anderen Vorstandsmitglied, da die Befugnis des Aufsichtsrats zur Vertretung der AG gegenüber einem Vorstandsmitglied keine ausschließliche ist (§ 97). Eine unberechtigte Niederlegung ist wirkungslos. Sie kann aber Anlaß zur Abberufung und Kündigung durch den Aufsichtsrat geben. A n m . 20 VII. Ansprüche des Vorstandsmitglieds Das Vorstandsmitglied hat Anspruch auf die ihm zugesagte V e r g ü t u n g . Dieser Anspruch verjährt in 4 Jahren (§ 197 BGB); zu Unrecht zweifelnd BGH vom 5. 3. 59 in WM 59, 502; s. Anm. 10. Uber die Zulässigkeit einer G e w i n n b e t e i l i g u n g und 487

§75 A n m . 20

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ihre Berechnung s. § 77. Über das R e c h t des A u f s i c h t s r a t s , bei einer wesentlichen Verschlechterung in den Verhältnissen der AG die Bezüge der V o r s t a n d s m i t glieder h e r a b z u s e t z e n , und das dem Vorstandsmitglied in diesem Falle zustehende Kündigungsrecht s. § 78 Abs. 2. Uber die Behandlung der Ansprüche der Vorstandsmitglieder im K o n k u r s der AG s. § 78 Abs. 3 und Anm. 14 zu § 78. Auf Grund des Vertrages kann das Vorstandsmitglied einen Anspruch auf Ruhegehalt haben. Ob ihm der Anspruch auch zusteht, wenn das Vertragsverhältnis vorzeitig gekündigt wird, hängt von den getroffenen Vereinbarungen ab. Im Zweifel wird das Vorstandsmitglied, wenn der Aufsichtsrat es aus wichtigem Grunde entläßt, trotzdem das Ruhegehalt beanspruchen können, wenn es kein Verschulden trifft. Eine Trennung desjenigen Teils des Ruhegehalts, der Nachzahlung für geleistete Arbeit ist, und desjenigen Teils, der Ausfluß der Fürsorge aus dem beiderseitigen Treueverhältnis von AG und Vorstandsmitglied ist, schlagen v. Godin-Wilhelmi Anm. 11 vor; der Teil, der als nachbezahlte Arbeit dargetan werden kann, soll dem Vorstandsmitglied in jeden Fall zustehen. Dies dürfte in der Regel weder dem Parteiwillen entsprechen noch durchführbar sein. Aus allgemeinen Fürsorgegesichtspunkten und aus Treu und Glauben kann ein Vorstandsmitglied Versorgungsansprüche nicht herleiten (BGH 16, 50). Maßgeblich sind allein die getroffenen Abreden, die die Voraussetzung des Ruhegehalts regeln, wie bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit (wegen Anrechnung einer Beratungstätigkeit auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit s. BGH vom 16. 9. 57 in BB 57, 1145 = WM 57, 1364), Erreichen der Altersgrenze oder Arbeitsunfähigkeit usw. Auch für den Fall der fristlosen Entlassung kann ein Ruhegehalt vereinbart werden (BGH 8, 365f.; 12, 342). Es steht auch nichts im Wege, die Versorgungsansprüche von Vorstandsmitgliedern beamtenrechtlich zu gestalten, vgl. dazu R G H R R 1932 Nr. 1327; BGH in BB 1954, 688 und in WM 1957, 1364. Derartige Vereinbarungen enthalten auch nicht eine nach § 3 WährG unzulässige Wertsicherung, BGH in WM a. a. O. Nur ist bei allen Ruhegehaltszusagen zu beachten, daß durch sie die nach § 75 Abs. 1 zu gewährleistende Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats nicht beschränkt wird (s. Anm. 11 oben), und daß sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen (§78 Abs. 1). Durch das Ruhegehaltsversprechen wird eine Anwartschaft begründet (BGH 8, 365), die bei vorzeitiger Beendigung der Anstellung untergeht, sofern die vereinbarten Voraussetzungen nicht eingetroffen sind oder die Gesellschaft aus Gründen, die das Vorstandsmitglied zu vertreten hat, gekündigt hat (BGH 8, 365f.). Eine Kündigung, die allein der Vereitelung der Pensionsrechte dient, z. B. kurz vor Erreichen der Altersgrenze, verstößt gegen Treu und Glauben, läßt also die Ruhegehaltsansprüche unberührt (BGH vom 30. 10. 51 — II Z R 76/51 — unveröffentlicht). Aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern der AG können Vorstandsmitglieder Versorgungsansprüche nicht herleiten (RG 169, 300; OLG Celle, BB 57, 332). Etwas anderes gilt nur, wenn sich in einem Unternehmen der Brauch herausgebildet hat, Vorstandsmitgliedern ohne ausdrückliche Pensionszusage unter bestimmten Voraussetzungen Ruhegehalt zu zahlen, R G 169, 303; BGH 16, 50 (52). Auch kann gegebenenfalls eine ergänzende Vertragsauslegung der Pensionszusage dazu führen, dem ausgeschiedenen Vorstandsmitglied auch dann ein Ruhegehalt zuzusprechen, wenn ein den vertraglichen Voraussetzungen gleichwertiger, den Pensionsfall auslösender Umstand eingetreten ist (BGH 8, 367; 12, 342). Schließlich hat die Rechtsprechung auch aus Billigkeitsgründen in einzelnen Fällen bei unverschuldet aus dem Dienst ausgeschiedenen und um die Gesellschaft verdienten Vorständen Ruhegehaltsansprüche anerkannt, vgl. BGH 8, 368 m. w. N.; 12, 345; BGH vom 5 . 5 . 5 4 in Betr. 54, 496. Bemessen sich Ruhegehaltsansprüche nach der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, so kann eine Besserung der Verhältnisse auch zu einer Aufbesserung der Pensionsrechte führen (BGH 16, 53), während eine Herabsetzung von Ruhegehaltsansprüchen nach § 78 Abs. 2 grundsätzlich nicht möglich ist (s. Anm. 7 zu § 78), doch können nach Treu und Glauben unter Umständen auch vertraglich zugesicherte Versorgungsansprüche ganz entfallen oder herabgesetzt werden (dazu Anm. 7 a zu § 78). 488

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 75 A n m . 21, 2 1 a Das Vorstandsmitglied hat ferner Anspruch auf Ersatz angemessener Auslagen (BGB § 669). G e l d s t r a f e n , zu denen das Vorstandsmitglied wegen bei seiner Geschäftsführung begangener strafbarer Handlungen verurteilt worden ist, gehören nicht zu den Auslagen. Ihr Ersatz durch die A G muß als unzulässig angesehen werden und kann strafbar sein. Dagegen erscheint es zulässig, daß die A G dem Vorstandsmitglied die Kosten der Verteidigung ersetzt, und es wird hiergegen in der Regel von Seiten der Aktionäre kein Einwand erhoben werden können, weil die A G selbst ein Interesse an einem günstigen Ausgang eines solchen Strafverfahrens gegen ihre Vorstandsmitglieder hat. Das Vorstandsmitglied hat ferner Anspruch auf den vertraglich vereinbarten, mangels einer solchen Vereinbarung auf den üblichen U r l a u b . Wann das Vorstandsmitglied seinen Urlaub nehmen kann, bestimmt der Aufsichtsrat als gesetzlicher Vertreter der A G gegenüber dem Vorstand nach billigem Ermessen ( R G b. Bauer 20, 170). Das Vorstandsmitglied kann ein schriftliches Zeugnis verlangen (BGB § 630). Es ist vom Vorstand auszustellen ( O L G R 27, 379; Brodmann H G B § 231 Anm. 7b). A n m . 21 2. Das Vorstandsmitglied hat die durch das Gesetz, die Satzung und den Anstellungsvertrag auferlegten Pflichten zu erfüllen. Uber seine S o r g f a l t s p f l i c h t und seine V e r a n t w o r t l i c h k e i t s. §84, über das W e t t b e w e r b s v e r b o t , dem es unterliegt, § 79. Für die Vorstandsmitglieder gilt auch der Grundsatz ( R G 99, 31), daß der Beauftragte heimliche Provisionen und S c h m i e r g e l d e r , die er von dem Geschäftsgegner des Auftraggebers erhält, gemäß § 667 BGB herauszugeben hat. Wenn er im Laufe eines Geschäftsjahres aus seinem Amte scheidet, ist er verpflichtet, R e c h n u n g z u l e g e n ( R O H G 24, 365). Die Auskunftspflicht besteht gleichfalls auch nach Beendigung des Amtes, § 666 BGB. Hinsichtlich der dem Geschäftsbetrieb der A G dienenden Gegenstände ist er nur Besitzdiener; ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm daher an ihnen nicht zu (Brodmann H G B § 231 Anm. 6k gegen K G in L Z 1910, 166 1 ). Anm. 21a 3. Aus der durch § 70 umschriebenen Stellung des Vorstands leitet sich eine g e s e t z l i c h e Treupflicht (BGH 10, 187 [192]) des Vorstands gegenüber der A G ab; s. im einzelnen § 70 Anm. 11 a bis 12. (Das gilt in gewisser Hinsicht auch für pensionierte Vorstandsmitglieder, O G H Z b r Z 4, 227; BGH in L M Nr. 1 zu § 78 AktG.) Der Vorstand hat daher nicht bloß die Geschäfte der A G zu führen, sondern dabei auch das Wohl des Betriebes, der Arbeitnehmerschaft und der Aktionäre in besonderem Maße wahrzunehmen (Kuhn, W M 55, i2f.). Eine entsprechende Fürsorge- oder Treupflicht der A G gegenüber den Vorstandsmitgliedern kann jedoch nicht anerkannt werden (anders Baumbach-Hueck Anm. 3 B; für die G m b H Schilling in Hachenburg § 35 Anm. 44). Der Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder stellt sich als ein Dienstvertrag der selbständig Tätigen dar (BGH 10, 191; 12, 8f.), unterliegt also grundsätzlich den Regeln der §§ 3 2 3 f r . BGB (Anm. 10). Eigenverantwortlichkeit (§70 Abs. 1), fehlende Weisungsbefugnis des Aufsichtsrats (§ 95 Abs. 5), beschränkte Abberufungsmöglichkeit (§ 75 Abs. 3), Verfügungsbefugnis über das Vermögen der A G (§ 71), maßgebliche Einflußnahme auf die Gewinnverteilung (§ 125) und daher persönliche strafrechtliche (§§ 294fr.) und steuerrechtliche Verantwortlichkeit (§§ 103, 109 R A O ) und in der Regel Bezüge, die seine wirtschaftliche Unabhängigkeit gewährleisten, kennzeichnen die Stellung des Vorstands, die sich damit, trotz einer gewissen Abhängigkeit von Aufsichtsrat und Hauptversammlung (Einl. zu § 70) als eine durchaus „beherrschende" gegenüber der Gesellschaft ausweist und dem Vorstandsmitglied auch genügend Möglichkeiten gibt, seine persönlichen Interessen zu wahren, ohne daß man der Gesellschaft noch eine Treuverpflichtung gegenüber dem Vorstand aufzuerlegen braucht (zu weitgehend daher BGH 10, i92f.). Aus der Entscheidung BGH 15, 71 (77) läßt sich jedenfalls nicht die Anerkennung einer besonderen Treupflicht der A G gegenüber den Vorstandsmitgliedern herleiten, da der BGH hier ausdrücklich nur von einer „abgeschwächten" Treuverpflichtung der A G für die Zeit nach Beendigung der Vorstandstätigkeit spricht, die im Einzelfall gegeben sein mag.

489

§ 75 A n m . 22 I. Buch: Aktiengesellschaft § 76 A n m . 1 A n m . 22 VIII. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so kann der Aufsichtsrat ein Mitglied zum Vorsitzer des Vorstands ernennen. Dieser hat das Entscheidungsrecht gemäß § 70 Abs. 1 S. 2. Die Satzung kann zwar nicht diese Befugnis des Aufsichtsrats ausschließen, wohl aber gemäß § 70 Abs. 1 S. 2 das Entscheidungsrecht des Vorsitzers des Vorstands. Der Aufsichtsrat kann die Ernennung zum Vorsitzer nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes w i d e r r u f e n (§ 75 Abs. 3). Hinsichtlich der Übertragung der Ernennungs- und Widerrufsbefugnis auf andere Organe, insbesondere auf einen Ausschuß des Aufsichtsrats, sowie hinsichtlich der Voraussetzungen und der Wirksamkeit des Widerrufs der Ernennung zum Vorsitzer gilt das gleiche wie für die Bestellung und die Abberufung der Vorstandsmitglieder. § 7 6 Bestellung durch das Gericht Soweit die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Vorstandsmitglieder fehlen, kann sie in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Hebung des Mangels bestellen. Ubersicht I. II. III. IV. V.

Voraussetzungen Antrag und Verfahren . . Rechtsstellung des Bestellten Beendigung der Bestellung . Notabwickler

Anm.

,

I—2

.• 3—4 . 5 6 . 7

Das HGB enthielt keine entsprechende Bestimmung. Jedoch wurde § 29 BGB für anwendbar gehalten, der die gleiche Regelung für Vereine gibt. Der Ref.Entw. faßt auch diese Bestimmung, ohne daß dafür ein Bedürfnis anerkannt werden kann, neu und in dem durchgängig vorhandenen Bemühen, alle denkbaren Streitfragen auszuräumen dahingehend, daß die Ersatzbestellung bereits bei Fehlen e i n e s erforderlichen Vorstandsmitglieds zulässig ist, daß das Gericht (auf Antrag) tätig werden muß, daß die Bestellung nur bis zur tatsächlichen Behebung des Mangels erfolgt (so auch für das geltende Anm. 6 unten), und daß der Bestellte Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz hat (was auch heute selbstverständlich ist, s. Anm. 4). Anm. 1 I. 1. Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung ist das Fehlen der zur Vertretung der AG erforderlichen Vorstandsmitglieder. Die Vertretung kann für r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e H a n d l u n g e n oder in einem R e c h t s s t r e i t erforderlich werden; für einen bestimmten Prozeß kann aber auch das Prozeßgericht nach § 57 ZPO einen Vertreter bestellen. Die erforderlichen Vorstandsmitglieder f e h l e n , wenn überhaupt keine Vorstandsmitglieder vorhanden sind oder die vorhandenen die AG allgemein oder im gegebenen Falle n i c h t w i r k s a m v e r t r e t e n können. Ist z.B. nur ein Vorstandsmitglied vorhanden, obwohl die Satzung zwei zur gesetzlichen Vertretung erfordert, so brauchen die Erfordernisse des § 76 noch nicht gegeben zu sein, solange das Vorstandsmitglied mit einem Prokuristen gemeinschaftlich die AG vertreten kann; das gilt regelmäßig selbst dann, wenn Anmeldungen zum Handelsregister notwendig werden (§ 73 Anm. 4; § 35 Anm. 9). — Sowohl rechtliche wie tatsächliche Behinderung z. B. durch Abwesenheit oder Krankheit reicht aus. Das gleiche wird anzunehmen sein, wenn das vertretungsberechtigte Vorstandsmitglied sich weigert, sein Amt auszuüben, weil es sein Amt wirksam niedergelegt zu haben oder aus sonstigen Gründen nicht mehr Vorstandsmitglied zu sein glaubt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; a. A. v. GodinWilhelmi Anm. 1). Anders, wenn es sich eine bestimmte Handlung vorzunehmen weigert; hierin liegt eine Entscheidung über die Ausübung der Vertretungsmacht, die das

490

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 76 A n m . 2—6 Vorstandsmitglied auf seine Verantwortung zu treffen hat (§ 70 Anm. 18). — Zur Vornahme von Handlungen, die allein zur Geschäftsführung gehören, kann das Gericht nicht ein Vorstandsmitglied bestellen. Ebensowenig nur aus dem Grund, weil nicht so viel Vorstandsmitglieder vorhanden sind, wie die Satzung vorschreibt, wenn nur die zur Vertretung erforderliche Zahl vorhanden ist. Anm. 2 2. Die Bestellung erfolgt nur in dringenden Fällen. In erster Linie ist es Sache des Aufsichtsrats, für das Vorhandensein der zur Vertretung erforderlichen Vorstandsmitglieder zu sorgen. Nur wenn er dieser Pflicht nicht nachkommen kann oder will, liegt ein Grund zum Eingreifen des Gerichts vor. Weiter ist erforderlich, daß ein erheblicher Schaden der AG oder einem andern Beteiligten zu entstehen droht. Anm. 3 II. Die Bestellung erfolgt auf Antrag eines Beteiligten. Beteiligt sind Dritte, die mit der AG ein Rechtsgeschäft abschließen oder gegen sie eine Klage erheben wollen, ferner Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der AG. Aktionäre sind es nur unter besonderen Umständen (vgl. einerseits Schlegelberger-Quassowski Anm. 4, anderseits v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Niemand ist verpflichtet, die Bestellung anzunehmen (Baumbach-Hueck Anm. 4). Anm. 4 Zuständig ist das Amtsgericht des Sitzes der Gesellschaft (§ 14, § 145 Abs. 1 FGG). Das Gericht entscheidet nach pflichtmäßigem Ermessen, ob ein Bedürfnis zur Bestellung eines vorläufigen Vorstandsmitglieds vorliegt. Es kann den Aufsichtsrat, dem die Bestellung des Vorstands obüegt, hören (§146 Abs. 1 FGG). Das Gericht kann auch die V e r g ü t u n g für das von ihm bestellte Vorstandsmitglied bestimmen (v. GodinWilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 4; a. A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 5). Die Bestellung wird mit Zustellung des Beschlusses an den Antragsteller wirksam, § 16 FGG (so auch Baumbach-Hueck Anm. 3), mindestens jedoch, da das bestritten ist, bei gleichzeitiger Bekanntgabe an den Bestellten (BGH 6, 232 [235]). Eine Bekanntmachung an die Gesellschaft ist nicht erforderlich, auch nicht an etwa noch vorhandene weitere Vorstandsmitglieder (vgl. Staudinger-Going § 29 Anm. 12). Jedem Beeinträchtigten (§20 FGG) steht gegen die gerichtliche Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (§ 146 Abs. 2 FGG). Die Aufhebung des Beschlusses wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen berührt die Wirksamkeit der Handlungen des vom Gericht bestellten Vorstandsmitglieds nicht (§ 32 F G G ; vgl. R G 105, 401). Anm. 5 III. Der von dem Gericht Bestellte erlangt die nach außen unbeschränkbare Vertretungsmacht eines Vorstandsmitglieds. Ist er nur für einen bestimmten Zweck bestellt, so ist er der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, nur zu diesem Zweck von seiner Vertretungsmacht Gebrauch zu machen. In diesem Falle kann auch die Anmeldung zum Handelsregister unterbleiben (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6), die im übrigen aber gemäß § 73 zu erfolgen hat. Anm. 6 IV. Die Bestellung erfolgt nur bis zur Hebung des Mangels, d. h. bis ein vom Aufsichtsrat bestelltes, vertretungsberechtigtes und zur Vertretung der A G fähiges Vorstandsmitglied vorhanden ist. Wenn das Vorstandsmitglied nur zur Vornahme bestimmter Handlungen bestellt ist, endet sein Amt auch mit deren Ausführung. Einer Abberufung bedarf es weder bei Fortfall des Mangels noch nach Erledigung der dem Vorstandsmitglied übertragenen Aufgabe. Vorzeitig kann das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied nur vom Gericht, nicht auch vom Aufsichtsrat abberufen werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4; Teichmann-Köhler Anm. zu 76). Dritte sind bis zur Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister durch § 15 HGB geschützt. 32

Aktiengesetz, 2. Aufl.

49]

§ 76 Anm. 7

I . Buch: Aktiengesellschaft

§77 Anm. 7 V . Die Bestellung von N o t l i q u i d a t o r e n erfolgt in entsprechender Anwendung von § 76 (§ 205 Abs. 2 ) ; s. K G vom 16. 9. 5 7 in N J W 57, 1 7 2 2 .

§ 7 7

Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder (1) Den Vorstandsmitgliedern kann für ihre Tätigkeit eine Beteiligung a m Gewinn gewährt werden, die in der Regel in einem Anteil a m J a h r e s gewinn bestehen soll. (2) Wird den Vorstandsmitgliedern ein Anteil am Jahresgewinn gewährt,, so berechnet sich der Anteil nach dem Reingewinn, der sich nach Vornahme von Abschreibungen und Wertberichtigungen sowie nach Bildung von Rücklagen und Rückstellungen ergibt; abzusetzen ist ferner der Teil des Gewinns,, der durch die Auflösung von Rücklagen entstanden ist. Entgegenstehende Festsetzungen sind nichtig. Der Aufsichtsrat kann, wenn es die Billigkeit verlangt, für das einzelne Geschäftsjahr zulassen, daß der Teil des Gewinns, der zur Bildung freier Rücklagen verwandt werden soll, nicht abgesetzt wird. (3) Gewinnbeteiligungen sollen in einem angemessenen Verhältnis stehen zu den Aufwendungen zugunsten der Gefolgschaft oder von Einrichtungen,, die dem gemeinen Wohle dienen. Hierfür zu sorgen, ist Aufgabe des Aufsichtsrats. Die Einhaltung dieses Gebots kann die Staatsanwaltschaft i m Klagewege erzwingen; das Nähere bestimmt der Reichsminister der Justiz, er bestimmt namentlich die für die Entscheidung zuständige Stelle und regelt das Verfahren. Einleitung I. Rechtsgrundlage des A n spruchs auf Gewinnbeteiligung (Abs. 1) I I . Berechnung der Gewinnbeteiligung (Abs. 2) 1. Nichtigkeit entgegenstehender Festsetzungen. . 2. Begriff „Anteil am J a h resgewinn"

Ü b ersieht Anm. V . Auflösung von Rücklagen und stillen Reserven 1. Kein Tantiemeanspruch 2. Einschränkung der Befug1—3 nisse des Aufsichtsrats

492

14. 15.

V I . Gewinnbeteiligung von A n gestellten 1. Keine Anwendung von §77 2. Rechtslage nach A k t G

I I I . Einzelheiten der Berechnung 1. Reingewinn 2. Rücklagen und stille Reserven 3. Verteilter Reingewinn 4. Zuwendung für Sozialzwecke I V . Ausnahmen aus Billigkeitsgründen (Abs. 2, S. 3) 1. Geltung nur für freie Rücklagen 3. Neugebildete Rücklagen 3. Entscheidung des Aufsichtsrats 4. Rücklagenbildung durch die Hauptversammlung

Anm_

16. 17

I m Einzelnen: 3. bei fehlender Parteivereinbarung 4. Berechnung 5. insbes. hinsichtlich des Gewinnanteils der V o r standsmitglieder . . . . 6. vertragliche Gestaltung

10 11 12

13

V I I . Berechnungsformeln der Gewinnbeteiligung . . . . V I I I . Befugnisse der Hauptversammlung

18

20 21 2223.

I X . Rückgewähr zuviel gezahlter Gewinnbeteiligung 24—25,,

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 77 Einl., A n m . 1 Anm.

X . Angemessenheit der Gewinnbeteiligung und Spruchstellenverfahren (Abs. 3) 1. Einleitung 2. Geltungsbereich der Vorschrift

Anm.

3. Angemessenheit . . . . 4 . pflichten des Aufsichts26

5>

28

rats

2g

Spruchstellenverfahren nach der 1. D V O . . .

30

27

Einleitung Abs. 1 und Abs. 3 waren im Aktienrecht des H G B nicht enthalten. Abs. 2 betrifft die Berechnung des Anteils am Jahresgewinn, die in H G B § 237 geregelt war. Die Neuregelung weicht von der früheren erheblich ab. Im Reingewinn enthaltene aufgelöste Rücklagen, die früher tantiemepflichtig waren, sind es jetzt nicht mehr. Dafür hat der Aufsichtsrat die Befugnis erhalten, neugebildete Rücklagen für tantiemepflichtig zu erklären. Die Bestimmung des Abs. 2, die eine zwingende Regelung nur für den „Regelfall" vorsieht, wenn nämlich die Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder in einem Anteil am Jahresgewinn besteht, hat zu zahlreichen Auslegungsschwierigkeiten geführt. Bei einer Reform des Aktienrechts sollte sie daher klarer gefaßt oder gänzlich gestrichen werden; vgl. die Vorschläge H.-R.-Ausschusses des Dt. Anwaltsvereins; zur Kritik s. auch Langen BB 50, 923; 51, 689. Der Ref.Entw. §81 behält die Regelung des § 77 Abs. 1 bei, sieht jedoch eine abweichende Art der Berechnung vor: die Gewinnbeteiligung bestimmt sich nach dem „Jahresüberschuß" (§ 139 Abs. 2 Ref.Entw., der im wesentlichen dem „Reingewinn" im Sinne von § 131 Abs. 2 und 3 AktG zuzüglich offener Rücklagen entspricht), vermindert um den vorjährigen Gewinnvortrag und die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung in die offene Rücklage einzustellen sind. Für A b w i c k l e r kommt eine Gewinnbeteiligung nicht in Frage (§ 205 Anm. 5). Anm. 1 I. Rechtsgrundlage des Gewinnbeteiligungsanspruchs (Abs. 1) 1. Rechtsgrund des Anspruchs eines Vorstandsmitglieds auf Tantieme ist in der Regel der A n s t e l l u n g s v e r t r a g . Auch die S a t z u n g kann eine Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder vorsehen. Auch ohne eine solche Satzungsbestimmung kann der Aufsichtsrat in dem Anstellungsvertrage dem Vorstandsmitglied eine Gewinnbeteiligung zusagen. Es bedarf keiner Satzungsänderung oder eines mit der für Satzungsänderungen erforderlichen Mehrheit gefaßten Beschlusses der Hauptversammlung. Die abweichende Ansicht von Brodmann H G B § 237 Anm. i a , § 213 Anm. 6 b beruht auf der unzutreffenden Annahme, daß in der vertraglichen Zubilligung einer Tantieme eine Beschränkung des gesetzlichen Rechts der Aktionäre zur Verfügung über den Reingewinn liege. Nur die Bestimmung über den a u s g e w i e s e n e n Reingewinn will das Gesetz den Aktionären überlassen. Verträge, die einem Dritten einen Anteil an dem Reingewinn als Entgelt für seine Leistungen an die A G gewähren, mindern zwar — wie jede Verbindlichkeit — den auszuweisenden Reingewinn, beschränken aber nicht das Recht der Aktionäre zur Verfügung über den nach Bestreitung der Handlungsunkosten ausgewiesenen Reingewinn. Abgesehen von einer Satzungsänderung wird die H a u p t v e r s a m m l u n g selbst kaum in die Lage kommen, über den einem Vorstandsmitglied einzuräumenden Anspruch auf Tantieme zu beschließen, da die Festsetzung der Vergütung der Vorstandsmitglieder ausschließlich Sache des Aufsichtsrats ist (s. § 75 Abs. 1 S. 1, 4). Nur bei Gelegenheit der Beschlußfassung über die Gewinnbeteiligung hat die Hauptversammlung die Möglichkeit, die freiwillige Gewährung einer Tantieme für das abgelaufene Geschäftsjahr zu beschließen. Uber die Frage, ob in diesem Fall § 77 anwendbar ist, s. Anm. 25. Wenn die Gewinnbeteiligung des Vorstands auf der Satzung beruht und diese nichts über d i e V e r t e i l u n g d e r T a n t i e m e u n t e r d i e e i n z e l n e n V o r s t a n d s m i t g l i e d e r sagt, wird die Tantieme unter den Vorstandsmitgliedern nach Köpfen geteilt und steht 32«

493

§77

Anm. 2—5

I. Buch: Aktiengesellschaft

jedem für seinen Anteil ein selbständiger Anspruch zu (§ 420 B G B , vgl. O L G R 24, 1 4 1 ) . Über eine verschiedene Bemessung der Tantieme der einzelnen Vorstandsmitglieder vgl. aber Anm. 12 und 2 1 .

Anm. 2 2. § 77 gilt nur für die Tantieme von Vorstandsmitgliedern. Uber die Tantieme a n d e r e r A n g e s t e l l t e r der A G und D r i t t e r s. Anm. 1 6 — 1 9 , über die Tantieme des A u f s i c h t s r a t s §98. Die im Zusammenhang mit der Währungsreform im J a h r e 1948 aufgetretenen umstellungsrechtlichen Probleme bedürfen keiner Erörterung mehr; es sei verwiesen auf die Zusammenstellung bei Patschke BB 1949, 721 f.

Anm. 3 3. Während für die Bezüge der Vorstandsmitglieder im allgemeinen der Grundsatz der V e r t r a g s f r e i h e i t gilt, soll nach Abs. 1 d i e G e w i n n b e t e i l i g u n g i n d e r R e g e l

in einem Anteil a m Jahresgewinn bestehen, für dessen Berechnung Abs. 2 zwin-

gende Vorschriften enthält. Eine Beteiligung des Vorstandmitglieds an dem Gewinn eines einzelnen Geschäftszweigs ist hiernach nur in besonderen begründeten Fällen zulässig. Das gleiche gilt nach der amtlichen Begründung auch für G e w i n n a n t e i l e , d i e s i c h n a c h d e r H ö h e d e s U m s a t z e s r i c h t e n . Eine Umsatzbeteiligung ist zwar keine Gewinnbeteiligung im strengen Sinne des Wortes. J e d o c h braucht daraus nicht die Folgerung gezogen zu werden, daß die Absicht des Gesetzgebers im Gesetz keinen Ausdruck gefunden habe (so v. Godin-Wilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 2). Der Begriff der Beteiligung am Gewinn kann dem Zweck der Bestimmung gemäß auch in einem weiteren, wirtschaftlichen Sinn verstanden werden, in dem er auch die U m satzbeteiligung einschließt (ähnlich auch Teichmann-Köhler Anm. 2). Die Frage hat kaum praktische Bedeutung, da Abs. 1 nur eine Sollvorschrift ist. Abweichungen von dieser Regel führen n i c h t zur N i c h t i g k e i t der Abrede, können aber die Haftung eines pflichtwidrig handelnden Aufsichtsrats, der insbesondere auch die Vorschrift des § 78 Abs. 1 bei der Bemessung der Gesamtbezüge außer acht läßt, begründen (AdlerDüring-Schmaltz § 126 Anm. 28). Nichtigkeit ist gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 138 B G B vorliegen.

Anm. 4 II. Die Berechnung der Gewinnbeteiligung (Abs. 2). 1. D i e A r t d e r B e r e c h n u n g d e s nach Abs. 1 den Regelfall einer Gewinnbeteiligung

des Vorstands bildenden Anteils a m Jahresgewinn regelt Abs. 2. Entgegen-

s t e h e n d e F e s t s e t z u n g e n s i n d nach der ausdrücklichen Bestimmung des Satzes 2 n i c h t i g . Das gilt auch für Vereinbarungen, die in Umgehungsabsicht geschlossen sind ( R G D R 1944, 488). Das Gesetz gibt nicht nur eine Bestimmung über die zulässigen Vereinbarungen, sondern sagt, wie ohne Rücksicht auf besondere Abreden die Tantieme zu berechnen ist. Es ist daher anzunehmen, daß bei abweichender Vereinbarung die gesetzlich vorgeschriebene Berechnungsart gilt und der Vertrag wirksam ist. F ü r eine Anwendung des § 139 B G B ist hier kein R a u m (wie hier Baumbach-Hueck — gegen frühere Aufl. •—; a. A . v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2 1 ) . Die Bestimmung ist eine Schutzbestimmung zugunsten der A G . Eine für die Vorstandsmitglieder ungünstigere Berechnungsart steht daher mit dem Gesetz nicht in Widerspruch und kann vereinbart werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6 ; TeichmannKöhler Anm. 3 c).

Anm. 5 2. Der Begriff" des Anteils a m J a h r e s g e w i n n , der die Voraussetzung für die ge-

setzliche Geltung der in Abs. 2 vorgeschriebenen Berechnungsweise bildet, ist weiter als der des Reingewinns, den das Gesetz der Berechnung zugrunde legt. Anteil am Jahresgewinn ist daher auch der Anteil am Bruttogewinn, Jahresüberschuß usw. Auch wenn eine Umsatzvergütung oder ein fester Betrag mit der Maßgabe zugesagt ist, daß höchstens ein bestimmter Prozentsatz vom Gewinn gezahlt werden soll, ist letzterer nach Abs. 2 zu berechnen; wie hier Baumbach-Hueck Anm. 3 A ; a . A . Ritter A n m . 3 f .

494

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 77 Anm. 6, 7 Das gleiche gilt, wenn einem Vorstandsmitglied ein einem bestimmten Teil der verteilten Dividende entsprechender Betrag zugesichert ist. Auch hier ist bei der Berechnung des dem Vorstandsmitglied zustehenden Prozentsatzes derjenige Teil der ausgeschütteten Dividende, der etwa aus aufgelösten Rücklagen herrührt, gemäß Abs. 2 auszuschalten. Nur insoweit ist die Vereinbarung als gültig anzusehen (s. Möhring-Schwartz, Satzungsgestaltung nach neuem Aktienrecht, S. 56/57; vgl. oben Anm. 4). Hingegen gilt Abs. 2 nicht für die nicht in einem Anteil am Jahresgewinn bestehende Tantieme, mithin nicht für die nach Abs. 1 ausnahmsweise zulässige Vereinbarung der Beteiligung am Umsatz, am Gewinn eines Geschäftszweigs oder am Ertrag einer Gewinngemeinschaft im Sinne des § 256 (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6). Ebensowenig gilt diese Bestimmung für die sog. g a r a n t i e r t e T a n t i e m e ; diese ist in Wirklichkeit eine feste Vergütung und als solche zu behandeln (h. A.). Anm. 6 III. Einzelheiten der Berechnung. 1. Für die Berechnung der Tantieme ist der Reingewinn maßgebend, der sich nach Vornahme von Abschreibungen und Wertberichtigungen, sowie nach Bildung von Rücklagen und Rückstellungen ergibt (Abs. 2 S. 1). Den Begriff des R e i n g e w i n n s definiert das Gesetz in § 131 Abs. 3 als Uberschuß der Aktivposten über die Passivposten. Sämtliche andern auf der Passivseite der Jahresbilanz stehenden Posten sind also tantiemefrei. Das gilt auch für die Zuweisung von Tilgungsraten auf ein Kapitalentwertungskonto nach § 37 DMBilG (Göller, BB 51, 972; a.A. Langen BB 50, 923). Gilt das aber auch von denjenigen Rücklagen, die durch NichtVerteilung des in der Bilanz ausgewiesenen Reingewinns geschaffen werden und die gemäß § 126 Abs. 3 Satz 2 in die Bilanz nachträglich einzusetzen sind? Die Frage ist zu verneinen. Für die Berechnung der Tantieme ist die Feststellung des Jahresabschlusses und des in ihm ausgewiesenen Reingewinns maßgebend, nicht dagegen der Gewinnverteilungsbeschluß der Hauptversammlung (s. Anm. 13 u. § 126 Anm. 3); wie hier Adler-DüringSchmalz, § 126 Anm. 8; a.A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; Baumbach-Hueck, Anm. 3B; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4; Teichmann-Köhler Anm. 3b. Die Entscheidung R G 83, 319 ist durch die Neuregelung des Aktiengesetzes mit seiner scharfen T r e n n u n g von Feststellung und V e r t e i l u n g des R e i n g e w i n n s überholt. Zulässig ist es aber, daß die Satzung oder der Anstellungsvertrag die Berechnung der Tantieme nicht von dem im Jahresabschluß festgestellten Reingewinn, sondern von dem Gewinnverteilungsbeschluß der Hauptversammlung abhängig macht. Uber die Auswirkung der Lastenausgleichsabgaben und steuerlicher Sonderbestimmungen (insbes. die sog. 7 erGruppe) auf die Tantiemeberechnung s. Adler-Düring-Schmaltz § 126 Anm. 49, 50. Uber den Begriff der A b s c h r e i b u n g , W e r t b e r i c h t i g u n g , R ü c k l a g e und R ü c k s t e l l u n g s. Anm. zu §§ 131 u. 133. Anm. 7 2. Der Begriff der Rücklage schließt nicht das Erfordernis einer bestimmten oder einer längeren D a u e r des Verbleibens der zurückgelegten Beträge im Vermögen der AG in sich (vgl. Anm. 9). R ü c k l a g e ist also alles, was zur V e r f ü g u n g der A G bleibt und nicht zur G e w i n n v e r t e i l u n g bestimmt ist. Tantiemepflichtig ist nur der zur Verteilung bestimmte Reingewinn. Diese Auslegung steht im Gegensatz zu der reichsgerichtlichen Rechtsprechung, die als tantiemepflichtig nur den zur Verteilung gelangenden Reingewinn ansieht, weil sie als Merkmal der Rücklage das alleinige Erfordernis aufstellt, daß der betreffende Teil des Reingewinns zurückgehalten wird. Die Unterscheidung ist von praktischer Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob der Gewinnvortrag tantiemefrei oder tantiemepflichtig ist. „ D e r G e w i n n v o r t r a g e r f ü l l t nicht die Z w e c k e der R ü c k l a g e , sondern ist nichts anderes als ein nicht ausgeschütteter Gewinnrest, der z w a n g s l ä u f i g bereits im nächsten J a h r mit dem neuen J a h r e s g e w i n n bzw. -Verlust verrechnet werden muß" (Adler-Düring-Schmaltz § 126 Anm. 36). Der Gewinnvortrag wird zwar zurückgehalten, bleibt aber zur Gewinnverteilung bestimmt. Deshalb ist er nicht Rücklage und nicht tantiemefrei (Schmidt Umgestaltung Anm. 21; Trumpler S. 2i7f.; Adler495

§77

Anm. 8, 9

I. Buch: Aktiengesellschaft

Düring-Schmaltz a. a. O . ; Gutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer in „ D e r Wirtschaftstreuhänder" 1938, 5fr., s. auch § 130 Anm. 4 c und § 126 Anm. 3 sowie § 131 Anm. 5 B II 2; a . M . amtl. Begr.; SchlegelbergerQuassowski Anm. 10; v. GodinWilhelmi Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 3 A ; Göller BB 51, 972; Steinbrücke BB 54, 1092; Teichmann-Köhler Anm. 3 b ; R G 91, 316 und R G S t . 68, 246). D e r n ä c h s t j ä h r i g e G e w i n n ist, soweit in ihm der Gewinnvortrag früherer Jahre enthalten ist, nicht tantiemepflichtig, weil von dem gleichen Gewinnbetrag nicht zweimal Tantieme gezahlt werden kann. Die gegenteilige Ansicht, die den Gewinnvortrag als Rücklage behandelt, führt zu dem Ergebnis, daß der Gewinnvortrag, auch wenn er im nächsten Jahre verteilt wird, wiederum tantiemefrei bleibt, weil es sich bei dieser Verteilung um die Auflösung einer Rücklage handele. Auch insoweit ist ein Gewinnvortrag tantiemefrei, als er aus der Auflösung freier Rücklagen stammt. Wird z. B. ein Gewinn nur dadurch ausgewiesen, daß Rücklagen aufgelöst werden, so ist derjenige Teil dieses Gewinns, der auf neue Rechnung vorgetragen wird, gemäß Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ebensowenig tantiemepflichtig wie der ausgeschüttete Reingewinn (Anm. 14). Der Fall ist selten praktisch, weil Rücklagen meist zur Gewinnverteilung, nicht zum Ausweis eines Gewinn Vortrages aufgelöst zu werden pflegen. Stille R e s e r v e n sind nicht tantiemepflichtig (RGSt. 68, 246); sie sind es schon deshalb nicht, weil sie in der Bilanz die echten Aktiven mindern oder die echten Passiven erhöhen und auf diese Weise den Reingewinn verringern. Auch in einen zwecks Einziehung von Aktien (§ 192) gebildeten A k t i e n a m o r t i s a t i o n s f o n d s gestellte Beträge sind tantiemefreie Rücklagen. Die unmittelbare Verwendung von Reingewinn zur Einziehung hingegen ist tantiemepflichtig. Sie schafft keine Rücklage, sondern führt zur Ausschüttung des Gewinns, wobei es gleichgültig ist, welchem Zweck die Ausschüttung dient (Dividende an die Aktionäre oder Gewinnauszahlung an den Aufsichtsrat oder Tilgung von Vorzugsaktien u. dgl.); vgl. Anm. 8.

Anm. 8 3. Der verteilte Reingewinn ist o h n e R ü c k s i c h t d a r a u f tantiemepflichtig, w e m d i e V e r t e i l u n g z u g u t e k o m m t . Außer den Aktionären kommen etwa Inhaber von Genußrechten, Versicherte bei Versicherungsgesellschaften in Betracht. Auch der Gewinnanteil der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ist bei der Berechnung der Tantieme nicht von dem Reingewinn abzuziehen ( R G 91, 316; R G in J W 1902, 255 22 ). Wegen der Tantieme anderer Angestellter der A G und Dritter s. Anm. 16—21.

Anm. 9 4. Sind auch Z u w e n d u n g e n z u U n t e r s t ü t z u n g s - und W o h l f a h r t s z w e c k e n tantiemepflichtig? Das Reichsgericht hat solche Zuwendungen nicht als Gewinnverteilungen, sondern als Rücklagen angesehen und sie daher für tantiemefrei erklärt ( R G 93) 313; ebenso Brodmann Anm. 4 a 3d und 4 g zu § 237 HGB). Diese Auffassung, die schon unter der Geltung des H G B schweren Bedenken unterlag (vgl. Staub § 237 Anm. 13, 17), ist mit dem Aktiengesetz nicht zu vereinen. Das R G a. a. O. begründet seine Auffassung zunächst mit dem verschiedenen Wortlaut des Gesetzes, das in der Bestimmung über die Berechnung des Reingewinns (HGB § 237) von Rücklagen, bei den Bestimmungen über die Jahresbilanz hingegen (§§ 261, 262 HGB) von Reservefonds sprach. Das Aktiengesetz dagegen spricht in § 77 wie in §§ 130, 131 in gleicher Weise von Rücklagen. Wenn das Reichsgericht weiterhin annimmt, daß der Begriff der Rücklagen nicht das Erfordernis einer längeren Dauer des Verbleibens der zurückgelegten Beträge im Vermögen der A G einschließt und eine Verwendung im unmittelbar folgenden Geschäftsjahr nicht hindert, die Beträge als Rücklagen anzusehen, so ist ihm zwar zuzustimmen (Anm. 7). Aber daraus folgt nicht, daß Zuweisungen von Mitteln aus dem Reingewinn zu Unterstützungs- und Wohlfahrtszwecken wegen ihrer Verwendung im laufenden Geschäftsjahr Rücklagen sind. Auch die Auszahlung des Reingewinns an die Aktionäre, gewinnbeteiligten Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder usw. erfolgt erst in dem laufenden Geschäftsjahr, ohne daß man j e auf den Gedanken

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 77

Anm. 9

gekommen wäre, es handele sich dabei um die Auszahlung einer aus dem Vorjahr für bestimmte Zwecke gebildeten Rücklage. Das Reichsgericht will das Unterscheidungsmerkmal für tantiemepflichtige Gewinnverteilungen und tantiemepflichtige Rücklagen darin finden, ob dem Empfangsberechtigten unmittelbar ein Anspruch auf die von der Hauptversammlung aus dem Reingewinn zugewiesenen Beträge zusteht; wenn ja, soll eine Gewinnverteilung vorliegen, wenn nicht, eine Rücklage zur Befriedigung von im laufenden Geschäftsjahr auftauchenden Bedürfnissen. Aus dieser Auffassung zieht das R G a. a. O. die Folgerung, daß selbst die beschlossene sofortige Uberweisung eines Teils des Reingewinns zu Unterstützungszwecken an eine von der A G verschiedene juristische Person keine Gewinnverteilung sei, da der Beschluß der Hauptversammlung eine innere Angelegenheit der AG sei und daher keinen Anspruch der juristischen Person auf den zugewiesenen Betrag erzeuge. Es ist aber schlechterdings nicht einzusehen, weshalb zum Begriff der Gewinnverteilung ein Anspruch des Empfängers gehören soll, so daß im rechtlichen Sinne gar keine Verteilung des Gewinns zu Unterstützungszwecken oder sonst freiwillig an Dritte möglich wäre und folgerichtig auch eine freiwillige Zuweisung eines bestimmten Betrages an ein Vorstandsmitglied als eine Rücklage zur Verwendung im laufenden Geschäftsjahr konstruiert werden müßte! Legt man die oben in Anm. 7 gefundene Begriffsbestimmung der Rücklage zugrunde, so findet man — wie für die Streitfrage über die Behandlung des Gewinnvortrages — auch hier eine klare Unterscheidung. Werden Gewinnbeträge zur alsbaldigen Verwendung für Unterstützungen u. dgl. bestimmt, so wird eine Rücklage nicht gebildet; deren Wesen besteht gerade darin, daß die Beträge nicht zur Verteilung im laufenden Geschäftsjahr bestimmt sein, sondern für später auftretende Bedürfnisse dieser Art aufgespart werden sollen. Also auch die entgegengesetzte Ansicht, daß j e d e Zuweisung zu Unterstützungs- und Wohlfahrtszwecken eine Gewinnverteilung und daher tantiemepflichtig sei, wäre nicht zutreffend. Rücklagen können auch für Wohlfahrtszwecke, nicht weniger als für Leistungen an die Aktionäre in schlechten Geschäftsjahren, geschaffen werden. Der natürliche Unterschied zwischen einer Rücklage und einem Gewinnverteilungsposten ist allein darin zu finden, ob eine Z u r ü c k h a l t u n g und Bereitstellung von M i t t e l n f ü r k ü n f t i g e Bedürfnisse oder ob bestimmte A u s g a b e n beschlossen werden. Ist also der Sinn der Zuweisung der, daß der Betrag alsbald ausgegeben werden soll, so liegt eine tantiemepflichtige Gewinnverteilung vor; sollen dagegen nur die für allgemeine oder besondere Wohlfahrtszwecke zur Verfügung stehenden Mitteln, von denen je nach den auftretenden Bedürfnissen Gebrauch gemacht wird, gestärkt werden, so ist eine tantiemefreie Rücklage gegeben (vgl. AdlerDüring-Schmaltz § 126 Anm. 40). Diese Unterscheidung wird meistens wenig Schwierigkeiten bereiten. In allen Fällen, in denen es Sache des Vorstands ist, den Betrag alsbald auszuzahlen, z. B. bei Zuweisungen an betriebliche Unterstützungskassen, an öffentliche Stiftungen oder sonst an juristische Personen oder unmittelbar an die zu unterstützenden Empfänger, ist die Tantiemepflicht zu bejahen. Eine Zuweisung an ständige Fonds der AG wird dagegen in der Regel als Rücklage aufzufassen sein. Zweifel können am ehesten dann bestehen, wenn die Zuweisung einfach zugunsten eines allgemein bestimmten Personenkreises erfolgt und der Vorstand nach seinem Ermessen die einzelnen Empfänger bestimmen soll. Im Zweifel wird hier anzunehmen sein, daß eine Verteilung vorliegt, wenn der Betrag im laufenden Geschäftsjahr ausgegeben werden soll (nicht: kann). Der Aufsichtsrat kann Zweifel dadurch beseitigen, daß er den Betrag für den Fall, daß er nicht schon tantiemepflichtig ist, für tantiemepflichtig erklärt. Das Ergebnis, daß von der Hauptversammlung beschlossene A u s g a b e n für Unterstützungs- und Wohlfahrtszwecke tantiemepflichtig sind, ist unbedenklich. Es ist durchaus angemessen, daß von den Aktionären in der Hauptversammlung beschlossene Ausgaben zu Unterstützungszwecken von den Aktionären oder der AG selbst getragen werden und nicht den vertraglichen Anspruch der Vorstandsmitglieder auf ihren Anteil am Reingewinn belasten. Das Gegenteil bedarf einer Grundlage in dem Rechtsakt, auf dem der Tantiemeanspruch des Vorstandsmitglieds beruht; eine solche Vereinbarung verstößt nicht gegen das Gesetz und ist wirksam (Anm. 4). 497

§77

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 10—12 Anm. 10 IV. Ausnahmen aus Billigkeitsgründen (Abs. 2 Satz 3). 1. Der Aufsichtsrat kann aus dem Gewinn des Jahres gebildete freie Rücklagen für tantiemepflichtig erklären, wenn es die Billigkeit verlangt (Abs. 2 S. 3). Damit gibt das Gesetz die Möglichkeit, dem Vorstand einen Anteil an dem durch seine Leistungen erzielten unverteilten Reingewinn zukommen zu lassen, an dessen späterer Verteilung er kraft Gesetzes nicht teilnehmen kann (Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2). Der Aufsichtsrat kann die Bestimmung nur besonders für das abgelaufene Geschäftsjahr auf Grund des Jahresabschlusses treffen. Er hat nach pflichtmäßigem Ermessen darüber zu entscheiden, ob die Billigkeit die Beteiligung des Vorstands an den neugebildeten Rücklagen verlangt und welche Rücklagen Berücksichtigung verdienen. So erwähnt die amtliche Begründung von ihrem — hier in Anm. 7 abgelehnten — Rechtsstandpunkt aus, daß die Gewährung einer Tantieme von dem Gewinnvortrag in der Regel billig sein werde. Unter dem „Gewinn" im Sinne des Satz 3 ist nicht der in der Bilanz ausgewiesene Reingewinn zu verstehen, sondern der Reingewinn vor Bildung der freien Rücklagen. Zu dem Gewinn gehören auch die erst von der Hauptversammlung aus dem Reingewinn gebildeten Rücklagen. Nur freie Rücklagen (§ 131 B I I 2) kann der Aufsichtsrat für tantiemepflichtig erklären. Zu den freien Rücklagen gehören in die g e s e t z l i c h e R ü c k l a g e gestellte Beträge auch insoweit n i c h t , als die Satzung das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß der Zuweisungen an die gesetzliche Rücklage erweitert. Dagegen ist freie Rücklage, was über die gesetzliche und satzungsmäßige Grenze hinaus in die gesetzliche Rücklage eingestellt wird (§ 130 Anm. 7). Freie Rücklagen im Sinne des Gesetzes sind nur offene, nicht stille Rücklagen (vgl. Posten B I I 2 der gesetzlichen Bilanzgliederung in § 1 3 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 18; Adler-Düring-Schmaltz § 126 Anm. 35).

Anm. 11 2. Zwecks Feststellung, ob freie Rücklagen neu gebildet sind, ist die Summe der freien Rücklagen (ohne Gewinnvortrag; siehe Anm. 7) zu vergleichen mit der Summe derselben Posten in der Bilanz des vorhergehenden Jahres. Eine besondere Behandlung erfordert hierbei der Gewinnvortrag. Weist z. B. die Bilanz vom Vorjahr keine freien Rücklagen, aber einen Gewinnvortrag a u f , die diesjährige Bilanz hingegen keinen Gewinnvortrag, aber freie Rücklagen in Höhe des Gewinnvortrages des Vorjahres, so ist zwar dadurch, daß der Gewinnvortrag seiner Zweckbestimmung, nämlich der Gewinnverteilung entzogen wird (Anm. 7), eine freie Rücklage neu gebildet; der Aufsichtsrat kann sie aber nicht für tantiemepflichtig erklären, weil von Beträgen, die bereits tantiemepflichtig waren, nicht zum zweitenmal Tantieme berechnet werden kann. Uber den umgekehrten Fall vgl. Anm. 7. Wie steht es, wenn die neue Bilanz dieselben freien Rücklagen, außerdem aber eine Erhöhung der gesetzlichen Rücklage aufweist? Läßt sich in diesem Fall sagen, daß die freie Rücklage des Vorjahres in eine gesetzliche Rücklage umgewandelt und eine neue freie Rücklage gebildet ist, die für tantiemepflichtig erklärt werden kann? Dies ist zu verneinen. In diesem Fall ist im abgelaufenen Geschäftsjahr nur der in die gesetzliche Rücklage gestellte Betrag verdient worden. Die freien Rücklagen sind unverändert geblieben, und die in die gesetzliche Rücklage gestellten Beträge kann der Aufsichtsrat nicht für tantiemepflichtig erklären (Anm. 10).

Anm. 12 3. Der Aufsichtsrat ist auch befugt, nur einen T e i l der Rücklagen für tantiemepflichtig zu erklären. Da seine Entscheidung wesentlich davon abhängt, wieviel die Tätigkeit des Vorstandsmitglieds zu der Erzielung des Gewinns beigetragen hat und dies bei den einzelnen Vorstandsmitgliedern in ganz verschiedenem Maße der Fall gewesen sein kann, braucht der Aufsichtsrat k e i n e g l e i c h m ä ß i g e E n t s c h e i d u n g für alle tantiemeberechtigten Vorstandsmitglieder zu treffen. Der Beschluß des Aufsichtsrats ist u n a n f e c h t b a r ; der Vorstand hat keinen klagbaren Anspruch auf einen von der Billigkeit geforderten Anteil an den neugebildeten freien Rücklagen. Eine Haftung des Aufsichtsrats wegen Ermessensmißbrauchs ist aber

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 77 A m n . 13, 14 für den umgekehrten Fall der Begründung einer Tantiemepflicht nicht ausgeschlossen. Ein solcher Mißbrauch kann etwa vorliegen, wenn der Aufsichtsrat unangemessen hohe Rücklagen, durch deren Bildung die Verteilung einer nach der gesamten Geschäftslage angemessenen Dividende verhindert wird, für tantiemepflichtig erklärt. A n m . 13 4. Kann die H a u p t v e r s a m m l u n g die vom Aufsichtsrat zugelassene Beteiligung des Vorstands an den neu gebildeten freien Rücklagen ausschließen? Hierfür ließe sich anführen, daß die Hauptversammlung nach § 126 Abs. 1, 3 über die Verteilung des Reingewinns, soweit sie nicht durch Ansprüche Dritter gebunden ist, frei beschließen kann und es sich hier um eine Verteilung handelt, auf die kein Anspruch besteht. Auch mit dem Wortlaut des Gesetzes („der Aufsichtsrat kann z u l a s s e n " ) ließe sich eine solche Auffassung sehr wohl in Einklang bringen. Dennoch scheint sie nicht zutreffend (s. auch Baumbach-Hueck Anm. 4A). Es wäre zu erwarten, daß der Gesetzgeber in § 77 zum Ausdruck gebracht hätte, daß er die letzte Entscheidung der Hauptversammlung zuweise, wenn er dies gewollt hätte. Die amtliche Begründung sagt, daß die Entscheidung des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung bei der Beschlußfassung über die Gewinnverteilung zu beachten sei. Es erscheint somit die Auslegung geboten, daß der Anspruch des Vorstandsmitglieds auf die Tantieme sich auf Grund des Beschlusses des Aufsichtsrats auf die darin zugelassene Gewinnbeteiligung an den freien Rücklagen erstreckt und als Anspruch eines Dritten der Verfügung der Hauptversammlung nicht unterliegt. Das muß auch für solche Rücklagen gelten, die die Hauptversammlung in Abweichung von dem Gewinnverteilungsvorschlag des Vorstands bildet (str., vgl. § 126 Anm. 3 und oben § 77 Anm. 6). A n m . 14 V. 1. Bei der Berechnung der Tantieme ist ferner von dem Reingewinn der T e i l a b z u s e t z e n , der d u r c h die A u f l ö s u n g von R ü c k l a g e n e n t s t a n d e n i s t (Abs. 2 S. 1 a.E.). Ein Gewinnvortrag aus früheren Jahren, der zur Verteilung gelangt, ist nicht aus der Auflösung einer Rücklage entstanden, trotzdem aber tantiemefrei, weil auf ihn bereits einmal Tantieme gezahlt ist (Anm. 7). Ein V e r l u s t v o r t r a g aus früheren Jahren mindert den bilanzmäßigen Reingewinn und so mittelbar den Gewinnanteil des Vorstands. Die A u f l ö s u n g stiller R e s e r v e n wird durch die Bestimmung des Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 nicht getroffen (a. M. Schlegelberger-Quassowski Anm. 10 u. 13). Soweit ein Gewinn aus der Auflösung stiller Reserven herrührt, ist er tantiemepflichtig; m. a. W. da ein Abzug vom Reingewinn für aufgelöste stille Reserven bei der Berechnung der Tantieme nicht zu machen ist, braucht nicht festgestellt zu werden, ob und inwieweit in dem Reingewinn aufgelöste stille Reserven enthalten sind. Eine solche Feststellung wäre z. B. für den Bilanzposten Vorräte völlig unmöglich (so mit Recht AdlerDüring-Schmaltz § 126 Anm. 38; v. Breska BankA 37. Jahrg. S. 3; Baumbach-Hueck Anm. 4 B — gegen fr. Aufl.). Stille Reserven fallen nicht unter den Rücklage-Begriff des Gesetzes; es handelt sich um „Bewertungsreserven", die in Abschreibungen, Wertberichtigungen oder Rückstellungen liegen. Adler-Düring-Schmaltz heben mit Recht hervor, man könne nicht unterstellen, daß das Gesetz, das im ersten Halbsatz des § 77 Abs. 2 neben den Rücklagen* ausdrücklich Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen abgesetzt sehen will, im zweiten Halbsatz die Auflösung auch der stillen Reserven, die in Abschreibungen und Wertberichtigungen liegen, habe treffen wollen, obwohl hier nur'die Rücklagen genannt sind (§ 126 Anm. 29). Im Gegensatz zu den aufgelösten Rücklagen schreibt das Gesetz für a u f g e l ö s t e R ü c k s t e l l u n g e n nicht die Tantiemefreiheit vor. Die verschiedene Behandlung beruht darauf, daß^Rückstellungen auf echte Passiven, nämlich auf ungewisse Schulden erfolgen. Erweisen sich diese als nicht bestehend, so liegt ein echter bilanzmäßiger Gewinn des Geschäftsjahres vor, und nicht die Auflösung zurückgelegter Gewinne vergangener Jahre. Bei der Feststellung, ob der Reingewinn durch Auflösung von Rücklagen entstanden ist, ist die Summe der freien Rücklagen der Summe der freien Rücklagen der vor-

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Anm. 15—17

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jährigen Bilanz — in beiden Fällen ohne Berücksichtigung des Gewinnvortrags (Anm. 7) und inzwischen aufgelöster stiller Reserven — gegenüberzustellen.

Anm. 15 2. Anders als für neugebildete Rücklagen s i e h t d a s G e s e t z e i n e B e f u g n i s des A u f s i c h t s r a t s , a u f g e l ö s t e R ü c k l a g e n f ü r t a n t i e m e p f l i c h t i g zu e r k l ä r e n , n i c h t vor. Trotzdem wollen v. Godin-Wilhelmi Anm. 8 unter der Voraussetzung, daß die Rücklage nicht schon bei ihrer Bildung für tantiemepflichtig erklärt wurde, eine solche Befugnis annehmen, wenn die frühere Rücklage durch die Tüchtigkeit desselben Vorstands ermöglicht wurde; denn es wäre nicht verständlich, daß der Aufsichtsrat die Tantieme bei der Bildung der Rücklage zugestehen dürfte, bei der Auflösung dagegen nicht. Das Gesetz geht jedoch bei seiner Regelung davon aus, daß der Vorstand nur an dem im selben J a h r erzielten Gewinn beteiligt wird. Ob die Billigkeit seine Beteiligung an dem zurückgelegten Gewinn verlangt, läßt sich sachgemäß von dem Aufsichtsrat nur beurteilen, wenn er den Verlauf des gesamten Geschäftsjahres vor Augen hat. Es wird meist schwer sein, sich noch ein genügend klares Bild von den früheren Jahren, in denen die aufgelösten Rücklagen verdient wurden, zu machen. Ferner ist daraus, daß der Aufsichtsrat die Rücklagen bei ihrer Bildung nicht für tantiemepflichtig erklärt hat, zu schließen, daß ihm damals eine Teilnahme des Vorstands an dem in diesen Rücklagen enthaltenen Gewinn nicht als billig erschien. Es entspricht nicht dem Sinne der Vorschrift, die Beteiligung des Vorstands an dem Gewinn des Jahres irgendwie vom Verlauf späterer Geschäftsjahre abhängig zu machen. Eine Befugnis des Aufsichtsrats, aufgelöste Rücklagen für tantiemepflichtig zu erklären, ist daher zu verneinen, wofür ohnehin das Schweigen des Gesetzes spricht. Höchstens für Rücklagen aus der Zeit vor der Geltung des Aktiengesetzes, in der der Aufsichtsrat keine Befugnis hatte, die Rücklagen bei ihrer Bildung für tantiemepflichtig zu erklären, ließ sich die von v. Godin-Wilhelmi vertretene entsprechende Anwendung des Abs. 2 S. 3 in Betracht ziehen. Jedoch ist dabei nicht außer acht zu lassen, daß in früherer Zeit der Vorstand insofern günstiger gestellt war, als damals aufgelöste Rücklagen noch tantiemepflichtig waren. Es dürfte auch in dieser Hinsicht eher anzunehmen sein, daß der Vorstand die vorübergehenden Nachteile, die sich für ihn aus dem Ubergang vom alten zum neuen Recht ergeben, tragen muß.

Anm. 16 VI. Die Gewinnbeteiligung von Angestellten 1. § 77 gilt nur für Vorstandsmitglieder. Auf die Gewinnbeteiligung anderer Angestellter findet die Bestimmung keine Anwendung, sondern es gilt für sie der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der Gewinnanteil braucht nicht in der Regel in einem Anteil am Jahresgewinn zu bestehen. Eine Beteiligung an dem Gewinn eines einzelnen Geschäftszweiges oder am Umsatz ist durchaus zulässig. Wenn die Tantieme eines Angestellten in einem Anteil am Jahresgewinn besteht, braucht die Berechnung nicht in der in § 77 Abs. 2 für Vorstandsmitglieder vorgeschriebenen Weise zu erfolgen. Die Parteien können in dem Vertrag die Berechnungsart frei vereinbaren. Es ergeben sich jedoch zwei eng miteinander zusammenhängende Fragen: 1. Ist die Tantieme der Angestellten, wenn ihnen ein Anteil am Jahresgewinn zugesagt ist, im Zweifel ebenso zu berechnen wie die Tantieme des Vorstands? 2. Ist von dem Reingewinn bei der Berechnung der Tantieme der Angestellten und bei der Berechnung der Tantieme der Vorstandsmitglieder die Tantieme der Angestellten selbst vom Reingewinn abzusetzen?

Anm. 17 2. Unter der Geltung des H G B wurde die Tantieme der Angestellten nach der herrschenden Lehre im Zweifel in genau der gleichen Weise behandelt wie die Tantieme der Vorstandsmitglieder (s. namentlich R G 91, 313). Sie wurde also von dem Reingewinn nach Vornahme sämtlicher Abschreibungen und Rücklagen berechnet und selbst ebensowenig wie die Tantieme der Vorstandsmitglieder (vgl. Anm. 8) von dem Reingewinn abgesetzt, und zwar in gleicher Weise bei ihrer eigenen Berechnung wie

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Anm. 18

bei der Berechnung der Tantieme der Vorstandsmitglieder (gegen die herrschende Lehre Brodmann H G B § 237 Anm. 1 b, 3, 4 a Z. 2). Auch unter der Geltung des Aktiengesetzes scheint dies meistens angenommen zu werden, mindestens in dem Sinne, daß die Angestellten im Zweifel nicht besser gestellt sein sollen als Vorstandsmitglieder (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 1). Diese Auffassung hat den Vorzug der Einfachheit, aber ihre Durchführung stößt angesichts der Regelung des AktG hinsichtlich des Gewinnanteils an freien Rücklagen auf die größten Schwierigkeiten. Die Vorstandsmitglieder erhalten grundsätzlich von den freien Rücklagen keine Dividende, aber der Aufsichtsrat kann sie ihnen zubilligen. Wie läßt sich dies auf andere Angestellte übertragen? Nicht möglich scheint es jedenfalls, den Grundsatz der Tantiemefreiheit der freien Rücklagen ohne die Möglichkeit einer solchen Ausnahme, wie sie das Gesetz für die Tantieme der Vorstandsmitglieder vorsieht, anzuwenden. Denn die Annahme, daß ein Tantiemeberechtigter einen Anteil weder von den aufgelösten noch von den neugebildeten Rücklagen erhält, erscheint höchst unbillig und entspricht gewiß nicht dem vermutlichen Parteiwillen. Eine Befugnis des Aufsichtsrats, freie Rücklagen zugunsten von Angestellten der A G für tantiemepflichtig zu erklären, würde in Widerspruch zu seiner grundsätzlichen Stellung stehen; denn der Aufsichtsrat steht in unmittelbaren Beziehungen nur zu den anderen Organen der Gesellschaft, nicht zu den Angestellten. Auch wird der Aufsichtsrat, der j a nur den Vorstand, aber nicht die sonstigen Angestellten zu überwachen hat, kaum in der Lage sein, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die Leistungen des Angestellten derartige sind, daß die Billigkeit seine Beteiligung an den Rücklagen fordert. Sehr bedenklich scheint es auch, dem Vorstand für die Tantieme der Angestellten eine solche Befugnis zuzusprechen, wie sie dem Aufsichtsrat hinsichtlich der Tantieme der Vorstandsmitglieder zusteht. Die Stellung des Vorstands gegenüber den Angestellten ist eine ganz andere als die des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand. Der Aufsichtsrat ist gegenüber dem Vorstand Aufsichtsorgan, der Vorstand aber hat gegenüber dem Angestellten die Stellung des Prinzipals. Dem Vorstand die Befugnis zuzusprechen, über die Tantieme des Angestellten an den neugebildeten Rücklagen nach seinem Ermessen zu entscheiden, hieße die Gewinnbeteiligung des Angestellten an diesen Rücklagen in das Belieben der AG, also des Schuldners stellen. Ebenso scheint es auch nicht möglich, die Beteiligung des Angestellten an den freien Rücklagen davon abhängig zu machen, ob der Aufsichtsrat eine Beteiligung des Vorstandes an ihnen beschließt. Denn diese Entscheidung erfolgt nach individuellen Momenten, insbesondere im Hinblick auf die Leistung des Vorstands für das günstige Geschäftsergebnis; es kann also Anlaß vorliegen, einem Vorstandsmitglied die Beteiligung an den freien Rücklagen zu gewähren, dem Angestellten aber nicht, und umgekehrt. Die Entscheidung des Aufsichtsrats kann auch für verschiedene Mitglieder verschieden ausfallen, und es kann sein, daß überhaupt kein Vorstandsmitglied am Jahresgewinn beteiligt ist.

Anm. 18 3. Erscheint es sonach mangels einer von den Parteien getroffenen näheren Regelung nicht angängig, den Anspruch des Angestellten auf seinen Anteil an den freien Rücklagen von der Entscheidung eines Organs der A G abhängen zu lassen, so bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Angestellte hat einen Anspruch auf den Anteil an allen neugebildeten freien Rücklagen, also an allen Beträgen, die der Aufsichtsrat zugunsten des Vorstands für tantiemepflichtig erklären k a n n , oder er hat überhaupt keinen Anspruch an neugebildeten freien Rücklagen; in diesem Fall müßte ihm aber ein Anteil an den aufgelösten freien Rücklagen früherer Jahre zugebilligt werden. Die zweite Möglichkeit entspricht der Rechtslage vor Inkrafttreten des Aktiengesetzes. Den Vorzug verdient aber die erste. Ansicht. Sie nähert sich mehr als die zweite einer Beteiligung an dem wirklichen im Geschäftsjahr verdienten Gewinn, und die Berechnung der Tantieme der Angestellten lehnt sich so wenigstens an die Berechnung der Tantieme der Vorstandsmitglieder an, während bei einer Beteiligung an den aufgelösten, aber nicht an den neugebildeten Rücklagen die Berechnungsgrundlage eine völlig andere ist. Bei der hier vertretenen Auffassung ist die Berechnung der Tantieme der Vorstandsmitglieder und der Angestellten ganz die gleiche, wenn der Aufsichtsrat von seiner

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§77 A n m . 19, 20

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Befugnis, die freien Rücklagen zugunsten der Vorstandsmitglieder für tantiemepflichtig zu erklären, in vollem Umfang Gebrauch macht. Daß der Angestellte bei dieser Auffassung an freien Rücklagen gewinnbeteiligt sein kann, an denen die Vorstandsmitglieder unbeteiligt bleiben, ist nicht ungerechtfertigt. Denn die Stellung des Vorstands ist der des Unternehmers in vieler Hinsicht angenähert; es ist daher wohl angemessen, daß seine Gewinnbeteiligung durch freie Rücklagen gemindert wird, während dem Angestellten viel weniger zuzumuten ist, auf seinen Gewinnanteil zu verzichten, weil die Gesellschaft von der Befugnis, Gewinn zu verteilen, nicht Gebrauch macht. Bei den zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes laufenden Verträgen war ebenfalls die Auslegung möglich, daß der Gewinnanteil in Anlehnung an die für Vorstandsmitglieder jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften zu berechnen ist. Es steht also nichts im Wege, daß der Gewinnanteil des Angestellten nach dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes nicht mehr von den aufgelösten Rücklagen, dafür aber von den neu gebildeten Rücklagen berechnet wird. A n m . 19 4. Bei der Berechnung der Tantieme der Angestellten ist diese Tantieme selbst nicht vom Reingewinn in Abzug zu bringen. Brodmann H G B § 237 Anm. 1 b nimmt das Gegenteil an, weil die Tantieme eine Erweiterung des Gehalts sei und zu den Geschäftsunkosten zähle. Aber dieses ließe sich auch für die Tantieme der Vorstandsmitglieder sagen, die auch Brodmann bei ihrer Berechnung nicht vom Reingewinn absetzt. Daß die Tantieme die rechtliche und wirtschaftliche Natur von Geschäftsunkosten hat, ist nicht für die Art der Berechnung entscheidend. Für diese kann es allein darauf ankommen, w o r a n der Angestellte beteiligt ist. Brodmanns Berechnung läuft nun darauf hinaus, daß der Angestellte nicht einen Anteil an dem ganzen für ihn und die übrigen Berechtigten zur Verfügung stehenden Reingewinne erhält, sondern nur einen Anteil an dem für die übrigen Berechtigten zur Verfügung stehenden Reingewinn. Wenn dem Angestellten z. B. eine Tantieme von einem Hundertstel des Reingewinns zugesagt ist, so erhält er bei Brodmanns Berechnung nicht ein Hundertstel, sondern nur ein Hunderteintel vom Reingewinn. Dies ist nicht der Sinn der Vereinbarung und keineswegs die Verkehrsauffassung, auf die Brodmann sich für seine Ansicht beruft. Noch weniger trifft Brodmanns Berechnung in dem Fall des von ihm angeführten partiarischen Darlehns oder einer sonstigen Kapitalbeteiligung mit Gewinnanteil zu. Der Geber eines partiarischen Darlehns muß zweifellos seinen Anteil von dem ganzen Gewinn bekommen, den die A G mit dem Darlehn und ihrem Vermögen erzielt, und nicht etwa nur einen Anteil, der nach dem Teil des Gewinns zu berechnen ist, der auf die A G allein entfällt. A n m . 20 5. Weit zweifelhafter erscheint, ob bei der Berechnung des Gewinnanteils der Vorstandsmitglieder der Gewinnanteil anderer am Jahresgewinn Beteiligter in Abzug zu bringen ist; aber auch dies ist grundsätzlich zu verneinen. Auch hier kann es nicht darauf ankommen, ob der Gewinnanteil der Angestellten zu den Geschäftsunkosten zu rechnen ist, ebensowenig darauf, ob der Gewinnanteil unter Geschäftsunkosten verbucht wird, was auch für die Tantieme von Vorstandsmitgliedern vielfach üblich ist (vgl. R G 91, 316), sondern allein darauf, ob der Gewinnanteil der Vorstandsmitglieder sinngemäß von demselben Betrag zu berechnen ist wie der Gewinnanteil der Angestellten. Eine Beteiligung am Reingewinn einer A G bedeutet nun nach der natürlichen Vorstellung eine Beteiligung an demjenigen Betrag, der unter die Aktionäre verteilt werden könnte, wenn niemand sonst am Reingewinn beteiligt wäre. Diese Vorstellung erscheint in gleicher Weise zutreffend für die Tantieme der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder wie die anderer Tantiemeberechtigter. Der Anteil aller Tantiemeberechtigten ist also grundsätzlich von demselben Betrag zu berechnen; der Anteil eines von ihnen wird mithin durch die Gewinnbeteiligung der andern nicht gemindert. Es dürfte auch schwerlich der Verkehrsauffassung entsprechen, daß ein Prokurist mit einer Tantieme von 1 % mehr erhält als ein Vorstandsmitglied mit einer Tantieme von 1 % .

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 77 A n m . 21—24 A n m . 21 6. Die vorstehenden Ausführungen über die Behandlung der Gewinnbeteiligung der Angestellten betreffen nur den Regelfall der Zusage einer Tantieme ohne Regelung ihrer Berechnung. Eine abweichende Vereinbarung ist zulässig; sie kann auch stillschweigend erfolgen. Dies gilt in gleicher Weise für die Berechnung der Tantieme der Angestellten selbst, wie für die Berechnung der Tantieme der Vorstandsmitglieder (hinsichtlich der Frage, ob bei ihrer Berechnung eine Tantieme anderer Angestellter vom Reingewinn abzusetzen ist). Die Vereinbarungen mit Angestellten berühren jedoch die Vereinbarungen mit den Vorstandsmitgliedern nicht und umgekehrt; es kann auch mit den verschiedenen Vorstandsmitgliedern und mit den verschiedenen Angestellten Verschiedenes vereinbart werden. Daraus, daß in dem Rechtsakt, auf dem der Tantiemeanspruch eines Vorstandsmitglieds beruht, bestimmt ist, daß die Tantieme von dem Reingewinn nach Abzug der Tantieme der übrigen Angestellten oder auch der Vorstandsmitglieder selbst zu berechnen ist, folgt also nicht, daß auch bei der Berechnung der Tantieme der Angestellten diese selbst von dem Reingewinn abzusetzen ist. Das Gleiche gilt im umgekehrten Fall. A n m . 22 V I I . Bei der B e r e c h n u n g der T a n t i e m e des V o r s t a n d s und der T a n t i e m e d e s A u f s i c h t s r a t s kann man nicht von der bereits feststehenden Jahresbilanz ausgehen, aus dieser die tantiemepflichtigen Posten entnehmen und danach die Tantieme berechnen. Denn die Möglichkeit, neue Rücklagen zu bilden, unter Umständen auch die Notwendigkeit der Auflösung alter Rücklagen oder wenigstens deren Umfang hängt von der Höhe der Tantieme ab. Die Betriebswirtschaftslehre hat eine Reihe von F o r m e l n für die Berechnung der Tantieme aufgestellt. Für das neue Aktienrecht siehe Ostersetzer in „Praktischer Betriebswirt" 1937 Juliheft; ferner Göller BB 1951, 690; s. auch Trumpler S. 2i8f. A n m . 23 V I I I . Die in Abs. 2 vorgeschriebene Berechnungsart gilt nur für den auf den Anstellungsvertrag oder auf der Satzung beruhenden Anspruch des Vorstandsmitglieds. Die H a u p t v e r s a m m l u n g i s t bei der freiwilligen Zuweisung eines Teils des Reingewinns an den Vorstand a n die in A b s . 2 v o r g e s c h r i e b e n e B e r e c h n u n g s w e i s e nicht gebunden (v. Godin-Wilhelmi Anm. g; Baumbach-Hueck Anm.4.C; TeichmannKöhler 3 c ; Brodmann HGB § 237 Anm. 2a, 4k). Die Hauptversammlung kann über den Reingewinn frei verfügen. Wenn sie einen bestimmten Betrag dem Vorstand zuweist, ist es unerheblich, auf welche Weise sie ihn errechnet hat. Sie kann daher die Berechnung des von ihr freiwillig dem Vorstand gewährten Betrages frei beschließen. Wenn die amtliche Begründung sagt, daß die Bestimmung im öffentlichen Interesse getroffen und ein abweichender Beschluß der Hauptversammlung nichtig sei, so kann sich dies nur auf Beschlüsse beziehen, die dem Vorstand für die Zukunft einen Gewinnanteil einräumen wollen, der a n d e r s , als das Gesetz es vorschreibt, zu berechnen wäre (s. v. Godin-Wilhelmi Anm. 9). Die Hauptversammlung kann dem Vorstand selbst dann einen Anteil an dem Reingewinn zuweisen, wenn der gesamte Reingewinn aus aufgelösten Rücklagen besteht. Denn es fehlt jeder vernünftige Grund dafür, warum die Hauptversammlung statt der Verteilung eines solchen Reingewinns unter die Aktionäre oder seiner Zuwendung an Dritte nicht auch die Zuwendung an den Vorstand sollte beschließen können. A n m . 24 I X . 1. Einen der V o r s c h r i f t d e s § 77 A b s . 2 zuwider gezahlten Gewinnanteil muß der Vorstand nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückerstatten (wie hier Baumbach-Hueck Anm. 3 C ; abw. v. Godin-Wilhelmi Anm. 10 und Schlegelberger-Quassowski Anm. 12, die einen gesetzlichen Anspruch annehmen, der nicht den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung unterliegt; ähnlich R G D R 1944, 488, das §84 Abs. 2 entsprechend anwendet). Wegfall der Bereicherung wird aber ein Vorstandsmitglied selten einwenden können. Kenntnis

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§77 Anm. 25—28

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der Gesetzwidrigkeit der Zahlung und somit des Mangels des rechtlichen Grundes schließt den Einwand aus § 818 Abs. 3, daß die Bereicherung fortgefallen sei, aus (§819 BGB). Fahrlässige Nichtkenntnis steht aber der Kenntnis nicht gleich (HRR 28, 1411). Dem Einwand, daß die AG bei der Zahlung den Mangel des rechtlichen Grundes gekannt habe, würde die Einrede der Kollusion entgegenstehen. Anm. 25 2. Auch die dem Vorstand gewährte Entlastung schließt die Rückforderung nicht aus. § 84 Abs. 4 S. 3 schließt einen Verzicht auf die Ersatzansprüche der AG gegen die Vorstandsmitglieder für die Dauer von fünf Jahren aus und läßt ihn auch später nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und nicht gegen einen Widerspruch von Aktionären, die über ein Fünftel des Grundkapitals verfügen, zu. Diese Bestimmung muß sinngemäß für den Rückforderungsanspruch der dem Gesetz zuwider gezahlten Tantieme gelten, mit dem in der Regel ein Schadensersatzanspruch der AG konkurrieren wird. Die Grundsätze der Rechtsprechung des R G über die Entlastung aus der Zeit vor dem Aktiengesetz sind durch § 84 Abs. 4 S. 3 überholt (a. M. v. Godin-Wilhelmi Anm. 10). Anm. 26 X. Angemessenheit der Gewinnbeteiligung und Spruchstellenverfahren 1. Abs. 3 schreibt vor, daß Gewinnbeteiligtingen in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufwendungen zugunsten der Gefolgschaft oder von Einrichtungen, die dem Gemeinwohl dienen, stehen sollen. Die Sorge hierfür legt das Gesetz dem Aufsichtsrat auf. Die Staatsanwaltschaft kann die Einhaltung dieses Gebotes im Klagewege erzwingen. Das Verfahren ist in der ersten Durchführungsverordnung vom 29. September 1937 (RGBl. I S. 1026) Art. I I I §§8—17 geregelt (s. auch die allgemeine Verfügung des Reichsjustizministers vom 3. 12. 37, DJ 1908). Anm. 27 2. Die Bestimmung will verhindern, daß die Vorstandsmitglieder große Einnahmen aus dem Gewinn der AG haben, während die AG der Arbeitnehmerschaft und der Allgemeinheit das günstige Geschäftsergebnis nicht in entsprechendem Maße zugute kommen läßt. Die Bestimmung bezieht sich auf den Vorstandsmitgliedern zukommende Gewinnbeteiligungen j e d e r A r t , nicht nur auf den Anteil am Jahresgewinn, der nach Abs. 12 die regelmäßige Form der Gewinnbeteiligung des Vorstands ist und für dessen Berechnung Abs. 2 gilt. Auch eine Beteiligung am Umsatz wird als Gewinnbeteiligung im Sinne des Abs. 3 anzusehen sein (vgl. Anm. 5). Dagegen wird die sog. garantierte Tantieme nicht von der Vorschrift betroffen (ebenso v. Godin-Wilhelmi, Nachtrag Anm. Seite 13 zu § 13 DVO); denn sie ist in Wahrheit keine Gewinnbeteiligung, sondern festes Gehalt. Ein solches aber unterliegt nur der in § 78 vorgesehenen Beschränkung. Unerheblich ist auch der Rechtsgrund der Gewinnbeteiligung; Ansprüche auf Grund des Anstellungsvertrages, in der Satzung und von der Hauptversammlung freiwillig aus dem Reingewinn bewirkte Zuweisungen an Vorstandsmitglieder unterliegen in gleicher Weise der Bestimmung des § 77 Abs. 3. Unter den A u f w e n d u n gen zugunsten der Arbeitnehmer sind gemäß dem Wortlaut und Sinn der Bestimmung nicht die das normale Entgelt für die geleistete Arbeit darstellenden Löhne, Gehälter und sozialen Abgaben zu verstehen, was die amtliche Begründung ausdrücklich hervorhebt, sondern nur soziale Aufwendungen anderer Art. Ob sie freiwillig oder auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung geleistet werden, ist unerheblich. Anm. 28 3. Die Angemessenheit der Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder im Verhältnis zu den sozialen Aufwendungen wird in erster Linie nach dem bei gleichartigen Unternehmungen Üblichen zu beurteilen sein. Daneben können auch die besonderen Verhältnisse der AG in Betracht gezogen werden. Bei einer im Verhältnis zu dem investierten Kapital kleinen Belegschaft kann eine verhältnismäßig höhere Vorstandstantieme angemessen sein als bei einem Unternehmen mit einer großen Zahl von An-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 77 A n m . 29, 3» gestellten und Arbeitern (vgl. Schlegelberger-Quassowski § 77 Anm. 21; v. Godin-Wilhelmi D V O § 8 Anm. 2). Auch das feste Gehalt, das die Vorstandsmitglieder neben ihrem Gewinnanteil beziehen, ist nicht außer Acht zu lassen. Auch die Berücksichtigung besonderer Leistungen der Vorstandsmitglieder erscheint durchaus angebracht; nicht nur im Verhältnis zu der Gesellschaft, wovon § 78 handelt, sondern auch im Verhältnis zu der Arbeitnehmerschaft erscheint es durchaus gerechtfertigt, hervorragende Leistungen der Vorstandsmitglieder, denen das allen Beteiligten zugute kommende günstige Ergebnis zu verdanken ist, auch ihnen selbst zugute kommen zu lassen (SchlegelbergerQuassowski Anm. 21; a. A. v. Godin-Wilhelmi D V O § 8 Anm. 1). Keineswegs erscheint die Tantieme des Vorstands nur insoweit unangemessen, als sie sich durch Unterlassung sozialer Ausgaben erhöht. Das Gesetz will nicht nur einer Bereicherung der Vorstandsmitglieder zu Lasten der sozialen Ausgaben vorbeugen, sondern im Verhältnis zu der Vorstandstantieme angemessene Ausgaben für soziale Zwecke gewährleisten (vgL v.Godin-Wilhelmi D V O § 13 Anm.). Bei dem derzeitigen hohen Stand der freiwilligen Sozialaufwendungen in der gesamten Wirtschaft wird wohl selten in der Praxis eine Unangemessenheit zwischen Sozialaufwendungen und Gewinnbeteiligung vorliegen, nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Unternehmen ihren Arbeitnehmern gleichfalls dividendenabhängig Erfolgsprämien gewähren. A n m . 29 4. Für das angemessene Verhältnis zu sorgen, liegt nach Satz 2 dem Aufsichtsrat ob. Dabei ist weniger an die vertragliche Vereinbarung über die Höhe der Tantieme zu denken. Denn da die sozialen Leistungen als Geschäftsunkosten gebucht werden können und in diesem Fall den Reingewinn mindern, hindert ein hoher Hundertsatz der vertraglich den Vorstandsmitgliedern zugesagten Tantieme angemessene soziale Leistungen nicht. Der Aufsichtsrat wird vor allem bei der Überwachung des Vorstands dafür zu sorgen haben, daß die der Lage der Gesellschaft entsprechenden angemessenen sozialen Ausgaben nicht unterbleiben. Auch bei seiner Stellungnahme zu dem ihm vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluß (§ 125) wird er sein Augenmerk darauf zu richten haben, daß der Bestimmung des § 77 Abs. 3 Genüge getan wird, ebenso bei seiner Entscheidung über die Beteiligung des Vorstandes an neu gebildeten Rücklagen nach § 77 Abs. 2. Eine — wohl kaum je vorkommende — beharrliche Verweigerung der angemessenen sozialen Ausgaben durch den Vorstand kann einen Anlaß zur Abberufung und zur Kündigung des Anstellungsvertrages bilden. Der Aufsichtsrat kann aber auch, die Hauptversammlung veranlassen, bei dem Beschluß über die Verteilung des Reingewinns die Ausgaben für soziale Zwecke in ein richtiges Verhältnis zu der Tantiemedes Vorstands zu bringen. Äußerstenfalls würde er in der Lage sein, das Eingreifen der Staatsanwaltschaft zu veranlassen. A n m . 30 5. Nach Abs. 3 Satz 2 kann die Staatsanwaltschaft die Einhaltung des Gebots, i m Klagewege erzwingen. Es handelt sich dabei nicht um ein Strafverfahren. Die Entscheidung erfolgt vielmehr durch die Z i v i l g e r i c h t e als S p r u c h s t e l l e n (1. D V O §9) in einem S p r u c h v e r f a h r e n n a c h den B e s t i m m u n g e n des G e s e t z e s ü b e r die f r e i w i l l i g e G e r i c h t s b a r k e i t (DVO § 10). S a c h l i c h z u s t ä n d i g als Spruchstelle ist im ersten Rechtszug eine Zivilkammer des Landgerichts, im zweiten Rechtszug ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts, im dritten Rechtszug ein Zivilsenat des Reichsgerichts — j e t z t Bundesgerichtshof (1. D V O §9). Ö r t l i c h z u s t ä n d i g ist das Landgericht und die Staatsanwaltschaft, in deren Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat (1. D V O § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1). An dem V e r f a h r e n sind außer der Staatsanwaltschaft die Gesellschaft sowie die Vorstandsmitglieder zu beteiligen, deren Gewinnbeteiligung beanstandet wird (1. D V O §2). Da es sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, findet eine streitige Verhandlung nicht statt. Das Gericht kann schriftlich entscheiden, kann aber auch die Beteiligten in einem Termin hören. Es gilt der Grundsatz des A m t s b e t r i e b e s . Außer im dritten Rechtszug besteht kein A n w a l t s z w a n g . Wird in einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage die Verletzung von § 77 Abs. 3 geltend gemacht, so ist das Verfahren auszusetzen (§ 148 Z P O

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§78

I. Buch: Aktiengesellschaft

mit § 17 Abs. 1 der 1. DVO) und die Akten sind der Staatsanwaltschaft zuzuleiten; diese führt sodann das Spruchstellenverfahren durch, § 17 Abs. 2 a. a. O. Erklärt die Staatsanwaltschaft, daß sie das Spruchstellenverfahren nicht herbeiführen werde, so nimmt der Rechtsstreit seinen Fortgang, § 17 Abs. 3 a. a. O. Die dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgebende E n t s c h e i d u n g der S p r u c h stelle setzt den Betrag fest, den der Empfänger der Gesellschaft zurückgewähren muß (1. DVO § 13 S. 1). Sie hat rechtsgestaltende Wirkung. Aus der rechtskräftigen Entscheidung kann die A G nach den Vorschriften der ZPO vollstrecken (1. DVO § 15 S. a). Die Staatsanwaltschaft überwacht die Durchführung der Entscheidung (1. D V O § 15 S. 3). Die A G ist verpflichtet, den Betrag zugunsten der Gesellschaft oder von Einrichtungen, die dem Gemeinwohl dienen, zu verwenden (§ 13 S. 2). Es ist anzunehmen, daß die Überwachungspflicht der Staatsanwaltschaft sich auch hierauf erstreckt. Gegen die Entscheidung der Spruchstelle des ersten Rechtszugs findet die innerhalb von 14 Tagen seit ihrer Bekanntmachung an den Beschwerdeführer einzulegende s o f o r t i g e B e s c h w e r d e statt (1. D V O § 14 S. 1). Gegen die Entscheidung der Spruchstelle des zweiten Rechtszuges findet die s o f o r t i g e w e i t e r e B e s c h w e r d e statt, wenn die Spruchstelle des zweiten Rechtszuges sie für zulässig erklärt oder der Wert des Beschwerdegegenstandes 6000 D M übersteigt (1. D V O § 14 Abs. 2 S. 2). Sie muß ebenfalls binnen 14 Tagen beim Landgericht, Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof eingelegt werden (§29 FGG) und zwar mittels einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift (1. D V O § 14 Abs. 2 S. 3). Die Entscheidungen der Spruchstellen werden erst mit der Rechtskraft wirksam (1. D V O § 15 S. 1). Sie sind nicht vorläufig vollstreckbar. Eine allgemeine Kontrolle der Aktiengesellschaften durch die Staatsanwaltschaft ist nicht vorgesehen. Die Staatsanwaltschaft wird vielmehr in der Regel nur auf A n t r a g oder auf G r u n d einer A n r e g u n g eingreifen. Sie kann den Antrag bei der Spruchstelle nur innerhalb eines Jahres stellen, seitdem der Geschäftsbericht, der die beanstandete Gewinnbeteiligung nach AktG § 128 Abs. 2 Nr. 7 ausweist, zum Handelsregister eingereicht wurde (1. DVO § 11 Abs. 2). Wegen der Gerichtskosten s. 1. D V O § 16. 6. Eine Zuständigkeit des Staatsanwalts in Frage der Festsetzung der Vorstandsbezüge erscheint unangebracht und entspringt überholten Vorstellungen; sie ist bisher auch nicht praktisch geworden. Satz 3 in § 77 Abs. 3 sollte daher de lege ferrenda gestrichen werden. Der Ref.-Entw. § 81 geht weiter, indem der gesamte Abs. 3 gestrichen wird. Das ist im Hinblick auf § 78 Abs. 1 ( = § 82 Abs. 1 Ref.-Entw.) eine klarstellende Vereinfachung. § 7 8 G r u n d s ä t z e für die B e z ü g e der

Vorstandsmitglieder

(1) Der Aufsichtsrat hat dafür zu sorgen, daß die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen Dies gilt sinngemäß für Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter A r t . (2) Tritt nach der Festsetzung der Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft ein, daß die Weitergewährung der Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft sein würde, so ist der Aufsichtsrat zu einer angemessenen Herabsetzung berechtigt Durch eine derartige Maßnahme wird der Anstellungsvertrag i m übrigen nicht berührt; jedes Vorstandsmitglied kann jedoch seinen Anstellungsvertrag für den Schluß des nächsten Kalendervierteljahrs mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen kündigen

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 78

Einl., Anm. 1, 2

(3) Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und kündigt der Konkursverwalter den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglleds, so kann dieses Ersatz für den ihm durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schaden nur für zwei Jahre seit dem Ablauf des Dienstverhältnisses verlangen. Einleitung

Übersicht Anm.

I. i . Gesamtbezüge . . . 2. Angemessenheit r.. • i t t . ,. , 3 . gilt für jedes Vorstandsmitglied einzeln 4. Pflichten des Aufsichtsrats . 5. ursprüngliche Vereinbarung

i 2 3 ^

5

_ o

I I . 1. Recht zur Herabsetzung. . 2. gilt grundsätzlich nicht fü Ruhegehälter usw. ' 3. Ausnahmen davon 7a Voraussetzungen der H e r a b setzungsbefugnis (Abs. 2)

Anm. 4- schwere Unbilligkeit f ü r die Gesellschaft 5. wesentliche der

L

der

Verschlechterung . Gesellschaft.

6. Angemessenheit setzung

der

8 g

Herab10

7. nur f ü r die Zukunft . . . . 11 8. Gestaltungsrecht I I I . Rechtsbehelfe des Betroffenen .

12 .13

IV. Konkurs- u n d Vergleichsverfahren (Abs. 3) 14

Einleitung Die Bestimmung ist durch das AktG neu geschaffen. Sie enthält die grundsätzliche Forderung, d a ß die Bezüge der Vorstandsmitglieder im Verhältnis zu deren Aufgaben u n d zur Lage der Gesellschaft von vornherein a n g e m e s s e n sein müssen, u n d gibt die Möglichkeit, im Falle einer während der Vertragsdauer eintretenden wesentlichen Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft eine angemessene H e r a b s e t z u n g d e r B e z ü g e vorzunehmen. Abs. 3 begegnet der Geltendmachung übermäßiger Schadensersatzansprüche der Vorstandsmitglieder im Konkurs der AG.

Anm. 1 1. 1. D e r A u f s i c h t s r a t ist verpflichtet, dafür zu sorgen, d a ß die G e s a m t b e z ü g e der Vorstandsmitglieder im Verhältnis zu ihren Aufgaben und zur Lage der Gesellschaft a n g e m e s s e n s i n d . Der Begriff der G e s a m t b e z ü g e umfaßt alle Leistungen der A G an das Vorstandsmitglied und zu seinen Gunsten, die als Entgelt für seine Tätigkeit in den Diensten der A G angesehen werden können (vgl. auch Anm. 20 zu § 75). Das Gesetz führt Gehälter, Gewinnbeteiligungen (dazu Anm. zu § 77), Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art an. Diese Aufzählung schließt die Möglichkeit anderer Leistungen, die zu den Gesamtbezügen gehören, an sich nicht aus, dürfte aber alle Bezüge umfassen, die praktisch eine Rolle spielen. Die Bereitstellung einer Dienstwohnung oder eines Kraftwagens u n d andere Naturalleistungen gehören zu den Nebenleistungen. Von den Gesamtbezügen unterscheidet das Gesetz R u h e g e h ä l t e r , H i n t e r b l i e b e n e n b e z ü g e u n d L e i s t u n g e n v e r w a n d t e r A r t , d. h. Leistungen, die das Vorstandsmitglied oder seine Angehörigen nach Ablauf des Dienstverhältnisses erhalten (im Einzelnen Anm. 20 zu § 75). Für diese wird zwar in Abs. 1 S. 2 dasselbe bestimmt wie für die Gesamtbezüge. Die Unterscheidung ist aber für Abs. 2 von Bedeutung (Anm. 7). Das Recht des n o c h i n d e n D i e n s t e n d e r A G s t e h e n d e n Vorstandsmitglieds auf Ruhegehalt usw. im Falle seines Ausscheidens wird zu den Gesamtbezügen gehören. Denn es bildet einen für die Beurteilung der Angemessenheit der Gesamtbezüge untrennbaren Bestandteil der Ansprüche des Vorstandsmitglieds. D a ß der Aufsichtsrat auch f ü r die Angemessenheit der Ruhegehälter usw. zu sorgen hat, schreibt Satz 2 ausdrücklich vor.

Anm. 2 2. Die Gesamtbezüge und ebenso die Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge usw. sollen in einem angemessenen Verhältnis zu den A u f g a b e n d e s e i n z e l n e n V o r 33

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§78 Anm. 3—5

I. Buch: Aktiengesellschaft

s t a n d s m i t g l i e d s und zur L a g e der G e s e l l s c h a f t stehen. Dies schließt eine Berücksichtigung anderer Umstände, die für die Höhe der einem Vorstandsmitglied zu gewährenden Bezüge in Betracht kommt, z. B. seiner hervorragenden Tüchtigkeit, des Wertes der von ihm der A G geleisteten Dienste, nicht aus. Auch eine Rücksichtnahme auf die Familienverhältnisse des Vorstandsmitglieds kann in Frage kommen. Alle in Betracht kommenden Faktoren müssen herangezogen werden, wenn auch den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und der Lage der Gesellschaft besondere Bedeutung beizumessen ist. Besonders das Verhältnis zur Lage der Gesellschaft ist wichtig, da der Zweck der Bestimmung gerade darin liegt, die A G vor übermäßig hohen Bezügen der Vorstandsmitglieder zu schützen. Jedoch ist sie keineswegs allein ausschlaggebend. Eine der verantwortlichen Stellung eines Vorstandsmitglieds nicht entsprechende Bezahlung ist auch bei noch so schlechter Lage der A G nicht angemessen. Andererseits vermag auch eine noch so günstige Lage der A G nicht Bezüge zu rechtfertigen, die im Hinblick auf die Aufgaben des Vorstandsmitglieds übermäßig hoch sind. Unter der Lage der Gesellschaft sind die gesamten Verhältnisse des Betriebs zu verstehen, nicht nur die Vermögenslage. Sie ist also nicht nur vom Standpunkt der Aktionäre und Gläubiger, sondern auch vom Standpunkt der Belegschaft aus zu würdigen. Während des Krieges unterlagen auch die Vorstandsbezüge dem Lohn- und Gehaltsstop (BGH 8, 358). Anm. 3 3. G e s a m t b e z ü g e der V o r s t a n d s m i t g l i e d e r sind nicht die Bezüge aller Vorstandsmitglieder, sondern die Gesamtbezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds. Die Bezüge verschiedener Vorstandsmitglieder können auch bei gleicher Höhe teils angemessen, teils unangemessen sein, da die Angemessenheit auch von den Aufgaben und Leistungen (Anm. 2) des einzelnen Vorstandsmitglieds abhängt. Anm. 4 4. Für ein angemessenes Verhältnis der Bezüge der Vorstandsmitglieder zu sorgen, ist P f l i c h t des A u f s i c h t s r a t s , der bei ihrer Verletzung der A G gemäß § 99 schadensersatzpflichtig ist. Diese Sorge Hegt dem Aufsichtsrat vor allem bei Abschluß des Anstellungsvertrages mit dem Vorstandsmitglied ob, aber keineswegs nur bei dieser Gelegenheit. Stellt sich erst nachträglich die Unangemessenheit der Bezüge heraus oder werden sie erst später infolge unvorhergesehener Umstände unangemessen, so ist es Pflicht des Aufsichtsrats, zunächst zu versuchen, auf gütlichem Wege eine Herabsetzung der Bezüge auf das angemessene Maß zu erreichen. Falls dies nicht gelingt, muß er die der A G zustehenden Rechtsbehelfe wahrnehmen, insbesondere das Herabsetzungsrecht des Abs. 2 geltend machen, falls dessen Voraussetzungen gegeben sind. Die unangemessene Höhe der Bezüge kann dem Aufsichtsrat auch Veranlassung geben, von einem ihm sonst auf Grund des Vertrages oder des Gesetzes gegebenen Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Dagegen gibt die auf eine Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft zurückzuführende unangemessene Höhe der Bezüge selbst kein Recht zur Abberufung und Kündigung aus wichtigem Grunde, da die Gesellschaft durch das Herabsetzungsrecht genügend geschützt ist. Anm. 5 5. Die W i r k s a m k e i t der Vereinbarung über die Bezüge des Vorstandsmitglieds wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß sie von v o r n h e r e i n unangemessen hoch erscheinen, sofern nicht etwa ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 BGB vorliegt. Steht dem Vorstand eine Gewinnbeteiligung zu, so muß diese nach § 7 7 Abs. 3 in einem angemessenen Verhältnis zu den sozialen Aufwendungen zugunsten der Belegschaft und zugunsten dem Gemeinwohl dienender Einrichtungen stehen. Auch eine Befugnis des Aufsichtsrats zur Herabsetzung der Bezüge gemäß Abs. 2 ist bei u r s p r ü n g l i c h e r Unangemessenheit der Bezüge nicht gegeben. Ebensowenig steht dem.Aufsichtsrat etwa ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde zu, wenn er nachträglich die Unangemessenheit der getroffenen Vereinbarungen erkennt. Das Vorstandsmitglied, das zur Zeit seiner Anstellung die Lage der Gesellschaft oft meist gar

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 78 Anm. 6, 7 nicht genau zu übersehen vermag, braucht eine Herabsetzung seiner Bezüge nur für den Fall der nachträglichen wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der AG zu befürchten. Anm. 6 II. i. Abs. 2 gibt dem Aufsichtsrat unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zu einer angemessenen Herabsetzung der Bezüge der Vorstandsmitglieder. Voraussetzung ist, daß nach der Festsetzung der Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft eingetreten ist, daß die Weitergewährung der Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft sein würde. Der Begriff der V e r h ä l t n i s s e der G e s e l l s c h a f t ist ebenso zu verstehen wie der Begriff der Lage der Gesellschaft in Abs. i (Anm. 2). Auch der Begriff der G e s a m t b e z ü g e ist derselbe wie in Abs. 1 (Anm. 1). Anm. 7 2. Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art werden in Abs. 1 von den Gesamtbezügen unterschieden (Anm. 1). Sie werden grundsätzlich von der Herabsetzungsbefugnis des Abs. 2, die sich nur auf die Gesamtbezüge bezieht, nicht betroffen (ebenso BGH in L M zu § 78 AktG Nr. 1; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 3B; a.A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 10). Wenn Abs. 1 zunächst dem Aufsichtsrat die Sorge für die Angemessenheit der Gesamtbezüge auferlegt und dann das gleiche für Ruhegehälter usw. bestimmt, Abs. 2 hingegen nur von den Gesamtbezügen spricht und Ruhegehälter usw. nicht erwähnt, so ist kein anderer Schluß möglich, als daß Ruhegehälter usw. nicht unter Abs. 2 fallen. Es kommt hinzu, daß Abs. 2 S. 2 das Bestehen eines Anstellungsvertrages, der von der Herabsetzung grundsätzlich unberührt bleibt, voraussetzt und dem von der Herabsetzung betroffenen Vorstandsmitglied ein Kündigungsrecht gewährt. Wenn der Gesetzgeber trotz dieser in keiner Weise für Ruhegehälter usw. passenden Vorschrift die Anwendung des Satz 1 auf Ruhegehälter gewollt hätte, hätte er dem sicher ebenso Ausdruck gegeben wie in dem der Anwendung auf Ruhegehälter keine Schwierigkeiten bereitenden Abs. 1. Eine Herabsetzung trifft auch das im Ruhestand befindliche Vorstandsmitglied und seine ihn überlebenden Angehörigen schwerer als das in den Diensten der AG tätige Mitglied, das nach der ihm vom Gesetz freigestellten Kündigung eine andere Stellung suchen kann; vgl. BGH a. a. O. und die Anm. Die Anwendung des § 78 Abs. 2 auf Ruhegehälter usw. ist also zu verneinen. Jedoch unterliegen auch Ruhegehälter der Regelung durch richterliche Vertragshilfe (BGH in L M Nr. 13 zu § 242 [A] BGB). In kraß liegenden Fällen hat aber die AG unter den vom R G in R G 148, 81 entwickelten Voraussetzungen und in dem dort dargelegten Umfange ein Leistungsverweigerungsrecht. Nach dieser Entscheidung, der auch der BGH (LM Nr. 1 zu § 78) gefolgt ist, kann die AG eine Ermäßigung der Ruhegehaltsbezüge eines Vorstandsmitglieds verlangen, wenn das Unternehmen sich in wirklich schwieriger Geldlage befindet und alle Kräfte anspannen muß, um sich zu erhalten und nach Treu und Glauben eine Fortzahlung der Ruhegehaltsbezüge der Gesellschaft nicht zumutbar ist. Die durch die Ermäßigung bewirkte Entlastung muß in Verbindung mit andern Maßnahmen dazu ausreichen oder in erheblichem Maße dazu beitragen, daß die Lage des Unternehmens so weit gefestigt wird, daß sie auch einen größeren Mißerfolg oder eine Absatzstockung zu überstehen vermag. Voraussetzung ist ferner, daß die AG auch andere Mittel ergreift, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, und daß ihre Träger selbst Opfer bringen, z. B. in Gestalt einer Kapitalherabsetzung. Von dem Ruhegehaltsberechtigten geleistete Dienste sind in Betracht zu ziehen, aber auch die Höhe seiner früheren Bezüge sowie die Tatsache, daß auch pensionierte Vorstandsmitglieder in einem gewissen Treuverhältnis zu der Gesellschaft stehen (s. § 75 Anm. 21a); hingegen ist das Privatvermögen des Ruhegehaltsberechtigten, soweit er es nicht in den Diensten der AG erworben hat, nur unter besonderen Umständen zu berücksichtigen. Eine dauernde Herabsetzung findet in der Regel nicht statt; es kommt vielmehr auf die Lage zur Zeit der Fälligkeit der einzelnen Zahlungen an. 33*

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§78

Anm. 7 a—10 Anm 7a

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3. Obgleich, wie in der vorstehenden Anmerkung dargelegt, nach § 77 Abs. 2 Ruhegehälter von der Herabsetzungsbefugnis grundsätzlich ausgenommen sind und höchstens nach Treu und Glauben ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft bei außergewöhnlich angespannter Wirtschaftslage im Einzelfall eintreten kann (vgl. auch BGH in L M Nr. 13 zu § 242 [A] BGB), sind doch auch außerdem Fälle denkbar, in denen ein vertraglich zugesicherter Ruhegehaltsanspruch ganz oder teilweise entfallen kann, wenn nämlich seine Geltendmachung einen Rechtsmißbrauch darstellen würde (s. auch § 75 Anm. 2 1 a ) . Eine gröbliche Verletzung der den einzelnen Vorstandsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft obliegenden Treupflicht kann daher zu einem Recht der Gesellschaft führen, einen Ruhegehaltsanspruch zu streichen oder angemessen herabzusetzen (s. OGHBrZ 4, 227 [23of.]; BGH 15, 71 [80]; BaumbachHueck Anm. 3 C unter Hinweis auf arbeitsrechtliche Entscheidungen). Der B G H hat in Anwendung dieser Grundsätze die Geltendmachung eines Ruhegehaltsanspruchs als Rechtsmißbrauch angesehen, wenn sich ein Vorstandsmitglied an nationalsozialistischen Maßnahmen zur „Gleichschaltung" eines Unternehmens beteiligt hat (BGH 9, 94). Entsprechend ist entschieden worden in einem Fall, wo Versorgungsansprüche aus sachlich nicht gerechtfertigten (politischen) Gründen einer Gesellschaft aufgebürdet worden sind (BGH 13, 346). Auch die Gesellschaft unmittelbar schädigende Konkurrenzgeschäfte können zu einem Verlust der Ruhegehaltsansprüche führen (Anm. 10 zu § 79).

Anm. 8 Voraussetzungen der Herabsetzungsbefugnis 4. Die Herabsetzungsbefugnis des § 77 Abs. 2 ist nicht schon gegeben, wenn das Verhältnis der Bezüge des Vorstandsmitglieds nicht in einem angemessenen Verhältnis zu seinen Aufgaben und zur Lage der Gesellschaft steht; erforderlich ist vielmehr, daß die Weitergewährung der Bezüge eine s c h w e r e U n b i l l i g k e i t für die Gesellschaft sein würde. Der Eingriff in das bestehende, Vertragsverhältnis, den Abs. 2 zuläßt, ist also nicht schon bei Eintritt von Umständen zulässig, unter denen ein Vertrag gleichen Inhalts nach der in Abs. 1 gegebenen Richtlinie von dem Aufsichtsrat nicht hätte abgeschlossen werden sollen. Eine gewisse Härte stellt eine Herabsetzung der vertraglich zugesagten Bezüge für das Vorstandsmitglied immer dar. Daraus dürfte es sich erklären, daß das Gesetz hier einseitig von einer schweren Unbilligkeit für die Gesellschaft spricht und nicht eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorsieht. Vgl. etwa den von Westrick BB 1959, g8 behandelten Fall (Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder bei Änderung der Steuersätze für den ausgeschütteten Gewinn). Eine Berücksichtigung der Verhältnisse und Interessen des Vorstandsmitglieds ist dadurch nicht völlig ausgeschlossen. Eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft ist um so eher anzunehmen, je weniger hart das Vorstandsmitglied von der Herabsetzung betroffen wird. Seine Verhältnisse, Leistungen usw. sind also nicht unbeachtlich (vgl. v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Das Vorliegen einer schweren Unbilligkeit ist im wesentlichen Tatfrage.

Anm. 9 5. Die zur Herabsetzung Anlaß gebende Lage muß durch eine w e s e n t l i c h e V e r s c h l e c h t e r u n g d e r V e r h ä l t n i s s e d e r G e s e l l s c h a f t eingetreten sein. Worauf diese zurückzuführen ist, ist gleichgültig. Ungenügende Leistungen des Vorstandsmitglieds vermögen für sich allein die Herabsetzung nicht zu begründen.

Anm. 10 6. Die Herabsetzung muß a n g e m e s s e n s e i n . Dies bedeutet nicht, daß das angemessene Verhältnis der Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds zu seinen Aufgaben und zur Lage der Gesellschaft im Sinne des Abs. 1 herzustellen ist. Der Aufsichtsrat, der der Richtlinie des Abs. 1 zuwider dem Vorstandsmitglied ein zu hohes Gehalt zugebilligt hat, kann nicht auf dem Wege der Herabsetzung der Bezüge nach Abs. 2 dem Vertrag einen Inhalt geben, der zwar für die A G erwünscht wäre, auf den sich aber das Vorstandsmitglied vielleicht niemals eingelassen hätte. Das angemessene Maß der Herab-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 78 Anm. 11—13 Setzung ist erreicht, wenn die schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft beseitigt ist. Die Herabsetzung ist auch nur dann angemessen, wenn jede vermeidbare Härte vermieden wird. Es muß daher eine gleichmäßige H e r a b s e t z u n g der Bezüge aller V o r s t a n d s m i t g l i e d e r erfolgen, soweit die Unbilligkeit die gleiche ist. Einem Vorstandsmitglied ist nicht zuzumuten, daß er die Folgen der Verschlechterung der Verhältnisse der AG tragen soll, während andere Vorstandsmitglieder, bei denen eine Herabsetzung nicht weniger angemessen erscheint, davon verschont bleiben. Nicht angemessen ist die Herabsetzung auch dann, wenn sie ohne Not zeitlich unbegrenzt erfolgt. Das Gesetz schreibt allerdings nicht vor, daß die Herabsetzung nur zeitlich begrenzt erfolgen kann. Aber das Vorstandsmitglied wird im allgemeinen verlangen können, daß die Herabsetzung nur auf begrenzte Zeit ausgesprochen wird, wofern nicht eine erhebliche Verbesserung der Verhältnisse der Gesellschaft den Umständen nach ausgeschlossen erscheint. Es braucht freilich nur die voraussichtliche Entwicklung während der weiteren Vertragsdauer, die nach § 75 fünf Jahre nicht übersteigen kann, ins Auge gefaßt zu werden. Ein Anspruch auf Heraufsetzung der Bezüge bei unerwarteter Verbesserung der Lage der Gesellschaft ist nicht gegeben. Anm. 11 7. Die Herabsetzung der Bezüge kann nur für die Zukunft erfolgen. Mangels einer besonderen gesetzlichen Vorschrift ist anzunehmen, daß die Herabsetzung sofort wirksam wird. Das Vorstandsmitglied bezieht also vom Tage der Herabsetzung ab die niedrigeren Bezüge. Vorausgezahlte höhere Bezüge muß er nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückerstatten; für die Zeit bis zur Herabsetzung geschuldete, aber noch nicht fällige Bezüge werden von der Herabsetzung nicht betroffen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 11). Anm. 12 8. Die Herabsetzungsbefugnis ist ein G e s t a l t u n g s r e c h t des Aufsichtsrats, das durch Erklärung gegenüber dem Vorstandsmitglied ausgeübt wird. Hält das Vorstandsmitglied die Voraussetzungen einer Herabsetzung nicht für gegeben oder die Herabsetzung nur in geringerem Umfang für angemessen, so ist es genötigt, gegen die A G auf die ihm nach seiner Meinung zustehenden Bezüge oder auf Feststellung seiner Ansprüche Klage zu erheben. In diesem Rechtsstreit wird die A G wie bei sonstigen Klagen eines Vorstandsmitglieds aus seinen Ansprüchen gegen die AG durch den Vorstand und nicht etwa durch den Aufsichtsrat vertreten. Das Gericht hat nicht nur das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Herabsetzung, sondern auch die Angemessenheit der von dem Aufsichtsrat ausgesprochenen Herabsetzung nachzuprüfen. Die Feststellung des Urteils, ob und in welchem Umfang die Herabsetzung wirksam ist, wirkt nicht rechtsbegründend; im Rahmen der Feststellung des Urteils wird die rechtsbegründende Herabsetzungserklärung des Aufsichtsrats bestätigt. Schwierigkeiten bereitet die Frage, wie es zu halten ist, wenn nicht nur das betroffene Vorstandsmitglied, sondern auch die übrigen Vorstandsmitglieder der Meinung sind, daß die Voraussetzungen für die Herabsetzung der Bezüge durch den Aufsichtsrat nicht vorliegen. Können sie mit dieser Begründung trotz der von dem Aufsichtsrat ausgesprochenen Herabsetzung die bisherigen Bezüge an das Vorstandsmitglied auszahlen? Man wird trotz des Schweigens des Gesetzes annehmen müssen, daß die übrigen Vorstandsmitglieder nicht zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Herabsetzungserklärung des Aufsichtsrats berechtigt und daher an diese gebunden sind, solange sie nicht durch gerichtliches Urteil für unwirksam erklärt ist. Anm. 13 III. Durch die Herabsetzung wird die Wirksamkeit und der Inhalt des Anstellungsvertrages im übrigen nicht berührt. Jedoch kann das Vorstandsmitglied den Anstellungsvertrag mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen für den Schluß des nächsten Kalendervierteljahrs kündigen (Abs. 2 S. a). Macht es von diesem Recht nicht rechtzeitig Gebrauch, so ist es für die Dauer des Vertrages gebunden. Das Gesetz enthält keine Bestimmung für den Fall, daß das Vorstandsmitglied bestreitet, daß die Voraus-

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Setzungen für die Herabsetzung gegeben seien. Nimmt man an, daß die Kündigung auch in diesem Falle nur für den Schluß des nächsten Kalendervierteljahrs erfolgen kann, so ist das Vorstandsmitglied außerstande, sein Kündigungsrecht auszuüben. Denn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Herabsetzung ist der letzte Termin für die Kündigung längst verstrichen. Das Vorstandsmitglied kann auch nicht vorsorglich kündigen, da es j a in erster Linie sein Dienstverhältnis — mit den bisherigen Bezügen — fortsetzen will; überdies würde eine durch den Ausgang des schwebenden Rechtsstreits bedingte Kündigung unwirksam sein. Daß das Vorstandsmitglied auf solche Weise sein Kündigungsrecht verliert, liegt sicher nicht im Sinne des Gesetzes. Man wird daher nicht annehmen können, daß die gesetzliche Regelung auch für den Fall eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Herabsetzung gilt. Es liegt hier vielmehr eine Lücke des Gesetzes vor, die sinngemäß nur dadurch ausgefüllt werden kann, daß im Falle eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Herabsetzung an die Stelle des Zugangs der Herabsetzungserklärung der Zeitpunkt der Rechtskraft des die Herabsetzung ganz oder zum Teil für unwirksam erklärenden Urteils tritt. Hierin liegt keine unbillige Härte für die AG. Wenn das Gesetz nur eine einmalige Kündigungsmöglichkeit gibt, will es damit allein ausschließen, daß durch die Herabsetzung der Bezüge das Vorstandsmitglied ein dauerndes Kündigungsrecht erhält, von dem es jederzeit auch aus andern Motiven Gebrauch machen könnte. — Man wird aber verlangen müssen, daß das Vorstandsmitglied innerhalb der ihm von dem Gesetz für die Kündigung gesetzten Frist Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Herabsetzung seiner Bezüge erheben muß, wenn die Rechtskraft des Urteils an die Stelle der Erklärung der Herabsetzung durch den Aufsichtsrat treten soll. Anm. 14 IV. Konkurs- und Vergleichsverfahren Für den Konkurs ist § 22 ICO, nicht etwa § 23 K O maßgebend ( R G in L Z 1909, 68g 9 ; Jaeger K O §22 Anm. 12; Schlegelberger-Quassowski Anm. 16). Konkursverwalter und Vorstand können den Anstellungsvertrag gemäß § 622 BGB kündigen. Kündigt der Konkursverwalter, so wird das Amt des Vorstands nicht beendet; der Widerruf steht dem Aufsichtsrat, nicht dem Konkursverwalter zu (§ 75 Anm. 14). Das V o r r e c h t aus § 61 K O steht den Vorstandsmitgliedern nicht zu ( R G 120, 300; O L G Stuttgart-Karlsruhe BB 5 1 , 82; Jaeger K O §61 Anm. 14). Der Vorstand ist nicht Angestellter der Gesellschaft, sondern Verwaltungsträger; s. auch Anm. 10 zu § 75. Kündigt der Konkursverwalter den Abstellungsvertrag, so hat das Vorstandsmitglied gemäß § 22 Abs. 2 K O Anspruch auf Ersatz des ihm durch die vorzeitige Vertragsauflösung entstehenden Schadens als gewöhnlicher Konkursgläubiger. Der Schadensersatzanspruch beschränkt sich nicht auf die entgangene Vergütung. § 78 Abs. 3 führt aber eine z e i t l i c h e B e g r e n z u n g f ü r die S c h a d e n s b e r e c h n u n g ein: Das Vorstandsmitglied kann nur Ersatz des Schadens für zwei J a h r e seit Beendigung des Dienstverhältnisses verlangen. Durch diese Bestimmung wird eine Belastung der Gesellschaft ausgeschlossen, die sich unter dem früheren Recht des H G B oft unerträglich auswirkte. Für das Vergleichsverfahren gilt § 75 Abs. 3 sinngemäß, s. §§ 50—52 VerglO (Schlegelberger-Quassowski Anm. 17; Baumbach-Hueck Anm. 4; Ritter Anm. 4). Der Ref.-Entw. § 82 Abs. 3 regelt das ausdrücklich. § 7 9 Wettbewerbs verbot (1) Die Vorstandsmitglieder dürfen ohne Einwilligung des Aufsichtsrats weder ein Handelsgewerbe betreiben noch i m Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Sie dürfen sich auch nicht an einer anderen Handelsgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafter beteiligen.

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 79 Einl., A n m . 1 (2) Verstößt ein V o r s t a n d s m i t g l i e d g e g e n dieses Verbot, s o kann die Ges e l l s c h a f t Schadensersatz fordern; sie kann statt d e s s e n v o n d e m Mitglied verlangen, d a ß e s die für eigene R e c h n u n g g e m a c h t e n Geschäfte a l s für R e c h n u n g der Gesellschaft eingegangen gelten l a s s e und die a u s Geschäften für f r e m d e Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder s e i n e n A n s p r u c h auf die Vergütung abtrete. (3) Die A n s p r ü c h e der Gesellschaft verjähren i n drei M o n a t e n seit d e m Zeitpunkt, in d e m die übrigen Mitglieder des Vorstands u n d des A u f s i c h t s r a t s v o n der z u m Schadensersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangen; s i e verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis i n fünf J a h r e n seit ihrer Entstehung. Ubersicht Anm.

Einleitung I. Persönlicher Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots

i

II. Sachlicher Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots 1. Betrieb eines Handelsgewerbes 2 2. Geschäfte machen 3 3. Übernahme des Amtes als Vorstand oder Geschäftsführer . . 4 4. Einwilligung des Aufsichtsrats 5

Anm.

III. 1. Schadensersatz 2. Eintrittsrecht 3. Weitere Rechtshilfe der A G . .

6 7 8

IV. Verjährung

9

V . Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses 10

Einleitung Diese das gesetzliche Wettbewerbsverbot für V o r s t a n d s m i t g l i e d e r enthaltende Bestimmung stimmt sachlich vollkommen mit HGB § 236 überein. Sie ist weder durch die alliierten DekartellisierungsG (vgl. Benisch, WuW 1953, 219) noch durch das G gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 57 (BGBl I 1081) berührt worden. Die Reformvorschläge des Ref.-Entw. § 83 bringen keine Änderungen sachlichen, sondern nur klarstellenden Inhalts. Anm. 1 I. Die Vorstandsmitglieder (und stellvertretenden Vorstandsmitglieder, § 85) unterliegen dem Wettbewerbsverbot w ä h r e n d der Dauer i h r e s A m t e s , also von der Bestellung zum Vorstandsmitglied bzw. von dem Zeitpunkt, von dem ab der Bestellte nach dem Inhalt der Bestellung Vorstandsmitglied sein soll, bis zur Beendigung des Amtes, gleichviel aus welchem Grunde (Zeitablauf, Widerruf, Niederlegung usw.) sie erfolgt. Das Wettbewerbsverbot endet in diesem Zeitpunkt auch dann, wenn der Anstellungsvertrag weiterläuft, was unter Umständen möglich ist (§ 75 Anm. 16). Denn das gesetzliche Wettbewerbsverbot will in erster Linie eine Gewähr dafür geben, daß das Vorstandsmitglied der A G seine Arbeitskraft voll widmet, ungehemmt durch eigene seine Zeit und Kraft in Anspruch nehmende oder mit denen der A G konkurrierende oder widerstreitende Interessen. Handlungsgehilfe ist das ausgeschiedene Vorstandsmitglied, dessen Anstellungsvertrag noch läuft, nicht, es sei denn, es ist vertraglich etwas anderes ausdrücklich vereinbart (vgl. §75 Anm. 16); die Bestimmungen über das Wettbewerbsverbot der Handlungsgehilfen (§§ 60 ff. HGB) finden also ebenfalls keine Anwendung (vgl. § 75 Anm. 10). Nach Treu und Glauben ist aber der Anstellungsvertrag dahin auszulegen, daß das Vorstandsmitglied während der Vertragsdauer der A G keine Konkurrenz machen darf, und ein für die Zeit nach Ablauf des Anstellungsvertrages vereinbartes und unter eine Vertragsstrafe gestelltes Wettbewerbsverbot wird dahin ausgelegt werden können, daß es vom Zeitpunkt des Erlöschens des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes ab in Kraft tritt, unter Umständen also noch während des Laufens des Anstellungsverhältnisses. — Bei ungerechtfertigter Niederlegung des Amtes erlischt das Wettbewerbsverbot nicht (vgl. die von R G in JW 1915, 653® aufgehobene Ent-

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§79

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Anm. 2, 3 Scheidung des O L G Hamburg in O L G R 32, 1 4 a ) ; wird freilich gegen die Niederlegung kein Widerspruch erhoben oder wird sie vorbehaltlich der gegenseitigen Ansprüche anerkannt, so endigt damit die Vorstandschaft. K r a f t ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gilt § 79 n i c h t für vom Aufsichtsrat vorübergehend bestellte Vertreter behinderter Vorstandsmitglieder (§ 90 Abs. 2 S. 3) und für Abwickler (§ 209 Abs. 4). E r gilt auch nicht für nach § 57 Z P O bestellte Prozeßvertreter u . a . außerordentliche Vertreter (vgl. Anm. 23 zu §70). J e d o c h gilt das Wettbewerbsverbot uneingeschränkt für gerichtlich bestellte Vorstandsmitglieder. Das gesetzliche Wettbewerbsverbot kann vertraglich erweitert (die Grenze liegt bei § 1 3 8 BGB) oder eingeschränkt werden (s. Anm. 5 unten). Für die persönlich haftenden Gesellschafter der K G auf Aktien gilt das Wettbewerbsverbot des § 226 (vgl. die dortigen Anm.).

Anm. 2 II. Sachlicher Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots 1. G e g e n s t a n d des gesetzlichen W e t t b e w e r b s v e r b o t s ist zunächst der B e t r i e b e i n e s H a n d e l s g e w e r b e s . Der Begriff des Handelsgewerbes ist der des § 1 H G B . Es muß sich dabei u m ein i m e i g e n e n N a m e n betriebenes Gewerbe handeln. Daß die Beteiligung an einer Handelsgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter unter das Wettbewerbsverbot fällt, stellt Satz 2 klar. Nicht darunter fällt die Beteiligung als Kommanditist, stiller Gesellschafter, Gesellschafter einer G m b H oder Aktionär. Wegen der Bestellung zum Vorstand einer A G oder Geschäftsführer einer G m b H sowie wegen des Führens des Geschäfts der Ehefrau s. Anm. 4. Das gesetzliche Wettbewerbsverbot kann nicht dadurch umgangen werden, daß der Betrieb des Handelsgewerbes durch einen S t r o h m a n n durchgeführt wird oder das Vorstandsmitglied in sonstiger Weise mittelbar durch maßgebliche tatsächliche Einflußnahme auf die Führung der Geschäfte ein eigenes Handelsgewerbe betreibt (Baumbach-Hueck Anm. 2 ; Weipert in R G R K H G B § 1 1 2 Anm. 5 ; Flechtheim in DüringerHachenburg Anm. 4 zu § 1 1 2 ) . U n e r h e b l i c h i s t d i e A r t u n d d e r G e s c h ä f t s z w e i g des von dem Vorstandsmitglied betriebenen Handelsgewerbes.

Anm. 3 2. Gegenstand des Wettbewerbsverbots ist ferner das G e s c h ä f t e m a c h e n i m G e s c h ä f t s z w e i g d e r G e s e l l s c h a f t f ü r e i g e n e o d e r f r e m d e R e c h n u n g . I n anderen Geschäftszweigen Geschäfte zu machen, ist dem Vorstandsmitglied nicht verboten. Jedoch darf es sich nur um einzelne gelegentliche Geschäfte handeln. Denn bei gewerbsmäßigem Betrieb liegt ein Handelsgewerbe vor, und der Betrieb eines solchen ist dem Vorstandsmitglied ohne Rücksicht auf den Geschäftszweig verboten (Anm. 2). D e r B e g r i f f d e s G e s c h ä f t s z w e i g s läßt eine weitere Auslegung zu, die mehr auf den abstrakten Begriff des Geschäftszweigs abstellt, und eine engere, die mehr auf die individuelle Art des Geschäfts der A G abstellt. Ausschlaggebend für die Auslegung muß der Zweck der Bestimmung sein. Diese richtet sich dagegen, daß das Vorstandsmitglied der A G Wettbewerb macht und will allgemeine Handlungen treffen, die ihrer A r t nach Wettbewerbshandlungen sein können. Hiernach fallen unter das Verbot nur G e schäfte, die ihrer Art nach im Hinblick auf das wirklich betriebene Unternehmen der A G Wettbewerbshandlungen sein können. Entscheidend ist aber nicht, ob die A G selbst solche Geschäfte vornimmt, sondern ob im Rahmen eines wesentlich gleichartigen Unternehmens Geschäfte solcher Art vorgenommen werden können. Es ist also auch für Vorstandsmitglieder der — das gesetzliche Wettbewerbsverbot der Handlungsgehilfen betreffenden — Entscheidung R G 109, 355 zuzustimmen, nach der bei einer Bankgeschäfte betreibenden A G nicht alle Geschäfte des Bankgewerbes unter das Wettbewerbsverbot fallen, sondern nur Geschäfte in dem von der A G betriebenen G e schäftszweig des Bankgewerbes (dagegen Brodmann H G B § 2 3 6 Anm. i e ) . I n den Geschäftszweig der A G fallende Geschäfte wie z. B. Devisengeschäfte werden auch dann von dem Verbot betroffen, wenn die A G selbst solche nur auf fremde Rechnung vorzunehmen pflegt ( R G a. a. O.). Der wirkliche Geschäftsbetrieb ist auch dann m a ß -

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 79 Anm, 4

gebend, wenn er über den satzungsmäßigen hinausgeht. Nur nach der Anstellung des Vorstandsmitglieds vorgenommene Erweiterungen des Geschäftsbetriebs vermögen den Kreis der ihm verbotenen Geschäfte in der Regel nicht zu erweitern (Brodmann H G B § 236 Anm. 1 e). Ebenso ist der wirkliche Geschäftsbetrieb maßgebend, wenn er wesentlich hinter dem in der Satzung angegebenen Zweck zurückbleibt. Jedoch muß sich das Vorstandsmitglied Beschränkungen gefallen lassen, die sich aus einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs ergeben, die nicht über den satzungsmäßigen Zweck hinausgeht. Das Geschäft muß ein zu Erwerbszwecken vorgenommenes Geschäft sein; dies besagt der Ausdruck „Geschäfte machen", der in seiner geläufigen Bedeutung zu verstehen ist und also eine andere Bedeutung als „Rechtsgeschäfte abschließen" hat (vgl. R G in J W 1 9 1 1 , 57 69 ; abw. O L G Hamburg in Recht 1901 Nr. 53a); gemeint ist eine „spekulative Tätigkeit" ( K G in O L G R 1, 228). Sowohl Geschäfte für eigene wir für fremde Rechnung sind verboten, wie das Gesetz ausdrücklich sagt. Das Gesetz sagt nichts davon, daß das Verbot sich nur auf das Geschäftemachen im e i g e n e n N a m e n beziehe; ein Grund zu einer einschränkenden Auslegung in diesem Sinn ist nicht ersichtlich (a.A. Brodmann HGB §236 Anm. i b ) . Auch durch im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Vorstandsmitglieds handelnde Personen darf dieses nicht im Geschäftszweig der A G Geschäfte machen. Für die Vorstände von Kapitalanlage-Gesellschaften gilt über § 79 hinaus die Sonderregelung in § 5 des G über Kapitalanlagegesellschaften vom 16. 4. 57 (BGBl I S. 378), wonach auch bestimmte Privatgeschäfte der Organe (Vorstand und Aufsichtsrat) mit der Gesellschaft verboten sind. Anm. 4 3. Fällt unter § 79 auch die Ü b e r n a h m e des A m t s des V o r s t a n d s einer A G oder d e s G e s c h ä f t s f ü h r e r s einer G m b H ? Nach Brodmann (HGB § 236 Anm. i b ; ebenso Schlegelberger-Quassowski § 79 Anm. 4) liegt darin der Betrieb eines Handelsgewerbes. Das Vorstandsmitglied darf also überhaupt nicht Vorstand einer andern A G oder Geschäftsführer einer GmbH werden. Nach Staub (HGB Anm. 4 zu § 236 i. Verb, m. Anm. 6 zu § 60) liegt darin ein Geschäftemachen für fremde Rechnung; das Vorstandsmitglied darf also nicht Vorstand einer A G oder Geschäftsführer einer GmbH werden, deren Unternehmen in dem Geschäftszweig der A G Geschäfte betreibt (im Ergebnis ebenso Baumbach-Hueck Anm. 2 und Ritter Anm. 2 sowie Teichmann-Köhler Anm. 1). Beide Ansichten sind mit dem Wortlaut des Gesetzes kaum in Einklang zu bringen. Unter dem Betrieb eines Handelsgewerbes wird sonst immer nur der Betrieb auf eigene Rechnung und im eigenen Namen verstanden; vgl. R G 67, 4. Ebenso bezieht sich nach dem ursprünglichen Wortsinn das „Geschäftemachen" nicht auf die Übernahme des Amts des Vorstands einer A G oder des Geschäftsführers einer GmbH. Die verbotene Handlung soll aber offenbar schon die Übernahme eines solchen Amt» sein, nicht erst die Vornahme von Geschäften für die fremde A G oder GmbH (vgl. R G 73, 423). Die Anwendung des § 79 scheint aber auch nicht durch den Zweck der Bestimmung gefordert. Deren eigentliche Bedeutung liegt nicht in der Schadensersatzpflicht des Vorstandsmitglieds, da ein greifbarer Schaden selten vorliegen wird und die Schadensersatzpflicht sich auch anders begründen läßt, sondern in dem Eintrittsrecht der AG. Gerade dieses paßt aber hier in keiner Weise. Demnach ist die Anwendbarkeit des § 79 auf den Fall, daß das Vorstandsmitglied Vorstand einer anderen A G oder Geschäftsführer einer GmbH wird, überhaupt abzulehnen (wie hier v. GodinWilhelmi Anm. 2). Auch die Übernahme eines Aufsichtsratmandats fällt nicht unter § 79 (allg. Ansicht). Daraus ist freilich nicht zu schließen, daß dem Vorstandsmitglied erlaubt sei, nach seinem Belieben in den Vorstand einer anderen A G einzutreten oder Geschäftsführer einer GmbH zu werden. Wenn das Vorstandsmitglied auf Grund des Anstellungsvertrages seine ganze Arbeitskraft der A G zu widmen verpflichtet ist, folgt daraus ohne weiteres, daß es nicht Vorstand einer andern A G oder Geschäftsführer einer GmbH sein darf. Ebenso ist es nach Treu und Glauben auf Grund des Anstellungsvertrages verpflichtet, der A G keinen Wettbewerb zu machen und sich nicht an einem im Wettbewerb der A G stehenden Unternehmen zu beteiligen. Die Verletzung dieser Verpflich-

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§ 79

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm, 5, 6 tungen macht den Vorstand schadensersatzpflichtig aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des Dienstvertrages; daneben kann eine Schadensersatzpflicht aus § 84 sowie gegebenenfalls aus § 294 i. V . m. § 823 I I BGB bestehen. Nach denselben Gesichtspunkten ist auch zu beurteilen, ob der Vorstand Handlungsgehilfe in einem anderen Unternehmen sein darf und ob er ein Geschäft seiner Ehefrau führen darf.

Anm. 5 4. Die E i n w i l l i g u n g des A u f s i c h t s r a t s beseitigt das Wettbewerbsverbot. Daraus folgt zugleich, daß die Bestimmung kein zwingendes Recht enthält. Die Einwilligung kann auch im Anstellungsvertrag oder in der Satzung erteilt werden (BaumbachHueck Anm. 2 C). Ob sie widerruflich erteilt ist, ist Auslegungsfrage. Die im Anstellungsvertrag erteilte Einwilligung ist als unwiderruflich anzusehen. Sonst wird im Zweifel anzunehmen sein, daß die Einwilligung in den Betrieb eines Handelsgewerbes unwiderruflich, die Einwilligung in das Geschäftemachen im Geschäftszweig der A G widerruflich erteilt ist. Die Einwilligung kann auch stillschweigend erteilt werden (vgl. §§ 60 Abs. 2, 1 1 2 Abs. 2 HGB), und auf eine stillschweigende Einwilligung wird in der Regel zu schließen sein, wenn der Aufsichtsrat von dem Vorstandsmitglied in Kenntnis gesetzt wird und nicht widerspricht oder wenn der Aufsichtsrat gleichartige gegen das Wettbewerbsverbot verstoßende Handlungen kennt und längere Zeit hindurch widerspruchslos duldet (vgl. aber R G 109, 355). Der Aufsichtsrat kann über entstandene Schadensersatzforderungen nicht verfügen und daher die Einwilligung, die schon begrifflich vorherige Zustimmung ist, nicht nachträglich aussprechen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; teilw. abweichend v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Daß der Aufsichtsrat durch nachträgliche Genehmigung die Rechtswidrigkeit der gegen das Wettbewerbsverbot verstoßenden Handlungen beseitigen könnte (so Brodmann H G B § 236 Anm. 2), ist nicht anzunehmen. Nur soweit die Handlungen eine wirtschaftliche Einheit bilden und noch nicht abgeschlossen sind, wird mit der Erteilung der Einwilligung durch den Aufsichtsrat auch die Rechtswidrigkeit der in der Vergangenheit liegenden Handlungen wegfallen.

Anm. 6 I I I . 1. Verstößt ein Vorstandsmitglied gegen das Verbot, so ist es der A G s c h a d e n s e r s a t z p f l l c h t l g . Daneben hat die A G aber auch ein E i n t r i t t s r e c h t , das praktisch viel wichtiger ist, weil ein Schaden oft nicht nachzuweisen ist. Dieses Eintrittsrecht ist den Vorschriften der §§ 60, 61 und 1 1 2 , 1 1 3 H G B nachgebildet, so daß Rspr. und Lehre zu diesen Bestimmungen auch für das Aktienrecht insoweit gilt. Die A G kann nicht Schadensersatz verlangen und gleichzeitig das Eintrittsrecht ausüben. Sie ist an die einmal getroffene Wahl insoweit gebunden, als die Ausübung des Eintrittsrechts die Geltendmachung von Schadensersatz ausschließt, nicht aber umgekehrt (wie hier Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; Baumbach-Hueck Anm. 3 ; abw. die Vorauf!, unter Bezugnahme auf Brodmann § 236 Anm. 3 und Ritter Anm. 3, wonach keinerlei Bindung besteht und die früher herrschende Lehre, die jedes Abweichen von der einmal getroffenen Wahl ausschloß, s. v. Godin-Wilhelmi Anm. 6 und O L G Hamburg, O L G R 7, 149). Wegen der kurzen Verjährung nach Abs. 3 wird daher praktisch das Eintrittsrecht immer in erster Linie geltend gemacht werden müssen. Das ist auch sinnvoll, da dieses Recht einen weitgehenden Eingriff" in bestehende Rechtsverhältnisse beinhaltet und daher im Interesse der Rechtssicherheit eine schnelle Klärung erforderlich ist. Die Schadensersatzpflicht richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Die A G kann also in erster Linie Naturalrestitution beanspruchen und gegebenenfalls auch entgangenen Gewinn (§ 252 BGB). Der vom ungetreuen Vorstandsmitglied erzielte Gewinn ist allerdings nur dann ein ersatzpflichtiger Schaden der A G , wenn nach Lage der Sache anzunehmen ist, daß die Gesellschaft ohne das wettbewerbswidrige Verhalten des Vorstandsmitglieds das gewinnbringende Geschäft gemacht hätte, vgl. R G 89, 99 (103f.). Ist dieser oft schwierige Beweis nicht zu führen und ein Schaden der A G auch sonst nicht zu begründen, so bleibt nur das Eintrittsrecht. Wo dieses nicht durchsetzbar, wie im Falle der Beteiligung an einer O H G (Anm. 7) oder bei sonstigen gesellschaftsrechtlichen Bindungen des das Wettbewerbsverbot verletzenden Vorstandsmitglieds, kann aber ein „Eintritt" unter

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 79 Anm. 7—9 den Voraussetzungen der §§ 249, 252 BGB möglicherweise als Schadensersatz geltend gemacht werden, vgl. R G 145, 35f.; 165, 260 (268fF.). Wegen Einzelheiten muß auf die Kommentierungen des BGB verwiesen werden. § 79 gewährt keinen Anspruch gegen den Vertragspartner des Vorstandsmitglieds, es sei denn, es liegt ein bewußt sittenwidriges Zusammenwirken zur Schädigung der AG vor (§§ 826 BGB, 1 UWG) oder eine Teilnahmehandlung an einer gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 823 Abs. 1 oder 2 BGB), vgl. R G 108, 58f.; 143, 267 (274); 114, 68 (72). Anm. 7 2. Das Eintrittsrecht besteht in dem Recht zu verlangen, daß das Vorstandsmitglied die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete. Die AG kann den Gewinn oder die Vergütung herausverlangen. Sie tritt nicht etwa in das Rechtsverhältnis des Vorstandsmitglieds zu seinem Geschäftsgegner ein; die Ansprüche gegen diesen gehen nicht ohne Abtretung auf sie über. Das Eintrittsrecht besteht nur hinsichtlich der von dem Vorstandsmitglied „gemachten Geschäfte", also nicht im Fall einer Beteiligung an einer offenen Handelsgesellschaft (h. L. s. R G 73, 423; R G J W 1911, 5759, beide das Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen betreffend; vgl. auch OLG Köln in Recht 1909 Nr. 2518). Die Bestimmung ist einschränkend auszulegen, weil sie für den Verpflichteten eine große Härte bedeutet und dem Berechtigten einen Gewinn gibt, den er selbst nicht erzielt hätte (RG a. a. O.). Demgemäß wird das Eintrittsrecht auch im Fall des selbständigen Betriebs eines Handelsgewerbes zu verneinen sein. Wenn mehrere Rechtsgeschäfte zusammen eine wirtschaftliche Einheit bilden, ist Gegenstand des Eintrittsrechts nicht jedes einzelne Rechtsgeschäft (RG in J W 1911, 5759), sondern nur die Gesamtheit der eine wirtschaftliche Einheit bildenden Geschäfte. Das Vorstandsmitglied, das die von ihm gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten lassen muß, ist wie ein Beauftragter nach § 666 BGB zur Auskunftserteilung und Rechenschaftsablegung verpflichtet. Anm. 8 3. Neben den in § 79 geregelten Rechten besteht ein Anspruch der AG auf Unterlassung. Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot wird auch oft einen Grund zur A b b e r u f u n g und fristlosen K ü n d i g u n g bilden (§ 75 Anm. 17). Im Anstellungsvertrag kann auch eine V e r t r a g s s t r a f e für den Fall der Verletzung des Wettbewerbsverbots vereinbart werden. Die Vertragsstrafe unterliegt bei unverhältnismäßiger Höhe der richterlichen Herabsetzung gemäß § 343 BGB, da es sich nicht um eine von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochene Vertragsstrafe (HGB § 348) handelt. Das Verlangen der Vertragsstrafe schließt die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht aus (BGB § 340 Abs. 2 S. 2). Hingegen ist im Hinblick auf die Verwandtschaft, die zwischen der Vertragsstrafe und dem Schadensersatzanspruch besteht, anzunehmen, daß neben dem Eintrittsrecht die Vertragsstrafe ebensowenig wie Schadensersatz verlangt werden kann. Anm. 9 IV. Nach Abs. 3 unterliegen die Ansprüche aus § 79 einer besonderen doppelten Verjährung. Eine V e r j ä h r u n g s f r i s t von drei Monaten läuft von dem Zeitpunkt, in dem alle übrigen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats von der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangen. Auch jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied muß die Kenntnis erlangt haben (allg. Ansicht); die früher in dieser Hinsicht bestehenden Zweifel läßt der jetzige Wortlaut des Gesetzes nicht mehr zu. Der Grundsatz, daß das Wissen nur eines Gesamtvertreters genügt (Anm. 21 zu § 75), ist hier durchbrochen. Auf welche Weise die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder die Kenntnis erlangt haben, ist unerheblich (Schlegelberger-Quassowski Anm. 9). Kenntnis der Hauptversammlung, die Brodmann HGB § 236 Anm. 4 für ausreichend 517

§ 79 A n m . 10 §80

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hielt, genügt bei der veränderten Stellung der Hauptversammlung nicht. Ohne Rücksicht auf die Kenntnis der übrigen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats v e r j ä h r e n die A n s p r ü c h e in f ü n f J a h r e n . Die dreimonatige Verjährungsfrist läuft seit der Kenntnis von „der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung", die fünfjährige Verjährungsfrist seit „der Entstehung" der Ansprüche. Besteht die Wettbewerbshandlung in einem Geschäftemachen in dem Geschäftszweig der AG, so läuft die Verjährung von dem Abschluß des Geschäfts an. Besteht sie in einem Betrieb des Handelsgewerbes, so ist als die zum Schdensersatz verpflichtende Handlung der Beginn des Gewerbebetriebes anzusehen; die dreimonatige Verjährungsfrist läuft also von diesem Zeitpunkt ab ( R G J W 1906, 39830). Andererseits entsteht jedoch der Schadensersatzanspruch während des Betriebes des Gewerbes stets neu; die fünfjährige Verjährungsfrist beginnt also stets neu zu laufen. Anders die herrschende Lehre (Brodmann HGB § 236 Anm. 4; Schlegelberger-Quassowski Anm. 9; v. Godin-Wilhelmi Anm. 8), nach der auch hier der Beginn des Unternehmens maßgebend ist; aber dann könnten auch die Schadensersatzansprüche wegen eines noch gegenwärtig von dem Vorstandsmitglied betriebenen Handelsgewerbes, von dem die A G erst jetzt Kenntnis erhält, schon verjährt sein! Die Frage ist eine ganz andere als bei der kurzen seit Kenntnis laufenden Verjährungsfrist. Zugleich mit dem Schadensersatzanspruch verjährt auch der Unterlassungsanspruch (RG J W 1906, 39830). Das gleiche wird für den Anspruch auf eine vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe anzunehmen sein. Ebenso erscheint eine entsprechende Anwendung auf Schadensersatzansprüche auf Grund des Vertrages wegen Übernahme des Amts eines Vorstandsmitglieds oder Geschäftsführers in einer andern Gesellschaft (Anm. 4) geboten. A n m . 10 V. Die Bestimmung des § 79 gilt nicht für v e r t r a g l i c h v e r e i n b a r t e W e t t b e w e r b s v e r b o t e f ü r die Z e i t n a c h B e e n d i g u n g des A n s t e l l u n g s v e r h ä l t nisses. Die Vorschriften über Handlungsgehilfen (§§ 74fr. HGB) sind nicht anwendbar (vgl. Anm. 1). Solche Vereinbarungen sind ausschließlich nach den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Wird die Freiheit des Vorstandsmitglieds, sich gewerblich zu betätigen, in einer den guten Sitten zuwiderlaufenden Weise beschränkt, so ist die Vereinbarung nach BGB § 138 nichtig. Das G gegen Wettbewerbsbeschränkungen (KartellG) steht einem vereinbarten Wettbewerbsverbot nicht entgegen (s. auch Einleitung oben). Ausgeschiedene Vorstandsmitglieder, die ein Ruhegehalt beziehen, unterliegen weiterhin einer, wenn auch beschränkten, Treupflicht gegenüber der A G (Anm. 2 1 a zu § 75); sie sind daher nach Treu und Glauben gehalten, keine unmittelbar schädigende Konkurrenz, womöglich unter Verwertung der während ihrer aktiven Tätigkeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen, wie Betriebsgeheimnisse, Kundenkreis u. dgl., zu betreiben. Andernfalls setzen sie sich dem Verlust ihrer Ruhegehaltsansprüche aus, OGHZbrZ 4, 227 (s. auch Anm. 7a zu § 78). § 8 0 Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (1) V o r s t a n d s m i t g l i e d e r n und leitenden Angestellten der G e s e l l s c h a f t darf Kredit n u r m i t ausdrücklicher Z u s t i m m u n g des A u f s i c h t s r a t s g e w ä h r t w e r d e n . Leitende Angestellte s i n d die G e s c h ä f t s f ü h r e r u n d Betriebsleiter, die zur selbständigen Einstellung oder E n t l a s s u n g der übrigen i m Betriebe oder i n der Betriebsabteilung B e s c h ä f t i g t e n berechtigt sind oder denen P r o k u r a oder Generalvollmacht erteilt i s t . E b e n s o dürfen Kredite an gesetzliche Vertreter oder leitende Angestellte e i n e s abhängigen oder herrschenden U n t e r n e h m e n s n u r m i t ausdrücklicher Z u s t i m m u n g des A u f s i c h t s r a t s des h e r r schenden U n t e r n e h m e n s g e w ä h r t w e r d e n . Die Z u s t i m m u n g kann für g e w i s s e Kreditgeschäfte oder A r t e n v o n Kreditgeschäften i m v o r a u s , jedoch n i c h t länger a l s drei Monate erteilt w e r d e n . D e r Z u s t i m m u n g s b e s c h l u ß h a t a u c h

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 80 Einl., A n m . 1 die Verzinsung und Rückzahlung des Kredits zu regeln. Der Gewährung eines Kredits steht die Gestattung einer Entnahme gleich, die über die dem Entn e h m e r zustehende Vergütung hinausgeht, namentlich auch die Gestattung der E n t n a h m e von Vorschüssen auf Vergütungen. (2) Kredite, die ein Monatsgehalt nicht übersteigen, fallen nicht unter Abs. 1. (3) Diese Vorschriften gelten auch für Kredite an den Ehegatten oder an ein minderjähriges Kind eines Vorstandsmitglieds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder eines leitenden Angestellten; sie gelten ferner für Kredite an einen Dritten, der für Rechnung einer Person handelt, an die n u r m i t Zus t i m m u n g des Aufsichtsrats Kredit gewährt werden darf. (4) Wird entgegen Abs. 1 bis 3 Kredit gewährt, so ist der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzuzahlen, wenn nicht der Aufsichtsrat nachträglich z u s t i m m t . bersicht im. Einleitung I. Betroffener Personenkreis 1. Vorstandsmitglieder. . . 2. leitende Angestellte . . . 3. bei Konzerngesellschaften 4. Ehegatten und Kinder 5. Strohmänner II. 1. Kredit i. S. von § 80 . . 2. Ausnahmen I I I . Zustimmung des Aufsichtsrats 1. Zuständigkeit 2. ausdrückliche Beschlußfassung 3. Einwilligung und Genehmigung

j 2

2 4 5 g y 8 9 10

Anm. 4. Inhalt des Zustimmungsbeschlusses 5. Umfang einer vorherigen Zustimmung 6. Dreimonatsfrist

IV. Vertretungsfragen

Ii 12 13 14

V. Rechtsfolgen bei fehlender ZuStimmung 15—16 V I . 1. Zwingendes Recht . . . 2. Erschwerungen kraft Satzung 3. Schadensersatzpflicht . . VII. R e f o r m b e s t r e b u n g e n . . . .

17 18 10 20

Einleitung Die Vorschrift entspricht im ganzen § 240 a HGB und hat ihr Vorbild in § 14 KreditwesenG vom 5. 12. 34 RGBl. I 1203 (vgl. auch § 39 Abs. 2 GenG). Das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats ist erweitert auf Kredite an leitende Angestellte. Der Zustimmungsbeschluß des Aufsichtsrats muß jetzt nicht nur bei Darlehen, sondern bei allen Arten von Krediten die Verzinsung und Rückzahlung regeln. Ausgenommen von der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats sind nunmehr Kredite, die ein Monatsgehalt nicht übersteigen. Uber die Wirkung eines Verstoßes gegen die Bestimmung enthält Abs. 4 eine neue Vorschrift, die zu erheblichen Zweifeln Anlaß gibt. Die früher in §24oa HGB im Zusammenhang mit dem Kreditverbot behandelte Schadensersatzpflicht der diesem zuwiderhandelnden Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder ist jetzt in der allgemeinen Bestimmung über die Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder geregelt (§§84, 99). Publizitätsvorschriften enthält § 131 Abs. 1 A I I I 10 (und 11). Anm. 1 I. Betroffener Personenkreis 1. Dem Erfordernis der ausdrücklichen Zustimmung des Aufsichtsrats unterliegen Kredite an Vorstandsmitglieder, stellvertretende Vorstandsmitglieder (§ 85), gerichtlich bestellte Vorstandsmitglieder (§76), Abwickler (s. Anm. 12 zu § 209) und leitende Angestellte der AG und eines abhängigen oder herrschenden Unternehmens. Für A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r gilt sie nicht; jedoch werden diese 519

§80 A n m . 2—4

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von dem Verbot betroffen, wenn sie nach § 90 Abs. 2 zu Vertretern von behinderten Vorstandsmitgliedern bestellt sind (unstreitig). Das Verbot gilt für die Zeit vom Erwerb des^Vorstandsamts bis zu seiner Beendigung; auf die Eintragung im Handelsregister kommt es nicht an. Anm. 2 2. Leitende Angestellte sind nach Abs. 1 S. 2 Geschäftsführer und Betriebsleiter, die zur selbständigen Einstellung oder Entlassung der übrigen im Betriebe oder in einer Betriebsabteilung Beschäftigten berechtigt sind oder denen Prokura oder Generalvollmacht erteilt ist. Die Funktion des Geschäftsführers oder Betriebsleiters muß hiernach entweder mit der Befugnis zur Einstellung oder Entlassung der übrigen Betriebsangehörigen oder mit Prokura oder Generalvollmacht verbunden sein. Ein Personalreferent, der selbständig Angestellte und Arbeiter einstellt, wird z. B. nicht zu den leitenden Angestellten gehören, da er nicht Geschäftsführer oder Betriebsleiter ist. Dagegen fallen hierunter Leiter einer Zweigniederlassung oder eines sonstigen Geschäftszweigs oder Betriebs, dem eine gewisse organisatorische Selbständigkeit zukommt, wenn sie die Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis haben. Auch Prokuristen und Generalbevollmächtigte fallen nur unter die Bestimmung, wenn sie Geschäftsführer oder Betriebsleiter eines mit einer gewissen Selbständigkeit gegenüber dem Vorstand ausgestatteten Betriebs oder Geschäftszweigs sind; das Recht zur selbständigen Einstellung oder Entlassung der übrigen in dem Betrieb oder der Betriebsabteilung Beschäftigten braucht ihnen nicht zuzustehen. Der Kreis der „leitenden Angestellten" im Sinne von § 80 ist also ein anderer und engerer als nach § 4 Abs. 2 c BetrVerfG oder § 12 c KSchG (vgl. Mumm BB 53, 4 1 5 ; Baumbach-Hueck Anm. 2). Anm. 3 3. Auch die gesetzlichen Vertreter und leitenden Angestellten eines abhängigen oder herrschenden Unternehmens fallen unter die Bestimmung. Uber den Begriff des abhängigen und herrschenden Unternehmens siehe die Anmerkungen zu § 15. Die Bestimmung gilt nur für Aktiengesellschaften. Das k r e d i t g e w ä h r e n d e U n t e r n e h m e n , d. h. dasjenige Unternehmen, für dessen Rechnung der Kredit gewährt wird, muß also eine A k t i e n g e s e l l s c h a f t sein. Das abhängige oder herrschende Unternehmen, dem der Kreditnehmer angehört, braucht nicht eine Aktiengesellschaft zu sein. Die Rechtsform dieses Unternehmens ist ohne Belang (vgl. hierzu § 15 Anm. 2 Z. 1). Umgekehrt greift die Bestimmung nicht ein, wenn zwar das abhängige oder herrschende Unternehmen, nicht aber das kreditgewährende eine A G ist. Bayer (BB 1956,871 insbes. 873) will demgegenüber § 80 auch dann angewandt wissen, wenn ein abhängiges, nicht in der Rechtsform der A G betriebenes Unternehmen an Vorstandsmitglieder oder leitende Angestellte einer A G Kredit gewährt. Richtig ist sicher, daß eine derartige Regelung wünschenswert wäre, um eine Umgehung des § 80 zu verhindern. Da aber § 80 nach Sinn und Wortlaut eine Sondervorschrift des AktR ist, geht es nicht an, sie auf andere Konzernverhältnisse anzuwenden. Auch Bayer a. a. O. hält im umgekehrten Fall Kreditgewährung durch ein nicht als A G betriebenes herrschendes Unternehmen § 80 nicht für anwendbar. Die Lücke könnte nur durch ein einheitliches, für alle Unternehmensformen geltendes Konzernrecht geschlossen werden, vgl. auch Anm. 20. Anm. 4 4. Nicht nur Kredite an die vorgenannten Personen selbst, sondern auch an ihre Ehegatten oder minderjährigen Kinder fallen nach Abs. 3 unter das Verbot. Ein Kredit an einen g e s c h i e d e n e n E h e g a t t e n fällt nicht unter die Bestimmung, da ein solcher rechtlich nicht mehr als Ehegatte anzusehen ist, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt. K i n d e r sind die ehelichen Kinder einschließlich der legitimierten und adoptierten. Streitig ist, ob auch uneheliche Kinder, Pflegekinder und Stiefkinder dahin zu rechnen sind (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 9; dagegen v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Daraus, daß das Gesetz einerseits nur nächste Verwandte und nicht z.B. Mündel, andererseits Kinder nur im Fall ihrer Minderjährigkeit unter die Vorschrift fallen läßt, geht hervor, daß das Gesetz erstens ein Familienband und zweitens eine 520

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§ 80

Anm, 5, 6

weitgehende rechtliche Abhängigkeit fordert. Uneheliche Kinder, die einen anderen gesetzlichen Vertreter haben, und Pflegekinder, die durch kein Familienband mit den unter Abs. i fallenden Personen verknüpft sind, werden daher durch die Bestimmung nicht betroffen (so jetzt auch Baumbach-Hueck Anm. 3 gegen fr. Aufl.). Dagegen wird anzunehmen sein, daß uneheliche Kinder und auch volljährige nicht voll geschäftsfähige Kinder unter die Bestimmung fallen, wenn der Vater zu ihrem Vormund bestellt ist. Unter dieser Voraussetzung dürften auch Kredite an minderjährige Enkel und Stiefkinder zustimmungspflichtig sein. Zu einer darüber hinausgehenden Ausdehnung der Bestimmung liegt kein Grund vor. Es genügt, daß sonstige nahe Beziehungen verwandtschaftlicher und anderer Art in tatsächlicher Hinsicht bei der Feststellung gewürdigt werden können, ob der Dritte für Rechnung einer der unter das Verbot fallenden Personen handelte (Anm. 5).

Anm. 5 5. Das Kreditverbot richtet sich ferner nach Abs. 3 gegen D r i t t e , die f ü r R e c h -

nung der von dem Verbot betroffenen Personen handeln, sog. Strohmänner.

Die Bestimmung bezieht sich nicht nur auf Personen, die für Rechnung der unter Abs. 1 fallenden Vorstandsmitglieder, gesetzlichen Vertreter und leitenden Angestellten selbst, sondern auch auf solche, die für Rechnung der nach Abs. 3 ebenfalls von dem Verbot betroffenen Angehörigen jener handeln.

Anm. 6 I I . 1. „ K r e d i t " ist ein wirtschaftlicher Begriff und auch hier als solcher zu verstehen. Kredit ist die Zurverfügungstellung oder Belassung von Mitteln auf Zeit. Die Rechtsform ist unerheblich. Es muß sich nur um die Erstattung einer früher bewirkten Leistung oder um das Entgelt für eine früher bewirkte Gegenleistung handeln. Darlehen fallen ebenso darunter wie Kreditkäufe, Kommissionsgeschäfte, bei denen der Kommissionär den Gegenwert vorschießt usw. Das Gesetz stellt in Abs. 1 S. 6 den Krediten ausdrücklich Entnahmen, die über die dem Entnehmer zustehende Vergütung hinausgehen, insbesondere die Entnahme von Vorschüssen auf Vergütungen, gleich. Unerheblich ist, ob und in welcher Form eine Sicherstellung der A G für den gewährten Kredit erfolgt; Warenkredite, Rembourskredite, sonstige Wechselkredite, Kontokorrentkredite fallen in gleicher Weise unter das Gesetz. Auch die Inanspruchnahme des Kredits der A G ist eine Kreditgewährung. Die Annahme eines Gefälligkeitsakzepts, die Übernahme einer Bürgschaft, die Leistung von Sicherheiten durch die A G stellt daher eine Kreditgewährung dar. Nach dem Zweck der Bestimmung ist anzunehmen, daß eine Stundung oder eine Vorleistung der A G dann nicht als Kreditgewährung anzusehen ist, wenn sie im Verkehr üblich ist und nicht als Kredit aufgefaßt wird, z.B. postnumerando zu zahlende Miet- oder Pachtzinsen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). Im Falle eines Vergleichs über eine dem Grund und der Höhe nach streitige Forderung wird die Zusage eines in Raten zahlbaren Betrages nicht als Kreditgewährung anzusehen sein, da die von dem Vorstand geschuldete Leistung nicht eine Rückzahlung einer empfangenen Leistung oder ein Entgelt für eine früher bewirkte Gegenleistung ist. Steht dagegen ein Schadensersatzanspruch dem Grund und der Höhe nach fest, so ist die Belassung über den Zeitpunkt der Fälligkeit hinaus ein zustimmungspflichtiger Kredit. Auch Kreditvorverträge fallen unter die Bestimmung. Soweit auf Grund eines wirksamen Kreditvorvertrages ein Anspruch auf Gewährung des Kredites besteht, bedarf es zur Gewährung des Kredits der Zustimmung des Aufsichtsrats nicht. — Im Gegensatz zu den nicht von der A G geschuldeten Entnahmen stellt der Ersatz von A u s l a g e n keine Kreditgewährung dar. Das gleiche gilt für Vorschüsse für alsbald erforderlich werdende Aufwendungen, z.B. für Reisekosten. Ist ein zu hoher Vorschuß erhoben, muß der Mehrbetrag sofort zurückerstattet oder gegen Forderungen des Vorstandsmitglieds (z.B. fällige Gehaltsansprüche) verrechnet werden. Eine Verrechnung gegen künftige Gehaltsansprüche würde gegen Abs. 1 Satz 6 verstoßen und als „Gestattung der Entnahme von Vorschüssen auf Vergütungen" zustimmungspflichtig sein (zust. Schlegelberger-Quassowski Anm. 3).

521

§80

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Anm. 7—11 Anm. 7 a. Ausgenommen von der Zustimmungspflicht sind nach Abs. a K r e d i t e , die ein

Monatsgehalt nicht übersteigen. Maßgebend ist das Gehalt des Empfängers des Kredits, bei Kreditgewährung an einen Verwandten oder Dritten das Gehalt derjenigen Person, derentwegen der Kredit zustimmungspflichtig ist. Zum Monatsgehalt sind nur die festen regelmäßigen Gehaltszahlungen zu rechnen; nichtgarantierte Gewinnbeteiligungen, Naturalleistungen, einmalige Sonderzuwendungen und Entschädigungen und dergl. sind nicht zu berücksichtigen. Kredite an Vorstandsmitglieder oder leitende Angestellte, die kein festes Gehalt, sondern nur eine nicht garantierte Gewinnbeteiligung erhalten, sind also ohne Rücksicht auf ihre Höhe zustimmungspflichtig. Gehaltsabzüge, die die A G für Rechnung des Gehaltsempfängers zu machen hat, z.B. für Steuern, mindern das Gehalt im Sinne des Abs. a nicht (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 2 G).

Anm. 8 III. Zustimmung des Aufsichtsrats 1. Die Kredite bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung des Aufsichtsrats.

Der Wortlaut des Gesetzes zwingt nicht zu der Annahme, daß der Aufsichtsrat die Entscheidung über die Zustimmung nicht einem Ausschuß gemäß § 92 Abs. 4 überlassen kann (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Anm. a D ; v. GodinWilhelmi Anm. a; Teichmann-Köhler Anm. 3 b ; a. A. Staub H G B § 340a Anm. 9 und die dort Angeführten). Hingegen kann die Entscheidung nicht dem Vorsitzer oder sonst einem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats übertragen werden. Die Zustimmung ist nach S. 3 nicht von dem Aufsichtsrat der kreditgewährenden AG, sondern von'^dem Aufsichtsrat des h e r r s c h e n d e n Unternehmens zu erteilen, sofern dieses von der A G verschieden ist. Einer Zustimmung des Aufsichtsrats des beherrschten Unternehmens bedarf es nicht (Baumbach-Hueck Anm. a D; a. A. Teihmann-Köhler Anm. 3a). Da das herrschende Unternehmen keine A G zu sein braucht, kann es sein, daß es keinen Aufsichtsrat hat. Dann ist nicht anzunehmen, daß eine Möglichkeit der Kreditgewährung nicht besteht, sondern daß die Zustimmung von demjenigen Organ zu erteilen ist, welches die Geschäftsführung überwacht, bei der GmbH also von der Gesellschaftsversammlung, falls ein Aufsichtsrat nicht bestellt ist (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 1 ; Baumbach-Hueck Anm. a D ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5). Ist das herrschende Unternehmen eine Einzelfirma, so kommt eine Zustimmung nicht in Betracht (Ritter Anm.4f).

Anm. 9 a. Die Zustimmung muß a u s d r ü c k l i c h erteilt werden, d. h. es ist ein B e s c h l u ß erforderlich, auf Grund dessen die Zustimmung dem Vorstand der kreditgewährenden A G oder dem Empfänger des Kredits gegenüber zu erklären ist. Wissentliche Duldung oder eine sonstige Form der stillschweigenden Zustimmung genügt nicht (h. A.). Für die Wirksamkeit des Beschlusses gelten die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen von Aufsichtsratsbeschlüssen (§ ga Anm. 1 1 u. 15).

Anm. 10 3. Die Zustimmung muß grundsätzlich vor der Gewährung des Kredits erteilt werden. Der Begriff der Zustimmung umfaßt zwar im allgemeinen sowohl die vorherige Zustimmung oder Einwilligung als auch die nachträgliche Zustimmung oder Genehmigung. Da aber der Kredit nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats gewährt werden darf, also nicht, wenn die Zustimmung ungewiß ist, muß zur Zeit der Gewährung des Kredits die Zustimmung schon vorliegen. Ist freilich der Vorschrift des § 80 zuwider der Kredit ohne Zustimmung des Aufsichtsrats erteilt worden, so kann der Mangel durch die Genehmigung des Aufsichtsrats geheilt werden.

Anm. 11 4. Der Zustimmungsbeschluß muß nach Abs. 1 S. 5 auch die V e r z i n s u n g u n d R ü c k z a h l u n g des K r e d i t s r e g e l n , und zwar stets, nicht — wie nach früherem Recht — nur, wenn er in Form eines Darlehns gewährt wird. Daß der Kredit verzins522

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 80 A n m , 12, 13 lieh sein muß, ist damit nicht bestimmt. Die Natur des Kredits kann auch eine Verzinsung und eine besondere Regelung der Rückzahlung ausschließen, so z. B., wenn die AG für das Vorstandsmitglied eine Bürgschaft in Höhe eines bestimmten Betrages übernimmt. In solchen Fällen ist für eine Verzinsung und Rückzahlung in dem Aufsichtsratsbeschluß kein Raum. Ebensowenig wie eine Verzinsung schreibt das Gesetz irgendwelche bestimmten RückZahlungsbedingungen vor. Das Gesetz gibt keinerlei Anhalt dafür, daß es Kredite von bestimmter Art oder mit bestimmten Inhalt für unzulässig erklären will. Die Vorschrift des § 8o will lediglich eine sorgfältig erwogene und klare Entscheidung des Aufsichtsrats herbeiführen, ohne diesen aber irgendwie hinsichtlich des Inhalts seines nach pflichtmäßigem Ermessen zu treffenden Beschlusses zu beschränken. Es braucht also nicht ein bestimmter Termin für die Rückzahlung vorgesehen zu werden, sondern es genügt die Vereinbarung einer Kündigungsfrist für die Gesellschaft (v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; Schlegelberger-Quassowski Anm. 13; Baumbach-Hueck Anm. 2 F). Die Kündigung kann auch auf lange Zeit hinaus ausgeschlossen sein, wenn dies der Aufsichtsrat den Umständen nach verantworten kann. Ein vollständiger Ausschluß der Kündigung bei einem auf unbestimmte Zeit gegebenen Kredit würde aber mit dem Wesen des Kredits in Widerspruch stehen. A n m . 12 5. Während die nachträgliche Zustimmung sich naturgemäß immer auf bestimmte Kreditgeschäfte bezieht, kann nach Abs. 1 S. 4 die Zustimmung für gewisse Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften i m voraus erteilt werden (mit einer sogleich zu erörternden zeitlichen Schranke). Unter gewissen Kreditgeschäften sind in jeder Hinsicht, namentlich auch der Höhe nach, bestimmte Geschäfte zu verstehen; nur die Zeit der Gewährung braucht nicht bestimmt zu sein. Nicht ganz deutlich ist, was das Gesetz unter „gewissen Arten von Kreditgeschäften" versteht. Man wird anzunehmen haben, daß es sich hierbei um gleichartige Kreditgeschäfte handelt, die bis auf die Höhe des Kredits bestimmt sind (Baumbach-Hueck Anm. 2 D; Staub HGB § 240a Anm. 12; vgl. Schlegelberger-Quassowski Anm. 12; v.Godin-Wilhelmi Anm. 6). Namentlich bezieht sich die Bestimmung des Abs. 1 S. 5 über das Erfordernis der Regelung der Verzinsung und Rückzahlung in dem Aufsichtsratsbeschluß auch auf die im voraus für gewisse Arten von Kreditgeschäften erteilte Zustimmung. A n m . 13 6. Die Zustimmung kann nicht f ü r l ä n g e r als 3 M o n a t e im voraus erteilt werden. Gemeint ist, daß die Zustimmung innerhalb von 3 Monaten vor Gewährung des Kredits erteilt sein muß, nicht etwa, daß der Kredit innerhalb von drei Monaten seit dem Beschluß des Aufsichtsrats abgedeckt sein muß. Dies ergibt der Zusammenhang sowie der Umstand, daß § 80 überhaupt keine Vorschrift über den Inhalt der Kredite an Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte, sondern nur über die notwendige Zustimmung des Aufsichtsrats trifft. Die Gewährung des Kredits selbst muß innerhalb von drei Monaten erfolgen, nicht nur der Abschluß des Kreditvertrages, sofern dieser nicht mit der Gewährung des Kredits zusammenfällt. Der Wortlaut erweckt Zweifel, ob die Dreimonatsfrist nur für die allgemeinen Zustimmungen oder auch für die Zustimmung zu einem bestimmten Rechtsgeschäft gilt. Ist unter einer „Zustimmung für gewisse Kreditgeschäfte" auch die Zustimmung für ein bestimmtes Kreditgeschäft zu verstehen? Dafür ließe sich anführen, daß es nicht im Sinn des Gesetzes liege, daß der Aufsichtsrat lange Zeit vor der Kreditgewährung, wenn sich die weitere Entwicklung noch nicht mit Sicherheit übersehen läßt, den Vorstandsmitgliedern oder leitenden Angestellten einen Kredit zusagt. Andererseits hat aber Abs. 1 S. 4 die Erteilung der Zustimmung für gewisse Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften im voraus zum Gegenstand und damit kann nicht an den Gegensatz zur nachträglichen Zustimmung gedacht sein, da Kredite ohne vorherige Zustimmung überhaupt nicht gewährt werden sollen (Anm. 10), sondern nur an den Gegensatz zwischen der Zustimmung zu einem bestimmten Geschäft und der Zustimmung zu einer Mehrheit von Kreditgeschäften, deren Zeitpunkt noch nicht feststeht. Doch ließe der Wortlaut des Gesetzes allenfalls auch die Auslegung zu, daß die Zustimmung 34

Aktiengesetz, 2. Aufl.

523

§80

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 14, 15 schlechthin nicht für länger als drei Monate im voraus erteilt werden kann und d a ß sie für diese Zeit nicht nur für ein bestimmtes Geschäft, sondern auch für gewisse Kreditgeschäfte und gewisse Arten von Kreditgeschäften erteilt werden kann. Die Auslegungin diesem Sinn hätte schwerwiegende Folgen; es würde z . B . der Aufsichtsrat einer Hypothekenbank nicht wirksam die Zustimmung dazu erteilen können, d a ß einem Vorstandsmitglied in einem halben Jahr eine Hypothek gegeben werden soll. Es ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber es deutlicher z u m Ausdruck gebracht hätte, wenn er derartiges hätte verbieten wollen. Daher scheint die engere Auslegung, nach der die Zustimmung zu einem einzelnen Geschäft nicht unter Abs. i S. 4 fällt und also unbeschränkt im voraus erteilt werden kann, richtiger (im Ergebnis ebenso Staub HGB§ 240a A n m . 13, 14; a. A . anscheinend Ritter A n m . 4 g ; wie hier Baumbach-Hueck A n m . 2 D ; vgl. v. Godin-Wilhelmi A n m . 6; Schlegelberger-Quassowski A n m . 12).

Anm. 14 I V . Z u m Abschluß der Kreditgeschäfte sind dieselben Personen befugt, die ü b e r haupt im Namen der A G abzuschließen berechtigt sind. Handelt es sich u m einen einem Vorstandsmitglied gewährten Kredit, so kann die Gesellschaft durch den A u f sichtsrat vertreten werden ( § 9 7 Abs. 1). In dem Abschluß durch den Aufsichtsrat liegt zugleich die Erteilung der Zustimmung. Daneben ist aber auch eine Vertretung; durch Vorstandsmitglieder oder gewillkürte Vertreter der A G zulässig (Anm. 3 zu § 9 7 und A n m . 8 zu § 7 4 ) . Das Vorstandsmitglied kann auch den Vertrag mit sich selbst abschließen, wenn die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Selbstkontrahierens gegeben sind (Anm. 23 zu § 71). W e n n der Vertrag seinem ganzen Inhalt nach in dem Aufsichtsratsbeschluß festgelegt ist, wird im Zweifel die Erlaubnis z u m Selbstkontrahieren als erteilt anzusehen sein.

Anm. 15 V. 1. Uber die Wirkung des Mangels der Zustimmung des Aufsichtsrats

bestimmt Abs. 4, d a ß der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzuzahlen ist, wenn nicht der Aufsichtsrat nachträglich zustimmt. H G B § 240a enthielt keine solche Bestimmung; mit Rücksicht darauf, d a ß in H G B § 240a nur eine Ersatzpflicht für die den Kredit g e w ä h r e n d e n Vorstandsmitglieder vorgesehen war, wurde von der herrschenden Lehre angenommen, d a ß in der Bestimmungeine B e s c h r ä n k u n g d e r g e s e t z l i c h e n V e r t r e t u n g s m a c h t des Vorstands liege und d a ß Kreditgeschäfte mangels Zustimmung des Aufsichtsrats nichtig oder wenigstensschwebend unwirksam seien (Staub § 240a A n m . 24fr. mit Nachweisen). A u c h j e t z t nehmen Schlegelberger-Quassowski A n m . 15 und Teichmann-Köhler A n m . 4 die Nichtigkeit bzw. schwebende Unwirksamkeit des gegen § 80 verstoßenden Kreditgeschäfts an. In dem Anspruch auf sofortige Rückzahlung g e m ä ß Abs. 4 sieht Schlegelberger einen neben dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bestehenden selbständigen RückZahlungsanspruch. Hingegen nehmen v. Godin-Wilhelmi A n m . 10 und Ritter A n m . 7 und 4 an, d a ß der Vertrag voll wirksam und nur der RückZahlungsanspruch kraft Gesetzes sofort fällig sei. D e m ist zuzustimmen. Für die gegenteilige Auffassung; fehlt es an einem Grunde, nachdem das Gesetz selbst den Rückforderungsanspruch eingeführt hat und überdies nicht nur die den Kredit gewährenden Vorstandsmitglieder, sondern auch die den Kredit nehmenden Vorstandsmitglieder haften läßt (§ 84 Abs. 3 Z. 7). Die A G ist bei dieser Auslegung besser geschützt, da die Möglichkeit der sofortigen Geltendmachung der Rechte aus dem Vertrage die A G materiellrechtlich und verfahrensrechtlich besser stellt, als wenn sie auf einen gesetzlichen Anspruch oder gar auf einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung angewiesen wäre. Insbesondere verliert die A G nach der hier vertretenen Auffassung nicht die ihr etwa gestellten Sicherheiten. N a c h der hier vertretenen Auffassung sind auch dritte Personen, z. B. der Darlehnsgläubiger, dem gegenüber die A G die Bürgschaft übernimmt, g e schützt. Die A G kann, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrats fehlt, von dem Kreditnehmer die sofortige Befreiung von der Bürgschaftsverpflichtung verlangen, dem G l ä u biger aber — selbst bei dessen Kenntnis des Sachverhalts — nicht Nichtigkeit derBürgschaft entgegenhalten, es sei denn, d a ß Kollusion vorliegt (§ 826 BGB).

524

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft

§ 80 A n m . 16—20 §81

A n m . 16 2. Der sofortige Rückforderungsanspruch besteht auch, wenn das Kreditgeschäft inhaltlich nicht dem Zustimmungsbeschluß des Aufsichtsrats entspricht, es sei denn, daß die Abweichungen ausschließlich zugunsten der A G getroffen sind (z. B. höhere Verzinsung, vermehrte Sicherheit, günstigere Fälligkeitsbedingungen) oder daß die einzige Abweichung zum Nachteil der A G darin besteht, daß das Vorstandsmitglied zu einem früheren Zeitpunkt zur Rückzahlung des Kredits berechtigt ist; denn hieraus können der A G höchstens Zinsverluste entstehen; gegen solche Nachteile richtet sich § 8o nicht. A n m . 17 V I . i. § 8o enthält z w i n g e n d e s Recht. Das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats kann weder vertraglich noch durch die Satzung beseitigt werden. Ebensowenig kann die Zustimmung des Aufsichtsrats durch die Zustimmung eines anderen Organs, insbesondere der Hauptversammlung, ersetzt werden. Entgegenstehende Bestimmungen der Satzung sind nichtig. Ebenso sind Bestimmungen des Anstellungsvertrages, die dem Vorstandsmitglied oder leitenden Angestellten ein Recht auf Kredit seitens der AG. z. B. in Gestalt von Vorschüssen geben, unwirksam. Daß der ganze Vertrag dadurch unwirksam wird, wird in der Regel nicht anzunehmen sein. — Die Offenlegung der nach § 8o zustimmungspflichtigen Kredite in der Jahresbilanz schreibt § 131 Abs. 1 A I I I 10 ausdrücklich vor. A n m . 18 2. Satzungsbestimmungen, die e r s c h w e r e n d e E r f o r d e r n i s s e für Kreditgewährungen aufstellen, sind zulässig. Die Satzung kann z. B. jede Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte verbieten oder nur gegen Sicherheitsleistung gestatten. Derartige Satzungsbestimmungen würden freilich die Wirksamkeit eines entgegen dem Verbot, jedoch unter Beachtung des § 80 geschlossenen Kreditgeschäfts nicht berühren; sie würden aber intern eine Haftung des der Satzung zuwiderhandelnden Vorstandsmitglieds und Aufsichtsrats begründen. A n m . 19 3. Uber die Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder siehe § 84. A n m . 20 V I I . R e f o r m b e s t r e b u n g e n . § 84 Ref.-Entw. übernimmt im Wesentlichen die Regelung des § 80. Durch die Neufassung soll klargestellt werden, daß stillschweigende Kreditgewährung nicht zulässig und daß der Aufsichtsrat vorher zustimmen muß, was beides auch im geltenden Recht außer Streit ist (s. Anm. 9 und 10); eine Änderung des Wortlauts von § 80 insoweit erscheint daher überflüssig. In Abs. 4 dehnt der Entwurf die Beschränkung für Kreditgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern auf Kredite an juristische Personen oder Personalgesellschaften aus, deren gesetzliche Vertreter oder Gesellschafter zugleich Vorstandsmitglieder oder leitende Angestellte der kreditgewährenden A G sind. Damit erschwert der Entwurf praktisch konzerninterne Kreditgeschäfte. Unabhängig von der Frage, ob für eine derartige Vorschrift ein Bedürfnis besteht, bleibt offen, weshalb eine solche, das Konzernrecht betreffende Regelung im Aktienrecht vorweggenommen werden soll. § 8 1 Bericht an den A u f s i c h t s r a t Der Vorstand hat d e m Aufsichtsrat r e g e l m ä ß i g , längstens vierteljährlich, über den Gang der Geschäfte und die Lage des U n t e r n e h m e n s s o w i e d e m Vorsitzer des A u f s i c h t s r a t s oder s e i n e m Stellvertreter bei w i c h t i g e m A n l a ß m ü n d l i c h oder schriftlich zu berichten. Der Bericht hat den Grundsätzen einer g e w i s s e n h a f t e n und getreuen R e c h e n s c h a f t zu entsprechen. 34«

525

I. Buch: Aktiengesellschaft

§81

Einl., A n m . 1, 2 Übersicht Anm. Einleitung I. i . Berichterstattung Gesamtvorstand

durch

den

a. Form l l . Art der Berichterstattung . . . i . a) Regelmäßige Berichte . . b) Inhalt

I 2

3 4 5

Anm. c) Berichterstattung an den Aufsichtsrat. . . 6 2. Außergewöhnliche Berichte 7 I I I . i . Keine Einschränkung der Berichterstattung durch § 128 8 2. Rechtsfolgen bei Verletzung der Berichterstattungspflicht 9 I V . Zwingendes Recht

10

Einleitung Die Bestimmung entspricht im wesentlichen dem § 239 a H G B . Sie regelt die Pflicht des Vorstands, von sich aus dem Aufsichtsrat Bericht zu erstatten. Außerdem hat der Aufsichtsrat nach § 95 Abs. 2 das Recht, jederzeit einen Bericht über den Stand der Gesellschaftsangelegenheiten von dem Vorstand zu verlangen. Über die weitgehenden Reformvorschläge zur Berichterstattungspflicht des Vorstands im Ref.-Entw. § 85 s. in der Einleitung zu § 86 (Ziff. 5).

Anm. 1 I. 1. Der Bericht m u ß von dem ganzen Vorstand erstattet werden. Es

handelt sich nicht um einen Akt der Vertretung der Gesellschaft; es genügt daher nicht das Handeln vertretungsberechtigter Vorstandsmitglieder (unstreitig). Nicht notwendig ist, daß dem Aufsichtsrat gegenüber alle Vorstandsmitglieder bei der Berichterstattung mitwirken, indem sie etwa alle den Bericht unterschreiben. Es hat vielmehr jedes Vorstandsmitglied dem Gesamtvorstand über sein Tätigkeitsgebiet zu berichten; auf Grund dieser Berichte fertigt dann der Gesamtvorstand den Gesamtbericht an, der dem Aufsichtsrat zugeleitet wird. Bei Meinungsverschiedenheiten erfolgt die Entscheidung innerhalb des Vorstands nach allgemeinen Grundsätzen (s. § 70 A n m . 1 5 ) , also j e nachdem entweder durch den entscheidungsbefugten Vorsitzer oder durch Mehrheitsbeschluß. Doch haftet jedes Vorstandsmitglied dafür, daß nicht wesentliche Tatsachen verschwiegen werden, und hat das Recht und die Pflicht, solche selbständig dem Aufsichtsrat zu melden, wenn der Gesamtvorstand ihren Bericht ablehnt. Die abweichende Stellungnahme einzelner Mitglieder von dem Bericht, den der entscheidungsbefugte Vorsitzer bzw. die Mehrheit beschlossen hat, braucht im allgemeinen nicht zum Ausdruck gebracht zu werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 ; a. A . Ritter Anm. i a ) . Dies kann jedoch dann nicht mehr gelten, wenn die Meinungsverschiedenheiten so erheblich sind, daß die Auffassung des in der Minderheit gebliebenen Vorstandsmitglieds ein wesentlich anderes Gesamtbild von dem Gang der Geschäfte oder der L a g e des Unternehmens ergibt.

Anm. 2 2. Der Bericht kann m ü n d l i c h o d e r s c h r i f t l i c h erstattet werden. Die Satzung kann vorschreiben, welche Form zu wählen ist. Mangels einer solchen Regelung kommt zwar der Vorstand an sich seiner gesetzlichen Pflicht nach, wenn er den Bericht in der einen oder anderen Form erstattet. Aber ein berechtigter Grund für eine Weigerung, den Bericht in der vom Aufsichtsrat gewünschten Form zu erstatten, ist schwer denkbar. M a n wird daher dem Aufsichtsrat das Recht zuerkennen müssen, die Form der Berichterstattung in bindender Weise zu regeln. Jedenfalls ist er in der Lage, die mündliche Berichterstattung unmöglich zu machen, indem er die Entgegennahme des Berichts nicht auf die Tagesordnung setzt. Dadurch wird der Vorstand nicht von der Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht befreit und ist daher genötigt, den Bericht schriftlich zu erstatten; im Ergebnis wie hier auch Baumbach-Hueck Anm. 2 D und Ritter Anm. 3. Den schriftlichen Bericht an den Aufsichtsrat braucht der Vorstand nur dem Vorsitzer des Aufsichtsrats, nicht den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern zuzuleiten.

526

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 81 A n m , 3—6

Anm. 3 I I . Die Berichterstattungspflicht nach § 8i umfaßt zwei Arten von

Berichten:

regelmäßigen Bericht über den Gang der Geschäfte und die Lage des Unternehmens und Berichte bei wichtigem Anlaß. Die beiden Berichtsarten sind nach

ihrem Inhalt und — anders als nach früherem Recht — auch hinsichtlich der Person des Empfängers verschieden. Für beide gilt Satz 2, wonach der Bericht den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen hat. Daß die Berichterstattung die Verhältnisse der Gesellschaft nicht unwahr darstellen oder verschleiern darf, ist dabei selbstverständlich (vgl. § 296 Abs. 1 Ziff. 1). Aus §81 Satz 2 folgert der B G H , daß der Vorstand grundsätzlich den Aufsichtsrat treu und gewissenhaft zu unterrichten hat, und zwar der Gesamtvorstand wie auch die einzelnen Vorstandsmitglieder ( B G H 20, 239). Es besteht eine unbedingte Pflicht zur Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat, die über die Bindungen gewöhnlichen Vertragsrechts hinausgeht (Fischer in Anm. zu L M § 75 A k t G Nr. 1 0 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3 ; vgl. auch Anm. 6 zu § 95).

Anm. 4 r a . Die regelmäßigen Berichte sind l ä n g s t e n s v i e r t e l j ä h r l i c h zu erstatten. Die Satzung oder der Aufsichtsrat (§ 95 Abs. 2) kann häufigere Berichterstattung vorschreiben, nicht aber eine seltenere Berichterstattung zulassen. Ein Bericht wird auch dann noch als ein vierteljährlicher anzusehen sein, wenn sich seine Herstellung verzögert, so daß er erst einige T a g e nach dem Ablauf von drei Monaten seit dem letzten Bericht erstattet wird. Zweck des Gesetzes ist eine in regelmäßigen Abständen, mindestens viermal im J a h r erfolgende Berichterstattung. Die Berichte dürfen nicht seltener erfolgen, aber auf einen bestimmten T a g kommt es dabei nicht an (ähnlich v. GodinWilhelmi Anm. 2).

Anm. 5 b. Der regelmäßige Bericht hat d e n G a n g d e r G e s c h ä f t e u n d d i e L a g e d e s U n t e r n e h m e n s zum Gegenstand. Der Bericht muß so gehalten sein, daß der Aufsichtsrat ein klares Bild über die Entwicklung des Unternehmens seit dem letzten Bericht und über seine gegenwärtige L a g e gewinnt. Danach ist zu beurteilen, was in den Bericht aufzunehmen ist. Die Angabe „Nichts Neues" genügt nicht. Die Aufstellung einer Zwischenbilanz ist nicht vorgeschrieben, kann aber üblich oder infolge besonderer Umstände zur Verschaffung eines klaren Bildes von der Sachlage erforderlich sein. Angaben über den Umsatz werden nicht fehlen dürfen. Die Bestimmung des § 128 über den jährlichen Geschäftsbericht findet keine Anwendung, da die Voraussetzungen für diesen wesentlich andere sind. Doch wird der Bericht über Änderungen in den in § 128 Abs. 2 genannten Tatbeständen Auskunft geben müssen, soweit sie nicht sämtlichen Mitgliedern des Aufsichtsrats offenbar schon bekannt sind, also natürlich auch über Konzernverhältnisse (die Einschränkung insoweit bei Baumbach-Hueck Anm. 2 C ist nicht zu begründen), s. § 95 Abs. 2.

Anm. 6 c. Der regelmäßige Bericht ist dem g e s a m t e n A u f s i c h t s r a t zu erstatten. Berichtet der Vorstand mündlich, so geschieht dies in einer Aufsichtsratssitzung, zu der alle Aufsichtsratsmitglieder geladen werden müssen (s. dazu § 94 Abs. 3). Berichtet der Vorstand schriftlich, so ist es Sache des Vorsitzers des Aufsichtsrats, den Bericht den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrats zugänglich zu machen. Ubersendung einer Abschrift ist nicht vorgeschrieben. § 239 a S. 2 H G B schrieb vor, daß jedes Mitglied des Aufsichtsrats berechtigt ist, den schriftlichen Bericht einzusehen. Dies wird für den regelmäßigen Bericht auch jetzt anzunehmen sein, obwohl die Bestimmung weggefallen ist (Schlegelberger- Quassowski Anm. 9; Ritter Anm. 6). Nach Schlegelberger-Quassowski Anm. 7 kann der Aufsichtsrat gemäß § 92 Abs. 4 einen Ausschuß zur Entgegennahme der Berichte ermächtigen und brauchen nur die Mitglieder des Ausschusses von dem Bericht Kenntnis zu erhalten; auch soll in diesem Fall der Vorsitzer des Aufsichtsrats nach dem entsprechend anzuwendenden § 93 Abs. 2 das Recht haben, einem nicht dem Ausschuß angehörenden Mitglied die Einsicht des schriftlich erstatteten Berichts zu ver-

527

§81

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7—9 sagen, wenn in dem Bericht Dinge zur Sprache gebracht werden, die im Interesse der Gesellschaft oder der Allgemeinheit nur den zum Ausschuß gehörenden Mitgliedern mitgeteilt werden sollen (ebenda Anm. g). Dem kann nicht beigepflichtet werden. Die Überwachung des Vorstands ist die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats (§95 Abs. 1). Die Pflicht der Überwachung liegt allen Aufsichtsratsmitgliedern ob, und jedes haftet f ü r ihre Erfüllung. Wenn auch die von der amtlichen Begründung ausdrücklich erwähnte Entscheidungsbefugnis eines nach § 92 Abs. 4 bestellten Ausschusses nicht zu leugnen ist, so können die Befugnisse eines solchen Ausschusses doch nicht so weit gehen, daß praktisch die anderen Aufsichtsratsmitglieder von dem Recht und der Pflicht der Uberwachung der Vorstandsmitglieder ausgeschlossen werden. Das Gesetz verpflichtet alle Mitglieder des Aufsichtsrats, über vertrauliche Angaben Stillschweigen zu bewahren (§ 99 in Verb. m. § 84 Abs. 1 S. 2 — für die Arbeitnehmervertreter gilt noch die Sonderregelung der §§ 76 Abs. 2 Satz 5 mit 55 Abs. 1 Satz 1 B e t r V G und die Strafvorschrift in § 7 9 a . a . O . ; eine besondere Verschwiegenheitspflicht enthält § 1 4 1 Abs. 3 ) ; alle Mitglieder müssen auf der anderen Seite auch ein Recht auf Kenntnis derjenigen Berichte haben, die nach dem Gesetz dem Aufsichtsrat zu erstatten sind, und es darf ihnen vollends die Überwachung des Vorstands nicht dadurch unmöglich gemacht werden, daß die Entgegennahme der Berichte, die die Grundlage der Überwachung bilden, einem Ausschuß übertragen wird (wie hier Ritter Anm. 6 und Baumbach-Hueck Anm. 2 D sowie anscheindend auch v. Godin-Wilhelmi Anm. I I 1).

Anm. 7 2. Außer den regelmäßigen Berichten hat der Vorstand bei Vorliegen e i n e s w i c h t i g e n A n l a s s e s Bericht zu erstatten. Ein wichtiger Anlaß zum Bericht liegt vor, wenn ein Umstand eingetreten ist, der den Aufsichtsrat zu einer Maßnahme veranlassen kann. Dies ist jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn durch irgendein Ereignis eine wesentliche Veränderung in der L a g e der Gesellschaft eingetreten ist. I m übrigen läßt sich nicht allgemein sagen, was als wichtiger Anlaß anzusehen ist. Der Bericht aus wichtigem Anlaß ist — mündlich oder schriftlich — dem V o r s i t z e r des Aufsichtsrats oder seinem Stellvertreter zu erstatten. Ein Bericht an den Stellvertreter des Vorsitzers ist nur bei dessen Verhinderung zulässig; wie hier v. Godin-Wilhelmi Anm. 4 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 C ; a . A . Ritter Anm. 4, der wahlweise Berichterstattung zuläßt. Ein Recht jedes Aufsichtsratsmitglieds auf Einsicht in einen solchen Bericht besteht nicht. § 239 a Satz 2 H G B , der ein solches Einsichtsrecht vorsah, ist ersichtlich gerade deshalb weggelassen, weil das Gesetz es bei dem Bericht aus wichtigem Anlaß, der nicht wie früher dem gesamten Aufsichtsrat, sondern dessen Vorsitzer zu erstatten ist, nicht gewähren will. Es ist vielmehr Sache des Vorsitzers des Aufsichtsrats, nach pflichtmäßigem Ermessen darüber zu entscheiden, ob er den Inhalt des Berichts dem gesamten Aufsichtsrat zur Kenntnis bringen und ihm irgendwelche Maßnahmen vorschlagen will (wie hier Schlegelberger-Quassowski Anm. 8 und im Ergebnis auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 4 ; a . A . Ritter Anm. 6 und Baumbach-Hueck Anm. 3).

Anm. 8 I I I . 1. Die Bestimmungen des § 128 für den jährlichen, für die Aktionäre bestimmten Geschäftsbericht finden auf die von dem Vorstand dem Aufsichtsrat zu erstattenden Berichte keine Anwendung, soweit sie eine Einschränkung der Berichterstattungspflicht beinhalten. Dies gilt insbesondere von der Bestimmung des § 128 Abs. 3 S. 2, wonach die Berichterstattung soweit unterbleiben kann, wie überwiegende Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens oder das öffentliche Wohl es erfordern. Die Geheimhaltungspflicht und der Schutz gegen deren Verletzung geht bei dem Aufsichtsrat ebensoweit wie bei dem Vorstand (§ 99 in Verb. m. § 84); infolgedessen fehlt ein ausreichender Grund, dem Vorstand das Recht zuzugestehen, dem Aufsichtsrat vertraulich zu behandelnde Umstände zu verschweigen; vgl. auch Anm. 6 oben.

Anm. 9 2. Kommt der Vorstand seiner Berichterstattungspflicht nicht nach, so kann

er dazu durch Ordnungsstrafen angehalten werden (§ 303). E r ist für den der Gesell-

528

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 81 A n m . 10 § 82 A n m . 1 schaft entstehenden Schaden gemäß § 84 ersatzpflichtig. Weigern sich einzelne Vorstandsmitglieder, an der Berichterstattung mitzuwirken, müssen die übrigen Mitglieder ihren Bericht allein abgeben, um eine Schadensersatzpflicht zu vermeiden. Eine Verletzung der Pflicht kann auch einen wichtigen Grund zum Widerruf der Bestellung und zur Kündigung des Anstellungsvertrages bilden. Der Gesellschaft steht auch das — allerdings wenig praktische — Recht zu, vertreten durch den Aufsichtsrat, gegen den Vorstand auf Erstattung der Berichte zu klagen. — Bei falscher Berichterstattung kann außerdem Strafbarkeit gem. § 296 Abs. 1 Ziff. 1 gegeben sein (s. dort Anm. 3). A n m . 10 IV. Die Vorschrift ist zwingendes Recht. Die Satzung oder die anderen Organe der AG können sie weder beseitigen noch erleichtern noch auf ihre Erfüllung verzichten. Auch im Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder kann nicht wirksam Abweichendes vereinbart werden (Ritter Anm. 8). Durch die Satzung begründete weitergehende Berichterstattungspflichten fallen nicht unter §81. Uber das Recht des Aufsichtsrats, jederzeit einen Bericht vom Vorstand zu erfordern, siehe § 95 Abs. 2 nebst Anmerkungen. § 8 3 Buchführung Der Vorstand hat d a f ü r zu sorgen, daß die erforderlichen Handelsbücher g e f ü h r t werden. Ubersicht Anm.

I. Gesetzliche Grundlagen der Buchführungspflicht II. 1. Sorgfaltspflicht des Gesamtvorstands 2. Geschäftsverteilung 3. Insbesondere: der Jahresabschluß

1 2 3

Anm.

III. 1. Rechtsfolgen bei Verletzung der Buchführungspflicht 5 2. Keine Freistellung 6 3. Beweislast 7 IV. Umfang der Buchführungspflicht 8

4

Anm. 1 I. Diese Vorschrift entspricht inhaltlich HGB § 239. Auch ohne diese Bestimmung ist die AG zur Führung von Handelsbüchern verpflichtet. § 6 HGB in Verbindung mit § 3 des Aktiengesetzes unterwirft sie der Buchführungspflicht gemäß §§ 38 ff. HGB. Dem Vorstand liegt diese im öffentlichen Interesse begründete gesetzliche Pflicht der AG (Düringer-Hachenburg-Lehmann §38 Anm. i a u. 7) schon gemäß §§70, 71 als dem gesetzlichen geschäftsführenden Organ und Vertreter der AG ob. Hinzu kommt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorstands für ordnungsgemäße Buchführung gemäß §§ 239, 240, 244 K O und die steuerrechtliche Buchführungspflicht gemäß §§ 160 ff. AO und den zahlreichen steuerlichen Sondervorschriften, insbesondere im Umsatzsteuer-, Lohnsteuer-, Verbrauchssteuer- und Zollrecht. In Anbetracht dieser öffentlich-rechtlichen Vorschriften kann die Bedeutung des § 82 nicht darin liegen, daß er die Buchführungspflicht des Vorstandes als Verpflichtung „ i m ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e " (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 1) begründet. Auch ohne §82 wäre diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung für den Vorstand gegeben (s. Ritter Anm. 2). § 82 hebt sie in Anbetracht der besonderen Wichtigkeit der Aufgabe ausdrücklich für den Vorstand hervor. Für Versicherungsgesellschaften gelten die besonderen Vorschriften des § 55 PrivVersG, für Banken die §§ 2of. KreditwesenG vom 25. 9. 39 (RGBl. I 1955). Weitere besondere Aufzeichnungspflichten bestehen für die verschiedensten Gewerbebetriebe. 529

§82 Anm. 2, 3

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 2 II. i. Die Verpflichtung aus §82 trifft den Vorstand als Gesamtkörper, auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder (§85). Eintragung im Handelsregister ist nicht Voraussetzung (§ 73 Anm. 7). Der Vorstand braucht aber die Bücher nicht eigenhändig zu führen. Er muß nur dafür sorgen, daß sie geführt werden (RGSt 13, 235; Recht 1928 Nr. 1149; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). Es handelt sich also nicht um eine Buchführungspflicht des Vorstands, sondern um eine Sorgepflicht des Vorstands für die Buchführung. Die Buchführung erfolgt regelmäßig durch geschulte Angestellte, in Großunternehmungen unter Zuhilfenahme moderner Buchhaltungsmaschinen. Der Vorstand genügt seiner Pflicht aus § 82, wenn er dafür sorgt, daß sachkundige Arbeitskräfte für die Buchführung angestellt werden und diese Angestellten die erforderlichen Handelsbücher anlegen und führen und er sich regelmäßig davon überzeugt, daß die Buchführung ordnungsmäßig ist (eine äußerlich, nach den gesetzlichen Vorschriften geführte Buchhaltung hat die Vermutung ordnungsgemäßer Führung für sich, § 208 AO). Die B u c h f ü h r u n g s p f l i c h t des V o r s t a n d s e r s c h ö p f t sich hiernach regelmäßig in der sorgfältigen Auswahl sachkundiger Hilfskräfte und der Überwachung der Ordnungsmäßigkeit ihrer Arbeit (RG in J W 1925, 261). Auch für diese Überwachung ist eine Hinzuziehung sachkundiger vertrauenswürdiger Persönlichkeiten zulässig und oft erforderlich, z. B. wenn der Vorstand nicht hinreichend eigene Kenntnisse im Buchführungswesen hat, um selbst geeignete Nachprüfungen vornehmen zu können, oder in Großbetrieben, in denen den Vorstandsmitgliedern der Zeitaufwand für eine regelmäßige wirksame Überwachung der Buchführung nicht zuzumuten ist. Die s a c h v e r s t ä n d i g e n B u c h p r ü f e r können dauernd angestellt oder zeitweilig für die Kontrollen hinzugezogen werden. Pflicht des Vorstands ist es, nach den Berichten dieser Prüfer etwa aufgetretene Mängel sofort abzustellen. Das gilt auch von Beanstandungen in dem Prüfungsbericht des Abschlußprüfers, auch wenn er den Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluß erteilt hat. Das Abwarten lediglich der jährlichen Bilanzprüfung durch den Abschlußprüfer genügt nicht, wenn der Vorstand mangels eigener Kenntnisse und eigener Fähigkeit die Nachprüfung der Buchführung unbeaufsichtigt läßt. J e größer ein Unternehmen und je größer der fachkundige Apparat an Sachbearbeitern und Hilfskräften für die Buchführung, um so mehr beschränkt sich die Pflicht des Vorstands aus § 82 auf die sorgfältige Auswahl dieser Angestellten und der sachverständigen Revisoren, die die Buchhaltung zu kontrollieren haben, um so weniger kommt eine persönliche Mitwirkung an der Buchführung und deren Kontrolle für den Vorstand in Betracht. Anm. 3 2. Die Verantwortung des gesamten Vorstands für die Buchführung wird durch § 41 HGB besonders unterstrichen: sämtliche Vorstandsmitglieder müssen die Bilanz unterzeichnen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; RGSt 8, 424). Trotzdem ist eine Geschäftsverteilung zwischen den Vorstandsmitgliedern mit Bezug auf die Buchführung für zulässig zu erachten. Es kann nicht allen Vorstandsmitgliedern das gleiche Maß von Kenntnissen und Erfahrungen im Buchführungswesen zugemutet und zugetraut werden, zumal Buchführung und Bilanzierung, insbesondere in Großbetrieben, in dem modernen komplizierten internationalen Wirtschaftsverkehr besondere Fachkunde über die übliche kaufmännische Schulung hinaus erfordern. Es genügt, wenn z. B. einzelnen Vorstandsmitgliedern, die Zweigniederlassungen oder Zweigbüros oder besonderen Abteilungen vorstehen, die Sorge für die Buchführung dieser ihnen unterstehenden Stellen, einem anderen Vorstandsmitglied, z. B. dem „Finanzdirektor", die Zentralbuchhaltung und Bilanzabteilung anvertraut wird. Diese Vorstandsmitglieder haben alsdann die oben in Anm. 2 näher bezeichneten Pflichten in dem dort umschriebenen Umfang für die ordnungsmäßige Buchführung des Unternehmens zu erfüllen. Die übrigen Vorstandsmitglieder, denen die besondere Betreuung der Buchführung nicht übertragen ist, z. B. die technischen Leiter der Fabrikationsabteilungen, sind entlastet, wenn sie mit dafür sorgen, daß die Geschäftsverteilung für die Buchführung und ihre Überwachung sachgemäß vorgenommen wird, und sofort einschreiten, sobald für sie Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und ihre Überwachung auftauchen (§70 Anm. 15). 530

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 82 A n m . 4, 5 Anm. 4 3. Besonderes gilt für die Aufstellung des Jahresabschlusses. Nach § 125 ist der Jahresabschluß seitens des Vorstands aufzustellen. Der Vorstand hat nicht nur dafür zu sorgen, daß der Jahresabschluß aufgestellt wird (§ 82), sondern das Gesetz geht davon aus, daß der Vorstand selbst die Aufstellung des Jahresabschlusses vornimmt. Trotzdem ergibt sich aus dieser Unterscheidung nicht eine wesentlich verschiedene materielle Beurteilung. Insbesondere begründet die in § 41 HGB vorgesehene Unterzeichnung des Jahresabschlusses durch sämtliche Vorstandsmitglieder nicht schlechthin deren Verantwortung für die Richtigkeit der Bilanz oder gar jedes Bilanzpostens. Vielmehr erfordert die Natur der Sache eine Einschränkung dahin, daß auch für die Aufstellung des Jahresabschlusses eine Geschäftsverteilung zwischen den Vorstandsmitgliedern, wie in Anm. 3 allgemein für die Buchführung geschildert, und die Hinzuziehung von Hilfskräften für die Vorarbeiten zur Bilanz zulässig ist. Einem Bilanzposten liegen oft Hunderte oder Tausende von Buchungen zugrunde; er kann sich aus zahlreichen Einzelposten zusammensetzen. Jeder dieser Einzelposten kann eine besondere Bewertung erfordern. Es ist nicht zumutbar, den gesamten Vorstand für die richtige Errechnung der Bilanzposten, die richtige Einzelbewertung jedes Buchpostens, das Maß der Abschreibungen und Rückstellungen schlechthin verantwortlich zu machen. Auch hier ist eine Geschäftsverteilung zwischen den Vorstandsmitgliedern zulässig und geboten; auch hierbei kann sich der Gesamtvorstand wie das mit der Bilanzaufstellung besonders betraute Mitglied des Vorstands weitgehend auf die für die Buchführung angestellten Hilfskräfte verlassen, soweit für deren sorgfältige Auswahl und Überwachung gesorgt worden ist. Hierzu gehört aber die'Anweisung an die Buchhaltung, bei Zweifelsfragen die Entscheidung des Vorstands oder des mit der Leitung des Buchführungswesens befaßten Vorstandsmitglieds einzuholen, und die Uberwachung der Innehaltung dieser Anweisung. Auf Grund der Vorarbeiten der Buchhaltung und ihrer Bilanzentwürfe fällen die Vorstandsmitglieder, denen die Leitung des gesamten Buchwesens oder einzelner ihnen unterstellter Abteilungen obliegt, die Entscheidungen, diefür die Aufstellung des Jahresabschlusses erforderlich bleiben. Der gesamte Vorstand beschließt alsdann über die endgültige Aufstellung des Jahresabschlusses; hierfür werden ihm regelmäßig nur die Bilanzierungsfragen grundsätzlicher Art und schwierige Sonderfalle, z. B. über die Höhe der Abschreibungen auf Anlagen und über Wertberichtigungen einzelner zweifelhafter Forderungen, insbesondere die Bestimmung über das Maß der Reservebildung, das erforderlich ist, und die Entscheidung über die einzuschlagende Dividendenpolitik, vorbehalten sein. Für die Richtigkeit dieser Entscheidungen sind|der Vorstand oder die Vorstandsmitglieder, die einer Ressortverteilung entsprechend die Entscheidung trafen, verantwortlich. Soweit die Mitglieder des Vorstands für eine Mitwirkung bei der Beschlußfassung nicht die erforderliche Sachkunde haben, müssen sie sich fachmännisch beraten lassen; eine Beratung durch einzelne sachkundige Mitglieder des Vorstands genügt. Aus den vom Vorstand getroffenen Entscheidungen wird sich meist eine bestimmte Übung für die Aufstellung der Handelsbilanz ergeben. Maßstäbe und Anhaltspunkte sind auch aus den steuerlichen Buchund Betriebsprüfungen und der Feststellung der S t e u e r b i l a n z e n zu gewinnen. Diesen Ergebnissen ist von dem Vorstand Beachtung zu schenken. Besondere Aufmerksamkeit muß er auch dem P r ü f u n g s b e r i c h t des A b s c h l u ß p r ü f e r s widmen. Bei Meinungsverschiedenheiten schwerwiegender Art, insbesondere in Fällen, in denen der Ausweis eines verteilbaren Reingewinns (§ 84 Abs. 3 Ziffer 5) oder des Verlustes der Hälfte des Grundkapitals (§ 83) in Frage steht, wird der Vorstand für v e r p f l i c h t e t anzusehen sein, von der Anrufung der Spruchstelle Gebrauch zzu machen (§ 135 Abs. 3 Satz 3; § 27 der 1. DV). Er darf nicht eigenmächtig von dem seitens des Abschlußprüfers eingenommenen Standpunkt abweichen, wenn daraus der Gesellschaft ein Schaden entstehen kann. Anm. 5 III. 1. Die Rechtsfolgen einer Verletzung der S o r g f a l t sind zivilrechtlicher und strafrechtlicher Art. Zivilrechtlich kommt eine Schadensersatzpflicht aus § 84 in Betracht. Diese besteht bei einem Verstoß gegen § 82 nicht nur gegenüber der Gesell-

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§82

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A n m . 6, 7 schaft (a. M . Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Es ist zwar richtig, daß § 82 — wie schon § 239 H G B — kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B ist ( R G 73, 3 0 ) ; regelmäßig wird daher Dritten ein Schadensersatzanspruch gegen die Vorstandsmitglieder, die dem § 82 zuwiderhandeln, nicht zustehen (s. auch Anm. 66 zu § 84 a . E . ) . Der Verstoß gegen § 82 kann aber zugleich eine Verletzung des § 84 Abs. 3 Ziffer 5 und 6 bedeuten. Dann ist auch den Gläubigern der A G gegenüber gemäß § 84 Abs. 5 die Schadensersatzpflicht begründet (vgl. § 84 Anm. 39). Die Schadensersatzpflicht trifft die Vorstandsmitglieder als G e s a m t s c h u l d n e r (§ 84 Abs. 2), jedoch nur soweit sie schuldhaft dem § 82 zuwidergehandelt haben. S t r a f r e c h t l i c h können die Vorstandsmitglieder wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht für die Buchführung zur Verantwortung gezogen werden, wenn die A G ihre Zahlungen einstellt oder wenn über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wird (§ 239 Abs. 1 Ziffer 3, § 240 Z . 3 u. 4, § 244 K O ) . Die Verletzung der Buchführungspflicht kann aber auch nach § 294 strafbar sein, insbesondere im Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung gegen § 84 Abs. 3 Ziffer 5. Ein Vorstandsmitglied veranlaßt z. B. eine falsche Zubuchung oder Streichung notwendiger Wertberichtigungen und Rückstellungen und führt damit — zwecks Erhöhung eigener Tantiemeansprüche — eine unzulässige Verteilung von Beträgen als Reingewinn entgegen §§ 52 und 84 Abs. 3 Z . 5 herbei. Ist durch nichtordnungsgemäße oder unrichtige Buchführung der Tatbestand einer Steuerhinterziehung oder -gefährdung gegeben oder wird durch Falschbuchungen ein Devisenvergehen begangen, so tritt Strafbarkeit der verantwortlichen Vorstandsmitglieder (und gegebenenfalls auch der A G ) nach den einschlägigen Bestimmungen ein; s. insbes. §§ 3 9 2 f f . A O und § 20 W i S t r G vom 9. 7. 54 (BGBl. I 175).

Anm. 6 2. Eine Entbindung von der Verpflichtung aus § 82 kann, da es sich um eine ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e V e r p f l i c h t u n g des Vorstands handelt, weder durch die Satzung noch den Anstellungsvertrag noch durch Beschlüsse des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung erfolgen ( R G S t 13, 236). Das gilt nicht nur in strafrechtlicher Beziehung (v. Godin-Wilhelmi Anm. 2), sondern auch für die zivilrechtliche Haftung. Für beide, die strafrechtliche und die zivilrechtliche Verantwortung, gelten aber die Einschränkungen, die oben in Anm. 2—4 für Inhalt und U m f a n g der Sorgfaltspflicht aus §§ 82 und 125 erörtert wurde. Diese Einschränkungen können sich aus einer besonderen Geschäftsverteilung, die in der Satzung, den Dienstverträgen der Vorstandsmitglieder, einer vom Aufsichtsrat erlassenen Geschäftsordnung des Vorstands oder in ständiger Übung vorgenommen sein kann, ergeben (§ 70 Anm. 1 5 ) . Für die zivilrechtliche Haftung gilt insbesondere § 84 Abs. 4. Danach entfällt die Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft, wenn die Handlung auf einem g e s e t z m ä ß i g e n Beschluß der Hauptversammlung beruht. Hierfür wird eine Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung in den Fällen des § 125 Abs. 4 nicht in Betracht kommen. Denn es liegt niemals eine „gesetzmäßige" Feststellung des Jahresabschlusses vor, wenn gegen die öffentlich-rechtlichen und deshalb zwingenden V o r schriften des Gesetzes über die Buchführung, insbesondere über die Wertansätze in der Jahresbilanz (§ 133) verstoßen wird. Auch ein Gewinnverteilungsbeschluß, den die Hauptversammlung auf Grund eines vom Vorstand festgestellten, aber gegen § 1 3 3 verstoßenden Jahresabschlusses faßt, entbindet den Vorstand nicht gemäß § 84 Abs. 4 von seiner etwaigen Ersatzpflicht.

Anm. 7 3. B e w e i s l a s t . Bei Verstößen in der Buchführung (Falschbuchungen, unrichtigen Bewertungen usw.) ist nicht ohne weiteres von einer Verfehlung oder gar einem Verschulden des Vorstands auszugehen. D a er nicht eigenhändig die Bücher zu führen hat, sondern sich hierfür sachkundiger Hilfskräfte bedienen darf, liegt eine Verfehlung des Vorstands, eine „Verletzung seiner Obliegenheiten" (§ 84 Abs. 2), noch nicht in einem Fehler, den die Buchhaltung begeht. Eine Verfehlung des Vorstands in der Buchführung liegt nur vor, wenn er seine S o r g e p f l i c h t für eine ordnungsmäßige Buchführung der 582

4-Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 82 Anm. 8

§83

Gesellschaft verletzt hat (oben Anm. 2). Um den Vorstand für einen Fehler in der Buchführung verantwortlich zu machen, muß die Gesellschaft ihm nachweisen, daß ein Verstoß gegen diese Sorgepflicht vorliegt, z. B. daß überhaupt die erforderlichen Handelsbücher nicht geführt werden oder ein Fehler in einer Bilanzfrage vorliegt, die der Entscheidung des Vorstands vorzubehalten war oder daß ein Vorstandsmitglied persönlich einen Buchungsfehler herbeigeführt hat. Demgegenüber müssen die Vorstandsmitglieder zu ihrer Entlastung beweisen, daß ihnen nach der zwischen ihnen sorgfältig vorgenommenen Geschäftsverteilung die Entscheidung der Frage nicht oblag oder sie sich bei der Entscheidung auf den Sachbearbeiter verlassen konnten oder daß sie die technischen Hilfskräfte sorgfältig ausgewählt und überwacht haben oder daß die ordnungsmäßig vorgenommenen Prüfungen sachverständiger Hilfskräfte den Fehler nicht ermittelt haben. Keinesfalls ist bei dem Nachweis eines o b j e k t i v e n Buchungs- oder Bilanzfehlers eine Mitwirkung des ressortmäßig beteiligten Vorstandsmitglieds oder des gesamten Vorstands ohne weiteres zu unterstellen und hiergegen dem Vorstand der Gegenbeweis aufzubürden, daß er an der Buchung oder Bilanzbewertung nicht mitgewirkt habe und nicht mitzuwirken brauchte. Anm. 8 IV. Der U m f a n g der Buchführung und der m i t ihr in Z u s a m m e n h a n g stehenden Pflichten richtet sich nach §§38—46 HGB, 162 A O ; s. auch die „Richtlinien zur Organisation der Buchführung" (Erlaß des R W M vom 1 1 . 1 1 . 37 in Minbl. für Wirtschaft S. 239, abgedruckt u. a. in Baumbach-Duden, HGB-Komm. Ub. § 38). Auf die A u f b e w a h r u n g s p f l i c h t der Handelsbücher, Geschäftspapiere und sonstigen Unterlagen der Buchführung ist noch besonders hinzuweisen (§ 44 HGB, § 162 Abs. 8 AO). Ritter (Anm. 2) spricht dem § 82 jede Bedeutung ab und verweist auf die Vorschriften des HGB §§ 38fr. § 8 3 Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder unfähigkeit der G e s e l l s c h a f t

Zahlungs-

(1)l Ergibt sich bei A u f s t e l l u n g der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz o d e r ist bei p f l i c h t m ä ß i g e m E r m e s s e n a n z u n e h m e n , d a ß ein Verlust i n Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, s o hat der Vorstand unverzüglich die H a u p t v e r s a m m l u n g zu berufen und dieser davon Anzeige zu m a c h e n . (2) Wird die Gesellschaft zahlungsunfähig, s o h a t der Vorstand ohne s c h u l d h a f t e s Zögern, s p ä t e s t e n s aber drei W o c h e n nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen. D i e s gilt s i n n g e m ä ß , w e n n das V e r m ö g e n der Gesellschaft nicht m e h r die Schulden deckt. Schuldhaft verzögert i s t der Antrag nicht, w e n n der Vorstand die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens m i t der S o r g f a l t eines ordentlichen u n d g e w i s s e n h a f t e n Geschäftsleiters betreibt. Übersicht Anm.

Einleitung I. 1. 2. 3. 4.

Anzeigepflicht Voraussetzungen Verpflichtung des Vorstandes Rechtsfolgen bei Verletzung

II. 1. Einberufung der Hauptversammlung 2. Vorschriften für die Liquidationsgesellschaft

I I I . Ausnahmebestimmungen 1 2 3 4

IV. 1. Vorstandspflichten bei Zahlungsunfähigkeit . . 8 2. und Uberschuldung 9 3. auch außerhalb von Jahres10 oder Zwischenbilanz

5

11 V. 1. Antragspflicht . . . 2. jedes Vorstandsmitglieds . . 12 3. Rechtsfolgen bei Verletzung . 13

6

533

§83

Einl., Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft

Einleitung Die Bestimmung entspricht mit geringen Abweichungen § 240 H G B , dessen letzte Fassung auf dem Gesetz vom 25. März 1930 und der Verordnung vom 1. August 1 9 3 1 beruhte. Die Anzeigepflicht des Abs. 1 ist jetzt auch gegeben, wenn bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen ist, daß die Hälfte des Grundkapitals verloren ist, während sie früher nur bestand, wenn sich dies bei Aufstellung einer Jahresbilanz oder Zwischenbilanz ergab. Ebenso besteht die Pflicht zur Stellung des Antrags auf Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens bei Uberschuldung schlechthin, nicht nur, wenn diese sich bei der Aufstellung einer Bilanz ergibt. Die Sondervorschriften f ü r Versicherungsgesellschaften (§88 VersAufsG vom 6 . 6 . 3 1 [ R G B l . I 3 1 5 ] ) werden durch § 8 3 nicht berührt, § 28 E G .

Anm. 1 I. 1. Der Vorstand muß einen Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals

unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 1 2 1 BGB), der H a u p t v e r s a m m l u n g

anzeigen, die er zu diesem Zweck einzuberufen hat.

Die Bestimmung des § 1 3 3 über Wertansätze in der Jahresbilanz gilt unstreitig nicht bei der Feststellung, ob die A G überschuldet ist und deshalb das Konkurs- oder Vergleichsverfahren beantragt werden muß (Anm. 9). Streitig ist, ob § 1 3 3 , insbesondere Ziffer 3, bei der Feststellung anzuwenden ist, ob ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals vorliegt. Die unter der Geltung des H G B herrschende Lehre verneinte dies (Staub H G B § 240 Anm. 2). Gegen sie wandte Brodmann H G B § 240 Anm. 2 a unter Hinweis auf die entsprechende Bestimmung des § 49 Abs. 3 G m b H G , die von der Bestimmung über die Konkursantragspflicht bei Überschuldung (§ 64 G m b H G ) getrennt ist, ein, daß die Anzeigepflicht und die Konkursantragspflicht sachlich nichts miteinander zu tun haben und die Anwendung der aktienrechtlichen Bewertungsvorschriften hinsichtlich der Frage der Anzeigepflicht sachlich wohl begründet wäre. Die entscheidende Frage ist, ob der zur Anzeige verpflichtende Verlust auf Grund einer Gewinnermittlungsbilanz — die Jahresbilanz ist eine solche — oder auf Grund einer reinen Vermögensbilanz zu ermitteln ist. Nun liegt es von vornherein nahe, das Vorliegen eines Verlustes auf Grund der Gewinn- und Verlustermittlungsbilanz zu errechnen. Der Wortlaut des § 240 H G B „Erreicht der Verlust, der sich bei der Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz ergibt, die Hälfte des Grundkapitals", insbesondere der Gebrauch des bestimmten Artikels, ließ ferner erkennen, daß eben der Posten gemeint ist, der in der Bilanz den Verlust (oder Gewinn) zum Ausdruck bringt und dessen Höhe eben den Anlaß zur Erstattung der Anzeige bilden soll. Der Wortlaut des § 83 ist zwar in dieser Hinsicht nicht mehr so deutlich; die verschiedene Ausdrucksweise beruht aber ersichtlich nur darauf, daß jetzt die Annahme des Verlustes auch ohne Aufstellung einer Bilanz die Anzeigepflicht begründet. Ausschlaggebend aber muß sein, daß der Zweck der Bestimmung für Brodmanns Ansicht spricht. § 83 Abs. 1 hat nichts mit den Interessen der Gläubiger und der Allgemeinheit zu tun, sondern ist im Interesse der Aktionäre geschaffen. Für diese liegt aber ein Anlaß zur Erwägung der L a g e und zur Fassung von Entschlüssen sehr wohl schon dann vor, wenn nach den für die Bewertung in der Jahresbilanz geltenden Grundsätzen ein Verlust der Hälfte des Aktienkapitals vorliegt, mag auch der Verlust bei Aufstellung einer reinen Vermögensbilanz geringer erscheinen. Denn für die Möglichkeit der Verteilung einer Dividende ist die Jahresbilanz maßgebend, und wenn diese einen Verlust von 5 0 % des Grundkapitals ausweist, erscheint die Verteilung einer Dividende für absehbare Zeit ausgeschlossen und eine Sanierung oder Liquidation der A G erwägenswert. Die auf die Entstehungsgeschichte des § 240 H G B gestützten Argumente der Vertreter der gegenteiligen Auffassung treffen nur für Abs. 2 zu; auch die vielfach f ü r Abs. 1 angeführte Entscheidung des R G im Recht 1 9 1 6 Nr. 1 6 1 2 bezieht sich ausschließlich auf Abs. 2. Es ist also Brodmanns Auffassung zuzustimmen, daß für die Anzeigepflicht des Abs. 1 die Bewertung in der Jahresbilanz geltenden Bestimmungen maßgebend sind (ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; a. A . v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ; s. auch Ritter A n m . 2 a).

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 83 Anm. 2—7 Ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals ist nicht ein Verlust, der ziffernmäßig gleich der Hälfte des Grundkapitals ist, sondern ein Verlust, der nicht ohne Zuhilfenahme der Hälfte des Grundkapitals gedeckt werden kann (BGH vom 9. 10. 58 in WM 58, 1416). Auch ein zahlenmäßig höherer Verlust begründet also die Anzeigepflicht nicht, solange er aus gesetzlichen oder freien, offenen oder stillen Rücklagen unter Zuhilfenahme von weniger als der Hälfte des Aktienkapitals gedeckt werden kann. Unter dem Grundkapital ist das ausgegebene Aktienkapital zu verstehen; wieviel darauf eingezahlt ist, ist unerheblich. Anm. 2 2. U n e r h e b l i c h ist, aus welchem A n l a ß sich der V e r l u s t ergibt. Früher bestand die Pflicht nur, wenn der Verlust sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz herausstellte. Diese beiden auch jetzt noch vom Gesetz genannten Fälle sind nunmehr nur als Beispiele zu betrachten. Es kommt daher auch auf den Begriff der Zwischenbilanz (vgl. R G 80, 109; R G in J W 1927, 1379 33 ; RGSt. 44, 48) nicht mehr an. Der Vorstand muß stets darüber wachen, ob nicht ein Verlust der Hälfte des Aktienkapitals vorliegt, und die Hauptversammlung einberufen, sobald er bei pflichtmäßigem Ermessen einen solchen Verlust annehmen muß. Hält er die Möglichkeit des Verlustes für gegeben, so muß er sich durch Aufstellung einer Bilanz Klarheit verschaffen. Im übrigen ist eine gesetzliche Pflicht zur Aufstellung von Zwischenbilanzen ebensowenig anzunehmen wie früher. Liegt nach pflichtmäßigem Ermessen des Vorstands ein Verlust der Hälfte des Grundkapitals vor, so darf er nicht die Anzeige verzögern, um zunächst eine Bilanz anzufertigen. Anm. 3 3. Die Verpflichtung trifft den Vorstand; jedes einzelne M i t g l i e d haftet für deren Erfüllung. Es muß, wenn es bei den übrigen Vorstandsmitgliedern auf Widerstand stößt, den Aufsichtsrat, der über die Erfüllung der Pflichten des Vorstands zu wachen hat, zum Eingreifen veranlassen. Leitende Angestellte werden durch § 83 nicht betroffen, auch nicht, wenn sie vorübergehend an Stelle eines fehlenden Vorstands die Leitung der AG inne haben (teilw. abw. Teichmann-Köhler Anm. 3). Gegebenenfalls muß der Aufsichtsrat eingreifen, § 95 Abs. 4. Anm. 4 4. Die V e r l e t z u n g der P f l i c h t macht den Vorstand schadensersatzpflichtig. Eine Erzwingung der Erfüllung durch Ordnungsstrafen findet nicht statt (anders früher HGB § 319). Dagegen ist die Verletzung anders als nach dem HGB strafbar (§ 297 Z. 2). Anm. 5 II. 1. Die Einberufung der Hauptversammlung muß u n v e r z ü g l i c h , d. h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen. Die Anzeige ist der auf die Tagesordnung zu setzende und bekanntzumachende Zweck der Hauptversammlung, die natürlich auch gleichzeitig zu anderen Zwecken einberufen werden kann. Beschlüsse kann die Hauptversammlung nur fassen, soweit sie vorher den gesetzlichen Vorschriften gemäß angekündigt sind. Sind entsprechende Anträge nicht angekündigt, so muß eine neue Hauptversammlung einberufen werden. Eine Verpflichtung der Hauptversammlung, irgendwelche Maßnahmen zu treffen, besteht nicht. Anm. 6 2. Im Stadium der L i q u i d a t i o n besteht die Anzeigepflicht nicht. Es gilt § 209 Abs. 2, der § 83 Abs. 2 entspricht (s. auch § 207 Abs. 2 KO); h. A. vgl. Ritter Anm. 2 b. Anm. 7 III. Die Bestimmung ist zwingendes Recht. Für die Zeit bis zur Neufestsetzung des Grundkapitals in DM gilt als Ubergangsvorschrift § 56 Abs. 1 DMBilG; für dieZeit bis zum Ausgleich des Kapitalentwertungskontos oder des Kapitalverlustkontos (§§ 36 bis 38 DMBilG) gilt §56 Abs.2 a.a.O.: der Vorstand ist von der Anzeigepflicht nach § 83 Abs. 1 und der Pflicht, Antrag auf Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsver-

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§83

Anm. 8, 9

I. Buch: Aktiengesellschaft

fahrens zu stellen, befreit. Weitere Befreiungsvorschriften nach der V O vom 4. 9. 39 ( R G B l . I 1694) § 8 und der V O des Zentraljustizamts ( V O B l . B r . Z . 105) vom 1. 7. 47 sind inzwischen aufgehoben und daher gegenstandslos, vgl. § 1 H B e r G .

Anm. 8 IV. 1. Die Pflicht des Vorstands zur Stellung des Antrags auf Eröffnung des Konkurs- oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens besteht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, die gemäß § 207 K O bei der A G Konkursgründe sind. Der Begriff der Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t ist hier der gleiche wie sonst. Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der seine fälligen Schulden voraussichtlich dauernd nicht zu erfüllen vermag ( R G 50, 39 auf S. 4 1 ) . Zahlungsunfähigkeit ist insbesondere anzunehmen, wenn Zahlungseinstellung erfolgt (§ 102 K O ) . Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner aufhört, seine fälligen Verbindlichkeiten in ihrer Allgemeinheit wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln zu erfüllen ( R G 100, 62 auf S. 65). V o n der Zahlungsunfähigkeit und der Zahlungseinstellung ist die bloße Zahlungsstockung zu unterscheiden, die vorliegt, wenn der Mangel an Zahlungsmitteln ein vorübergehender ist. Näheres s. bei J a e g e r K O § 30 Anm. 1 ff., insbes. Anm. 9.

Anm. 9 2. U b e r s c h u l d u n g liegt vor, wenn das Vermögen der A G nicht mehr die Schulden deckt (Abs. 2 S. 2). I m Gegensatz zu der Errechnung des Verlustes der Hälfte des Grundkapitals, der nach Abs. 1 zur Anzeige an die Hauptversammlung verpflichtet (Anm. 1), sind bei der Feststellung der Überschuldung die aktienrechtlichen Sondervorschriften über die Bewertung n i c h t maßgebend (h. A.). Es ist vielmehr § 40 Abs. 2 H G B anzuwenden. Es können nur Aktiven berücksichtigt werden, die zur Befriedigung der Gläubiger geeignete Objekte sind, nicht dagegen die Kundschaft, die Firma usw. (Brodmann H G B § 240 A n m . 1 f.); ebensowenig eigene Aktien. Denn es kommt hier allein auf das wirkliche, verwertbare Vermögen der A G an. Ebenso sind nur die echten Schulden zu berücksichtigen, nicht die sonstigen Passivposten der Jahresbilanz wie das Aktienkapital oder Rücklagen, gleichviel welcher Art ( R G im Recht 1928 Nr. 4 1 ; O L G Dresden in L Z 1907, 606 2 ) oder Ansprüche der Aktionäre wegen ihrer Beteiligung ( R G 54, 1 3 2 ; 8 1 , 4 1 2 ) . Ansprüche auf Dividende, deren Verteilung beschlossen ist, sind echte Schulden, ebenso alle sonstigen sog. Gläubigerrechte (vgl. § 1 Anm. 1 3 ) ; wie hier etwa Böhle-Stamschräder, K O , 4. Aufl. § 207 Anm. 5. Ebenso müssen alle Passivposten berücksichtigt werden, die Ausgleichsposten für zu hoch bewertete Aktiven sind, sofern sie nicht etwa stille Rücklagen enthalten. Nicht berücksichtigt zu werden brauchen dagegen Schulden, die auf Grund einer jetzt oder früher getroffenen Vereinbarung nur aus dem Reingewinn oder aus dem die sonstigen Schulden der A G übersteigenden Vermögen zu berichtigen sind ( R G S t . 6 1 , 387; R G im Recht a. a. O.). Streitig ist die Frage, ob die Vermögensabgabe nach dem L A G eine echte Verbindlichkeit darstellt und daher bei Feststellung der Überschuldung berücksichtigt werden muß. D a nach § 2 1 8 L A G die Vermögensabgabe in der Handelsbilanz nicht zu passiviert werden braucht und daher auch normalerweise als Ertragsbelastung behandelt wird, ist die Frage zu verneinen (Baier N J W 1956, 1302). Baier weist zu Recht d a r a u f h i n , daß die Gegenansicht dazu führen müßte, daß auch bei jeder Gewinnausschüttung (§§ 52, 54) vorher der Zeitwert einer im Einzelfall nicht passivierten Vermögensabgabe berücksichtigt werden müßte, was zweifllos nicht der Fall ist. Der Zeitwert der Vermögensabgabe ist also regelmäßig nicht zu berücksichtigen, solange die fälligen Vierteljahrsbeträge aus Erträgnissen oder Substanz der A G gezahlt werden können (a. A. Graf Schwerin von Krosigk N J W 1956, 324). Ist allerdings die A G mit Vierteljahrsbeträgen für die Vermögensabgabe im Rückstand, so ergibt sich mit Rücksicht auf § 50 L A G eine andere Beurteilung: hier muß der Vorstand damit rechnen, daß das Finanzamt die sofortige Fälligkeit der Vermögensabgabe anordnet. Besteht diese Möglichkeit, so ist auch die Vermögensabgabe als echter Schuldposten in Betracht zu ziehen und im Vermögensstatus zu passivieren, ohne Rücksicht auf ihre bilanzmäßige Behandlung. Es versteht sich von selbst, daß, auch hinsichtlich der strafrechtlichen Beurteilung, die Antragspflicht der

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 83 A n m . 10—12 Vorstandsmitglieder nicht durch eine unrichtige oder auf unrichtigen Buchungen beruhende Bilanz ausgeschlossen wird, die keine Uberschuldung ausweist, während in Wirklichkeit die Schulden das Vermögen der AG übersteigen. Darüber kann, nachdem das Erfordernis weggefallen ist, daß sich die Uberschuldung bei der Aufstellung einer Bilanz ergibt, noch weniger ein Zweifel bestehen als früher (s. RGSt. 44, 48; 51, 2 1 ; 61, 291; R G in J W 1927, 169629). A n m . 10 3. Anders als nach dem Recht des HGB ist nicht mehr Voraussetzung der Antragspflicht bei Überschuldung, daß sich diese bei der Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz ergibt (anders noch § 64 Abs. 1 GmbHG; vgl. BGH vom 16. 5. 58 in BB 58, 891). Der Vorstand muß jederzeit so gut über die Lage der Gesellschaft unterrichtet sein, daß er die Möglichkeit einer Uberschuldung alsbald erkennen kann, und sich erforderlichenfalls unverzüglich durch Aufstellung einer Vermögensbilanz Gewißheit verschaffen. A n m . 11 V. 1. Der Vorstand muß den Antrag auf Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens ohne schuldhaftes Zögern stellen. Nach Abs. 2 S. 3 ist der Antrag nicht schuldhaft verzögert, wenn der Vorstand die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt. Voraussetzung hierfür ist natürlich, daß nach Lage der Sache ein Vergleichsverfahren in Betracht kommt. In jedem Fall aber muß der Antrag spätestens drei Wochen nach E i n t r i t t der Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t oder U b e r s c h u l d u n g gestellt werden. Es dürfte anzunehmen sein, daß die dreiwöchige Frist erst mit der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu laufen beginnt (Staub HGB§ 240 Anm. 12; Baumbach-Hueck Anm. 3 B; a. M. Kiesow VerglO § 15 Anm. 8; Ritter Anm. 3b; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Denn das Gesetz will mit dieser Frist dem Vorstand eine Möglichkeit zu einem Sanierungsversuch geben. Dieses Ziel wäre in den meisten Fällen nicht zu erreichen, wenn die Frist mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung selbst zu laufen beginnen würde. Denn die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung tritt oft nicht sofort in Erscheinung. Auch ist der genaue Zeitpunkt ihres Eintritts so unbestimmt, daß der Vorstand sehr oft nicht in der Lage sein würde, den Beginn der Frist festzustellen. Die Einleitung eines VertragshilfeVerfahrens nach dem G v. 26. 3. 52 (BGBl. I 198) befreit den Vorstand nicht von der Antragspflicht nach Abs. 2, vgl. § 10 VertragshilfeG. A n m . 12 2. Zur Stellung des Konkursantrages ist jedes einzelne Vorstandsmitglied ohne Rücksicht auf seine Vertretungsbefugnis berechtigt (§ 208 Abs. 1 KO) und auch verpflichtet, da es sich um eine im öffentlichen Interesse gegebene zwingende Bestimmung handelt. Wenn der Antrag nicht von sämtlichen Vorstandsmitgliedern gestellt wird, muß der Konkursgrund glaubhaft gemacht werden (§ 208 Abs. 2 KO). Der Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens kann dagegen nur von zur Vertretung der AG berechtigten Vorstandsmitgliedern gestellt werden (vgl. § 2 Abs. 1 VerglO). Auch durch einstimmigen Beschluß der Gesellschaftsgläubiger kann der Vorstand weder von der Pflicht befreit werden noch eine längere als die vom Gesetz bestimmte Frist, bewilligt erhalten (v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; vgl. R G 72, 285). Der Antrag ist, auch wenn er von einem einzelnen Vorstandsmitglied gestellt wird, im Namen der Gesellschaft zu stellen. Für die Kosten haftet daher nicht das Vorstandsmitglied persönlich^, sondern die Gesellschaft (Brodmann HGB § 240 Anm. 1 a; Baumbach-Hueck Anm. 3 B; Ritter Anm. 3a; s. aber L G Hamburg in L Z 1908, 67g2; Staub HGB § 240 Anm. 15; vgl. auch K G J 34 B 9). Die Pflicht des Vorstands zur Stellung des Konkursantrags fällt weg, wenn ein Gläubiger den Antrag (s. § 208 Abs. 1 KO) stellt (Brodmann HGB § 240 Anm. 1 b; Staub HGB § 240 Anm. 9a; a. A. v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; Ritter a. a. O.; vgl. auch R G in J W 1905, 551 7 ). Scheidet ein Vorstandsmitglied vor Ablauf der Dreiwochenfrist aus, so genügt er seiner Pflicht, den Konkursantrag zu stellen, nur dann, 537'

§ 8 3 A n m . 13

§84

I. Buch: Aktiengesellschaft

wenn er entweder den Antrag vor seinem Ausscheiden stellt oder wenn er dahin wirkt, daß der Antrag durch den amtierenden Vorstand fristgerecht gestellt wird (BGH in N J W 52, 554)-

Anm. 13 3. Die V e r l e t z u n g d e r A n t r a g s p f l i c h t begründet die Schadensersatzpflicht nach § 84. Die Vorstandsmitglieder haften den Gläubigern und den Aktionären — auch sonstigen Dritten, die in der maßgebenden Zeit weder Gläubiger noch Aktionäre waren — nach § 823 Abs. 2 BGB, da § 83 Abs. 2 eine Schutzvorschrift im Sinne dieser Bestimmung ist (teilweise abweichend die Vorauf!, und R G in J W 1935, 3301 9 ; vgl. § 84 Anm. 66 mit eingehender Begründung der hier vertretenen Ansicht). S. auch BGH vom 16. 12. 1958 in Betr. 1959, 230 zu § 64 Abs. 1 GmbHG. Desgleichen tritt — auch bei nur fahrlässiger Verletzung — Strafbarkeit nach § 297 Z. 2 ein. Eine Anhaltung zur Stellung des Antrags durch Ordnungsstrafen findet nicht statt.

§ 8 4 S o r g f a l t s p f l i c h t und V e r a n t w o r t l i c h k e i t der V o r s t a n d s m i t g l i e d e r (1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Über vertrauliche Angaben haben sie Stillschweigen zu bewahren. (2) Vorstandsmitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Sie haben nachzuweisen, daß sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben. (3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt, 2. den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt, 3. eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden, 4. Aktien vor der vollen Leistung des Nennbetrags oder des höheren Ausgabebetrags ausgegeben werden, 5. Gesellschaftsvermögen verteilt wird, 6. Zahlungen geleistet werden, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben h a t ; dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, 7. Kredit gewährt wird, 8. bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden. (4) Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Die Gesellschaft kann erst nach fünf J a h r e n seit der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich darüber vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile den fünften Teil des Grundkapitals erreichen, widerspricht. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkursverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht.

538

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§84

(5) D e r E r s a t z a n s p r u c h der G e s e l l s c h a f t k a n n a u c h v o n d e n G l ä u b i g e r n der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Bef r i e d i g u n g e r l a n g e n k ö n n e n . D i e s gilt j e d o c h i n a n d e r e n F ä l l e n a l s d e n e n d e s A b s . 3 n u r d a n n , w e n n die V o r s t a n d s m i t g l i e d e r die S o r g f a l t e i n e s ordentlichen u n d g e w i s s e n h a f t e n G e s c h ä f t s l e i t e r s g r ö b l i c h verletzt h a b e n ; A b s . 2 S a t z 2 g i l t s i n n g e m ä ß . D e n G l ä u b i g e r n g e g e n ü b e r w i r d die Ersatzpflicht w e d e r d u r c h e i n e n V e r z i c h t o d e r V e r g l e i c h der G e s e l l s c h a f t n o c h d a d u r c h a u f g e h o b e n , d a ß die H a n d l u n g auf e i n e m B e s c h l u ß der H a u p t v e r s a m m l u n g b e r u h t o d e r der A u f s i c h t s r a t die H a n d l u n g gebilligt h a t . I s t ü b e r d a s V e r m ö g e n der G e s e l l s c h a f t d a s K o n k u r s v e r f a h r e n eröffnet, s o ü b t w ä h r e n d d e s s e n D a u e r der Konk u r s v e r w a l t e r d a s R e c h t der Gläubiger g e g e n die V o r s t a n d s m i t g l i e d e r a u s . (6) Die A n s p r ü c h e a u s d i e s e n V o r s c h r i f t e n v e r j ä h r e n i n fünf J a h r e n . Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Allgemeines 1. Beginn und Ende der Haftung 2. Mängel der Bestellung 3. Nichtigkeit der Gesellschaft 4. Haftung des Notvorstands 5. Verhältnis zu Dritten 6. Zwingendes Recht . . I I . Der Umfang der Sorgfaltspflicht (Abs. 1) 1. Der Maßstab . . . . 2. Treu- u n d Schweigepflicht 3. Eigene Geschäfte . . .

I

2—4 5 5a

12

I I I . Die Ersatzpflicht (Abs. 2) 13 1. Verschulden 14—16 2. Beweislast 17, 18 3. Gesamtschuldnerische Haftung a) Wesen der Gesamtschuldnerschaft . . . 19, 20 b) Geschäftsverteilung . 21 c) Mehrheitsbeschluß u. Entscheidung desVorsitzers 22 d) Ausgleichspflicht . . 23 IV. Die Haftung in den Fällen des Abs. 3 1. Allgemeines 24> 25 2. Die einzelnen Fälle . . 26 3. Umkehrung der Beweislast auch bezüglich des Schadens 27 4. Der weitere Schaden 28, 29 35

A k t i e n g e s e t z , 2. Aufl.

V. Mitwirkung anderer Organe 1. Billigung durch den Aufsichtsrat (Abs. 4 S. 2) 2. Beschluß der Hauptversammlung (Abs. 4 S. 1) a) Gesetzmäßigkeit . . b) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit . . . . c) Schuldhaft veranlaßter Beschluß d) Nachträgliche Genehmigung

30 31 32 33 34 35

VI. Die Verpflichtung des Vorstands zur Ausführung gesetzmäßiger Hauptversamlungsbeschlüsse 1. Der Grundsatz . . . . 2. Die Ausnahme . . . . 3. Aussetzung u n d Rückgängigmachung . . . .

36 b

V I I . Verzicht u n d Vergleich (Abs. 4 S. 3 u n d 4) 1. seitens der Gesellschaft. 2. seitens eines Gläubigers

37 37a

V I I I . Keine Ansprüche der Aktionäre aus § 84 . . . .

38

36 36 a

I X . Die Rechte der Gesellschaftsgläubiger (Abs. 5 S. 1—3) 1. Verfolgungsrecht . . . 2. Rechtsgrund der Gesellschaftsschuld 3. Entstehung der Gesellschaftsschuld 4. Höchstgrenze 42, 5. Unmöglichkeit der Befriedigung 6. Beweislast und Einwendungen 45)

39 40 41 43 44 46 539

§84 Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft Anm.

7. Kein Gesamtschuldverhältnis 8. Keine Gesamtgläubigerschaft 9. Mehrere Gläubiger . . 10. Die Besonderheiten des Verfolgungsrechts a) Keine Befreiung durch Hauptversammlungsbeschluß b) Keine Befreiung durch Verzicht oder Vergleich c) Grobe Pflichtverletzung X . Die Verfolgung der Schadensersatzansprüche im Konkurs der Gesellschaft (Abs. 5 S. 4) 1. Die Geltendmachung durch den Konkursverwalter 2. Verzicht und Vergleich

47 48

49

50 5i 52

53 54

X I . Verjährung (Abs. 6) 1. Die von Abs. 6 erfaßten Ansprüche 55—57 2. Beginn der Verjährung 58—60 a 3. Unterbrechung und Hemmung 61 4. Erschwerung und Erleichterung 62 Geltung der Verjährungsvorschriften des BGB 63

Anm.

X I I . Haftung der Gesellschaftsorgane gegenüber Aktionären und sonstigen Dritten I. Aus § 823 Abs. 1 BGB 64 2. Aus § 823 Abs. 2 BGB (Schutzgesetz) . . . . 65 a) §§ 84, 99 A k t G . . 65 a b) § 83 Abs. 2 A k t G . 66 c) § 294 A k t G . . . . 67 d) §295 A k t G . . . . 68 e) Unrichtige Darstellungen, insbesondere §§ 295 Z . 1 u. 2, 301 A k t G 68—70 f ) § 297 Z. 1 u. 2 A k t G 7i 72 3- Aus § 826 BGB. . . . 4. Nachweis des Kausalzusammenhangs . . . 72 a Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft, der Aktionäre und Dritter 1. Sie bestehen nebeneinander 2. Eine Doppelhaftung ist ausgeschlossen . . . . Wechsel im Aktienbesitz 3X I V . Gerichtsstand

73 74 75 76

Ausländisches Recht . . .

77

Reform

78

Anm. 1 E i n l e i t u n g . §84 entspricht dem §241 HGB. Er ergänzt die Bestimmungen des Aktiengesetzes über die Aufgaben und Pflichten des Vorstands und regelt die Folgen der Pflichtverletzung. Die Aufgabe des Vorstandes ist allgemein in § 70 dahin bestimmt, daß er unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten hat. Im Gegensatz zu den Aufgaben des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung obliegt ihm die G e s c h ä f t s f ü h r u n g , wozu auch die Bestimmung der Richtlinien der Geschäftspolitik gehört. Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung nur zu überwachen, § 95 Abs. 1. Die Hauptversammlung hat über Fragen der Geschäftsführung nur zu entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt, § 103 Abs. 2. Wenn § 84 Abs. 1 sagt, daß die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben, so ist unter Geschäftsführung nicht nur der Betrieb des Unternehmens, die Geschäftsführung im'engeren Sinne zu verstehen. Es gehören hierher alle Aufgaben, die das Gesetz demWorstand überträgt. Hier sind insbesondere zu nennen die Vorschriften über die Sammlung und Erhaltung des Stammkapitals, §§ 52 ff., über Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder, § 80, über die bei Gefährdung der Gesellschaft zu ergreifenden Maßnahmen, § 83, über das Verbot des Erwerbs eigener Aktien, § 65. Über die Verpflichtungen des Vorstands bei Maßnahmen der Kapitalbeschaffung, vgl. z.B. B G H Z 21, 357.

540

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 Aiiin. 2—5

Anm. 2 1. Allgemeines. i . D i e P f l i c h t e n des V o r s t a n d e s und die damit v e r b u n d e n e V e r a n t w o r t u n g beginnen nicht erst mit der Entstehung der A k t i e n g e s e l l s c h a f t als solcher, also mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, § 34 Abs. i AktG; die Vorschriften sind vielmehr sinngemäß auf die Zeit des Gründungszustandes anzuwenden, R G 144, 348. Die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrats sind somit nicht nur für die Erfüllung der ihnen „bei der G r ü n d u n g " besonders zugewiesenen Aufgaben, wie Prüfung des Gründungsvorgangs, § 25, Anmeldung der Gesellschaft, § 28, verantwortlich, wie es in § 41 ausdrücklich ausgesprochen ist. Soweit es sich um diese besonderen Aufgaben handelt, gilt allerdings nur die besondere Regelung des §41 über die Verantwortlichkeit der genannten Organe, vgl. §41 Anm. 1. Der Vorstand hat aber darüber hinaus auch bis zur Eintragung der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters die Belange der Gesellschaft zu wahren, namentlich die Geld- und Sacheinlagen ordnungsmäßig zu verwalten und Rückzahlungen zu unterlassen. Auch die Strafandrohungen über die aktienrechtliche Untreue finden auf vor der Eintragung begangene Handlungen Anwendung, § 294 Anm. 10. Anm. 3 Die P f l i c h t e n des Vorstandes beginnen nicht schon mit der Bestellung des Vorstandes durch das dazu berufene Gesellschaftsorgan, sondern erst mit der Annahme des Amtes, R G 144, 348; R G in H R R 1936 Nr. 1229. Die Haftung des § 84 ist eine solche aus der Organstellung des Vorstands (vgl. Ruth J W 37, 683). Diese kommt zustande mit der Bestellung und deren Annahme seitens des Bestellten. Die Annahme braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden. Sie kann sich auch aus schlüssigem Handeln, insbesondere Auftreten und Handeln als Vorstand ergeben. Ob daneben ein Anstellungsvertrag (vgl. § 75 Anm. 1, 3, 16) abgeschlossen wird und welchen Inhalt er hat, insbesondere ob eine Vergütung bezahlt wird oder nicht, ist für die Haftung aus § 84 belanglos (ebenso Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre 1958 S. 212). Über Mängel der Bestellung und Nichtigkeit der Gesellschaft s. Anm. 5 und 6. Anm. 4 Die Haftung endet mit der Beendigung der Bestellung, sei es durch Zeitablauf, sei es durch Widerruf, sei es durch Amtsniederlegung (vgl. § 75 Anm. 13, 14, 19). Anm. 5 2. Mängel der Bestellung des Gesellschaftsorgans. E i n Vorstands- oder A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d kann sich seiner H a f t u n g nicht durch den E i n w a n d entziehen, daß seine Bestellung m a n g e l h a f t gewesen sei, etwa deshalb, weil entgegen der Satzung oder dem Gesetz seine Bestellung durch einen dazu nicht Berufenen erfolgt sei (z.B. durch einen Dritten entgegen der Bestimmungen der §§ 75, 87 AktG), oder daß der Aufsichtsrat nicht beschlußfähig gewesen sei; ebenso R G im Recht 1909 Nr. 2398 für GmbH; vgl. auch R G in J W 1911, 330 und in H R R 1936, 1176, wo die Geschäftsführung des mangelhaft bestellten Vorstandsmitglieds einer Genossenschaft als wirksam anerkannt ist. In R G 152, 273 = J W 1937, 683® ist die Haftbarkeit eines Aufsichtsratsmitglieds einer Genossenschaft bejaht, das entgegen der zwingenden Vorschrift des § 36 Genossenschaftsgesetzes auf Grund einer ungültigen Satzungsbestimmung in den Aufsichtsrat berufen worden war und sein Amt jahrelang ausgeübt hatte. Während in der erstgenannten Entscheidung die Haftung auf Grund Geschäftsführung ohne Auftrag, §§677 ff. BGB, angenommen wurde, hält die letzte Entscheidung die Haftung auf Grund Vertrags für gegeben. Beide Begründungen sind abzulehnen. Die verschärfte Haftung ergibt sich gerade nicht aus den Vorschriften des BGB über den Dienstvertrag oder den Auftrag. Grundlage dieser Haftung ist vielmehr allein die Organstellung (Anm. 3), nicht der Anstellungsvertrag (ebenso Mestmäcker wie in Anm. 3). Ist das Organ tätig geworden, so entspricht es allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen, daß die Unwirksamkeit seiner Bestellung nicht rückwirkend geltend gemacht werden kann; ähnlich Ruth JW 37, 685, der die Haftung auf Rechtsschein 35«

541

§84

Anm. 5 a—7

I. Buch: Aktiengesellschaft

gründet; ferner v. Godin I I i , Schlegelberger-Quassowski 3, Baumbach-Hueck 1 ; für die strafrechtliche Verantwortlichkeit R G S t . 64, 84. Wegen der Anwendung der Lehre vom Rechtsschein im Aktienrecht vgl. auch § 2 Anm. 4, § 246 Anm. i s f . , R G 145, 1 5 5 ; 149, 25.

Anm. 5a 3. D i e N i c h t i g k e i t d e r G e s e l l s c h a f t hindert die Entstehung der Verpflichtung der Gesellschaftsorgane zur gewissenhaften Führung ihres Amtes und ihre zivilrechtliche Haftung nicht; sie schließt auch ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht aus, § 294 Anm. 6; R G S t . 43, 4 1 3 . Denn die nichtige Gesellschaft gilt im Verkehr als bestehend; sie kann nur durch eine gegen sie gerichtete K l a g e für nichtig e r k l ä r t werden, und nur mit der Folge, daß sie abgewickelt werden muß, vgl. die Erl. zu § 2 1 6 .

Anm. 6 4. A u c h w e r d u r c h d a s G e r i c h t wegen Fehlens der zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Vorstandsmitglieder (§76 AktG) oder gemäß § 89 zur Ergänzung des Aufsichtsrats b e s t e l l t i s t , h a t d i e g l e i c h e n P f l i c h t e n wie die vom Aufsichtsrat bestellten Vorstands- und die von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder. Die Vorschriften der §§ 84, 99 gelten auch nach Auflösung der Gesellschaft, insbesondere f ü r die Abwickler § 209 Abs. 3.

Anm. 7 5. Verhältnis zu Dritten.

Wer das A m t i m A u f t r a g e i n e s a n d e r e n oder als gesetzlicher Vertreter eines Dritten angenommen hat, kann sich im Verhältnis zur Gesellschaft auf das Rechtsverhältnis zu dem Dritten nicht berufen, mag dieses offenkundig sein, wie bei Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern durch bestimmte Aktionäre oder die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien auf Grund einer Bestimmung der Satzung (§ 88), oder verborgen bleiben (Strohmann). E r ist auf Grund der Annahme des Amtes zur Erfüllung der damit verbundenen Pflichten gehalten, R G S t . 70, 37, und zwar sowohl der zivilrechtlichen als der öffentlich-rechtlichen, insbesondere auch der steuerrechtlichen. O b er von seinem Auftraggeber Schadloshaltung verlangen kann, richtet sich nach dem zwischen ihm und dem Dritten bestehenden Rechtsverhältnis, vgl. z. B. für Beamte R G in H R R 35, 1 4 1 2 . Dort ist die Übernahme der Haftung verneint, wenn die Organstellung zwar kraft Auftrags übernommen wurde, die Ausübung der Tätigkeit selbst aber dem freien pflichtgemäßen Ermessen des Organs überlassen war. Diese Grundsätze gelten auch, wenn jemand auf Grund eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses, etwa im Auftrage der Gläubiger einer Aktiengesellschaft in den Vorstand oder Aufsichtsrat der Gesellschaft eingetreten ist. Der zur unechten Gesamtvertretung einer Gesellschaft berufene P r o k u r i s t ( § 7 1 Abs. 3) ist nicht Erfüllungsgehilfe des Vorstandsmitglieds, das er ersetzt ( B G H Z 13, 65). Personen, die nach einer in § 93 Abs. 3 A k t G zulässigen Satzungsbestimmung nur an Stelle von Aufsichtsratsmitgliedern an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse teilnehmen und schriftliche Stimmabgaben überreichen können, haben keinen Einfluß auf die Geschicke der Aktiengesellschaft. Auf sie finden die besonderen Haftungsvorschriften für die Verwaltungsmitglieder keine Anwendung. Die Vorschriften der §§ 84, 99 A k t G begründen keine Pflichten und keine a k t i e n r e c h t l i c h e Haftbarkeit derjenigen, d i e e i n e n D r i t t e n m i t d e r A n n a h m e e i n e s A m t e s b e a u f t r a g t haben. Z w a r stellt das neue Aktienrecht mehrfach diejenigen, f ü r deren Rechnung ein Dritter gehandelt hat, in der Frage der Haftung gegenüber der Gesellschaft den als handelnd Auftretenden gleich, § 39 Abs. 5, § 46. Es handelt sich dabei aber um die Sicherung der Kapitalgrundlage. Es liegt den Vorschriften kein allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde, der auf die Haftung a u s d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g übertragen werden könnte. Die Haftung des Auftraggebers kann aber auf Grund eines anderen Rechtsgrundes, z. B. einer unerlaubten Handlung namentlich nach § 826 B G B eintreten. Die Haftung des Auftraggebers ergibt sich nicht ohne weiteres aus den Vorschriften der §§ 3 1 , 278, 831 B G B . Eine „ i n Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" begangene Handlung im Sinne des § 31 B G B liegt nicht vor, da der Eintritt

542

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84

Anm. 8, 9

eines Vereins- oder Gesellschaftsvorstandes in das Organ einer anderen Gesellschaft nicht eine Verrichtung ist, die dem Vorstand als solchem obliegt; R G in J W 03, Beilagen S. 38 und 118. Der Eintritt in die Organstellung der anderen Gesellschaft geschieht auf Grund deren Satzung und regelmäßig durch Bestellung deren Organe. § 278 BGB setzt, wie in Schrifttum und Rechtsprechung anerkannt ist, vgl. RGR-Komm. §278 Anm. 3 und die dort angeführte Rechtsprechung, eine bereits bestehende Schuldverpflichtung, also hier des Auftraggebers, voraus. Der Beauftragte ist auch kein „Erfüllungsgehilfe" des „Geschäftsherrn". §831 BGB ist nicht anwendbar, da nicht der Auftraggeber das Organ bestellt hat; vgl. Rospatt, Bankarchiv, 29. Jahrgang, S. 157; a. A. für das österr. Recht: von Hoffmannsthal in L Z 1929, Sp. 1233. Hat aber ein Aktionär auf Grund eines ihm in der Satzung eingeräumten Sonderrechts einen Dritten in den Aufsichtsrat entsandt, § 88, so fällt die Erwägung, daß nicht der Auftraggeber, sondern ein Organ der Aktiengesellschaft den Dritten bestellt habe, weg. Es bleibt das v. Godin 31 vorgebrachte Bedenken, daß dem nach § 88 Bestellten die von § 831 BGB vorausgesetzte Weisungsabhängigkeit fehlt. Trotzdem wird man eine sinngemäße Anwendung (einschließlich natürlich des Entlastungsbeweises) bejahen können. Unberührt bleibt im übrigen die Haftung aus § 1 0 1 . Eine besondere Konzernhaftung der weisunggebenden Obergesellschaft und ihrer Organe kennt das geltende Recht nicht (vgl. den Bericht des Ausschusses I der Studienkommission des DJT 1955 S. 52ff.; ferner das Gutachten von Rasch S. 37ff. und das Referat von Würdinger auf dem 42. DJT 1957 Abt. 3 und derselbe D B 57, 961). Das ist unbefriedigend und mit einer Neuregelung ist zu rechnen (s. die §§ 2830". des Referentenentwurfs 1958). Für die Haftung des A r b e i t s d i r e k t o r s in mitbestimmten Unternehmen (vgl. § 75 Anm. 2 a) gelten keine Besonderheiten. Er hat die gleichen Pflichten und Rechte wie jedes Vorstandsmitglied.

Anm. 8 6. Die Vorschriften der §§ 84, 99 sind zwingenden Rechts. Sie können nicht zum Nachteil der Gesellschaft gemildert werden. Die Vorschriften sind nicht lediglich im privaten Interesse der Gesellschaft, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit und insbesondere der Gläubiger gegeben. Dagegen verstoßende Bestimmungen der Satzung oder eines Dienstvertrages sind nichtig, § 195 Nr. 3 AktG; § 134 BGB. Die für reine Privatrechtsverhältnisse passende Vorschrift des § 276 BGB, wonach dem Schuldner, außer wegen Vorsatzes, die Haftung auch im voraus erlassen werden kann, ist für den Vorstand mit seiner umfassenden Verantwortlichkeit nach § 70 unanwendbar. Der V e r s c h ä r f u n g der P f l i c h t e n und der H a f t u n g durch den D i e n s t v e r t r a g und die Satzung steht aber kein rechtliches Hindernis entgegen, R G 46, 60; H R R 1936 Nr. 1229; ebenso R G in J W 1938, 2019 für Genossenschaft. Vgl. für die GmbH Schilling in Hachenburg § 43 Anm. 2.

Anm. 9 II. Der Umfang der Sorgfaltspfiicht der Vorstandsmitglieder 1. § 84 Abs. 1 Satz i weicht von § 241 Abs. 1 Satz 1 HGB insofern ab, als statt der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes die S o r g f a l t eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gefordert wird. Auch die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes müßte sich der Aufgabe des Vorstandes anpassen. Durch die veränderte Fassung in Verbindung mit § 70 ist aber die Verpflichtung des Vorstandes zur L e i t u n g betont. Der Befreiung des Vorstandes von der Einmischung des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung, vgl. die Erl. zu § 70, § 103 Abs. 2, entspricht die Aufgabe des Vorstandes, die Leitung allein zu besorgen. Mit dieser höheren Aufgabe muß auch eine erhöhte Verantwortlichkeit verbunden sein (Schlegelberger-Quassowski 4). Die Verstärkung der Haftung zeigt sich namentlich darin, daß der Vorstand nach Abs. 5 auch von den Gläubigern nicht nur wie bisher in den Fällen des Abs. 3, sondern auch bei gröblicher Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht unmittelbar in Anspruch genommen werden kann.

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§84

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 10—12 D a s M a ß d e r a n z u w e n d e n d e n S o r g f a l t ergibt sich im Einzelfall aus der Größe und Art des Unternehmens. Der Vorstand hat für die Fähigkeiten und Kenntnisse einzustehen, die die von ihm geleitete individuelle Gesellschaft erfordert (vgl. f ü r die Genossenschaft R G Z 163, 208; für die G m b H R G H R R 41, 132). Entscheidend sind die im redlichen Geschäftsverkehr herrschenden Anschauungen über die sorgfältige Leitung eines Unternehmens bestimmter Art. Es kommt nur auf die e r f o r d e r l i c h e S o r g f a l t an, nicht auf eine etwa übliche Sorglosigkeit, R G 128, 44; 138, 325. Nach den herrschenden Anschauungen bestimmt sich auch, ob und wieweit ein Unternehmen n a c h k a u f m ä n n i s c h e r A r t zu führen ist. Über die Verpflichtung zur Buchf ü h r u n g s. die Erläuterungen zu § 82. Nach der Größe der zu verwaltenden Werte richtet sich auch die Notwendigkeit der zu ihrer Erhaltung gebotenen M a ß n a h m e n (Versicherungen). Allgemein geht die Verpflichtung des Vorstandes dahin, „den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden", RGSt im Recht 1930 Nr. 823; BGHZ 21, 357)-

Anm. 10 Die Vorstandsmitglieder können, auch wenn sie Aktionäre, also Gesellschafter sind, s i c h n i c h t a u f d i e S o r g f a l t b e s c h r ä n k e n , d i e sie in e i g e n e n A n g e l e g e n h e i t e n a n z u w e n d e n p f l e g e n . § 708 BGB, der diese Beschränkung für die geschäftsführenden Gesellschafter der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft als nachgiebiges Recht, d. h. vorbehaltlich einer anderen Regelung im Gesellschaftsvertrag, festsetzt, und der auch auf die Personengesellschaften des Handelsrechts anwendbar ist, gilt nicht für das Aktienrecht. Das Aktiengesetz ordnet die Pflichten und die Verantwortlichkeit der Organe der Aktiengesellschaft selbständig, R G in LZ 1908, 450. Es ist die Sorgfalt anzuwenden, die ein ordentlicher und gewissenhafter und seiner Aufgabe gewachsener M a n n b e i d e r L e i t u n g eines Unternehmens übt. Dabei ist ein o b j e k t i v e r M a ß s t a b anzuwenden. Das einzelne Vorstandsmitglied kann sich nicht damit entschuldigen, d a ß es zur Führung der Geschäfte nicht befähigt sei oder daß ihm die Kenntnisse dazu fehlen (RGZ 163, 208; R G H R R 41, 132). Ist dies der Fall oder tritt die Unfähigkeit später ein, so soll es das Amt nicht annehmen oder niederlegen, R G 144, 348. Nachträglich eintretende Unfähigkeit (wie Krankheit) kann aber im Einzelfall ein Verschulden ausschließen.

Anm. 11 2. Aus seiner Stellung als Verwalter fremden Vermögens ergibt sich auch die allgemeine Treupflicht d e s V o r s t a n d e s gegenüber der Gesellschaft. Ein Ausfluß der Treupflicht ist die in Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich ausgesprochene, auch durch das Zeugnisverweigerungsrecht im Zivilprozeß, § 383 Abs. 3 Nr. 5 ZPO, anerkannte Verpflichtung

der Vorstandsmitglieder, über vertrauliche Angaben Stillschweigen zu bewahren.

Die Verpflichtung besteht nicht nur, wenn Angaben von dritter oder von Gesellschaftsseite a l s v e r t r a u l i c h gemacht worden sind. Sie erstreckt sich auf jede anders erworbene Kenntnis von Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Gesellschaft liegt, insbesondere von Betriebs- u n d Geschäftsgeheimnissen (vgl. auch Anm. 78 u n d § 99 Anm. 5). Aus der Natur der Verpflichtung und der besonderen Stellung der Organmitglieder ergibt sich, daß sie auch für die Zeit nach Beendigung der Zugehörigkeit des einzelnen Mitgliedes zum Vorstand gilt. Der von der Rechtsprechung f ü r Angestellte, also Personen in abhängiger Stellung, aufgestellte Grundsatz, d a ß ihnen nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht verwehrt werden könne, ihre im Betriebe des Dienstherrn erworbenen Kenntnisse zum Zwecke ihres Fortkommens zu verwerten, R G 65, 333, kann auf die verantwortlichen Leiter der Gesellschaft nicht Anwendung finden. Ihre Stellung ist auch in dieser Beziehung mit der eines Angestellten nicht zu vergleichen; vgl. auch Rolf Dietz, Die Pflicht der ehemaligen Beschäftigten zur Verschwiegenheit über Betriebsgeheimnisse, in Festschrift für Hedemann 1938.

Anm. 12 3. Aus der Treupflicht der Gesellschaftsorgane zur Gesellschaft ergibt sich auch eine besondere Sorgfaltspflicht, wenn ein Organmitglied eigene G e s c h ä f t e m i t d e r G e s e l l s c h a f t macht. Die Verpflichtung zur Berücksichtigung des Wohles des Unter-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 Anm. 13—15

nehmens (Betrieb, Aktionäre und Belegschaft) sowie des Gemeinwohls (§ 70 Anm. 11 ff.) enthält auch die Verpflichtung, die eigenen persönlichen Belange hinter denen der Gesellschaft zurückzustellen. Die Stellung der Vorstandsmitglieder ist hier wesentlich verschieden von der der Aktionäre, denen keine besondere Treupflicht obliegt (§ I Anm. 8 b). Auch wenn die Vorstandsmitglieder bei einem Geschäft mit der Gesellschaft nicht als Vertreter der Gesellschaft auftreten, bestehen ihre Geschäftsleiterpflichten auch für dieses Geschäft, RGSt im Recht 1930 Nr. 823; RGSt in HRR 1935 Nr. 1116; RGSt. 26, 136; 58, 39iAnm. 13 III. Die Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder i m Verhältnis zur Gesellschaft. Die Absätze 2—6 regeln nur die der Gesellschaft und den Gesellschaftsgläubigern aus einer Verletzung der Sorgfaltspflicht erwachsenden Schadensersatzansprüche. Andere Folgen der Pflichtverletzung sind teils im Aktiengesetz, so die Abberufung aus wichtigem Grunde, § 75 Abs. 3, teils im bürgerlichen Recht geregelt, so die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag. Neben der Schadensersatzpflicht besteht der Anspruch der Gesellschaft auf Erfüllung des Dienstvertrags. Die Gesellschaft kann unbeschadet ihres Schadensersatzanspruchs auch auf Leistung der übernommenen Dienste klagen. Anm. 14 1. Nach den insofern auch für das Aktienrecht geltenden Grundsätzen des bürgerlichen Rechts hat der Vorstand auf Grund des zwischen ihm und der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisses (vgl. Anm. 3) Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB. Er handelt fahrlässig, wenn er die ihm als Gesellschaftsleiter obliegende Sorgfalt außer acht läßt, § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Gesellschaft gegenüber haben die Vorstandsmitglieder nicht nur grobe, sondern auch leichte Fahrlässigkeit zu vertreten. Die Gesellschaftsgläubiger können allerdings den der Gesellschaft zustehenden Anspruch teilweise nur geltend machen, wenn er auf gröblicher Verletzung der Sorgfaltspflicht beruht, Abs. 5 Satz 2. Anm. 15 Die Haftbarkeit der Vorstandsmitglieder setzt stets Verschulden voraus. Die vor Erlassung des Gesetzes angeregte Einführung der Erfolgshaftung ist nicht Gesetz geworden, weil sie im Interesse der Gesellschaft und der Allgemeinheit erforderliche Entschlußbereitschaft der leitenden Persönlichkeiten lähmen, ihnen jeden Mut zur Tat nehmen, es auch erschweren würde, für ein notleidendes Unternehmen einen geeigneten Leiter zu finden (amtl. Begr.). Die Vorstandsmitglieder können jedoch durch ihren Anstellungsvertrag die Haftung für einen bestimmten Erfolg übernehmen, nicht jedes gewagte Geschäft, das der Vorstand vorgenommen hat, stellt ein Verschulden dar (vgl. für die Genossenschaft R G DR 39, 2164; vgl. ferner Mestmäcker wie in Anm. 3 S. 213). Der Vorstand muß bei seinen geschäftlichen Maßnahmen immer mit der Möglichkeit rechnen, daß eine Maßnahme für die Gesellschaft auch ungünstig auslaufen kann, das liegt im Wesen des geschäftlichen Risikos. Zwar ist nach der strafrechtlichen Rechtsprechung zu §312 HGB = § 294 Aktiengesetz anerkannt, daß zur Erfüllung des Tatbestands der aktienrechtlichen Untreue auch bedingter Vorsatz genügt, RGSt 38, 1; 4g, 358; 53, 194. Aber wegen der Gewagtheit eines Geschäftes allein kann weder von einem persönlichen Handeln zum Nachteil der Gesellschaft noch von einer Verletzung der Sorgfaltspflicht im Sinne des § 84 AktG gesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts die Möglichkeit oder die naheliegende Wahrscheinlichkeit bestand, daß das Geschäft sich für die Gesellschaft als günstig erweisen werde, RG 129, 275; Warneyer, Rechtsprechung 1934 Nr. 190 (wegen der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Vornahme gewagter Geschäfte den Tatbestand der aktienrechtlichen Untreue erfüllt, vgl. § 294 Anm. 20). Ob ein gewagtes Geschäft mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Das Bewußtsein der Schädigung der Gesellschaft gehört nicht zum Tatbestand der Haftbarkeit, R G im Recht 1909 Nr. 576. 545

§84

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 16, 17 Anm. 16 Rechtsunkenntnis des V o r s t a n d s m i t g l i e d e s kann dieses entschuldigen, wenn sie nicht selbst auf Verschulden beruht; so wenn es sich um eine zweifelhafte Rechtsfrage handelt; es ist aber Pflicht des Vorstandes, sich zu erkundigen. Die Unkenntnis kann entschuldbar sein, wenn der Vorstand sich in einer Lage befand, die ihm unverzügliches Handeln gebot, R G 39, 98. Als Regel muß verlangt werden, daß der Vorstand sich mit den das Unternehmen und die Leitung einer Aktiengesellschaft angehenden Gesetzesvorschriften vertraut macht. Bei zweifelhafter oder bestrittener Rechtslage oder bei Einführung neuen Rechts, dessen Auslegung noch ungewiß ist, wird er sich durch Einholung eines Rechtsgutachtens schützen. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung zum Verschulden beim Rechtsirrtum für das Zivilrecht entwickelt hat, gelten auch hier (vgl. R G R - K o m m . § 285 BGB Anm. 1 und Palandt § 285 Anm. 2).

Anm. 17 2. Die Beweislast für das Verschulden. Die Vorstandsmitglieder haben

n a c h z u w e i s e n , d a ß sie d i e S o r g f a l t eines o r d e n t l i c h e n u n d g e w i s s e n h a f t e n G e s c h ä f t s l e i t e r s a n g e w a n d t h a b e n , Abs. 2 Satz 2. Da regelmäßig nur Vorstand (und Aufsichtsrat) über die Verhältnisse der Gesellschaft und die einzelnen Vorgänge, die zur Entstehung eines Schadens geführt haben, unterrichtet sind, wäre es in den wenigsten Fällen möglich, die Verwaltungsträger für den durch sie verursachten Schaden haftbar zu machen, wenn die Gesellschaft den Nachweis des Verschuldens der Organe erbringen müßte. Rechtsprechung und Schrifttum haben deshalb schon für das bisherige Recht angenommen, daß die Beweislast für das Fehlen eines Verschuldens die Verwaltungsträger trifft, vgl. u. a.: R G in J W 1931, 40 8 , in J W 1936, 2 3 1 3 , im Bankarchiv 37. Jahrgang S. 64, bei Warneyer, Rechtsprechung 1934 Nr. 159; R G in H R R 1936 Nr. 1229; ebenso Brodmann, § 241 H G B Anm. 2 a ; vgl. auch R G in J W 1938, 2019 für die Genossenschaft. Die Beweispflicht der Vorstandsmitglieder wurde aus ihrem Anstellungsverhältnis und der sich daraus ergebenden R e c h n u n g s l e g u n g s p f l i c h t abgeleitet. Das Aktiengesetz hat den Inhalt dieser Rechtsprechung zum Gesetzesinhalt gemacht. Aus dem Zusammenhalt der Sätze 1 und 2 des Abs. 2 ergibt sich, daß die Gesellschaft keinesfalls mehr zu behaupten und zu beweisen hat, als daß ihr durch die Geschäftsgebarung des Vorstandes (oder durch das Verhalten des Aufsichtsrats) Schaden in Höhe des eingeklagten Betrags entstanden sei. Die G e s e l l s c h a f t h a t a l s o z u b e w e i s e n : das V e r h a l t e n des Gesellschaftsorgans, die V e r u r s a c h u n g eines S c h a d e n s durch dieses Verhalten, und die H ö h e des entstandenen Schadens. Dabei muß es genügen, daß die naheliegende M ö g l i c h k e i t dargetan wird, daß der Schaden mit dem Verhalten des Gesellschaftsorgans in Zusammenhang steht (vgl. Brodmann a. a. O.). Der Richter muß durch die Darlegungen der Geschädigten in den Stand gesetzt werden, gemäß § 287 Z P O nach freier Uberzeugung zu entscheiden, ob durch das Verhalten der Organe der Schaden entstanden ist Sache der Organe ist es, im einzelnen die Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Pflichtmäßigkeit oder Entschuldbarkeit ihres Handelns ergibt. Dies kann geschehen durch den Nachweis, daß sie die erforderliche Sorgfalt aufgewendet haben oder daß ihnen die Erfüllung ihrer Pflicht unverschuldet unmöglich war (RG H R R 4 1 , 1 3 2 für die GmbH). Wird durch Maßnahmen der Organe eine Schädigung des Vermögens, der Gesellschaft herbeigeführt, so spricht die V e r m u t u n g dafür, daß die Verwaltungsträger ihrer Sorgfaltspflicht nicht genügt haben, R G in H R R 1936 Nr. 1229 (für die Genossenschaft). Die Vermutung besteht namentlich, wenn bestimmte Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung, z. B. solche über die Kreditgewährung nicht beachtet worden sind. Haben die Verwaltungsträger pflichtwidrig gehandelt, insbesondere bestimmte dem Schutze der Gesellschaft dienende Vorschriften, so die in Absatz 3 erwähnten, verletzt, so können sie sich nicht damit entschuldigen, daß sie die schädlichen Folgen ihrer Pflichtverletzungen nicht voraussehen konnten oder daß sie das Beste der Gesellschaft gewollt haben, O L G R 12, 435. In der unrichtigen Beurteilung der Folgen einer Handlung allein liegt aber noch keine Fahrlässigkeit, wenn die Beurteilung selbst nicht auf Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt beruht; vgl. Anm. 15. Aus dem zwischen der Gesellschaft und ihren Organmitgliedern bestehenden Rechtsverhältnis.

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84

Anm. 18—21

ergibt sich andererseits die V e r p f l i c h t u n g der G e s e l l s c h a f t , dem V e r w a l t u n g s träger die V e r a n t w o r t u n g und R e c h t f e r t i g u n g d a d u r c h zu e r m ö g l i c h e n , daß sie ihm die Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft gewährt und zwar auch noch nach Beendigung des Amtes, § 8io BGB, R G in L Z 1908, 448. Die Grenzen dieses Rechtes bestimmen sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Unter Umständen wird die Einsicht nur durch einen zuverlässigen Sachverständigen gefordert werden können. Außer den sich aus der besonderen Regelung der aktienrechtlichen Schadensersatzpflicht ergebenden Einwendungen können die Organmitglieder auch die sich aus dem allgemeinen b ü r g e r l i c h e n R e c h t abzuleitenden E i n w e n d u n g e n erheben, soweit dies nicht mit der Sonderregelung im Widerspruch steht.

Anm. 18 Die Vorschriften des Abs. 2 Satz 2 finden nur Anwendung, wenn das schuldige Organmitglied selbst haftbar gemacht wird. Richtet sich die Klage gegen einen Rechtsnachfolger (Erben), dem die Verhältnisse der Gesellschaft nicht bekannt sein können und der auch nicht persönlich rechenschaftspflichtig ist, so gelten die gewöhnlichen Beweisregeln. Der Kläger muß also die Verletzung der Sorgfaltspflicht beweisen.

Anm. 19 3. Die samtverbindliche Haftung mehrerer Organmitglieder a) In der Bestimmung des Abs. 2 Satz 1, daß mehrere Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner haften, liegt eine Verschärfung der Haftung der Organmitglieder und damit zugleich eine Verstärkung des Schutzes der Gesellschaft. Daraus ergibt sich zunächst, daß ein Organmitglied sich zu seiner Entlastung nicht auf ein V e r s c h u l d e n eines anderen O r g a n m i t g l i e d e s des gleichen oder eines anderen O r g a n s berufen kann, auch nicht in dem Sinne, daß die Gesellschaft für den Schaden mitverantwortlich sei, weil er durch eines ihrer (anderen) Organe oder Organmitglieder mitverschuldet sei, § 254 BGB. Die Gesellschaft soll durch die Haftungsvorschriften der §§ 84, 9g gerade gegen Pflichtvernachlässigung ihrer Organe geschützt werden; haben mehrere Organe oder Organmitglieder durch ihr Verhalten den Schaden verursacht oder mitverursacht, so sollen sie für einander eintreten. Einer haftet für den anderen; R G 123, 222, mit weiteren Angaben über Rechtsprechung und Schrifttum.

Anm. 20 Die Organmitglieder können sich nicht damit entschuldigen, daß sie nur ein fehlerhaftes Geschäft eines früheren Organmitgliedes fortgesetzt haben; sie müssen selbständig prüfen, ob die Weiterführung sich mit den Belangen der Gesellschaft verträgt. Sie können sich auch nicht damit entlasten, daß die G e s c h ä f t s v o r g ä n g e durch p r i v a t e P r ü f e r oder durch die v o r g e s c h r i e b e n e P r ü f u n g des J a h r e s a b schlusses, § 135, g e p r ü f t und nicht beanstandet worden sind. Sie sind dadurch der Verpflichtung zu eigener Prüfung nicht enthoben. Sie haften unter Umständen neben diesen Personen für die Unterlassung ordnungsmäßiger Prüfung, vgl. § 141.

Anm. 21 b) Einfluß einer Geschäftsverteilung auf die Haftung der einzelnen Organ-

mitglieder. Haben mehrere Vorstandsmitglieder nur unter sich eine Arbeitsteilung vereinbart, etwa in der Weise, daß der eine die technische, der andere die kaufmännische Leitung haben soll, so entlastet dies den einzelnen noch nicht von der Verantwortung für den Betrieb im ganzen; insbesondere befreit sie den technischen Leiter nicht von der Verpflichtung, sich um die kaufmännische Leitung, insbesondere auch um die B u c h f ü h r u n g zu kümmern. Doch kann er im Einzelfall entlastet sein, wenn er im Hinblick auf die Persönlichkeit des anderen Vorstandsmitglieds auf ordnungsmäßige Führung der Geschäfte durch dieses vertrauen konnte, R G 91, 77; 98, 98; R G in H R R 1929 Nr. 750; vgl. auch RGSt. 13, 60. Ist den einzelnen Mitgliedern des Vorstandes durch S a t z u n g , G e s c h ä f t s ordnung oder A n s t e l l u n g s v e r t r a g ein besonderer Zweig der Geschäftsführung zugewiesen, so haftet jedes Mitglied zunächst nur für die ihm zugewiesene Tätig-

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§84 Anm. 22, 23

I. Buch: Aktiengesellschaft

keit. Die anderen haften dann nur, soweit sie es an der Aufsicht haben fehlen lassen und soweit sie nicht eingeschritten sind, wenn ihnen Mißstände im Gesamtbetriebe zur Kenntnis gekommen sind, oder soweit sie ihnen infolge eigener Unachtsamkeit unbekannt geblieben sind. A u c h d u r c h eine A r b e i t s t e i l u n g k a n n das e i n z e l n e V o r s t a n d s m i t g l i e d n i c h t v o n der allgemeinen Überwachungspflicht b e f r e i t w e r d e n (RG H R R 41, 132 für die GmbH). Es darf es namentlich an der Beobachtung des Geschäftsbetriebes im allgemeinen nicht fehlen lassen, um sich zu vergewissern, ob die anderen ihre Pflicht tun, und im Notfall für Abhilfe zu sorgen, R G 91, 77; ebenso Schlegelberger-Quassowski; v. Godin 4; Teichmann-Köhler 2d; Baumbach-Hueck 4 A. Anm. 22 c) Die Haftung bei Mehrheitsbeschlüssen und bei Bestellung eines Vorsitzers. Die Verpflichtungen liegen dem einzelnen Vorstandsmitglied, nicht dem Vorstand als solchem ob. J e d e s e i n z e l n e V o r s t a n d s m i t g l i e d h a f t e t f ü r sein V e r schulden. Das Vorhandensein dieses Verschuldens muß deshalb für jeden Verklagten festgestellt werden. Es kann auch darin bestehen, daß er die Handlungen der anderen geduldet hat, ohne einzuschreiten. Ist ein Vorstandsmitglied zum Vorsitzer des Vorstandes ernannt, so entscheidet dieser, wenn die, Satzung nichts anderes bestimmt, bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand, § 70 Abs. 2 AktG. Die übrigen Vorstandsmitglieder sind dann an die Entscheidung des Vorsitzers gebunden. Sie müssen dessen Entscheidung ausführen. Dazu gehört unter Umständen auch die Vertretung der Gesellschaft nach außen, die Leistung von Unterschriften. Ihrer Verantwortlichkeit sind die übrigen Vorstandsmitglieder durch die Entscheidung des Vorsitzers aber nicht schlechthin enthoben. Ebenso verhält es sich, wenn ein Beschluß durch Mehrheitsbeschluß zustandegekommen ist und ein Vorstandsmitglied ihn für unzulässig hält. Die Vorstandsmitglieder dürfen nicht bei Ausführung gesetz- oder s a t z u n g s w i d r i g e r H a n d l u n g e n oder solcher, die zum Nachteil der Gesellschaft dienen, mitwirken; insbesondere müssen sie unter Umständen ihre Unterschrift verweigern und Widerspruch gegen Vornahme einer Handlung erheben. Damit erschöpfen sich ihre Verpflichtungen aber nicht. Geeignetenfalls haben sie dem A u f s i c h t s r a t zu ber i c h t e n . Diese Verpflichtung ergibt sich, obwohl es nicht ausdrücklich im Gesetz steht, aus ihrer leitenden Stellung und der allgemeinen Sorgfaltspflicht. So wenig die Vorstandsmitglieder Beschlüsse der Hauptversammlung ausführen müssen, deren Ausführung sie strafrechtlich oder zivilrechtlich haftbar macht, vgl. das in diesem Falle ihnen gewährte Anfechtungsrecht § 198 Abs. 1 Nr. 3, brauchen sie unzulässige Entscheidungen des Vorstandes oder seines Vorsitzers hinzunehmen. Der Aufsichtsrat hat dann auf Grund seiner Überwachungspflicht einzuschreiten, sich Bericht erstatten zu lassen, sich über eine Abberufung des Vorstandes oder einzelner Mitglieder, insbesondere des Vorsitzers, schlüssig zu machen, eine Anordnung nach § 95 Abs. 5 Satz 2 AktG zu erlassen oder die Hauptversammlung zu berufen, § 95 Abs. 4 AktG. Im äußersten Fall müssen die Vorstandsmitglieder auch von ihrem Rechte Gebrauch machen, das Amt niederzulegen. Eine unbedingte V e r p f l i c h t u n g zur A m t s n i e d e r l e g u n g besteht jedoch nicht, obwohl durch eine Kündigung aus wichtigem Grunde die Ansprüche der Kündigenden auf die vertragsmäßige Vergütung nicht berührt werden. Was von ihnen verlangt werden kann, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, richtet sich auch hier nach den Umständen des Einzelfalls. Anm. 23 d) Umfang der Haftung mehrerer Organmitglieder und Ausgleichspflicht unter ihnen. Mehrere Vorstandsmitglieder haften als Gesamtschuldner für den entstandenen Schaden, wenn jeder durch sein Verschulden zu dem Schaden b e i g e t r a g e n hat. Das einzelne Vorstandsmitglied, das allein gehandelt hat, kann nicht als von den anderen bestellte Person im Sinne des § 831 BGB behandelt werden, so daß diese ohne weiteres neben ihm haften würden, R G 91, 77. A u f den G r a d des V e r s c h u l d e n s des E i n z e l n e n k o m m t es g e g e n ü b e r der G e s e l l s c h a f t n i c h t a n , wenn das Verschulden des einzelnen (z. B. durch Unterlsasung der Überwachungspflicht) nur als Schadensursache m i t g e w i r k t hat. Jeder haftet dann auf das Ganze.

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 Anm. 24, 25

A l s G e s a m t s c h u l d n e r sind sie u n t e r e i n a n d e r zum Ausgleich v e r p f l i c h t e t , § 426 BGB. Der Ausgleich bestimmt sich nach dem Maßstabe der Beteiligung und des Verschuldens, ebenso v. Godin 4. Derjenige, der den Schaden vorsätzlich verursacht hat und der ihn kraft seines Einflusses (etwa als Vorsitzer) ganz oder teilweise leichter verhüten konnte als andere, muß bei dem Ausgleich stärker oder auch ganz belastet werden. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken der §§ 426, 254, die eine gerechte Ausgleichung unter mehreren Beteiligten zum Ziele haben, vgl. R G 75, 251; 84, 429; R G R Komm, zu § 254 BGB; Brodmann § 241 Anm. ac; R G Z 159, 86 für die Genossenschaft. Wenn § 426 BGB als Regel die gleichmäßige Verteilung anordnet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, so muß sich diese andere Bestimmung nicht aus einer besonderen Vorschrift des Gesetzes oder eines Vertrages ergeben, kann vielmehr auch schon nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus dem gemeinsamen Rechtsverhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft abgeleitet werden, § 242 BGB. Jedenfalls ist der dem § 254 BGB zugrunde liegende Rechtsgedanke entsprechend anzuwenden. Die zum Teil im Schrifttum vertretene Auffassung, daß derjenige, der wissentlich zu einer Schädigung der Gesellschaft mitgewirkt hat, den anderen auf Grund einer gegen diese gerichteten unerlaubten Handlung (§ 826 BGB) den vollen von ihnen bezahlten Betrag zu ersetzen hat, bringt nicht in allen Fällen einen billigen Ausgleich. Auch Vorstands- und A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r haften als Gesamtschuldner. Dies folgt aus dem einheitlichen Zweck der Haftung und dem inneren Zusammenhang zwischen den mehreren Haftpflichtigen in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft, R G 77, 323; 79, 288; 92, 408; 95, 347; R G Z 15g, 86 (für die Genossenschaft). Für die Haftung aus §101 Abs. 2 ist dies ausdrücklich ausgesprochen. Der Ausgleichsanspruch verjährt in 30 Jahren (RGZ 159, 89 für die Genossenschaft). Anm. 24 IV. Die Haftung in den besonderen Fällen des Abs. i 1. In Übereinstimmung mit § 241 Abs. 3 HGB hebt § 84 Abs. 3 des Aktiengesetzes eine Anzahl von Fällen hervor, die Zuwiderhandlungen gegen besonders wichtige Vorschriften des Aktienrechts enthalten. Die Hervorhebung erfolgt wie im bisherigen Recht aus gesetzestechnischen Gründen. An sie knüpft insbesondere die Vorschrift des Abs. 5 (entsprechend § 241 Abs. 4 HGB) an, der die Geltendmachung der Ersatzansprüche der Gesellschaft durch die G l ä u b i g e r regelt. Nur in den Fällen des Abs. 3 können die Gläubiger die Ersatzansprüche der Gesellschaft unbeschränkt geltend machen. Nach bisherigem Recht konnten sie andere Ansprüche überhaupt nicht geltend machen; nach neuem Recht haben sie, neben den Fällen des Abs. 3, dieses Recht außerdem, wenn gröbliche Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht vorliegen, vgl. Abs. 5. In engem Anschluß an den Wortlaut des § 84 Abs. 3, daß die Vorstandsmitglieder „namentlich (nach HGB „insbesondere") zum Ersätze verpflichtet sind, wenn entgegen diesem Gesetze" die in den folgenden Nummern einzeln aufgezählten Rechtshandlungen für die Gesellschaft vorgenommen worden sind. Es handelt sich dabei durchweg um Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Aktiengesetzes, die die Kapitalgrundlage und den Vermögensbestand der Aktiengesellschaft sichern sollen, deren Einhaltung zur besonderen Aufgabe der Geschäftsleitung und deren Überwachung in besonderem Maße zur Aufgabe des Aufsichtsrats gehört. Aus der Natur der Zuwiderhandlungen ergibt sich schon ohne weiteres, daß ihre Vornahme gegen die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verstößt. Die Haftpflicht für durch eine solche Zuwiderhandlung entstandenen Schaden würde sich somit schon aus der allgemeinen Vorschrift des Abs. 2 ergeben. Anm. 25 Auch in den F ä l l e n des Abs. 3 setzt die H a f t u n g Verschulden voraus. Denn weder aus der Fassung noch aus dem Zweck des Gesetzes ist ersichtlich, weshalb die Gesellschaftsorgane haften sollen, wenn die Handlungen ohne ihr Verschulden, etwa von Angestellten vorgenommen worden sind.

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§84 Anm. 26, 27

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 26 2. Die einzelnen Fälle des Abs. 3 Z. i entspricht dem Verbot des § 52, Einlagen zurückzugewähren. Dazu gehören auch Sacheinlagen. V e r s c h l e i e r t e Rückzahlungen begründen ebenfalls die Ersatzpflicht. Auch das Verbot von Rückzahlungen an die Aktionäre bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung gehört hierher, § 184. Z. 2 entspricht den Vorschriften der §§ 52—54, 187 Abs. 1 und 2 über die Gewinnausschüttung und das Verbot der Verzinsung der Einlagen. Z. 3 entspricht den §§ 51, 65, 192—194 über Erwerb, Inpfandnahme, Einziehung eigener Aktien oder solcher einer abhängigen Gesellschaft, vgl. auch § 13 EG. Auch der Erwerb von Z w i s c h e n s c h e i n e n fällt unter die Vorschrift, wenn sie auch weder hier noch in §65, anders als die Interimsscheine in §§226,227 HGB, ausdrücklich genannt sind. Ein Schaden wird beim Erwerb eigener Aktien für die Gesellschaft nur entstehen, wenn der schuldrechtliche Vertrag für die Gesellschaft rechtsverbindlich oder die Gegenleistung ausbezahlt ist, vgl. die Erl. zu § 65, oder wenn entgegen den gesetzlichen Vorschriften über die Einziehung von Aktien eine solche w i r k s a m erfolgt ist, §§ 192ff. Z. 4 bezieht sich auf die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung ihrer Einlage und die sich daraus ergebende Verpflichtung der Gesellschaftsorgane, die Aktienurkunde erst nach voller Leistung der Einlage herauszugeben, falls es sich nicht um Namensaktien handelt, § 10 Abs. 2. Z. 5 entspricht den Vorschriften, nach denen die Verteilung des Vermögens nur im Rahmen der im Gesetz besonders enthaltenen Bestimmungen erfolgen darf. In Betracht kommen hier die Vorschriften über die Abwicklung nach erfolgter Auflösung, §§ 212, 213, oder über die Kapitalherabsetzung, § 178 Abs. 2, 187 Abs. 3, § ig2 Abs. 2 184. Als unerlaubte Verteilung des Gesellschaftsvermögens ist es auch anzusehen, wenn unter dem Vorwand von Vergütungen für Nebenleistungen eine dem Wert der Leistung übersteigende Vergütung trotz des Mangels eines bilanzmäßigen Gewinns geleistet wird, § 55, oder wenn in anderer Weise eine verschleierte Verteilung von Gesellschaftsvermögen erfolgt. Eine solche Zahlung kann auch eine verschleierte verbotene Gewinnauszahlung nach Nr. 2 darstellen. Z. 6 entspricht der letzten Fassung des § 241 Abs. 3 Nr. 6 mit dem durch das Gesetz vom 25. März eingefügten zweiten Halbsatz. Durch die ursprüngliche Fassung war ihrem Wortlaut nach dem Vorstand verboten, irgend eine Zahlung zu leisten, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder ihre Uberschuldung sich ergeben hat. Die wörtliche Einhaltung des Verbotes hätte zu Nachteilen führen müssen, die mit ihrem Zweck unvereinbar sind. Denn schon um den Betrieb aufrechtzuerhalten und auch das Vermögen insbesondere zugunsten der Gesellschaftsgläubiger zu erhalten, sind gewisse Ausgaben unvermeidlich. Der zweite Halbsatz bringt dies zum Ausdruck, indem er allgemein Zahlungen gestattet, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Dies entspricht auch den Bestimmungen der Vergleichsordnung, die den Fortbetrieb eines Unternehmens und damit auch die Erfüllung von Verbindlichkeiten zur notwendigen Voraussetzung hat. Die Vorschrift findet ihre Ergänzung in § 83 Abs. 2, der ausspricht, daß der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens nicht schuldhaft verzögert ist, wenn der Vorstand die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt. Z. 7 bezieht sich auf die Vorschrift über die Beschränkung der Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte, § 80. Z. 8 soll die Verwertung der einer bedingten Kapitalerhöhung dienenden Zahlungen und die Zahlung der übernommenen Beträge sicherstellen. Anm. 27 3. Absatz 3 stellt keinen von Abs. 2 grundsätzlich verschiedenen rechtlichen Tatbestand auf, durch den eine selbständige Haftung begründet wird. E r enthält nur eine Beweisregel. Für das bisherige Recht wurde die Meinung ver-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84

Anm. 28

treten, daß in allen Fällen des Abs. 3 der Schuldige verpflichtet sein solle, die dem Gesellschaftsvermögen entgangenen oder vorenthaltenen Summen an die Gesellschaft zu bezahlen, und daß der Anspruch auf diesen Betrag ohne weiteres der Höhe nach liquide sei, ohne daß es auf den Nachweis ankomme, ob der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist. Diese Auffassung wurde abgeleitet aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und zwar aus Art. 204 des alten HGB, wo von der Haftung des Aufsichtsrats einer Kommanditgesellschaft auf Aktien die Rede ist und den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht geleisteten Rückzahlung von Einlagen oder von Dividenden oder zu Unrecht verteilten Vermögens auferlegt wurde (Brodmann § 241 H G B Anm. 3 b). Aus der ursprünglichen Beschränkung der Haftpflicht auf Erstattung bestimmter Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft ergibt sich aber angesichts der heutigen Fassung des Gesetzes die Richtigkeit dieser Auslegung nicht. Abs. 2 stellt den allgemeinen Grundsatz auf, daß die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft den aus der Verletzung ihrer Pflichten entstandenen Schaden zu ersetzen haben. Wenn im Anschluß daran in Abs. 3 gesagt wird, daß sie n a m e n t l i c h zum Ersatz verpflichtet sind, wenn die nachstehend genannten Handlungen vorgenommen werden, so kann darunter nur verstanden werden, daß sie u n t e r d e n ü b r i g e n Voraussetzungen des Absatzes 2, also Pflichtverletzung, Verschulden und Ursächlichkeit ihres Verhaltens, auch zum Ersatz eines näher bezeichneten Schadens, der auf bestimmter Ursache beruht, verpflichtet sind. Es läßt sich kein gesetzgeberischer Grund erkennen, weshalb sie ohne diese Voraussetzungen zum Ersatz verpflichtet sein sollen. Schadensersatz setzt S c h a d e n voraus. Aus der Hervorhebung bestimmter Schadensursachen, die „ i n s b e s o n d e r e " oder „namentlich" zum Ersatz verpflichten und der Erwägung, daß es sich dabei um Verletzung besonders wichtiger Obliegenheiten der Vorstandsmitglieder und eine r e g e l m ä ß i g e Verursachung von Schaden durch solche Zuwiderhandlungen, wie z. B. Rückzahlung von Einlagen handelt, folgt aber nicht, daß nun in allen Fällen der Zuwiderhandlung eine Zahlungspflicht der verantwortlichen Organmitglieder eintritt. Es kann daraus nur entnommen werden, daß das G e s e t z d i e S c h ä d i g u n g m i t E i n t r i t t d e r Z u w i d e r h a n d l u n g als g e s c h e h e n v e r m u t e t . D a r a u s e r g i b t sich eine U m -

kehrung der Beweislast dahin, daß der Schuldige darzutun hat, daß kein

S c h a d e n e n t s t a n d e n i s t , o d e r d a ß er w i e d e r g u t g e m a c h t i s t , R G 159, 2 1 1 = D R 39, 316 m. Anm. v. Boesebeck, R G im Recht 1920 Nr. 2927 zu §§ 99, 1 1 8 GenG Schlegelberger-Quassowski § 84 Anm. 1 3 ; v. Godin Anm. 8. Die in Abs. 3 genannten Handlungen führen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einer Schädigung der Gesellschaft. Diese liegt schon darin, daß der Gesellschaft bestimmte Vermögensgegenstände, insbesondere Barmittel, entzogen worden sind. Diese sind ohne weiteres zu erstatten, wenn nicht der Schuldige nachweist, daß eine Schädigung der Gesellschaft als Folge der Pflichtverletzung ü b e r h a u p t n i c h t m e h r m ö g l i c h ist, weil der zu Unrecht verausgabte oder vorenthaltene Betrag oder doch wenigstens ein ihn ausgleichender Wert auf andere Weise e n d g ü l t i g in das Vermögen der Gesellschaft gelangt ist ( R G Z 159, 230). Dabei kann der Ersatzpflichtige von der Gesellschaft gemäß § 255 BGB die Abtretung der Ansprüche verlangen, die ihr aus den die Ersatzpflicht begründenden Vorgängen gegen Dritte zustehen ( R G Z 159, 230). Der Schaden kann auch dann bestehen, wenn das Vermögen nicht mehr zur freien Verfügung der Gesellschaft steht, eine Forderung zwar gesichert, aber nicht sofort fällig oder beibringlich ist, R G 5, 24; R G im Recht 1920, 2927, H R R 1932 Nr. 259 ( O L G Hamburg). Zu einer B e r e i c h e r u n g der Gesellschaft soll aber der Anspruch n i c h t führen. Die Gesellschaft muß also Zug um Zug gegen die Barleistung das herausgeben, was sie etwa durch die schädigende Handlung erlangt hat, z. B. bei unzulässiger Kreditgewährung die geleisteten Sicherheiten. Die schuldigen Vorstandsmitglieder können sich aber nicht darauf berufen, daß der Schaden durch freiwillige Leistungen Dritter ausgeglichen sei, R G 152, 273; J W 37, 683.

Anm. 28 4. Ist durch die Handlung w e i t e r e r S c h a d e n entstanden, etwa dadurch, daß die Gesellschaft wegen Fehlens von Barmitteln oder Verteilung des Gesellschaftsvermögens

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§84 Airni. 29—32

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ihre Aufgaben nicht erfüllen konnte, so ist auch dieser Schaden zu ersetzen und zwar auf Grund des Abs. 3. Faßt man den Anspruch als einen Schadensersatzanspruch auf, so beruht auch der weitere Schaden auf der in Abs. 3 bezeichneten Handlung. Weder Wortlaut noch Zweck des Abs. 3 schließen es aus, anzunehmen, daß es sich um Ersatz eines Schadens handelt, der dadurch entstanden ist, daß eine der in Abs. 3 genannten Handlungen vorgenommen worden ist, vgl. H R R 32, 259. Dann muß sich freilich die Haftpflicht auch gegenüber den Gläubigern nach Abs. 5 auf diesen Schaden erstrecken, so daß die Beschränkung in Abs. 5 Satz 2 auf die Haftung bei g r ö b l i c h e r Verletzung der Sorgfaltspflicht nur für Schaden gilt, der auf einer anderen Zuwiderhandlung beruht, z. B. auf Vernachlässigung der laufenden Geschäftsführung. A. M. R G Z 159, 230, das ohne nähere Begründung den Ersatzanspruch des Abs. 3 auf den Betrag begrenzen will, der der Gesellschaft entzogen oder vorenthalten ist. Richtigerweise ist nur mit v. Godin Anm. 8 anzunehmen, daß die Umkehrung der Beweislast (Anm. 27) sich nicht auf den weiteren Schaden erstreckt. A n m . 29 Grundsätzlich ist, sowohl in den Fällen des Abs. 2 wie in denen des Abs. 3 der v o l l e durch die Verletzung der Pflichten der Verwaltungsträger der Gesellschaft entstandene Schaden zu ersetzen. Art und Umfang der Ersatzleistung bestimmen sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, §§ 249 fr. BGB. A n m . 30 V. M i t w i r k u n g anderer Organe 1. Billigung durch den A u f s i c h t s r a t (Abs. 4 S. 2). D a d u r c h , d a ß d e r Aufsichtsrat die H a n d l u n g gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht n i c h t a u s g e s c h l o s s e n . Der Vorstand soll unter eigener Verantwortung handeln. Dies entspricht seiner Aufgabe als Leiter der Gesellschaft. Eine Befreiung von der eigenen Verantwortung tritt selbst dann nicht ein, wenn der Vorstand nach der Satzung oder besonderer Bestimmung des Aufsichtsrats, § 95 Abs. 5, eine Handlung nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf, oder wenn die Mitwirkung des Aufsichtsrats für eine Handlung des Aufsichtsrats durch das Gesetz vorgeschrieben ist, §§ 125fr., § 171 Abs. 1, vgl. auch § 70 Anm. 9. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu einem Geschäft kann aber im einzelnen Fall ein Beweisanzeichen dafür sein, daß die Vornahme des Geschäfts nicht gegen die Sörgfaltspflicht verstieß. Auch der Aufsichtsrat wird durch Mitwirkung des Vorstandes nicht von der Haftpflicht befreit; § 84 ist auch insofern sinngemäß anzuwenden, § 99. A n m . 31 2. B e s c h l u ß der H a u p t v e r s a m m l u n g (Abs. 4 S . 1). D e r G e s e l l s c h a f t g e g e n ü b e r tritt die E r s a t z p f l i c h t n i c h t ein, wenn die H a n d l u n g a u f e i n e m gesetzm ä ß i g e n B e s c h l ü s s e d e r H a u p t v e r s a m m l u n g b e r u h t . § 241 Abs. 4 Satz 2 HGB brachte das gleiche zum Ausdruck in dem Satz: „Die Ersatzpflicht wird ihnen (d. h. den Gläubigern) gegenüber weder durch einen Verzicht der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschlüsse der Generalversammlung beruht." Nur gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber den Gläubigern, können sich die Vorstandsmitglieder auf einen Beschluß der Hauptversammlung berufen. A n m . 32 a) Nur ein g e s e t z m ä ß i g e r Beschluß der Hauptversammlung befreit die Vorstandsmitglieder von der Haftung. Gesetzmäßig ist ein Beschluß, wenn ihn die Hauptversammlung in den Grenzen ihrer Zuständigkeit gefaßt hat. Soweit es sich um F r a g e n d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g handelt, kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der V o r s t a n d es verlangt, § 103 Abs. 2. Entscheidet die Hauptversammlung ohne Verlangen des Vorstandes über eine solche Frage, so liegt kein gesetzmäßiger Beschluß vor (a.A. v. Godin 17). Der Vorstand ist weder an den Beschluß gebunden, also zu seiner Ausführung verpflichtet, noch wird er durch den Beschluß von eigener Prüfung und Verantwortung befreit (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 103 Anm. 6; Teichmann-Köhler § 103 Anm. 3, Baumbach-Hueck § 84 Anm. 6A). 552

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 Anm. 33—35

Haben allerdings alle Aktionäre vor der Ausführung der schadenbringenden Handlung ihre Einwilligung erklärt, wenn auch nicht in einer Hauptversammlung und in einem förmlichen Beschluß, so würde es eine Uberspannung der Form bedeuten, wenn auch dann die Befreiung von der Haftung nur deshalb versagt werden sollte, weil nicht ein förmlicher Beschluß gefaßt worden ist. Jedenfalls könnte in einer solchen formlosen Einwilligung ein Beweisanzeichen für das Fehlen eines Verschuldens gefunden werden. Auch wenn der A u f s i c h t s r a t gemäß § 95 Abs. 4 eine Hauptversammlung beruft und diese über eine Maßnahme der Geschäftsführung beschließt, ist der Vorstand an den Beschluß nicht gebunden und kann sich wegen der Ausführung nicht durch Berufung auf den Beschluß entlasten; § 70 Anm. 8; vgl. auch unten Anm. 36. Gesetzmäßige Beschlüsse sind, abgesehen von den Fällen des § 103 Abs. 2, Beschlüsse in den Angelegenheiten, in denen nicht der Vorstand, sondern die Hauptversammlung die maßgebende Entscheidung zu treffen hat. Hierher gehören alle Entscheidungen, die das Gesetz als schwerwiegend für die Gesellschaft und außergewöhnlich ansieht und für die es deshalb einen Beschluß der Hauptversammlung für erforderlich erklärt. Hier sind zu nennen: Satzungsänderung, Kapitalerhöhung und -herabsetzung, Auflösung und Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft, Verschmelzung, Verstaatlichung, Vermögensübertragung, Eingehung einer Gewinngemeinschaft, Umwandlung. Hat das Organ, das die Geldgeber vertritt, in den Grenzen seiner Zuständigkeit eine Maßregel beschlossen, so soll die bloße Ausführung des Beschlusses allein den Vorstand nicht als Pflichtverletzung angerechnet werden. Anm. 33 b) G e s e t z m ä ß i g s i n d H a u p t v e r s a m m l u n g s b e s c h l ü s s e , d i e weder nichtig noch anfechtbar s i n d , §§ 195fr. Nur anfechtbare Beschlüsse sind aber nicht ohne weiteres unwirksam. Sie werden vielmehr voll wirksam, wenn sie innerhalb der Anfechtungsfrist, § 199 Abs. 1, nicht angefochten werden, oder wenn die Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen wird. Bis dahin ist ihr Vollzug nicht schlechthin ausgeschlossen. Der Vorstand wird im Einzelfall prüfen müssen, ob der Beschluß durchzuführen oder ob im Interesse der Gesellschafter der Ablauf der Anfechtungsfrist oder der Ausgang einer Anfechtungsklage abzuwarten ist. Unter Umständen muß der Vorstand auch von dem ihm eingeräumten eigenen Anfechtungsrecht Gebrauch machen, vgl. § 197 Anm. 20. Nichtige Beschlüsse darf der Vorstand nicht vollziehen. Auch hier obliegt ihm die Pflicht, die Beschlüsse auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und geeigneten Falles von seinem Recht, die Nichtigkeitsklage zu erheben, § 2 0 1 , Gebrauch zu machen. D a nichtige Beschlüsse heilen können, § 196, ist auch zu prüfen, ob die Klage im Interesse der Gesellschaft geboten ist. Aus der Leitungspflicht des Vorstandes kann sich auch seine Verpflichtung ergeben, auf Beseitigung von Mängeln, etwa durch Wiederholung fehlerhafter Beschlüsse hinzuwirken. Anm. 34] c) In R G 46, 61 und in J W 1930 S. 2691 spricht das Reichsgericht (für die Genossenschaft) mit Recht aus, daß der Vorstand s i c h n i c h t z u s e i n e r E n t l a s t u n g a u f e i n e n m a n g e l h a f t e n B e s c h l u ß b e r u f e n k a n n , d e n er s e l b s t schuldhaft veranlaßt h a t . Denn einer solchen Berufung würde die Einrede der Arglist entgegenstehen. Die schuldhafte Herbeiführung eines Hauptversammlungsbeschlusses, z. B. durch unrichtige Berichterstattung, Unterlassung der Aufklärung der Hauptversammlung über die tatsächlichen Verhältnisse, würde auch regelmäßig eine selbständige Verletzung der Sorgfaltspflicht darstellen und schon aus diesem Grunde zum Schadensersatz verpflichten. Anm. 35 d) Nach bisherigem Recht war bestritten, ob der Vorstand sich durch die Behauptung entlasten kann, die Hauptversammlung h ä t t e die den Schaden verursachende Handlung g e n e h m i g t , wenn sie gefragt worden wäre (bejahend R G 35, 87 und O L G Hamburg in L Z 1917, 823). Das Aktiengesetz befreit den Vorstand nur, wenn die

553

§84

Anm, 36

I. Buch: Aktiengesellschaft

Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung b e r u h t , verlangt also einen vorhergehenden Beschluß. H a t der Vorstand die Hauptversammlung in einer Angelegenheit nicht gefragt, wo es in seinem Ermessen stand, ihren Beschluß herbeizuführen, also in Fragen der Geschäftsführung, § 103 Abs. 2, so muß er auch die Verantwortung tragen. E r kann dann auch nicht durch einen nachträglichen Beschluß der Hauptversammlung befreit werden, wie v. Godin 17 annimmt (wie hier Baumbach-Hueck 6 A ; Ritter 6d). Nachdem die Handlung vorgenommen ist, hat eine Mitwirkung der Hauptversammlung bei einem Akt der Geschäftsführung keinen Zweck. Eine Entlastung für eine einzelne Handlung durch die Hauptversammlung kennt das Gesetz nicht, § 104. Sie käme auf einen unzulässigen Verzicht hinaus, Abs. 4 Satz 3. H a t der Vorstand in Angelegenheiten, in denen nach dem Gesetz die Hauptversammlung entscheiden muß, eigenmächtig gehandelt, und ist dadurch Schaden entstanden, so besteht kein Grund, ihm die Verantwortung abzunehmen, denn er hat dann pflichtwidrig gehandelt. Durch nachträgliche Befragung der Aktionäre könnte auch kaum festgestellt werden, wie sie in einem früheren Zeitpunkt abgestimmt hätten. Namentlich wäre dies unmöglich, wenn ein Wechsel in der Person der Aktionäre eingetreten ist. Soweit ein Hauptversammlungsbeschluß für die Wirksamkeit eines Geschäfts, z.B. einer Vermögensübertragung, § 255, erforderlich ist, kann er regelmäßig nachgeholt werden. Denn bis dahin ist das Geschäft nicht nichtig, sondern nur schwebend unwirksam, vgl. § 195 Anm. 5. Dann entfällt die Haftung des Vorstandes, wenn das Geschäft erst nach dem Beschlüsse der Hauptversammlung vollzogen worden und dadurch Schaden entstanden ist.

Anm. 36 VI. Die Verpflichtving des Vorstandes zur Ausführung gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschlüsse 1. O b der Vorstand für den durch N i c h t a u s f ü h r u n g von gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschlüssen entstandenen Schaden verantwortlich ist, hängt zunächst davon ab, ob der Vorstand verpflichtet ist, solche Hauptversammlungsbeschlüsse zu vollziehen. Das verneint v. Godin 17 und J W 38, 1 1 4 6 . I n der Entscheidung J W 1938, 748 2 = SeuffArch. Bd. 92 S. 141 (die Gegenstand des Aufsatzes von v. Godin ist) erklärt das Reichsgericht einen nach § 303 H G B gefaßten Generalversammlungsbeschluß über die Ermächtigung des Vorstandes zum Abschluß eines Verschmelzungsvertrages für nichtig, wenn er nicht den Vorstand a n w e i s e , einen Verschmelzungsvertrag bestimmten Inhalts abzuschließen. Daraus, daß nach Abs. 2 des § 303 H G B der Beschluß der Hauptversammlung die Auflösung der Gesellschaft zur Folge habe, wenn sie nicht bereits aufgelöst sei, ergebe sich, daß als Hauptversammlungsbeschluß nur ein solcher in Betracht komme, der den rechtsgeschäftlichen Willen der Generalversammlung zur Herbeiführung der Veräußerung unmittelbar zum Ausdruck bringe, v. Godin a. a O. hält diese Auffassung jedenfalls für das Aktiengesetz nicht für zutreffend. Sie stehe mit der nach neuem Aktienrecht bestehenden Leitungsbefugnis des Vorstandes in Widerspruch. Die alleinige Zuständigkeit der Hauptversammlung gelte für Fälle, w o die Hauptversammlung den anderen Organen gegenüberstehe, wie bei Entlastung, E r hebung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltungsträger oder wo es sich um gewöhnliche Satzungsänderung, § 145, vereinfachte Kapitalherabsetzung, § 182, Auflösung, § 2 0 3 Abs. 1 Nr. 2, Fortsetzung, I 2 1 5 , Umwandlung, § 2 5 7 , §260, 263, Bestellung, Abberufung und Entlassung des Aufsichtsrats, §§ 87, 98, handle. I n den letztgenannten Fällen handle es sich um das reine Grundgesetz oder um das Bestehenwollen der Gesellschaft. In den übrigen noch in Betracht kommenden Fällen, § 149, bedingte Kapitalerhöhung, § 159, genehmigtes Kapital, § 169, Wandel- und Gewinnschuldverschreibung, § 174, Kapitalherabsetzung, § 175, Einziehung, § 192, Verschmelzung, § 234, Vermögensveräußerung und Gewinngemeinschaften, §§ 253—256, handle es sich aber um Veränderung der vermögensrechtlichen Grundlage d e r b e s t e h e n b l e i b e n d e n Gesellschaft. Es sei mit der leitenden Stellung des Vorstandes unvereinbar, wenn er es hinnehmen müsse, daß die Hauptversammlung die Ausschüttung unentbehrlichen Kapitals durch Kapitalherabsetzung beschließe.

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 A n m . 36a, 36b

Die Ausführungen v.Godins gehen davon aus, daß das Gesetz die u n b e s c h r ä n k t e Leitungsbefugnis des Vorstandes ohne Ausnahme ausspricht. Das ist aber in den Fällen, wo das Gesetz einen Beschluß der Hauptversammlung zwingend vorschreibt, nicht Gesetzesinhalt. In den Fällen, in denen es sich gerade um das in der Gesellschaft angelegte Vermögen der Gesellschafter handelt, sollen diese das entscheidende Wort bei den im Gesetz besonders genannten Maßnahmen haben. Der Vorstand ist eben doch nur Verwalter fremden Vermögens. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß der von der Hauptversammlung gewählte Aufsichtsrat den Vorstand aus wichtigem Grunde abberufen kann, § 75, und daß ein wichtiger Grund vorliegt, wenn die Hauptversammlung dem Vorstand das Vertrauen entzieht. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Wendung „bedarf eines Beschlusses der Hauptversammlung", oder eine Maßnahme ist „nur auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zulässig", in § 145 eine andere Beseutung haben soll als in §§ 169, 174, 234. Wenn in § 257 Abs. 2 gesagt wird, „zur Umwandlung bedarf es eines Beschlusses der Hauptversammlung", so soll damit nichts anderes gesagt sein, wie wenn es in § 263 heißt: „Eine Gesellschaft m. b. H. kann d u r c h B e s c h l u ß der Hauptversammlung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden"; vgl. auch §§ 269, 278. In allen Fällen ist die Hauptversammlung das Organ, dessen Beschlüsse vom Vorstand ausgeführt werden müssen und das die Verantwortung trägt. Grundsätzlich (Ausnahme s. Anm. 36 a) muß deshalb auch für das Aktiengesetz angenommen werden, daß d e r V o r s t a n d einen g e s e t z m ä ß i g e n B e s c h l u ß d e r H a u p t v e r s a m m l u n g a u c h vollziehen m u ß . wenn es sich um eine Maßnahme handelt, zu deren Wirksamkeit das Gesetz einen Hauptversammlungsbeschluß fordert. Dies gilt nicht nur dann, wenn es sich um den satzungsmäßigen Aufbau, insbesondere um die satzungsmäßige Kapitalgrundlage (Kapitalerhöhung oder -herabsetzung) oder den Bestand der Gesellschaft (Verschmelzung, Umwandlung) handelt. Auch wenn eine Maßregel in Frage steht, die ihrem Wesen nach die Verwaltung des Vermögens der Gesellschaft, den Betrieb ihres Unternehmens, zum Gegenstande hat, muß der Vorstand den auf seinen Antrag ergangenen Beschluß der Hauptversammlung vollziehen, denn damit ist insofern die Leitungsbefugnis auf die Hauptversammlung übergegangen (ebenso Schlegelberger-Quassowski § 74 Anm. 7, Teichmann-Köhler § 103 Anm. 3, Baumbach-Hueck § 103 Anm. 4 A). Einen nach § 103 Abs. 2 herbeigeführten Hauptversammlungsbeschluß muß der Vorstand im übrigen auch dann ausführen, wenn der Beschluß von einem Vorschlag des Vorstands a b w e i c h t . Lehnt die Hauptversammlung ein vom Vorstand vorgeschlagenes Geschäft a b , so hat der Vorstand es zu unterlassen. Gibt sie ihm nur die E r m ä c h t i g u n g dazu, so ist der Vorstand nicht gebunden, aber, wenn er das Geschäft vornimmt, auch nicht von der Schadensersatzpflicht gemäß Abs. 4 S. 1 befreit. Anm. 36a 2. Nach v.Godin (§84 Anm. 17 und § 103 Anm. 3) folgt die Unverbindlichkeit gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschlüsse für den Vorstand zwingend daraus, daß der Beschluß ihn von der Schadensersatzpflicht gegenüber den G l ä u b i g e r n nicht befreit (Abs. 5 S. 3). Dieser Schluß ist aber nicht zwingend. Es wird eine seltene Ausnahme sein, daß der Vorstand durch die Ausführung eines Hauptversammlungsbeschlusses seine Pflicht g r ö b l i c h verletzt und sich deshalb nach Abs. 5 S. 2 den Gläubigern gegenüber schadensersatzpflichtig macht. Verstößt der Beschluß gegen Gesetz oder Satzung, so muß der Vorstand ihn durch A n f e c h t u n g s - o d e r N i c h t i g k e i t s k l a g e beseitigen (Gessler J W 37, 501). Im übrigen wird die Ausführung des Beschlusses nur dann eine grobe Pflichtverletzung sein, wenn o f f e n s i c h t l i c h erk e n n b a r ist, daß sie die Gesellschaft schädigt. Ist das der Fall, so wird man allerdings den Vorstand nicht nur für berechtigt, sondern auch verpflichtet halten müssen, die Ausführung zu unterlassen. Aber diese Ausnahme kann an dem Grundsatz der Verbindlichkeit nichts ändern. Anm. 36b 3. Aus der allgemeinen Geschäftsleitungsbefugnis des Vorstandes kann sich auch ergeben, daß er den Vollzug a u s s e t z e n kann, wenn neue Tatsachen, auch eine neue Erkenntnis der Lage der Gesellschaft, dies gebieten. Dann muß er aber unverzüglich 36

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§84 A n m . 37

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die Hauptversammlung zu erneuter Beschlußfassung berufen. E r kann den ergangenen Beschluß nicht einfach ignorieren. Wäre er dazu berechtigt, so würde die Vorschrift des Abs. 4 Satz 1 auch der inneren Begründung entbehren. Die Aussetzung des Vollzugs muß der Vorstand nach § 84 Abs. 2 Satz 2 rechtfertigen. Zur bloßen R ü c k g ä n g i g m a c h u n g einer bereits vollzogenen Handlung im Sinne des § 103 Abs. 2 oder eines Gewinngemeinschaftsvertrages, §256, auch wenn sie auf einem Beschlüsse der Hauptversammlung beruhten, bedarf der Vorstand nicht der Zustimmung der Hauptversammlung, wenn sie durch die v e r ä n d e r t e n U m s t ä n d e g e b o t e n i s t ; § 70 Anm. 8; § 256 Anm. 19; vgl. auch § 234 Anm. 8, 9; § 235 Anm. 1 1 . A n m . 37 VII. Verzicht und Vergleich (Abs 4 S . 3 und 4). 1. D i e G e s e l l s c h a f t k a n n e r s t n a c h f ü n f J a h r e n s e i t d e r E n t s t e h u n g des A n s p r u c h s und nur dann auf E r s a t z a n s p r ü c h e v e r z i c h t e n oder sich d a r über v e r g l e i c h e n , wenn die H a u p t v e r s a m m l u n g zustimmt und nicht eine M i n d e r h e i t , d e r e n A n t e i l e d e n f ü n f t e n T e i l des G r u n d k a p i t a l s e r r e i c h e n , w i d e r s p r i c h t . Die Vorschrift beschränkt allgemein das Recht der Aktiengesellschaft zum Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsträger aus ihrer Amtsführung und zum Vergleich mit ihnen über solche Ansprüche. Die Sätze 3 und 4 sind neu. Sie fehlten in § 241 Abs. 4 H G B . Das H G B enthielt nur in § 205 ( = 43 AktG) für die Haftung der Gründer und der neben diesen für die Gründungsvorgänge verantwortlichen Personen eine Beschränkung der Möglichkeit des Verzichtes auf und des Vergleichs über Schadensersatzansprüche der Gesellschaft aus der Gründung. Durch die Übernahme dieser Beschränkungen auf die Schadensersatzansprüche nach § 84 ist die Haftung der Verwaltungsträger verschärft. Im Rahmen des § 84 hat die Beschränkung von Verzicht und Vergleich eine viel größere Bedeutung als bei der entsprechenden Vorschrift des § 43 über die Gründerhaftung. Bei dieser handelt es sich nur um einmalige Vorgänge, im Falle des § 84 aber um Vorgänge, die während der ganzen Dauer des Bestehens der Gesellschaft möglich sind, und um Handlungen der Geschäftsführung, deren Beurteilung viel mehr vom Ermessen abhängt und bei denen auch erhebliche Gründe für eine baldige Klarstellung der Verantwortlichkeit sprechen. I m Interesse dieser Klarstellung hatte schon das bisherige Recht, § 260 H G B , der Generalversammlung die jährliche Beschlußfassung über die Entlastung des Vorstandes und Aufsichtsrats zur Pflicht gemacht. Auch nach § 104 AktG beschließt die Hauptversammlung alljährlich über die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrats. Nach der Rechtsprechung zum Handelsgesetzbuch hatte der Entlastungsbeschluß die Wirkung eines Verzichts auf Schadensersatzansprüche, R G 106, 262, vgl. auch Brodmann H G B § 260 Anm. 5b. Nach dem Aktiengesetz ist ein V e r z i c h t der Gesellschaft innerhalb der ersten fünf J a h r e seit der Entstehung des Anspruchs unzulässig und der trotzdem erklärte nichtig. Das gleiche gilt von einem Vergleich. Der Verzicht oder Vergleich kann deshalb auch n i c h t in F o r m eines Entlastungsbeschlusses erfolgen. Darüber, welche Bedeutung die jährliche Entlastung nunmehr noch hat, vgl. die Erl. zu § 104. Der B e g r i f f des V e r z i c h t s o d e r V e r g l e i c h s ist derselbe wie im bürgerlichen Recht. Die F ü n f j a h r e s f r i s t beginnt m i t der Entstehung des S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h s . Die Frist ist die gleiche wie bei der Verjährung der Ansprüche; Abs. 6. Auch bei dieser beginnt die Frist mit der Entstehung des Anspruchs, § 198 BGB, vgl. unten die Erl. zu Abs. 6, Anm. 58. Wenn nicht die Verjährung gehemmt oder unterbrochen ist, wird also regelmäßig die Verjährung eingetreten sein, ehe ein Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft zulässig ist. Wegen der Bedeutung der Vorschrift des Satzes 3 und der sie einschränkenden Vorschrift des S a t z e s 4, wonach die z e i t l i c h e Beschränkung nicht gilt, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des Konkurses mit seinem Gläubiger vergleicht, wegen der Notwendigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung und wegen des W i d e r s p r u c h s r e c h t s e i n e r M i n d e r h e i t , deren Anteile den fünften Teil des Grundkapitals erreichen, wegen der erforderlichen Mehrheit, wegen des Stimmrechts der an dem Vergleich oder Verzicht beteiligten Aktionäre, wird im übrigen auf die E r l . z u § 43 verwiesen.

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 A n m . 37 a—39

Anm. 37a 2. Die Beschränkung des Abs. 4 Satz 3 gilt nur für die Gesellschaft, nicht f ü r i h r e G l ä u b i g e r , die die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft nach Abs. 5 geltend machen. Diese Gläubiger können auch vor Ablauf der Fünfjahresfrist und ohne Zustimmung der Hauptversammlung auf den Anspruch verzichten oder sich über ihn vergleichen; sie sind daran auch nicht durch einen Widerspruch einer Minderheit verhindert. Verzicht und Vergleich wirken aber nur im V e r h ä l t n i s zwischen dem einzelnen G l ä u b i g e r und dem von ihm in Anspruch genommenen Verwaltungsträger, nicht dagegen im Verhältnis zur Gesellschaft oder zu anderen Gläubigern der Gesellschaft, die sich an dem Vergleich oder Verzicht nicht beteiligt haben. Die Gesellschaft kann deshalb, wenn sie von dem verzichtenden oder sich vergleichenden Gläubiger in Anspruch genommen wird, diesem auch nicht entgegenhalten, daß er verzichtet oder sich verglichen habe; denn die Gesellschaft wird dadurch nicht benachteiligt, da sie trotz des Verzichts oder Vergleichs gegen das Organmitglied vorgehen kann. Die Beschränkung des Rechts der Gesellschaft zum Verzicht oder Vergleich besteht nicht nur, soweit Ansprüche aus Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 84 bestehen, sondern auch dann, wenn sie aus der Verletzung von besonderen Schutzgesetzen zugunsten der Gesellschaft abgeleitet werden. Wegen Vergleichs und Verzichts bei K o n k u r s der A k t i e n g e s e l l s c h a f t vgl. unten Anm. 53. A n m . 38 VIII. Keine A n s p r ü c h e der A k t i o n ä r e a u s § 84 Die Ansprüche auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung der Verwaltungsträger sind Ansprüche der G e s e l l s c h a f t . Denn sie beruhen auf einem Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Verwaltungsträgern; vgl. Anm. 3. Die Gesellschaft als eigene Rechtspersönlichkeit ist auch die Geschädigte, deshalb ist die Aktiengesellschaft auch diejenige Rechtspersönlichkeit, welche zur Geltendmachung der Ansprüche (neben den Gläubigern, vgl. Abs. 5) befugt ist. Die e i n z e l n e n A k t i o n ä r e als s o l c h e oder die A k t i o n ä r e in i h r e r Z u s a m m e n f a s s u n g k ö n n e n nicht die S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e der G e s e l l s c h a f t in e i g e n e m N a m e n oder f ü r die G e s e l l s c h a f t g e l t e n d m a c h e n . Sie können weder Zahlung an sich selbst noch an die Gesellschaft verlangen. Es gibt neben der Aktiengesellschaft keine Gesamtheit der Gesellschafter als selbständiges Rechtssubjekt, R G 63, 203. Die Aktionäre können auch nicht persönlich Ansprüche gegen die Verwaltungsträger mit der Begründung herleiten, daß durch die mangelhafte Verwaltung das Gesellschaftsvermögen gemindert und damit auch ihre Aktien entwertet seien, R G 1 1 5 , 289. Die Ansprüche aus der Verletzung der Pflichten der Verwaltungsträger sind im Aktiengesetz e r s c h ö p f e n d geregelt. Die Aktionäre können ihre Belange als G e s e l l s c h a f t e r nur in den durch das Aktiengesetz gegebenen Formen wahren. Dies geschieht durch Ausübung des Stimmrechts; bei Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach den besonderen Vorschriften der §§ 122, 123. Diese Vorschriften wären überflüssig und unverständlich, wenn die einzelnen Aktionäre Ansprüche auf Grund von Pflichtverletzungen der Verwaltungsträger im Sinne des § 84 geltend machen könnten. Ein allgemeiner Rechtssatz, nach dem jeder einem anderen für vorsätzliche oder fahrlässige Vermögensbeschädigung haftet, besteht nicht, R G 51, 93; R G in H R R 1936 Nr. 350. Wegen einer Haftung auf G r u n d u n e r l a u b t e r H a n d l u n g vgl. Anm. 64fr. A n m . 39 I X . Die Rechte der G e s e l l s c h a f t s g l ä u b i g e r , A b s . 5 S . 1—3 1. D e r E r s a t z a n s p r u c h der G e s e l l s c h a f t k a n n a u c h von den G l ä u b i g e r n der G e s e l l s c h a f t g e l t e n d g e m a c h t w e r d e n , soweit sie von dieser keine Bef r i e d i g u n g e r l a n g e n k ö n n e n , Abs. 5 Satz 1. Durch die neue Fassung der Bestimmung, die an Stelle des Abs. 4 des § 241 HGB getreten ist, ist klar zum Ausdruck gebracht, daß der Gläubiger nur einen Ersatzanspruch der G e s e l l s c h a f t und nicht einen in seiner Person entstandenen b e s o n d e r e n Schadensersatzanspruch geltend 36»

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§84

Anm. 40, 41

I . Buch: Aktiengesellschaft

macht. E r übt eine ihm durch besondere gesetzliche Vorschrift eingeräumte Befugnis aus, einen Anspruch eines Dritten, seines Schuldners, in eigenem Interesse zu verfolgen. Ohne diese besondere aktienrechtliche Vorschrift könnte der Gläubiger nur von den allgemeinen Rechtsbehelfen des Gläubigers gegen den Schuldner Gebrauch machen. E r könnte gegen die Aktiengesellschaft als Schuldner einen vollstreckbaren Titel erwirken und auf Grund desselben den Anspruch der Gesellschaft gegen das schuldige Vorstandmitglied pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. V o n dieser Befugnis könnte er auch jetzt Gebrauch machen. Der Gläubiger müßte sich dann aber auch alle Einwendungen gefallen lassen, die der verklagte Verwaltungsträger d e r G e s e l l s c h a f t entgegenhalten könnte, so den Einwand, daß seine Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruhe, Abs. 4 Satz 1, oder daß die Gesellschaft in den Schranken des Abs. 4 Satz 3 einen Verzicht erklärt oder einen Vergleich geschlossen habe. E r könnte aber auch in anderen Fällen als denen des Abs. 3 die Ersatzansprüche der Gesellschaft verfolgen, also auch dann, wenn sie nur auf leichter Pflichtverletzung beruhen. Das V e r f o l g u n g s r e c h t ist zu vergleichen dem Rechte des Gläubigers einer K o m manditgesellschaft, den Kommanditisten bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar in Anspruch zu nehmen, § 1 7 1 H G B , oder dem Rechte der Gläubiger der Aktiengesellschaft, die Aktionäre, die entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes Zahlungen von der Gesellschaft empfangen haben, unmittelbar haftbar zu machen, § 56 Abs. 1. I m Gegensatz zu diesen Bestimmungen ist aber nach § 84 Abs. 5 erforderlich, daß der Gläubiger von der Aktiengesellschaft Befriedigung nicht erlangen kann, vgl. § 56 Anm. 4 ; R G in J W 1930, 3 7 3 0 1 . Bei dem Anspruch der Gläubiger aus § 84 Abs. 5 handelt es sich um ein aus besonderen Gründen geschaffenes Recht. E s k a n n n i c h t a u f a n d e r e P e r s o n e n u n d a u f andere A n s p r ü c h e , weder auf der G l ä u b i g e r - noch auf der Schuldnerseite, ausgedehnt werden.

Anm. 40 2. Den Anspruch der Gesellschaft auf Schadensersatz kann jeder Gläubiger der Gesellschaft geltend machen. Es ist dabei g l e i c h g ü l t i g , a u f w e l c h e m R e c h t s g r u n d d i e G e s e l l s c h a f t s s c h u l d b e r u h t . Sie kann auch darauf beruhen, daß die Gesellschaft für Schaden haftet, den der Vorstand, ein Vorstandsmitglied oder ein anderer satzungsmäßiger Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zugefügt hat, § § 3 1 , 831 B G B . Regelmäßig besteht dann aber auch ein unmittelbarer Anspruch des Dritten aus unerlaubter Handlung, §§ 823 ff. B G B , gegen das Organmitglied.

Anm. 41 3. G l e i c h g ü l t i g i s t , o b d i e S c h u l d d e r G e s e l l s c h a f t s c h o n z u r Z e i t d e r pflichtwidrigen H a n d l u n g der Verwaltungsträger oder der Entstehung d e s S c h a d e n s b e s t a n d o d e r o b s i e e r s t s p ä t e r e n t s t a n d e n ist. Denn jeder •—• auch ein künftiger — Gläubiger kann durch die pflichtwidrige Handlung des Verwaltungsträgers gefährdet werden, vgl. § 56 Anm. 6. Mit Recht weist Brodmann H G B § 241 Anm. 4 b d a r a u f h i n , daß der Gesellschaftsgläubiger nur ein zum Gesellschaftsvermögen gehöriges Aktivum geltend macht, und daß derjenige, der der Gesellschaft Kredit gewährt oder sonst ihr Gläubiger wird, keinen Anlaß hat, auf dieses Aktivum als Befriedigungsmittel zu verzichten. Durch die Gewährung des unmittelbaren Zugriffsrechts der Gesellschaftsgläubiger sollte im Interesse der Gläubiger die Erfüllung der Schadensersatzpflicht der Verwaltungsträger gesichert werden. Die Gläubiger sollten gegen die gerade in den Fällen der §§ 56, 84 naheliegende Gefahr geschützt werden, daß die Ansprüche nicht beigetrieben werden, weil die Gesellschaft und die Gesellschaftsorgane daran kein Interesse haben, R G 63, 210. Auch derjenige, der erst später Gläubiger geworden ist und v o n e i n e r P f l i c h t v e r l e t z u n g e i n e s V e r w a l t u n g s t r ä g e r s K e n n t n i s h a t t e , braucht nicht anzunehmen, daß die Vermögensbeschädigung der Gesellschaft dauernd sei und daß ihr ein Ersatzanspruch nicht gegenüberstehe.

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 A n m . 42—48

A n m . 42 4. Der Anspruch des Gesellschaftsgläubigers gegen den Verwaltungsträger besteht nur in H ö h e s e i n e r e i g e n e n F o r d e r u n g gegen die Gesellschaft, aber einschließlich der damit verbundenen Nebenforderungen, so wie sie auch gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden könnten (Kosten, Zinsen). A n m . 43 Da der Gesellschaftsgläubiger nur den Anspruch der Gesellschaft geltend macht, kann er von dem Verwaltungsträger nicht mehr fordern, als die Gesellschaft selbst verlangen könnte. D i e F o r d e r u n g d e r G e s e l l s c h a f t b i l d e t d i e Höchstgrenze seines Z a h l u n g s a n s p r u c h s . Da ihm das Recht auf unmittelbare Zahlung nur zum Zwecke der Befriedigung seiner Forderung an die Gesellschaft eingeräumt ist, kann er aus Abs. 5 nicht auf Zahlung an die Gesellschaft, sondern nur an s i c h s e l b s t klagen. Was er so zum Zwecke seiner Befriedigung erlangt, kann er auch zu diesem Zwecke verwenden und braucht es weder an die Gesellschaft noch an andere Gesellschaftsgläubiger abzuführen. Erlangt er mehr als er zu fordern hat, etwa weil seine Forderung inzwischen in anderer Weise ganz oder teilweise befriedigt worden oder aus einem anderen Grunde erloschen ist, so muß er das zuviel Erhaltene nach den Grundsätzen über ungerechtfertigte Bereicherung, §§812 ff. BGB, an die Aktiengesellschaft herausgeben. Nicht erforderlich ist, daß die Schuld der Gesellschaft durch Urteil oder in anderer Weise durch einen Vollstreckungstitel festgestellt ist. Der Gläubiger kann den Nachweis des Bestehens seiner Forderung im Prozeß gegen den Verwaltungsträger führen. A n m . 44 5. Die U n m ö g l i c h k e i t d e r B e f r i e d i g u n g des G l ä u b i g e r s d u r c h d i e G e s e l l s c h a f t gehört zum Tatbestand des Rechtes zur unmittelbaren Inanspruchnahme des schuldigen Verwaltungsträgers. Diese U n m ö g l i c h k e i t muß der Gläubiger bew e i s e n . Nicht erforderlich ist, daß er einen vergeblichen Vollstreckungsversuch gemacht hat. Er kann den Beweis auch in anderer Weise erbringen. A n m . 45 6. N a c h w e i s d e r V o r a u s s e t z u n g e n des S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h s . Da der Gläubiger nur den Anspruch der Gesellschaft geltend macht, sind an den Nachweis dieselben, aber keine höheren Anforderungen zu stellen, wie wenn die Gesellschaft selbst klagen würde. Es gelten namentlich die für den Anspruch der Gesellschaft aufgestellten Beweisregeln, insbesondere auch die sich aus der Rechenschaftspflicht des Vorstandes ergebende Beweislast des Verwaltungsträgers, vgl. Anm. 17, 27. Die Verwaltungsträger können die ihnen g e g e n d i e G e s e l l s c h a f t zustehenden E i n w e n d u n g e n nur erheben, soweit das Aktiengesetz sie gegen die Gläubiger nicht ausschließt, vgl. Anm. 50. Sie können mit Gegenforderungen gegen den Gläubiger aufrechnen und sonstige ihnen oder der Gesellschaft gegen den Gläubiger zustehende Einwendungen erheben. A n m . 46 Der klagende Gläubiger muß danach dartun: 1. daß ihm ein Anspruch gegen die Gesellschaft zusteht, 2. daß er von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen kann, 3. daß der Gesellschaft ein Schadensersatzanspruch gegen den Verwaltungsträger aus Verletzung seiner Amtspflichten zusteht. A n m . 47 7. Zwischen dem ersatzpflichtigen Organ und der Gesellschaft besteht kein G e s a m t schuldverhältnis. Insbesondere kommt eine Ausgleichspflicht nach §426 BGB zwischen ihnen nicht in Betracht. A n m . 48 8. Zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftsgläubigern besteht auch keine Gesamtgläubigerschaft (ebenso v. Godin 24, Ritter 9 a, Baumbach-Hueck 8 B, a. M . die Vorauflage, Schlegelberger-Quassowski 22, Teichmann-Köhler 5 c, R G Z 74, 429). Der Gläubiger hat keine eigene Forderung gegen das Organ, er verfolgt nur die

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§84

Anm. 49—51

I. Buch: Aktiengesellschaft

Forderung der Gesellschaft. Der Anspruch der Gesellschaft besteht neben dem Gläubigeranspruch weiter, R G 63, 210. E r geht nicht etwa auf die Gläubiger über, auch nicht, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig geworden ist. Bei Vorhandensein mehrerer unbefriedigter Gläubiger wäre auch nicht erkennbar, wie der Forderungsübergang sich vollziehen sollte. Der einzelne Gläubiger kann sich dadurch einen Vorrang vor anderen Gläubigern verschaffen, daß er den Anspruch in Höhe seiner Forderung pfändet. Geschieht dies nicht, so können die Gesellschaft und die Gläubiger den Anspruch nebeneinander geltend machen. Die Gesellschaft hat k e i n e n V o r r a n g vor den Gläubigern. Wenn sie diese nicht befriedigt und befriedigen kann, so muß sie ihnen nach der besonderen Vorschrift des Abs. 5 gestatten, die Forderung i n H ö h e i h r e s A n s p r u c h s für sich einzuziehen.

Anm. 49 9. Die Zahlung an die Gesellschaft oder einen der Gläubiger befreit das Vorstandsmitglied gegenüber allen. Das Vorstandsmitglied kann auch an jeden der m e h r e r e n G l ä u b i g e r ohne Rücksicht auf die Reihenfolge ihrer Meldung oder ihrer Klagen zahlen. Auch nach Einwirkung eines Urteils durch einen Gläubiger kann es an einen anderen, der Zahlung verlangt, oder an die Gesellschaft mit befreiender Wirkung zahlen. Es empfiehlt sich daher, ein vorläufig vollstreckbares Urteil zu vollziehen. Die E i n r e d e d e r R e c h t s h ä n g i g k e i t könnte einer zweiten K l a g e von dem verklagten Vorstandsmitglied nicht entgegengehalten werden, wie v. Godin 24 und Schlegelberger-Quassowski 22 annehmen, da jeder der Gläubiger ein selbständiges Klagerecht hat und keine Identität der Parteien besteht. Der Beklagte kann zwar Aussetzung des Verfahrens beantragen. Doch hat er hierauf keinen Rechtsanspruch. Hat ein Gläubiger vollstreckt, so kann der Schuldner in Höhe des beigetriebenen Betrages der Vollstreckung eines anderen mit der Vollstreckungsgegenklage begegnen, § 767 Z P O . Das Vorstehende gilt auch, wenn gleichzeitig die Gesellschaft und ein Gläubiger klagen.

Anm. 50 10. Die Besonderheiten des Verfolgungsrechts der Gläubiger gegenüber dem Anspruch der Gesellschaft. a) Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, daß der Verwaltungsträger dem Gläubiger gegenüber sich nicht darauf berufen kann, d a ß er a u f G r u n d e i n e s B e s c h l u s s e s der H a u p t v e r s a m m l u n g g e h a n d e l t h a t , Abs. 5 Satz 3 im Vergleich mit Abs. 4 Satz 1. Auch Billigung der Handlung durch den Aufsichtsrat schließt die Ersatzpflicht nicht aus. V g l . auch Anm. 36 a.

Anm. 51 b) Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht nicht durch einen V e r z i c h t oder V e r g l e i c h der Gesellschaft oder eine E n t l a s t u n g der Verwaltungsträger durch die Hauptversammlung, vgl. Anm. 37 aufgehoben, Abs. 5 Satz 3. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft den Verzicht und Vergleich in den ihr in Abs. 4 Satz 3 gezogenen Schranken vorgenommen hat; also auch dann, wenn die daselbst vorgesehene Fünfjahresfrist abgelaufen war, als die genannten Rechtshandlungen vorgenommen wurden. Abs. 5 Satz 3 macht seinem Wortlaute nach auch keine Ausnahme im Falle des Abs. 4, der die Gesellschaft selbst nicht an die zeitliche Beschränkung bindet, wenn der E r s a t z pflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung oder Beseitigung des K o n kursverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. Es erhebt sich aber die Frage, ob die Vorschrift des Abs. 4 Satz 4 nicht auch den Gläubigern gegenüber sinngemäß anzuwenden ist. Der gesetzgeberische Grund für die Ausnahme des Abs. 4 Satz 4, daß es im Interesse der Gesellschaft liegt, sich mit einem zahlungsunfähig gewordenen Schuldner alsbald zu vergleichen, und daß auch die Sanierung eines Schuldners, insbesondere durch Zwangsvergleich im Konkurs- oder Vergleichsverfahren im Allgemeininteresse erwünscht ist, und insbesondere im Zwangsvergleich eine allgemeine Bereinigung der Schulden nötig ist, spricht für die sinngemäße Anwendung des Abs. 4 Satz 4 auch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Andernfalls würden die Gläubiger einer Aktien-

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 Amn, 52, 53

gesellschaft bevorzugt. Dies würde aber dem Wesen des Zwangsvergleichs widersprechen. Auch würde dadurch das Zustandekommen von Zwangsvergleichen erschwert werden (ebenso v. Godin 27; a.M. Schlegelberger-Quassowski 26). Anm. 52 c) Die Beschränkung des unmittelbaren Verfolgungsrechts der Gläubiger nach dem Grade des Verschuldens der Verwaltungsträger. Nach § 241 Abs. 4 Satz 1 HGB bestand das unmittelbare Verfolgungsrecht nur in den Fällen des Abs. 3 des § 241 HGB. Durch § 84 Abs. 5 Satz 2 des Aktiengesetzes ist dieses Recht erweitert worden; in anderen Fällen als denen des Abs. 3 besteht es jedoch nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben. Durch die Ausdehnung des Verfolgungsrechts erübrigt sich vielfach die Entscheidung der Frage, ob einer der Fälle des Abs. 3 oder eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht vorliegt. Gröbliche Pflichtverletzung ist gleich der groben Pflichtverletzung nach §§ 27, 712 BGB, § 117 HGB, § 75 Abs. 3 AktG. Zweifelhaft kann sein, ob sie stets grobe Fahrlässigkeit, z. B. im Sinne von §§617, 723 BGB erfordert; so v. Godin 25, Baumbach-Hueck 8A. Es würde der Stellung des Vorstandes nach dem Aktiengesetz nicht entsprechen, wenn er auch wegen geringer Schädigungen der Gesellschaft von deren Gläubigern unmittelbar in Anspruch genommen werden könnte. Es muß daher das Vorliegen einer nicht ganz unerheblichen Schädigung und zugleich eine schwere Verletzung der dem Betriebsleiter obliegenden Sorgfaltspflicht verlangt werden. Anm. 53 X . Die Verfolgung der Schadensersatzansprüche im Konkurs der Aktiengesellschaft, Abs. 5 S. 4. 1. Ist über das V e r m ö g e n der Gesellschaft das K o n k u r s v e r f a h r e n erö f f n e t , so übt w ä h r e n d dessen D a u e r der K o n k u r s v e r w a l t e r das R e c h t der G l ä u b i g e r gegen die V o r s t a n d s m i t g l i e d e r aus. Die Bestimmung ist neu in das Aktiengesetz aufgenommen. Das HGB enthielt nur in § 217 Abs. 2 die Vorschrift, daß das in Abs. 1 daselbst geordnete Recht der Gesellschaftsgläubiger, die Aktionäre, die entgegen den Vorschriften des Aktienrechts Zahlungen empfangen haben, unmittelbar in Anspruch nehmen, vgl. jetzt § 56 AktG, während der Dauer des Konkursverfahrens durch den Konkursverwalter ausgeübt wird. Eine ähnliche Bestimmung enthält § 171 Abs. 2 HGB für das nach § 171 Abs. 1 bestehende Recht der Gläubiger einer Kommanditgesellschaft, die Kommanditisten bis zur Höhe ihrer Einlage unmittelbar haftbar zu machen. Die Rechtsprechung hatte schon bisher angenommen, daß die Vorschriften des § 171 Abs. 2, § 217 Abs. 2 HGB auch auf die Ansprüche gegen die Vorstandsmitglieder aus Verletzung ihrer Pflichten anzuwenden sind, R G 39, 64; 74, 429; R G in J W 00, 661 1 3 ; 1911, 2 2 3 25 ; 1930, 3730 1 . Der Konkursverwalter hat danach das alleinige Recht, die Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsträger gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Er kann in den von einem Gläubiger eingeleiteten Prozeß eintreten. Nur er kann ihn fortführen, da er während des Konkurses die Rechte der Gläubiger wie auch die des Gemeinschuldners ausübt. Der einzelne Gläubiger, der jetzt noch klagen wollte, würde ein ihm nicht zustehendes Aussonderungsrecht geltend machen; er wäre mangels Sachbefugnis abzuweisen, R G 74, 428. Tritt der Konkursverwalter kraft der auf ihn übergangenen Sachberechtigung, R G 84, 242; R G in J W 1930 S. 3730 1 , in den Rechtsstreit ein, so nimmt er die Stellung des R e c h t s n a c h f o l g e r s des bisherigen Klägers im Sinne des § 325 ZPO ein. Da der Konkursverwalter auch die Rechte der Konkursgläubiger wahrzunehmen hat, kann der Beklagte sich auch ihm gegenüber nicht d a r a u f b e r u f e n , daß seine Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruhe oder daß die Gesellschaft wirksam auf den Anspruch verzichtet oder sich mit ihm darüber verglichen habe, Abs. 5 Satz 3. Ebensowenig kann er sich auf einen Vergleich mit einem einzelnen Gläubiger berufen, wohl aber auf eine Befreiung von der Schuld durch eine rechtmäßige Leistung an den Gläubiger. Endet der Konkurs vor Beendigung des Rechtsstreits, so geht damit die Sachberechtigung des Konkursverwalters zu Ende und die des

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§84

Anm. 54—56

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Gläubigers tritt wieder ein. Ist der Rechtsstreit vorher rechtskräftig entschieden, so gilt dies auch f ü r den Gläubiger, vgl. R G in J W 1935, 3 3 0 1 . Die R e c h t s k r a f t des Urteils wirkt dann für und gegen a l l e Gläubiger, da der Konkursverwalter für a l l e tätig geworden ist. Ein Vergleich, den der Konkursverwalter während der Dauer des Verfahrens abschließt, wirkt für die Konkursmasse und für und gegen alle Einzelgläubiger, R G 39, 64; 63, 203; 74, 429; 84, 2 5 1 . Der einzelne Gläubiger kann während der Dauer des Konkursverfahrens auch dann nicht klagen oder einen von ihm eingeleiteten Rechtsstreit fortsetzen, wenn der Konkursverwalter nach Prüfung der Sachlage die Verfolgung des Anspruchs ablehnt. Auch dann liegt in der K l a g e eine Verfügung über den Anspruch, die nur dem Konkursverwalter zusteht, R G 74, 429. Der einzelne Gläubiger muß warten, bis das Konkursverfahren beendigt ist. Darüber hinaus kann ihn der Konkursverwalter nicht von der Verfolgung des Anspruchs abhalten. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft hat auch für die von den Gläubigern anhängig gemachten Prozesse die Wirkung, daß das V e r f a h r e n in sinngemäßer Anwendung des § 240 Z P O u n t e r b r o c h e n wird.

Anm. 54 2. Die neue Vorschrift des § 84 Abs. 4 Satz 3, wonach die Gesellschaft erst nach fünf J a h r e n seit Entstehung des Anspruchs und nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und mangels des Widerspruchs einer Minderheit mit Anteilen von einem Fünftel des Grundkapitals v e r z i c h t e n oder sich v e r g l e i c h e n kann, gilt für den K o n k u r s v e r w a l t e r n i c h t ; ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 18. E r bedarf auch keiner Mitwirkung der Gesellschaftsorgane, R G 76, 246; 1 2 7 , 198. Ein V e r z i c h t auf den Anspruch hegt regelmäßig nicht im Aufgabenkreis des K o n kursverwalters. Anders wenn dadurch die Verwertung der Masse und der K o n k u r s z w e c k gefördert wird, z. B. im Zusammenhang mit einem Vergleich über mehrere Ansprüche. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn durch den Vergleich auch streitige Gegenansprüche beseitigt werden sollen, und deshalb auf einen Schadensersatzanspruch verzichtet wird, R G 62, 203. Daher genügt es, daß der Konkursverwalter den Verzicht im Rahmen des Konkurszweckes subjektiv für geboten hielt. Darauf, daß er objektiv geboten war, kommt es nicht an. Z u einem Verzicht außerhalb des Konkurszweckes ist der Konkursverwalter nicht befugt, v. Godin Anm. 28 nimmt anscheinend an, daß jeder vom Konkursverwalter erklärte Verzicht wirksam sei. Der Konkursverwalter ist aber zur Verfügung über Gesellschaftsvermögen nur in den Grenzen seiner Aufgabe befugt. Die Vorstandsmitglieder sind auch nicht Dritte, die sich auf eine unbeschränkte Vertretungsmacht des Konkursverwalters berufen könnten.

Anm. 55 XI. Verjährung, Abs. 6. 1. Literatur: Rospatt BankArch. 3 1 , 496. Die Verjährung umfaßt alle Ansprüche, die auf einer Verletzung der Pflichten der Gesellschaftsorgane nach Abs. 1 beruhen, mögen sie ihnen durch das Aktiengesetz oder die Satzungen auferlegt oder von ihnen in Erweiterung dieser Pflichten durch den Dienstvertrag übernommen sein. I m Falle der E r w e i t e r u n g der Pflichten und der Haftung, z. B. bei vertragsmäßiger Übernahme der Erfolgshaftung, ist die Anwendung dieser Verjährungsbestimmungen als stillschweigend vereinbart anzusehen, wenn die Tatumstände nicht etwas anderes ergeben. Die kurze Verjährungsfrist gilt auch bei vorsätzlicher und böswilliger Zuwiderhandlung gegen die übernommenen Amtspflichten, denn auch in diesem Falle handelt es sich um einen Anspruch aus § 84, R G 87, 306; R G bei Holdh. 25, 4 3 ; R G in J W 1 9 1 6 , 1 2 9 1 3 .

Anm. 56 N e b e n der V e r j ä h r u n g aus Abs. 6 l ä u f t nicht noch eine b e s o n d e r e V e r j ä h r u n g a u s u n e r l a u b t e r H a n d l u n g nach § 8 5 2 B G B ; auch dann nicht, wenn die Verletzung der Sorgfaltspflicht zur Verstärkung des durch § 84 erstrebten Schutzes mit öffentlicher Strafe bedroht ist, z. B. § 296 Abs. 1 Nr. 3—6. Auch dann richtet sich die Verjährung ausschließlich nach Abs. 6. Diese Bestimmung enthält eine S o n d e r -

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§ 84 A n m . 56 a, 57

regelung, schließt also, soweit der T a t b e s t a n d des § 84 gegeben i s t , die Anwendung des § 852 BGB aus. Erfüllt dagegen die Handlung des Vorstandsmitgliedes ohne Rücksicht auf diese seine Eigenschaft selbständig den Tatbestand einer unerlaubten Handlung, so gilt für diesen Tatbestand die Verjährungsfrist für unerlaubte Handlungen. Diese Selbständigkeit besteht nur, wenn eine unerlaubte Handlung auch vorliegen würde, sofern ein anderer als ein Verwaltungsträger der Gesellschaft die Handlung begangen hätte (z. B. Diebstahl), R G 87, 306 für § 41 Abs. 4 GenG. Dann laufen beide Verjährungen nebeneinander her. Die Verjährung aus unerlaubter Handlung beginnt erst mit der Kenntnis des Verletzten von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen, läuft aber regelmäßig nur 3 Jahre, § 852 BGB, während es für die Verjährung aus § 84 Abs. 6 auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs ankommt (Anm. 58). Beruht der Anspruch der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied auf einem anderen selbständigen T a t b e s t a n d , der eine längere oder kürzere Verjährungsfrist als die des § 84 Abs. 6 oder des § 852 BGB vorsieht, z. B. eine Kaufpreisschuld (RG 156, 296 = J W 38, 516 m. Anm. v. Ruth), so ist die für diesen Tatbestand gegebene Verjährungsfrist anwendbar, R G 96, 55; vgl. auch R G 98, 31. Anm. 56a Zweifelhaft ist, ob bei Haftung aus § 84 nach Ablauf der Verjährungsfrist des Abs. 6 noch die Herausgabe desjenigen, was ein Vorstandsmitglied durch Verletzung seiner Vorstandspflichten erlangt hat, z. B. überhöhte Gehalts- und Gewinnbezüge, nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung, §§812 ff BGB verlangt werden kann: Sieht man als Zweck der kurzen Verjährung an, im Interesse der Gesellschaft selbst und im Interesse des Rechtsfriedens zwischen der Gesellschaft und ihren leitenden Personen die Feststellung weit zurückliegender Tatbestände und darauf gestützter Ansprüche gegen Verwaltungsmitglieder zu vermeiden, so müßten auch Bereicherungsklagen ausgeschlossen sein, wenn die Bereicherung nur dann als ungerechtfertigt festgestellt werden kann, wenn dem Vorstandsmitglied ein Betrag durch Verletzung seiner Vorstandspflichten zugeflossen ist. Denn ausgeschlossen ist eine Bereicherungsanspruch allgemein, wenn er dazu dienen soll, einen Rechtsverlust wettzumachen, der mit Rücksicht auf die Verkehrssicherheit vom Recht zum Untergang gebracht worden ist; damit würde der Zweck dieses Ausschlusses, nach gewisser Zeit Ruhe zu schaffen, vereitelt werden, RGR-Komm., Vorbemerkung 8 vor §812 BGB mit Nachweisen der Rechtsprechung, R G 70, 352; 128, 2 1 1 ; 135, 347 (Verjährung des Wandelungsanspruchs), abweichend R G 71, 358. Der Zweck des Abs. 6 spricht für die Anwendung dieses Grundsatzes. Demgegenüber hat sich das Reichsgericht in SeuffArch. Bd. 92 Heft 12 = J W 1938, 2413 24 auf den Standpunkt gestellt, daß § 241 Abs. 5 HGB ( = § 84 Abs. 6 HGB) nach seinem Wortlaut auf die Verjährung von Schadensersatzansprüchen beschränkt sei und Bereicherungsansprüche nicht ausschließe (ebenso v. Godin 29, SchlegelbergerQuassowski 19, Teichmann-Köhler 6, Baumbach-Hueck 9). Liegt aber eine selbständige unerlaubte Handlung i. S. des Anm. 56 Gesagten vor, so gilt § 852 Abs. 2 BGB. Was das Vorstandsmitglied durch diese unerlaubte Handung auf Kosten der Gesellschaft erlangt hat, muß es nach Vollendung der Verjährung — und zwar sowohl der des § 852 BGB wie der des § 84 Abs. 6 — nach Bereicherungsvorschriften herausgeben. Denn dieser Anspruch ist seinen Voraussetzungen nach ein solcher aus unerlaubter Handlung, kein Bereicherungsanspruch (RGR-Komm. § 852 Anm. 8). A n m . 57 Kann der Anspruch selbständig auf Vertragsverletzung, auf unerlaubte Handlung oder auf einen anderen Rechtsgrund gestützt werden, so hängt der Lauf der Verjährung davon ab, auf welchem R e c h t s g r u n d der K l ä g e r die K l a g e stützt. Bringt er alle möglichen Klagegründe vor, so kommt die Verjährungsbestimmung zur Anwendung, die ihm am günstigsten ist. Die Wahl steht nicht etwa dem Ersatzpflichtigen zu, R G 81, 271. Solange noch irgend eine Verjährungsfrist läuft, unter die der Anspruch fällt, ist er nicht verjährt, R G 96, 56. 563

§84

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Anm. 58 Anm. 58 2. B e g i n n d e r Verjährung. Die Verjährung des Anspruchs aus § 84 beginnt mit der E n t s t e h u n g d e s A n s p r u c h s , § 198 BGB, nicht wie Schlegelberger-Quassowski, § 84 Anm. 19, annehmen, mit der Vornahme der pflichtwidrigen Handlung. Die Entstehung des Anspruchs kann zwar mit dieser Handlung zusammenfallen, so wenn eine der in Abs. 3 genannten Handlungen ausgeführt, z. B. einem Zahlungsunfähigen Kredit gegeben wird. Der Anspruch kann aber auch später entstehen, wenn die H a n d l u n g erst später eine schädigende Wirkung ausübt. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist der Anspruch in dem Augenblick entstanden, in dem der Schuldner rechtlich auf ein T u n oder Unterlassen in Anspruch genommen werden kann; es genügt nach der Rechtsprechung aber, zur Ingangsetzung der Verjährungsfrist das Bestehen der M ö g lichkeit, eine die Verjährung unterbrechende F e s t s t e l l u n g s k l a g e z u e r h e b e n , R G 8 3> 354 = J W 1914, 310; R G in J W 1922 S. 1648 2 , R G Urt. vom 9. 10. 36 I I 43/36, teilweise abgedruckt R G 152, 273 = J W 1937, 683 mit Anmerkung von R u t h ; vgl. auch R u t h , Der Einfluß der. Feststellungsklage auf die Verjährung in ArchBürgR 42, 253Die gerichtliche F e s t s t e l l u n g einer Schadensersatzpflicht kann begehrt werden, wenn irgend ein Schaden schon entstanden ist, dieser jedoch noch nicht der Höhe nach feststellbar ist, so d a ß die Leistungsklage auf Ersatz des vollen Schadens nicht möglich ist, etwa deshalb, weil die volle Höhe des Schadens noch nicht übersehbar ist oder weil es sich u m einen noch in der Entwicklung begriffenen Schaden handelt, R G V Z in R G 21, 382; 23, 347; 152, 273; v. Jodin 29, Baumbach-Hueck 9. Von dieser Klage zu unter scheiden ist die prozeßrechtlich ebenfalls zulässige K l a g e a u f F e s t s t e l l u n g d e r V e r p f l i c h t u n g z u m E r s a t z eines erst in d e r Zukunft zu e r w a r t e n d e n S c h a d e n s . Diese ist zulässig, sobald die schadenstiftende Handlung eingetreten ist, wenn sie auch noch keinen Schaden verursacht hat. In diesem Falle ist die Verjährungsfrist noch nicht in Lauf gesetzt. Ist irgendein Schaden noch nicht entstanden, so kann von der Gesellschaft oder ihren Gläubigern nicht verlangt werden, d a ß sie eine die Verj ä h r u n g unterbrechende Handlung vornehmen, R G 87, 306; v. Godin 29. Zweifel können sich ergeben, wenn schädigende Folgen einer Handlung n a c h t r ä g l i c h auftreten oder wenn z u d e n u r s p r ü n g l i c h e n F o l g e n n e u e hinzutreten. Das Reichsgericht hat, zunächst für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, dann auch f ü r Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsträger von juristischen Personen angenommen, d a ß der gesamte aus einer unerlaubten Handlung entstehende Schaden ein einheitliches Ganzes bilde. Sobald der Schaden auch nur z u m T e i l entstanden sei, beginne die Verjährung des ganzen sich aus der Handlung entwickelnden Anspruchs. Die Einheitlichkeit des Schadens bleibe solange gewahrt, als die Schadensfolgen sich als eine nach den Anschauungen des Verkehrs möglicherseise zu erwartende Weiterentwicklung der zum Schadensersatz verbindenden Handlung ansehen lassen. Nur wenn später aus der Handlung neue schädliche Folgen entstehen oder ersichtlich werden, die sich zuvor nicht voraussehen oder erwarten ließen, beginne für diese eine besondere Verjährung; R G 83, 354; 87, 306; R G in J W 1932, 1648 2 , ferner das in Abs. 1 zit. Urteil vom 9. 10. 36 I I 43/36. Bei einer Kreditgewährung an einen schon zahlungsunfähigen Schuldner ist Schaden bereits mit der Hingabe des Geldes eingetreten. Die damit beginnende Verjährung erstreckt sich danach auch auf die Vergrößerung des Schadens durch Zinsrückstände und Kosten, auch wenn sich so die Fortentwicklung jahrelang fortgesetzt hat. Unter Umständen kann die Verjährungsfrist danach schon dann abgelaufen sein, wenn erst ein kleiner Teil des Schadens entstanden war u n d dieser sich erst im Laufe der J a h r e zu einer besonderen H ö h e entwickelt hat. Dieses Ergebnis ist unerfreulich. Aus der richtigen Annahme, d a ß Schaden schon entstanden sei, wenn er auch nur zum Teil wirksam geworden ist, folgt nicht notwendig, d a ß auch der spätere Schaden schon als „entstanden" anzusehen ist. W ü r d e sich diese Folge aus dem Begriff der Einheit des Schadens ergeben, so wäre dieser theoretische Begriff abzulehnen, da er mit dem Inhalt des Gesetzes, § 198, in Widerspruch stehen würde. A l s e n t s t a n d e n k a n n in diesem Sinne d e r S c h a d e n n u r g e l t e n , w e n n u n d s o w e i t d i e U r s a c h e a u c h i h r e W i r k u n g g e h a b t h a t . Es m u ß unterschieden werden zwischen dem Schaden der zuerst u n d dem, der später entstanden ist. Für j e d e n T e i l s c h a d e n beginnt

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§ 84 A n m . 58 a—60 a

die Verjährung erst, wenn dieser Teil des Schadens und damit der Ersatzanspruch entstanden ist, vgl. auch § 79 Anm. 9. Es müssen von dem Ereignis an, das zur Unterbrechung der Verjährung geeignet ist (gewöhnlich Klageerhebung), fünf Jahre zurückgerechnet werden. Der Schaden, der sich innerhalb dieser Zeit erst entwickelt hat, ist vor Ablauf der fünf Jahre nicht verjährt. A n m . 58a Es besteht die Möglichkeit, daß ein erheblicher Schadensersatzanspruch verjährt, weil die zur Verfolgung berufenen Organe davon keine Kenntnis gehabt haben. Diese Folge tritt aber auch bei anderen kurzen Verjährungen von Schadensersatzansprüchen ein, so bei der Gründerhaftung, § 44. Die Folge ist vom Aktiengesetz bewußt in Kauf genommen worden. Dem etwa entstehenden Nachteil steht der Vorteil gegenüber, der in der Schaffung baldiger Klarheit der Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Organen liegt. Da das Gesetz andererseits durch die bestehenden weitgehenden Kontroll- und Prüfungsvorschriften, insbesondere die P r ü f u n g der Jahresabschlüsse, dafür Sorge trägt, daß schwere Schädigungen aufgedeckt werden können und die Verjährungsfrist immerhin fünf Jahre beträgt, besteht auch für eine Verlegung des Verjährungsbeginns auf den Zeitpunkt der Kenntnis der zur Verfolgung der Schadensansprüche berufenen Gesellschaftsorgane kein erhebliches Bedürfnis. Soweit der Tatbestand einer selbständigen u n e r l a u b t e n H a n d l u n g gegeben ist, läuft außerdem die Verjährung des § 852 BGB von der Kenntnis an. Bei Verschleierungen oder wissentlichem Zusammenwirken der schuldigen Organe zur Verhinderung rechtzeitiger Klage kann der Einrede der Verjährung auch mit der Gegeneinrede der Arglist entgegengetreten werden, R G 78, 389; 133, 39. Häufig wird in einer V e r s c h l e i e r u n g s h a n d l u n g wieder eine neue Pflichtverletzung liegen, die den Lauf einer neuen Verjährungsfrist eröffnet. A n m . 59 Jede wiederholte zum Schadensersatz verpflichtende Handlung unterliegt einer b e s o n d e r e n V e r j ä h r u n g : Der den besonderen Bedürfnissen des Strafrechts dienende Begriff der f o r t g e s e t z t e n H a n d l u n g gilt nicht für das Zivilrecht, R G 134, 335 = M u. W 1932, 141 = J W 1932, 939; R G in J W 1934, 1494. Andererseits beginnt die Verjährung nicht, solange die schadenbringende Handlung fortdauert. A n m . 60 W a r die H a n d l u n g i n n e r h a l b eines b e s t i m m t e n Z e i t r a u m s v o r z u n e h m e n , so ist die pflichtwidrige Handlung (Unterlassung) in der Regel vollendet, wenn sie in der späteren Zeit nicht mehr vorgenommen werden kann. Die Tätigkeit, die z. B. der Aufsichtsrat während des Geschäftsjahres zu entwickeln hat, die regelmäßige Überwachung der Geschäftsführung, ist danach zu unterscheiden von der Tätigkeit, die ihm bis zur nächsten Hauptversammlung obliegt, wie die Mitwirkung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses. Die Verjährung eines Schadens, der aus der erstgenannten Tätigkeit geltend gemacht wird, beginnt deshalb regelmäßig mit dem Ablauf des Geschäftsjahres, wegen der nach dessen Ablauf zu entwickelnden Tätigkeit, spätestens mit der nächsten ordentlichen H a u p t v e r s a m m l u n g , die über die Entlastung beschließt und in der der Aufsichtsrat über seine Tätigkeit zu berichten hat, R G in J W 1934, 1925. Anm. 60a Für die Gesellschaft, den Konkursverwalter und die Gläubiger beginnt die Verjährung zur g l e i c h e n Z e i t mit der Entstehung des Anspruchs. Darauf, wann der Einzelne Gläubiger geworden ist, kommt es nicht an. Dies ergibt sich daraus, daß auch die Gläubiger (wie der Konkursverwalter) nur einen Anspruch der Gesellschaft geltend machen und sich die Einreden entgegenhalten lassen müssen, die dem Schuldner gegenüber der Gesellschaft zustehen.

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§84

Anm. 61

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Anm. 61 3. O b d i e v o n e i n e m d e r z u r G e l t e n d m a c h u n g d e s A n s p r u c h s B e r e c h t i g t e n , vgl. Anm. 48, e r w i r k t e U n t e r b r e c h u n g d e r V e r j ä h r u n g z u g u n s t e n d e r a n d e r e n w i r k t , ist bestritten. Nach einer Ansicht wird die Verjährung zugunsten aller Berechtigten durch Akte der Gesellschaft und gegenüber der Gesellschaft, außerdem durch Akte jedes einzelnen Gläubigers zu seinen eigenen Gunsten unterbrochen; nicht aber könne sich ein Gläubiger auf Akte stützen, die ein anderer Gläubiger unternommen habe, und nicht die Gesellschaft auf Akte, die ein Gläubiger unternommen habe; wohl aber könne sich der K o n k u r s v e r w a l t e r auf Akte einzelner Gläubiger stützen, da er alle Gläubiger vertrete (Baumbach-Hueck 9). Nach anderer Ansicht sind die Rechtssätze von der Gesamtforderung §§ 429, 425 B G B anzuwenden. H a b e ein Gläubiger vor Ablaub der Frist K l a g e erhoben, so könne der Beklagte sich nicht darauf berufen, daß inzwischen im L a u f e des Prozesses der Anspruch d e r G e s e l l s c h a f t selbst verjährt sei. Noch weniger könne der Gläubiger, der die Verjährungszeit habe verstreichen lassen, für sich geltend machen, daß die Gesellschaft oder ein anderer die Verjährung unterbrochen habe. Denn diese Unterbrechung — wenigstens wenn es sich u m eine solche durch K l a g e handle — wirke nur, wenn der eingeklagte Anspruch begründet sei; in diesem Falle könne ein anderer Gläubiger eine Forderung nur in Höhe eines etwaigen Uberschusses geltend machen; insoweit sei aber durch jene K l a g e die Verjährung nicht unterbrochen worden, vgl. Brodmann § 241 H G B Anm. 5 a. Bei Beantwortung der Frage ist davon auszugehen, daß es sich bei der Einrede der Verjährung u m einen gegen den sachlich-rechtlichen Bestand des Anspruchs gerichteten Einwand handelt. Mit der Einrede will der Schuldner durch einen rechtsvernichtenden Akt den Anspruch selbst zu Fall bringen. Hat die G e s e l l s c h a f t selbst oder der K o n k u r s v e r w a l t e r die Verjährung unterbrochen, so ist der Einwand dem Schuldner f ü r die Dauer der neuen Verjährungsfrist abgeschnitten. Diese Unterbrechung wirkt daher auch f ü r a l l e G l ä u b i g e r . A u c h der e i n z e l n e G l ä u b i g e r macht nur die Forderung der Gesellschaft geltend. Aus seinem selbständigen Verfolgungsrecht ergibt sich auch das Recht, eine Handlung vorzunehmen, durch die eine Einrede des Schuldners gegen die F o r d e r u n g , nicht nur gegen denjenigen, der sie geltend macht, abgeschnitten wird. Daraus, daß der Gläubiger dabei in eigenem Interesse handelt, folgt nicht, daß die Unterbrechung nur für ihn wirkt. E r handelt mit seiner Unterbrechungshandlung auch im Interesse der Gesellschaft und der anderen Gesellschaftsgläubiger. Denn wenn er ein obsiegendes Urteil erzielt und Zahlung erhält, so wird dadurch zugleich die Gesellschaft von einer Schuld befreit und ihr übriges Vermögen dient den anderen Gläubigern als Befriedigungsmittel. Der einzelne Gläubiger besorgt damit auch die Geschäfte der Gesellschaft. Allerdings wirkt die Unterbrechung nur in H ö h e d e s e i n g e k l a g t e n B e t r a g e s , und klagen kann der einzelne Gläubiger nur in Höhe seiner eigenen Forderung. Befriedigt er sich aus dem eingeklagten Betrag, so wirkt die Unterbrechung endgültig nur zu seinen Gunsten. Aber die einmal wirksam erfolgte Unterbrechung kann dann in Höhe des eingeklagten Betrages auch zu Gunsten der Gesellschaft oder anderer Gläubiger wirken, wenn das Befriedigungsrecht des klagenden Gläubigers wegfällt, etwa weil er anderweit befriedigt wird, oder seine Forderung aus einem anderen Grunde erlischt. Dieser Wegfall des Befriedigungsbedürfnisses gehört nicht zu den Fällen, in denen eine an sich wirksam geschehene Unterbrechung kraft besonderer Vorschrift, §§ 2 1 2 ff. B G B , als nicht erfolgt „ g i l t " , d. h. fingiert wird. Das E r g e b n i s ist also: J e d e Unterbrechung wirkt a u c h z u g u n s t e n d e r a n d e r e n zur Geltendmachung der Gesellschaftsforderungen Berechtigten, seien diese die Gesellschaft oder der Konkursverwalter oder andere Gläubiger. Die Unterbrechnung wirkt aber nur in der Höhe, in der die Forderung mit der Unterbrechungshandlung geltend gemacht ist, ebenso v. Godin 29. Nach Schlegelberger-Quassowski 19, wirkt die Unterbrechung und Hemmung grundsätzlich nur für und gegen den Gläubiger, in dessen Person sie eintritt; sei die Verjährung zugunsten eines Gläubigers unterbrochen, so wirke dies nicht f ü r die Gesellschaft oder f ü r andere Gläubiger, die die Verjährungsfrist versäumt haben. Die gleiche Wirkung im Verhältnis zu den mehreren Gläubigern wie die Unterbrechung muß auch die H e m m u n g der Verjährung haben; vgl. auch Anm. 63.

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§ 84 A n m . 62—64

A n m . 62 4. D i e V e r j ä h r u n g k a n n n a c h d e r a l l g e m e i n e n V o r s c h r i f t des § 2 2 5 Satz 1 B G B durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch erschwert, d i e V e r j ä h r u n g s f r i s t also a u c h n i c h t v e r l ä n g e r t w e r d e n . Eine Ausnahme, wie sie in besonderen gesetzlichen Bestimmungen, z. B. § 477 Abs. 1 Satz 2, § 490 Abs. I Satz 2 BGB, § 414 Abs. 1 Satz 2, §§ 423, 439 H G B zugelassen ist, besteht für die Ansprüche aus § 84 nicht. Auch durch die Satzung kann die Verjährungsfrist nicht verlängert werden. Eine abweichende Bestimmung wäre nichtig, da die Vorschrift des § 225 Satz 1 im öffentlichen Interesse erlassen ist, R G 87, 284. Nach § 225 Satz 2 ist E r l e i c h t e r u n g d e r V e r j ä h r u n g , insbesondere A b k ü r z u n g d e r V e r j ä h r u n g s f r i s t , zulässig. Für die kurze Verjährung der §§ 84, 99 ist sie aber durch die besonderen Bestimmungen des Aktiengesetzes a u s g e s c h l o s s e n . Sie käme in gewissem Umfange auf einen Erlaß oder auf einen Verzicht hinaus. Dies würde aber der zwingenden Vorschrift in Abs. 4 und 5 widersprechen; abweichend für das bisherige Recht, R G Urt. vom 26. 2. 37 I I 207/36, teilweise abgedruckt in J W 1937, 2101 6 . A n m . 63 5. G e l t u n g d e r a l l g e m e i n e n V o r s c h r i f t e n des B G B ü b e r d i e V e r j ä h r u n g . Abs. 6 enthält lediglich eine Vorschrift über die Dauer der Verjährungsfrist. Im übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB über die Verjährung, insbesondere über B e g i n n , U n t e r b r e c h u n g und H e m m u n g , §§ 194 ff. BGB, R G 29, 28. Zweifelhaft ist, ob nicht in entsprechender Anwendung des § 206 BGB die Verjährung solange gehemmt ist, als die schuldigen Verwaltungsträger im Amt sind und nicht so viele nicht beteiligte Vorstandsmitglieder vorhanden sind, daß durch sie die Klage von dem Vorstande in vertretungsberechtigter Zahl erhoben werden kann. Das Reichsgericht hat in einer Genossenschaftssache R G 156, 291 = J W 1938, 5 1 , mit Anm. von Ruth die entsprechende Anwendung des § 206 BGB abgelehnt mit dem Hinweis auf § 39 GenG, der den Aufsichtsrat ermächtigt, gegen die Vorstandsmitglieder die Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung beschließt. Für die Aktiengesellschaft ergibt sich derselbe Weg aus § 97 Abs. 1. Auch hätte eine Minderheit die Möglichkeit, eine Klage zu erzwingen, § 122. Daß in § 206 BGB nur an den Schutz natürlicher Personen gegen das Fehlen gesetzlicher Vertreter gedacht und deshalb nur für diesen Fall eine Hemmung der Verjährung bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Wegfall des Mangels vorgesehen wurde, würde die sinngemäße Ausdehnung der Vorschrift nicht ausschließen. Aber der der kurzen Verjährung des Abs. 6 zugrunde liegende Zweck spricht doch gegen eine Hemmung. Die Zulassung der Hemmung würde einen Anlaß zu immer wieder eintretender Beunruhigung sein. Haben die schuldigen Verwaltungsträger es durch unlauteres Verhalten verstanden, eine Aufdeckung ihres gesellschaftsschädlichen Gebarens zu verhindern, so kann ihrer Berufung auf Verjährung mit der Einrede der Arglist begegnet werden; vgl. auch Anm. 58 am Ende. A n m . 64 XII. Haftung der Gesellschaftsorgane gegenüber Aktionären und sonstigen Dritten. 1. Dritte, worunter auch Aktionäre zu verstehen sind, können gegen die Verwaltungsträger aus der Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft keine Ansprüche herleiten. Sie können Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsträger n u r auf Grund der Vorschriften über u n e r l a u b t e H a n d l u n g e n §§ 823, 826 BGB, geltend machen, wenn der besondere Tatbestand dieser Bestimmungen gegeben ist (Schlegelberger-Quassowski). 30 Für das Bestehen dieser Ansprüche haben sie die B e w e i s l a s t . Es gilt insofern nicht die Rechenschaftspflicht der Verwaltungsträger gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftsgläubigern nach § 84 Abs. 2 Satz 2. Die Verjährung richtet sich nach § 852 BGB, die gesamtschuldnerische Haftung nach §840 BGB. Eine Schadensersatzpflicht der Verwaltungsträger gegenüber Dritten w e g e n a l l g e m e i n e r V e r m ö g e n s s c h ä d i g u n g der Dritten kommt nicht in Betracht, da das Vermögen nicht zu den durch § 823 Abs. 1 BGB besonders geschützten Rechtsgütern

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§84

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Anm. 65—66 gehört, R G 76, 48; 97, 89. Die Aktie ist zwar ein s o n s t i g e s R e c h t i. S. des § 823 Abs. 1 BGB (vgl. R G Z 100, 278 f ü r den Geschäftsanteil a n einer G m b H ) . Sie k a n n aber nicht d u r c h H a n d l u n g e n , die den W e r t u n d die Ertragsfähigkeit der Gesellschaft schmälern, widerrechtlich verletzt werden, sondern n u r d u r c h H a n d l u n g e n , die sich gegen ihren rechtlichen Bestand richten ( R G Z 158, 255; v. Godin 5). Die Schadensersatzpflicht k a n n aber bestehen, wenn ein S c h u t z g e s e t z i m Sinne des § 823 Abs. 2 verletzt ist oder d e m Dritten (auch d e m einzelnen Aktionär) d u r c h ein Verwaltungsmitglied in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt worden ist, § 826 BGB.

Anm. 65 2. O b die einzelnen Vorschriften des Aktiengesetzes S c h u t z g e s e t z e sind, ist nicht allgemein zu beantworten. Es ist vielmehr zu prüfen, ob das Gesetz unmittelbar a u c h den Schutz des einzelnen oder eines Personenkreises, etwa der Gesellschafter, der Gläubiger oder Dritter bezweckt ( R G R - K o m m . § 823 A n m . 14 I). Wird die zivilrechtliche H a f t u n g auf Verletzung eines Schutzgesetzes gestützt, so müssen sämtliche Tatbestandsmerkmale dieses Gesetzes gegeben sein. Besteht das Schutzgesetz in einer strafrechtlichen Vorschrift, so müssen alle strafrechtlichen Tatbestandsmerkmale, z. B. der Vorsatz, vorliegen, R G Z 118, 312. Dient das Strafgesetz n u r zur weiteren Sicherung einer a n d e r e n gesetzlichen Vorschrift, die schon nach i h r e m I n h a l t sich als ein Schutzgesetz darstellt, wie z. B. § 29, § 155 Abs. 2 über d e n I n h a l t der A n m e l d u n g der Aktiengesellschaft oder einer K a p i t a l e r h ö h u n g , so ist diese andere Vorschrift als selbständiges Schutzgesetz zu behandeln. Es genügt d a n n zur Begründung der Haftbarkeit jedes Verschulden, auch Fahrlässigkeit.

Anm. 65a a) D i e § § 8 4 A b s . 2 u . 3, § 9 9 A k t G sind, wie das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung zu §§ 241, 249 H G B a n g e n o m m e n hat, k e i n e S c h u t z g e s e t z e z u m S c h u t z e d e r A k t i o n ä r e u n d D r i t t e r . Sie h a b e n n u r den Schutz der Gesellschaft u n d der Gesellschaftsgläubiger z u m Gegenstand. Weder der W o r t l a u t des Gesetzes noch der Z u s a m m e n h a n g , in d e m die §§ 84, 99 stehen, sprechen d a f ü r , d a ß der der Gesellschaft u n d ihren Gläubigern aus besonderen G r ü n d e n gewährte Schutz, j e d e m Dritten oder auch einzelnen Aktionären oder solchen Dritten, die Aktien erwerben, zugute kommen soll, R G 63, 324; 73, 30 u. 393; 81, 2 7 1 ; 1 1 5 , 296, 159, 223; J W 1939, 316, R G in J W 1906, 464; 1932, 1648. Auch § 8 4 A b s . 5 ist k e i n S c h u t z g e s e t z im Sinne des § 823 Abs. 2. N a c h der Rechtsprechung des Reichsgerichts, R G 128, 300; 138, 168, gehört z u m B e g r i f f e d e s S c h u t z g e s e t z e s , d a ß es allein oder in V e r b i n d u n g mit anderen Zwecken den Schutz von Einzelpersonen oder Personenkreisen d u r c h Aufstellung bestimmter G e b o t e oder V e r b o t e erstrebt. I n Abs. 5 fehlt es aber a n einem bestimmten Gebot oder Verbot, das sich an die Gesellschaftsorgane richtet. Er will n u r unter bestimmten Voraussetzungen den Gläubgern unmittelbar ein Verfolgungsrecht geben, R G J W 1955, 3301 = SeufFA Bd. 90 Nr. 23.

Anm. 66 b) Das Reichsgericht hat den S c h u t z g e s e t z c h a r a k t e r d e s § 240 A b s . 2 H G B , a n d e s s e n S t e l l e § 83 A b s . 2 A k t G g e t r e t e n i s t , u n d der entsprechenden Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes, § 148, u n d des G m b H G , §§ 4 1 bis 43, 64, die die

rechtzeitige Anmeldung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens gebieten, zwar zugunsten der Mitglieder u n d der Gläubiger angenommen, nicht aber zugunsten Dritter, die erst n a c h Eintritt des Vermögensverfalls der Gesellschaft Gesellschafter werden (Aktien erwerben) oder sich mit der Gesellschaft in ein Geschäft einlassen, R G 63. 324; 73, 3 ° ; R G in L Z 1914, 864 10 ; R G J W 1935, 3301 = SeufTArch. Bd. 90, N r . 23, ebenso Schlegelberger-Quassowski § 83 A n m . 7 (zur Rechtsprechung des B G H s. den folgenden Absatz). O b diese Einschränkung d e m Zwecke des §83 u n d der ihn ergänzenden Strafdrohung § 297 N r . 2 entspricht, erscheint zweifelhaft. Auch die Allgemeinheit, insbesondere diejenigen, die mit der Gesellschaft in Geschäftsverbindung treten oder

568

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 Anm. 67, 68

sich an ihr als Gesellschafter beteiligen wollen, haben ein schutzwürdiges Interesse daran, nicht mit einer bereits überschuldeten oder konkursreifen Gesellschaft in Rechtsbeziehungen zu treten. Die erwähnten Vorschriften gelten gerade für Rechtspersönlichkeiten, deren Gesellschafter nicht mit ihrem ganzen Vermögen für die Schulden der Gesellschaft haften. Die Vorschriften bilden einen Ausgleich gegen die mit der beschränkten Haftung der Kapitalgesellschaften für die Allgemeinheit verbundenen Gefahren. Sie haben öffentlich-rechtlichen Charakter. Bei der heutigen selbständigen und verantwortlichen Stellung des Vorstandes sind sie auch als Schutzgesetze zugunsten Dritter anzusehen. Die Unterlassung der Offenkundigmachung des schlechten Vermögensstandes der Gesellschaft liegt auf der gleichen Linie wie die Vornahme unrichtiger Darstellungen und Ubersichten der Verwaltungsträger über den Vermögensstand der Gesellschaft (Verschleierungen) und falscher Angaben im Geschäftsbericht. Diese Handlungen sind nicht nur unter Strafe gestellt, früher durch § 314 HGB, jetzt durch § 296 Nr. 1 u. 2, § 301 AktG. Die Rechtsprechung hat auch schon bisher anerkannt, daß diese Strafvorschriften Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, und zwar nicht nur zugunsten der Gesellschaft und der Aktionäre, sondern auch zugunsten von Dritten, die zu der Gesellschaft in Geschäftsbeziehungen stehen oder treten wollen, auch in der Weise, daß sie Aktien der Gesellschaft erwerben, R G 81, 269; R G in J W 1931, 204; 1935, 2427 und 3301 = SeuffArch. Bd. 90 Nr. 23; H R R 1933 Nr. 1318; ferner J W 1935, 3514 = H R R 1935 Nr. 1610; RGSt. 41, 293, 298; 43, 407, 64, 622, zuletzt R G 157, 213 (217), ebenso Baumbach-Hueck § 296 Anm. 1, SchlegelbergerQuassowski daselbst Anm. 2. Dann ist es aber folgerichtig auch den § 83 Abs.2 über die Verpflichtung des Vorstandes zur Beantragung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens als Schutzgesetz nicht nur zugunsten der Gesellschaft, der Aktionäre und Gläubiger, sondern auch zugunsten Dritter anzusehen. Stellt man sich aber auf den Standpunkt des Reichsgerichts, so werden die Vorstandsmitglieder doch regelmäßig Dritten auf Grund unerlaubter Handlung nach § 826 BGB haften, wenn sie in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Uberschuldung der Aktiengesellschaft mit Dritten neue Geschäfte eingehen und sie unter Verschweigung der Vermögenslage der Gesellschaft zum Beitritt als Gesellschafter durch Kauf oder Zeichnung von Aktien veranlassen würden. § 82 ist kein Schutzgesetz; R G 73, 30; vgl. § 82 Anm. 5. Der BGH hat sich in NJW 59, 623 (zu § 64 Abs. 2 GmbHG) dem hier vertretenen Standpunkt insofern genähert, als er ein Schutzgesetz auch zugunsten solcher Personen annimmt, die erst nach dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens hätte gestellt werden müssen, Gläubiger der GmbH geworden sind. In sachlicher Beziehung begrenzt der BGH zutreffend den Schutzbereich der Vorschrift auf die Erhaltung des bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung vorhandenen Gesellschaftsvermögens. Der Schutzbereich geht daher nicht so weit, daß jedermann vor allen Gefahren bewahrt werden soll, die sich aus dem Fortbestehen einer überschuldeten GmbH ergeben. Anm. 67 c) §294 AktG = §312 HGB, der die a k t i e n r e c h t l i c h e U n t r e u e mit Strafe bedroht, ist ein Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaft und der Aktionäre; R G in J W 1916, 129; R G 115, 289; nicht aber zugunsten der Gläubiger; sie sind nur mittelbar geschädigt, R G in J W 1935 S. 3301 = SeuffArch. Bd. 90 Nr. 23. § 294 stellt nur vorsätzliches Handeln der Verwalrungsträger unter Strafe. Er gibt damit die strafrechtliche Ergänzung zu der zivilrechtlichen Vorschrift des § 84 über die Haftung des Vorstandes für Verletzung seiner Vertragspflichten. Die Schutzbestimmung des § 294 schützt nur die Aktionäre, die zur Zeit der Vornahme der schädigenden Handlung schon Aktionäre gewesen sind, nicht solche, die erst später Aktien erwerben. Die aktienrechtliche Untreue kann nur demgegenüber begangen werden, zu dem schon bei Begehung der Handlung ein Treuverhältnis bestand, R G Urt. vom 22. 3. 1938 II 104/37 = R G 157,213, ebenso Schlegelberger-Quassowski § 84 Anm. 29; vgl. auch die Erl. zu § 294. Anm. 68 d) § 295 = 313 HGB enthält ein Schutzgesetz und zwar, wie die Rechtsprechung auch schon bisher, ebenso wie zu der entsprechenden Vorschrift des § 147 GenG. an569

§84 A n m . 69—72

I. Buch: Aktiengesellschaft

nahm, a u c h z u g u n s t e n D r i t t e r , da die dort genannten Erklärungen insbesondere soweit es sich um Ankündigungen nach Z. 2 handelt, für die Öffentlichkeit bestimmt sind, R G 8 i , 269; R G in H R R 1933 Nr. 1 3 1 8 ; vgl. auch die in Anm. 66 zu § 3 1 4 H G B zitierte Rechtsprechung, zuletzt R G 157, 2 1 3 (217); 159, 2 1 1 ; es handelt sich dagegen nicht um ein Gesetz zum S c h u t z e eines M i t g r ü n d e r s g e g e n den a n d e r e n ; R G in L Z 1933, 375; ebenso Baumbach-Hueck § 295 Anm. 1. § 295 AktG verlangt, wie auch von der Rechtsprechung für § 3 1 3 H G B trotz des Ausdrucks „wissentlich" angenommen wurde (RGSt. 37, 27; R G in H R R 1933 Nr. 1318), nur V o r s a t z . Fahrlässigkeit genügt nicht; vgl. § 295 Anm. 16. Dies gilt auch für die zivilrechtliche Haftbarkeit.

Anm. 69 e) § § 2 9 6 Z. 1 u n d 2, 3 0 1 sind S c h u t z g e s e t z e auch z u g u n s t e n D r i t t e r , vgl. Anm. 66 wegen des sachlichen Inhalts der Vorschrift die Erl. zu § 296. Für die zivilrechtliche Haftung der Verwaltungsträger ist auch von Bedeutung, daß nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, R G 53, 195, die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet sind, in ihren Darstellungen wahrheitsgemäße Angaben auch über solche wichtige Vorkommnisse zu machen, die für die Frage der V e r t r a u e n s w ü r d i g k e i t der Gesellschaft von entscheidender Bedeutung sind. Ein Schadensersatzanspruch auf Grund der §§ 295, 296 setzt voraus, daß der Geschädigte von der u n r i c h t i g e n D a r s t e l l u n g usw. K e n n t n i s erlangt und gerade dadurch zu dem ungünstigen Rechtsgeschäft (Aktienkauf) veranlaßt oder mitveranlaßt worden ist. Aber auch wenn der Dritte nicht durch den unrichtigen I n h a l t der Darstellungen zum Aktienerwerb bestimmt worden ist, wäre er unter Umständen bei Kenntnis der Tatsache, daß bei der Aktiengesellschaft überhaupt erhebliche Bilanzverschleierungen vorgekommen sind, von der Beteiligung an der Gesellschaft abgehalten worden. Insofern kann auch eine unrichtige Darstellung bei Vertragsverhandlungen den Tatbestand des § 826 BGB erfüllen, wenn dessen sonstige Voraussetzungen gegeben sind, R G in J W 1935 S. 3614 = H R R 1935 Nr. 1610.

Anm. 70 Ist der dritte Aktienerwerber durch die unrichtige Darstellung zum Aktienerwerb bestimmt worden, so kann das schuldige Organmitglied sich nicht damit entschuldigen, daß der u r s p r ü n g l i c h e Z e i c h n e r der Aktie die U n r i c h t i g k e i t der Darstellung g e k a n n t habe. Denn dann würde § 295 Z. 3 und § 296 Z. 1 u. 2 seinen Zweck, den Schutz Dritter, nicht erreichen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum ein Dritter, der im Vertrauen auf die beim Handelsregister befindlichen, der Einsicht zugänglichen Erklärungen der Verwaltungsträger (z.B. der Jahresabschlüsse) Aktien gekauft hat, in diesem Falle nicht geschützt sein soll; ebenso R G Z. 157, 213. Zum Tatbestand der §§ 295, 296 AktG gehört nicht, wie zu dem des § 826 BGB, d e r V e r s t o ß g e g e n d i e g u t e n S i t t e n . Andererseits kann der Tatbestand des § 826 BGB gegeben sein, wenn keine der in §§ 295, 296 genannten Handlungen vorliegt. Nicht jede — auch bewußt unrichtige Angabe, muß gegen die guten Sitten verstoßen. Wird eine falsche Bilanz später von einem anderen ohne Kenntnis der bei Aufstellung der Bilanz mitwirkenden Organe benutzt, so kann nicht von deren Mitwirkung an einer noch gar nicht bestimmten Haupttat gesprochen werden. Regelmäßig fehlt es dann an der — auch zum bedingten — Vorsatz erforderlichen Willensrichtung, R G in H R R 1929 Nr. 96; R G 157, 213. Jedoch kann sie nach Lage des Einzelfalles gegeben sein.

Anm. 71 f) § 2 9 7 Z. 1 u . Z. 2 e r s t e r F a l l (Gebot der Einberufung der Hauptversammlung, bei Verlust der Hälfte des Grundkapitals, § 83 Abs. 1) sind Schutzgesetze zugunsten der G e s e l l s c h a f t und der A k t i o n ä r e ; ebenso § 297 Z. 3; vgl. auch § 83 Anm. 1.

Anm. 72 3. Wird ein Anspruch auf s i t t e n w i d r i g e S c h a d e n s z u f ü g u n g , § 826 BGB, gestützt, so müssen die besonderen Voraussetzungen dieses Gesetzes gegeben sein. Erforderlich ist v o r s ä t z l i c h e Schädigung eines anderen. Weder einfache noch grobe 570

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 84 Anm. 72 a—74

Fahrlässigkeit können den Vorsatz ersetzen. Die Rechtsprechung stellt aber offenbare Gewissenlosigkeit dem Vorsatz gleich, R G in J W 1922, 1390. Zum Begriffe des Vorsatzes gehört nicht die Absicht auf Herbeiführung eines schädlichen Erfolges oder der Schädigung einer bestimmten Person. Das Bewußtsein des Täters, daß die Handlung den nachteiligen Erfolg haben könne — bedingter Vorsatz —, genügt, vgl. R G R Komm, zu § 276 BGB und die dort angeführte Rechtsprechung. § 826 schützt sowohl die Gesellschaft wie die Aktionäre, die Gläubiger und auch Dritte. Sie haben ein unmittelbares Klagerecht gegen die schuldigen Verwaltungsträger, R G 115, 289. Anm. 72a 4. Den ursächlichen Zusammenhang zwischen einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB und der unter diesen fallenden Verstöße gegen die aktienrechtlichen Schutzgesetze und des § 826 BGB und dem Schaden hat der Kläger nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zu beweisen. Der Richter hat dabei nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Uberzeugung zu entscheiden. Haben die Organmitglieder bei Vorlage einer falschen Bilanz in T ä u s c h u n g s a b s i c h t gehandelt, so spricht dies in der Regel für die Ursächlichkeit der Täuschung; R G in J W 1935, 3614Anm. 73 XIII. Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft, der Aktionäre und Dritter aus unerlaubter Handlung 1. Soweit die in den vorstehenden Anmerkungen erwähnten Schutzgesetze dem Schutze mehrerer Schutzberechtigten oder mehrerer Gruppen von Schutzberechtigten dienen, kann jeder, der durch das Verhalten der Verwaltungsträger Schaden erlitten hat, selbständig seinen Ersatzanspruch geltend machen. Dies gilt auch für einen auf unerlaubte Handlung nach §826 BGB gestützten Schaden. Besteht der Schaden des einzelnen nur in dem Schaden der G e s e l l s c h a f t , weil dieser auf seine eigene Vermögenslage einwirkt, so kann der einzelne seinen Schaden neben der Gesellschaft geltend machen. Denn wenn die unerlaubte Handlung auch gegen ihn gerichtet ist, so hat er auf Grund dieses Tatbestandes einen selbständigen Anspruch. Er hat insofern also auch einen i n d i v i d u e l l e n Anspruch, d. h. einen Anspruch auf Ersatz eines in seiner Person entstandenen Schadens. Darüber hinaus kann eine I n d i v i d u a l i s i e r u n g des Anspruches nicht gefordert werden. Deshalb können auch die Aktionäre Ersatz des Schadens verlangen, den sie am Werte ihrer Aktien durch Schädigung des Gesellschaftsvermögens erleiden, R G 115, 295; 142, 223; 157, 213 = J W 38, 1653 m - Anm. v. Ruth Anm. 74 2. Von einer Doppelhaftung des Organs, also sowohl gegenüber, der Gesellschaft als auch gegenüber dem Aktionär, kann man sprechen, wenn sich der Schaden beider völlig deckt (Schadenskongruenz, Schlegelberger-Quassowski 30). Das ist der Fall, wenn der Schaden des Aktionärs, z.B. ein Kursverlust, sich allein aus der Vermögensminderung herleitet, die die Gesellschaft durch die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung oder Unterlassung des Organs erlitten hat, und nur insoweit, als der Schaden durch die Schadensersatzleistung des Organs an die Gesellschaft ausgeglichen wird. Eine solche Doppelhaftung ist ausgeschlossen. Der Schädiger braucht für denselben Schaden nur einmal zu zahlen. In erster Linie hat die Zahlung an die unmittelbar Geschädigte, die Gesellschaft, zu erfolgen. Nur wenn feststeht, daß die Gesellschaft ihren Ersatzanspruch nicht verfolgt, die Verminderung des Gesellschaftsvermögens also endgültig ist, wird der zunächst nur m i t t e l b a r Geschädigte, der Aktionär, zum u n m i t t e l b a r Geschädigten und kann nun den ihm anteilig entstandenen Schaden geltend machen (im Ergebnis ebenso Schlegelberger-Quassowski 30 und Ruth J W 38, 1657). Uber die Frage, ob dem Aktionär ein Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten zusteht, der die Gesellschaft geschädigt hat, s. v.Godin A c P 1 4 1 , 2 1 2 , Krückmann ZHR 102, 208 und v.Godin Z H R 103, 218. 37

Aktiengesetz, 2. Aufl.

571

§84 Anm. 75—78

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 75 3. Unter Umständen können die schuldigen Verwaltungsmitglieder auch m e h r e ren G e s c h ä d i g t e n h a f t e n , die n a c h e i n a n d e r die A k t i e n e r w o r b e n h a b e n . Es kommt nur darauf an, ob jeder geschädigt ist, und ob jedem gegenüber der Tatbestand einer unerlaubten Handlung nach §§ 823 Abs. 2, 826 R G B erfüllt ist. Besteht der Schaden nur darin, daß das Vermögen der Gesellschaft vermindert und dadurch der Wert der Aktien gesunken ist, so ist der Schaden nur gleich dem Unterschied zwischen dem Werte der Aktien, wie er sich auf Grund der schädigenden Handlung und wie er sich ohne diese darstellte. Insofern liegt eine Begrenzung der Höhe des Schadens vor. Sie macht sich auch beim Wechsel der Aktieninhaber geltend. Sie können alle zusammen nicht mehr erhalten, als der Schaden beträgt. Der einzelne kann aber einen darüber hinausgehenden Schaden ersetzt verlangen, wenn er solchen erlitten hat, etwa dadurch, daß er die Aktien nicht rechtzeitig verwerten konnte. Vgl. R G 157, 213. Der einzelne Aktionär verliert seine einmal entstandenen Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung nicht dadurch, daß er seine Aktien veräußert. Unter Umständen ist er aber nach der Veräußerung nicht mehr geschädigt, wenn er die Aktien ohne Verlust verkauft hat. Anm. 76 X I V . Gerichtsstand Die Ansprüche aus § 84 sind solche aus dem Organschaftsverhältnis, das durch Bestellung und Annahme zwischen der Gesellschaft und dem Mitglied des Vorstands (oder Aufsichtsrats) zustande kommt (vgl. Anm. 3). Für diese Ansprüche ist der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO gegeben. Die streitige Verpflichtung, das ist die dem Vorstand gemäß § 84 obliegende Sorgfaltspflicht, ist regelmäßig am Sitz der G e s e l l s c h a f t zu erfüllen. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gesellschaft oder die Gläubiger klagen. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte, nicht die Arbeitsgerichte, denn die Verwaltungsträger gehören nicht zu den Angestellten der Gesellschaft. Dies gilt auch nach der Abberufung oder der Beendigung der gesetzlichen Vertretung, vgl. § 5 Abs. 2 Arbeitsgerichtsges. Ist die Klage auf unerlaubte Handlung gestützt, so ist das Gericht des Tatortes zuständig, § 32 ZPO. A n m . 77 X V . Ausländisches Recht Uber den Rechtszustand in A r g e n t i n i e n , F r a n k r e i c h , I t a l i e n und der S c h w e i z berichtet die rechtsvergleichende Untersuchung von Goldschmidt: Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Aktiengesellschaft, Z H R " 3 (1950) 33ffAnm. 78 X V I . Reform Der im Herbst 1958 vom Bundesjustizministerium veröffentlichte Referentenentwurf eines Aktiengesetzes (E) sieht in § 88 folgende Änderungen des geltenden § 84 vor: 1. Abs. 1 S. 2 wird dahin ergänzt, daß die Vorstandsmitglieder auch über Betriebsund Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren haben. Das gilt nach E § 109 (jetzt § 99) auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats. Der Entwurf glaubt sich zu dieser Ergänzung genötigt, weil § 76 Abs. 2 S. 5 i. V . m. § 55 Abs. 1 S. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes den von den Arbeitnehmern gewählten Mitgliedern dieses Stillschweigen ausdrücklich auferlegt. Die Ergänzung ist überflüssig, weil sich die den Verwaltungsmitgliedern gemäß ihrer Stellung obliegende Schweigepflicht ohnehin auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erstreckt und auch nach Beendigung ihres Amts fortdauert (Anm. 11). 2. Abs. 3 Z. 3 ist dem Erwerbsverbot des E § 286 bei wechselseitiger Beteiligung angepaßt.

572

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 85 Anm. 1

3. In Abs. 3 Z. 6 ist Halbsatz 2 weggelassen. Das bedeutet keine sachliche Änderung. Das Zahlungsverbot mitsamt der bisher in Halbsatz 2 festgesetzten Ausnahme verlegt der Entwurf richtigerweise in einen neuen Abs. 3 des E § 87 (jetzt §83). 4. Die neue Z. 9 des Abs. 3 führt die gesetzeswidrige Aktienausgabe bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zugunsten von Arbeitnehmern (E § ao6) in den Katalog ein. 5. Als einzige wesentliche Änderung schlägt der Entwurf in Abs. 4 einmal die Herabsetzung der Sperrfrist für Verzicht und Vergleich von 5 auf 3 Jahre vor, zum anderen, daß schon eine Minderheit von 1 0 % oder mit 100000 D M Anteilen zum Widerspruch gegen Verzicht und Vergleich berechtigt ist. Die Herabsetzung der Sperrfrist ist zu billigen. Die jetzige von 5 Jahren ist übertrieben. Die Verbesserung des Minderheitsrechts von 20% auf 1 0 % des Grundkapitals paßt sich dem § ia2 (E § 137) an. Es ist sachgemäß, für beide Rechte dieselbe Minderheit zu verlangen. Die auf die großen Gesellschaften gemünzte Einführung absoluter Minderheiten (ohne Relation zum Grundkapital) bleibt auch hier grundsätzlich bedenklich. W o die geforderten 100000 D M Äktien nur noch den Bruchteil eines Prozents des Grundkapitals ausmachen, ist eine Mitwirkung an der Verwaltung durch Ausübung von Minderheitsrechten nicht mehr gerechtfertigt. § 8 5 S t e l l v e r t r e t e r von V o r s t a n d s m i t g l i e d e r n Die Vorschriften für die Vorstandsmitglieder gelten auch für ihre Stellvertreter. Ü b ersieht Anm.

Einleitung

Einleitung

I. Allgemeines • . . . . II. 1. Rechtsstellung der stellvertretenden V o r s t a n d s m i t g l i e d e r . . . . 2. Pflichten 3. Anwendbare Vorschriften . . . 4. Bestellung

1 2 3 4 5

Die Bestimmung entspricht sachlich § 242 H G B . Anm. 1 I. Für die stellvertretenden Vorstandsmitglieder gelten dieselben Bestimmungen wie für die ordentlichen Vorstandsmitglieder. Sie sind also ebenso wie diese rechtlich V o r s t a n d s m i t g l i e d e r , und zwar nicht erst vom Eintritt des Vertretungsfalls, sondern v o n i h r e r B e s t e l l u n g a n (siehe Anm. 2). In der Bestellung zu einem stellvertretenden Vorstandsmitglied liegt gegenüber der Bestellung zu einem ordentlichen Vorstandsmitglied nur eine Beschränkung nach innen ( K G J 24 A 194; vgl. K G in O L G R 22, 34). Die stellvertretenden Vorstandsmitglieder gehören zum Vorstand; sie haben bei der Erfüllung der dem gesamten Vorstand obliegenden Aufgaben mitzuwirken und sind ebenso wie die ordentlichen Vorstandsmitglieder gesetzliche Vertreter der A G ( K G a. a. O.). In der Praxis bekleiden sie regelmäßig eine Art Zwischenstufe zwischen Prokurist und ordentlichem Vorstandsmitglied, vgl. v.GodinWilhelmi, unter Hinweis darauf, daß es der Regel entspricht, den stellvertretenden Vorstandsmitgliedern eine beschränkte Geschäftsführungsbefugnis zu gewähren. Umfang und Art ihrer Tätigkeit sowie ihrer internen Geschäftsführungsbefugnis richtet sich somit nach dem ihnen im Anstellungsvertrag oder in der Geschäftsordnung zugewiesenen Aufgabenkreis. D a ß sie nur im „Vertretungsfall" an Stelle ordentlicher Vorstandsmitglieder tätig werden sollen, ist eine zwar mögliche, aber kaum vorkommende Ausgestaltung der Geschäftsführungsbefugnis stellvertretender Vorstandsmitglieder. 37*

573

§85

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 2, 3 Die gemäß §90 Abs. 2 S. 1 für einen begrenzten Zeitraum z u V e r t r e t e r n v o n behinderten Vorstandsmitgliedern bestellten Aufsichtsratsmitglieder fallen nicht unter § 85 (Brodmann H G B § 242 Anm. 1 a ; Baumbach-Hueck Anm. 1 A ; a. A . Staub H G B § 242 Anm. 1 ; vgl. K G J 24 A 194). Sie haben während der Dauer ihrer Vertretung die Stellung ordentlicher Vorstandsmitglieder. Die Voraussetzungen und die Dauer ihrer Stellung sind besonders geregelt; das Wettbewerbsverbot des § 79 ist kraft der ausdrücklichen Vorschrift des § 90 Abs. 2 S. 3 auf sie nicht anwendbar. Die Möglichkeit, ein Vorstandsmitglied nur für den Fall, daß ein anderes Vorstandsmitglied wegfällt oder behindert ist, zu bestellen, ohne ihm die dauernde Stellung eines stellvertretenden Vorstandsmitglieds einzuräumen, besteht nicht. Soll der Vertreter ausschließlich bei Eintritt des Vertretungsfalls Vorstandsmitglied sein, so kann die Bestellung nur jeweils bei Eintritt des Vertretungsfalls erfolgen.

Anm. 2 I I . 1. Aus der grundsätzlichen Stellung der stellvertretenden Vorstandmitglieder sind folgende Schlußfolgerungen abzuleiten: Das stellvertretende Vorstandsmitglied tritt nicht erst in Funktion „ i n Vertretung eines ordentlichen", sondern führt im Rahmen der Geschäftsverteilung Vorstandsgeschäfte neben den ordentlichen oder anderen stellvertretenden Vorstandsmitgliedern aus. Die stellvertretenden Vorstandsmitglieder sind bei ihrer Bestellung ebenso wie sonstige Vorstandsmitglieder z u m H a n d e l s r e g i s t e r a n z u m e l d e n . Das stellvertretende Vorstandsmitglied kann zwar als solches ins Handelsregister eingetragen werden ( K G J 24 A 196; v.Godin-Wilhelmi A n m . ; Baumbach-Hueck Anm. 1 B ; a. A . Ritter Anm. 2). D o c h i s t d i e s e B e s c h r ä n k u n g D r i t t e n g e g e n ü b e r o h n e B e d e u t u n g (§ 74 Abs. 2). Die Vertretungsmacht der stellvertretenden Vorstandsmitglieder hängt also keinesfalls von dem Vorliegen eines Vertretungsfalls ab ( R G 24, 82; K G J 24 A 196). Die Grundsätze über die gesetzliche Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder gelten u n b e s c h r ä n k t auch für sie. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage der Gesamtoder Einzelvertretung. Sie haben also Gesamtvertretungsmacht, soweit nicht durch die Satzung oder den Aufsichtsrat ein anderes bestimmt ist. Sie haben nicht etwa Gesamtoder Einzelvertretungsbefugnis j e nach der Vertretungsbefugnis des Vorstandsmitglieds, das sie gerade vertreten; eine solche Bestimmung müßte als unzulässig angesehen werden (a. A. Brodmann H G B § 242 Anm. 1 d). Eine derartige schwankende gesetzliche Vertretungsmacht ist dem geltenden Recht fremd. Das Handelsregister gibt keine Auskunft darüber, für welches ordentliche Vorstandsmitglied das stellvertretende tätig wird. Die Vertretungsbefugnis des stellvertretenden Vorstandsmitglieds ist bei der Eintragung seiner Bestellung im Handelsregister, nicht erst bei dem etwaigen späteren Eintritt des Vertretungsfalls einzutragen. — Die stellvertretenden Vorstandsmitglieder können, da sie ständige gesetzliche Vertreter der A G sind, in Prozessen der Gesellschaft nicht als Zeugen vernommen werden (abw. Brodmann H G B § 2 4 2 Anm. l e ; vgl. R G in J W 1900, 62 2 3 ; wie hier Ritter Anm. 2).

Anm. 3 2. Das stellvertretende Vorstandsmitglied muß bei allen Handlungen mitwirken, bei denen alle Vorstandsmitglieder mitwirken müssen; dies gilt auch für Handelsregistereintragungen, die durch sämtliche Vorstandsmitglieder vorzunehmen sind (§28). Es ist ebenso verantwortlich für alle Handlungen, für die die Vorstandsmitglieder insgesamt verantwortlich sind, namentlich f ü r die B u c h f ü h r u n g und f ü r die Erstattung der vom Gesetz vorgeschriebenen Berichte. J e d o c h ist die tatsächliche Stellung des stellvertretenden Vorstandsmitglieds bei der Beurteilung der Frage, wie weit ihm eine K o n trolle zuzumuten ist, zu berücksichtigen. I m allgemeinen wird eine Fahrlässigkeit des stellvertretenden Vorstandsmitglieds zu verneinen sein, wenn es sich auf die ordentlichen Vorstandsmitglieder verläßt, solange kein besonderer Anlaß zum Mißtrauen vorliegt. Dagegen läßt sich nicht sagen, daß die Stellvertreter überhaupt nicht für Dinge verantwortlich sind, die in der Zeit geschehen, während deren sie nicht zur Vertretung herangezogen sind (so Brodmann H G B § 242 Anm. 1 c, e; wie hier die herrschende Lehre). Sie sind auch in dieser Zeit Vorstandsmitglieder, wenn auch in aller Regel ohne Geschäftsbereich.

574

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt — Meyer-Landrut) § 85 A n m . 4, 5

Anm. 4 3- Auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder unterliegen anders als die gemäß § 90 Abs. 2 zu Vertretern von behinderten Vorstandsmitgliedern bestellten Aufsichtsratsmitglieder, dem W e t t b e w e r b s v e r b o t des § 79 (hiergegen zu Unrecht Brodmann HGB § 242 Anm. i d ; vgl. auch Anm. 1 oben). Auch darin zeigt es sich, daß das Gesetz die stellvertretenden Vorstandsmitglieder als dauernde Angehörige des Vorstands ansieht und deren Beschränkung auf die Vertretung ordentlicher Vorstandsmitglieder nur die Frage betrifft, wann ihnen ein Geschäftsbereich zur selbständigen Leitung überlassen ist. Ebenso gilt für die stellvertretenden Vorstandsmitglieder auch während der Zeit, in der sie kein ordentliches Vorstandsmitglied zu vertreten haben, das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats für ihnen von der AG zu gewährende K r e d i t e (§ 80). Ferner haften sie nach § 84 (Baumbach-Hueck Anm. 1 B) und sind strafrechtlich nach den §§ 294fr. verantwortlich (s. daselbst Anm. 5).

Anm. 5 4. Abzulehnen ist Brodmanns Ansicht (HGB § 242 Anm. i b ) , daß stellvertretende Vorstandsmitglieder nur bestellt werden können, wenn dies in der Satzung vorgesehen ist, da es sich um die von der Satzung zu regelnde Frage der Zusammensetzung des Vorstands handele. Die rechtliche Stellung der stellvertretenden Vorstandsmitglieder ist von der der ordentlichen Vorstandsmitglieder so wenig verschieden und die Stellung einzelner ordentlicher Vorstandsmitglieder kann so leicht der Stellung stellvertretender Vorstandsmitglieder angeglichen werden, ohne sie als solche zu bezeichnen, daß die Bestellung von stellvertretenden Vorstandsmitgliedern nicht als eine besondere Art der Zusammensetzung des Vorstands anzusehen ist; vgl. § 16 Abs. 3 Ziff. 5. Der Begriff des Vorstands umfaßt im allgemeinen sowohl die ordentlichen als auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder (KGJ 24Aig4). In d i e von der S a t z u n g e t w a b e s t i m m t e Z a h l , H ö c h s t z a h l oder M i n d e s t z a h l von V o r s t a n d s m i t g l i e d e r n sind d i e stellvertretenden mit einzurechnen. Desgleichen sind die stellvertretenden Vorstandsmitglieder auf den Geschäftsbriefen mitanzugeben (§ 100), auch im Geschäftsbericht (§ 128 Abs. 4) und bei der Bekanntmachung des Jahresabschlusses (§ 144). Zweiter Abschnitt Aufsichtsrat Vorbemerkung Der Aufsichtsrat war für die Aktiengesellschaften der eisenschaffenden Industrie und des Bergbaus bis zum Erlaß des Mitbestimmungsgesetzes und für die übrigen Aktiengesellschaften bis zum Erlaß des Betriebsverfassungsgesetzes das ausschließlich von den Aktionären gewählte Überwachungsorgan der AG, besetzt mit den Vertrauensmännern der Aktionäre. Diese bestellten zur Leitung des Unternehmens den Vorstand, so daß auch dieser — mittelbar —• ausschließlich von den Aktionären seine Stellung ableitete. Die genannten Gesetze haben diese organschaftliche Geschlossenheit des Aktienrechts gestört, indem sie für einen Teil des Aufsichtsrats Vertreter der Belegschaft vorsehen. Hierdurch ist ein Bruch in die gesellschaftsrechtliche Struktur der AG gekommen. (E. Fischer in AcP 154, 182fr.; insbes. 227f.) Soziologisch und unter Gesichtspunkten des Unternehmensrechts läßt sich die Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern in der Verwaltung der Aktiengesellschaften begründen, da die Belegschaft ein Teil des Unternehmens ist. Gesellschaftsrechtlich ist damit ein Fremdkörper in die AG eingeführt. Seine Integration in die AG ist eines der brennendsten Probleme des Aktienwesens geworden. Wenn die Vorschläge der verschiedenen mit der Aktienrechtsreform befaßten Gremien die Mitbestimmung als historische Gegebenheit hinnehmen und nur in Einzelheiten Verbesserungen anregen, so wird die Schwierigkeit des Problems umgangen. Sie liegt darin, daß dem Gegensatz zwischen Verwaltung und Aktionären in der Dividendenpolitik eine weitere Gegensätzlichkeit der Interessen zwischen

575

§86 Vorbem.

I. Buch: Aktiengesellschaft

Verwaltung und Aktionären einerseits und Belegschaft andererseits in sozialen Fragen, insbesondere in der Lohnpolitik im internen gesellschaftsrechtlichen Aufbau hinzugefügt ist. Wenn es auch im idealen Sinn diese Gegensätze nicht gibt, da die Interessen der Aktionäre wie die der Belegschaft mit den wahren Interessen des Unternehmens übereinstimmen, wird praktisch der Ausgleich oder Kampf dieser Interessen in den Aufsichtsrat hineingetragen. Bisher war wegen der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung die Belastungsprobe des neuen Systems nicht zu bestehen und ist die Bewährungsprobe nicht erbracht. Sie kann nicht allein schon darin gesehen werden, daß die Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat in der Minderheit von einem Drittel bisher keinen Schaden angerichtet hat und immerhin •— das ist hoch einzuschätzen —- das Vertrauen zwischen Belegschaft und Verwaltung gestärkt und den sozialen Frieden gefördert hat. Allgemein ist zu sagen, daß die Arbeitnehmervertreter in den nach dem BetrVG zusammengesetzten Aufsichtsräten, so treffliche Männer es sein mögen, eine unglückliche Rolle spielen, weil sie weder Vorbildung noch Sachkunde haben, um in den wesentlichen zur Verhandlung stehenden Fragen mitsprechen und urteilen zu können. Einen sachlichen Beitrag können sie zu den meisten für das Geschick des Unternehmens zu treffenden Entscheidungen nicht liefern. Dieser Mangel macht die Umkehr des Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnisses, die in der Berufung von Arbeitnehmern in den den Vorstand bestellenden Aufsichtsrat liegt (die Arbeitnehmervertreter werden zu Vorgesetzten ihres Vorgesetzten), nur noch unnatürlicher und organisch störender. Es ist wenig befriedigend, daß den sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten ausgewichen wird, indem man die Mitgliedszahl der Aufsichtsräte bedeutender Gesellschaften, die einer größeren Zahl bedurften, auf 3 oder höchstens 6 beschränkt, die den Vorstand betreffenden persönlichen Angelegenheiten einem Ausschuß des Aufsichtsrats überträgt, dem Arbeitnehmervertreter nicht angehören, und häufig „im kleinen Kreis", d. h. ohne Arbeitnehmervertreter, Beratungen abhält und Entscheidungen trifft. Das sind unausbleibliche Abwege und Umwege, zu denen der Fremdkörper „Mitbestimmung" im Kräftespiel des Organismus der A G führt. Schwerer wiegt die Gefahr, die bei einem Wirtschaftsumschwung und in Krisenzeiten liegt, wenn in der Frage von Lohnbeschränkungen und Entlassungen die Gegensätze der Interessen zwischen Aktionärsvertretern und Arbeitnehmervertretern notwendig im Aufsichtsrat aufeinanderprallen und hier in einem und demselben Organ zu einer dauernden Kluft führen können. Wenn auch in solchen Situationen der Verhärtung der Fronten ein ständiges Nein der Arbeitnehmervertreter die Gesellschaft angesichts der Majorität der Aktionärsvertreter nicht lahmlegt, so zeigt doch dieses Beispiel in seiner innerbetrieblichen unerträglichen Konsequenz, daß die Austragung der sozialen Gegensätze nicht in ein Organ der A G — noch dazu mit unterschiedlicher Stimmenmacht — gehört, sondern besser außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Organe in die unternehmensrechtlichen Institutionen zu legen wäre. Auch für die Aktienreform wird sich erweisen, daß die historische Gegebenheit der Mitbestimmung ein Hemmschuh werden wird, soweit sachlich notwendige Neuerungen die Kompetenzen des Aufsichtsrats berühren sollten, dem anzugehören die Arbeitnehmervertreter als eine Errungenschaft des Sozialkampfes ansehen. Wenn z. B. sachlich die Wiederherstellung des Bilanzfeststellungsrechtes der Hauptversammlung als notwendig erkannt werden sollte, dürfte sie nicht daran scheitern, daß hiermit dem Aufsichtsrat ein Recht genommen wird, nur deshalb, weil dem Aufsichtsrat Arbeitnehmervertreter angehören und diesen damit die Mitentscheidung über die Bilanzgestaltung genommen würde. Hier kann sich zeigen, wie sich organische Fehler rächen. Für Aktiengesellschaften, deren Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz oder der Holdingnovelle (siehe Anmerkung 4 b Ziff. d) und e)) besetzt ist, hat Besonderes zu gelten. Hier kann den Aufsichtsratsmitgliedern der Belegschaftsseite, insbesondere soweit sie von den Gewerkschaften präsentiert werden, Sachkunde und Wirtschaftserfahrung nicht abgesprochen werden. Durch die paritätische Besetzung dieser Aufsichtsräte mit Aktionär- und Arbeitnehmervertretern ist auch die praktische Bedeutungslosigkeit und Unterlegenheit der letzteren vermieden. Aber es besteht auch hier in der gesellschaftsrechtlichen Struktur der Bruch infolge des Zusammenschlusses einer wirtschaftspolitischen und sozialen Gegnerschaft im Aufsichtsrat. Ob die Zusammenarbeit

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 86

der beiden Seiten in der weiteren Entwicklung zur Integration der Mitbestimmung führen kann, muß angesichts der Gebundenheit der Arbeitnehmerseite an wirtschaftspolitische Doktrinen und gewerkschaftliche Forderungen bezweifelt werden. Der sogenannte „elfte M a n n " ist als „dritte K r a f t " nicht ausreichend. Deren Ausgestaltung wird bei Beibehaltung des neuen Systems die gesetzgeberische Aufgabe der Zukunft sein, wenn nicht in Krisenzeiten die Unternehmungen vor inneren Kämpfen und wegen der hierdurch verursachten Lähmung vor schweren Schäden bewahrt werden sollen. Der Ref. Entw. läßt die gesetzliche Regelung der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat unberührt. Lediglich durch Verweisung auf die jeweils einschlägigen Vorschriften des BetrVG, des MitbestG und der Holding-Novelle wird die Mitbestimmung aktienrechtlich zur Kenntnis genommen. § 8 6 Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Der A u f s i c h t s r a t besteht aus drei Mitgliedern. Die S a t z u n g kann eine höhere Zahl f e s t s e t z e n ; sie m u ß durch drei teilbar sein. Die Höchstzahl der A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r beträgt bei G e s e l l s c h a f t e n m i t e i n e m Grundkapital bis zu 3 0 0 0 0 0 0 Deutsche M a r k von m e h r als 3 000000 Deutsche Mark v o n m e h r a l s 20 0 0 0 0 0 0 Deutsche Mark

neun, zwölf, fünfzehn.

Der R«VAfwirtschaftsminister kann i m E i n v e r n e h m e n m i t d e m Reichsm i n i s t e r der J u s t i z und den s o n s t beteiligten fiezcfoministern A u s n a h m e n v o n der Höchstzahl z u l a s s e n , w e n n das Wohl der G e s e l l s c h a f t oder g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e B e l a n g e e s fordern. (2) Eine juristische P e r s o n kann nicht A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d sein. Mitglied kann ferner nicht sein, w e r bereits i n zehn Aktiengesellschaften oder K o m m a n d i t g e s e l l s c h a f t e n auf Aktien A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d i s t ; s o w e i t e s zur ausreichenden W a h r n e h m i m g w i r t s c h a f t l i c h e r B e l a n g e des Reichs, v o n Ländern, Gemeindeverbänden oder G e m e i n d e n oder v o n Wirtschaftsuntern e h m e n nötig erscheint, kann der R«;cfcminister der J u s t i z i m E i n v e r n e h m e n m i t den beteiligten ife/cÄmiinistern abweichende Vorschriften und Anordn u n g e n treffen. Üb ersieht Anm, Einleitung I. Zahl der Aufsichtsratsmitglieder Gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder . . . Verminderung der Aufsichtsratsmitglieder durch Kapitale herabsetzung und Satzungsänderung Stellvertretende und Ersatzmitglieder Ministerielle Ausnahmegenehmigung I I . 1. Die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat 2. Die gesetzlichen VorausSetzungen der Arbeitnehmerbeteiligung

Anm, a)

i 2

Allgemeines

b) Ausnahmen c) AG mit weniger als 5 Arbeitnehmern d) Mitbestimmungsgesetz e) Holding-Novelle 3- Ubergangsregelungen . .

3 3a 4 4a 4b

4- Rechtsstellung der Arbeitnehmervertreter . . . . a ) Begriff b ) Rechte und Pflichten c) Interessenkollision d) Sorgfaltspflichten e ) Verschwiegenheitspflicht f) Schutzvorschriften g) Zuständiges Gericht h) Wahl und Abberufung

4c

4

d

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§86

I. Buch: Aktiengesellschaft

Einl. Anm.

III. Persönliche Eigenschaften . Sonderregelungen in der Satzung Entsendungsrecht Mitgliedschaft in mehr als 10 Aufsichtsräten Wirksamkeit und Zeitpunkt der Annahme der Wahl Folgen eines Verstoßes gegen Abs. 2 Satz 2

5 6 7 8—9 10

Anm.

I V . Ausnahmebestimmungen Abs. 2 Satz 2

zu 12—13

V . Erlöschen des Amtes bei Eintritt gesetzlicher Hindernisse

14

V I . Der nicht vollständig besetzte Aufsichtsrat

15

11

Einleitung 1. §86 entspricht sachlich dem früheren §243 Abs. 1 H G B . Abs. 1 hat zunächst durch § 60 Abs. 4 D M B G eine neue Fassung erhalten. Seit dem 14. 11. 1952 gilt § 86 Abs. 1 in der Fassung von § 84 Ziff. 1 und 2 BetrVG. Der Aufsichtsrat ist notwendiger Verwaltungsträger der A G . Er muß bei der Gründung bestellt werden (§23 Anm. 2). Gewisse Handlungen bedürfen seiner Mitwirkung (§ 75, § 23 Abs. 2; §§ 25, 28; § 95 Abs. 5; § 125 Abs. 2 u. 3 usf.). Ist ein beschlußfähiger Aufsichtsrat nicht vorhanden, so hat ihn das Gericht zu bestellen oder zu ergänzen (§89). Der Fortfall des Aufsichtsrats oder das Fehlen eines vorschriftsmäßig besetzten Aufsichtsrats berührt aber nicht den Fortbestand der A G . Vorstand und Hauptversammlung können ihre Befugnisse weiter ausüben. Nur können Handlungen, zu denen die Mitwirkung des Aufsichtsrats nach Gesetz oder Satzung erforderlich ist, nicht vorgenommen werden ( O L G R 34, 348). 2. Die Bezeichnung „Aufsichtsrat" ist zwingend vorgeschrieben (§ 23 Anm. 3). Sie kann nicht durch „Verwaltungsrat" oder ähnliche Bezeichnungen ersetzt werden (teilw. abw. Ritter Anm. 3). 3. Die Rechtsstellung des Aufsichtsrats ergibt sich aus den §§ 95—97. Er ist im Rahmen des § 97 V e r t r e t u n g s o r g a n der Gesellschaft. Er ist — im weiteren Sinn des Worts — g e s c h ä f t s f ü h r e n d e s Organ, wenn man Bestellung und Abberufung des Vorstands, Mitwirkung bei der Feststellung des Jahresabschlusses und die überwachende Tätigkeit als „Geschäftsführung" ansieht. Mit Rücksicht auf § 95 Abs. 5, der die Ubertragung von Maßnahmen der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat verbietet, wird man jedoch, um mit den Begriffen des Gesetzes im Einklang zu bleiben, von einer geschäftsführenden Tätigkeit des Aufsichtsrats nicht sprechen dürfen. Der Aufsichtsrat ist hiernach auf die Funktion eines kontrollierenden Organs beschränkt: er ist der ü b e r w a c h e n d e V e r w a l t u n g s t r ä g e r der A G . Die Zuständigkeitsregelung ist zwingenden Rechts. Die Satzung kann grundsätzlich hieran nichts ändern (siehe Vorbemerkungen vor § 70 u. § 70 Anm. 7. u. 8, ferner § 95 Anm. 18). 4. § 86 regelt die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Diese hat gegenüber dem bisherigen Rechtszustand durch die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer eine grundlegende Änderung erfahren: Grundsätzlich muß bei einer A G ein Drittel des Aufsichtsrats aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen (dazu auch Vorbemerkung vor § 86). Ausnahmen von dieser Regel enthält das BetrVG im Sinne einer Freistellung bestimmter Gesellschaften sowie das MitbestG und die Holding-Novelle im Sinne einer erweiterten Beteiligung der Arbeitnehmer; im Einzelnen s. Anm. 4 a f f . § 88 läßt neben der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung eine Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern durch bestimmte Aktionäre zu. a) Der Aufsichtsrat kann aus ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern bestehen. Das Gesetz erwähnt — im Gegensatz zum Vorstand (§ 85) — die Wahl oder Entsendung von stellvertretenden Mitgliedern nicht. Jedoch steht nichts entgegen, wie im früheren Recht, solche Mitglieder zuzulassen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 20; Grunau J W 1930, 3696). Hiernach können Personen als Stellvertreter verhinderter Aufsichtsratsmitglieder in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt werden. Sie haben

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§ 86 Einl.

die gleichen Rechte und Pflichten wie die ordentlichen Aufsichtsratsmitglieder. Sie müssen daher auch in Tätigkeit treten, wenn das Gesetz die Mitwirkung sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder vorschreibt: z. B. bei der Gründungsprüfung oder der Anmeldung der Gesellschaft (§§ 35, 28). Sie werden auch bei der Feststellung der zulässigen Höchstzahl mitgerechnet (§§86, 88); h. M . vgl. Baumbach-Hueck Anm. 2 D ; a . A . Kohler NJW 1955, 205; L G Stuttgart BB 1956, 369; ebenso werden sie in die durch drei teilbare Zahl der Mitglieder des jeweiligen Aufsichtsrats eingerechnet. Wenn sie auch nur zur Vertretung im Falle der Verhinderung eines ordentlichen Mitglieds bestellt sind, hängt hiervon ihre Befugnis zum Handeln oder die Wirksamkeit ihres Tätigwerdens, z. B. bei Beschlußfassungen des Aufsichtsrats oder Anforderungen an den Vorstand, nicht ab (Staub § 243 Anm. 15). Im übrigen s. Anm. 3 a. b) Nach E G § 8 traten die geltenden Bestimmungen der Satzung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats mit Beendigung der Hauptversammlung außer Kraft, die über die Entlastung des Aufsichtsrats für das bei Inkrafttreten des Aktiengesetzes laufende Geschäftsjahr abgehalten wurde. Die Satzung brauchte nicht erneut Bestimmungen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats einzuführen. Ohne Regelung in der Satzung besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern (siehe unten Anm. 1). c) Die Abs. 1 S. 3 und 2 S. 2 beschränken in weiterem Umfang die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder einer A G und die Höchstzahl der Aufsichtsratsposten einer Person. Nach der Verordnung vom 19. September 1931 Art. V I I I Abs. 3, 4 betrug jene 30, diese 20. Durch ministerielle Anordnung kann eine Überschreitung der gesetzlichen Höchstzahl zugelassen werden (Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 2 Halbs. 2; s. Anm. 5). 5. Reformbestrebungen Überlegungen zur Reform des Aufsichtsrats knüpfen immer wieder bei dem angelsächsischen Board-System an. Doch hat die aktienrechtliche Regelung zweier getrennter Organe sich bewährt und erscheint nicht änderungsbedürftig, vgl. StDJT, Bericht des Ausschusses I S. 31 und des Ausschusses II S. 76. Z u erwägen bleibt dagegen, ob nicht die unter dem H G B geltende freie Satzungsgestaltung hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat wieder einzuführen ist, um den individuellen Verhältnissen einer A G , z. B. einer Familiengesellschaft, und den besonderen Bedürfnissen des Konzernwesens Rechnung zu tragen (vgl. Vorbemerkungen zu § 7 0 und § 7 0 Anm. 10 am Schluß). Die Einzelbestimmungen der §§ 86 ff. haben sich im ganzen bewährt, so daß Reformwünsche nur hinsichtlich einiger Nebenbestimmungen geäußert worden sind, insbesondere die Streichung des § 98 Abs. 4, Satz 2 (Einschaltung der Staatsanwaltschaft) und Anpassung des § g8 Abs. 3 (Gewinnbeteiligung) an § 77 Abs. 2. Diskutiert wird ferner die Einführung des Verhältniswahlrechts, um damit den Minderheits-Aktionären mehr Einfluß auf die Besetzung des Aufsichtsrats zu geben. Auch wird vorgeschlagen, zur Wahl in den Aufsichtsrat nur Aktionäre der Gesellschaft zuzulassen, vgl. dazu C . E. Fischer NJW 58, 1256 fr. und Denkschrift zur Reform des Aktienrechts des Bundesverbands des privaten Bankgewerbes (e. V.), Köln 1958, S. 25fF.; s. im übrigen auch Anm. 4 a. Einem dringenden Bedürfnis zur Klärung der nach Inkrafttreten des BetrVG aufgetretenen Streitfragen hinsichtlich der Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats trägt die Neufassung des § 89 Rechnung. Der R e f . - E n t w . des Bundesjustizministeriums läßt die Vorschriften des geltenden Rechts über den Aufsichtsrat im wesentlichen unberührt, wenn auch zu vielen, bisher gesetzlich nicht geregelten Einzelfragen ausdrückliche Bestimmungen vorgesehen sind. Das Bemühen des Ref.-Entw. um einen möglichst weitgehenden (und damit wenig elastischen) Gesetzesperfektionismus wird besonders in der Bestimmung des § 85 über die stark erweiterte Berichterstattungspflicht des Vorstands an den Aufsichtsrat deutlich, mit dem Gebot an den Aufsichtsrat, jeweils zu den Berichten Stellung zu nehmen. Damit soll die Uberwachungstätigkeit des Aufsichtsrats verstärkt werden. Praktisch kann es hierdurch jedoch zu einer Gewichtsverschiebung zugunsten des Aufsichtsrats kommen, denn wenn auch, wie es in § 85 Abs. 6 Ref.-Entw. heißt, der Vorstand an die Stellungnahmen des Aufsichtsrats nicht gebunden ist (eine Weisungsbefugnis des Aufsichtsrats kennt auch der Entwurf nicht — § 95 Abs. 5 A k t G wird insoweit im Entwurf in § 105 Abs. 4 übernommen), so wird er schon um einer guten Zusammenarbeit willen den

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§86

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Anm. 1, 2 Vorschlägen des Aufsichtsrats folgen. Der Ref.-Entw. ändert im übrigen teilweise die Höchstziffern des § 86 Abs. i und erhöht die Zahl der von einer Person gehaltenen Aufsichtsratssitze auf 15 — unter Wegfall der Möglichleit ministerieller Ausnahmegenehmigungen. Auf die übrigen Bestimmungen des Ref.-Entw. wird im folgenden bei den jeweils einschlägigen Vorschriften eingegangen werden.

Anm. 1 I. Der Aufsichtsrät besteht aus drei Mitgliedern (Abs. 1 S. 1). Die Satzung

kann nicht eine niedrigere Mindestzahl zulassen, wohl aber eine durch drei teilbare höhere (Abs. 1 S. 2 i.d.F. von § 84 Ziff. 1 BetrVG; K G J 34 A 175). Sie kann auch eine bestimmte, durch drei teilbare Zahl festsetzen; doch empfielt sich dies nicht, da dann bei jedem Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds die Einberufung einer Hauptversammlung zwecks Neuwahl erforderlich wird. Uber die Wirkung des Fehlens der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Mindestzahl von Aufsichtsratsmitgliedern siehe unten Anm. 15, §89 Anm. 10 ff. u. § 92 Anm. 15.

Anm. 2 Die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder richtet sich nach der Höhe des Grundkapitals; sie beträgt bei Gesellschaften mit einem Grundkapital bis zu 3000000 D M neun, von mehr als 3000000 bis 20000000 D M zwölf, von mehr als 20000000 D M fünfzehn (Abs. 2 S. 3). Die Höchstzahlen nach dem AktG in seiner ursprünglichen Fassung betrugen sieben, zwölf und zwanzig. Die Höchstzahl für große Gesellschaften ist durch § 60 D M B G auf fünfzehn herabgesetzt worden; eine § 8 E G entsprechende Ubergangsregelung enthält § 63 DMBG. Die Höchstzahl sieben für Gesellschaften mit einem Grundkapital bis zu 3000000 D M ist durch § 84 BetrVG in neun geändert. Wegen der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder gem. MitbestG und Holding-Novelle s. Anm. 4b. Unter dem Grundkapital ist der Nennbetrag der a u s g e g e b e n e n Aktien zu verstehen. Genehmigtes Kapital (§§ 169fr.) zählt vor Ausgabe der neuen Aktien nicht mit.

DieSatzung kann eine niedrigere durch drei teilbare Höchstzahl festsetzen, nicht

eine höhere. Eine zuwiderlaufende Satzungsbestimmung ist nichtig. In die gesetzliche Höchstzahl der Mitglieder sind stellvertretende Aufsichtsratsmitglieder einzurechnen, da sie grundsätzlich die volle Rechtsstellung von Aufsichtsratsmitgliedern haben (s. Einleitung) und sonst die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder ohne Schwierigkeit umgangen werden könnte (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3, 20; abw. Staub Anhang zu § 243*HGB Art. V I I I Anm. 15). Das gleiche wird für eine durch die Satzung festgesetzte niedrigere Höchstzahl von Aufsichtsratsmitgliedern anzunehmen sein, sofern die Satzung nicht etwas anderes bestimmt. Nicht zulässig sind Satzungsbestimmungen, die eine b e w e g l i c h e M i t g l i e d e r z a h l vorsehen, also etwa eine Mindestzahl mit Spielraum für die Hauptversammlung nach oben. Abweichungen von der im Gesetz vorgesehenen Zahl von drei Mitgliedern sind nur in der Weise möglich, daß eine höhere, f e s t e durch drei teilbare Zahl vorgesehen ist (W. Schmidt, N J W 1952, 1 3 5 3 ; Gessler Betr. 1953, 440; Bergmann, N J W 1953, 83; Bayer, J Z 53, 261; abw. Baumbach-Hueck Anm. 2 A mit weiteren Angaben aus Literatur und Rspr.). Wie hier § go Ref.-Entw. Werden mehr Aufsichtsratsmitglieder (Aktionärvertreter) gewählt als das Gesetz zuläßt, so ist die Wahl derjenigen Mitglieder, die nach Erreichung der gesetzlichen Höchtzahl gewählt sind, gemäß § 195 Z. 3 nichtig; wird gleichzeitig eine größere Zahl von Mitgliedern gewählt, als nach dem Gesetz noch gewählt werden kann, so ist die ganze Wahl nichtig (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3), sofern nicht ersichtlich ist, welche Mitglieder als zuerst gewählt gelten sollen. Bei Überschreitung der durch die Satzung festgelegten Höchstzahl ist hingegen die Wahl nach § 197 nur anfechtbar. Dasselbe ist bei Überschreitung der in der Satzung bestimmten festen Zahl anzunehmen ( R G in L Z 1931, 448®). Nur Anfechtbarkeit ist auch gegeben, wenn die Wahl über die gesetzliche Mitgliederzahl (drei) hinausgeht, ohne daß dies die Satzung gestattet ( R G in H R R 1935 Nr. 1607). R G 24, 54 (wohl auch K G J 28 A 224) geht zu Unrecht davon aus, daß eine Erhöhung über die gesetzliche Zahl von 3 Mitgliedern ohne eine die höhere Zahl zulassende Satzungsänderung unwirksam ist. 580

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 86 Anm. 3

Da die im Rahmen des Gesetzes (und der Satzung) festgesetzten Höchstzahlen für die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder, also einschließlich der Arbeitnehmervertreter, gelten (soweit das BetrVG eingreift, dazu Anm. 4 b), kann die Hauptversammlung nur zwei Drittel der Aufsichtsratssitze besetzen, während ein Drittel für den oder die Arbeitnehmervertreter offen bleiben muß. Sieht etwa die Satzung die Zahl von drei oder sechs oder neun Mitgliedern für den Aufsichtsrat vor, so kann also die Hauptversammlung immer nur so viel Aufsichtsratsmitglieder wählen, daß ein Drittel des Aufsichtsrats mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden kann, das heißt eine Zahl, die zwei Drittel der durch drei teilbaren Zahl beträgt (wie hier Kötter, MitbestimmungsergänzungsG, § 14Anm. 4 m. w. Nachweisen). Wird gegen diesen Grundsatz verstoßen, so ist die Wahl des Aufsichtsrats, wie dargelegt, entweder hinsichtlich einzelner, zu viel gewählter Mitglieder oder im Ganzen nichtig (§ 195 Ziffer 3). Werden von der Belegschaft keine Arbeitnehmervertreter gewählt, so hat die Hauptversammlung zwar keine Möglichkeit, einen vollständigen Aufsichtsrat zu bilden, jedoch kann dann der Aufsichtsrat nach § 89 i.d.F. des G vom 15. 7. 57 vervollständigt werden. Auch stellt die Neufassung von § 89 klar, daß die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats nicht durch das Fehlen von Arbeitnehmervertretern berührt wird, wenn nur die Hälfte seiner Mitglieder, mindestens aber 3 Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen (s. im einzelnen die Anm. zu § 89). Für AG, deren Aufsichtsrat nach dem MitbestG oder nach der Holding-Novelle zu bilden ist, gilt Entsprechendes. Abreden zwischen den Sozialpartnern, die sich über die zwingenden, im öffentlichen Interesse und zur Wahrung des sozialen Friedens erlassenen Vorschriften über die Beteiligung der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten hinwegsetzen, sind nichtig, s. im einzelnen § 87 Anm. 30. Anm. 3 Bei einer Kapitalherabsetzung ergibt sich die Frage, ob sich die gesetzliche Höchstzahl automatisch nach dem herabgesetzten Grundkapital richtet, wenn infolge der Kapitalherabsetzung die dann zulässige Höchstzahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die verbleibende Anzahl von Mitgliedern überschritten wird und die Hauptversammlung nicht die notwendigen Beschlüsse faßt (Widerruf gem. § 87 Abs. 2 und ggf. Änderung der Satzung). In Abweichung von der in der 1. Aufl. vertretenen Meinung ist anzunehmen, daß in einem solchen Fall das Amt aller Aufsichtsratsmitglieder mit der Beendigung der nächsten Hauptversammlung nach Eintragung der Kapitalherabsetzung im Handelsregister (§ 177), welche über die Entlastung beschließt, erlischt; wie hier v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; a.A. Baumbach-Hueck Anm. 2A, die Abberufung verlangen. Damit ist gewährleistet, daß die gesetzliche Regelung des § 86 Abs. 1 beachtet wird. Die hier vertretene Auffassung ermöglicht es auch, die nach Inkrafttreten des BetrVG aufgetauchte Streitfrage, wie eine erforderliche Herabsetzung der Aufsichtsratssitze gegenüber den Arbeitnehmervertretern durchzusetzen wäre, eindeutig und zweckentsprechend zu lösen. Denn da eine Abberufung der Arbeitnehmervertreter nur im Verfahren gem. § 76 Abs. 5 BetrVG möglich ist (auf einen entsprechenden Antrag müssen sich % der Arbeitnehmer für eine Abberufung aussprechen) und von den Gesellschaftsorganen nicht erzwungen werden kann, wird die Auffassung vertreten, eine Verkleinerung des Aufsichtsrats könne erst bei der nächsten Neuwahl durchgeführt werden, falls Arbeitnehmervertreter nicht in genügender Zahl ihr Amt zur Verfügung stellen oder das Widerrufsverfahren nach § 76 Abs. 5 BetrVG ergebnislos verläuft oder nicht eingeleitet wird (so Baumbach-Hueck Anm. aA m. w. N.). Bei Berücksichtigung des zwingenden Charakters der Regelung der gesetzlichen Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder würde, wenn diese Auffassung richtig wäre, ein gesetzwidriger Zustand ohne Grund hingenommen werden; dagegen wird durch die hier vertretene Auffassung eine gesetzmäßige und auch die Interessen der Arbeitnehmer vollauf wahrende Lösung der Streitfrage ermöglicht (wie hier Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 18 und Galperin, 2. Aufl., § 76 Anm. 79fr. jeweils mit weiteren Nachweisen). Es sei auch noch daraufhingewiesen, daß in Fällen, wo durch Gesetz die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder geändert wurde, stets ein Erlöschen der früheren Aufsichtsratsmandate mit dem Ende der auf das Inkrafttreten des jeweiligen Gesetzes folgenden ordentlichen Hauptversammlung angeordnet wurde, vgl. §§ 8 EG; 63 DMBG; 89

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§86

Anm. 3 a

I. Buch: Aktiengesellschaft

BetrVG. Bei einer Herabsetzung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder bei Kapitalherabsetzung kraft der gesetzlichen Regelung in § 86 kann nichts anderes gelten. Bei einer Neuwahl des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung auf der nächsten, auf die Eintragung der Kapitalherabsetzung im Handelsregister folgenden ordentlichen Hauptversammlung sind ein Drittel der Aufsichtsratssitze für die Arbeitnehmervertreter vorzubehalten, falls deren Neuwahl durch die Belegschaft nicht fristgerecht durchgeführt worden ist (dazu Anm. 2). Wird durch S a t z u n g s ä n d e r u n g die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder herabgesetzt, so gelten gleichfalls die vorstehend dargelegten Grundsätze: legen nicht eine genügende Anzahl von Aufsichtsratsmitgliedern ihr Amt nieder oder werden die überzähligen Aktionärvertreter nicht gem. § 87 Abs. 2 abberufen (was praktisch kaum eintreten dürfte) oder wird ein Widerrufsverfahren hinsichtlich der Arbeitnehmervertreter nicht durchgeführt, so erlöschen alle Mandate des satzungswidrig besetzten Aufsichtsrats, und es ist in der nächsten Hauptversammlung eine Neuwahl durchzuführen (wie hier Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I, Anm. 23 am Ende m. w. Nachw.). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß es im freien Ermessen der Hauptversammlung steht, durch satzungsändernden Beschluß die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen festzulegen; die Arbeitnehmer haben auf diese Entscheidung keinen Einfluß (vgl. W . Schmidt in N J W 52, 1353).

Anm. 3 a Stellvertretende und Ersatzmitglieder. 1. Die Satzung kann s t e l l v e r t r e t e n d e A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r vorsehen. Werden stellvertretende Aufsichtsratsmitglieder gewählt (oder im Rahmen von § 88 entsandt), so haben sie im Außenverhältnis die gleichen Rechte und Pflichten wie ordentliche Mitglieder. Wann sie jedoch tätig werden, bestimmt die Satzung oder ein gemäß der Satzung zu fassender Beschluß des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung. Stellvertretende Aufsichtsratsmitglieder sind in die gesetzliche Höchstzahl der Mitglieder einzurechnen (§§ 86, 88), s. auch Einleitung Ziff. 4 a sowie Anm. 2 oben (wie hier Ritter Anm. 4 c, v. Godin-Wilhelmi Anm. 4, Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 16, Baumbach-Hueck Anm. 2 D ; Kohler N J W 1955, 205). Sie sind auch bei Ermittlung des Arbeitnehmerdrittels mitzuzählen, mit der Folge, daß die Drittelung entweder auch für die Arbeitnehmervertreter gewährleistet sein muß (dazu Radtke N J W 58, 973; a. A. Kohler a. a. O.) oder, falls das nicht der Fall ist, die Arbeitnehmerbeteiligung sich vom Gesamtaufsichtsrat einschließlich der stellvertretenden Mitglieder errechnet. Für dem MitbestG und der Holding-Novelle unterliegende Gesellschaften kann wegen der zwingenden Regelung der Besetzung des Aufsichtsrats eine Berufung stellvertretender Aufsichtsratsmitglieder nicht praktisch werden. Der Ref.-Entw. verbietet in § 95 Abs. 3 die Bestellung von stellvertretenden Aufsichtsratsmitgliedern mit der Begründung, daß hierfür ein Bedürfnis nicht bestehe. 2. Zulässig ist auch die gleichfalls im Gesetz nicht vorgesehene Wahl von E r s a t z m i t g l i e d e r n . Ihre Wahl erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung des endgültigen Fortfalls bisheriger Mitglieder. Sind mehrere Ersatzmitglieder gewählt, so treten sie in der Reihenfolge ihrer Wahl an die Stelle der ausgefallenen Aufsichtsratsmitglieder. Es kann auch ein Ersatzmitglied für ein bestimmtes Aufsichtsratsmitglied gewählt werden. Die Satzung kann und sollte zweckmäßigerweise Einzelheiten regeln, um klarzustellen, ob Stellvertretung oder echte Ersatzmitgliedschaft gemeint ist, vgl. v. GodinWilhelmi Anm. 4. Ersatzmitglieder sind, da sie durch die Wahl nicht sogleich Aufsichtsratsmitglieder werden, in die gesetzliche Höchstzahl n i c h t einzurechnen (Baumbach-Hueck Anm. 2 D ) . Sie zählen also auch bei Errechnung des Arbeitnehmerdrittels nicht mit. I m übrigen gelten die Vorschriften des § 87 entsprechend. Ersatzmitglieder für den Aufsichtsrat können auch von den Arbeitnehmern ausdrücklich für den Fall des vorzeitigen Wegfalls der gewählten Arbeitnehmervertreter gewählt werden, BAG vom 2 4 ' 5- 57 i n Betr. 1957, 7 2 3 ; bestr. s. für die Gegenmeinung Natzel in Betr. 1958, 136fr.; 164 fr.; Kunze-Spieker B B 1 9 5 8 , 3 7 8 fr., jeweils mit zahlreichen weiteren Literaturangaben. Die Satzung kann allerdings nicht wirksam vorschreiben, daß die Arbeitnehmer Ersatzmitglieder wählen müssen (Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I, Anm. 2 2 ; vgl. auch

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 86

Anm. 4—4b

Winden BB 53, 801). Die Wahl gilt, genau wie die der Ersatzmitglieder der Aktionärvertreter, als aufschiebend bedingt.Werden von den Arbeitnehmern Ersatzmitglieder nicht ausdrücklich gewählt, so ist als Ersatzmann derjenige Bewerber anzusehen, der bei der Wahl innerhalb der gleichen Gruppe von Arbeitnehmern die nächsthöhere Stimmzahl nach dem gewählten Bewerber erhielt (bestr. wie hier Schmidt in Hachenburg a. a. O . Anm. 22 und Baumbach-Hueck Anm. 2 C jeweils mit weiteren Nachweisen; s. auch B A G a . a . O . ; für die Gegenansicht s. insbesondere Natzel in Betr. a. a. O . und Radtke N J W 58, 973 gleichf. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Bestellung von Ersatzmitgliedern regelt der Ref.-Entw. in § 95 Abs. 3 in Übereinstimmung mit der im Vorstehenden vertretenen Rechtslage.

Anm. 4 Nach Abs. 1 S. 4 können durch ministerielle Genehmigung A u s n a h m e n von der Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder zugelassen werden (zuständig sind die Landesminister, vgl. § 7 Anm. 3 a), wenn das Wohl der Gesellschaft oder gesamtwirtschaftliche Belange es fordern. Solche Ausnahmen werden namentlich für gemischtwirtschaftliche Unternehmen und führende industrielle Unternehmen in Betracht kommen, von denen die Leitung eines Konzerns ausgeht (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5). D a ß die Ausnahmen nur für die Wahl einer bestimmten Person oder bestimmter Personen zugelassen werden können, ergibt das Gesetz nicht. Es ist auch möglich, allgemein einer Gesellschaft eine höhere Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern zu gewähren. Für die Montangesellschaften ist durch § 9 MitbestG und für Montan-Holding-Gesellschaften durch § 12 Holding-Novelle die Möglichkeit geschaffen worden, einen 21 köpfigen Aufsichtsrat zu bilden, wenn das Grundkapital 50 Millionen D M übersteigt.

Anm. 4a II. Die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat 1. Seit dem Betr.VG und dem MitbestG unterscheidet man zwei Gruppen von Aufsichtsratsmitgliedern, die A k t i o n ä r v e r t r e t e r und die A r b e i t n e h m e r v e r t r e t e r (über die Rechtsstellung der letzteren s. Anm. 4d). Sie bilden gemeinschaftlich den Aufsichtsrat. Das Recht über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat verwirklicht die Mitbestimmung in gesellschaftsrechtlicher Form (s. dazu W . Schmidt in Hachenburg Einl. zu § 52, Anh. I) und greift damit tief in das bisherige Verfassungsrecht der A G ein (dazu Vorbem. zu § 86). Jedoch ist das Recht der Mitbestimmung systematisch Bestandteil des Arbeits- und nicht des Gesellschaftsrechts. Die im einzelnen alles andere als übersichtliche Regelung gibt zu zahlreichen Auslegungszweifeln Anlaß mit der Folge, daß die einschlägige Literatur sich kaum noch übersehen läßt, s. die vom Deutschen Industrieinstitut veröffentlichte Bibliographie zur Mitbestimmung und Betriebsverfassung Bd. I 1955, Bd. II 1957. Lösungen müssen, soweit das Aktienrecht betroffen ist, im gesellschaftsrechtlichen Bereich gesucht werden. D a jede Diskussion der betrieblichen Mitbestimmung gesellschafts- und rechtspolitische Grundfragen aufrührt, werden das Recht der Mitbestimmung systematisierende und vereinheitlichende Reformbemühungen kaum in absehbarer Zeit verwirklicht werden können (vgl. StDJT Bericht des Ausschusses I S. 35 fr.).

Anm. 4b 2. Die gesetzliche Regelung d e r M i t b e s t i m m u n g durch Beteiligung der Arbeitnehmer an den Aufsichtsräten der A G stellt sich wie folgt dar: a) Grundsätzlich hat jede A G und K G auf Aktien mit dem Sitz im Bundesgebiet ihren Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer zu bilden, § 76 Abs. 1 Betr.VG, s. für viele W. Schmidt in N J W 1952, 1353 fr. b) Ausgenommen, d. h. mit einem Aufsichtsrat, der ausschließlich aus nach dem A k t G gewählten Aktionärvertretern besteht, sind A G , die F a m i l i e n g e s e l l s c h a f t e n sind u n d weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen, § 76 Abs. 6 Betr.VG. Als Familiengesellschaften gelten E i n m a n n - G e s e l l s c h a f t e n , wenn der Allein-Aktionär eine natürliche Person ist und Gesellschaften, deren Aktionäre i. S. von § 10 Ziff. 2 bis 5 StAnpG verwandt oder verschwägert sind, vgl. Baumbach-Hueck Anh. § 86 Anm. 2.

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§86

Anm. 4b

I. Buch: Aktiengesellschaft

Uber den Begriff der Arbeitnehmer i. S. dieser Ausnahmebestimmung s. außer Baumbach-Hueck a. a. O. Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I, Anm. 3 m. w. N. Ausgenommen von der Regel des § 76 Betr V G sind ferner sogenannte T e n d e n z b e t r i e b e , also Unternehmen, die politischen, gewerkschaftlichen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen, künsderischen und ähnlichen? Bestimmungen dienen, sowie Religionsgemeinschaften (§81 Betr V G , vgl. im übrigen Schmidt in Hachenburg a . a . O . Anm. 5). Weiterhin findet das Betr V G naturgemäß keine Anwendung auf Betriebe des öffentlichen Dienstes (§ 88 Abs. 1 Betr V G — hier gilt das PersonalvertretungsG vom 5. 8. 55, BGBl. I 477 und die entsprechende Regelung in den Ländern), wenn sie nicht in der Form einer A G betrieben werden und auf Betriebe der Seeschifffahrt und der Luftfahrt, § 88 Abs. 3 Betr V G . Die Ausnahme für die letztgenannten Betriebe gilt jedoch nicht für die Landbetriebe der Seeschiffahrt und Luftfahrt, § 88 Abs. 4 Bert V G ; im einzelnen Schmidt in Hachenburg a. a. O. Schließlich gilt das Betr V G nicht, soweit das MitbestG oder die Holding-Novelle Anwendung findet, § 85 Abs. 2 Betr V G , § 2 MitbestG (Schmidt in Hachenburg a. a. O.). c) Außerordentlich umstritten ist die Frage, ob A G mit w e n i g e r als f ü n f s t ä n d i g e n A r b e i t n e h m e r n einen Aufsichtsrat nach § 76 Abs. 1 Betr V G zu bilden haben (sog. Betriebsratsfähigkeit der AG, vgl. §8 BetrVG). Beschäftigt die A G überhaupt keine Arbeitnehmer, so muß sie nicht etwa solche einstellen, um einen Aufsichtsrat mit Arbeitnehmervertretern bilden zu können; es entfallt also eine Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat (BAG vom 24. 5. 57 in BB 57, 928 m. w. N. = N J W 57, 1574); das gilt auch dann, wenn die A G als Konzernspitze andere Unternehmen beherrscht (BAG a. a. O.). Entsprechendes muß aber auch gelten, wenn eine A G weniger als fünf ständige Arbeitnehmer beschäftigt, da § 76 Abs. 2 Betr V G für die Wahl der Arbeitnehmervertreter einen Wahlkörper i. S. des Zweiten Teils des Bertr V G voraussetzt (durch Verweisung auf die §§ 6, 10 Abs. 3 Betr V G ) ; wie hier L G Frankfurt/Main vom 4. 1 1 . 55, N J W 56, 598; W. Schmidt, N J W 52, i 3 5 3 f f , wohl auch Galparin § 76 Anm. 1 4 a ; Baumbach-Hueck Anh. § 86 Anm. 2 C und Kötter, MitbestimmungsergänzungsG, § 1 4 Anm. 3 wollen das Vorhandensein von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern genügen lassen; vgl. die weiteren Angaben bei Baumbach-Hueck a . a . O . und Kötter a. a. O. d) Aktiengesellschaften, die ein Unternehmen des Bergbaues oder der eisen- und stahlerzeugenden Industrie betreiben und in der Regel mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen oder „Einheitsgesellschaften" i. S. des G Nr. 27 der A H K vom 16. 5. 50 (Amtsbl. S. 299) sind, unterliegen der p a r i t ä t i s c h e n M i t b e s t i m m u n g ( § i MitbestG): Der Aufsichtsrat besteht hier aus elf Mitgliedern; er setzt sich aus vier Aktionärsvertretern, vier Arbeitnehmervertretern und drei weiteren Mitgliedern zusammen (§ 4 Abs. 1 MitbestG). Fünf Mitglieder des Aufsichtsrats werden von der Hauptversammlung gewählt (§ 5 MitbestG), fünf Mitglieder von den Arbeitnehmern entsandt (§ 6 MitbestG), ein Mitglied auf Vorschlag des so zusammengesetzten Aufsichtsrats von der Hauptversammlung gewählt, oder, mangels Einigung im Aufsichtsrat, nach einem besonderen Verfahren gem. § 8 MitbestG bestimmt. Bei Montangesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 20 Millionen D M kann die Satzung einen 1 sköpfigen Aufsichtsrat vorsehen, bei Gesellschaften mit einem 50 Millionen D M übersteigenden Grundkapital, einen 2iköpfigen (§9 MitbestG); für die Verteilung der Aufsichtsratssitze zwischen Aktionärvertretern, Arbeitnehmervertretern und „weiteren Mitgliedern" gilt entsprechendes, wie für den nköpfigen Aufsichtsrat gem. §§ 4 fr. MitbestG. e) Schließlich hat die H o l d i n g - N o v e l l e vom 7.8.56 (BGBl. I, 707) die im MitbestG offen gebliebene paritätische Arbeitnehmerbeteiligung in den Aufsichtsräten der Obergesellschaften des Montanbereichs geregelt. Der Aufsichtsrat besteht hier aus fünfzehn Mitgliedern und setzt sich aus sieben Aktionärvertretern, sieben Arbeitnehmervertretern und einem Unparteiischen zusammen, § 5 Holding-Novelle. Die „weiteren Mitglieder" des MitbestG sind in der Holding-Novelle nicht übernommen worden. Für die Bestellung und Wahl der verschiedenen Kategorien von Aufsichtsratsmitgliedern gelten im übrigen weitgehend die Bestimmungen des MitbestG entsprechend (§§5 ff. Holding-Novelle). Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 50 Millionen D M

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 86 Anm. 4c, 4d können einen 2iköpfigen Aufsichtsrat bilden, dessen Zusammensetzung entsprechend zu erfolgen hat (§ ia Holding-Novelle). Anm. 4 c 3. a) Wegen der Beteiligung von Arbeitnehmern am ersten Aufsichtsrat im Gründungsstadium s. § 23 Anm. 4a und 4b; teilw. abweichend Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 7 a. b) Ü b e r g a n g s r e g e l u n g e n über die Bildung eines den Vorschriften des Betr V G entsprechenden Aufsichtsrats enthält § 89: Auf der nach dem Inkrafttreten des Gesetzes (14. 11. 1952) abzuhaltenden ersten — ordentlichen — Hauptversammlung war ein Aufsichtsrat mit einem Drittel Arbeitnehmervertreter zu bilden. Das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erlosch. Die Holding-Novelle regelt in § 16 besonders, wann nach Eintritt oder Wegfall der Voraussetzungen des § 3 — über die Hälfte der Umsätze der Konzerngesellschaften entfallen auf Gesellschaften, die dem MitbestG unterhegen — der Aufsichtsrat umzubilden ist. Weiteres Ubergangsrecht für den ersten Aufsichtsrat nach Inkrafttreten der MitbestG enthalten § 14 Abs. 2 MitbestG sowie §21 Holding-Novelle. c) Die Vorschriften des AktG gelten nicht, soweit die Bestimmungen des BetrVG (s. § 85 Abs. 1), des MitbestG (s. § 2) und der Holding-Novelle eingreifen. Kommt bei Konzernobergesellschaften letztere nicht zur Anwendung, gilt wieder das BetrVG (s. § 14 Holding-Novelle). d) Im Saarland gilt das BetrVG seit dem 1. 1. 1957 nach näherer Maßgabe des G Nr. 559 vom 22. 12. 56 (Amtsbl. S. 1688); § 76 ist unverändert übernommen. Das MitbestG gilt im Saarland gem. Gesetz Nr. 560 vom 22. 12. 56 (Amtsbl. S. 1703) in einer insoweit abweichenden Fassung, als im § 1 für die Anwendbarkeit des G auf die Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie allein auf den „überwiegenden Betriebszweck" abgestellt wird. Die Holding-Novelle gilt im Saarland als Bundesrecht. Anm. 4d 4. Rechtsstellung der Arbeitnehmervertreter a) Die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat setzen sich aus Arbeitern und Angestellten der AG und gegebenenfalls Vertretern der Gewerkschaften oder entsprechender Interessenverbände der Arbeitnehmer zusammen. Sind nur bis zu zwei Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat zu wählen, so müssen sie Betriebsangehörige der AG sein, und zwar bei zwei Aufsichtsratssitzen für die Arbeitnehmer regelmäßig ein Arbeiter und ein Angestellter (für Ausnahmen von der Gruppenvertretung siehe § 10 Abs. 3 BetrVG); sind mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer Frauen, so soll mindestens eine von ihnen dem Aufsichtsrat angehören (§76 Abs. 2 BetrVG). Vorstände und leitende Angestellte der AG sind nicht als Arbeitnehmervertreter wählbar (§ 4 Abs. 2 a, c BetrVG). Diese Vorschrift deckt sich weitgehend mit § 90 Abs. 1 AktG. Sie ist nur insoweit weitgehender als der Begriff der leitenden Angestellten im Sinne des BetrVG weitergeht, als der entsprechende aktienrechtliche Begriff in §§ 80 Abs. 1 und 90 Abs. 2 (vgl. einerseits Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 3 und andererseits § 80 Anm. 2). Leitende Angestellte nach § 4 Abs. 2 c Betr.VG sind Angestellte, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind oder denen Prokura oder Generalvollmacht erteilt ist oder die nicht angestelltenversicherungspflichtig sind und besondere Vertrauensstellungen einnehmen. b) Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie die von der Hauptversammlung gewählten oder nach § 88 entsandten Aufsichtsratsmitglieder (s. auch § 4 Abs. 3 MitbestG). Sie üben ihr Amt unabhängig aus und sind an Weisungen ihrer Wähler, des Betriebsrats, der Verbände, denen sie angehören, oder ihrer Vorgesetzten im Betrieb der AG nicht gebunden (h. L., s. BAG vom 27. 9. 57 NJW 58, 39 = DieAktGes. 58, 39). Es gelten also auch für sie die §§ 90 bis 99. Gleiches gilt für die nach dem MitbestG (§ 4) und der Holding-Novelle (§ 5) zu wählenden „weiteren Mitglieder" der nach diesen Gesetzen zu bildenden Aufsichtsräte. 585

§86 Anm. 4d

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Auch die Arbeitnehmervertreter haben daher bei ihrer Amtsführung in erster Linie die B e l a n g e des U n t e r n e h m e n s der A G zu vertreten. Bei der Diskussion über den Umfang der Voranstellung der Interessen der A G darf aber nicht übersehen werden, daß sie als Vertreter der Arbeitnehmer deren Interessen vorzüglich Beachtung zu schenken haben, wie j a auch die in den Aufsichtsrat gewählten Aktionärsvertreter nicht selten zur Wahrung von Interessen bestimmter Aktionärsgruppen oder von mit der A G geschäftlich verbundenen anderen Unternehmen und Banken gewählt werden (vgl. C. E. Fischer, NJW 58, I26sf.; Rob. Fischer in L M § 93 AktG Nr. 1 Anm.; BaumbachHueck §95 Anm. 1). Bei einem Konflikt mit den Interessen der A G hat aber jedes Aufsichtsratsmitglied den Interessen der Gesellschaft den Vorrang zu geben (Ritter § 95 Anm. 2 ee; Baumbach-Hueck a.a.O.; auch §99 Anm. 9, §88 Anm. 16), anderenfalls setzt es sich Schadensersatzansprüchen aus §§ 99, 84 Abs. 2 aus. Wenn auch die Stellung der Arbeitnehmervertreter in vielem der Stellung der nach § 88 entsandten Aufsichtsratsmitglieder vergleichbar ist (Möhring M D R 51, 513fr. 516), so ist doch die Interessenlage insoweit eine andere, als es sich hier um die Ausübung des Sonderrechts einzelner Aktionäre oder Aktionärsgruppen handelt, während die Arbeitnehmervertreter die Gesamtbelegschaft des Unternehmens und als Gewerkschaftsvertreter die Gesamtheit der Arbeitnehmerschaft (Sozialpartnerschaft) im Aufsichtsrat vertreten. Entsprechend sind daher auch bei Lösung von Interessenkonflikten andere Maßstäbe anzulegen (vgl. auch Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 15; a. A. Kühlwein NJW 54, 621 f.). Da wohlverstandenes Interesse von Unternehmen und Belegschaft sich decken (§ 70 Anm. 12; Hueck J Z 56, 6 1 ; Eiselt J Z 57, 204f.), kann die Zusammenarbeit der Vertretergruppen in den Aufsichtsräten zweifellos in einem nicht unerheblichen Umfang zur Befriedung des sozialen Klimas beitragen, s. aber auch Vorbemerkung zu § 86. Diese Zielsetzung der betrieblichen Mitbestimmung muß auch bei der juristischen Betrachtung von Konfliktsfallen im Vordergrund stehen. c) Zu echten Interessenkollisionen kommt es für die Arbeitnehmervertreter, wenn die Belegschaft der A G in Streik tritt. Es hat sich zu dieser Frage eine umfangreiche Literatur gebildet (s. u. a. Meissinger, Betr. 56, 688 und Radke, NJW 56, 1581 jeweils mit weiteren Nachweisen). Das L G München (BB 1956, 240) hält die passive Teilnahme von Arbeitnehmervertretern an ordnungsgemäß von der Gewerkschaft ausgerufenen Streiks, den sog. legitimen Streik, für zulässig. Dem ist zuzustimmen (vgl. BAG vom 28. 1. 55, BB 55, 412 = NJW 55, 882). Zu weit geht die Auffassung des O L G München (BB 56, 995), welches unter Hinweis auf den zitierten Beschluß des Großen Senats des BAG vom 28. 1. 55 (danach ist ein gewöhnlicher Streik nicht rechtswidrig und löst das Arbeitsverhältnis der am Streik beteiligten Arbeitnehmer nicht auf, sondern suspendiert es) annimmt, das Amt der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sei gleichfalls während des Streiks suspendiert. Damit ist dem Aufsichtsratmitglied auch eine aktive Streikteilnahme — bei Ruhen des Amtes — erlaubt. Das ist aber mit der Stellung und der daraus sich ergebenden Treupflicht eines Aufsichtsratmitglieds unvereinbar (vgl. R G 82, 3 1 3 ; 114, 384; Baumbach-Hueck § 95 Anm. 1 ; Ritter § 95 Anm. 2ee; Kühlwein N J W 54, 621; Eiselt J Z 57, 205; s. auch Anm. 4a zu § 95). Die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme an gesellschaftswidrigen Handlungen, wie es ein Streik regelmäßig ist, ist auch keineswegs ein Bestandteil der Mitbestimmung, wie das O L G München a. a. O. offenbar annimmt. Es ist also festzuhalten, daß Arbeitnehmervertreter sich zwar passiv an einem legitimen Streik beteiligen dürfen, jedoch jede aktive Streikteilnahme und jede Teilnahme an sog. wilden Streiks oder anderen, die A G schädigenden Handlungen das Aufsichtsratmitglied schadensersatzpflichtig machen kann (s. auch § 99 Anm. 9); wie hier Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 15. d) Die Sorgfaltspflichten der Arbeitnehmervertreter richten sich auch im übrigen nach §§99, 84 (Vgl. im einzelnen Anm. 8 zu §99), sie sind also grundsätzlich die gleichen für alle Aufsichtsratsmitglieder. Von einem erfahrenen Geschäftsmann kann man hinsichtlich der Uberwachungstätigkeit zwar in der Regel mehr Einsicht in geschäftliche Zusammenhänge erwarten, als von Arbeitern oder Angestellten. Jedoch besteht auch für die Arbeitnehmervertreter eine Pflicht, sich die nötige Aufklärung zu verschaffen und gegebenenfalls sachverständigen Rat einzuholen (Baumbach-Hueck Anh. § 86 Anm. 7 A ; Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 14).

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 86 Anm. 5 e) Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat unterliegen, neben der allgemeinen Geheimhaltungspflicht aller Aufsichtsratsmitglieder gemäß §§ 99, 84 Abs. 1, einer Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 76 Abs. 2 Satz 5 mit 55 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, die auch gegenüber dem Betriebsrat gilt, da in § 76 a. a. O. nicht auf § 55 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verwiesen ist. Die Schweigepflicht bezieht sich auf vertrauliche Angaben oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ausdrücklich als geheimzuhalten zu bezeichnen sind und gilt auch für die Zeit nach Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat. Mit dieser Sonderregelung ist aber sachlich nicht mehr gesagt als ohnehin für alle Aufsichtsratsmitglieder gilt (vgl. § 99 Anm. 8 mit insbes. § 84 Anm. 11 und 78). Eine Verletzung der Schweigepflicht kann nach § 79 BetrVG strafrechtlich verfolgt werden. f) § 13 KSchG gewährt Mitgliedern des Betriebsrats einen besonderen K ü n d i gungsschutz. Einen solchen genießen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht (h. L.; s. Nachweise bei Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 16). Es gelten also die allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften des Arbeitsrechts. Greifen diese nicht ein, so kann der Dienstvertrag eines Arbeitnehmervertreters gekündigt werden, ohne daß allerdings damit notwendig sein Amt als Aufsichtsratsmitglied erlischt (unzutreffend Leo, Die AktGes., S. 265 fr. 268); das ist nur der Fall, wenn durch Ausscheiden des Arbeitnehmervertreters aus dem Betrieb der AG die zwingenden Vorschriften über die Arbeitnehmereigenschaft der ersten zwei Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr erfüllt werden (Galparin-Siebert, 3. Aufl. § 76 Anm. 62 m. w. N.). Eine Kündigung von Arbeitnehmern, die dem Aufsichtsrat angehören, kann aber sozial ungerechtfertigt sein, wenn sie allein eine Maßregelung wegen der Aufsichtsratstätigkeit bedeutet; sie kann außerdem wegen Verstoß gegen § 53 BetrVG nichtig sein (Baumbach-Hueck Anh. § 86 Anm. 7 B; Bergmann NJW 54, 84). Denn nach §§ 76 Abs. 2 mit 53 BetrVG dürfen die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder gehindert werden, auch ist jede Begünstigung oder Benachteiligung der Arbeitnehmervertreter verboten. Daher sind auch Satzungsbestimmungen und Hauptversammlungsbeschlüsse, die eine Behinderung der Tätigkeit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bezwecken, nichtig. Ebenso darf den Arbeitnehmervertretern wegen ihrer Aufsichtsratstätigkeit kein Lohn entgehen; sie sind auf Verlangen von ihren beruflichen Verpflichtungen im Betriebe der AG freizustellen, soweit das für eine ordnungsmäßige Durchführung ihrer Pflichten im Aufsichtsrat erforderlich ist (BaumbachHueck Anh. § 86 Anm. 7 B). Die Vergütung der Arbeitnehmervertreter für ihre Aufsichtsratstätigkeit richtet sich nach § 98. Verstöße gegen § 53 BetrVG sind strafbar (§ 78 BetrVG). g) Für Streitigkeiten zwischen der AG und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, die im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit stehen, also auch etwaige Schadensersatzansprüche wegen aktiver Streikbeteiligung, sind die ordentlichen G e r i c h t e zuständig (OLG München vom 13. 7. 55 mit zustimmender Anm. von HueckJZ 56, 60), da es sich hierbei nicht um Arbeitsstreitigkeiten im Sinne der §§2,3 ArbGG handelt. Dagegen gehören Streitigkeiten wegen Lohn- und Gehaltsansprüchen der Arbeitnehmervertreter vor die Arbeitsgerichte, ebenso alle Streitigkeiten, die mit der Wahl und Abberufung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat zusammenhängen (§ 82 Abs. 2 BetrVG). h) Uber die Wahl, Dauer und Beendigung des Amtes der nicht von der Hauptversammlung gewählten Mitglieder des Aufsichtsrats s. §87 Anm. 28, 29. Anm. 5 III. Hinsichtlich der Eigenschaften der Aufsichtsratsmitglieder schreibt das Gesetz vor, daß eine juristische Person nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann (Abs.2 S. 1). Das Gesetz sieht das Amt des Aufsichtsrats als ein persönliches Amt individuell bestimmter Personen an; daher können auch nichtrechtsfähige Gesellschaften nicht zu Aufsichtsratsmitgliedern bestellt werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 9). Die Aufsichtsratsmitglieder müssen ferner aus denselben Gründen wie die Vorstandsmitglieder (§ 75 Anm. 5) voll geschäftsfähig sein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; Brodmann HGB § 243 Anm. 2d; Baumbach-Hueck § 86 Anm. 3 und § 70 Anm. 2; Schmidt 38

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§86

Anm. 6

I. Buch: Aktiengesellschaft

in Hachenburg §52 Anm. 1 5 ; Scholz Anm. 7; a. A. die früher herrschende Lehre). Die V o r s t a n d s m i t g l i e d e r können nicht zugleich Aufsichtsratsmitglieder sein (§ 90). Für a u s g e s c h i e d e n e Vorstandsmitglieder ist aber vorherige Entlastung nicht Voraussetzung der Übernahme des Aufsichtsratsamts (so früher H G B § 248 Abs. 3). B e a m t e bedürfen für die Annahme des Aufsichtsratsamts der Genehmigung der vorgesetzten Behörde; doch hängt die Wirksamkeit des Erwerbs des Amts nicht von dem Vorliegen der Genehmigung ab. Es gilt hier dasselbe wie für die Übernahme des Vorstandsamts durch einen Beamten (§ 75 Anm. 5). Der Bundespräsident und Bundesminister dürfen einem Aufsichtsrat nicht angehören, Art. 55 Abs. 2, 66 GG. Für die Landesminister besteht dieses Verbot nicht; daß sich hier Interessenkollisionen mit der haushaltsrechtlichen Uberwachungsfunktion ergeben können, liegt auf der Hand, vgl. §§ 1 1 0 ff. Reichshaushaltsordnung. Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes usw. enthält das Gesetz keine Beschränkungen. Besondere gesetzliche Voraussetzungen müssen für die nach § 4 Abs. 1 MitbestG zu wählenden „weiteren Mitglieder" vorliegen, vgl. § 4 Abs. 2 a. a. O. und § 5 HoldingNovelle. Wegen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat s. im übrigen Anm. 4 d (a). Aufsichtsratsmitglieder der Kapitalanlagegesellschaften sollen ihrer Persönlichkeit und ihrer Sachkunde nach die Wahrung der Interessen der Anteilinhaber gewährleisten (§ 4 des G über KapAnlG).

Anm. 6 Die Satzung kann beliebige weitere Erfordernisse aufstellen. Nur dürfen diese nicht soweit gehen, daß die Wahlfreiheit unbillig beschränkt wird (vgl. R G 133, 90 auf S. 94; K G J 32 A 136). Die Hauptversammlung muß in der Lage sein, geeignete Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern zu bestellen, ohne an bestimmte Personen gebunden zu sein. Zulässig erscheinen hiernach Beschränkungen allgemeiner Natur, wie etwa hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes, des Geschlechts usw. Unbedenklich erscheint auch das Erfordernis, daß die Aufsichtsratsmitglieder Aktionäre sein müssen; denn die Mehrheit, welche die Aufsichtsratsmitglieder wählt, ist durch eine solche Bestimmung praktisch kaum in ihrer Wahlfreiheit beschränkt, da sie ihrem Kandidaten eine Aktie überlassen kann, wenn er noch keine besitzt. Dagegen wird die Bestimmung, daß nur Inhaber von Aktien mit bestimmten Nummern oder von Aktien bestimmter Gattungen Aufsichtsratsmitglieder sein können, als eine unzulässige Beschränkung anzusehen sein (a. A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 17; wie hier Baumbach-Hueck Anm. 3 A). Eine solche Bestimmung begründet in Wahrheit ein Vorrecht der Aktionäre, die Inhaber der betreffenden Aktien sind. Soweit ein schutzwürdiges Bedürfnis an der Begründung eines derartigen Vorrechts besteht, trägt das Gesetz dem in § 88 Rechnung. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, daß durch das Erfordernis der Inhaberschaft bestimmter Aktien einer Minderheit oder einzelnen Aktionären mittelbar ein Recht zur Besetzung von Aufsichtsratsposten unter anderen Voraussetzungen und ohne die Beschränkungen des § 88 eingeräumt werden kann. Desgleichen wird die Bestimmung, daß ein oder mehrere Aufsichtsratsmitglieder einer bestimmten Familie angehören müssen, nicht getroffen werden können. Auch dieses Ergebnis läßt sich nur durch Einräumung eines Entsendungsrechts an bestimmte Aktionäre oder Inhaber gebundener Namensaktien gemäß § 88 erreichen (a. A. Schlegelberger-Quassowski a. a. O.; v. GodinWilhelmi Anm. 7). Man wird ferner annehmen müssen, daß an sich zulässige Beschränkungen insoweit keine Wirkungen haben, als dadurch im einzelnen Falle die Wahl geeigneter Personen unmöglich gemacht oder unerträglich erschwert wird (vgl. Brodmann H G B § 243 Anm. 2g). So wird z.B. das Gericht, das gemäß § 89 den beschlußunfähigen Aufsichtsrat ergänzt, nicht an das Erfordernis des Aktienbesitzes gebunden sein, sofern nicht Aktien der betreffenden Gesellschaft ohne Schwierigkeit im Handel erhältlich sind. Für die A r b e i t n e h m e r v e r t r e t e r kann die Satzung hinsichtlich der persönlichen Eigenschaften keine besonderen Erfordernisse aufstellen: hier gelten die zwingenden, gesetzlichen Bestimmungen (§§ 76 Abs. 2 BetrVG, 4fr. MitbestG, 5ff. Holding-Novelle; h. L. s. Baumbach-Hueck § 86 Anh. Anm. 3 D).

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 86 A n m . 7—10 Auch ein bindendes Vorschlagsrecht (vgl. KGJ 32 A 136; BayObLG in J W 1921, 5801) wird unter keinen anderen Voraussetzungen und in keinem anderen Umfange durch die Satzung begründet werden können als ein Recht zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 88. Anm. 7 Für die nach § 88 von bestimmten Aktionären oder Inhabern bestimmter Aktien zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder können beliebige Beschränkungen in der Satzung eingeführt werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 17). Macht der zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern berechtigte Aktionär von seinem Recht keinen Gebrauch, so ist das Gericht oder die Hauptversammlung, die in die Lage kommen, über die Ausfüllung der Lücke zu beschließen, nicht an die Beschränkungen gebunden. Anm. 8 Nach Abs. 2 S . 2 kann ferner nicht Aufsichtsratsmitglied sein, wer bereits in 10 Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien Aufsichtsratsmitglied ist. Die Bestimmung ist z w i n g e n d e n R e c h t s . Auch Aktiengesellschaften, die demselben Konzern angehören oder in dem Verhältnis des herrschenden und des abhängigen Unternehmens zueinander stehen, werden einzeln gezählt (vgl. jedoch 1. D V § 18 u. unten Anm. 13 fr.). Mitzuzählen sind auch Aufsichtsratsposten in einer GmbH und einer bergrechtlichen Gewerkschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, wenn ein Aufsichtsrat nach § 77 BetrVG, § 3 MitbestG oder §§ 1 ff. Holding-Novelle zu bilden ist (Baumbach-Hueck Anm. 3 B; Bergmann NJW 53, 82; Schmidt in Hachenburg Anm. 19 zu §52 Anh. I). Nicht mitzurechnen sind dagegen Aufsichtsratsposten in Körperschaften im übrigen, die eine andere Rechtsform als die einer A G oder Kommanditgesellschaft a. A. haben, insbesondere Aufsichtsratsposten in einer GmbH oder bergrechtlichen Gewerkschaft mit fakultativem Aufsichtsrat, einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit oder einer Genossenschaft, auch wenn die letzteren einen Aufsichtsrat gem. § 77 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BetrVG bilden müssen (vgl. Schmidt in Hachenburg a. a. O.). Nicht mitzurechnen sind ferner Aufsichtsratsposten in ausländischen Aktiengesellschaften. Das Gesetz meint, wenn es von Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien spricht, regelmäßig nur d e u t s c h e Gesellschaften; auch kann die Frage, ob eine ausländische Körperschaft als Aktiengesellschaft anzusehen und ob ein bestimmtes Organ einer solchen Gesellschaft dem Aufsichtsrat einer deutschen A G gleichzusetzen ist, große Schwierigkeiten bereiten (Schlegelberger-Quassowski Anm. 13; Staub Anhang zu § 243 Art. V I I I Anm. 19). Anm. 9 Der Zeitpunkt, in dem das neu gewählte Aufsichtsratsmitglied nicht schon 10 Aufsichtsratsposten bekleiden darf, ist nicht der der Wahl, sondern der des vorgesehenen Erwerbs des Aufsichtsratsamts, also die Annahme der Wahl oder der etwaige spätere Zeitpunkt, von dem an der Gewählte Aufsichtsrat sein soll (vgl. § 87 Anm. 5). Daran kann bei dem Wortlaut des Gesetzes („kann nicht Aufsichtsratsmitglied sein") kein Zweifel bestehen. Während der Ubergangszeit nach Inkrafttreten des AktG, bis gemäß EG § 8 Abs. 2 die sämtlichen Aufsichtsratsposten erloschen, blieb die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes erworbene Zugehörigkeit zu mehr als 10 Aufsichtsratsposten — entsprechend dem früheren Recht — statthaft. Das folgt aus EG § 8 Abs. 2 (Schlegelberger-Quassowski Anm. 37; ebenso v.Godin-Wilhelmi zur 1. D V § 18 unter III, jedoch mit abw. Begrd.). Die Beschränkung der Zahl der Aufsichtsratsposten gilt nur für den Erwerb des Amts n a c h Inkrafttreten des Gesetzes. Die Bestimmung des Abs. 2 Satz 2 gilt auch für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (Baumbach-Hueck Anh. § 86 Anm. 3 D). A n m . 10 Wie steht es, wenn der zum Aufsichtsrat Gewählte in einem späteren Zeitpunkt, aber noch vor Wahl eines anderen Aufsichtsratsmitglieds an seiner Statt durch Wegfall eines seiner sonstigen Aufsichtsratsposten in die Lage versetzt wird, den ihm angetra38«

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§86

Anm. 11—13

I. Buch: Aktiengesellschaft

genen Aufsichtsratsposten zu übernehmen? Erwirbt er diesen nunmehr unmittelbar auf Grund seiner früheren Annahme? Oder kann er jetzt die Annahme wirksam aussprechen, sei es, daß er sie früher unwirksam erklärt, sei es, daß er keine Erklärung abgegeben, sei es, daß er erklärt hat, zu der Annahme nicht imstande zu sein? Wie in A n m . 5 zu § 87 dargelegt, wird die Stellung des Aufsichtsratsmitglieds durch einen Vertrag erworben, der entweder unmittelbar durch die Wahl der Hauptversammlung und Annahme der Wahl gegenüber der Hauptversammlung zustande kommt, oder durch einen Vertrag, den der Vorstand auf Grund der Wahl mit dem Gewählten abschließt. Die Annahme gegenüber der Hauptversammlung kann nur sofort erfolgen; nach den allgemeinen Grundsätzen über den Vertragsschluß, gegen deren Anwendung hier keine Bedenken bestehen, kann die Annahme des von dem Vorstand auf Grund der Wahl angebotenen Postens nur innerhalb der dafür gesetzten Frist, mangels einer solchen bis zu dem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Vorstand den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Erklärt der Gewählte, infolge seiner Aufsichtsraisposten bei anderen Gesellschaften nicht annehmen zu können, so liegt darin eine Ablehnung, durch die der Antrag erlischt. Ist die rechtzeitig ausgesprochene Annahme unwirksam, so ist der Antrag zwar nicht abgelehnt, erlischt aber mit Ablauf der Frist für die Annahme. Weder durch den bloßen Wegfall eines seiner sonstigen Aufsichtsratsposten noch durch die daraufhin erklärte Annahme vermag der Gewählte nunmehr den Aufsichtsratsposten zu erwerben. Es liegt jedoch kein Grund vor anzunehmen, daß damit die Wahl auch insoweit hinfällig wird, als sie dem Vorstand die Möglichkeit gibt, dem Gewählten den Aufsichtsratsposten zu übertragen. Der Vorstand ist also bis zur Wahl eines anderen Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung imstande, dem Gewählten den Aufsichtsratsposten von neuem anzubieten. Einen wichtigen Grund zur N i e d e r l e g u n g d e s A u f s i c h t s r a t s a m t s bildet die Neuwahl zum Aufsichtsratsmitglied in einer anderen A G nicht (a. A . SchlegelbergerQuassowski E G § 8 Anm. 38). Nur während der Ubergangszeit, bis die Aufsichtsratsmandate gemäß E G § 8 erloschen — in ihr galt die frühere Zulässigkeit von 20 Mandaten — , konnte die W i e d e r w a h l in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft einen wichtigen Grund zur Niederlegung des Amtes bei einer anderen Gesellschaft darstellen.

Anm. 11 Stellt sich die Unwirksamkeit der Übernahme des Aufsichtsratsamts wegen Verstoßes gegen Abs. 2 S. a erst heraus, nachdem der Gewählte schon als Aufsichtsrat tätig geworden ist, so müssen seine Handlungen gleichwohl als unwirksam angesehen werden. J e d o c h haftet er der Gesellschaft nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag f ü r die sorgfaltige Wahrnehmung seiner Aufgaben. Auch eine strafrechtliche Haftung ist nicht ausgeschlossen (s. § 87 Anm. 2 7 ; § 84 Anm. 5).

Anm. 12 I V . Nach dem zweiten Halbsatz des Abs. 2 S. 2 kann der ÄeicAiminister der Justiz im Einvernehmen mit den beteiligten ÄeicAiministern abweichende V o r s c h r i f t e n u n d A n o r d n u n g e n treffen, also die gleichzeitige Bekleidung von mehr als 10 Aufsichtsratsposten zulassen, soweit es zur ausreichenden Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange des Bundes, der Länder, Gemeindeverbänden oder Gemeinden oder von Wirtschaftsunternehmen nötig erscheint. „Abweichende Vorschriften" sind Vorschriften allgemeiner N a t u r ; abweichende Anordnungen können den Einzelfall betreffen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 16). Zuständig sind jetzt f ü r letztere die Minister der Länder, f ü r erstere der Bundesminister der Justiz und die beteiligten Bundesminister, s. im Einzelnen Anm. 3 a zu § 7 ; z.T. abweichend v. Godin-Wilhelmi A n m . 5.

Anm. 13 A u s n a h m e v o r s c h r i f t e n sind in § 18 der 1. D V erlassen. Sitze in Aufsichtsräten, in die das Mitglied zur Wahrnehmung der wirtschaftlichen Belange bestimmter öffentlich-rechtlicher Körperschaften (Ziffer 1), eines mit der A G konzernverbundenen Wirtschaftsunternehmens (Ziffer 2) oder eines Kreditinstituts, das mit der Gesellschaft in dauernder bankmäßiger Geschäftsverbindung steht, gewählt oder entsandt ist, werden

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 86

A s m . 13 n u r a l s ein Sitz gerechnet. Die Bestimmung setzt voraus, daß die Aufsichtsratsmitglieder neben der Wahrung der Belange der Gesellschaft auch die wirtschaftlichen Belange der genannten Körperschaften und Unternehmungen wahrzunehmen haben. Diese Voraussetzung ist für entsandte Mitglieder stets gegeben (vgl. § 88 Anm. 14). Für Mitglieder, die die Hauptversammlung wählt, braucht dagegen die Voraussetzung nicht vorzuliegen: sie können gewählt sein, ohne daß bei ihnen die Wahrnehmung der Belange einer Körperschaft oder eines bestimmten anderen Unternehmens, dem sie angehören, in Frage kommt. Häufig wird die Körperschaft oder die Bank, deren Beamter oder Direktor gewählt wird, Aktionär sein. Z.B. wird der Leiter der ständigen Bankverbindung der Gesellschaft, wenn die Bank nicht mit einem namhaften Aktienbesitz beteiligt ist, nicht zu dem Zweck gewählt sein, auch die Interessen der Bank zu wahren, es sei denn, daß die Bank Gläubiger der Gesellschaft ist und etwa eine Sanierung der Gesellschaft überwachen soll. Notwendig ist aber die Aktionäreigenschaft nicht. Die Entscheidung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. SchlegelbergerQuassowski Anm. 6 zu 1. D V § 1 8 ) . Entscheidend ist die Absicht, dem Aufsichtsratsmitglied die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Belange der Körperschaften oder des anderen Wirtschaftsunternehmens im Rahmen der Tätigkeit der Gesellschaft zu übertragen. Läßt sich diese Absicht nicht nachweisen, entfallt die Anwendbarkeit der Vorschrift. Wegen des Erfordernisses der Bindung an die Belange eines anderen Unternehmens nennt Schlegelberger-Quassowski (Anm. 1 zu 1. D V § 18) diese Aufsichtsratssitze „gebundene Sitze" im Gegensatz zu den „freien Sitzen". Nicht erforderlich ist, daß der Gewählte oder Entsandte Angestellter, Vorstand, Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglied oder Beamter des entsendungsberechtigten oder wählenden Unternehmens ist. Es kann auch ein Dritter sein. Welche Wirtschaftsunternehmen mit der Gesellschaft konzernverbunden sind (Ziffer 2), siehe Anm. zu § 15. Eine bloße Interessengemeinschaft genügt, wenn die Voraussetzungen der Konzernzugehörigkeit nicht vorliegen, nicht (a. A . v. Godin-Wilhelm! Anm. 2 zu 1. D V § 18). § 18 ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Für Kreditinstitute ist die d a u e r n d e bankmäßige Geschäftsverbindung mit der Gesellschaft erforderlich. Die Durchführung einzelner gelegentlicher, wenn auch größerer Geschäfte durch die Bank genügt nicht. Regelmäßig wird das Kreditinstitut d i e Bank sein müssen, über die die Gesellschaft ihren Zahlungsverkehr laufen läßt. a) Die Zusammenrechnung gebundener Sitze zu e i n e m Sitz ist für höchstens zwanzig Sitze zugelassen ( § 1 8 Satz 2). Müssen diese zwanzig gebundenen Sitze sämtlich die Bindung zu e i n e r Körperschaft oder zu e i n e r Bank oder zu e i n e m Konzernunternehmen aufweisen? Oder rechnet es auch nur als e i n Sitz, wenn das Aufsichtsratsmitglied z. B. vom Bund in drei Aufsichtsräte, von einer Gemeinde in zwei Aufsichtsräte und von einer Bank in den Aufsichtsrat von fünf durch sie betreuten Gesellschaften gewählt oder entsandt ist? Das Gesetz läßt durch seinen Wortlaut die Frage offen. Schlegelberger-Quassowski nimmt zu ihr nicht Stellung, v. Godin-Wilhelmi unterscheiden zwischen den Ziffern 1 und 3 einerseits und der Ziffer 2 andererseits. Mit ihnen ist nach Sinn und Zweck des Gesetzes und der Ausnahmevorschrift des § 18 folgende Regelung anzunehmen: Die Zusammenrechnung der gebundenen Sieze zu e i n e m Sitz setzt voraus, daß zu der g l e i c h e n öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder zu der g l e i c h e n Bank die Bindung besteht. Hat das Mitglied eines Aufsichtsrats in einem anderen Aufsichtsrat die Belange des Bundes, in einem dritten Aufsichtsrat die Belange einer Gemeinde wahrzunehmen und ist es in zwei weitere Aufsichtsräte von zwei verschiedenen Kreditinstituten delegiert, so können diese vier Aufsichtsratsposten nicht als ein Sitz gerechnet werden. Denn in diesen vier Aufsichtsräten vertritt das Mitglied vier verschiedene Interessenbereiche. D i e Z u s a m m e n r e c h n u n g s e t z t a b e r G l e i c h h e i t d e r w a h r z u n e h m e n d e n B e l a n g e v o r a u s . In dem im ersten Absatz gewählten Beispiel würden hiernach die zehn gebundenen Aufsichtsratssitze (drei vom Bund, zwei von einer Gemeinde, fünf von einer Bank) drei freien Sitzen gleichzustellen sein. Das Aufsichtsratsmitglied könnte neben diesen zehn gebundenen Sitzen also noch sieben freie Sitze innehaben. b) Wer bereits zehn freie Aufsichtsratssitze hat, kann einen gebundenen Sitz nicht hinzuerwerben (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2). Soll die Vergünstigung des § 18

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§86 Arun. 14, 15

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zur Anwendung kommen, so muß das Aufsichtsratsmitglied unter seinen zehn Mandaten mindestens bereits einen gebundenen Aufsichtsratssitz haben. Die weiteren Mandate dieses Mitglieds müssen obendrein nach dem zu a) Gesagten aus der gleichen Bindung wie der erste gebundene Aufsichtsratssitz entspringen. Die Höchstzahl der freien Sitze neben gebundenen Sitzen ist hiernach neun (Schlegelberger-Quassowski Anm. 8). Da andererseits die Höchstzahl der Aufsichtsratsposten zwanzig beträgt, können neben neun freien Sitzen höchstens elf gebundene, aus der gleichen Bindung stammende Aufsichtsratsämter erworben werden. Neben zwanzig gebundenen Sitzen kann, selbst wenn sie nur aus einer Bindung stammen, kein freier Sitz mehr angenommen werden. Anm. 14 V. Tritt nachträglich eines der g e s e t z l i c h e n Hindernisse ein, wird z. B. ein Aufsichtsratsmitglied geschäftsunfähig, so erlischt sein Amt. Ein Erlöschen als Folge des Erwerbs eines Aufsichtsratspostens bei einer anderen A G ist freilich nicht denkbar, da vielmehr die Annahme dieses neuen Aufsichtsratspostens unwirksam wäre, falls das Aufsichtsratsmitglied schon io Aufsichtsratsposten innehat. Ergibt sich nachträglich einer der durch die S a t z u n g begründeten Unfahigkeitsgründe, so erlischt das Amt nicht; die Bestellung muß aber widerrufen werden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 19; a.A. Ritter §87 Anm. 2b). Es ist anzunehmen, daß in solchen Fällen der Widerruf entgegen dem Grundsatz des § 87 Abs. 2 mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Anm. 15 V I . Der nicht vollständig besetzte Aufsichtsrat. Grundsätzlich handelt der Aufsichtsrat nur als G e s a m t k o l l e g i u m (§92 Anm. 1 1 ; §95 Anm. 4). Ist daher der Aufsichtsrat unvollständig, so ist sein Tätigwerden unmöglich, soweit ein Handeln als Gesamtaufsichtsrat erforderlich ist. Zu unterscheiden ist jedoch die Vollbesetzung (Vollständigkeit) und die Beschlußfähigkeit. Enthält die Satzung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats keine Bestimmung, so muß der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern bestehen (Anm. 1); auch die Beschlußfähigkeit hängt von dem Vorhandensein mindestens dieser drei Mitglieder ab (so früher §4HBerG und davor § 11 V O vom 5 . 1 . 4 5 [RGBl. I 5]). Die Frage der Beschlußfähigkeit und damit der Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats wurden nach Inkrafttreten des BetrVG außerordentlich streitig, insbesondere im Hinblick darauf, ob zur Beschlußfähigkeit das zahlenmäßige Verhältnis von Aktionärsvertretern und Arbeitnehmervertretern gewahrt sein muß. § 89 Abs. 1 in der Fassung des G vom 15. 7. 57 (BGBl. I 714) regelt die Beschlußfähigkeit jetzt dahin, daß der Aufsichtsrat, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, beschlußfähig ist, wenn w e n i g s t e n s die H ä l f t e der M i t g l i e d e r , aus denen er insgesamt nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat, an der Beschlußfassung teilnimmt (vgl. auch BGH 4, 224). Mindestens müssen aber drei Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. § 89 Abs. 1 Satz 4 stellt weiterhin klar, daß die Vollständigkeit des Aufsichtsrats nicht Voraussetzung für seine Beschlußfähigkeit ist. Dies gilt auch dann, wenn das vorgeschriebene zahlenmäßige Verhältnis zwischen Aktionärsvertretern und Arbeitnehmervertretern nicht gewahrt ist. Die Satzung kann also für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats eine höhere durch drei ceilbare Zahl als für die Beschlußfähigkeit festsetzen. Sie kann aber nicht bestimmen, daß der Aufsichtsrat beschlußfähig ist, wenn weniger als drei Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. Weiteres siehe Anm. 4 ff. zu § 89. Ohne Rücksicht auf vollständige Besetzung des Gesamtaufsichtsrats und auf seine Beschlußfähigkeit bleiben die vom Aufsichtsrat gebildeten A u s s c h ü s s e handlungsfähig. Auch e i n z e l n e Aufsichtsratsmitglieder, die von dem Gesamtaufsichtsrat oder einem Ausschuß mit besonderen Aufgaben betraut sind, bleiben zu deren Erfüllung in der Lage, wenn der Gesamtaufsichtsrat beschlußunfähig wird. Das gilt insbesondere von dem Vorsitzer und seinem Stellvertreter. Unvollständige Besetzung des Aufsichtsrats verurteilt hiernach die einzelnen Mitglieder nicht zur Untätigkeit und stellt sie, soweit sie handeln können, nicht von ihrer gesetzlichen Haftung (§ 99) frei. Solange noch die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl vorhanden ist, müssen sich die restlichen Mitglieder für die Aufsichtsratssitzungen

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§ 87

zur Verfügung halten. Vorsätzliche oder fahrlässige Verhinderung beschlußfähiger Sitzungen durch Fernbleiben kann zum Schadenersatz verpflichten. Sind der Vorsitzer und sein Stellvertreter fortgefallen, so können sich die übrigen Mitglieder nicht darauf berufen, daß eine Sitzung nicht habe stattfinden können, weil es an dem zu ihrer Einberufung zuständigen Organ gefehlt habe; vielmehr können, falls es der Vorstand versäumt, zwei Mitglieder in Ausübung des Selbsthilferechts des § 94 Abs. 2 den Aufsichtsrat einberufen (§ 94 Anm. 3), damit zunächst ein neuer Vorsitzer gewählt wird und sodann die weiteren notwendigen Beschlüsse gefaßt werden. In jedem Fall bleibt dem einzelnen Mitglied das R e c h t a u f B e r i c h t gemäß § 95 Abs. 2. Zwar kann es nur Bericht an den Aufsichtsrat verlangen. Das setzt aber nicht die vollständige Besetzung des Aufsichtsrats voraus. Der Vorstand m u ß den Bericht erstatten, wenn das Verlangen des Mitglieds von dem Aufsichtsratsvorsitzer unterstützt wird. Ist also nur der Vorsitzer oder sein Stellvertreter und ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats vorhanden, so ist der Vorstand zur Berichterstattung auf deren Verlangen verpflichtet (§95 Anm. 8). Im übrigen k a n n der Vorstand auch dem einzelnen Mitglied unmittelbar Bericht geben (§ 95 Anm. 9). Deshalb muß es zum mindesten den Versuch machen, den Bericht des Vorstands zu erhalten. Sonst kann es sein Unterlassen schadensersatzpflichtig machen. Eine weitere Verpflichtung der einzelnen Mitglieder eines beschlußunfähigen oder unvollständigen Aufsichtsrats ist in § 89 Abs. 2 und Abs. 3 begründet. Sie müssen die Ergänzung des Aufsichtsrats durch das Gericht beantragen, wenn es ihnen vorher nicht gelungen ist, den Vorstand zur Einberufung einer Hauptversammlung zu veranlassen, die die fehlende Zahl der Aufsichtsratsmitglieder bestellt bzw. die fehlenden Arbeitnehmervertreter nicht entsandt werden (vgl. R G 1 6 1 , 136). Einzelheiten s. in den Anm. zu § 89. Im allgemeinen ist zu sagen, daß die restlichen Mitglieder eines unvollständig besetzten Aufsichtsrats eine e r h ö h t e Pflicht zur Aufmerksamkeit haben. Sie dürfen nichts, was ihnen an Rechtsbehelfen verblieben ist, versäumen, um die Überwachung des Vorstands durchzuführen ( R G 146, 145 auf S. 152).

§ 8 7 W a h l und A b b e r u f u n g (1) Die Aufsichtsratsmitglieder werden von. der Hauptversammlung gewählt. Kein Aufsichtsratsmitglied kann für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung gewählt werden, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach der Wahl beschließt; hierbei wird das Geschäftsjahr, in dem gewählt wird, nicht mitgerechnet. (2) Die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied kann vor Ablauf der Wahlzeit von der Hauptversammlung widerrufen werden. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzimg kann diese Mehrheit durch eine andere ersetzen und noch andere Erfordernisse aufstellen. (3) Die Bestellung des ersten Aufsichtsrats gilt bis zur Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf eines Jahres seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zur Beschlußfassung über die Entlastung stattfindet. Sie kann vorher von der Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit widerrufen werden. Ü b ersieht Anm.

Anm.

Einleitung I. Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats 1. Beschluß der HauptverSammlung

2. Wahlfreiheit 3. Wahlabsprachen . . .

I I . Annahme der Wahl . . . Ergänzende Satzungsbe1 2

3 4

Stimmungen

Rechtsbeziehungen zwischen A G und dem Aufsichtsratsmitglied . . . .

5 6 7—10

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§87

I. Buch: Aktiengesellschaft

Einl.

Anm.

Anm.

Dauer des Amtes . . . . III. 1. Gesetzliche Regelung . Abweichende Satzungsbestimmungen 12 a) Wiederwahl . . . 13 b) Veränderliche Amts14 zeit 2. Amtszeit des ersten Aufsichtsrats 15—16

V . Berechtigte und unberechtigte Amtsniederlegung . 21—26

I V . Widerruf der Bestellung . 1. Beschluß der Hauptversammlung 2. Adressat des Widerrufs 3. Wirkung des Widerrufs

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V I . Rechtsstellung eines ungültig gewählten Aufsichtsrats V I I . Bestellung, Anstellung und Amtsdauer der Arbeitnehmervertreter Abberufung der Arbeitnehmervertreter V I I I . Absprachen der Sozialpartner über die Besetzung des Aufsichtsrats

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Einleitung 1. Die Bestimmung entspricht sachlich § 243 Abs. 2—4 HGB. Nur hinsichtlich der Stimmenmehrheit für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern weicht das A k t G von dem früheren Recht ab. Während nach dem früheren Recht die Abberufung einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlußfassung vertretenen Aktienkapitals bedurfte, genügenjetzt im allgemeinen dreiviertel der abgegebenen Stimmen und für die Abberufung des ersten Aufsichtsrats einfache Stimmenmehrheit. Für die Arbeitnehmervertreter gilt § 87 nicht; über deren Wahl und Abberufung s. Anm. 28ff. Über das Außerkrafttreten von Satzungsbestimmungen, welche die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats unter dem früheren Recht des H G B regeln, siehe E G § 8. 2. Aus der Regelung des Gesetzes, daß die Aufsichtsratsmitglieder von der Hauptversammlung in den Aufsichtsrat gewählt werden bzw. gemäß § 88 von einzelnen Aktionären und nach den Gesetzen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat entsandt werden, folgt für das Wesen des Aufsichtsrats in rechtlicher Beziehung: Seine Bildung beruht nicht auf einem gemeinsamen Willensentschluß und übereinstimmenden Erklärungen seiner Mitglieder, also nicht auf einem zwischen diesen geschlossenen Vertrag. Vielmehr kommt die Bildung des Aufsichtsrats dadurch zustande, daß die Aktionäre und Arbeitnehmer-Vertreter die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats wählen und diese die Wahl annehmen (s. Anm. 5). Es werden also Einzelverträge zwischen jedem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats und der Gesellschaft geschlossen (Staudinger-Nipperdey Vorbem. §611 Anm. 204 und § 611 Anm. 30 jeweils m. w. N.). Dagegen besteht kein vertragliches Band zwischen den Mitgliedern des Aufsichtsrats untereinander ( R G 158, 256; v. Godin-Wilhelmi §95 Anm. 13; Schlegelberger-Quassowski § 95 Anm. 4 und Brodmann § 246 H G B Anm. 3 d). Den Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht liefert nicht nur die gesetzliche Regelung über die Bildung des Aufsichtsrats, die — wie gesagt — nicht auf einem Vertrag zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern beruht, sondern auch die rechtliche Regelung der Verantwortung des Aufsichtsrats. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied haftet für ordnungsmäßige Pflichterfüllung nicht etwa den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrats, sondern der Gesellschaft, gegebenenfalls deren Gläubigern (§ 99 in Verb, mit § 84). Eine Lösung des Vertragsverhältnisses kann nicht etwa auf Grund einer Kündigung seitens der übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats (sei es auf Grund eines einstimmigen Beschlusses oder eines Mehrheitsbeschlusses) erfolgen. Vielmehr wird das Vertragsverhältnis entweder durch Niederlegung des Amtes gegenüber der Gesellschaft oder durch Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds seitens der Aktionäre (§ 87 Abs. 2) beendet. Der Abschluß eines die Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes regelnden Vertrages ist nicht üblich und auch überflüssig. Obliegenheiten, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates bestimmen sich nach dem Gesetz und der Satzung. Deren Bestimmungen sind zwingender Bestandteil und Inhalt des Vertrages. Uber das Rechtsverhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gesellschaft Anm. 7 unten.

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 87 A n m . 1—4 Anm. 1 I. Die Aufsichtsratsmitglieder werden von der Hauptversammlung gewählt (Abs. i S. i). Die Satzung kann die Ernennung nicht einem anderen Organ oder einem Dritten übertragen. Etwas anderes gilt nur für die Arbeitnehmervertreter, dazu Anm. 28ff. Dem Aufsichtsrat kann auch nicht die Befugnis eingeräumt werden, sich durch Zuwahl zu ergänzen (in J W 1886, 416; BayObLG in J W 1921, 586 1 ; unstreitig; abw. früher ROHG 14, 308). Auch eine Ernennung von Aufsichtsratsmitgliedern durch ein anderes Organ oder Dritte vorbehaltlich der Zustimmung der Hauptversammlung ist unzulässig. Die Erteilung der Zustimmung durch die Hauptversammlung könnte aber in einem solchen Fall als Wahl aufgefaßt werden und als solche wirksam sein, wenn die Wirksamkeitsvoraussetzungen, insbesondere die ordnungsmäßige Ankündigung, vorliegen. Uber die Bestellung des ersten Aufsichtsrats siehe § 23 Anm. 3fr., über die E n t sendung von Aufsichtsratsmitgliedern durch bestimmte Aktionäre oder Inhaber von gebundenen Namensaktien siehe § 88, über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch das G e r i c h t im Falle der Beschlußunfahigkeit oder Unvollständigkeit des Aufsichtsrats siehe § 89. Uber die Voraussetzungen der Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat s. Anm. 4b zu § 86. Anm. 2 1. Die Wahl der Aktionärsvertreter in den Aufsichtsrat erfolgt durch Beschluß der Hauptversammlung, für dessen Zustandekommen und Gültigkeit die allgemeinen Regeln gelten. Nach dem Gesetz entscheidet die einfache Stimmenmehrheit; über die Zulässigkeit abweichender Satzungsbestimmnngen s. § 1 1 3 Abs. 2 nebst Anmerkung. Die Aktionäre dürfen auch für sich selbst stimmen ( § 1 1 4 Anm. 37). Der Beschluß muß die Persönlichkeit des Gewählten zweifelsfrei erkennen lassen. Anm. 3 2. Für die Wahl gilt der Grundsatz der Wahlfreiheit. Inwiefern diese durch das Erfordernis besonderer Eigenschaften oder auf sonstige Weise in der Satzung beschränkt werden kann, ist in Anm. 6 zu § 86 erörtert. Nach § 88 kann bestimmten Aktionären oder Inhabern gebundener Namensaktien das Recht eingeräumt werden, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Eine vertragliche Verpflichtung der AG zur Bestellung bestimmter Aufsichtsratsmitglieder kann nicht begründet werden; die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall, daß nicht eine bestimmte Persönlichkeit gewählt wird, ist unwirksam (Dresden in O L G R 43, 311). Anm. 4 3. Grundsätzlich zulässig, in der Praxis üblich, und auch nicht gegen § 299 verstoßend sind dagegen Vereinbarungen von Aktionären untereinander (RG 133, 90) oder mit Dritten, z. B. mit dem zu wählenden Mitglied (Naumburg in OLGR 27, 349) über die Wahl (abw. R G 131, 179, den Aufsichtsrat einer GmbH betreffend; dagegen R G 133, 90 [wie hier Ritter Anm. 2d; Baumbach-Hueck Anm. 2; SchlegelbergerQuassowski Anm. 4]), desgleichen die Vereinbarung, daß bestimmte Aktionäre ihr Stimmrecht nicht ausüben sollen (RG 107, 67). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, daß schuldrechtliche Vereinbarungen über die Ausübung des Stimmrechts wirksam sind (s. § 114 Anm. 43). Eine Verletzung der Vereinbarung beeinträchtigt die Wirksamkeit der Stimmabgabe nicht, sondern erzeugt nur schuldrechtliche Wirkungen (RG H2, 273; 119, 386). Der Erfüllungsanspruch ist nicht klagbar (abw. Ritter Anm. 2d) und vollstreckbar, da dies dem Grundsatz der Wahlfreiheit zuwiderlaufen würde (RG 119, 386; 133, 90). Vereinbarungen über die Wahl zum Aufsichtsrat stehen in besonderem Maße unter dem Grundsatz von Treu und Glauben; ist das benannte Mitglied für den Aufsichtsratsposten ungeeignet, so ist der Aktionär insoweit durch die Vereinbarung nicht gebunden (RG 133, go). Bei Wahlabsprachen ist ein Verstoß gegen § 299 und § 138 BGB oft naheliegend; ihre Wirksamkeit setzt daher im Einzelfall eine sorgfältige Prüfung voraus. Wegen Absprachen der Sozialpartner über die Besetzung des Aufsichtsrats s. Anm. 30 unten.

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§87

Anm. 5—7 Anm. 5

I. Buch: Aktiengesellschaft

II. Der Gewählte erwirbt den Aufsichtsratsposten auf Grund der Wahl durch V e r t r a g m i t d e r G e s e l l s c h a f t (s. auch in der Einleitung). In der Wahl liegt der A n t r a g , wenn der Gewählte anwesend ist; die Hauptversammlung handelt hier als Vertreter der Gesellschaft ( R G 63, 203). Andernfalls muß dem Gewählten das Amt durch den Vorstand angetragen werden; die Mitteilung der Wahl wird den Umständen nach regelmäßig genügen. Die A n n a h m e erfolgt entweder unmittelbar gegenüber der Hauptversammlung, wenn der Gewählte anwesend ist, oder durch Erklärung gegenüber dem Vorstand. An Stelle des Vorstandes wird sowohl bei dem Angebot wie bei der Annahme auch der Vorsitzer des Aufsichtsrats die A G vertreten können (Baumbach-Hueck Anm. 3 ; Staub H G B §243 Anm. 2; a. A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 9). Für innergesellschaftliche Angelegenheiten ist die ausschließliche Vertretungsbefugnis des Vorstands nicht anzunehmen (a. A. Ritter Anm. 2 c). Läßt man die Erklärung der Annahme der Wahl gegenüber der Hauptversammlung zu, kann die Zulässigkeit der Erklärung gegenüber dem Aufsichtsrat als dem Organ, in das der Eintritt erfolgen soll, nicht verneint werden. Formalismus würde hier nur zu Unklarheiten führen und Ausflüchte zulassen. Die Annahme kann auch stillschweigend oder durch schlüssige Handlungen erfolgen; etwa durch Aufnahme der Tätigkeit (RG 152, 277). Die allgemeinen Grundsätze über das Zustandekommen von Verträgen finden Anwendung. Uber die Möglichkeit des Zustandekommens des Vertrages nach vorheriger Ablehnung, aber vor Wahl eines anderen Aufsichtsratsmitglieds s. Anm. 10 zu § 86.

Anm. 6 Die S a t z u n g kann für die Erklärung der Annahme Fristen und weitere Voraussetzungen aufstellen, z. B. bestimmen, daß die Wahl hinfällig wird, wenn der Gewählte sie nicht innerhalb eines Monats annimmt, und nicht in gleicher Frist eine Sicherheit durch einen bestimmten Betrag Aktien der Gesellschaft leistet (Schmidt, Umgestaltung, Muster A und B §23). Das Reichsgericht hat in R G 19, 123 entschieden, daß die Annahme des Aufsichtsratspostens durch einen Kaufmann und die aus diesem Anlaß der Satzung gemäß erfolgte Hinterlegung von Aktien bei der A G ein H a n d e l s g e s c h ä f t sei und daher ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht der A G an den hinterlegten Aktien begründe; die Übernahme einer solchen Funktion könne in wesentlichem Zusammenhang mit der kaufmännischen Tätigkeit des Ubernehmenden, im Hinblick auf diese sowie zur Förderung der geschäftlichen Beziehungen und mit Rücksicht auf wirtschaftliche Vorteile erfolgen; erfahrungsgemäß bilde auch die Übernahme der Funktion eines Mitglieds des Aufsichtsrats eine Erwerbsquelle von Kaufleuten. Nach der natürlichen Auffassung und noch mehr nach den heutigen Auffassungen über die Aufgaben und die Rechtsstellung des Aufsichtsrats als verantwortlichen Organs der A G dürfte jedoch die Übernahme eines Aufsichtsratspostens nicht als „Geschäft" und daher auch nicht als Handelsgeschäft anzusehen sein.

Anm. 7 Die Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds ist ein k ö r p e r s c h a f t s r e c h t l i c h e r Akt. Er begründet mit der Annahme der Wahl den A n s t e l l u n g s v e r t r a g des Aufsichtsratsmitglieds mit der A G und nicht etwa zu den Aktionären ( R G 63, 203; 158, 256; K G J 29 A 98; s. auch die Einleitung zu § 87). Dessen Inhalt bestimmt sich, soweit es sich um die Obliegenheiten der Aufsichtsratsmitglieder handelt, ausschließlich nach dem Gesetz und in dessen Rahmen nach der Satzung. Die Hauptversammlung ist nicht befugt, bei der Bestellung Bedingungen zu setzen, die die gesetzlichen Obliegenheiten und Verantwortlichkeiten der Aufsichtsratsmitglieder verringern und abschwächen. Die Satzung und auch der Bestellungsbeschluß können diese Obliegenheiten näher umschreiben und gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen verschärfen. Dies darf aber niemals zu einer Kompetenzverschiebung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung führen. Ein Bestellungsbeschluß oder eine Satzungsbestimmung, die dem zuwiderläuft, wäre nichtig. Beispielsweise könnte die Satzung nicht vorschreiben, daß der Aufsichtsrat

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 87

Anm. 8, 9

dem Vorstand Weisungen zu erteilen oder die Geschäftspolitik zu bestimmen befugt ist (§ 95 Abs. 5). Ein nach der Wahl des Aufsichtsratsmitglieds gefaßter Beschluß der H a u p t versammlung, durch den die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats anderweitig umschrieben werden, kann die Bedingungen des Anstellungsvertrages sowie den gesetzlichen u n d satzungsmäßigen Pflichtenkreis des Aufsichtsratsamts nicht ändern. Soweit ihm die Aufsichtsratsmitglieder nicht zustimmen, würde er, u m ihnen gegenüber wirksam zu werden und sie zu binden, der satzungsmäßigen Form bedürfen, also eine Beschlußfassung mit dreiviertel Mehrheit u n d Eintragung im Handelsregister voraussetzen. M a n wird, wenn nichts f ü r das Gegenteil spricht, annehmen müssen, d a ß der Aufsichtsrat hinsichtlich der Gestaltung seiner Obliegenheiten sich den jeweiligen Satzungsbestimmungen unterwirft. Notfalls mag er sein A m t niederlegen. Angesichts dieser Rechtslage erscheint es wenig sinnvoll, das Anstellungsverhältnis, bei unentgeltlicher Amtsführung der Aufsichtsratsmitglieder als „Auftrag", bei entgeltlicher Amtsführung als Dienstvertrag auf Geschäftsbesorgung zu bezeichnen (so die Vorauflage; ferner Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; Baumbach Hueck Anm. 3; Teichmann-Köhler § 98 Anm. 1 u n d das R G und K G in ständiger Rechtsprechung, vgl. R G 81, 332; 123, 3 5 1 ; R G in H R R 1928 Nr. 1728; R G 146, 256; K G J 2 9 A 98; K G in R J A 12, 40; weitere Nachweise, insbes. aus der älteren Literatur bei Natzel, Betr. 1959, 171 fF.). Es fehlt der Auftraggeber oder Dienstherr, nach dessen Weisung und Willen die Aufsichtsratsmitglieder zu handeln hätten. Sie versehen u n d erfüllen ein organschaftliches Amt, für das sich die zivilrechtlichen Verpflichtungen aus dem Gesetz ergeben. M a n spricht daher zweckmäßiger von einem Vertrag e i g e n e r A r t (v. Godin-Wilhelmi Anm. 1; Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 22 und in etwa auch Ritter Anm. 2 b ; zu weitgehend Natzel a . a . O . bes. 201 ff. u n d DieAktGes 1959, g6ff., der ein Vertragsverhältnis überhaupt leugnet). Für die Rechte der Aufsichtsratsmitglieder, die ihren O b liegenheiten entsprechen, gilt das gleiche. Ihre Ansprüche auf Vergütung für ihre Amtsführung regelt die Satzung. Diese kann die Festsetzung der jeweiligen Bezüge der H a u p t versammlung überlassen (vgl. §98 Anm. 2). Die Rechte der Aufsichtsratsmitglieder sind weder als Ganzes noch im einzelnen übertragbar. Es handelt sich u m ein A m t u n d die hieraus fließenden höchstpersönlichen Rechte. Nur über die Ansprüche auf Vergütung kann das Aufsichtsratsmitglied verfugen, und zwar auch in einem mit der A G abgeschlossenen Vertrage, bei dem diese durch den Vorstand vertreten wird. Es kann auch in einem solchen Vertrage auf das ihm zustehende Entgelt verzichten. Die Rechtsnatur des Vertrages wird durch einen solchen Verzicht nicht berührt (s. O L G Frankfurt in J W 1933, 130 2 ). Uber die Ansprüche der Aufsichtsratsmitglieder s. ferner § 98 nebst Anmerkungen.

Anm. 8 2. Eine V e r p f l i c h t u n g eines zum Aufsichtsratsmitglied gewählten Aktionärs z u r A n n a h m e besteht nicht und kann auch nicht durch die Satzung begründet werden, allg. Ansicht; s. Schlegelberger-Quassowski Anm. 9; Ritter Anm. 2 d ; das folgt schon aus §§ 49, 50. Auch die Fähigkeit zur Annahme der Wahl kann vertraglich nicht beseitigt werden (vgl. R G 57, 205; 60, 172). Doch ist eine Verpflichtung, die Wahl nicht anzunehmen, grundsätzlich als schuldrechtlich wirksam anzuerkennen (vgl. Anm. 4; s. aber Brodmann H G B § 243 Anm. 2 a ) ; es wird sich aber ein Schaden bei Verletzung der Verpflichtung schwer nachweisen lassen.

Anm. 9

Der Erwerb des Aufsichtsratsamts setzt eine g ü l t i g e W a h l u n d e i n e n w i r k s a m e n V e r t r a g voraus. Ist die Wahl anfechtbar, so wird mit rechtzeitiger u n d erfolgreicher Anfechtung die Wahl hinfallig. Eine begriffliche Scheidung von Bestellung u n d Anstellung, wie sie für den Vorstand gilt (s. § 75 Anm. 1 u n d 16) entfällt, da die Wahl (Bestellung) u n d die Begründung des als Rechtsverhältnis eigener Art zu bestimmenden Anstellungsvertrages zusammenfallen (wie hier Schlegelberger-Quassowski Anm. 11; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1; Ritter Anm. 2 c ; a. A. Baumbach-Hueck Anm. 1; Leo, Die AktG 1957, 265f.). Uber die Beendigung des Amtes s. Anm. 20. Uber die Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitglieds bei Ungültigkeit der Wahl oder Unwirksamkeit des Vertrages siehe Anm. 27.

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§87 Anm. 10—13

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 10 3. Das Amt des Aufsichtsrats b e g i n n t mit der Annahme (Anm. 5 und Anm. 28). Es ist aber auch eine Wahl für einen späteren Zeitpunkt, z. B. für den Beginn eines K a lenderjahres, zulässig (Schlegelberger-Quassowski Anm. 17). Namentlich ist auch zulässig, daß eine Wahl, die nur auf Grund einer Satzungsänderung möglich ist, für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der gleichzeitig beschlossenen Satzungsänderung, also für den Zeitpunkt ihrer Eintragung vorgenommen wird (RG 24, 54; K G J 28 A 216 auf S. 224; vgl. zu diesen Entscheidungen aber auch Anm. 2 zu § 86). Eine Wahl für einen früheren Zeitpunkt als den der Wahl selbst, also eine Bestellung mit rückwirkender Kraft, ist unzulässig. Anm. 11 III. Hinsichtlich der Dauer des Amts ist zwischen dem von den Gründern bestellten ersten Aufsichtsrat und dem späteren Aufsichtsrat zu unterscheiden. 1. Die Amtszeit der von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder begrenzt Abs. I S. 2 auf die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach der Wahl beschließt; das Geschäftsjahr, in dem gewählt wird, wird nicht mitgerechnet. Das Amt erlischt mit diesem Zeitpunkt (RG 73, 237); die Wahl ist für die darüber hinausgehende Zeit unwirksam. Gleiches gilt für die nicht von der Hauptversammlung bestellten Mitglieder des Aufsichtsrats (Anmerkung 28). Eine eigene Festsetzung seiner Amtsdauer kann der Aufsichtsrat nicht vornehmen (AGMünchen v. 22.7.58. in BB 58, 914.) Während die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats gemäß Abs. 3 bis zur Beendigung der Hauptversammlung dauert, die nach Ablauf eines Jahres seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zur Beschlußfassung über die Entlastung s t a t t f i n d e t , läuft die längste gesetzliche Amtszeit der später gewählten Aufsichtsratsmitglieder bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach der Wahl beschließt. Im Hinblick auf diese Abweichung in der Formulierung, die sich ähnlich schon in H G B § 243 Abs. 2 und 3 fand, ist anzunehmen, daß das Amt der von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder erst mit dem Beschluß über die Entlastung endet, nicht dagegen mit dem bloßen Stattfinden der Hauptversammlung, wenn die auf der Tagesordnung stehende Beschlußfassung über die Entlastung unterbleibt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 3 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; BaumbachHueck Anm. 4; Teichmann-Köhler Anm. 2; unzutreffend A G Augsburg M D R 1957, 2 3 3 = J R I957> 383, das Ablauf der Amtszeit durch Fristablauf ohne Entlastungsbeschluß annimmt). Anm. 12 Der Aufsichtsrat kann für einen beliebigen kürzeren Zeitraum bestellt werden. Die Hauptversammlung ist hierin hinsichtlich der von ihr zu wählenden Mitglieder frei, soweit die Satzung nicht eine bestimmte Amtsdauer vorsieht. Nicht notwendig ist, daß die Amtszeit bis zur Beschlußfassung über die Entlastung für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr läuft. Doch dürfte im Zweifel eine Wahl auf eine bestimmte Zahl von Jahren in diesem Sinne auszulegen sein (OLG Hamburg in BankA 8, 273, von R G 73, 234 zwar aufgehoben, aber aus andern Gründen). Anm. 13 a) Die Wiederwahl ist zulässig. Sie kann ebenfalls für die Zeit bis zur Beschlußfassung über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach der Wahl, wobei das laufende Geschäftsjahr nicht mitgerechnet wird, also praktisch für 5Jahre erfolgen. Das gilt auch für die nicht von der Hauptversammlung zu bestellenden Mitglieder des Aufsichtsrats. Sie ist natürlich auch für eine kürzere Zeit zulässig, wie schon die erste Wahl für eine kürzere Zeit erfolgen konnte. Wenn z. B. ein Aufsichtsratsmitglied auf drei Jahre bestellt ist, kann sein Amt nach Ablauf der drei Jahre um weitere drei Jahre verlängert werden. Ist aber die Verlängerung nach drei Jahren um drei Jahre auch dann zulässig, wenn das Aufsichtsratsmitglied für die gesetzliche Höchstdauer bestellt war? Kommt es darauf an, ob die Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds noch läuft oder durch Widerruf

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 87 Anm. 14, 15 der Bestellung oder Niederlegung des Amts mit Zustimmung der Hauptversammlung beendigt war? Das Reichsgericht hat in R G 129, 180 ausgesprochen — allerdings ohne es zu begründen (s. auch R G 166, 187) —, daß die Wiederwahl eines auf die gesetzliche Höchstdauer bestellten Aufsichtsratsmitglieds nicht vor der über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr beschließenden Hauptversammlung erfolgen könne. Diese Entscheidung ist vom Schrifttum gebilligt worden (s. z. B. Schlegelberger-Quassowski Anm. 17; Ritter Anm. 2e; Teichmann-Köhler Anm. 2). Ihr kann jedoch nur in gewissem Umfang zugestimmt werden. Es liegt ihr der Gedanke zugrunde, daß eine Verlängerung der Amtsdauer erst erfolgen soll, wenn die Hauptversammlung weiß, wie das Mitglied sein Amt während der Zeit, für die es zunächst gewählt ist, versehen hat (Schlegelberger-Quassowski a. a. O.). Nun gibt aber das Gesetz der Hauptversammlung die Möglichkeit, schon in einem früheren Zeitpunkt die Verlängerung der Amtsdauer zu beschließen, indem sie das Aufsichtsratsmitglied von vornherein nur für kürzere Zeit bestellt. Die Annahme, daß sie sich diese Möglichkeit dadurch nimmt, daß sie den Aufsichtsrat auf die längste gesetzlich zulässige Dauer bestellt, erscheint wenig sinnvoll, zumal die Hauptversammlung grundsätzlich jederzeit in der Lage ist, ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen und ein anderes an seiner Stelle zu wählen. Nur insofern ist der Meinung beizupflichten, daß eine weitere Bestellung f ü r die gesetzliche H ö c h s t f r i s t , wenn sie erst mit Ablauf der ersten Amtsperiode beginnen soll, nicht vorzeitig vor dem Ablauf dieser Amtsperiode beschlossen werden kann. Die gesetzliche Höchstfrist für die Verlängerung der Amtsdauer ist vielmehr immer von dem Tage an zu rechnen, an dem letztmalig dem Aufsichtsratsmitglied Entlastung erteilt ist; wenn eine Entlastung überhaupt noch nicht stattgefunden hat, ist eine Verlängerung über die ursprüngliche gesetzliche Höchstfrist hinaus nicht zulässig. Mit dieser Einschränkung ist die verbreitete Übung, nach der eine Wiederwahl im voraus beschlossen wird, als zulässig anzusehen. Mit der Maßgabe also, daß die durch die Wiederwahl verlängerte Amtszeit (einschließlich der Restzeit der laufenden Amtsperiode), vom Tage der letzten Entlastung an gerechnet, nicht die gesetzliche Höchstfrist überschreiten darf, ist die vorzeitige Wiederwahl oder Verlängerung der Amtsdauer auch während des Laufes der Amtsperiode ohne vorheriges Erlöschen des Amts durch Niederlegung oder Widerruf möglich (wie hier Baumbach-Hueck Anm. 4 und ähnlich auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Anm. 14 b) Die Amtszelt der verschiedenen Aufsichtsratsmitglieder ist voneinander unabhängig; sie können auch auf verschieden lange Zeit gewählt werden (vgl. Anm. 12). Die Amtszeit braucht auch nicht für alle gleichzeitig zu beginnen und zu enden. Die Hauptversammlung ist hierin frei, soweit die Satzung nicht entgegensteht. Auch die Satzung kann eine verschiedene Amtsdauer für die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats vorsehen. Das turnusmäßige Ausscheiden der Mitglieder ist zulässig (vgl. Schmidt, Umgestaltung Muster A und B §23; Baumbach-Hueck Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; Schlegelberger-Quassowski Anm. 16; Ritter Anm. 2e; R G i n H R R 1935, 1607). Hieran läßt der Wortlaut des Gesetzes im Gegensatz zu § 243 HGB, in dem nicht von der Wahl der A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r , sondern von der Wahl des A u f s i c h t s r a t s die Rede war, keinen Zweifel zu. Jedoch gilt das nicht für die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Anm. 28). Die Wahl kann insbesondere für die restliche Amtszeit eines fortgefallenen Aufsichtsratsmitgliedes oder für die Dauer einer Vakanz erfolgen, die durch die Nichtausübung eines Entsendungsrechts entstanden ist (§88 Anm. 10). Anm. 15 2. Die Amtszeit des ersten, von den Gründern bestellten Aufsichtsrats setzt das Gesetz in Abs. 3 S. 1 zwingend fest. Die Bestellung gilt hiernach bis zur Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf eines Jahres seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zur Beschlußfassung über die Entlastung stattfindet. Die Bestimmung will einerseits die Amtsdauer des von den Gründern bestellten Aufsichtsrats begrenzen, andererseits verhindern, daß der nächste Aufsichtsrat in einer Zeit

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§87 Anm. 16—18

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gewählt wird, in der noch ein zu starker Einfluß der Gründer zu befürchten ist. Der erste Aufsichtsrat kann daher weder auf eine längere noch auf eine kürzere Zeit bestellt werden, als das Gesetz vorschreibt; es gilt stets die gesetzliche Amtsdauer ( R G 24, 54 Baumbach-Hueck Anm. 6; Schlegelberger-Quassowski Anm. 34; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; a. A. Ritter Anm. 4 a). Entgegenstehende Satzungsbestimmungen sind nichtig, desgleichen solche Beschlüsse der Hauptversammlung (§ 195 Z 3; vgl. aber Anm. 17). Mit der Beendigung der ersten Hauptversammlung, auf deren Tagesordnung die Beschlußfassung über die Entlastung steht, endet das Amt der Aufsichtsratsmitglieder auch dann, wenn ein Beschluß über die Entlastung nicht gefaßt wird. Dies ergibt der Gegensatz des Wortlauts von Abs. 1 und Abs. 3 (hier: „zur Beschlußfassung über die Entlastung s t a t t f i n d e t " , dort: „über die Entlastung b e s c h l i e ß t " ; s. Anm. 1 1 ; ebenso Schlegelberger-Qussowski Anm. 36; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; Baumbach-Hueck Anm. 6; abw. die frühere Lehre). Mit der Abhaltung einer andern Hauptversammlung nach Ablauf eines Jahres seit der Eintragung endet das Amt nicht (SchlegelbergerQuassowski Anm. 35; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; Baumbach-Hueck Anm. 6); die gegenteilige Entscheidung R G 129, 180, die sogleich im Schrifttum auf starken Widerspruch gestoßen war, steht mit dem Zweck des Gesetzes in Widerspruch und ist mit dem jetzigen Wortlaut des .Gesetzes noch weniger in Einklang zu bringen als mit dem Wortlaut des § 243 HGB. Anm. 16 Als e r s t e r A u f s i c h t s r a t im Sinne dieser Bestimmung sind nicht nur die von den Gründern bestellten Aufsichtsratsmitglieder anzusehen, sondern auch andere an deren Stelle gewählte oder hinzugewählte Aufsichtsratsmitglieder, sofern die Wahl vor Abhaltung derjenigen Hauptversammlung erfolgt, mit der das Amt des ersten Aufsichtsrates kraft Gesetzes endigt. Ihr Amt dauert ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt ( R G 24, 54)A n m . 17 IV. Der Widerruf der Bestellung. Die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied kann von der Hauptversammlung jederzeit widerrufen werden (Abs. 2 S. 1); dies gilt auch für die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (Abs. 3 S. 3) jedoch nicht für die Arbeitnehmervertreter (Anm. 29).) Das Widerrufsrecht kann weder einem Dritten noch einem andern Organ, insbesondere nicht dem Aufsichtsrat selbst durch die Satzung übertragen werden. Auch in dem Anstellungsvertrag des Aufsichtsratsmitglieds kann nichts anderes bestimmt werden. Es kann auch nicht der Vorstand (dazu Leo, Die AktGes. 1957, 265^) oder der Aufsichtsrat mit nachfolgender Genehmigung der Hauptversammlung den Widerruf aussprechen ( R G in SeuffA 73, 340). Eine Abberufung durch das Gericht findet ebenfalls nicht statt (anders der nach § 1 Abs. 1 HBerG außer Kraft getretene § 9 der V O vom 8. 1. 45, RGBl. I 5); nur für die von einem gemäß § 88 entsendungsberechtigten Aktionär entsandten Mitglieder sieht das Gesetz in § 88 Abs. 4 S. 2 eine solche Befugnis vor. Auch der Konkursverwalter ist nicht zum Widerruf berechtigt ( R G 8 1 , 332; Schlegelberger-Quassowski Anm. 25; Brodmann HGB § 243 Anm. 6e). Der Widerruf erfolgt n a c h f r e i e m E r m e s s e n . Weder durch die Satzung noch durch den Anstellungsvertrag kann das Widerrufsrecht auf das Vorliegen bestimmter Gründe oder eines wichtigen Grundes beschränkt werden. A n m . 18 1. Der Widerruf erfordert einen B e s c h l u ß der H a u p t v e r s a m m l u n g , dessen Gültigkeit sich nach den allgemeinen Grundsätzen richtet. Die erforderliche Stimmenmehrheit ist verschieden bei dem Widerruf von Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats und bei dem Widerruf von Mitgliedern, die später von der Hauptversammlung gewählt werden. (Über den Begriff der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats s. Anm. 16). Die Bestellung der Mitglieder des ersten A u f s i c h t s r a t s kann von der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit widerrufen werden (Abs. 3 S. 2). Eine Beschränkung des Widerrufs durch das Erfordernis einer andern Mehrheit

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 87 Anm. 19—21 läßt das Gesetz hier nicht zu (vgl. auch § 23 Anm. 4). Zum Widerruf später g e w ä h l t e r A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich (Abs. 2 S. 2); anders als nach § 243 HGB bedarf es nicht einer Mehrheit von drei Vierteln des bei der Abstimmung vertretenen Kapitals, so daß ein mehrfaches Stimmrecht hier zur Geltung kommt. Nach Abs. 2 S. 3 kann die Satzung jene Mehrheit durch eine andere ersetzen und noch andere Erfordernisse (s. über diesen Begriff § 1 1 3 Anm. 2) aufstellen. Die Fassung des Gesetzes läßt keinen Zweifel, daß der Widerruf nicht nur durch das Erfordernis einer kleineren Mehrheit erleichtert,sondern auch durch das Erfordernis einer größeren Mehrheit erschwert werden kann. Zweifelhaft erscheint, ob die Satzung auch für bestimmte Fälle, z. B. bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, eine geringere Mehrheit vorschreiben kann, was Schlegelberger-Quassowski Anm. 21 bejahen. Läßt man dies zu, so kann die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses davon abhängen, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Hierdurch kann leicht ein Zustand der Ungewißheit entstehen, der von dem Gesetz nicht gewollt ist und zu den größten Schwierigkeiten führen kann. Man wird daher Satzungsbestimmungen, die unter gewissen Voraussetzungen eine geringere Mehrheit genügen lassen, nur für zulässig halten können, soweit die Voraussetzungen so genau bestimmt sind, daß im allgemeinen kein Zweifel darüber zu befürchten ist, ob sie vorliegen oder nicht. Soweit eine Pflicht zum Widerruf besteht, wie z. B. bei nachträglichem Verlust einer von der Satzung verlangten Eigenschaft (§86 Anm. 14), muß aber auch ohne eine Satzungsbestimmung die einfache Mehrheit genügen. Der Widerruf der Bestellung durch eine Minderheit kann nicht in der Satzung vorgesehen werden, da das Gesetz nur die Ersetzung der Dreiviertelmehrheit durch eine andere M e h r h e i t zuläßt. Anm. 19 2. Der Widerruf muß dem A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d g e g e n ü b e r erfolgen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 23; Baumbach-Hueck Anm. 5; Brodmann HGB § 243 Anm.6f.; a. A.Ritter Anm.3b; Natzel, DieAktGes 1959,98). Ist es anwesend, so genügt der Beschluß. Andernfalls muß der Widerruf von dem Vorstand oder dem Vorsitzer des Aufsichtsrats (vgl. Anm. 5) dem Aufsichtsratsmitglied erklärt werden; TeichmannKoehler Anm. 3. Ist der Widerruf auf solche Weise wirksam geworden, so kann er nicht mehr durch Aufhebung des Beschlusses rückgängig gemacht werden. Das damit ausgeschiedene Mitglied kann nur im Wege der Neuwahl wieder in den Aufsichtsrat berufen werden (KGJ 29 A 98). Anm. 20 3. Die Wirkung des Widerrufs ist das Erlöschen des Amtes und die A u f l ö s u n g des zivilrechtlichen V e r t r a g e s (der Ausstellung). Das Gesetz behält hier die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag nicht vor (s. dagegen für die Ansprüche des abberufenen Vorstandsmitglieds §75 Abs. 3 S. 5). Die Verpflichtung zur Fortzahlung der Bezüge oder zur Leistung von Schadensersatz würde den Widerruf beträchtlich erschweren; auf der andern Seite nimmt das Amt des Aufsichtsrats die Arbeitskraft seines Trägers nur zeitweilig in Anspruch und bilden die Bezüge des Aufsichtsratsmitgliedes in der Regel nur einen Nebenverdienst. Die gesetzliche Regelung ist also dahin zu verstehen, daß das Aufsichtsratsmitglied durch den Widerruf auch seine Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag für die Zukunft verliert (RG 68, 223; Celle in O L G R 16, 93; SchlegelbergerQuassowski Anm. 24; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4). Eine abweichende Bestimmung der Satzung oder des Anstellungsvertrages ist unwirksam (Ritter Anm. 3 a ; a. A. R G 68, 223). Anm. 21 V. Das Amt des Aufsichtsrats endet ferner durch eine berechtigte Niederlegung des Amts. a) Das Aufsichtsratsmitglied, auch wenn es nicht von der Hauptversammlung gewählt worden ist, ist zur Niederlegung berechtigt, wenn es ein Recht zur Auflösung des Anstellungsvertrages (s. über dessen rechtliche Natur Anm. 7) nach den für diesen geltenden Vorschriften hat (vgl. OLG Karlsruhe in J W 1926, 2106 14 ). Hat das Aufsichts-

601

§87

Anm. 22—27

I. Buch: Aktiengesellschaft

ratsmitglied den Posten unentgeltlich übernommen, so kann es nach § 671 BGB sein Amt jederzeit niederlegen (a. A. O L G Karlsruhe a. a. O.), wird aber schadensersatzpflichtig, wenn es ohne wichtigen Grund das Amt zur Unzeit niederlegt, d. h. so, daß die A G für seinen Ersatz nicht rechtzeitig Vorsorge treffen kann. Erhält das Aufsichtsratsmitglied ein Entgelt, so kann es im allgemeinen das Amt gemäß BGB § 626 nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes niederlegen ( K G in R J A 12, 40). Erhält es aber nur eine nicht garantierte Tantieme, so ist es nach § 627 BGB ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Niederlegung seines Amtes berechtigt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 26; Baumbach-Hueck Anm. 5 B; a. A. Brodmann H G B §243 Anm. 7 a ; v. GodinWilhelmi Anm. 9). Uber die Amtsniederlegung von Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats s. § 23 Anm. 4.

Anm. 22 b) Die Bestimmungen über die Kündigung des Auftrags und Dienstvertrags sind nicht zwingender Natur; nur das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde kann nicht ausgeschlossen werden. Daher kann die S a t z u n g die Niederlegung des Amtes erleichtern, insbesondere sie stets ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes zulassen; für die grundlose Niederlegung kann sie auch eine Niederlegungsfrist vorschreiben. Das Gleiche kann in dem Anstellungsvertrag, der der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf (Anm. 5, 7), vorgesehen werden.

Anm. 23 c) Die u n b e r e c h t i g t e N i e d e r l e g u n g des Amts ist wirkungslos ( K G in R J A 12, 40). Die Niederlegung ist aber wirksam, wenn sie von der Hauptversammlung angenommen wird. Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf nicht der in § 87 Abs. 2 vorgeschriebenen erhöhten Mehrheit. Es genügt einfache Stimmenmehrheit.

Anm. 24 d) Die Niederlegung erfolgt durch E r k l ä r u n g g e g e n ü b e r d e m V o r s t a n d ( K G J 29 A 98). Auch der Vorsitzer des Aufsichtsrats ist zur Entgegennahme der Erklärung berechtigt ( R G 13, 43 auf S. 50; Staub H G B § 243 Anm. 1 2 ; nach Schlegelberger-Quassowski Anm. 29 ist die gegenüber dem Vorsitzer des Aufsichtsrats abgegebene Erklärung nur wirksam, wenn dieser sie an den Vorstand weiterleitet; vgl. Anm. 5). Nach wirksamer Niederlegung kann das Mitglied das Amt nur auf Grund einer Neuwahl wiedererlangen ( K G J 29 A 98; vgl. Anm. 19).

Anm. 25 e) Die Auflösung oder der Konkurs der AG beendigt das Amt der Aufsichtsratsmitglieder nicht. Auch hat der Konkursverwalter kein Widerrufsrecht ( R G 8 1 , 332). Der Beschluß einer den Untergang der A G herbeiführenden Verschmelzung hat das Erlöschen des Amtes und des Anstellungsvertrages zur Folge ( R G 81, 1 5 3 ; BaumbachHueck Anm. 5).

Anm. 26 f) Ein gesetzlicher Erlöschungsgrund ist in EG § 8 gegeben. Das Amt der Aufsichtsratsmitglieder, die bei Inkrafttreten des Aktiengesetzes im Amt waren, erlosch in dem in § 8 Abs. 1 E G bezeichneten Zeitpunkt. Entsprechende Regelungen enthalten § 63 D M B G und § 89 BetrVG; vgl. Anm. 3 zu § 86.

Anm. 27 VI. Die Rechtsstellung eines ungültig gewählten Aufsichtsrats. Ist die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern unheilbar nichtig oder wird sie auf Grund einer Anfechtungsklage für nichtig erklärt, so werden die Aufsichtsratsmitglieder, die die Wahl angenommen haben und tätig geworden sind, gemäß dem herrschenden T r e u e p r i n z i p wie gültig gewählte Aufsichtsratsmitglieder behandelt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 38). Ihre zivilrechtliche (§ 84 Anm. 5) und strafrechtliche Haftung (§ 294 Anm. 8; Schlegelberger-Quassowski § 294 Anm. 3) ist anzunehmen. Das gilt auch für

602

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 87

Anm. 28

auf Grund unwirksamer Wahl entsandte Arbeitnehmervertreter. Uber die Rechtswirkung der Nichtigkeitserklärung ex tunc s. § 200 Anm. 4 und 5. Hinsichtlich der R e c h t s s t e l l u n g d e s V o r s t a n d s zu einem ungültig gewählten Aufsichtsrat ist zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Wahl zu unterscheiden. Einem in nichtiger Wahl gewählten Aufsichtsrat gegenüber ist der Vorstand berechtigt, die Erfüllung seiner Auskunfts- und sonstigen Pflichten zu verweigern; er muß dies tun, wenn ihm die Nichtigkeit der Wahl bekannt ist oder bekannt sein muß; er hat aber andererseits für unverzügliche Ersatzwahl oder gerichtliche Ersatzbestellung (§89) Sorge zutragen. Einem Aufsichtsrat dagegen, dessen Wahl nur anfechtbar ist, muß der Vorstand dienen. Unterbliebt die Anfechtung, so ist ohnehin der Aufsichtsrat gültig gewählt. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtung des Wahlbeschlusses gilt der Aufsichtsrat als ordnungsmäßiges Verwaltungsorgan. Wird die Wahl für nichtig erklärt oder ist sie von vornherein nichtig, so ist die dem Aufsichtsrat gezahlte V e r g ü t u n g nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten (BGB §§ 8 1 2 , 8 1 8 (a. A . Schlegelberger-Quassowski Anm. 38, welche die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag anwenden). Die Amtshandlungen eines unwirksam gewählten Aufsichtsrats oder unwirksam gewählter einzelner Mitglieder des Aufsichtsrats sind nach den vorstehenden Ausführungen also grundsätzlich als wirksam anzusehen, da im gesellschaftsrechtlichen Bereich eine tatsächliche Gestaltung und Invollzugsetzung stattgefunden hat, analog den Rechtswirkungen, die man einer faktischen Gesellschaft zulegt — trotz zugrunde liegender fehlerhafter Entstehung; bestr.; a. A . Baumbach-Hueck Anm. 2 ; K a u f m a n n Betr. '955) 1 1 6 5 ; s. auch — außer Anmerkung 4 zu § 200 — v. Godin-Wilhelmi § 200 A n m . 2 b. Es sind aber alle Amtshandlungen eines Aufsichtsrats, dessen Wahl auf einem inhaltlich sittenwidrigen Tatbestand beruht — auch analog zu den f ü r die faktische Gesellschaft entwickelten Rechtsgrundsätzen (vgl. B G H 1 7 , 160 ff. 166) — als unwirksam und unbeachtlich anzusehen (vgl. auch Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 2). Die Wirkung von Rechtshandlungen eines unwirksam gewählten Aufsichtsrats nach außen (gegenüber Dritten) ist praktisch kaum von Bedeutung, da er hauptsächlich Vertretungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand hat. Auf § 1 5 H G B kann sich ein Dritter mangels Eintragung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht berufen (Teichmann-Köhler Anm. 1 b ; im einzelnen § 91 Anm. 3 ) ; etwas anderes gilt nur für den ersten Aufsichtsrat (§ 33 Abs. 1 , Ziff. 4). Es ist also hinsichtlich des Schutzes Dritter auf den Einzelfall unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben und des Verkehrsschutzes abzustellen.

Anm. 28 VII. Bestellung, Anstellung und Amtsdauer der Arbeitnehmervertreter. 1. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat werden, soweit der Aufsichtsrat nach dem B e t r V G zu bilden ist, nach § 76 Abs. 2 B e t r V G von den wahlberechtigten Arbeitnehmern der A G für die gesetzliche Dauer oder die in der Satzung bestimmte Zeit gewählt; wegen der Einzelheiten der Wahl, die allgemein, geheim, gleich und unmittelbar zu erfolgen hat, ist neben § 76 B e t r V G auf den 3. Teil der 1. D V O zum B e t r V G (Wahlordnung), erlassen gem. § 87 B e t r V G und auf die einschlägige Literatur zu verweisen. Soweit Aufsichtsräte der Gesellschaften, die dem MitbestG unterliegen, gewählt werden, erfolgt hier die Wahl nach § 6 bzw. nach § 8 MitbestG hinsichtlich des „weiteren Mitglieds" im Sinne von § 4 Abs. 1 c MitbestG. § 8 MitbestG findet auch Anwendung auf die Bestellung des „weiteren Mitglieds" im Sinne von § 5 Abs. 1 c MitbestErgG (§ 5). Die Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat von Gesellschaften, die der Holding-Novelle unterliegen, erfolgt gem. § 6 MitbestErgG mit der Wahlordnung = 1 . D V O vom 26. 1 1 . 56 BGBl. I 886 ff. Wegen der nach § 7 HoldingNovelle zu entsendenden Mitglieder s. Einl. zu § 88. 2. M i t der Bestellung kommt es zur Anstellung (Anm. 7 und 9). Wie bei den nach §88 entsandten Mitgliedern (s. dort Anm. 14), treten auch die Arbeitnehmervertreter durch die Annahme des Amtes in vertragliche Beziehungen zur Gesellschaft (für die vom 39

Aktiengeaetz, 2. Aufl.

603

§ 87 Anm. 29, 30

I. Buch: Aktiengesellschaft

Gericht bestellten Aufsichtsratsmitglieder, s. §89 Anm. 19); vgl. u. a. Fitting-Kraegloh, BetrVG 4. Aufl. § 76 Anm. 15; Boldt, MitbestG § 4 Anm. 7c; Kötter, MitbestErgG § 7 Anm. 5; abw. Natzel, Die AktGes 1959, ioof., der eine Annahme gegenüber den jeweiligen Wahlgremien für ausreichend hält. Uber den Charakter des Anstellungsverhältnisses vgl. Anm. 7. 3. Für die Amtsdauer der nicht von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder gilt § 87 Abs. 1 Satz 2. Die Amtsdauer endet also mit der Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach der Wahl beschließt (s. Anm. 11 oben), falls nicht die Satzung eine kürzere Amtsdauer vorsieht (s. AG München vom 22. 7. 58 in BB 58, 914). Der Beginn der Amtszeit fällt für die von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder regelmäßig mit dem Ende der Hauptversammlung, in der sie gewählt wurden, zusammen. Für die Arbeitnehmervertreter und die weiteren nicht von der Hauptversammlung gewählten Mitglieder des Aufsichtsrats nach MitbestG und Holding-Novelle kann jedoch Wahl und Beginn der Amtszeit auseinanderfallen. Es gilt hier, daß, genau wie bei den von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitgliedern, die Amtsdauer bei Auseinanderfallen von Wahl und Beginn der Amtszeit von letzterem Zeitpunkt an gerechnet wird (s. Schmidt in Hachenburg § 52, Anh. I Anm. 23 und auch § 96 Ref. Entw.). Das in Satzungen gelegentliche vorgesehene turnusmäßige Ausscheiden der Aufsichtsratsmitglieder (s. Anm. 14 oben) gilt nicht für die Arbeitnehmervertreter (sehr bestr.; s. Schmidt in Hachenburg Anm. 23 a. a. O.). Hinsichtlich der Amtsniederlegung der Arbeitnehmervertreter (und der weiteren Mitglieder) gilt das in Anm. 21—24 Gesagte. Das Amt endet auch wenn die gesetzlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen (darüber s. § 86 Anm. 4d) wegfallen (s. auch § 86 Anm. 14), etwa wenn ein Arbeitnehmervertreter leitender Angestellter wird oder der alleinige Arbeitnehmervertreter aus dem Unternehmen der AG ausscheidet (s. Baumbach-Hueck Anh. § 86 Anm. 6 G). Anm. 29 Die Abberufung der Arbeitnehmervertreter und der sogenannten weiteren Mitglieder im Aufsichtsrat richtet sich nicht nach den Vorschriften des AktG, sondern nach den Sondervorschriften der einschlägigen Gesetze, nämlich § 76 Abs. 5 BetrVG, § 11 Abs. 2 und 3 MitbestG und § 10 MitbestErgG. Anm. 30 VIII. Absprachen der Sozialpartner über die Besetzung des Aufsichtsrats. Jede AG muß den Aufsichtsrat bilden, der durch die zwingenden Vorschriften des BetrVG, des MitbestG oder der Holding-Novelle für sie vorgesehen ist. Das bedeutet, daß bei Familiengesellschaften und sogenannten Tendenzbetreiben ein arbeitnehmerfreier Aufsichtsrat, bei gewöhnlichen Aktiengesellschaften ein nach dem BetrVG zusammengesetzter Aufsichtsrat und bei Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie und des Bergbaues ein nach dem MitbestG oder nach der Holding-Novelle zusammengesetzter paritätischer Aufsichtsrat zu errichten ist, vgl. im einzelnen Anm. 4 b zu § 86. Die in Betracht kommenden Gesetzesbestimmungen sind im öffentlichen Interesse, nämlich zur sozialen Befriedung erlassen und zwingender Natur. Satzungsbestimmungen, die der für eine AG vorgesehenen Bildung des Aufsichtsrats zuwiderlaufen, würden unwirksam sein. V e r e i n b a r u n g e n der S o z i a l p a r t n e r , die abweichend von den zwingenden gesetzlichen Vorschriften die Bildung des Aufsichtsrats einer AG regeln, sind nichtig (s. Baumbach-Hueck Anh. § 86 Anm. 1 B). Eine solchen Vereinbarungen folgende Handhabung verletzt die Rechte der Aktionäre, soweit dadurch die gesetzlich vorbehaltene Anzahl zu wählender Aufsichtsratsmitglieder nicht gewährleistet ist. Aus dem Aktienrecht fließt die Herrschaftsbefugnis, an der Bildung eines für die AG gesetzlich vorgesehenen Aufsichtsrats mitzuwirken und die hierzu erforderliche Zahl von Aktionärvertretern in den Aufsichtsrat zu wählen (Wahlabsprachen hinsichtlich der von den Aktionären zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder sind zulässig; s. Anm. 4 oben). Umgekehrt ist auch jede Vereinbarung über eine zahlenmäßige Beschränkung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, soweit von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird, nichtig. Die zwingende Regelung der Aufsichtsratsbildung in den ge604

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 88

nannten Gesetzen hat ihren guten Grund und tieferen Sinn. Sie schließt interne Machtkämpfe um die Unternehmungen zwischen den Sozialpartnern im Einzelfall aus. Würden Vereinbarungen über die Zusammensetzung der Aufsichtsräte zwischen den Sozialpartnern zulässig sein, so würde es Ziel jeder der beiden Seiten sein, eine möglichst weitgehende Vertretung im Aufsichtsrat zu erlangen und das Gegenteil der dem sozialen Frieden dienenden Gesetzgebungsmaßnahmen wäre erreicht. Bei allerdings nicht geklärten tatsächlichen Voraussetzungen ist für die Mannesmann A G im Jahre 1957 eine Vereinbarung der Sozialpartner jedoch einer gerichtlichen Auseinandersetzung vorgezogen worden (s. BB 1957, 678). Der Ref Entw. für ein A k t G sieht in § 93 zur Klärung der Rechtslage ein Spruchverfahren für den Fall vor, daß streitig oder ungewiß ist, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist. Dieses Verfahren kann, außer vom Vorstand und den einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats, auch von jedem Aktionär, den Betriebsräten oder einem Zehntel oder Hundert der wahlberechtigten Arbeitnehmer und den Gewerkschaften, sofern diese ein Entsendungsrecht haben, eingeleitet werden. Auch macht es der Entwurf in § 92 dem Vorstand zur Pflicht, ständig zu prüfen, ob der Aufsichtsrat nach den maßgebenden gesetzlichen Vorschriften besetzt ist. Ist das nicht der Fall, so besteht eine Bekanntmachungspflicht. Im Falle einer Nichtanrufung der Spruchstelle ist der Ausichtsrat wie in der Bekanntgabe des Vorstands angegeben, zu bilden. Bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch das Gericht ist eine Berücksichtigung der zwingenden Vorschriften des BetrVG, des MitbestG und des MitbestE r g G durch die Neufassung von § 89 gewährleistet.

§ 8 8 E n t s e n d u n g von M i t g l i e d e r n in den A u f s i c h t s r a t ( 1 ) Die S a t z u n g k a n n b e s t i m m t e n A k t i o n ä r e n oder den jeweiligen I n h a b e r n b e s t i m m t e r Aktien d a s R e c h t e i n r ä u m e n , M i t g l i e d e r in den A u f s i c h t s r a t z u e n t s e n d e n . Die G e s a m t z a h l d e r e n t s a n d t e n M i t g l i e d e r d a r f den d r i t t e n T e i l aller Aufsichtsratsmitglieder nicht übersteigen. ( 2 ) D a s E n t s e n d u n g s r e c h t k a n n n u r den I n h a b e r n s o l c h e r Aktien einger ä u m t w e r d e n , die a u f N a m e n lauten und d e r e n Ü b e r t r a g u n g a n die Z u s t i m m u n g d e r Gesellschaft gebunden i s t . ( 3 ) Die Aktien, d e r e n I n h a b e r n d a s E n t s e n d u n g s r e c h t z u s t e h t , gelten n i c h t a l s eine b e s o n d e r e G a t t u n g . ( 4 ) Die e n t s a n d t e n A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r können v o n den E n t s e n d u n g s b e r e c h t i g t e n j e d e r z e i t abberufen und d u r c h a n d e r e e r s e t z t w e r d e n . L i e g t in d e r P e r s o n eines e n t s a n d t e n Mitglieds ein w i c h t i g e r G r u n d v o r , so k a n n d a s G e r i c h t a u f A n t r a g e i n e r M i n d e r h e i t , deren Anteile z u s a m m e n den zehnten T e i l des G r u n d k a p i t a l s e r r e i c h e n , d a s Mitglied a b b e r u f e n . ( 5 ) Sind die in d e r S a t z u n g b e s t i m m t e n V o r a u s s e t z u n g e n des E n t s e n d u n g s r e c h t s weggefallen, s o k a n n die H a u p t v e r s a m m l u n g d a s e n t s a n d t e Mitglied m i t einfacher S t i m m e n m e h r h e i t abberufen. Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Rechtliche Natur des Entsendungsrechts

1—^

II. Entsendungsberechtigte . .

. r i—5

III. Höchstzahl der entsandten Aufsichtsratsmitglieder . .

6

39*

1. Ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder 2. Kapitalherabsetzung . . 3. Entsendungsbefugnis einer Mehrheit von Ak. .. ltonaren 4. Nichtausübung des Entsendungsrechts . . . .

7 8

9 10 605

I. Buch: Aktiengesellschaft

§88

Einl., Anm. 1—3 Anm.

Anm.

I V . Sonderrecht V . Erwerb amts

des

11 Aufsichtsrats12—15

V I . Rechtsstellung der entsandten Mitglieder

16

V I I . Amtsdauer und Abberufung 1 7 — 2 1

Einleitung Die B e s t i m m u n g ist neu in das A k t G von 1937 eingefügt worden. Ein Sonderrecht auf Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds konnte nach dem Recht des H G B nicht begründet werden. Satzungsbestimmungen, die ein Vorschlagsrecht eines Einzelaktionärs vorsahen, wurden als nichtig angesehen ( K G J 32, 136). Die Verhältniswahl konnte durch die Satzung nicht eingeführt werden ( J F G 1 , 234). Die Aktiengesellschaft konnte nach der herrschenden Lehre auch vertraglich keine Verpflichtung zur Wahl bestimmter Personen in den Aufsichtsrat übernehmen (vgl. § 87 Anm. 3). Die Bestimmung will die Möglichkeit schaffen, daß bestimmte stark an dem Unternehmen beteiligte oder aus Gründen des Gemeinwohls an ihm interessierte Aktionäre — besonders ist dabei an die Beteiligung des Staates oder sonstiger öffentlicher Körperschaften an g e m e i n - o d e r g e m i s c h t w i r t s c h a f t l i c h e n U n t e r n e h m u n g e n gedacht — eine Person ihres Vertrauens in den Aufsichtsrat entsenden. E i n Entsendungsrecht hinsichtlich drei der insgesamt sieben Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten der Holding-Gesellschaften des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie steht den Spitzenorganisationen der in den Betrieben vertretenen Gewerkschaften zu (§ 7 MitbestErgG). Abberufen werden können diese Aufsichtsräte auf Antrag der entsendenden gewerkschaftlichen Spitzenorganisation vor Ablauf ihrer Amtszeit nur bei wichtigem Grund und durch das Gericht ( § 1 0 MitbestE r g G ; § 145 Abs. 1 F G G ) .

Anm. 1 I. Das Entsendungsrecht kann im übrigen n u r in d e r S a t z u n g b e g r ü n d e t w e r d e n . Es kann auch durch eine nachträgliche Satzungsänderung geschaffen werden. Es handelt sich um ein S o n d e r r e c h t und kann nur mit Zustimmung des Berechtigten aufgehoben werden (s. A n m . 1 1 zu § 1).

Anm. 2 1. Das Recht kann nur einem A k t i o n ä r eingeräumt werden. Einem Vorstandsoder Aufsichtsratsmitglied als solchem kann das Recht nicht eingeräumt werden. Dagegen bildet es weder f ü r die Begründung noch für die Ausübung des Entsendungsrechts ein Hindernis, daß der Aktionär Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ist.

Anm. 3 2. D a es sich um ein nicht kraft Gesetzes bestehendes, sondern durch die Satzung begründetes Recht handelt, kann die S a t z u n g es b e l i e b i g e i n s c h r ä n k e n . Sie kann namentlich besondere Eigenschaften f ü r das zu entsendende Aufsichtsratsmitglied fordern (vgl. § 86 Anm. 6 u. 7). Durch diese Eigenschaften kann auch die Freiheit der Auswahl seitens des Entsendungsberechtigten beliebig beschränkt werden (vgl. dagegen § 86 Anm. 6). Es dürfte auch zulässig sein, die Auswahl des zu entsendenden Mitglieds an die Zustimmung der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats zu binden. Dagegen würde das Erfordernis der Zustimmung des Vorstands diesem einen zu weit reichenden Einfluß auf den zu seiner Überwachung bestimmten Aufsichtsrat verschaffen; eine derartige' Bestimmung kann daher nicht als zulässig angesehen werden. Es kann ferner bestimmt werden, daß das Entsendungsrecht unter gewissen Voraussetzungen erlischt oder ruht, z. B. wenn der Berechtigte sich an einem andern Unternehmen des gleichen Geschäftszweiges beteiligt oder bestimmte den Interessen der Aktiengesellschaft zuwiderlaufende Handlungen vornimmt, oder solange der Berechtigte dem Vorstand oder Aufsichtsrat angehört. Die Möglichkeit der satzungsmäßigen Beschränkung darf nicht dazu benutzt werden, das Entsendungsrecht tatsächlich einem Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglied als solchem einzuräumen. Es müßte als ein unzulässiger Mißbrauch angesehen werden,

606

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 88 A n m . 4, 5 wenn etwa bestimmt würde, daß von dem Entsendungsrecht nur Gebrauch gemacht werden könne, solange der Aktionär Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ist. Der Entsendungsberechtigte darf von seiner Befugnis nicht in einer m i ß b r ä u c h l i c h e n Weise, welche die A G in die Gefahr einer unzumutbaren Schädigung bringt, Gebrauch machen. Liegt eine derartige, mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Ausnutzung des Entsendungsrechts vor (vgl. dafür R G 165, 68 ff. 79), ist das Widerrufsrecht nach Abs. 4 Satz 2 gegeben. Anm. 4 II. Das Recht kann nur b e s t i m m t e n A k t i o n ä r e n oder den jeweiligen I n h a b e r n b e s t i m m t e r Aktien eingeräumt werden (Abs. 1 S. 1). Hinsichtlich der einzigen Ausnahme nach § 7 MitbestErgG s. in der Einleitung. a) Ist es b e s t i m m t e n Aktionären eingeräumt, so steht es ihnen persönlich zu. Eine Übertragung des Entsendungsrechts ist ausgeschlossen. Es ist u n e r h e b l i c h , w e l c h e r A r t die den b e s t i m m t e n A k t i o n ä r e n gehör i g e n A k t i e n sind. Namentlich bezeichneten Inhabern auch von I n h a b e r a k t i e n kann das Entsendungsrecht gegeben werden. Der Wortlaut des Abs. 2, nach dem das Entsendungsrecht nur den Inhabern gebundener Namensaktien eingeräumt werden kann, ließe zwar auch die Auslegung zu, daß Abs. 2 sich auch auf den Fall bezieht, daß die Satzung das Entsendungsrecht bestimmten Aktionären einräumt (so offenbar Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 u. 9, ohne die Frage ausdrücklich zu erörtern). Der Zweck der Vorschrift, daß Inhabern von Aktien das Entsendungsrecht nur eingeräumt werden kann, wenn ihre Aktien gebundene Namensaktien sind, liegt jedoch darin, daß eine beliebige Übertragung des Rechts ausgeschlossen sein soll; der Ubergang des Entsendungsrechts auf unerwünschte Elemente soll vermieden werden (SchlegelbergerQuassowski Anm. 3). Da nun eine Übertragung des bestimmten Aktionären eingeräumten Entsendungsrechts ohnehin nicht möglich ist, kann Abs. 2 nicht auf diesen Fall bezogen werden (wie hier Baumbach-Hueck Anm. 2). S. auch Ref.-Entw. § 95 Abs. 2. Das Entsendungsrecht e r l i s c h t im Falle des Todes des Berechtigten; es geht nicht auf den Erben über. Ist der Berechtigte eine j u r i s t i s c h e P e r s o n , so wird im Zweifel anzunehmen sein, daß bei einer bloßen Änderung der Rechtsreform der juristischen Person das Entsendungsrecht nicht erlischt, namentlich geht also das Entsendungsrecht im Falle der Umwandlung derjenigen A G oder sonstigen juristischen Person, der es zusteht, nicht unter. Das gleiche dürfte im Falle der Verschmelzung anzunehmen sein. Der Aktionär, dem das Entsendungsrecht eingeräumt ist, verliert es nicht dadurch, daß er einen T e i l seiner A k t i e n veräußert, sofern nicht die Satzung das Gegenteil vorschreibt oder einen bestimmten Mindestaktienbesitz zur Voraussetzung des Entsendungsrechts macht. Zweifelhaft erscheint, ob das Recht fortdauert, wenn der Aktionär zeitweilig seinen Aktienbesitz ganz oder einen so großen Teil von ihm veräußert, daß er nicht mehr den Mindestbetrag besitzt, den die Satzung etwa für das Entsendungsrecht fordert. In erster Linie ist eine Bestimmung der Satzung maßgebend. Fehlt eine solche, so wird mangels besonderer Umstände anzunehmen sein, daß das Recht endgültig erlischt, wenn der Entsendungsberechtigte aufhört, Aktionär zu sein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6), daß aber in den sonstigen Fällen das Recht nur ruht. Ergibt sich aus der Satzung, daß das Recht auch dann nur ruht, wenn der Entsendungsberechtigte seine sämtlichen Aktien veräußert, so muß doch angenommen werden, daß die A G während der Zeit, in der der Berechtigte keine Aktien der Gesellschaft besitzt, das Recht ohne Zustimmung des Aktionärs aufheben kann. Denn ein die Aufhebung hinderndes Sonderrecht kann nicht bestehen, solange der Berechtigte nicht Aktionär ist. Zulässig ist auch die Bestimmung, daß dem Aktionär das Entsendungsrecht nur solange zusteht, als er Inhaber einer oder mehrerer b e s t i m m t e r Aktien ist (SchlegelbergerQuassowski Anm. 7). Anm. 5 b) Wird das Entsendungsrecht I n h a b e r n b e s t i m m t e r Aktien eingeräumt, so müssen diese auf Namen lauten und nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragbar sein (Abs. 2). Über die Übertragung solcher g e b u n d e n e r N a m e n s a k t i e n und das zur 607

§ 88 Anm. 6, 7

I. Buch: Aktiengesellschaft

Erteilung der Zustimmung berechtigte Organ der AG s. § 6i. Es kann in der Satzung bestimmt werden, daß die Zustimmung nur aus wichtigen Gründen verweigert werden darf (§ 6i Abs. 3 S. 3). Anm. 6 III. Die Gesamtzahl der entsandten Mitglieder darf den dritten Teil aller Aufsichtsratsmitglieder nicht übersteigen (Abs. 1 S. 2). Es dürfen also bei drei Mitgliedern nur ein entsandtes, bei sechs nicht mehr als zwei entsandte Mitglieder, usf. vorhanden sein. Dabei ist zu beachten, daß die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder nicht die in § 86 Abs. 1 des Gesetzes und ebenso nicht die etwa von der Satzung festgesetzte Höchstzahl übersteigen darf. Sieht die Satzung mehr zu entsendende Mitglieder vor, als hiernach zulässig ist, so sind alle eingeräumten Entsendungsrechte nichtig, wenn sie verschiedenen Personen zustehen. Ist der Inhaber aller Entsendungsrechte nach der Satzung notwendig ein und dieselbe Person, so ist die Bestimmung nur so weit nichtig, als die Zahl der in der Satzung begründeten Entsendungsrechte die zulässige Höchstzahl übersteigt. Eine spätere Satzungsänderung, durch die ein neues Entsendungsrecht begründet wird, ist unwirksam, wenn dadurch die zulässige Höchstzahl der entsandten Mitglieder überschritten wird. Ebenso ist eine Herabsetzung der satzungsmäßigen Gesamtzahl der Aufsichtsratssitze, die dazu führen würde, daß die Zahl der auf Grund der bestehenden Entsendungsrechte zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder mehr als ein Drittel aller betragen würde, auch mit Zustimmung der Entsendungsberechtigten unzulässig (Schlegelberger- Quassowski Anm. 10); eine derartige Satzungsänderung wäre nichtig. Da die gem. § 88 entsandten Aufsichtsratsmitglieder Vertreter der Aktionäre sind, (außer im Falle des § 7 MitbestErgG), kommt eine Anrechnung auf das notwendige A r b e i t n e h m e r - D r i t t e l bei Aufsichtsräten, die nach dem BetrVG zu bilden sind, auch dann nicht in Frage, wenn der Entsandte Arbeitnehmer der Gesellschaft ist (Baumbach-Hueck, Anm. 1). Für AG, die dem M i t b e s t G unterliegen, wird das Entsendungsrecht des §88 dahingehend eingeschränkt, daß die Gesamtzahl der entsandten Mitglieder des Aufsichtsrats ein Drittel der Zahl der Aktionärvertreter nicht übersteigen darf (§ 5). Die gleiche Regelung gilt für die Konzernobergesellschaften des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (§ 5 Abs. 2 MitbestErgG). Sie ist im Ref.-Entw. für alle AG vorgesehen (E § 95 Abs. 2). Anm. 7 1. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann es zweifelhaft sein, was unter dem dritten Teil aller Aufsichtsratsmitglieder zu verstehen ist. Kommt es auf die Z a h l der gerade vorhandenen M i t g l i e d e r oder auf die nach dem Gesetz oder der Satzung zulässige H ö c h s t z a h l aller Aufsichtsratsmitglieder einschließlich der Arbeitnehmervertreter an? Ist die Satzung in der Regelung dieser Frage frei? Nimmt man an, daß es auf die Zahl der wirklich vorhandenen Mitglieder ankommt, so hat es die Hauptversammlung, sofern die Satzung mehr als ein Entsendungsrecht vorsieht und keine entsprechende Mindestzahl der zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder vorschreibt, in der Hand, das Entsendungsrecht dadurch zu vereiteln, daß sie weniger Aufsichtsratsmitglieder wählt (so v. Godin-Wilhelmi Anm. 2); in diesem Fall könnte keines der Entsendungsrechte ausgeübt werden, wenn verschiedene Aktionäre entsendungsberechtigt sind und sich über die Person des zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieds nicht zu einigen vermögen. Dieses Ergebnis ließe sich nur mit Hilfe der Annahme vermeiden, daß die Satzung nicht mehr Entsendungsrechte begründen kann, als einem Drittel der von ihr oder von dem Gesetz vorgeschriebenen M i n d e s t z a h l der Aufsichtsratsmitglieder entspricht. Das Ergebnis ist aber höchst unbefriedigend; es liegt auch kein Grund zu der buchstäblichen Auslegung des Gesetzes vor, daß die Zahl der wirklich vorhandenen Aufsichtsratsmitglieder maßgebend ist. Wenn das Gesetz vorschreibt, daß die Zahl der entsandten Aufsichtsratsmitglieder nicht ein Drittel der Gesamtzahl übersteigen darf, so will es offenbar nur verhindern, daß der dem Aufsichtsrat eingeräumte Einfluß auf die AG den entsendungsberechtigten Aktionären an Stelle der Hauptversammlung 608

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 88 Anm. 8

zusteht. Wenn die Hauptversammlung aber von der ihr zustehenden Befugnis, mindestens zwei Drittel der Aufsichtsratssitze zu besetzen, keinen Gebrauch macht, ist das ihre Sache. Die entsandten Mitglieder haften ebenso wie die gewählten; vom Standpunkt des Gesetzes aus liegt kein Grund vor, ihnen zu mißtrauen. Die Zahl der entsandten Mitglieder braucht also nicht ein Drittel der wirklich vorhandenen, sondern nur ein Drittel der auf Grund des Gesetzes und der Satzung zulässigen Höchstzahl aller Mitglieder zu betragen (so wohl auch Schlegelberger- Quassowski Anm. io und BaumbachHueck Anm. 2; a. A. Ritter Anm. 3 c). d. h. bei AG, die dem BetrVG unterliegen einschließlich der Arbeitnehmervertreter; wegen der Ausnahmen nach dem MitbestG und der Holding-Novelle s. Anm. 6 am Ende. Hiernach ergeben sich folgende Möglichkeiten: a) Die Satzung kann im Verhältnis von 2 zu 1 eine bestimmte Zahl zu wählende und eine bestimmte Zahl zu entsendende Mitglieder vorsehen (z. B. 4 zu wählende, 2 zu entsendende), bei Nichtberücksichtigung des Arbeitnehmerdrittels. Wird die vorgesehene Zahl von der Hauptversammlung nicht gewählt, so bleibt hiervon das Entsendungsrecht unberührt; der Aufsichtsrat ist aber in diesem Fall nicht vollständig besetzt (§86 Anm. 15); wird er hierdurch beschlußunfähig, so greift § 89 ein. b) Wenn die Satzung eine bestimmte Gesamtzahl aller Aufsichtsratsmitglieder und ein Entsendungsrecht für eine ein Drittel nicht übersteigende Zahl zu entsendender Mitglieder vorsieht, ergibt der Unterschiedsbetrag die Zahl der notwendig zu wählenden Mitglieder und zwar, wenn die AG dem BetrVG unterliegt, hälftig durch die Hauptversammlung und hälftig durch die Arbeitnehmer. c) Die Satzung kann auch bestimmen, daß der Aufsichtsrat aus einer Mindestzahl von Mitgliedern bestehen muß und daß ein Entsendungsrecht für eine bestimmte Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern begründet ist. Diese Zahl muß sich dann aber im Verhältnis von einem Drittel zu der für die AG gemäß § 86 zulässigen Höchstzahl halten. Ob die Hauptversammlung die für die Wahl von Mitgliedern verbleibende Zahl nutzt, ist ohne Belang. d) Es steht aber auch nichts entgegen, daß die Satzung die Zahl der zu entsendenden Mitglieder von der Zahl der gewählten Mitglieder abhängig macht (vgl. Schmidt, Umgestaltung Muster B § 22). Eine derartige Satzungsbestimmung ist dahin auszulegen, daß die Zahl der gewählten Mitglieder einschließlich der Arbeitnehmervertreter im Zeitpunkt der Ausübung des Entsendungsrechts für die Berechnung der Zahl der zu entsendenden Mitglieder maßgebend ist. Ein späterer Fortfall gewählter Mitglieder muß, wenn die Satzung nichts anderes vorsieht, ohne Einfluß sein, solange nicht eine erneute Entsendung von Ersatzmännern in Frage kommt. Anm. 8 2. Der Einfluß einer Kapitalherabsetzung auf die zulässige Höchstzahl der Aufsichtsratssitze ist im Gesetz nicht geregelt (s. § 86 Anm. 3). Für satzungsmäßige Entsendungsrechte, die eine bestimmte Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern betreffen, besteht für den Fall von Kapitalherabsetzungen, die eine Verminderung der Aufsichtsratsstellen auf eine niedrigere gesetzliche Höchstzahl erfordern, eine Schwierigkeit. Es fragt sich, ob das Sonderrecht oder die gesetzliche Bestimmung des § 86 über die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder in der hier gegebenen Auslegung (§86 Anm. 3) den Vorrang verdient: in der Satzung einer AG mit einem Grundkapital von 4 Millionen DM ist z. B. vier bestimmten Aktionären ein Entsendungsrecht für je ein Aufsichtsratsmitglied eingeräumt; gemäß § 86 kann der Aufsichtsrat aus zwölf Personen bestehen; eine Kapitalherabsetzung auf 3 Millionen DM vermindert die zulässige Gesamtzahl der Aufsichtsratsstellen auf neun; die nach § 88 zulässige Höchstzahl der entsandten Mitglieder dürfte nur noch drei statt der satzungsmäßig unentziehbar begründeten vier betragen. An der Auslegung des § 86, daß sich die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder nach der j e w e i l i g e n Höhe des Grundkapitals richtet, ist festzuhalten. Das Sonderrecht muß der gesetzlichen Vorschrift weichen (vgl. § 1 Anm. 20). Die vier entsendungsberechtigten Aktionäre werden sich über die Besetzung der drei verbliebenen Aufsichtsratsstellen einigen müssen. Gelangen sie hierzu nicht, so liegt ein Fall der 609

§88

Anm. 9, 10

I. Buch: Aktiengesellschaft

Nichtausübung des Entsendungsrechts vor (Anm. io). Ein Ausweg wäre nur gegeben, wenn man eine Kapitalherabsetzung für die Berechnung der Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder allgemein als unerheblich ansieht (entgegen der in § 86 Anm. 3 vertretenen Ansicht). Bei der Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse nach dem D M B i l G galt bei satzungsmäßigen Entsendungsrechten die Sondervorschrift des § 63 Abs. 1.

Anm. 9 3. Der Wortlaut des Gesetzes läßt nicht deutlich erkennen, ob das E n t s e n d u n g s -

recht nur einzelnen Aktionären oder ob es auch einer Gruppe von Aktionären eingeräumt werden kann, indem etwa bestimmt wird, daß die Inhaber der an ver-

schiedene Personen begebenen Aktien Nr. 1 — 1 0 0 0 ein Aufsichtsratsmitglied entsenden können. D a keine zwingenden Gründe dagegen sprechen, wird man die Einräumung des Entsendungsrechts an eine Mehrheit von Aktionären für zulässig halten müssen. D a das Gesetz keine Regelung enthält, ob und in welcher Form Beschlüsse dieser Gruppe von Aktionären Zustandekommen, wird anzunehmen sein, daß mangels einer abweichenden Regelung in der Satzung das Entsendungsrecht von den verschiedenen entsendungsberechtigten Aktionären nur einstimmig ausgeübt werden kann (Schmidt, Umgestaltung der Satzungen S. 105). Es scheint aber auch zulässig, daß die Satzung etwas anderes bestimmt, z. B. Mehrheitsbeschlüsse oder bei Meinungsverschiedenheit der Aktionäre die Entscheidung durch einen bestimmten Aktionär oder Inhaber einer bestimmten Aktie zuläßt. A n Stelle eines einzelnen Entsendungsberechtigten wird nachträglich praktisch kaum j e eine Mehrheit verschiedener Aktionäre treten können, da die A G die Zustimmung zur Übertragung eines Teils der mit dem Entsendungsrecht ausgestatteten Aktien verweigern wird, wenn diese bisher einem einzigen Aktionär zustanden; sie wird hierzu auch berechtigt sein, wenn sie nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Zustimmung verweigern darf. Wird die Zustimmung zu einer solchen Teilabtretung doch erteilt, so ist mangels einer abweichenden Satzungsbestimmung anzunehmen, daß die Ausübung des Rechts nur einstimmig erfolgen kann. Entsteht eine Rechtsgemeinschaft an den mit dem Entsendungsrecht ausgestatteten Aktien, etwa infolge eines Erbganges oder als Wirkung des ehelichen Güterrechts, so kann das Recht nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter (§ 63) ausgeübt werden, sofern nicht einer von ihnen zur alleinigen Verfügung über die Aktien berechtigt ist.

Anm. 10 4. K a n n die Hauptversammlung Aufsichtsratsmitglieder an Stelle der zu entsendenden wählen, wenn der Berechtigte v o n d e m E n t s e n d u n g s r e c h t k e i n e n G e b r a u c h macht? Dies wird von Schlegelberger-Quassowski A n m . 1 1 verneint. Das Gesetz ergibt nicht, daß durch die Begründung eines Entsendungsrechts die Z a h l der zu wählenden Mitglieder sich ohne Rücksicht darauf vermindert, ob der Entsendungsberechtigte von seinem Recht Gebrauch macht. Das einzige Bedenken, das gegen die Zulässigkeit einer Wahl von Ersatzmitgliedern spricht, besteht in den Schwierigkeiten, die entstehen können, wenn der Entsendungsberechtigte nachträglich doch von seinem Recht Gebrauch macht. Diese Schwierigkeiten lassen sich vermeiden, wenn das ersatzweise gewählte Mitglied als solches bezeichnet und nur f ü r die Zeit gewählt wird, in der der Entsendungsberechtigte von seinem Recht keinen Gebrauch macht. Eine Bestellung in dieser Form erscheint zulässig (vgl. § 86 Anm. 14). Setzt die Satzung die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf insgesamt drei fest und begründet sie ein Recht zur Entsendung eines Mitgliedes, so muß die Wahl eines Ersatzmitgliedes zulässig sein; denn sonst wäre der Aufsichtsrat dauernd beschlußunfähig, wenn der Entsendungsberechtigte von seinem Recht keinen Gebrauch macht. Es liegt auch nicht im Sinne des Gesetzes, die auf solche Weise entstehende Lücke durch gerichtlichen Beschluß gemäß § 89 Abs. 2 dauernd auszufüllen. Die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht gemäß § 89 ist nur als vorübergehender Notbehelf gedacht. Dasselbe gilt auch sonst, wenn der Aufsichtsrat ohne die zu entsendenden Mitglieder nicht beschlußfähig ist. Es wird nicht nur in diesen Fällen, sondern allgemein anzunehmen sein, daß Ersatzmitglieder für die Dauer, während der Entsendungsberechtigte von seinem Recht keinen Gebrauch macht, von der Hauptversammlung gewählt werden können (wie hier jetzt Baumbach-Hueck

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 88

Anm. 11—15

Anm. 5 C ; ähnlich v. Godin-Wilhelmi Anm. i ; a. A. Ritter Anm. 2). Selbstverständlich kann der Entsendungsberechtigte, unter Verzicht auf das Entsendungsrecht, im Einzelfall oder dauernd der Wahl durch die Hauptversammlung zustimmen.

Anm. 11 I V . Die Aktien, deren Inhabern das Entsendungsrecht zusteht, gelten nach Abs. 3 n i c h t a l s eine b e s o n d e r e G a t t u n g . Es bedarf also keiner besonderen Abstimmung dieser Aktionäre in den Fällen, in denen das Gesetz eine besondere Abstimmung der Aktien, die eine besondere Gattung bilden, vorschreibt, insbesondere bei Satzungsänderungen. Ein Nachteil droht den Entsendungsberechtigten hieraus nicht, da ihr Recht nicht ohne ihre Zustimmung aufgehoben werden kann. Es ist ein S o n d e r r e c h t (§ 1 Anm. 1 1 ) .

Anm. 12 V. Erwerb des Aufsichtsratsamts 1. Die Entsendung erfolgt durch E r k l ä r u n g des B e r e c h t i g t e n g e g e n ü b e r d e r A k t i e n g e s e l l s c h a f t . Neben dem Vorstand dürfte zur Entgegennahme der Entsendungserklärung auch der Vorsitzer des Aufsichtsrats befugt sein (vgl. Anm. 5 zu § 87). Uber die Befugnis der Hauptversammlung zur Wahl von Ersatzmitgliedern in dem Fall, daß der Entsendungsberechtigte von seinem Recht keinen Gebrauch macht, s. Anm. 10.

Anm. 13 2. Das entsandte Mitglied e r w i r b t d a s A u f s i c h t s r a t s a m t auf Grund der Benennung mit der A n n a h m e h. M . ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ; Baumbach-Hueck Anm.4; Schlegelberger-QuassoswkiAnm. 18; Schmidt inHachenburg §52Anm.28; wohl auch Ritter Anm. 2 b ; s . a u c h R G i 6 5 , 7 5 ; a. A. Natzel DieAktGes 1959, 99, der zum Amtserwerb allein die Erklärung des Entsenders für ausreichend hält. Es muß ihm von dem Entsendungsberechtigten angeboten werden. Es ist anzunehmen, daß die Annahme durch ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung g e g e n ü b e r d e r A G erfolgen muß; schlüssige Handlungen, insbesondere die Ausübung des Amts, genügen. Der Entsendungsberechtigte wird dem Mitglied das Amt auch schon vor der Entsendung anbieten und dieser wird seine Annahme gegenüber der A G schon vor der Benennung erklären können. Auch der Vorstand oder der Vorsitzer des Aufsichtsrats der A G werden dem von dem Entsendungsberechtigten Benannten das Amt anbieten können.

Anm. 14 3. Zwischen der A G und dem entsandten Aufsichtsratsmitglied entsteht mit der Annahme ein gleichartiges Vertragsverhältnis wie zwischen der A G und den von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitgliedern (§ 87 Anm. 7). Bejaht man es für diese, muß man es auch für die entsandten tun. Denn der Kreis ihrer Obliegenheiten (Befugnisse und Pflichten) ist der gleiche (Anm. 16). Er bestimmt sich nach dem Gesetz und den in seinem Rahmen beschlossenen Satzungsbestimmungen (§87 Anm. 7). Die entsandten Mitglieder haben, wenn Abweichendes in der Satzung oder bei ihrer Entsendung nicht bestimmt ist, auch Anspruch auf Vergütung nach Maßgabe der Satzung (Ritter Anm. 2 c ; Baumbach-Hueck Anm.4). Ist die Festsetzung der Vergütung der Hauptversammlung überlassen, so nehmen die entsandten Mitglieder an der von der Hauptversammlung festgesetzten Vergütung teil. Der Beschluß könnte sie nicht von der Vergütung ausschließen. Sie hätten vielmehr einen klagbaren Anspruch auf die Vergütung wie die übrigen Aufsichtsratsmitglieder (a. M. die frühere Auflage, die mit Schlegelberger-Quassowski Anm. 14 die Ansicht vertrat, daß zwischen A G und den entsandten Aufsichtsratsmitgliedern ein Vertragsverhältnis nicht zu bestehen braucht; ähnlich auch v. Godin-Wilhelmi Anm. I). Auch die nach dem MitbestErgG entsandten Vertreter der Gewerkschaften (s. Einleitung) haben einen gesetzlichen Anspruch auf Vergütung (s. Kötter, MitbestErgG § 7 Anm. 5 unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 MitbestG).

Anm. 15 4. Daneben besteht auch zwischen dem entsandten Aufsichtsratsmitglied und dem Entsendungsberechtigten regelmäßig ein Vertragsverhältnis (Ritter Anm. 2 b). Dies wird

611

§88 Anm. 16—18

I. Buch: Aktiengesellschaft

man als Auftrag oder als Dienstvertrag auf Geschäftsbesorgung zu kennzeichnen haben, je nachdem der Entsendungsberechtigte den Entsandten eine Vergütung zu zahlen versprochen hat oder nicht (vgl. dagegen § 87 Anm. 7). Über die Beschränkung des Weisungsrechts des Auftraggebers oder Geschäftsherrn vgl. Anm. 16. Im Rahmen dieser Beschränkung hat der Entsandte Weisungen zu befolgen, insbesondere nach dem Willen des Entsendungsberechtigten zu stimmen. Er ist diesem auch auskunfts- und berichterstattungspflichtig, soweit er nicht Interessen der A G verletzt. Die Satzung kann für die entsandten Aufsichtsratsmitglieder ein Weisungsrecht des Entsendungsberechtigten und ein vertragliches Verhältnis (mit Vergütungsansprüchen des Mitglieds gegen ihn oder mit Auskunftsrechten) ausschließen (abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 15). So liegt es ohnehin bei den nach § 7 MitbestErgG entsandten Vertretern der Gewerkschaften (Kötter a. a. O.), die in keinem Vertragsverhältnis zur entsendungsberechtigten Spitzenorganisation stehen, soweit ihre Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied in Frage steht. Das Aufsichtsratsamt ist rechtlich von dem Fortbestand des zwischen dem entsandten Mitglied und dem Entsendungsberechtigten bestehenden Vertragsverhältnisses nicht abhängig. Doch wird die Auflösung dieses Verhältnisses dem Entsendungsberechtigten meistens Anlaß geben, von seinem Abberufungsrecht (Anm. 18) Gebrauch zu machen. Anm. 16 VI. Rechtsstellung der entsandten Mitglieder Die entsandten Aufsichtsratsmitglieder haben dieselben Obliegenheiten und dieselbe Rechtsstellung wie die gewählten. Sie unterliegen denselben gesetzlichen Pflichten und sind der Gesellschaft, den Aktionären und Dritten ebenso verantwortlich. Der Entsendungsberechtigte kann daher dem entsandten Aufsichtsratsmitglied nur insoweit Weisungen erteilen, als diese sich nicht in Widerspruch zu den Pflichten des Entsandten als Aufsichtsratsmitglied setzen (s. auch Anm. 3 am Ende). Nur insoweit darf das entsandte Mitglied Interessen des Entsendungsberechtigten wahrnehmen. Bei einem K o n f l i k t der I n t e r e s s e n der A G und des E n t s e n d u n g s b e r e c h t i g t e n hat das Aufsichtsratsmitglied stets die Belange der A G vorgehen zu lassen (SchlegelbergerQuassowski Anm. 1 3 ; vgl. R G in J W 1932, 2279; R G 165, 68; s. auch § 86 Anm. 4d). Anm. 17 VII. Amtsdauer 1. Uber die Amtsdauer der entsandten Mitglieder enthält das Gesetz keine Bestimmung. Sie können, sofern die Satzung nicht etwas anderes vorschreibt, auf unbestimmte Zeit oder auch auf eine beliebige Zeit entsandt werden. Das gesetzliche Abberufungsrecht wird durch eine Bestellung auf bestimmte Zeit nicht berührt. Anm. 18 2. Die entsandten Aufsichtsratsmitglieder können von dem Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen und durch andere ersetzt werden (Abs. 4 S. 1). Das Recht steht dem jeweiligen Inhaber des Entsendungsrechts zu. Das Abberufungsrecht kann durch die Satzung weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Zweifelhaft erscheint, ob es durch das zwischen dem Entsendungsberechtigten und dem entsandten Mitglied bestehende Vertragsverhältnis beschränkt werden kann, etwa auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Der Entsendungsberechtigte ist zwar kein Organ der Gesellschaft wie die Hauptversammlung; aber da ihm das gleiche unbeschränkte Abberufungsrecht zusteht, das die Hauptversammlung für die gewählten Aufsichtsratsmitglieder hat, muß er schon im Interesse der A G in der Lage sein, das Abberufungsrecht ebenfalls nach freiem Ermessen auszuüben. Es kommt hinzu, daß es bei Beschränkung des Widerrufsrechts auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes leicht zweifelhaft werden könnte, ob das entsandte Mitglied noch dem Aufsichtsrat angehört, falls es bestreitet, daß die Voraussetzungen des Widerrufs gegeben seien. Es muß daher angenommen werden, daß die Wirksamkeit der Abberufung von den zwischen dem Entsendungsberechtigten und dem entsandten Mitglied bestehenden Vereinbarungen unberührt bleibt. Es ist aber weiterhin auch anzunehmen, daß das Abberufungsrecht des Entsendungsberechtigten 612

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 88

Anm. 19—21

ebensowenig wie das der Hauptversammlung für die gewählten Mitglieder zustehende Abberufungsrecht dadurch erschwert werden kann, daß dem entsandten Mitglied von dem Entsendungsberechtigten ein Anspruch auf den Aufsichtsratsposten eingeräumt wird, der von der Abberufung unberührt bleibt und den Entsendungsberechtigten der Gefahr einer Schadensersatzpflicht bei Ausübung des Abberufungsrechts aussetzt (anscheinend abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 18). Steht das entsandte Mitglied jedoch zu dem Entsendungsberechtigten in einem besonderen Vertrags- oder sonstigen Rechtsverhältnis, das nicht nur die Entsendung in den Aufsichtsrat der A G zum Gegenstand hat, so bleibt dieses Rechtsverhältnis mit den sich aus ihm ergebenden Ansprüchen von der Abberufung unberührt.

Anm. 19 3. Die H a u p t v e r s a m m l u n g kann das entsandte Aufsichtsratsmitglied nicht abberufen (anders nur die Übergangsvorschrift in § 63 Abs. I DMBilG). Liegt jedoch ein wichtiger Grund zur Abberufung in der Person des entsandten Mitglieds vor, so können nach Abs. 4 Satz 2 A k t i o n ä r e , die z u s a m m e n ü b e r m i n d e s t e n s ein Zehntel des

Grundkapitals verfügen, bei dem Gericht des Sitzes der Gesellschaft die Ab-

b e r u f u n g des M i t g l i e d s b e a n t r a g e n s. auch § 10 MitbestErgG (dazu in der Einleitung). Als wichtiger Grund wird namentlich eine grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Erfüllung der Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds anzusehen sein (vgl. § 75 Abs. 3 Satz 2). Der wichtige Grund muß, wie das Gesetz ausdrücklich sagt, in der Person'des entsandten Mitglieds liegen. Daß er ausschließlich in seiner Person liegen muß, ist damit nicht gesagt. So wird eine Abberufung aus dem Grunde, daß sich eine Zusammenarbeit des entsandten mit den gewählten Mitgliedern unmöglich erweist, auch dann erfolgen können, wenn das entsandte Mitglied nicht die alleinige Schuld trifft oder wenn eine mißbräuchliche Ausnutzung des Entsendungsrechts vorliegt (Anm. 3). Umstände, die ausschließlich in der Person des Entsendungsberechtigten liegen, bilden im übrigen niemals einen Grund zur gerichtlichen Abberufung des entsandten Mitglieds. Das Verfahren unterliegt den Bestimmungen des F G G (§ 145). Die Abberufung wird mit der Zustellung des Beschlusses an das abberufene Aufsichtsratsmitglied wirksam (§16 F G G ) ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 30. Die erneute Entsendung eines gerichtlich abberufenen Aufsichtsratsmitglieds durch den Entsendungsberechtigten muß als unwirksam angesehen werden, sofern nicht der Grund der Abberufung inzwischen weggefallen ist.

Anm. 20 4. Das Amt des entsandten Aufsichtsratsmitglieds endet, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, nicht mit dem Erlöschen des Entsendungsrechts. Es dauert vielmehr für die Zeit, für die das Mitglied entsandt war, oder, wenn es auf unbestimmte Zeit entsandt war, unbeschränkt fort, bis ein Beendigungsgrund eintritt. Jedoch kann nach

Abs. 5 die Hauptversammlung bei Fortfall der in der Satzung bestimmten Voraussetzungen des Entsendungsrechts das entsandte Mitglied mit einfacher

S t i m m e n m e h r h e i t a b b e r u f e n . Das muß auch dann gelten, wenn das Entsendungsrecht ruht (vgl. Anm. 4 oben). Für den Abberufungsbeschluß und sein Wirksamwerden gelten im übrigen dieselben Grundsätze wie für die Abberufung gewählter Aufsichtsratsmitglieder.

Anm. 21 5. Da auch das entsandteAufsichtsratsmitglied in einem Vertragsverhältnis zur A G steht (Anm. 14), kann es genau so wenig wie die gewählten Mitglieder sein A m t grundsätzlich jederzeit n i e d e r l e g e n (a. A. die Vorauflage und Schlegelberger-Quassowski Anm. 14). Vielmehr gelten für sein Niederlegungsrecht die gleichen Grundsätze wie für die gewählten Mitglieder (dazu § 87 Anm. 21 bis 23). Von dem zwischen dem entsandten Mitglied und dem Entsendungsberechtigten bestehenden Rechtsverhältnis ist das Niederlegungsrecht unabhängig. Gegenüber dem Entsendungsberechtigten wird das entsandte Mitglied durch eine ihm gegenüber unberechtigte Niederlegung des Amts schadensersatzpflichtig. Ein Erfüllungszwang findet nicht statt.

613

§89

I. Buch: Aktiengesellschaft

§ 8 9 B e s c h l u ß u n f ä h i g k e i t des A u f s i c h t s r a t s Bestellung durch das Gericht (1) Die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats kann, soweit sie nicht gesetzlich geregelt ist, durch die Satzung bestimmt werden. Ist sie weder gesetzlich noch durch die Satzung geregelt, so ist der Aufsichtsrat nur beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen er nach Gesetz oder Satzung insgesamt zu bestehen hat, an der Beschlußfassung teilnimmt. In jedem Fall müssen mindestens drei Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. Der Beschlußfähigkeit steht nicht entgegen, daß dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder als die für seine Zusammensetzung durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl angehören, auch wenn das vorgeschriebene zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Vertretern der Anteilseigner und den Vertretern der Arbeitnehmer nicht gewahrt ist. (2) Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern nicht an, so hat ihn das Gericht auf Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs auf diese Zahl zu ergänzen. Der Vorstand ist verpflichtet, den Antrag unverzüglich zu stellen, es sei denn, daß die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist. Hat der Aufsichtsrat auch aus Vertretern der Arbeitnehmer zu bestehen, so können auch der Betriebsrat jedes Betriebes, dessen Arbeitnehmer an der Wahl der Arbeitnehmervertreter i m Aufsichtsrat teilnehmen, oder mindestens ein Zehntel der Arbeitnehmer, die an der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat teilnehmen, oder mindestens einhundert dieser Arbeitnehmer den Antrag stellen. Wenn Spitzenorganisationen der Gewerkschaften ein Vorschlags- oder Entsendungsrecht für Vertreter der Arbeitnehmer in dem Aufsichtsrat haben, können auch sie den Antrag stellen. (3) Gehören dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger Mitglieder als die für seine Zusammensetzung durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl an, so hat ihn das Gericht auf Antrag auf diese Zahl zu ergänzen. In dringenden Fällen hat das Gericht auf Antrag den Aufsichtsrat auch vor Ablauf der Frist zu ergänzen. Das Recht zur Antragstellung bestimmt sich nach Absatz 2. (4) Absatz 3 ist auf einen Aufsichtsrat, in dem die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach den Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. Mai 1951 (Bundesgesetzbl. I S . 347) — Mitbestimmungsgesetz — haben, mit der Maßgabe anzuwenden, 1. daß das Gericht den Aufsichtsrat hinsichtlich des in § 4 Abs. 1 Buchstabe c des Mitbestimmungsgesetzes bezeichneten Mitglieds nicht ergänzen kann, 2. daß es stets als ein dringender Fall anzusehen ist, wenn dem Aufsichtsrat, abgesehen von dem in § 4 Abs. 1 Buchstabe c des Mitbestimmungsgesetzes bezeichneten Mitglied, nicht alle Mitglieder angehören, aus denen der Aufsichtsrat nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat. Dies gilt entsprechend für Aufsichtsräte von Unternehmen, die unter § 2 oder § 3 des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 7. August 1956 (Bundesgesetzbl. I S . 707) fallen. (5) Einen Aufsichtsrat, der auch aus Vertretern der Arbeitnehmer zu bestehen hat, hat das Gericht so zu ergänzen, daß das vorgeschriebene zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Vertretern der Anteilseigner und den Ver614

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 89 Anm. 1

tretern der Arbeitnehmer hergestellt wird; wenn der Aufsichtsrat zur Herstellung seiner Beschlußfähigkeit ergänzt wird, gilt dies nur, soweit die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl der Aufsichtsratsmitglieder die Wahrung dieses Verhältnisses möglich macht. Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, das nach Gesetz oder Satzung in persönlicher Hinsicht besonderen Voraussetzungen entsprechen muß, so muß das vom Gericht bestellte Aufsichtsratsmitglied diesen Voraussetzungen entsprechen. Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, bei dessen Wahl eine Spitzenorganisation der Gewerkschaften oder die Betriebsräte ein Vorschlagsrecht hätten, so soll das Gericht Vorschläge dieser Stellen berücksichtigen, soweit nicht überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit der Bestellung des Vorgeschlagenen entgegenstehen; das gleiche gilt, wenn das Aufsichtsratsmitglied durch Wahlmänner zu wählen wäre, für gemeinsame Vorschläge der Betriebsräte der Konzernunternehmen, in denen Wahlmänner zu wählen sind. (6) Das A m t des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds erlischt, sobald das fehlende Aufsichtsratsmitglied gewählt oder entsandt worden ist. Ü b ersieht Anm.

I. Entstehungsgeschichte. 1. Frühere gesetzliche Regelung 2. Beschlußfassung desAufsichtsrats nach früheremRecht . . 3. Novelle vom 15. 7. 1957 . . II. Beschlußfähigkeit (Abs. 1) 1. Gesetzliche Regelung . . . .

i 2 3 4

2. im Rahmen der Montanmitbestimmung 5 3. Beschlußfassung im Aufsichtsrat 5a 4. Einfluß des Gruppenverhältnisses im Aufsichtsrat auf die Beschlußfähigkeit 6 5. Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats 7 6. Ubergangsrecht 8 III. Notbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern 1. frühere Rechtslage . . . .

9

2. Ergänzung bei fehlender Beschlußfähigkeit (Abs. 2). . . io 3. Antrag 11

Anm.

4. Antragsberechtigte 12 5. Ergänzung bei fehlender Vollständigkeit (Abs. 3 u. 4) . . 13 6. im Rahmen der Montanmitbestimmung 14 I V . Auswahl der Ersatzmitglieder durch das Gericht (Abs. 5) 1. Berücksichtigung des Gruppenverhältnisses 15 2. Vorschlagsrecht 16 3. Berücksichtigung besonderer persönlicher Voraussetzungen 17 V . Verfahren V I . Rechtsstellung der Bestellten .

18 .19

V I I . Beendigung des Amtes 1. Erlöschen (Abs. 6) 2. Abberufung durch das Gericht 3. Amtsniederlegung 4. Neuwahl oder Entsendung im Hinblick auf die zulässige Höchstzahl

20 21 22

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Anm. 1 I. Entstehungsgeschichte 1. Nach dem Recht des H G B bestand eine Befugnis des Gerichts zur Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nicht. Das A k t G 1937 enthielt — entsprechend der gerichtlichen Bestellung von Vorstandsmitgliedern (§ 76), die sich bereits aus § 29 BGB ergibt — folgende Regelung: 1. Gehören dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger als die zur Beschlußfassung nötige Zahl von Mitgliedern an, so hat ihn das Gericht auf

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§89 A n m . 2—4

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Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs auf diese Zahl zu ergänzen. Der Vorstand ist verpflichtet, den Antrag zu stellen. 2. Das Gericht hat die von ihm bestellten Mitglieder abzuberufen, wenn die Voraussetzungen weggefallen sind. Zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift s. Gessler BB 5 1 , 942 (944). Die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats war dagegen im AktG 1937 nicht geregelt. Der inzwischen durch G vom 15. 7. 1957 (BGBl. I 714) aufgehobene § 4 Abs. 1 H R B e r G (u. vorher § 1 1 V O vom 5. 1. 1945 [RGBl. I 5]) sah für die Beschlußfähigkeit eine Mindestbesetzung von drei Mitgliedern vor. Das entsprach auch vor Erlaß dieser Vorschriften der herrschenden Meinung (vgl. BGH 12, 327; §96 Anm. 15 und Vorauflage §92 Anm. 15).

Anm. 2 2. Nach Inkrafttreten des BetrVG ist über die Fragen der Beschlußfähigkeit (Handlungsfähigkeit) und Vollzähligkeit (Vollständigkeit) des Aufsichtsrats eine kaum übersehbare Literatur entstanden, wobei die widersprechendsten Auffassungen vertreten worden sind. An gerichtlichen Entscheidungen sind BayObLG vom 23. 4. 1954 (NJW 54, 1001, O L G Frankfurt/M. vom 9. 9. 1954 (NJW 54, 1596), L G Mannheim vom 24. 8. 1955 (BB 55, 799) u. A G Mannheim vom 6. 7. 1955 (BB 56, 464) zu erwähnen. Sonderregeln über die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats fanden sich in § 10 MitbestG a. F. und § 1 1 MitbestErgG a. F. Für die Rechtslage bis zum Inkrafttreten der Neufassung von § 89 s. Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 10 bis 14, wo auch die einschlägige Literatur und weitere Rechtsprechung angegeben ist. Die Zweifel und Schwierigkeiten entstanden dadurch, daß Vollständigkeit des Aufsichtsrats als Voraussetzung für seine Beschlußfähigkeit und die Innehaltung des Verhältnisses zwischen Aktionär- und Arbeitnehmervertretern (2:1) als starre Norm auch für die Beschlußfähigkeit verlangt wurde. Diese in den zitierten OLG-Entscheidungen vertretene Ansicht zwang die Praxis, ihr Rechnung zu tragen; zu einer Entscheidung des BGH kam es bedauerlicherweise nicht. Die Praxis behalf sich mit der Bestellung von Ersatzmitgliedern des Aufsichtsrats, um Vakanzen im Aufsichtsrat auszuschließen und ständig einen vollbesetzten Aufsichtsrat sicherzustellen, so daß auch ständig ein beschlußfähiger Aufsichtsrat vorhanden war, (dazu zusammenfassend mit Nachweisen Backeberg N J W 1957, 1 0 1 1 ) .

Anm. 3 3. Die jetzt geltende Fassung hat § 89 durch Art. I des G vom 15. 7. 1957 BGBl. I 714), das am ig. 7. 1957 in Kraft getreten ist, erhalten. Durch die Neufassung sind in Abs. 1 die im Zusammenhang mit der Frage nach der Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats aufgetretenen Streitfragen geklärt worden. Beschlußfähigkeit ist unabhängig von der Vollständigkeit des Aufsichtsrats zu beurteilen. Ferner ist die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in den Absätzen 2 bis 6 eingehend und unter Berücksichtigung der sich durch die verschiedenen Mitbestimmungsgesetze ergebenden Rechtslage neu geregelt worden. Hierbei wird die Ergänzung des Aufsichtsrats durch gerichtliche Bestellung zur Herstellung der Beschlußfähigkeit (Abs. 2) und zur Wiederherstellung der Vollständigkeit (Abs. 3 bis 5) scharf geschieden.

Anm. 4 II. Beschlußfähigkeit (Abs. 1) 1. Fehlt eine Regelung der B e s c h l u ß f ä h i g k e i t des Aufsichtsrats im Gesetz oder in der Satzung, so ist der Aufsichtsrat n u r b e s c h l u ß f ä h i g , w e n n m i n d e s t e n s d i e H ä l f t e d e r M i t g l i e d e r , aus d e n e n er n a c h G e s e t z o d e r S a t z u n g i n s g e s a m t zu b e s t e h e n h a t , an der Beschlußfassung teilnimmt, also bei Sitzungen anwesend ist oder bei schriftlicher Abstimmung eine Erklärung abgibt. Eine g e s e t z l i c h e Regelung der Beschlußfähigkeit ist im MitbestG und MitbestErgG getroffen worden (dazu Anm. 5 unten). Für A G , die dem BetrVG unterliegen, sowie für Gesellschaften ohne Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat kann also die Satzung die Beschlußfähigkeit regeln; andernfalls ist sie nur gegeben, wenn die Hälfte der satzungsmäßig vorgesehenen — nicht der tatsächlich vorhandenen — Zahl der Aufsichtsratsmitglieder an der Be-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 89 AUDI. 5—6 schlußfassung teilnimmt (wie hier Auffahrth N J W 1957, 1 7 0 2 ; Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 84, Ziff. 5, vgl. auch B G H 4, 22Öf.). Die Mindest- und Höchstzahlen ergeben sich aus §§ 86 Abs. 1 A k t G , 4, 9 MitbestG, 5, 12 MitbestErgG. Es ist aber n i e m a l s ein beschlußfähiger Aufsichtsrat gegeben, wenn w e n i g e r a l s d r e i M i t g l i e d e r an der Beschlußfassung teilnehmen. Entgegenstehende Satzungsbestimmungen sind nichtig; eine Beschlußfassung von weniger als drei Aufsichtsratsmitgliedern ist unwirksam. Besteht der Aufsichtsrat aus m e h r als drei Mitgliedern, also etwa aus 6, 9 oder 12 Mitgliedern, so ist er also nur beschlußfähig, wenn mindestens 3, 5 oder 6 Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. Die Satzung kann auch bei h ö h e r e n Mitgliedszahlen die Beschlußfähigkeit dahin regeln, daß eine Teilnahme von drei Mitgliedern des Aufsichtsrats genügt. Die Satzung kann auch weitere Bestimmungen hinsichtlich der Beschlußfähigkeit treffen, z. B. Anwesenheit des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters ( O L G Stuttgart, J R . 1933, Nr. 1446) verlangen (über die Stimmabgabe im übrigen s. § 9 2 Anm. i 6 f f . ) . Sehr häufig sind Satzungsbestimmungen, denen zufolge zur Beschlußfähigkeit die Teilnahme von zwei Dritteln der Mitglieder erforderlich ist, bei ausschlaggebendem Stimmrecht des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit. Dadurch wird bei größeren Aufsichtsräten vermieden, daß allein die Arbeitnehmervertreter einen beschlußfähigen Aufsichtsrat bilden oder bei der Abstimmung den Ausschlag geben können. Eine v a r i a b l e Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern darf die Satzung nicht vorsehen (§ 86 Anm. 2); besteht dennoch eine derartige, bei der Umstrittenheit der Frage in der Praxis nicht selten anzutreffende Satzungsbestimmung, so ist für die Berechnung der Beschlußfähigkeit von der Zahl der tatsächlich durch die Hauptversammlung jeweils festgesetzten Zahl auszugehen (Wagner, BB 1957, 7 1 4 ) . Anm. 5 2. Bei A G , die dem M i t b e s t G und dem M i t b e s t E r g G unterliegen, ist kein R a u m für eine die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats regelnde Satzungsbestimmung. Es gelten z w i n g e n d § 10 MitbestG und § 1 1 MitbestErgG (Kötter, MitbestG § 10 Anm. 3 ; Auffahrt a. a. O . ; Kunze-Spieker, BB 1958, 378f.). Die Beschlußfähigkeit ist in den beiden genannten Gesetzen (jeweils in der Fassung des G vom 1 5 . 7 . 1 9 5 7 ) dahingehend geregelt, daß allein bei Teilnahme mindestens der Hälfte der nach Gesetz oder Satzung festgelegten Zahl der Aufsichtsratsmitglieder Beschlußfähigkeit vorliegt. Anm. 5a 3. U b e r die Durchführung der Beschlußfassungen im Aufsichtsrat s. § 92 Anm. 10 bis 20. Anm. 6 4. Eines der Kernstücke der Novelle vom 1 5 . 7 . 1 9 5 7 ist in Satz 4 des Abs. 1 enthalten: danach steht es der Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats nicht entgegen, wenn ihm weniger Mitglieder als die für seine Zusammensetzung durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl angehören. Damit ist durch den Gesetzgeber die bisher bestehende Streitfrage dahin entschieden, daß V o l l s t ä n d i g k e i t nicht Voraussetzung für die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats ist. Auch der Begriff einer besonderen Handlungsfähigkeit des A u f sichtsrats ist damit abgelehnt (vgl. für das frühere Recht Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 13 m. w. N.). J e t z t bestimmt das Gesetz ausdrücklich, daß es der Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats auch nicht entgegensteht, wenn das j e w e i l s v o r g e s c h r i e b e n e V e r h ä l t n i s von A k t i o n ä r s v e r t r e t e r n und A r b e i t n e h m e r v e r t r e t e r n im A u f s i c h t s r a t n i c h t g e w a h r t i s t . K o n s e q u e n t ist damit auch für den Bereich der Beschlußfähigkeit klargestellt, daß beide Gruppen von Aufsichtsratsmitgliedern gleich zu behandeln sind und daß ein besonderes Schutzbedürfnis für die Beteiligten der beiden Gruppen an der Beschlußfassung nicht anerkannt wird. Abs. 1 Satz 4 ist in § 10 MitbestG n. F. und § 1 1 MitbestErgG n. F. darüber hinaus noch ausdrücklich auch hinsichtlich der Gesellschaften, die der qualifizierten Mitbestimmung unterliegen, für anwendbar erklärt worden.

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Anm. 7—10 Anm. 7 5. Handlungsfähigkeit

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Von Kunze-Spieker (BB 1958, 378) ist darauf hingewiesen worden, daß trotz der Regelung des § 89 Abs. 1 Satz 4 der Begriff der Handlungsfähigkeit für den Aufsichtsrat dort noch bedeutsam sei, wo der Aufsichtsrat nicht durch Beschlüsse, sondern auf andere Weise tätig wird, z. B. als Vertreter der A G gem. § 97 bei Abschluß von Rechtsgeschäften mit Vorstandsmitgliedern oder bei Anträgen gem. § 136 Abs. 4 zur gerichtlichen Bestellung von Abschlußprüfern sowie bei Anträgen auf Bestellung von Liquidatoren (§ 206 Abs. 2). Es wird hierbei übersehen, daß der Aufsichtsrat als Kollegium überhaupt nur im Beschlußwege „handelt" (s. auch § 92 Anm. 1 1 ) , also auch die hier erwähnten Maßnahmen „beschließen" muß. Das kann wirksam geschehen, so lange die Beschlußfähigkeit im Sinne von Abs. 1 gegeben ist. Fehlt die nötige Zahl, so kann Notbestellung bereits nach Abs. 2 (nicht nach Abs. 3 — mangelnde Vollständigkeit) erfolgen. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß nicht der G e s a m t a u f s i c h t s r a t auch wesentliche Funktionen, insbesondere die Überwachung der Geschäftsführung und die gesetzliche Vertretung der A G in bestimmten Ausnahmefällen hat (vgl. dazu § 86 Anm. 15; § 92 Anm. 14; § 93 Anm. 4; § 95 Anm. 16); § 89 Abs. 3 n. F. trägt dem Rechnung. Bei fehlender gesetzlicher Vertretung kann u. U . auch § 57 ZPO eingreifen.

Anm. 8 6. Ü b e r g a n g s r e c h t . Da bis zum Inkrafttreten der Neufassung von § 89 wegen der widersprüchlichen Entscheidung der Gerichte und der zahlreichen verschiedenen Auffassungen in der Literatur (s. Anm. 1 oben) eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestand, bestimmt Art. 5 des Gvom 15. 7.1957, daß vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (dem 19.7. 1957) gefaßte Aufsichtsratsbeschlüsse wirksam sind, auch wenn sie nach dem bisherigen Recht von einem nicht beschlußfähigen Aufsichtsrat gefaßt worden sind, sofern nur die Beschlüsse bei Zugrundelegung der Neufassung des § 89 wirksam zustande gekommen sind.

Anm. 9 III. Notbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern 1. Nach dem b i s h e r i g e n R e c h t war eine Notbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nur unter folgenden Voraussetzungen möglich: wenn länger als drei Monate weniger als die zur Beschlußfassung nötige Zahl von Mitgliedern dem Aufsichtsrat angehörte, so waren der Vorstand, jedes Mitglied des Aufsichtsrats und jeder Aktionär berechtigt, beim zuständigen Gericht eine Ergänzung des Aufsichtsrats auf die nach Gesetz oder Satzung zur Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl zu beantragen. Der Vorstand war zur Antragstellung verpflichtet; ausführlich zu § 89 a. F. s. Schmatz W M 1955, 642 ff. Ob § 89 a. F. auch für die Arbeitnehmervertreter galt, war umstritten, wurde aber von der herrschenden Lehre angenommen (s. Baumbach-Hueck Anm. 1).

Anm. 10 2. Ergänzung bei fehlender Beschlußfähigkeit (Abs. 2). Abs. 2 regelt die ge-

richtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern bei F e h l e n d e r z u r B e s c h l u ß f ä h i g k e i t i. S. v o n A b s . 1 e r f o r d e r l i c h e Z a h l , entspricht also insoweit § 89 Abs. 1 a . F . Jedoch ist das Erfordernis, daß dieser Mangel länger als drei Monate besteht, fortgefallen. Damit sind in dieser Hinsicht aufgetretene Zweifelsfragen beseitigt (vgl. Schmatz a. a. O. 647) und ist eine wirksame Möglichkeit geschaffen worden, die Funktionsfahigkeit des Aufsichtsrats zu gewährleisten. Wann der Aufsichtsrat beschlußunfähig ist, ist oben in Anm. 2 ff. erörtert. Bestellt werden kann nach Abs. 2 nur die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl von Mitgliedern. Zur Frage, wen das Gericht zu bestellen hat, s. Anm. 15 fr. unten. Ergänzt werden kann der Aufsichtsrat durch das Gericht nur, wenn ihm die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl der Mitglieder n i c h t a n g e h ö r t . Der bloße Umstand, daß infolge Nichterscheinens vorhandener Mitglieder der Aufsichtsrat beschlußunfähig ist, genügt also nicht. Es kommt vielmehr drauf an, daß die zur Beschlußfassung erforderliche Zahl

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 89 A m n . 11—13 von Mitgliedern nicht vorhanden ist. Doch dürfte dauernde Behinderung, z. B. durch Krankheit, dem Nichtvorhandensein gleichstehen (Baumbach-Hueck Anm. i). A n m . 11 3. Die Ergänzung des beschlußunfähigen Aufsichtsrats erfolgt, wie nach bisherigem Recht, auf Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs, sowie der in Anm. 12 genannten Personen und Gruppen. Jedoch ist die P f l i c h t des Vorstands, einen entsprechenden Antrag zu stellen, dahingehend geändert, daß jetzt dieser Antrag u n v e r z ü g l i c h zu stellen ist. Das gilt jedoch nicht, wenn eine rechtzeitige Ergänzung des Aufsichtsrats (durch Neuwahl, Entsendung oder Nachrücken von Ersatzmännern) vor der nächsten Aufsichtsratsitzung zu erwarten ist; dabei hat der Vorstand die Bestimmungen über die Einberufung des Aufsichtsrats (§94 Abs. 3) zu beachten. Eine Stellung des Antrags durch den Gesamtvorstand ist nicht notwendig; es genügt eine Mitwirkung der zur Vertretung der A G befugten Vorstandsmitglieder. Ein Vorstandsmitglied kann auch gemeinsam mit einem Prokuristen, mit dem er die A G vertreten kann, den Antrag stellen (Schmatz a. a. O. 645 m. w. N.). Da eine Pflicht zur Antragstellung besteht, kann der Vorstand dazu durch Ordnungsstrafen (§ 303 Abs. 1) angehalten werden. Wenn er seiner Pflicht nicht nachkommt, sind auch die vorhandenen Aufsichtsratsmitglieder als zur Stellung des Antrags verpflichtet anzusehen (§86 Anm. 15). Der Vorstand und die vorhandenen Aufsichtsratsmitglieder machen sich, wenn sie ihrer Pflicht nicht nachkommen, unter Umständen schadensersatzpflichtig (§ 84). Eine Strafbarkeit des Vorstands, die nach früherem Recht bestand, ist jedoch mit der Novelle vom 15. 7. 1957 durch Streichung von § 297 Ziff. 1 beseitigt worden. A n m . 12 4. Uber das bisherige Recht hinaus ist der K r e i s der A n t r a g s b e r e c h t i g t e n für die mitbestimmten A G erweitert worden: der Betriebsrat jedes Betriebes, dessen Arbeitnehmer an der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat teilnehmen, der Gesamtbetriebsrat im Sinne von § 46 BetrVG (vgl. § 48 BetrVG; wie hier Wagner BB 1957, 714) oder ein Zehntel der wahlberechtigten Arbeitnehmer oder 100 Arbeitnehmer schlechthin können den Antrag stellen. Darüber hinaus haben nach Abs. 2 Satz 4 auch die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften ein Antragsrecht, wenn ihnen nach § 6 Abs. 3 MitbestG oder § 7 MitbestErgG ein Vorschlags- oder Entsendungsrecht zusteht, und zwar unabhängig davon, ob gerade das von ihnen benannte Mitglied weggefallen ist (Auffahrth NJW 1957, 1703). Das Antragsrecht der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen eine Ergänzung des Aufsichtsrats durch Arbeitnehmervertreter erforderlich ist, sondern besteht auch dann, wenn die erforderliche Zahl der Aktionärsvertreter fehlt. A n m . 13 Ergänzung bei fehlender Vollständigkeit (Abs. 3 und 4). 5. Abweichend von § 89 a. F. ist eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats auch dann möglich, wfenn ihm länger als drei Monate weniger Mitglieder angehören, als die nach Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl, der Aufsichtsrat also unvollständig ist. In d r i n g e n d e n Fällen kann eine Ergänzung des unvollständigen Aufsichtsrats auch schon vor Ablauf der 3-Monatsfrist beantragt werden. Damit ist klargestellt, daß es in erster Linie nach wie vor die Aufgabe der Hauptversammlung bzw. der entsendungsberechtigten Arbeitnehmer oder der Entsendungsberechtigten nach § 88 ist, den Aufsichtsrat zu ergänzen. Durch diese Vorschrift wird jedoch gewährleistet, daß nicht durch Obstruktion oder die Unfähigkeit, eine Wahl durchzuführen, ein dauernd unvollständiger Aufsichtsrat besteht. Auch ermöglicht diese Vorschrift, den Aufsichtsrat auch dann zu ergänzen, wenn zwar Beschlußfähigkeit gegeben ist, aber Voraussetzung für ein Tätigwerden des Aufsichtsrats seine Vollständigkeit ist, etwa Vertretung der AG, wenn der Vorstand Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse erhebt oder Vertretung der A G nach § 97 (s. dort Anm. 2; vgl. auch Anm. 7 oben). Der Kreis der Antragsberechtigten ist der gleiche wie im Abs. 2 (s. Anm. 1 1 und 12 oben). Eine Pflicht zur Antragstellung, wie sie nach Abs. 2 für den Vorstand begründet 40

Aktiengesetz, 2. Aufl.

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Anm. 14—17 ist, besteht bei Unvollständigkeit des Aufsichtsrats n i c h t ; auch durch Ordnungsstrafen kann eine Antragstellung nicht erzwungen werden.

Anm. 14 6. Während Abs. 3 die Ergänzung des nicht vollständigen Ausichtsrats für beteiligungsfreie A G und A G , die dem B e t r V G unterliegen, regelt, enthält A b s . 4 Sondervorschriften hinsichtlich der dem MitbestG und dem MitbestErgG unterliegenden Gesellschaften. A u c h hier kann — auf Antrag — wie nach Abs. 3, ein nicht mehr vollständiger Aufsichtsrat durch das Gericht ergänzt werden und zwar, im Gegensatz zu der Regelung nach Abs. 3, j e d e r z e i t ; die 3-Monatsfrist entfällt. Obgleich Unvollständigkeit auch hier die Beschlußfähigkeit nicht berührt (Anm. 2 Ziff. 2), hält der Gesetzgeber es. für notwendig, bei der qualifizierten Mitbestimmung nicht nur die Beschlußfähigkeit, sondern auch die Vollständigkeit jederzeit zu gewährleisten. Lediglich der sog. e l f t e (fünfzehnte oder einundzwanzigste) M a n n (vgl. §§4 Abs. i c und 9 MitbestG sowie §§5 Abs. i c und 12 MitbestErgG) kann nicht im Wege der Notbestellung berufen werden; insoweit hat es bei dem Verfahren nach § 8 MitbestG bzw. § 5 Abs. 3 MitbestE r g G zu verbleiben.

Anm. 15 IV. Auswahl der Ersatzmitglieder durch das Gericht (Abs. 5). Während schon nach dem bisherigen Recht das Gericht gehalten war, bei Notbestellung die erforderliche Sorgfalt zur Wahrung des zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen Aktionären und Arbeitnehmern bei Besetzung des Aufsichtsrats zu beobachten (Schmatz a. a. O. 647), bestimmt Abs. 5 jetzt ausdrücklich, daß bei Ergänzung eines beschlußunfähigen oder unvollständigen Aufsichtsrats dieser so zu ergänzen ist, daß das vorgeschriebene zahlenmäßige Verhältnis zwischen Aktionärs- und Arbeitnehmervertretern hergestellt wird. Ist nur die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats herzustellen, so kann die Berücksichtigung dieses Verhältnisses im gegebenen Falle nicht möglich sein: dann ist die Gruppenbeteiligung im Aufsichtsrat nur insoweit zu beachten, als die zur Beschlußfähigkeit notwendige Zahl es ermöglicht. Diese Regelung entspricht dem in Abs. 1 Satz 4 ausgesprochenen Grundsatz, wonach eine Verschiebung des gesetzlich vorgeschriebenen Verhältnisses von Aktionärs- und Arbeitnehmervertretern die Beschlußfähigkeit nicht berührt.

Anm. 16 2. Bei Ersetzung eines Aufsichtsratsmitglieds, bei dessen Wahl die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften oder die Betriebsräte ein Vorschlagsrecht haben, ( § 6 Abs. 1 und 3 MitbestG und § 7 MitbestErgG) s o l l das Gericht die Vorschläge dieser Stellen berücksichtigen, allerdings nur dann, wenn nicht der Bestellung des Vorgeschlagenen überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit entgegenstehen, ein Erfordernis, das vom Gericht auch von Amts wegen zu prüfen ist. K e i n Vorschlagsrecht im Sinne dieser Vorschrift hat jedoch der Betriebsrat einer dem B e t r V G unterliegenden A G , da hier nach § 76 Abs. 3 lediglich vom Betriebsrat den allein wahlberechtigten Arbeitnehmern gegenüber Wahlvorschläge gemacht werden, während im Bereich der Montanmitbestimmung die „Wahlvorschläge" der Betriebsräte bzw. der Spitzenorganisationen vom Wahlorgan berücksichtigt werden müssen (Auffahrth N J W 1957, 1705; bestr.). Ebenso soll das Gericht bei Ersetzung eines Mitglieds, das durch Wahlmänner zu wählen wäre (Aufsichtsräte in Konzenunternehmen gem. § 76 Abs. 4 BetrV G oder § 6 MitbestErgG), gemeinsame Wahlvorschläge der Betriebsräte der Konzernunternehmen, in denen Wahlmänner zu wählen sind, berücksichtigen, ohne, außer im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens, an diese Vorschläge gebunden zu sein.

Anm. 17 3. Dagegen ist das Gericht v e r p f l i c h t e t , bei Ersetzung eines Aufsichtsratsmitglieds, das nach Gesetz oder Satzung in p e r s ö n l i c h e r H i n s i c h t besonderen V o r a u s s e t z u n g e n entsprechen muß (hierzu auch Anm. 18 unten), diese Voraussetzungen

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 89 Anm. 18—20 auch bei der Notbestellung zu berücksichtigen, z. B. Beschäftigung als Arbeiter oder Angestellter im Betriebe der AG (§ 76 Abs. 2 Satz 2 ff. BetrVG; hierzu Galperin in Anm. 91b), Sachkunde nach § 4 G über Kapitalanlagegesellschaften. Anm. 18 V. Verfahren Die Bestellung durch das Gericht des Sitzes der Gesellschaft (§ 14) erfolgt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 145 FGG). Das Gericht ist bei der Bestellung im Rahmen des Abs. 5 auch an die von der Satzung verlangten Eigenschaften der Aufsichtsratsmitglieder gebunden, soweit sie nicht die Freiheit der Auswahl unangemessen beschränken (§86 Anm. 6). Macht der Entsendungsberechtigte von seiner Befugnis keinen Gebrauch, so ist das Gericht ebensowenig wie die Hauptversammlung, die in einem solchen Falle in erster Linie für die Ausfüllung der Lücke zu sorgen hat (§88 Anm. 10), an die besonderen Eigenschaften, die die Satzung für die entsandten Mitglieder fordert, gebunden. Der Beschluß wird gemäß § 16 FGG mit der Bekanntmachung an denjenigen wirksam, für welchen er seinem Inhalt nach bestimmt ist. Dies wird das bestellte Aufsichtsratsmitglied oder die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand oder durch ein Aufsichtsratsmitglied, falls dieses den Antrag gestellt hat, sein, bestr.; BGH 6, 232 hält offenbar eine Bekanntmachung allein an den Bestellten für ausreichend (zustimmend Natzel, Die AktGes 1959, 93 [99 fr.], während in der Literatur teilweise jedenfalls Bekanntgabe an die AG verlangt wird, s. Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; BaumbachHueck Anm. 1 C; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3. Die Wirksamkeit des Beschlusses bedeutet nicht notwendig, daß der Bestellte damit schon sein Amt erwirbt. Es bedarf dazu vielmehr noch der Annahme; auch kann es sein, daß erst noch die Voraussetzungen, die die Satzung vorschreibt, wie z. B. Aktienbesitz, erfüllt werden müssen. Sind diese Voraussetzungen gegeben und hat der Bestellte sich schon vorher zur Übernahme des Amts bereit erklärt, so erwirbt er es mit dem Wirksamwerden des gerichtlichen Beschlusses. Eine Pflicht zur Annahme besteht auch hier nicht (vgl. auch L G Siegen in MDR 51, 102). Wegen der B e k a n n t m a c h u n g der Bestellung siehe § 91. Das Gericht entscheidet durch Verfügung (§ 146 Abs. 2 FGG; hiergegen ist sofortige Beschwerde binnen 2 Wochen seit Bekanntgabe an den Antragsteller möglich (§§ 146 Abs. 2, 22 F G G ; vgl. J F G 20, 156). Anm. 19 VI. Rechtsstellung der Bestellten Das gerichtlich bestellte Mitglied hat dieselbe Rechtsstellung und dieselben Pflichten wie ein gewähltes oder entsandtes Aufsichtsratsmitglied. Die Satzung kann hieran grundsätzlich nichts ändern. Die Satzung kann z. B. nicht bestimmen, daß die Ausschüsse des Aufsichtsrats nur aus den von der Hauptversammlung gewählten und den entsandten Mitgliedern gebildet werden dürfen, und dadurch eine Ausschaltung der vom Gericht bestellten Mitglieder versuchen. Das bestellte Mitglied tritt zu der AG in ein A n s t e l l u n g s v e r h ä l t n i s wie in § 87 Anm. 7 dargelegt (s. Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 29) und hat im Zweifel einen Anspruch auf angemessene Vergütung (BGB § 612). Die Satzung kann sie nicht ausschließen. Eine Befugnis des Gerichts, daß das Mitglied bestellt, zur Festsetzung der Vergütung ist im Gesetz nicht vorgesehen und dürfte ohne eine solche Bestimmung nicht anzunehmen sein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 1 G). Anders der Ref.Entw. in § 98 Abs. 6. Anm. 20 VII. Beendigung des Amtes (Abs. 6). 1. Das Amt eines gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds erlischt, sobald das fehlende Aufsichtsratsmitglied von der Hauptversammlung gewählt oder von den Arbeitnehmern oder einem Berechtigten nach § 88 entsandt worden ist. Mit der Neufassung durch die Novelle vom 15. 7. 1957 sind auch hinsichtlich der Amtsbeendigung Zweifelsfragen beseitigt worden, die sich aus § 89 Abs. 2 a. F. ergaben. Es bedarf jetzt keiner Abberufung durch das Gericht; vielmehr ist das A m t k r a f t Gesetzes er40*

621

§ 89 A n m . 21—23

I. Buch: Aktiengesellschaft

§90 l o s c h e n , sobald die jeweiligen Bestellungsorgane den Aufsichtsrat durch Wahl oder Entsendung vervollständigt haben. Der Abs. 6 ist zu Unrecht als nicht eindeutig kritisiert worden, weil er den Fall nicht regele, wenn eine Wahl oder Entsendung ungültig zustande gekommen ist oder angefochten wird (so A u f f a r t h N J W 1957, 1704; Unglaube Die A k t G 1957, 169 [ 1 7 2 ] ; Natzel Betr. 1957, 749). Selbstverständlich tritt ein E r löschen der Bestellung grundsätzlich erst bei rechtgültiger Wahl oder Entsendung ein, entsprechend der Regelung in § 76 für gerichtlich bestellte Vorstandsmitglieder (s. § 76 Anm. 6). I m Ref. Entw. (§ 98 Abs. 5) wird daher zur endgültigen Klarstellung eine dem § 76 entsprechende Fassung vorgeschlagen. I m übrigen gelten auch im Rahmen des § 89 für die Fragen der Gültigkeit der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern die allgemeinen Grundsätze: J e d e s gewählte oder entsandte Aufsichtsratsmitglied ist als ordnungsgemäß und rechtsgültig bestellt anzusehen, solange nicht rechtskräftig das Gegenteil festgestellt wird (s. § 87 Anm. 27 sowie Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 20 und Anh. I Anm. 30 jeweils mit weiteren Nachweisen); das Amt des gerichtlich Bestellten erlischt also in jedem Falle, es sei denn, es liegt eine absolut unwirksame Scheinwahl oder mitbestimmungsrechtlich ein Scheinverfahren vor, das „ d e n Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn trägt".

A n m . 21 2. E i n e A b b e r u f u n g des gerichtlich bestellten Mitglieds durch die Hauptversammlung oder die mitbestimmungsrechtlichen Wahlgremien ist nicht zulässig; nur durch Neuwahl oder Entsendung eines neuen Mitglieds kann eine Amtsbeendigung des gerichtlich bestellten Mitglieds erreicht werden. Dagegen kann das Gericht das von ihm bestellte Aufsichtsratsmitglied auch vor Beendigung des Amtes (entgegen § 18 Abs. 2 F G G ) abberufen, insbesondere wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes in der Person des bestellten Mitglieds (z. B. Wegfall besonderer, nach Gesetz oder Satzung erforderlicher persönlicher Voraussetzungen im Sinne von Abs. 5). Das Abberufungsrecht des Gerichts ist aber nicht von dem Vorliegen eines derartigen wichtigen Grundes abhängig; es genügt ein Wegfall der Voraussetzungen, die zur Bestellung im einzelnen geführt haben (wie hier Schmatz W M 1955, 648; Baumbach-Hueck Anm. 2); vgl. §§ 87 Abs. 2, 88 Abs. 4.

A n m . 22 3. Auch das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied kann, wie jedes andere Aufsichtsratsmitglied, sein A m t n i e d e r l e g e n (Schmatz a. a. O . ; a. A . V o r a u f l . Anm. 5). Ist die Amtsniederlegung unberechtigt, so greifen die allgemeinen Grundsätze ein (dazu § 87 Anm. 21 bis 23).

A n m . 23 4. Die Hauptversammlung oder Entsendungsberechtigte sind durch das Vorhandensein eines gerichtlich bestellten Mitglieds auch dann nicht an der Bestellung eines Mitglieds gehindert, wenn dadurch die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder die gesetzliche oder satzungsmäßige Zahl oder Höchstzahl übersteigt. Die gerichtlich bestellten Mitglieder, deren Amt ohnehin bei Wahl oder Entsendung des oder der fehlenden Mitglieder erlischt, sind i n d i e G e s a m t z a h l d e r M i t g l i e d e r d e s A u f s i c h t s r a t s d e r A G n i c h t e i n z u r e c h n e n (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5). Hingegen ist bei der Berechnung der Zahl der Aufsichtsratsposten, die eine Person gemäß § 86 höchstens bekleiden darf, ein auf gerichtlicher Bestellung beruhender Aufsichtsratsposten mitzurechnen.

§ 9 0 Unverelnbarbeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum A u f s i c h t s r a t (1) Die Aufsichtsratsmitglieder können nicht zugleich Vorstandsmitglieder oder dauernde Vertreter von Vorstandsmitgliedern oder leitende Angestellte der Gesellschaft sein. 622

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 90

Einl., Anm. 1

(2) Nur für einen i m voraus begrenzten Zeitraum kann der Aufsichtsrat einzelne seiner Mitglieder zu Vertretern von behinderten Vorstandsmitgliedern bestellen. In dieser Zeit dürfen sie keine Tätigkeit als Aufslchtsratsmitglied ausüben. Das Wettbewerbsverbot des § 79 gilt für sie nicht. Übersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. 1. Unvereinbarkeit der Stellung von Aufsichtsratsmitglied u n d Vorstandsmitglied 2. Rechtsfolgen bei Berufung von Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat . . . I I . Unvereinbarkeit der Stellung von Aufsichtsratsmitglied und leitendem Angestellten . . . 1. Begriff des leitenden Angestellten 3» Rechtsfolgen bei Berufung von leitenden Angestellten in den Aufsichtsrat . . . 4—5 2. Nicht leitende Angestellte als Aufsichtsratsmitglieder 5a

I I I . Zwingende Regelung

. . .

6

IV. i. Ausnahmen (Abs. a) . . 2. nur für bestimmte Fälle der Behinderung . . . . 3. auch wenn der Aufsichtsrat beschlußunfähig wird . . 4. für einen begrenzten Zeitraum 5. Anmeldung im Handelsregister

11

V. Rechtsstellung der Vertreter behinderter Vorstandsmitglieder

12

V I . Beendigung des Amtes. . .

13

V I I . Vergütungsanspruch

. . .

V I I I . Rechtsnatur des Abs. 2 . . .

7 8 9 10

14 15

Einleitung Die Bestimmung entspricht sachlich mit einigen Abweichungen dem § 248 HGBBeseitigt ist die Bestimmung des § 348 Abs. a insofern, als sie dem zum Stellvertreter eines Vorstandsmitglieds bestellten Aufsichtsratsmitglied verbot, noch nach Beendigung der Vertretung bis zur Entlastung eine Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrats auszuüben. Ferner gilt nicht mehr die Bestimmung des § 248 Abs. 3, nach der ehemalige Vorstandsmitglieder vor der Entlastung nicht in den Aufsichtsrat gewählt werden konnten. Seine jetzige Fassung hat § 90 Abs. 1 durch § 84 Ziff. 3 BetrVG erhalten; durch die Beschränkung auf l e i t e n d e Angestellte (früher Angestellte) wurde der Weg für die Entsendung von Angestellten als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat (vgl. § 76 Abs. 2 Satz 3) frei gemacht.

Anm. 1 I. 1. Ein Aufsichtsratmitglied kann nicht zugleich ordentliches Vorstandsmitglied oder dauernder Vertreter eines solchen sein (Abs. 1 Satz 1). Wird ein

Aufsichtsratsmitglied zu einem ordentlichen Vorstandsmitglied oder zu einem dauernden stellvertretenden Vorstandsmitglied im Sinne des § 85 bestellt, so ist die Bestellung unwirksam, sofern nicht zuvor oder gleichzeitig sein Aufsichtsratsamt endigt. Wenn dem Aufsichtsratsmitglied ein freies Niederlegungsrecht zusteht (s. Anm. 21 zu § 87), wird in der Ü b e r n a h m e des Vorstandsamts eine Niederlegung des Aufsichtsratspostens zu erblicken sein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 2; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1; jetzt auch Baumbach-Hueck Anm. 2). Steht dem Aufsichtsratsmitglied ein Recht zur Niederlegung nur aus wichtigem Grunde zu, so entsteht die Frage, ob das A n g e b o t d e r B e s t e l l u n g z u m V o r s t a n d s m i t g l i e d als w i c h t i g e r G r u n d z u r N i e d e r l e g u n g anzusehen ist. Dies dürfte grundsätzlich zu verneinen sein. Es liegt kein Grund vor, dem Aufsichtsratmitglied, das nicht zur freien Niederlegung seines Amtes berechtigt ist, die Befugnis zuzugestehen, sich ohne den Willen der Hauptversammlung seines Aufsichtsratsamts zu entledigen, u m in den Vorstand einzutreten. Die Hauptversammlung m u ß vielmehr entscheiden, ob sie mit der Niederlegung des Amtes zu diesem Zwecke einverstanden ist.

623

§90

Anm. 2—3a

I. Buch: Aktiengesellschaft

D i e Zustimmung zu der Niederlegung bedarf nur der einfachen Stimmenmehrheit (Anm. ai zu § 87). Abzulehnen ist daher die früher herrschende Lehre (Staub, H G B § 248 Anm. 1), nach der die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zum Vorstandsmitglied wirksam ist und als nachträglich eingetretener Unfähigkeitsgrund das Aufsichtsratsamt zum Erlöschen bringt. Beabsichtigt das Aufsichtsratsmitglied eine Niederlegung seines Amtes nicht, weil es glaubt, beide Ämter gleichzeitig bekleiden zu können, was allerdings praktisch höchstens bei der Bestellung zu einem dauernden stellvertretenden Vorstandsmitglied in Frage kommen dürfte, oder liegen die Voraussetzungen für eine Niederlegung nicht vor, so ist die Bestellung zum Vorstandsmitglied unwirksam (Schlegelberger-Quassowski A n m . 2 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 ; v. Godin-Wilhelmi, Anm. 2 ; Teichmann-Köhler A n m . 1 ; Brodmann H G B § 248 Anm. i b ) . Ist das Aufsichtsratsmitglied jedoch mit Zustimmung des Aufsichtsrats nach außen als stellvertretendes Vorstandsmitglied der A G aufgetreten, so muß die A G gutgläubigen Dritten gegenüber seine Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen, als ob es wirklich Vorstandsmitglied gewesen wäre ( R G in J W 1 9 3 1 , 2985 3 1 ). Obwohl im allgemeinen dieser Grundsatz versagt, wo die Rechtsstellung, welche der Vertreter scheinbar innehat, durch Rechtsgeschäft mit der A G nicht begründet werden könnte (Anm. 27 zu § 87), muß hier mit Rücksicht auf Abs. 2 eine Ausnahme gelten. Nach Abs. 2 kann ein Aufsichtsratsmitglied vorübergehend zum stellvertretenden Vorstandsmitglied bestellt werden. Dem Dritten kann die Nachprüfung nicht zugemutet werden, ob das Aufsichtsratsmitglied dauernd oder vorübergehend zur Vertretung bestellt ist. Z u m a l da die Amtsdauer von nach Abs. 2 wirksam zur vorübergehenden Vertretung bestellter Aufsichtsratsmitglieder regelmäßig im Handelsregister nicht eingetragen wird (dazu A n m . 1 1 unten); eine Nachprüfung kann also von Dritten auch gar nicht erwartet werden.

Anm. 2 2. Wird umgekehrt ein Vorstandsmitglied in den Aufsichtsrat gewählt, so

kann es das Aufsichtsratsamt nur wirksam übernehmen, wenn es zuvor oder gleichzeitig das Vorstandsamt wirksam niederlegt. Für das Vorstandsmitglied dürfte die Wahl in den Aufsichtsrat stets einen wichtigen Grund zur Niederlegung des Vorstandsamts bilden (Baumbach-Hueck Anm. 2). Denn eine Befugnis des Aufsichtsrats, ein Vorstandsmitglied gegen seinen Willen und gegen den Willen der Hauptversammlung im Amte zu halten, würde der Stellung des Aufsichtsrats zu den übrigen Organen der A G nicht gemäß sein.

Anm. 3 II. Die Aufsichtsratsmitglieder können auch nicht leitende Angestellte

d e r G e s e l l s c h a f t s e i n (Abs. 1 Satz 2). Es fallen jedoch unter diese Bestimmung nicht Dienste, die der Gesellschaft von selbständigen Kaufleuten oder Angehörigen freier Berufe geleistet werden, mag es sich hierbei um einzelne Geschäfte oder um eine dauernde Tätigkeit handeln ( K G in J W 1932, 2627). Aufsichtsratsmitglieder dürfen also etwa als Makler, Architekten, Vertrauensärzte für die Gesellschaft tätig werden und als Rechtsanwälte für sie Prozesse führen. Sie können auch ständig Rechtsberater der Gesellschaft sein, wofern sie nicht dabei in einem leitenden Angestelltenverhältnis zu der Gesellschaft stehen (z. T . abw. Ritter Anm. 4 ; Brodmann H G B § 248 Anm. 1 c).

Anm. 3a Der Begriff des leitenden Angestellten ist derselbe wie in § 80 Abs. 1; er bestimmt sich also nicht nach § 4 Abs. 2 c BetrVG, sondern allein nach Aktienrecht (h. M . Baumbach-Hueck Anm. 1 ; Galperin § 84 Anm. 5 m. w. N . ; Dietz B e t r V G , 2. Aufl. § 84 Anm. 2 ; Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 36). Als leitende Angestellte im Sinne von § 90 sind also nur Geschäftsführer und Betriebsleiter, die zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, sowie Prokuristen und Generalbevollmächtigte anzusehen (Näheres in § 8 0 Anm. 2). Der — weitere — Begriff des leitenden Angestellten nach § 4 B e t r V G ist jedoch für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat insofern von Bedeutung, als derartige Angestellte nicht Arbeitnehmer im

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 90 A n m . 4—6 Sinne von § 76 Abs. 2 BetrVG sind und daher nicht in den Aufsichtsrat gewählt werden können (s. Ziff. 4 a der Anm. 4d zu § 86). Das gilt aber nur für die beiden ersten Arbeitnehmervertreter, nicht für die weiteren Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten mit mehr als zwei Arbeitnehmervertretern. Als solche und als Aktionärsvertreter können also auch Angestellte, die nicht angestelltenversicherungspflichtig sind und Vertrauensstellungen bekleiden (§ 4 Abs. 2 c BetrVG) gewählt oder entsandt werden (BaumbachHueck Anm. 1 ; s. auch Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 3 und Anm. 5 Ziff. 2 unten). Anm. 4 a) Ein Rechtsverhältnis, das ein Aufsichtsratsmitglied zum leitenden Angestellten der AG machen würde, kann nicht begründet werden. Eine darauf gerichtete Vereinbarung wäre nichtig. Soll sie wirksam sein, so muß zuvor oder gleichzeitig das Aufsichtsratsamt durch wirksame Niederlegung oder auf sonstige Weise beendet sein. Einen wichtigen Grund zur Niederlegung des Aufsichtsratsamts bildet die Absicht des Vorstands, das Aufsichtsratsmitglied als leitenden Angestellten zu beschäftigen, in der Regel nicht (vgl. Anm. 1). Die Vertretungsmacht des Aufsichtsratsmitgliedes ist jedoch von der Wirksamkeit des Anstellungsverhältnisses unabhängig. Wird das Aufsichtsratsmitglied etwa als Generalbevollmächtigter von der AG beschäftigt, so ist die Vollmacht wirksam; die in ihrem Rahmen namens der AG abgeschlossenen Geschäfte sind für diese verbindlich (vgl. Anm. 1). Daß das Aufsichtsratsamt durch die tatsächliche Beschäftigung als leitender Angestellter erlischt, ist nicht anzunehmen. Der Aufsichtsrat hat aber dafür zu sorgen, daß die Fortsetzung dieser Tätigkeit unterbleibt. Auch als leitender Angestellter selbst tätige Aufsichtsratsmitglied handelt nicht nur auf Grund einer nichtigen Vereinbarung, sondern verletzt zugleich seine Aufsichtsratspflichten und macht sich dadurch schadensersatzpflichtig. Anm. 5 b) Ein leitender Angestellter der AG kann nicht vor Auflösung des Angestelltenverhältnisses Aufsichtsratsmitglied werden. Wird ein leitender Angestellter von der Hauptversammlung zum Aufsichtsratsmitglied gewählt, so kann er das Amt nur annehmen, wenn er spätestens gleichzeitig seine Angestelltenstellung aufgibt. Die Wahl in den Aufsichtsrat wird für den leitenden Angestellten als wichtiger Grund zur Kündigung anzusehen sein (vgl. Anm. 2). A n m . 5a 2. § 90 Abs. 1 a. F. hielt mit dem Amt des Aufsichtsrats jede Angestelltentätigkeit bei der A G für unvereinbar. Die Aufsichtsratsmitglieder sollten nicht in ihrer Eigenschaft als Angestellte dem Vorstand gegenüber weisungsgebunden sein, den sie in seiner Geschäftsführung zu überwachen haben (s. Voraufl. Anm. 3). Die Mitbestimmungsgesetzgebung machte es erforderlich, diesen an sich selbstverständlichen Grundsatz fallen zu lassen (s. dazu Vorbem. zu § 86). Es können daher heute auch als Aktionärsvertreter Angestellte der Gesellschaft in den Aufsichtsrat gewählt werden, sofern sie nur nicht unter den engen Begriff der leitenden Angestellten im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 2 fallen. Für Vorstände und leitende Angestellte abhängiger oder herrschender Unternehmen gilt, anders als in § 80 Abs. 1 Satz 3, die Regelung des § go nicht. 3. Der Ref.Entw. § 99 beläßt es bis auf sprachliche Verbesserungen und Klarstellungen bei der bisherigen Regelung. Anm. 6 III. Die Bestimmung des Abs. 1 ist im öffentlichen Interesse erlassen und zwingender Natur (RG 48, 40 auf S. 47; R G in J W 1931, 298521). Weder durch die Satzung noch durch den übereinstimmenden Willen aller Organe und Aktionäre der AG kann daher Abweichendes bestimmt werden; vgl. jedoch über die Wirksamkeit der nach Abs. I unzulässigen Bestellung gegenüber Dritten Anm. 1 und 4. Sie gilt auch für Abwickler (Baumbach-Hueck Anm. 2).

625

§90

Anm. 7—10

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 7 IV. Eine A u s n a h m e von dem Grundsatze enthält der auf die Novelle zum Handelsgesetzbuch vom Jahre 1884 zurückgehende Abs. 2. D a n a c h k a n n d e r A u f s i c h t s r a t

einzelne seiner Mitglieder zu Vertretern von behinderten Vorstandsmitgliedern bestellen. Die Bestellung darf nur für einen im voraus begrenzten Zeitraum erfolgen.

1. Voraussetzung ist zunächst, daß ein V o r s t a n d s m i t g l i e d behindert ist. Zur Vertretung eines behinderten geschäftsführenden Angestellten darf ein Aufsichtsratsmitglied in keinem Falle bestellt werden. B e h i n d e r u n g s g r u n d kann namentlich Krankheit oder Abwesenheit eines Vorstandsmitglieds sein. Trotz des engeren Wortlauts ist nach der jetzt allgemeinen Ansicht die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zum stellvertretenden Vorstandsmitglied auch zulässig, wenn das Vorstandsmitglied durch Tod, Niederlegung, Abberufung ausgeschieden ist ( K G J 20 A 164 und K G in R J A g , 106) oder eine neu geschaffene Vorstandsstelle noch nicht besetzt ist ( K G in Recht 1927 Nr. 57). Das gleiche wird anzunehmen sein, wenn für eine notwendig zu schaffende neue Vorstandsstelle noch kein geeignetes Vorstandsmitglied gefunden ist. Es genügt immer, daß Vorstandsmitglieder in der von der Satzung vorgeschriebenen Zahl nicht vorhanden oder zur Ausübung ihrer Aufgabe nicht imstande sind ( K G a. a. O.). Die Bestellung eines Aufsichtsratsmitgliedes zum Vertreter eines behinderten Vorstandsmitgliedes wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die in der Satzung vorgesehene Mindestzahl der Vorstandsmitglieder noch vorhanden ist (v. Godin-Wilhelmi Anm. 3 ; Brodmann H G B § 248 Anm. 2 c). Dagegen kann ein Aufsichtsratsmitglied nicht zum Vertreter eines Vorstandsmitglieds bestellt werden, solange genügend dauernde stellvertretende Vorstandsmitglieder im Sinne des § 85 vorhanden sind (SchlegelbergerQuassowski Anm. 7; Baumbach-Hueck Anm. 3). Die Behinderung eines Vorstandsmitglieds muß allgemeiner Natur sein; die rechtliche oder tatsächliche Behinderung an der Vornahme eines einzelnen Geschäfts reicht nicht aus (Schlegelberger-Quassowski a. a. O.; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5; Brodmann H G B § 248 Anm. 2 b).

Anm. 8 2. Unzulässig ist eine Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds zum V e r t r e t e r eines Vorstandsmitglieds f ü r u n b e s t i m m t e F ä l l e der Behinderung ( K G J 15, 30). Es muß feststehen, welches Vorstandsmitglied behindert ist, und der Behinderungsfall oder Mangel muß grundsätzlich bereits eingetreten sein; es genügt aber auch, daß er sicher bevorsteht (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7; v. Godin-Wilhelmi Anm. 3; BaumbachHueck Anm. 3 ; Brodmann H G B § 248 Anm. 2 b ; a. A. K G J 15, 30; Ritter Anm. 5).

Anm. 9 3. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so kann die Bestellung auch dann erfolgen, wenn der A u f s i c h t s r a t durch die Bestellung b e s c h l u ß u n f ä h i g w i r d (KG in J W 1930, 1 4 1 3 1 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; v. Godin-Wilhelmi Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 3 ; Teichmann-Köhler Anm. 2; Brodmann H G B § 248 Anm. 2 c; abw. Staub H G B § 248 Anm. 3). Das gilt uneingeschränkt auch dann, wenn im Aufsichtsrat Arbeitnehmervertreter beteiligt sind (Winden BB 1954, 685). Da der Vorstand das das Unternehmen leitende und ständig tätige Organ ist, ist seine ausreichende Besetzung wichtiger als die vorübergehende Beschlußunfähigkeit des Aufsichtsrats. Ob es in diesem Fall Pflicht der übrigbleibenden Aufsichtsratsmitglieder und des Vorstands ist, bei Gericht unverzüglich die Bestellung eines Vorstandsmitglieds für die Zeit bis zur Behebung des Mangels gemäß § 76 zu beantragen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, zumal § 89 Abs. 2 den Ausweg weist, auch die Beschlußunfähigkeit des Aufsichtsrats für die Übergangszeit zu beheben.

Anm. 10 4. Die Bestellung muß f ü r einen i m v o r a u s b e g r e n z t e n Z e i t r a u m erfolgen, d. h. auf bestimmte Zeit. Die Bestellung darf nicht einfach bis zum Wegfall der Behinderung des Vorstandsmitglieds vorgenommen werden. Nach Ablauf der Zeit, für die das Auf-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 90 A n m . 11, 12 sichtsratsmitglied zum Vertreter eines Vorstandsmitglieds bestellt ist, kann die Dauer der Vertretung von dem Aufsichtsrat verlängert werden, sofern das Vorstandsmitglied immer noch behindert ist, aber wieder nur auf bestimmte Zeit. A n m . 11 5. Die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zum Vertreter eines behinderten Vorstandsmitglieds ist z u m H a n d e l s r e g i s t e r a n z u m e l d e n und e i n z u t r a g e n . Es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Anmeldung der Bestellung eines Vorstandsmitglieds. Der Registerrichter hat grundsätzlich sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen der Anmeldung nachzuprüfen, also namentlich das Vorliegen eines ordnungsmäßigen Aufsichtsratsbeschlusses, die Bestellung für ein bestimmtes behindertes Vorstandsmitglied (Anm. 8), die Bestellung für einen begrenzten Zeitraum und die Übernahme der Vertretung durch das Aufsichtsratsmitglied. Soweit kein Grund zur gegenteiligen Annahme vorliegt, wird aber der Richter von der Richtigkeit der behaupteten Behinderung ausgehen dürfen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 1 ; Brodmann HGB § 248 Anm. 2 e). Die Zeit, für die ein Vorstandsmitglied bestellt wird, wird im allgemeinen nicht ins Handelsregister eingetragen. Ein ausreichender Grund, hier etwas anderes anzunehmen, liegt nicht vor (Ritter Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 3 C ; Staub HGB § 248 Anm. 4; a. A.: Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 1 ; Brodm ann HGB § 248 Anm. 2 e). In der Regel wird die Vertretung nicht mit dem vorgesehenen Zeitraum enden, weil sich die Dauer der Behinderung in den seltensten Fällen vorher genau bestimmen läßt. Vielmehr wird sie entweder vorher durch Wegfall der Behinderung des Vorstandsmitglieds, zu dessen Vertretung das Aufsichtsratsmitglied bestellt ist, ihr Ende finden oder sie wird verlängert werden. Die Vertreter der gegenteiligen Ansicht müßten folgerichtig im Falle der Verlängerung eine erneute Pflicht zur Anmeldung und Eintragung annehmen. Es scheint auch bedenklich, nach Ablauf des Zeitraums den Eintrag als gegenstandslos zu röten und den bloßen Ablauf der Frist einer Eintragung und Bekanntmachung der Beendigung des Amts hinsichtlich der Wirkungen des § 15 HGB gleichzustellen (so Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 1 ) , da doch jedenfalls die Möglichkeit der Verlängerung besteht. Nimmt man dagegen an, daß die Zeit, für die die Vertretung angeordnet ist, nicht mit einzutragen ist, so braucht die Verlängerung nicht zur Eintragung angemeldet zu werden, sondern erst das wirkliche Ende der Vertretung. Es genügt, bei Ablauf des ursprünglich vorgesehenen Zeitraums den Aufsichtsratsbeschluß über die notwendig gewordene Verlängerung einzureichen. Die Anmeldung der Bestellung und ebenso des Endes der Vertretung kann gemäß § 14 HGB durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. A n m . 12 V . Das zum Vertreter des behinderten Vorstandsmitglieds bestellte Aufsichtsratsmitglied erlangt mit der Übernahme der Vertretung die volle rechtliche S t e l l u n g eines V o r s t a n d s m i t g l i e d s . 1. Die Eintragung hat nicht anders als bei der Bestellung ordentlicher Vorstandsmitglieder nicht rechtsbegründende, sondern nur rechtsbekundende Wirkung. Liegen die Voraussetzungen der Vertretung nicht vor oder leidet die Bestellung an einem Mangel, so ist zwar die Bestellung unwirksam; doch wird die Gesellschaft durch Rechtsgeschäfte, die das zum Vertreter eines Vorstandsmitglieds bestellte Aufsichtsratsmitglied in ihrem Namen abgeschlossen hat, gutgläubigen Dritten gegenüber verpflichtet, wie wenn die Bestellung wirksam wäre (RG in J W 1931, 2985 21 ; s. oben Anm. 1). Der Vertreter erlangt grundsätzlich die Stellung desjenigen Vorstandsmitglieds, zu dessen Vertretung er bestellt ist. Er ist in demselben Umfang zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Doch muß eine Beschränkung der Ausübung der Vertretungsmacht in der Form, in der ordentliche Vorstandsmitglieder beschränkt werden können, also insbesondere die Anordnung der Gesamtvertretungsbefugnis, während das vertretene Vorstandsmitglied zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft befugt ist, als zulässig angesehen werden. 2. Ferner kann nicht angenommen werden, daß die E n t s c h e i d u n g s b e f u g n i s des V o r s i t z e r s des Vorstands gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 dem zu seiner Vertretung bestellten Aufsichtsratsmitglied zusteht, da es sich hierbei um ein an die Person gebundenes Recht

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§ 90 A n m . 1 3 — 1 5 §91

I. Buch: Aktiengesellschaft

handelt (Baumbach-Hueck Anm. 3 B). Hingegen kann das zur Vertretung des Vorsitzers bestellte Aufsichtsratsmitglied die sonstigen Befugnisse des Vorsitzers erlangen. Ist jedoch ein anderes Vorstandsmitglied zum stellvertretenden Vorsitzer bestellt, so hat dieses den Vorsitz und die Aufgaben des Vorsitzers zu übernehmen. Der Aufsichtsrat kann auch aus Anlaß des Notwendigwerdens einer Vertretung des Vorsitzers ein anderes Vorstandsmitglied zum stellvertretenden Vorsitzer bestellen. 3. Die zum Vertreter eines Vorstandsmitglieds bestellten Aufsichtsratsmitglieder unterliegen a l l e n P f l i c h t e n d e r V o r s t a n d s m i t g l i e d e r . Es gilt für sie namentlich auch die Bestimmung über die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (§ 80) und die Begrenzung der Bezüge §§ 77, 78. Nur das g e s e t z l i c h e W e t t b e w e r b s v e r b o t des § 79 ist ausdrücklich ausgeschlossen (§90 Abs. 2 Satz 3). 4. Über die Vergütung siehe Anm. 14.

Anm. 13 V I . Für die B e e n d i g u n g des A m t e s des zum vertretenden Vorstandsmitglied bestellten Aufsichtsratsmitglieds gelten zunächst die allgemeinen Bestimmungen über die Beendigung des Vorstandsamts. Insbesondere kann es der Aufsichtsrat unter den Voraussetzungen und mit der Wirkung des § 75 Abs. 3 abberufen (vgl. Brodmann H G B § 248 Anm. 2f.). Außerdem erlischt die Vertretung mangels Verlängerung mit Ablauf der im voraus bestimmten Zeit, ferner mit dem Fortfall der Behinderung des vertretenen Vorstandsmitglieds (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 3 B; Brodmann § 248 Anm. 2 b) und mit dem Ausscheiden des Vertreters aus dem Aufsichtsrat (v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Brodmann H G B § 248 Anm. 2f.).

Anm. 14 V I I . Während der Dauer der Vertretung eines behinderten Vorstandsmitglieds darf das Aufsichtsratsmitglied keine Tätigkeit als solches ausüben. Es scheidet aber nicht aus dem Aufsichtsratsamt aus und behält daher die ihm als Aufsichtsrat zustehende V e r g ü t u n g . Jedoch kann durch die Satzung oder durch Vereinbarung mit dem Aufsichtsratsmitglied etwas anderes bestimmt werden, insbesondere, daß es statt der ihm als Aufsichtsrat zustehenden Vergütung eine besondere Vergütung für seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied erhält (Schlegelberger-Quassowski Anm. 10; Brodmann H G B § 248 Anm. 2d; Staub § 248 Anm. 5). Nach Beendigung der Vertretung kann das Vorstandsmitglied seine Aufsichtsratstätigkeit sogleich wieder aufnehmen. Die Bestimmung, daß es bis zu seiner Entlastung nicht als Aufsichtsratsmitglied tätig sein darf (HGB § 248 Abs. 2 Satz 1), gilt nach dem A k t G nicht mehr.

Anm. 15 V I I I . Abs. 2 ist n i c h t z w i n g e n d e r N a t u r . Die Zulässigkeit der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern zu Vertretern von Vorstandsmitgliedern kann durch die Satzung ausgeschlossen werden (v. Godin-Wilhelmi Anm. 5).

§ 9 1 B e k a n n t m a c h u n g der Ä n d e r u n g e n Im A u f s i c h t s r a t Der Vorstand hat jeden Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen und die Bekanntmachung zum Handelsregister einzureichen. Ü b ersieht Anm.

Einleitung Bekanntmachungspflicht. des Vorstands Wirkung Vorstandsvorsitzer . . .

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1 2 3 4

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 91 A n m . 1—4

§92

Einleitung Die Bestimmung entspricht sachlich dem früheren HGB § 244. Anm. 1 J e d e r W e c h s e l d e r A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r i s t b e k a n n t z u m a c h e n . Bekanntmachungspflichtig ist hiernach jedes Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds und jeder Neueintritt eines Aufsichtsratsmitglieds ohne Rücksicht auf den Grund. Dies gilt in gleicher Weise für die von der Hauptversammlung gewählten, für die von entsendungsberechtigten Aktionären und für die von den Arbeitnehmern entsandten und für die vom Gericht bestellten Aufsichtsratsmitglieder. Der Wechsel muß rechtswirksam erfolgt sein. Insbesondere bedarf es im Falle der Niederlegung der Nachprüfung, ob deren Voraussetzungen gegeben waren ( K G in R J A 12, 40). Eine Verlängerung der Amtszeit ist, da ein Wechsel in der Person nicht vorliegt, nicht bekanntmachungspflichtig, auch nicht die Wiederwahl der Aufsichtsratsmitglieder, deren Amt auf Grund des § 8 E G oder § 89 Abs. 2 BetrVG erlosch. Die Mitglieder des e r s t e n A u f s i c h t s r a t s werden von dem Gericht gemäß § 33 zugleich mit der Eintragung der A G in das Handelsregister bekanntgemacht. Der Wechsel ist dagegen nur v o n d e m V o r s t a n d i n d e n G e s e l l s c h a f t s b l ä t t e r n bekannt zu machen. Enthält die Satzung keine Regelung, so ist das nur der Bundesanzeiger (§ 18). Die Bekanntmachung hat unverzüglich d. h. ohne schuldhaftes Zögern zu geschehen (Baumbach-Hueck Anm. 1 B). Anm. 2 Die Bekanntmachung ist von d e m Vorstand unverzüglich z u m Handelsr e g i s t e r e i n z u r e i c h e n . Eine Eintragung ins Handelsregister erfolgt nicht. Für jede Zweigniederlassung ist ein besonderes Exemplar beizufügen, das von dem Gericht des Sitzes der Gesellschaft dem Gericht der Zweigniederlassung übermittelt wird (§36). Zur Einreichung der Bekanntmachung und daher mittelbar auch zur Bekanntmachung selbst ( R G im Recht 1930 Nr. 903) kann der Vorstand gemäß § 14 H G B durch Ordnungsstrafen angehalten werden. Eine Bekanntgabe nach § 144 Abs. 1 im Geschäftsbericht ist nicht genügend, selbst wenn sie unverzüglich erfolgt (GroschufTDR 43, 8 1 3 ; a. A. K G in D R 43, 812 und Baumbach-Hueck Anm. 1 B). Anm. 3 Über die W i r k u n g der Bekanntmachung und Einreichung trifft das Gesetz keine Bestimmung. Da eine Eintragung und gerichtliche Bekanntmachung nicht erfolgt, findet § 15 H G B keine Anwendung (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 ; v. GodinWilhelmi Anm. 2; Baumbach-Hueck Anm. 1 ; Brodmann H G B § 244 Anm. 1). Es ließe sich erwägen, ob nicht in entsprechender Anwendung der Grundsätze über das Erlöschen der Vollmacht die Vertretungsmacht ausscheidender Aufsichtsratsmitglieder bis zur Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern gutgläubigen Dritten gegenüber als fortbestehend gelten könnte (vgl. Staub H G B § 244 Anm. 2). Jedoch hat die Frage kaum praktische Bedeutung, da der Aufsichtsrat zur Vertretung der Gesellschaft in der Hauptsache dem Vorstand gegenüber befugt ist (§ 97), dieser aber nicht als Dritter angesehen werden könnte und da ferner, soweit der Aufsichtsrat überhaupt die Gesellschaft vertreten kann, grundsätzlich nicht einzelne Mitglieder, sondern nur der Gesamtaufsichtsrat vertretungsberechtigt ist. Anm. 4 Uber die A n m e l d u n g des V o r s i t z e r s z u m H a n d e l s r e g i s t e r siehe § 92 Abs. 1. § 9 3 Innere Ordnung des Auf sichtsrats (1) D e r A u f s i c h t s r a t h a t n a c h n ä h e r e r B e s t i m m u n g der S a t z u n g a u s s e i n e r M i t t e e i n e n V o r s i t z e r u n d m i n d e s t e n s e i n e n Stellvertreter z u w ä h l e n . D e r Vorstand hat z u m Handelsregister anzumelden, wer gewählt ist.

629

§ 92 Elnl.

I- Buch: Aktiengesellschaft

( 2 ) Ü b e r die V e r h a n d l u n g e n u n d B e s c h l ü s s e des A u f s i c h t s r a t s soll eine N i e d e r s c h r i f t a n g e f e r t i g t w e r d e n , die d e r V o r s i t z e r o d e r sein S t e l l v e r t r e t e r zu unterzeichnen hat. ( 3 ) B e s c h l u ß f a s s u n g e n d u r c h s c h r i f t l i c h e S t i m m a b g a b e sind n u r z u l ä s s i g , w e n n kein Mitglied d i e s e m V e r f a h r e n w i d e r s p r i c h t . ( 4 ) D e r A u f s i c h t s r a t k a n n a u s s e i n e r M i t t e einen o d e r m e h r e r e A u s s c h ü s s e bestellen, n a m e n t l i c h z u d e m Z w e c k , seine V e r h a n d l u n g e n u n d B e s c h l ü s s e v o r z u b e r e i t e n o d e r die A u s f ü h r u n g s e i n e r B e s c h l ü s s e z u ü b e r w a c h e n . Übersicht Anm.

Asm.

C) abweichende Satzungsbestimmungen . . . .

Einleitung I 1. Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden (Abs. i) a) gemäß Satzungsbestimmungen . . b) Dauer 2. Anmeldung zum Handels register 3. Aufgaben des Vorsitzers a) nach dem Gesetz . b) nach der Satzung . 4. Stellvertreter des Vorsitzers 5. Widerruf II. Verhandlungen und Beschlüsse des Aufsichtsrats . . 1. Beschlußfassungen durch schriftliche Stimmabgabe (Abs. 3) 2. a) Einberufung des Aufsichtsrats b) Tagesordnung . . . c) weitere Erfordernisse 3. a) Beschlußfähigkeit b) Mehrheitsbeschlüsse

2 3 4 5 6 7 8 9 10

11 12 13 14 15 16

d) nachträgliche Stimmabgabe e) Stimmrecht der Aufsichtsratsmitglieder . . f ) Stimmrechtsausschluß g) Rechtsfolgen fehlerhafter Beschlüsse . . . .

17 18 19 20 20a

III. Niederschrift über Verhandlungen und Beschlüsse (Abs. 2) 21—22 I V . Aufsichtsratsausschüsse (Abs. 4) 1. Satzungsbestimmungen

.

2. Mindestzahl der Ausschußmitglieder 3. Ausschüsse mit entscheidenden Befugnissen . . .

23 24 25 26

4. Zuständigkeiten des Gesamtaufsichtsrats . . . . 5. Grundsätze der Geschäftsordnung der Ausschüsse .

28

6. Haftung der Ausschußmitglieder

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V. R e f o r m b e s t r e b u n g e n . . . .

27

30

Einleitung Die Bestimmung ist n e u in das A k t G 1937 eingefügt worden. Das H G B überließ die Regelung der inneren Ordnung des Aufsichtsrats ganz und gar der Satzung § 244 a, durch die Aktienrechtsnovelle 1931 eingefügt, brachte lediglich Bestimmungen über die Einberufung des Aufsichtsrats (jetzt § 94 Abs. 1 und 2). Die S a t z u n g e n enthielten vielfach eingehende Vorschriften über die Verfassung des Aufsichtsrats und seine Amtsausübung (Schmidt, Umgestaltung der Satzungen Anm. 39 u. Muster A § 25). Die §§"92 ff. des Aktiengesetzes bringen eine Regelung, wie sie vor Inktafttreten des A k t G schon häufig in den Satzungen vorgesehen war. Darüber hinaus hat die durch das BetrVG eingeführte Regelung in § 94 Abs. 3 zwingend das Erfordernis einer Aufsichtsratssitzung im Halbjahr aufgestellt. Die Regelung des § 92 ist keineswegs erschöpfend. Sie beschränkt sich auf Bestimmungen über I. die Wahl eines V o r s i t z e r s des Aufsichtsrats und seines Stellvertreters und deren A n m e l d u n g z u m H a n d e l s r e g i s t e r ,

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 92 Aom. 1, 2 II. die Anfertigung einer Niederschrift von V e r h a n d l u n g e n und Beschlüssen des Aufsichtsrats, III. Beschlußfassung des Aufsichtsrats durch s c h r i f t l i c h e S t i m m a b g a b e , IV. die Bildung von Ausschüssen des Aufsichtsrats und deren Befugnisse. Die Regelung ist zum Teil zwingender Natur (§ 92 Abs. 1 und 3; § 94); im übrigen ist die Gesellschaft in der satzungsmäßigen Ausgestaltung frei. Die Satzung kann auch dem Aufsichtsrat selbst die Festsetzung seiner Geschäftsordnung überlassen oder sich auf Rahmenbestimmungen für eine solche Geschäftsordnung beschränken. In Ermangelung von Satzungsbestimmungen ist der Aufsichtsrat als befugt anzusehen, sich selbst eine Geschäftsordnung zu geben (Möhring-Schwartz, Satzungsgestaltung S. 88; Muster S. 181). Die H a u p t v e r s a m m l u n g kann, soweit sie nicht mit der hierzu erforderlichen Mehrheit durch satzungsändernden Beschluß eine Regelung innerhalb der Satzung gibt, nicht eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats festsetzen und von Fall zu Fall durch einfachen Beschluß ändern. Dagegen würde die vom Gesetz beabsichtigte scharfe Zuständigkeitsabgrenzung sprechen (Vorbem. vor §70). Anm. 1 I. 1. Das Gesetz schreibt die Wahl eines Vorsitzers und mindestens eines Stellvertreters aus der Mitte der Aufsichtsratsmitglieder vor. Die Satzung kann die Wahl des Vorsitzers des Aufsichtsrats und seines Stellvertreters nicht ausschließen. Ebensowenig kann sie bestimmen, daß der Vorsitzer und sein Stellvertreter nicht gewählt, sondern auf eine andere Art bestimmt würden, z. B. von einem zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitgliedes berechtigten Aktionär. Schließlich kann die Satzung auch nicht vorsehen, daß der Vorsitzende und sein Stellvertreter nur aus den Kreis der Aktionärvertreter gewählt werden darf. Die Wahl erfolgt durch den Aufsichtsrat. Auch diese Bestimmung dürfte als zwingend und eine Satzungsbestimmung, nach der die Wahl des Vorsitzers durch die Hauptversammlung erfolgt, als nichtig anzusehen sein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3). Geht man hiervon aus, so wird man auch für den Fall, daß die Wahl'des Vorsitzers im Aufsichtsrat nicht zustandekommt, nicht annehmen können, daß die Hauptversammlung den Vorsitzer zu wählen hat (Ritter Anm. 3; a. A. Baumbach-Hueck Anm. 2; K G DR 41, 502; Dietrich DR 41, 482). Ebenso kann das Registergericht nicht eingreifen (Baumbach-Hueck a. a. O.; a. A. DR 41, 502 und Dietrich a. a. O., die entsprechende Anwendung von § 89 annehmen). J e d e s Aufsichtsratsmitglied kann zum Vorsitzer gewählt werden, auch ein von einem entsendungsberechtigten Aktionär oder von den Arbeitnehmern entsandtes. Nicht zulässig erscheint es, daß die SatzungTselbst den Vorsitzer bestimmt oder die Wahlfreiheit des Aufsichtsrats ausschließt, z. B. durch die Vorschrift, daß jeweils das den Lebensjahren nach älteste Mitglied zu wählen sei. Wohl aber kann die Satzung vorsehen, daß bei Wegfall des Vorsitzers und seines Stellvertreters das der Amtsdauer und sodann dem Lebensalter nach älteste Mitglied die Amtsgeschäfte des Vorsitzers bis zu einer Neuwahl zu versehen hat. Die Arbeitnehmervertreter haben andererseits keinen Anspruch darauf, im Verhältnis ihrer Beteiligung im Aufsichtsrat bei der Wahl des Vorsitzers und der Stellvertreter berücksichtigt zu werden; auch dies widerspräche dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller Aufsichtsratsmitglieder (vgl. für die Frage der Beschlußfähigkeit § 89 Abs. 1 Satz 4); der Aufsichtsrat ist in der Wahl des Vorsitzers und seiner Stellvertreter frei (Vallenthin BB 1958, 272). Für die Beschlußfassung gelten die allgemeinen Grundsätze (s. Anm. 2 und 10ff. unten). Der Aufsichtsrat ist zur Wahl des Vorsitzers und seines Vertreters v e r p f l i c h t e t . Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so macht er sich schadensersatzpflichtig. Kommt die Wahl nicht zustande oder fallen der Vorsitzer und seine Stellvertreter fort, so hat an seiner Stelle der Gesamtaufsichtsrat zu handeln (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3; vgl. § 86 Anm. 15). Jedes einzelne Mitglied ist in einem solchen Falle berechtigt und verpflichtet, für den ordnungsmäßigen Geschäftsgang zu sorgen. Anm. 2 a) Die Wahl erfolgt nach näherer Bestimmung der Satzung. Sie kann das Erfordernis bestimmter Eigenschaften der zu Wählenden aufstellen, die Amtsdauer 631

§92

Anm. 3—5

I. Buch: Aktiengesellschaft

bestimmen (Anm. 3), Vorschriften über den Wahlmodus und die Erfordernisse der Wahl geben. I m Zweifel gelten die Satzungsvorschriften über Aufsichtsratsbeschlüsse auch f ü r die Wahl des Vorsitzers und seiner Stellvertreter. Notwendig ist eine Regelung der Wahl in der Satzung nicht (Schlegelberger-Quassowski A n m . 4). Mangels anderer Bestimmungen erfolgt die Wahl mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit kommt keine Wahl zustande, es sei denn, daß die Satzung für diesen Fall eine nähere Bestimmung, z. B. Entscheidung durch das Los, trifft.

Anm. 3 b) Die Wahl erfolgt im Zweifel für die Zeit, für die der Gewählte zum Aufsichtsratsmitglied bestellt ist. Nach deren Ablauf muß der Vorsitzer neu gewählt werden, auch wenn das Aufsichtsratsamt des bisherigen Vorsitzers verlängert wird. Die Satzung kann andere Bestimmungen über die Amtsdauer treffen. Üblich ist ein J a h r . Der Vorsitz entfällt notwendig auch mit dem Ausscheiden des Vorsitzers aus dem Aufsichtsrat, gleichviel aus welchem Grunde es erfolgt ( R G 73, 237). Die Satzung kann jedoch bestimmen, daß der Vorsitzer bis zur Wahl eines anderen Vorsitzers auch nach Ablauf seiner Wahlzeit im A m t bleibt und zwar auch nach Ablauf seiner Wahlperiode als Mitglied des Aufsichtsrats; eine derartige Bestimmung bedeutet Verlängerung dieser Wahlperiode; sie ist jedoch dahin auszulegen, daß die gesetzlichen Höchstfristen des § 87 f ü r die Amtsdauer des Aufsichtsrats nicht überschritten werden dürfen.

Anm. 4 2. a) Der Vorstand hat zum Handelsregister anzumelden, wer gewählt ist

(Abs. 1 Satz 2). Die Anmeldung erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen durch vertretungsbefugte Vorstandsmitglieder (Anm. 4 ff. zu § 7 1 ) . Eine Eintragung im Handelsregister und eine gerichtliche Bekanntmachung erfolgt nicht. Ebensowenig ist eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern vorgeschrieben (vgl. § 9 1 ) . Der Vorstand kann nach § 14 H G B durch Ordnungsstrafen zu der Anmeldung angehalten werden. Die Pflicht und der Zwang zur Anmeldung hat zur Voraussetzung, daß ein Vorsitzer des Aufsichtsrats gewählt ist. Unterbleibt die Wahl, so ist der Vorstand zwar verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht zu veranlassen; er wird erforderlichenfalls das Einschreiten der Hauptversammlung herbeiführen müssen. Das Ordnungsstrafverfahren dient jedoch nicht zur E r zwingung der Erfüllung dieser Pflicht (v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 , 4 ) . b) Die F o r m d e r A n m e l d u n g ist gewöhnliche S c h r i f t f o r m . Da es sich nicht u m eine Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister handelt, brauchen die Unterschriften der anmeldenden Vorstandsmitglieder nicht gerichtlich oder notarisch beglaubigt zu werden ( K G in J W 1938, 2 2 8 1 ; a. A . L G Frankfurt a. M . in J W 1938, 1397).

Anm. 5 3. Die A u f g a b e n des Vorsitzers des Aufsichtsrats ergeben sich aus der Natur seiner Stellung, aus dem Gesetz und aus der Satzung (vgl. §§ 93, 94, 95, 141 Abs. 3, 1 5 1 , 1 5 5 , 176, 180 sowie Anm. 6f. unten). I m Gegensatz zu dem Vorsitzer des Vorstandes (§ 70) ist die Stellung des Vorsitzers des Aufsichtsrats n i c h t den übrigen Mitgliedern übergeordnet im Sinne der Stellung des Vorstandsvorsitzenden nach § 70 Abs. 2 : er hat bei Meinungsverschiedenheiten nicht zu entscheiden; auch die Satzung darf dies nicht vorsehen. Sie kann ihm aber bei Stimmengleichheit die ausschlaggebende Stimme verleihen. Die Eigenart des Aufsichtsrats als eines gesamtverantwortlichen Uberwachungsorgans schließt die alleinige Entscheidungsgewalt eines einzelnen aus (vgl. auchAnm. 7). Dem Vorsitzer liegt die t a t s ä c h l i c h e L e i t u n g d e r G e s c h ä f t e des Gesamtaufsichtsrats ob; er hat alle Aufgaben und Rechte, die dem Vorsteher eines Kollegiums üblicherweise zukommen (amtliche Begründung; K G J 40 A 88). E r hat insbesondere die Sitzungen des Aufsichtsrats und zwar mindestens einmal im Kalenderhalbjahr und in der Regel einmal im Kalendervierteljahr einzuberufen (vgl. § 94) und zu leiten. Dies schließt nicht aus, daß er im einzelnen Falle den Vorsitz in einer Sitzung einem anderen Aufsichtsratsmitglied überläßt. Nach Abs. 2 hat er oder sein Stellvertreter die Niederschrift über die Sitzung (Anm. 2 1 ) zu unterschreiben. E r hat die Beschlüsse des Aufsichtsrats

632

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 92 A n m . 6—8 a u s z u f ü h r e n , soweit es dazu einer Handlung nach außen bedarf, vorausgesetzt, daß die Ausführung nicht in den Bereich der Geschäfte des Vorstands gehört, und soweit nicht auch nach außen der gesamte Aufsichtsrat handeln muß (vgl. § 97 nebst Anmerkungen). Der Vorsitzer des Aufsichtsrats ist aber nicht ein besonderes Organ der A G (a. A . Ritter Anm. 3 a ; vgl. K G in J F G 1, 234). E r ist im Zweifel ermächtigt, die von dem Aufsichtsrat beschlossenen Erklärungen nach außen abzugeben und für den Aufsichtsrat bestimmte Erklärungen entgegenzunehmen, hat aber keine selbständige Vertretungsbefugnis. Seine Erklärungen binden daher die Gesellschaft nur insoweit, als sie durch einen Beschluß des Gesamtaufsichtsrats gedeckt sind oder nachträglich genehmigt werden ( R G 90, 207). Der Vorsitzer des Aufsichtsrats führt den V e r k e h r z w i s c h e n A u f s i c h t s r a t u n d Vorstand.

Anm. 6 a) Das G e s e t z weist dem Vorsitzer des Aufsichtsrats eine R e i h e b e s o n d e r e r A u f g a b e n und Befugnisse zu. E r kann von der Sitzung eines Ausschusses des Aufsichtsrats Mitglieder, die dem Ausschuß nicht angehören, ausschließen (§ g3 Abs. 3). Ihm ist der Bericht des Vorstands aus wichtigem Anlaß zu erstatten ( § 8 1 ) . Das Recht des Aufsichtsrats, von dem Vorstand jederzeit einen Bericht zu verlangen, kann von einem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats gegen den Willen des Vorstands nur mit Unterstützung des Vorsitzers geltend gemacht werden (§ 95 Abs. 2). Der Vorsitzer des Aufsichtsrats hat ferner gemeinsam mit dem Vorstand den Beschluß der Kapitalerhöhung (§ 1 5 1 ) oder der Kapitalherabsetzung (§ 176) und ebenso die Durchführung dieser Beschlüsse (§§ 1 5 5 , 180) anzumelden. Bei einer A G , die eine Prüfungsgesellschaft ist, dürfen der Vorsitzer des Aufsichtsrats und sein Stellvertreter die von der Gesellschaft erstatteten Prüfungsberichte einsehen ( § 1 4 1 Abs. 3 Satz 2).

Anm. 7 b) Die S a t z u n g kann dem Vorsitzer des Aufsichtsrats noch andere Aufgaben und Befugnisse übertragen. Diese Aufgaben müssen aber immer im Rahmen der grundsätzlichen Stellung des Aufsichtsrats und seines Vorsitzers liegen; die Stellung des Vorsitzers kann nicht entgegen dem Gesetz umgestaltet werden. Es können dem Vorsitzer keine Entscheidungen übertragen werden, die das Gesetz dem Gesamtaufsichtsrat zuweist (amtliche Begründung; K G in J F G 1, 224). Unzulässig wäre die Bestimmung, daß die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats an die Weisungen des Vorsitzers gebunden seien oder daß er bei Meinungsverschiedenheiten im Aufsichtsrat allein zu entscheiden habe (Anm. 5). Unzulässig ist es, dem Vorsitzer Befugnisse, auch wenn sie nicht zwingend dem Gesamtaufsichtsrat vorbehalten sind, zur alleinigen Ausübung zu übertragen (z. B. Bestellung und Abberufung des Vorstands oder Zustimmung zu Rechtsgeschäften des Vorstands gemäß § 9 5 Abs. 5 ; (vgl. § 9 5 Anm. 22). Derartige Satzungsbestimmungen, die das frühere Recht des H G B zuließ, sind ungültig. Das Aktiengesetz gestattet die Übertragung solcher Befugnisse des Aufsichtsrats nicht mehr an einzelne Mitglieder, sondern nur noch an Ausschüsse des Aufsichtsrats (Anm. 23ff.). Als durch die Satzung dem Vorsitzer zu übertragende Aufgabe kommt namentlich die vom Gesetz nicht geregelte L e i t u n g d e r H a u p t v e r s a m m l u n g und die Einberufung der Hauptversammlung (§ 105 Abs. 1 Satz 3 ; s. Anm. 4 daselbst) in Betracht. Ferner ist anzunehmen, daß die Satzung die gesetzliche Vertretungsbefugnis des A u f sichtsrats (§97 Abs. 1) auf den Vorsitzer übertragen kann (Schlegelberger-Quassowski Anm. 9). Die Satzung kann eine S t ä r k u n g d e r S t e l l u n g des Vorsitzers vorsehen. Sie kann bestimmen, daß seine Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt oder die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats von seiner oder seines Stellvertreters Anwesenheit abhängt ( J R 1933 Nr. 1446) oder er und sein Stellvertreter einem Aufsichtsratsausschuß angehören müssen.

Anm. 8 4. Für einen S t e l l v e r t r e t e r d e s V o r s i t z e r s gilt dasselbe wie f ü r den Vorsitzer selbst. Die Satzung kann die Z a h l der Stellvertreter festsetzen. Mangels einer solchen

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§92 Anm. 9—11

I. Buch: Aktiengesellschaft

Bestimmung bleibt es dem Aufsichtsrat überlassen, ob er einen oder mehrere Stellvertreter wählen will. Der Stellvertreter des Vorsitzers ist nicht nur für den Fall der Behinderung bestellt (a. A. Baumbach-Hueck Anm. 2 D; Möhring-Schwartz Satzungsgestaltung S. go). Er wird nicht nur tätig, wenn der Vorsitzer nicht tätig werden kann, sondern immer, wenn der Vorsitzer ihm die Wahrnehmung seiner Aufgaben überläßt. Der Stellvertreter wird grundsätzlich die Aufgaben des Vorsitzers jederzeit wahrnehmen können, sofern dieser sie selbst nicht wahrnimmt. Er ist dann der Vorsitzer des Aufsichtsrats im Sinne des Gesetzes. Er darf auch nicht abwarten, ob der Vorsitzer ihn zur stellvertretenden Amtsführung ruft, sondern muß selbst die Amtsführung übernehmen, wenn er sieht, daß der Vorsitzer nichts tut. Er ist jedoch nicht befugt, tätig zu werden, solange der Vorsitzer seine Amtsgeschäfte erkennbar wahrnimmt (v. Godin-Wilhelmi § 95 Anm. 14c). In verschiedenen Fällen schreibt das Gesetz vor, daß nur der Vorsitzer o d e r der Stellvertreter zu handeln braucht, so bei den Anmeldungen, bei denen die Mitwirkung des Vorsitzers des Aufsichtsrats vorgeschrieben ist (§§ 1 5 1 , 155, 176, 180). Sind mehrere Stellvertreter gewählt, so kann die Satzung oder der Aufsichtsrat darüber Bestimmung treffen, in welcher Reihenfolge sie tätig werden und wie sich sonst ihr Geschäftskreis verteilt. Fehlt hierüber eine Satzungsbestimmung oder ein Aufsichtsratsbeschluß, so muß der Stellvertreter tätig werden, den der Vorsitzer um vertretungsweise Übernahme seiner Amtsgeschäfte bittet. Anm. 9 5. Die Wahl zum Vorsitzer ist mangels einer abweichenden Bestimmung der Satzung widerruflich. Der Widerruf erfolgt ebenso wie die Wahl durch den Aufsichtsrat. Im Zweifel wird einfache Stimmenmehrheit zum Widerruf genügen. Die Satzung kann ihn erschweren oder ausschließen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6). Der Widerruf ist, falls die Satzung nicht Abweichendes bestimmt, nicht dadurch ausgeschlossen, daß dem Vorsitzer eine höhere Vergütung als den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats zusteht. Der Widerruf läßt aber den Anspruch auf die höhere Vergütung unberührt. Der Abberufene verliert diesen Anspruch nur, wenn ein wichtiger Grund zum Widerruf vorlag (a. M. die frühere Auflage). Anm. 10 II. Über die Verhandlungen und Beschlüsse des Aufsichtsrats enthält das AktG nur einzelne Bestimmungen. Die Satzung kann eine nähere Regelung treffen (vgl. Einleitung über die G e s c h ä f t s o r d n u n g f ü r den A u f s i c h t s r a t ) . Zur Ergänzung dienen die Bestimmungen des BGB § 28 i. Verb. m. §§ 32, 34 über die Beschlußfassung des Vereinsvorstandes ( K G J 4a A 164; Ritter Anm. a; Staub HGB § 346 Anm. 14; a. A. Brodmann HGB § 346 Anm. 3 a). Anm. 11 1. Der Aufsichtsrat handelt als Kollegium (§ 86 Anm. 15; § 95 Anm. 4; R G 90, 206). Wo es sich nicht um Aufgaben handelt, die gemäß Abs. 4 in zulässiger Weise einem Ausschuß des Aufsichtsrats übertragen sind oder die ihrer Natur nach ein Tätigwerden einzelner Mitglieder verlangen oder die dem Vorsitzer überwiesen sind (oben Anm. 5f.), hat jedes Mitglied ein Recht auf Mitwirkung, insbesondere auf Teilnahme an der Beschlußfassung. Die Beschlüsse werden in der Regel in Sitzungen gefaßt, in denen über den Gegenstand verhandelt wird. Über nachträgliche Stimmabgabe vgl. Anm. 18. Schriftliche Stimmabgabe ohne Stattfinden einer Sitzung ist zulässig, wenn kein Mitglied widerspricht (Abs. 3). Satzungsbestimmungen, die diese Art der Beschlußfassung in das Ermessen a l l e i n des Vorsitzers stellen, sind ungültig. Anders als nach BGB § 32 Abs. 2 bedarf es im Fall der schriftlichen Abgabe nicht der Zustimmung aller Aufsichtsratsmitglieder (vgl. unten Anm. 18). Eine s t i l l s c h w e i g e n d e Beschlußfassung des Aufsichtsrats ist ausgeschlossen; das Gesetz verlangt eine a u s d r ü c k l i c h e (mündliche oder schriftliche) Stimmabgabe (BGH 10, 194, O L G Hamburg v. 24. 5. 1958 in Die AktG 1959, 22; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6).

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 92 Anm. 12—15 Anders als schriftlich können nicht erschienene Mitglieder ihre Stimme nicht abgeben. Die t e l e p h o n i s c h e Stimmabgabe ist unzulässig (Schlegelberger-Quassowski Anm. 33; Baumbach-Hueck Anm. 3 A ; O L G Hamburg in BB 1952, 43; a. A. Hildebrandt, Die AktG 1957, 5 f. und teilweise v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Die früher üblichen Satzungsbestimmungen, die auch diese Stimmabgabe zuließen, sind nichtig ( K G D R 39, 718). Hingegen ist die telegraphische Stimmabgabe der schriftlichen gleichzustellen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 33; Baumbach-Hueck Anm. 3 C ; Schmidt, Umgestaltung Anm. 3g und Muster A und B § 25; K G in Zeitschr. Ak. f. deutsches Recht 1938, 390). Anm. 12 2. a) Die Einberufung liegt grundsätzlich dem Vorsitzer des Aufsichtsrats ob. Seine Sache ist es auch, die schriftliche Stimmenabgabe zu veranlassen, wenn ihm dies zweckmäßig erscheint. Auch ist der Vorsitzer in erster Linie dafür verantwortlich, daß der Aufsichtsrat mindestens einmal im Kalenderhalbjahr einberufen wird (§ 94 Abs. 3; s. daselbst Anm. 15) und regelmäßig einmal im Vierteljahr. Zu dieser Sitzung muß jedes Mitglied geladen werden (RG 66, 369); bei schriftlicher Beschlußfassung muß jedes Mitglied zur Abgabe der Stimme aufgefordert werden. Nur wenn ein Mitglied unerreichtbar ist, bedarf es der Ladung oder Aufforderung zur schriftlichen Stimmenabgabe nicht (v. Godin-Wilhelmi § 94 Anm. 5). Es muß auch dann allen Mitgliedern Gelegenheit zum Erscheinen und zur Stimmenabgabe gegeben werden, wenn eine für den Beschluß ausreichende Mehrheit der Mitglieder erklärt hat, für den Antrag stimmen zu wollen. Wird hiergegen verstoßen, so kommt ein wirksamer Beschluß nicht zustande (RG a. a. O.). Die Einladung kann in beliebiger Form, auch mündlich, insbesondere telephonisch erfolgen, sofern nicht die Satzung oder die vom Aufsichtsrat selbst festgesetzte Geschäftsordnung eine besondere Form vorschreibt. Das gleiche wird grundsätzlich für die Aufforderung zur schriftlichen Stimmenabgabe zu gelten haben; doch muß der Antrag dem Mitglied bestimmt bekanntgegeben werden (vgl. R G in H R R 1928 Nr. 239), und dies wird in der Regel zuverlässig nur schriftlich geschehen können. Die Einladung muß eine den Umständen nach angemessene Zeit vor der Sitzung erfolgen. Anm. 13 b) Die Einberufung muß ferner die Tagesordnung bekanntgeben (SchlegelbergerQuassowski §94 Anm. 6; v. Godin-Wilhelmi §94 Anm. 5; Baumbach-Hueck §92 Anm. 3 ; Staub H G B § 246 Anm. 14c; vgl. auch K G J 42 A, 165; a. A. O L G Köln in L Z 1 9 1 1 , 232 1 ; O L G Düsseldorf in L Z 1913, 789 1 ; Brodmann HGB § 246 Anm. 3b). Dieses Erfordernis ergibt sich aus BGB § 32 Abs. 1 Satz 2, der hier anwendbar ist (Anm. 10). Die Angaben in der Tagesordnung müssen so genau sein, daß mit den zur Beschlußfassung gestellten Anträgen zu rechnen war. Die Satzung kann abweichende Bestimmungen treffen (BGB § 40). Anm. 14 c) Die Satzung kann w e i t e r e E r f o r d e r n i s s e hinsichtlich der Form, der Zeit und des Ortes der Einberufung aufstellen. Im Zweifel wird nicht anzunehmen sein, daß die Verletzung solcher Bestimmungen die Unwirksamkeit der Beschlüsse nach sich ziehen soll. A n m . 15 3. a) Zur Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats s. § 89 Abs. 1 und daselbst die Anm. 4 bis 8. Es ist die Anwesenheit, bei schriftlicher Stimmenabgabe die Abgabe einer Erklärung zu dem Antrag von mindestens d r e i M i t g l i e d e r n erforderlich (so auch schon für die"Rechtslage vor Inkrafttreten der Neufassung von § 89 durch G vom 15. 7. 1957: Schlegelberger-Quassowski Anm. 22; v. Godin-Wilhelmi § 89 Anm. 2; Staub H G B § 246 Anm. 14g; abw. K G J 42 A, 164 J W 39, 492; Brodmann HGB Art. 246 Anm. 2b; Ritter Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 3. Setzt die Satzung oder das Gesetz (§§4, 9 MitbestG, §§5, 12 MitbestErgG) die Mindestzahl von Aufsichtsratsmitgliedern höher fest, ohne eine niedrigere Zahl als aus41

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§92 Anm. 16—18

I. Buch: Aktiengesellschaft

reichend zur Beschlußfassung zu erklären, so ist zur Beschlußfähigkeit die Anwesenheit von m i n d e s t e n s der H ä l f t e der Aufsichtsratsmitglieder, aus denen der Aufsichtsrat nach Gesetz oder Satzung insgesamt zu bestehen hat, erforderlich. Die Satzung kann auch andere Vorschriften hinsichtlich der Beschlußfähigkeit treffen, z. B. die Anwesenheit des Vorsitzers oder seines Stellvertreters (im einzelnen § 89 Anm. 4). Anm. 16 b) Zur Beschlußfassung bedarf es nicht der Einstimmigkeit, was Brodmann (§ 246 Anm. 3 a) im Ergebnis annimmt. Vielmehr genügt gemäß BGB § 32 Abs. 1 Satz 3 die M e h r h e i t der e r s c h i e n e n e n M i t g l i e d e r (herrschende Lehre). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz für die Beschlußfassung von Kollegien, und es dürfte schwerlich im Sinne des Gesetzes liegen, daß ein widerspenstiges Mitglied den Aufsichtsrat lahmlegen kann. Die von Brodmann angeführten Entscheidungen betreffen andere Fragen und vermögen seine Meinung nicht zu stützen. — Sich der Stimme enthaltende Mitglieder sind nicht mitzurechnen. Maßgebend ist also die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 19). Dies gilt auch bei s c h r i f t l i c h e r S t i m m e n a b g a b e . Die Satzung kann bestimmen, daß bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzers entscheidet. Ohne eine entsprechende Satzungsbestimmung gibt die Stimme des Vorsitzers nicht den Ausschlag (Schlegelberger-Quassowski Anm. 17; Baumbach-Hueck Anm. 3). Ebenso kann bei Stimmengleichheit eine Entscheidung durch das Los nur getroffen werden, wenn die Satzung es vorschreibt. Doch kann jede beliebige Form der Entscheidung gewählt werden, wenn sie die Zustimmung sämtlicher anwesender Aufsichtsratsmitglieder findet. Kommt eine solche Einigung nicht zustande und bestimmt auch die Satzung nichts für den Fall der Stimmengleichheit, so gilt der Antrag als abgelehnt. Wenn es sich um Fragen handelt, die zum ausschließlichen Geschäftsbereich des Aufsichtsrats gehören oder von denen die Hauptversammlung kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, kann auch im Falle der Stimmengleichheit im Aufsichtsrat nicht die Hauptversammlung die Entscheidung treffen. Die Annahme, daß die Hauptversammlung immer einzuberufen ist und zu entscheiden hat, wenn ein Aufsichtsratsbeschluß infolge Stimmengleichheit nicht zustande kommt (so Schlegelberger Anm. 17), geht zu weit. Anm. 17 c) Die Satzung kann nur in beteiligungsfreien A G für bestimmte Beschlüsse eine größere Mehrheit verlangen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 17); bei mitbestimmten A G wäre das eine unzulässige Behinderung der Arbeitnehmervertreter. Keinesfalls dürfen größere Mehrheiten für Beschlüsse verlangt werden, zu deren Fassung der Aufsichtsrat jederzeit in der Lage sein muß, um seine gesetzlichen Aufgaben erfüllen zu können, wie z. B. für die Bestellung und den Wideruf von Vorstandsmitgliedern. M e h r s t i m m r e c h t e für einzelne Aufsichtsratsmitglieder sind unzulässig (BaumbachHueck Anm. 3 B; vgl. auch § 1 1 ; a. A. Ritter Anm. 5); auch würde eine Gewährung von Mehrstimmrechten in Aufsichtsräten mit Arbeitnehmerbeteiligung gegen das jeweils gesetzlich festgelegte Gruppenverhältnis verstoßen; vgl. auch Anm. 19. Anm. 18 d) Wird der Beschluß des Aufsichtsrats in einer Sitzung gefaßt, so ist eine nachträgliche Stimmenabgabe nicht erschienener Mitglieder unwirksam. Doch wird es zulässig sein, daß die anwesenden Mitglieder einstimmig beschließen, die nachträgliche Stimmenabgabe zuzulassen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 19). In diesem Falle muß allen nicht anwesenden Mitgliedern Gelegenheit gegeben werden, nachträglich von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Die Abgabe der Stimme darf keinem Mitglied schwerer gemacht werden als irgendeinem anderen. Wird dieser Grundsatz verletzt, so ist der Beschluß, sofern ihm nicht das benachteiligte Mitglied zustimmt, ebenso unwirksam, wie wenn einem Mitglied keine Gelegenheit gegeben worden wäre, an der Beschlußfassung teilzunehmen. Erfolgt die Stimmabgabe s c h r i f t l i c h , so muß die Erklärung bis zu dem in der Aufforderung angegebenen Termin dem Vorsitzer zugegangen sein. Die Frist darf nicht zu

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 92 Anm. 19—20 a kurz bemessen werden. Fehlt es an einer Fristsetzung, so muß die Stimmabgabe oder der Widerspruch gegen diese Art der Beschlußfassung (Abs. 3) in angemessener Frist erfolgen. Schweigen innerhalb solcher Frist ist Stimmenthaltung. Einer erneuten Aufforderung bedarf es nicht mehr. Ist die Frist verstrichen, ohne daß ein Widerspruch gegen die Abstimmungsart erhoben ist, kann der Vorsitzer das Ergebnis der Beschlußfassung feststellen und die Niederschrift des Beschlusses vornehmen (Abs. 2; unten Anm. 21). Anm. 19 e) Bei der Abstimmung hat jedes Aufsichtsratsmitglied eine Stimme, gleichviel, von wem es in den Aufsichtsrat berufen worden ist. Die Satzung kann, abgesehen von der Bestimmung, daß bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzers den Ausschlag gibt (Anm. 16), nicht bestimmten Mitgliedern ein Vorzugsstimmrecht einräumen (s. auch Anm. 17 oben); v. Godin-Wilhelmi Anm. 6. Auch zugunsten der nach §88 entsandten Mitglieder kann ein solches Vorzugsstimmrecht nicht begründet werden. Wenn das Gesetz bestimmt, daß die Gesamtzahl der entsandten Mitglieder nicht mehr als ein Drittel aller Mitglieder betragen darf (§ 88 Abs. 1 Satz 2), so will es gerade die Möglichkeit eines alleinigen entscheidenden Einflusses der entsandten Mitglieder ausschließen. Unzulässig ist es auch, ein Vetorecht bestimmter Mitglieder zu begründen, Schlegelberger-Quassowski Anm. 18; abw. Vorauflage. Anm. 20 f) Ein Aufsichtsratsmitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlußfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der AG betrifft oder ein echter Interessenwiderstreit gegeben ist (BGB § 34; im Ergebnis übereinstimmend Schlegelberger-Quassowski Anm. 2 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 B und, z. T. weitergehend, Redding in NJW 1956, 48). Bei der Wahl oder dem Widerruf der Wahl des Vorsitzers oder sonstigen die inneren Angelegenheiten des Aufsichtsrats betreffenden Beschlüssen kann das betroffene Mitglied mitstimmen. Das Stimmrecht der nach § 88 entsandten Mitglieder ist nicht ausgeschlossen, wenn der Beschluß ein Rechtsgeschäft oder einen Rechtsstreit mit dem Entsendungsberechtigten zum Gegenstand hat. Sie müssen sich bei der Abstimmung von den Interessen der AG leiten lassen (§ 88 Anm. 16). Stehen sie tatsächlich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Entsendungsberechtigten, so mögen sie sich der Stimme enthalten (ähnlich Schlegelberger-Quassowski a. a. O.). Das gleiche gilt für die in den Aufsichtsrat entsandten Arbeitnehmervertreter (dazu ausführlich und auch zur Frage der Interessenkollision allgemein s. Anm. 4d [insbes. Ziff. b und c] zu § 86). Anm. 20 a g) Uber die Rechtsfolgen fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse sagt das Gesetz nichts. Die für Beschlüsse der Hauptversammlung geltenden Vorschriften über Anfechtbarkeit und Nichtigkeit (§§ 195 fr., 202 ff.) sind nicht anwendbar (v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Es gilt also die Regelung der §§ 28, 32, 34 BGB (Anm. 10) betreffend die Beschlüsse des Vereinsvorstands; nicht ordnungsgemäß gefaßte Beschlüsse sind nichtig (v. Godin-Wilhelmi a . a . O . ; Baumbach-Hueck Anm. 3 A; Schlegelberger-Quassowski Anm. 26). Nichtig sind also Beschlüsse eines nicht beschlußfähigen Aufsichtsrats (dazu Anm. 4 ff. zu §89). Fehlen des vorgeschriebenen zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen Aktionärsvertretern und Arbeitnehmervertretern berührt die Wirksamkeit der Beschlüsse nicht (§ 89 Abs. 1 Satz 4). Dagegen sind Beschlüsse unwirksam, die in Verletzung gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschriften über die Beschlußfassung getroffen worden sind, wie nicht ordnungsgemäße Einberufung (Anm. 12), Fehlen oder nicht rechtzeitige Bekanntgabe einer Tagesordnung (Anm. 13), es sei denn, alle Mitglieder des Aufsichtsrats sind anwesend und stimmen der Tagesordnung nachträglich zu. Das Nichteinhalten bloßer Ordnungsvorschriften (wie Protokollierung gemäß Abs. 2) berührt die Wirksamkeit nicht. Teilnahme fremder Personen an einer Sitzung des Aufsichtsrats ist gleichfalls ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der gefaßten Beschlüsse (dazu §93 Anm. 2). Dagegen sind Beschlüsse unwirksam, wenn an der Beschlußfassung Unbefugte teilgenommen haben und der Beschluß hierdurch zustande ge41*

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§92 Anm. 21, 22

I. Buch: Aktiengesellschaft

kommen ist (BGH 12, 331). Läßt sich jedoch nachweisen, daß auch durch die Teilnahme Unbefugter an der Beschlußfassung eine Möglichkeit der Beeinflussung des Abstimmungsergebnisses nicht gegeben war, dann ist auch in einem solchen Falle der Beschluß als gültig anzusehen (BGH 12, 331fr.; dazu Robert Fischer in L M § 93 AktG Nr. 1, Anm.; a. A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 26; v. Godin-Wilhelmi § g3 Anm. 4). Seine eigene Stimmabgabe kann jedes Mitglied wegen Willensmängeln nach allgemeinen Grundsätzen (Irrtum oder arglistige Täuschung) anfechten (vgl. v. GodinWilhelmi Anm. 6). Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen kann von jedermann jederzeit und auf jede Weise geltend gemacht werden, also auch durch Feststellungsklage oder im Wege der Einwendung im Prozeß. Eine Heilung der Nichtigkeit, wie sie nach §§ ig6 Abs. 2, 202 Abs. 2 gegeben ist, stellt eine Ausnahmeregelung dar, die nicht auf andere Fälle der Nichtigkeit von Beschlüssen ausgedehnt werden kann. Man kann sich also nur im Einzelfall fragen, ob eine über Gebühr verzögerte Geltendmachung der Nichtigkeit noch eine zulässige Rechtsausübung darstellt. Anm. 21 III. Das Gesetz schreibt in Abs. 2 (nicht zwingend) die Anfertigung einer Niederschrift über die Verhandlungen und Beschlüsse des Aufsichtsrats vor. Die Niederschrift ist von dem V o r s i t z e r oder seinem S t e l l v e r t r e t e r zu u n t e r z e i c h n e n , der damit die Verantwortlichkeit für ihre Richtigkeit übernimmt. Hat weder der Vorsitzer noch sein Stellvertreter an der Sitzung teilgenommen, so hat der von den Anwesenden zu wählende Vorsitzer der Sitzung die Unterschrift zu leisten (Baumbach-Hueck Anm. 4). Einfache Schriftform genügt, auch wenn der Beschluß Grundlage für eine Anmeldung zum Handelsregister ist (z. B. bei Satzungsänderungen, die nur die Fassung betreffen, oder bei Bestellung des Vorstands). Die Satzung kann aber das Erfordernis notarischer Beurkundung aufstellen (vgl. Schmidt, Umgestaltung Anm. 72 b). Die Niederschrift wird Auskunft über die Anwesenden, über den Gegenstand der Verhandlungen, über das Ergebnis der Abstimmungen geben und die gestellten Anträge, insbesondere die angenommenen, aber nicht nur diese, im Wortlaut anfuhren müssen. Auch über das Ergebnis einer Beschlußfassung im Wege der schriftlichen Stimmabgabe ist eine Niederschrift anzufertigen. Diese muß Angaben darüber enthalten, daß und wie die Aufsichtsratsmitglieder zur Stimmenabgabe aufgefordert worden sind, welche Mitglieder ihre Stimme abgegeben haben und welches das Ergebnis der Abstimmung ist. Auch diese Niederschrift muß den zur Abstimmung gestellten Antrag wörtlich wiedergeben. Wird in der Niederschrift ein u n r i c h t i g e s Ergebnis der Beschlußfassung festgestellt, so ist n i c h t dieses unrichtige Ergebnis und seine Verkündung durch den Vorsitzer maßgebend, sondern das wahre Abstimmungsergebnis; unrichtige Niederschriften sind formlos zu berichtigen (Seipp, NJW 54, 1833). Anm. 22 Die Anfertigung der Niederschrift ist n i c h t G ü l t i g k e i t s e r f o r d e r n i s für die Beschlüsse (ebenso Möhring-Schwartz, Satzungsgestaltung S. 95). Anders, wenn die Satzung notarische Beurkundung vorschreibt (Anm. 21). Abgesehen hiervon ist die Niederschrift eine bloße Beweisurkunde. Welcher Beweiswert ihr zukommt, ist Tatfrage. Sie ist keine öffentliche Urkunde, sofern nicht die Form einer solchen gewahrt ist. Falls ihr nicht offensichtliche Mängel anhaften, wird eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der in ihr enthaltenen Angaben sprechen. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat ein Recht auf Einsicht und Erteilung einer Abschrift (Schlegelberger-Quassowski Anm. 16; Baumbach-Hueck Anm. 4). Wird die Pflicht zur Anfertigung einer Niederschrift verletzt oder mangelhaft erfüllt, so ist der Vorsitzer oder sein Stellvertreter schadensersatzpflichtig (Baumbach-Hueck Anm. 4; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 3 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5), weil ein sicherer Nachweis der gefaßten Beschlüsse fehlt.

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§ 92

Anm. 23

Anm. 23 IV. Der Aufsichtsrat kann aus seiner Mitte einen oder mehrere Ausschüsse

b e s t e l l e n (Abs. 4). Die Bestellung erfolgt also durch den Aufsichtsrat selbst. Es bedarf zur Bildung eines Ausschusses eines ordnungsmäßigen Aufsichtsratsbeschlusses, f ü r dessen Zustandekommen die allgemeinen Grundsätze gelten. Es wird zulässig sein, daß die Satzung für diesen Beschluß eine besondere Mehrheit vorschreibt. Eine solche Bestimmung kann im Interesse der entsandten Mitglieder getroffen werden, um der Mehrheit die Möglichkeit zu nehmen, die entsandten Mitglieder dadurch weitgehend auszuschalten, daß Ausschüsse gebildet werden, denen sie nicht angehören. Ein Sonderrecht eines entsendungsberechtigten Aktionärs darauf, daß das von ihm entsandte Mitglied bestimmten Ausschüssen angehören muß, kann nicht begründet werden, da dadurch die Gleichstellung der verschiedenen Aufsichtsratsmitglieder beseitigt würde. Ebenso haben die nach dem BetrVG oder den Montan-Mitbestimmungsgesetzen entsandten A r b e i t n e h m e r v e r t r e t e r kein Recht auf Wahl in die Ausschüsse oder auf eine Beteiligung in allen Ausschüssen im Verhältnis ihrer Beteiligung am Aufsichtsrat (allg. Ansicht; Baumbach-Hueck Anm. 5 C und Anh. § 86 Anm. 7 A ; Galperin § 76 A n m . 6 f f . ; Samson Die A k t G 1957, 7 3 ; Vallenthin BB 1958, 272 jeweils mit weiteren Nachweisen). Nur ein grundsätzlicher und mißbräuchlicher Ausschluß der Arbeitnehmervertreter von allen wichtigen Ausschüssen würde gegen Geist und Zweck der gesetzlichen Mitbestimmung verstoßen; entsprechende Aufsichtsratsbeschlüsse sind daher nichtig ( R G 107, 2 2 1 , 2 2 5 f f . und Anm. von Mylord, J W 1924, 1 1 4 7 ; Baumbach-Hueck a. a. O . ; Samson a. a. O . ; Vallenthin a. a. O . ; Galperin A n m . 7). Auch würde ein völliger Ausschluß der Arbeitnehmervertreter von jeder Ausschußarbeit eine verbotene und strafbare Behinderung der Arbeitnehmervertreter bei der Ausübung ihrer Befugnisse darstellen (§§ 76 Abs. 2 Satz 5, 53 Abs. 1, 78 Abs. 1 b B e t r V G ) . Es wird daher verlangt werden müssen, daß jedenfalls in den sozialpolitischen Ausschüssen auch Arbeitnehmervertreter beteiligt werden. Dagegen gilt das für die sog. entscheidenden Ausschüsse (Anm. 26) nicht: auch die Bestellung in diese Ausschüsse erfolgt unter völliger Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder (vgl. §¿89 Abs. 1 Satz 4) durch den Gesamtaufsichtsrat, und zwar regelmäßig durch einen mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschluß. Einen Rechtsanspruch auf Teilnahme haben auch hier weder die Arbeitnehmervertreter noch ein einzelnes, von der Hauptversammlung gewähltes oder nach § 88 entsandtes Mitglied (zweifelnd^für die Arbeitnehmervertreter Galperin A n m . 8 b); denn allein ein mißbräuchlicher Ausschluß der Arbeitnehmervertreter von der Teilnahme an den Aufsichtsratsausschüssen ist unzulässig — von einem solchen kann aber nicht gesprochen werden, wenn auch in einzelne, entscheidende Ausschüsse (etwa den Personalausschuß, dazu Vallenthin a. a. O.) keine Arbeitnehmervertreter bestellt werden. Ebenso, wie es z. B. naheliegend sein wird, einen Vertreter der Konkurrenz nicht in den Finanzausschuß zu wählen, so ist es verständlich, wenn Ausschüsse, die die Personalangelegenheiten des Vorstands behandeln, der unmittelbaren Dienstvorgesetzten der Arbeitnehmervertreter also, nicht mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden. Uber die Teilnahme von nicht einem Ausschuß angehörenden Aufsichtsratsmitgliedern an Ausschußsitzungen s. § 93 Anm. 2 und daselbst Anm. 4fr. Der Aufsichtsrat wählt bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmung mit einfacher Mehrheit aus seiner Mitte die Ausschußmitglieder. Zulässig dürfte eine Satzungsbestimmung sein, nach der jedem Ausschuß sowohl gewählte als auch nach § 88 oder von den Arbeitnehmern entsandte Mitglieder angehören müssen; ebenso die Bestimmung, daß zwischen den gewählten und den entsandten Mitgliedern der Ausschüsse oder eines bestimmten Ausschusses ein bestimmtes zahlenmäßiges Verhältnis bestehen muß. J e d o c h werden gemäß dem Grundgedanken des § 88 Abs. 1 Satz 2 und des B e t r V G den entsandten Mitgliedern nicht mehr als ein Drittel der Sitze in jedem Ausschuß vorbehalten werden können. Solche Satzungsbestimmungen können nach den allgemeinen f ü r Sattungsänderungen geltenden Grundsätzen geändert werden; der Zustimmung der entsendungsberechtigten Aktionäre oder der jeweiligen Wahlgremien der Arbeitnehmervertreter bedarf es nicht. Zulässig wird ferner die Bestimmung sein, daß jedem Ausschuß der Vorsitzer des Aufsichtsrats oder einer seiner Stellvertreter angehören muß.

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§92

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Anm. 24—26 Anm. 24 1. Die Satzung

kann die Bildung von Ausschüssen vorsehen (Ritter A n m . 6; Baumbach-Hueck Anm. 5 A ; a. A . v. Godin-Wilhelmi Anm. 7). Die Befugnis des Aufsichtsrats, seine ihm durch das Gesetz zugewiesenen Aufgaben als Gesamtkörperschaft auszuüben, wird jedoch durch eine solche Bestimmung nicht berührt (SchlegelbergerQuassowski A n m . 39; Baumbach-Hueck Anm. 5 B ; vgl. im übrigen Anm. 26). Die Satzung kann daher für d i e s e Aufgaben die Bildung von Ausschüssen n i c h t z w i n g e n d vorschreiben. Es muß dem Aufsichtsrat in Anbetracht der ihm auferlegten Verantwortung überlassen bleiben, ob er seine gesetzlichen Aufgaben als Gesamtkörperschaft oder durch Ausschüsse erfüllen will (vgl. auch Anm. 27). Nur soweit die Satzung dem A u f sichtsrat über die gesetzlichen Aufgaben hinaus b e s o n d e r e A u f g a b e n zuweist, kann sie sie einem Ausschuß unter Ausschluß des Gesamtaufsichtsrats übertragen (Schlegelberger-Quassowski a. a. O.).

Anm. 25 2. Wie viele und welche Ausschüsse gebildet werden, bestimmt der Aufsichtsrat selbst. A u c h hierfür kann die Satzung, soweit es sich um gesetzliche Aufgaben (z. B. § 75) handelt, nur Sollvorschriften geben. Der Aufsichtsrat bestimmt auch die Z a h l der Ausschußmitglieder. Es liegt im Begriff des Ausschusses, daß mindestens zwei Mitglieder vorhanden sein müssen (vgl. dazu § 9 5 Abs. 3), h. A . ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 7 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7 ; Baumbach-Hueck Anm. 5 A ; v. Gierke Die A k t G 1957, 75; a. A . Frels Die A k t G 1957, 9; 1958, 232. Sieht die Satzung vor, daß in dem Ausschuß verschiedene Gruppen von Aufsichtsratsmitgliedern in einem bestimmten Verhältnis vertreten sein sollen (Anm. 23), so müssen dem Ausschuß so viel Mitglieder angehören, wie zur Wahrung dieses Verhältnisses erforderlich sind. Soweit dem Ausschuß entscheidende Befugnisse übertragen sind, muß der Grundsatz, daß der Aufsichtsrat nur bei Anwesenheit von mindestens 3 Mitgliedern beschlußfähig ist (§ 89 Abs. 1 ; s. oben Anm. 15), auch für den Ausschuß gelten (a. A . Möhring-Schwartz, Satzungsgestaltung S. 97; Frels a. a. O. 1957, 1 1 ; Ritter Anm. 6). Die Ü b e r t r a g u n g von Aufgaben des Gesamtaufsichtsrats an Ausschüsse ist zugelassen, weil der Gesamtaufsichtsrat f ü r die Erledigung mancher Aufgaben leicht ein zu schwerfälliges Organ sein kann; mit der Frage, wieviel Mitglieder das Gesetz mindestens zur Fassung der von hm dem Aufsichtsrat übertragenen Entscheidung verlangt, hat dies nichts zu tun.

Anm. 26 3. Hinsichtlich der Aufgaben der Ausschüsse nennt das Gesetz nur beispielsweise die Vorbereitung von Verhandlungen und Beschlüssen des Aufsichtsrats oder die Uberwachung der Ausführung seiner Beschlüsse. I m Anschluß an die amtliche Begründung ist jedoch nach allgemeiner Ansicht anzunehmen, daß einem Ausschuß auch entscheidende Befugnisse übertragen werden können. Der Aufsichtsrat kann daher in sehr weitem Umfange seine Aufgaben Ausschüssen überweisen. Die Satzung kann dieses Recht des Aufsichtsrats nicht ausschließen. K a n n der Aufsichtsrat die wichtigen ihm vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben einem Ausschuß übertragen, so muß dasselbe auch für die an Bedeutung dahinter zurückstehenden Aufgaben, die ihm die Satzung zuweist, gelten (a. A . Schlegelberger-Quassowski Anm. 40). Das Reichsgericht hat ferner ausgesprochen, daß nur die „Mindestbefugnisse" des H G B § 246 nicht einem Ausschuß übertragen werden können ( R G in J W 1924, 1 1 4 4 1 1 ; vgl. O L G Dresden in J F G 1, 227; vgl. Schmidt, Umgestaltung Anm. 1 1 und Muster A § 2 7 ) . Dasselbe ist f ü r das geltende Recht anzunehmen (Baumbach-Hueck Anm. 5 B ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 1 ; Teichmann-Köhler Anm. 4). Daher können die in den §§95, 96, 1 2 5 dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben, nämlich die Überwachung der Geschäftsführung (Anm. 4 zu § 95), Einberufung der Hauptversammlung (Anm. 16 zu § 95), die Prüfung des Jahresabschlusses (Anm. 2 zu § 96), des Vorschlags über die Gewinnverteilung und des Geschäftsberichts nebst dem Bericht an die Hauptversammlung sowie die Entscheidung über den Jahresabschluß nicht einem Ausschuß übertragen werden; (a. A . v . Godin-Wilhelmi, A n m . 7, die im Rahmen der Sorgfaltspflicht nach § 99 alle Aufgaben für übertragbar halten). Ferner wird einem Ausschuß nicht eine Entscheidung über-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 92 A n m . 27—30 lassen werden können, die den Gesamtaufsichtsrat selbst betrifft, insbesondere nicht die Wahl des Vorsitzers und seiner Stellvertreter, die Festsetzung einer Geschäftsordnung, die Bildung von Ausschüssen. Sämtliche übrigen Aufgaben kann der Aufsichtsrat einem Ausschuß übertragen, selbst so wichtige Entscheidungen wie die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder, die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder und die dem Aufsichtsrat vorbehaltene Zustimmung zu Rechtsgeschäften des Vorstands (§95 Abs. 5); a. A. Samson in DieAktG 1957, 73 f. Anm. 27 4. Durch die Überweisung einer Aufgabe an einen Ausschuß wird die Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrats nicht ausgeschlossen. Vielmehr ist dieser jederzeit berechtigt, die betreffende Aufgabe an sich zu ziehen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4a). Ausgenommen sind nur diejenigen Aufgaben, die nicht das Gesetz, sondern die Satzung begründet und einem Ausschuß zuweist (Anm. 24). Anm. 28 5. Für die Erledigung der Geschäfte der Ausschüsse gelten die gleichen Grundsätze wie für die Geschäftsführung des Gesamtaufsichtsrats. Dies gilt insbesondere für die Einberufung der Ausschüsse, das Zustandekommen von Beschlüssen und die Notwendigkeit einer Niederschrift. Daß zur Ausübung entscheidender Beschlüsse mindestens drei Mitglieder anwesend sein müssen, wurde schon erwähnt (Anm. 25). Die Anwesenheit oder die Teilnahme von mindestens drei Mitgliedern an einer schriftlichen Stimmenabgabe wird mangels einer abweichenden Bestimmung der Satzung oder der Geschäftsordnung auch dann ausreichend sein, wenn die Beschlußfähigkeit des Gesamtaufsichtsrats die Beteiligung einer größeren Zahl oder sämtlicher Mitglieder erfordert. Soweit es sich nicht um die Ausübung entscheidender Befugnisse handelt, wird für Beschlüsse eines Ausschusses die Anwesenheit von zwei Mitgliedern ausreichend sein. Sonstige Handlungen wie z. B. die Vorbereitung und Überwachung der Durchführung von Aufsichtsratsbeschlüssen wird auch ein einzelnes Ausschußmitglied vornehmen dürfen. Dabei ist immer vorausgesetzt, daß den übrigen Ausschußmitgliedern in ordnungsmäßiger Weise Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben worden ist. Anm. 29 6. Die Bedeutung der Bildung von Ausschüssen für die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder ergibt sich daraus, daß eine Aufgabe durch ihre ordnungsmäßige Überweisung an einen Ausschuß den dem Ausschuß nicht angehörenden Mitgliedern abgenommen ist; wie hier Baumbach-Hueck Anm. 5 B; Teichmann-Köhler Anm.4; a.A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 45 und Ritter Anm. 6 sowie teilweise v. Godin-Wilhelmi Anm. 7. Der Gesamtaufsichtsrat hat jedoch die Tätigkeit der Ausschüsse zu überwachen, indem er sich von ihnen Bericht erstatten läßt (Baumbach-Hueck a. a. O.). Die dem Ausschuß nicht angehörenden Mitglieder des Aufsichtsrats haften nur bei Verletzung dieser Pflicht oder der Pflicht zur sorgfältigen Auswahl der Ausschußmitglieder (Teichmann-Köhler a. a. O.). Aufgaben, die die Satzung begründet und einem Ausschuß des Aufsichtsrats zuweist, liegen nicht dem Gesamtaufsichtsrat ob. Hier besteht daher keine Verpflichtung zur Überwachung des Ausschusses, deren Nichterfüllung eine Schadensersatzpflicht der übrigen Aufsichtsratsmitglieder begründen könnte (RG 93, 338).

Anm. 30 V. Reformbestrebungen Der Ref.-Entw. behält im Prinzip die geltende Regelung des § 92 bei. In § 101 Abs. 1 (entsprechend dem § 92 Abs. 1) wird nur ausdrücklich gesagt, daß der Stellvertreter des Vorsitzers dessen Rechte und Pflichten nur hat, wenn der Vorsitzer behindert ist; damit entscheidet sich der Entwurf gegen die hier für das geltende Recht vertretende Auffassung (vgl. Anm. 8). Die Anfertigung einer Niederschrift ist gemäß § 101 Abs. 2 Ref.-Entw. zwingend vorgesehen (anders das geltende Recht, vgl. Anm. 21). In Erweiterung von § 92 Abs. 3 sieht der Entwurf in § 102 Abs. 3 außer schriftlicher und telegra641

§ 93

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1 phischer auch telephonische Abstimmung vor (anders Anm. 1 1 ) , wenn kein Aufsichtsratsmitglied widerspricht. Entsprechend § 92 Abs. 4 findet sich auch im Ref.-Entw. die Regelung über die Bildung von Ausschüssen zum Zwecke der Vorbereitung oder Überwachung von Aufsichtsratsbeschlüssen (§ 101 Abs. 3 Ref.-Entw.; Einzelheiten bei Frels, Die A k t G 1959, 44fr.). Ausdrücklich heißt es weiterhin jedoch, daß e n t s c h e i d e n d e Befugnisse des Aufsichtsrats hinsichtlich bestimmter, im einzelnen aufgeführter Maßnahmen nicht einem Ausschuß übertragen werden dürfen (ähnlich für das geltende Recht Anm. 26 oben).

§ 9 3 T e i l n a h m e an S i t z u n g e n des A u f s i c h t s r a t s und s e i n e r A u s s c h ü s s e (1) An den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse sollen Personen, die weder dem Aufsichtsrat noch dem Vorstand angehören, nicht teilnehmen. Sachverständige und Auskunftspersonen können zur Beratung über einzelne Gegenstände zugezogen werden. (2) Aufsichtsratsmitglieder, die dem Ausschuß nicht angehören, können an den Ausschußsitzungen teilnehmen, wenn die Satzung oder der Vorsitzer des Aufsichtsrats nichts anderes bestimmt. (3) Die Satzung kann zulassen, daß an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, an Stelle von Aufsichtsratsmitgliedern teilnehmen können, wenn sie von diesen hierzu schriftlich ermächtigt sind. Sie können auch schriftliche Stimmabgaben der Aufsichtsratsmitglieder überreichen. Diese Vorschriften gelten nicht für den Vorsitzer des Aufsichtsrats und seine Stellvertreter. (4) Abweichende gesetzliche Vorschriften bleiben unberührt. Übersicht Einleitung I. 1. Teilnahme an Aufsichtsrats und Ausschußsitzungen (Abs. 1) 2. zwingende Regelung . . . 3. Recht zur Teilnahme . . . I I . 1 Teilnahmerecht von Nichtmit gliedern an Ausschußsitzun gen (Abs. 2) Satzungsbestimmungen . . Untersagung durch den V o r sitzer

4. Recht auf Auskunft

. . . .

6a

I I I . 1. Vertretung durch Dritte (Abs. 3) 7 2. Rechtsstellung des Vertreters . 8 3. bei schriftlicher Abstimmung . 9 4. Ausnahmeregelung für den Vorsitzer und die Stellvertreter . 10 5 Satzungsbestimmungen . . . 1 1 I V . Abweichende gesetzliche Vorschriften (Abs. 4)

12

Anm. 1 Die Bestimmung ist neu in das A k t G 1937 eingefügt worden (vgl. auch § 92 Einleitung). Der Ref.-Entw. (§§ 103, 102 Abs. 2) beläßt es bei der bisherigen Regelung. I. 1 . Abs. 1 begrenzt den Kreis der Personen, die an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse teilnehmen dürfen. Die Bestimmung will verhindern, daß in Gestalt von Beiräten, die an den Aufsichtsratssitzungen teilzunehmen berechtigt sind, die Bestimmung des § 86 über die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder umgangen wird. O h n e R ü c k s i c h t a u f d e n G e g e n s t a n d d e r B e r a t u n g dürfen nach Satz 1 an den Sitzungen nur Aufsichtsratsmitglieder und Vorstandsmitglieder teilnehmen. Z u r B e r a t u n g ü b e r e i n z e l n e , d. h. bestimmte, G e g e n s t ä n d e können nach Satz 2 Sachverständige und Auskunftspersonen zugezogen werden. Der Begriff des Sachverständigen ist weit auszulegen. Es genügt jede besondere Sachkunde, über die die Mit-

642

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 93 Anm. 2- 4 glieder des Aufsichtsrats oder Ausschusses nicht verfügen. Es läßt sich nicht sagen, daß niemand allgemein als Berater für gewisse Gebiete zugezogen werden kann, wie v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 meinen. Für Gebiete, auf denen es einer besonderen Fachkenntnis bedarf, z. B. für Rechtsfragen, wird man die regelmäßige Zuziehung eines bestimmten Beraters für zulässig halten müssen. Der Zweck der Bestimmung verbietet es jedoch, die ständige Zuziehung einer Person wegen ihrer besonderen Sachkunde auf dem allgemeinen Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft zuzulassen. Die Kenntnisse einer solchen Person lassen sich nach dem Zwecke des Gesetzes nur in der Weise verwerten, daß sie in den Aufsichtsrat gewählt wird. In besonders liegenden einzelnen Fällen wird aber auch mit der besonderen Sachkunde auf dem Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft die Hinzuziehung einer Person als eines Sachverständigen zu der Beratung über eine bestimmte Frage gerechtfertigt werden können. Auch können unter Umständen A k t i o n ä r e zu Aufsichtsratssitzungen hinzugezogen werden; etwa wenn der Aufsichtsrat sich darüber vergewissern will, wie die Großaktionäre hinsichtlich künftiger Geschäftsmaßnahmen oder organisatorischer Vorschläge der Verwaltung sich zu den beabsichtigten Maßnahmen stellen werden. Die Zuziehung von Sachverständigen und Auskunftspersonen kann der V o r s i t z e r von sich aus veranlassen. Es handelt sich um eine in den Bereich der Sitzungsleitung fallende Anordnung, die der Vorsitzer auch treffen kann, wenn ihn die Satzung nicht dazu ausdrücklich ermächtigt (Möhring-Schwartz, Satzungsgestaltung S. 95; anscheinend abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 4).

Anm. 2 2. Die Bestimmung ist z w i n g e n d e r N a t u r . Die Satzung kann nicht in weiterem Umfang die Zuziehung von Personen zulassen, die weder dem Aufsichtsrat noch dem Vorstand angehören. Eine Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung beeinträchtigt aber weder die Gültigkeit der Aufsichtsratsbeschlüsse (BGH 12, 330) noch hat sie strafrechtliche Folgen; sie vermag aber eine Schadensersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder zu begründen, z. B. wenn die zu Unrecht hinzugezogene Person die Schweigepflicht verletzt. Haben aber Unbefugte bei der Beschlußfassung des Aufsichtsrats mitgestimmt, so ist der Beschluß unwirksam, es sei denn, daß einwandfrei nachgewiesen werden kann, daß der Beschluß nicht durch das Mitstimmen der Unbefugten beeinflußt worden ist (BGH 12, 327ff., s. § 92 Anm. 20a).

Anm. 3 3. Mit der Frage, wer z u r T e i l n a h m e an den Sitzungen des Aufsichtsrats b e r e c h t i g t ist, befaßt sich Abs. 1 nicht. Insbesondere kann nicht aus dieser Bestimmung hergeleitet werden, daß die Vorstandsmitglieder ein Recht auf Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrats haben. Durch ein solches Teilnahmerecht könnte die Erfüllung der Hauptaufgabe des Aufsichtsrats, die Überwachung des Vorstands, in bedenklichem Maße beeinträchtigt werden (so mit Recht v. Godin-Wilhelmi Anm. 1). Die Satzungen beschränken vielfach das Teilnahmerecht des Vorstands, entweder in der Art, daß er nur auf Verlangen des Aufsichtsrats oder seines Vorsitzers teilzunehmen hat, oder dahin, daß der Vorsitzer eine Geheimsitzung unter Ausschluß des Vorstands anberaumen kann (Schmidt, Umgestaltung Muster A und B § 25). Andererseits sind die Vorstandsmitglieder verpflichtet, auf Verlangen des Aufsichtsrats an dessen Sitzungen teilzunehmen, um eine umfassende und einwandfreie Unterrichtung des Aufsichtsrats zu ermöglichen. Das Teilnahmerecht der Aufsichtsratsmitglieder versteht sich von selbst. Man kann es auch, wenn man will, mittels eines Umkehrschlusses aus Abs. 2 ableiten. Unzulässig wäre eine Satzungsbestimmung, daß Aufsichtsratsmitglieder von Sitzungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses, dem sie angehören, ausgeschlossen werden können, abgesehen von Maßnahmen ordnungspolizeilicher Art.

Anm. 4 II. 1. Abs. 2 regelt d a s R e c h t v o n A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r n z u r T e i l n a h m e a n S i t z u n g e n v o n A u s s c h ü s s e n , denen s i e n i c h t a n g e h ö r e n . Das Gesetz b e j a h t dieses R e c h t g r u n d s ä t z l i c h und für alle Aufsichtsratsmitglieder, also selbstver-

643

§93

Anm. 5, 6

I. Buch: Aktiengesellschaft

ständlich auch die Arbeitnehmervertreter. Die S a t z u n g oder der V o r s i t z e r des A u f s i c h t s r a t s — nicht der Vorsitzer des Ausschusses — können jedoch etwas anderes bestimmen. Die Satzung kann das Teilnahmerecht allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen ausschließen. Zulässig wird auch die Bestimmung sein, daß ein Aufsichtsratsmitglied an Sitzungen von Ausschüssen, denen es nicht angehört, nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Vorsitzers des Aufsichtsrats teilnehmen darf. Ist das Teilnahmerecht nicht durch die Satzung ausgeschlossen, so kann der Vorsitzer des Aufsichtsrats die Teilnahme nicht zu dem Ausschuß gehöriger Mitglieder untersagen. Er kann dies für einzelne Sitzungen oder allgemein für die Sitzungen eines bestimmten Ausschusses anordnen. Auch einem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats wird der Vorsitzer die Teilnahme an Ausschußsitzungen verbieten können. Sogar eine allgemeine Anordnung des Vorsitzers, die schlechthin den Aufsichtsratsmitgliedern die Teilnahme an Sitzungen von Ausschüssen untersagt, denen sie nicht angehören, dürfte zulässig sein (Schlegelberger-Quassowski Anm. 5). Allerdings dürfte das Gesetz diesen Fall kaum im Auge gehabt haben. Da es jedoch das Recht des Vorsitzers des Aufsichtsrats nicht näher beschränkt und da die Anordnung des Vorsitzers grundsätzlich unanfechtbar ist, muß das Untersagungsrecht des Vorsitzers als unbeschränkt angesehen werden (SchlegelbergerQuassowski Anm. 5; Ritter Anm. 3).

Anm. 5 2. Der Gesetzeswortlaut gibt keine Auskunft darüber, ob die S a t z u n g das Untersagungsrecht des Vorsitzers ausschließen kann. Dies wird von Baumbach-Hueck Anm. 2 B bejaht. Hingegen kann es nach Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 von der Satzung nur auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt, aber nicht völlig ausgeschlossen werden. In der Tat erscheint ein völliger Ausschluß des Verbietungsrechts bedenklich, weil Fälle vorkommen können, in denen das Teilnahmerecht eines jeden Aufsichtsratsmitglieds an den Ausschußsitzungen sich schädlich auswirken kann. Eine Beschränkung des Untersagungsrechts auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes erscheint aber deshalb mißlich, weil der Begriff des wichtigen Grundes hier schwer einer näheren Bestimmung fähig und eine Möglichkeit zur Nachprüfung der Entscheidung des Vorsitzers nicht gegeben ist. Es erscheint daher richtiger, statt auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes auf die Allgemeinheit der Zulässigkeit des Verbots abzustellen. Die Satzung wird dem Vorsitzer das Recht nehmen können, a l l g e m e i n den Aufsichtsratsmitgliedern oder einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied die Teilnahme an Ausschüssen oder an einem bestimmten Ausschuß zu versagen. Hingegen kann sie ihm nicht das Recht nehmen, im einzelnen Falle die Teilnahme nicht zum Ausschuß gehöriger Mitglieder an einer Sitzung zu verbieten.

Anm. 6 3. Die Entscheidung des Vorsitzers ist unanfechtbar. Insbesondere sind Be-

schlüsse des Ausschusses, selbst wenn die Teilnahme an der Ausschußsitzung anderen Aufsichtsratsmitgliedern mißbräuchlich untersagt worden sein sollte, aus diesem Grunde nicht unwirksam (v. Godin-Wilhelmi § g4 Anm. 4). Auch die Anrufung der Hauptversammlung gegen die Versagung der Teilnahme an Ausschußsitzungen ist nicht zulässig (Baumbach-Hueck Anm. 1 E). Bei mißbräuchlicher Untersagung der Teilnahme könnte die Hauptversammlung nur derart eingeschaltet werden, daß ihr Bericht erstattet und die Abberufung des Aufsichtsratsvorsitzenden anheimgegeben wird. Das würde aber ordnungsmäßige Ankündigung dieses Verhandlungsgegenstandes in der Tagesordnung voraussetzen und käme wohl nur dann in Betracht, wenn die vorgeschriebene Minderheit (§106 Abs. 3) von Aktionären für einen entsprechenden Antrag gewonnen wird, da anzunehmen ist, daß der zur Einberufung der Hauptversammlung und Festsetzung der Tagesordnung berufene Gesamtaufsichtsrat ein Vorgehen in dieser Weise ablehnen wird. Auch könnte schließlich unter Umständen im Wege der Feststellungsklage vor den ordentlichen Gerichten vorgegangen werden, wenn sich ein Rechtsschutzbedürfnis aus § 99 rechtfertigen läßt (s. aber dazu § 92 Anm. 29 und zum Teil abweichend Galperin § 76 Anm. 8); eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist für Klagen der Arbeitnehmervertreter nach § 2 ArbGerG nicht gegeben (Samson Die AktG 644

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 93 Anm. 6a—8 1957, 74). Ein Mißbrauch des Untersagungsrechts wird auch unter Umständen die Niederlegung des Amts durch das betroffene Aufsichtsratsmitglied rechtfertigen können. Anm. 6a 4. Aufsichtsratsmitglieder, die einem Ausschuß nicht angehören, haben ein Recht auf Auskunft über die Beschlüsse der Ausschüsse. Denn auch durch die Uberweisung einzelner Aufgaben des Aufsichtsrats an Ausschüsse wird die allgemeine Uberwachungspflicht aller Aufsichtsratsmitglieder nicht berührt; sie müssen sich also über die Beschlüsse des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse unterrichten lassen (§ 92 Anm. 29). Verlangt ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied Auskunft über die Beschlüsse eines Ausschusses und wird sie ihm verweigert, so muß er die Entscheidung des Gesamtaufsichtsrats über die Einholung der Auskunft herbeiführen. Lehnt der Aufsichtsrat ab, so ist das Mitglied voll entlastet. Wenn es aber Anlaß hat, zu glauben, die Verantwortung ohne Kenntnis der Beschlüsse des Ausschusses nicht tragen zu können, mag es sein Amt niederlegen. Im übrigen stehen dem betroffenen Mitglied die in Anm. 7 unten genannten Rechtsbehelfe auch bei Auskunftsversagung in dem dort beschriebenen Umfang zur Verfügung. Anm. 7 III. 1. Abs. 3 schafft die Möglichkeit, daß sich verhinderte Aufsichtsratsmitglieder in den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse durch Dritte vertreten lassen. Dies gilt nach Satz 3 jedoch nicht für den Vorsitzer des Aufsichtsrats und seine Stellvertreter. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Vertretung ist eine entsprechende Bestimmung der S a t z u n g (vgl. Schmidt, Umgestaltung Muster B § 26). Die Bestimmung ist gedacht für den Fall, daß ein Aufsichtsratsmitglied an der persönlichen Teilnahme verhindert ist. Doch ist das Vorliegen einer Behinderung nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Vertretung. Erforderlich ist eine s c h r i f t l i c h e E r m ä c h t i g u n g des vertretenen Aufsichtsratsmitglieds. Das Gesetz sieht nur eine Ermächtigung von Personen vor, die nicht dem A u f s i c h t s r a t angehören. A n d e r e A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r sind aus eigenem Recht zur Teilnahme an den Sitzungen des Gesamtaufsichtsrats ermächtigt; sie sind auch durch nichts gehindert, die Meinung eines abwesenden Aufsichtsratsmitgliedes zum Ausdruck zu bringen. Deshalb bedurfte es insofern keiner gesetzlichen Bestimmung. Dagegen ist eine Bestimmung zu vermissen, nach der auf Grund entsprechender Satzungsbestimmung ein Aufsichtsratsmitglied die schriftliche Stimmabgabe eines abwesenden Aufsichtsratsmitgliedes überreichen kann und nach der ein einem Ausschuß nicht angehöriges Mitglied von einem Mitglied des Ausschusses zur Teilnahme an den Ausschußsitzungen an seiner Stelle ermächtigt werden kann. Trotzdem muß beides als zulässig angesehen werden, da es an jedem vernünftigen Grunde dafür fehlt, eine Vertretung durch der Gesellschaft fernstehende Personen in der Satzung zuzulassen, durch Aufsichtsratsmitglieder aber nicht. Anm. 8 2. Der Ermächtigte kann an der Sitzung teilnehmen und schriftliche Stimmabgaben des abwesenden Aufsichtsratsmitglieds überreichen. Er ist nicht Stellvertreter im strengen Sinn des Wortes, geschweige denn stellvertretendes Aufsichtsratsmitglied, sondern hat die R e c h t s s t e l l u n g eines Boten (h. A.; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; Baumbach-Hueck Anm. 3 B). Das Teilnahmerecht umfaßt zwar die Befugnis, in der Sitzung das Wort zu ergreifen (v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; BaumbachHueck Anm. 3 B; Geßler J W 1937, 503). Aber der Ermächtigte kann nicht wie ein echter Stellvertreter kraft eigenen Entschlusses im Namen des Vertretenen handeln, sondern nur die Meinung des abwesenden Aufsichtsratsmitgliedes zum Ausdruck bringen. Er kann daher keine Willenserklärungen abgeben und nicht in den Gang der Verhandlungen eingreifen (Baumbach-Hueck a. a. O.). Ebenso kann das Aufsichtsratsmitglied dem Ermächtigten nicht die Entscheidung über die Abgabe seiner Stimme überlassen, indem es ihm die Ausfüllung der Erklärung über die Stimmabgabe nach seinem Ermessen erlaubt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; a. A. Ritter Anm. 4). Geschieht dies dennoch, so ist die Abgabe der Stimme unwirksam; doch ist vollständige 645

§93 A n m . 9, 10

I. Buch: Aktiengesellschaft

Ausfüllung durch das abwesende Aufsichtsratsmitglied zu vermuten. Bei der Feststellung der Beschlußfähigkeit kann das abwesende Aufsichtsratsmitglied, das einen andern an der Sitzung teilnehmen läßt, nur mitgezählt werden, sofern der Ermächtigte eine schriftliche Stimmabgabe zu dem zur Abstimmung stehenden Antrag überreicht (v. Godin-Wilhelmi Anm. 7). Aus der Rechtsstellung des Ermächtigten folgt, daß er nicht den gesetzlichen Pflichten und der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder unterliegt. Besonders mißlich erscheint die Unanwendbarkeit der Bestimmung des § 84 Abs. I Satz 2 über die V e r s c h w i e g e n h e i t s p f l i c h t . Es käme in Frage, diese Pflicht mit der allgemeinen Erwägung zu begründen, daß das Recht zur Teilnahme an den Verhandlungen eines Kollegiums, dessen Mitglieder der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, untrennbar mit einer Verschwiegenheitspflicht verbunden sein muß. Außerdem kann eine Haftung nach § 101 in Frage kommen (v. Godin-Wilhelmi a. a. O.). Das Aufsichtsratsmitglied dürfte für ein Verschulden des Ermächtigten gemäß oder entsprechend § 278 BGB haften (SchlegelbergerQuassowski Anm. 9; v. Godin-Wilhelmi Anm. 7; Ritter Anm. 4). Wieweit der Ermächtigte seinerseits dem Aufsichtsratsmitglied haftet, bestimmt sich nach dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnissen. Anm. 9 3. Die schriftliche Stimmabgabe ist nur wirksam, wenn sie einwandfrei ergibt, auf welchen Antrag sie sich bezieht. Die schriftliche Stimmabgabe, die durch einen von einem abwesenden Aufsichtsratsmitglied zur Teilnahme an der Sitzung Ermächtigten überreicht wird, ändert nicht die Natur der Beschlußfassung. Eine Beschlußfassung durch schriftliche Stimmabgabe, die nach § 92 Abs. 3 nur zulässig ist, wenn kein Aufsichtsratsmitglied widerspricht, liegt nur vor, wenn überhaupt keine Sitzung und Verhandlung über den betreffenden Gegenstand stattfindet, die Mitglieder des Aufsichtsrats vielmehr zur unmittelbaren schriftlichen Abstimmung aufgefordert werden. A n m . 10 4. Wenn Satz 3 die Geltung dieser Vorschriften für den Vorsitzer des Aufsichtsrats und seine Stellvertreter ausschließt, so kann sich dies nicht nur auf die Tätigkeit als Vorsitzer beziehen (a. A. v. Godin-Wilhelmi Anm. 8). Denn eine Vertretung im Vorsitz durch die zur Teilnahme an der Sitzung ermächtigte Person kommt bei deren bloßer Botenstellung nicht in Frage. Das Gesetz will dem Vorsitzer und seinen Stellvertretern das Fernbleiben von den Sitzungen nicht erleichtern. Sie müssen, wenn sie mitstimmen wollen, persönlich anwesend sein (Baumbach-Hueck Anm. 3 B). Auch eine Vertretung durch andere Aufsichtsratsmitglieder ist für sie, s o w e i t die S t i m m a b g a b e in B e t r a c h t k o m m t , nicht zugelassen (a. A. Teichmann-Köhler § 94 Anm. 3). Wenn man auch sagen kann, daß mit der Zulassung einer Stimmabgabe durch Dritte nicht zum Aufsichtsrat gehörige Personen auch die Stimmabgabe durch andere Aufsichtsratsmitglieder logischerweise zugelassen sein muß, so ist doch nicht der Schluß gestattet, daß der Aufsichtsratsvorsitzende und seine Stellvertreter sich durch andere Aufsichtsratsmitglieder vertreten lassen dürfen, weil § 93 Abs. 3 nur die vertretende Teilnahme und die Stimmrechtsabgabe durch dritte Personen behandelt und nur hiervon den Aufsichtsratsvorsitzenden und seine Stellvertreter'ausschließt. Denn es gilt das Prinzip einer Vertretung durch andere Aufsichtsratsmitglieder nicht ohne weiteres, sondern nur insoweit als § 93 Abs. 3 eine vertretungsweise Teilnahme und eine Stimmabgabe durch dritte Personen zuläßt. Da aber hiervon der Aufsichtsratsvorsitzende und seine Stellvertreter ausgeschlossen sind, kann für sie auch nicht eine vertretungsweise Teilnahme oder Stimmabgabe durch andere Aufsichtsratsmitglieder erfolgen. Die Satzung kann nur vorsehen, daß bei ihrer Verhinderung die B e f u g n i s s e des V o r sitzers durch ein anderes Aufsichtsratsmitglied, z. B. das dem Lebensalter nach älteste, ausgeübt werden. Der Ausschluß schriftlicher Stimmabgabe für den Vorsitzer und seine Stellvertreter macht die Abhaltung einer S i t z u n g , die nur von V e r t r e t e r n b e s c h i c k t ist, unmöglich.

646

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 93 A n m . 1 1 , 1 2 § 94 Einl.

A n m . 11 5. Da es sich hier nicht um eine gesetzliche Befugnis der Aufsichtsratsmitglieder, sondern nur um ein durch die Satzung begründbares Recht handelt, kann die S a t z u n g e s beliebig beschränken. Um unerwünschte Personen fernzuhalten, kann die Satzung an die Person des Vertreters bestimmte Anforderungen stellen, auch bestimmen, daß ein Aufsichtsratsmitglied keine andere als eine einmal der Gesellschaft gegenüber benannte Person zur Teilnahme an den Sitzungen ermächtigen darf (vgl. Schmidt, Umgestaltung Muster B § 26). Ebenso wird es zulässig sein, daß die Satzung die Entscheidung über die Zulässigkeit der Vertretung dem Vorsitzer des Aufsichtsrats überläßt (Möhring-Schwartz, Satzungsumgestaltung S. 94). Zulässig erscheint es auch, nur bestimmten Aufsichtsratsmitgliedern die Befugnis zur Ermächtigung anderer Personen zur Teilnahme an der Sitzung zu gewähren (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7), z. B. den auswärts Wohnenden oder nur den „entsandten" Mitgliedern. A n m . 12 IV. Nach Abs. 4 bleiben abweichende g e s e t z l i c h e Vorschriften unberührt. Gemeint sind Vorschriften, nach denen noch andere als die in § 93 genannten Personen zur Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse berechtigt sind (vgl. Gesetz über das Kreditwesen § 32 Nr. b; HypBankG § 4 Abs. 1 Nr. 3). § 9 4 Einberufung des

Aufsichtsrats

(1) J e d e s A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d oder der V o r s t a n d k a n n u n t e r A n g a b e des Zwecks und der Gründe verlangen, d a ß der Vorsitzer des A u f s i c h t s r a t s u n v e r züglich den A u f s i c h t s r a t beruft. Die S i t z u n g m u ß b i n n e n z w e i Wochen n a c h der Einberufung stattfinden. (2) Wird e i n e m v o n m i n d e s t e n s z w e i A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r n oder v o m Vorstand g e ä u ß e r t e n Verlangen nicht entsprochen, s o k ö n n e n die A n t r a g steller unter Mitteilung des Sachverhalts s e l b s t d e n A u f s i c h t s r a t b e r u f e n . (3) Der A u f s i c h t s r a t s o l l i n der R e g e l e i n m a l i m Kalendervierteljahr einberufen w e r d e n ; e r m u ß e i n m a l i m Kalenderhalbjahr einberufen w e r d e n . Übersicht Anm.

Einleitung I. Recht und Pflicht zur Einberufung. . . II. 1 Antrag der Aufsichtsratsmitglieder (Abs. 1) 2. Form des Antrags 3. Antrag des Vorstands . . . 4. Einberufung 5. Das Recht auf Einberufung 6. Schadensersatzpflicht . . .

Anm.

III. Selbsthilferecht (Abs. 2) . . . . 8 1. Einberufung 9 2. Form der Einberufung . . . 10 3. Pflicht zur Einberufung . . . 11 2 3 4 5 6

IV. 1. Rechtsmittel bei Versagung der Einberufung oder der Beschlußfassung 12 2. zwingende Regelung 13 3. mißbräuchliche Einberufung . 14

7

V . Mindestsitzungen (Abs. 3)

15

Einleitung Die Bestimmung entspricht dem § 244 a HGB. Nur gibt sie im Gegensatz zu § 244 a HGB auch dem Vorstand ein Recht auf Einberufung des Aufsichtsrats. Die Bestimmung des § 244 a Abs. 3 HGB über die Kostentragung bei mißbräuchlicher Einberufung des Aufsichtsrats ist weggefallen. Abs. 3 ist durch § 84 Abs. 4 BetrVG neu eingefügt worden. Der Ref.Entw. beläßt es in § 104 bei der bisherigen Regelung.

647

§94

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 1—6 Anm. 1 1. Das Recht und die Pflicht zur Einberufung steht grundsätzlich dem Vorsitzer zu. Dies setzt die Bestimmung voraus (§ 92 Anm. 5).

Anm. 2 II. 1. J e d e s M i t g l i e d , also auch ein Arbeitnehmervertreter und ein nach § 88

entsandtes Mitglied, kann verlangen, daß der Vorsitzer unverzüglich den Auf-

s i c h t s r a t b e r u f t . Er muß den Z w e c k und die G r ü n d e angeben. Zweck ist der Gegenstand, über den bei der verlangten Aufsichtsratssitzung verhandelt werden soll. Die Mitteilung eines formulierten Antrags ist nicht erforderlich. Die Gründe müssen die Dringlichlichkeit der Sache klarlegen. Eine F o r m ist nicht vorgeschrieben.

Anm. 3 2. Der Antrag ist an d e n V o r s i t z e r zu r i c h t e n . Ist weder ein Vorsitzer noch ein Stellvertreter vorhanden oder sind beide behindert, so soll nach Schlegelberger-Quassowski Anm. 8 das Verlangen an das tatsächlich die Geschäfte führende Mitglied gerichtet werden. Dem kann nur für den Fall zugestimmt werden, daß das betreffende Mitglied von dem Gesamtaufsichtsrat mit der vorübergehenden Führung der Geschäfte des Vorsitzers beauftragt worden ist oder seine Geschäftsführung a l l s e i t s stillschweigend geduldet wird. Andernfalls ist sein Recht zur alleinigen Einberufung des Aufsichtsrats nicht anzuerkennen; es braucht daher auch kein anderes Mitglied sich mit seinem Einberufungsverlangen an das die Geschäfte tatsächlich, aber ohne einen Auftrag oder allseitige Duldung des Gesamtaufsichtsrats führende Mitglied zu wenden. Fehlt auch ein tatsächlich die Geschäfte führendes Mitglied, so ist nach Schlegelberger-Quassowski a. a. O. das Verlangen an die Gesamtheit des Aufsichtsrats zu richten. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen, da eine Einberufung des Aufsichtsrats durch die Gesamtheit der Mitglieder nicht stattfindet. Es können vielmehr in diesen Fällen nach dem sinngemäß anzuwendenden Abs. 2 zwei Mitglieder zusammen selbständig den Aufsichtsrat einberufen (Anm. 8; ebenso Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; Staub H G B § 244 a Anm. 5).

Anm. 4 3. Auch der V o r s t a n d kann das Verlangen der Einberufung an den Vorsitzer des Aufsichtsrats richten. Es handelt sich um einen internen Vorgang innerhalb der Gesellschaft. Die Grundsätze über die Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder finden also keine Anwendung. Es bedarf vielmehr eines Beschlusses des Vorstandes. Für den Inhalt des Antrages und für die Rechtslage im Falle der Verhinderung des Vorsitzers des Aufsichtsrats gilt dasselbe wie für das Verlangen eines Aufsichtsratsmitglieds (s. Anm. 2 u. 3).

Anm. 5 4. Die Einberufung hat u n v e r z ü g l i c h , d. h. ohne schuldhaftes Zögern (BGB § 1 2 1 ) zu erfolgen. D i e S i t z u n g muß b i n n e n z w e i W o c h e n n a c h d e r E i n b e r u f u n g s t a t t f i n d e n (Abs. 1 Satz 2). Statt der Einberufung wird eine Beschlußfassung durch schriftliche Stimmabgabe stattfinden können, wenn der Antragsteller einverstanden ist (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 1 ) . Dies ist auch anzunehmen, wenn der Vorstand den Antrag gestellt hat. Widerspruch irgendeines Mitglieds des Aufsichtsrats schließt natürlich hier wie sonst die Beschlußfassung durch schriftliche Stimmabgabe aus.

Anm. 6 5. Jedes Mitglied hat ein R e c h t a u f E i n b e r u f u n g des Aufsichtsrats durch den Vorsitzer. Aus Abs. 2, der das Recht zur eigenen Einberufung einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied nicht zugesteht, ist nicht etwa zu schließen, daß der Vorsitzer nach seinem Ermessen zu entscheiden hat, ob er dem Verlangen stattgeben will oder nicht. Das Gesetz gibt ein Recht auf Einberufung des Aufsichtsrats durch den Vorsitzer jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied, während es das Selbsthilferecht auf eigene Einberufung des Aufsichtsrats nur mindestens zwei Aufsichtsratsmitgliedern zugesteht. Der Vorsitzer muß dem Einberufungsverlangen entsprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen

648

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 94 Anm. 7, 8 vorliegen. Diese bestehen in dem Verlangen eines Mitglieds und in einem zur Behandlung durch den Aufsichtsrat geeigneten Gegenstand. Der Vorsitzer kann das Verlangen daher ablehnen, wenn der angegebene Gegenstand nicht zu den Gesellschaftsangelegenheiten gehört. Der Vorsitzer ist ebenfalls zur Ablehnung berechtigt, wenn mit der Einberufung offenbar ein dem Gesetz oder den guten Sitten zuwiderlaufender Zweck verfolgt wird oder wenn sonst das Recht auf Einberufung des Aufsichtsrats vorsätzlich mißbraucht wird (KG in J F G 2, 220). Ein solcher Mißbrauch liegt aber nicht schon dann vor, wenn die Ablehnung des von dem Aufsichtsratsmitglied gestellten Antrags durch den Aufsichtsrat zu erwarten ist; der Vorsitzer darf dem Aufsichtsrat nicht vorgreifen (vgl. K G J 32 A 140). Dagegen wird ein solcher Mißbrauch vorliegen, wenn der Aufsichtsrat sich schon mit der Sache befaßt, sich aber ablehnend entschieden hat. Das Verlangen einer erneuten Einberufung zu demselben Zweck erscheint nur gerechtfertigt, wenn Umstände vorliegen, auf Grund deren mit einer veänderten Stellungnahme des Aufsichtsrats"gerechnet werden kann (Schlegelberger-Quassowski Anm. 13). Der Vorsitzer ist grundsätzlich auch nicht berechtigt, darüber zu entscheiden, ob die Sache dringlich genug ist, um die Einberufung zu rechtfertigen (abw. Staub HGB § 244 a Anm. 7). Dies wäre eine Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Einberufung, die dem Vorsitzer nicht zusteht (Baumbach-Hueck Anm. 2 B; anscheinend abw. Schlegelberger-Quassowski Anm. 13; Staub a. a. O.). Wegen der weit größeren Schwierigkeiten und Kosten der Einberufung einer Hauptversammlung kann die gegenteilige Entscheidung des BayObLG in J F G 1, 247, über das Recht eines Genossen einer eGmbH auf Einberufung einer Hauptversammlung für die vorliegende Frage nicht verwertet werden. Nur wenn die Einberufung den Umständen nach offenbar so wenig dringlich ist, daß sich das Einberufungsverlangen als ein M i ß b r a u c h darstellt, kann der Vorsitzer die Einberufung verweigern. Dieselben Grundsätze hinsichtlich der Pflicht zur Einberufung und des Rechts des Vorsitzers zu deren Verweigerung gelten, wenn das Verlangen von zwei Mitgliedern gestellt wird (vgl. aber Schlegelberger-Quassowski Anm. 13; Staub HGB § 244 a Anm. 7). Anm. 7 6. Kommt der Vorsitzer dem Verlangen unberechtigterweise nicht nach, so macht er sich der Gesellschaft gegenüber s c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t i g . Dies gilt auch dann, wenn das Verlangen von zwei Aufsichtsratsmitgliedern gestellt wurde. Der Vorsitzer wird nicht dadurch entlastet, daß die Antragsteller von ihrem gemäß Abs. 2 gegebenen Recht, den Aufsichtsrat selbst einzuberufen, hätten Gebrauch machen können. Der Vorsitzer kann weder durch Ordnungsstrafen zur Einberufung gezwungen werden, noch macht er sich durch die Unterlassung strafbar. Auch eine Klage auf Einberufung ist nicht gegeben. Anm. 8 III. Die Antragsteller können, falls ihrem Verlangen nicht entsprochen wird, selbst den Aufsichtsrat einberufen, wenn der Antrag von mindestens zwei Aufsichtsratsmitgliedern oder von dem Vorstand gestellt war (Abs. 2). Es genügt nicht, daß sich dem von einem Mitglied gestellten Antrag nachträglich ein anderes anschließt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 17; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 3). Beide Antragsteller müssen eine Einberufung des Aufsichtsrats zu demselben Zweck verlangt haben. Mitglieder, die das Verlangen nicht gegenüber dem Vorsitzer geäußert haben, sind zur Einberufung grundsätzlich nicht berechtigt. Fehlt es jedoch an einem Vorsitzer und seinem Stellvertreter, so ist das Selbsthilferecht des Abs. 2 gegeben, auch ohne daß ein Antrag auf Einberufung einer Sitzung vorausgegangen ist (vgl. § 86 Anm. 15). Die Einberufung kann auch dann durch zwei Aufsichtsratsmitglieder erfolgen, wenn das Verlangen an den Vorsitzer von einer größeren Zahl geäußert war. Dem Verlangen ist nicht entsprochen, wenn der Vorsitzer nicht in angemessener Frist den Aufsichtsrat zu dem von den Antragstellern angegebenen Zweck unter Beachtung der in Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen zweiwöchigen Höchstfrist einberuft. 649

§94 Anm. 9—13

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 9 1. Die Einberufung durch die Antragsteller muß u n v e r z ü g l i c h erfolgen; andernfalls erlischt ihr Recht (Schlegelberger-Quassowski Anm. 19; Ritter Anm. 3; BaumbachHueck Anm. 3). Die für die Einberufung durch den Vorsitzer in Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebene Höchstfrist von zwei Wochen dürfte nicht vorgesehen sein, um im Interesse der A G eine alsbaldige Sitzung herbeizuführen, sondern um zu verhindern, daß das Verlangen des Mitglieds durch eine Einberufung des Aufsichtsrats zu einem späteren Zeitpunkt vereitelt wird. Die Frist gilt daher nicht für die Einberufung durch die Antragsteller gemäß Abs. 2 (a. A. Ritter Anm. 3). Anm. 10 2. Die Einberufung muß den allgemeinen und den in der Satzung etwa vorgeschriebenen besonderen Erfordernissen der Einberufung (§92 Anm. 12—14) genügen. Sie muß zu dem Zweck erfolgen, der bei der Äußerung des Verlangens gegenüber dem Vorsitzer angegeben war. Die Einberufung muß überdies den S a c h v e r h a l t m i t t e i l e n , d. h. angeben, daß die Antragsteller das Verlangen dem Vorsitzer unter Angabe der Gründe und des Zwecks geäußert haben, ihrem Verlangen aber nicht entsprochen worden ist. A n m . 11 3. Jedes Mitglied ist verpflichtet, die Einberufung des Aufsichtsrats zu verlangen, wenn es dem Gesetz (Abs. 3) oder den Umständen nach geboten erscheint, und macht sich durch die Unterlassung s c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t i g (vgl. auch Anm. 15). Ebenso kann eine Schadensersatzpflicht begründet sein, wenn die Antragsteller bei Ablehnung ihres Verlangens den Aufsichtsrat nicht selbst einberufen. Das Verschulden des Vorsitzers entschuldigt sie nicht. Anm. 12 I V . 1. Der Aufsichtsrat kann die Beschlußfassung ablehnen, gleichviel, ob die Einberufung durch den Vorsitzer, zwei Aufsichtsratsmitglieder oder den Vorstand erfolgt ist (Staub HGB § 244a Anm. 21). Das Recht der Antragsteller ist mit der Einberufung erschöpft. Ist der Aufsichtsrat nicht beschlußfähig, so gibt ihnen dies regelmäßig kein neues Recht auf Einberufung. Sie können aber von neuem das Verlangen gegenüber dem Vorsitzer äußern. Dieser wird verpflichtet sein, dem Verlangen nachzukommen, sofern Aussichten bestehen, daß im Fall einer erneuten Einberufung der Aufsichtsrat beschlußfähig ist. Die Beschlußfähigkeit kann gegebenenfalls durch Notbestellung nach § 89 Abs. 2 herbeigeführt werden. Ist die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats nach der Satzung von der Anwesenheit des Vorsitzers abhängig gemacht (§92 Anm. 15), sabotiert dieser aber durch Nichterscheinen die Beschlußfassung der auf Grund des Selbsthilferechts einberufenen Aufsichtsratssitzung, so kann trotzdem eine gültige Beschlußfassung erfolgen. „Das Selbsthilferecht (des § 94) kann nicht durch den Vorsitzer vereitelt werden, selbst wenn er sich auf eine ausdrückliche Satzungsbestimmung beruft" (OLG Stuttgart J R 1933 Nr. 1446). Die Satzung kann nicht dazu führen, daß das Selbsthilferecht ausgeschlossen wird. Anm. 13 2. Die Bestimmung der Absätze 1 und 2 ist zwingenden Rechts. Das Recht der Aufsichtsratsmitglieder und des Vorstandes auf Einberufung durch den Vorsitzer und auf eigene Einberufung bei Fruchtlosigkeit ihres Verlangens kann durch die Satzung nicht beschränkt werden ( K G in H R R 1933 Nr; 835; O L G Stuttgart in H R R 1933 Nr. 1446). Das Einberufungsrecht kann aber erweitert werden, indem die Satzung z. B. das Recht auf eigene Einberufung auch einem einzelnen Mitglied einräumt. Ebenso wird es zulässig sein, daß das Aufsichtsratsmitglied von der Pflicht zur Angabe der Gründe befreit wird ( K G a. a. O.). Bedenklich aber erscheint es, daß das K G a. a. O. auch die Befreiung von der Pflicht zur Abgabe des Zwecks für zulässig erklärt; der Vorsitzer muß doch wissen, was er auf die Tagesordnung der Sitzung zu setzen hat.

650

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 94 A n m . 14, 15 § 95

A n m . 14 3. Bei mißbräuchlicher Einberufung sind die Aufsichtsratsmitglieder, die das Verlangen geäußert oder den Aufsichtsrat einberufen haben, nach den allgemeinen Bestimmungen schadensersatzpflichtig und haben aus diesem Gesichtspunkt die Kosten der Sitzung zu tragen. Die besondere Regelung der Kostentragungspflicht in H G B § 244 a Abs. 3 gilt nicht mehr. A n m . 15 V . Der durch das B e t r V G (s. Einleitung) eingefügte A b s . 3 bestimmt z w i n g e n d , daß der Aufsichtsrat halbjährlich e i n b e r u f e n w e r d e n m u ß . Vierteljährlich s o l l eine Aufsichtsratssitzung stattfinden (Ordnungsvorschrift). Es soll dadurch gewährleistet werden, daß die Arbeitnehmervertreter in genügendem U m f a n g an der Arbeit des Aufsichtsrats beteiligt werden und nicht darauf angewiesen sind, die Einberufung nach Abs. 1 oder 2 zu verlangen (Baumbach-Hueck Anm. 5). Durch schriftliche A b stimmung des Aufsichtsrats oder Ausschußsitzungen wird dem gesetzlichen Erfordernis, einmal im Kalenderhalbjahr eine Aufsichtsratssitzung einzuberufen, nicht genügt. Es ist der offensichtliche Sinn der Vorschrift, daß tatsächlich eine Sitzung des Gesamtaufsichtsrats unter persönlicher Teilnahme der Mitglieder stattfindet. Die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats an den mindestens halbjährlich durchzuführenden Sitzungen ist durch die Pflicht des Vorstands, bei beschlußunfähigem Aufsichtsrat unverzüglich einen Antrag auf gerichtliche Ergänzung zu stellen (§ 89 Abs. 1 , s. daselbst Anm. 1 1 ) gewährleistet. Unterläßt es der Aufsichtsratsvorsitzer, den Aufsichtsrat mindestens einmal im Kalenderhalbjahr einzuberufen, so setzt er sich Schadensersatzansprüchen nach § 99 aus. Auch die übrigen Aufsichtsratsmitglieder sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Mindestsitzungen abgehalten werden, gegebenenfalls durch Ausübung des Selbsthilferechts nach Abs. 2 (s. Anm. 1 1 ) . Da die für den Regelfall angeordnete Einberufung einmal im Kalendervierteljahr vom Gesetz nicht zwingend verlangt wird, kann bei Verletzung dieser Vorschrift ein Schadensersatzanspruch aus § 99 nur dann geltend gemacht werden, wenn durch das Nichtstattfinden der Sitzungen der Aufsichtsrat daran gehindert war, seine Uberwachungsfunktion ordnungsmäßig zu erfüllen. Wird vom Vorstand ordnungsgemäß und eingehend vierteljährlich Bericht erstattet ( § 8 1 ) und in diesem Zusammenhang eine etwa notwendige Beschlußfassung im Wege schriftlicher Abstimmung durchgeführt, so kann im Einzelfall ein Bedürfnis für die Abhaltung vierteljährlicher Sitzungen entfallen. Das Einberufungsrecht nach Abs. 1 und 2 bleibt unberührt. Die Satzung kann von der Regelung des Abs. 3 nur abweichen, indem sie über das Gesetz hinausgehend, Mindestsitzungen vorschreibt, also etwa zwingend vierteljährlich. Die Satzung kann aber nicht bestimmen, daß halbjährliche Sitzungen genügen. § 9 5 A u f g a b e n und Rechte des

Aufsichtsrats

(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. (2) Der Aufsichtsrat kann vom Vorstand jederzeit einen Bericht über die Angelegenheiten der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu einem Konzernunternehmen verlangen. Auch ein einzelnes Mitglied kann einen Bericht, jedoch nur an den Aufsichtsrat als solchen, verlangen; lehnt der V o r stand die Berichterstattung ab, so kann der Bericht nur dann verlangt werden, wenn der Vorsitzer des Aufsichtsrats das Verlangen unterstützt. (3) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen; er kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. 42

Aktiengesetz, 2. Aufl.

651

§ 95

I. Buch: Aktiengesellschaft

Einl. ( 4 ) Der A u f s i c h t s r a t h a t eine H a u p t v e r s a m m l u n g zu berufen, wenn d a s Wohl der Gesellschaft es fordert. ( 5 ) M a ß n a h m e n d e r Geschäftsführung können d e m A u f s i c h t s r a t n i c h t ü b e r t r a g e n w e r d e n . Die Satzung oder der A u f s i c h t s r a t kann jedoch b e s t i m m e n , d a ß b e s t i m m t e A r t e n von Geschäften n u r m i t seiner Z u s t i m m u n g v o r g e n o m m e n w e r d e n sollen. ( 6 ) Die A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r können ihre Obliegenheiten nicht d u r c h andere ausüben lassen. Ü b ersieht Anm.

Anm.

2. Pflicht zur Ausübung der Rechte des Aufsichtsrats

Einleitung I. i. Uberwachungspflicht des Aufsichtsrats (Abs. i) Art der Überwachung. 3. Gegenstand der Überwachung 4. Pflicht des Gesamtaufsichtsrats 5. Treupflicht der Aufsichtsratsmitglieder . . II. I. Recht auf Berichterstattung (Abs. 2) 2. Gegenstand der Berichterstattung 3- Pflicht zur Berichterstattung 4- auf Verlangen einzelner Aufsichtsratsmitglieder . 5- an den Gesamtaufsichtsrat 6. Prüfungsrecht (Abs. 3). III. 1. Grenzen des Überwachungsrechts 2. Geheimhaltung durch den Vorstand . . . . 3. Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat I V . 1. Zwangsmittel.

V . 1. Einberufung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat (Abs. 4) . 2. Voraussetzungen . . . VI. 4a 5 6 7 8 9 10 11 12

13 14

1. Verbot der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat (Abs. 5 Satzi) 2. Zustimmungspflichtige Geschäfte (Abs. 5 Satz 2) 3. Freiheit der satzungsmäßigen Gestaltung . . 4. Bedeutung des Zustimmungserfordernisses . . 5. Übertragung der Rechte auf einen Ausschuß . . 6. Konflikt zwischen Aufsichtsrat und Vorstand oder Hauptversammlung

V I I . Zwingende Regelung

15

16 17

18 19 20. 2r 22

23

. . 24—25

V I I I . Verbot der Ausübung der Obliegenheiten der Aufsichtsratsmitglieder durch andere (Abs. 6) . . . . 26—27 I X . Beiräte und Verwaltungsräte

28

Einleitung Die Bestimmung ist an die Stelle von H G B § 246 Abs. 1 S. 1—4, Abs. 2—4 getretenDer grundlegende Unterschied gegenüber dem früheren Rechtszustand liegt in dem Fortfall des § 246 Abs. 3 H G B und der Einführung des § 95 Abs. 5 des AktG. Wie nach dem Recht des H G B hat der A u f s i c h t s r a t die Geschäftsführung zu ü b e r w a c h e n . Während ihm aber nach § 246 Abs. 3 H G B durch die Satzung weitere Obliegenheiten übertragen werden konnten und daraus die Möglichkeit abgeleitet wurde, dem Aufsichtsrat die Geschäftsführung anzuvertrauen und den Vorstand seinen Weisungen unterzuordnen, verbietet § 95 Abs. 5 eine derartige Regelung (Vorbem. vor § 70): der Aufsichtsrat ist grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen und auf 652

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 95 Anm, 1, 2 die Überwachung der Geschäftsführung beschränkt. Der Vorstand ist selbständiger Leiter des Unternehmens; seine Geschäftsführung kann nach Abs. 5 Satz 2 nur dadurch beschränkt werden, daß für bestimmte Arten von Geschäften die Zustimmung des Aufsichtsrats verlangt wird. Im übrigen stimmt § 95 sachlich in der Hauptsache mit HGB § 246 überein. An Abweichungen sind die folgenden zu nennen: Das Berichterstattungsverlangen eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ist für den Vorstand nur bindend, wenn es von dem Vorsitzer des Aufsichtsrats unterstützt wird, während früher die Unterstützung durch ein beliebiges anderes Aufsichtsratsmitglied genügte. Das Untersuchungsrecht des Aufsichtsrats ist auf alle Vermögensgegenstände der AG erweitert. Der Aufsichtsrat kann für bestimmte Aufgaben auch besondere Sachverständige mit der Einsicht und Prüfung beauftragen. Sachlich erhebliche R e f o r m v o r s c h l ä g e zu § 95 bringt der Ref.Entw. § 105 nicht. Lediglich Abs. 5 (Zustimmungserfordernis zu bestimmten Geschäften) wird in § 105 Abs. 4 Ref.Entw. dahin erweitert, daß bei Versagung der Zustimmung des Aufsichtsrats der Vorstand die Hauptversammlung anrufen kann, die nur mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen gegen den Aufsichtsrat entscheiden kann (nicht mit einfacher Mehrheit, wie nach geltendem Recht § 103 Abs. 2). Die Berichterstattungspflicht des Vorstands ist im Ref.Entw. wesentlich erweitert und in § 85 geregelt (dazu s. Einleitung zu § 86 in Ziff. 5 sowie W. Schmidt in Beiträge zur Aktienrechtsreform, S. 57)Anm. 1 1. 1. Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen (Abs. 1). Dies ist seine Hauptaufgabe. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind zur Überwachung des Vorstands berechtigt und verpflichtet. Die Überwachung erstreckt sich auf das gesamte Tätigkeitsgebiet des Vorstands, auf alle Zweige der Verwaltung, wie HGB § 246 Abs. 1 Satz 1 sagte. Das Gesetz sagt nicht, wie das alte HGB Art. 225, daß nur die Geschäftsführung des V o r s t a n d s Gegenstand der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats sei. Auch soweit die Geschäfte der Gesellschaft durch A n g e s t e l l t e erledigt werden, ist die Uberwachungspflicht des Aufsichtsrats gegeben (vgl. unten Anm. 15). Nur hat der Aufsichtsrat die Interessen der AG unmittelbar nur dem Vorstand gegenüber wahrzunehmen, nicht gegenüber den Angestellten. Er ist nicht Vorgesetzter der Angestellten, sondern hat sich als Überwachungsorgan mit seinen Beanstandungen an den Vorstand zu wenden. Anm. 2 2. Unter Überwachung ist nicht eine Nachprüfung der gesamten Geschäftsführung bis in alle Einzelheiten zu verstehen. Solche Nachprüfung wäre nicht möglich. Eine Überspannung der Aufsichtsratspflicht ins Unzumutbare darf — man denke an Großunternehmungen — nicht in Betracht kommen (vgl. auch Anm. 15). Der Aufsichtsrat hat alles zu tun, was zu einer wirksamen Kontrolle im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger (RG 48, 40 auf S. 44) erforderlich ist. Was dazu gehört, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab und ist von dem Aufsichtsrat unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden (§ 99; R G in J W 1911, 223). Seiner Pflicht genügt daher, falls nicht besondere Umstände ein Mehr erfordern, in der Regel der Aufsichtsrat, der den Vorstand sorgfältig auswählt, die nötigen Prüfungen vornimmt, dafür sorgt, daß ihm genügend Bericht erstattet wird, über die wesentlichen Geschäftsvorgänge in Beratung tritt und einschreitet, wenn Berichterstattung und Prüfung hierzu Anlaß bieten (vgl. Generalbericht des Enqueteausschusses 1930 S. 5 1 ; auch unten Anm. 15). In HGB § 246 Abs. 1 Satz 1 war gesagt, daß der Aufsichtsrat sich zu Zwecken der Überwachung von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten habe. Dies gilt heute nicht weniger. Diesem Zwecke dienen namentlich die im § 81 vorgeschriebenen Berichte des Vorstands und das hier in Abs. 2 und 3 geregelte Recht des Aufsichtsrats auf jederzeitige Berichterstattung und Untersuchung. 42*

653

§95

Anm. 3, 4

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 3

3. G e g e n s t a n d d e r Ü b e r w a c h u n g ist nicht nur die R e c h t m ä ß i g k e i t , sondern grundsätzlich auch die Z w e c k m ä ß i g k e i t u n d W i r t s c h a f t l i c h k e i t der Geschäftsführung ( R G in J W 1924, 1 1 4 5 1 2 ) . Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit gehört die Frage, ob der Vorstand den durch die Satzung gezogenen Rahmen des Geschäftsbetriebs nicht überschreitet und sich an die für ihn maßgebenden Bestimmungen ( § 9 5 Abs. 5 Satz 2) hält. Für die Prüfung der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ergeben sich Grenzen der Uberwachungspflicht aus der Stellung des Aufsichtsrats und des Vorstands (vgl. dazu v. Godin-Wilhelmi A n m . 1). Der Vorstand und nicht der Aufsichtsrat hat die Leitung des Unternehmens und trägt in erster Linie die Verantwortung f ü r sein Gedeihen. Es ist grundsätzlich nicht Sache des Aufsichtsrats, reine Ermessensfragen in Angelegenheiten der Geschäftsführung zu entscheiden. Daher kann auch nicht er Handlungen des Vorstands nur deshalb beanstanden, weil er anders handeln würde, wenn er das Unternehmen verantwortlich zu leiten hätte. E r muß sich eine Meinung darüber zu bilden versuchen, ob die Maßnahmen des Vorstands wirtschaftlich richtig sind; irrt er in der Beurteilung der wahrscheinlichen Folgen einer geschäftlichen Maßnahme, so ist er hierfür in der Regel nicht verantwortlich ( R G in J W 1 9 1 1 , 2 2 3 ) ; einzuschreiten hat er erst, wenn er Fehler des Vorstands erkennt. Die Uberwachungspflicht richtet sich nur gegen M ä n g e l d e r G e s c h ä f t s f ü h r u n g ; sie soll und darf nicht zu einem Versuch des Aufsichtsrats, selbst die Geschäfte zu leiten oder jede Initiative eines tüchtigen Vorstands abzubremsen, ausarten. Als Mängel der Geschäftsführung sind freilich nicht nur Nachlässigkeiten, sondern auch wirtschaftlich schädliche oder zu riskante Maßnahmen anzusehen. Der Aufsichtsrat muß sich auch ein Urteil darüber bilden, ob er die a l l g e m e i n e G e s c h ä f t s p o l i t i k des Vorstands zu billigen vermag. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob der Vorstand im Interesse der Arbeitnehmer und im Allgemeininteresse i n s o z i a l e r B e z i e h u n g tut, was das Unternehmen leisten kann (z. B. Prüfung der Diensteinrichtungen, Anstellungs- und Pensionsverhältnisse und Wohlfahrtseinrichtungen; R G in J W 1924, 1 1 4 5 ) . M u ß er die Geschäftspolitik des Vorstands oder einzelne seiner Maßnahmen als fehlerhaft oder schädlich erkennen, so steht der Aufsichtsrat vor der Frage, ob er es noch verantworten kann, den Vorstand im Amte zu lassen oder seine Amtszeit zu verlängern. Geringere Bedenken gegen die Geschäftspolitik des Vorstands können dem Aufsichtsrat Veranlassung geben, in weiterem Umfange seine Zustimmung für bestimmte Arten von Geschäften für erforderlich zu erklären (Abs. 5).

Anm. 4

4. Die Aufgabe der Überwachung liegt dem G e s a m t a u f s i c h t s r a t ob. Sie kann durch die S a t z u n g weder einem anderen Organ noch einem Ausschuß des Aufsichtsrats noch seinen einzelnen Mitgliedern übertragen werden. Sie kann auch ihrem U m fang nach durch die S a t z u n g nicht eingeschränkt werden: Das Recht und die Pflicht der Überwachung der Geschäftsführung nebst den zu ihrer Durchführung dem A u f sichtsrat in §§ 95, 96 übertragenen besonderen Aufgaben und Rechten sowie die in § 1 2 5 vorgeschriebene Mitwirkung bei der Feststellung des Jahresabschlusses bilden „ d i e gesetzlichen M i n d e s t b e f u g n i s s e " des Aufsichtsrats ( R G in J W 1924, 1 1 4 4 ) . Der Aufsichtsrat selbst kann sie auch nicht auf einen nach § 92 Abs. 4 gebildeten Ausschuß übertragen (§92 Anm. 26; vgl. auch Schlegelberger-Quassowski Anm. 2 und §92 Anm. 4 1 sowie Baumbach-Hueck § 9 2 Anm. 5 B). D i e S a t z u n g k a n n a u c h niemals den A u f s i c h t s r a t für die E r f ü l l u n g der A u f g a b e n , die ihm das Gesetz z u w e i s t , an W e i s u n g e n der H a u p t v e r s a m m l u n g b i n d e n (RG 117, 203). Obwohl der Aufsichtsrat hiernach grundsätzlich die Aufsichtstätigkeit selbst und unter der Gesamtverantwortung aller seiner Mitglieder ausübt, kann er mit der D u r c h f ü h r u n g der Überwachung einzelne seiner Mitglieder beauftragen ( R G 93, 338). Das schreibt Abs. 3 für das dort geregelte Untersuchungsrecht ausdrücklich vor. Jedes einzelne Mitglied ist dafür verantwortlich, daß der Gesamtaufsichtsrat seiner Uberwachungsaufgabe nachkommt, und kann nicht von der Mitwirkung bei der Uberwachung ausgeschlossen werden. Es hat auch nach Abs. 2 Satz 2 ein selbständiges, freilich beschränktes Recht auf Berichterstattung des Vorstands an den Gesamtaufsichtsrat. 654

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 95 Anm. 4a, 5 Anm. 4a 5. Die Uberwachungstätigkeit des Aufsichtsrats kann es mit sich bringen, daß die einzelnen Mitglieder erheblichen I n t e r e s s e n k o n f l i k t e n ausgesetzt sind. Die Aktionärsvertreter werden häufig leitende Positionen in der Wirtschaft bekleiden und daher in ihren Entscheidungen als Aufsichtsratsmitglieder nicht immer frei sein (vgl. C. E. Fischer NJW 58, 1265); für die Arbeitnehmervertreter kann sich ein Interessenwiderstreit aus ihrer besonderen Lage als Repräsentanten der Arbeiter und Angestellten der AG ergeben (vgl. Vorbemerkung zu § 86). Bei Beurteilung dieser Situation wird auf die besondere Treupflicht hingewiesen, der alle Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft unterliegen (Ritter Anm. 2 ee; Baumbach-Hueck Anm. 1). Das ist anzuerkennen. Durch die Wahl oder Entsendung und Übernahme des Amtes entsteht regelmäßig zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und der AG eine Art Dienstverhältnis (vgl. hierzu § 87 Anm. 7 bis 10 und § 88 Anm. 14), das schon aus sich heraus Treupflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft begründet (nicht gegenüber den einzelnen Aktionären). Das Gesetz verlangt darüber hinaus, daß die Aufsichtsratsmitglieder bei ihrer Amtsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften „Geschäftsleiters" anwenden, §§ 99, 84 Abs. 1. Die so dargestellte Treupflicht macht es erforderlich, daß die Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich bei Interessenkonflikten den Interessen der AG den Vorrang geben. Ihre persönlichen Interessen haben dabei genauso hintanzustehen wie die Interessen ihrer Auftraggeber und Dienstherren. Das ist besonders auch für Aufsichtsratsmitglieder, die als Angestellte eines Großaktionärs oder bei K o n z e r n v e r f l e c h t u n gen als Vorstandsmitglieder der Konzernobergesellschaft ein Aufsichtsratsamt bekleiden, beachtlich; nicht die Interessen des Großaktionärs oder der Konzernobergesellschaft, die das Aufsichtsratsmitglied delegiert haben, sondern in erster Linie die Belange der Gesellschaft, deren Aufsichtsrat der Betreffende angehört, sind voranzustellen (v. Godin-Wilhelmi Anm. 13). Das bedeutet natürlich nicht, daß die Aufsichtsratsmitglieder nicht auch die Interessen ihrer Auftraggeber im Rahmen des Vertretbaren wahren können und dürfen (Robert Fischer in L M § 93 AktG Nr. 1 Anm.). Nur können sie sich bei echten Konflikten nicht darauf berufen, daß sie wichtigere Belange als die der AG wahrzunehmen hätten (RG 105, 392). Das gilt gleichermaßen für die von der Hauptversammlung gewählten Mitglieder wie die nach § 88 entsandten (s. auch §88 Anm. 16, selbst wenn letztere in keinem Vertragsverhältnis zur AG stehen sollten, § 88 Anm. 14). Hinsichtlich der Problemstellung bei den Arbeitnehmervertretern ist auf die Ausführungen in Anm. 4d zu § 86 zu verweisen, hinsichtlich des allgemeinen Problems auch noch auf Anm. 18 unten. Liegt ein grundsätzlich nicht behebbarer Konflikt vor, der es einem Aufsichtsratsmitglied unmöglich macht, seine Funktion sachgerecht auszuüben, so darf er das Amt nicht annehmen oder muß er, falls ein solcher Konflikt später hervortritt, sein Amt niederlegen; eine Amtsniederlegung in einem solchen Fall ist berechtigt (§ 87 Anm. 21). Treten Konfliktssituationen bei Einzelfragen auf, so muß sich das Mitglied bei Abstimmungen der Stimme enthalten. Auch schon aus dem Treuverhältnis ergibt sich weiterhin eine Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder über die ihnen bekannt werdenden vertraulichen Umstände und Verhältnisse der AG; das Gesetz sagt das ausdrücklich in § 99 mit § 84 Abs. 1 Satz 2. Über die Verschwiegenheitspflicht der Arbeitnehmervertreter s. § 86 Anm. 4d (Ziffer 4e). Derartige vertrauliche Dinge dürfen auch nicht den Entsendungsberechtigten preisgegeben werden — trotz des zu ihnen bestehenden etwaigen Vertragsverhältnisses (§ 88 Anm. 14). Anm. 5 II. 1. Der Aufsichtsrat kann von dem Vorstand jederzeit einen Bericht verlangen (Abs. 2). Außerdem hat der Vorstand den Aufsichtsrat durch die regelmäßigen mindestens vierteljährlichen Berichte über den Gang der Geschäfte und Lage des Unternehmens und durch die Berichte aus wichtigem Anlaß an den Vorsitzer des Aufsichtsrats gemäß § 81 auf dem laufenden zu halten. Auf Grund der Bestimmung des § 95 ist der Aufsichtsrat auch berechtigt, regelmäßige häufigere Berichterstattung von dem

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§95

Anm. 6

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Vorstand zu verlangen, als das Gesetz in § 81 vorschreibt (§ 81 Anm. 4 u. 10). Bei der Ausübung dieses Rechts muß der Aufsichtsrat eine unnötige Störung der Geschäfte und eine übermäßige Belastung des Vorstands vermeiden. Es steht aber grundsätzlich im Ermessen des Aufsichtsrats, wann und wie oft er einen Bericht verlangen will. Dies bringt das Gesetz mit dem Wort „jederzeit" zum Ausdruck. Der Vorstand kann die Berichterstattung nicht verweigern, weil er vor kurzem berichtet hat oder in einiger Zeit von sich aus berichten will oder weil er den Bericht für unnötig hält oder weil er zu sehr von der laufenden Geschäftstätigkeit in Anspruch genommen ist. Auf der anderen Seite sagt das Gesetz damit, daß es dem Aufsichtsrat das Recht zuspricht, jederzeit einen Bericht zu verlangen, unmittelbar nichts darüber, binnen welcher Frist der Bericht zu erstatten ist. Im allgemeinen wird der Vorstand unverzüglich, also b i n n e n e i n e r a n g e m e s s e nen F r i s t , zu berichten haben. Welche Frist als angemessen anzusehen ist, hängt ganz von den Umständen ab, insbesondere von dem Anlaß des Verlangens, von dem Gegenstand, über den der Vorstand berichten soll, von der Bedeutung, die die Sache für etwaige Beschlüsse des Aufsichtsrats haben kann, und von deren Dringlichkeit. Bei wichtigen Vorfällen, über die der Aufsichtsrat nicht genügend unterrichtet ist, und namentlich bei Vorkommnissen, aus denen der Gesellschaft ein erheblicher Schaden zu entstehen droht, wird der Aufsichtsrat sofortige Berichterstattung fordern können. Wenn es sich um Angelegenheiten handelt, über die der Vorstand ohne Schwierigkeiten sofort zu berichten in der Lage ist, wird er grundsätzlich umgehend zu berichten haben. Uber die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vorstand den verlangten Bericht überhaupt ablehnen kann, siehe unten Anm. 1 1 .

Anm. 6 2. Als Gegenstand des Berichts nennt das Gesetz die Angelegenheiten der Gesell-

schaft einschließlich ihrer Beziehungen zu einem Konzernunternehmen. Die

Berichterstattungspflicht besteht also in weitestem Rahmen. Sie betrifft alle Vorkommnisse und Verhältnisse, mit denen der Vorstand sich überhaupt zu befassen hat, nicht nur den Gang der Geschäfte und die Lage des Unternehmens, über die der Vorstand regelmäßig nach § 81 zu berichten hat, sondern auch bestimmte Vertragsverhältnisse, interne Streitigkeiten des Vorstands, Schwierigkeiten mit der Belegschaft usw. Der Bericht über die Beziehungen zu Konzernunternehmen (s. über diesen Begriff § 15) umfaßt an sich nicht die Lage und die Verhältnisse der Konzernunternehmen selbst. Jedoch ergibt sich aus der allgemeinen Uberwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, daß der Vorstand auch hierüber insoweit zu berichten hat, als die Geschäftsführung der A G das Konzernunternehmen betrifft oder die Verhältnisse des Konzernunternehmens für die A G von Bedeutung sind (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 1 ) . Uber interne Angelegenheiten des Konzernunternehmens, mit denen sich der Vorstand der A G nicht zu befassen hat und über die er sich auch nach pflichtmäßigem Ermessen nicht zu unterrichten braucht, braucht er auch dem Aufsichtsrat nicht zu berichten. Da der Vorstand einen weitgehenden Einfluß auf ein abhängiges Unternehmen hat, nicht aber auf ein die A G beherrschendes, wird er über jenes eingehender zu berichten haben, als über dieses (vgl. Staub H G B § 246 Anm. 4 c). Der Aufsichtsrat kann einen allgemeinen Bericht verlangen oder einen Bericht über bestimmte Vorkommnisse und Verhältnisse. Wenn er einen allgemeinen Bericht verlangt, wird der Vorstand seinen Bericht auf den Gang der Geschäfte und die Lage des Unternehmens beschränken können, soweit er nicht weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß der Aufsichtsrat durch den Bericht Klarheit über andere Umstände gewinnen will, und soweit nicht sonst Umstände vorliegen, deren Kenntnis für den Aufsichtsrat vermutlich von Bedeutung ist. Die auf Grund des § 95 verlangten Berichte müssen nicht weniger als die in § 81 vorgeschriebenen den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft entsprechen (§ 81 Satz 2). Dabei ist jedes einzelne Vorstandsmitglied dem Aufsichtsrat zu u n b e d i n g t e r O f f e n h e i t verpflichtet, BGH 20, 246; s. auch § 81 Anm. 3. Das folgt schon aus der engen Vertrauensbindung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ( R G J W 30, 2701; BGH 13, 192). Nur eine unbedingte Offenheitspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat ermöglicht andererseits diesem, die ihm durch das Gesetz übertragene Uberwachungsfunktion auszuüben

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 95 A n m . 7—9 (Robert Fischer in Anm. L M § 75 A k t G Nr. 10). Ihre Grenze findet die Offenbarungs" pflicht erst bei Selbstbezichtigung strafbarer Handlungen (vgl. B G H v. 17. 3. 54 — II Z R 248/153, nicht veröffentlicht; zit. bei Kuhn, Die A k t G 1956, 27). Verletzt der Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder die Pflicht zu unbedingt offener Berichterstattung, so wird dadurch der Aufsichtsrat zumindest solange nicht entlastet, als es ihm zumutbar ist, sich durch eigene Ermittlungen vom wahren Sachverhalt Kenntnis zu verschaffen, gegebenenfalls auch durch die sonst nicht übliche Befragung von Angestellten der Gesellschaft (Teichmann-Köhler Anm. 2d).

Anm. 7 3. Als z u r B e r i c h t e r s t a t t u n g v e r p f l i c h t e t ist hier wie im Fall des §81 der G e s a m t v o r s t a n d anzusehen und nicht das einzelne Vorstandsmitglied. Der Gesamtvorstand hat auf Grund der Berichte der einzelnen Vorstandsmitglieder seinen Bericht zu verfassen. Auch über die Art und den Umfang der Berichterstattung im Falle, daß Meinungsverschiedenheiten unter den Vorstandsmitgliedern über die zu berichtenden Angelegenheiten bestehen, gilt dasselbe wie für die in § 81 (s. dort Anm. 1) vorgeschriebenen Berichte. Jedoch steht dem nichts entgegen, daß der Aufsichtsrat über Angelegenheiten, die das Tätigkeitsgebiet eines bestimmten Vorstandsmitglieds betreffen, oder über Handlungen eines Vorstandsmitglieds von diesem unmittelbar Rechenschaft fordert. Auch für die F o r m d e r B e r i c h t e gilt grundsätzlich das gleiche wie für die Berichte des § 8 1 . Danach wird der Aufsichtsrat regelmäßig s c h r i f t l i c h e n Bericht fordern können. Mündlicher Bericht kann nur in einer Aufsichtsratssitzung erstattet werden, die zu diesem Zweck einberufen ist oder bei der alle Aufsichtsratsmitglieder anwesend sind. Der Bericht ist dem Aufsichtsrat zu erstatten, ebenso wie der vierteljährliche Bericht, nicht etwa nur dem Vorsitzer des Aufsichtsrats, wie der Bericht aus wichtigem Anlaß gemäß § 81. Dies gilt auch dann, wenn der Vorsitzer oder ein anderes Aufsichtsratsmitglied den Bericht verlangt hat. Zur Entgegennahme des schriftlichen Berichts ist der Vorsitzer des Aufsichtsrats befugt; er hat ihn den anderen Aufsichtsratsmitgliedern zugänglich zu machen. Mündliche Berichterstattung gegenüber dem Vorsitzer genügt nicht, soweit es sich nicht um einfache Auskünfte handelt, die keine Ungenauigkeit und keine Mißverständnisse bei der Weitergabe befürchten lassen.

Anm. 8 4. Das Recht auf Berichterstattung steht grundsätzlich dem G e s a m t a u f s i c h t s r a t zu. Es bedarf also eines Beschlusses. Der Vorsitzer ist im Zweifel ermächtigt, auf Grund des Beschlusses den Bericht von dem Vorstand zu verlangen (§ 97 Anm. 2). Daneben

gibt das Gesetz jedem einzelnen Mitglied das Recht auf Berichterstattung, je-

doch nur an den Aufsichtsrat als solchen, nicht an das Mitglied selbst (Abs. 2 Satz 2). Der Vorstand kann aber die nur von einem einzelnen Mitglied verlangte Berichterstattung ablehnen, es sei denn, daß der Vorsitzer des Aufsichtsrats das Verlangen unterstützt (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). Die Unterstützung durch eine beliebige Zahl der anderen Aufsichtsratsmitglieder genügt nicht. Zweifelhaft kann sein, ob der Vorsitzer selbst der Unterstützung durch ein anderes Aufsichtsratsmitglied bedarf oder allein den Bericht verlangen kann. Da das Gesetz grundsätzlich jedem einzelnen Mitglied das Recht auf Berichterstattung gibt, steht auch dem Vorsitzer allein dieses Recht zu. Ihm gegenüber als einzelnem Mitglied kann die Berichterstattung nicht mangels Unterstützung durch den Aufsichtsratsvorsitzer verweigert werden, weil er selbst der Vorsitzer ist (vgl. auch § 81, der dem Vorsitzer des Aufsichtsrats eine bevorzugte Stellung hinsichtlich der Berichterstattung gibt).

Anm. 9 5. Der Bericht ist auch, wenn er von einem einzelnen Mitglied verlangt wird, d e m G e s a m t a u f s i c h t s r a t z u e r s t a t t e n . Der Vorstand ist aber berechtigt, dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied unmittelbar Auskunft zu erteilen (teilweise abw. SchlegelbergerQuassowski Anm. 14). Da der Vorstand dem Aufsichtsrat nichts verschweigen darf (Anm. 6 und Anm. 11) und jedes Aufsichtsratsmitglied ein Recht auf Kenntnis der dem

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§95

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Anm. 10, 11 Aufsichtsrat erstatteten Berichte hat, kann nicht angenommen werden, daß eine V e r schwiegenheitspflicht des Vorstands gegenüber einem e i n z e l n e n Aufsichtsratsmitglied besteht. Der Vorstand kann aber nicht als berechtigt angesehen werden, einem Aufsichtsratsmitglied über Umstände Auskunft zu geben, die dem Gesamtaufsichtsrat unbekannt bleiben. Der Vorstand muß daher als verpflichtet angesehen werden, wenn er einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied berichtet, den Bericht auch dem Gesamtaufsichtsrat zukommen zu lassen, sofern es sich nicht ausschließlich um Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung handelt. Nicht der Bericht an das Aufsichtsratsmitglied, wohl aber die Unterlassung des Berichts an den Gesamtaufsichtsrat können eine Pflichtverletzung darstellen, durch die sich der Vorstand schadensersatzpflichtig machen kann (Anm. 23).

Anm. 10 6. Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften sowie die Vermögens-

g e g e n s t ä n d e d e r G e s e l l s c h a f t einsehen und p r ü f e n (Abs. 3). Unter den Vermögensgegenständen hebt das Gesetz die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren hervor, die früher nach H G B § 246 neben den Büchern und Schriften die einzigen dem Untersuchungsrecht des Aufsichtsrats unterliegenden Vermögensgegenstände waren. Es bedarf eines Beschlusses des Aufsichtsrats. Einem einzelnen Mitglied steht ein Untersuchungsrecht nicht zu (Begründung zur Aktiennovelle vom J a h r e 1884; K G J 3 1 A 1 9 7 ; O L G 4, 469). Der Aufsichtsrat kann aber mit der Einsicht und Prüfung auch einzelne M i t g l i e d e r b e a u f t r a g e n , auch einen Ausschuß. V o n dieser Befugnis wird er in der Regel Gebrauch machen, da, zumindest bei einer größeren Zahl von Mitgliedern, die Untersuchung durch den Gesamtaufsichtsrat untunlich ist. Werden einzelne Mitglieder beauftragt, so haben die übrigen kein Recht auf Teilnahme an der Untersuchung. Dadurch soll die Gesellschaft vor einer Verbreitung der Geschäftsgeheimnisse geschützt werden. Der Aufsichtsrat kann f ü r b e s t i m m t e A u f g a b e n , also nicht allgemein, auch b e s o n d e r e S a c h v e r s t ä n d i g e mit der Einsicht und Prüfung beauftragen. Die Bedeutung dieser Bestimmung liegt zunächst darin, daß die Prüfung durch sorgfältig ausgewählte Sachverständige den Aufsichtsrat von seiner eigenen Prüfungspflicht befreit und daß den von dem Aufsichtsrat beauftragten Sachverständigen die Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft gewährt werden muß. Darüber hinaus ist aus der Bestimmung abzuleiten, daß der Aufsichtsrat namens der Gesellschaft den Sachverständigen mit der Prüfung beauftragen und ihm ein angemessenes Entgelt zusichern kann (Schlegelberger-Quassowski Anm. 40; Ritter Anm. 4; Baumbach-Hueck § 97 Anm. 1 ; Teichmann-Köhler § 97 Anm. 3). Der Aufsichtsrat ist also nicht darauf angewiesen, von dem Vorstand den Abschluß des Vertrages mit dem Sachverständigen zu verlangen (§ 97 Anm. 1). Der Aufsichtsrat wird von der eigenen Überwachung durch die Beauftragung des Sachverständigen nur insoweit befreit, als die besondere Sachkunde des Sachverständigen reicht. Ist etwa ein Sachverständiger mit der Nachprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung beauftragt, so ist der Aufsichtsrat dadurch nicht von der Prüfung der Zulässigkeit und Angemessenheit der richtig gebuchten Geschäfte befreit. Eine sorgfältige Auswahl des Sachverständigen allein entlastet daher nicht immer und unbedingt (vgl. R G 1 6 1 , 140).

Anm. 11 I I I . 1. Grenzen des Ü b e r w a c h u n g s r e c h t s . 1. Hat der Vorstand ein Recht, die Berichterstattung über Fragen abzulehnen oder irgendwelche wichtigeren Umstände vor dem Aufsichtsrat geheimzuhalten, weil er die Geheimhaltung im Interesse der A G für geboten erachtet, insbesondere weil er einen Mißbrauch der Kenntnis von Seiten eines Aufsichtsratsmitglieds befürchtet? Dies ist hier ebenso wie bei den durch § 81 vorgeschriebenen Berichten zu verneinen. Das Gesetz sieht den Aufsichtsrat als ebenso vertrauenswürdig an wie den Vorstand. Indem es ihm die Überwachung des Vorstands überträgt, spricht es ihm das Recht auf Kenntnis aller Umstände zu, die für die Uberwachung von Bedeutung sein können. Das der Überwachung unterliegende Organ kann nicht das Recht haben, über die Zuverlässigkeit des Uberwachungsorgans zu urteilen. Es liegt hier anders als bei dem Auskunftsanspruch der Aktionäre und bei dem jährlichen Geschäftsbericht. Denn dabei handelt es sich um eine in der Öffentlichkeit vor sich ge-

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 95 A n m . 12, 13 hende, für unbestimmte Kreise bestimmte Berichterstattung, hier dagegen um die Berichterstattung an ein der Verschwiegenheitspflicht unterliegendes Organ der A G . Das Recht des Vorstands, gemäß § 1 1 2 Abs. 3 und § 128 Abs. 3 wegen überwiegender Belange der Gesellschaft oder eines beteiligten Unternehmens die Berichterstattung zu unterlassen oder zu verweigern, ist daher keiner Erweiterung auf das Verhältnis zum Aufsichtsrat fähig. Das Gesetz gibt dem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats ein den Vorstand bindendes Auskunftsrecht nur im Falle der Unterstützung des Verlangens durch den Vorsitzer des Aufsichtsrats. Dadurch schützt es die A G selbst in gewissen Grade vor einem Mißbrauch des Auskunftsrechts durch ein einzelnes Mitglied. Eine weitere Schranke der Berichterstattungspflicht des Vorstandes liegt darin, daß die verlangte A u s k u n f t im R a h m e n d e r U b e r w a c h u n g s a u f g a b e des Aufsichtsrats liegen muß. Die Beantwortung von Anfragen, die offensichtlich nichts mit der Überwachung zu tun haben, darf der Vorstand verweigern. Er wird daher dem Aufsichtsrat im allgemeinen keine Einsicht in Fabrikationsgeheimnisse zu gewähren brauchen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 18). Im übrigen hält das Gesetz die Gefahren einer unzureichenden Uberwachung des Vorstands für größer als die Gefahren, die der Gesellschaft aus einer genauen Kenntnis der Aufsichtsratsmitglieder von den Verhältnissen der A G drohen. D a s E r g e b n i s , daß der V o r s t a n d g r u n d s ä t z l i c h nicht A n g e l e g e n h e i t e n der G e s e l l s c h a f t in d e r e n I n t e r e s s e g e h e i m h a l t e n d a r f , s c h e i n t j e t z t a l l g e m e i n e A n e r k e n n u n g zu f i n d e n (s. Schlegelberger-Quassowski Anm. 22; Ritter Anm. 3 a ; Baumbach-Hueck Anm. 5; Staub H G B § 246 Anm. 7a). Der Vorstand kann hiernach auch nicht einem von dem Gesamtaufsichtsrat gemäß Abs. 3 beauftragten Aufsichtsratsmitglied oder sonstigen Sachverständigen die Untersuchung verwehren (a. A. Schlegelberger-Quassowski Anm. 22 und teilw. Baumbach-Hueck Anm. 5). Es handelt sich hierbei nicht um einen Anspruch des einzelnen Mitglieds, wie Schlegelberger-Quassowski a.a. O. annehmen, sondern um eine bestimmte Form der Ausübung der Überwachungstätigkeit des Gesamtaufsichtsrats. Wenn der Vorstand gegen den mit der Einsicht und Prüfung Beauftragten besondere Bedenken hat, muß er sich bemühen, den Gesamtaufsichtsrat von der Ungeeignetheit des Betreffenden zu überzeugen. Gelingt ihm dies nicht, so bleibt die Auffassung des Aufsichtsrats maßgebend. Der Vorstand hat j a auch kein Mittel in der Hand, um die Untersuchung durch den Gesamtaufsichtsrat zu verhindern, falls dieser darauf besteht. A n m . 12 2. Eine andere Frage ist es, ob der Vorstand zur G e h e i m h a l t u n g berechtigt ist, w e n n nicht die Belange der Gesellschaft, sondern das G e m e i n w o h l es f o r d e r n (bejahend Baumbach-Hueck Anm. 5; Ritter § 81 Anm. 5; anscheinend verneinend Schlegelberger-Quassowski § 95 Anm. 22). Es kann kein Zweifel bestehen, daß grundsätzlich das Gemeinwohl auch dem Interesse an einer völlig ungehinderten Durchführung der Überwachungsaufgabe vorgeht. Die Frage ist nur die, ob es Sache des Vorstands ist zu beurteilen, ob durch eine Mitteilung der betreffenden Tatsache an den Aufsichtsrat lebenswichtige Allgemeinbelange gefährdet sind oder ob nicht vielmehr davon auszugehen ist, daß die Geheimhaltung von den Mitgliedern des Aufsichtsrats nicht minder zu erwarten ist als von den Mitgliedern des Vorstands. Die Frage läßt sich nicht allgemein beantworten. Soweit eine öffentlichrechtliche, vielleicht sogar strafrechtlich geschützte Pflicht zur Geheimhaltung besteht, wie etwa bei militärischen und anderen Staatsgeheimnissen, kann das Recht und die Pflicht des Vorstands zur Verschwiegenheit gegenüber dem Aufsichtsrat nicht geleugnet werden. Auch sonst wird eine naheliegende Gefahr einer Verletzung bestimmter öffentlicher Interessen, besonders bei bewiesener Unzuverlässigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds, den Vorstand zur Geheimhaltung * berechtigen. Dagegen werden bloße unbestimmte Befürchtungen möglicher Schädigungen öffentlicher Interessen dem Vorstand keine Befugnis zur Geheimhaltung von Tatsachen geben, über die der Aufsichtsrat Auskunft verlangt oder zur Erfüllung seiner Uberwachungsaufgabe unterrichtet werden muß. A n m . 13 3. Kommt es zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat zu Meinungsverschiedenheiten, so geht nicht schlechthin die Auffassung des Aufsichtsrats vor. Der Auf-

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Anm. 14, 15

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sichtsrat ist Überwachungsorgan, aber nicht Vorgesetzter des Vorstands. Der Vorstand braucht sich nicht der Meinung des Aufsichtsrats unterzuordnen. Es ist daher v. GodinWilhelmi (Anm. i) nicht darin zuzustimmen, daß der Vorstand Bedenken des Aufsichtsrats gegen seine Geschäftsführung immer Rechnung tragen müsse, soweit es nicht schon zu spät ist. Der Vorstand muß freilich Mängel, auf die ihn der Aufsichtsrat hinweist, abstellen. Das ergibt sich ohne weiteres aus seiner Pflicht zur ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitung. Er wird auch stets in Rechnung stellen müssen, daß die Befolgung einer Geschäftspolitik oder geschäftlicher Methoden, gegen die sich der Aufsichtsrat ausspricht, schon deshalb wenig empfehlenswert ist, weil der Aufsichtsrat ihre Durchführung durch Abberufung des Vorstands verhindern kann. Aber eine Pflicht des Vorstands, einem von ihm für unbegründet gehaltenen Bedenken des Aufsichtsrats nachzukommen, besteht nicht. Er kann es darauf ankommen lassen, ob ihn der Aufsichtsrat deswegen abberufen wird. Er kann auch eine Entscheidung durch die Hauptversammlung gemäß § 103 Abs. 2 herbeiführen.

Anm. 14 I V . 1. Die Erfüllung der Pflicht des Vorstands zur Berichterstattung und zur Gewährung der Einsicht kann gemäß § 303 Abs. 1 mit §§ 132 fr. F G G durch O r d n u n g s s t r a f e n erzwungen werden. Auch eine Klage auf Berichterstattung und Duldung der Einsicht und Prüfung dürfte grundsätzlich zulässig sein (Ritter Anm. 3 c ; Staub H G B § 246 Anm. 7). In der Weigerung des Vorstands kann auch ein wichtiger Grund zu seiner Abberufung nach § 75 Abs. 3 liegen. Der Vorstand macht sich ferner durch die Weigerung der Gesellschaft schadensersatzpflichtig. Durch eine unrichtige Berichterstattung, die auch in der Weigerung, überhaupt Berichte zu erstatten, bestehen, kann, setzt sich der Vorstand darüber hinaus der Strafverfolgung aus (§ 296 Ziff. 1 ; s. daselbst Anm. 5 und 6).

Anm. 15 2. Der Aufsichtsrat ist v e r p f l i c h t e t , von dem Recht auf Berichterstattung des Vorstands und auf Einsicht und Prüfung Gebrauch zu machen, soweit es nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur ordentlichen und gewissenhaften Erfüllung seiner Uberwachungs aufgabe erforderlich ist. Bei der Beurteilung, wie weit die Prüfung des Aufsichtsrats sich auf Einzelheiten erstrecken muß, ist davon auszugehen, daß der eigentliche Gegenstand der Uberwachungspflicht die Tätigkeit des Vorstands ist. Die Tätigkeit der Angestellten ist von dem Vorstand zu überwachen (s. auch Anm. 1). Es ist nicht Sache des Aufsichtsrats, neben dem Vorstand die Aufsicht über die Belegschaft des Unternehmens zu führen. Gewiß unterliegt auch die Beaufsichtigung der Angestellten durch den Vorstand der Überwachung des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat kann aber, soweit kein Anlaß zu Zweifeln obliegt, davon ausgehen, daß die Überwachung der Angestellten in ordnungsmäßiger Weise von dem Vorstand erledigt wird. Er wird also in der Regel seine Überwachungstätigkeit auf die Geschäftsführung des Vorstands beschränken können und sich nur insoweit mit der Durchführung der Anordnungen des Vorstands durch die Angestellten und überhaupt mit deren Tätigkeit befassen müssen, als das Ergebnis der Prüfung der Vorstandstätigkeit oder irgendwelche besonderen Vorkommnisse ihm einen besonderen Anlaß dazu geben. Er wird insbesondere grundsätzlich von der Richtigkeit der ihm von dem Vorstand mitgeteilten Zahlen und von der Übereinstimmung der ihm vorgelegten Bilanzen mit den Büchern ausgehen dürfen, soweit ihm nicht besondere Umstände Grund zu Mißtrauen geben. Der Aufsichtsrat kann von der Ordnungsmäßigkeit der Prüfung des Jahresabschlusses durch den Abschlußprüfer ausgehen (§ 96 Anm. 1). Wenn diese Prüfung zufriedenstellend ausfällt, wird der Aufsichtsrat ohne weitere Nachforschungen späteren Aufstellungen des Vorstands vertrauen dürfen, soweit diese nicht irgendwelche auffallenden und nicht ohne weiteres erklärlichen Abweichungen von dem letzten geprüften Jahresabschluß aufweisen. Der Aufsichtsrat wird besonders sein Augenmerk darauf zu richten haben, daß der Vorstand den besonderen ihm durch das Gesetz, die Satzung oder die Geschäftsordnung auferlegten Pflichten nachkommt. Davon wird er sich durch Revisionen und Stichproben überzeugen müssen. Namentlich wird er über die sorgsame Innehaltung von Bestimmungen wachen müssen, die die Gesell660

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 95 Anm. 16, 17 Schaft vor einer Übernahme zu großer Risiken oder der Eingehung sonstiger gefährlicher Geschäfte schützen sollen und unter Umständen von seinem Recht, bestimmte Arten von Geschäften von seiner Zustimmung abhängig zu machen (§ 95 Abs. 5 Satz 2), Gebrauch machen. Das wird man besonders dann verlangen müssen, wenn der Aufsichtsrat Mängel bei der Geschäftsführung festgestellt, ohne daß damit schon ein Widerruf der Bestellung einzelner oder aller Vorstandsmitglieder notwendig und gerechtfertigt erscheint. Da sich die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats auf die Überwachung der Geschäftsführung durch den Vorstand beschränkt, kommt eine direkte Befragung von Angestellten der Gesellschaft unter Umgehung des Vorstands regelmäßig nicht in Frage, auch weil darin ein offensichtliches Mißtrauen gegenüber dem Vorstand zutage tritt. Hat aber der Aufsichtsrat begründeten Verdacht, daß der Vorstand ihm unrichtig berichtet oder wesentliches verschweigt, so hat der Aufsichtsrat das Recht und die Pflicht sich auch direkt an Angestellte der Gesellschaft mit dem Verlangen um Auskunft oder Berichterstattung zu wenden. Das wird nicht nur der Fall sein, wenn der Vorstand oder einzelne seiner Mitglieder strafbarer Handlungen (etwa der aktienrechtlichen Untreue) verdächtig sind (vgl. Anm. 6 a. E.) oder die AG schädigende Privatgeschäfte machen (gleichgültig ob § 79 verletzt ist oder nicht), sondern auch, wenn der Aufsichtsrat Grund zu der Annahme hat, daß Tatumstände vorliegen, die eine Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grunde erforderlich machen könnten (zustimmend für den letztgenannten Fall Teichmann-Köhler Anm. 2d; grundsätzlich a. A. v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Der Aufsichtsrat hat bei der Uberwachungstätigkeit nicht nur die Interessen der AG und ihrer Gläubiger wahrzunehmen. Gegen Gesetzesverletzungen und insbesondere gegen die Begehung unerlaubter Handlungen muß er sich auch wenden, wenn das betreffende Gesetz Interessen Dritter schützt oder die unerlaubte Handlung sich gegen Dritte richtet (RG im Recht 1929 Nr. 1498). Er haftet für sorgfältige Pflichterfüllung. Es versteht sich von selbst, daß er nur schadensersatzpflichtig werden kann, wenn ihn ein Verschulden trifft; eine schuldlose falsche Beurteilung einer geschäftlichen Maßnahme begründet seine Schadensersatzpflicht nicht (RG in J W 1911, 22336). Ein O r d n u n g s s t r a f v e r f a h r e n zur Erzwingung der Erfüllung der Uberwachungspflichten des Aufsichtsrats findet nicht statt. Anm. 16 V. 1. Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung zu berufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert (Abs. 4). In der Regel ist die Einberufung der Hauptversammlung Sache des Vorstands (§105 Abs. 1 Satz 1). Es versteht sich von selbst, daß auch der Vorstand zur Einberufung der Hauptversammlung verpflichtet ist, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert; dies war früher in § 253 Abs. 2 HGB ausdrücklich gesagt. Die vorliegende Bestimmung stellt sich als eine Ergänzung der Überwachungsbefugnisse des Aufsichtsrats dar. Dieser vermag selbst die Hauptversammlung einzuberufen, wenn nach seiner Meinung ein Grund dazu vorliegt, während der Vorstand einen solchen nicht für gegeben hält. Erforderlich ist ein Beschluß des Gesamtaufsichtsrats (vgl. v. Godin-Wilhelmi Anm. 9). Der Vorsitzer ist selbständig nicht zur Einberufung der Hauptversammlung befugt, jedoch kann die Satzung ihm dieses Recht zugestehen (s. § 105 Anm. 4). Der Aufsichtsrat kann die Befugnisse nach Abs. 4 nicht einem Ausschuß übertragen (s. § 92 Anm. 26). Die Kosten einer vom Aufsichtsrat berufenen Hauptversammlung trägt die Gesellschaft (OLG Köln im Recht 1904 Nr. 579). Anm. 17 2. Das Wohl der Gesellschaft erfordert immer dann die Einberufung der Hauptversammlung, wenn es im Interesse der Gesellschaft geboten erscheint, daß die Hauptversammlung einen Beschluß faßt, oder daß sie wenigstens über irgendweche Vorkommnisse unterrichtet wird und Gelegenheit erhält, hierzu Stellung zu nehmen. Wann dies der Fall ist, läßt sich nicht allgemein bestimmen; die Entscheidung darüber muß dem pflichtmäßigen Ermessen der zur Berufung der Hauptversammlung berechtigten Or661

§95 A n m . 18

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gane überlassen bleiben. D a die Geschäftsführung grundsätzlich Sache des Vorstands ist und dieser auch in der Regel viel besser in der L a g e ist, über die Ratsamkeit eines Geschäfts zu entscheiden, als die Aktionäre, begründet die besondere Wichtigkeit eines von dem Vorstand beabsichtigten Geschäfts keineswegs die Notwendigkeit, die Hauptversammlung einzuberufen. Die Entscheidung des R G bei Holdheim 12, 197 (vgl. auch R G 35, 83), nach der die Hauptversammlung „ i n wichtigen Fällen", „ v o r Einlassung auf wichtige, kostspielige, riskante und deshalb das Interesse der Aktionäre in besonderem Maße berührende Unternehmungen" einzuberufen ist, ist mit der allgemeinen Ansicht (s. namentlich Schlegelberger-Quasoswski Anm. 2 5 ; Brodmann H G B § 2 5 3 Anm. 2 ; Staub H G B § 253 Anm. 4) abzulehnen, wofern sie nicht überhaupt nur sagen will, daß die Einberufungspflicht besteht, w e n n im Hinblick auf die Wichtigkeit, Kostspieligkeit oder Gefährlichkeit des Unternehmens das Interesse der Gesellschaft, das Wohl der Aktionäre die Einberufung erforderlich erscheinen läßt (vgl. Ritter Anm. 5). M a n kann sogar fragen, ob der Aufsichtsrat wegen einer Angelegenheit der Geschäftsführung die Hauptversammlung überhaupt einberufen darf, da diese über Fragen der Geschäftsführung nach § 103 Abs. 3 nur auf Verlangen des Vorstands zu entscheiden hat (so Baumbach-Hueck Anm. 6). Doch wird die Zulässigkeit einer Einberufung zu diesem Zweck zu bejahen sein, da die Hauptversammlung sich immerhin mit Fragen der Geschäftsführung befassen darf, wenn ihr auch in dieser Hinsicht kein Entscheidungsrecht zusteht ( § 1 0 3 Anm. 4). Der Aufsichtsrat kann etwa die Hauptversammlung einberufen, weil er für den Fall, daß die Hauptversammlung seine ablehnende Haltung gegenüber einer von dem Vorstand geplanten Maßnahme teilt, den Vorstand abberufen will. Die früher streitige Frage, ob die Aufsichtsratsmitglieder ein R e c h t z u r T e i l n a h m e a n d e r H a u p t v e r s a m m l u n g haben, ist vom AktienG in bejahendem Sinne entschieden (§ 102 Abs. 2). Diesem Recht entspricht auch die V e r p f l i c h t u n g z u r T e i l n a h m e . Dies gilt insbesondere für die vom Aufsichtsrat selbst einberufene Hauptversammlung. Der Aufsichtsrat hat —• auch das gehört zu seiner Überwachungsaufgabe — über die Ausführung der Beschlüsse der Hauptversammlungen zu wachen.

Anm. 18 VI. 1. Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht

ü b e r t r a g e n w e r d e n (Abs. 5 Satz 1). Uber die grundlegende Bedeutung dieser Bestimmung siehe Einleitung und Vorbemerkung zu § 70 und § 70 Anm. 7 sowie für Konzernverhältnisse § 1 5 A n m . 7 a ff. Die Übertragung ist weder unmittelbar zu eigener Erledigung noch mittelbar durch Einräumumg der Befugnis, dem Vorstand Weisungen zu erteilen, zulässig. S a t z u n g s b e s t i m m u n g e n d i e s e r A r t , wie sie unter der Geltung des H G B (vgl. oben Einleitung) gang und gäbe waren, etwa dahin, daß der Aufsichtsrat die Geschäftspolitik zu bestimmen und der Vorstand seinen Weisungen zu folgen verpflichtet ist, sind ungültig. Der Aufsichtsrat kann durch Satzung n i c h t z u e i n e m

dem Vorstand übergeordneten geschäftsführenden Verwaltungsorgan er-

hoben werden, auch nicht in dem Sinne, daß er über Meinungsverschiedenheiten im Vorstand zu entscheiden hat ( J F G 20, 254). Eine Ausnahme vom Verbot des Abs. 5 Satz 1 macht § 1 5 Abs. 1 M i t E r g G (Verhinderung der sog. Potenzierung der Mitbestimmung) : Beschlüsse der Mehrheit der Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat über die Ausübung von Beteiligungsrechten hinsichtlich der im Gesetz genannten Beschlußfassungen in abhängigen Gesellschaften sind für den Vorstand verbindlich. Auch der Vorstand selbst ist nicht in der Lage, Aufsichtsratsmitgliedern d a u e r n d die Führung bestimmter Geschäfte zu überlassen. Geschieht dies dennoch, so sind sowohl der Vorstand, der dies veranlaßt, wie die Aufsichtsratsmitglieder, die die Geschäftsführung übernehmen, wie die übrigen Aufsichtsratsmitglieder, die schuldhaft unterlassen, dagegen einzuschreiten, schadensersatzpflichtig. Daß Aufsichtsratsmitglieder nicht als Angestellte die Geschäfte der Gesellschaft führen dürfen, ist in § 90 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich vorgeschrieben. Zulässig dagegen erscheint es, daß der Vorstand die Ausführung einzelner von ihm beschlossener Geschäfte Mitgliedern des Aufsichtsrats überläßt und ihnen zu diesem Zweck eine Vollmacht erteilt. Die Aufsichtsratsmitglieder sind hinsichtlich solcher Geschäfte wie andere Beauftrage an den von dem Vorstand erteilten Auftrag gebunden (Schlegelberger-Quassowski Anm. 29).

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 95 A n m . 19, 20 Das Verbot des § 95 Abs. 5, das durch das AktienG von 1937 eingeführt wurde, hat nicht verhindert, daß in der Wirklichkeit des Lebens Abhängigkeits- und Weisungsverhältnisse zwischen Aufsichtsrat und Vorstand fortbestehen oder immer wieder neu begründet werden. Dies geschieht in der Art, daß z. B. ein Großaktionär die Mehrheit des Aufsichtsrats mit seinen Angestellten besetzt. Im Konzernwesen ist der Großaktionär die Konzernobergesellschaft; deren Vorstandsmitglieder oder leitende Angestellte werden Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder der Konzernuntergesellschaften. Durch solche Personalunion wird praktisch die zwingende Kompetenzveretilung, die das AktienG für die Organe der A G vorsieht, aus den Angeln gehoben. Das frühere Recht ermöglichte durch entsprechende Satzungsgestaltung eine gewisse Anpassung der rechtlichen Verantwortungen an die tatsächlichen Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse; sie ist im geltenden Recht durch das zwingende Verbot des § 95, Abs. 5 ausgeschlossen. Über die hierdurch gegebenen häufigen Fälle von Interessenkonflikten und deren rechtliche Lösung, vgl. oben Anm. 4 a. A n m . 19 2. Die S a t z u n g o d e r d e r A u f s i c h t s r a t k a n n j e d o c h b e s t i m m e n , d a ß b e s t i m m t e Arten von Geschäften nur m i t seiner Z u s t i m m u n g v o r g e n o m m e n w e r d e n sollen (Abs. 5 Satz 2). Die Bestimmung steht im Zusammenhang mit der Uberwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, geht aber darüber hinaus. Sie erleichtert die Durchführung der Überwachung, indem sie den Vorstand zwingt, sich für bestimmte Arten von Geschäften des Einverständnisses des Aufsichtsrats zu vergewissern. Sie läßt den Aufsichtsrat in gewissem Umfang an der Geschäftsführung teilnehmen. Denn im Rahmen dieser Bestimmung ist der Aufsichtsrat nicht darauf beschränkt, Mängeln der Geschäftsführung entgegenzutreten (vgl. Anm. 3). Er kann seine Zustimmung verweigern, weil er die reine Ermessensfrage der Zweckmäßigkeit des Geschäfts anders beurteilt als der Vorstand. Das Recht des Aufsichtsrats, sich über die Zweckmäßigkeit der von dem Vorstand beabsichtigten Maßnahme in vollem Umfange ein eigenes Urteil zu bilden, ist nicht zugleich als Pflicht anzusehen. Der Aufsichtsrat kann sich darauf beschränken zu erwägen, ob der Maßnahme Bedenken entgegenstehen, und, wenn dies nicht der Fall ist, die Zustimmung erteilen, ohne sich darüber schlüssig zu werden, ob er selbst ebenso handeln würde, wenn er auf seine alleininge eigene Verantwortung über die Vornahme des Geschäfts zu entscheiden hätte. A n m . 20 3. Die Satzung und ebenso der Aufsichtsrat können grundsätzlich d i e A r t d e r zus t i m m u n g s p f l i c h t i g e n G e s c h ä f t e frei bestimmen. Jedoch darf diese Befugnis nicht dazu benutzt werden, dem Aufsichtsrat hinsichtlich der Geschäftsführung eine annähernd gleiche Stellung einzuräumen wie dem Vorstand. Denn dies würde der vom Gesetz vorgeschriebenen Stellung des Vorstands als alleinigem geschäftsführenden Organs der Gesellschaft und der strengen Trennung der Aufgaben der Verwaltungsträger widersprechen. Insbesondere kann die Zustimmung nicht für gewöhnliche Geschäfte vorgeschrieben werden, auch nicht allgemein für die Vornahme aller Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Es wird auch nicht zulässig sein, den Kreis der zustimmungsbedürftigen Geschäfte durch Aufstellung einer Liste in der Satzung so weit zu ziehen, daß praktisch nahezu alle Handlungen und Beschlüsse des Vorstands der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen (Geßler J W 1937, 498; Schmidt, Umgestaltung S. 181 und Muster A § 27). Die Zustimmungspflicht kann also nur für Geschäfte, die durch ihren Gegenstand, ihren Umfang, das mit ihnen verbundene Risiko von besonderer Bedeutung sind, eingeführt werden. Bei der Beurteilung, wie weit hiernach der Vorstand an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden werden kann, ist die Natur des Unternehmens von maßgebender Bedeutung. Die Natur vieler Unternehmen wird es beispielsweise gestatten, die Zustimmung des Aufsichtsrats für die Erteilung von Krediten oder die Übernahme von Bürgschaften zu verlangen; bei einer Bankgeschäfte treibenden Gesellschaft müßte eine solche Bestimmung, sofern sie sich nicht auf Kredite oder Bürgschaften von ungewöhnlichem Ausmaß beschränkt, als unzulässig angesehen werden. 663

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Anm. 21—23 Anm. 21

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4. Ist die Zustimmung des Aufsichtsrats in der Satzung vorgeschrieben, so kann sie nur einzeln erteilt werden. Der Zweck der auch für den Aufsichtsrat verbindlichen Sattungsbestimmung würde sonst nicht erreicht. Hat hingegen nur der Aufsichtsrat die Zustimmung vorgeschrieben, so steht es in seinem Ermessen, ob er eine mehr oder minder allgemeine Zustimmung erteilen will. Denn er könnte j a auch ganz von dem Erfordernis die Zustimmung absehen. Der Vorstand muß die Zustimmung stets vor Abschluß des zustimmungspflichtigen Geschäfts einholen. Andernfalls begeht er eine Pflichtverletzung, die ihn schadensersatzpflichtig machen und einen wichtigen Grund zu seiner Abberufung bilden kann. Die Z u s t i m m u n g hat nur im Innenverhältnis B e d e u t u n g (§ 74 Anm. 1); ihr Fehlen beeinträchtigt die Wirksamkeit des von dem Vorstand vorgenommenen Geschäfts nicht. Hat der Vorstand ohne die erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats das Geschäft abgeschlossen und verweigert der Aufsichtsrat auch nachträglich seine Zustimmung, so ist der Vorstand verpflichtet, das Geschäft rückgängig zu machen, soweit dies ohne Entstehung noch größerer Nachteile für die Gesellschaft möglich ist. Die nachträglich erteilte Zustimmung beseitigt die Haftung des Vorstands in demselben Maße wie die vorherige Zustimmung, aber nicht darüber hinaus. Da grundsätzlich der Vorstand auch für die von dem Aufsichtsrat genehmigten Geschäfte in erster Linie die Verantwortung trägt, schließt die Zustimmung des Aufsichtsrats die Haftung des Vorstands keineswegs aus. Doch kann die Erteilung der Zustimmung für die Beurteilung der Frage, ob den Vorstand ein Verschulden trifft, von Bedeutung sein. Eine Ausnahmeregelung von diesem Grundsatz enthält allein § 15 MitbestErgG (vgl. auch Anm. 18): hier kann der Vorstand die A G auch im Außenverhältnis bei Beschlußfassungen in abhängigen Gesellschaften nur wirksam vertreten, wenn der Aufsichtsrat den Vorstand entsprechend angewiesen hat (vgl. Kötter, MitbestErgG § 15 Anm. 6 und 10).

Anm. 22 5. Die Erteilung der Zustimmung gehört nicht zu den gesetzlichen Mindestbefugnissen, die nur von dem Gesamtaufsichtsrat ausgeübt werden können. Sie kann daher von dem Aufsichtsrat einem nach § 92 Abs. 4 eingesetzten Ausschuß überwiesen werden. Dagegen ist es nicht zulässig, in der Satzung die Zustimmung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, insbesondere des Vorsitzers, zu Rechtsgeschäften des Vorstands vorzuschreiben (§ 92 Anm. 7). Unzulässig sind Beschränkungen des Zustimmungsrechts des Aufsichtsrats durch die Satzung. Sie kann nicht vorschreiben, daß der Aufsichtsrat sich für bestimmte Arten von Rechtsgeschäften die Zustimmung nicht vorbehalten dürfe (v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; a. A. Baumbach-Hueck Anm. 7). Sie kann auch nicht — anders im früheren HGB-Recht (Staub § 246 Anm. 1 1 ) — bestimmen, daß der Aufsichtsrat seine Zustimmung verweigern müsse, wenn eine dritte Person dem Geschäft widerspricht. § 95 Abs. 5 läßt nicht zu, daß durch die Satzung neben dem Aufsichtsrat oder an dessen Stelle anderen Gremien (Anm. 28) oder Personen ein Zustimmungsrecht eingeräumt werden kann (Schmidt, Umgestaltung S. 80).

Anm. 23 6. Konflikt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat in Fragen der Geschäftsführung

Macht die Satzung Rechtsgeschäfte von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig, so ist der Aufsichtsrat in der Entscheidung über die Zustimmung frei. Die Verweigerung kann ihn grundsätzlich nicht schadensersatzpflichtig machen. Der Vorstand kann nicht die Zustimmung des Aufsichtsrats durch einen Beschluß der Hauptversammlung ersetzen lassen, indem er gemäß § 103 Abs. 2 deren Entscheidung anruft. Ein solcher Beschluß wäre nicht „gesetzmäßig" im Sinne des § 84 Abs. 4 Satz 1, weil er gegen die Satzung verstoßen würde (a. A. Baumbach-Hueck unter Hinweis auf § 74 Abs. 2 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 1 ; wohl auch Kötter MitbestErgG § 15 Anm. 10). Vielmehr müßte zunächst durch satzungsändernden Beschluß das Erfordernis der Zustimmung

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4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 95 Anm. 24—26 des Aufsichtsrats aufgehoben werden. Ist dies geschehen, so kann zwar der Aufsichtsrat aus eigenem Recht (§ 95 Abs. 2 Satz 2) erklären, daß das Rechtsgeschäft nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden darf. Stimmt aber die Hauptversammlung dem Rechtsgeschäft zu, nachdem sie von dem Vorstand zu diesem Zweck einberufen ist, so ist der Vorstand durch einen „gesetzmäßigen Beschluß" gedeckt (§ 84 Abs. 4 Satz 1). Der Gesellschaft gegenüber ist seine Haftung ausgeschlossen, auch wenn der Aufsichtsrat bei seiner ablehnenden Haltung bleibt. Siehe ferner Anm. 13. Gegen einen Mißbrauch des Rechts des Aufsichtsrats, Rechtsgeschäfte von seiner Zustimmung abhängig zu machen, hat hiernach der Vorstand die Möglichkeit, die Hauptversammlung anzurufen. In krassen Fällen wird der Aufsichtsrat, der sein Zustimmungsrecht mißbraucht, auch s c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t i g gemacht werden können. Das gilt nicht nur von Fällen, in denen die Satzung oder er selbst sein Zustimmungsrecht in unzulässiger Weise ausgedehnt hat (Anm. 20), sondern auch in Fällen, in denen er schuldhaft durch ständige Verweigerung der Zustimmung eine vernünftige Geschäftsführung lahmlegt, insbesondere im dringenden Interesse der Gesellschaft und im öffentlichen Interesse gebotene Maßnahmen verhindert. Ebensowenig wie sich ein Aufsichtsrat verpflichten kann, die ihm gesetzlich obliegende Tätigkeit nicht auszuüben (OLG Karlsruhe in Bad. Rechtspr. 24, 96), kann er schikanös gegen einen tüchtigen und pflichtbewußten Vorstand durch Mißbrauch seines Zustimmungsrechts Obstruktion treiben. 7. Im Falle eines Konfliktes zwischen dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung kann der Aufsichtsrat verpflichtet sein, Beschlüsse der Hauptversammlung anzufechten oder ihre Nichtigkeit feststellen zu lassen (§ 198 Abs. 1 Ziff. 5). Anm. 24 VII. 1. § 95 enthält zwingendes Recht. Die Befugnisse des Aufsichtsrats können durch die Satzung oder die Hauptversammlung weder beseitigt noch beschränkt werden. Ebensowenig können sie einem andern Organ übertragen werden (Anm. 4). Eine Erweiterung der Überwachungsbefugnisse durch die Satzung ist zulässig. Es kann etwa jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied oder dem Vorsitzer ein den Vorstand bindendes Recht auf Berichterstattung eingeräumt werden (abw. v. Godin-Wilhelmi Anm. 13). Die Grenze für die Erweiterung der Befugnisse des Aufsichtsrats ergibt sich aus Abs. 5 (Anm. 18—20). Als unzulässig müßte dagegen die Bestimmung angesehen werden, daß ein einzelnes Mitglied verlangen kann, daß der Vorstand ihm allein Bericht erstatte, ohne gleichzeitig den Gesamtaufsichtsrat zu unterrichten. Denn dies stünde mit dem Grundsatz im Widerspruch, daß Träger der Uberwachungspflicht der Gesamtaufsichtsrat ist. Anm. 25 2. HGB § 246 Abs. 3 sah vor, daß weitere Obliegenheiten des Aufsichtsrats durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt würden. Diese Bestimmung ist im AktienG fortgefallen. Daraus folgt zwar nicht, daß die Übertragung weiterer Obliegenheiten auf den Aufsichtsrat unzulässig ist. Jedoch sind der Satzung in dieser Hinsicht durch die Unzulässigkeit der Übertragung von Maßnahmen der Geschäftsführung auf den Aufsichtsrat und durch die vom Gesetz zwingend geregelte Zuständigkeitsordnung der verschiedenen Organe der AG enge Grenzen gezogen (vgl. Einl. zu § 95). Anm. 26 V I I I . 1. Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Obliegenheiten nicht durch andere ausüben lassen (Abs. 6). Die Bestimmung bringt zum Ausdruck, daß die Mitglieder des Aufsichtsrats ihre Pflichten persönlich zu erfüllen haben, das Amt also ein höchstpersönliches ist. Sie können nicht dritte Personen dazu bevollmächtigen. Dies gilt namentlich auch für die Anmeldungen zum Handelsregister, bei denen der Aufsichtsrat oder dessen Vorsitzer mitzuwirken hat (KGJ 28 A 228). Ein Aufsichtsratsmitglied kann auch seine Pflicht nicht durch ein anderes ausüben lassen und ihm namentlich nicht sein Stimmrecht übertragen. Eine Einschränkung des Grundsatzes enthält die Zulässigkeit der Satzungsbestimmung gemäß § 93 Abs. 3, daß ein Aufsichtsratsmitglied 665-

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Anm. 27, 28

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einen Dritten an seiner Stelle zur Teilnahme an einer Sitzung des Aufsichtsrats oder seiner Ausschüsse und zur Überreichung seiner schriftlichen Stimmabgabe ermächtigen kann. In weiterem U m f a n g ist eine Übertragung von Rechten und Pflichten, die aus dem Aufsichtsratsamt erwachsen, nicht möglich. Der Aufsichtsrat ist jedoch durch die Bestimmung des Abs. 6 nicht gehindert, sich bei der t e c h n i s c h e n Ausführung seiner Entschließungen anderer Personen zu bedienen ( B G H 12, 336; Baumbach-Hueck Anm. 8; Ritter Anm. 7), etwa Erklärungen dem Empfänger durch Boten zu übermitteln ( B G H a. a. O . ; K G D R 1940, 456). Der Grundsatz des Abs. 6 gilt n u r für die gesetzlichen Pflichten des Aufsichtsrats, nicht für die Aufgaben, die dem Aufsichtsrat nur durch die Satzung übertragen sind. Insoweit kann es auch zulässig sein, die Zustimmung Dritter zu den Handlungen des Aufsichtsrats zu verlangen, soweit sich dies nach der Natur der betreffenden Aufgaben mit der grundsätzlichen Verfassung der A G und der Stellung ihrer Organe verträgt. Der Kreis der Aufgaben, die durch die Satzung dem Aufsichtsrat übertragen werden können, ist jedoch sehr beschränkt. Sog. D e l e g i e r t e des Aufsichtsrats, die die satzungsmäßigen — im Gegensatz zu den gesetzlichen —• Funktionen des Aufsichtsrats zu erfüllen haben, können daher anders als unter dem Recht des H G B keine erhebliche Rolle mehr spielen (vgl. Staub § 246 Anm. 12 a ; Schmidt, Umgestaltung S. 78).

Anm. 27 2. Durch die Vorschrift über die persönliche Ausübung der Aufsichtsratspflichten wird die Frage der zulässigen A r b e i t s t e i l u n g und der Übertragung der Geschäfte des Aufsichtsrats auf A u s s c h ü s s e nicht betroffen. Die Bildung von Ausschüssen (s. auch Anm. 22) ist in § 92 geregelt. I m übrigen gilt der Grundsatz, daß jedes Mitglied des Aufsichtsrats für die Erfüllung der Überwachungsaufgabe verantwortlich ist, wenn es auch die Natur der Sache mit sich bringt und es zum Teil vom Gesetz (Abs. 3) selbst vorgesehen ist, daß manche Überwachungshandlungen einzelnen Mitgliedern überlassen bleiben. Das Gesetz selbst geht ferner davon aus (§ 93 Abs. 1 Satz 2), daß der Aufsichtsrat zu seiner Unterstützung Sachverständige zuziehen darf (vgl. auch Anm. 10). Auch sonst ist eine Hinzuziehung von Hilfskräften nicht ausgeschlossen. Über die Vereinbarung einer Vergütung für Sachverständige und Hilfskräfte vgl. oben Anm. 10.

Anm. 28 I X . B e i r ä t e , V e r w a l t u n g s r ä t e . Unter der Geltung des H G B hatten die Satzungen vielfach neben dem Aufsichtsrat die Bildung weiterer Organe vorgesehen. Z w a r wurde es als unzulässig erachtet, die „gesetzlichen Mindestbefugnisse" des Aufsichtsrats (Anm. 4) einem anderen Organ zu übertragen. Aber was satzungsgemäß darüber hinaus dem Aufsichtsrat an Befugnissen und Obliegenheiten eingeräumt werden konnte, wurde vielfach einem besonderen Verwaltungsrat oder Beirat anvertraut. So erhielten an Stelle des Aufsichtsrats Verwaltungsräte das Recht, den Vorstand zu bestellen und die Anstellungsverträge mit ihm zu schließen und die Geschäftsführung des Vorstands mehr oder weniger von ihrer Genehmigung abhängig zu machen. Wie dem Aufsichtsrat, konnte der Vorstand auch einem Verwaltungsrat in der Geschäftsführung unterstellt werden (§ 70 Anm. 7). Es wurde als zulässig erachtet, die Geschäftsleitung — anonym nach außen — einem außergesetzlichen Verwaltungsträger anzuvertrauen (Schmidt, Umgestaltung Anm. 1 3 ; Muster A §28). Nachdem die Aktienrechtsnovelle von 1 9 3 1 (Art. V I I I Abs. 3 u. 4) die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder beschränkt und eine Höchstzahl der von einer Person zu bekleidenden Aufsichtsratsposten eingeführt hatte, erhielt die Bildung derartiger Verwaltungsräte, für die solche Beschränkungen nicht gelten, einen neuen Antrieb. Das Aktiengesetz erwähnt den „ B e i r a t " und „ ä h n l i c h e E i n r i c h t u n g e n d e r G e s e l l s c h a f t " in § 128 Abs. 2 Ziffer 7, verbietet also ihre Bildung nicht. I m Gegensatz zum früheren Recht können aber solchen „Verwaltungsräten" nicht die Obliegenheiten übertragen werden, f ü r deren Erfüllung das Gesetz die Zuständigkeit des Aufsichtsrats vorgesehen hat (§§ 75, 95 Abs. 1 und 5 Satz 2). Erst recht gilt dies von Befugnissen, die nach dem Aktiengesetz auch dem Aufsichtsrat nicht eingeräumt werden können (§ 95 Abs. 5 Satz 1). Der Aufgabenkreis der Verwaltungsräte ist daher nur noch sehr begrenzt.

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 96

E r kann eine den Aufsichtsrat unterstützende Überwachung (so die bei Banken üblichen „Regionalausschüsse") oder eine beratende Tätigkeit f ü r Vorstand und Aufsichtsrat betreffen (Schmidt, Umgestaltung Muster B S. 45). Niemals aber können durch die Schaffung eines solchen Organs die Zuständigkeit, die Obliegenheiten und die Verantwortlichkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats, wie sie das Aktiengesetz zwingend vorschreibt, abgeändert und verschoben werden. Die B i l d u n g d e r B e i r ä t e ist zweckmäßig in der S a t z u n g vorzusehen; notwendig ist dies nicht (a. M . Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 1 ; Baumbach-Hueck Ü b . vor § 70 A n m . 1 c). Es steht nichts entgegen, daß sich der Vorstand und Aufsichtsrat ein beratendes Gremium sachverständiger Personen schaffen. Die Regel wird eine Satzungsbestimmung für die Bildung des Beirats sein, wenn ihm eine Organstellung in der Verfassung der Gesellschaft zukommen soll. Die besonderen Vorschriften über die Zusammensetzung, innere Ordnung, Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats gelten für die Beiräte nicht. Die Satzung ist frei in der A u s g e s t a l t u n g i h r e r V e r f a s s u n g . Ihre H a f t u n g richtet sich nicht nach § 99, sondern den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen (SchlegelbergerQuassowski Anm. 4 1 ; Staub § 246 Anm. 15). Nur die Vorschriften über die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder (§98) will Schlegelberger (Anm. 4 1 ) auf die B e z ü g e d e r B e i r a t s m i t g l i e d e r sinngemäß anwenden. Das erscheint geboten (wie hier BaumbachHueck a. a. O.). Die gleichzeitige Zugehörigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern zu einem Beirat darf nicht zu einer Umgehung der Bestimmungen des § 98 führen. Gemäß § 128 Abs. 2 Ziffer 7 sind die Gesamtbezüge eines Beirats im G e s c h ä f t s b e r i c h t neben den Bezügen des Vorstands und Aufsichtsrats anzugeben. Die Verwaltungsräte werden namentlich im K o n z e r n w e s e n Verwendung finden. Vielfach sind bei Konzernmuttergesellschaften Ausschüsse gebildet, die sich aus namhaften Vertretern der Vorstände und Aufsichtsräte der Konzerngesellschaften oder dritten Personen zusammensetzen und die Aufgaben haben, bestimmte Nachprüfungen innerhalb des Konzerns vorzunehmen, bestimmte Fragen technischer Art zu fördern und den gesetzlichen Organen der Konzerngesellschaften mit R a t und T a t zur Seite zu stehen. Eine Weisungsbefugnis gegenüber den Vorständen der einzelnen Konzerngesellschaften ist jedoch wegen der Vorschrift des § 70 nicht gegeben, wenn sie auch in Praxis des Konzernwesens in Anspruch genommen werden mag. Eine besondere Stellung nehmen die — vielfach auch als „Verwaltungsrat" bezeichneten — g e s c h ä f t s f ü h r e n d e n A u s s c h ü s s e v o n I n t e r e s s e n g e m e i n s c h a f t e n ein. Sie sind nicht Organe einer Aktiengesellschaft, sondern einer bürgerlichrechtlichen Gesellschaft, die von mehreren Personal- oder Kapitalgesellschaften gebildet ist, und berühren daher nicht die Verfassung der A G (vgl. § 70 Anm. 2).

§ 9 6 B e r i c h t an die H a u p t v e r s a m m l u n g (1) Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluß, den Vorschlag für die Gewinnverteilung und den Geschäftsbericht zu prüfen und der Hauptversammlung darüber zu berichten. (2) In dem Bericht hat der Aufsichtsrat mitzuteilen, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft während des Geschäftsjahrs geprüft hat, welche Stelle den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht geprüft hat und ob diese Prüfungen nach ihrem abschließenden Ergebnis zu wesentlichen Beanstandungen Anlaß gegeben haben. Ubersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Prüfungspflichten des Aufsichtsrats 1. Jahresabschluß 43

Aktiengesetz, 2. Aufl.

1

2. 3. 4. 5.

Gewinnverteilungsvorschlag ia Geschäftsbericht ib Pflicht des Gesamtaufsichtsrats 2 Zwischenbilanz 3

667

§ 96 Einl., Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft Anm.

II. Bericht an die Hauptversammlung 4 1. über die Überwachungstätigkeit 5 2. über die durchgeführten Prüfungen 6

Anm.

3. Vorlagepflicht 4. Mündliche Auskünfte . . . . III. Pflichtverletzung I V . Reformvorschläge

7 8 9 10

Einleitung Abs. 1 entspricht im wesentlichen § 246 Abs. 1 Satz 5 HGB. In Abs. a ist die früher in H G B § 262 e Abs. 3 geregelte Pflicht des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung über die Prüfung des Jahresabschlusses durch den Abschlußprüfer zu berichten, übernommen. Außerdem enthält aber Abs. 2 eine wichtige Erweiterung, indem der Inhalt des Berichts des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung auf Art und Umfang seiner Überwachungstätigkeit ausgedehnt worden ist. Durch die Vorschrift des § 96 wird den Aufsichtsratsmitgliedern eine große Verantwortung auferlegt, „aber der Posten ist weder ein Schaustück noch eine Versorgung kaufmännisch Ungeeigneter" (Baumbach-Hueck Anm. 2 B). I. Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluß, den Vorschlag für die Gewinnverteilung und den Geschäftsbericht zu prüfen (Abs. 1). Anm. 1 1. Für den Umfang der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats ist die in §§ 135 fr. vorgeschriebene Prüfung des Jahresabschlusses durch die sachverständigen Abschlußprüfer von Bedeutung. An sich bestehen zwar die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats und die Prüfungspflicht der Abschlußprüfer nebeneinander. Es ist aber nicht etwa Aufgabe des Aufsichtsrats, seinerseits eine Prüfung gleichen Umfangs vorzunehmen wie die Abschlußprüfer. Das Gesetz schreibt in § 135 ausdrücklich vor, daß der Jahresabschluß von den Abschlußprüfern zu prüfen ist, b e v o r er dem Aufsichtsrat vorgelegt wird. Überdies hebt § 135 hervor, daß die Buchführung in die Prüfung durch die Abschlußprüfer einzubeziehen ist, während für den Aufsichtsrat etwas Derartiges nicht vorgeschrieben ist. Der Aufsichtsrat soll also offenbar das Ergebnis der Abschlußprüfung seiner Prüfung zugrunde legen dürfen. Wenn auch die Abschlußprüfer regelmäßig durch die Hauptversammlung gewählt werden (§ 136), so liegt doch eine weitreichende Sicherheit für eine sorgfaltige und sachkundige Prüfung darin, daß nur öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu Abschlußprüfern gewählt werden können (§ 137). Der Aufsichtsrat wird daher auf Grund des von den Abschlußprüfern erteilten Bestätigungsvermerks davon ausgehen dürfen, daß die Bücher ordnungsmäßig geführt sind und der Jahresabschluß mit den Büchern, Verzeichnissen und Belegen der Gesellschaft übereinstimmt. In dieser Hinsicht ist er d u r c h d i e A b s c h l u ß p r ü f u n g d e r e i g e n e n P r ü f u n g e n t h o b e n und braucht sich auch nicht durch Stichproben von der Richtigkeit des Ergebnisses der Abschlußprüfung zu überzeugen, sofern nicht ein besonderer Anlaß zu Bedenken vorliegt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 und 5; Baumbach-Hueck Anm. 2 B; Staub H G B § 246 Anm. 8a; a. M. Ritter Anm. 2c; v. Godin-Wilhelmi Anm. 1). Mit Rücksicht darauf, daß die Wirtschaftsprüfer öffentlich bestellt sein müssen, wird der Aufsichtsrat von ihrer Zuverlässigkeit ausgehen dürfen, soweit ihm nicht gegen sie sprechende Umstände bekannt sind. Ist dies der Fall, so ist es seine Pflicht, schon gegen ihre Auswahl gemäß § 136 Abs. 2 Widerspruch zu erheben. Er wird sich zu diesem Zweck rechtzeitig über die Person der in Aussicht genommenen Wirtschaftsprüfer unterrichten müssen. Zu weit geht es aber, wenn Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 allgemein verlangen, daß dem Aufsichtsrat die Personen der Abschlußprüfer auf Grund eigener Prüfung als zuverlässig bekannt sein müssen, damit er sich auf ihre Zuverlässigkeit verlassen darf. Dringt der Aufsichtsrat mit seinem Widerspruch gegen die gewählten Abschlußprüfer nicht durch oder hat er Bedenken gegen die gerichtlich bestellten Abschlußprüfer, so muß er die Übereinstimmung des Jahresabschlusses mit den Unterlagen trotz der Erteilung des Bestätigungsvermerks durch die Abschlußprüfer

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 96 Anm. la—4 selbst nachprüfen oder durch einen anderen Wirtschaftsprüfer oder sonst geeigneten Sachverständigen nachprüfen lassen (§ 95 Anm. 10, 27). Mindestens wird er Stichproben vornehmen und Posten, die am ehesten zu Bedenken Anlaß geben können, genau untersuchen müssen. Soweit er keinen Verdacht gegen die Zuverlässigkeit der Abschlußprüfer hat, braucht er den Jahresabschluß an Hand des Prüfungsberichts nur daraufhin zu prüfen, ob er seinem Inhalt nach den gesetzlichen Bestimmungen entspricht und auch sonst hinsichtlich Vollständigkeit und Inhalt keinen Anlaß zu Bedenken gibt. Sein besonderes Augenmerk wird der Aufsichtsrat auf die Beobachtung der gesetzlichen Bilanz- und Bewertungsvorschriften und der etwaigen besonderen Satzungsbestimmungen über die Abschreibungen und Bildung von Rücklagen zu richten haben (vgl. hierzu auch § 140 Anm. 9). Anm. l a 2. Bei der Prüfung des Gewinnverteilungsvorschlags hat der Aufsichtsrat zu prüfen, ob die vorgesehene Dividendenausschüttung, die vorgeschlagene Zuteilung von Gewinnanteilen an Vorstand und Aufsichtsrat, die Zuweisungen an Wohlfahrtseinrichtungen des Unternehmens oder der Allgemeinheit angemessen sind und den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 53, 77, 78, 98) entsprechen. Anm. l b 3. Bei der Prüfung des Geschäftsberichts wird der Aufsichtsrat besonderes Augenmerk darauf zu richten haben, daß der Bericht dem entspricht, was der Aufsichtsrat selbst über die geschäftliche Entwicklung und Lage des Unternehmens während der Berichtszeit weiß. Der Geschäftsbericht darf insbesondere den dem Aufsichtsrat erstatteten Berichten des Vorstands nicht widersprechen. Die Prüfung in dieser Richtung muß vom Aufsichtsrat selbständig neben dem Abschlußprüfer vorgenommen werden. Der Aufsichtsrat weiß in dieser Beziehung mehr als der Abschlußprüfer. Die Prüfung des Geschäftsberichts ist ferner darauf zu richten, daß die Erfordernisse des § 128 erfüllt sind. 4. Die Prüfungspflicht gehört zu den gesetzlichen Mindestbefugnissen des Aufsichtsrats (§92 Anm. 26, § 95 Anm. 4); dieser kann die Prüfung daher nicht einem Ausschuß überweisen. Zulässig ist eine V o r b e r e i t u n g der Prüfung d u r c h einen A u s schuß. Der Gesamtaufsichtsrat und jedes einzelne Mitglied (vgl. R G 161, 133), darf aber nicht das Ergebnis der Prüfung durch den Ausschuß unbesehen hinnehmen, sondern der Gesamtaufsichtsrat hat selbständig Stellung zu nehmen ( R G g3, 338). Jedes Aufsichtsratsmitglied ist für die ordnungsmäßige Prüfung verantwortlich und kann sich nicht mit ungenügender Erfahrung entschuldigen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 2 B; R G bei Holdheim 13, 132). Das gilt gundsätzlich auch für die Arbeitnehmervertreter, die sich notfalls sachverständigen Rat einholen müssen, um ihren Aufsichtspflichten zu genügen (§86 Anm. 4d; § 99 Anm. 8). Anm. 3 5. HGB § 246 Abs. 1 Satz 5 sah allgemein die Prüfung der B i l a n z e n vor; § 96 beschränkt sie auf den Jahresabschluß. Schlegelberger-Quassowski (Anm. 2) folgern hieraus, daß die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats für andere Bilanzen als die Jahresbilanz, z. B. Zwischenbilanzen, schlechthin zu verneinen sei. Das ist nicht anzuerkennen (wie hier v. Godin-Wilhelmi Anm. 1 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; Ritter Anm. 1 und R G 161, 133f. für die GmbH). Die Pflicht des Aufsichtsrats zur Prüfung von Zwischenbilanzen ergibt sich aus seiner allgemeinen Uberwachungspflicht (§ 95 Anm. 1). Anm. 4 II. Der Aufsichtsrat hat über das Ergebnis seiner Prüfung der Hauptversammlung zu berichten (Abs. 1). Uber den Inhalt des Berichts trifft Abs. 2 weitere Bestimmungen. Gegenstand des Berichts sind gemäß Abs. 1 die e i g e n e Prüfung des Jahresabschlusses, des Gewinnverteilungsvorschlags und Geschäftsberichts, gemäß Abs. 2 das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses und Geschäftsberichts d u r c h den A b s c h l u ß p r ü f e r 43*

669

§96

Anm. 5, 6

I. Buch: Aktiengesellschaft

und außerdem — als Neuerung des Aktiengesetzes gegenüber der Regelung des H G B — M i t t e i l u n g e n über Art und U m f a n g der vom Aufsichtsrat geübten Ü b e r w a c h u n g der Geschäftsführung.

Anm. 5 1. Bericht über Art und Umfang der Überwachungstätigkeit des Aufsichts-

r a t s . Der Notwendigkeit dieser vom Gesetz erforderten Berichterstattung Kommt eine erzieherische Bedeutung zu. Muß der Aufsichtsrat öffentlich darüber Rechenschaft ablegen, wie und in welchem U m f a n g er seine gesetzliche Uberwachungspflicht ausgeübt hat, wird er eine Vernachlässigung seiner Pflicht von vornherein vermeiden, u m so mehr, als die Wahrheit seiner Berichterstattung für den Vorstand ohne weiteres nachprüfbar ist.

D a der Bericht Art und Umfang der Uberwachungstätigkeit behandeln muß, wird er über die Zahl der Aufsichtsratssitzungen, über die Häufigkeit der Prüfungen, über ihren Gegenstand und ihre Methode Auskunft geben müssen. Eine Angabe über Z a h l und Art der vom Vorstand erforderten oder freiwillig erstatteten Berichte im einzelnen wird aber unterbleiben können (a. A. die Vorauflage), besonders wenn es zu keinen Beanstandungen kommt. Andernfalls wird der Aufsichtsrat selbst ein Interesse daran haben, über seine Überwachungstätigkeit eingehender zu berichten. Ebenso muß aus dem Bericht hervorgehen, durch wen und in welcher Form eine Prüfung der Geschäftsführung erfolgt ist, durch den Gesamtaufsichtsrat oder durch Ausschüsse, mit oder ohne Hinzuziehung von Sachverständigen. Der Bericht muß ferner angeben, o b d i e P r ü -

fungen nach ihrem abschließenden Ergebnis zu wesentlichen Beanstandungen

A n l a ß g e g e b e n h a b e n . E r braucht also keine Mitteilungen über unwesentliche Beanstandungen zu enthalten und auch wesentliche Beanstandungen nicht zu erwähnen, soweit die beanstandeten Mängel behoben sind; denn nach dem abschließenden Ergebnis liegt alsdann kein Grund zur Beanstandung mehr vor. Soweit nicht über Beanstandungen zu berichten ist, kann der Bericht in allgemeiner Form gehalten sein. E r soll Auskunft darüber geben, daß die Gesellschaft wirksam von dem Aufsichtsrat kontrolliert wird; er soll aber nicht alle internen Verhältnisse offenlegen.

Anm. 6 2. Der Aufsichtsrat hat ferner über die von ihm selbst und dem Abschlußprüfer vorgenommene Prüfung des Jahresabschlusses, des Vorschlags für die Gewinnverteilung und des Geschäftsberichts zu berichten (Abs. i). Dieser Bericht ist deshalb von großer Bedeutung, weil der Hauptversammlung der Bericht der Abschlußprüfer nicht zur Kenntnis gebracht wird. Der Bericht des Aufsichtsrats muß

angeben, welche Stelle den Jahresabschluß und den Geschäftsbericht geprüft

h a t , also die Person der Abschlußprüfer, die den Aktionären nicht bekannt zu sein brauchen, wenn sie von dem Gericht bestellt sind, und o b d i e P r ü f u n g n a c h i h r e m

abschließenden Ergebnis zu wesentlichen Beanstandungen Anlaß gegeben hat (Abs. 2). Der Aufsichtsrat darf sich nicht darauf beschränken, über das Ergebnis des Prüfungsberichts zu berichten, sondern er muß selbst dazu Stellung nehmen.

Uber Beanstandungen braucht der Aufsichtsrat auch hier nur so weit zu berichten, als sie wesentlicher Natur und nicht behoben sind (vgl. Anm. 5). Nicht vorgeschrieben ist, daß der Aufsichtsrat den Inhalt von Beanstandungen angeben muß, geschweige denn sich über den Prüfungsbericht bis in die Einzelheiten hinein äußern muß. E r darf es, soweit er es für notwendig oder wenigstens unschädlich hält. E r darf wesentliche Beanstandungen des Berichts der Abschlußprüfer auch dann nicht verschweigen, wenn er die Beanstandungen für ungerechtfertigt hält, sondern muß davon unter Darlegung seiner eigenen Auffassung Mitteilung machen. Welche Beanstandungen als wesentlich anzusehen sind, ist Tatfrage. Doch wirdjeder behauptete Verstoß gegen die gesetzlichen Bilanzierungsvorschriften und jede Beanstandung, bei deren Richtigkeit eine Schadensersatzpflicht des Vorstands begründet wäre, als wesentlich anzusehen sein.

670

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 96 A n m . 7 — 1 0 § 97

Der Bericht des Aufsichtsrats wird auch, sofern der Geschäftsbericht es nicht besagt, angeben müssen, ob der Aufsichtsrat den Jahresabschluß gebilligt hat und damit d e r J a h r e s a b s c h l u ß g e m ä ß § 125 A b s . 3 f e s t g e s t e l l t ist.

Anm. 7 3. Der Bericht ist der Hauptversammlung vorzulegen (§§ 104 Abs. 2, 1 2 5 Abs. 5, 126 Abs. 2) und zwei Wochen vor der Hauptversammlung zur Einsicht der Aktionäre auszulegen (§ 1 2 5 Abs. 6). E r muß also s c h r i f t l i c h erstattet werden (vgl. auch Anm. 9).

Anm. 8 4. Neben der Pflicht zur schriftlichen Berichterstattung ist eine Pflicht des Auf-

sichtsrats zur Erteilung von mündlicher Auskunft in der Hauptversammlung anzunehmen, obwohl dies im Gegensatz zu H G B § 262 e Abs. 3 nicht im Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist. Die Pflicht zur Auskunfterteilung geht jedoch inhaltlich nicht über die Pflicht zur schriftlichen Berichterstattung hinaus (SchlegelbergerQuassowski Anm. 16, 1 7 ; Baumbach-Hueck Anm. 3 B).

Anm. 9 I I I . Verletzt der Aufsichtsrat seine Pflichten aus § 96, so macht er sich schadensersatzpflichtig. Entspricht der Bericht nicht den gesetzlichen Erfordernissen und wird er auf Verlangen eines Aktionärs auch nicht mündlich in der Hauptversammlung ergänzt, so können Beschlüsse der Hauptversammlung, die auf dem unrichtigen Bericht beruhen, der A n f e c h t u n g unterliegen. Ein Ordnungsstrafverfahren findet gegen den Aufsichtsrat nicht statt. Unwahre Berichterstattung kann aber nach § 296 Ziff. 1 strafbar sein.

Anm. 10 I V . R e f o r m v o r s c h l ä g e . DerRef.-Entw. übernimmt im wesentlichen die Regelung des § 96, faßt sie jedoch mit der Bestimmung § 1 2 5 Abs. 2 als § 140 im Fünften Teil „Rechnungslegung" zusammen und erweitert die Berichterstattungspflicht gegenüber der Hauptversammlung. Die Einmonatsfrist des § 125 Abs. 2 ist im Entwurf auch auf den Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung ausgedehnt. Wegfallen soll die Vorschrift, daß auch die Abschlußprüfer im Bericht genannt werden müssen, da sich das aus dem Bestätigungsvermerk ohne weiteres ergibt. Die Berichterstattungspflicht ist dahingehend erweitert, daß nicht nur über „wesentliche Beanstandungen" (vgl. Anm. 5), zu denen die Prüfung etwa Anlaß gab, zu berichten ist, sondern darüber, ob nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben sind. Der Aufsichtsrat muß sich also zur Prüfung positiv äußern. Z u m Bericht der Abschlußprüfer hat nach § 140 Abs. 2 Ref.-Entw. der Aufsichtsrat auch selbst Stellung zu nehmen. E r hat schließlich der Hauptversammlung gegenüber (nicht dem Vorstand gegenüber, wie es § 125 Abs. 2 verlangt), zu erklären, ob er den Jahresabschluß billigt. Diese Bestimmung sowie die Ausdehnung der Berichterstattungspflicht auf die Vorschläge des Vorstandes über die Einstellung weiterer Beträge in offene Reserven und über die Verteilung des verbleibenden Reingewinns ergibt sich für den Entwurf aus dem wieder vorgesehenen Recht der Hauptversammlung, den Jahresabschluß festzustellen; Näheres dazu s. bei den einschlägigen Vorschriften.

§ 9 7 Vertretung der Gesellschaft (1) Der Aufsichtsrat ist befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit den Vorstandsmitgliedern zu vertreten und gegen diese die von der Hauptversammlung beschlossenen Rechtsstreitigkeiten zu führen. (2) Der Aufsichtsrat kann, wenn die Verantwortlichkeit eines seiner Mitglieder in Frage kommt, ohne und selbst gegen den Beschluß der Hauptversammlung gegen die Vorstandsmitglieder klagen. 671

§97

I. Buch: Aktiengesellschaft

Einl., Anm. 1, 2 Einleitung

Ubersicht Anm.

I. Vertretung durch den Aufsichtsrat bei Rechtsgeschäften mit dem Vorstand (Abs. i) 1. Vertretung durch Gesamtaufsichtsrat 2. Keine ausschließliche Vertretungsbefugnis II. i. Vertretung bei Prozessen gegen Vorstandsmitglieder

i 2 3 4

Anm. gegen frühere Vorstandsmitglieder 2. a) eigenes Klagerecht des Aufsichtsrats (Abs. 2) . . . . b) namens der A G 3. Vertretung der A G bei Klagen des Vorstands

5 6 7 8

I I I . Zwingendes Recht

9

I V . Reformvorschläge

10

Einleitung Die von der gesetzlichen Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats handelnde Bestimmung entspricht sachlich vollkommen dem früheren H G B § 247. Gesetzlicher Vertreter der A G ist im allgemeinen der Vorstand (§ 71). Der Aufsichtsrat ist nur gegenüber den Mitgliedern des Vorstands zur Vertretung der A G befugt, aber auch dies nicht allgemein und nicht ausschließlich. Außer den in § 97 geregelten Fällen sieht das Gesetz eine gesetzliche Vertretung der A G durch den Aufsichtsrat noch gegenüber A n f e c h t u n g s k l a g e n und Nichtigkeitsklagen vor, jedoch grundsätzlich nur gemeinsam mit dem Vorstand, ohne ihn nur, wenn dieser selbst Kläger ist (§§ 199 Abs. 2; 201 Abs. 1 ; 202 Abs. 3). Ferner ist anzunehmen, daß der Aufsichtsrat zum Abschluß von Verträgen mit Dritten im Namen der Gesellschaft befugt ist, soweit er solche zulässigerweise zu seiner Unterstützung bei der Überwachung der Geschäftsführung hinzuzieht (s. § 95 Anm. 10).

Anm. 1 I. Der Aufsichtsrat ist befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit den Vorstandsmitgliedern zu vertreten (Abs. 1). Der

Umfang der Vertretungsmacht des Aufsichtsrats zur Vornahme von Rechtsgeschäften mit den Vorstandsmitgliedern ist unbeschränkt und unbeschränkbar. Zulässig ist jedoch der Einwand des unerlaubten Zusammenwirkens (Kollusion) des Aufsichtsrats mit dem Vorstand (BGB § 826). Die Bindung der Gesellschaft an Geschäfte, die der Aufsichtsrat in ihrem Namen mit einem Vorstandsmitglied abgeschlossen hat, unterliegt noch einer weiteren Einschränkung. Es würde mit dem zwischen der A G und den Vorstandsmitgliedern bestehenden Treueverhältnis (dazu §75 Anm. 2 1 a ) in Widerspruch stehen, wenn ein Vorstandsmitglied bei Abschluß eines Geschäfts mit der A G auf deren Interessen so wenig Rücksicht nehmen sollte, wie wenn er ein beliebiger Dritter wäre (vgl. auch BGH 20, 239, insbes. 246). Ein der A G offensichtlich nachteiliges Geschäft darf er mit ihr nicht abschließen (vgl. auch § 294). Tut er dies dennoch, so macht er sich schadensersatzpflichtig. Der Schadensersatzanspruch der A G geht in erster Linie auf Rückgängigmachung dieses Geschäfts, und dieser Anspruch kann auch im Wege der Einrede gegenüber einem Anspruch des Vorstandsmitglieds aus dem Vertrage geltend gemacht werden (vgl. R G 73, 343; § 74 Anm. 13).

Anm. 2 1. Die Vertretungsmacht steht grundsätzlich nur dem G e s a m t a u f s i c h t s r a t , nicht seinen einzelnen Mitgliedern zu ( R G in J W 1928, 2 1 5 2 ; K G J 31 A 197). Er kann aber gemäß § 92 Abs. 4 die Vertretung einem Ausschuß übertragen; dann wird die A G durch die Gesamtheit der Ausschußmitglieder vertreten. Der Aufsichtsrat kann im einzelnen Falle auch eines seiner Mitglieder zur alleinigen Vertretung ermächtigen ( R G in J W 1904, ioo 30 ). Dieser Beschluß kann wie andere Beschlüsse des Aufsichtsrats mit Stimmenmehrheit gefaßt werden. Es ist also nicht nötig, Aufsichtsratsmitglieder, die ihre Mitwirkung bei der Abgabe der Erklärung verweigern im Prozeßwege dazu zu 672

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 97

A n m , 3, 4

zwingen. I m Zweifel dürfte anzunehmen sein, daß der Beschluß des Aufsichtsrats, ein bestimmtes Rechtsgeschäft mit dem Vorstand abzuschließen, den V o r s i t z e r stillschweigend zum Abschluß des Geschäfts ermächtigt ( R G in H R R 1 9 3 5 Nr. 1477), falls nicht im allgemeinen oder wenigstens f ü r Geschäfte gleicher Art der Aufsichtsrat der betreffenden Gesellschaft in seiner Gesamtheit nach außen zu handeln pflegt. Uberhaupt folgt aus dem Grundsatz der Gesamtvertretung nicht, daß sämtliche Mitglieder nach außen handelnd auftreten müssen. Es kann auch ein Mitglied mit Zustimmung der andern handeln ( R G in J Y V 1 9 2 8 , 2 1 5 2 ; vgl. § 7 1 Anm. i 2 f ) . Schließlich kann der Aufsichtsrat sich auch bei Übermittlung seiner Erklärungen des Vorstands als Bote bedienen ( B G H 12, 327, 3 3 4 f f . ; vgl. § 95 Anm. 26). Auch die S a t z u n g kann den Grundsatz der Gesamtvertretung durchbrechen und einen Ausschuß oder einzelne Mitglieder, insbesondere den Vorsitzer, zur Vertretung der A G gegenüber den Vorstandsmitgliedern ermächtigen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 7 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 B ; Möhring-Schwartz S. 91 mit Beispielen von Satzungsbestimmungen). Sie kann aber nicht die Vertretungsbefugnis des Gesamtaufsichtsrats ausschließen (Ritter Anm. 2 ; Baumbach-Hueck a. a. O.).

Anm. 3 2. Die B e f u g n i s d e s A u f s i c h t s r a t s zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber den

Vorstandsmitgliedern ist keine ausschließliche (BGH vom 11. 7. 1953 in LM §75

A k t G Nr. 5 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; Ritter Anm. 2 ; Brodmann H G B § 2 4 7 Anm. i a ) . Auch andere Vorstandsmitglieder sowie Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte ( B G H a. a. O.) können die Gesellschaft gegenüber einem Vorstandsmitglied vertreten, auch das den Vertrag mit der A G abschließende Vorstandsmitglied selbst, soweit ihm das Selbstkontrahieren gestattet ist (s. § 7 1 Anm. 23). Der A b s c h l u ß d e s A n s t e l l u n g s v e r t r a g e s der Vorstandsmitglieder und dessen Kündigung von Seiten der Gesellschaft ist jedoch ausschließliches Recht des Aufsichtsrats (§ 75 Anm. 2) und der etwa insoweit gebildeten Ausschüsse (§ 92 Anm. 26). Nur in Ausnahmefällen, wenn nämlich der Aufsichtsrat funktionsunfähig und die Entlassung eines Vorstandsmitglieds unaufschiebbar ist, kann der Alleinaktionär die Rechte des Aufsichtsrats auf Kündigung des Anstellungsvertrages ausüben ( B G H vom 8. 5. 1954 in L M § 97 A k t G Nr. 4); als ein solcher Ausnahmefall ist die allgemeine L a g e kurz nach dem Zusammenbruch im J a h r e 1945 anzusehen. I m Normalfall muß der Alleinaktionär zunächst einen funktionsfähigen Aufsichtsrat bestellen oder eine Bestellung durch das Gericht nach § 89 Abs. 2 beantragen.

Anm. 4 I I . 1 a. Die g e s e t z l i c h e V e r t r e t u n g s b e f u g n i s d e s A u f s i c h t s r a t s f ü r R e c h t s s t r e i t i g k e i t e n geht nicht soweit wie seine Vertretungsmacht zum Abschluß von Rechtsgeschäften mit den Vorstandsmitgliedern. E r ist grundsätzlich nur befugt,

gegen die Vorstandsmitglleder die von der Hauptversammlung beschlossenen

Rechtsstreitigkeiten zu f ü h r e n (Abs. 1). Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats ist

also auf die v o n d e r H a u p t v e r s a m m l u n g b e s c h l o s s e n e n Prozesse g e g e n Vorstandsmitglieder beschränkt. Liegt ein solcher Beschluß nicht vor, so muß die von dem Aufsichtsrat erhobene K l a g e wegen Mangels der gesetzlichen Vertretungsmacht der die Gesellschaft vertretenden Aufsichtsratsmitglieder abgewiesen werden. Hinsichtlich der Frage der Einzel- oder Gesamtvertretung gilt grundsätzlich dasselbe wie bei der Vertretung beim Abschluß von Rechtsgeschäften mit Vorstandsmitgliedern (Anm. 3). Die Zustimmung der übrigen Aufsichtsratsmitglieder zur K l a g e durch ein Aufsichtsratsmitglied genügt; desgleichen eine entsprechende Bestimmung der S a t z u n g . Die gesetzliche Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder ist auch hier grundsätzlich nicht ausgeschlossen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4 ; Ritter Anm. 4 ; Staub H G B § 247 Anm. 2 a). H a t der Vorstand die K l a g e bereits erhoben, so kann der Aufsichtsrat an seiner Stelle die Vertretung der Gesellschaft übernehmen (Schlegelberger-Quassowski a. a. O . ; Staub a. a. O.). Aus einer gleichzeitigen Vertretung der A G durch den Vorstand und den Aufsichtsrat (so Ritter a. a. O. und Baumbach-Hueck Anm. 2 C) könnten erhebliche Schwierigkeiten entstehen. Der Vertretung durch den Aufsichtsrat ist der

673

§97 A n m . 5—8

I . Buch: Aktiengesellschaft

Vorrang einzuräumen. E r erscheint mehr als die übrigen Mitglieder des Vorstands zur Wahrnehmung der Rechte der A G gegenüber einem Vorstandsmitglied berufen. Einer erneuten Erhebung der K l a g e durch den Aufsichtsrat würde die Rechtshängigkeit der Sache entgegenstehen. Es kommt daher auch keine Verbindung der beiden Klagen in Betracht. b) In dem von dem Aufsichtsrat im Namen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied geführten Rechtsstreit können wohl die übrigen Vorstandsmitglieder (a. A . Baumbach-Hueck Anm. 2 B), nicht aber die Mitglieder des Aufsichtsrats als Zeugen, vernommen werden (Brodmann §247 Anm. 2 a ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 5 ) . Das Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds hat auf den Rechtsstreit keine Wirkung, sofern es nicht die Gesellschaft allein in dem Rechtsstreit vertritt oder der Aufsichtsrat beschlußunfähig wird. Nur in diesen Fällen wird der Rechtsstreit durch den Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds unterbrochen.

Anm. 5 c) Die Vertretungsmacht der Aufsichtsratsmitglieder besteht nicht g e g e n ü b e r a u s g e s c h i e d e n e n V o r s t a n d s m i t g l i e d e r n (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6 ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 ; Ritter Anm. 3 ; Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; a. A . Brodmann H G B § 2 4 7 Anm. 2 b). Dagegen dauert die Vertretungsbefugnis fort, wenn das beklagte Vorstandsmitglied nach Eintritt der Rechtshängigkeit aus dem Vorstand ausscheidet (Brodmann a. a. O . ; Schlegelberger-Quassowski a. a. O . ; Ritter a. a. O.).

Anm. 6 2 a. Der Aufsichtsrat hat nach Abs. 2 ein eigenes Klagerecht, w e n n d i e V e r a n t -

wortlichkeit eines seiner Mitglieder in Frage kommt. Der Aufsichtsrat kann hier gegen den Vorstand ohne und selbst gegen einen Beschluß der Hauptversamm-

l u n g klagen. Auch hier steht das Klagerecht nur dem Gesamtaufsichtsrat und nicht einem einzelnen Mitglied zu. Auch wenn ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied fürchtet, für einen etwa entstehenden Schaden verantwortlich gemacht werden zu können, vermag es gegen den Willen der Mehrheit des Aufsichtsrats eine Klage gegen den Vorstand nicht zu erheben. Liegt der Fall nicht so klar, daß ehrliche Meinungsverschiedenheiten über die Notwendigkeit eines entschiedenen Vorgehens gegen den Vorstand ausgeschlossen erscheinen, so wird ein Verschulden und damit eine Haftung des Aufsichtsratsmitgliedes verneint werden müssen, wenn es sich bei der Ablehnung des von ihm vorgeschlagenen Vorgehens gegen den Vorstand durch den Gesamtaufsichtsrat beruhigt hat. Andernfalls wird es weitere geeignete Schritte gegen die Mehrheit des Aufsichtsrats, unternehmen und, wenn solche keinenErfolg versprechen, sein A m t niederlegen müssen.

Anm. 7 b) Auch im Falle des Abs. 2 klagt der Aufsichtsrat nicht im eigenen Namen, sondern, i m N a m e n d e r G e s e l l s c h a f t ( R G 1 1 7 , 203 auf S. 2 1 1 ) . Die Möglichkeit der Haftung^ eines Aufsichtsratsmitgliedes gehört ebenso wie im Fall des Abs. 1 der Beschluß der Hauptversammlung zu den Prozeßvoraussetzungen. Die Gesellschaft trägt im Falle des. Unterliegens die K o s t e n . Dies gilt selbst dann, wenn die K l a g e abgewiesen wird, weil eine Verantwortlichkeit eines Aufsichtsratsmitglieds nicht in Betracht kommt. Wieweit im Innenverhältnis die Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet sind, der Gesellschaft die Kosten zu ersetzen, ist nach den allgemeinen Grundsätzen über die Verantwortlichkeit, der Aufsichtsratsmitglieder zu beurteilen.

Anm. 8 3. Gegenüber einer K l a g e d e s V o r s t a n d s ist der Aufsichtsrat nicht zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ( R G in J W 1907, 5 1 6 1 1 ) . Die Gesellschaft wird in einem solchen Fall vielmehr durch die übrigen Vorstandsmitglieder vertreten (§ 75 Anm. 15). Sind zur Vertretung der Gesellschaft befugte Vorstandsmitglieder nicht vorhanden, somüssen solche nach § 76 durch das Registergericht bestellt werden. Zulässig ist auch die Bestellung eines Prozeßvertreters nach § 57 Z P O . Das gilt auch dann, wenn der Prozeß.

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 97 A n m . 9 , 1 0 §98

ausschließlich die Wirksamkeit eines vom Aufsichtsrat ausgesprochenen Widerrufs der Vorstandsbestellung zum Gegenstand hat (BGH 13, 188, 191 ff.; h. L. s. SchlegelbergerQuassowski Anm. 8; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; Rob. Fischer in L M §75 AktG Nr. 7 Anm.; a. A. die Voraufl.). Obgleich demnach die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats bei Passivprozessen mit dem Vorstand entfällt, ist der Aufsichtsrat noch als befugt anzusehen, vor Rechtskraft eines über die Wirksamkeit des Widerrufs entscheidenden Urteils (vgl. § 75 Abs. 3 Satz 4) namens der Gesellschaft mit dem betroffenen Vorstandsmitglied sich im Wege des Vergleichs dahin zu einigen, daß der Widerruf der Bestellung endgültig Bestand haben solle (BGH 26, 236 = W M 1958, 166 = NJW 58, 419; dazu Robert Fischer in L M § 97 AktG Nr. 5 Anm.). Der im Namen der Gesellschaft klagende Aufsichtsrat kann die Gesellschaft auch nicht gegenüber einer Widerklage des Vorstandsmitglieds vertreten. Die Widerklage ist daher unzulässig (Brodmann HGB §247 Anm. 2d; Schlegelberger-Quassowski Anm. 8; v. Godin-Wilhelmi Anm. 5; Baumbach-Hueck Anm. 2 A). Anm. 9 III. § 97 enthält z w i n g e n d e s Recht. Die Satzung kann die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats weder beschränken (Anm. 2) noch erweitern (RG 85, 46; MöhringSchwartz S. 91). A n m . 10 IV. R e f o r mVorschläge § 106 Ref.-Entw. erweitert die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand dahin, daß allein der Aufsichtsrat die A G gerichtlich und außergerichtlich insoweit vertritt, also bei allen Rechtsgeschäften (anders das geltende Recht, s. Anm. 3) und auch bei Passivprozessen (s. dagegen für das geltende Recht Anm. 8).

§ 9 8 Vergütung der A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r (1) Den A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r n kann für ihre Tätigkeit eine m i t i h r e n A u f g a b e n und m i t der Lage der Gesellschaft i n Einklang stehende V e r g ü t u n g g e w ä h r t w e r d e n . I s t die Vergütung i n der Satzung festgesetzt, s o k a n n e i n e S a t z u n g s ä n d e r u n g , durch die die Vergütung herabgesetzt w i r d , v o n der H a u p t v e r s a m m l u n g m i t einfacher S t i m m e n m e h r h e i t b e s c h l o s s e n w e r d e n . (2) D e n Mitgliedern des ersten A u f s i c h t s r a t s kann n u r die H a u p t v e r s a m m lung eine Vergütung für ihre Tätigkeit bewilligen. D e r B e s c h l u ß k a n n e r s t i n der H a u p t v e r s a m m l u n g g e f a ß t w e r d e n , die ü b e r die E n t l a s t u n g des e r s t e n A u f s i c h t s r a t s beschließt. (3) Wird den A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r n ein Anteil a m J a h r e s g e w i n n g e w ä h r t , s o berechnet sich der Anteil n a c h d e m R e i n g e w i n n , der s i c h nach V o r n a h m e von A b s c h r e i b u n g e n und Wertberichtigungen s o w i e n a c h B i l d u n g von Rücklagen und R ü c k s t e l l u n g e n e r g i b t ; abzusetzen i s t ferner der T e i l d e s G e w i n n s , der durch die A u f l ö s u n g von R ü c k l a g e n entstanden i s t , s o w i e e i n für die Aktionäre b e s t i m m t e r Betrag von m i n d e s t e n s vier v o m Hundert d e r geleisteten Einlagen. Entgegenstehende F e s t s e t z u n g e n sind nichtig. (4) Gewinnbeteiligungen sollen in e i n e m a n g e m e s s e n e n Verhältnis s t e h e n zu d e n A u f w e n d u n g e n z u g u n s t e n der G e f o l g s c h a f t oder v o n Einrichtungen* die d e m g e m e i h e n Wohle dienen. Die Einhaltung d i e s e s Gebots kann die S t a a t s a n w a l t s c h a f t i m K l a g e w e g e e r z w i n g e n ; d a s N ä h e r e b e s t i m m t der RßtVÄfminister der J u s t i z , er b e s t i m m t n a m e n t l i c h die für die E n t s c h e i d u n g z u s t ä n d i g e Stelle und regelt das Verfahren. 675.

§98 E lui., Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft Ubersicht Anm.

Einleitung I. i. Allgemeines zum Vergütungsanspruch (Abs. i) . 2. Fehlende Angemessenheit 3. Rechtsgrund, des Anspruchs, auch hinsichtlich des ersten Aufsichtsrats . 4. a) Herabsetzung durch Satzungsbeschluß . . b) gilt nicht bei Vertragsanspruch . . . . 5. Entgeltlichkeit der Tätigkeit 6. Der Vergütungsanspruch bei Konkurs, Umwandlung usw II. Art der Vergütung . . . 1. Sonderbestimmungen für die Berechnung der ge-

2. 3. 4. 5.

winnabhängigen Tantieme (Abb. 3) . . . 8—12 Gesamtvergütung . , 13 Ausscheiden im Laufe, des Geschäftsjahres . . 14 Ansprüche der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder 15 Fälligkeit 16

4

III. Sozialklausel (Abs. 4) .

17

5

I V . 1. Sondervergütungen 2. Auslagenersatz . . 3. Dienstleistungen . .

18 18a 18b

V . Zwingende Regelung . Publizitätspflichten . .

19 20

6 6a

7

V I I . Steuerliche Behandlung der Aufsichtsratsvergütungen V I I I . Reformbestrebungen . .

22

Einleitung Die Bestimmung entspricht zum Teil H G B § 245, zum Teil ist sie neu in das Aktiengesetz aufgenommen worden. Neu ist die Bestimmung des Abs. 1 Satz 1 und des Abs. 4, wonach die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder im Einklang mit ihren Aufgaben und mit der Lage der Gesellschaft und eine Gewinnbeteiligung in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufwendungen zugunsten der Arbeitnehmer oder von Einrichtungen, die dem Gemeinwohl dienen, stehen soll. Diese Neuordnung entspricht den für die Bezüge und die Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder geltenden Grundsätzen des § 78 und § 77 Abs. 3. Die Bestimmung des Abs. 1 Satz 2 über die Befugnis der Hauptversammlung, die in der Satzung festgesetzte Vergütung des Aufsichtsrats mit einfacher Stimmenmehrheit herabzusetzen, ist aus H G B § 245 Abs. 2 übernommen, ebenso die Bestimmung des Abs. 2 über die Vergütung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats aus H G B § 245 Abs. 3. Die von H G B § 245 Abs. 1 abweichende Regelung der Gewinnbeteiligung in Abs. 3 steht im Zusammenhang mit den neuen Grundsätzen für die Berechnung der Vorstandstantieme (§ 78 Abs. 2). Anm. 1 I. 1. Den Aufsichtsratsmitgliedern kann eine mit ihren Aufgaben und mit der Lage der Gesellschaft in Einklang stehende Vergütung gewährt werden (Abs. 1 Satz 1). Die Bedeutung dieses Satzes liegt in der in ihm enthaltenen Einschränkung. Daß dem Aufsichtsrat überhaupt eine Vergütung gezahlt werden darf, wurde von dem H G B ohne weiteres als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Vergütung muß jedoch nach dem geltenden Recht in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen, wie § 78 den gleichen Gedanken für die Bezüge der Vorstandsmitglieder ausdrückt. Die Angemessenheit ist hier wie dort nach den gleichen Gesichtspunkten zu beurteilen (s. § 78 Anm. 2). Nur wird hier weniger Gewicht auf die Aufgaben des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds als auf die Gesamtaufgaben des Aufsichtsrats zu legen sein (s. aber Anm. 15). Dies ist nicht nur daraus zu schließen, daß das Gesetz selbst in § 98 anders als in § 78 nicht von den e i n z e l n e n Mitgliedern spricht, sondern vor allem daraus, daß die Pflichten und Aufgaben des Aufsichtsrats grundsätzlich nicht den einzelnen Mitgliedern, sondern dem Gesamtaufsichtsrat obliegen (s. auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 a). Auch wird in der Regel die in einer Gewinnbeteiligung bestehende Vergütung für den Gesamtaufsichts-

676

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 98 Arnn. 2, 3 rat einheitlich festgesetzt und erst auf Grund dieser Festsetzung bestimmt, wie die Gesamtvergütung unter die einzelnen Mitglieder verteilt wird. Diese erwerben allerdings schon mit der Festsetzung der Gesamtvergütung einen Individualanspruch (RG 75, 308). Wenn eine einheitliche Festsetzung aber ausnahmsweise nicht geschieht und einem Mitglied eine höhere Vergütung zugesagt wird als den andern, wird eine Berücksichtigung der Aufgaben und auch der Fähigkeiten des einzelnen Mitglieds nicht ausgeschlossen sein (vgl. Anm. 13). Es liegt auch nicht im Sinne des Gesetzes, eine unangemessen hohe Vergütung eines einzelnen Mitgliedes im Hinblick darauf für zulässig zu halten, daß andere Mitglieder eine geringe oder gar keine Vergütung erhalten und daher die von allen Mitgliedern des Aufsichtsrats zusammen bezogene Vergütung mit den Aufgaben des Aufsichtsrats und mit der Lage der Gesellschaft noch in Einklang steht. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (vgl. § 87 Anm. 28) sind gleich den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern zu behandeln (s. auch Schmidt in Hachenburg § 52 Anh. I Anm. 39 m. w. N.). Anm. 2 2. Die Festsetzung einer mit den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und mit der Lage der Gesellschaft nicht in Einklang stehenden Vergütung ist nicht nichtig, sofern nicht ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 BGB vorliegt (SchlegelbergerQuassowski Anm. 6). Bei einer Bestimmung, deren Anwendung in solchem Maße Ermessensfrage ist, ist ohne klare gesetzliche Vorschrift nicht anzunehmen, daß ihre Verletzung die Nichtigkeit nach sieht zieht. Auch die Regelung des § 78 Abs. 1 spricht gegen die Nichtigkeit (wie hier auch Baumbach-Hueck Anm. 2 B; z. T. abweichend, wenn nämlich der Verstoß auf einem Hauptversammlungsbeschluß beruht, TeichmannKöhler Anm. 1 c). a) Ist die Vergütung in dem G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g festgesetzt, so kann der Registerrichter die Eintragung ablehnen, wenn die Vergütung unangemessen ist. Doch wird der Richter, sofern die Unangemessenheit nicht offen zutage liegt, die Angemessenheit nicht nachzuprüfen brauchen. b) Setzt ein Beschluß der H a u p t v e r s a m m l u n g die Vergütung fest, so kann er bei einem Verstoß gegen die Bestimmung angefochten werden; der Vorstand ist zur Anfechtung verpflichtet (Schlegelberger-Quassowski Anm. 6). Die Unterlassung der Anfechtung des Beschlusses wird dem Vorstand nur dann als ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verschulden anzurechnen sein, wenn bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Sachlage keinen Zweifel an der Unangemessenheit der Vergütung des Aufsichtsrats zuließ. Bloße Zweifel an der Angemessenheit verpflichten den Vorstand nicht zur Anfechtung. c) Auch wenn die Vergütung in dem A n s t e l l u n g s v e r t r a g festgesetzt ist, ist nicht anzunehmen, daß die Vereinbarung bei einem Verstoß gegen die Bestimmung nichtig ist (a. A. Ritter Anm. 2). Die Gesellschaft ist hinsichtlich der Aktionärsvertreter durch das jederzeitige Abberufungsrecht des § 87 Abs. 2, bei dessen Ausübung auch die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrage erlöschen (§ 87 Anm. 20), genügend geschützt. Hinsichtlich der entsandten Aufsichtsratsmitglieder (§ 88) kommt eine Abberufung durch die Hauptversammlung allerdings nicht ohne weiteres in Betracht; deren Vergütungsanspruch ergibt sich aus dem Gesetz (Grundsatz der Gleichbehandlung mit den gewählten Aktionärsvertretern) und, wenn entsprechende Satzungsbestimmungen vorliegen (§ 88 Anm. 14) aus diesen. Es gilt insoweit wieder das oben zu a) und b) Gesagte. Ist allerdings ein besonderer Anstellungsvertrag geschlossen worden, so ist eine gegen § 98 Abs. 1 Satz 1 verstoßende Vereinbarung nichtig, soweit die Vergütung das angemessene Maß übersteigt (§ 139 BGB). Ist die Vergütung unangemessen, so ist sie also von dem Gericht auf das angemessene Maß herabzusetzen. Anm. 3 3. Rechtsgrund des Anspruchs der Aufsichtsratsmitglieder ist die Satzung, ein Beschluß der Hauptversammlung oder der Anstellungsvertrag. Auch der Anstellungsvertrag kann aber nur auf Grund eines ihm inhaltlich zustimmenden Hauptversamm677

§98 Anm. 4

I. Buch: Aktiengesellschaft

lungsbeschlusses abgeschlossen werden (§ 87 Anm. 7). Unzulässig wäre eine Bestimmung der Satzung oder ein Beschluß der Hauptversammlung, nach denen dem Vorstand oder einem Verwaltungsrat (§ 95 Anm. 28) die Vereinbarung der Vergütung mit dem Aufsichtsrat überlassen würde (RG in J W 1932, 720). Wohl aber kann die Satzung vorsehen, daß die Hauptversammlung die Vergütung von J a h r zu J a h r dem Grunde und der Höhe nach oder nur der Höhe nach festsetzt (vgl. v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Uber Sondervergütungen vgl. Anm. 18, über Vergütungen für berufliche Dienstleistungen Anm. 18 b. Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats kann nur von der Hauptversammlung und zwar erst von der über die Entlastung des ersten Aufsichtsrats beschließenden Hauptversammlung eine Vergütung bewilligt werden (Abs. 2). Über den Begriff der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats siehe § 87 Anm. 16. Die Bestellung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats endigt mit der Hauptversammlung, die zur Beschlußfassung über die Entlastung stattfindet, auch wenn sie nicht über die Entlastung beschließt (§ 87 Anm. 15). Die Bewilligung der Vergütung setzt hingegen voraus, daß auch über die Entlastung beschlossen wird. Damit ist zwar nicht gesagt, daß eine Vergütung nur bewilligt werden kann, wenn die Entlastung erteilt wird; aber im Falle der Verweigerung der Entlastung wird die Hauptversammlung in der Regel keinen Grund haben, den Aufsichtsratsmitgliedern eine Vergütung zu gewähren. Ein vorher gefaßter Beschluß ist nichtig, desgleichen jede etwa zwischen Vorstand und Aufsichtsrat getroffene Abrede; etwa schon gezahlte Vergütungen sind zurückzugewähren; im übrigen löst ein Verstoß Schadensersatzpflicht gemäß §§ 84, 99 aus. Anm. 4 4 a. Eine Satzungsänderung, durch die die in der Satzung festgesetzte Vergütung herabgesetzt wird, kann m i t einfacher Mehrheit beschlossen werden (Abs. 1 Satz 2). Zweifelhaft erscheint, von welchem Zeitpunkt ab ein solcher Beschluß wirkt. Nach der früher herrschenden Lehre wirkte die Herabsetzung für das zur Zeit des Beschlusses laufende Geschäftsjahr (LG Magdeburg in J W 1930, 288 3 ; SchlegelbergerQuassowski Anm. 1 1 ; Staub HGB § 245 Anm. 4; hinsichtlich einer Herabsetzung der Tantieme auch Ritter Anm. 3 und v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Nach Staub a. a. O. wirkt sie auch für das schon abgeschlossene Geschäftsjahr, dessen Bilanz noch nicht genehmigt ist, wenn der Beschluß einen solchen Willen zum Ausdruck bringt (a. A. Ritter a. a. O.). Ein überzeugender Grund für diese Ansicht fehlt. Sie würde voraussetzen, daß der Aufsichtsrat seinen Anspruch auf Vergütung erst mit dem Ende des Geschäftsjahrs oder gar erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses für ein Geschäftsjahr und mit der Erteilung der Entlastung für dieses Geschäftsjahr erwirbt. Das ist aber nicht richtig: ein Aufsichtsratsmitglied, das im Laufe eines Geschäftsjahres ausscheidet, hat bereits bei seinem Ausscheiden einen Anspruch auf Vergütung und zwar für das laufende Geschäftsjahr nach Verhältnis der Zeit (Anm. 14; O L G R 24, 141). Man darf auch nicht den Gegensatz verkennen, in dem Satz 2 des Abs. 1 zu Abs. 2 des § 98, zu der Bestimmung über die Vergütung des ersten Aufsichtsrats (Anm. 3), steht. Während die Vergütung für den ersten Aufsichtsrat nur n a c h t r ä g l i c h festgesetzt werden k a n n , sieht Satz 2 des Abs. 1 lediglich n a c h t r ä g l i c h e Änderung der Vergütung in e r l e i c h t e r t e r F o r m vor; daß solche Abänderungen rückwirkende Kraft haben könnten, darüber sagt das Gesetz nichts. Es kann daher für die Auslegung der Bestimmung nur in Frage kommen, daß der Herabsetzungsbeschluß, wie jeder andere satzungsändernde Beschluß für die Zeit seit der Eintragung des Beschlusses wirkt oder daß er erst für das auf die Eintragung des Beschlusses folgende Geschäftsjahr in Kraft tritt (für letzteres Brodmann HGB § 245 Anm. 4). Aus dem Wortlaut des Gesetzes ist für die Entscheidung der Frage kaum etwas zu entnehmen. Die Bestimmung spricht nur von der zur Fassung des Beschlusses erforderlichen Mehrheit, bietet also lediglich eine erleichterte Form. Darüber hinaus wird man aus ihr schließen können, daß die Satzungsänderung nicht erst nach Ablauf der Amtsdauer, für die ein zur Zeit des Beschlusses im Amt befindliches Aufsichtsratsmitglied bestellt ist, wirksam werden soll. Denn für Aufsichtsratsmitglieder, die ihr Amt ohne besondere Vereinbarung annehmen, ist davon auszugehen, daß sie ihre Tätigkeit für das — j e w e i l s — nach der Satzung maßgebliche Entgelt ausüben. 678

4- T e i l : Verfassung der Aktiengesellschaft ( S c h m i d t — M e y e r - L a n d r u t )

§ 98

Anm. 5—6a I m übrigen wird m a n die Wirksamkeit des hier ausnahmsweise mit einfacher Stimmenmehrheit z u fassenden Satzungsänderungsbeschlusses n i c h t a n d e r s beurteilen können a l s s o n s t i g e S a t z u n g s ä n d e r u n g e n . Diese wirken aber grundsätzlich nicht zurück. Die Gegenansicht läßt sich z u sehr v o n der Vorstellung leiten, d a ß der Aufsichtsrat nur an dem Ergebnis des Geschäftsjahrs beteiligt sei. Eine V e r g ü t u n g ist aber Entgelt f ü r die von i h m geleistete T ä t i g k e i t ; dies gilt a u c h dann, w e n n sie in einer Gewinnbeteilig u n g besteht. D i e Satzungsänderung kann daher mangels einer ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes nur für die Z u k u n f t wirken. I m Zweifel w i r d nicht a n z u n e h m e n sein, d a ß die V e r g ü t u n g des Aufsichtsrats sich mitten im Geschäftsjahr ändern soll. Es ist daher der v o n Brodmann vertretenen Ansicht zuzustimmen, d a ß d i e S a t z u n g s ä n d e r u n g sich erst für die V e r g ü t u n g ' für das f o l g e n d e G e s c h ä f t s j a h r a u s w i r k t (wie hier B a u m b a c h - H u e c k A n m . 2 B). N u r wird d u r c h ausdrücklichen Beschluß bestimmt werden können, d a ß die V e r g ü t u n g bereits v o n der Eintragung des Beschlusses a b der Herabsetzung unterliegt ( T e i c h m a n n - K ö h l e r A n m . i c ) . O b die Herabsetzung der V e r g ü t u n g für das Aufsichtsratsmitglied einen wichtigen G r u n d zur Niederlegung des Amtes bildet, ist n a c h den U m s t ä n d e n des einzelnen Falles z u beurteilen.

Anm. 5 b) D i e Bestimmung gilt nicht, w e n n die V e r g ü t u n g in einem mit d e m Aufsichtsratsmitglied abgeschlossenen V e r t r a g festgesetzt ist (Schlegelberger-Quassowski A n m . 1 1 ; v. Godin-Wilhelmi A n m . 3 ; Staub H G B § 245 A n m . 4; a. A . Ritter A n m . 3 ; Brodmann H G B § 245 A n m . 4). A u s einer Bestimmung, die ihrem W o r t l a u t n a c h nur die für einen bestimmten Beschluß der H a u p t v e r s a m m l u n g erforderliche M e h r h e i t betrifft, kann m a n nicht eine Befugnis zur einseitigen Ä n d e r u n g eines Vertrages herleiten. Falls der V e r t r a g j e d o c h nicht selbst die A r t der V e r g ü t u n g bestimmt, sondern nur ausdrücklich oder stillschweigend auf die Satzung Bezug nimmt, ist mangels besonderer U m s t ä n d e anzunehmen, d a ß auf den jeweiligen Inhalt der Satzung verwiesen ist. D i e Gesellschaft ist freilich imstande, die W a h l z u widerrufen, w o m i t a u c h die A n s p r ü c h e aus d e m A n stellungsvertrag für die Z u k u n f t erlöschen; doch bedarf dieser Beschluß mangels einer abweichenden Satzungsbestimmung einer Dreiviertelmehrheit (§ 87 A b s . 2).

Anm. 6 5. Eine V e r m u t u n g für die Entgeltlichkeit der A m t s f ü h r u n g besteht n i c h t (Schlegelberger-Quassowski A n m . 10; v. Godin-Wilhelmi A n m . 2 a ; B a u m b a c h - H u e c k A n m . 2; S t a u b H G B § 245 A n m . 3; a b w . Brodmann H G B § 245 A n m . i a ) . E n t h ä l t die S a t z u n g keine Bestimmung über eine d e m Aufsichtsrat zustehende V e r g ü t u n g u n d ist das A m t ohne besondere V e r e i n b a r u n g einer V e r g ü t u n g angenommen, so ist j e n a c h den U m s t ä n d e n des Einzelfalls z u entscheiden, o b die Tätigkeit nur gegen Entgelt ausgeübt werden soll oder die Absicht unentgeltlicher A m t s f ü h r u n g vorliegt. W e g e n Auslagenerstattung s. A n m . 18 a. Ü b e r den Anspruch der entsandten Aufsichtsratsmitglieder vgl. § 88 A n m . 14, den der gerichtlich bestellten § 89 A n m . i g .

Anm. 6 a 6. M i t d e m Konkurs entfällt j e d e r A n s p r u c h auf weitere V e r g ü t u n g ( R G 81, 333; R A r b . G e r . in J W 1930, 85; Brodmann § 245 2 d ; v. Godin-Wilhelmi A n m . 6 ; Baumb a c h - H u e c k A n m . 2 D ; T e i c h m a n n - K ö h l e r A n m . 2 d ; a. A . J a e g e r in L Z 1913, 358). Ebenso entfällt jeder A n s p r u c h bei A u f h ö r e n der Rechtspersönlichkeit der A G , also etwa bei Löschung im Handelsregister; dagegen bleibt im A b w i c k l u n g s s t a d i u m der A n s p r u c h auf eine vertraglich zugesagte feste V e r g ü t u n g bestehen, nicht dagegen, w e g e n Wegfalls der Voraussetzung, ein Anteil a m G e w i n n (Schlegelberger-Quassowski A n m . 20; v. Godin-Wilhelmi A n m . 6). — V e r s t a a t l i c h u n g ( § 2 5 3 ) , V e r s c h m e l z u n g (§§ 233fr.) und U m w a n d l u n g n a c h d e m U m w a n d l u n g s G 1956 bringen die A G ohne A b w i c k l u n g z u m Erlöschen: in diesen Fällen entfällt also wieder j e d e r V e r g ü t u n g s anspruch und z w a r hinsichtlich einer gewinnabhängigen T a n t i e m e , wie i m Falle der E r ö f f n u n g der Liquidation, auch für den T e i l des Geschäftsjahres, der vor d e m A u f -

679

§98

Anm. 7—11

I. Buch: Aktiengesellschaft

lösungsbeschluß liegt. Jedoch sind abweichende Satzungsbestimmungen oder Hauptversammlungsbeschlüsse, deren Wirksamkeit sich nach den in Anm. 18 behandelten Grundsätzen richtet, möglich (v. Godin-Wilhelmi Anm. 6). Findet eine f o r m u m w a n d e l n d e U m w a n d l u n g nach den Vorschriften des AktG §§ 257ff. statt und bleibt der Aufsichtsrat bestehen, so wird hierdurch auch eine gewinnabhängige Tantieme nicht berührt (v. Godin-Wilhelmi a. a. O.). — Bei v e r e i n f a c h t e r K a p i t a l h e r a b s e t z u n g darf die Tantieme nicht ausgeschüttet werden, bevor nicht die gesetzliche Rücklage 1 0 % des Grundkapitals erreicht hat (§ 187 Abs. 1). 7. Ein Konkursvorrecht für die Aufsichtsratsvergütung nach § 61 Nr. 1 K O besteht nicht, da dieses nur bei abhängigen Dienstleistungen Platz greift (Böhle-Stammschräder, 3. Aufl. §61 K O Anm. 4 a ; Teichmann-Köhler Anm. 1 d; Schlegelberger-Quassowski, Anm. 14).

Anm. 7 II. Die A r t d e r V e r g ü t u n g kann beliebig festgesetzt werden. Zulässig ist namentlich ein fester Bezug und ein Anteil am Reingewinn, auch beides nebeneinander. Auch Sitzungsgelder, Sachleistungen usw. können zugesagt werden. Für die Gewinnbeteiligung der Vorstandsmitglieder schreibt § 77 Abs. 1 vor, daß sie in einem Anteil am Reingewinn bestehen soll. Für die Gewinnbeteiligung der Aufsichtsratsmitglieder fehlt eine solche Bestimmung. Jedoch wird ein sachlicher Grund, eine andere Art der Gewinnbeteiligung zu vereinbaren, meistens nicht vorliegen, und es wird daher bezweifelt werden können, ob eine derartige Vereinbarung im Einklang mit den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und der Lage der Gesellschaft steht (Schlegelberger-Quassowski Anm. 3).

Anm. 8 1. Besteht die T a n t i e m e in einem Anteil am Jahresgewinn, so erfolgt ihre B e r e c h n u n g in der in Abs. 3 geregelten Weise. Die grundsätzliche Regelung stimmt mit der für die Tantieme des Vorstands in § 77 Abs. 2 getroffenen Regelung überein (s. § 77 Anm. 6 bis 9). Es gelten jedoch einige wichtige Abweichungen.

Anm. 9 a) Es kann n i c h t zugelassen werden, daß die Tantieme auch von demjenigen Teil des Gewinnes gezahlt wird, der zur B i l d u n g freier R ü c k l a g e n verwandt wird. Dies folgt daraus, daß eine dem § 77 Abs. 2 Satz 3 entsprechende Bestimmung hier fehlt.

Anm. 10 b) Von dem Reingewinn ist e i n f ü r die A k t i o n ä r e b e s t i m m t e r B e t r a g v o n m i n d e s t e n s 4 P r o z e n t der g e l e i s t e t e n E i n l a g e n a b z u s e t z e n . Es kommt nicht auf den Nennbetrag der Aktien (das Grundkapital), sondern nur auf die geleisteten Einlagen an. Unerheblich ist, ob wirklich an die Aktionäre eine Dividende verteilt wird und, falls mehrere Gattungen von Aktien vorhanden sind, wie der für die Aktionäre bestimmte Betrag unter sie verteilt wird. Der Betrag ist auch dann abzusetzen, wenn sich die Aktien im Besitz der Gesellschaft befinden (h. M . ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1 7 ; Ritter Anm. 5; Teichmann-Köhler Anm. 3 a ; a. A. v. Godin-Wilhelmi unter Hinweis auf § 65 Abs. 7). Die S a t z u n g kann den Prozentsatz der Dividende e r h ö h e n , aber nicht herabsetzen.

Anm. 11 c) Abgesehen von der vierprozentigen Vordividende für die Aktionäre und der Unzulässigkeit einer Aufsichtsratstantieme von den neu gebildeten freien Rücklagen wird die Tantieme des Aufsichtsrats von demselben Gewinn berechnet wie die Tantieme des Vorstands. Der Aufsichtsrat erhält also Tantieme auch von dem auf die Tantieme des Vorstands entfallenden Teil des Reingewinns; die Vorstandstantieme ist bei der Berechnung der Aufsichtsratstantieme nicht von dem Reingewinn abzuziehen ( R G 9 1 , 3 1 6 ; R G in J W 1924, 1 5 1 9 1 4 ; h. M . ; v. Godin-Wilhelmi Anm. 6; Baumbach-Hueck Anm. 4; Teichmann-Köhler Anm. 3 a). Das Gegenteil kann aber in der Satzung bestimmt bzw.

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 98 A n m . 12—14 mit dem Aufsichtsratsmitglied vereinbart werden ( R G 91, 316). Dadurch ändert sich allerdings die Berechnung der Tantieme des Aufsichtsrats. Auch die Berechnung der Vorstandstantieme wird davon in manchen Fällen beeinflußt, da der Vorstand Tantieme auch von dem auf die Aufsichtsratstantieme entfallenden Teil des Reingewinns erhält. Es trifft jedoch nicht zu, wie teilweise angenommen wird (z. B. Schlegelberger-Quassowski Anm. 18), daß dadurch die ohnehin verwickelte Berechnung der Tantieme wesentlich erschwert wird. A n m . 12 d) Eine Einschränkung der grundsätzlichen Gleichstellung der Tantieme des Aufsichtsrats und des Vorstands ergibt sich jedoch aus der Bestimmung über die Vordividende. Nach dem Sinn dieser Bestimmung soll der Aufsichtsrat nur Tantieme erhalten, wenn an die Aktionäre eine Dividende von 4 % des eingezahlten Aktienkapitals verteilt werden kann. Der unter die Aktionäre verteilbare Betrag des Reingewinns hängt nun aber von der Tantieme des Vorstands ab. Unter die Aktionäre kann nur derjenige Betrag verteilt werden, der nach Abzug der Tantieme des Vorstands übrigbleibt. Nur soweit dieser Betrag 4 % des eingezahlten Aktienkapitals übersteigt, kann daher der Aufsichtsrat eine Tantieme erhalten. Beträgt z. B. der Reingewinn 50 000,— DM, die Vordividende 45 000,— D M , und erhält der Vorstand und der Aufsichtsrat vereinbarungs- oder satzungsgemäß j e 1 0 % Tantieme, so müßte der Aufsichtsrat rein rechnerisch 1 0 % von 50 000,— minus 45 000,— gleich 5000,— D M erhalten. Da aber der Reingewinn durch die Vorstandstantieme von 5000,— D M und die Vordividende verbraucht wird, erhält der Aufsichtsrat nichts (s. R G 91, 3 1 6 ; Brodmann H G B §245 Anm. 3 c). A n m . 13 2. Wird in der Satzung oder in dem Beschluß der Hauptversammlung nur die Vergütung des Gesamtaufsichtsrats festgesetzt, ihre Verteilung unter die einzelnen Mitglieder aber nicht näher geregelt, so gilt grundsätzlich § 420 BGB; die Vergütung wird also gleichmäßig unter die Aufsichtsratsmitglieder verteilt ( R G 75, 308; K G in O L G R 22, 2; Dresden in O L G R 24, 141). Es erscheint jedoch angemessen, dem Vorsitzer, vielleicht auch seinen Stellvertretern, einen größeren Anteil zu bewilligen. Sehr häufig ist bestimmt, daß der Vorsitzer einen doppelt so hohen Anteil wie das einzelne Mitglied erhält. Dies kann auch Handelsbrauch sein (vgl. K G in O L G R 22, 2); jedoch ist ein allgemeiner Handelsbrauch dieses Inhalts anscheinend nicht mit Sicherheit festzustellen. Zulässig ist auch die Bestimmung, daß der Aufsichtsrat über die Verteilung der Gesamtvergütung unter seine Mitglieder beschließt. Der Aufsichtsrat hat in einem solchen Falle die Entscheidung nicht nach freiem, sondern nach billigem Ermessen zu treffen ( K G a . a . O . ; Schlegelberger-Quassowski Anm. 2 1 ; Brodmann H G B §245 Anm. i c ; vgl. § 3 1 5 Abs. 1 BGB; a. A. Dresden in O L G R 24, 1 4 1 , wonach auch in diesem Falle eine ungleichmäßige Verteilung — abgesehen von einem höheren Anteil des Vorsitzers — nur einstimmig beschlossen werden kann). Der Aufsichtsrat wird bei der Verteilung insbesondere das Maß der Tätigkeit der einzelnen Mitglieder berücksichtigen können und müssen (Anm. 1), jedoch dürfen die Arbeitnehmervertreter nicht grundsätzlich wegen dieser ihrer Eigenschaft schlechter gestellt werden, als die Aktionärsvertreter (Baumbach-Hueck Anm. 2 C ; vgl. auch § 86 Anm. 4d). A n m . 14 3. S c h e i d e t ein M i t g l i e d im L a u f e des J a h r e s a u s , gleichviel aus welchem Grunde (z. B. Tod, Amtsniederlegung), so hat es Anspruch auf einen entsprechenden Teil der Vergütung. Dies gilt auch für einen Anspruch auf Tantieme. Dieser ist also n a c h d e m V e r h ä l t n i s d e r Z e i t , in der das Aufsichtsratsmitglied im Amt war, nach dem Jahresgewinn zu berechnen, nicht etwa ist mittels einer besonderen Bilanz der Gewinn während der Amtszeit festzustellen. Auf die im Zusammenhang mit der Währungsreform im Jahre 1948 aufgetretenen Streitfragen, wie die sich auf die Zeit vor dem Umstellungsstichtag beziehenden Tantiemenansprüche in D M umzustellen waren, braucht hier nicht eingegangen zu werden, da es sich um nicht mehr aktuelle, währungsrechtliche Probleme handelt; vgl. dazu Korth in BB 1949, 677 und Patschke a. a. O. 721 f.

681

§98 Anra. 15—18

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 15 4. Die A n s p r ü c h e der einzelnen A u f s i c h t s r a t s m i t g l i e d e r auf den ihnen zu-

kommenden Anteil an der dem Aufsichtsrat zugesagten Gesamtvergütung sind wie sonstige Ansprüche mehrerer Gläubiger auf teilbare Leistungen selbständig und können selbständig gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden ( R G 75, 308; K G in O L G R 22, 2). Zulässig sind auch rein persönliche Einwendungen gegen das einzelne Aufsichtsratsmitglied. Insbesondere wird die Gesellschaft einwenden können, daß das Aufsichtsratsmitglied überhaupt keine Tätigkeit entfaltet hat. Anders hat allerdings das

RG a. a. O. entschieden. Es hat den Einwand der Untätigkeit zurückgewiesen in dem

Falle, daß das Mitglied nicht zur Entfaltung von Tätigkeit aufgefordert war und der Gesamtaufsichtsrat seine Pflichten erfüllt hatte. Diese Entscheidung, die allerdings im Schrifttum gebilligt worden ist, dürfte den heutigen Anschauungen schwerlich entsprechen. Die Vergütung des Aufsichtsrats ist Vergütung für geleistete Arbeit. Wenn es sich um eine auch Pauschalvergütung handelt und es nicht auf das M a ß der geleisteten Arbeit im einzelnen ankommt, so ist doch nicht anzunehmen, warum die Gesellschaft sich nur dann auf die Untätigkeit des Mitglieds soll berufen können, wenn dieses zur Tätigkeit aufgefordert worden war. Das Gesetz verlangt grundsätzlich eine Mitwirkung aller Aufsichtsratsmitglieder bei der Überwachung des Vorstands. Es erscheint durchaus billig, daß ein Aufsichtsratsmitglied, das keine Tätigkeit entfaltet hat, auch keine Vergütung erhält. Darüber hinaus kann die Gesellschaft in besonderen Einzelfällen, dem Tantiemeanspruch den E i n w a n d d e s R e c h t s m i ß b r a u c h s entgegensetzen, etwa wenn sich infolge unvorhersehbarer und bei vertraglicher Begründung des Anspruchs nicht in Betracht gezogener Umstände ergibt, daß eine Geltendmachung überhöhter Tantiemeforderungen gegen Treu und Glauben verstößt, vgl. Westrick, BB 1959, 98 (vgl. §78).

Anm. 16 5. Die F ä l l i g k e i t des Vergütungsanspruchs richtet sich nach den getroffenen Bestimmungen und Vereinbarungen. Der Anspruch auf Tantieme wird mit dem Beschluß über die Gewinnverteilung fällig (v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 a und 8; Baumbach-Hueck Anm. 4). Die Verjährungsfrist beträgt mangels Abhängigkeit der Aufsichtsratstätigkeit nicht 2 J a h r e , § 196 Ziff. 8 B G B , sondern, wenn die Vergütung regelmäßig gezahlt wird, 4 J a h r e , § 197 B G B ; vgl. B G H vom 5. 3. 59 in W M 59, 502 = Betr. 59, 456.

Anm. 17 III. Gewinnbeteiligungen sollen in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufwendungen zugunsten der Belegschaft oder von Einrichtungen, die dem G e m e i n w o h l d i e n e n , stehen (Abs. 4 Satz 1). Diese Bestimmung und der ihrer Durchführung dienende Satz 2 entspricht wörtlich § 77 Abs. 3. Auf die Erläuterungen zu dieser Bestimmung ist zu verweisen (§ 77 Anm. 28 u. 29). Dort werden auch die einschlägigen Bestimmungen der Durchführungsverordnung behandelt (§ 77 Anm. 30).

Anm. 18 I V . 1. Die Hauptversammlung ist berechtigt, aus dem Gewinn, den sie zu verteilen hat, dem Aufsichtsrat eine S o n d e r v e r g ü t u n g zukommen zu lassen (SchlegelbergerQuassowski Anm. g ; Baumbach-Hueck Anm. 2). Doch liegt darin eine Verletzung des Anspruchs der Aktionäre auf Verteilung des ausgewiesenen Reingewinns, soweit nicht der Hauptversammlung auf Grund der Satzung ein Recht auf freie Beschlußfassung über die Verteilung des Gewinns oder die besondere Befugnis zusteht, aus dem Gewinn dem Aufsichtsrat eine freiwillige Vergütung zu gewähren. Die in der Verwendung des Reingewinns zur Gewährung einer freiwilligen Vergütung an den Aufsichtsrat etwa liegende Verletzung des Rechts der Aktionäre auf Verteilung des Reingewinns macht den Beschluß anfechtbar. Wird er nicht angefochten, so ist die Zuweisung an den Aufsichtsrat wirksam. Nichts anderes will wohl auch das Reichsgericht in dem auf eine Anfechtungsklage ergangenen Urteil J W 1932, 720 3 (vgl. auch R O H G 22, 277 auf S. 281 f.) sagen, wenn es dort heißt, daß ein solcher Beschluß nur einstimmig gefaßt werden könnte (ähnlich v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 b).

682

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 98

Anm. 18 a—21

Einer besonderen Beurteilung unterliegen Sondervergütungen an einzelne A u f sichtsratsmitglieder f ü r besondere Tätigkeit. Wie das einzelne Aufsichtsratsmitglied Anspruch auf Ersatz seiner A u s l a g e n hat, steht ihm auch ein Anspruch auf Entgelt für die Durchführung von Aufgaben zu, die ihm der Aufsichtsrat besonders überträgt (z. B. Aufnahme der Warenbestände, Prüfung der Kasse). Die Sondervergütung hierfür kann der Aufsichtsrat bewilligen (RG in J W 1932, 720; vgl. auch § 95 Anm. 10; Schlegelberger-Quassowski Anm. 9; Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; a. A. v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 b).

Anm. 18a 2. Unabhängig davon, ob die Aufsichtsratstätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt wird, besteht ein Anspruch auf Ersatz der baren Auslagen, wie Reise-, Übernachtungs- und Aufenthaltskosten (§§ 675, 670 BGB). Hierher gehören auch die von den Gesellschaften häufig gewährten S i t z u n g s g e l d e r , sofern sie zur Abgeltung tatsächlicher Aufwendungen gezahlt werden. Ubersteigen derartige Pauschalzahlungen einen angemessenen Rahmen, so stellen sie insoweit zusätzliche Vergütung dar und können nicht vom Vorstand festgesetzt werden (v. Godin-Wilhelmi, Ubersicht zu § 98; Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; Baumbach-Hueck Anm. 2). Dem entspricht auch die steuerliche Behandlung: die Finanzämter erkennen Sitzungsgelder, die an nicht am Ort ansässige Aufsichtsratsmitglieder als Pauschalabgeltung gezahlt werden als im Ergebnis nicht steuerpflichtige Auslagenerstattung an (vgl. OFD Frankfurt/M. in BB 1955, 2761; s. auch Anm. 21). Die Satzungen enthalten meistens Bestimmungen zur Regelung der Aufwandsentschädigung der Aufsichtsratsmitglieder.

Anm. 18b 3. Vergütungen für berufliche Dienstleistungen außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit, etwa für Rechtsberatung der Gesellschaft durch einen freien Anwalt oder Steuerberater oder für besondere gutachtliche Tätigkeit sind mit dem Vorstand zu vereinbaren (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4; v. Godin-Wilhelmi Anm. 2 b). Hier steht das Aufsichtsratsmitglied wie jeder Außenstehende zur Gesellschaft; § 98 betrifft derartige Vergütungen nicht (Baumbach-Hueck Anm. 1; Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 68). Das gleiche gilt für die Gehalts- oder Lohnbezüge von Arbeitnehmervertretern.

Anm. 19 V. § 98 enthält durchweg zwingendes Recht, nicht nur Abs. 3, wo es das Gesetz ausdrücklich sagt. Nur die Bestimmung des Abs. 1 Satz 1 gibt lediglich eine allgemeine Richtlinie, deren Überschreitung nicht die Nichtigkeit der Vereinbarung nach sich zieht (Anm. 2). Im übrigen ist eine Abweichung von den Vorschriften des §98 zugunsten eines Aufsichtsratsmitglieds unwirksam. Der Gesellschaft günstigere Bestimmungen, namentlich hinsichtlich der Berechnung der Tantieme, sind zulässig. Eine Erhöhung der in der Satzung festgesetzten Vergütung bedarf der im allgemeinen für Satzungsänderungen erforderlichen Mehrheit.

Anm. 20 VI. Die Gesamtbezüge des Aufsichtsrats (nicht der einzelnen Mitglieder) sind im Geschäftsbericht gemäß § 128 Abs. 2 Ziffer 7 anzugeben. Zu den Gesamtbezügen gehören auch Sondervergütungen (Anm. 18) nicht aber Vergütungen für Dienste außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit (Anm. 18b).

Anm. 21 VII. Die steuerliche Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen 1. Die Aufsichtsratsvergütungen sind bei der AG steuerlich nicht als gewinnmindernde Ausgaben anerkannt, § 1 2 Ziff. 3 KStG. 2. Bei dem Aufsichtsratsmitglied gehören die Vergütungen zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften aus selbständiger Arbeit (§§ 18 Abs. 1 Ziff. 3 mit 2 Abs. 3 Ziff. 3 EStG); das gilt auch für die Arbeitnehmervertreter (s. BFH in BB 1957, 463). Ein Steuerabzug, durch den in der Regel die Einkommensteuer abgegolten ist, findet nur 44

Aktiengesetz, 2. Aufl.

683

§ 98 Anm. 22 § 99 Einl., Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft

für beschränkt Steuerpflichtige statt (§§49a, 50 Abs. 4 EStG). Die frühere Aufsichtsratssteuer ist durch das SteueränderungsG vom 26. 7. 1957 (BGBl. I, 848) abgeschafft worden. Dadurch ergeben sich in der Ubergangszeit dort unter Umständen Schwierigkeiten, wo die Satzung vorsah, daß die Gesellschaft die Steuer zu tragen habe; s. dazu Risse in BB 1957* 956 und Schmidt in Hachenburg § 52 Anm. 72a. Auslagenerstattung, auch in pauschalierter Form, kann als Betriebsausgabe (Werbungskosten) wieder abgesetzt werden (s. auch Anm. 18a). Anm. 22 V I I I . Reformvorschläge. Der Ref.Entw. übernimmt mit einigen redaktionellen Änderungen in § 107 die Regelung der Abs. 1 und 2 des § 98. Hinsichtlich der Berechnung der Gewinnbeteiligung (Abs. 3) wird jedoch eine abweichende Grundlage, nämlich der Bilanzgewinn der A G vorgeschlagen, mit der Begründung, daß es besser der Stellung des Aufsichtsrats entspreche, wenn seine Gewinnbeteiligung an der Gewinnbeteiligung der Aktionäre und nicht der des Vorstands ausgerichtet wird. Den Abzug der 4%igen Vordividende (Anm. 12) behält der Ref.Entw. bei. Ersatzlos gestrichen wird § 98 Abs. 4, womit der Entwurf entsprechende Anregungen, diese bisher nicht praktisch gewordene und hinsichtlich der Eingriffsrechte der Staatsanwaltschaft in unsere Rechtsordnung nicht hineinpassende Vorschrift einzuschränken oder zu beseitigen, folgt (vgl. auch § 77 Anm. 30 am Ende). § 9 9 S o r g f a l t s p f l i c h t und V e r a n t w o r t l i c h k e i t der A u f s i c h t s r a t s mitglieder Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gilt § 84 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Übersicht Anm.

Einleitung 1. Die Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats 2. Die Haftung aus § 84 Abs. 3 . . 3. Entlastung durch Beschluß der Hauptversammlung 4. Aufgabenverteilung — Ausschüsse 5. Ausgleichspflicht zwischen Vorstand und Aufsichtsrat

6. Verjährung 1 2 3 4 5

Anm.

6

7. Die Haftung der Arbeitnehmervertreter a) b) c) d)

Literatur . Sorgfaltspflicht Interessenkollision Zuständiges Gericht

7 8 9 10

Einleitung Literatur: Zempelin, Fragen der Aufsichtsratshaftung, AzP 155 (1956) 209. §99entspricht dem § 249 HGB. Er regelt aber die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr wie § 249 HGB im einzelnen, sondern schreibt nur die sinngemäße Anwendung der für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder in § 84 gegebenen Bestimmungen vor. Zur Erläuterung des § 99 kann daher in erster Linie auf das zu § 84 Gesagte verwiesen werden. Anm. 1 1. Wenn den Vorstandsmitgliedern die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters obliegt, so kann die Übertragung auf den Aufsichtsrat nur bedeuten, daß die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt aufzuwenden haben, die ein o r d e n t l i c h e r und g e w i s s e n h a f t e r G e s c h ä f t s m a n n a n w e n d e t , w e n n ihm eine A u f s i c h t s r a t s s t e l l u n g ü b e r t r a g e n ist. Da ihm keine Geschäftsleitungsbefugnis zusteht, kann die sinngemäße Anwendung des § 84 Abs. 1 Satz 1 nicht bedeuten,. 684

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 99 Anm, 2, 3

er habe die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu beobachten, vgl. Bauers Zeitschrift 1938 S. 36. Aus der Verschiedenheit der Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat ergibt sich auch die Verschiedenheit der aufzuwendendenSorgfalt und damit auch der Verantwortlichkeit. Dieser Verschiedenheit trägt § 99 Rechnung, indem er die sinngemäße Anwendung des § 84 vorschreibt. Die Einschränkung der Aufgaben des Aufsichtsrats, die durch seinen Ausschluß von der Verwaltung und die Ubertragung der alleinigen Verantwortung für diese auf den Vorstand, § 70, erfolgt ist, begrenzt damit auch das Maß der aufzuwendenden Sorgfalt. Seine Haupttätigkeit ist auf die Ü b e r w a c h u n g der Geschäftsführung gerichtet, §95 Abs. 1. Daneben sind ihm aber noch andere Aufgaben übertragen, wie Bestellung und Abberufung des Vorstandes § 75, Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Arten von Geschäften, § 95 Abs. 5, Zustimmung zur Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder und leitende Angestellte, § 80, Vertretung bei Rechtsgeschäften mit dem Vorstand und Führung von Rechtsstreiten gegen diesen, § 97, Regelung der Bezüge der Vorstandsmitglieder und deren Anpassung an die Lage der Gesellschaft § 78, Mitwirkung bei Feststellung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts, §§ 125, 127, Mitwirkung bei der Festsetzung der Bedingungen der Aktienausgabe bei genehmigtem Kapital, § 171, bei Anmeldungen zum Handelsregister, vgl. z. B. §§ 176, 180, Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, § 198 Abs. i Nr. 5. Unter Umständen muß der Aufsichtsrat auch von den allgemein gegebenen Rechtsbehelfen, wie Anzeigen bei Behörden, Gebrauch machen. Er hat auch die Verpflichtung, den Vorstand vor unerlaubten Handlungen oder schädlichen Geschäften durch Vorstellungen, notfalls durch Abb e r u f u n g desselben abzuhalten. Bei der Erfüllung seiner Pflichten hat er vor allem die ihm durch das Gesetz im Anschluß an die Aktienrechtsänderung von 1931 gegebenen weiteren Kontrollmöglichkeiten und die Befugnis zur E i n b e r u f u n g e i n e r H a u p t v e r s a m m l u n g auszunützen. Wegen des Inhalts dieser Befugnisse und die damit verbundenen Verpflichtungen wird auf die Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen verwiesen. Durch eine A m t s n i e d e r l e g u n g kann sich das Aufsichtsratsmitglied nicht ohne weiteres der Verantwortlichkeit entziehen, vgl. § 87 Anm. 21 ff. Anm. 2 2. § 249 Abs. 3 HGB bestimmte, daß die Aufsichtsratsmitglieder insbesondere zum Ersätze verpflichtet sind, wenn mit i h r e m Wissen und ohne i h r E i n s c h r e i t e n die im § 241 Abs. 3 HGB (entsprechend § 84 Abs. 3 AktG) bezeichneten Handlungen vorgenommen worden sind. Diese Bestimmung unterschied sich von der für die Vorstandsmitglieder geltenden Regelung insofern, als diese der Gesellschaft, und den Gläubigern in den Fällen des Abs. 3, auch dann zum Ersätze verpflichtet waren, wenn sie nur fahrlässig gehandelt haben. Darüber hinaus bestand aber auch schon nach bisherigem Recht die Haftung gegenüber der Gesellschaft wegen Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht § 249 Abs. 1 u. 2 HGB. Durch die Vorschrift der sinngemäßen Anwendung des § 84 ist nunmehr eine einheitliche Regelung dahin erfolgt, daß die in Abs. 3 des § 84 zum Ausdruck gekommene Haftung in den dort genannten Fällen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft und den Gläubigern in gleicher Weise trifft. Aus der Ungleichheit der Aufgaben kann sich aber doch immer noch eine V e r s c h i e d e n h e i t in der Frage des Verschuldens ergeben. Entsprechend § 84 Abs. 2 Satz 2 haben die Aufsichtsratsmitglieder nachzuweisen, daß sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitgliedes angewandt haben, daß s'e also alles getan haben, um einen Schaden zu verhüten; im Falle des Abs. 3 haben sie nachzuweisen, daß sie ihre Pflichten nicht g r ö b l i c h verletzt haben. Anm. 3 3. Auf einen g e s e t z m ä ß i g e n Beschluß der H a u p t v e r s a m m l u n g können sich die Aufsichtsratsmitglieder ebenso berufen wie die Vorstandsmitglieder (ebenso v. Godin). Eine Billigung ihrer Tätigkeit oder Untätigkeit durch den Vorstand kann sie nicht entlasten. Sie haben in ihrem Amtsbereich ihre Aufgabe selbständig zu erfüllen. Sie sollen sich nicht auf den Vorstand verlassen, sondern ihn überwachen. 44*

685

§99

I. Buch: Aktiengesellschaft

Anm. 4—8 Anm. 4 4. Auch beim Aufsichtsrat ist eine Teilung d e r Aufgaben und damit eine verschiedene Gestaltung der Haftung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder möglich, insbesondere dadurch, daß A u s s c h ü s s e bestellt und ihnen besondere Aufgaben zugewiesen werden, § 9 2 Abs. 4 ; für deren Erfüllung haften die Ausschußmitglieder besonders, §92 Anm. 29. Die a l l g e m e i n e Ü b e r w a c h u n g s p f l i c h t der übrigen Aufsichtsratsmitglieder bleibt aber daneben bestehen, R G 9 3 , 338. Es gilt das §84 Anm. 21 Gesagte.

Anm. 5 5. Wie beim Vorstand kommt es auf die Pflichtverletzung des einzelnen Mitglieds an. Handeln oder Unterlassen und Verschulden müssen für jedes Mitglied des Aufsichtsrats besonders festgestellt werden (vgl. § 84 A n m . 23). Die schuldigen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haften der Gesellschaft als Gesamtschuldner. Untereinander sind sie nach dem M a ß ihrer Beteiligung und ihres Verschuldens zum Ausgleich verpflichtet (§ 84 Anm. 23). Daß die Verantwortlichkeit die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats zu gleichen Teilen treffe, weil die Aufsichtspflicht des Aufsichtsrats hinsichtlich der Verantwortlichkeit auf der gleichen Stufe wie die Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand stehe (so Schlegelberger-Quassowski 3), wird man allgemein nicht sagen können. Die stärkere Selbständigkeit, die das Aktiengesetz dem Vorstand gegeben hat, und seine größere Nähe zu den geschäftlichen Handlungen würden eher für eine stärkere Verantwortlichkeit sprechen. Es kommt aber alles auf die Umstände des Einzelfalles an.

Anm. 6 6. Der Beginn der V e r j ä h r u n g des Anspruchs gegen die Aufsichtsratsmitglieder fällt nicht immer mit dem Beginn der Verjährung gegen die Vorstandsmitglieder zusammen. Die Pflichtwidrigkeit der Vorstandsmitglieder kann beendigt sein, während die des Aufsichtsrats erst später einsetzt, wenn er es an der Aufsicht oder dem erforderlichen Einschreiten fehlen läßt. Sie kann auch fortdauern, wenn der Schaden schon eingetreten ist und es sich um dessen Wiedergutmachung handelt.

Anm. 7 7. Die Haftung der Arbeitnehmervertreter a) L i t e r a t u r : Die Erläuterungen zu § 76 in den K o m m , zum B e t r V G von Dietz Anm. 1 3 f f . , 80, Fitting-Kraegeloh 1 2 1 , 1 3 2 f r . , Galperin-Siebert 5 2 f f . ; die K o m m . z. MitbestG Kohle und Eisen von Boldt § 4 Anm. 64, Kötter § 4 Anm. 20 ff. und MüllerLehmann § 2 Anm. 64fr.; die K o m m . z. MitbestErgänzungsG (Holding-Novelle) von Boldt § 5 Anm. 23 und Kötter § 5 Anm. 2, das Lehrbuch des Arbeitsrechts von HueckNipperdey 6. Aufl. I I S. 897f.; Baumbach-Hueck K o m m . z. A k t G §86 Anm. 7 A , Schmidt-Goerdeler in Hachenburg K o m m . z. G m b H G 6. Aufl. § 52 Anh. I A n m . I 4 f . ; Schmedes, Die Rechtsstellung der nach dem B e t r V G in die Aufsichtsräte der Aktiengesellschaften entsandten Arbeitnehmervertreter, Bund-Verlag K ö l n 1956 S. 7 9 f . ; die Aufsätze von Böttcher-RdA 56, 3 6 1 ; Eiselt J Z 57, 204; Kühlewein N J W 54, 6 2 2 ; Meissinger D B 56, 688; 57, 236 und 259; Möhring M D R 5 1 , 5 1 3 ; Schilling R d A 54, 446.

Anm. 8 b) Unbestrittener Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung der Haftung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ist ihre Gleichstellung in R e c h t e n u n d Pflichten mit den übrigen Mitgliedern (vgl. § 86 Anm. 4d). Sie galt schon für die Mitglieder, die nach § 70 des Betriebsrätegesetzes vom 4. 2. 20 ( R G B l . S. 147) i. V . m. dem Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 1 5 . 2 . 2 2 ( R G B l . S. 209) dem Aufsichtsrat angehörten (vgl. den Kommentar von Dersch zu dem letztgenannten Gesetz, Erläuterungen zu § 3). Es sind also auch an die S o r g f a l t s pflicht die gleichen Anforderungen zu stellen. Mehrere Autoren meinen aber einschränkend, man dürfe die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Arbeitnehmer-

686

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schilling)

§ 99 A n m . 9, 10

Vertreter nicht überspannen. Wenn damit gesagt werden soll, daß gegebenenfalls an Mitglieder mit geringeren Fähigkeiten und Kenntnissen geringere Anforderungen zu stellen seien, so ist das abzulehnen, vgl. oben Anm. i und § 84 Anm. 9 f. Jedes Nachlassen in den Anforderungen würde eine Schwächung der Kontrollfähigkeit des Aufsichtsrats bedeuten. Das würde der Stellung, die ihm das Gesetz zugedacht hat, zuwiderlaufen. Es ist Sache der Gewerkschaften und auch der Gesellschaften selbst, Mängel an Sachkunde, die sicher in nicht wenigen Fällen vorhanden sind, zu beseitigen. Anm. 9 c) Bei Interessenkollisionen, die hier ebenso vorkommen können wie bei Aktionärvertretern, geht das Interesse des Unternehmens Sonderinteressen der Arbeitnehmer vor. So dürfen sich die Arbeitnehmervertreter nicht weigern, die Zustimmung zur Abberufung (vgl. § 13 Abs. 1 S. 3 MitbestG) eines Arbeitsdirektors bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zu geben. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn die Arbeitnehmer gegen die Gesellschaft im Streik stehen. Im Schrifttum werden die verschiedensten Meinungen vertreten. Die einen verlangen Enthaltung aktiver und passiver Teilnahme des Aufsichtsratsmitglieds am Streik (es sei denn, daß es sein Amt niederlegt), die anderen gestatten ihm beides, nur dürfe dabei die Stellung als Aufsichtsratsmitglied nicht ausgenutzt werden (Fitting-Kraegeloh). Eine Mittelmeinung geht davon aus, daß der Streik nur das Arbeitsverhältnis zum Ruhen bringe (entsprechend der h. M. im Arbeitsrecht), nicht aber das Aufsichtsratsamt, es sei daher nur passive Teilnahme (Arbeitsniederlegung) gestattet. Das OLG München ( J Z 57, 34 = BB 56, 994) hält auch das Aufsichtsratsamt der zur Belegschaft gehörenden Mitglieder für ruhend, weil dem Arbeitsverhältnis entspringend. Grundlage der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ist der Ausgleich oder die Möglichkeit des Ausgleichs der Interessen von Kapital und Arbeit im Unternehmensinteresse. Dieser Ausgleich ist während eines Streiks gestört und vorübergehend unmöglich gemacht. Damit ist auch der Mitbestimmung während der Streikdauer die Rechtsgrundlage entzogen, mit der Folge, daß das Aufsichtsratsamt aller Arbeitnehmervertreter (nicht nur der der Belegschaft angehörenden) ruht. Aber auch während des Ruhens besteht eine beschränkte Treupflicht, die die a k t i v e Teilnahme am Streik verbietet. A n m . 10 d) Die Ersatzansprüche aus §§ 84, 99 sind auch gegen die Arbeitnehmervertreter vor den ordentlichen Gerichten (§ 84 Anm. 76) geltend zu machen. Das ist allgemeine Meinung. Streitig ist die Zuständigkeitsfrage nur, wenn der Ersatzanspruch der §§ 99> 84 aus der Beteiligung der Arbeitnehmervertreter an einem Streik hergeleitet wird. Entgegen OLG München ( J Z 56, 60 m. zust. Anm. v. Hueck) nehmen Bötticher RDA 56, 361 und Fitting-Kraegeloh (§ 76 Anm. 136) in diesem Fall die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit an. Bötticher begründet dies damit, daß die behauptete pflichtwidrige Streikbeteiligung sowohl als unerlaubte Maßnahme des Arbeitskampfes wie auch als betriebsverfassungsrechtliches Delikt des Mitbest-mmungsorgans der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit unterfalle. Es ist Bötticher darin zu folgen, daß der zuständigkeitsbegründende Tatbestand nicht nur nach dem Klagvorbringen (Verletzung der Aufsichtsratspflicht), sondern auch nach der Einlassung des Beklagten (Rechtmäßigkeit des Streiks und der Beteiligung an ihm als Arbeitnehmer) zu beurteilen ist. Es ist aber zu fragen, wo der S c h w e r p u n k t dieses einheitlich zu beurteilenden Streitverhältnisses liegt. Sieht man ihn als im Gesellschaftsrecht, nicht im Arbeitsrecht liegend an (vgl. Schilling RdA 54, 441 ff.), so muß sich daraus auch die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für alle Streitfragen ergeben, die aus der Mitgliedschaft zum Aufsichtsrat fließen.

687

§100 Einl., Anm. 1

I. Buch: Aktiengesellschaft

Dritter Abschnitt Gemeinsame Vorschriften für die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats

§100 Namensangabe Auf allen Geschäftsbriefen müssen die sämtlichen Vorstandsmitglieder und der Vorsitzer des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. Der Vorsitzer des Vorstands ist besonders zu bezeichnen. Ubersicht Anm.

Anm.

Einleitung I. Angabe auf Geschäftsbriefen . II. Ausnahmen 1. Formulare 2. Behördenformblätter

. . .

1 2—5 2 3

m

3. Auslandsbriefe 4. Innerbetriebliche Mitteilun&cu Anzugebende Namen . . . .

I V . Verletzungsfolgen

4 , o 6 7

Einleitung Die auf ausländische Vorbilder, insbesondere den englischen Companies Act von 1929 section 145 zurückgehende Bestimmung ist neu in das A k t G 1937 aufgenommen worden. Der Ref.-Entw. behält sie in § 75 im wesentlichen bei. Sie will dafür sorgen, daß alle mit der A G in geschäftliche Beziehungen tretenden Personen sogleich über deren leitende Persönlichkeiten unterrichtet werden. Sie legt damit eine Bresche in die Anonymität des Aktienwesens, die sich aus der Vorherrschaft der Inhaberaktie ergibt, und schränkt sie durch die P u b l i z i t ä t d e r v e r a n t w o r t l i c h e n L e i t u n g (Vorbem. vor § 70) wesentlich ein. Eine entsprechende Bestimmung enthält § 209 für die Abwickler. In gleicher Richtung wollen die Vorschriften der §§ 128 Abs. 4 und 144 Abs. 1 über die Angabe sämtlicher Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im Geschäftsbericht und in allen Veröffentlichungen des Jahresabschlusses wirken. In der Kriegs- und Nachkriegszeit war § 100 vorübergehend suspendiert worden; vgl. § 4 Abs. 2 Handelsrecht. BerG. Anm. 1 I. Die Vorschrift begründet die Pflicht zur Angabe der Namen der sämtlichen Vorstandsmitglieder und des Vorsitzers des Aufsichtsrats auf allen Geschäftsbriefen einer inländischen A G . Sie gilt nicht für ausländische Gesellschaften, auch wenn sie im Inland durch eine Zweigniederlassung tätig sind (v. Godin-Wilhelmi Anm.). Der Begriff der „ G e s c h ä f t s b r i e f e " gibt zu erheblichen Zweifeln Anlaß. Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 teilen aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung mit, daß zunächst die Pflicht zur Namensangabe „auf allen Geschäftsbriefen, bei öffentlichen Bekanntmachungen sowie bei Anzeigen, Ankündigungen und Mitteilungen der Gesellschaft, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind" vorgesehen wurde, daß dann die Angabepflicht auf „Geschäftsbriefe und Werbeschriften" beschränkt wurde und daß schließlich, da auch diese Fassung zu weit erschien, die Namensangabe nur für Geschäftsbriefe vorgesehen wurde. Schlegelberger kommt zu dem Ergebnis, daß für Geschäftsbriefe im Gegensatz zu den der Angabepflicht nicht unterliegenden Werbeschriften der für den Empfänger persönlich bestimmte Inhalt wesentlich ist und daß unter einem Geschäftsbrief „ j e d e g e s c h ä f t l i c h e M i t t e i l u n g z u v e r s t e h e n s e i , d i e a n e i n e n b e s t i m m t e n E m p f ä n g e r g e r i c h t e t i s t " . Wenn es auch

688

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 100 A n m . 2, 3 nicht unbedenklich ist, in dieser Weise die Auslegung auf sonst nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Vorgänge bei der Entstehungsgeschichte des Aktien-Gesetzes zu stützen (s. dazu Ritter Anm. i), so ist Schlegelbergers Auslegung doch zuzustimmen, da sie mit der natürlichsten Bedeutung des Wortes Geschäftsbriefe übereinstimmt. Briefe haben im Gegensatz zu gedruckten und vervielfältigten Werbeschriften u. dergl. einen individuellen Inhalt. Ein Geschäftsbrief hat bestimmte vorgeschlagene oder bereits angebahnte Geschäfte zum Gegenstand. Es ist zwar zuzugeben, daß es gerade bei Werbeschriften, die zu Offerten an die Gesellschaft führen sollen, wünschenswert sein mag, daß der Empfänger über die leitenden Persönlichkeiten unterrichtet wird (Ritter a. a.O.). Aber Schlegelbergers Mitteilungen über die Entstehungsgeschichte der Bestimmung, die durch den Gegensatz der Formulierung zu dem Vorbild des englischen Rechts unterstützt werden, ergeben, daß der Gesetzgeber von Geschäftsbriefen in der eigentlichen Bedeutung des Wortes spricht und Werbeschriften, Geschäftsrundschreiben usw. nicht der Angabepflicht unterwerfen wollte (wie hier auch Baumbach-Hueck Anm. i; a.A. Teichmann-Köhler Anm. i). Hiernach fällt ein persönliches Werbeschreiben, mit dem die AG individuell für sich bei einem Dritten wirbt, als Geschäftsbrief unter den Angabezwang (vgl. auch Anm. 2 am Ende). Dagegen sind hiernach Rechnungen und Quittungen nicht zu den Geschäftsbriefen zu rechnen, sofern nicht ihr sonstiger Inhalt sie als Briefe erscheinen läßt (a. A. Ritter a.a.O.; Teichmann-Köhler a.a.O.). Die bloße Angabe der Zahlungszeit, eines evtl. Skonto bei früherer Zahlung und die Gerichtsstandsklausel macht die Rechnung nicht zu einem Brief (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4, 5). Es ist dann aber auch nicht einzusehen, warum der Abdruck von Lieferungsbedingungen aus bloßen Rechnungen Geschäftsbriefe machen soll (a.A. Schlegelberger-Quassowski a.a.O.); denn gerade die Lieferungsbedingungen haben doch keinen individuellen Charakter. Nur wenn die Rechnung Angaben über besondere Vereinbarungen enthält, die man normalerweise nicht oder nicht erst in der Rechnung vorzufinden erwartet, wird die Rechnung zu einem Geschäftsbrief. Im Gegensatz zu Rechnungen und Quittungen sind Bestätigungen aller Art als Geschäftsbriefe anzusehen. Die äußere Form der Mitteilung ist belanglos. Auch Postkarten sind Briefe im Sinne der Vorschrift (SchlegelbergerQuassowski Anm. 3). Im Hinblick auf die Unsicherheit bei der Auslegung des Begriffs der Geschäftsbriefe ist die Namensangabe auch bei Mitteilungen zu empfehlen, die nach der obigen Begriffsbestimmung nicht als Geschäftsbriefe anzusehen sind. Anm. 2 II. 1. Befreiungen von der Pflicht zur Namensangabe enthält § 19 der 1. DurchfVO. Danach besteht zunächst die Pflicht nicht bei Mitteilungen, die i m Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Formblätter derart verwendet werden, daß lediglich die auf den einzelnen Geschäftsvorfall sich beziehenden besonderen Angaben (Art der Leistung, Warengattung, Stückzahl, Preis oder Gegenwert, Lieferungszeit u. dergl.) noch in den textlichen Vordruck eingefügt werden. Das wichtigste dieser Erfordernisse ist die handelsübliche Verwendung von Formblättern; diese müssen bis auf die sich auf den einzelnen Vorfall beziehenden Angaben vollständig sein. Von geringer Bedeutung ist das Erfordernis, daß die Mitteilung im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen muß. Der Begriff der bestehenden Geschäftsverbindung ist weit auszulegen. Es genügt, daß die Parteien irgendwie miteinander in Verbindung getreten sind. Nach Schlegelberger-Quassowski DurchfVO § 19 Anm. 4 genügt es sogar, daß nur der Dritte an die Gesellschaft wegen eines bestimmten Geschäfts herangetreten ist; daher ist nach Schlegelberger das Erfordernis der bestehenden Geschäftsverbindung nur bei einem ersten Herantreten der Gesellschaft an den Empfänger nicht gegeben. Anm. 3 2. Ferner ist nach 1. DurchfVO § 19 die Namensangabe nicht erforderlich bei regelmäßigen Berichten an Behörden und andere Stellen, die üblicherweise unter Verwendung von Formblättern erstattet werden. Aus dieser Bestimmung ist 689

§ 100 A n m . 4—7 §101

I. Buch: Aktiengesellschaft

zunächst zu schließen, daß Mitteilungen an Behörden und andere Stellen grundsätzlich der Namensangabepflicht unterliegen, woran auf Grund des bloßen Wortlautes des Gesetzes, das einfach von Geschäftsbriefen spricht, Zweifel bestehen könnten. Die „andern Stellen" müssen einen gewissen amtlichen Charakter haben. Zu Zweifeln kann der Begriff der r e g e l m ä ß i g e n B e r i c h t e Anlaß geben. Nach SchlegelbergerQuassowski a. a. O. Anm. 6 ist nicht unbedingt eine zeitliche Regelmäßigkeit zu fordern. Gemeint dürfte sein, daß es sich um Berichte handelt, die auf Grund einer allgemeinen Vorschrift oder Vereinbarung zu erstatten sind. Freiwillige Eingaben sind keine Berichte im Sinne der Vorschrift. Anm. 4 3. DurchfVO § 19 Abs. 2 nimmt von der Angabepflicht Geschäftsbriefe aus, die an E m p f ä n g e r i m A u s l a n d gerichtet sind. Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Bestimmung äußert Ritter § 100 Anm. 3. Nach EG § 32 war der Reichsminister der Justiz ermächtigt, zum Aktiengesetz ergänzende Vorschriften zu erlassen; hier aber ist das Gesetz nicht ergänzt, sondern teilweise aufgehoben worden. Der Ref.-Entw. übernimmt daher diese Einschränkung nicht (vgl. § 75), die in der Praxis wohl auch kaum eine Bedeutung hat. Anm. 5 4. Dem Zweck der Bestimmung gemäß können Geschäftsbriefe n u r M i t t e i l u n g e n an D r i t t e sein. Im internen Verkehr der Gesellschaft und ihrer Zweigniederlassungen besteht die Verpflichtung zur Namensangabe nicht. Mitteilungen an rechtlich selbständige Konzernunternehmen fallen aber unter die Bestimmung (SchlegelbergerQuassowski Anm. 3). Anm. 6 III. Anzugeben ist j e d e s V o r s t a n d s m i t g l i e d u n d der V o r s i t z e r des A u f sichtsrats. Der Vorsitzer des Vorstands ist besonders zu bezeichnen (Satz 2), auch wenn ihm nicht die Entscheidungsbefugnis im Sinne des § 70 Abs. 2 S. 2 zusteht. Der stellvertretende Vorsitzer des Aufsichtsrats braucht nicht genannt zu werden. Erforderlich ist die A n g a b e des F a m i l i e n n a m e n s u n d m i n d e s t e n s eines a u s g e s c h r i e b e n e n V o r n a m e n s . Weitere Vornamen brauchen auch nicht mit ihren Anfangsbuchstaben angegeben zu werden. Angabe der Anschrift ist nicht erforderlich. Anm. 7 IV. Die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Bestimmung ist mit Geldstrafe bedroht. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag der amtlichen Vertretung des Handelsstandes, also der Industrie- und Handelskammer, ein. Die Strafbarkeit trifft nicht nur die Vorstandsmitglieder und den Vorsitzer des Aufsichtsrats; deren Namen dem Gesetz zuwider nicht angegeben sind, sondern alle Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats, die es unterlassen, für die Namensangabe zu sorgen (§301). § 100 ist keine Formvorschrift im Sinne des bürgerlichen Rechts (§§ 125, 126); eine Verletzung hat also keine Nichtigkeitsfolgen (v. Godin-Wilhelmi, Anm.; Teichmann-Köhler Anm. 2).

§101 Handeln zum Schaden der Gesellschaft zwecks Erlangung gesellschaftsfremder Vorteile (1) Wer zu dem Zwecke, für sich oder einen anderen gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen, vorsätzlich unter Ausnutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, ist zum E r s a t z des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Neben ihm haften als Gesamtschuldner die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten (§§ 84, 9 9 )

690

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 101

Einl., Anm. 1 gehandelt haben. Sollte der gesellschaftsfremde Sondervorteil für einen anderen erreicht werden, so haftet auch dieser als Gesamtschuldner, wenn er die Beeinflussung vorsätzlich veranlaßt hat. (3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Einfluß benutzt wird, um einen Vorteil zu erlangen, der schutzwürdigen Belangen dient. (4) Für die Aufhebung der Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft gilt sinngemäß § 84 Abs. 4 Satz 3 und 4. (5) Die Ersatzpflicht besteht auch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft nicht aufgehoben. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gläubiger aus. (6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. (7) Diese Vorschriften gelten nicht, wenn gesellschaftsfremde Sondervorteile durch Stimmrechtsausübung verfolgt werden. Ubersicht

Anm. Einleitung I. 1. 2. 3. 4.

Täterkreis nach Abs. 1 Vorsatz Einflußnahme auf die A G Ausnutzung dieses Einflusses 5. zwecks Erlangung gesellschaftsfremder Sondervorteile

I I . Ausnahme bei Stimmrechtsausübung I I I . Zweck

der

1 2

3

4 5 g

Beeinflussung

7

I V . Ausnahme bei Wahrnehmung schutzwürdiger Belange (Abs. 3)

8

Anm.

V . i . Schadensersatzpflicht . 9 2. Haftung von Empfänger und Verwaltungsmitgliedern (Abs. 2) . . . 1 0 — 1 1 3. Aufhebung der Ersatzpflicht (Abs. 4) . . . . 12 V I . Ersatzpflicht gegenüber Gesellschaftsgläubigern . . . 1 3 — 1 4 V I I . Verjährung V I I I . Keine Spezialvorschrift zu § 826 B G B I X . Reform

15 16 17

Einleitung Die Bestimmung ist neu in das Aktiengesetz 1937 eingefügt worden. Sie richtet sich gegen einen Mißbrauch des Einflusses Dritter auf Mitglieder der Verwaltungsorgane. Sie will Fälle treffen, in denen trotz eines solchen Mißbrauchs eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 B G B nicht vorliegt. Freilich werden die Fälle selten sein, in denen der Tatbestand des § 1 0 1 erfüllt ist, während es an einem Verstoß gegen B G B § 826 fehlt. Die Bestimmung hat besondere Bedeutung im Konzernrecht und f ü r Gesellschaften, die von einem Großaktionär beherrscht werden, also f ü r Fälle, in denen die Konzernspitze oder der Großaktionär bereits verfassungsmäßig Einfluß auf die Verwaltung der Gesellschaft hat.

Anm. 1 I. 1. Nach Abs. 1 ist schadensersatzpflichtig, wer zu bestimmtem Zweck und in bestimmter Weise ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats dazu

bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln.

Die Vorschrift richtet sich nicht gegen bestimmte Gruppen von Personen. Der Täter kann ein Aktionär oder ein beliebiger Dritter sein (vgl. aber Anm. 3). Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß ein Mitglied der Verwaltungsorgane die Handlung begeht (v. Godin-

691

§101

Anm. 2, 3

I. Buch: Aktiengesellschaft

Wilhelmi Anm. i ; Ritter Anm. 2). Dabei ist eine Haftung der Mitglieder der Verwaltung nicht schon wegen der bereits bestehenden Haftung für fahrlässige Sorgfaltsverletzung (§§ 84, 99) bedeutungslos (so die Vorauflage), da § 101 jedem geschädigten Aktionär einen direkten Anspruch gegen den Schädiger gibt (s. Anm. 9), während Ansprüche aus den §§ 84, gg nur von der Gesellschaft und gegebenenfalls auf Verlangen einer 10 %-Minderheit des Grundkapitals geltend gemacht werden können (s. Mestmäcker, S. 251 f.). Es muß diejenige Person, die der Täter zum Handeln zum Nachteil der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre bestimmt, ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sein. Wer andere Personen, z. B. Angestellte oder Aktionäre, dazu bestimmt, zum Nachteil der Gesellschaft zu handeln, kann nur auf Grund anderer Bestimmungen, namentlich auf Grund von § 826 oder § 823 Abs. 2 BGB oder §§ 1, 12, 17 U W G schadensersatzpflichtig werden. Das von dem Täter bestimmte Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats muß zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre handeln (vgl. § 294 Anm. 1 3 f f ) . Es genügt jede Handlungsweise, die objektiv geeignet ist, der Gesellschaft oder ihren Aktionären einen Schaden zuzufügen. Nicht erforderlich ist, daß das Verwaltungsmitglied die Handlung, vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt (Schlegelberger-Quassowski Anm. 4). Dies ergibt sich aus Abs. 2, nach dem das Verwaltungsmitglied mit dem Täter als Gesamtschuldner haftet, wenn es unter Verletzung seiner Sorgfaltspflicht gehandelt hat. Fehlt es hieran, handelt also das Verwaltungsmitglied schuldlos, so haftet der Täter allein. Bestimmen ist gleichbedeutend mit veranlassen oder anstiften; die Ausübung eines Zwanges oder Druckes ist nicht erforderlich. Nur muß die Bestimmung unter Ausnutzung des Einflusses auf die Gesellschaft erfolgt sein (s. Anm. 3). Anm. 2 2. Hingegen muß der Täter selbst vorsätzlich gehandelt haben. Er muß sich also dessen bewußt gewesen sein, daß das Verwaltungsmitglied zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre handelt. Bedingter Vorsatz genügt. Dagegen braucht sich der Vorsatz des Täters nicht auf den eingetretenen Schaden selbst zu beziehender haftet bereits, wenn er sich dessen bewußt war, daß die Handlung des Verwaltungsmitglieds zur Schädigung der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre g e e i g n e t ist (s. Anm. 1). Anm. 3 3. Der Täter muß das Verwaltungsmitglied unter Ausnutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft zum Handeln bestimmt haben. Ein solcher Einfluß kann auf Aktienbesitz beruhen, braucht es aber nicht (vgl. Abs. 7 und Anm. 6); er kann sich auch aus einer wirtschaftlichen und geschäftlichen Abhängigkeit der Gesellschaft (Machtstellung eines Kreditgebers oder Lieferanten) oder aus einer allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Machtstellung ergeben. Das Gesetz spricht nur von einem Einfluß auf die G e s e l l s c h a f t , dagegen nicht von einem persönlichen Einfluß auf das Verwaltungsmitglied. Die Meinung, daß trotz des Gesetzeswortlauts auch eine Ausnutzung des rein persönlichen Einflusses auf das Verwaltungsmitglied genügt, ließe sich zur Not damit begründen, daß jeder Einfluß auf ein Verwaltungsmitglied mittelbar ein Einfluß auf die Gesellschaft sei. Vielfach scheint man es als selbstverständlich vorauszusetzen, daß die Ausnutzung eines persönlichen Einflusses genügt (vgl. Baumbach-Hueck Anm. 2 B; Ritter Anm. 2c; Teichmann-Koehler Anm. 2 b ; v.GodinWilhelmi Anm. 4). Es ist aber kaum anzunehmen, daß dies vom Gesetzgeber gewollt war. Es hätte für den Gesetzgeber gewiß nahe gelegen, einfach zu sagen, „unter Ausnutzung seines Einflusses". Wenn er hinzufügte „auf die Gesellschaft", so kann es nur seine Absicht gewesen sein, den Anwendungsbereich der Bestimmung zu begrenzen. Die Bestimmung richtet sich nach ihrer Entstehungsgeschichte (vgl. Amtliche Begründung; Schlegelberger-Quassowski Anm. 1, 3; Ritter Anm. 2) gegen die Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung. Daraus erklärt sich zwanglos die Beschränkung auf den Fall, daß der Täter seinen Einfluß auf die Gesellschaft ausnutzt. Das Ausnutzen des Einflusses auf die Gesellschaft besteht in der Bestimmung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu gesellschaftsschädigendem Handeln. Ob auf Grund wirtschaftlicher oder sonstiger — etwa politischer — Machtstellung und ob der Einfluß

692

4- Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 101

A o m . 4, 5

unmittelbar oder mittelbar ausgeübt wird, macht keinen Unterschied. Doch muß der Anwendungsbereich dieser Vorschrift, will man ihn nicht ins uferlose ausdehnen (s. auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 4) dort aufhören, wo rein persönliche Beziehungen zwischen dem Schädigenden und einem Verwaltungsmitglied oder Angestellten der A G in Betracht kommen. Liegt nur eine Ausnutzung eines persönlichen Einflusses auf das Verwaltungsmitglied vor, so ist die Schadensersatzpflicht lediglich nach den allgemeinen Bestimmungen über die unerlaubten Handlungen zu beurteilen (anscheinend ebenso Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ; weitergehend Baumbach-Hueck Anm. 2 B).

Anm. 4 4. Der Täter muß seinen Einfluß auf die Gesellschaft a u s g e n u t z t haben. Nach Schlegelberger-Quassowski Anm. 3 ist der Ausdruck „Ausnutzung" statt des schwächeren „Benutzung" und des stärkeren „ M i ß b r a u c h " gewählt und soll damit zum Ausdruck gebracht sein, daß eine nicht einwandfreie, wenn auch nicht notwendig sittenwidrige Handlung vorliegen muß. Nicht mit Unrecht weist Ritter Anm. 2 c darauf hin, daß der Abs. 3 sich offenbar im gleichen Sinne des Ausdrucks „benutzen" bedient und daß es genügen müsse, daß man vorsätzlich und eigennützig gehandelt hat. Die Meinungsverschiedenheit dürfte aber der praktischen Bedeutung entbehren, da es kaum denkbar ist, daß man in einwandfreier Weise seinen Einfluß auf die Gesellschaft zum Zweck der Erlangung von Sondervorteilen und zum Schaden der Gesellschaft benutzen kann. Die Handlungsweise muß die Beziehung zu der Machtstellung des Täters erkennen lassen. Unter Umständen kann sie sich schon aus dem Inhalt des angebotenen Geschäfts ergeben, wenn dieses nämlich so beschaffen ist, daß bei Unabhängigkeit der Gesellschaft gegenüber dem Offerenten eine Annahme nicht zu erwarten wäre. Nicht notwendig ist hingegen eine offene oder versteckte Drohung mit Nachteilen f ü r die Gesellschaft selbst. V o n dem Einfluß auf die Gesellschaft kann auch dem Verwaltungsmitglied persönlich ein Nachteil drohen, z. B. der Widerruf der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied, die Verweigerung der Neuwahl, die Erhebung von Ersatzansprüchen. Auch ein solches Handeln fällt im Gegensatz zu der Ausnutzung eines rein persönlichen Einflusses unter die Bestimmung.

Anm. 5 5. Die Beeinflussung muß zu dem Zweck, f ü r sich oder einen anderen gesell-

s c h a f t s f r e m d e S o n d e r v o r t e i l e z u e r l a n g e n , geschehen sein. Schwierigkeiten bereitet die Auslegung des Begriffs der g e s e l l s c h a f t s f r e m d e n S o n d e r v o r t e i l e . M a n nimmt an, daß Sondervorteile „ungewöhnliche Vorteile" (Schlegelberger-Quassowski A n m . 2), „Vorteile, die nicht gleichmäßig allen denen zugute kommen, die in denselben Beziehungen zur Gesellschaft stehen, wie derjenige, der bevorteilt werden soll" (Ritter Anm. 2 b) sind und daß gesellschaftsfremd ein Vorteil ist, „ d e r abseits der G e sellschaftssphäre liegt" (Schlegelberger-Quassowski a . a . O . ) , der „nicht auch der Gesellschaft zugute kommt" (Ritter a . a . O . ) . A m besten wird man den Begriff der gesellschaftsfremden Sondervorteile im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift bestimmen: es sind einem Einzelnen eingeräumte Vorteile, die in ihrer Art und in ihrem U m f a n g nicht bewilligt werden würden, wenn nicht die Organe der Gesellschaft einer dem Interesse der Gesellschaft zuwiderlaufenden Beeinflussung unterliegen würden (ähnlich auch v. Godin-Wilhelmi Anm. 3). Darunter fällt der Erwerb eines Gegenstandes unter seinem Wert, der Abschluß von Geschäften zu ungünstigeren Bedingungen, als es der Marktlage entspricht, die Gewährung eines Postens an eine f ü r den Posten ungeeignete Person, die Gewährung eines unverhältnismäßig hohen Gehalts oder einer unverhältnismäßig hohen Vergütung für eine Dienstleistung, die Gewährung von Sicherungen, die andern in gleicher L a g e befindlichen Gläubigern verweigert werden usw. Danach ist auch zu beurteilen, ob ein für ein demselben Konzern wie die A G angehörendes Unternehmen erstrebter Vorteil ein gesellschaftsfremder Sondervorteil ist. Es sind stets alle Umstände des einzelnen Falls zu berücksichtigen (s. auch TeichmannKöhler 2f.). Die Beschaffenheit des Vorteils ist unerheblich; auch eine Verstärkung des Einflusses gegenüber der Gesellschaft oder einer sonstigen wirtschaftlichen Machtstellung kann einen Sondervorteil darstellen (Schlegelberger-Quassowski A n m . 2).

693

§101

I. Buch: Aktiengesellschaft

A n m . 6—8

Anm. 6 II. Dagegen schreibt Abs. 7 ausdrücklich vor, daß d i e V o r s c h r i f t n i c h t g i l t ,

wenn gesellschaftsfremde Sondervorteile durch Stimmrechtsausübung v e r -

f o l g t w e r d e n . Die Bestimmung durch einen Hauptversammlungsbeschluß kommt also nicht in Betracht. Dagegen kann eine die Schadensersatzpflicht begründende Ausnutzung des Einflusses vorliegen, wenn ein Großaktionär Vorstandsmitglieder dazu bestimmt, in einer Frage der Geschäftsführung gemäß § 103 Abs. 2 einen Beschluß der Hauptversammlung herbeizuführen, auf der er seine Machtstellung als Großaktionär in die Waagschale zu werfen fähig ist. Auch ohne daß der so herbeigeführte Beschluß der Hauptversammlung gemäß § 197 Abs. 2 angefochten wird, ist die Haftung des Großaktionärs begründet. Etwas anderes als eine bloße Stimmrechtsausübung ist auch eine Drohung mit der Ausübung des Stimmrechts in einem bestimmten Sinne. Eine solche Drohung stellt gerade einen besonders klaren Fall der Ausnutzung des Einflusses auf die Gesellschaft im Sinne des Abs. 1 dar. Durch die Regelung des Abs. 7 wird auch § 826 B G B n i c h t ausgeschlossen (Anm. 16). Z w a r soll durch diese Vorschrift die Ausübung des Stimmrechts grundsätzlich keine Haftung begründen (s. die amtliche Begründung) — selbst wenn nicht schutzwürdige, weil gesellschaftsfremde Belange verfolgt werden — , doch können besonders kraß liegende Fälle sittenwidrig-vorsätzlicher Stimmrechtsausübung nicht von jeder Haftung freigestellt werden (s. auch Pleyer, Die A k t G 1959, 39f.). Der Ref.Entw. (§ 1 1 0 Abs. 7) übernimmt im wesentlichen die Regelung des Abs. 7 und dehnt sie auf Weisungen aus, die im R a h m e n eines sog. Unternehmensvertrages (E § 270) erteilt werden.

Anm. 7 I I I . Die Erlangung der gesellschaftsfremden Sondervorteile muß der Z w e c k der Beeinflussung sein. Die Erlangung des Vorteils muß also die den Täter leitende Absicht sein; bloßer Vorsatz genügt in dieser Hinsicht nicht. Dagegen ist es nicht notwendig, daß der Täter seinen Zweck erreicht, oder auch nur, daß die Handlung zur Erreichung des Zwecks geeignet war (Baumbach-Hueck Anm. 2 A ; Ritter Anm. 2 a).

Anm. 8 IV. Die Schadensersatzpflicht t r i t t nicht ein, wenn der Einfluß benutzt w i r d , u m einen Vorteil zu erlangen, der schutzwürdigen Belangen dient (Abs. 3).

Nach der Amtlichen Begründung nimmt diese Bestimmung darauf Rücksicht, daß weder von einem Aktionär noch von einem Dritten verlangt werden kann, daß er seine berechtigten Belange zurückstellt und allein auf das Gesellschaftswohl bedacht ist, und soll die Bestimmung der Rechtsprechung die Möglichkeit geben, Interessenkonflikte gegeneinander abzuwägen. I m allgemeinen sind schutzwürdige Belange, die es gestatten, einen Einfluß auf die Gesellschaft zu benutzen, um ein Verwaltungsmitglied zu einem der Gesellschaft oder ihren Aktionären schädlichen Verlangen zu bestimmen, schwer vorstellbar (vgl. Ritter Anm. 5 und Pleyer, Die A k t G 1959, 3gf. m. w. N . ) ; daß der von seinem Einfluß Gebrauch machende Aktionär oder Dritte allein auf das Gesellschaftswohl bedacht ist, verlangt Abs. 1 nicht. I m Anschluß an eine entsprechende Bemerkung in der amtlichen Begründung wird nicht selten die Meinung vertreten, daß zu den schutzwürdigen Belangen im Sinne des Abs. 3 das K o n z e r n i n t e r e s s e zu zählen sei, mit anderen Worten, daß das Interesse des Gesamtkonzerns, das Konzernwohl, den Interessen der einzelnen Konzernglieder grundsätzlich vorangehe, jedenfalls soweit es sich um eine vom Konzern aus gesehen wirtschaftlich vernünftige Maßnahme handelt (so die Vorauf!.; s. auch SchlegelbergerQuassowski Anm. 9; Baumbach-Hueck Anm. 4; Teichmann-Köhler Anm. 2 g ; Friedländer, Konzernrecht, 2. Aufl. S. 1 3 7 ; Küster, Inhalt und Grenzen der Rechte der Gesellschafter, 1954, 94f.). Dem kann nicht gefolgt werden. Richtig ist die schon bei v. Godin-Wilhelmi Anm. 6 (s. auch Ritter Anm. 2 b ; Filbinger, Die Schranken der Mehrheitsherrschaft, 1942, S. 62 ff.; Duden BB 1957, 1232) vertretene Ansicht, d a ß es bei Vorhandensein freier Aktionäre und konzernfreier Gläubiger keine schutzwürdigen Belange der Obergesellschaft oder eines Großaktionärs gibt, die es rechtfertigen könnten, diese Außenstehenden zu schädigen. Damit ist klargestellt, daß direkte und

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4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut)

§ 101 Anm. 9

indirekte Maßnahmen der Konzernleitung, die in Vermögenswerte Rechte freier Aktionäre oder Gläubiger einer konzernabhängigen Gesellschaft eingreifen, nur dann als schutzwürdig im Sinne des Abs. 3 angesehen werden können, wenn ein angemessener Ausgleich gewährt wird (s. dazu Rasch, S. i o i f . ; Mestmäcker, S. 276f.; Pleyer, Die AktG 1959, 40) oder wenn ein Nachteilsausgleich in Vorteilen, die die Konzernzugehörigkeit mit sich bringt, gegeben ist (Schmidt in Beiträge zur Aktienrechtsreform „Die Verfassung der A G " , Seite 55). Alle Herrschaftsmacht, auch einer Majorität, findet da ihre Grenze, wo sie, ohne einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, in die Rechte einer Minderheit eingreift (vgl. auch § 12 UmwG) — s. Schilling J Z 1957, 530. Wo die Grenze zwischen mißbräuchlicher und damit zum Schadensersatz verpflichtender Ausübung von Konzernmacht und vernünftiger, vertretbarer, auch die Interessen außenstehender Aktionäre angemessen wahrender Geschäftspolitik im Rahmen eines Konzerns liegt, wird nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden können. Hinweise hierzu sind bereits in Anm. 7c zu § 15 gebracht: die Richtschnur bildet der die gesamte Rechtsordnung beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben; dem hat sich ein die A G beherrschender Großaktionär genauso unterzuordnen wie eine das Gesamtkonzerninteresse primär wahrende Obergesellschaft (s. auch Schilling in Hachenburg Anm. 26 zu § 14). Dabei kann aber nicht, etwa bei der Beurteilung von Geschäften zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, allein auf Einzeltatbestände abgestellt werden, etwa die Tatsache, daß der konzerninterne Verrechnungspreis nicht dem Marktpreis entspreche und somit die Tochtergesellschaft im Sinne von § 1 0 1 Abs. 1 geschädigt werde. Was steuerlich verdeckte Gewinnausschüttung ist (§ 19 KStDVO), braucht noch nicht unbedingt zu einer Schädigung der freien Aktionäre zu führen. Ebenso ist in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung sich als — unwirksame — verbotene Rückgewähr von Einlagen (§§ 52, 54) darstellt (dazu im einzelnen Anm. 4ff. zu § 52), da hierbei eine vorsätzliche Ausnutzung zur Erlangung von Sondervorteilen nicht vorzuliegen braucht (s. aber Mestmäcker S. 239). Vielmehr müssen bei der notwendigen Interessenabwägung auch die Vorteile, die der konzernabhängigen Gesellschaft aus der Konzernzugehörigkeit erwachsen, in Betracht gezogen werden, die in der Investitionspolitik, der Zurverfügungstellung von Märkten und vielem anderen liegen können (Schmidt a.a.O. Seite 55, 56). Führt mißbräuchliche Ausübung von Konzernmacht zu einer Schädigung von Gesellschaftsgläubigern, so steht diesen (außer den Rechten aus Abs. 5) der Durchgriff auf die Obergesellschaft offen (dazu Anm. 8 a zu § 1). Anm. 9 V. 1. Unter den genannten Voraussetzungen ist der Täter z u m E r s a t z d e s d a r a u s entstehenden S c h a d e n s verpflichtet. Aus dem Zusammenhang des Satzes ergibt sich, daß die Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären besteht, zu deren Nachteil das beeinflußte Verwaltungsmitglied handelt. Der Vorsatz des Täters braucht nicht den Schaden selbst zu umfassen, sondern nur die Eignung der Handlung, der Gesellschaft oder ihren Aktionären Schaden zuzufügen (Anm. 2). Für die Ersatzpflicht genügt der adäquate Zusammenhang mit dem Handeln des Verwaltungsmitglieds zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre. Die Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Aktionären ist gleichzeitig gegeben. Es ist möglich, daß nur die Aktionäre, aber nicht die Gesellschaft geschädigt sind, z. B. in folgendem Fall: ein Großaktionär bestimmt in der Absicht, die Kleinaktionäre auszuhungern und ihre Aktien billig aufzukaufen, Vorstand und Aufsichtsrat zu einer Festsetzung des Jahresabschlusses, die eine Zahlung einer Dividende an die Aktionäre verhindert, obwohl Dividende bei einer nur von sachlichen Gesichtspunkten geleiteten Feststellung des Jahresabschlusses auszuschüten wäre. Meist aber wird der Schaden der Aktionäre lediglich in der Entwertung der Aktien bestehen, die die Folge der der Gesellschaft entstehenden Nachteile ist. Können in diesem Falle die Aktionäre neben der Gesellschaft, die den Ersatz des ihr entstandenen Schadens verlangt, Ersatz des ihnen durch die Wertminderung der Aktien entstehenden Schadens verlangen? Dies wird von Schlegelberger-Quassowski Anm. 6 grundsätzlich bejaht,

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§101 Anm. 10—14

I. Buch: Aktiengesellschaft

jedoch mit der Einschränkung, daß durch den Ersatz des der Gesellschaft entstandenen Schadens der Schaden der Aktionäre wegfällt. Die Ersatzleistung an die Gesellschaft muß bewirkt sein; das bloße Bestehen des Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft gegen den Ersatzpflichtigen schließt den Ersatzanspruch des Aktionärs nur aus, wenn der Ersatzanspruch der Gesellschaft vollwertig ist und die Entwertung der Aktien ausgleicht. In diesem Sinn regelt auch der Referentenentwurf § 1 1 0 Abs. i Satz 2 die Konkurrenz der Ersatzansprüche der Gesellschaft und der Aktionäre (unten Anm. 17). Anm. 10 2. Sollte der gesellschaftsfremde Sondervorteil für einen andern erreicht werden, so haftet auch dieser als Gesamtschuldner, wenn er die Beeinflussung vorsätzlich veranlaßt hat (Abs. 2 S. 2), also etwa ein Großaktionär, der Vorstandsmitglieder einer Konzerngesellschaft bestimmt, zugunsten des Großaktionärs gesellschaftsfremde Sondervorteile bei einer Tochtergesellschaft unter Schädigung der freien Aktionäre zu erlangen. Der Vorsatz des Empfängers muß sich auch darauf beziehen, daß die Bestimmung des Verwaltungsmitglieds unter Ausnutzung des Einflusses des Bestimmenden auf die Gesellschaft erfolgte; dolus eventualis genügt auch hier. Nicht notwendig dürfte es sein, daß sich der Empfänger bewußt war, daß der Täter die Beeinflussung zu dem Zweck vornahm, ihm einen gesellschaftsfremden Sondervorteil zu verschaffen. Anm. 11 Neben dem Täter haften die Verwaltungsmitglieder als Gesamtschuldner, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten (§§ 84, 99) gehandelt haben (Abs. 2 S. 1). Diese Bestimmung enthält keine Erweiterung der allgemeinen Haftung der Verwaltungsmitglieder, sondern stellt nur klar, daß zwischen ihnen und dem nach § 1 0 1 Ersatzpflichtigen ein Gesamtschuldverhältnis besteht. Dies würde sich nicht ohne weiteres von selbst verstehen, da die Haftung aus § 101 im Gegensatz zu der allgemeinen Haftung der Verwaltungsmitglieder deliktischer Natur ist. Dem Abs. 2 kommt gerade auch bei Haftungsfällen im Konzernbereich Bedeutung zu: geschädigte freie Aktionäre und Gläubiger einer konzernabhängigen Gesellschaft können außer der Konzernspitze oder dem Großaktionär auch einzelne oder alle pflichtwidrig handelnden Verwaltungsmitglieder auf Schadensersatz belangen (vgl. Anm. 7 a zu § 15). Anm. 12 3. F ü r die Aufhebung der Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft gilt sinngemäß § 84 Abs. 4 Satz 3 und 4 (Abs. 4). Siehe dazu § 84 Anm. 37. Die einzelnen geschädigten Aktionäre können über ihren Ersatzanspruch frei verfügen. Anm. 13 VI. Die Ersatzpflicht besteht auch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können (Abs. 5 S. 1). Die entsprechende Bestimmung des §84 Abs. 5 S. 1 lautet: „Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit " . Es dürfte auch im § 101 nicht gemeint sein, daß die Gläubiger selbständige Ersatzansprüche haben; sie können nur den Ersatzanspruch der Gesellschaft geltend machen. Andernfalls läge kein Grund zu der Bestimmung des Satz 2 vor (vgl. Ritter Anm. 5). Dafür spricht auch, daß in Satz 3 — wie in § 84 Abs. 5 S. 4 — der Ausdruck „das Recht der Gläubiger" und nicht „die Rechte der Gläubiger" gebraucht wird. A n m . 14 Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft nicht aufgehoben. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Konkursverwalter das Recht der Gläubiger aus (Abs. 5 S. 2, 3). Entsprechende Bestimmungen enthält § 84 Abs. 5 S. 3, 4. Siehe § 84 Anm. 51, 53, 54. 696

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt—Meyer-Landrut) § 101 Anm. 15—17 Anm. 15 VII. Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in 5 Jahren (Abs. 6). Trotz der verschiedenen Rechtsnatur der in den beiden Bestimmungen geregelten Ansprüche ist die Verjährungsfrist die gleiche wie für die Ansprüche gegen die Verwaltungsmitglieder (§ 84 Abs. 6). Siehe § 84 Anm. 55 fr. Anm. 16 VIII. § 101 ist nicht eine Spezialbestimmung gegenüber § 826 BGB. Sie verlangt nicht eine sittenwidrige Handlungsweise (vgl. aber auch oben Einleitung). Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Voraussetzungen des §101 gegeben sind, aber eine Verletzung des § 826 BGB nicht vorliegt. Die Ansprüche aus §101 und aus BGB § 826 können daher nebeneinander bestehen (Schlegelberger-Quassowski Anm. 1; v. Godin-Wilhelmi I; Baumbach-Hueck Anm. 1; Teichmann-Köhler Anm. 1; a. A. Ritter Anm. 10; Dietrich JW 1937, 659). Die Frage kann namentlich im Hinblick auf die verschiedene Verjährungsfrist von Bedeutung werden. Aus Abs. 7, der die Anwendung der Bestimmung ausschließt, wenn gesellschaftsfremde Sondervorteile durch Stimmrechtsausübung verfolgt werden (s. Anm. 6), kann keinesfalls geschlossen werden, daß in der Stimmrechtsausübung nicht eine nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtende Handlung liegen kann (ebenso auch Ritter a.a.O.; Baumbach-Hueck Anm. 7; TeichmannKöhler Anm. 5; a. A. Dietrich a.a.O.; v.Godin-Wilhelmi Anm. 11). Anm. 17 IX. Reform. Die Kritik an der Regelung des geltenden Rechts konzentriert sich vornehmlich auf die Vorschrift des Abs. 3 in ihren Auswirkungen auf das Konzernrecht (vgl. Anm. 8). Die Studienkommission des Deutschen Juristentages hat sich diese Kritik zu eigen gemacht und vorgeschlagen, die Konzernleitung einer den §§ 84, 99 entsprechenden Haftung zu unterwerfen (StDJT S. 54f.). Dem hat sich auch die Denkschrift des Bundesverbandes des privaten Bankgewerbes zur Reform des Aktienrechts angeschlossen (S. 49); s. auch Rasch, Gutachten zu den Verhandlungen des 42. DJT, S. 41 und kritisch Mestmäcker S. 280 fr. Den weitergehenden Vorschlag von C. E. Fischer, AcP Bd. 154, 238f., den Abs. 3 zu streichen, hat sich der Ref.Entw. (E § 110) zu eigen gemacht (vgl. Franta Betr. 1958, i349f. u. Pleyer, Die AktG 1959, 39ff.), der eine Anwendung dieser Vorschrift nur ausschließen will, wenn die schädigenden Maßnahmen auf einem Hauptversammlungsbeschluß oder einer Weisung im Rahmen eines Unternehmensvertrages beruhen (s. auch Anm. 6 oben); ist letzteres gegeben, greift nach dem Ref.Entw. die besondere Haftung des E § 283 ein und, falls Weisungen außerhalb eines Unternehmensvertrages erteilt werden, die strenge Erfolgshaftung des E § 284. Im übrigen ändert der Ref.Entw. auch den Abs. 1 dahin, daß die Voraussetzung der Haftung „für sich oder einen anderen gesellschaftsfremde Sondervorteile zu erlangen" (s. Anm. 5) entfallt. Es genügt also jede vorsätzliche Einflußnahme, die zu einer Schädigung der AG oder ihrer Aktionäre führt. Es wird in E § 11 o Abs. 1 weiterhin klargestellt, daß der Aktionär nur einen ihn unmittelbar treffenden Schaden, nicht einen Schaden der Gesellschaft, ersetzt verlangen kann (s. dazu Anm. 9). Zu Abs. 2 will der Ref.Entw. klarstellen, daß die Vorschrift neben den §§ 84, 99 (E §§ 88, 109) auch einen direkten Anspruch der Aktionäre gegen die Verwaltungsmitglieder begründet (so auch Anm. 1). Ebenso wie auch bereits nach geltendem Recht gibt Abs. 5 den Gläubigern einen Anspruch auf Ersatzleistung (s. Anm. 13); daß es sich dabei wie in § 84 (E § 88) um einen Anspruch der Gesellschaft handelt, sagt E § 110 Abs. 5 ausdrücklich. Zur Kritik der Haftungsvorschriften des Entwurfs, insbesondere auch im konzernrechtlichen Bereich s. Würdinger Betr. 1958, 1447, Rasch BB '959, 165 fr.; W.Schmidt in Beiträge zur Aktienrechtsreform, 1959, S. 52 ff; Rautmann, dass. S. 189 fr.

45 Aktiengesetz, 2. Aufl.

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§ 102 Einl.

I. Buch: Aktiengesellschaft Vierter Abschnitt Hauptversammlung

§103 Allgemeines (1) Die Aktionäre üben ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus, soweit das Gesetz nichts anderes b e s t i m m t . (2) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben, auch w e n n sie nicht Aktionäre sind, das Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen. Übersicht: Anm.

Anm.

Einleitung I. Rechtsstellung der Aktionäre . . . i II. Rechtsstellung der Hauptversammlung 2

2. Rechte der Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung . . . . 5 HI. Teilnahmerecht von Vorstand und Aufsichtsrat 6

1. a) Ausübung der Aktionärsrechte 3 b) Stimmrecht 4

IV. Aktionärsausschüsse V. Reform

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Einleitung Die §§ 102 und 103 sind an die Stelle des § 250 HGB getreten. Sie behandeln die Art, wie die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre ausgeübt werden und umgrenzen die Zuständigkeit der Hauptversammlung. Über den tiefgreifenden Unterschied dieser Regelung gegenüber dem früheren Rechtszustand ist das Grundsätzliche bereits in den Vorbemerkungen zum 4. Teil (vor § 70) gesagt worden. Während HGB § 250 von den Rechten der Aktionäre „in Angelegenheiten der Gesellschaft, i n s b e s o n d e r e in b e z u g auf die F ü h r u n g d e r G e s c h ä f t e " spricht und damit die Hauptversammlung in jeder Hinsicht zu dem „obersten Willensorgan" der Gesellschaft, zu dem höchsten Verwaltungsträger macht, hat das Aktiengesetz in den §§ 70, 95 Abs. 1 und 5 und 103 Abs. 2 die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den drei gesetzlichen Verwaltungsträgern nicht nur wesentlich verändert, sondern auch der freien abweichenden Bestimmung durch die Satzung entzogen. Das Verhältnis der Verwaltungsträger zueinander ist endgültig festgelegt: dem V o r s t a n d steht die eigenverantwortliche selbständige Leitung des Unternehmens zu (§ 70), der A u f s i c h t s r a t hat die Geschäftsführung zu überwachen (§95 Abs. 1), A u f s i c h t s r a t u n d H a u p t v e r s a m m l u n g sind grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 95 Abs. 5 Satz 1 u. § 103 Abs. 2). Dem Aufsichtsrat können Maßnahmen der Geschäftsführung nicht übertragen werden; die Hauptversammlung kann in Fragen der Geschäftsführung nur e n t s c h e i d e n , wenn der Vorstand es verlangt. Damit ist die Kompetenz-Kompetenz der Hauptversammlung aufgehoben. Während nach früherem Recht die Generalversammlung jede Frage der Geschäftsführung an sich ziehen und über sie mit bindender Wirkung für den Vorstand entscheiden konnte, ist der Vorstand in d e r L e i t u n g des U n t e r n e h m e n s nach d e m Aktiengesetz von der Hauptversammlung unabhängig. Nur soweit er selbst zur eigenen Deckung die Entscheidung der Hauptversammlung anruft, ist deren Zuständigkeit auch in Fragen der Geschäftsführung gegeben. Die Einführung dieser zwingenden Zuständigkeitsregelung hat besondere Auswirkungen auf die konzernrechtliche Handhabung. Während nach früherem Recht die Konzernmutter als Alleinaktionär jederzeit eine Hauptversammlung der Konzerntochter abhalten und für diese ihren Vorstand bindende Geschäftsführungsmaßnahmen anordnen konnte, bleibt die theoretische Entscheidungsfreiheit und die praktische Verantwortung des Vorstands der beherrschten Konzerntochtergesellschaft nach § 70 im Konzernwesen des Aktiengesetzes unabänderlich bestehen. In konsequenter Durchführung dieser Zuständigkeitsabgrenzung ist auch die F e s t s t e l l u n g des J a h r e s a b s c h l u s s e s dem Vorstand unter Billigung des Aufsichtsrats vorbehalten (§ 125 Abs. 3); nur wenn diese beiden Verwaltungsträger über die Feststellung des Jahresabschlusses nicht einig sind oder sich für die Anrufung der 698

4. Teil: Verfassung der Aktiengesellschaft (Schmidt — Meyer-Landrut) § 102 A n m . 1, 2 Hauptversammlung entschließen, ist deren Zuständigkeit gegeben (§ 125 Abs. 4). Die Satzung kann an alledem nichts ändern (vgl. § 103 Anm. 2). Die Hauptversammlung bleibt aber, wie nach dem früheren Recht, für alle Entscheidungen über den verfassungsmäßigen Aufbau und die Kapitalgrundlagen der Gesellschaft zuständig, soweit nicht das Gesetz zwingend die Verfassung festlegt. Die Fragen der Kapitalbeschaffung, Kapitalherabsetzung, Verschmelzung, Vermögensübertragung und Umwandlung sind der Hauptversammlung vorbehalten. In dieser Beziehung liegt sogar eine Erweiterung der Zuständigkeit der Hauptversammlung gegenüber dem früheren Rechtszustand vor, insofern eine Reihe wichtiger Rechtsgeschäfte, die den Kapitalaufbau betreffen oder die wirtschaftliche Selbständigkeit der Gesellschaft berühren (§§ 174, 256), die Zustimmung der Hauptversammlung erfordern (§ 113 Anm. 2). Die Hauptversammlung ist damit nach wie vor oberstes Willensorgan der Gesellschaft (§ 70 Anm. 1; s. auch Baumbach-Hueck Anm. 2 c; HengelerKreifels in Beiträge, S. 23; teilweise abweichend Würdinger S. i5of.). Anm. 1 I. Die Mitgliedschaft, die die Aktie verkörpert, gewährt vermögensrechtliche Ansprüche und Verwaltungsrechte (§ 1 Anm. 10ff., insbesondere Anm. 17; Dür.-Hach.Flechtheim HGB §